Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich Sie um Verständnis bitten, dass Herr Bundesminister Lindner heute aufgrund eines Trauerfalls diese Rede nicht halten kann. Ich bin den Fraktionen sehr dankbar, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, mit dem Bundesminister am Donnerstag über den Haushalt zu sprechen. Dafür noch mal ganz herzlichen Dank.
Wir alle stehen noch unter dem Eindruck der sehr berührenden und tiefgehenden Rede von Staatspräsident Isaac Herzog, der trotz der beispiellosen Verbrechen, die Deutsche an Juden begangen haben, einen engen gemeinsamen Schulterschluss Israels und Deutschlands angesichts der Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft angeboten hat. Ich denke: Wir sollten dieses Angebot in Demut und Dankbarkeit annehmen.
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Wir stehen ohne jede Frage in der Bundesrepublik, in Europa und in der Welt vor einer Bewährungsprobe, wie wir sie lange nicht mehr erlebt haben. Die Pandemie hat Kraft gekostet: physische Kraft, soziale Kraft, auch finanzielle Kraft. Und der russische Angriff auf die Ukraine hat eine völlig neue Lage geschaffen. Wir sehen den Einsatz von Energie als Waffe. Wir sehen den Einsatz von Hunger als Waffe. Wir erleben explodierende Energiepreise und in Deutschland im August eine Inflation von 7,9 Prozent bei gleichzeitig stark zurückgehendem Wirtschaftswachstum.
Vieles ist im Ungewissen. Insofern, meine ich, sollte der Besuch von Staatspräsident Herzog und seine Rede hier heute für uns auch Anlass sein, uns vielleicht damit auseinanderzusetzen, wie der Staat Israel, der seit 1948 im Grunde beständig, fast Tag für Tag, herausgefordert wird – der Staatspräsident sprach den Anschlag auf das israelische Olympiateam 1972 und aktuell das iranische Atomprogramm an –, mit solchen Bewährungsproben umgeht.
In Israel ist es stets gelungen, auch unter schwierigstem Druck von außen eine vielfältige, eine innovative, eine sehr, sehr leistungsfähige Gesellschaft zu erhalten. Dort weiß man – das habe ich mir, als ich selbst letzte Woche in Israel war, noch mal eindrücklich zeigen lassen –: In schwierigen Zeiten ist es am riskantesten, nichts zu tun und alles zu lassen, wie es ist. Ich glaube, das können wir von Israel lernen, auch um selbst mit dieser Bewährungsprobe und der Ungewissheit umzugehen.
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Eine solche sehr ungewisse Lage, die sich natürlich auch ständig wandelt, bewältigt man dadurch, dass, wo es kurzfristig nötig ist, gehandelt wird, und zwar richtig gehandelt wird. Aber man überwindet sie dauerhaft nur dadurch, dass wir die Gesellschaft modernisieren, dass wir die strukturellen Probleme, die bereits vorher vorhanden waren, in der Krise erst recht und beschleunigt angehen. Genau das ist es auch, was wir jetzt in dieser Krise machen. Wir brauchen neue Lieferungen als Ersatz für russische Gaslieferungen, zum Beispiel Flüssiggas. Wir bauen dafür entsprechende Terminals. Und wir lernen daraus: Schnellere Planungsprozesse sind nicht nur beim Flüssiggas, sondern sie sind auch für die Energiewende, die Digitalisierung, den Wohnungsbau und die Infrastruktur wichtig. Deswegen kommt das. Das ist nur ein Beispiel.
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Wir lernen: Wir müssen in Deutschland in der Lage sein, sanktioniertes Vermögen zu erkennen und auch einzufrieren.
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Wir ziehen daraus den Schluss, dass es dabei auch nicht bleiben muss, sondern dass wir generell die Geldwäschebekämpfung in Deutschland auf eine neue Grundlage stellen müssen, so wie es der Bundesfinanzminister in der letzten Woche vorgeschlagen hat. Das ist ein weiter gehender Schluss, der dauerhaft Probleme abstellt, die vorher schon da waren.
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Wir stellen fest: Es gibt technologische Abhängigkeiten von Ländern, von denen wir nicht abhängig sein wollen und sein sollten. Wir ziehen daraus den Schluss: Wir brauchen eine Start-up-Strategie – der Bundeswirtschaftsminister ist hier –; wir brauchen ein Zukunftsfinanzierungsgesetz, das der Bundesfinanzminister mit dem Bundesjustizminister vorgeschlagen hat, um auch und gerade in den technologiebasierten neuen Geschäftsfeldern in Deutschland stärker zu werden, und das über den Tag und über diese Krise hinaus.
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Wir haben sehr viele Handlungsfelder, bei denen die Modernisierung des Landes angegangen wird – über den Tag und die aktuelle Krisensituation hinaus, und dennoch gibt es sie.
Das größte aktuelle Problem in Deutschland ist ohne jede Frage die Inflation und ihre Folgen. Sie überfordert viele Menschen schlichtweg in finanzieller Hinsicht. Sie raubt Menschen Planungssicherheit, Lebensplanung und damit auch individuelle Freiheit. Inflation gefährdet unternehmerischen Erfolg unserer Gesellschaft im Ganzen. Inflation zu bekämpfen, muss das oberste Ziel gerade auch der Finanzpolitik sein.
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Natürlich hat Inflation nicht nur eine Ursache; aber es ist wichtig, zuerst an den Ursachen anzusetzen und dann die Folgen zu kompensieren.
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Deswegen ist es wichtig für die Bekämpfung von Inflation, beispielsweise Flüssiggas oder andere alternative Energiequellen zu importieren. Es ist wichtig, mit einem modernen Einwanderungsrecht dafür zu sorgen, dass wir mehr Menschen haben, die hier am Arbeitsmarkt aktiv sind, und die Engpässe, die überall zu spüren sind, auch zu beseitigen. Genau das geht diese Koalition an. Es ist jahrelang nicht passiert; aber es ist nötig.
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Auch das hat mit der Bekämpfung von Inflationsursachen zu tun: Wir sollten erstens den Handel mit befreundeten Ländern erleichtern. Deswegen werden wir das Freihandelsabkommen mit Kanada ratifizieren und damit einen Beitrag dafür leisten, dass wir leichter an Importe kommen können als bisher.
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Zweitens. Der Staat sollte in inflationären Situationen nicht auch noch mit eigenen Regeln die Preise nach oben treiben. Es ist ohne jede Frage so, dass Preise wirken müssen, dass sich Preise bilden müssen und dass Preise auch dazu führen, dass die Gesellschaft bestimmte Dinge ändert, zum Beispiel sparsamer mit Energie umzugehen; das ist so.
Dennoch muss man natürlich die Frage stellen, ob es in einer Situation, in der sich Inflation aufbaut und in der es sich entscheidet, ob sie bleibt oder ob sie wieder sinkt, klug ist, an dieser Stelle, wo es auf Inflationserwartungen ankommt, auch noch staatlicherseits Preise zu treiben. Deswegen haben wir die EEG-Umlage zum 1. Juli 2022 abgeschafft und den Strompreis damit entlastet.
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Deswegen haben wir am Wochenende eine Strompreisbremse beschlossen, die in großem Umfang und mit einem sozialen Schwerpunkt Menschen von den hohen Strompreisen entlasten wird. Deswegen haben wir auch beschlossen, die Erhöhung der staatlichen CO2-Bepreisung zu verschieben.
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All das soll dafür sorgen, dass die Inflationserwartungen nicht noch weiter steigen, und dabei helfen, die Inflation wieder in den Griff zu bekommen.
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Dennoch gibt es sie. Deswegen müssen wir natürlich dafür sorgen, dass ihre Folgen kompensiert werden, wobei der Staat ganz sicher nicht alles kompensieren kann. Aber wir haben dieses Jahr ein beachtliches Paket von, wenn man alles zusammenzählt, über 95 Milliarden Euro in verschiedenen Schritten auf den Weg gebracht; das ist äußerst beachtlich, und das zeigt, wie leistungsfähig das Land ist, in dem wir leben. Es geht dabei um direkte Hilfen für Menschen, die besonders betroffen sind, die besonders stark unter den steigenden Preisen leiden. Das sind die Empfänger von staatlichen Hilfen, das sind die Empfänger von Wohngeld, das sind Familien, das sind Erwerbstätige, Rentner, Pensionäre und Studenten.
Ich warne davor, zu sagen – weil wir diesen Gruppen mit unterschiedlichen Instrumenten helfen –, das sei wie mit einer Gießkanne. Denn es gibt gerade auch in der Mittelschicht viele Menschen, die bezahlen ihre Stromrechnung selber, die bezahlen ihre Gasrechnung selber, und die brauchen jetzt Unterstützung. Aber es gibt nicht immer das eine einzige Instrument, mit dem man alle erreichen kann. Deswegen ist es nötig, mehrere Instrumente nebeneinander anzuwenden. Genau das tun wir, weil wir auch an die Mittelschicht denken, die mit dieser Situation zurande kommen muss.
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Und wir werden durch den Ausgleich der kalten Progression dafür sorgen, dass die Menschen, die Steuern bezahlen, nicht durch die Inflation faktisch in einen höheren Steuertarif getrieben werden. Wenn jemand, der bisher 40 000 Euro verdient hat, zwar weiterhin 40 000 Euro verdient, aber durch die Inflation künftig eine Kaufkraft von 37 000 Euro hat, ist es nicht richtig, ihm mehr Steuern abzuverlangen als vorher. Dann bestraft man die Menschen doppelt, indem sie einerseits mit der Inflation leben müssen und man ihnen andererseits höhere Steuern abverlangt. Genau das wollen wir ausgleichen. Genau das ist unser faires Angebot an die Mittelschicht.
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Insofern haben wir uns mit einem wuchtigen Paket auch den Folgen, den Erscheinungen dieser hohen Inflation gestellt.
Zu einer Bekämpfung von Inflation gehört aber auch, dass Haushalte konsolidiert werden. Es ist anders als in Zeiten der Pandemie, wo es richtig war, eine expansive Fiskalpolitik zu betreiben, heute ziemlicher Konsens, dass wir keine expansive Fiskalpolitik mehr benötigen, sondern eine planvolle Rückkehr zu sinkenden Defiziten. Auch das ist Zeitenwende; denn wir haben eine andere ökonomische Situation als noch in der Pandemie.
Für Deutschland bedeutet das, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf im Jahr 2023 zur Regelgrenze der Schuldenbremse zurückkehren werden. Die Schuldenbremse ist nicht irgendetwas. Sie ist auch nicht, wie ich in Zeitungen manchmal lesen darf, ein Fetisch oder irgendetwas Ähnliches, sondern sie ist im Kern eine Regel, die mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Zweidrittelmehrheit im Bundesrat in unser Grundgesetz geschrieben worden ist und dementsprechend auch den Respekt verdient, den eine Regel im Grundgesetz verdient.
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Sie ist einzuhalten. Man kann politisch dafür argumentieren, sie wieder zu ändern.
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Aber sie gilt, und sie ist nicht mit bestimmten Worten despektierlich zu behandeln. Ein Finanzminister, der sich der Einhaltung des Grundgesetzes verpflichtet fühlt, erfüllt nicht mehr und nicht weniger als seinen Amtseid, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Insofern lautet der Vorschlag, der Ihnen vorliegt, dass die Neuverschuldung nach 215,4 Milliarden Euro im Jahr 2021 und maximal 138,9 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 17,2 Milliarden Euro im nächsten Jahr abgesenkt wird. Das ist ein schwieriger Schritt. Das ist auch ein Schritt, der mit Konsolidierungsmaßnahmen verbunden ist, beispielsweise einer Stelleneinsparung von 1,5 Prozent – ausgenommen ist der Sicherheitsbereich –, der mit einer globalen Minderausgabe verbunden ist, die alle Ressorts zu erbringen haben.
Aber es ist ein notwendiger Schritt; denn die Schuldenbremse hat ja einen Sinn. Sie soll zwei Dinge leisten: Sie soll dafür sorgen, dass heutige Generationen ihre Herausforderungen nicht in einer Weise lösen, die es künftigen Generationen schwer oder unmöglich macht, die Herausforderungen, die sich ihnen irgendwann stellen werden, genauso gut in den Griff zu kriegen wie wir heute. Und die Schuldenbremse ist eine Regel, die fundamental darauf ausgerichtet ist, die Handlungsfähigkeit unseres Staates und damit auch die Akzeptanz und Stärke unseres Staates zu erhalten.
Das letzte Jahrzehnt ist ja ein gutes Beispiel dafür. Wir sind aus der Finanzkrise im Jahr 2010 gesamtstaatlich mit einem Schuldenstand von etwa 80 Prozent herausgekommen. Und im Jahr 2019 – der Herr Bundeskanzler hat das als damaliger Finanzminister direkt und aus der Nähe erlebt –, vor der Pandemie, haben wir es geschafft, bei 58,9 Prozent Schuldenstand zu landen. Es ist gelungen, in einem Jahrzehnt von 80 Prozent auf unter 60 Prozent zu kommen. Und nur dadurch, dass das passiert ist, ist es auch gelungen, dass wir in der Pandemie die finanziellen Möglichkeiten hatten, expansiv zu reagieren.
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Der Zusammenhang ist klar: Die Schuldenbremse schützt die Handlungsfähigkeit und Krisenfähigkeit des Staates in der Zukunft.
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Natürlich ist es richtig, dass die Herausforderungen heute multipel sind; die Krisen sind multipel. Wir haben eine Pandemie, die in einer anderen Phase als noch vor einem Jahr ist, aber die noch da ist, die Aufmerksamkeit erfordert. Wir haben die Herausforderung des Krieges, der Inflation und die Aufgabe, sehr schnell unseren CO2-Ausstoß abzusenken, plus einen großen Investitionsbedarf; das ist unbestritten. Aber keine dieser Herausforderungen verschwindet in einem Jahr oder in zwei Jahren. Es sind alles staatliche Daueraufgaben. Deshalb ist es richtig und nötig, diese staatlichen Daueraufgaben strukturell in den Haushalt einzuarbeiten. Genau darum geht es jetzt, und genau dafür ist der Haushalt 2023 und der mit vorgelegte Finanzplan der richtige Schritt.
Eines wird oft vergessen: Wenn man die Schuldenbremse aussetzt, führt das dazu, dass man erst mal mehr ausgeben kann, aber es führt auch dazu, dass später mehr getilgt werden muss. Auch das ist ein Argument dafür – wenn wir wissen, dass das Daueraufgaben sind –, dass wir sie früher einhalten; dann müssen wir später weniger tilgen und haben größere Handlungsspielräume.
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Insofern ist es wichtig, dass wir diese Regeln jetzt wieder einhalten.
Ich will auch sehr deutlich sagen: Die Entlastungsmaßnahmen, die ich gerade angesprochen habe, die wir gemeinsam am Wochenende beschlossen haben, die, glaube ich, eine starke Wirkung haben werden, sind mit diesem Ziel vereinbar. Wir haben im laufenden Haushaltsjahr Spielräume dadurch, dass wir sparsam gewirtschaftet haben. Wir haben in diesem Jahr und auch im nächsten Jahr absehbar höhere Steuereinnahmen, die wir zurückgeben können und auch zurückgeben wollen.
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Und wir haben im Regierungsentwurf 2023 bereits Vorsorge geschaffen, auch und gerade für Entlastungsmaßnahmen, die wir nutzen können. Insofern sind die beschlossenen Entlastungen nach unserer Auffassung mit dem Ziel, die Schuldenbremse für den Bund wieder einzuhalten, vereinbar. Ich will aber auch sehr deutlich sagen: Mehr zu tun, ist dem Bund nicht möglich. Es ist das, was wir jetzt leisten können und auch leisten werden.
Ich möchte zum Abschluss noch auf einige Schwerpunkte in diesem Haushalt eingehen, weil auch deutlich wird, dass wir in Krisenzeiten sehr wohl in sehr vielen Politikfeldern Schwerpunkte setzen und neue Projekte beginnen können.
Die Schuldenbremse ist weder Investitions- noch Innovationsbremse. Man sieht das am Investitionsetat. Die Investitionsausgaben des Bundes bleiben auf Rekordniveau. Wir haben mit 51 Milliarden Euro einen sehr hohen Wert für Investitionen. Dahinter verbergen sich natürlich vor allem Verkehrsinvestitionen, wobei mehr Geld in die Schiene als in die Straße fließt. Wir haben Zukunftsprojekte im Bereich Mikroelektronik von über 4 Milliarden Euro; diese bedeuten auch ein Stück Autonomie, ein Stück Unabhängigkeit. Wir haben hohe Investitionen im Klima- und Transformationsfonds für Wasserstoffwirtschaft, E‑Mobilität und Gebäudesanierung, wo wir eine stark steigende Nachfrage angesichts der aktuellen Situation beobachten. Deutschland investiert, der Bund investiert und kommt damit seinen Aufgaben und Verpflichtungen in vollem Umfang nach.
Wir haben im Bereich Bildung und Forschung ebenfalls wachsende Plafonds. Natürlich ist das etwas, was gerade für die Zukunft unseres Landes sehr wichtig ist. Wir werden im Finanzplanungszeitraum insgesamt etwa 4 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgeben können als noch in der vorherigen Finanzplanung angesetzt, zum Beispiel für Leistungsverbesserungen beim BAföG und eine Stärkung der missionsorientierten Forschung.
Wir geben Geld aus selbstverständlich auch für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts. Für den sozialen Wohnungsbau zum Beispiel werden wir den Ländern steigende Mittel zur Verfügung stellen, damit sie das Ziel, pro Jahr 400 000 Wohnungen, davon 100 000 öffentlich geförderte, zu bauen, realisieren können. Wir werden die gesetzliche Rentenversicherung weiterhin mit großen Summen unterstützen. 112 Milliarden Euro sind das im kommenden Jahr; der Betrag wird bis zum Jahr 2026 auf 128,8 Milliarden Euro ansteigen.
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Und wir werden, weil die gesetzliche Krankenversicherung in einem Zustand übergeben worden ist, der – um es nett auszudrücken – ausgesprochen reformbedürftig ist, auch aus dem Bundeshaushalt noch mal 2 Milliarden Euro als Zuschuss und 1 Milliarde Euro als Darlehen in ein gutes Gesundheitssystem stecken. Diese Dinge machen wir, weil sie richtig sind, weil sie den Alltag der Bürgerinnen und Bürger betreffen. Sie sind auch in den Zeiten, die wir momentan erleben, möglich.
Wir haben ansonsten selbstverständlich auch riesige Herausforderungen im internationalen Bereich. Wir haben uns darauf verständigt, 2023 4 Milliarden Euro zur internationalen Klimafinanzierung beizutragen. Wir haben auch die sogenannten ODA-Maßnahmen, also die Maßnahmen für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit einschließlich humanitärer Hilfe, fortgeschrieben auf über 22 Milliarden Euro. Deutschland wird nach den USA auch im kommenden Jahr der weltweit größte Geber sein. Nach allem, was wir voraussagen können, werden wir auch die ODA-Quote von 0,7 Prozent, die das Ziel für diesen Bereich sind, mit dem Haushaltsentwurf, den wir hier vorgelegt haben, einhalten können. Das ist ein wichtiges Signal; denn – ich habe es schon angesprochen – Hunger als Waffe einzusetzen, ist auch ein Teil dessen, was Putin macht. Insofern sind wir hier gefordert, uns entsprechend einzubringen, so wie es Deutschlands Rolle in der Welt gebührt.
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Wir werden, nachdem wir im Frühjahr das Sondervermögen für die Bundeswehr beschließen konnten, auch den Verteidigungsetat fortschreiben mit 50,1 Milliarden Euro; das sind übrigens etwa 3 Milliarden Euro mehr, als in der letzten Finanzplanung der Regierung Merkel im Einzelplan 14 für dieses Jahr für die Bundeswehr eingeplant wurden.
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– Und eine Zeitenwende, Herr Kollege Frei. Ich dachte, jetzt sind Sie zufrieden; denn Sie haben ja immer gesagt: Die Bundeswehr soll mehr bekommen. – Wir reden immerhin von über 3 Milliarden Euro mehr, als Sie noch vor einem Jahr vorgeschlagen hatten. Ich finde, das ist eigentlich ein ziemlich guter Schritt,
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zumal die finanziellen Rahmenbedingungen ja nicht einfacher geworden sind in der Zeit.
Die 100 Milliarden Euro des Sondervermögens werden natürlich schrittweise abfließen in dem Maße, in dem auch Lieferungen von entsprechenden militärischen Geräten erfolgen. Wir rechnen damit, dass das im nächsten Jahr zusätzlich zum Einzelplan 14 etwa 8,5 Milliarden Euro sein werden. Man muss aber sagen: Der besondere Nutzen dieses Sondervermögens liegt ja gerade darin, dass die Bundeswehr mit dem Budget von 100 Milliarden Euro sofort planen kann und sofort parallel beschaffen kann. Insofern sind wir sehr froh, dass wir diese Möglichkeit haben, jetzt auf einen Schlag und damit auch systematisch die Streitkräfte so zu modernisieren, wie es auch vorher schon richtig gewesen wäre, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Es ist ohne jede Frage eine herausfordernde Umgebung. Es ist auch nicht so, dass es für all diese Themen leichte Lösungen geben würde oder dass das hier jemand so vortragen würde. Es gibt Auseinandersetzungen zu führen, es gibt auch Dinge abzuwägen. Dieser Haushalt bringt sehr viele Ziele, die wir verfolgen – Krisenbewältigung, aber auch zukünftig Investitionen, Soziales, Infrastruktur –, zusammen. Er ist eine gute Grundlage für die parlamentarischen Beratungen; davon bin ich überzeugt.
Selbstverständlich wird es – gerade in der jetzigen Umgebung – auch noch Dinge geben, die geändert, die eingearbeitet werden müssen, einschließlich der Beschlüsse des letzten Wochenendes zu Entlastungen; das ist selbstverständlich. Aber ich meine, der Haushalt zeigt: Dieses Land hat enorme Ressourcen. Wenn dieses Land es schafft, seinen Staat klug einzusetzen, seine staatlichen Mittel klug einzusetzen, und gleichzeitig auf die Kraft der Gesellschaft vertraut, dann können wir auch diese Bewährungsprobe, in der wir sind, meistern. So ähnlich, meine ich, würden auch die Menschen in Israel mit dieser Situation umgehen. Machen wir uns das zu eigen, und nehmen wir diese Aufgaben an!
Ich danke Ihnen sehr herzlich.
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Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Herrn Minister Lindner im Namen meiner ganzen Fraktion unsere besten Wünsche übermitteln. Wir haben vollstes Verständnis für ihn und wünschen ihm alles Gute.
Zum Haushaltsentwurf 2023. Insgesamt verdient dieser Entwurf Kritik, und zwar sehr deutliche Kritik. Ich will aber einen Punkt hervorheben, den ich in dem Entwurf auch ausdrücklich loben will, und zwar ist das das Ziel der Einhaltung der Schuldenbremse. Sie selber, Herr Toncar, haben angesprochen, dass das von manchen für einen Fetisch gehalten wird. Denselben Begriff habe ich mir hier in meinem Redeentwurf auch notiert.
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Aber das müssen Sie natürlich mit Ihren eigenen Leuten in Ihrer eigenen Koalition ausmachen. Das müssen Sie mit Herrn Mützenich diskutieren, mit Frau Esken, mit Frau Paus. Also vielleicht unterhalten Sie sich mit denen noch mal darüber, was die Schuldenbremse eigentlich bedeutet; denn das haben Sie hier ja ganz vernünftig erklärt.
In der Nullzinsphase kann man da vielleicht noch drüber lächeln. In der aktuellen Phase, in der wir für unsere Kredite wieder Zinsen bezahlen müssen, wird uns das Geld, mit dem wir hätten Politik gestalten können, dann aufgrund der Zinszahlungen in jedem Folgejahr fehlen. Für 100 Milliarden Euro, die Sie jetzt neu aufnehmen – und Sie nehmen im laufenden Jahr 140 Milliarden Euro neue Schulden auf –, fehlen Ihnen in jedem Jahr 1,5 Milliarden Euro, die Sie für Zinsen zahlen müssen.
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Das ist genau der Betrag, den Sie jetzt jedes Jahr für das Nahverkehrsticket aufwenden wollen. Das zeigt, wie wichtig die Einhaltung der Schuldenbremse ist; denn Sie würgen sich in Zukunft, wenn Sie sie nicht einhalten, Ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten ab. Dann können Sie nämlich Dinge wie ein Nahverkehrsticket und anderes nicht mehr bezahlen.
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Das sieht man jetzt schon an Ihrer Finanzplanung: Im letzten Jahr haben wir für Zinsen 4 Milliarden Euro für die gesamte Bundesschuld aufwenden müssen. In diesem Jahr rechnet Ihr Minister mit 16 Milliarden Euro,
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und im nächsten Jahr mit fast 30 Milliarden Euro. Das zeigt, wie Ihnen die Spielräume verengt werden, wenn Sie weiter Schulden machen.
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Deswegen sage ich Ihnen: Inflation ist wirklich die schlimmste – das haben Sie auch zu Recht gesagt – soziale Ungerechtigkeit. Sie trifft kleine Einkommen und kleine Renten. Die Bekämpfung der Inflation geht am besten, indem Sie keine Schulden machen, indem Sie die Schuldenbremse einhalten. Die Schuldenbremse ist eine Frage der Nachhaltigkeit, der Inflationsbekämpfung, und die Schuldenbremse einzuhalten, ist sozial gerechte Politik.
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Ihnen gelingt es allerdings im nächsten Jahr nur, die Schuldenbremse einzuhalten, weil Sie die über Jahre von Wolfgang Schäuble aufgebaute Asylrücklage praktisch in einem Jahr verbraten. Von den 48 Milliarden Euro verplanen Sie allein im nächsten Jahr über 40 Milliarden Euro. Nur deshalb gelingt Ihnen die Einhaltung der Schuldenbremse. Nachhaltig ist das nicht.
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Besonders dramatisch sind Ihre unzureichenden Ansätze im Bereich der Sozialversicherung. Wir haben Rekordbeschäftigung in diesem Land, wir haben Rekordsteuereinnahmen, und trotzdem sind wir nicht in der Lage, bei dieser, ich sage mal, wirklich guten wirtschaftlichen Situation, unsere Sozialversicherungen zu finanzieren. Wir können die Rente daraus nicht bezahlen, wir können die Krankenversicherung nicht mehr bezahlen, und wir können auch die Pflegeversicherung daraus nicht finanzieren.
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Wir als Union haben selber – ich sage das ganz offen – gerade beim Thema Rente Dinge auch geschoben. Der Unterschied ist nur: Wir haben mit dem Thema keinen Wahlkampf gemacht.
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Ihr Bundeskanzler, der jetzt leider nicht mehr hier ist, hat dieses Thema als Wahlkampfthema verkauft. Er hat sich plakatieren lassen als „Kanzler für sichere Renten“.
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Wenn wir uns jetzt ansehen, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart und bisher in diesem Bereich geleistet haben, dann ist das genau genommen gar nichts.
Sie haben nur Ziele festgeschrieben: Sie wollen das Rentenalter stabil halten. Sie wollen das Rentenniveau stabil halten, und die Beiträge sollen stabil bleiben. Wie Sie das leisten wollen, schreiben Sie an keiner Stelle.
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Das ist extrem unglaubhaft, und es ist noch unglaubhafter, wenn Sie sich die Altersentwicklung in diesem Land ansehen. Wenn bald die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, wird das gesamte System zusammenbrechen.
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– Dafür, Herr Kindler, haben Sie null Vorsorge getroffen. Das ist die Wirklichkeit!
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„Respekt“. Ihr Kanzler hat im Wahlkampf von Respekt gesprochen. Ich sage Ihnen: Respekt würde er zeigen, wenn er sich dieses großen Themas – Sicherung der Altersversorgung – mal endlich annähme.
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Thema Entlastungspaket. Das haben Sie am Sonntag richtig schön medienwirksam verkauft. Sie schreiben in diesem Papier, das Sie dazu veröffentlicht haben:
Die begrenzten finanziellen Spielräume erfordern erhebliche Anstrengungen aller drei Koalitionspartner und aller Ressorts.
Dass Sie große Anstrengungen unternommen haben, glaube ich Ihnen sogar. Nur, der Satz vermittelt den Eindruck, Sie hätten im Haushalt wirklich mal Umschichtungen oder schmerzhafte Einschränkungen vorgenommen, mit anderen Worten: Sie hätten „Zeitenwende“ wirklich umgesetzt. Das haben Sie null!
Und das, was Sie jetzt über Entlastungen zurückverteilen, ist das, was Sie den Leuten vorher über Steuern aus der Tasche gezogen haben. Das ist die Wirklichkeit. Wir haben in diesem Jahr enorm gestiegene Preise. Das kann jeder, der tankt, sehen. Und da darauf jetzt 19 Prozent Umsatzsteuer erhoben werden, nimmt der Staat natürlich irre viel mehr an Umsatzsteuer ein. Sie haben bis Ende Juli, also in den ersten sieben Monaten des Jahres, insgesamt schon 30 Milliarden Euro mehr eingenommen. Davon steht die Hälfte dem Bund zu. Am Ende werden es 50 Milliarden Euro mehr für den Gesamtstaat sein und 24 Milliarden Euro mehr für den Bund.
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Über die kalte Progression, die Sie im nächsten Jahr ausgleichen wollen, aber in diesem Jahr einfach mal so einkassieren – das ist nämlich die Wirklichkeit –, nehmen Sie noch mal 10 Milliarden Euro mehr nur beim Bund ein. Das sind zusammengerechnet reichlich mehr als die 32 Milliarden Euro, die Herr Lindner groß verkauft als den Anteil des Bundes am Entlastungspaket.
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Das ist also nix mit wirklicher Entlastung, sondern das ist linke Tasche, rechte Tasche.
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Thema Gasumlage. Da hat Ihr Bundeskanzler gesagt: Mit diesem Schritt, also der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 7 Prozent, „entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung ausmacht, die durch die Gasumlage entsteht“. An diesem Satz stimmt genau gar nichts, überhaupt nichts. Die Gasverbraucher zahlen die Gasumlage jetzt obendrauf. Und weil sich der Gaspreis jetzt schon verdrei- oder vervierfacht hat, ist doch klar, dass sie selbst bei abgesenkter Mehrwertsteuer auf den dreifach höheren Betrag im Ergebnis mehr Mehrwertsteuer zahlen werden. Das ist doch ganz einfach! Das kann jeder Schwachkopf rechnen.
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Wenn Sie vorher eine Gasrechnung über 1 000 Euro hatten und haben darauf 19 Prozent gezahlt, dann haben Sie 190 Euro an Steuern gezahlt. Wenn Sie jetzt eine dreifach höhere Gasrechnung haben, also in Höhe von 3 000 Euro, und Sie zahlen darauf 7 Prozent Steuern, dann zahlen Sie jetzt 210 Euro. Sie belasten die Leute noch zusätzlich!
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Was Ihr Kanzler gesagt hat, ist absoluter Schwachsinn! Das muss man mal so deutlich sagen. Er hat nicht nur überrascht durch seine Erinnerungslücken in den letzten Monaten – jetzt hat er auch noch Probleme beim Rechnen. Vielleicht helfen Sie ihm da mal!
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Ihr Paket kommt viel zu spät. Den ganzen Sommer haben Sie verplempert durch Streitereien und durch unendlichen Zank in Ihrer Koalition. Sie haben eben davon gesprochen, was man tun könne, um die Inflation zu bekämpfen. Ja, gerade beim Thema Energie kann man an die Angebotsseite denken – was die FDP offensichtlich auch tut, lobenswerterweise. Ihr gerade entlaufener Wirtschaftsminister tut das leider nicht. Wir würden uns freuen, wenn er hier noch zuhören würde; denn er ist der Hauptbetroffene.
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Dieser Stresstest, den Herr Habeck da veranstaltet hat, war doch völliger Blödsinn. Er hat nur getestet, ob die Netzstabilität durch den Betrieb der drei Kernkraftwerke, die noch laufen, gesichert ist.
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Darum allein geht es doch gar nicht. Er hätte den Stresstest auch im Hinblick darauf machen müssen, wie sich das wirtschaftlich auf den Strompreis auswirkt
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und wie es sich auf das Thema Gassparen auswirkt.
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Das wären doch die relevanten Fragen gewesen.
Die Leute, mit denen ich im Wahlkreis zu tun habe – Mittelständler wie Bäckereien, Einzelhändler, ein Stahlunternehmen, das ich letzte Woche besucht habe –,
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– haben mir ihre neuen Strombezugsangebote vorgelegt. Da geht es um das Zehn- bis Zwölffache des Strompreises! Herr Habeck sagt, wir hätten kein Stromproblem. Doch, wir haben eins. Er muss sich da ganz zügig korrigieren.
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Und der nächste Redner in der Debatte ist Dennis Rohde, SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Middelberg, mit Verlaub: Der Ton Ihrer Rede hat in Teilen an eine andere Fraktion in diesem Hause erinnert. Ich hoffe, dass das nicht Standard hier wird.
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Und noch etwas: Der Beginn Ihrer Rede, wo Sie über Zinsbelastungen und Schulden gesprochen haben, wäre gut gewesen, wenn Sie eine komplett neue Fraktion im Deutschen Bundestag gewesen wären, die noch nie Regierungsverantwortung hatte.
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Dieser Staat hat 1,5 Billionen Euro Schulden.
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Sie haben die meiste Zeit regiert. Wenn Sie mit dem Finger auf andere zeigen, zeigen mindestens vier Finger auf Sie zurück.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab in den letzten Tagen eine gute Nachricht: Die Füllstände unserer Gasspeicher haben die wichtige Marke von 85 Prozent erreicht. Das ist nur möglich gewesen, weil die Regierung in den letzten Monaten besonnen reagiert hat und nicht dem Aktionismus einiger verfallen ist, die im März schon alle Gasleitungen nach Osten dichtmachen wollten.
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Uns würden Gigawattstunden an Gas fehlen, und das wäre fatal für dieses Land gewesen. Ich bin dieser Bundesregierung dankbar, dass sie das Problem, vor dem wir stehen, nicht noch multipliziert hat, sondern so besonnen reagiert hat.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle, jede Bürgerin, jeder Bürger, hätte sich ein bisschen Ruhe nach der Pandemie gewünscht. Wir alle hätten uns gewünscht, dass nach den zwei sehr intensiven Krisenjahren jetzt ruhigere Zeiten kommen. Aber einmal mehr wurden wir mit einer neuen Realität konfrontiert. Ich glaube, wir sollten an diesem Punkt den Blick zurückwerfen und schauen, wie wir die letzten Krisen bewältigt haben.
2008/2009 ist dieses Land in eine große Finanz- und Wirtschaftskrise geraten. Es ist nicht aus dieser Krise herausgekommen, indem der Staat gefragt hat: „Wer kann das Problem lösen? Ist jemand bereit, es anzugehen?“, sondern indem der Staat selbst das Heft des Handelns in die Hand genommen hat:
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weil wir das Kurzarbeitergeld ausgewiesen haben, weil wir die Spareinlagen sichergestellt haben. Damals hat uns ein starker Staat aus dieser Krise geholfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Als 2020 die Coronapandemie über uns hereinbrach, hat der Staat wieder nicht gefragt: „Wer kann uns denn helfen? Wer handelt denn, damit Arbeitsplätze und Wirtschaft erhalten bleiben?“, sondern es war wieder ein starker Staat, der gehandelt hat, der Rettungspakete in noch nie dagewesener Größenordnung geschnürt hat, der Kurzarbeitergeld mobilisiert hat.
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Wieder war es ein starker Staat, der uns durch diese Krise gebracht hat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Und das, was uns durch die letzten Krisen gebracht hat, das muss auch Blaupause für diese Krise sein. Ich sage auch für die Fraktion der SPD: Wir brauchen jetzt wieder einen starken Staat, der die Bürgerinnen und Bürger nicht alleinlässt. Nur gemeinsam kommen wir stark durch diese Krise!
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Wir brauchen jetzt einen Staat, der, wie auch in den letzten beiden Krisen, bereit ist, Jobs und Arbeitsplätze zu sichern, aber auch einen, der bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern angesichts der explodierenden Energiepreise zur Seite zu stehen. Und genau das tun wir in den letzten Monaten, genau das tun wir seit Kriegsbeginn. Und genau das hat die Koalition am Wochenende mit dem nächsten Entlastungspaket vorgelegt.
Wir haben erneut Direktzahlungen vereinbart: an die Rentnerinnen und Rentner, an die Studierenden,
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um zumindest einen Teil der Mehrkosten aufzufangen. Wir nehmen Familien in den Blick durch ein höheres Kindergeld und einen höheren Kinderzuschlag – ein wichtiges Signal an alle Familien in diesem Land!
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Wir weiten das Wohngeld massiv aus. Wir machen das kurzfristig, aber es ist auch langfristig angelegt, um abzuwenden, dass Menschen, die jetzt finanziell schon sehr knapp dran sind, in eine existenzbedrohende Situation kommen. Auch das ist ein wichtiges Signal eines starken, eines handelnden Staates, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich finde die Debatte um die CO2-Abgabe, die einige Wissenschaftler gerade führen, auch sehr spannend. Wir haben gesagt: Die CO2-Abgabe ist dafür da, eine Lenkungswirkung zu entfalten. – Aber in Zeiten immens hoher Energiepreise ist es richtig, zu sagen: Die Erhöhung setzen wir aus; die verschieben wir erst mal, weil die Preise schon so hoch sind. – Wenn dann Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einem fatalen Signal sprechen und die Lenkungswirkung als abhandengekommen ansehen, dann frage ich mich, in welcher Wirklichkeit die leben. Jetzt geht es darum, Bürgerinnen und Bürger zu entlasten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als Bund, auch wenn es verfassungsrechtlich nicht unsere Aufgabe ist, sind bereit, einen Nachfolger für das 9‑Euro-Ticket mitzufinanzieren. Aber an der Stelle liegt die Betonung auf „mitfinanzieren“. Wir sind bereit, 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, dass die Länder da mitmachen und wir gemeinsam ein erfolgreiches Nachfolgeticket auf den Weg bringen.
({15})
Wir haben uns gemeinsam mit Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf eine Einmalzahlung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verständigt, die komplett steuer- und abgabefrei ist. Auch das ist ein wichtiges Signal.
Und ja, das alles wird Geld kosten. Das alles wird den Bundeshaushalt belasten. Das alles wird die Länderhaushalte belasten. Das alles wird den Klima- und Transformationsfonds belasten. Da kommt eine große Finanzierungsaufgabe auf uns zu. Aber ich finde, es gilt genau dasselbe, was 2008 und 2009 gegolten hat; es gilt genau dasselbe, was 2020 und 2021 gegolten hat: Wenn wir jetzt nichts tun würden, dann würde es für den Staat am Ende wesentlich teurer werden. Und dann würde es auch für die Bürgerinnen und Bürger wesentlich teurer werden. Wir müssen jetzt handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen!
({16})
Wir schieben die Finanzierung eben nicht in die Zukunft. Wir erleben das ja gerade auf dem Strommarkt. Dort ist aufgrund der Marktmechanismen, dadurch, dass der Strompreis deutlich nach oben geht, gerade die Situation entstanden, dass Unternehmen, die zum Beispiel Billigstrom aus Erneuerbaren einkaufen können, nun Milliardenumsätze bzw. ‑gewinne machen.
({17})
Wir sagen jetzt eben nicht: Wir kompensieren das, indem der Bund einspringt und neue Schulden macht, die dann vielleicht ab 2028 von den nachfolgenden Generationen bezahlt werden müssen. – Vielmehr ist uns klar: Wer Zufallsgewinne in einer Krise macht, der muss sie auch zur Verfügung stellen, damit der Strompreis nicht durch die Decke geht. Auch das ist soziale Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({18})
Noch etwas gehört zur Wahrheit – das ist gerade zu Recht angesprochen worden –: Die Inflation treibt natürlich auch die Umsatzsteuereinnahmen des Bundes in die Höhe. Ich glaube, die Menschen haben ein sehr feines Gefühl dafür, ob wir dazu, was wir von anderen fordern, nämlich bereit zu sein, ihre Übergewinne wieder zurückzugeben, auch selbst bereit sind. Deshalb ist es richtig, dass der Bund sagt: Das, was wir an Mehrwertsteuermehreinnahmen haben, das, was wir quasi als Zufallsgewinne, als Übergewinne haben, das geben wir an die Bürgerinnen und Bürger zurück.
Angesichts dessen, was ich jetzt von dem einen oder anderen Ministerpräsidenten höre, zum Beispiel von Herrn Wüst aus NRW, muss ich sagen: Ich finde, dasselbe gilt auch für die Landeshaushalte. Die Länder bekommen nämlich 52 Prozent dieser Einnahmen. Auch sie haben an dieser Stelle eine Verantwortung.
({19})
Der Bundeshaushalt 2023 ist im Volumen um rund 50 Milliarden Euro geringer als der für dieses Jahr. Wenn andere regiert und das getan hätten, was sie beim letzten Haushalt gefordert haben, nämlich die Rücklage komplett aufzulösen, dann hätten wir jetzt die Situation, dass es nicht 50 Milliarden Euro wären, sondern 90 Milliarden Euro. Nur weil wir über Jahre dafür gesorgt haben, dass wir die Rücklage dann einsetzen können, wenn wir die Schuldenbremse wieder einhalten, schaffen wir es, eine soziale Abbruchkante in diesem Land zu verhindern. Die vorausschauende Politik der letzten Jahre zahlt sich heute aus, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({20})
Wir stehen vor Haushaltsverhandlungen, die erneut mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Wir wissen nicht, wie sich die Zinsen in den nächsten Wochen und Monaten entwickeln werden. Wir wissen nicht gesichert, wie sich die Inflation, wie sich das Wirtschaftswachstum unseres Landes entwickeln werden. Wir wissen nicht, wie sich der Arbeitsmarkt entwickeln und was sich demzufolge in den Sozialversicherungssystemen abspielen wird. Wir werden eventuell auf weitere Dinge reagieren müssen, zum Beispiel auch im internationalen Kontext.
Deshalb sage ich für unsere Fraktion: Wir sind bereit, in den Haushaltsverhandlungen der nächsten Monate auch auf die sich verändernden Ausgangslagen zu reagieren. Am Ende muss die Botschaft sein: Wir lassen die Bürgerinnen und Bürger nicht allein. Nur gemeinsam sind wir in dieser Krise stark. Das muss in den nächsten Wochen über allem stehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({21})
Primäre Aufgabe ist es, dieses Land gut durch die Krise zu bekommen. Das ist Schwerpunkt der nächsten Wochen und Monate. Dafür setzen wir uns ein.
Vielen Dank.
({22})
Ich erteile das Wort Peter Boehringer, AfD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Wir sprechen heute über einen vermutlich nur kurzlebigen Haushaltsentwurf 2023. Falls er tatsächlich im November so wie geplant verabschiedet werden sollte, steuert der Finanzminister trotz illegaler Rücklagen von über 200 Milliarden Euro und trotz – wir haben es ja eben gehört – inflationsbedingter gewaltiger Steuermehreinnahmen zulasten der deutschen Bürger auf einen Nachtragshaushalt 2023 zu. Das ist eigentlich schon heute relativ wahrscheinlich. Warum? Natürlich wegen der Energiekostenexplosion. Die dümmste Energiepolitik der Welt führt in Deutschland heute zu den höchsten Stromkosten der Welt.
({0})
Sie ist sowohl gegenüber den Bürgern als auch gegenüber der deutschen Industrie absolut verantwortungslos. Die Preiskurven spotten jeder Beschreibung und werden zu Masseninsolvenzen und Verarmung führen. Die Regierung ist dabei, uns nicht nur frieren zu lassen, sondern unsere Wirtschaft zu zerstören. 50 Prozent des Erdgases gehen in zentrale Industrien: Düngemittel-, Nahrungsmittelproduktion, Verpackungsindustrie, Metallverarbeitung. Schon heute wandern jeden Tag Betriebe ab oder geben auf, etwa die SWK Stickstoffwerke Piesteritz. Ohne deren AdBlue für Lkws könnten sogar Logistikketten zusammenbrechen. Die Folgen wären verheerend.
({1})
Wir müssen sogar über Strommangel sprechen. Die Ampel wird im Winter in einem großen Experiment mit uns als Versuchskaninchen versuchen, durch kontrollierte Teilabschaltungen Blackouts zu vermeiden. Dann wären wir auf dem Niveau eines Entwicklungslandes angekommen.
({2})
Energie ist das Lebensblut einer modernen Wirtschaft. Ideologen und Ignoranten, die von Technologie und Ökonomie keine Ahnung haben, ist es in 40 Jahren fehlgeleiteter Energiepolitik gelungen, die deutsche Wirtschaft an den Rand dieser Katastrophe zu führen; die Regierungen waren übrigens über 30 Jahre CDU-geführt.
({3})
Die deutschen Sparkassen rechnen damit, dass schon bald 60 Prozent der Deutschen ihre gesamten Einkünfte oder mehr für die reine Lebenshaltung aufwenden oder einsetzen müssen. Das wird die Lebensplanung all dieser Menschen völlig verändern. Armut ohne Spielraum für eigene Lebensgestaltung ist schrecklich.
Spätestens im nächsten Jahr wird dann erneut die Schuldenobergrenze der Verfassung gerissen. Faktisch, Herr Staatssekretär, tun Sie das mit diesem Haushaltsentwurf bereits in diesem Jahr – der Bundesrechnungshof hat es Ihnen noch mal vorgerechnet; ich habe das schon vor Monaten getan –: Sie reißen die Schuldenobergrenze um das Vierfache. Das erneut vorzurechnen, dafür fehlt heute die Zeit. Es ist aber schlichtweg nicht wahr – darüber haben Sie minutenlang geredet –, dass Sie letzten Endes die Schuldenbremse einhalten; wenn es zum Nachtragshaushalt kommt, sowieso nicht mehr.
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Ja, und dann mal sehen, welche Notsituation dann als Begründung herhalten muss. Vermutlich wird es ja just jener Energienotstand sein, den Sie selbst herbeigeführt haben, den es ohne die irre Energie- und Geopolitik der Ampel und der GroKo so nie gegeben hätte:
({5})
den Ausstieg aus der Kernenergie, den rein ideologischen Ausbau der erneuerbaren Energien, die verkündeten Sanktionen und die Waffenlieferungen gegen deutsche Interessen. Die im Winter kommende Mangelverwaltung und das Inflationsdesaster sind politikgemacht, und sie gehen auf das Konto aller Altparteien.
Auch die CDU/CSU wird nicht so tun können, als hätte es den Merkel’schen Ausstiegsbeschluss aus der modernen, sicheren und heute fast rückstandsfreien Kernenergie nicht gegeben. Die Union trägt auch Verantwortung für den fatalen Green Deal, für diese fatalen Fehlentscheidungen gegen Kohle, gegen Öl und nun auch noch gegen Gas.
({6})
Die Verknappung der CO2-Zertifikate war politisch gewollt. Der Preis pro Tonne lag schon vor dem Angriff Putins auf die Ukraine bei über 90 Euro. Der Experte Professor Vahrenholt spricht es klar aus:
Der Ausstieg aus Kernenergie und Kohle funktionierte nur, weil wir im Hintergrund immer mehr russisches Gas zuführten.
Das war lange vor dem Ukrainekrieg.
Sonst wäre die Energiewende schon vor Jahren gescheitert! ... wenn die Pipelines nicht schnellstmöglich wieder Gas transportieren, sind in Deutschland 6 Millionen Arbeitsplätze gefährdet. Wir sind dabei, unsere Industrie zu zerstören.
({7})
Wenn Sie Nord Stream 2 und damit unschlagbar günstiges Pipelinegas nicht nutzen, wird genau das passieren. Eine Regierung, die sagt: „Kein Gas aus Russland!“, obwohl just ihre eigene Politik diese Abhängigkeit von Russland herbeigeführt hat – grüne Politik! –, ist entweder weltfremd oder gar vorsätzlich gegen Deutschland gerichtet.
({8})
– Weil ich hier Zwischenrufe höre: Natürlich ist es grüne Politik gewesen. Es war grüne Politik; denn es war ökonomisch sinnvoll, den Flatterstrom aus den erneuerbaren Energien mit dem einzig Möglichen zu kompensieren. Das waren die Gaskraftwerke, die schnell rauf- und runterregelbar sind. Deshalb sind Sie persönlich alle – zumindest, soweit Sie jetzt in der Regierung sind, aber damals ja auch schon Einfluss hatten – an dieser Geschichte mit schuld.
({9})
Am Ende profitiert Russland sogar noch von den Sanktionen. Die Ampelregierung verzichtet zum Beispiel auf langfristig vereinbarte Kohlelieferungen aus Russland, die einen Bruchteil des heutigen Preises gekostet hätten. Man verzichtet in der jetzigen Situation darauf, und Russland kann die Kohle anderweitig zum achtfachen Preis verkaufen.
({10})
Dabei hat Russland bereits heute die weltbeste Handelsbilanz. Und so wollen Sie Russland in die Knie zwingen? Das ist irre.
Falls Sie ernsthaft in wenigen Monaten die letzten drei dann noch verbliebenen deutschen Kernkraftwerke abschalten, dann wäre das gleichbedeutend mit dem Abriss von 10 000 Windrädern, eigentlich von sogar noch mehr; denn die Windräder liefern ja nur Flatterstrom. Deshalb braucht man noch mehr Reservekapazität. Auch das ist natürlich unverantwortbar.
({11})
Und die EU in ihrer unendlichen Boshaftigkeit verschärft die Preisspirale bei Energie sogar noch: Sie zieht ihr absurdes Programm „Fit for 55“ nicht zurück, ein Fonds zulasten Deutschlands, mit dem die grüne CO2-Religion in der ganzen EU durchgesetzt werden soll. Deutsche Steuerzahler sollen die Energieumstellung in anderen EU-Ländern subventionieren. Bei deutschen Verbrauchern dürfen sich die Energiepreisrechnungen offensichtlich verfünffachen. Das stört die Ampel nicht; in der EU stört es sie.
Tja, und Herr Lindner – auch in Abwesenheit –, diese Mahnung an Sie: Sie haben die Interessen der Deutschen zu vertreten! Der deutsche Haushalt kann es nicht verkraften, wenn Sie nicht endlich die Energieprobleme ursächlich angehen, ursächlich und eben nicht symptomatisch, wie wir es jetzt am Wochenende wieder gehört haben.
Die volkswirtschaftlichen Mehrkosten für Energie gegenüber 2020 – das ist das Vergleichsjahr – betragen bei heutigen Future-Preisen 250 Milliarden Euro pro Jahr!
({12})
– Ja, auf Basis des jetzigen Future-Preises. – Das sind 60 Prozent eines Bundeshaushaltes. Dagegen verblasst jede Gasumlage. Das ist eigentlich ein Nebenkriegsschauplatz. Das stemmt sogar das deutsche Kreditbuch nicht bzw. der Steuerzahler nicht mehr. Man kann diese Summen nicht mehr mit Entlastungspaketen auffangen. Hier helfen nur ein Regierungswechsel und endlich eine rationale Energiepolitik, die es langfristig nur mit der AfD geben kann.
({13})
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Handeln Sie einmal für Deutschland. Und wenn das bedeutet, diese rot-grüne Regierung sofort zu verlassen: Nun denn! Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.
Herzlichen Dank.
({0})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich das Wort dem Kollegen Sven-Christian Kindler.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin jetzt seit 2009 Mitglied im Haushaltsausschuss. Ich glaube, alle Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss wissen: Es werden die schwersten Haushaltsberatungen seit Jahrzehnten.
Das liegt einfach daran, dass wir in verschiedenen Krisen gleichzeitig stecken: Wir haben den brutalen, schrecklichen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit der massiven Inflation, die bei Gas und auch bei Öl daraus folgt. Wir sehen, dass es international schwere Verwerfungen zur Folge hat und Putin Hunger als Waffe einsetzt. Gleichzeitig haben wir immer noch eine Gesundheitskrise durch die Coronapandemie, und wir haben den vierten Hitzesommer in fünf Jahren erlebt, die schlimmste Dürre in Europa seit 50 Jahren.
All das hat massive Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf die Wirtschaft und auch auf diesen Haushalt. Für uns in der Koalition ist in diesen parlamentarischen Haushaltverhandlungen klar: Wir stellen uns diesen Krisen entschlossen, wir ducken uns nicht weg, sondern wir gehen die Probleme entschlossen an.
({0})
Deswegen ist es richtig und gut, dass der Koalitionsausschuss am Wochenende ein großes Paket beschlossen hat. Trotz aller politischen Unterschiede, die in einer Demokratie auch normal sind, hat diese Koalition am Wochenende gezeigt, dass sie gemeinsam handlungsfähig ist und mit 65 Milliarden Euro Großes bewegen kann. Und das zählt am Ende in der Demokratie.
({1})
Damit helfen wir vielen: Wir helfen kleinen und mittleren Unternehmen,
({2})
wir helfen Familien mit dem Kinderzuschlag und dem Kindergeld. Wir weiten den Wohngeldanspruch aus, wir entlasten Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler. Wir führen bundesweit ein dauerhaftes günstiges Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ein, und es wird die größte Erhöhung der ALG-II-Regelsätze seit Bestehen des Systems geben. Dieses Paket kann sich sehen lassen.
({3})
Natürlich gibt es auch Punkte, die wir anders entschieden hätten. Ich nenne hier den CO2-Preis. Wir hätten uns ein höheres Bürgergeld vorstellen können. Ich nenne auch das Thema „kalte Progression“. Aber das ist natürlich das Wesen von Kompromissen, dass man sich am Ende einigen muss. Und das ist ein guter Kompromiss, weil er in die richtige Richtung geht: Die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen leiden am stärksten unter der fossil getriebenen Inflation. Guckt man sich die Zahlen an, so stellt man fest: Sie entlasten wir am meisten.
({4})
Und gleichzeitig – darauf hat Kollege Rohde hingewiesen – schöpfen wir Zufallsgewinne im Strommarkt von Unternehmen ab, die es nicht brauchen, und finanzieren einen Teil dieses Pakets. Das ist richtig und gerecht.
({5})
Die Bewältigung der schweren Krisen ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Der Bund ist bereit, seinen Teil dafür zu tun. Um es noch einmal klar zu sagen: Die Länder haben inzwischen höhere Steuereinnahmen als der Bund. 2021 und 2022 planen sie im Gegensatz zum Bund trotzdem mit extrem wenig Notkrediten. Und ich finde, die Länder – egal welche Farbe übrigens –, die jetzt unisono große Entlastungspakete gefordert haben, sollen dann auch ihren fairen Beitrag zur Finanzierung dieser Entlastungspakete leisten. Das ist nur gerecht.
({6})
Ich will noch einmal auf die Kritik der Union an den Entlastungspaketen eingehen. Warum brauchen wir überhaupt so umfangreiche Entlastungspakete? Weil wir eine so hohe fossil getriebene Inflation haben,
({7})
vor allen Dingen bei Gas und bei Öl. Das ist die Wahrheit, warum wir jetzt in einer so massive Krise stecken. Wer hat denn 16 Jahre lang regiert? Wer hat denn die Energiewende blockiert? Wer hat denn Wind- und Solarenergie sabotiert, wo es nur ging? Wer hat die Gebäudesanierung verschlafen, die Wärmewende nicht vorangetrieben? Wer hat uns abhängig von Putins Gas gemacht? Das waren 16 Jahre Regierungspolitik der Union. Sie haben uns einen energiepolitischen Scherbenhaufen hinterlassen.
({8})
Wir ändern das jetzt im Rekordtempo mit zehn Gesetzen zu erneuerbaren Energien und zur Energiesicherheit, die wir noch vor dem Sommer beschlossen haben. Herr Middelberg, ich empfehle Ihnen ernsthaft, sich den Stresstest einmal genau durchzulesen. Wenn man es sich genau anguckt – –
({9})
– Nein, das haben Sie nicht gemacht. Das können Sie sich angucken.
({10})
– Ich erkläre es Ihnen gern, Herr Middelberg. Ein Streckbetrieb von AKW hätte einen Effekt von weniger als 0,1 Prozent in Bezug auf den Gasverbrauch gebracht, also de facto gar nichts.
({11})
Führende Energiemarktexperten haben sehr klar berechnet, dass es auch keine signifikanten Effekte auf den Preis gäbe, weil nämlich im jetzigen System die Kraftwerke mit den höchsten Preisen
({12})
per Merit-Order-Effekt den Preis bestimmen, nicht die Atomkraftwerke.
({13})
Der Stresstest hat sehr klar ergeben, dass wir keinen Streckbetrieb und keine Laufzeitverlängerung brauchen.
({14})
Jetzt geht es darum, dass wir uns im Rekordtempo von Putins Gas unabhängig machen. Sie versuchen, mit Ihren Atomdebatten davon abzulenken, welchen Scherbenhaufen Sie uns hinterlassen haben. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
({15})
– Im Gegenteil! Sie wollen ja, dass wir weiter von Putins Gas abhängig sind. Sie klagen ja gerade auch in Karlsruhe gegen den Transformations- und Klimafonds, der uns durch mehr Energieeffizienz unabhängig macht, der uns unabhängig macht
({16})
durch den klimaneutralen Umbau der Industrie. Hingegen würde Ihre Politik dahin führen, dass wir weiter von Putins Öl und Gas abhängig sind, und das werden wir nicht zulassen.
({17})
Die letzten Wochen und Monate haben es gezeigt: Wir müssen bei diesen Haushaltsberatungen mit Blick auf den schweren Herbst und Winter, die uns bevorstehen, ein Stück weit auch auf Sicht fahren, weil wir noch nicht alle Auswirkungen kennen; Kollege Rohde hat darauf hingewiesen.
Wir wissen noch nicht, wie sich die Coronapandemie und dieser schreckliche Krieg auf unsere Gesellschaft, auf die Wirtschaft, auf unsere öffentlichen Haushalte auswirken. Auch in internationaler Hinsicht sehen wir, dass wir noch deutlichen Nachsteuerungsbedarf beim Thema Welternährung, beim Thema „zivile Krisenprävention und humanitäre Hilfe“ haben, insbesondere wenn ich mir den Etatentwurf für den Einzelplan 23 angucke.
Die aktuellen Zahlen deuten eher auf eine schwierige Entwicklung hin: Das Konsumklima sinkt, der ifo-Geschäftsklimaindex ist auf dem niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Und natürlich ist klar: In solch einer Situation braucht man eine aktive, gestaltende Fiskalpolitik. Darauf werden wir in diesen Verhandlungen im Parlament achten. Wir werden uns als Koalition mit diesem Haushalt und auch den nächsten Haushalten nicht in Krisen hineinsparen.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Wir werden das Notwendige, das Richtige, was wir brauchen, auch finanzieren und werden niemanden in der Gesellschaft in dieser schweren Krise im Stich lassen.
Vielen Dank.
({0})
Ich erteile das Wort Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke.
({0})
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Haushalt ist gut für Gasspekulanten, Stromhändler, Waffenhändler, Immobilienkonzerne und Vermögende,
({0})
aber er ist schlecht für Menschen, die jeden Cent umdrehen müssen; sie werden mit Almosen abgespeist. Das werden wir nicht akzeptieren!
({1})
Dieser Haushalt ist schlecht für kleine und mittlere Unternehmen, deren Existenz bedroht ist oder die schon aufgeben mussten. Diese Unternehmen brauchen wirksame Hilfen. Auch davon ist in diesem Haushalt nichts zu finden. Das muss sich ändern!
({2})
Die galoppierende Inflation treibt viele Menschen in dramatische Probleme; sie wissen nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Aber die Bundesregierung lässt sie im Regen stehen. Warum? Weil sie nicht bereit ist, die Krisengewinnler wirklich wirksam zu besteuern; stattdessen will sie mit einer Gasumlage Energiekonzerne entlasten, obwohl viele von ihnen in den Kriegsmonaten riesige Gewinne erzielt haben. Herr Habeck nennt sie nun „Trittbrettfahrer“. Nein, die Wahrheit ist: Die Manager dieser Firmen haben die Gasumlage selbst aufgeschrieben. Das ist 100 Prozent Lobbyismus. Das nehmen wir nicht hin, meine Damen und Herren!
({3})
Wir fordern eine Übergewinnsteuer, wie sie bereits in vielen anderen Ländern existiert. Wir könnten mit dieser Steuer 100 Milliarden Euro einnehmen. Damit ließen sich Gas, Strom und Mieten deckeln. Das wäre der richtige Weg.
({4})
Aber SPD und Grüne lassen sich von der FDP unter Druck setzen und verweigern eine solche Steuer. Seien Sie doch mutiger gegenüber der FDP, meine Damen und Herren!
({5})
Was hilft nun gegen die Preisexplosion? Auf jeden Fall nicht die milden Gaben, die Sie den Menschen am Wochenende versprochen haben. Nein, man muss an die Ursachen der Explosion herangehen. Es gibt zurzeit auf dieser Welt 20 Kriege. Wir sprechen hier häufig über den Krieg Russlands gegen die Ukraine, und wir wissen alle, dass eine Mehrheit der Menschen in unserem Land fordert, dass durch eine mutige, entschlossene internationale Friedensinitiative dieser Krieg beendet werden muss. Das Leiden der Menschen im Krieg in der Ukraine muss beendet werden!
({6})
Aber schauen wir in den Haushalt: Die Rüstungsindustrie sitzt der Regierung im Nacken. Im Einzelplan 14 – Verteidigung oder Rüstung – sind 50,1 Milliarden Euro für das Militär vorgesehen; doch in Wirklichkeit sind es, nach NATO-Kriterien berechnet, 14 Milliarden Euro mehr, also 64 Milliarden Euro. Wenn wir dieses Geld für Kitas, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, sozialen Wohnungsbau und Busse und Bahnen ausgeben würden, dann würden wir unser Land besser, zukunftsfähiger und sicherer machen, meine Damen und Herren.
({7})
Wir haben – das haben auch die anderen Kollegen gesagt – in den Haushaltsberatungen viel zu tun. Der Haushalt muss sozial werden; er muss nachhaltig werden, und er muss zum Frieden in dieser Welt beitragen.
Vielen Dank.
({8})
Ich erteile das Wort dem Kollegen Otto Fricke, FDP-Fraktion.
({0})
Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lötzsch, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Putin einen auch nur 1 Cent geringeren Gaspreis verlangen wird in dem Moment, wo es sogenannte Friedensverhandlungen gibt. Das auf dem Rücken von Opfern in der Ukraine so darzustellen, ist eine Verkennung der Realität. Es ist eine Verkennung dessen, wer schuld an diesen hohen Preisen ist,
({0})
die diese Koalition versucht hier abzufedern.
Das ist der erste Haushalt mit Einhaltung der Schuldenbremse nach zwei Ausnahmehaushalten. Wenn ich überlege, wie es noch hieß: „Ihr werdet es niemals schaffen, einen Haushalt mit Schuldenbremse im Kabinett vorzulegen. Das werdet ihr bis zum Ende der Sommerpause niemals halten können. Ihr werdet es niemals schaffen, wenn ihr ein drittes Entlastungspaket macht, hier überhaupt noch eine solche Schuldenbremse einigermaßen einzuhalten“,
({1})
dann kann ich nur sagen: Diese Koalition hat gezeigt, dass man, wenn man hart arbeitet, wenn man gegenseitig Kompromisse macht und dabei immer an die Menschen denkt, dann auch die Verfassung und die Schuldenbremse einhalten kann. Darüber bin ich sehr froh.
({2})
Ich sage das deutlich: Ich bin schon froh, dass ich nichts mehr vom Fetisch des Kollegen Middelberg, nämlich von der schwarzen Null, gehört habe.
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Das war doch das, was die CDU immer wollte. Es ist interessant, dass Sie das jetzt nicht mehr ansprechen.
Zweiter Punkt in Richtung CDU. Herr Middelberg, Sie sagen, der Umgang mit der Rücklage sei ein Trick. Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass wir in Notzeiten Rücklagen, die für Notzeiten sind, nicht nehmen sollen, dann bin ich auf die Beratungen mit Ihrer Fraktion im Haushaltsausschuss und darauf gespannt, wo Sie diese 40 Milliarden Euro einsparen würden.
({4})
Dritter Punkt in Ihre Richtung. Wir hören hier von Ihnen und werden das auch gleich von anderen Rednern der CDU und der einstmals so stolzen CSU hören: Da muss man mehr sparen. Da muss man vernünftiger sein. – Wenn Sie dann alle weg sind, kommen die Fachpolitiker und sagen: Ach, was interessiert mich das Geschwätz meiner Vorgänger von vorhin? Da macht ihr zu wenig; da müsst ihr mehr machen. Da müsst ihr mal was machen.
({5})
Da lobe ich mir schon die Ehrlichkeit der Linken an der Stelle.
Wissen Sie, ich bleibe da beim „Sommernachtstraum“, und ich glaube, bei Ihnen ist da auch noch ein bisschen Sommernachtstraum hängen geblieben: „Es ist nicht genug, dass man rede; man muss auch richtig reden.“ Da ist Ihre Aufgabe als Opposition, uns wirklich Vorschläge zu machen und nicht einfach nur zu sagen: Ich hätte es gerne anders; aber ich weiß eigentlich nicht, wie. Ich sehe bei der Rente Probleme; ich weiß aber nicht, wie ich sie löse. Ich sehe an ganz vielen Stellen bei der Energie Probleme; ich weiß aber nicht, wie ich sie löse. – Machen Sie doch mal einen alternativen, durchgerechneten, echten anderen Lösungsvorschlag! Dann gehen wir auch gerne mit Ihnen allen in die Debatte.
({6})
Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden, und auch ich spreche es an, weil die Bundesratsbank natürlich wieder leer ist: Ich bin nicht darüber erfreut, dass, nachdem der Kollege Toncar den Haushalt eingebracht hat, die Minister einer nach dem anderen verschwinden und nur noch die sicherlich leistungsfähigen Parlamentarischen Staatssekretäre hier sitzen. Aber was auf der Bundesratsbank passiert, ist wieder typisch. Daher sage ich das für alle, egal wer jetzt in der Regierung oder in der Opposition ist – es ist ja das Schöne an der Demokratie, dass das mal wechselt –: Wenn es so weitergehen wird, dass die Länder immer wieder sagen: „Ich bin zwar zuständig, und die Verfassung hat mir auch die Erträge dafür gegeben, aber es soll gefälligst der Bund alles zahlen“,
({7})
dann wird dieser Bundeshaushalt zu nicht mehr viel fähig sein.
Ich hätte erwartet, dass von Ihnen dazu, in Erinnerung an den Kollegen Rehberg, den wir alle an der Stelle immer unterstützt haben, egal ob wir in der Opposition oder in der Regierung waren, etwas mehr gekommen wäre; denn die Verhandlungen – da gebe ich dem Kollegen Sven-Christian Kindler vollkommen recht – werden ja nicht nur hier geführt; sie werden ja auch noch mit den Ministerpräsidenten geführt. Das wird eine harte Haushaltsberatung werden. Ich bin gespannt, was an Vorschlägen kommt. Ich fürchte, von dieser Bank werden keine guten Vorschläge kommen.
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Versuchen Sie es ein wenig! Die Hoffnung ist da.
Die Regierung hat ihre Vorlagen gemacht. Das Parlament wird seine Arbeit tun. Ich bin mir sicher, dass, wenn wir im November über den Haushalt reden werden, alle erkennen: Es ist der Haushalt einer stabilen sozialen Marktwirtschaft. Aber es gibt keine Weihnachtsgeschenke; denn Ende November steht es im Gesetz.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Sebastian Brehm, CDU/CSU-Fraktion.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2023 vermittelt kein zutreffendes Bild. Entgegen der Darstellung im Haushaltsplan bleiben die Ausgaben des Bundes stark expansiv, und die echte Neuverschuldung ist mit rund 78 Milliarden Euro vierfach höher als im Bundeshaushaltsplan ausgewiesen.
({0})
Das sage nicht ich, sondern das sagt der Bundesrechnungshof und hat es Ihnen in die Bücher geschrieben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. Und wenn der Bundesrechnungshof so etwas sagt, dann treibt ihn die tiefe Sorge um die Zukunft Deutschlands. Diese tiefe Sorge teile ich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({1})
Der Haushalt ist eine reine Mogelpackung. Der Finanzminister verkündet 17,2 Milliarden Euro Neuverschuldung. Sie nehmen 40,5 Milliarden Euro aus der Asylrücklage und greifen noch auf die erschummelten 60 Milliarden Euro aus dem Nachtragshaushalt 2021 zu. Wir klagen dagegen. Das ist intransparente und unseriöse Haushaltspolitik.
({2})
Liebe Kollegen, auch bei den Investitionen verkünden Sie einen Rekordwert. Aber rechnet man es mal sauber aus – die Zuzahlung in die gesetzliche Krankenversicherung, die Zahlung in den Klimafonds des IWF –, dann haben wir die niedrigsten Investitionen. Und wer hätte gedacht, dass die Grünen sogar eine Verringerung der Investitionen in die Schiene vornehmen?
({3})
Darüber hinaus fehlt in dem Haushalt gänzlich das, was Sie am Wochenende beschlossen haben: 65 Milliarden Euro. Sie haben 10 Milliarden Euro pauschal eingeplant. Was machen Sie mit den restlichen 55 Milliarden Euro? Wer soll das bezahlen? Bund, Länder, Kommunen? Kein Wort im laufenden Haushalt.
({4})
Sie legen einen Haushalt vor, der von Anfang an nicht stimmt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Und fangen Sie nicht an, uns die ganze Situation in die Schuhe zu schieben!
({5})
Die SPD war übrigens in den letzten Jahren in der Regierung. Ich weiß, dass Vergesslichkeit bei der SPD und beim Bundeskanzler gerade im Moment Mainstream sind.
({6})
Aber wir haben 16 Jahre lang bewiesen, dass Wirtschaftspolitik, Wachstum, Beschäftigung und solide Finanzen zusammengehören. Wir haben die Wirtschaftskrise 2008/2009 gemeistert; wir haben die Coronakrise gemeistert, und wir haben insgesamt die Staatsverschuldung gesenkt. Wir haben Wirtschaftswachstum gehabt, einen gesunden und stabilen Mittelstand, und wir hatten die höchsten Beschäftigungszahlen in Deutschland. Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen jetzt die Menschen in unserem Land ärmer, und den Mittelstand, liebe Kolleginnen und Kollegen, machen Sie gänzlich kaputt.
Lieber Herr Kollege Rohde, wenn Sie Herrn Middelberg gleich in die rechte Ecke stellen, wenn er Kritik äußert,
({7})
dann muss ich schon sagen: Das ist Ihre rot-grüne Mainstream-Politik – wenn Ihnen die Meinung nicht passt, dann wird man sofort in die rechte Ecke gestellt. Sie interessiert doch gar nicht die Kritik der Opposition.
({8})
Sie haben ein Demokratieverständnis, das völlig falsch am Platz ist. Die Regierung ist ja gar nicht anwesend, wenn die Opposition spricht. Das ist eigentlich skandalös, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({9})
Ich mache mir große Sorgen um den deutschen Mittelstand. Anstatt die Angebotsseite, auch bei der Energie, in den Blick zu nehmen und zu erweitern, verringern Sie bewusst Kapazitäten aus rein ideologischer Überzeugung – Stichwort „Kernkraftwerke“.
({10})
Herr Kindler, wenn Sie sagen, dass die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke nicht in Ordnung ist, dann haben Sie die Lage aktuell nicht begriffen. Was Sie da tun, ist unverantwortlich – Sie hören ja nicht einmal mehr zu. Was Sie machen, ist, auf Kohle zu setzen, auf Fracking-Gas, das mit Schweröltankern nach Deutschland kommt. Das ist die neue grüne Klimapolitik in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({11})
Was sagen Sie den Bäckern und den Metzgern? Was sagen Sie dem Landwirt, der nicht mehr in Deutschland produzieren kann? Was sagen Sie der Lackiererei, dem Metallbetrieb, dem Chemiebetrieb, der Glashütte, der Brauerei? Sie sagen gar nichts; denn es kommt kein einziger Vorschlag zur Stützung des Mittelstandes, zur Entlastung des Mittelstandes.
({12})
Das Einzige, was Sie sagen – das ist, ehrlich gesagt, ein Hohn, und Sie von der FDP machen leider bei diesen ganzen Spielchen mit; es ist wirklich höchst enttäuschend, was Sie hier in der Bundesregierung abliefern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP –,
({13})
ist: Man soll KfW-Kredite aufnehmen. Diese KfW-Kredite können die Mittelständler in der jetzigen Lage überhaupt nicht mehr zurückzahlen.
Und: Ein Großteil der Erwerbstätigen muss dabei zusehen, wie Sie maroden Gaskonzernen Geld ohne jegliche Bedingungen zuschanzen. Zahlen darf es der arbeitende Bürger, der Mittelständler mit der Gasumlage. Schaffen Sie diese Gasumlage ab! Sie ist unsozial und ungerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
({14})
Die FDP wendet dann ein: Ja, wir machen eine Entlastung der Bürger mit der Abschaffung der kalten Progression.
Erstens geschieht das erst ab dem Jahr 2023. Das ist skandalös; das müsste im Jahr 2022 stattfinden.
({15})
Zweitens ist die Entlastung der Bürger mit der Abschaffung der kalten Progression keine Entlastung, sondern es ist eine Abminderung der Belastung, die Sie den Bürgerinnen und Bürgern zumuten. Wir haben es ja schon gesagt: Die Steuereinnahmen liegen in diesem Jahr um 16,2 Prozent höher; also könnten Sie jederzeit Entlastungen vornehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für uns ist die Abschaffung der kalten Progression immer eine Selbstverständlichkeit gewesen, die wir alle zwei Jahre, wie vereinbart, durchgeführt haben.
({16})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, entweder können Sie Krise nicht, oder Sie wollen es bewusst so – beides ist verheerend für den Standort Deutschland.
Wenn ein Betrieb erst einmal zugemacht oder sich ins Ausland verlagert hat, dann macht er nicht mehr auf, und das Land verändert sich kolossal. Der deutsche Mittelstand ist unser Stolz und ist die Stärke unserer Wirtschaft. Wenn Sie diesen kaputtmachen – und das machen Sie gerade –, dann legen Sie die Axt an das Fundament unserer Gesellschaft in Deutschland und unseres Miteinanders in unserem Land.
({17})
Was wir brauchen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Einsparungen im Haushalt. Sie sagen, Sie sparen Personal ein. Dann müssen Sie aber auch bei den Stellen kürzen. Sie haben in der neuen Regierung 10 000 neue Stellen geschaffen. Also erzählen Sie doch nichts von Personalkürzungen. Ziehen Sie es durch! 4 000 Stellen könnten Sie mit diesen 1,5 Prozent einziehen. Das tun Sie mit diesem Haushalt aber nicht.
({18})
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einer 20-Stunden-Work-Life-Balance-Einstellung werden wir die Volkswirtschaft nicht aufrechterhalten können, sondern wir müssen Arbeitsanreize setzen. – Ich komme zum Schluss. – Das geht aber nicht, wenn wir kürzen, zum Beispiel bei den Rentnerinnen und Rentnern – wenn die Rentner arbeiten, dann kürzen wir die Witwenrente –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– ich bin gleich fertig –, oder wenn Sie die Sanktionen gegen Arbeitslose abschaffen. So schaffen wir nicht Arbeit – und nur mit Arbeit und Wachstum kommen wir aus der Krise. Wir bieten an, Ihnen zu helfen. Wir bieten an, in Gespräche zu gehen.
Und jetzt bitte der letzte Satz.
Aber das muss auf Augenhöhe sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Michael Schrodi.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stehen gerade mitten in der größten Herausforderung, mit der unser Land, die Menschen in unserem Land, die Wirtschaft, unsere Gesellschaft seit Jahrzehnten umgehen muss. Putin führt Krieg gegen die Ukraine – nicht nur diesen Angriffskrieg, sondern er führt auch Krieg mit anderen Waffen, mit Energie als Waffe, mit Nahrungsmitteln als Waffe. Er will Staaten destabilisieren, unsere Gesellschaft destabilisieren.
In dieser Situation halten Abgeordnete der größten Oppositionspartei hier Reden, in denen sie teilweise unsachlich kritisieren und keine eigenen Vorschläge liefern. In dieser Situation halten CDU/CSU-Politiker Reden, die in erschreckender Weise deutlich machen, dass sich diese ehemals staatstragende Kanzlerpartei zu einer populistischen Oppositionspartei entwickelt. Das ist dieser Situation vollkommen unangemessen.
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Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung haben immer wieder klargemacht, dass wir die Menschen in dieser Situation nicht alleine lassen werden, dass wir einen starken Staat, einen starken Sozialstaat, haben, mit dem wir auch in der Zukunft sozialen Zusammenhalt organisieren.
Die Ampelkoalition hat mit dem Entlastungspaket vom Wochenende – zu den 30 Milliarden Euro der vergangenen Entlastungspakete kommen die 65 Milliarden Euro dieses Entlastungspakets hinzu; das sind fast 100 Milliarden Euro –, hat mit dem vorliegenden Haushalt ganz genau die richtige Antwort gegeben: Wir stehen als Deutschland zusammen. Wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um gut durch diese Krise zu kommen. Das ist das Signal, das von diesem Haushalt und von den Entlastungspaketen ausgeht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Weil es keine klassische Inflation ist, sondern weil es Preisschocks sind, greifen nicht die klassischen Lösungen, gibt es keine einfachen Lösungen für diese Probleme. Deswegen braucht es verschiedene Maßnahmen; der Staatssekretär Toncar hat das deutlich gemacht.
Wir werden auf der einen Seite dafür sorgen, dass die Energiepreise gedämpft werden, um damit auch die Inflation zu dämpfen. Wir werden in den Markt eingreifen; wir werden eine Strompreisbremse einbauen. Und wir werden vor allen Dingen dafür sorgen, dass leistungslose, dass krisenbedingte Übergewinne abgeschöpft und den Menschen zurückgegeben werden. Es ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass Unternehmen mit ihren Zufallsgewinnen zur Bekämpfung der Krise beitragen; das führt auch zu mehr Stabilität. Wir werden das auf den Weg bringen.
Wir werden gleichzeitig etwas Weiteres, nämlich die globale Mindeststeuer – das ist eine Frage der Gerechtigkeit –, national auf den Weg bringen, was Milliardeneinnahmen für den Staat bedeutet, Mittel, die wir wieder in die Krisenbekämpfung geben können. Auch das wird jetzt auf den Weg gebracht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir müssen täglich – das erfahren wir von den Menschen in unseren Wahlkreisen; aber das belegen auch Studien – feststellen, dass gerade diejenigen mit kleinen, mit mittleren Einkommen von den hohen Teuerungsraten am stärksten betroffen sind. Deswegen haben wir uns auch darauf geeinigt, die Probleme der Menschen weiter mit Direktzahlungen abzufedern.
Jetzt im September wird für 44 Millionen Menschen eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro ausgezahlt. Wir werden genau diese Direktzahlungen jetzt in den nächsten Wochen und Monaten für die Rentnerinnen und Rentner und für Studierende auf den Weg bringen.
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Wir werden natürlich auch dafür sorgen müssen, dass die Löhne angemessen steigen; dafür sind die Sozialpartner zuständig. Wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darauf einigen, dass es zusätzliche Zahlungen gibt, die in dieser Krise den Menschen helfen können, dann werden wir dafür sorgen, dass hiervon bis zu 3 000 Euro frei von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sind. Auch das ist ein wichtiger Beitrag zur Krisenbekämpfung.
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Auch an die Unternehmen ist übrigens gedacht, und für sie ist gesorgt worden. Wir werden energieintensiven Unternehmen weiterhin einen sogenannten Spitzenausgleich gewähren; das sind 1,7 Milliarden Euro an Entlastungen für Unternehmen. Auch die Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie werden wir beibehalten. Das sind deutliche Signale hinein in die Betriebe, in die Unternehmen, die zeigen, dass wir hier an ihrer Seite stehen. Wir werden dies im Rahmen der Entlastungspakete in diesen Haushalt einbringen.
Der Oppositionsführer hat gesagt, er möchte die Zusammenarbeit anbieten. Aber da stellt sich doch die Frage: Welches Angebot gilt denn da? Herr Merz beklagt die Angebotslücke bei der Energieversorgung. Das ist der gleiche Herr Merz, der im März das Gasembargo vorgeschlagen hat,
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das die Preise in die Höhe getrieben hätte, die Energielücke noch größer gemacht hätte. Was gilt denn nun, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, an der Stelle eigentlich?
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Kommen Sie bitte zum Schluss.
Es ist derselbe Herr Merz, der mehr Unterstützungsleistungen will, aber gegen den Mindestlohn agitiert hat, gegen die Stabilisierung des Rentenniveaus agitiert hat. Was gilt denn nun, meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU?
Herr Schrodi, letzter Satz, bitte.
Wir hätten, wenn wir die Drehgeschwindigkeit von Herrn Merz in Energie umwandeln könnten, keine Energiekrise. So müssen wir aber – und das werden wir tun – für Energiesicherheit sorgen, –
Herr Schrodi!
– um dieses Land gut durch die Krise zu bringen. Da machen wir uns als Ampelkoalition geschlossen an die Arbeit.
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Der nächste Redner ist Andreas Audretsch, Bündnis 90/Die Grünen.
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Ich bitte, auf die Redezeit zu achten; sonst muss ich den nachfolgenden Rednern Redezeit abziehen.
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Das werde ich tun. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir gehen auf einen sehr schwierigen Winter zu; das wissen wir alle. Das, was jetzt im Mittelpunkt stehen muss, ist, dass wir solidarisch sind und dass wir alle Menschen gut durch diese Zeit bringen. Das dritte Entlastungspaket, das am Wochenende verhandelt wurde, ist ein wichtiger Schritt auf genau diesem Weg.
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Unsere grüne Logik bei den Verhandlungen zu diesem Entlastungspaket war: Die Hilfe muss bei denen ankommen, die es am härtesten getroffen hat und die es am härtesten trifft. Ich sage hier ganz offen: Nicht jede Maßnahme in diesem Entlastungspaket erfüllt diesen Anspruch. Ich hätte anders agiert an vielen Stellen. Ich hätte Menschen, die 200 000 Euro, die 300 000 Euro verdienen, nicht auch noch Geld dazugegeben. Das ist nicht unsere Logik, das ist beileibe nicht das, wofür wir Grüne gekämpft haben.
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Wir hatten die Menschen mit wenig Geld im Blick, wir hatten die Menschen mit kleinen Einkommen, mit mittleren Einkommen im Blick, und für die haben wir jede Menge rausgeholt.
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Ich will mal ein paar Punkte nennen. 50 Euro mehr für Menschen in der Grundsicherung – das ist die höchste Anhebung des Regelsatzes jemals. Aber vor allem werden wir die Berechnungsmethode angehen und sie ändern. Wir werden sie im Kern verändern, indem wir Inflation auch in der Zukunft mit einbeziehen, und damit dauerhaft die Regelsätze nach oben schieben.
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Das Kindergeld steigt um 18 Euro, der Kinderzuschlag um 21 Euro. Wir haben die Grundlage für eine Kindergrundsicherung, die wir auf den Weg bringen werden, gelegt. Alle Wohngeldempfänger bekommen 415 Euro Heizkostenzuschuss; außerdem reformieren wir das Wohngeld. Für Studierende gibt es 200 Euro, für Rentner/-innen 300 Euro.
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Die Strompreisbremse kommt für den Basisverbrauch, und wir werden Strom- und Gassperren unterbinden. Das werden wir tun.
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Eine warme Wohnung im Winter, Strom für den Alltag: Das wird für alle garantiert sein. Dafür sorgen wir.
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Ich habe es gesagt: Nicht jede Maßnahme dieses Paketes ist meine. Aber es gibt einen wichtigen Punkt: Die Gesamtverteilung wirkt jetzt vor allem nach unten und in die Mitte hinein. Das war die Voraussetzung für uns, zuzustimmen. Das haben wir herausverhandelt, das ist jetzt im Paket, und deswegen ist es ein gutes Paket.
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Wir müssen die aktuelle Krise bewältigen, aber gleichzeitig dürfen wir nicht die Zukunft vergessen. Deswegen muss klar sein: Jeder Sektor muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das gilt auch für den Verkehrssektor.
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Wir haben auch an der Stelle am Wochenende jede Menge herausgeholt: Erstens wird das 9- Euro-Ticket einen Nachfolger bekommen. Das haben wir geschafft.
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Zweitens – da haben Sie, Herr Brehm, offensichtlich am Wochenende ein Nickerchen gemacht; das sei Ihnen gegönnt –: Bislang war die Finanzierung der Schiene zu gering; das ist richtig. Wir haben verhandelt und jetzt noch mal 1,5 Milliarden Euro draufgelegt. So macht man Politik, so macht man Klimaschutz, und genau das haben wir am Wochenende auf den Weg gebracht.
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Ein weiterer Punkt ist mir wichtig. Der Diktator Putin greift uns hier mit hohen Gaspreisen und Propaganda an. Der Diktator Putin greift in anderen Teilen der Welt mit Hungerkrisen an. Annalena Baerbock hat eine neue Außenpolitik definiert, die dieser harten Auseinandersetzung gerecht wird. Und darum ist es so wichtig, dass wir dann, wenn es darauf ankommt, nicht am Geld sparen. Auch das ist eine Sache, die wir uns ganz genau angeschaut haben. Deswegen ist es, um diese Antwort geben zu können, so wichtig, dass wir noch mal 1 Milliarde Euro für Ernährungssicherung draufpacken. Die Botschaft ist klar: Wir kümmern uns um die Ärmsten, und wir geben dem Diktator Putin keinen Raum. Das gilt für Deutschland, und das gilt gleichermaßen weltweit.
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Der Winter hat noch nicht begonnen, und wir sehen jetzt schon, dass die Herausforderungen riesig werden. Deswegen ist es richtig, dass wir jetzt Übergewinne im Strommarkt abschöpfen. Wir sagen: Wir brauchen dieses Geld, und zwar für die Zukunft, für die nächsten Monate. Wir können uns aus dieser Krise nicht heraussparen, und wir werden unsere Politik auch in den kommenden Monaten nicht an Dogmen aus Wahlprogrammen festmachen, sondern an der Realität. Das ist der Grundsatz. Die Ampel wird Verantwortung übernehmen; genau das machen wir zusammen. Deswegen ist das ein guter Weg, den wir gemeinsam beschreiten können.
Danke schön.
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Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Christoph Meyer.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 2023 stellt eine Rückkehr zur finanzpolitischen Normalität dar. Wir haben die Zahlen bereits gehört: ein Gesamtvolumen von 445 Milliarden Euro, eine Investitionssumme von über 50 Milliarden Euro; das ist mehr, als im letzten Unionsentwurf für das Jahr 2023 enthalten war. Wir sind trotz der Krisen, trotz des Zustandes des Landes ausgewogen unterwegs. Auf der einen Seite investieren wir, treffen wir Vorsorge für Krisen, und auf der anderen Seite halten wir die Neuverschuldung niedrig, auf 17,2 Milliarden Euro. Damit halten wir die Schuldenbremse ein, und das ist ein gutes Zeichen nach drei Jahren Ausnahmezustand.
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Wir werden das auch für die Jahre 2024/2025 sicherstellen. Wir schaffen jetzt die Grundlagen, damit dieses Land auf die nächsten Krisen vorbereitet ist.
Da muss ich Ihnen, Herr Middelberg und Herr Brehm, ganz ehrlich sagen: Ich kann es aus Ihrer Perspektive verstehen, wenn Sie argumentieren: Was interessiert uns unsere Zeit in der unionsgeführten Bundesregierung? Was interessiert uns unsere Verantwortung dafür, was wir damals an Versäumnissen angerichtet haben? – Das ist alles schön und gut. Aber Ihr Gedächtnis reicht noch nicht mal bis zu den Haushaltsberatungen 2022 zurück. Da waren Sie es, da war es die Union, die die Asylrücklage in Höhe von 48 Milliarden Euro auflösen wollte. Sie sind es, die uns genau hier jetzt das vorwerfen, was Sie damals wollten. Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: So billig kommen Sie hier nicht davon.
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Das gilt für alle anderen Vorwürfe, die Sie hier erhoben haben, auch, etwa im Bereich Stellenaufwuchs. Das betrifft vor allem Stellen beim Zoll, bei der Bundespolizei. Sind Sie dagegen, dass der Zoll oder die Bundespolizei besser ausgestattet wird? Das müssten Sie doch mal sagen. Das ist doch der eigentliche Skandal, dass Sie uns das hier mitteilen wollen.
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„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“, das scheint offensichtlich die Devise zu sein, mit der die Union mittlerweile Haushaltspolitik macht. Das ist schade. Das gilt zum Beispiel auch für den Bereich Zinsen. Sie haben immer noch nicht verstanden, worin der Unterschied zwischen Zinsen und Zinskosten liegt. Das ist nämlich das Problem, das wir haben: dass wir von der Vorgängerregierung, von der unionsgeführten Regierung, Kosten geerbt haben – ob es um Inflationsausgleich geht, ob es um Disagio geht –, die wir jetzt als Zusatzkosten bei einem steigenden Zins als solchem tragen müssen. Deswegen ist Ihre gesamte Argumentation hier leider nicht sehr viel wert.
Wir halten die Schuldenbremse ein. Wir entlasten die Mitte mit einem Abbau der kalten Progression. Das haben Sie uns alles nicht zugetraut. Ich gehe davon aus, dass wir bis November intensive Haushaltsberatungen haben, aber am Ende des Tages einen genauso guten Haushalt verabschieden werden, wie er jetzt im Entwurf vorliegt.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die Beratungen.
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Die letzte Rednerin ist Frauke Heiligenstadt, SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat in der bisherigen Debatte ja allerlei Kritik am vorliegenden Haushaltsplanentwurf geübt
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und versucht, kein einziges gutes Haar an den Vorschlägen der Bundesregierung für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zu lassen.
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Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, müssen Sie sich auch gefallen lassen, dass wir uns Ihre Vorschläge mal angeschaut haben. Ich habe mir mal Ihr Papier von Anfang September mit der Überschrift „Klarheit in unsicheren Zeiten“ vorgenommen und nachgeschaut, was Sie denn so anders machen würden.
So fordern Sie zum Beispiel die Abschaffung der Gasumlage.
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Sie erklären den Menschen allerdings nicht, mit welchen Mitteln aus dem Haushalt Sie die Insolvenzen bei den Versorgungsunternehmen abwenden und damit auch die Gasversorgung sicherstellen wollen. Klarheit in unsicheren Zeiten? Fehlanzeige!
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Oder nehmen wir das Thema Atomkraft. Sie fordern die deutliche Weiternutzung der Atomenergie, sogar einschließlich des Erwerbs von neuen Kernbrennstäben. Dem ganzen Thema widmen Sie in Ihrem Papier sage und schreibe elf Zeilen unkonkreter Formulierungen. Sie berücksichtigen dabei aber weder die Kosten eines Weiterbetriebs von Atomkraftwerken noch die Kosten des Erwerbs von Kernbrennstäben oder mögliche Schadenersatzforderungen der Atomindustrie, die bei dem Ausstieg aus dem Ausstieg vom Ausstieg sicherlich thematisiert werden. Klarheit in unsicheren Zeiten? Fehlanzeige!
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Ein weiteres Beispiel ist Ihre Abwrackprämie für Energiefresser.
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Sie sind so unkreativ, dass Sie alte Ideen aus dem letzten Jahrzehnt, die schon damals schwierig umzusetzen waren, einfach recyceln. So fordern Sie jetzt eine Abwrackprämie für Kühlschränke.
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Mal abgesehen davon, dass die Bürgerinnen und Bürger momentan häufig gar kein Geld für neue Geräte haben, könnten Sie mit den von Ihnen vorgeschlagenen 3 Millionen Geräten vielleicht gerade einmal die Haushalte in Berlin ausstatten, aber für den Rest der Republik bräuchten Sie deutlich mehr Geld. Die Finanzierung? Klarheit in unsicheren Zeiten? Fehlanzeige, meine Damen und Herren!
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Ich könnte aus Ihrem Papier noch ein paar weitere Punkte nennen, die sehr unkonkret sind und keinerlei Finanzierungshinweise beinhalten. Ich belasse es aber bei diesen drei Beispielen.
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Bei der Gesamtfinanzierung des Haushaltes fordern Sie ohnehin immer nur mehr, mehr, mehr bei der Fachpolitik, während Ihre Finanzpolitiker und Finanzpolitikerinnen bzw. Ihre Haushaltspolitiker und Haushaltspolitikerinnen immer sagen: Schuldenbremse einhalten und keine Steuern und Abgaben erhöhen. – Beides zusammen funktioniert aber nicht. Kurzum: Sie können hier Vorschläge machen, so viel Sie wollen; vielleicht ist das was fürs Sommerloch. Wenn Sie mit Ihren Vorschlägen aber wieder ernst genommen werden wollen, dann müssen Sie schon regierungsfähige Vorschläge machen.
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Frau Kollegin.
Ansonsten bleibt mir nichts anderes, als zu sagen: Man braucht die Union in der Opposition jetzt weniger.
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Ich grüße Sie von hier aus und stelle fest, dass weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte nicht vorliegen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Sehr geehrte Zuschauende! Jeder und jedem von Ihnen fällt sofort ein Beispiel ein, wie die aktuellen Krisen Ihren persönlichen Alltag finanziell belasten, wie teuer Kartoffeln, Brot, Strom, Energie und erst recht Urlaub geworden sind. Wir sehen das. Wir tun was dagegen. Wir lassen niemanden in schwierigen Zeiten allein, meine Damen und Herren.
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Wohl dem, der nicht auf jeden Cent achten muss oder eine eigene Vorstellung davon hat, mit den steigenden Kosten umzugehen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat aber diejenigen im Blick, die das nicht können: die Eltern und Alleinerziehenden, die schon vor Corona eisern gehaushaltet und alles für ihre Kinder getan haben, damit sie ihnen Buntstifte, ordentliche Schuhe und ein gesundes Essen bieten können; die Senioren, die weiterhin selbstbestimmt leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben wollen; die Jugendlichen, die in der Coronakrise auf so vieles verzichtet haben, die aber eine gute Zukunft verdienen und so wichtig sind für unsere Gesellschaft und eine nachhaltige Transformation unseres Handelns und unseres Wirtschaftens; die Frauen, die in allen Krisen den Laden zusammen und am Laufen halten in der Gesellschaft und in den Familien und immer wieder schlechter bezahlt werden als Männer oder auch gar nicht bezahlt werden für ihre Care-Arbeit für Kinder und Angehörige. Dieser Fokus prägt den Haushalt 2023 meines Ministeriums: Wir entlasten in der Krise, und wir investieren in die Zukunft, meine Damen und Herren.
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Der Haushaltsentwurf sieht einen Etat von rund 12,9 Milliarden Euro vor, die wir für Familien und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen werden, also für mehr soziale Gerechtigkeit.
An erster Stelle steht, Kinderarmut zu bekämpfen; darum wollen wir die Kindergrundsicherung.
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Sie wird einkommensschwache Familien unterstützen, weil es neben dem Garantiebetrag einen einkommensabhängigen Zusatzbetrag geben wird. Und wir werden die Kindergrundsicherung so einfach ausgestalten, dass sie wirklich alle Kinder erreicht, unabhängig vom Familienmodell ihrer Eltern.
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So lindern wir Kinderarmut, so kommen wir sozialer Chancengerechtigkeit endlich ein großes Stück näher.
Bis das 2025 so weit ist, werden die Kinder in Familien, die mit Hartz IV auskommen müssen oder Wohngeld erhalten, einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro pro Monat bekommen. Das sind für 2023 insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro. Im Wege des Entlastungspakets gehen wir aber noch einen Schritt weiter und erhöhen das Kindergeld um 18 Euro pro Monat. Das entlastet Familien gezielt von den Kosten der Inflation; denn sie trifft die Inflation ganz besonders.
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Mit dem Bürgergeld erhöhen wir außerdem für Kinder im Hartz-IV-Bezug die Regelsätze, damit die Ärmsten unter den Kindern besser vor Armut geschützt sind.
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Das alles sind weitere wichtige Schritte hin zur Kindergrundsicherung.
Liebe Abgeordnete, liebe Zuschauende, Kinder lernen früh, sie lernen schnell, und sie lernen gründlich. Am besten fördern wir sie durch eine gute frühkindliche Bildung in den Kitas, und zwar überall in Deutschland.
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Deshalb wollen wir das KiTa-Qualitätsgesetz. Bevor hier irgendjemand behauptet, wir schafften die Sprach-Kitas ab, räume ich mit dem Irrtum auf: Wir nehmen in den nächsten zwei Jahren 4 Milliarden Euro in die Hand und investieren ganz gezielt in die Qualität der Kindertagesbetreuung. Das heißt konkret: in qualifiziertes Fachpersonal, in gute Ausstattung, in Gesundheit, Ernährung, Bewegung
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und vorrangig in die sprachliche Bildung.
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Die Länder haben es nun in der Hand, die Förderung der sprachlichen Bildung mithilfe der Bundesmittel zu verstetigen.
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Wir brauchen die Regelfinanzierung der Sprachförderung statt weiterer Modellprojekte. Wir stellen das Geld zur Verfügung, aber umsetzen müssen es die Länder mit uns gemeinsam, meine Damen und Herren.
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Das ist ganz wichtig; denn wir brauchen in Deutschland gemeinsame hohe Qualitätsstandards in den Kitas. Daran werden wir weiter arbeiten, damit Kinder hochqualifiziert betreut werden, egal wo sie leben. Das ist unsere Investition in die Zukunft.
Ich war vor zwei Wochen in Sachsen-Anhalt, in Teutschenthal, wo Jugendliche mit Mitteln des Coronaaufholpakets von Mai bis August ein selbst geplantes Sport- und Freizeitgelände, einen Jugendtreff und einen digitalen Infokanal aus dem Boden gestampft haben – und das in vier Monaten. Das geht, meine Damen und Herren.
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Die sind jetzt stolz wie Bolle, weil es ihr Projekt ist. Sie haben es geplant, sie haben es durchgeführt, sie werden es pflegen. Und das macht sie stark, meine Damen und Herren.
Genau da werden wir mit dem Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit mit 50 Millionen Euro für Projekte von Jugendlichen und Kindern zum Ausgleich und zum Nachholen nach dem ganzen Verzicht der Coronamonate ansetzen. Das passt zu unserem Engagement im Rahmen von „Demokratie leben!“. Wir stärken junge Menschen, und wir stärken Demokratie, indem wir all jene unterstützen, die sich für unsere Demokratie einsetzen.
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200 Millionen Euro stellen wir insgesamt dafür zur Verfügung – noch einmal 16,5 Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr.
Und diese Bundesregierung wird noch in diesem Jahr den ersten Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit beschließen. Wie bitter nötig das ist, zeigt der mörderisch-homophobe Hass, dem Malte C. zum Opfer fiel. Dieser 25-jähriger Transmann wurde erschlagen, als er beim CSD-Ständefest in Münster eine lesbische Frau vor Attacken schützen wollte. Das geht uns alle an. LGBTIQ-Menschen brauchen unseren Schutz, und wir werden mit dem nationalen Aktionsplan den Rahmen dafür geben.
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Werte Abgeordnete, werte Zuschauende, es geht um die innere Stärke unserer Gesellschaft, um das Zusammenhalten – besonders in Krisenzeiten wie diesen. Ich bin überzeugt: Sie, die Bürgerinnen und Bürger, Sie sehen das, Sie wollen das und Sie verstehen, dass wir in Krisenzeiten zusammenhalten müssen und dass wir diese Krisen gemeinsam bewältigen können, und zwar solidarisch. Sie registrieren auf der anderen Seite aber auch, dass Rechte und Demokratiefeinde aus der Krise Profit schlagen wollen und behaupten, die da oben in den Regierungen von Bund und Ländern machten, was sie wollten, und nähmen den normalen Menschen etwas weg. Meine Damen und Herren, das wird nicht wahrer, nur weil es immer lauter gebrüllt wird.
Die Folgen von Corona, Krieg und Klimakrise, ja, sie strapazieren die Nerven und sie strapazieren die Geldbörsen; aber wir können diese Aufgaben lösen, wenn wir es zusammen tun.
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Deshalb bitte ich Sie, werte Abgeordnete aus den demokratischen Fraktionen, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank.
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Silvia Breher hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Paus, es ist Ihr erster Haushalt für das BMFSFJ, den Sie hier vorlegen. Ihr Haushalt wächst; das ist auch gut, wichtig und richtig so. Er wächst aber vor allen Dingen auch durch die gesetzlichen Leistungen, die gesetzlichen Ansprüche, die bestehen.
Sie selber haben eben darauf verwiesen, dass das Kindergeld angehoben wird. Das Kindergeld ist bis auf ganz wenige Ausnahmen überhaupt nicht in Ihrem Haushalt verankert. Wenn Sie schon darauf hinweisen, dass es um 18 Euro für jedes Kind erhöht wird, dann würde ich sagen: Vielleicht sprechen wir noch einmal über das dritte Kind, über das vierte Kind und über das fünfte Kind, für die es nämlich diese 18 Euro nicht geben wird; denn das Kindergeld wird nur für das erste und zweite Kind angehoben.
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Mehrkindfamilien in diesem Land gehen hier leider leer aus.
In Ihrem Haushalt sollte einfach noch viel mehr stecken; denn es ist der Haushalt des Familienministeriums, und die Herausforderungen für Familien sind riesig. Sie, Frau Ministerin, haben in Ihrer ersten Rede Ende April gesagt, wie wichtig Ihnen Chancengleichheit für Kinder ist. Ich zitiere aus Ihrer Rede:
Ich finde mich nicht damit ab, dass Menschen mit ihren Talenten und Fähigkeiten auf der Strecke bleiben, nur weil sie benachteiligt sind …
Ich finde es wirklich schade, dass Sie genau hier die Unterstützung Ihrer Koalition scheinbar nicht haben. In Ihrem Koalitionsvertrag hatten Sie noch etwas ganz anderes verabredet, und genau daran wollen wir Sie messen.
Ihr Haushalt versagt im Bereich der frühkindlichen Bildung völlig, gerade wenn es um Chancengleichheit geht. Sie haben im Koalitionsvertrag versprochen: Wir wollen „das Programm ‚Sprach-Kitasʼ weiterentwickeln und verstetigen“.
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Verstetigen – Ausrufezeichen! Ihre Politik: Sie streichen dieses Bundesprogramm „Sprach-Kitas“.
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Dieses Programm gibt es jetzt seit zwölf Jahren. Es ist bundesweit erfolgreich mit über 7 500 Fachkräften, die gerade die benachteiligten, die schwächeren Kinder beim Spracherwerb unterstützen. Es sind Netzwerke entstanden. Erzieherinnen und Erzieher werden weitergebildet und die Einrichtungen weiterentwickelt. Sprache ist die Grundlage für alles. Sprache ist die Grundlage für Chancen von Kindern,
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egal ob sie benachteiligt sind oder nicht. Und genau das beenden Sie.
Ihre Staatssekretärin hat auf unsere Frage gesagt: Wir übergeben die entstandenen und erprobten Strukturen und Ansätze in die Verantwortung der Länder. – Nein, Sie zerstören diese Strukturen.
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Sie verweisen auf das Qualitätsgesetz, das da kommen mag. Aber wir haben schon jetzt das Gute-KiTa-Gesetz, ausgestattet mit 2 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Mittel erhöhen Sie gerade nicht. Für die Sprach-Kitas gab es in diesem Jahr 248 Millionen Euro. Diese Mittel stellen Sie den Ländern nicht zusätzlich zur Verfügung.
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Und es gibt keine Absprache mit den Ländern, keine Verabredungen, wie das denn bitte zum 1. Januar 2023 umgesetzt werden soll. Laut Ihrem Haushalt gibt es ab 1. Januar keine 7 500 Fachkräfte mehr.
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Der Finanzminister sagt dazu: Es wird keine Verschlechterungen in den Einrichtungen geben. – Sagen Sie das mal den Leitern der Einrichtungen,
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deren Mitarbeiter jetzt schon gekündigt haben, weil sie ab dem 1. Januar keinen Vertrag mehr haben! Sagen Sie das den Leitern dieser Einrichtungen, wo die Fachkräfte nicht wissen, was ab dem 1. Januar passiert, die aber jeden Tag in ihrer Kita Kinder haben, die Hilfe brauchen, die genau diese Sprachförderung brauchen. Das werden sie mit den Mitarbeitenden, die sie jetzt haben, einfach nicht leisten können.
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Der Kollege von Malottki von der SPD sagt dazu: Der Finanzminister täuscht Fachkräfte und Eltern. – Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, SPD-regiert, kündigt eine Bundesratsinitiative dazu an.
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Hören Sie endlich auf, zu streiten! Halten Sie sich einfach nur an Ihre eigenen Zusagen aus dem Koalitionsvertrag, und setzen Sie das Programm fort!
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Sie streichen ja nicht nur dieses Programm.
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Das Bundesprogramm „Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher“ wird ebenfalls eingestellt. Zugesagt im Koalitionsvertrag war ein Investitionsprogramm zum weiteren Ausbau von Kitaplätzen. Das gibt es in Ihrem Haushalt nicht. Die Frühen Hilfen wollten Sie laut Koalitionsvertrag dynamisieren – was auch immer das heißt. Das Programm schrumpft auf das Volumen von vor drei Jahren zurück, nämlich auf nur noch 51 Millionen Euro, und das noch ohne Inflationsausgleich und Lohnmehrkosten.
Ich unterbreche Sie, weil Ihre Redezeit fast zu Ende ist, und frage Sie, ob Sie eine Zwischenfrage von Herrn Fricke zulassen wollen.
Nein, ich spreche zu Ende. Danke.
Gut.
Das alles sind Versprechen aus Ihrem eigenen Koalitionsvertrag, und diese halten Sie nicht ein.
Wir, aber nicht nur wir, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger, die Kinder und Familien in diesem Land, erinnern Sie einfach nur an Ihre eigenen Zusagen, die Zusagen der sogenannten Zukunftskoalition. Für die Zukunft der Schwächeren, der Kinder in diesem Land, ist da leider nicht viel drin. Wir werden da erhebliche Nachbesserungen einfordern und freuen uns auf die Beratungen.
Vielen Dank.
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Der Kollege Fricke zu einer Kurzintervention.
Frau Kollegin Breher, es ist schade. Ich wollte Ihnen gerade die Möglichkeit geben, noch ein paar Gedanken zu Ende zu führen.
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Sie haben jetzt ganz viele Vorschläge gemacht, was diese Koalition noch verlängern müsse und wie Sie es als CDU,
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die Sie abgewählt worden sind aus der Regierung, machen würden,
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anstatt der Koalition und der Ministerin die Möglichkeit zu geben, das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, so umzusetzen, wie diese Koalition es für richtig hält.
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Jetzt sind sie alle weg, bis auf den Landesgruppenvorsitzenden der einstmals stolzen CSU.
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Dennoch frage ich Sie nach dem, was Ihre Vorgänger in der Rede zur Finanz- und Haushaltspolitik gesagt haben: Wird die CDU/CSU all das, was Sie kritisiert haben – wo das Geld fehlt und wo Sie der Meinung sind, der Bund müsste das wieder für die Länder machen –, als Anträge im Haushaltsverfahren stellen und mit welchem Wert, oder ist das hier nur heiße Luft?
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Frau Breher, Sie können darauf antworten.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Wenn Sie mir zugehört haben, dann haben Sie sehr wohl mitbekommen, dass ich gesagt habe: Ich messe Sie an Ihren eigenen Versprechen. – Ich habe zitiert aus Ihrem Koalitionsvertrag,
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und ich habe die Ministerin zitiert aus ihrer eigenen Rede.
Zum Thema „Sprach-Kitas“. Ja, dazu wird es von uns einen entsprechenden Antrag und einen Finanzierungsvorschlag geben. So habe ich mich bislang auch jedes Mal eingelassen.
Vielen Dank.
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Der nächste Redner ist Sönke Rix für die SPD-Fraktion.
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Breher, wir haben in den vergangenen Jahren zusammen regiert, und man muss sagen: Es war auch nicht alles schlecht. – Allerdings ist jetzt vieles besser.
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Ich will ganz kurz noch einmal darauf hinweisen, dass wir immer gemeinsam der Auffassung waren, dass wir die Länder da, wo sie originär zuständig sind, gerne unterstützen, aber dass wir wollen, dass sie ihre originären Aufgaben auch wahrnehmen.
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Ich weiß das ganz genau; Nadine Schöne und Markus Weinberg haben das immer wieder betont. Das war übrigens auch der Grund, warum die Union gar nicht auf die Idee gekommen wäre, ein Gute-KiTa-Gesetz auf den Weg zu bringen. Das haben wir als Sozialdemokraten damals in den Koalitionsvertrag gebracht; das war nicht Ihre Idee. Die Union war damals eigentlich gegen ein bundesweites Qualifizierungsgesetz.
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Auf einmal entdecken Sie in der Opposition Ihre Zuneigung zur Kita. Das ist ja schön, gut und wunderbar.
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Entdecken Sie die aber bitte auch in den Ländern, in denen Sie Verantwortung tragen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
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Sprache sei die Grundlage für alles, haben Sie gerade gesagt. Wenn man den Koalitionsvertrag genau liest, dann findet man dort, dass wir das Programm „Sprach-Kitas“, die Sprachförderung, verstetigen wollen. Was bedeutet „verstetigen“ für einen Gesetzgeber? Das bedeutet, es in ein Gesetz zu überführen. Es geht dabei nicht um ein Programm oder um Projekte.
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Das sind die Grundlagen. So verstetigen wir als Bundesgesetzgeber. Wir überführen das Programm in ein Gesetz, und zwar ins KiTa-Qualitätsgesetz, und das ist auch richtig so.
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Wir wissen schon jetzt: Es gibt Strukturen vor Ort, auf die wir bei den Haushaltsberatungen achten müssen, damit sie erfolgreich ins KiTa-Qualitätsgesetz überführt werden können. Aber so ist das bei Haushalten. Wir gucken als Haushaltsgesetzgeber noch mal drauf und versuchen, für diese Strukturen eine Übergangslösung zu finden. Wir als Sozialdemokraten sind auf jeden Fall bereit dazu.
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Wir alle waren in den letzten Wochen unterwegs. Ich habe dabei unter anderem zwei Familien getroffen. Eine erzählte mir, sie habe sich ein Baugrundstück bei mir in Eckernförde gekauft, das sie zurückgeben musste, weil die Preise so massiv gestiegen sind. Die andere Familie erzählte mir, sie wolle auf die Nachmittagsbetreuung ihres Kindes verzichten, weil sie zu teuer ist und weil sie aufgrund der Preissteigerungen erst einmal die Lebensmittel, das Haus usw. finanzieren muss. Das sind dramatische Situationen bei Familien, von denen wir eigentlich gedacht haben, dass sie auf einer Ebene sind, auf der sie gar nicht viel staatliche Unterstützung brauchen. Aber gerade in der jetzigen Zeit, in der die Energiepreise und die Preissteigerungen allgemein sehr hoch sind, brauchen sie diese Unterstützung, und es ist gut, dass wir mit dem letzten Maßnahmenpaket – das ist das dritte Maßnahmenpaket, das die Koalition auf den Weg gebracht hat – gerade auch diese Familien in den Blick nehmen.
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Wir unterstützen nicht nur durch die Erhöhung des Bürgergeldes auf 500 Euro, die Ausweitung des Wohngeldes, die Einführung einer Strompreisbremse, die Erhöhung des Kindergeldes und die Erhöhung des Kinderzuschlages, sondern auch darüber hinaus. Wir haben einerseits die Aufgabe, ins System einzugreifen – beispielsweise über die Strompreisbremse –, andererseits aber auch die Aufgabe, dauerhaft für Entlastung und Unterstützung zu sorgen. Deshalb wird diese Koalition auch die Kindergrundsicherung einführen. Nach den Hilfspaketen kommt die dauerhafte Lösung, und das ist die Kindergrundsicherung.
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Im Gegensatz zur Union sind wir schon länger dafür, Familien dauerhaft zu entlasten, und entdecken unsere Zuneigung für Kitas und Familien nicht erst, wenn wir in der Opposition angekommen sind.
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Dafür arbeitet diese Koalition.
Herzlichen Dank.
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Die Rednerin für die AfD ist Mariana Harder-Kühnel.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Naive hat geglaubt, dass die FDP in der Ampel als Korrektiv linker Politik wirken könnte. Der Realist wusste, dass es anders kommt. Und der vorliegende Haushaltsplan gibt dem Realisten recht. Linke und Pseudoliberale sind letztlich zwei Seiten derselben Medaille,
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und die vielen FDP-Wähler, die das anders sahen, kommen sich jetzt betrogen vor.
Sanktionen gegen Russland, bald Sanktionen gegen China, eine Antidiskriminierungsbeauftragte, die Deutsche als „Kartoffel“ beschimpft, und ein Selbstbestimmungsgesetz, mit dem bereits Jugendliche im Jahrestakt ihr Geschlecht wechseln können – dieser Wahnsinn ist auch made by FDP.
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Aber Christian Lindner säuselt im „Welt“-Interview, die FDP verhindere einen Linksruck. Wofür braucht man die FDP überhaupt noch? Eben, für gar nichts! Die politische Linke wiederum hat die Menschen aufgegeben, die früher in ihrem Fokus standen – Arbeiter, sozial Bedürftige, Rentner, Familien –, während sie sich nun vorrangig sexuellen, ethnischen oder sonstigen Minderheiten widmet.
Ein Blick in den vorliegenden Familienhaushaltsplan macht diese falsche Prioritätensetzung besonders deutlich. Die Mittel für die Bundesstiftung Gleichstellung sollen um zwei Drittel erhöht werden, und auch generell werden mehr Mittel für Gleichstellungspolitik veranschlagt.
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Lassen Sie doch einfach Frauen Frauen und Männer Männer sein, statt sie ständig in ein Gleichstellungskorsett zu zwingen! Schluss mit diesen politischen Geschlechtsumwandlungen!
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Besonders dreist ist die Erhöhung der Mittel für die Förderung von Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Vielfalt. Was blumig klingt, ist nichts anderes als linke Kadersubventionierung, und die ist auch noch üppig bemessen.
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Fast 184 Millionen Euro sind für diesen Haushaltsposten vorgesehen. Das sind 33 Millionen Euro mehr als im Vorjahr und ist fast doppelt so viel wie 2020. Das freut natürlich Ex-Stasimitarbeiterin Kahane, die als Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung mal wieder zu den Begünstigten zählen wird. Sie hat erklärt, die größte Bankrotterklärung der deutschen Politik nach der Wende sei es gewesen, dass sie zugelassen habe, dass ein Drittel des Staatsgebiets weiß blieb. Deutschland im Jahr 2022 ist, wenn ehemalige Stasifunktionäre uns, staatlich subventioniert, in Fragen der Demokratie und Vielfalt belehren wollen.
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Was die einen bekommen, das wird den anderen eben genommen. Die Mittel für die Förderung des Ehrenamtes werden mal eben um zwei Drittel gekürzt. Die Mittel zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit Kindern werden nicht erhöht, was aber bitter nötig wäre; denn die Frauenhäuser platzen dank Ihrer Migrationspolitik aus allen Nähten.
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Die Zuschüsse für Aufgaben der Politik für ältere Menschen und den demografischen Wandel werden um etwa 3 Millionen Euro gekürzt. Dabei ist die demografische Entwicklung unseres Landes eine Katastrophe. Die Geburtenrate liegt deutlich unterhalb des bestandserhaltenden Niveaus. Seit 50 Jahren sterben in Deutschland mehr Menschen als geboren werden. Ihre dringendste politische Aufgabe wäre es also, diese demografische Katastrophe abzuwenden, zum Beispiel, indem man Familien steuerlich entlastet oder das Familiensplitting einführt, die Mehrwertsteuer auf Artikel des Kinderbedarfs senkt, eine Kultur des Lebens fördert, die Hilfen für Schwangere und ungewollt Kinderlose ausbaut etc. Das wäre mal Politik für das eigene Volk.
Aber was machen Sie? Gerade 3 Prozent des Gesamthaushaltes sind für den Familienhaushalt eingeplant, 600 Millionen Euro weniger als zuvor. Und davon sind große Teile auch noch für linksideologische Projekte und natürlich für Ihre eigene Parteijugend vorgesehen – mitten in einer von Ihrer Politik herbeigeführten Energie- und Wirtschaftskrise, in der Familien jeden Cent brauchen könnten. Sie beschwören einen Abtreibungskult. Sie greifen die traditionelle Familie an, und die demografische Entwicklung dient Ihnen als Vorwand für offene Grenzen und für noch mehr Migration. Nein, damit dramatisiere ich nichts. Ein Landtagsabgeordneter der Grünen – immerhin Regierungspartei – fordert ja ganz offen „Zuwanderung bis zum Volkstod“. Mit „Zuwanderung bis zum Volkstod“ kann man vielleicht aus linker Sicht die demografische Krise lösen, aber man schafft so Tausend neue Probleme.
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Fassen wir also zusammen: Wir sollen Flagge zeigen, aber nicht die schwarz-rot-goldene, sondern am besten die regenbogenfarbene. Wir sollen 67 Geschlechter akzeptieren, aber unser eigenes infrage stellen. Wir sollen alles Fremde lieben, aber das Eigene nicht. Wir sollen frieren gegen Putin, kalt duschen fürs Klima, den Gürtel enger schnallen, während der deutsche Staat noch mehr Geld für linke Kadersubventionierung, politische Geschlechtsumwandlungen und „Zuwanderung bis zum Volkstod“ ausgibt. Der Großteil dieses Hauses trägt diesen Irrsinn mit. Nur eine Kraft wehrt sich dagegen, nämlich die Alternative für Deutschland.
Vielen Dank.
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Claudia Raffelhüschen ist die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, ich gehe jetzt nicht darauf ein.
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Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr beraten wir einen Haushaltsentwurf für den Einzelplan 17. Um die banalste wie bitterste Wahrheit gleich am Anfang auszusprechen: Die Rahmenbedingungen sind im Vergleich zum Haushalt 2022 nicht besser geworden.
Gerade deshalb bin ich jedenfalls sehr froh, dass wir am ehrgeizigen Ziel unseres Koalitionsvertrages festhalten und die Schuldenbremse ab diesem Haushalt, dem Haushalt 2023, wieder einhalten.
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Denn wir ahnen einerseits alle, dass die weltpolitische Situation uns sicherlich noch auf Jahre hinaus massenhaft Gründe geben würde, viel staatliches Geld zu verausgaben und vieles an finanzpolitischer Vernunft über Bord zu werfen. Andererseits wird uns gerade brutal vor Augen geführt, was exzessives Schuldenmachen und die Geldflutungspolitik der EZB bewirken: galoppierende Inflation, Lohn-Preis-Spiralen und, wie in den USA oder Osteuropa zu besichtigen, die Anfänge einer Wirtschaftsrezession mit allen unschönen Nebenwirkungen für innere Sicherheit und politische Stabilität.
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Insofern ist es also gut, dass wir in Deutschland eine Schuldenbremse haben und sie nun auch wieder nutzen.
Ich freue mich sehr, dass der Einzelplan 17 trotz der widrigen Gesamtumstände im Vergleich zum Soll 2022 um 280,6 Millionen Euro steigt und nun bei knapp 13 Milliarden Euro liegt. Die größte Steigerung mit einem Plus von 550 Millionen Euro gibt es beim Elterngeld. Das ist ein gutes Signal und bestätigt wieder, dass das Elterngeld eine der am meisten geschätzten Familienleistungen in Deutschland ist.
Wir erreichen damit drei Dinge gleichzeitig. Wir sichern die wirtschaftliche Existenz der Familien. Wir entlasten Eltern und – das wird oft vergessen – auch die Unternehmen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und wir ermöglichen Eltern, und zwar beiden Eltern, sich Zeit für ihr Kind zu nehmen.
Der Kinderzuschlag steigt um 101 Millionen Euro. Auch das ist eine Familienleistung, die im Leben der betroffenen Kinder einen positiven Unterschied macht.
Auch wenn wir uns alle einig sind, dass die Spätfolgen der Pandemie gerade bei Kindern und Jugendlichen noch längst nicht überwunden sind, kann die Konsequenz dennoch nicht sein, dass wir uns im dritten Jahr der Pandemie immer weiter in einem Ausnahmezustand einrichten, der heute, Gott sei Dank, nicht mehr so gegeben ist wie noch vor zwei Jahren um diese Zeit. Dass wir ohne Lockdown und Homeschooling auch kein Programm „Corona-Auszeit für Familien“ mehr haben, ist kein trauriges Zeichen, sondern ein sehr gutes. Für mich als freie Liberale decken sich hier finanz- und gesellschaftspolitische Ziele. Ich wünsche mir für unsere Kinder mehr Normalität und weniger Sondermaßnahmen.
An dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an die Ministerinnen Paus und Stark-Watzinger dafür, dass sie sich so klar gegen weitere Kita- und Schulschließungen ausgesprochen haben.
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Die Kosten, die durch noch mehr psychische Schäden bei Kindern garantiert entstehen würden, können wir uns wirklich im Sinne des Wortes sparen.
Gerne investieren wir dagegen in eine gute Kinderbetreuung und in frühkindliche Bildung, vor allem Sprachkompetenz. Der Bund hat seit 2008 satte 5,4 Milliarden Euro in den Kitaausbau gesteckt und seit 2019 noch mal 5,5 Milliarden Euro in die Umsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes. Für die Weiterentwicklung dieses Gesetzes sind für 2023 und 2024 noch mal jeweils 2 Milliarden Euro vorgesehen, und das alles, obwohl Kinderbetreuung grundsätzlich erst einmal Ländersache ist.
Vor diesem Hintergrund finde ich die künstliche Empörung der letzten Woche über das planmäßige Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ nach sage und schreibe elf Jahren einigermaßen befremdlich. Zumindest zeugt sie von einem sehr seltsamen Föderalismusverständnis: Der Bund zahlt, und die Länder bestimmen. Hier würde ich mir neben den Grundsätzen der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zusätzlich den Grundsatz der Haushaltsfairness wünschen.
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In der Vergangenheit haben leider viele Länder Bundesgelder genutzt, um Kitagebühren, und zwar unabhängig vom Einkommen der Eltern, zu kürzen oder ganz abzuschaffen.
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Wenig überraschend hat nun die Evaluation ergeben, dass eine stärkere Priorisierung auf die Verbesserung der Qualität gelegt werden sollte, darunter die Verbesserung des Betreuungsschlüssels, qualifiziertes Fachpersonal und – für mich ganz zentral – die sprachliche Bildung.
Ich bin daher froh, dass die Länder mit der Weiterentwicklung in Form des KiTa-Qualitätsgesetzes künftig überwiegend, also über 50 Prozent der Gelder, in die sieben vorrangingen Handlungsfelder investieren sollen. Aus meiner Sicht dürften es gerne 100 Prozent sein, die in die Qualität gesteckt werden.
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In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen und unseren gemeinsamen Einsatz für die Kinder und die Familien.
Vielen Dank.
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Dr. Gesine Lötzsch spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinder sind in unserem Land ein großes Armutsrisiko, insbesondere für Alleinerziehende. Das ist eine Schande, und das muss geändert werden, meine Damen und Herren.
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Auch das Kinderhilfswerk UNICEF hat der Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben, dass sie zu wenig tut, um Kinder vor Armut und Gewalt zu schützen. Die Politik müsse endlich deren Wohl in den Mittelpunkt stellen.
Die Kollegin Raffelhüschen von der FDP hat gerade noch einmal die unsinnige Schuldenbremse verteidigt und sie unter die Überschrift „Generationengerechtigkeit“ gestellt.
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Die Wahrheit ist genau anders herum: Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse. Sie gefährdet die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder.
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Sie verhindert den Bau von Kitas, Schulen und Infrastruktur. Das ist ungerecht. Die Schuldenbremse gehört wirklich auf den Müllhaufen der Geschichte.
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Frau Paus, Sie haben hier wieder über die Einführung der Kindergrundsicherung gesprochen – ein wichtiges Projekt, das Ihnen persönlich sicherlich am Herzen liegt. Aber Sie haben es in diesem Haushalt nicht durchgesetzt. Ich finde, es ist unerträglich, dass es der Ampel gelungen ist, innerhalb von 100 Tagen 100 Milliarden Euro für die Rüstung lockerzumachen, während es vier Jahre dauern soll, bis die Kindergrundsicherung kommt. Wer soll so eine Politik ernst nehmen? Das ist garantiert keine Politik für Kinder und Jugendliche. Das muss sich ändern, meine Damen und Herren.
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Kinder und Jugendliche sind immer die ersten Opfer in der Krise. In der Pandemie wurden als Erstes die Spielplätze und dann die Schulen geschlossen. In der aktuellen Gaskrise war einer der ersten Vorschläge von Bundesminister Habeck, die öffentlichen Schwimmbäder nicht mehr zu beheizen. Ich finde, das ist ein fataler Vorschlag. Kein Mitglied dieser Regierung hat zum Beispiel gefordert, Übungsflüge der Luftwaffe zu reduzieren, um Treibstoff zu sparen. Nur eine Zahl: Das Kampfflugzeug F-35 verbraucht in der Stunde 5 600 Liter Treibstoff. Das ist doch nicht zu akzeptieren. Das Geld dafür könnten wir einsetzen, um für Kinder und Jugendliche etwas Sinnvolles zu machen, meine Damen und Herren.
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Es hat eine unheimliche Symbolkraft, wenn die Ampel jetzt das Programm „Sprach-Kitas“ streicht. Mit diesem Programm hat der Bund seit vielen Jahren – das ist hier erwähnt worden – zusätzliches Personal für die Sprachentwicklung in Kitas finanziert. In den vergangenen Jahren haben viele Einrichtungen davon profitiert. Wenn dieses beliebte Programm jetzt abgewickelt wird – angeblich wird es weiterentwickelt; aber das steht nicht im Haushalt –, dann ist das ein fatales Signal. Es kostet den Bund gerade einmal 200 Millionen Euro. Das ist ein Witz im Vergleich zu den 64,05 Milliarden Euro, die die Bundeswehr allein in diesem Jahr bekommt. Ich nenne Ihnen mal einen Vergleich: Wenn Sie nur ein U‑Boot weniger bauen würden, dann hätten Sie das Geld für dieses Sprachprogramm zusammen.
Meine Damen und Herren, jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Das ist nicht nur sozial ungerecht, sondern das ist auch schlecht für die Gesellschaft. Sie kann sich dadurch schlechter entwickeln.
Vielen Dank.
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Bruno Hönel hat jetzt das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorgelegte Etat des Familienministeriums wächst an, und das in einer schwierigen Zeit. Im Vergleich zum Haushalt 2022 steigen die Ausgaben um 280 Millionen Euro. Insgesamt umfasst er rund 12,9 Milliarden Euro für Familien, für die Menschen vom Kita- bis ins Rentenalter, aber eben auch für unsere lebendige Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Das ist zuallererst einmal ein gutes Signal zur richtigen Zeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Eine ernsthafte Analyse des Einzelplans muss im Kontext der fiskalpolitischen Gesamtsituation erfolgen, und damit eben auch im Angesicht der Krisen, denen wir gegenüberstehen. Genau das führt uns zu zwei Realitäten, die ich hier kurz umreißen möchte.
Die Haushaltslage ist angespannt; das wissen Sie alle. Wir haben durch den Krieg in der Ukraine, unsere humanitären und sicherheitspolitischen Verpflichtungen, aber eben auch durch die Teuerung und die massiven Entlastungen, die wir finanzieren, massive Mehrausgaben. Nun reduzieren wir aber trotz dieser Mehrausgaben die Nettokreditaufnahme von 139 Milliarden Euro auf 17 Milliarden Euro, um die Schuldenbremse einhalten zu können. Das erfordert natürlich eine gewisse Ausgabenkritik, und davon ist der Einzelplan 17 auch nicht ausgenommen.
Die zweite Realität ist eine enorme Diskrepanz der Haushaltssituation von Bund und Ländern. Im Mai 2022 hatte die Ländergesamtheit ein positives Finanzierungssaldo von 11,3 Milliarden Euro.
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Tatsache ist: Die Länder haben die finanzielle Ausstattung, um ihre landeseigenen Aufgaben auch zu schultern.
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Vor dem Hintergrund der beiden Realitäten, die ich beschrieben habe, verstehe ich auch die Angriffe der Union hier nicht. Sie können nicht auf der einen Seite in Sonntagsreden immer die schwarze Null hochhalten,
aber auf der anderen Seite im parlamentarischen Haushaltsverfahren fordern, jeden zweiten Titel im Haushalt zu erhöhen.
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Das passt nicht zusammen. Man muss kein Mathematiker sein, um festzustellen, dass das nicht geht; das ist unseriös. Das ist eine unseriöse Haushaltspolitik.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Sprach-Kitas hat die Ministerin schon ausgeführt.
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Klar ist, dass wir über das KiTa-Qualitätsgesetz und den Schwerpunktbereich Sprachförderung den Ländern die Möglichkeit geben, das Programm weiterzuführen. Sie müssen diese Möglichkeiten eben nutzen. Genau darüber hat die Ministerin hart verhandelt, damit wir unser Versprechen, das KiTa-Qualitätsgesetz auf den Weg zu bringen, einlösen können. Das ist gelungen: Insgesamt 4 Milliarden Euro stellen wir dafür in 2023 und 2024 bereit. Das ist nötig, weil Kitas eben nicht nur ein Ort der Betreuung sind, sondern vor allem auch ein Ort frühkindlicher Bildung und Sozialisation, der Ort, wo das Fundament für Chancengerechtigkeit gelegt wird. Unser Motto ist klar und einfach: Qualität ist Priorität. Genau das prägt das KiTa-Qualitätsgesetz.
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Ein weiterer Erfolg ist das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit im Umfang von 50 Millionen Euro. Die Ministerin sorgt dafür, dass die Erfolge der ausgelaufenen Coronaprogramme nicht einfach versickern, sichert eine Anschlussfinanzierung. Das unterstützen wir natürlich, weil es geboten ist nach Jahren der Entbehrungen vor allem für unsere Jüngsten aufgrund der Coronasituation.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend sagen: Das Ministerium hat weniger Handlungsspielraum als in den letzten Jahren, obwohl an sich mehr Geld zur Verfügung steht. 2023 fließen 550 Millionen Euro mehr in das Elterngeld. Der wachsende Ansatz ist gut im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die wir gemeinsam massiv fördern. Aber der Titel bindet eben auch Haushaltsmittel, die dann im Programmbereich fehlen.
Am Ende sind wir also wieder bei der Realität vom Anfang: Unter Einhaltung der Schuldenbremse sind Abstriche an einigen Stellen unumgänglich.
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Trotzdem finanzieren wir das Notwendige, gehen darüber hinaus mit diesem Einzelplan, mit dem KiTa-Qualitätsgesetz. Wir haben jetzt im parlamentarischen Verfahren noch Handlungsspielräume. Wir sollten sie nutzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herzlichen Dank.
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Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Hermann-Josef Tebroke für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen und an den Empfangsgeräten! Wir als CDU/CSU werden nicht müde, die Bedeutung und den Wert der Familie immer wieder herauszustellen und uns auch in der Politik ganz konkret für Familien einzusetzen. Insofern begrüßen wir natürlich auch die Debatte zu dem Einzelplan 17, wobei gerade schon deutlich gemacht worden ist, dass der Einzelplan 17 und das, was dort abgebildet ist, nicht alleine das ausmacht, was Familie betrifft.
Meine Damen und Herren, was ist von Familien in der zurückliegenden Coronakrise alles geleistet und erlitten worden? Wo wären wir als Staat eigentlich, wenn wir die Familien nicht hätten, die so viel für uns als Staat, als Gesellschaft geleistet haben? Jetzt kommen die Ukrainekrise, die Energiekrise, die Inflation und Zukunftsängste dazu, und wieder sind es Familien, zumal mit mehreren Kindern, Alleinerziehende, Familien mit pflegenden Angehörigen, die überproportional betroffen sind, zum einen, weil die Preissteigerungen vor allem Produkte und Dienstleistungen betreffen, die von Familien nachgefragt werden, und zum anderen, weil Familien im Durchschnitt ein geringeres Einkommen zur Verfügung haben und damit diese Krise nicht so leicht wegstecken können. Ich glaube, darüber besteht weitestgehend Einigkeit, und es wird auch vielerorten immer wieder anerkennend zum Ausdruck gebracht. Wir sagen aber: Es braucht auch konkrete Unterstützung, und zwar schneller und umfassender, als das hier geplant ist.
Vor diesem Hintergrund legt die Regierung einen Haushaltsplanentwurf 2023 vor, der
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– wie sagte der Staatssekretär Toncar? – als „gute Grundlage für die parlamentarischen Beratungen“ dienen möge. Das macht deutlich, dass auch die FDP und der Finanzminister davon ausgehen, dass noch intensiv nachgebessert werden muss.
Wenn – das möchte ich an dieser Stelle sofort klarstellen und in Richtung von Herrn Dr. Fricke, auch von Frau Raffelhüschen sagen –, wenn für die Einhaltung der Schuldenbremse votiert wird, dann geschieht das auch mit unserer Unterstützung, weil wir glauben, gerade aus Sicht der Familien gehört zu einer nachhaltigen Politik eben auch die Berücksichtigung der nachfolgenden Generationen, die das abzutragen haben, was wir hier möglicherweise leichtfertig verausgaben.
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Aber, meine Damen und Herren, ist dieses wuchtige Paket mehr als wuchtig? Ist es eigentlich auch klug? Und vor allem: Ist es familienfreundlich? Das ist eine Frage, die ich insbesondere an Sie, Frau Familienministerin, richten möchte. Dabei meine ich nicht nur die Analyse und Bewertung des Einzelplans 17. Ich glaube, Familienpolitik geht weit über das hinaus, und Ihre Verantwortung reicht weit über das hinaus, was im Einzelplan 17 abgebildet wird. Familien brauchen Infrastruktur und Zeit, aber sie brauchen auch konkret Geld.
Ich möchte an dieser Stelle insbesondere auf die steuerpolitischen Beiträge eingehen, die auch dazu angelegt sein können, Familien zumal in dieser Situation zu unterstützen. Ihre Rolle als ehemaliges Mitglied des Finanzausschusses und Ihre Befassung insbesondere auch mit steuerpolitischen Fragen machen mich zuversichtlich, Frau Paus, dass Sie sehr konstruktiv mit den Vorschlägen umgehen, die wir als Union unterbreiten möchten. Konkret bezogen ist dies auf steuerpolitische Fragen, auf die Gestaltung des Steuersystems, auf das, was in Zukunft hier zu beraten ist: Warum gelingt es nicht mehr und konsequenter, die Liste der mit ermäßigten Steuersätzen belegten Gegenstände zu diskutieren, zu untersuchen? Gerade aus Sicht der Familien: Was ist mit den Lebensmitteln, die immer noch mit 19 Prozent besteuert werden? Was ist mit Hygieneartikeln zur Versorgung von Kindern, was mit der Kinderkleidung und Kinderschuhen, die wir mit 7 Prozent besteuern könnten statt mit 19 Prozent? Das wäre ein schneller Beitrag zur Hilfe für Familien.
Ich komme zum zweiten Punkt. Was ist mit Ersparnishilfen für junge Familien?
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Könnten wir neben der Unterstützung etwa im Bereich der Arbeitnehmersparzulage, der Wohnungsbauprämie nicht auch mehr machen im Bereich der Grunderwerbsteuerfreibeträge, um Vermögen zu bilden? Was ist mit der Erhöhung des Sparerpauschbetrages für kleine Sparer, für Familien, die Vermögen bilden wollen und sich damit vor Inflationsrisiken schützen wollen?
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– Das machen wir sehr gerne, Herr Dr. Fricke.
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Wir helfen Ihnen dabei, wenn das so noch nicht von Ihnen vorbereitet ist.
Wir haben auch einige Vorschläge zur Einkommensteuer. Wir könnten uns einen Energiekostenfreibetrag vorstellen. Darüber gibt es einen Vorschlag als Alternative zu dem 300-Euro-für-alle-Paket. Wir stellen uns eine Anpassung der Kinderfreibeträge vor, auch eine Anpassung des Kindergeldes; die Kollegin Breher hat bereits darauf hingewiesen, dass wir nicht nachvollziehen können, wie da argumentiert wird. Wir haben Unterstützungsmöglichkeiten im Bereich der haushaltsnahen Dienstleistungen, die völlig chaotisch organisiert sind. Lassen Sie uns das aktualisieren, lassen Sie uns das straffen. Ich glaube, wir tun viel für die Familie.
Nicht zuletzt: Auch zur Entlastung der Alleinerziehenden haben wir wiederholt Vorschläge gemacht. Ich verstehe eigentlich auch die Fraktion der Linken nicht, die hier, Frau Lötzsch, betont, wie sehr ihr die Alleinerziehenden am Herzen liegen, aber die Unterstützung für unsere Anträge schuldig bleibt.
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Herr Kollege, Sie kommen zum Ende, bitte.
Meine Damen und Herren, Familien verdienen Anerkennung, und sie brauchen mehr Unterstützung. Frau Ministerin, wir erwarten von Ihnen, dass Sie über die Ansätze im Einzelplan 17 hinaus erkennbar mehr für Familien tun, zum Beispiel im Bereich der Steuerpolitik, und wir versichern Ihnen unsere Unterstützung. Wir sind eine konstruktive Opposition, der es insbesondere an den Familien gelegen ist.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Elisabeth Kaiser hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf den Herbst und Winter ist für uns in der SPD klar: Wir tun alles dafür, den Herausforderungen infolge des russischen Angriffskriegs, insbesondere den enormen Energiepreisen, wirksam zu begegnen. Denn nur so sichern wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Mit den Beschlüssen vom Wochenende hat die Koalition einmal mehr bewiesen, dass sie in Zeiten großer Krisen handlungsfähig ist und dass sich Bürgerinnen und Bürger in unserem Land auf uns verlassen können.
Die Ausweitung des Wohngeldanspruchs, eine Strompreisbremse, Steigerungen bei Kinderzuschlag und Kindergeld, endlich 300 Euro Direktzahlungen für Rentnerinnen und Rentner, 200 Euro für Studierende und Fachschüler/-innen: All das und mehr sind Maßnahmen, die vor allem Familien, Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen, aber auch Menschen im Alter zielgenau entlasten.
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Als Ostthüringerin sind mir das besonders wichtige Anliegen, weiß ich doch um die großteils immer noch geringeren Löhne, geringeren Renten und kaum vorhandenen Vermögen, die man bräuchte, um die Preissteigerungen infolge der Inflation und die hohen Energiekosten abfedern zu können.
Wir müssen aber damit rechnen, dass die aktuelle Lage länger andauert, als wir alle hoffen. Die nun bevorstehenden Beratungen zum Bundeshaushalt 2023 stehen deshalb auch weiterhin im Zeichen dieser enormen Herausforderungen.
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Klar ist dabei auch, dass Bund und Länder gemeinsam in der Verantwortung stehen, die Folgen der Krise zu bewältigen.
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Das trifft auch auf viele Bereiche des Bundesfamilienministeriums zu. Mit Blick auf den Haushalt 2023 für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lässt sich zunächst feststellen, dass die Mittel um 280 Millionen Euro steigen, und das, obwohl die Gelder aus dem Coronaaufholprogramm auslaufen. Gründe dafür sind, dass mehr Menschen gesetzliche Leistungen wie Elterngeld in Anspruch nehmen, aber auch vom verbesserten Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag profitieren. Und das ist gut so; denn mit den gesetzlichen Familienleistungen erreichen wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wir unterstützen Alleinerziehende, und wir helfen Familien mit geringem Einkommen.
Zugleich ist uns aber als SPD wichtig, dass mehr getan werden muss, um Kinder davor zu schützen, in Armut aufzuwachsen. Die Kindergrundsicherung ist eine Leistung, die wir unbürokratisch zusammenführen wollen.
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Das ist das größte Projekt unserer Koalition, mit dem wir Kinderarmut effektiv bekämpfen wollen.
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Armut von Kindern ist aber nicht nur der Mangel an monetären Ressourcen, sondern oft verbunden mit Bildungsarmut, Entwicklungsdefiziten sowie psychischen und sozialen Störungen. Studien belegen: Kinder aus armen Familien bleiben häufig ihr ganzes Leben lang arm. Das darf nicht sein. An Kindern und Jugendlichen dürfen wir nicht sparen.
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Die 4 Milliarden Euro, die seitens des Bundes für die Weiterentwicklung des Gute-KiTa-Gesetzes bzw. für das neue KiTa-Qualitätsgesetz in den kommenden zwei Jahren zur Verfügung stehen, sind deshalb ein wichtiger und richtiger Posten für die Kinder in unserem Land.
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Positiv möchte ich auch die 50 Millionen Euro für das neue Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit erwähnen; denn das ist gut angelegtes Geld, um Einsamkeit und Bewegungsmangel von Kindern und Jugendlichen zu begegnen und sie in der frühen Lebensphase nachhaltig zu unterstützen.
Frau Kaiser, möchten Sie eine Zwischenfrage von Frau Bär zulassen?
Ich möchte gerne fortsetzen. – Zusammenhalt, Gemeinschaft und Teilhabe – so wichtig es für Kinder und Jugendliche ist, wenn sie sich zum Beispiel im Sportverein engagieren, so wichtig ist es auch für unsere Demokratie. Erst das vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement macht Demokratie lebendig und wehrhaft. Gerade mit Blick auf die erstarkenden demokratiefeindlichen Kräfte
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gilt es, dieses Engagement zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang freue ich mich persönlich sehr, dass der Titel für Demokratieförderung und Extremismusprävention 2023 um weitere 16,5 Millionen Euro aufgestockt wird.
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Damit stehen in diesem Land insgesamt 200 Millionen Euro bereit – ein Rekordwert und ein tolles Signal für die vielen Menschen in unserem Land, die sich tagtäglich für Demokratie engagieren.
Wo Licht ist, ist manchmal auch Schatten. Der Entwurf enthält noch einige Punkte, mit denen ich noch nicht ganz zufrieden bin. So werden zum Beispiel die Mittel für die an Schulen so wichtige Arbeit der „Respekt Coaches“ sowie die Jugendmigrationsdienste, die wir 2022 zusätzlich mit hineinverhandelt haben, jetzt nicht mehr fortgeschrieben.
Insgesamt sinken die Ausgaben für den Kinder- und Jugendplan, dem wichtigsten Förderinstrument auf Bundesebene im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Das liegt vor allen Dingen am Auslaufen der Coronahilfen. Wir sollten aber immer auch die Folgen im Blick behalten, die solche Kürzungen nach sich ziehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir an der einen oder anderen Stelle noch nachbessern können, und freue mich auf die Beratungen und die gute Zusammenarbeit.
Vielen Dank.
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Der Kollegin Bär gebe ich das Wort für eine Kurzintervention.
Liebe Frau Kollegin Kaiser, schade, dass Sie meine kurzen, knappen Nachfragen, die Ihnen auch die Möglichkeit gegeben hätten, vielleicht zu sagen, was Sie vorhaben, nicht zugelassen haben. Deswegen stelle ich sie an dieser Stelle.
Erstens. Da das Thema Kindergrundsicherung immer so ein ganz großes Thema ist, würde uns sehr interessieren: Wie finden Sie es, dass noch nicht einmal alle Arbeitsgruppen in der Regierung getagt haben? Es ist schon ein bisschen Zeit ins Land gegangen.
Zweitens. Wie bewerten Sie den Umgang mit dem dritten, vierten und fünften Kind – das hat meine Kollegin Breher auch schon aufgeworfen –, also zählen nur erste und zweite Kinder? Das finde ich persönlich ganz besonders schade für kinderreiche Familien.
Drittens. Wer hat in Ihrer Fraktion recht, Frau Kollegin Kaiser, Sie oder Herr von Malottki? Wenn das Thema Sprach-Kitas wirklich kein Problem ist, warum gibt es dann eine Petition Ihres Kollegen, der direkt neben Ihnen sitzt? Vielleicht können Sie das innerhalb Ihrer Fraktion einmal klären; daran wären wir sehr interessiert.
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Zur Antwort Frau Kaiser.
Sehr gerne. – Sehr geehrte Frau Kollegin, ich glaube, wir sind uns einig darin, dass uns Familien und Kinder in diesem Land sehr wichtig sind. Ich denke, Sie sollten das gesetzgebende Verfahren zur Kindergrundsicherung abwarten; da sind wir auf einem guten Weg.
Zu der anderen Frage. Natürlich sind uns alle Kinder in diesem Land wichtig und gerade auch die Sprach-Kitas; das habe ich auch in meiner letzten Haushaltsrede sehr deutlich gemacht. Ich habe auch erwähnt, dass Bund und Länder gemeinsam in der Pflicht sind. Wir setzen das fort, indem wir die 2 Milliarden für 2023 und 2024 in den Bundeshaushalt einstellen, und denken, dass wir einen guten Weg finden, dass keine Erzieherin, kein Erzieher, keine Pädagogin, kein Pädagoge Angst haben muss, dass es nicht weitergeht.
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Für die AfD ist die nächste Rednerin Ulrike Schielke-Ziesing.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Das zweite Mal in diesem Jahr debattieren wir den Haushalt des Familienministeriums, das zweite Mal in einem Jahr, in dem viele Familien mit Sorge in die Zukunft schauen. Natürlich erwarten die Familien von Ihnen, Frau Ministerin, dass es in dieser Krise Entlastungen gibt, dass es Hilfen gibt für die Familien und für die Kinder, um die Krise für sie abzufedern.
Aber leider ist der Haushalt in dieser Hinsicht eine große Enttäuschung. Ja, der Etat für Familien ist um fast 250 Millionen Euro gewachsen. Damit rühmt sich die ganze Koalition. Gewachsen ist Ihr Etat aber lediglich wegen der gesetzlichen Leistungen. Sie wissen ganz genau, dass diese automatisch steigen. Das ist nicht Ihre Politik. Das sind per Gesetz errechnete Leistungen.
Allein der Unterhaltsvorschuss und das Elterngeld steigen um circa 600 Millionen Euro. Man muss kein Mathegenie sein, um festzustellen, dass die 600 Millionen Euro nicht gleich sind mit den 250 Millionen Euro mehr bei den allgemeinen Ausgaben.
Andersherum: Ihr Ministerium hat ordentlich gespart. Aber wo genau? Zum Beispiel in der Kinder- und Jugendpolitik. Ganze 470 Millionen Euro minus findet man da. Das sind die Bereiche der freien Jugendhilfe, die Qualifizierungsoffensive oder Einsparungen bei der Stiftung „Frühe Hilfen“. Allein bei den sogenannten Sprach-Kitas und dem Programm „Kita-Einstieg“ wurde ordentlich gekürzt – mehr als 260 Millionen Euro.
Ja, die Programme laufen aus – das haben wir hier schon gehört –, aber das muss kein Automatismus sein. Hier wäre eine politische Entscheidung fällig. Hier könnten Sie zeigen, dass Ihnen die Kitakinder nicht egal sind. Es ist eine politische Entscheidung gewesen, diese Programme auslaufen zu lassen und es den einzelnen Ländern zu übertragen, ob sie es gerne machen würden oder nicht, und es ist eine falsche politische Entscheidung.
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Das einzige Plus, das man übrigens in diesem Kapitel findet, ist der neu geschaffene Titel für ein Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit. Während wir als AfD-Fraktion diesen Titel zumindest im Ansatz unterstützenswert finden, ist das Volumen doch ein schlechter Scherz. Ausgerechnet der Titel, der die vergeigte Coronapolitik der Vorgängerregierung und mit Herrn Lauterbach auch dieser Regierung ausgleichen soll, soll mit nur 50 Millionen Euro die immensen Schäden, die bei den Kindern entstanden sind, ausgleichen? Das ist nichts als ein Tropfen auf den heißen Stein. Immerhin: Ein Funke Reue wird darin ersichtlich. Die Rechnung aber dürfen – mal wieder – die Familien größtenteils alleine tragen.
Ähnlich ist es auch mit Ihrem „großen Wurf“ Kinderzuschlag: 21 Euro mehr im Monat, 21 Euro, die der Großteil der Familien nicht bekommt, da die Voraussetzungen so eng geschnitten sind, 21 Euro, die bei der realen Inflation ein Witz sind. Diese 21 Euro sind in diesen Tagen ein Hohn für viele Familien, liebe Ampel.
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Auch die nun versprochenen 18 Euro mehr Kindergeld können die Folgen der Inflation für die Familien nicht mal ansatzweise lindern. Wie diese Erhöhung finanziert wird, wie insgesamt die vielen Versprechen der Ampel für das nächste Entlastungspaket finanziert werden sollen, steht in den Sternen. Wir werden sehen, ob der Finanzminister bis zur Verabschiedung des Haushalts einen Weg zur Finanzierung gefunden hat.
Frau Ministerin, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie wir im Dezember letzten Jahres an dieser Stelle über unsere Vorschläge zur Bekämpfung der sich bereits damals anbahnenden Inflation diskutiert haben. Damals waren Sie zwar noch nicht Ministerin, aber immerhin die finanzpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion. Und was haben Sie uns damals erzählt? Dass die Inflation – Zitat – „erstaunlich wenig“ beträgt. Mehr noch: Gemeinsam mit Ihrer Koalitionskollegin Frau Kiziltepe von der SPD haben Sie doch allen Ernstes vor der Deflation gewarnt und allgemein die Entwicklung schöngeredet. Ich glaube, mittlerweile muss es auch in den allerletzten Reihen Ihrer Koalition angekommen sein, wie fatal falsch Ihre Einschätzung und Finanzexpertise war und wie sehr Sie die Gefahren der Inflation unterschätzt haben.
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Übrigens: All dies war weit vor dem Überfall auf die Ukraine. Mir scheint, als ob die Ukrainekrise mittlerweile zu einem idealen Sündenbock für alles, was seit Längerem schon schiefläuft, geworden ist. Das soll von den eigentlichen Problemen ablenken, nämlich dass es Ihre Regierungspolitik ist und war, die uns in diese Lage gebracht hat.
Und Sie haben anscheinend auch nicht viel daraus gelernt. Anders kann ich mir die weiteren falschen Entscheidungen, wie etwa die Gasumlage oder die inzwischen völlig verfehlte Sanktionspolitik, nicht erklären.
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Diese bewussten Entscheidungen oder das völlige Leugnen von Problemen bringen inzwischen unzählige Familien an den Rand der Verzweiflung. Das ist bitter, und das muss auch gesagt werden.
Meine Damen und Herren, es wird viel zu besprechen sein in den Haushaltsberatungen. Ich kann für mich und meine Fraktion ankündigen, dass wir eine Reihe von Anträgen stellen werden, wo wir mehr Ausgaben sehen wollen, etwa bei den Entlastungen der Familien. Auf der anderen Seite gibt es viele Positionen, in denen wir kürzen werden, etwa da, wo Geld sinnlos verfeuert wird.
Frau Ministerin, liebe Ampelregierung, wir leben in turbulenten Zeiten. Es ist allerhöchste Zeit, dass Sie die Scheuklappen Ihrer Ideologie ablegen und entsprechend Ihrem Amtseid handeln.
Vielen Dank.
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Gyde Jensen hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu der Vorvorrednerin der AfD hätte ich am liebsten gesagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, regieren wir doch einfach so, dass die AfD damit ein riesiges Problem hätte; ich glaube, dann sind wir auf einem guten Weg.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir als Kinder- und Jugendpolitiker hier über den Haushalt sprechen, dann haben wir immer einen ganz grundlegenden Konflikt präsent, den vielleicht der eine oder andere auch erst wieder bemerkt hat, seitdem die FDP in dieser Bundesregierung vertreten ist, und zwar: Unsere Schuldenlast ist eine Hypothek für kommende Generationen. Wir haben die Verantwortung, unseren Kindern Staatsfinanzen zu hinterlassen, die sie nicht noch mit weiterem Ballast belasten; denn die Herausforderungen für die nächsten Generationen werden nicht geringer werden.
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Gut ist an dieser Stelle, dass wir einen Finanzminister haben, der auf das Geld achtet, und eine Bundesregierung, die genau diesem Kurs des Finanzministers folgt und ihn mitgeht. Und die andere Seite ist – das könnten wir, glaube ich, hier auch alle unterschreiben –, dass jeder Euro in die Zukunft von Kindern und Jugendlichen eine Investition in die Zukunft ist, eine Investition in eine gerechtere Gesellschaft; denn gute Startbedingungen machen Kinder stark, und sie stellen vor allen Dingen die Weichen für ein Leben voller Chancen. Deshalb sind die Mittel im Etat gegenüber dem bisherigen Finanzplan gestiegen, und zwar obwohl Mittel aus dem Coronaaufholprogramm und aus dem Ergänzungshaushalt auslaufen. Ich glaube, das ist eine wunderbare Nachricht.
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Zusätzlich investieren wir aber nicht nur aus dem Etat des BMFSFJ in gute Startchancen für die Kinder, sondern auch aus dem Finanzministerium. Von da kommen für das KiTa-Qualitätsgesetz, das hier schon mehrfach entsprechend Erwähnung fand, 4 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren, also eine maßgebliche Unterstützung für beste Kitas, und zwar überall in Deutschland. Das hat die Ministerin gesagt.
Als Freie Demokraten haben wir schon lange gefordert, dass die Bundesmittel in Teilhabe und Qualität in der Kitabetreuung investiert werden anstatt in pauschale Gebührenfreiheit; diese Beitragsfreiheit wird ja gerne in Wahlkämpfen genutzt. Aber ich glaube, wir sind uns hier in der Koalition einig, dass es vor allen Dingen ein unglaublich wichtiges Zeichen ist – meine Kollegin Claudia Raffelhüschen hat es angesprochen –, dass mehr als 50 Prozent in Qualität gehen, und das schreiben wir jetzt in das Qualitätsgesetz und sorgen damit dafür, dass in Deutschland tatsächlich Standards gesetzt werden.
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Wir unterstützen die Länder damit nämlich genau darin, dass Kinder unabhängig vom Wohnort, unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern in die Kita gehen können, und zwar in eine Kita, die personell gut ausgestattet ist, auf individuelle Bedürfnisse der Kinder eingeht und flexible Betreuungszeiten bietet. Und im Übrigen – das wird in solchen Debatten manchmal vergessen –: In solchen Einrichtungen arbeitet es sich ja auch viel lieber. Auch die Erzieherinnen und Erzieher, Pädagoginnen und Pädagogen haben Lust, in solchen Einrichtungen ihren Beitrag zu leisten, weil die Möglichkeiten und Rahmenbedingungen gegeben sind.
Zu den viel angesprochenen Sprach-Kitas. Wir ermöglichen den Ländern, dass sie die Bundesmittel zum Beispiel für die Sprachförderung nutzen. Hören Sie von der Union auf, hier so zu tun, als würden Sprach-Kitas abgeschafft werden! Übrigens gerade deswegen: Wenn wir hier sitzen und miteinander über diesen Haushalt streiten, ist es wichtig, nach draußen zu erklären, was hier eigentlich passiert.
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Ich erlebe momentan eher eine Angst in den Verbänden, bei Erzieherinnen und Erziehern,
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die sagen: Uns wird gesagt, unser Job ist weg. – Helfen Sie uns doch dabei, dafür zu sorgen, dass die Mittel mit den Ländern entsprechend eingesetzt werden. Sie sind doch in den Ländern präsent,
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Daniel Günther in Schleswig-Holstein beispielsweise. Rufen Sie ihn an!
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Sorgen Sie gemeinsam dafür, dass die Mittel, die im Verhältnis sogar aufwachsen können, weil mehr in Qualität investiert werden kann, genau für Sprachförderung eingesetzt werden!
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Hören Sie auf, uns in der Koalition, die wir hier gemeinsam miteinander um die beste Förderung für Kinder ringen – obwohl wir grundgesetzlich nicht mehr zuständig wären –, die dafür sorgen wollen, dass Qualität in den Kitas – –
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– Genau, und was passiert, wenn ein erfolgreiches Projekt in die Verstetigung geht? Wir haben das hier schon gehört.
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Das bedeutet, dass wir die Verantwortung an die Länder übergeben, mit Mitteln des Bundes weiterhin in Sprachförderung zu investieren.
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Ich finde es wirklich traurig, dass Sie hier in der Debatte nicht eindeutiger dazu Stellung nehmen.
Wir freuen uns sehr auf die konstruktiven Haushaltsberatungen. Aber wenn hier Menschen zuhören, die nicht an der Ausschussarbeit teilnehmen, finde ich, kann man hier auch mal erklären, was es am Ende bedeutet,
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in einer Zeit, in der die Haushaltslage extrem angespannt ist, dennoch jedes Jahr 2 Milliarden Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung zu haben und festgesetzt zu haben, dass wir mehr in Qualität, in Sprachförderung investieren können.
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Ein letzter Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir konnten mit den Verhandlungserfolgen, was das Entlastungspaket anbelangt, dafür sorgen – und ich bin da der Ministerin und auch der Bundesbildungsministerin sehr dankbar –, dass vor allen Dingen auch der Kinderzuschlag anwächst. Das ist jetzt ein anderes Thema. Es wird hier viel von der Kindergelderhöhung gesprochen. Aber vor allen Dingen der Kinderzuschlag ist als Instrument zielgerichtet und unterstützt Familien,
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die sich zum Beispiel eher darüber Gedanken machen müssen –
Frau Kollegin.
– ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –, das nächste Essen auf den Tisch zu bringen oder eine Winterjacke zu kaufen.
Frau Kollegin.
Wir freuen uns auf die Beratungen, die konstruktiv sein mögen.
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Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, draußen rückzumelden, was wir hier wirklich tun – im Sinne der Familien und auch im Sinne der Sprach-Kitas.
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Die Kollegin Gökay Akbulut hat jetzt das Wort für Die Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Während viele Familien, Kinder und Jugendliche noch mit den Folgen der Coronakrise kämpfen, kürzt die Bundesregierung 40 Prozent der Ausgaben für Kinder- und Jugendpolitik. Die rasant steigende Inflation treibt vor allem geringverdienende Familien in die Armut. Der Sofortzuschlag von 20 Euro pro Kind wird von der Inflation im Moment regelrecht aufgefressen. Wir hatten bereits bei der Einführung kritisiert, dass 20 Euro viel zu gering sind. Auch die angekündigte Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro für das erste und zweite Kind ist einfach lächerlich; das reicht ja nicht mal für eine Maxiwindelpackung. Und ab dem dritten und vierten Kind soll es überhaupt nicht erhöht werden. Wer Hartz IV bezieht, Frau Paus, hat von der Kindergelderhöhung ohnehin nichts. Es ist einfach untragbar, dass das Kindergeld mit dem Hartz-IV-Anspruch wieder verrechnet wird.
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Während für die Bundeswehr wieder gigantische Summen in diesem Haushalt zur Verfügung gestellt werden, wird im Bildungs- und Familienbereich weiterhin gekürzt.
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Der Kitabereich ist mit 20 Milliarden Euro seit Jahren chronisch unterfinanziert. Wir fordern daher ein echtes KiTa-Qualitätsgesetz, das seinem Namen auch gerecht wird und vom Bund dauerhaft mitfinanziert wird.
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Es kann nicht sein, dass die seit Jahren steigenden Kosten am Ende der Geschichte wieder auf die Kommunen und Länder abgewälzt werden.
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Außerdem ist es fatal, dass das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ nicht weitergeführt wird. Betroffen von den Kürzungen sind über 525 000 Kinder und rund 6 800 Einrichtungen. Sprach-Kitas sind vor allem dort zu finden, wo Familien mit besonderen Problemlagen oder Migrationsgeschichte leben. Die Grünen und die SPD verschärfen hier die Bildungsungleichheit und brechen ihren eigenen Koalitionsvertrag. Das Bundesprogramm sollte mit jährlich 260 Millionen Euro, Frau Paus, fortgesetzt werden.
Sehr geehrte Damen und Herren, das groß angekündigte und gefeierte dritte Entlastungspaket der Ampelparteien ist bei genauem Hinsehen völlig unzureichend und wird immer mehr Menschen in den nächsten Monaten in existenzielle Nöte drängen. Deswegen gehen wir als Linke auf die Straße mit vielen Bündnispartnern
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und fordern lautstark den Gaspreisdeckel und die Einführung der Übergewinnsteuer.
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Frau Kollegin, Sie müssten zum Schluss gekommen sein.
So, wie wir es auch in Leipzig gemacht haben, werden wir – –
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– Nein, das ist fatal, was Sie hier darstellen. Wir werden lautstark weder die Straßen noch die Plätze den Rechten überlassen und die sozialen Kämpfe von links führen.
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Frau Kollegin, Sie müssten zum Schluss gekommen sein.
Vielen Dank.
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Denise Loop hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind schwierige Zeiten, um über einen Haushalt zu beraten: der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise und die immer noch anhaltenden Auswirkungen der Coronapandemie. Gerade in dieser Zeit, mit diesen Herausforderungen, halte ich ein Einhalten der Schuldenbremse für höchst fragwürdig und kontraproduktiv.
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Denn wir müssen doch bewährte Projekte erhalten und fortführen, damit wichtige Strukturen nicht wegbrechen. Mehr denn je brauchen Familien, Kinder und Jugendliche jetzt verlässliche Unterstützung und Angebote.
Wie in ihrer Rede schon erwähnt, ist es Bundesfamilienministerin Lisa Paus gelungen, viele dieser guten Projekte und Angebote im Regierungsentwurf abzusichern. Das zeigt: Auch in diesen schwierigen Zeiten bleiben wir als Ampelkoalition handlungsfähig.
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Doch der massive Spardruck ist auch in unserem Einzelplan zu spüren. Für uns Parlamentarier/-innen heißt es daher nun, dass wir die Belange der Menschen nicht vergessen dürfen, die in haushalterischen Debatten oft nicht im Vordergrund stehen. Wir müssen uns daher für notwendige Vorhaben starkmachen, deren Finanzierung bisher noch nicht gesichert ist.
Ein Beispiel für ein solches Vorhaben ist die Kampagne der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Diese Sensibilisierungskampagne ist bereits fertig geplant, und trotzdem sind bisher keine Mittel für die Umsetzung und Weiterentwicklung im Haushalt vorgesehen. Deshalb möchte ich als Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an dieser Stelle noch einmal die Bedeutung und die Notwendigkeit dieser Kampagne hervorheben. Denn noch immer werden jährlich Tausende Fälle sexualisierter Gewalt an Kindern zur Anzeige gebracht; aber ein weitaus größerer Anteil bleibt im Dunkelfeld. Es ist davon auszugehen, dass in jeder Schulklasse ein bis zwei Kinder von sexualisierter Gewalt in ganz unterschiedlichen Kontexten betroffen sind, ob in der Schule selbst, in der Freizeit oder in der Familie.
Laut einer Forsa-Umfrage aus dem letzten Herbst halten es 90 Prozent der Befragten für wahrscheinlich, dass sexualisierte Gewalt an Kindern vor allem in Familien oder im sozialen Nahraum stattfindet. Gleichzeitig halten es 85 Prozent für unwahrscheinlich oder sogar ausgeschlossen, dass das in der eigenen Familie bzw. im engen Umfeld passiert oder passieren kann. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung bei Erwachsenen muss verändert werden.
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Ich spreche ganz bewusst von Erwachsenen; denn sie sind es, die Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen müssen. Sie müssen für die Anzeichen sensibilisiert werden und vor allem das Handlungswissen haben, was sie dagegen tun können. Sexualisierte Gewalt an Kindern kann nur verhindert werden, wenn wir alle diesen Gedanken zulassen, dass es sehr wohl auch die eigenen Kinder oder Kinder, die man kennt, treffen kann. Genau da setzt die Kampagne der Unabhängigen Beauftragten an.
Neben der Sensibilisierung und Aufklärung ist auch die Förderung von Dialog und Austausch Teil der Kampagne. Außerdem ist geplant, dass lokale Netzwerke gegen sexualisierte Gewalt aufgebaut und dafür Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet werden. Das Ziel ist es, Menschen zu befähigen, gegen sexualisierte Gewalt aktiv zu werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung hat einen Entwurf für den Haushalt vorgelegt, aber letztendlich entscheidet das Parlament. Das ist unser Hoheitsrecht. Da können wir als Parlamentarier/-innen auch Akzente setzen, die viel bewirken. Ich freue mich, wenn wir diesen Akzent auf den Kampf gegen sexualisierte Gewalt an Kindern setzen und 5 Millionen Euro in die Sensibilisierungskampagne investieren. Das würde auch die wichtige Arbeit der Unabhängigen Beauftragten stärken und wertschätzen. Ich freue mich auf gute Beratungen.
Vielen Dank.
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Anne Janssen hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir dürfen in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal über einen Entwurf des Bundeshaushalts und damit auch über den Einzelplan 17 debattieren. Selbstverständlich freue ich mich ein halbes Jahr nach dem Haushalt 2022 über den gestiegenen Etat für das nächste Jahr. Auch wenn dieser Anstieg verhältnismäßig klein ist, so sind knapp 300 Millionen Euro viel Geld, wenn sie sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden.
Genau hier bedaure ich die Einschränkungen im Bereich der überhaupt für Programme und Förderung zur Verfügung stehenden Mittel; denn unsere Seniorinnen und Senioren profitieren als einzige Zielgruppe des Ministeriums nicht von den festgesetzten gesetzlichen Leistungen und bilden auch sonst keinen Schwerpunkt in diesem Entwurf.
Immerhin haben Sie das Thema Einsamkeit zu einem wichtigen Vorhaben erklärt, und das ist eine richtige und notwendige Schwerpunktsetzung. Mir sind in diesem Zusammenhang auch Ihre neuen Maßnahmen bzw. eine konkrete Maßnahme, nämlich die Gründung des Kompetenznetzwerks Einsamkeit, nicht entgangen. Warum Sie aber im gleichen Zuge die Zuschüsse und Leistungen für laufende Zwecke an Träger und für Aufgaben der Politik für ältere und einsame Menschen um knapp 2 Millionen Euro einkürzen, erschließt sich mir vor diesem Hintergrund nicht. Ich würde sogar sagen, dass sich hier ein deutlicher Widerspruch zwischen Worten und Zahlen ergibt.
Im Juni 2022 startete intern endlich die Arbeit an der auch von uns geplanten Strategie gegen Einsamkeit. Das Strategiepapier benötigt nun aber doch noch ein weiteres Jahr und soll erst Mitte 2023 vorliegen. Sollten Sie noch Anregungen oder Ideen benötigen, verweise ich gern auf unser bereits vor anderthalb Jahren beschlossenes Positionspapier mit konkreten Impulsen.
Dass Sie die Strategien gemäß Ihrem Vorhaben dann noch bis zum Ende der 20. Legislaturperiode umsetzen wollen, ist hoffentlich weder ein Hinweis auf fehlende Quantität noch Qualität. Sie nehmen sich viel Zeit zur Planung, Zeit, die am Ende für die Umsetzung fehlt, und Zeit, die die Betroffenen nicht haben. Denn unsere Mitmenschen sind bereits heute einsam, um genau zu sein, jetzt in diesem Moment. Mehrere Millionen Betroffene sind unfreiwillig Teil sozialer Isolation. Neben unseren Seniorinnen und Senioren sind es oft Junge, Alleinstehende und Menschen mit Behinderungen, die aus verschiedensten Gründen auf soziale Teilhabe verzichten müssen.
Nach einer mehrjährigen Pandemie sind es nun die steigenden Preise, die massive Folgen haben werden; denn zukünftig entscheiden sich mit Blick auf die explodierenden Gas- und Strompreise noch mehr Menschen gegen Cafébesuche mit Freunden, gegen Ausflüge mit der Familie, gegen das Eintrittsgeld fürs Kino, gegen den kostenpflichtigen Vereinssport oder gegen andere gesellschaftliche Veranstaltungen. Sie werden sich für eine warme Wohnung und für heißes Wasser entscheiden müssen. Da helfen einmalig 300 Euro auch nicht wirklich weiter.
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Armut stellt nach wie vor ein bedeutendes Risiko für Einsamkeit dar. Ein bekanntes und von uns auch gern gefördertes Erfolgsmodell gegen Einsamkeit in jeder Altersstruktur sind die Mehrgenerationenhäuser, denen Sie aber nach dem Ende des Coronaaufholpaketes auch die Mittel kürzen. Ich bitte Sie also, sehr geehrte Bundesseniorenministerin: Setzen Sie keine falschen Signale, und nehmen Sie diese Hinweise in die anstehenden Beratungen mit auf!
Vielen Dank.
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Erik von Malottki spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ich möchte mit etwas Grundsätzlichem beginnen. Frau Ministerin Paus, Sie sind Ende April in das Amt gekommen und mehr oder weniger direkt in die Haushaltsverhandlungen gestartet – Verhandlungen, von denen wir uns alle gewünscht hätten, dass sie unter anderen Bedingungen stattfinden. Mit Blick auf die ausverhandelten 2 Milliarden Euro jährlich für das KiTa-Qualitätsgesetz möchte ich Ihnen meinen Respekt aussprechen.
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Mit Blick auf die Gesamtsituation war das alles andere als einfach. Es ist sehr wichtig, dass wir für diesen Nachfolger des Gute-KiTa-Gesetzes im Haushalt die finanzielle Förderung konstant halten werden und dass wir es geschafft haben, einen besseren Ausgleich zwischen den Zielen der Teilhabe vieler Eltern und der Qualitätsentwicklung zu erreichen.
Ich möchte kurz sagen, was das für die Kinder in meinem Bundesland bedeutet: Wir können endlich einen gesetzlichen Mindestpersonalschlüssel einführen, und wir können die Verbesserung der Fachkräftesituation durch eine Verbesserung der dual orientierten Ausbildung auf den Weg bringen. Das ist gut.
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Aber jetzt sind wir als Parlament gefragt. Wir alle kennen das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, das war heute schon oft ein Thema. Wir alle kennen den Leitspruch des Programms: „Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“. Wir alle wissen, wie wichtig die Arbeit in den Sprach-Kitas ist. Sie sind gelebte Praxis für mehr Bildungsgerechtigkeit,
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und genau deswegen bescheinigen uns die Fachkräfte und die Wissenschaft, dass unser Sprach-Kita-Programm das erfolgreichste Programm des Bundes ist.
In den vergangenen Jahren sind durch die Sprach-Kitas bundesweit Strukturen entstanden, die sprachliche Bildung fördern und damit gerade den Kindern helfen, die es nicht so einfach haben. Über 500 000 Kinder und deren Familien profitieren direkt von den Sprach-Kitas. Jede achte Kita ist eine Sprach-Kita – jede achte Kita!
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Wir wollen die Erfahrungen aus den Sprach-Kitas für alle anderen Kitas nutzen, um als Bund in allen Einrichtungen die so entscheidende Sprachbildung der Kinder zu unterstützen. Es ist deswegen eine richtige Entscheidung, die sprachliche Bildung im neuen KiTa-Qualitätsgesetz zu stärken.
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Aber wenn wir mehr Sprachbildung wollen, dann brauchen wir natürlich auch mehr finanzielle Unterstützung des Bundes. Für uns als SPD ist schon lange klar, dass der Bund mehr Verantwortung in der frühkindlichen Bildung übernehmen muss; denn nur der Bund kann helfen, Bildungsgerechtigkeit im ganzen Land zu gewährleisten. Es darf uns nicht egal sein, ob die Qualität der frühkindlichen Bildung eines Kindes davon abhängt, ob es in Stuttgart, Pirmasens, Hagen oder Neubrandenburg wohnt. Sprach-Kitas sind durch die Bundesförderung auch deshalb die gelebte Praxis des Versprechens gleichwertiger Lebensverhältnisse.
Deshalb haben wir eine Verantwortung für die Strukturen der Sprach-Kitas, und dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden und Klarheit schaffen; Frau Jensen hat darauf hingewiesen. Wir müssen jetzt als Bund und Länder gemeinsam den Beschäftigten in den Sprach-Kitas und den Eltern ein schnelles Signal geben, dass es ohne Unterbrechung in 2023 weitergeht. Ich bin deshalb stolz, dass sich die SPD-Bundestagsfraktion in den anstrengenden Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen wird, dass die Sprach-Kitas eine Zukunft im Rahmen des KiTa-Qualitätsgesetzes haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den nächsten Wochen auch in der Koalition zu einem guten Ergebnis im Sinne unserer Kinder und ihrer sprachlichen Bildung kommen werden.
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Ich möchte mich zum Schluss meiner Rede bei den vielen Erzieherinnen und Erziehern, Eltern und Großeltern bedanken, die sich für einen Erhalt der Sprach-Kitas einsetzen. Sie sammeln Unterschriften, gehen auf uns Abgeordnete zu und machen sich laut und konstruktiv für den Erhalt der sprachlichen Bildung unserer Kleinsten stark. Sie sind für mich Vorbilder in einer Welt, die aktuell zum Verzweifeln erscheint. Lassen Sie uns für diese Menschen jetzt anpacken!
Danke.
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Ralph Edelhäußer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass die Zeiten, in denen wir gerade leben, herausfordernd sind. Die Auswirkungen von Corona, die auf uns zurollende Energiekrise, der Ukrainekrieg – all das macht das Regieren nicht unbedingt einfach und angenehm. So fair möchte ich sein. Als Bankkaufmann und BWLer ist mir natürlich bewusst, dass es nicht einfach ist, in diesen Zeiten einen stabilen und soliden Haushalt zu präsentieren und auf die Beine zu stellen.
Das Geld, das man ausgibt, muss auch erwirtschaftet werden. Die Menschen in diesem Land verlassen sich dabei auf Sie und erwarten, dass alles dafür getan wird, dass sie sicher durch diese Krisen geführt werden. Aufgrund meiner Gespräche landauf, landab habe ich mittlerweile Zweifel, dass die Ampel das schafft, dass ihr das gelingen wird.
„Mehr Fortschritt wagen“ ist der Slogan Ihres Koalitionsvertrages. Sie wollten zeigen, dass Sie nach 16 Jahren unionsgeführter Regierung nun alles besser machen. Das sehe ich aber nicht; dieses Vorhaben würde ich infrage stellen. Besonders im Bereich „Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ waren die Erwartungen an die Regierung sehr, sehr hoch. Ihre vollmundigen Versprechen, dass die Familien gestärkt werden, dass die Kinder und Jugendlichen in den Fokus gerückt werden, dass das Ehrenamt einen wertigen Platz finden wird, dass schneller geplant wird, platzen schneller als die Seifenblasen meines vierjährigen Sohnes.
Bei Themen wie der Abschaffung von § 219a oder der Legalisierung von Cannabis sind Sie richtig enthusiastisch unterwegs und zeigen Entscheidungswillen, auch hier im Plenum.
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Aber was ist mit der enttäuschten Fachkraft aus der Sprach-Kita? Auf Seite 75 in Ihrem Koalitionsvertrag heißt es: Das Programm „Sprach-Kitas“ soll weiterentwickelt und verstetigt werden. – Nun muss diese Fachkraft feststellen, dass ihre Dienste ab dem nächsten Jahr nicht mehr gebraucht werden, weil der Bund das nicht mehr finanziert. Und so geht es nicht nur ihr, sondern so geht es auch 7 500 anderen Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Betätigungsfeld arbeiten.
Damit verlieren wir Strukturen, die aufgebaut worden sind, und wir verlieren das entsprechende Know-how,
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und das in einer Zeit, in der durch Corona noch ein großer Nachholbedarf in der Sprachentwicklung besteht; in einer Zeit, in der durch den Ukrainekrieg weitere Kinder mit Migrationshintergrund in unser Land kommen, die unsere Sprach-Kitas nötig hätten und die unsere Kindergärten nutzen möchten.
Oder schauen wir auf die jungen Menschen, die im nächsten Jahr ein Freiwilliges Jahr in einem Freiwilligendienst einlegen wollen. Da hat der Bundespräsident neulich noch gesagt: Wir wollen ein soziales Pflichtjahr anregen. – Die Ausstattung mit ausreichend Plätzen wäre da doch konsequent. Aber was haben wir? Wir haben etwa 300 000 Nachfragende, aber nur 100 000 Plätze. Da muss einer schon Glück haben, wenn er eine Stelle bekommen möchte. Leider wurde es versäumt, diesen Etat entsprechend zu erhöhen, um dem Bedarf auch gerecht zu werden.
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Oder wie schaut es bei den Trainern und Übungsleitern in den Sportvereinen aus, die ehrenamtlich tätig sind, die Kinder und Jugendliche trainieren? Die haben im Koalitionsvertrag gelesen, dass ein „Entwicklungsplan Sport“ erarbeitet werden soll. Da sollte doch ein Ruck durch die deutsche Sportlandschaft gehen. Und was war? Nichts ist! Stattdessen wird die Sportstättenförderung eingestellt; sie wird gestrichen. Nichts ist mit der Renovierung der in die Jahre gekommenen Turn- und Sporthallen.
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Es sind viele Themen, die hier angesprochen werden. Ich glaube, dass wir für das Ehrenamt – ich glaube, da sind wir alle hier derselben Meinung – mehr tun müssen. Das Ehrenamt ist der Kitt unserer Gesellschaft. Unsere Ehrenamtlichen sind in den Vereinen und Verbänden tätig. Dazu zählt nicht nur die Betreuung der Kinder am Nachmittag oder am Wochenende, sondern sehr viel mehr. Deswegen halte ich es für falsch, hier weniger zu tun, als wir eigentlich tun müssten.
Ich glaube, es ist endlich an der Zeit, die Bedürfnisse unserer Kinder wieder in den Fokus zu rücken und wirklich mehr Fortschritt zu wagen. Deswegen will ich der Regierung aus Bündnisgrünen, der SPD und der FDP mit auf den Weg geben, dass sie das Vertrauen, das die Menschen dieses Landes in sie setzen, zunehmend verlieren. Ich würde mich nicht wundern, wenn es bei der nächsten Wahl nicht mehr so gut für Sie ausschaut. Der Spruch könnte dann wie folgt lauten: Lieber doch von der Union regiert als am Ende des Tages schlecht regiert. – Mir kann das nur recht sein.
Vielen herzlichen Dank.
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Sarah Lahrkamp erhält jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Welt von heute ist bunt – so bunt und vielschichtig wie Familien. Aber egal, wie sie auch aussehen mögen, sie haben eins gemeinsam: Sie alle sorgen sich angesichts der aktuellen globalen Krisen und der steigenden Inflation. Es brennt für Familien an allen Ecken und Enden. Wie heize ich meine Wohnung? Wie bezahle ich den Wocheneinkauf, die Klassenfahrt oder die Tankfüllung? Und das sind nur einige ihrer Fragen.
Familien sind wichtige Pfeiler unserer Gesellschaft. Daher lassen wir Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen sie nicht alleine und – noch weniger – länger warten. Das Thema Kinderarmut beschäftigt uns nicht erst seit gestern. Wir alle wissen, dass in Deutschland die Chancen von Kindern und Jugendlichen immer noch vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Deshalb wollen wir eine Kindergrundsicherung einführen, um Kinder noch stärker aus der Armut zu holen.
Aber bis zu deren Einführung dürfen wir nicht untätig sein. Viele Entlastungen haben wir glücklicherweise bereits auf den Weg gebracht, so zum Beispiel in 2022 den Kinderbonus als Einmalzahlung, den Kindersofortzuschlag oder auch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro, welcher gerade für Familien mit kleinem Einkommen spürbar entlastend wirkt.
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Aufgrund der Dynamik der Inflation müssen wir allerdings noch mehr tun. Gerade auch die SGB-II-Empfänger/-innen brauchen verstärkt unsere Hilfe. Diese werden sie auch bekommen, zum Beispiel durch die Einführung des Bürgergeldes Anfang nächsten Jahres. Aber auch für Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen wird es gegenwärtig immer schwerer, ihre Rechnungen am Ende des Monats zu bezahlen. Deshalb hat die Ampelregierung am Wochenende ihren Entwurf für ein drittes, noch größeres Entlastungspaket vorgelegt.
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Um die Zeit bis zur Einführung der Kindergrundsicherung zu überbrücken, wollen wir unter anderem das Kindergeld um 18 Euro erhöhen und den Höchstbetrag des Kinderzuschlags auf 250 Euro anheben.
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Mit einer Reform des Wohngeldes inklusive Einführung des Heizkostenzuschusses wollen wir zudem deutlich mehr Menschen erreichen und so auch Familien durch diese schwierige Zeit helfen.
„Entlastungen“ sind daher auch für Familien das Stichwort überhaupt. Doch es reicht nicht, sie nur finanziell zu entlasten. Familien müssen gerade in Zeiten der Krise insgesamt gestärkt werden.
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So brauchen Eltern mehr Zeit für ihre Kinder. Sie müssen die Gelegenheit haben, sich die Sorgearbeit gleichberechtigt untereinander aufzuteilen – und das von Anfang an. Für mich persönlich ist das eine Herzensangelegenheit in dieser Legislaturperiode!
Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb das sogenannte Partnerschaftspaket bereits angekündigt und mittlerweile auch ins Rollen gebracht. Hier geht es um einen guten Start ins Leben, konkret um eine zweiwöchige Freistellung des Vaters bzw. des zweiten Elternteils nach der Geburt eines Kindes. Eltern sollen als Familie ankommen können, und der Vater oder der zweite Elternteil soll die Möglichkeit bekommen, sich bei der Pflege und der Betreuung des Babys von Anfang an aktiv mit einzubringen. Ich selbst kann das als vierfache Mutter nur begrüßen und freue mich schon sehr auf die jetzt anstehenden Verhandlungen.
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Auch unser Elterngeldmodell ist ein voller Erfolg. Daher streben wir eine Erweiterung der Partnermonate an. Fakt ist: Wir brauchen bedarfsgerechte Instrumente für Familien, damit Eltern auch in Zeiten der Krise mehr Zeit für ihre Kinder finden. Haben wir starke Familien, so haben wir auch starke Kinder. Kinder sind unsere Zukunft, und sie können unsere Gesellschaft zum Besseren gestalten – in Zeiten der Klimakrise und Transformation eine wichtige Aufgabe. Darauf müssen wir sie besonders vorbereiten, und dafür müssen wir ihnen und ihren Familien ein gutes Leben ermöglichen.
Vielen Dank.
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Paul Lehrieder hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als Haushälter und Fachpolitiker für den Bereich Familie ist man in Anbetracht der Haushaltsberatungen, die ja diese Woche beginnen, gerade bei diesem Einzelplan immer in einem besonderen Zwiespalt: Unzählige Maßnahmen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Menschen – viele davon gut und wichtig – müssen dennoch kritisch bewertet und anschließend solide finanziert abgebildet werden.
Diesen Spagat muss sich jeder zutrauen, der gute Politik für Familien, Frauen, Jugendliche und Senioren machen will. Daran muss sich die Ampel messen lassen. Daran messen Sie die Menschen in unserem Land, aber da ist noch eindeutig Luft nach oben. Dies gilt insbesondere – ich nutze dabei bewusst die Terminologie der Ampel – im Hinblick auf die viel beschworene Zeitenwende.
Ich glaube auch, dass wir momentan in besonders herausfordernden Zeiten leben. Aber dann sind wir doch umso mehr aufgefordert, kritisch zu bewerten, zu hinterfragen, zu priorisieren und Schwerpunkte zu setzen – für unsere Familien, für unsere Frauen, für die Kinder, für die Jugendlichen und für unsere Senioren. Dafür setzt sich die CDU/CSU gerade auch in diesen schwierigen Zeiten ein.
Der hier zur Diskussion vorliegende Entwurf des Einzelplans 17 sieht für das kommende Jahr Ausgaben von 12,9 Milliarden Euro vor. Schauen wir weiter in die Finanzplanung bis zum Jahr 2026, dann sehen wir, dass dieser Haushalt um weitere 1,5 Milliarden Euro anwachsen wird. Berücksichtigt man dabei, dass das Ministerium von den zahlreichen Ankündigungen im Koalitionsvertrag bislang nur sehr wenige umgesetzt hat, dann gehen diese 1,5 Milliarden Euro auf eine sehr zurückhaltende Kalkulation zurück. Sie werden also noch deutlich mehr Geld ausgeben. Dabei ist die Grundsicherung noch gar nicht eingerechnet. Im Hinblick auf eine solide Finanzpolitik und das Einhalten der Schuldenbremse findet hier leider wirklich eine Zeitenwende statt.
Aber bleiben wir zunächst beim Haushalt für das kommende Jahr. Aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Leistungen stehen von diesen veranschlagten 2,9 Milliarden Euro bereits 90 Prozent nicht ohne Weiteres zur Disposition. Sie sind also der Entscheidungsbefugnis des Parlaments aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen längst entzogen. Den größten Posten stellt dabei mit 8,3 Milliarden Euro das Elterngeld dar, das vor allem aufgrund der positiven Entwicklung der Nettolöhne in der Regierungszeit der Union bedarfsgerecht angehoben werden muss. So weit, so gut.
Etwas schwieriger gestaltet es sich hingegen bei den zusätzlich bewilligten Mitteln der „Bundesstiftung Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“, die Sie im zurückliegenden parlamentarischen Verfahren bewilligt haben und die zur Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine im Jahr 2023 nun nicht mehr fortgeschrieben werden. Denken Sie ernsthaft, dass eine Rückkehr der geflüchteten Menschen in die Ukraine noch in diesem Jahr realistisch ist?
Den mit Abstand größten Bock – die Kollegen Breher und Edelhäußer haben darauf bereits hingewiesen – haben Sie allerdings mit der Nichtfortführung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“ geschossen, zu dem Sie sich bis zu den Haushaltsberatungen noch vollmundig bekannt haben. Ich glaube, dass hier, nachdem auch die Kollegin Jensen von der FDP erklärt hat: „Wir schreiben jetzt die 50-prozentige Beteiligung ins KiTa-Qualitätsgesetz“, eine vernünftige Behandlung der Problematik angezeigt ist.
Ich glaube, alle, die wir hier sitzen, sind der Auffassung, dass frühkindliche Sprachförderung wichtig ist und auch fortgeführt werden soll. Wir streiten uns nur darüber, wessen Aufgabe das ist. Wir haben vor etwa zwölf Jahren das Bundesprogramm auf den Weg gebracht, um als Initiative deutlich zu machen, was hier möglich ist. Jetzt sagt natürlich die Koalition: Wir wollen diese Aufgabe wieder stärker oder komplett den Ländern zuweisen. – Die Länder werden darauf natürlich unterschiedlich reagieren.
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Fakt ist: Wir haben ein Gute-KiTa-Gesetz, in dem keine Quoten stehen, die für die Qualitätssicherung in der Kita tatsächlich aufgebracht werden müssen. Fakt ist: Es gibt Ministerpräsidenten – ich denke da besonders an eine Ministerpräsidentin im Nordosten unseres Landes –, die den größten Teil des Geldes aus dem Gute-KiTa-Gesetz in die Beitragsfreiheit gegeben haben. Werden diese Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in den Ländern tatsächlich zum 1. Januar 2023 die Beitragsfreiheit zurückfahren und sagen: „Jawohl, dafür machen wir jetzt Sprach-Kitas“? Sind Sie so utopisch, so illusorisch, zu glauben, dass sie das machen werden?
Ich bin der Auffassung – Herr Malottki, da sind wir ziemlich nah beieinander –, dass wir eine langgezogene Kurve brauchen. Wir müssen die Länder ins Boot holen. Wenn heute das KiTa-Qualitätsgesetz beschlossen wird – das kann erst nach dem Haushalt beschlossen werden –, dann dauert es geschätzt noch etwa ein Jahr, bis die Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern geschlossen sind. Die Gelder können erst ausgezahlt werden, wenn alle Verwaltungsvereinbarungen in trockenen Tüchern sind.
Das heißt, wir können nicht damit rechnen, dass am 1. Januar 2023 Gelder für das KiTa-Qualitätsgesetz, für die frühe Sprachförderung in den Ländern zur Verfügung stehen. Egal wer der Bürgermeister ist, egal wie die Kitaleitung ist: Wir lassen die momentan laufenden Verträge am 31. Dezember 2022 auslaufen und wissen nicht, wie es am 1. Januar 2023 weitergeht.
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Da geht mein Appell an Sie: Lassen Sie uns darüber noch mal reden. Sönke Rix hat ja als alter Fahrensmann den Weg eben schon aufgezeigt. Lassen Sie uns noch mal darüber reden, wie wir da eine Brücke bilden können, bis wir die Länder ins Boot geholt haben.
Ich sehe hier irgendwo in der Mitte des Saales den Frank Bsirske. Lieber Frank Bsirske, die Kinder, die wir heute nicht fördern, werden durch Sprachdefizite im Kitabereich, im Grundschulbereich, später im Bereich der weiterführenden Schule, in der Ausbildung in 15 Jahren Schwierigkeiten haben. Wir diskutieren mit Krokodilstränen über die Problematik Fachkräftesicherung, und gleichzeitig erlauben wir es uns, Potenziale, die wir bei den Kindern haben, ein Stück weit brachliegen zu lassen.
Herr Kollege Lehrieder.
Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, geht noch mal in euch.
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Wir sind gern zu konstruktiven Gesprächen bereit, sodass wir eine langgezogene Kurve bekommen –
Ja.
– ja, sofort, Frau Präsidentin –, um hier die Länder mit ins Boot zu holen. Aber bei einer rechtwinkligen Kurve, also von jetzt auf gleich, kommt man schnell ins Schleudern.
Nicht dass Sie die Kurve nicht kriegen und ich dann den nächsten Rednern was abziehen muss.
Bitte lassen Sie uns die Kurve etwas langgezogener machen.
Ich bedanke mich für die 20 Sekunden, die ich habe überziehen dürfen, Frau Präsidentin.
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Sie können die Uhr lesen. – Jasmina Hostert spricht zu uns für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ich mache mir große Sorgen“, das waren die Worte einer Alleinerziehenden, mit der ich kürzlich in meinem Wahlkreis Böblingen gesprochen habe. Das eine Kind kommt nun in die Grundschule. Hefte, Stifte, Schulranzen müssen besorgt werden. „Die hohen Ausgaben für Schulmaterialien, die gestiegenen Lebensmittelpreise und die nun explodierenden Energiekosten bei gleichbleibendem Gehalt; bei mir kommt gerade alles zusammen“, sagte die Mutter zu mir.
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Von den Preissteigerungen sind Alleinerziehende und Familien mit Kindern besonders stark getroffen. Je mehr Kinder in einer Familie aufwachsen, umso stärker schlagen die Preiserhöhungen durch. Ich möchte nicht, dass Familien und Alleinerziehende in Existenznöte kommen. Ich möchte, dass sie ihren Kindern einen schönen Schulstart ermöglichen und zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Deshalb ist für meine Fraktion klar: Wir sorgen für schnelle und unmittelbare Unterstützung. Wir haben Familien und Alleinerziehende im Blick und lassen sie nicht alleine.
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Mit den ersten zwei Entlastungspaketen haben wir zum Beispiel den Kinderbonus von 100 Euro pro Kind und den Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat auf den Weg gebracht. Im dritten Paket erhöhen wir nun den Kinderzuschlag für Familien mit niedrigem Einkommen auf 250 Euro im Monat, und dann steigern wir auch noch das Kindergeld um monatlich 18 Euro – um einfach nur mal zwei Beispiele aus dem neuen Entlastungspaket zu nennen.
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Für uns ist aber auch klar, dass wir die Situation von Familien und Alleinerziehenden nachhaltig verbessern müssen; denn die Realität ist: Bereits vor der Krise kamen sie an ihre Grenzen. Deshalb schaffen wir bessere Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch gute Bildungs- und Betreuungsangebote.
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Was das KiTa-Qualitätsgesetz betrifft, ist die Union ja sehr pessimistisch. Deswegen ist es gut, dass wir optimistisch sind; denn wir werden es anpacken, und wir werden es auch auf den Weg bringen.
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Warum ist die Betreuung für uns so wichtig? Die Betreuung ist deshalb einmal aus der Sicht der Eltern so wichtig, weil sie nämlich, wenn die Kinder gut aufgehoben sind, guten Gewissens ihrer Arbeit nachgehen können. Und vor allem schaffen wir dadurch gute Voraussetzungen und gute Lebensperspektiven für alle Kinder, unabhängig vom Einkommen oder vom Familienstand der Eltern. Das packen wir eben mit unserem KiTa-Qualitätsgesetz und dem Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen kräftig an. Auch hier sind wir sehr zuversichtlich, dass wir das gut auf den Weg bringen werden.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr als 80 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Es sind Frauen, die häufig noch immer von bestehenden Ungerechtigkeiten im Erwerbsleben betroffen sind. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Frauen nach einer Trennung erst gar nicht in finanzielle Not geraten. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir Mütter aus der Teilzeitfalle holen. Dazu gehört aber auch, dass Väter sich stärker in die Betreuung der Kinder einbinden, aber ebenso, dass Frauen für die gleiche Arbeit genauso viel verdienen wie Männer.
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Hinzu kommt: Es sind vor allem Frauen, die aktuell weniger als 12 Euro in der Stunde verdienen, und das ändern wir ab dem 1. Oktober mit der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Das ist wunderbar, und auf diesen Schritt sind wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sehr stolz.
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„Ich mache mir große Sorgen“, das sind aktuell die Worte vieler Familien und Alleinerziehender. Für uns ist aber klar: Wir lassen euch in dieser Krise nicht alleine und auch nicht danach. Mit diesem Haushalt stellen wir sicher, dass schnelle und nachhaltige Unterstützungen zur Verfügung gestellt werden. Akuthilfen sind sehr wichtig; aber genauso wichtig ist es, Strukturen zu schaffen, die Familien und Alleinerziehende nachhaltig stärken.
Frau Kollegin.
Die Koalition liefert und packt beides an.
Vielen Dank.
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Felix Döring ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie, und die überwältigende Mehrheit in diesem Haus findet das auch gut. „Wehrhafte Demokratie“ bedeutet einerseits, dass wir effektiv und mit der gebotenen Härte gegen all jene vorgehen, die unsere Demokratie angreifen und die versuchen, sie abzuschaffen. „Wehrhafte Demokratie“ bedeutet aber andererseits eben auch, dass wir die Verantwortung haben, in die Zukunft unserer demokratischen Gesellschaft zu investieren, und dazu trägt dieser Einzelplan 17, über den wir heute sprechen, enorm bei. Lassen Sie mich gerne auch erklären, warum.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man die historische Lehre gezogen: Wir wollen keine große Staatsjugend mehr. Wir wollen eine Vielfalt unabhängiger, demokratisch organisierter Jugendverbände, die als eigenständige Mitgliederorganisationen einen enorm wichtigen Beitrag zu unserer Demokratie leisten. Und im Übrigen gilt: Wer sich in der Jugendverbandsarbeit engagiert hat, bei dem ist die Wahrscheinlichkeit umso höher, dass er oder sie sich auch später ehrenamtlich engagiert. Deswegen sage ich, deswegen sagen wir: Jeder Cent, jeder Euro für die Jugendverbandsarbeit ist eine Investition in die Gegenwart und in die Zukunft unserer Demokratie, eine Investition mit enorm hoher demokratischer Rendite, meine Damen und Herren.
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Junge Menschen, die ein Theaterstück entwickeln und aufführen, in dem es darum geht, warum es eben keine Unterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft gibt; die Unterstützung von Menschen, die von rechter Gewalt betroffen sind, und auch die Förderung der Medienkompetenz sind gerade in unserer heutigen Zeit sehr wichtig, in der wir leider erleben müssen, dass insbesondere diejenigen, die unsere Demokratie von rechts angreifen, systematisch versuchen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu delegitimieren, und dass sie ganz bewusst versuchen, die Algorithmen sozialer Netzwerke zu nutzen, um ihren Hass und ihre Falschnachrichten zu verbreiten. Gerade in diesen Zeiten hat Medienkompetenz einen so enorm hohen Stellenwert, und auch dies fördern wir über den Haushaltsposten Demokratieförderung.
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Wie wichtig uns all diese Dinge sind, das zeigen die nackten Zahlen: 2015 hatten wir im Bereich Demokratieförderung 40 Millionen Euro im Etat, 2022 waren es schon 183 Millionen, jetzt sind es 200 Millionen Euro.
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Das bedeutet, dass innerhalb der letzten acht Jahre eine Verfünffachung der Mittel stattgefunden hat. Mit dem Demokratiefördergesetz, das wir bald auf den Weg bringen werden, werden wir auch eine gesetzliche Regelung für die Verstetigung dieser Mittel einführen. Das bedeutet – ich sage es noch mal –, dass wir ganz klar sehen können, welchen Stellenwert die Demokratieförderung für diese Ampelkoalition hat, meine Damen und Herren.
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Kolleginnen und Kollegen, Aufgabe des Staates ist es, Zivilgesellschaft zu fördern. Eine demokratische Gesellschaft kann nicht von oben verordnet werden
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– gut zuhören jetzt! –, aber wir können die Füße stärken, auf denen sie stehen: Staat und Zivilgesellschaft – zusammen stark.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Zu dem Bereich „Familien, Frauen, Senioren und Jugend“ liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für Umbaupausen haben wir im Bauministerium natürlich jederzeit großes Verständnis.
Ich freue mich über Ihr Interesse an der Debatte; denn es geht um eine der zentralen Fragen, die die Menschen zurzeit in Deutschland umtreiben. Viele Menschen machen sich Sorgen, wie sie ihre Wohnung beheizen, wie sie die Kosten dafür tragen können. Deswegen ist ein drittes Entlastungspaket vorgestellt worden, in dem ein ganz wesentlicher Punkt die Stärkung des Wohngeldes in Deutschland ist.
Es ist in der Geschichte der Bundesrepublik die historisch größte Reform des Wohngeldes, die jemals geplant wurde, und sie wird dabei helfen, dass wesentlich mehr Menschen als bisher diese Unterstützung bekommen, um ihre Nebenkosten zu tragen; denn wir werden zum Ersten einen erneuten Heizkostenzuschuss auf den Weg bringen und ihn zum Zweiten, weil natürlich klar ist, dass die Nebenkosten auch in den nächsten Jahren nicht so schnell auf das niedrige Niveau zurückkommen, dauerhaft in das Wohngeld implementieren.
Was ganz wichtig ist: Mehr Menschen in Deutschland müssen einen Anspruch auf Wohngeld haben. Dazu zählen viele Rentnerinnen und Rentner, aber natürlich auch Familien mit geringem Einkommen und Menschen mit selbstgenutzten Häusern.
Wichtig ist, dass dieses Geld schnell ankommt. Wir werden uns sehr anstrengen, und ich setze auch auf Ihre Unterstützung im parlamentarischen Verfahren; denn die Zeit drängt. Die Menschen machen sich große Sorgen, ob sie in der Lage sind, ihre Nebenkosten zu decken. Dabei werden wir ihnen helfen.
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Aber das, was wir jetzt bei der Entwicklung der Gaspreise sehen, wirft seinen Schatten natürlich nicht nur auf den privaten Bereich, sondern auch auf die Bauindustrie, auf die Wohnungswirtschaft. Deswegen haben wir in unserem Entlastungspaket eine Unterstützung für die Wohnungswirtschaft vorgesehen, damit sie nicht in Liquiditätsprobleme kommt.
Der Haushalt des Bauministeriums, den wir jetzt diskutieren, ist geprägt von den Herausforderungen in diesem Bereich. Das eine ist die Frage: Wie können wir in Deutschland mehr und besser Wohnungen bauen, auch preiswerte Wohnungen schaffen? Dazu habe ich das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ins Leben gerufen, wo wir gemeinsam mit der Bau- und Wohnungswirtschaft, aber auch mit Gewerkschaften, Mietervereinen, dem Behindertenbeauftragten, Umweltverbänden und natürlich Ländern und Kommunen beraten, welche Maßnahmen wir ergreifen. Wir werden die Ergebnisse am 12. Oktober gemeinsam mit dem Bundeskanzler vorstellen.
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Was Sie dem Plan entnehmen können, ist, dass wir jetzt deutlich die Mittel für den sozialen Wohnungsbau erhöht haben; 2,5 Milliarden Euro stehen zur Verfügung. Als einen weiteren Anreiz, um im Bereich des Wohnungsbaus zu investieren, werden wir auch die AfA von 2 auf 3 Prozent erhöhen. Ich habe mich mit Christian Lindner darauf verständigen können, dass das bereits zum 1. Juli 2023 passiert.
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Wir werden eine Neubauförderung konzipieren, um den Bau von klimafreundlichen Wohnhäusern zu unterstützen, aber natürlich auch, um Familien bei ihrer Eigentumsbildung zu unterstützen. Dafür steht für unser Haus zurzeit 1 Milliarde Euro aus dem KTF zur Verfügung.
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Wir werden im nächsten Jahr eine Unterstützung für junge Menschen auf den Weg bringen. Die brauchen Studentenwohnheime; die brauchen aber auch Azubiwohnheime. Hier werden wir mit den Ländern noch eine besondere Vereinbarung, ein besonderes Programm auf den Weg bringen.
Wir nehmen auch jene in den Blick, die keine Wohnung haben. Wir werden die Arbeit an einem nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit starten. Ergänzt werden muss das natürlich auch um Maßnahmen anderer Ressorts; ich denke etwa an die mietrechtlichen Regelungen im Bereich des Justizministeriums, die wir vorhaben.
Wichtig ist, dass wir modernisieren, dass wir die Produktivität der deutschen Bauwirtschaft unterstützen, und da ist Building Information Modeling, die Digitalisierung des kompletten Bereiches, eine wichtige Maßnahme. Aber natürlich müssen wir bei allen Bereichen des Neubaus auch immer den Klimaschutz mitdenken.
Wir haben das „Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude“ eingeführt. Es beginnt, sich im Markt durchzusetzen, weil es einen breiteren Ansatz hat, der nicht alleine die Energieeffizienz fokussiert, sondern den Lebenszyklus des Gebäudes in Betracht nimmt, aber auch die Materialien nach ihrer CO2-Bilanz bewertet.
Das passt auch ganz wunderbar zu unserer in Erarbeitung befindlichen Holzbauinitiative. Ich möchte dem Bundeslandwirtschaftsministerium für die gute Kooperation noch mal danksagen; denn die Frage ist, wie wir unseren Wald nachhaltig bewirtschaften, sodass er auch für die Bauwirtschaft zur Verfügung steht.
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Unsere Städte und Quartiere müssen sich an den Klimawandel anpassen. Hier auch noch mal ein Dank an den Bundestag für das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“. Damit können wir mehr Frischluftschneisen und die so wichtigen Wasserflächen, aber natürlich auch mehr Grün in der Stadt finanzieren.
Insgesamt ist die Städtebauförderung mit 790 Millionen Euro auf einem hohen Niveau, und hier setzen wir bei allen Maßnahmen, die finanziert werden, auf Klimaschutz. Denn wichtig ist, dass unsere Städte auch in Zukunft Orte sind, wo man gerne hingeht, mit einer hohen Aufenthaltsqualität, dass wir die Gefahren in den Blick nehmen und die Städte dementsprechend vorbereiten, sei es nun auf Starkregenereignisse oder Hitze im Sommer.
Ganz wichtig ist: Auch viele Sportvereine machen sich über ihre Nebenkosten große Sorgen. Natürlich ist die CO2-Bilanz insbesondere von Schwimmbädern eine schlechte. Deswegen danke ich auch noch mal dem Deutschen Bundestag, dass er die unglaubliche Summe von 476 Millionen Euro auf den Weg gebracht hat. Dieses Geld, diese 476 Millionen Euro, stehen den Sportvereinen, Jugendeinrichtungen und Kultureinrichtungen zur Verfügung. Das Geld kann aktuell beantragt werden; die Projektskizzen können an mein Haus geschickt werden.
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Das Bauministerium weiß um die große Kraft der Städte, aber auch um ihre Transformationsaufgaben, sei es die Urbanisierung, die Verkehrswende, die Bauwende, aber natürlich auch die Wärmewende. Das sind alles Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, und zwar nicht nur bei uns in Deutschland, sondern weltweit. Deswegen haben wir den G-7-Track das erste Mal gestartet, und ich bin froh, dass auch mein japanischer Kollege angedeutet hat, dass er ihn weiterführen will. Nächste Woche treffen sich erstmals im Rahmen von G 7 auch die Stadtentwicklungsministerinnen und ‑minister in meiner Heimatstadt Potsdam, um die Frage zu bearbeiten: Wie schaffen wir es, dass unsere Städte sich an den Klimawandel anpassen, aber auch, dass sie resilient und integrativ sind?
Ein wichtiger Punkt ist natürlich auch die Transformation im Bereich des Bauens. Hier passiert viel. Einige Fragen sind: Wie bauen wir effizient? Wie bauen wir auch flächensparend? Aber natürlich auch: Wie schaffen wir es, die Produktivität deutlich zu erhöhen? Es gibt Branchen, die schon ganz weit vorne sind, was die industrielle Produktion ihrer Waren anbelangt. Im Baubereich ist man da häufig noch sehr in der Manufaktur unterwegs.
Aber hier ist es notwendig, dass wir aus dem Bereich des seriellen Bauens, des modularen Bauens, aus einem kleinen Bereich wirklich einen großen machen. Deswegen unterstützen wir auch hier die Bauforschung – es werden jetzt gerade sehr viele Firmen gegründet –, um in wesentlichen Größenordnungen seriell zu bauen. Wir werden auch im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ die Regelungen mit den Ländern besprechen, die es braucht, damit man auch in Deutschland in bestimmten Größenordnungen seriell bauen kann.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion ergreift das Wort der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Unser Land geht momentan durch eine schwere Krise: Die Inflation galoppiert; die Preise für Lebensmittel, für Strom und Gas steigen und steigen. Die Menschen sind verunsichert, und viele Unternehmen sind jetzt schon in ihrer Existenz bedroht.
Diese Entwicklung macht natürlich auch vor der Baubranche nicht halt. Schon die allgemeine Preisentwicklung ist mehr als beängstigend. Bei den Baukosten ist es allerdings so, dass die noch viel, viel stärker steigen. Holz zum Beispiel hat sich binnen Jahresfrist um 60 Prozent verteuert, Betonstahl um die Hälfte. Und wenn man mal die letzten zwei Jahre in den Blick nimmt: Der Baupreisindex ist um rund ein Viertel gestiegen.
Das hat ganz unmittelbare Auswirkungen auf die Menschen. Die „FAZ“ hat heute getitelt: „Harte Landung für die Baubranche“, und festgestellt: „Die Party am Bau ist vorbei“. Das bedeutet ganz konkret, dass junge Familien zum Beispiel ihre Grundstücke zurückgeben können, weil sie sich ihren Traum vom Eigenheim nicht mehr leisten können. Aufträge werden reihenweise storniert, Projekte zurückgestellt oder gleich ganz gestrichen. Besonders dramatisch stellt sich die Situation beim Wohnungsneubau dar. Um ganze 18 Prozent ist der Auftragseingang zurückgegangen.
Und dennoch, Frau Ministerin, halten Sie ganz unbeirrbar an Ihrem Ziel fest, 400 000 neue Wohnungen zu bauen. In der Branche schüttelt man über diese Vogel-Strauß-Politik nur noch den Kopf. Das hat schon etwas von Realitätsverweigerung. Aber ich sage mal so: Politik fängt doch immer mit dem Betrachten der Realität an; nur dann kann man auch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.
Dass Sie sich der Realität nach wie vor verweigern, das sieht man an diesem Haushalt; dafür ist er der beste Beleg. Stabile Rahmenbedingungen oder eine in der Höhe angepasste und verlässliche Förderkulisse, das sucht man hier alles vergebens. Diese Chance ist verpasst.
Stattdessen ist der Haushalt ambitionslos, lückenhaft, und er setzt vor allen Dingen auch falsche Akzente. Bewährte Programme, die wir gehabt haben – Städtebauförderung, altersgerechter Umbau, Neubauförderung –, sind zusammengestrichen worden oder auf den Druck von uns als Unionsfraktion gerade mal auf das Nötigste aufgestockt worden. Neue Programme, mit denen Sie vielleicht auch neue Akzente hätten setzen können – Fehlanzeige. Die gibt es dort nicht.
Ich kann es irgendwie verstehen, dass Sie, Frau Geywitz, ein paar Anlaufschwierigkeiten haben. Es ist ein neues Thema, es sind große Herausforderungen, und das Haus muss natürlich auch erst mal aufgebaut werden. Aber dennoch: Sie sind jetzt neun Monate in der Regierung, und man hat den Eindruck: Sie sind immer noch in der Orientierungsphase.
In der Immobilienwirtschaft hört man die Klage, dass Ansprechpartner im Haus fehlen. Anfragen bleiben monatelang unbeantwortet. Und ein Organigramm, was mit Blick auf die Transparenz sicherlich auch ganz wünschenswert wäre, das gibt es bis zum heutigen Tage immer noch nicht.
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Das ist unzureichend; das wird der Größe der Aufgabe nicht gerecht.
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Aber einer hat sich ganz offensichtlich sehr gut eingearbeitet: Robert Habeck. Der gibt nämlich im Kabinett beim Thema „Bauen und Wohnen“ den Ton an. Nur leider macht er das mit ziemlich fatalen Folgen: mehrmalige Förderstopps, totale Verunsicherung, einbrechende Neubauzahlen. Über das, was er dort macht, kann man nur den Kopf schütteln.
Sie würden jetzt wahrscheinlich sagen: Das ist natürlich ganz sinnvoll und durchaus ein Erfolg, dass wir die Neubauförderung jetzt ins Bundesbauministerium reingeholt haben. – Ja, das ist auch gut; das unterstützen wir auch. Aber angesichts dieser neuen Zuständigkeit haben Sie bei den Verhandlungen über das, was in welcher Höhe zukünftig aus dem KTF gefördert wird, ganz offensichtlich vergessen, dafür auch die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen. Da hat sich nämlich wieder Robert Habeck durchgesetzt.
14 Milliarden Euro soll es insgesamt an Mitteln geben. 13 Milliarden Euro davon gehen ins Wirtschaftsministerium für die Sanierung, und nur 1 Milliarde Euro steht für den Neubau zur Verfügung. Es steht also 13 : 1 für Habeck. Ich finde, das ist eine ziemlich unbefriedigende Bilanz.
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Man merkt dabei auch eine fundamentale Verschiebung der Prioritäten. Im Koalitionsvertrag zum Beispiel hieß es im Wohnungskapitel noch, dass die Bezahlbarkeit des Wohnens an der ersten Stelle kommt, die Klimaneutralität erst an der zweiten. Also: Der Bau neuer Wohnungen war priorisiert. Die Reihenfolge hat sich, jedenfalls wenn man die Verteilung der Finanzmittel betrachtet, ganz offensichtlich geändert. Es ist natürlich ein Zielkonflikt: Klimaschutz auf der einen Seite, Neubau/Bezahlbarkeit auf der anderen Seite. Aber die Art und Weise, wie Sie ihn auflösen, nämlich total einseitig zugunsten des Klimaschutzes, wird der Aufgabe, die Sie als Bauministerin haben, nicht gerecht.
Auch sonst hat man den Eindruck: Der Koalitionsvertrag zählt offenbar nichts mehr. Sie kündigen in ihm ja durchaus einige sinnvolle Instrumente an: eigenkapitalersetzende Darlehen, Tilgungszuschüsse, Zinsverbilligung beim Eigentumserwerb, Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer. Aber was ist daraus geworden? Nichts, nada, niente! Im Haushalt findet sich dazu nur gähnende Leere. Kein einziger Ansatz ist dazu zu finden.
Wenn es konkret wird bei der Eigentumsförderung, wenn es konkret darum geht, den Menschen die Erfüllung des Traums von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, liefert diese Regierung nichts. Die FDP hat alle im Stich gelassen. Wir hatten ja ein bisschen Hoffnung; aber bei Ihnen ist offensichtlich keine Kraft mehr vorhanden.
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Frau Ministerin, die Immobilienwirtschaft und auch viele bauwillige Familien – Zehntausende sind das in unserem Land – können nicht länger auf ein arbeitsfähiges Bauministerium warten. Wir haben ein hohes Interesse daran, dass 2023 nicht wieder ein verlorenes Jahr für den Bau wird. Deswegen ist es für uns so wichtig: Wir brauchen in dieser Krise eine starke Fürsprecherin am Kabinettstisch, die auch mal auf den Tisch haut und den ehrgeizigen Zielen dann endlich auch Taten folgen lässt. Statt der Preise und der Verunsicherung müssen endlich die Neubauzahlen steigen, meine Damen und Herren.
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Deswegen fordern wir Sie, Frau Ministerin, auf: Seien Sie selbstbewusst! Setzen Sie sich im Kabinett gegen Robert Habeck durch! Sorgen Sie für Planungs- und Investitionssicherheit! Schaffen Sie eine verlässliche Förderkulisse! Stellen Sie die notwendigen Mittel bereit für Neubau und für den Eigentumserwerb! Sorgen Sie für die Freibeträge! Machen Sie keine Energiesparverordnungen, die alles nur noch komplizierter und teurer machen und am Ende wenig bringen!
Wenn Sie diesen Weg gehen, Frau Ministerin, dann stehen wir Ihnen als Unionsfraktion gern zur Seite und helfen auch, wenn es mit Robert Habeck mal wieder nicht klappt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Luczak. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Luczak, es ist ja wirklich putzig, wie Sie hier versuchen, so einen Gegensatz zwischen der Ministerin und Robert Habeck aufzubauen, und dann im Stil eines Fußballreporters hier ein 13 : 1-Ergebnis verkünden.
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Tatsache ist, dass unsere Minister/-innen im Kabinett an einem Strang ziehen und eine gemeinsame Zielvorstellung von sozial-ökologischer Transformation haben, und das spiegelt sich auch in diesem Haushalt wider.
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Aber bevor ich inhaltlich darauf eingehe, biete ich übrigens gerne an, das Organigramm des Ministeriums zur Verfügung zu stellen, das nämlich existiert; da müssen Sie sich vielleicht mal bei Ihrem Büro erkundigen.
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Dieser Haushalt ist ein Haushalt der sozial-ökologischen Transformation, und ich will das beispielhaft an den zwei großen Bundesprogrammen „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ und „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ zeigen. Hier werden die Kommunen unterstützt, und gleichzeitig liegt ein klarer Schwerpunkt auf energetischer Effizienz. Es werden dort keine fossilen Energieträger mehr eingesetzt werden können, und es sind Programme – wir haben gesehen, wie wichtig das angesichts der Dürre ist –, die die städtischen Räume lebenswerter und auch gesünder machen werden.
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Es gibt noch eine Reihe anderer Punkte, die man weiterentwickeln kann und die wir auch in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden. Ich nenne hier einmal den Holzbau, dem wir, glaube ich, insgesamt auch in Zukunft noch eine viel größere Bedeutung beimessen müssen. Das ist nicht nur eine ökologische Frage, sondern das ist tatsächlich auch eine Frage von Kosten.
Herr Luczak, Sie haben gerade davon gesprochen, dass „Klimaschutz versus Neubau“ ein Zielkonflikt sei. Das Beispiel Holzbau zeigt, dass dieser Zielkonflikt produktiv auflösbar ist.
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Wir haben den Klimakiller Beton; denn zur Herstellung von Zement wird eine enorme Masse an Energie verbraucht. Beton ist auch ein Kostentreiber.
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Und Beton – das wissen die wenigsten – ist auch ein Landschafts- und Artenkiller; denn der Sand, den man für die Betonproduktion verwendet, ist nicht einfach so ein Wüstensand, sondern er wird aus Flussbetten geholt. Die Gewinnung von Sand zerstört, zum Beispiel in meinem Bundesland am Niederrhein, großflächig die Landschaft.
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– Das ist schlimm. Reden Sie mal mit den Leuten dort!
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Auf der anderen Seite wird zum Beispiel auch in der Mündung der Schelde nach Sand gebohrt, und dort wird die gesamte Meeresfauna auf Jahrzehnte hin durch das Abbaggern des Sandes zerstört.
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– Da brauchen Sie nicht sagen: „Ach!“; machen Sie sich mal lieber kundig, meine Damen und Herren von der Union.
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Mit diesen Punkten machen wir Schluss.
Natürlich ist auch hinsichtlich der strukturellen Herausforderungen dieser Haushalt auf dem richtigen Weg.
Zum Thema „bezahlbares Wohnen“ hat Ministerin Geywitz schon Schwerpunkte benannt. Wir handeln dort jetzt kurzfristig mit der Ausweitung des Wohngeldes. Wir handeln dort auch strukturell längerfristig mit einem Aufwuchs der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
Ich will an dieser Stelle auch erwähnen, dass es dabei um eine massive Kofinanzierung der Länder geht. Das sollten wir gerade jetzt in den Auseinandersetzungen, die wir vielleicht auch vom Bund her mit den Ländern über Finanzierungen, etwa bei den Entlastungen, haben, tatsächlich nicht vergessen. Die Länder haben 2006 im Rahmen der Föderalismusreform durchgesetzt, dass sie alleine für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind. Sie haben übergangsweise sogar eine Bundesfinanzierung gekriegt. Gemacht haben sie in der Hinsicht wenig bis gar nichts.
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– Es gibt sogar Bundesländer, Frau Lay – Sie werden uns ja gleich wieder soziale Verantwortungslosigkeit vorwerfen –,
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die in der Zeit, als der soziale Wohnungsbau in die Verantwortung der Länder übergegangen ist, massenhaft kommunale Wohnungsbestände verhökert und verschleudert haben – vorne mit dabei das Land Berlin zu der Zeit, als Sie, die PDS, Ihre Vorgängerpartei, mit der SPD zusammen regiert haben. Die Folgen tragen wir bis heute.
Es geht jetzt darum, sich auf den langen und mühsamen Weg zu machen, das möglichst abzumildern, zu verändern und gleichzeitig die soziale und die ökologische Herausforderung der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, Sanierung und auch Neubau zu meistern.
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Ich wäre jetzt gerne noch auf die Struktur des Wohnungsmarktes eingegangen; das machen sicherlich meine Nachredner/-innen. Einen erleichterten Erwerb von Genossenschaftsanteilen begrüßen wir sehr. Und wir sehen der in Zukunft hoffentlich stattfindenden Einführung der neuen Wohnungsgemeinnützigkeit freudig entgegen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit. – Ich wünsche uns gute Beratungen.
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Vielen Dank Herr Kollege Kurth. – Nächster Redner ist der Kollege Marc Bernhard, AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut Hans-Böckler-Stiftung fehlen in Deutschland 2 Millionen bezahlbare Wohnungen, und zwar nicht erst seit gestern. Und was machen Sie von der Regierung? Sie verschärfen die Krise am Wohnungsmarkt immer weiter, sodass Wohnen in Deutschland immer mehr zum Luxus wird. Laut Mieterbund führt die regierungsgemachte Explosion der Energiepreise dazu, dass für viele Millionen Menschen die Nebenkosten tatsächlich so hoch sind wie die Kaltmiete selbst. Denn der gleichzeitige Ausstieg aus Kohle und Kernenergie hat uns völlig abhängig gemacht von russischen Energielieferungen. Die Regierungspolitik der letzten zehn Jahre ist also direkt dafür verantwortlich: für die hohen Energiepreise, die wir jetzt in unserem Land haben.
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Das „Wall Street Journal“ hat das bereits 2019 als weltdümmste Energiepolitik bezeichnet.
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Ihr Dämmwahn und Ihre Klimahysterie haben zu einer immer weiteren Verschärfung von Bauvorschriften geführt, sodass sich laut Wohnungsbautag bereits 80 Prozent der Menschen die Miete der Wohnungen, die heute, gerade jetzt, gebaut werden, gar nicht mehr leisten können. Im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern senken Sie die Steuern und Abgaben auf Energie eben gerade nicht, sondern erhöhen diese immer weiter. So halten Sie trotz der exorbitanten Energiepreissteigerungen eiskalt an der weiteren Erhöhung der CO2-Steuer zum 1. Januar 2023 fest.
Was ändert jetzt der von Ihnen vorgeschlagene Haushalt an dieser Krise für die Menschen? Rein gar nichts; denn Sie setzen die nutzlose Geldverschwendung der Vorgängerhaushalte einfach fort. Auch in diesem Haushalt gibt es zum Beispiel wieder das Programm BIWAQ, mit dem Sie ja schon seit Jahren Pfannenbrötchenbacken in Nürnberg fördern und jetzt auch eine Begegnungsjurte in Heidelberg oder kultursensibles Coaching mit LAura in Hamburg. Wie sollen diese Projekte denn den Menschen dabei helfen, bezahlbare Wohnungen zu finden, liebe Frau Ministerin?
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Wie sollen die denn helfen? Was tun Sie dafür, dass die von Ihnen großspurig angekündigten 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr dann auch tatsächlich mal gebaut werden? Was tun Sie dafür, dass ausreichend Handwerker und Baumaterialien überhaupt zur Verfügung stehen? Und vor allem: Was tun Sie dafür, dass das Wohnen für normale Menschen überhaupt wieder bezahlbar wird? Bisher ist diese Regierung einzig und allein damit aufgefallen, dass sie Anfang des Jahres ein KfW-Förderdesaster verursacht hat und damit vielen Tausend Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden zerstört hat, und sonst mit gar nix!
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Mit Ihrer Klimahysterie erlassen Sie immer neue Vorschriften, die die Kosten des Wohnens immer weiter nach oben treiben. Mit Ihrem Ziel – ich habe es eben erwähnt –, pro Jahr 400 000 neue Wohnungen zu bauen, werden Sie laut Experten krachend scheitern und sogar deutlich schlechter abschneiden als Ihr Vorgänger Horst Seehofer mit seinem schon extrem mageren Ergebnis.
Frau Ministerin, stoppen Sie sofort alle ideologischen Luxusprogramme in diesem Haushalt, und wirken Sie im Kabinett endlich darauf hin, dass die Energiekosten wieder für alle bezahlbar werden! Und tun Sie vor allem eines: Konzentrieren Sie sich endlich auf die Kernaufgabe Ihres Ministeriums! Diese ist einzig und allein – und nichts anderes –, dafür zu sorgen, dass die Menschen in unserem Land ausreichend bezahlbaren Wohnraum haben.
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Vielen Dank. – Als Nächster erhält das Wort der Kollege Torsten Herbst, FDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vergleich zur letzten Haushaltsdebatte ist die Zahl der Herausforderungen im Bereich „Bauen und Wohnen“ leider nicht gesunken, sondern massiv gestiegen. Wir merken das alle im täglichen Leben: Die Wohnnebenkosten gehen nach oben. Ich bin froh, dass der Koalitionsausschuss an diesem Wochenende klar dafür gesorgt hat,
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dass wir eine Bremse einziehen und Bürgerinnen und Bürger, so gut es geht, entlasten, meine Damen und Herren.
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Wir sehen, dass auch die Baukosten im Moment nur eine Richtung kennen, nämlich nach oben. Wir haben Engpässe bei Fachkräften und Baumaterialien, und auch die Zinsentwicklung hilft nicht dabei, dass mehr gebaut wird. Nun sind die Entwicklungen auf dem Markt nicht alle von der Politik beeinflussbar; das gehört zur Wahrheit dazu. Aber ich glaube, es ist unsere gemeinsame Verantwortung, alles dafür zu tun, dass das Bauen nicht ausgebremst wird, sondern wir Bremsen lösen, damit mehr gebaut werden kann.
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Die Herausforderungen, die wir haben, sind groß. Es geht darum, Wohnen bezahlbar zu gestalten, Bauinvestitionen zu beschleunigen, bürokratische Bremsen zu beseitigen, Wohneigentumsbildung zu ermöglichen und natürlich auch Städtebau und Stadtentwicklung nicht zu vernachlässigen. Dieser Etat umfasst über 5 Milliarden Euro. Das klingt erst einmal viel. Ich bin aber auch froh, dass das Wohnungsbauministerium dazu beiträgt, dass in diesem Bundeshaushalt die Investitionsquote wieder auf einem sehr hohen Niveau liegt. Darauf können wir stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Wir sehen aber auch, dass viele Ausgaben und Gelder gebunden sind; Stichwort „Baukindergeld“, das wir der Union verdanken. Nichtsdestotrotz – davon bin ich überzeugt – werden wir als Koalition auch in diesen Haushaltsverhandlungen dafür sorgen, unsere eigenen Akzente zu setzen und dort, wo es notwendig ist, auch nachzuschärfen.
Wir haben am Ende als Haushaltspolitiker auch eine Gesamtverantwortung. Jeder von uns hat Ideen, wo wir noch mehr Geld im Bereich „Bauen und Wohnen“ ausgeben könnten. Dennoch, meine Damen und Herren, ist es richtig, dass wir jetzt zu soliden Haushalten zurückkehren, dass wir die Schuldenbremse einhalten. Das ist nicht nur eine Frage unserer Verfassung, nicht nur eine Frage der Generationengerechtigkeit, sondern die Rückkehr zur Schuldenbremse ist eine der entscheidenden Voraussetzungen, um diese galoppierende Inflation zu bekämpfen.
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Wir hören in Debatten hier ganz oft, dass ein Gegensatz aufgemacht wird zwischen mehr sozialem Wohnungsbau und mehr privatem Wohneigentum. Ich glaube, das sind keine Gegensätze. Wir brauchen mehr sozialen Wohnungsbau, aber auch mehr privates Wohneigentum, gerade in diesen Zeiten. Ich finde, wir müssen politisch alles dafür tun, dass Wohneigentum und Bauen im privaten Bereich nicht zu einem unbezahlbaren Luxus für Privatpersonen wird.
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Das ist nicht nur eine Frage gesellschaftlicher Stabilität, sondern, wie ich finde, auch die beste Altersvorsorge, die man sich vorstellen kann. Ich freue mich, dass das Bauministerium noch im Herbst ein Konzept zur privaten Eigentumsförderung vorlegen wird.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema Baukosten verlieren. Eins ist völlig klar: Je teurer wir bauen, desto teurer werden die Mieten. Deshalb, glaube ich, ist es unsere gemeinsame Verantwortung, dafür zu sorgen, dass im Zuge der Einführung neuer Standards staatliches Handeln nicht zum weiteren Kostentreiber wird.
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Wir müssen Augenmaß bewahren und dürfen die Standards nicht immer weiter nach oben treiben.
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Im Koalitionsvertrag ist der Check von Bau- und Wohnkosten niedergeschrieben, und ich bin sicher, dass dies auch passieren wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auch noch mit einem Vorurteil aufräumen. Ganz oft ist hier die Rede von Großkonzernen, die als Vermieter Mieter drangsalieren. Knapp zwei Drittel aller vermieteten Wohnungen in diesem Land sind in Privateigentum. Das sind oftmals Eigentümer, die ein oder zwei Wohnungen haben. Ohne deren Engagement, ohne deren Investitionen sähe es am Wohnungsmarkt viel, viel düsterer aus, als es momentan ist, meine Damen und Herren.
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Wir als Koalition wollen die Herausforderungen angehen. Wir wollen, dass mehr gebaut werden kann, dass Genehmigungen einfacher, unbürokratischer werden, dass Wohnraum bezahlbar bleibt und dass sich mehr Menschen den Traum vom Wohneigentum erfüllen können. Das wollen wir auch mit diesem Haushalt für das Jahr 2023 erreichen. Ich bin mir sicher: Wir werden auch noch interessante Akzente im Rahmen der Haushaltsverhandlungen setzen.
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Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Herbst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Mieten explodieren schon seit vielen Jahren. Es ist schon lange keine Seltenheit mehr, dass Menschen die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben. Jetzt kommen noch die Explosion der Nebenkosten und die Inflation dazu. Das ist eine tickende Zeitbombe, und der vorliegende Haushalt reicht bei Weitem nicht aus, sie zu entschärfen.
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Schon jetzt müssen die Bürger/-innen 11 Prozent mehr für das Wohnen ausgeben als im Vorjahr. Und die großen Preissprünge bei Energie kommen ja erst noch. RheinEnergie zum Beispiel hat mitgeteilt, die Preise für Gas um 133 Prozent zu steigern. Das hieße für eine Familie zukünftig 3 000 Euro statt 1 400 Euro. Die Entlastungspäckchen der Bundesregierung reichen da nicht aus.
Ich freue mich ja sehr, dass das Wohngeld reformiert werden soll, dass es zukünftig mehr Menschen zugutekommen soll und eine Heizkosten- und eine Klimakomponente erhalten soll. Endlich! Mit diesen Forderungen beißen wir Linke seit vielen Jahren auf Granit.
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Leider sind die vollmundigen Ankündigungen im Haushalt nicht untersetzt. Da stehen schwarz auf weiß noch 690 Millionen Euro.
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Die stehen da. Das ist weniger als im letzten Jahr. Das ist doch lächerlich! Und einen Gesetzentwurf zur Reform gibt es auch nicht.
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Ich hoffe, dass Ihre Ankündigungen schnell umgesetzt werden; denn die Heizperiode beginnt bald.
Mit einer Wohngeldreform alleine ist es natürlich nicht getan. Viele Menschen werden die Warmmieten nicht mehr zahlen können. Im Entlastungspaket heißt es da eher lapidar: Sperrungen von Strom und Gas sollen durch Abwendungsvereinbarungen verhindert werden. – Ich lese da erneut eine schwammige Formulierung, die die Mieter/-innen am Ende nicht schützen wird. Oberste Prämisse muss sein: Niemand darf jetzt seine Wohnung verlieren. Kündigungen müssen ausgesetzt werden. Zwangsräumungen und Gassperren müssen verboten werden.
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Das beste Mittel gegen die Inflation ist übrigens ein Mietenstopp. Vonovia hat angekündigt, die Mieten angesichts der Inflation massiv zu erhöhen. Mietervereine berichten, dass neue Mietverträge zum Teil zu 90 Prozent Indexmietverträge sind, also solche, die sich automatisch an die Inflation anpassen. Das ist bei einer Inflation von 7 Prozent nicht tragbar. Indexmietverträge müssen untersagt werden!
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Die Ampelregierung selbst hat „Bauen, bauen, bauen“ zur Maxime ihrer Wohnungspolitik erklärt. Dazu muss man erklären, dass das Ziel, 400 000 Wohnungen neu zu bauen, nicht geschafft wird. Im Gegenteil: Im letzten Jahr ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen auf 280 000 gesunken.
Viel entscheidender für uns als Linke ist natürlich die Zahl der Sozialwohnungen. Sie haben angekündigt, 100 000 Sozialwohnungen zu bauen. Aber auch hier ist die Zahl der faktisch gebauten Wohnungen rückläufig: nur noch 21 000 Sozialwohnungen. Wenn wir dagegenrechnen, dass viele Sozialwohnungen einfach aus der Bindung fallen, dann haben wir unterm Strich ein Minus von 27 000 Sozialwohnungen. Das ist doch ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.
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Deutscher Mieterbund und IG BAU haben heute zu Recht vorgerechnet, dass wir angesichts der massiv gestiegenen Kosten viel mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau einsetzen müssen. Sie fordern 15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau statt Ihrer 2,5 Milliarden Euro. 15 Milliarden Euro für den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau – das fordern wir als Linke schon lange.
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Lieber Herr Kurth,
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wir sind uns einig: Jede Privatisierung von Wohnungen ist falsch. – Aber wenn wir schon darüber reden, dann gehört zur Wahrheit eben auch, dass keine Bundesregierung mehr Wohnungen privatisiert hat als Rot-Grün unter Gerhard Schröder. Auch Ihre Partei, die Grünen, hat sich nicht mit Ruhm bekleckert bei der GSW-Privatisierung in Berlin. Sie wollten, dass noch mehr privatisiert wird. Ich kann es heute angesichts der Zeit nicht näher ausführen; aber in meinem neuen Buch „Wohnopoly“ habe ich es ausführlich dargestellt. Ich empfehle die Lektüre.
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Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Fonds und Konzerne auf dem Wohnungsmarkt. Was wir brauchen, ist, dass von jetzt an jeder Euro in eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit investiert wird. Aber auch hierzu gibt es keinen Gesetzentwurf.
Ich kann verstehen, dass der Aufbau eines neuen Ministeriums Zeit braucht. Aber dass Sie jetzt 300 Tage verbringen, ohne ein einziges Gesetz zum Schutz der Mieterinnen und Mieter vorzulegen – noch nicht mal zum Vorkaufsrecht –, können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Die Mieterinnen und Mieter können nicht länger warten. Das Wohnopoly muss beendet werden!
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Ich empfehle den nachfolgenden Rednern dringend, auf die Werbeblöcke für die eigenen Bücher zu verzichten; sonst haben wir demnächst nur noch eine Büchershow.
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Der nächste Redner ist der Kollege Uwe Schmidt, SPD-Fraktion.
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Moin, Herr Präsident! Liebe Ministerin! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Lay, die Entwicklung am Wohnungsmarkt sehen wir alle mit großer Sorge. Ich sehe davon ab, darüber ein Buch zu schreiben; das haben Sie ja schon gemacht.
Die Mieten werden vielerorts immer teurer und sind damit für viele Menschen finanziell einfach nicht mehr zu stemmen – das wissen wir ja schon seit Langem –; vom Wohneigentumserwerb mal ganz zu schweigen. In einigen Metropolen – Sie kommen ja auch aus Berlin; daher wissen Sie ja, was das dort mittlerweile kostet – haben die Herstellungskosten nichts mehr mit den eigentlichen Verkaufspreisen zu tun; das gehört zur Wahrheit dazu.
Jetzt kommt auch noch die Energiekostenkrise dazu. Viele Haushalte werden voraussichtlich im Winter mit hohen Nach- und Abschlagszahlungen konfrontiert sein. Auch Menschen mit normalem Einkommen stoßen damit an ihre finanziellen Grenzen und an ihre Leistungsfähigkeit.
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Für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest, Kollegin Lay: Es darf niemand seine Wohnung verlieren, weil er die Nebenkosten nicht bezahlen kann. Dafür werden wir sorgen. Wir haben das nächste Entlastungspaket geschnürt, um die gestiegenen Energiepreise stärker abzufedern. Es beinhaltet notwendige Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro; das ist Ihnen ja nicht ganz unbekannt.
Nach dem Heizkostenzuschuss aus dem Frühjahr stellen wir erneut zusätzliche Finanzmittel bereit. Das entlastet Menschen mit niedrigem Einkommen wie Berufseinsteiger, Studierende und Rentner bei ihren Wohnkosten.
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Im Rahmen dieser Maßnahme wird für die Heizperiode September bis Dezember einmalig ein weiterer Heizkostenzuschuss an Wohngeldempfängerinnen und ‑empfänger ausgezahlt.
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Ich glaube, das kann man auch mal zur Kenntnis nehmen.
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Die Ministerin hat es gesagt: Zum 1. Januar 2023 wird das Wohngeld reformiert. – Das war mit Ihnen leider nicht zu machen; aber das werden Ihre Festzeltredner gleich noch bestreiten.
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Es wird eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten. Wir werden den Kreis der Wohngeldberechtigten deutlich erweitern.
Zusammen stark – das sind wir in der Krise. Das zeigen wir auch mit dem vorliegenden Entwurf für den Einzelplan 25. Liebe Bundesministerin Geywitz, Sie haben den Einzelplan für den Bereich „Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“ ja bereits vorgestellt. Er beinhaltet Gesamtausgaben in Höhe von gut 5 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 47,5 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Die wesentlichen Linien haben Sie bereits umrissen. Natürlich kann der vorliegende Haushaltsentwurf der Regierung die geplanten zusätzlichen Finanzmittel noch gar nicht abbilden. Im parlamentarischen Verfahren werden wir gemeinsam die richtigen Weichen stellen und die Mittel sinnvoll einsetzen; das ist Ihnen ja auch nicht ganz unbekannt.
Die Herausforderungen sind größer denn je geworden; die haben wir uns ja nicht ausgesucht. Deshalb werden wir auch für Wohneigentum Förderprogramme in all ihren Facetten auflegen. „Zusammen stark“ bedeutet: bezahlbares Wohneigentum, zum Beispiel für junge Familien mit normalem Einkommen, statt Rendite für große Immobilienprojektierer. Man muss auch mal sehen, wer die Möglichkeiten der letzten Förderprogramme für sich genutzt hat.
Wohneigentum schützt auch vor Altersarmut; das haben wir mehrfach festgestellt. Da müssen wir noch einige Hürden abbauen. Wir werden Möglichkeiten wie eigenkapitalersetzende Darlehen, Tilgungszuschüsse und Zinsverbilligung beim Wohneigentumserwerb schaffen; das müssen wir einfach tun.
Zudem müssen wir das Potenzial von weiteren Flächen für die Wohnraumnutzung ausschöpfen. Denn eines ist klar: Boden ist nicht vermehrbar. Darum brauchen wir nicht nur Neubau, sondern wir müssen auch den Bestand sanieren. Wir schaffen finanzielle Anreize für die Sanierung und den Umbau von Bestandsgebäuden und überführen sie in eine Nachnutzung. Das ist nachhaltig.
Überall in Deutschland gibt es Industriebrachen. Einige werden heute bereits anders genutzt als in der Vergangenheit. Doch viele Gebäude können langfristig nur dann erhalten werden, wenn sie neue Nutzungsformen finden. Wie Pläne zur Nachnutzung solcher Industriebrachen aussehen können, zeigt zum Beispiel meine Heimatstadt mit dem sogenannten Werftquartier; ich nenne auch das Gelände der ehemaligen Wollkämmerei in Bremen-Blumenthal – Enak Ferlemann nickt; das kennt er – oder das Tabakquartier in Woltmershausen; das wird ja auch gerade einer Nachnutzung zugeführt. Dort werden Industriebrachen zu urbanen und lebendigen Quartieren mit einem vielfältigen Nutzungsmix weiterentwickelt: Wohngebäude mit sozialem Wohnanteil, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Büro, Gewerbe, Einzelhandel.
In ganz Deutschland gibt es solche Flächen. Wir müssen zusehen, dass die Kommunen über die Verbilligungsrichtlinie der BImA Zugriff darauf bekommen. Entbehrliche Grundstücke können den Gemeinden bzw. Kommunen bereits verbilligt zum Kauf angeboten werden, wenn darauf Sozialwohnungen entstehen. Wir wollen das weiterentwickeln. Auf diese Weise haben die Kommunen eine zusätzliche Möglichkeit, auch diese Flächen sinnvoll nachzunutzen.
Die Länder und Gemeinden müssen von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht an Grundstücken verstärkt Gebrauch machen können und durch Umwidmung Baugrundstücke für genossenschaftlichen Wohneigentumserwerb schaffen. Das ist gelebte Nachhaltigkeit, gerade vor dem Hintergrund von Baupreissteigerungen und Energiekostenexplosion. Es wird Flächen geben, da klappt das für den Wohnungsbau, und andere, wo das eben nicht klappt. Das müssen sich die Gemeinden vor Ort anschauen; die kennen ihre Begebenheiten.
All diese Projekte werden wir mitentwickeln und dafür die notwendigen Haushaltsmittel im parlamentarischen Verfahren mittelfristig bereitstellen. Wir werden die Rahmenbedingungen so ausgestalten, dass solche notwendigen Maßnahmen für den sozialen Zusammenhalt über die vorhandenen Förderprogramme des Bundes laufen können. Auch hier müssen wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen. Ein KfW-Förderprogramm zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen für selbstgenutzten Wohnraum – der Kollege hat es eben schon gesagt – steht in den Startlöchern; auch das werden wir gemeinsam machen. Das unterstreicht unseren sozialdemokratischen Ansatz in der Wohnungspolitik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das neugeschaffene eigenständige Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen ist jetzt arbeitsfähig;
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dafür haben wir in diesem Jahr gesorgt. Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung haben nun endlich den Stellenwert erhalten, den sie verdienen. Nun muss es darum gehen, dass wir die Dinge ins Laufen bekommen. Das wird uns im parlamentarischen Verfahren beschäftigen.
Ich bedanke mich und freue mich auf die Zusammenarbeit.
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Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Michael Kießling, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen in der aktuellen Lage vor großen Herausforderungen und vor noch größeren Zielen der Koalition. Geliefert wurde in der letzten Zeit ziemlich wenig, teilweise auch gar nichts.
Sehr geehrte Frau Ministerin und sehr geehrter Herr Schmidt, ich glaube, es geht nicht darum, mehr Leute in den Wohngeldbezug zu bringen; vielmehr müssen wir es schaffen, die Leute zu ermächtigen, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen.
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Dafür ist die Voraussetzung, dass wir dafür sorgen müssen, dass jemand, der arbeitet, von dem, was er verdient, seinen Lebensunterhalt bestreiten kann.
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Das gilt es zu fördern. Auch das ist Aufgabe der Bundespolitik. Von daher: Sorgen wir auch in der Wirtschaftspolitik und in der Arbeitsmarktpolitik dafür, dass wir bestehende Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen, dort also die richtigen Weichen stellen. Ich komme aber später noch darauf zu sprechen.
Der Haushalt des Bauministeriums ist – das ist erfreulich – um 1 Prozent angewachsen. Toll ist, dass er nicht geschrumpft ist. Wenn man sich aber die inhaltliche Ausgestaltung anschaut, stellt man fest, dass er doch sehr zu wünschen übrig lässt: weniger für Stadt- und Raumentwicklung, weniger für die Städtebauförderung, Stopp von zahlreichen Förderprogrammen, zum Bespiel bei altersgerechtem Umbauen. Das Erfolgsmodell Baukindergeld wird nur noch ausfinanziert.
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Sonst ist wenig zum Thema Eigentumsbildung zu finden.
Anreize für Bauwillige, für Familien, Unternehmen und Kommunen? Fehlanzeige! Klimagerechtes Bauen fordern ist das eine; wir müssen es aber auch fördern. Die momentane Praxis zeigt, dass der Anreiz zu klimagerechtem Bauen zurückgeht, weil die Förderkriterien einfach nicht stimmen. Sie schaffen heute die Sanierungsfälle von morgen.
Den Bauinvestitionsstau, den Sie in diesem Jahr verursacht haben, werden Sie so nicht aufholen. Wenn Sie, wie jetzt angekündigt, ein neues Förderprogramm erst 2023 aufsetzen und die Anhebung bei der AfA erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 einführen, dann haben Sie sage und schreibe mindestens eineinhalb Jahre verschustert wegen des nicht funktionierenden Bauministeriums und Wirtschaftsministeriums, statt Signale für mehr Bauen zu setzen und für mehr Wohnraum zu sorgen.
Sie haben es angesprochen – das ist richtig –: Die Baupreise steigen. Wir müssen effektiver im Bau sein. Wir müssen Prozesssteuerung vorantreiben. Da hilft auch die Digitalisierung. Es freut mich, dass Sie zumindest das Verfahren Building Information Modeling zur Bauoptimierung weiter voranbringen. Aber wir müssen schauen, dass auch die Genehmigungsverfahren entsprechend beschleunigt werden. Es ist zwar schön, dass Sie die Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen beschleunigen wollen. Es bedarf aber auch für andere Infrastrukturmaßnahmen und beim Aufstellen von Bebauungsplänen, wenn man Wohnraum schaffen will, der Beschleunigung.
Ich fasse zusammen. Der Haushalt lässt viele Wünsche offen, er setzt viele Ziele. Ich glaube nicht, dass wir es schaffen können. Wenn wir dazu noch die Wirtschaftspolitik betrachten, muss man sagen: Sie ist nicht förderlich, um die Baukapazitäten aufrechtzuerhalten. Sie müssen auch in der Wirtschaft schauen – also ein Signal an Herrn Habeck; Energie spielt auch beim Bau eine große Rolle –, dass die Kapazitäten entsprechend vorgehalten werden, zum Beispiel, indem man die AKWs weiterlaufen lässt, weil preiswerte Energie auch beim Bau gebraucht wird, um kostengünstig bauen zu können.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Kießling. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Christina-Johanne Schröder, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zunächst möchte ich den Dank an meine Kollegen Bernhard Daldrup und Daniel Föst richten. Die Zusammenarbeit in den Ampel-AGen „Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen“ und mit unseren Haushältern ist konstruktiv, von gewisser Empathie für unterschiedliche Perspektiven geprägt und von einem herzlichen Miteinander.
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Der sachliche Streit ist von dem großen Wunsch geprägt, gute Lösungen für die Menschen in unserem Land zu finden.
Ministerin Geywitz, auch Ihnen gilt der Dank. Explodierende Mietpreise, Flächenknappheit, eine seit Jahren andauernde massive Talfahrt beim zur Verfügung stehenden sozialen Wohnraum, Wohnungsknappheit in Ballungszentren, Leerstände in anderen Teilen Deutschlands.
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Es gibt einen massiven Sanierungsstau, gerissene Klimaziele,
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komplizierte, langwierige Planungsverfahren. All das haben Sie von Ihrem Vorgänger Horst Seehofer geerbt.
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Die gute Zusammenarbeit gibt es auch bei den Ministerien. Der Satz für die AfA wird vom Finanzministerium erhöht, und Minister Buschmann hat angekündigt, noch dieses Jahr das Mietrecht zu reformieren, so wie wir es vereinbart haben.
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Der Haushalt für 2023 beträgt ganze 5,1 Milliarden Euro, von dem rund drei Viertel der Ausgaben Investitionen sind: Investitionen in die Schaffung von sozialem Wohnraum, Investitionen in die Menschen durch das Wohngeld und auch Investitionen in Gebäude.
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Über 1,5 Milliarden Euro gehen in die Stadtentwicklung oder in die Sanierung von Sporthallen, Jugendtreffs und Kultureinrichtungen oder in die Raumordnung. Auch wenn es „Stadtentwicklung“ heißt – davon profitieren natürlich auch die Menschen im ländlichen Raum.
Was noch nicht im Haushalt abgebildet ist, weil es erst am vergangenen Wochenende beschlossen wurde, ist eine große Wohngeldreform, von der insgesamt 2 Millionen Haushalte in Deutschland profitieren werden.
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Das sind Menschen, die sonst keine sozialen Leistungen erhalten, durch Putins Angriffs- und Wirtschaftskrieg aber ganz besonders stark belastet sind.
Als Grüne freuen wir uns, dass wie schon im letzten Jahr der Heizkostenzuschuss ausgezahlt wird. Erdacht war er ursprünglich einmal, um den steigenden CO2-Preis für Menschen mit geringem Haushaltseinkommen auszugleichen. Inzwischen ist der Heizkostenzuschuss ein zentrales Instrument, um Menschen in diesem Winter nicht verzweifeln zu lassen; denn Menschen mit geringem Haushaltseinkommen leben überdurchschnittlich oft in schlecht gedämmten Wohnungen und geben im Verhältnis viel, viel, viel zu viel für Wärmeenergie aus. Jetzt muss auch dem Letzten klar sein: Soziales und Klimaschutz, das gehört zusammen.
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Hier werden ja oft Märchen erzählt. Bezahlbaren Wohnraum bekomme man nur, wenn man die Baustandards schleift. Nur dann könne man den dringend benötigten Wohnraum schaffen, und nur dann würden die Mieten sinken. Nein, wer Baustandards schleifen will, belastet die künftigen Mieter/-innen durch zu hohe Nebenkosten. Wer Baustandards schleifen will, ignoriert die Klimakrise und belastet insbesondere die jungen Menschen; einige sitzen jetzt ja auch oben auf der Tribüne. Wer Baustandards schleifen will, sorgt dafür, dass noch einmal Baustoffe eingesetzt und noch einmal Handwerker/-innen und noch einmal Bauplaner/-innen tätig werden müssen, um die Klimaschutzgesetze einzuhalten, statt es gleich von vornherein vernünftig zu machen.
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Klimafreundliches Bauen und Sanieren, das ist ein langfristiges, nachhaltiges Konjunkturprogramm für Deutschland, für die deutsche Wirtschaft und für unser Handwerk. Insgesamt 14,5 Milliarden Euro werden in dieser Legislatur in den sozialen Wohnungsbau fließen, damit beides funktioniert: das mit dem Klimaschutz und mit dem bezahlbaren Wohnraum.
Die „Neue Wohngemeinnützigkeit“ sorgt für neue gemeinnützige Akteure am Wohnungsmarkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Sie schimpfen ja über den Wegfall der BEG-Förderung. Lassen Sie uns doch mal die Resultate prüfen. Allein im letzten Jahr wurden unfassbare 16 Milliarden Euro dafür ausgegeben. Das ist richtig viel Geld. Haben die vielen Milliarden Euro zu mehr bezahlbarem Wohnraum geführt?
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Nein!
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Nein, nein! – Haben die vielen Milliarden Euro zur Einhaltung der Klimaschutzgesetze geführt?
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Nein! – Die Bilanz von Minister Seehofer war verheerend.
Ich glaube, es gibt noch viel bessere Lösungen, um schneller zu bauen und insbesondere schneller zu sanieren,
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um Wohnraum durch Umnutzung, durch Aufstockung und auch durch Neubau zu schaffen.
Statt des Holzwegs der Vergangenheit wollen wir mehr Holzbau. Wir wollen mehr Digitalisierung, wir wollen mehr Flexibilisierung – natürlich auf dem 1,5-Grad-Pfad –, mehr Typengenehmigungen, mehr Handlungsspielräume für die Kommunen bei der Stadtentwicklung für lebendige und klimaresiliente Städte. Die Baugesetzbuchnovelle im kommenden Jahr wird das Meisterstück unserer Bau- und Stadtentwicklungspolitik.
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Ich freue mich darauf.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder. – Nächster Redner ist der Kollege Marcus Bühl, AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahl der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser ist im ersten Halbjahr 2022 um 17 Prozent zurückgegangen. Baufirmen haben 10 Prozent weniger Aufträge bekommen, und 11,5 Prozent der Baufirmen mussten sogar Stornierungen bereits erteilter Aufträge entgegennehmen.
Frau Ministerin, für viele unserer Bürger ist der Traum vom Leben im eigenen Haus geplatzt. Besonders junge Familien müssen ihr Bauvorhaben aufgeben, weil sie es sich schlicht nicht mehr leisten können. Die Inflation ist dabei maßgeblicher Treiber. Aber statt endlich an die Ursachen für die Energieverteuerung und Energieverknappung zu gehen, betreibt Ihre Bundesregierung weiter verantwortungslose Symbolpolitik.
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Ganze zwei Kernkraftwerke für lediglich wenige Wochen weiterlaufen zu lassen, ist ein trauriges Zeugnis dafür.
Wer nicht baut und stattdessen mietet, wird von den hohen Mieten erfasst, und die kommenden Nebenkostenabrechnungen werden dafür sorgen, dass es für viele Mieter an deren wirtschaftliche Existenz geht.
Ihre Koalition hat angekündigt, jährlich 400 000 Wohnungen in Deutschland bauen zu wollen. Es mangelt im Moment so ziemlich an allem, was man zum Bauen benötigt. Materialien sind nicht vorhanden oder außerordentlich teuer, es fehlt an Kapazität bei den Baufirmen, die Bauzinsen steigen, und zum Herbst wird eine Rezession erwartet. Und als ob das noch nicht schlimm genug wäre, gibt es von Ihnen Klimawirrwarr, einen unklaren Förderdschungel und bürokratische Hürden. Frau Ministerin, an eine Zielerreichung von 400 000 Wohnungen in diesem Jahr ist nicht zu denken. Das ist unrealistisch und Wunschdenken dieser links-gelben Bundesregierung.
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In diesem Jahr wurde für Wohngeldempfänger bisher ein einmaliger Heizkostenzuschuss beschlossen. Dieser einmalige Zuschuss ist lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber nicht mal diesen sieht man bis jetzt im Haushaltsentwurf für 2023. Im Gegenteil! Der Titelansatz des Wohngeldes wird sogar reduziert – und das vor dem Hintergrund der kommenden Kosten. Frau Ministerin, Deutschland braucht spürbare und deutliche Entlastungen, besonders für diejenigen, die jeden Euro mehrfach umdrehen müssen, um über die Runden zu kommen.
Immerhin gab es am Sonntag die Ankündigung, dass das Wohngeld ausgeweitet und auch ein Heizkostenzuschuss enthalten sein soll. Sie, Frau Ministerin, und Ihre Kollegen sind zum schnellen Umsetzen aufgefordert, damit sich viele Bürger nicht die Frage stellen müssen, ob sie entweder heizen oder etwas zu essen kaufen. Wir werden Sie an Ihren Taten und nicht an Ihren Ankündigungen messen. Handeln Sie jetzt! Es bleibt keine Zeit mehr.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Bühl. – Als Nächster erhält das Wort der Kollege Hagen Reinhold, FDP-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Lieblingspräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
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Nein, es gibt ja auch nur einen.
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Für Komplimente die Uhr stoppen! – Diese altbackenen Reden von der Opposition, die wir gehört haben, zwingen mich jetzt, meine Rede umzustellen.
Ja, man kann diesen Haushalt für ambitionslos halten – wenn man die geopolitische Lage da draußen völlig ausklammert. Man kann diesen Haushalt für ambitionslos halten – wenn man auf ihn schaut mit den Augen der letzten Jahrzehnte. Und das scheinen Sie zu tun. Wenn man die Antworten auf aktuelle Herausforderungen sucht und wenn man Antworten für die Zukunft sucht, dann wird man in diesem Haushalt fündig.
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Herr Luczak, ich frage mich, wie man es schafft, sich als CDU-Abgeordneter nach vier Legislaturen in Verantwortung hierhinzustellen und sich ernsthaft dafür zu feiern, dass in Deutschland kaum noch ein Neubau ohne den Zuschuss von Steuergeld absolviert wird. Das ist ja fast die Höhe. Wer davon geprägt ist, sucht in diesem Haushalt natürlich ganz vergeblich einen weiteren Zuschlag für die Förderung. Wer aber eine Fortschrittskoalition als Regierung haben möchte, die Nachhaltigkeit auch finanziell versteht, der findet in diesem Haushalt was für sich. Das, was Sie die letzten Jahrzehnte getrieben habe, war doch Unsinn. Gut, dass wir damit aufhören.
({1})
Ich sage Ihnen: Die Zeitenwende geht auch am Bauen und am Wohnen nicht vorbei. Mir fällt das auf. Ich weiß nicht, auf welchen Baustellen Sie unterwegs waren und was Sie dort in den letzten Jahrzehnten erlebt haben. Ich habe es nicht erlebt.
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Natürlich brauchen wir jetzt erst recht andere Energiequellen in unseren Häusern. Natürlich brauchen wir jetzt erst recht anderes Material in unseren Häusern.
Ich habe in den letzten Monaten im Übrigen gesehen, dass Handwerker wieder frei sind. Ja, keine Haustechniker, aber Handwerker haben wir genug freie. Das ist im Übrigen ein schlechtes und kein gutes Zeichen, aber ein Zeichen der Zeitenwende. Und natürlich ist diese Zeitenwende auch im Bereich Wohnen zu sehen. Deshalb verstehe ich manche Rede hier auch nicht ganz. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten niedrigere Angebotsmieten gesehen, und zwar drastisch niedrigere in manchen Städten. Ich sehe ein steigendes Angebot, was in diesen Zeiten nicht unbedingt ein gutes Zeichen ist. Die 400 000 Wohnungen bleiben aber selbstverständlich ein richtiges Ziel, weil wir immer noch genug Leute haben, die Wohnraum brauchen.
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Deshalb bin ich froh, dass Christian Lindner angekündigt hat, dass wir im Bereich der Energie bei PV-Anlagen endlich eine Änderung bekommen, dass wir die Ertragsfreiheit bis 30 kWp kriegen, damit wir beim Mieterstrom und beim Eigenstrom endlich vorankommen.
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Deshalb bin ich froh, dass wir bei Forschung und Entwicklung in diesem Haushalt einen Sprung sehen, weil wir eben neue Materialien brauchen, wenn wir feststellen, dass die alten Materialien nicht verfügbar sind, weil Chips und andere Dinge in nächster Zeit fehlen. Da brauche ich dann Materialien, mit denen ich über Jahrzehnte hinweg gut bauen kann.
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Das ist die Antwort darauf – und nicht so ein Rumgetöne.
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Was wir brauchen – und das findet sich in diesem Haushalt wieder –, ist ein Innovationssprung beim Bauen und Wohnen in den nächsten Jahrzehnten, und den produziere ich nicht mit Antworten der letzten Jahrzehnte; den produziere ich mit Antworten, die Richtung Zukunft ausgerichtet sind,
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was neues Material betrifft,
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was eine neue Art zu bauen betrifft. Ich hoffe, dass wir es schaffen, eine Großforschungsinstitution auch in Deutschland zu etablieren, die sich um Bauen und Wohnen kümmert. Anträge dazu gibt es. Die Entscheidungen werden in nächster Zeit getroffen. Das würde uns weiterbringen, damit die Antworten der Zukunft auch welche sind, die über Jahrzehnte tragen.
Ich hoffe, dass wir bei den Energieträgern weiterkommen. Dafür stehen die Antworten in diesem Haushalt drin.
Also, hören wir auf die, die in die Zukunft schauen, und nicht auf die, die die Brillen der Vergangenheit aufhaben.
Schönen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Reinhold. – Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup, SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben – das ist jetzt schon mehrfach gesagt worden – wirklich in einer Zeit multipler Krisen: Klima, Pandemie, Rohstoffe. Das alles muss ich nicht mehr wiederholen. Wir haben als Koalition auf diese Zeitenwende reagiert, unter anderem mit den 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr – das ist hier nicht unser Thema – und mit zwei Entlastungspaketen mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro. Jetzt folgt ein Entlastungspaket mit einem Volumen von in der Summe 65 Milliarden Euro.
Ich sage das deswegen, weil das eine gewaltige Kraftanstrengung ist, die diese Ampel unternommen hat. Manchmal kommt es mir bei den Kommentierungen so vor, als glaubte man, es wäre ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung. Nein, das ist es nicht. Es ist eine große Maßnahme, und viel davon kommt den Bürgerinnen und Bürgern zugute – auch übrigens in den Bereichen „Bauen, Mieten, Wohnen“.
Ich will in diesem Zusammenhang noch kurz etwas sagen:
Erstens. Jan-Marco Luczak kriegt gleich von mir das Organigramm des Ministeriums. Das müsste sich eigentlich leicht besorgen lassen, und das hätte er vielleicht auch schon selber kriegen können.
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Zweitens. Ich weiß ja, wie Jan-Marco Luczak über Horst Seehofer gesprochen hat und wie glücklich er deswegen ist, dass Klara Geywitz jetzt unsere Ministerin ist, weil da wirklich was passiert und nicht weggetaucht wird.
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Drittens will ich sagen, Michael Kießling: Der Ansatz für altersgerechtes Umbauen beträgt 75 Millionen Euro. Er ist nicht reduziert, sondern erhöht worden.
Viertens: neue Programme. Die Mittel für das Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ betragen 176 Millionen Euro, mit denen die Klimagerechtigkeit von Städten und Gemeinden verbessert wird. Das ist ein neues Programm.
Also, worüber reden Sie eigentlich? Gucken Sie erst einmal rein! Lesen hilft – finde ich jedenfalls.
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Also: Man kann über diese Pakete kritisch diskutieren – überhaupt nichts dagegen. Es ist ein Kompromiss, bei dem wir eine Diskussion zulassen. Wir lassen es aber nicht zu, dass die Dinge diskreditiert werden. Die Vorschläge und Ratschläge von denjenigen, die im März schon gefordert hatten, man sollte den Gasbezug einstellen, oder jetzt wie in Sachsen sagen, wir sollten ihn morgen wieder aufnehmen, sind jedenfalls, wie ich glaube, nicht besonders zielführend.
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Wir haben uns seitens der SPD in Dresden auf dieses Paket übrigens vorbereitet, und zwar unter dem Begriff „Sicherheit geben. Chancen schaffen“. Und darum geht es auch in diesem Haushalt.
Durch das Energiegeld erhalten Rentnerinnen und Rentner, Studierende und ähnliche Gruppen 300 Euro. Das heißt Sicherheit geben. Ich weiß, Sie haben das kritisiert. Strompreisdeckel heißt Sicherheit geben; denn damit bleiben die Preise beherrschbar. Das Wohngeld auf 2 Millionen Haushalte auszuweiten – eine Maßnahme, die vor einigen Jahren noch ganz abgeschafft werden sollte –, ist eine eminent wichtige Aufgabe, um Sicherheit zu geben, um dafür zu sorgen, dass Wohnen bezahlbar und die Wohnung warm bleibt. Deswegen sind die Heizkostenpauschale – die jetzt kurzfristig kommt – und die Klimakomponente im Rahmen der Wohngeldreform dauerhafte Bestandteile. Das alles sind, glaube ich, wichtige Maßnahmen.
Sicherheit geben heißt auch, dass das Sperren von Gas und Strom vermieden werden soll. Ja, es ist nicht notariell im Indikativ festgeschrieben, Caren Lay. Ich wusste nicht, dass man neuerdings diesen Maßstab an die Programme anlegen soll.
Sicherheit geben heißt, Mieterinnen und Vermieter im Rahmen des sozialen Mietrechts zu schützen, wenn Betriebskostenvereinbarungen sie überfordern.
Sicherheit geben heißt, die Anhebung des CO2-Preises auszusetzen.
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– Ja, aussetzen, Herr Bernhard, um – ich weiß nicht, ob Sie es mitbekommen haben; es steht aber in dem Papier – zusätzliche Belastungen zu vermeiden.
Ich sage Ihnen: Wenn man Sicherheit geben und Perspektiven schaffen will, dann braucht man in dieser Gesellschaft eine Klammer, und die nennt man Solidarität.
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Sie lautet: Gemeinsam schaffen wir etwas. Deswegen ist es auch gerechtfertigt, zu sagen, dass es Ausdruck von gesellschaftlicher Solidarität ist, wenn Zufallsgewinne von Erzeugern, die bei der Stromproduktion nicht auf Gas angewiesen sind, abgeschöpft werden; ob man das jetzt Übergewinnsteuer nennt oder anders, soll mir egal sein. Dass Privathaushalte für einen Basisverbrauch Strom zu einem vergünstigten Preis bekommen, ist jedenfalls die Rechtfertigung dafür. Ich würde mich übrigens freuen, wenn uns Ähnliches auch im Wärmemarkt gelingt.
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Ich glaube, wir behalten bei all dem die Notwendigkeit im Auge, im Haushalt Perspektiven aufzuzeigen, also Chancen zu schaffen.
Es ist eben angesprochen worden: Wir müssen der Bauwirtschaft den Rücken stärken; das ist in der Tat wahr. Wir tun das auch an verschiedenen Stellen. Ich will ein paar Zahlen, die Herr Luczak angesprochen hat, noch einmal rekapitulieren. Wir halten nämlich an dem Ziel, jährlich 400 000 neue Wohnungen zu schaffen, fest. 2021 gab es 293 000 Baufertigstellungen und gewaltige Bauüberhänge. Zwischen Januar und April 2022 sind 124 000 Baugenehmigungen erteilt worden. Einen Rückgang gibt es tatsächlich bei den Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser, weil es eine dramatische Zinsentwicklung gibt.
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Bei den Mehrfamilienhäusern stieg die Zahl der Baugenehmigungen um 11,6 Prozent; das muss man doch einmal dazusagen. Das hat damit zu tun, ein Stück weit jedenfalls, dass die Mittel für den sozialen Wohnungsbau im Markt ankommen. Das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. Das ist auch deswegen wichtig, weil wir wissen, dass zum jetzigen Zeitpunkt 12,8 Prozent der Mieterinnen und Mieter mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben müssen, sie also in erheblichem Maße überlastet sind.
Wir haben somit in diesem Haushalt eine ganze Reihe von Aspekten, die zeigen, dass wir die Zeichen der Zeit verstanden haben und eine moderne Baupolitik für die Zukunft machen werden – im Interesse unseres Landes, der Investoren und auch der Mieterinnen und Mieter.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Daldrup. – Nächster Redner ist der Kollege Michael Breilmann, CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Ampelkoalition, Sie werden uns schon zugestehen müssen, dass wir Ihnen vorwerfen: Ihr selbstgestecktes Ziel von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr werden Sie in der jetzigen Situation vor dem Hintergrund des vorgelegten Haushalts nicht erreichen. Das ist nicht nur eine Erkenntnis der Opposition, sondern auch eine Erkenntnis von Branchenexperten.
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– Dazu komme ich noch.
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Noch viel wichtiger ist, dass wir aufhören müssen, immer in den Rückspiegel zu schauen. Sie sind jetzt seit mehreren Monaten im Amt. Es ist nun an der Zeit, nach vorne zu schauen und Maßnahmen nicht nur anzukündigen, sondern sie auch durchzusetzen.
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Ein eigenständiger BMWSB-Haushalt kann sich nicht mehr hinter Zuständigkeiten und Vorgängerregierungen verstecken.
Wir haben gerade schon gehört: Wohnen ist Daseinsvorsorge und damit elementarer Bestandteil einer Politik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Ich glaube, darüber besteht hier ein großer Konsens. Ich finde nur, Sie, liebe Ampel, sollten sich endlich ehrlich machen und Ihre selbstgesteckten Ziele korrigieren. Die heutige Haushaltsdebatte wäre angesichts der internen und externen Widrigkeiten eine gute Gelegenheit dazu. Wir erleben ja im Baubereich derzeit Preisexplosionen, Lieferengpässe, Material- und Fachkräftemangel. Hinzu kommt ein seit Jahresbeginn herrschendes Förderchaos bei der KfW. Selbstkritik gibt es bei Ihnen, bei der Koalition, diesbezüglich nicht. Die bedrohliche Spitze des Eisbergs bilden dann noch explodierende Energiekosten.
Ich habe von Ihnen, von der Koalition, in der Debatte bisher keine wirksamen Antworten zur Lösung dieser schwerwiegenden Probleme gehört; keinen einzigen Lösungsvorschlag habe ich von Ihnen gehört. Trotz eines großen Etats wird in Zukunft weniger gebaut, wenn die Bundesregierung in diesem Haushalt nicht mehr Mittel viel zielgerichteter für ganz konkrete Bereiche zur Verfügung stellt. Dies gilt etwa für die Förderprogramme für nachhaltiges Bauen und energetische Sanierung. Das Förderchaos – wir haben das schon vor einigen Wochen besprochen, und dabei bleibe ich – hat private und gewerbliche Investoren verunsichert und tut das noch heute.
Gespickt wird das Ganze von der Bundesregierung mit einer grundsätzlichen baupolitischen Einstellung, die an den Realitäten vorbeigeht und den Menschen Vorgaben machen will. So wohnen – das muss man sich jetzt einmal auf der Zunge zergehen lassen! – laut Bauministerin Geywitz zu viele Bürgerinnen und Bürger in zu großen Häusern und Wohnungen. Ich meine, das kann doch nicht die Antwort einer Ministerin auf die derzeit drängenden Probleme dieses Landes in der Bau- und Wohnungspolitik sein. Das kann doch nicht die richtige Antwort sein.
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Die Zukunft des klimabewussten Wohnens hängt doch wohl vom Energiebedarf und von der Energieerzeugung ab und nicht von der Pro-Kopf-Wohnfläche. Eine kleine unsanierte Altbauwohnung kann heute klimaschädlicher sein als ein großer Neubau; ich glaube, das brauchen wir nicht zu erklären.
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Anstatt planwirtschaftliche Ideen zu verbreiten, sollte sich Frau Ministerin Geywitz lieber um ihre Ziele und um ihre Baustellen kümmern.
Wir als Union wollen den Menschen jedenfalls nicht vorschreiben, wie sie zu wohnen haben.
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Wir wollen eine effektive Eigentumsförderung für Neu- und Bestandsbauten. Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu, und wir sollten genau das heute noch einmal betonen: Wer heute neu baut, der baut nachhaltig und nach hohen Standards in Sachen Energieeffizienz.
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Frau Ministerin, Ihnen obliegt jetzt die undankbare Aufgabe, für das bisschen Neubauförderung, das bleibt, Kriterien zu entwickeln, die den Unmut der Bauwilligen nicht noch größer machen, als er nach den abrupten Förderstopps in diesem Jahr schon ist. Investitionen, gerade im privaten Bereich, brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, aber – die Vorredner haben es schon angesprochen – ein Gesamtkonzept zur Wohnraumförderung fehlt. Sie haben ein solches Konzept angekündigt. Aber es fehlt. Es muss jetzt sofort kommen.
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Für uns gilt: Eigentumserwerb dient der Altersvorsorge, schützt vor Inflation und schafft Sachwerte für kommende Generationen. Ich finde, das ist in der jetzigen Zeit wichtiger denn je. Ich kann bei Ihnen noch kein Konzept zur Eigentumsförderung sehen. Sie haben ein Konzept angekündigt. Ich bin gespannt, wann es kommt.
Deutlich sinken – das ist ja auch festgestellt worden – sollen nach dem Haushaltsentwurf die Ausgaben für das Baukindergeld. Das Baukindergeld ist aber, ehrlich gesagt, ein Erfolgsmodell gewesen. Es ist gut angenommen worden. Es hat gezeigt, wie Eigentumsförderung funktioniert. Wir haben ja in den letzten Beratungen Vorschläge gemacht. Der Ansatz, den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum im Bestand mit Darlehen nach dem Programm „Jung kauft Alt“ zu fördern und dabei auch die notwendigen Investitionsmaßnahmen für klimagerechte Modernisierung und Sanierung zu berücksichtigen, findet sich bei Ihnen nicht wieder.
Es war vorhersehbar, dass Sie als Koalitionäre die Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau heute hier feiern werden. Ich finde, es ist richtig, dass wir etwas für den Sozialwohnungsbau tun. Nur – darauf möchte ich in dieser Debatte schon hinweisen –, in der Realität ist es so, dass die Bundesländer, in denen die Zahl der Sozialwohnungen 2021 wuchs, von der Union regiert werden. Auch das sollte man, um Legenden vorzubeugen, einmal sagen.
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– Es gibt noch mehrere Bundesländer, die von der SPD regiert wurden.
Es gilt auch, bei den Bauvorschriften weiter zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu erleichtern. Wir haben Vorschläge gemacht und werden sie in den Haushaltsberatungen einbringen.
Es ist von daher im Sinne aller Mieterinnen und Mieter sowie der Eigentümerinnen und Eigentümer, wenn der Etat zu diesem Einzelplan in den kommenden Beratungen noch Nachbesserungen erfährt.
Vielen Dank.
({9})
Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Hanna Steinmüller, Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Haushaltsreden werden ja traditionell relativ viele Zahlen genannt. Ich werde an die Tradition anknüpfen, aber ich verspreche Ihnen, ohne Fußballfeldvergleiche und ohne Vergleiche mit dem Saarland.
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In der Zuständigkeit dieses Ministeriums liegt ja relativ viel. Ich werde mich auf die Wohnungspolitik fokussieren; denn 82 Millionen Menschen in Deutschland, also alle, wohnen. Von daher ist es ein Thema, das uns alle beschäftigen sollte. Dazu eine kurze Bestandsaufnahme mit fünf Punkten:
Erstens: Sozialwohnungen. Es ist heute schon ein paarmal angesprochen worden: Die Zahl der verfügbaren Sozialwohnungen ist in den letzten Jahren stark gesunken. 2006 hatten wir noch über 2 Millionen Sozialwohnungen. Letztes Jahr, als wir die Regierung übernommen haben, waren es nur noch knapp 1,1 Millionen Sozialwohnungen.
Zweitens: Mietbelastungen. Dazu hat Caren Lay schon einiges gesagt. Letztes Jahr galten 12,8 Prozent der Bevölkerung in Mieterhaushalten als überbelastet, das heißt, sie haben mehr als 40 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufbringen müssen. Diese Zahl wird vermutlich steigen. Darauf müssen wir Antworten finden.
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Dritte Herausforderung: die Energiepreise. Durch die Abhängigkeit von russischem Gas und durch Putins Angriff auf die Ukraine sind die Gaspreise explodiert. Allein in der letzten Heizperiode haben sich die Kosten für das Heizen mit Gas verdoppelt.
Vierte Herausforderung – das ist heute noch nicht angesprochen worden –: die Barrierefreiheit. Unsere Gesellschaft wird älter. Trotzdem sind nur 1 bis 2 Prozent der Wohnungen aktuell barrierearm.
Fünftens – auch das ist leider noch nicht angesprochen worden; trotzdem ist es ein wichtiges Thema –: die Wohnungslosigkeit. In Deutschland sind knapp 180 000 Menschen von Wohnungslosigkeit betroffen. Sie leben entweder in Notunterkünften oder in Gemeinschaftsunterkünften. Darüber hinaus gibt es Menschen, die völlig ohne Obdach sind und auf der Straße leben. Dagegen müssen wir etwas tun.
Die gute Nachricht ist: Der Haushaltsentwurf für 2023 findet auf viele dieser Herausforderungen Antworten. Der soziale Wohnungsbau wird gestärkt: 2023 kommen, wie versprochen, 2,5 Milliarden Euro dazu. Das Wohngeld wird ausgebaut; darüber wird heute viel gesprochen. Herr Kießling, natürlich wäre es schöner, wenn weniger Menschen Wohngeld brauchen würden – das stimmt; deswegen haben wir den Mindestlohn erhöht und viele weitere Maßnahmen ergriffen –, aber in einer akuten Krise zu sagen: „Es wäre besser, wenn die Menschen kein Wohngeld brauchen“, finde ich relativ zynisch. Klar ist: Man muss reagieren und gerade in einer Zeit, in der viele Menschen Bedarf haben, kurzfristig etwas ändern.
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Deswegen ist es gut, dass der Empfängerkreis beim Wohngeld auf 2 Millionen Menschen ausgeweitet wird.
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Wir leben in einer alternden Gesellschaft. Mit dem KfW-Programm „Altersgerecht Umbauen“ fördern wir Maßnahmen zum Zwecke der alters- und behindertengerechten Anpassung von Wohngebäuden. 2023 werden gemäß dem Haushaltsentwurf 63 Millionen Euro dafür bereitstehen.
Um den Herausforderungen zu begegnen, fordern wir vielfältige Wohnformen. Das ist gerade uns Grünen besonders wichtig. Mit dem neuen KfW-Programm zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen senken wir für Menschen mit wenig Startkapital die Hürden, sich an Genossenschaften zu beteiligen. Dieses Programm läuft gerade an, und wir werden es in den kommenden Jahren weiter ausbauen und die entsprechenden Mittel bereitstellen.
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Was fehlt angesichts der Herausforderungen noch? Wir brauchen eine langfristige Veränderung am Wohnungsmarkt. Wir dürfen die Wohnungen nicht für Investoren bauen, sondern wir müssen sie für die Menschen bauen, die darin wohnen. Wir brauchen mehr dauerhaft bezahlbaren Wohnraum. Deswegen ist es so wichtig, dass wir eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen, die dafür sorgt, dass Wohnungen dauerhaft unter dem Niveau des Mietspiegels vermietet werden. Dafür fehlt noch ein Bekenntnis im Bundeshaushalt. Aber es heißt ja Haushaltsberatungen und auch Haushaltsverhandlungen. Deswegen bin ich schwer optimistisch, dass wir noch etwas verändern können.
Ein weiterer Punkt ist ein nationaler Aktionsplan gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass wir bis 2030 – das ist in acht Jahren – Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland überwinden. Die Zeit läuft also. Von daher erwarte ich, dass wir in den Haushaltsverhandlungen dafür sorgen, dass hierfür Geld eingestellt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderungen sind groß. Ich freue mich nun auf die Verhandlungen und hoffe, dass wir Antworten auf die verschiedenen Fragen des Wohnens finden.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Sebastian Münzenmaier, AfD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut Statista ist eine der größten Sorgen der 18- bis 24-Jährigen in unserem Land, dass sie in Zukunft überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum finden. Diese Sorge ist leider berechtigt; denn schon letztes Jahr fehlten knapp 630 000 Wohnungen in Deutschland. Nun verschärft sich die Lage: Im kommenden Winter – das haben wir heute mehrfach gehört – entwickeln sich die eigenen vier Wände auch noch zu einer Kostenfalle. Das Grundbedürfnis Wohnen ist mittlerweile zum Luxusgut verkommen.
Aber in dieser Legislatur sollte doch eigentlich alles besser werden. Noch im Dezember 2021 versprachen Sie, meine Damen und Herren von der Ampel, vollmundig den Bau von 400 000 Wohnungen im Jahr. Ein neues Ministerium mit einem geplanten Personalbudget von knapp 15 Millionen Euro sollte die Wohnungsnot in unserem Land endlich beseitigen.
Ziehen wir nach den ersten Monaten eine kleine Bilanz. Das Einzige, was dieses neue Ministerium bislang gebaut hat, sind Luftschlösser. Selbst Ihre eigenen Leute glauben doch gar nicht mehr an Ihre Ziele.
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– Ja, Sie vielleicht, aber Herr Daldrup nicht; er hat sich zumindest so in der Presse zitieren lassen. – Die Menschen müssen den Bau ihres lang ersehnten Eigenheims abbrechen, weil die Ampel die KfW-Förderung mehrfach verstolpert und sogar abrupt gestoppt hat, sodass die Bauherren vor den Trümmern der eigenen Planung sitzen. Während Sie also mal wieder Steuergelder in der ganzen Welt verteilen, ist für den ganz normalen deutschen Bürger leider nichts mehr da.
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Ihr Ministerium, Frau Geywitz, hat es Medienberichten zufolge in acht Monaten nicht einmal geschafft, einen funktionierenden Telefonanschluss zu gewährleisten. Stattdessen fabulieren Sie von der Eindämmung des Baus von Einfamilienhäusern und möchten aus Klimaschutzgründen am liebsten die Quadratmeterzahl reduzieren. Meine Damen und Herren, wenn Ihnen schon nichts Ordentliches einfällt, dann greifen Sie doch wenigstens unsere sinnvollen Vorschläge auf.
Erstens. Unser Land muss endlich ein Land der Eigentümer werden. Während die Eigentumsquote in der von uns maßgeblich finanzierten EU ungefähr 70 Prozent beträgt, liegt sie hier in Deutschland bei mageren 50 Prozent. Der AfD-Lösungsvorschlag liegt auf dem Tisch – er wurde von Ihnen allen mehrfach abgelehnt –: Schaffen wir die Grunderwerbsteuer für den Erwerb von selbstgenutztem Eigentum ab, und sorgen wir dafür, dass sich junge Familien in Deutschland wieder ein kleines Häuschen leisten können.
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Zweitens. Wir wollen Bauen fördern, statt Neubauten zu verhindern. Also bauen Sie Bürokratie ab, und hören Sie endlich damit auf, allen Bauherren in Deutschland Tag und Nacht mit neuen wahnsinnigen Klimaregularien auf den Geist zu gehen, meine Damen und Herren.
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Und zu guter Letzt – auch wenn Sie es nicht hören wollen –: Wer wenig Wohnraum hat, muss priorisieren. Also schieben Sie die knapp 300 000 ausreisepflichtigen Ausländer endlich ab, die Wohnraum blockieren, obwohl sie sich hier in Deutschland überhaupt nicht mehr aufhalten dürfen, meine Damen und Herren.
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Deutschland hat Eigenbedarf. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren und agieren Sie endlich im Sinne unserer eigenen Bürger.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als Nächstem lauschen wir dem Kollegen Daniel Föst, FDP-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Extra für die AfD erwähne ich es:
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Wir machen Deutschland zu dem Einwanderungsland, das es sein muss. Wir brauchen Fachkräfte, wir brauchen Zuwanderung, und wir brauchen diejenigen, die die Wohnungen bauen. Und: Ihre ständige Abschiebe-/Anti-Ausländerrhetorik ist unerträglich.
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So, jetzt können die sich mit sich selber beschäftigen. Wir machen Politik.
Zur CDU/CSU muss ich einfach mal feststellen: Das wird ja teilweise unfreiwillig komisch. Wenn Herr Breilmann von der CDU/CSU uns erklärt, wie Eigenheim- und Eigentumsförderung geht, dann stelle ich fest: Nach 16 Jahren unter CDU/CSU-Führung in der Bundesregierung haben weniger Menschen Wohneigentum als vorher, am Ende ist die Eigentumsquote sogar gesunken. Und Sie stellen sich hierher und sagen: „Wir wissen, wie es geht“? Nein, das tut ihr ausweislich der Zahlen nicht.
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Ich mache da einen Haken dran. Klar ist aber, dass wir beim Thema Wohneigentum noch große Aufgaben vor uns haben; darin besteht Konsens. Die Menschen wollen Wohneigentum; denn Wohneigentum ist wichtig. Der soziale Effekt des Wohneigentums ist nicht zu unterschätzen.
Wir werden an diese Aufgabe rangehen. An der Grunderwerbsteuerreform wird gearbeitet; die habt ihr von der CDU/CSU ewig nicht hinbekommen. An eigenkapitalersetzenden Darlehen wird gearbeitet; der Kollege von der SPD hat es vorhin erwähnt. Es gibt nach wie vor das KfW-Programm zur Zinsvergünstigung. Das sind alles Maßnahmen, die auf die Wohneigentumsförderung Einfluss haben werden, und sie werden deutlich besser werden als alles, was ihr mit Multimilliarden erreicht habt.
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Am Ende dieser Legislatur wird die Wohneigentumsquote steigen; da bin ich mir sehr sicher.
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Zweiter Punkt; auch das ist unfreiwillig komisch von der Union. Ich weiß, dass sich die Ampelregierung sehr ehrgeizige Ziele gesetzt hat,
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und nach dem, was wir vorgefunden haben, waren diese ehrgeizigen Ziele auch notwendig. Aber so, wie ich die Redner der Union verstanden habe, würde das heißen: Die Ziele sind ehrgeizig und schwer zu erreichen, dann lass uns die Ziele kassieren. – Ich sage Ihnen, Herr Luczak und Herr Breilmann: Wenn die Ziele ehrgeizig sind, wenn die Aufgaben schwierig sind, dann liegt es an uns hier im Bundestag – ohne die da drüben –, diese Anforderungen aufzunehmen, die Weichen zu stellen und dafür zu sorgen, dass es besser wird. Und auch wenn wir nicht auf Tausend Wohneinheiten genau das Ziel erreichen: Wir werden nicht aufgeben, bis das Wohnen für alle bezahlbar bleibt, bis mehr Menschen im Wohneigentum sind und bis irgendwann die 400 000 Wohnungen stehen.
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Die Zusammenarbeit in der Ampel macht Spaß – da mache ich einen Haken dran; vielen Dank CJ Schröder –; aber wir sind nicht immer einer Meinung. Das ist ja kein Geheimnis. Dieser Haushalt enthält wichtige Weichenstellungen, die lange Jahre gefehlt haben. Die Bauforschung wird ausgeweitet – ja, wir brauchen neue Baumaterialien; Holz ist nicht die alleinige Lösung, Beton muss CO2-frei werden –, die Digitalisierung, das Building Information Modeling werden ausgeweitet, das Smart-City-Konzept kommt. Wir haben viele, viele Maßnahmen, die in die Zukunft weisen.
Jetzt werden wir noch den Regelungsrahmen angehen, weil wir nicht alles über den Haushalt machen können. Da wird die Ampel liefern. Das haben wir beim LNG-Gesetz gesehen, beim Wind-an-Land-Gesetz, beim Windenergie-auf-See-Gesetz. Das werden wir machen, und dann werden wir die Probleme lösen. Da brauche ich keine Union, die mir erzählt, wie es geht; denn ihr habt es 16 Jahre nicht gemacht.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Als Nächster hat das Wort der Kollege Ulrich Lange von der CDU/CSU Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Föst, in Ihrer Rede war eine ganze Menge Frust über die eigene Regierung zu hören. Manchmal braucht der Frust einfach ein Ventil, dann geht es einem zumindest menschlich besser.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit einem Dreivierteljahr haben wir ein eigenes Bauministerium. Wir haben in diesem Haushalt die Handschrift der Ministerin erwartet, wir haben eigene Ideen, ein Organigramm erwartet.
({1})
Das Organigramm besteht übrigens aus ein paar Strichmännchen; nur damit jeder weiß, wie das im Internet ausschaut.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darum, dass jetzt mehr passieren muss, als nur anzukündigen. Es geht darum, liebe Ministerin, dass dieses Ministerium ins Arbeiten kommt. Lieber Kollege Kurth, es geht nämlich nicht nur um die Frage des Baumaterials, Holzbau versus Beton. Nein, wir werden beides brauchen. Wo ist die angekündigte Novelle des Baugesetzbuches? Große Töne, nichts gekommen.
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– Da braucht man nicht zu lachen, lieber Kollege Daldrup. Wir wissen, wie schwierig das ist.
Das Bündnis für bezahlbares Wohnen wurde groß angekündigt, bisher nichts Neues. Genossenschaftsanteile: 2,6 Millionen Euro insgesamt. Was ist denn das für eine Finanzierung? Das ist nichts, das ist maximal ein kleiner Einstieg; aber dafür würde ich mich an Ihrer Stelle nicht feiern lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
({4})
Auf der anderen Seite haben Sie das Vertrauen der Menschen erschüttert, derer, die bauen wollen, derer, die sanieren wollen, derer, die auf Klimaschutz gesetzt haben, derer, die auf altersgerechten Umbau gesetzt haben. Ob es 13 : 1 oder 10 : 0 für Habeck steht, spielt doch keine Rolle. Liebe Ministerin, setzen Sie sich im Kabinett endlich für die Interessen der Bauwilligen ein. Schaffen Sie Planungssicherheit, damit die Menschen in ihren vier Wänden weiterhin glücklich wohnen können.
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Zu den Energiekosten. Das ist natürlich ein ganz großer Witz, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, zu sagen, wir bräuchten mehr Angebot bei der Energie. Denn was haben Sie gestern beschlossen? Sie haben beschlossen, die AKWs abzuschalten.
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Sie sorgen nicht für mehr Angebot, sondern für weniger Angebot.
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Wir haben gesagt: Wir brauchen Laufzeitverlängerungen.
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Wir haben gesagt: Die Energiekosten müssen gesenkt werden. – Auf diese Weise handeln Sie für die Menschen. Frau Ministerin, handeln auch Sie als Bauministerin im Kabinett für bezahlbaren Wohnraum.
Danke schön.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Timo Schisanowski, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heute in erster Lesung zur Beratung stehende Etatentwurf des Bundesbauministeriums ist ein guter und gelungener.
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Denn mit ihm statten wir das Bauen und Wohnen in unserem Land verlässlich und verantwortungsbewusst mit den notwendigen finanziellen Mitteln aus. Dies ermöglicht auch im kommenden Jahr Gesamtausgaben von 5 Milliarden Euro, davon allein 3,87 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen in das Bauen und Wohnen. Damit realisieren wir mehr gutes, bezahlbares Wohnen und sorgen so auch für soziale Sicherheit in unserem Land, und das allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz – vielfache und schwerwiegende Krisen, wie sie noch nie eine Regierungskoalition zuvor zu meistern hatte. Umso mehr danke ich im Namen der ganzen SPD-Bundestagsfraktion der Ministerin Klara Geywitz und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im neuen Ministerium für ihre erfolgreich geleistete Arbeit für diesen Entwurf.
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Neben der richtigerweise massiv gesteigerten Förderung des sozialen Wohnungsbaus und den konstant hohen Mitteln für Familien mit dem Baukindergeld zählt auch die Städtebauförderung mit summierten Mitteln von insgesamt knapp über 1 Milliarde Euro erfreulicherweise verlässlich und völlig zu Recht zu den wichtigsten Einzelposten im Etat. Dieser Betrag von 1 Milliarde Euro ist auch weiterhin richtig und wichtig, weil die Städtebauförderung ein unverzichtbarer Bestandteil kommunaler Stadtentwicklung ist. Noch dazu löst jeder Euro, den wir in die Städtebauförderung geben, zusätzliche 7 Euro private oder öffentliche Bauinvestitionen aus. Unterm Strich entsteht so eine starke, mehrere Milliarden Euro schwere Investitionssumme, die unseren Bürgerinnen und Bürgern spürbar zugutekommt, spürbar ganz konkret in den Städten und Gemeinden.
Inzwischen ist die Städtebauförderung, ursprünglich vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt angestoßen, eine über 50-jährige Erfolgsgeschichte, und sie hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter war ich beruflich bei einer großen kommunalen Wohnungsgesellschaft im Ruhrgebiet tätig. Hier konnte ich immer wieder selbst erfahren: In einem Quartier zu leben und sich dort wohlzufühlen, ist viel mehr, als in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Im Idealfall geht guter, bezahlbarer Wohnraum immer auch mit einem attraktiven Wohnumfeld einher.
Aus diesem beruflichen Hintergrund heraus weiß ich, was Städtebauförderung praktisch vor Ort bedeutet, insbesondere, was sie alles imstande ist zu leisten und zu ermöglichen, auch im Sinne von mehr Nachhaltigkeit, der großen Herausforderung unserer Zeit. Folgerichtig sichern wir die Nachhaltigkeit in den Wohnquartieren mit gezielten Förderprogrammen; nur stichpunktartig seien hier genannt: die kommunale Wärmeplanung, Lüftungsschneisen gegen Hitze, Versickerungsflächen gegen Hochwasser sowie urbane Grünflächen für Erholung und gute Luft. Insgesamt legen wir als SPD-Fraktion deshalb auch in dieser Legislaturperiode großen Wert darauf, dass wir die Erfolgsgeschichte der Städtebauförderung verlässlich fortführen. Der vorliegende Etatentwurf stellt dies sicher – gut so.
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Doch nicht nur aus meiner beruflichen Erfahrung, auch aus meinem nordrhein-westfälischen Wahlkreis in Hagen und dem südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis weiß ich, wie wichtig diese Städtebauförderprogramme für die Menschen vor Ort sind. So sind in die Städte meines Wahlkreises seit Bestehen des Programms mehr als 40 Millionen Euro Städtebaufördermittel geflossen, häufig in sozial benachteiligte, strukturschwache Stadt- und Ortsteile, die dringend auf unsere Hilfe angewiesen sind. Oftmals gelingt es auf diesem Weg erfreulicherweise, dass die Städtebauförderung finanzschwache Kommunen wie meine Heimatstadt Hagen nicht nur bei der Finanzierung unterstützt, sondern etliche Baumaßnahmen überhaupt erst ermöglicht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsplanberatungen gehen noch in die entscheidende Phase; doch ein guter, gelungener Entwurf liegt – wie exemplarisch ausgeführt – hierzu vor. Bundesbauministerin Klara Geywitz, die von unserem Kanzler Olaf Scholz geführte Bundesregierung insgesamt und gemeinsam mit ihnen allen voran wir als SPD-Bundestagsfraktion: Zusammen schreiben wir das Thema „Bauen und Wohnen“ mit Nachdruck groß.
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Doch ganz entscheidend: Wir stellen allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz hierfür verlässlich und verantwortungsbewusst die notwendigen finanziellen Mittel bereit, wie zuletzt erst am Wochenende mit dem großen Entlastungspaket erfolgreich und eindrucksvoll bewiesen. Die Menschen in unserem Land können sich auf uns verlassen. Wir packen es zusammen stark an.
Herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege. – Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Markus Uhl, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Regierungsentwurf des Einzelplans 25 des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, den wir heute beraten, umfasst ein Volumen von knapp über 5 Milliarden Euro. Der Plafond wird nach der mittelfristigen Finanzplanung auf 6,3 Milliarden Euro bis 2026 ansteigen. Das ist eine Steigerung von mehr als 25 Prozent gegenüber dem Entwurf für das kommende Jahr. Das sind enorme Verpflichtungen für die Zukunft. Dabei ist der vorgelegte Regierungsentwurf wahrlich ein Entwurf, ein Entwurf, der auf tönernen Füßen steht, von dem wir heute, zu Beginn der Beratungen, noch gar nicht wissen, wo wir am Ende rauskommen.
Beispiel: Im Juli haben das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesbauministerium ein Sofortprogramm zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudesektor vorgestellt. So weit, so gut, haushalterische Abbildung noch unklar. Das Bundesbauministerium und das Bundesfinanzministerium betreiben das Projekt „Reform Bundesbau“. Das ist auch mit guten Projektmitteln ausgestattet. In Kürze – Frau Ministerin hat es gesagt – sollen die Ergebnisse vorgelegt werden; haushalterische Abbildung unklar. Vor allen Dingen geht es ja hier auch um Personal.
„Personal“ ist sowieso ein gutes Stichwort. Sie schreiben selbst, dass sich die Haushaltsansätze noch erhöhen werden, insbesondere weil das Personal noch nicht vollständig abgebildet ist. Es fehlen noch mehr als 320 Planstellen und Stellen, die aus dem ehemaligen Bereich des Bundesinnenministeriums übertragen worden sind. Und – ganz aktuell – nehmen wir das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung, Stichwort „Wohngeld“: Politisch kann man darüber streiten. Es ist sicherlich sinnvoll, aber es kostet mehrere 100 Millionen Euro und keiner weiß heute, wo wir am Ende landen.
Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass die Regierung auf aktuelle Entwicklungen reagiert. Das ist auch gut und richtig so. Aber wenn man dabei lange zögert und zaudert, sich streitet, hin und her rudert, dann wird das auch mal eng. Dann kann es nicht sein, dass handwerkliche Dinge, planbare Dinge immer noch nicht im Haushalt des Ressorts abgebildet sind, wie zum Beispiel das Thema Stellen oder wie zum Beispiel das Organigramm. Ich kann nur bestätigen: Mir liegt es als Haushälter auch nicht vor. Das Organigramm findet man auf der Homepage als Strichmännchenzeichnung, meine Damen und Herren. Das widerspricht Prinzipien wie Transparenz, wie Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Die leiden darunter und die Kontrolle durch den Haushaltsgesetzgeber, aber auch durch den Rechnungshof wird erschwert.
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Zum Haushalt inhaltlicher Art. Die Wohnungsbauförderung umfasst in diesem Jahr im Regierungsentwurf 1,275 Milliarden Euro. Das ist der politische Schwerpunkt, den Frau Ministerin gesetzt hat, und sie hält am Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen, davon 100 000 Sozialwohnungen, zu bauen, fest. Dabei – das haben wir heute schon mehrfach gehört – ist dieses Ziel leider Makulatur geworden. Wir erleben einen Einbruch der Aufträge im Wohnungsbau um 18 Prozent. Die Zahl der Baugenehmigungen geht zurück. Das betrifft eben nicht nur den Bau von Einfamilienhäusern, sondern auch den Geschosswohnungsbau. Auch öffentliche Bauträger geben mittlerweile derartige Projekte auf oder verschieben sie ganz aktuell. Auf der anderen Seite können sich mittlerweile auch Menschen aus der Mitte der Gesellschaft das Eigenheim nicht mehr leisten. Das liegt an – ja – explodierenden Baukosten, Materialengpässen, Fachkräftemangel, Baulandmangel, steigenden Zinsen, dem Förderchaos bei der KfW oder an immer mehr Vorschriften und immer höheren Standards, meine Damen und Herren. Darauf braucht es eine Antwort, Frau Ministerin. Eines ist auch klar: Geld allein hilft da auch nicht.
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Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten. Eine ist schon angekündigt worden. Die Abschreibungsregeln sollen bis Mitte nächsten Jahres verbessert werden. Das ist reichlich spät. Wir brauchen aber schnellere Genehmigungsverfahren. Wir brauchen eine Harmonisierung von Bauvorschriften. Wir brauchen vereinfachte Regeln für Bauen im Bestand. Wir brauchen weniger Standards. Wir müssen mit den Ländern auch über das Thema Grunderwerbsteuer reden. Wir brauchen steuerliche Anreize. Wir brauchen Programme wie „Jung kauft Alt“, und wir brauchen Förderungen für Umnutzungen zum Beispiel ehemaliger Gewerbeimmobilien. Diese Anstrengungen in diese Richtungen müssen erhöht werden.
Ein letzter Punkt, meine Damen und Herren: Sie selbst schreiben in puncto Förderprogramme in Ihrem Ampelkoalitionsvertrag:
Wir werden unseren Einsatz für altersgerechtes Wohnen und Barriereabbau verstärken und die Mittel für das KfW-Programm auskömmlich aufstocken.
Schaut man in Ihren Haushaltsentwurf für das nächste Jahr, dann stellt man fest: Sie kürzen das Programm um 42 Millionen Euro, nachdem Sie bereits in diesem Jahr nur noch 105 Millionen Euro bereitgestellt haben und der Topf in diesem Jahr aktuell schon leer ist, meine Damen und Herren. Das ist das Gegenteil von einer auskömmlichen Finanzierung.
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Deshalb: Es braucht mehr Klarheit und mehr Verlässlichkeit – mehr Klarheit bei den Zuständigkeiten zum Beispiel bei den Förderprogrammen zwischen den Ressorts, mehr Klarheit beim Thema Bundesbau. Wer hat denn eigentlich den Hut auf? Ist es das Bundesfinanzministerium? Ist es das Bundesbauministerium? Wie sieht die Organisationsstruktur aus? Wir brauchen mehr Klarheit bei Ihren Zielen. Lösen Sie konkurrierende Ziele auf. Setzen Sie klarere Prioritäten. Und bei den Förderprogrammen gilt: Hin und her hilft nicht! Sie sehen aktuell, was Verunsicherung im Baubereich anrichten kann. Deshalb brauchen wir Planungssicherheit und Verlässlichkeit und eine klare Prioritätensetzung.
In diesem Sinne: Das ist die Messlatte für uns in den kommenden Beratungen. Ich freue mich drauf.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Uhl. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Herr Präsident! Das dürfen Sie auch sein.
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Koalitionsausschuss hat am vergangenen Wochenende gute Arbeit geleistet.
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Er hat nämlich für diesen wichtigen Investitionsetat, der in der Summe ein Volumen von 35 Milliarden Euro hat, sehr gute Arbeit geleistet. 500 Millionen Euro werden zusätzlich in die Schieneninfrastruktur gesteckt. Das ist eine gute Nachricht, auch für die Bahn in Deutschland.
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Aber das ist nicht alles, sondern wir haben auch vereinbart, dass zusätzlich 1 Milliarde Euro an Verpflichtungsermächtigungen in den Verkehrsetat fließt. Und wir haben deutlich gemacht, dass ein Angebot an die Länder herausgeht mit dem Ziel, ein Nachfolgeprojekt für das 9‑Euro-Ticket zu starten, das aber auf soliden Füßen und soliden Finanzierungsbedingungen stehen muss. Das bedeutet, dass die Länder ebenfalls dazu beitragen müssen, ein Nachfolgemodell für das 9‑Euro-Ticket zu realisieren. Das Ticket wird sicherlich nicht 9 Euro kosten, aber es wird bezahlbar sein. Und ich glaube, auch das ist eine gute Nachricht.
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Doch eines ist auch klar: Wir können nicht alles, was in 16 Jahren Angela Merkel an Investitionsmaßnahmen versäumt wurde, jetzt in wenigen Jahren wieder korrigieren.
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Allein im Bedarfsplan Schiene sind 2011 1,1 Milliarden Euro verausgabt worden. Diese Unterfinanzierung in diesem Bereich hat dazu geführt, dass wir heute in vielen Bereichen der Deutschen Bahn diese Mängel erleben. Diese Koalition hat jetzt dafür gesorgt, dass die Mittel auf 2 Milliarden Euro erhöht werden, und die 500 Millionen Euro kommen zusätzlich dazu. Das heißt, es ist ein Riesenschritt nach vorne.
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Aber wir haben als Haushälter darauf hingewiesen, dass wir auch – wie soll ich sagen? – eine Art Kassensturz benötigen. Wir brauchen wieder realistische Zahlen; denn die Zahlen, auf denen die Bedarfspläne zurzeit fußen, stammen aus dem Jahr 2015. Deshalb haben wir großen Wert darauf gelegt, dass wir aktualisierte Zahlen bekommen. Diese Zahlen kamen heute, und ich finde, diese Zahlen erfordern einen neuen Realismus von uns.
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Diese Zahlen führen dazu, dass die Bedarfspläne in der Summe 65 Milliarden Euro höher sind als ursprünglich veranschlagt. Im Bundesfernstraßenbereich beispielsweise braucht man 40 Milliarden Euro mehr, im Bereich der Wasserstraßen braucht man 5 Milliarden Euro mehr, und bei der Schiene braucht man 20 Milliarden Euro mehr, um den Bedarfsplan tatsächlich auszufinanzieren. 318 Milliarden Euro kostet es, die Bedarfspläne tatsächlich auszufinanzieren, und wenn das noch in unserer Generation geschehen soll, dann, glaube ich, muss man mehr Realismus an den Tag legen. Dann darf man sicherlich nicht nur die Inflationsrate der Vergangenheit – also 3 Prozent im Jahr 2021 – berücksichtigen, sondern dann muss man die drohende Inflationsrate in Höhe von 7 Prozent in diesem Jahr und von noch mehr im nächsten Jahr ebenfalls berücksichtigen.
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Deshalb, glaube ich, muss ein neuer Realismus an den Tag gelegt werden, der dazu führt, dass wir Dinge auch kritisch auf die Notwendigkeit überprüfen. Ich glaube, inzwischen stellt sich die Frage, ob jedes Prestigeprojekt der Bahn tatsächlich realisiert werden kann. Aus meiner Sicht muss beispielsweise der Deutschlandtakt angepasst werden. Wir müssen die Dinge realistisch betrachten. Wir müssen nicht jede Schnellbahntrasse in Deutschland realisieren, sondern wir müssen dafür sorgen, dass die Funktionsfähigkeit der Bahn erhalten bleibt. Wir müssen die Brücken sanieren, und wir müssen die Rheinvertiefung – das zeigt die heutige Zeit – im Mittelrhein und im Niederrhein voranbringen.
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Das sind wichtige Infrastrukturmaßnahmen, die jetzt notwendig sind.
Also: Mehr Realismus und mehr Investitionen in die Infrastruktur in Deutschland, das steht jetzt auf der Tagesordnung, und das werden wir in den künftigen Haushaltsberatungen nach vorne stellen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Schäffler. – Herr Minister, es tut mir sehr leid: Nach dem Verkehrsstau sind Sie jetzt im Rednerstau. Es dauert noch ein bisschen, bis Sie drankommen. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nadine Schön, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, schön, dass Sie jetzt bei uns sind. Dass der Verkehrsminister im Stau steht, ist natürlich ein bisschen ein Treppenwitz; aber schön, dass Sie es zu uns geschafft haben.
In Ihrem Haus, Herr Minister, kommt das D ja vor dem V. Das ist ja nicht nur im Alphabet so, sondern auch in Ihrem Ministerium: BMDV; Sie haben das Haus extra umbenannt. Ich dachte immer, es hätte eine Bedeutung, dass Sie das umbenannt haben. Ich dachte, das D, das Digitale, wird priorisiert. Ich dachte, das D steht für digitalen Aufbruch. Wir haben lange gewartet, wie dieser digitale Aufbruch aussehen wird. Acht Monate haben wir auf die Digitalstrategie der Bundesregierung gewartet, die große Strategie, die von Ihrem Haus vorgelegt werden sollte. Sie sollte im Juni schon kommen, aber dann hieß es: Nee, wir müssen sie ein bisschen besser machen. – Dann warten wir mal.
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Jetzt, am letzten Augusttag, wurde sie in Meseberg vorgestellt. Die Reaktion deutschlandweit: große Enttäuschung. Ich kenne kaum jemanden – eigentlich außer Ihnen niemanden –, der gesagt hat, dass das eine gute Strategie ist. „Überschaubare Ambitionen“, „die Ministerien denken zu klein“, „Chaos statt Turbo“ – „Richtig begeistern kann das Papier niemanden“.
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Das war so die gängige Kritik, die man nicht nur im Netz, sondern auch in den Medien, von den Verbänden, von Fachleuten, überall gelesen und gehört hat. Selbst die grüne Bundestagsfraktion – Ihr Koalitionspartner, mit dem Sie doch gemeinsam den Fortschritt gestalten wollten – hat eine deftige Pressemeldung abgesetzt, dass diese Digitalstrategie nicht gut ist und noch besser werden müsste.
In der Tat, der Digitalstrategie fehlt einiges. Es fehlt nicht nur eine klare Vision, wo es denn überhaupt hingehen soll mit der Digitalisierung in Deutschland, sondern es fehlen auch konkrete Maßnahmen, Zeitpläne, verbindliche Ziele – nicht nur Mindestziele –, Kennzahlen und auch ein klarer Plan, wie man welche Ziele erreichen will. Da ist es kein Wunder, dass aktuell 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in keinem Bereich mit der Digitalpolitik der Bundesregierung zufrieden sind. Wir von der Unionsfraktion sind es auch nicht. Der digitale Aufbruch, den man hätte erwarten können, wurde abgeblasen.
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Das D sollte ja auch für bessere digitale Koordinierung stehen: endlich ein Digitalminister; darauf haben wir so lange gewartet. Stattdessen sind Sie von Monat zu Monat für weniger zuständig. Am Anfang hieß es ja noch: Viele Zuständigkeiten, und alles wird über den Digitalminister koordiniert. Mittlerweile lesen wir in der Aufgabenbeschreibung vor allem von gemeinsamen Zuständigkeiten. Es gibt ein Nebeneinander statt ein Miteinander. Digitale Koordinierung, digitale Schwerpunktsetzung und digitale Priorisierung durch diesen Minister: leider Fehlanzeige.
Das Fatalste – wir sprechen ja heute über den Haushalt –: Auch das Digitalbudget fehlt. Das Digitalbudget – Sie haben es angekündigt im Koalitionsvertrag –
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sollte das Budget sein, mit dem Sie die großen digitalpolitischen Vorhaben anstoßen, koordinieren, vernetzen, besser machen, durchführen können. 2021 hat sich die Regierung gebildet, 2022 hatten wir das Budget nicht im Haushalt. Jetzt sprechen wir über den Haushalt 2023; auch hier fehlt das Budget. 2024 können wir dann – falls das Parlament sich nicht noch anders entscheidet – endlich mit dem ersten Digitalbudget der Bundesregierung rechnen. Das ist dann im Jahr drei von vier Jahren der Koalition. Also, das verstehe ich wirklich nicht unter Aufbruch und Fortschritt.
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Deshalb muss man leider sagen: Das D und das V in Ihrem Haus stehen für „Digitalstrategie vermurkst“, „Digitalbudget vertagt“ und „digitale Zukunft verdattelt“. Herr Minister, Sie können das D getrost wieder hinter das V stellen.
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Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Nächster Redner ist der Kollege Metin Hakverdi, SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich die Situation nutzen und mich bedanken. In diesen unruhigen Zeiten ist es den Parteien der Ampelkoalition gelungen, ein großes Entlastungspaket zu schnüren. Danke an alle, die dafür ihren Beitrag geleistet haben; das war enorm wichtig.
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Denn wir haben damit gezeigt, dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen, und wir haben gezeigt, dass wir handlungsfähig sind, jetzt und heute. Und die Koalition wird auch in Zukunft handlungsfähig sein: You’ll never walk alone.
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– Superernste Lage, große Krise, und dann so eine Reaktion – das passt nicht zu dem, was Sie hier in der Generaldebatte sagen wollen. Das passt überhaupt nicht.
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– Es steht mir überhaupt nicht zu, die Oppositionsperformance zu kommentieren, aber hier ein „Oah“ zu machen, es zu ironisieren, wenn wir als Regierungsfraktion versuchen, in einer schweren Lage darzustellen, dass wir zusammenstehen in einer Gesellschaft,
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ist die völlig falsche Message.
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Es ist jetzt an uns Abgeordneten, dieses Entlastungspaket hier auch umzusetzen. Mit diesem Paket machen wir tatsächlich beides: Wir entlasten und investieren. Wir entlasten bei den Fahrtkosten für den ÖPNV, wir investieren in die Schiene. Wir entlasten durch ein bundesweit einheitliches Nahverkehrsticket. Ich bin optimistisch, dass es uns gelingt, noch mehr Menschen weg vom Auto in den ÖPNV zu bringen. Dafür allein nehmen wir 1,5 Milliarden Euro in die Hand. Zusammen stark zu sein, bedeutet jetzt, dass sich auch die Länder bewegen müssen, damit wir da zu einem Ergebnis kommen und diese Entlastungen bei den Menschen auch ankommen.
Und wir investieren. Denn wir wissen: Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in die Infrastruktur investieren. Deshalb nehmen wir zusätzlich zum Einzelplanentwurf noch mal 1,5 Milliarden Euro in die Hand, um in die Schiene zu investieren. Ich bin optimistisch gestimmt, dass wir noch mehr Menschen dazu bringen, auf den ÖPNV umzusteigen, wenn wir beides tun: entlasten bei den Preisen und investieren in die Infrastruktur. Dann werden wir auch die Mobilitätswende schaffen.
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Aber das ist noch ein langer Weg. Und wir sehen auch, dass wir erhebliche Probleme in unserer Infrastruktur haben. Das ist natürlich einer Erhöhung der Verkehrslast insgesamt geschuldet; es ist aber auch Ausdruck mangelnder Resilienz und mangelnder Flexibilität in der Verkehrsinfrastruktur.
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Auch hier gilt, dass wir stetig und mit langem Atem investieren müssen.
Ich möchte die Einbringung des Haushalts in Sachen Verkehr hier auch nutzen, um auf ein paar besondere Herausforderungen hinzuweisen, denen wir uns in den kommenden Monaten und Jahren widmen müssen.
Erstens: Wasserstraßen. Wir werden in diesem Haushalt und in den Haushalten der kommenden Jahre nicht darum herumkommen, hier besser zu werden. Wir können es uns nicht leisten, in diesem Bereich auf Verschleiß zu fahren.
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Zweitens: besondere Projekte der Infrastruktur von nationaler Bedeutung. Ich möchte die Köhlbrandquerung im Hamburger Hafen nennen. Wir werden einen Ersatzneubau als Tunnel bauen. Dafür bedarf es Planungs- und Finanzierungssicherheit, damit dieses für ganz Deutschland wichtige Projekt nicht verzögert wird.
Drittens: DAK – Digitale Automatische Kupplung. In diesem Haushalt brauchen wir für die Digitale Automatische Kupplung noch keine höheren Aufwendungen; allerdings wird das in den nächsten Jahren ganz anders sein. Es wird einen europäischen und einen nationalen Kraftakt brauchen, um die Digitale Automatische Kupplung in den kommenden Jahren einzuführen. Das wird auch erhebliche finanzielle Mittel benötigen.
Und viertens: Weichen. In den letzten 30 Jahren sind Tausende Weichen aus unserem Schienennetz entfernt worden. Der Bahnchef spricht von 70 000 Weichen. Wie viele es ganz genau sind, wissen wir nicht, aber es sind viele. Viele von diesen Weichen braucht man nicht mehr im Schienennetz, weil Strecken stillgelegt wurden, und andere sind Bauweichen, die nur vorübergehend genutzt wurden.
Die meisten Weichen sind allerdings aus einem anderen Grund entfernt wurden: aus Kostengründen. So eine Weiche kostet nämlich Geld, in der Anschaffung und im Unterhalt. Unter dem Druck von Privatisierungsfantasien und der rein betriebswirtschaftlichen Betrachtung des Schienennetzes in den letzten Jahrzehnten sind die Weichen ausgebaut worden, und das merken wir jeden Tag im Netz.
Weichen machen das Netz resilient gegen Unvorhergesehenes. Man kann Züge mit Weichen umlenken und alternative Routen nehmen. Gibt es keine passenden Weichen, steht der Zug, etwa bei Baustellen. Das merken wir bei jeder Verspätung im ICE-Netz, jeden Tag. Wir merken das in diesen Tagen aber auch bei der Priorisierung von Kohletransporten auf der Schiene. Personenzüge müssen jetzt auch deshalb häufiger warten, weil es keine alternativen Streckenführungen gibt; denn es gibt nicht genug Weichen. Und ganz schlimm wird es bei Unfällen wie jüngst in Hamburg auf der S-Bahn-Linie. Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit unser Netz resilienter wird, brauchen wir wieder mehr Weichen im System.
Ich freue mich auf die Haushaltsverhandlungen; das ist immer eine besonders intensive und interessante Zeit. Lassen Sie uns gemeinsam die Menschen in unserem Land entlasten, und lassen Sie uns in unsere Infrastruktur investieren.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Hakverdi. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Marcus Bühl, AfD-Fraktion.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute den Haushalt für Digitales und Verkehr und damit den größten Investitionshaushalt des Bundes. „Investitionshaushalt“ heißt Investieren. Und da fangen die Probleme in Ihrem Entwurf an, Herr Minister Wissing. Sie gehen von Ausgabenresten in diesem Jahr in Höhe von 7,2 Milliarden Euro aus – das ist der absolute Spitzenwert seit Jahren –, davon 2,1 Milliarden Euro Ausgabenreste bei Bundesschienenwegen und über 1 Milliarde Euro bei digitaler Infrastruktur. Investitionen auf dem Papier, die nicht realisiert werden, sind Augenwischerei und bringen null Fortschritt.
Unsere Infrastruktur ist stark belastet, also muss die Substanzerhaltung auch 2023 im Fokus stehen. Abertausende marode Brücken sprechen eine deutliche Sprache und zeigen, wie groß die Aufgaben bei der Sanierung der Infrastruktur wirklich sind. Unsere Straßen wickeln fast 80 Prozent des Verkehrs ab, und das muss sich auch bei den Investitionen und dem Erhalt im Haushaltsplan widerspiegeln.
Bei aller Kritik an den enormen Ausgabenresten und den nicht realisierten bzw. abgeschlossenen Investitionen: Am meisten interessiert die Bürger, wie sich die Preise an den Tankstellen nach dem kurzen Tankrabatt weiterentwickeln. Was für die Autofahrer ein kleines Sommerstrohfeuer war, hat vor allem bei den Mineralölkonzernen für klingelnde Kassen gesorgt.
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Herr Minister, für die Pendler, besonders im ländlichen Raum, oder auch für das Transportgewerbe sind die Spritpreise unerträglich. Der hohe Spritpreis ist eine Hauptursache für die hohe Inflation, der das mühsam Gesparte mit jeder Tankfüllung auffrisst. Der Blick zu unserem Nachbarn Polen zeigt, dass es auch billiger geht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen polnischen und deutschen Kraftstoffpreisen ist der hohe Anteil an Steuern und Abgaben beim deutschen Sprit; denn es war und ist der politische Wille dieser und der vorherigen Koalition, Autofahren zu verteuern und eine ideologische Verkehrswende zu betreiben, sei es durch die CO2-Bepreisungen oder durch hohe Energiesteuern. Dass dieser Kurs fatale wirtschaftliche Folgen haben wird, ist nun sicherlich allen bewusst geworden. Andere machen mit ihren deutlich niedrigeren Kraftstoffpreisen vor, wie es geht.
Machen Sie dauerhaft Schluss mit all den hohen Abgaben und Bepreisungen! Gehen Sie runter mit den horrend hohen Steuern auf Kraftstoff und hoch mit der Pendlerpauschale! Handeln Sie jetzt!
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Herr Kollege Bühl. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Paula Piechotta, Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie von der Unionsfraktion haben gerade so hämisch gelacht und geklatscht. Wenn man sich dieses Kabinett anschaut und sich fragt, wer von diesen Ministerinnen und Ministern eigentlich das schwerste Erbe angetreten hat, dann gibt es einige, die einem einfallen, aber Volker Wissing ist definitiv in der engeren Auswahl.
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Denn das, was wir diesen Spätsommer bei unserer Verkehrsinfrastruktur erleben, ist nicht das Ergebnis der Verkehrspolitik der letzten zwölf Monate. Wir erleben in diesem Spätsommer – egal ob wir auf die Schiene schauen, auf die Wasserstraße oder auf die Straße –, dass angesichts der neuen Realitäten – sie sind jetzt schon da: Klimakrise, steigende Energiepreise, international prekäre Lieferketten, Fachkräftemangel, Liefermängel bei Baustoffen etc. – unsere Verkehrsinfrastruktur tatsächlich nicht robust und flexibel genug ist und einfach nicht genug Puffer hat, um diese zusätzlichen Herausforderungen zu stemmen.
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Verkehrspolitik funktioniert langfristig, und das ist das Ergebnis der letzten Jahrzehnte. Lassen Sie es mich konkret machen: Wir schauen auf die Wasserstraßen. Alle von uns haben es gelesen: historisch niedrige Wasserstände, nicht nur im Rhein, aber vor allen Dingen dort. Das führt dazu, dass weniger transportiert werden kann, was auch daran liegt, dass wir immer noch zu wenige Schiffe haben, die niedrigwasserkompatibel sind. Alles das, was dort nicht transportiert werden kann, soll verlagert werden. Die Unternehmen, die gerade versuchen, das Ganze auf die Schiene zu verlagern, merken in diesen Tagen, dass das ganz oft nicht geht. Jeden Tag könnten über 50 zusätzliche Güterzüge fahren, wenn die Kapazitäten da wären, aber sie können nicht fahren.
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Wir müssen politisch entscheiden, welcher Zug zuerst fährt.
Und wenn die Wasserstraße und die Schiene sich gegenseitig die Kapazitäten nicht abnehmen können, bleibt nur die Straße. Aber auch die Straße ist kein Verkehrsträger mehr, wo alles heile Welt ist. Auch bei der Straße gibt es aktuell Fachkräftemangel. Hinzu kommen Spritpreissteigerungen etc.
Aber zur Ehrlichkeit gehört auch, zu sagen: Es geht auch um die Kosten. Das hat der Kollege Frank Schäffler gerade sehr abstrakt und mit großen Summen dargestellt. Aber es geht auch ganz konkret, beispielsweise die A 143 bei Halle, bei uns um die Ecke. Die Kosten sind so explodiert, dass der Bund die Notbremse ziehen musste und man die Ausschreibung jetzt neu aufsetzen muss. Die Leute vor Ort nehmen das aber als Quasibaustopp wahr. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ ist sicher kein Zentralorgan der deutschen Verkehrswende, aber ich zitiere mal daraus, auch zum genannten Beispiel A 143: „Die Zeit der großen Straßenbauprojekte könnte vorbei sein, weil sie, bleibt es bei diesen Preisen, einfach nicht finanzierbar sind.“
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Das ist die Realität. Und das schreibt nicht etwa die „taz“, sondern die „Mitteldeutsche Zeitung“ in Sachsen-Anhalt.
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Wir haben inzwischen ein Stadium erreicht, wo Bürgerinnen und Bürger in diesem Land sich nicht mehr darauf verlassen können, pünktlich und zuverlässig von A nach B zu kommen. Wir haben ein Stadium erreicht, wo für die Unternehmen in diesem Land die Logistik, die immer eine planbare Größe war, keine planbare Größe mehr ist, sondern ein täglich Kopfschmerzen induzierender Risikoprozess im Unternehmen.
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Und das liegt daran, dass die letzten Jahrzehnte nicht genutzt wurden, um die aktuellen Herausforderungen anzugehen. Schauen wir uns doch mal an, wie lange Verkehrsprojekte dauern. Es stimmt ja: Wenn wir heute etwas entscheiden, dann ist das in 16, teilweise erst in 20 Jahren fertig.
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Das bedeutet: Das, was wir heute planen und worauf wir heute die Prioritäten setzen, wird in der Mitte des Jahrhunderts realisiert, und es muss funktionieren unter den Bedingungen der Klimakrise.
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So schwer das hier einige von Ihnen verdauen können: Weil sie so langfristig ausgelegt ist, müssen wir die Konsequenzen der Klimakrise in der Verkehrspolitik schon jetzt besonders drastisch mitdenken. Das ist bislang nicht passiert.
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Meine Damen und Herren, weil es so unglaublich wichtig ist, dass zentrale Projekte, zentrale Investitionen für eine gelingende Mobilitätswende nicht weiter verzögert werden, werden diese Haushaltsverhandlungen auch unter der Frage geführt werden, welche Prioritäten man setzen muss angesichts von Kostensteigerungen, sich verschärfenden Krisen etc. Vor diesem Hintergrund ist es unglaublich hilfreich, dass der Koalitionsausschuss am Wochenende 1,5 Milliarden Euro mehr für CO2-arme Mobilität und die Mobilitätswende beschlossen hat. Das hilft uns enorm, und es ist eine enorme Verbesserung gegenüber dem Entwurf, den das Kabinett zuerst vorgelegt hat.
Auf der anderen Seite ist es auch unglaublich gut, zu sehen, dass wir als Ampel sehr verantwortlich und fair in die Verhandlungen mit den Ländern gehen, um eine echte lastenverteilende Anschlusslösung für das 9‑Euro-Ticket zu finden.
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Vernetzte Mobilität – vom Rufbus auf dem Dorf bis zur großen neuen, sehr schnellen ICE-Trasse – bedeutet ja, dass vernetzte Mobilitäts- und Verkehrspolitik gemacht werden muss. Sie braucht auch vernetzte haushälterische Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen. Und da haben wir noch ein ganzes Stück zu gehen, gemeinsam mit den Ländern und den Kommunen. Aber das wird notwendig sein, um die Mobilität in diesem Land wieder krisenfest, zuverlässig und planbar zu machen: für die Menschen im Land, für die Unternehmen im Land, angesichts sich verschärfender Krisen und der Konsequenzen der Klimakrise.
Vielen herzlichen Dank.
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Bernd Riexinger, Fraktion Die Linke.
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Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierung hat es nicht geschafft, das Auslaufen des 9‑Euro-Tickets zu verhindern und eine direkte Nachfolgeregelung auf den Weg zu bringen.
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Das, was Sie die letzten Monate dazu abgeliefert haben, ist einfach nichts.
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Eine große Chance wurde vertan.
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Und was Sie jetzt vorlegen, ist mut- und kraftlos.
Mich ärgert der Umgang mit unseren Anträgen unsäglich. Wir haben rechtzeitig im Verkehrsausschuss, im Bundestag Anträge zur Verlängerung des 9‑Euro-Tickets gestellt, um Zeit für eine durchdachte Nachfolgeregelung zu finden. Wir haben zugleich Vorschläge gemacht für ein 1-Euro-Ticket am Tag, ein 30-Euro-Ticket im Monat oder ein 365-Euro-Ticket im Jahr. Ohne ernstzunehmende Debatte und ohne Begründung wurde das abgelehnt. Als das 9‑Euro-Ticket im Sommer immer populärer wurde, forderten SPD und Grüne auf einmal eine Nachfolgeregelung – die Grünen mit den nahezu deckungsgleichen Vorstellungen, die sie vorher im Parlament, als meine Partei sie beantragt hatte, abgelehnt hatten. Die Grünen sind in der Kunst der öffentlichen Inszenierung guter, also unserer, Vorschläge bekanntlich Meister. Liebe Grüne, ihr seid nicht in der Opposition, sondern in der Regierung, und ihr hättet die Sommerzeit nutzen können, eure Koalitionspartner von unseren oder von mir aus auch von euren guten Vorschlägen zu überzeugen. Das habt ihr offensichtlich nicht getan.
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Der jetzt vorliegende Kompromiss mit einer Spanne von 49 bis 69 Euro ist zu teuer, zu weit weg vom 9‑Euro-Ticket und untergräbt dessen Erfolg. 52 Millionen verkaufte Tickets! Jeder Zehnte hat das Auto stehen lassen. 1,8 Millionen Tonnen CO2 wurden eingespart, und Sie lassen einen solchen Elfmeter einfach liegen und schießen lieber ein Eigentor. Ich kann es nicht verstehen. 100 Städte und Kommunen in Europa haben bereits einen ticketfreien öffentlichen Personennahverkehr, darunter Luxemburg. Städte wie Wien haben bereits seit Jahren ein 365-Euro-Ticket. Die spanische Regierung hat jetzt eine Übergewinnsteuer beschlossen und mit den zusätzlichen Einnahmen die Nutzung des Regionalverkehrs kostenfrei gestellt. Bevor unsere Regierung eine so einfache Regelung beschließt, dreht Wirtschafts- und Klimaminister Habeck lieber weitere 25 rhetorische Pirouetten und erklärt unter sichtbaren Schmerzen, dass es gerecht ist, wenn die gestiegenen Kosten auf die Mehrheit der Bevölkerung abgewälzt werden. Hier wäre doch mal eine Chance gewesen, wirklichen Klimaschutz durchzusetzen und darüber hinaus noch eine soziale Regelung zu treffen.
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Beste Ideen vermurkst man nicht, sondern setzt sie um.
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Wer will, dass die Menschen vom Auto auf den öffentlichen Personennahverkehr und insbesondere auf die Bahn umsteigen, muss die Ticketpreise massiv senken – bis hin zum Nulltarif – und massiv in den Ausbau von ÖPNV und Bahn investieren.
({0})
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.
Dem wird Ihr Haushaltsentwurf wieder einmal nicht gerecht.
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Vielen Dank. – Und nun erhält das Wort der Bundesminister für Digitales und Verkehr, der Kollege Dr. Volker Wissing.
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Besten Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verlässlichkeit, Vernunft, Verantwortung, Fortschritt – auf diese vier Grundsätze baut der Entwurf für unseren Haushalt 2023 auf. Wir müssen zuverlässig für eine moderne, leistungsfähige und sichere Infrastruktur sorgen. Wir müssen vernünftig die richtigen Prioritäten in der Verkehrspolitik setzen. Wir müssen unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht werden, sei es beim Klimaschutz oder bei der Mobilität. Wir müssen die Rahmenbedingungen so setzen, dass Innovation und Fortschritt gefördert und nicht behindert werden. Trotz sehr herausfordernder Rahmenbedingungen investieren wir daher auch im kommenden Jahr verlässlich in unsere Infrastruktur: in Schienen, Brücken, Straßen, Fußwege, Fahrradwege, Wasserwege und natürlich in die digitalen Netze.
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All das sind die Lebensadern einer Gesellschaft und Basis für Wachstum und Wohlstand. Und all das ist die Grundlage für eine attraktive, klimafreundliche Mobilität der Zukunft. Unser Anspruch ist dabei immer, vernünftig und verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umzugehen. Dabei lege ich großen Wert darauf, dass wir uns nicht in Zukunftsszenarien verlieren, sondern konkrete Verbesserungen erzielen für die Bürgerinnen und Bürger, für die Umwelt, für das Klima und damit für unsere Zukunft und die unserer Kinder.
Wir haben das etwa mit dem 9‑Euro-Ticket geschafft. Es hat Teilhabe ermöglicht, die Menschen entlastet und gleichzeitig Klima und Umwelt. Es hat den öffentlichen Personennahverkehr gestärkt, modernisiert, digitalisiert. Nie war der ÖPNV so präsent wie in den vergangenen drei Monaten. Es hat gezeigt, dass man durch ein besseres Tarifangebot binnen kürzester Zeit sehr viele Bürgerinnen und Bürger zum Umstieg bewegen kann.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass wir an dieses Erfolgsprojekt anknüpfen werden und unser aktuelles Entlastungspaket eine Nachfolgeregelung vorsieht. Wie genau sie aussehen wird, werden wir mit den Ländern besprechen. Wir werden jetzt intensiv und sehr schnell auf sie zugehen. Unser Ziel ist es, spätestens zu Beginn des Jahres 2023 ein neues Ticket zu haben, und zwar eines, das attraktiv ist, unkompliziert, digital und natürlich auch bezahlbar.
Klar ist aber: Wir haben weitere Verkehrsträger. Jeder deckt spezifische Mobilitäts- und Transportbedürfnisse von Gesellschaft und Wirtschaft ab. Die finanziellen Spielräume sind begrenzt. Damit müssen wir umgehen und klug abwägen. Der aktuelle Haushaltsplan stellt uns vor die Herausforderung, unsere begrenzten Mittel so einzusetzen, dass damit der bestmögliche Nutzen für die Menschen in unserem Land erreicht wird. Wir müssen also Schwerpunkte setzen, priorisieren. Und das haben wir getan. Unser Fokus liegt dabei vorrangig auf Investitionen in das Schienennetz, in die Wasserwege, aber auch in Straßen und Brücken, in all die Bereiche, in die jahrzehntelang nicht ausreichend investiert worden ist.
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Sie haben recht, Frau Kollegin Piechotta: Ich habe ein schweres Erbe angetreten, was die Infrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland angeht.
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Die Rahmede-Talbrücke bei Lüdenscheid ist Zeugnis für Versäumnisse, und die Auswirkungen müssen die Menschen dort ertragen.
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Diese Brücke gibt Zeugnis für vernachlässigte Infrastrukturen in Deutschland. Die gravierende Folge der Sperrung dieser Brücke sollte eine Mahnung sein.
Wir dürfen nicht vergessen, dass eine funktionierende Infrastruktur unerlässlich ist für die Sicherheit unseres Landes. Spätestens in Zeiten des Ukrainekrieges ist deutlich geworden, welch zentrale Rolle unsere Infrastruktur hier spielt, etwa wenn es darum geht, Lieferketten aufrechtzuerhalten, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, um die Lebensmittelerzeugung und ‑versorgung zu garantieren und im Bedarfsfall auch Militärtransporte durchführen zu können.
Klar ist: Schwächen in der Infrastruktur stellen Sicherheitslücken für die Bevölkerung dar. Diese Schwächen dürfen gar nicht erst entstehen. Wir dürfen unseren Industriestandort nicht riskieren, weil unsere Infrastrukturen nicht mehr geeignet sind, Transportwege zu sichern, und wir müssen Menschen und Wirtschaft mobil halten. Deshalb bin ich auch sehr dafür, eine verlässliche Infrastruktur stärker in unserem Grundgesetz zu verankern.
Im Koalitionsausschuss haben wir beschlossen, für das kommende Jahr zusätzlich 500 Millionen Euro in die Schiene zu investieren – das ist eine richtige und wichtige Entscheidung –, und wir stellen 1 Milliarde Euro an Verpflichtungsermächtigungen bereit, um weitere Einsparungen von CO2-Emissionen im Verkehrsbereich zu ermöglichen. Denn klar ist: Wir müssen bei allem, was wir jetzt unternehmen, unsere ambitionierten Klimaschutzziele im Blick behalten.
Wenn wir aber zum Beispiel 18 Jahre für den Bau einer Eisenbahntrasse benötigen, dann müssen wir über eine Verlagerung von mehr Verkehr auf die Schiene gar nicht erst reden. Im Bereich der Brückensanierung und bei der Bahn haben wir deshalb bereits in den vergangenen Monaten einiges auf den Weg gebracht, und daran knüpfen wir jetzt an: Wir werden Planungsverfahren weiter beschleunigen. Wir setzen – gerade für die Schiene, aber auch in allen anderen Bereichen – auf smarte Maßnahmen. Diese sind oftmals nicht nur günstiger, sondern obendrein auch noch wirkungsvoller. Wir werden deshalb die Digitalisierung konsequent vorantreiben.
Frau Kollegin Schön, ich werde nicht den Fehler der Vorgängerregierung machen, von Flugtaxis zu schwadronieren, aus denen wir uns morgens auf dem Weg zur Arbeit grüßen, sondern ich werde das aufarbeiten, was Sie haben liegen lassen.
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Mit der Digitalstrategie haben wir sehr viele konkrete Schritte beschlossen, allesamt Voraussetzungen dafür, dass Deutschland in Zukunft in der Topliga mitspielen kann. Die Zukunft ist digital, und deshalb müssen auch wir, muss unser Land digitaler werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, der nächsten Generation eine Infrastruktur zu übergeben, die ihr ein gutes und sicheres Leben ermöglicht, eine Infrastruktur, die neue Chancen eröffnet und jedem die Möglichkeit bietet, sich und seine Ideen frei zu entfalten. Gleichzeitig müssen wir die Bürgerinnen und Bürger heute entlasten und ihnen zeigen, dass wir alles dafür tun, dass unser Land durch diese schwierigen Zeiten kommt. Deshalb ist es wichtig, dass wir investieren und modernisieren und uns gleichzeitig nicht übernehmen.
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Das ist ein schwieriger Balanceakt. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist nicht nur ein Finanztableau; er ist ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger für eine digitale, eine mobile und klimafreundliche Zukunft.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Thomas Bareiß für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Wissing, wir beraten heute in erster Lesung den Haushalt 2023 für das Bundesverkehrsministerium. Das ist in der Tat einer der größten Investitionshaushalte des Bundes. Gerade hier ist es besonders wichtig, dass wir Langfristigkeit, Verlässlichkeit, Planbarkeit und auch eine nachhaltige Finanzierung als Grundlage nehmen.
Aber, lieber Herr Wissing, gerade bei Ihrem ersten großen Projekt – es gibt noch gar nicht so viele Projekte von Ihnen; bisher haben Sie auf dem aufgebaut, was Ihre Vorgänger in den letzten Jahren gemacht haben –, dem 9‑Euro-Ticket, so muss ich ganz offen sagen, ist letztendlich außer vielen Spesen nichts Bleibendes gewesen. Wir sehen nichts, was hier den Menschen auch langfristig gesehen zugutekommt.
Ohne Frage: Das 9‑Euro-Ticket war beliebt. Es war einfach, es war deutschlandweit gültig, es war günstig. In den drei Monaten haben durchschnittlich über 30 Millionen Menschen das 9‑Euro-Ticket genutzt. Aber es war auch eine unglaublich teure Veranstaltung. 2,5 Milliarden Euro, so viel haben uns diese drei Monate gekostet. Das ist eine enorm hohe Summe, wenn man überlegt, dass das Bundesgeld für Investitionen im Verkehrsbereich 20 Milliarden Euro jährlich ausmacht. Sie haben also über 10 Prozent des jährlichen Etats allein für dieses eine Marketingprojekt ausgegeben. Das ist nicht seriös, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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Das ist keine Verkehrspolitik, die, langfristig gesehen, auch die Probleme der Menschen adressiert.
Und es hat auch nicht viel gebracht. Die letzten drei Monate haben keinen Mehrwert geschaffen. Das Angebot vor Ort ist nicht besser geworden. Im Gegenteil: Es ist sogar zu befürchten, dass das Angebot in den nächsten Monaten schlechter wird. Es wird auf alle Fälle aufgrund der höheren Energiepreise teurer. Viele Omnibusunternehmen stehen mit dem Rücken an der Wand, und viele vor Ort sagen, sie müssen die Leistungen eventuell kürzen, weil sie einfach nicht mehr die Möglichkeit haben, das finanziell zu tragen. Auch hier fehlen die 2,5 Milliarden Euro, auch hier gibt es einen Rückschritt aufgrund Ihres 9‑Euro-Tickets.
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Auch die Ziele wurden verfehlt, meine Damen und Herren. Nur ein ganz geringer Teil der Nutzer ist wirklich vom Auto auf die Bahn oder auf den Bus umgestiegen. Auch das hat leider nicht viel gebracht. Und viele Menschen können das Angebot nicht nutzen, weil sie einfach immer noch auf das Auto angewiesen sind. Deshalb war es oftmals auch ein Programm für die Städte, und die ländlichen Regionen sind wie bei so vielen anderen Projekten Ihrer Regierung leider wieder mal hinten runtergefallen.
Ein wirklich attraktives Angebot schaffen Sie auch nicht mit den 1,5 Milliarden Euro, die Sie hier jetzt am Wochenende beschlossen haben. Auch das wird sicherlich nicht in den nächsten Wochen funktionieren. Auch da haben wir leider nicht viel, was nachhaltig und langfristig finanziert ist.
Herr Wissing, sorgen Sie dafür, dass für den Ausbau und die Investitionen in den ÖPNV langfristig und nachhaltig Mittel fließen, damit wir auch hier Verlässlichkeit für die Kommunen und die Länder haben. Nur dann schaffen wir ein Angebot, das die Menschen auch wirklich nutzen. Nur dann, wenn Verlässlichkeit, Sicherheit und auch Umstiegsmöglichkeiten zwischen den Verbindungen bestehen, werden die Menschen auch wirklich das Auto stehen lassen und den ÖPNV nutzen. Das ist das langfristig erfolgversprechende Modell, das auch wirklich funktionieren wird.
Meine Damen und Herren, die zweite Säule des Entlastungspakets war der Tankrabatt. Auch dazu möchte ich kurz etwas sagen. 40 Millionen Menschen fahren Auto, sind Autofahrer. Und auch wenn der Tankrabatt nicht von allen immer sehr positiv und populär besprochen wurde, hat er den Menschen etwas gebracht. Die Reduktion kam vor Ort an. Und obwohl der Tankrabatt eine wichtige Säule war und auch jetzt die Lage nicht besser ist, wird er klammheimlich wieder zurückgenommen. Die Autofahrer werden voll zur Kasse gebeten: Energiesteuer, Mehrwertsteuer, CO2-Abgabe. Diesel kostet oft über 2,10 Euro und E 10 über 1,80 Euro.
Eine vierköpfige Familie muss voraussichtlich 2 500 Euro mehr zahlen als noch vor einem Jahr, eine enorme Steigerung der Kraftstoffkosten. Das schaffen viele Familien gar nicht mehr. Und Sie lassen diese Familien im Regen stehen, Herr Minister!
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Sie lassen sie im Regen stehen. Und die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, gerade in den ländlichen Räumen, sind hier wieder diejenigen, die in die Röhre schauen.
Zum Thema Technologieoffenheit. Dazu haben wir wenig von Ihnen gehört. Auch da brauchen wir ein klares Bekenntnis gerade der FDP, dass Deutschland weiterhin Technologiestandort bleibt und wir weltweit die besten Antriebstechnologien produzieren.
Wir brauchen Investitionen im Verkehrsetat. Nur so erreichen wir volkswirtschaftlichen Nutzen. Wirtschaftliches Wachstum entsteht in besonderer Weise daraus.
Lieber Herr Wissing, ich bin daher maßlos über das enttäuscht, was Sie hier vorgelegt haben. Ihre Vorgänger haben schrittweise den Etat für Verkehrsinvestitionen von knapp 13 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf über 20 Milliarden Euro im Jahr 2021 angehoben. Und Sie machen in Ihrem ersten Jahr 1 Milliarde Euro weniger Ausgaben. Im ersten Jahr, in dem Preissteigerungen in Höhe von 17 Prozent da sind, nehmen Sie eine Reduktion Ihres Etats vor. Das heißt, es gibt einen ganz starken Steinbruch in Ihrem Etat. Sie werden dafür sorgen, dass in den nächsten Jahren wenig investiert werden kann, weniger gebaut werden kann und die Infrastruktur dann einen Rückschritt macht. Das ist die Bilanz.
Kollege Bareiß, Sie können gerne weitersprechen, tun dies aber auf Kosten Ihrer Kollegen.
Ich komme zum Schluss; vielen Dank für den Hinweis. – Ich glaube, dass wir in vielen Bereichen wirklich mehr brauchen. Deshalb sind auch die Haushaltsberatungen, die anstehen, ganz wichtig. Die Wasserstraßen wurden genannt, auch andere Themen.
Wir brauchen verlässliche Investitionen, und die fehlen bei Ihnen, Herr Wissing. Insofern: Leider ein Rückschritt, kein Fortschritt.
Herzlichen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Dorothee Martin für die SPD-Fraktion.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Gäste! Werte Kolleginnen und Kollegen! Minister Wissing und auch die Ampelkolleginnen und ‑kollegen haben schon ganz viele wichtige Punkte und Aufgaben skizziert. Ich möchte drei Schwerpunkte hier heute hervorheben.
Erstens wurde zu Recht schon viel von dem von der Ampel auf den Weg gebrachten 9‑Euro-Ticket geredet. Das war ein voller Erfolg.
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Ursprünglich als reine Entlastungsmaßnahme für Pendlerinnen und Pendler gedacht, hat es sich als echte Chance für die Zukunft des Nah- und Regionalverkehrs erwiesen und nicht als Marketing-Gag. Ich finde das sehr zynisch, was Sie sagen. Der Erfolg hat sich auch für das Klima und für die soziale Teilhabe gezeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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„Wir wollen die 2020er Jahre zu einem Aufbruch in der Mobilitätspolitik nutzen“ – so steht es in unserem Koalitionsvertrag. Das bundesweit gültige Ticket, das wir zu einem allgemeinen Preis von 49 Euro, vergünstigt für 29 Euro etwa für Azubis, Studierende oder Senioren, fortführen wollen, wird langfristig einen Beitrag dazu leisten. Um es noch mal ganz konkret zu sagen: Dieses Projekt der Ampel ist ein Gamechanger in der Verkehrspolitik.
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Der Bund leistet dafür seinen finanziellen Anteil, und jetzt sind auch die Bundesländer gefragt, übrigens auch die Bundesländer, in denen CDU und CSU mitregieren. Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, dieses Erfolgsprojekt auch gemeinsam fortzusetzen.
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Wer diesen Sommer das Ticket genutzt hat – ich glaube, das waren ja fast alle –, der konnte ganz unkompliziert in Deutschland unterwegs sein. Aber es wurde eben auch deutlich, wo neben der Debatte um die Ticketpreise wirklich dringender Handlungsbedarf besteht, nämlich bei der Infrastruktur, bei Zügen oder auch beim Personal.
Um es klar zu sagen: Kollege Riexinger, was nutzt einem ein günstiges Ticket allein, wenn der Bus nur alle zwei Stunden fährt, wenn die Anschlüsse nicht vernetzt sind oder wenn gar kein Angebot besteht?
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Wir brauchen den flächendeckenden Ausbau; wir brauchen Bus und Bahn in der Fläche, auf dem Land, sodass wirklich alle davon profitieren. Übrigens: Auch das ist soziale Gerechtigkeit.
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Kollegin Martin – ich habe die Uhr angehalten –, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Riexinger?
Das mache ich gerne, ja.
Vielen Dank, dass Sie die Frage zugelassen haben. – Ich verstehe nicht, warum Sie das einander gegenüberstellen. Wir brauchen beides: Wir brauchen einen Ausbau des ÖPNV und billigere Ticketpreise. Deshalb verstehe ich jetzt nicht, warum Sie alle unsere Anträge auf eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel – damit wird ja der Ausbau des ÖPNV finanziert – abgelehnt haben. Sie legen bei den Regionalisierungsmitteln im Haushalt eigentlich nix drauf. Das verstehe ich überhaupt nicht. Das widerspricht praktisch Ihrem Ziel, den ÖPNV auszubauen und die Investitionen zu erhöhen.
Lieber Herr Riexinger, ich schätze Sie wirklich sehr, auch für Ihre sachlichen Beiträge. Was ich aber bei Ihnen und auch generell bei den Kolleginnen und Kollegen der Linken wirklich nicht verstehe, sind die Sachfremdheit und das Ausblenden von Haushaltsrealitäten. Wir können den Euro leider nur einmal ausgeben.
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Deswegen wünsche ich mir auch von Ihnen und den von Ihnen mitregierten Bundesländern, dass Sie sich daran beteiligen. Und natürlich müssen wir eine soziale Gerechtigkeit herstellen. Ich sage Ihnen aber auch: Wir arbeiten jetzt an einem System, bei dem die allermeisten das Ticket für 49 Euro bekommen werden. Unsere Modelle sind also unterschiedlich. Wenn Sie sagen: „Jeder soll 365 Euro zahlen“, dann ist das für mich gerade nicht sozial gerecht. Ich möchte da eine Abstufung haben, um auch mehr Möglichkeiten zu haben, gleichzeitig noch im Bestand was zu sichern, hohen Energiepreisen entgegenzuwirken und eben auch auszubauen. Das ist der Dreiklang, der uns wichtig ist. Das kommt mir bei Ihren Debattenbeiträgen, in denen Sie sich zu sehr auf die Ticketpreise fokussieren, einfach zu kurz, und auch die Antworten auf die Haushaltsfragen, die wir beantworten müssen, haben Sie einfach nicht geliefert.
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Ich darf fortfahren, Frau Präsidentin? – Ich habe es eben schon gesagt: Neben den Themen „Ticketpreis und Ausbau“ besteht bei vielen Verkehrsunternehmen im Moment die Gefahr, dass Busverkehr, gerade Schülerverkehr, abbestellt und Fahrpreise angehoben werden. Das müssen wir verhindern. Und ja, dafür, um das Angebot im Nahverkehr zu erhalten, aber vor allem auch zu verbessern, brauchen wir mehr Bundesmittel.
Der zweite große Punkt – das hat dieser Sommer auch gezeigt; Kollegin Piechotta hat darauf hingewiesen – ist, wie wichtig auch weitere Investitionen in die gesamte Bandbreite der Verkehrsinfrastruktur sind. Ich sage das, weil die Leistungsfähigkeit und auch die Zuverlässigkeit darüber entscheiden, wie gut wir Krisen mit Auswirkungen auf Lieferketten oder auch Energieversorgung gelöst bekommen. Das gilt vor allem – das haben wir sehr deutlich gesehen – für unsere Wasserstraßen, nicht nur für den Rhein. Ich war mit einigen Kolleginnen und Kollegen am Nord-Ostsee-Kanal. Wir dürfen die Bedeutung des Güterverkehrs nicht unterschätzen und müssen daher dafür sorgen, dass Wasserstraßen, Kanäle, Schleusen und unsere Häfen leistungsfähig bleiben.
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Für uns als SPD ist klar: Die Schiene ist der Verkehrsträger der Zukunft. Eine weitere halbe Milliarde Euro für die Schiene, wie am Wochenende beschlossen, ist ein ganz starkes Signal; das brauchen wir auch. Wir brauchen mehr Geld für die Schiene, für Bahnhöfe, für Kapazität, für Überholgleise, für die Digitalisierung; denn so sorgen wir für spürbare Verbesserungen im Personen- und im Güterverkehr, die ja bei den Kundinnen und Kunden direkt ankommen müssen.
Zum Schluss, meine Damen und Herren. Mobilität – ich glaube, das haben wir alle gemerkt – ist weit mehr, als nur von A nach B zu kommen. Das heißt, sicher zur Schule zu kommen, zur Arbeit, zum Sportverein. Das heißt auch, die Welt zu entdecken. Das heißt, dass die Waren im Supermarkt ankommen müssen, dass auch die Industrie am Laufen gehalten wird. Deswegen kann man sagen: Mobilität hat für uns alle einen sehr hohen Stellenwert, für die Menschen in Deutschland, aber auch vor allem für uns als Ampelkoalition.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dirk Spaniel für die AfD-Fraktion.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Verkehrsminister! Wir reden hier immer über Bahninvestitionen. Und interessant ist doch mal, zu sehen, wo das Geld tatsächlich hinfließt. Herr Wissing, vor einem halben Jahr erklärten Sie hier, dass Sie 9,4 Milliarden Euro in die Schiene investieren, und im Juni kaufte die Deutsche Bahn dann ein Logistikunternehmen in den USA mit 1 900 Trucks. Im Bundestag erzählen Sie den Menschen immer das Märchen von den Investitionen in die Schiene, und in Wirklichkeit fließt das Geld in US-amerikanische Lkw, vorwiegend mit Dieselmotor. Das ist die Realität!
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Entweder Sie erzählen hier die Unwahrheit, oder Ihr Bahnvorstand zieht Sie gnadenlos über den Tisch. Beides wäre eigentlich untragbar.
Das heutige Problem in der Politik ist vor allen Dingen die fehlende Ehrlichkeit, und das sehen wir auch beim 9‑Euro-Ticket. Das 9‑Euro-Ticket hat in Wirklichkeit vielfach zu Bahnchaos geführt und war in vielen Fällen eben kein Ersatz für das Auto. Jetzt haben wir die Diskussion über das 49- oder 69‑Euro-Ticket. In Summe kommen wir da auf einen Betrag von 600 bis 800 Euro im Jahr, wenn man das mal hochrechnet. Das entspricht überhaupt gar nicht der heutigen Realität.
Wir haben heute schon eine Flatrate für die Leute, die bundesweit öffentliche Verkehrsmittel nutzen wollen; das ist die BahnCard 100. Die können sich ja alle kaufen. Die kostet zwischen 4 000 und 7 000 Euro. Und wenn Sie hier anbieten und suggerieren, dass Sie für ein Zehntel dieses Geldes Mobilität in diesem Land garantieren wollen, dann reden wir hier über gigantische Subventionen, die vorwiegend den Autofahrern in diesem Land aus der Tasche gezogen werden.
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Das ist die Realität. Wir wollen keine Mobilitätsplanwirtschaft.
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Im Übrigen soll jedes Bundesland doch selber entscheiden, wie es vor Ort die ÖPNV-Regeln umsetzen will, und es soll auch selber entscheiden, wie der ÖPNV finanziert werden soll. Da gibt es ja durchaus lokale Unterschiede. In Berlin hat man es ja nicht so mit Sauberkeit und Sicherheit; dafür bietet man gerne Drogenumschlagplätze an U‑Bahnhöfen an, zum Beispiel am Kottbusser Tor. Es gibt aber andere Bundesländer, da wollen die Menschen einen sicheren und sauberen ÖPNV, und dahinter stehen auch wir.
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Wir wollen das und auch mehr Pünktlichkeit. Deshalb wollen wir eine nicht bundeseinheitliche, sondern eine lokale Regelung, so wie das ja eigentlich auch im Grundgesetz geplant ist.
Das 9‑Euro-Ticket löst auch nicht die Probleme der Menschen, die auf das Auto angewiesen sind. Viele Menschen können sich die Fahrt zur Arbeit bei über 2 Euro pro Liter eben einfach nicht mehr leisten.
Erklärungen fallen Ihnen da immer viele ein: Inflation, Corona, Ukraine. Jetzt nenne ich Ihnen aber mal die Kraftstoffpreise in unseren Nachbarländern in Europa. In Frankreich, Italien und Spanien kommen wir trotz der gleichen Krisen bei 1,70 Euro bis 1,80 Euro pro Liter raus. Hören Sie auf, die Autofahrer in diesem Land über die Ursache der Kraftstoffpreise zu täuschen! Senken Sie die Steuern und die unsäglichen Klimaabgaben!
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Im Übrigen lassen wir Sie da nicht von der Angel. Sie werden nicht kneifen können. Die AfD wird nämlich wieder einen Antrag zur deutlichen Senkung der Spritpreise in diesem Land einbringen, damit die Menschen in diesem Land auch wissen, wer für sie einsteht und wer wirklich die Mobilität bezahlbar halten will.
Vielen Dank.
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Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Stefan Gelbhaar das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt stellt mit enormen finanziellen Investitionen die Weichen für die Zukunft. Deswegen schauen wir genau darauf, was das Verkehrs- und das Finanzministerium da mit dem Haushaltsentwurf vorschlagen. Im Koalitionsvertrag haben wir als eines der Kernprojekte dieser Koalition vereinbart, die Klimaziele von Paris zu erreichen. Daran müssen sich alle Ressorts messen lassen, und natürlich auch der Verkehrsbereich.
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Das ist inzwischen nicht mehr nur eine politische Frage, sondern dank des Klimaschutzgesetzes übrigens auch eine rechtliche. Es gibt also ganz klar die Erwartung, dass wir da rechtmäßiges, konsequentes Handeln vorfinden;
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Denn der Verkehrssektor verfehlt die Klimaschutzziele seit Jahren. Der Haushaltsentwurf der Regierung ist an dieser Stelle zu schwach, um daran etwas zu ändern. Deswegen brauchen wir sofort ein schlagkräftiges Klimaschutzsofortprogramm, und das muss dann auch ganz klar im Haushalt verankert sein.
Dabei gibt es diverse Baustellen, um den Verkehr zu vermeiden, zu verlagern, zu dekarbonisieren. Am Wochenende haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, Bus- und Bahntickets mit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu fördern, wenn die Länder in gleicher Höhe mitziehen. Das finde ich gut.
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Der Verkehrsminister ist nun gefordert, die Verhandlungen aufzunehmen. Worum geht es? Ein bundesweites günstiges Ticket wird Autofahrten vermeiden und auch massiv verkürzen. Pendler werden eben nicht mehr in die nächste Tarifzone fahren, um Geld zu sparen. Das hilft, Staus zu vermeiden, und zwar überall.
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Doch wir wissen: Attraktive Tickets allein reichen nicht aus. Die Koalition hat im Koalitionsvertrag deswegen vereinbart, erheblich mehr Mittel in die Schiene als in die Straße zu investieren. Stattdessen steigen im Haushaltsentwurf der Regierung nur die Investitionen in den Straßenbau. Das geht so nicht. Hier muss nachgebessert werden.
Da ist jetzt durch die Beratungen im Koalitionsausschuss schon ein wichtiger Schritt gegangen worden: Die Investitionen in die Schiene sollen um 500 Millionen Euro direkt und dann noch mal um 1 Milliarde Euro im Rahmen einer Verpflichtungsermächtigung erhöht werden.
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Damit wird die Kürzung des Regierungsentwurfs für die Schiene zurückgenommen, und das ist gut so.
Doch attraktive Tickets und eine gute Infrastruktur allein reichen noch nicht ganz. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Erhöhung der Mittel für den Regional- und den Nahverkehr fehlen weiterhin. Ohne diese Mittelerhöhung drohen Angebotskürzungen. Hier sind Verkehrs- und Finanzminister gefragt, nach über einem Jahr endlich zu einer befriedigenden Lösung mit den Ländern zu kommen.
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Zum Radfahren. Radfahren schützt das Klima und führt an den Autostaus, auch im Regierungsviertel, vorbei. Das ist sehr wichtig, wie wir wissen. Dafür brauchen wir aber Tausende Kilometer sichere Radwege im ganzen Land. Wir brauchen Rad- und Fußverkehrsbrücken, die Umwege verkürzen. Wir brauchen Radboxen und Fahrradparkhäuser an den Bahnhöfen.
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Kollege Gelbhaar, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Riexinger? – Ich kündige allerdings auch gleich an, dass in dieser Debatte dies die letzte Nachfrage von mir zum Kollegen Riexinger ist.
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Offensichtlich gibt es da Gesprächsbedarf. Dann mal los.
Vielen Dank. – Ich mache das mit den Nachfragen ja eigentlich gar nicht so oft. Von daher mache ich es halt heute mal gehäuft.
Mich würde bei den doch etwas großen Ankündigungen zum Klimaschutz eines interessieren: Wir hatten doch vom Expertenrat eine Benotung des Hauses mit „ungenügend“, was die Einhaltung der Klimaschutzziele im Verkehr betrifft. Der Expertenrat hat dann gesagt, er befasst sich gar nicht mehr mit den einzelnen Maßnahmen, weil sie völlig ungenügend sind. Insofern finde ich es schon irgendwie ein bisschen bedauernswert, dass Sie das als Grüner nicht kritisieren; denn offensichtlich bleibt da das Haus deutlich hinter den selbstgesteckten Klimaschutzzielen zurück. Wäre es nicht gerade Ihre Aufgabe als Grüne, da mal ein bisschen mehr nachzuhaken?
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Herr Riexinger, ich weiß nicht, welcher Rede Sie gerade gelauscht haben.
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Ich habe das Gefühl, dass ich nach dieser Rede von der FDP ein paar Hinweise bekomme, wie ich meine Reden zu halten habe. Deswegen finde ich den Hinweis interessant. Aber ich glaube – – Na ja, ich fahre einfach fort. Vielleicht ergibt sich da noch das ein oder andere.
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Sie wollten weitere Bausteine für den Klimaschutz haben; die liegen auf der Hand: Autos müssen endlich elektrisch fahren. Dafür braucht man eine funktionierende Ladeinfrastruktur – vielleicht kommen wir da auch noch miteinander ins Geschäft –, und dafür müssen wir aus dem Planen aus- und endlich ins Machen einsteigen, und zwar hurtig.
Wir können und müssen im Verkehrsbereich übrigens auch sparen. Es ist nicht nur klima- und umweltschädlich, sondern reine Geldverschwendung, wenn man unsinnige Straßenbauprojekte wie etwa die A 100 noch umsetzt.
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Diesen offenen Konflikt haben wir in der Koalition, und den müssen wir endlich ernsthaft bearbeiten.
Alle wissen: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Also lassen Sie uns Fahrrad, Bus und Bahn säen, bestehende Straßen wie auch Wasserstraßen erhalten, Autos teilen und unnötigen Verkehr vermeiden – Stichwort „Homeoffice“ –, dann wird auch die mobile Ernte gut, nachhaltig und modern sein.
Dazu gehört auch ein weiterer Punkt, nämlich klimaschädliche Subventionen abzubauen. Auch das steht im Koalitionsvertrag.
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Auch das fehlt noch im Haushaltsentwurf. Seit Jahrzehnten werden drastische Fehlanreize gesetzt, die Haushalt und Klimabilanz des Verkehrssektors belasten. Da müssen wir also ran.
Denn nur so handeln wir dreifach sinnvoll: Erstens. Wir verhindern unnötige Schulden. Zweitens. Wir geben das Geld sozial gerechter aus. Drittens. Wir handeln nicht weiter klimafeindlich. Damit erhöhen wir nichts weiter als unsere täglich sinkende Chance, überhaupt noch den Pariser 1,5-Grad-Pfad einzuhalten.
Das sind für mich, für uns Anspruch und Richtschnur für die kommenden Haushaltsberatungen. Ich wünsche uns allen ein gutes Gelingen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf jedem 25. Quadratmeter in Deutschland kann man mangels Funknetz nicht mal eine Whatsapp verschicken, auf jedem 10. Quadratmeter kann man es nur mit einem von vier Netzbetreibern. Und auch 2022 surft man in Rumänien 70 Prozent schneller im Internet als in Deutschland.
Minister Wissing legt uns trotzdem eine Gigabitstrategie vor, die weiter auf den Markt setzt, und eine Digitalstrategie, die mich, ehrlich gesagt, aus vielen verschiedenen Gründen schier verzweifeln lässt. Sie beantwortet nicht einmal die Frage: In welcher digitalen Gesellschaft wollen wir eigentlich leben? Aber wie will man denn eine kluge Strategie entwickeln, wenn man dieses Bild gar nicht hat? Und wie will man sie umsetzen ohne ein Digitalbudget?
Und dann das Verantwortungswirrwarr, das weitergeht. Niemand hat eine nennenswerte Steuerungsrolle. Selbst Schlüsselthemen wie digitale Identitäten werden auf vier verschiedene Ministerien verteilt.
Machen Sie mal alle dieses Kopfkino: Vier Leute aus drei Parteien haben einen Stift in der Hand und versuchen, was Lesbares zu schreiben. Wenn das in Ihrem Kopf funktioniert, haben Sie ein Bild davon, wie die Ampel im Moment arbeitet: Alle wollen mitreden, immer; aber wenn es schiefgeht, will keiner Verantwortung tragen.
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Apropos „mitreden“: „Wir beziehen die Zivilgesellschaft ein“, verspricht die Digitalstrategie, die – Überraschung! – komplett ohne Beteiligung der Zivilgesellschaft entstand. Und wie will die Fortschrittskoalition ihren eigenen Fortschritt im Laufe der Legislatur messen? Mit schwammigen Zielen wie: „X und y sollen gestärkt, verbessert oder beschleunigt werden“, und ohne erwähnenswerte Meilensteine für 2023 und 2024! Dafür gibt es 52‑mal Ziele für das Ende der Amtszeit. Das ist, ehrlich gesagt, ganz schön feige.
Mein Fazit. Ohne ganzheitliche Visionen, ohne klare Verantwortungen, ohne sofort verfügbares Budget, ohne sinnvolle und messbare Ziele und ohne alte strukturelle Probleme zu lösen, wird die Ampel bei der Digitalisierung genauso scheitern wie die GroKo, und das will ich mir nicht mal als Oppositionspolitikerin auch nur vorstellen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Falko Mohrs für die SPD-Fraktion.
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Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Abgebrochene Mobilfunkverbindungen, hängende Videokonferenzen – wir kennen das. Wir dürfen aber sagen: Diese Regierung, diese Koalition ist angetreten mit dem klaren Versprechen, dass diese Zustände, die wir alle leidvoll erfahren, der Vergangenheit angehören sollen. Das ist unsere Zusage.
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Frau Kollegin Schön, Herr Bareiß, mit dem Blick auf die digitalpolitische Leistungsbilanz der Minister Scheuer und Dobrindt
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muss man, um in dem Bild zu bleiben, feststellen: Man hatte sich total verlaufen, aber immer das Gefühl, man sei richtig unterwegs. Genau das war in den letzten Jahren die Digitalpolitik in dem von Ihnen geführten Haus.
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Wir haben für uns klar gesagt: Wir wollen Glasfaser als die Technologie, die uns nach vorne bringt, und zwar Glasfaser bis in die Wohnung. Das ist der Maßstab, den wir anstreben. Und wir haben uns vorgenommen, den neuesten Mobilfunkstandard flächendeckend im Land, sowohl im ländlichen Raum als auch in den Städten, zu etablieren.
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Das ist das Ziel, das wir mit der Gigabitstrategie unterfüttern. Wir haben deswegen in diesem Haushalt 1,46 Milliarden Euro vorgesehen, um den Glasfaserausbau zu fördern, und 296 Millionen Euro, um den Mobilfunkausbau voranzubringen, und zwar nicht, damit das Geld in einer Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft versickert, sondern damit es wirklich an den Funkmasten vor Ort ankommt. Das ist der Maßstab: nicht Strukturen schaffen, sondern Mobilfunkmasten. Daran messen wir uns.
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Dabei ist völlig klar: Wir haben eine klare, abgestimmte Vorgehensweise. Es gibt auf der einen Seite den eigenwirtschaftlichen Ausbau; es ist ja völlig irrsinnig, Steuergelder dort auszugeben, wo er eigenwirtschaftlich stattfindet. Weil wir aber in den letzten Jahren leider immer wieder festgestellt haben, dass man sich nicht überall auf den Markt und auf Zusagen verlassen kann, ist doch klar, dass wir genau diese Förderung brauchen, um eben dort, wo nichts geschieht, den Menschen eine Perspektive zu geben. Wo wir das machen, entscheiden wir nicht am grünen Tisch, sondern in gemeinsamer Verantwortung mit den Landkreisen, den Städten und den Bundesländern vor Ort; denn die wissen, wo das notwendig ist. So kommen wir mit dem Vorhaben voran, Glasfaser bis in die Wohnung zu verlegen und Mobilfunk auch im ländlichen Raum zu etablieren, meine Damen und Herren.
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Weil es aber nicht nur eine Frage der digitalen Infrastruktur, sondern beispielsweise auch der digitalen Souveränität unseres Landes ist, welche Fähigkeiten wir haben, ist eines der riesengroßen Projekte, das wir uns als Ampelregierung vorgenommen haben, die Entwicklung im Bereich Mikroelektronik mit über 4,26 Milliarden Euro voranzutreiben. Es ist auch ein Teil unserer Souveränität, dass wir Hardware in unserem Land herstellen können. Wer es in der Vergangenheit nicht begriffen hat, hat hoffentlich nach dem furchtbaren Angriffskrieg Russlands begriffen, dass wir uns eben nicht abhängig machen dürfen, weder bei Energie noch bei technologischer Kernkompetenz, meine Damen und Herren.
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Mit der Gigabitstrategie, mit der Finanzierung der Ausbauvorhaben und mit einer klaren Fokussierung auf alternative Verlegemethoden schaffen wir die entsprechenden Rahmenbedingungen. Herr Minister Wissing, wir werden bestimmt gemeinsam schauen müssen, wie wir die guten Vorschläge umsetzen können, beispielsweise hinsichtlich eines Fonds, um den Kommunen vor Ort Sicherheit zu geben, wenn sie Sorge vor alternativen Verlegemethoden haben. Die zugesagten Standards müssen – so hieß es aus Ihrem Haus –, wenn nicht durch die Branche, eben politisch gesetzt werden, damit alternative Verlegemethoden uns schneller nach vorne bringen. Das wird neben den haushaltspolitischen Schwerpunkten einer der Kernfaktoren sein, die entscheidend dafür sind, ob uns der Ausbau gelingt.
Meine Damen und Herren, wir wollen nicht einfach nur irgendwie unterwegs sein, sondern auf dem richtigen Weg. Das ist unser Ziel, das ist unsere Zusage.
Vielen herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Franziska Hoppermann das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Wissing! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Ampel im Dezember die Besetzung der Ministerien bekanntgab, titelte Telefónica Basecamp euphorisch „Volker Wissing – Digitalminister“. Deutschland war elektrisiert und hoffte auf die digitale Zeitenwende. Gesagt haben Sie aber weder in der Debatte zum Haushalt 2022 noch heute irgendwas zum Thema Digitalisierung.
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So wie Sie mit Zuständigkeiten und Kompetenzen ausgestattet sind – Sie sind nämlich immer weniger zuständig –, können Sie auch gar nichts voranbringen und vor allem auch gar nichts aufarbeiten, wie Sie gesagt haben.
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Wenn ich jetzt den Haushaltsentwurf nach Digitalthemen durchgehe, sehe ich vollkommenes Chaos, keine Stringenz und ein einziges Kuddelmuddel. Jedes Ressort macht ein bisschen was, und es ist sogar noch schlimmer: Vorher gebündelte Zuständigkeiten, wie zum Beispiel für die Digitallabore, verteilen Sie auf alle Ressorts. Hier ist kein Koch sichtbar, und Sie sind schon gar nicht der Chefkoch. Im Übrigen redete auch in dieser Debatte bisher keiner der Koalitionsabgeordneten von Digitalisierung; es geht nur um digitale Infrastruktur.
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Um Ihre Aktivitäten im digitalen Bereich zu illustrieren: Man muss schon dreieinhalb Monate in Ihrem Kalender durchgehen, um 28 Termine mit Digitalbezug zu finden, inklusive Sommerfesten, Grußworten und Gesprächen mit unserer Kollegin Nadine Schön.
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Sie als Digitalminister zu bezeichnen, darüber würde Andrea Nahles hier wieder singen: „Ich mach’ mir die Welt, wie sie mir gefällt.“
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Schauen wir mal näher in Ihren Einzelplan. In Kapitel 1204 führen Sie die digitale Infrastruktur auf; andere Kapitel zum Thema Digitales gibt es schon gar nicht. Die digitale Infrastruktur erschöpft sich in der Unterstützung digitaler Zukunftstechnologien und ihren infrastrukturellen Voraussetzungen.
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Auch im Vorwort fokussieren Sie sich in der Formulierung der Ziele ausschließlich auf Mobilität und digitale Souveränität. Das reicht nicht. Das soll alles sein, was von der Schaffung eines Digitalministeriums übrig geblieben ist?
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Kommen wir nun zur Umsetzung der nationalen Digitalpolitik. Hierfür planen Sie 1,5 Millionen Euro ein.
Kollegin Hoppermann, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Mohrs?
Nein, vielen Dank.
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Das ist also das, was Sie uns als Digitalbudget angekündigt haben. Für die weitere Entwicklung des Digitalbudgets gilt bei Ihnen: Wenn du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis. Auf das große Digitalbudget können wir also noch ewig warten. Das sollte ja auf die Digitalstrategie folgen; die haben Sie gerade vorgestellt. Dazu fällt mir ein Spruch meiner Großmutter ein. Die sagte immer: Erst die Strümpfe, dann die Schuhe!
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Die Strümpfe, Herr Minister, um die es hier geht, sind noch nicht mal gestrickt. Um im Bild zu bleiben: Die Wolle hängt noch am Schaf.
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Sie malen ein wolkiges Bild der Zukunft ohne konkrete Ziele. Sie bleiben komplett vage. Im Gesundheitsbereich zum Beispiel wollen Sie sich daran messen lassen, dass „das Pflegewesen durch die Digitalisierung und Robotik eine spürbare Unterstützung und Entlastung erfährt“, dass „sich die Datenverfügbarkeit bei der Gesundheitsversorgung verbessert hat“. Diese Ziele sind nicht konkret, nicht messbar und vor allem nicht ambitioniert.
Jedes Haus konnte Projekte benennen, auch solche, die schon ewig in der Pipeline und Umsetzung sind. Es fehlt an einer ganzheitlichen politischen Strategie und an einer Vision. Ihre Digitalstrategie und die mangelnde haushalterische Umsetzung sind eine einzige Enttäuschung.
Unser Fazit ist: Wir sehen nichts bei der Bündelung, nichts bei der Vereinheitlichung, nichts bei Controlling und Steuerung von Digitalisierung durch finanzielle Mittel in Ihrem Ministerium. Sie sollten das Ministerium umbenennen, und zwar wieder in „Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur“. Mehr ist in Ihrem Haus nämlich nicht erkennbar.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Tabea Rößner für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen.
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie kurz die Erinnerung der Unionsfraktion zurückreicht.
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Wer hat denn den Rückstand in der Digitalisierung, und zwar durch alle Ressorts, zu verantworten? Das waren doch gerade Sie.
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Ich erspare Ihnen jetzt mal, alle Digitalziele aufzuführen, die Sie in 16 Jahren Regierungszeit verbockt und verfehlt haben; das würde nämlich die vier Minuten komplett sprengen.
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Mit der Digitalstrategie haben wir jetzt jedenfalls herausgestellt, an welchen Punkten wir dringend aufholen müssen. Und dafür ist es allerhöchste Zeit. Deshalb ist es schon ein bisschen putzig, uns Ambitionslosigkeit vorzuwerfen. Es wäre ja falsch, wenn wir wieder Wolkenkuckucksheime versprechen würden und am Ende nichts herauskommt.
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Wir müssen jetzt liefern, und wir müssen vor allen Dingen das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen.
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Die Digitalstrategie konkretisiert viele Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag und bringt sie auch auf den Weg, zum Beispiel klimaneutrale Rechenzentren – das geht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gerade mit dem Energieeffizienzgesetz an – oder beim digitalen Verbraucherschutz, den das Bundesministerium für Umwelt und Verbraucherschutz mit dem Recht auf Reparatur und dem digitalen Produktpass voranbringt, oder beim Recht auf Verschlüsselung und damit einer klaren Absage an die sogenannte Chatkontrolle. Ich hoffe sehr, dass sich die Bundesregierung auf EU-Ebene mit der Ablehnung der anlasslosen Überwachung von Messengerdiensten durchsetzen kann.
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In der Strategie ist auch der Leitgedanke „Public Money, Public Code“ konsequent verankert. Open Source ist nicht nur eine Alternative zu großen außereuropäischen Techunternehmen, sondern eine Investition in die nationale Sicherheit, in gesamtgesellschaftliche Resilienz und in lokale Softwareentwicklung. Dieser Ansatz muss nun in den Beschaffungsprozessen und vor allem in der Verwaltungsdigitalisierung dauerhaft durchgesetzt werden.
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Beim Onlinezugangsgesetz müssen wir auf „Volle Kraft voraus“ schalten. Dazu gehört, endlich die digitale Identität zu etablieren. Auch hier müssen wir fast bei null anfangen, nachdem der frühere Innenminister erst mal falsch abgebogen und dann in einer Sackgasse gelandet ist. Dabei haben wir mit dem neuen Personalausweis bereits seit 2010, also seit 12 Jahren, ein sicheres und funktionsfähiges System. Nur kennt das niemand, und es wurde auch nicht weiterentwickelt oder bekannt gemacht, weil man sich auf eine andere Lösung versteift hatte. Dafür müssten Sie hier eigentlich zu Kreuze kriechen.
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Ja, es ist kein Geheimnis, dass wir uns als grüne Bundestagsfraktion ein stärkeres Bekenntnis gewünscht hätten, wie wir die immensen Herausforderungen im Zusammenhang mit Digitalisierung und Klimaschutz ganzheitlich angehen wollen oder wie wir die Zivilgesellschaft als Partner auf Augenhöhe stärker in die Politikgestaltung mit einbinden wollen. Aber das ist jetzt auch in der Digitalstrategie angelegt, und das ist richtig so.
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Kommen wir zum Haushalt. Das Digitalbudget wird kommen. Der Sovereign Tech Fund ist bereits im letzten Haushalt anfinanziert worden; fürs nächste Jahr sind 10 Millionen Euro eingestellt.
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Und anders als behauptet ist die Strategie mit weiteren Mitteln unterlegt. So werden wir Milliarden in den Ausbau der digitalen Infrastruktur auf dem Land investieren und in Halbleiter, die nachhaltig produziert werden müssen. Weitere Posten wie das Dateninstitut oder das ebenfalls schon im letzten Haushalt verankerte Zentrum für Digitale Souveränität werden wir im parlamentarischen Verfahren beraten.
Mit anderen Worten: Es tut sich was, auch finanziell. Wichtig ist die Unterstützung von Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem der Zivilgesellschaft. Wir können unsere Ziele nur zusammen erreichen. So gewinnen wir auch wieder das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Sobald wir eine solide Grundlage haben, können wir zukünftig auch deutlich ambitionierter sein.
Vielen Dank.
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Das Wort hat die Abgeordnete Joana Cotar für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Wie gut es um die Digitalisierung in Deutschland steht, konnten all die Grundstücksbesitzer erst vor Kurzem feststellen, als sie versuchten, sich bei Elster anzumelden, um den Fragebogen für die neue Grundsteuer auszufüllen.
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Das Ergebnis: Das Programm ging direkt in die Knie und war nicht mehr zu erreichen. Willkommen im digitalen Deutschland 2022! Willkommen im digitalen Entwicklungsland!
Das war nur die Spitze der Zumutung, die den Bürgern abverlangt wird. Deutschland ist nicht in der Lage, die Informationen, die schon bei den verschiedensten Ämtern liegen, so zusammenzuführen, dass die Behörden selbst die neue Grundsteuer errechnen können. Nein, die Bürger sollen sich die Arbeit machen und alle Informationen zusammentragen, damit der Staat ihnen mehr Geld abpressen kann. Was für ein Unding, meine Damen und Herren!
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Ja, in der neuen Digitalstrategie wird viel versprochen. Diesmal sollen Erfolge messbar sein, und jedes Ministerium durfte Projekte beisteuern – wobei „durfte“ das falsche Wort ist; denn freiwillig geschah das nicht. Im Gegenteil: Die ersten Projekte, die Minister Wissing präsentiert wurden, waren so unambitioniert, so kraft- und mutlos, dass der Minister den Ministerien eine Runde Nachsitzen verordnet hat. Allein daran sieht man, dass die Mehrheit dieser Regierung immer noch nicht begriffen hat, wie sehr unser Land aufholen muss.
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In Deutschland hatten Ende 2021 nur 7 Prozent aller Breitbandanschlüsse Glasfaser. In Südkorea sind es 87 Prozent, in Spanien 79 Prozent; sogar Kolumbien und Costa Rica haben uns mittlerweile überholt.
Das Onlinezugangsgesetz sollte dafür sorgen, dass unsere Verwaltung endlich digital wird. 575 Verwaltungsdienstleistungen sollten bis Ende 2022 online verfügbar sein: von der Kfz-Anmeldung bis zur Anmeldung der Hochzeit. Nun raten Sie mal, wie viele bis Ende des Jahres tatsächlich verfügbar sein werden! 50! 50 von 575 – tolle Sache, meine Damen und Herren. Und Ihre Lösung: Sie verlängern die Frist. Das wird schon klappen – irgendwann.
Cyberangriffe kosten die deutsche Wirtschaft bis zu 200 Milliarden Euro im Jahr. Besonders bedroht sehen sich die Betreiber kritischer Infrastrukturen. Wo bleibt Ihre konkrete Antwort darauf, liebe Regierung? Sie zeigen stattdessen eine beharrliche Aversion gegen innovative Technologien. Die Blockchain fehlt mittlerweile komplett in Ihrer Strategie – eine Schlüsseltechnologie, die Sie völlig ignorieren. Dafür sprechen Sie von „feministischer Digitalpolitik“. Was, um Gottes willen, soll das sein?
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Meine Damen und Herren, Sie sind nun fast ein Jahr an der Regierung, und Sie haben es noch nicht einmal geschafft, ein Digitalbudget vorzulegen; wir haben es gehört. Dieses Versäumnis kommt davon, wenn man die Zuständigkeiten nicht an einer Stelle bündelt und nicht einer die Verantwortung trägt, sondern sie auf viele verschiedene Ministerien verteilt, denen die Leidenschaft fürs Digitale fehlt, die aber alle an die Kohle wollen – wobei diese Zersplitterung doch einen Vorteil hat, und zwar für Minister Wissing. Denn wenn das wieder nicht klappt, kann er all die Verantwortung von sich schieben und sagen: Die Ministerien sind schuld. – Das ist fast so praktisch wie die Gedächtnislücken von Olaf Scholz, meine Damen und Herren.
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Weniger praktisch ist es jedoch, eine Innenministerin zu haben, die bei der Digitalisierung mitreden darf, aber davon keine Ahnung hat. So forderte Frau Faeser in einem Interview im Falle eines Angriffs sogenannte Hackbacks, nur um diesen Wunsch ein paar Wochen später wieder einzustampfen und das Gegenteil zu fordern. Zuerst begrüßte sie die Initiative zur Chatkontrolle durch die EU, dann lehnte sie sie ab, allerdings doch nicht so ganz. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Und vor allen Dingen bin ich gespannt, wie die FDP darauf reagieren wird. Nach Sondervermögen, Impfpflicht, NetzDG und dem neuen Infektionsschutzgesetz à la Lauterbach gehe ich davon aus, dass diejenigen, die die Freiheit für Ministerposten verraten haben, auch hier umkippen werden, meine Damen und Herren.
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Die bisherige digitale Performance der Ampel ist dürftig. Aber immerhin gibt es jetzt das E-Rezept. Mein absolutes Highlight dabei: Man kann das digitale Rezept auch ausdrucken und damit zur Apotheke gehen, weil das mit der App vorne und hinten nicht klappt. Damit sind wir wieder beim Anfang meiner Rede: Willkommen im digitalen Deutschland 2022! Willkommen im digitalen Entwicklungsland!
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Isabel Cademartori das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz angespannter Haushaltslage bleibt die Ampelkoalition auf Kurs und treibt die Mobilitätswende voran. Unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes setzt der Verkehrshaushalt, ergänzt durch den Klima- und Transformationsfonds, wichtige Akzente.
Wir unterstützen die Antriebswende in allen Bereichen. Allem voran werden wir den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben mit dem erklärten Ziel, der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen. Dafür steigern wir in diesem Haushalt die Mittel für die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie deutlich. Zur Antriebswende gehört auch, dass die Mittel für die Erforschung von alternativen Kraftstoffen und die Mittel für die Elektrifizierung im Schienenverkehr erhöht werden. Wir steigern auch noch mal deutlich die Förderung für den Kauf von Bussen mit alternativen Antrieben. Auch für den Radverkehr stellen wir mehr Geld bereit als bisher. Das ist ein weiteres wichtiges Instrument, um vor allem in Ballungsräumen mehr emissionsfreie Mobilität zu ermöglichen.
Wir bemühen uns darum, als Staat auch weiterhin die richtigen Anreize für eine Verkehrs- und Antriebswende zu setzen. Wir bringen eine Fortsetzung der Umweltprämie für den Kauf von Elektroautos auf den Weg, die es auch Menschen mit mittleren Einkommen ermöglicht, ein Elektroauto zu kaufen. Mit Blick auf die Klimaschutzziele ist es auch richtig, dass wir die Förderung von Hybridfahrzeugen aus Steuergeldern nun sukzessive beenden.
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Wir werden uns mit Blick auf die richtigen Anreize mit einer Reform der Dienstwagenbesteuerung beschäftigen müssen, um auch diesen Bereich konsistent mit unseren Klimazielen zu gestalten.
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Gleichzeitig werden wir die Automobilindustrie bei der notwendigen Transformation zielgerichtet unterstützen.
Wenn wir schon beim Thema „gute Anreize für die Verkehrswende setzen“ sind:
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Wir haben mit dem 9‑Euro-Ticket einen wahren Durchbruch in der Mobilitätspolitik geschafft. Ich bin dem Verkehrsminister ehrlich dankbar, dass er diese Idee damals eingebracht
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und jetzt auch die notwendige Überzeugungsarbeit für ein Nachfolgeangebot geleistet hat. Was wir mit dem 9‑Euro-Ticket geschaffen haben, ist eine wahrlich disruptive Innovation im ÖPNV, die übrigens mit der Union niemals – never ever – möglich gewesen wäre.
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Durch die drastische Preissenkung wurde ein zusätzlicher Anreiz zum Umstieg auf den ÖPNV geschaffen. Sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die sonst niemals ÖPNV fahren, haben temporär ihr Auto stehen lassen und das 9‑Euro-Ticket genutzt
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für Ausflüge, für Gelegenheits- und Freizeitfahrten und auch, in etwas geringerem Umfang, für die Fahrt zur Arbeit.
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Wir haben aber auch erlebt, wie die Infrastruktur vielerorts an ihre Grenzen gestoßen ist, wenn die Nutzerzahlen sprunghaft angestiegen sind. Um einen klimarelevanten Beitrag als ÖPNV zu leisten und tatsächlich auch Pendlerinnen und Pendler zum Umstieg zu bewegen, muss dieser attraktiver sein. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht nur die Preisdebatte führen, sondern auch die Debatte über Investitionen in die Infrastruktur.
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Es ist sozial gerecht, dass wir die positiven Aspekte des 9‑Euro-Tickets – die Einfachheit und die bundesweite Gültigkeit – weiterführen mit einem Preis, der deutlich unter dem liegen wird, den fast alle Menschen in Deutschland für ein Monatsticket bezahlen, und gleichzeitig verstärkt in Infrastruktur investieren. Wir ermöglichen Klimaneutralität für deutlich weniger Geld und investieren dennoch kraftvoll in eine zukunftsfähige Infrastruktur. Das ist eine gelungene Verkehrswende.
Vielen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Felix Schreiner das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren einen Haushaltsentwurf in bewegten Zeiten. Wir finden veränderte Realitäten vor. Inflation, Ukrainekrieg, steigender Zins – das sind die Realitäten, mit denen auch wir uns in unserem Einzeletat zu beschäftigen haben. Sie bedingen aber ausdrücklich eine Schwerpunktsetzung, die heute notwendig ist. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber wenn man die Reden seitens der Regierungsfraktionen hört, hat man fast den Eindruck, sie haben einen anderen Entwurf als wir auf dem Tisch liegen; denn alles, was sie gesagt haben, können wir faktisch nicht in der Kabinettsvorlage feststellen.
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Herr Gelbhaar hat dazu ja bereits einiges ausgeführt, dem wir uns sogar anschließen können.
Es ist schlicht und ergreifend enttäuschend, dass der Investivhaushalt Verkehr in diesen Zeiten so drastisch gekürzt wird. Gleichermaßen ist es ernüchternd, dass für den Klimaschutz im Verkehrssektor im Klima- und Transformationsfonds eine Kürzung vorgesehen ist. Das hätten wir uns von dieser Ampelregierung nicht einmal träumen lassen.
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Herr Minister Wissing, Sie betonen immer, dass der besondere Fokus Ihrer Regierung auf dem Erhalt und der Sanierung der Verkehrswege liegt. Ja, gut. Das Problem ist aber: Es steht nicht in der Vorlage. Ihre Zahlen sagen etwas anderes. Sie haben es versäumt, die Finanzmittel für den Erhalt und die Modernisierung massiv aufzustocken. Angesichts gestiegener Baupreise findet faktisch eine reale Kürzung bei den Investitionen statt. Wir rechnen mit steigenden Rohstoffpreisen. Wir haben steigende Personalausgaben. Das alles finden wir im Haushalt schlichtweg nicht abgebildet. Wir fordern Sie daher auf: Nutzen Sie die parlamentarischen Beratungen, die jetzt beginnen, und korrigieren Sie den Entwurf dieser Regierung! Es ist der schlechteste Regierungsentwurf, den dieses Haus je gesehen hat.
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Wenn wir scheinbar Konsens in diesem Hause haben, dass wir in Deutschland schneller planen, genehmigen und vor allem auch bauen müssen, dann frage ich mich: Warum nutzen Sie das nicht? Warum können wir nicht gemeinsam daran arbeiten und uns diesem Thema widmen? Nein, dazu finden wir nichts. Sie haben eine Steuerungsgruppe eingerichtet, angesiedelt sogar im Bundeskanzleramt. Sie hat bis heute noch nicht einmal eine Empfehlung vorgelegt. Wir als Unionsfraktion haben bereits im März und im Mai konkrete Vorschläge dazu gemacht. Ganz konkrete Vorschläge liegen auf Ihrem Tisch. Sie haben uns an Ihrer Seite. Lassen Sie uns doch gemeinsam zum Beispiel an die Novellierung des Bundesfernstraßengesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes gehen! Das Schönste an einer Haushaltsrede ist: Das alles kostet kein Geld. Wir könnten es morgen sofort umsetzen und würden endlich schneller werden, meine Damen und Herren.
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Wir haben schon gehört, dass die Kürzungen im Bereich der Schiene extrem und ernüchternd sind. Der Minister hat ein Evaluationsgutachten selbst in Auftrag gegeben, um zum Beispiel die noch von uns initiierten Trassenpreisförderungen zu untersuchen. Die Kommission hat getagt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es eine gute Sache ist und empfiehlt eine Fortsetzung. Was macht diese Regierung? Sie haben quasi mit dem Entwurf für 2023 den Ausstieg aus der Trassenpreisförderung beschlossen. Bereits 2024 ist sie halbiert, ab 2025 vollständig gestrichen. Meine Damen und Herren, wenn Sie wollen, dass wir bis 2030 den Marktanteil auf 25 Prozent anheben, dann muss doch der Schienengüterverkehr bei einem expandierenden Gesamtmarkt von rund 60 Prozent gestärkt werden und darf nicht geschwächt werden, so wie Sie es heute mit Ihrem Entwurf vorgelegt haben.
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Wir haben es bei der Digitalisierung gehört. Auch da fällt die Schiene komplett hinten herunter.
Aber ich muss schon noch etwas zu Ihrem Billigticket sagen. Sie wurden von vielen gewarnt. Wenn Sie auf uns nicht hören, ist es das eine. Aber Sie haben auch nicht auf Ihre eigenen Experten gehört, die Ihnen genau das vorhergesagt haben, was jetzt kommt: Nach dem Billigticket kommt die Preisexplosion. Es sind doch vor allem die familiengeführten Unternehmen, die massiv unter den steigenden Kosten und der fehlenden Refinanzierung leiden. Viele Busunternehmen in diesem Land stehen kurz vor der Insolvenz. Sie haben mehr als 50 Prozent höhere Energiekosten, als es im Vorjahreszeitraum der Fall war. Erste Unternehmen drohen bereits damit, sich aus dem ÖPNV komplett zurückzuziehen. Was ist dann die Wahrheit? Bevor Sie das Experiment „Billigticket“ verlängern, müssen Sie doch erst einmal diejenigen entlasten, die jeden Tag dafür sorgen, dass Pendler zur Arbeit und Schüler zur Schule kommen. Wenn Sie diese Betriebe nicht unterstützen, ist überhaupt kein ÖPNV im ländlichen Raum mehr da,
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der die diskutierten 49 oder 69 Euro im Monat wert wäre.
Herzlichen Dank.
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Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Robin Mesarosch das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland wird eines Tages ein digitaler Staat sein. Wir werden vom Sofa aus so leicht einen neuen Personalausweis bestellen, wie wir heute Pizza bestellen. Wir werden Windkrafträder und Solaranlagen schneller bauen können, weil die Anträge dann digital sind und wir sie nicht mehr in Kleinlastern voll Leitz-Ordnern durch die Gegend fahren müssen. Wir werden das Kindergeld ohne Antrag bekommen und drei Jahre später das Angebot für einen Kindergartenplatz per SMS. So wird Deutschland eines Tages sein. Die Frage ist nur, wann.
Ich sage: Es macht einen Riesenunterschied, ob wir damit schnell oder langsam sein werden. Sind wir zu langsam, verlieren wir junge Talente, Unternehmen und Investitionen ans Ausland – manche Länder haben schon all das umgesetzt, was ich gerade aufgezählt habe – und verlieren jeden Tag Geld, Zeit und Nerven an eine Verwaltung, die gezwungen ist, weit unter ihren Möglichkeiten zu arbeiten. Wir brauchen jetzt Ergebnisse. Ein Ergebnis ist nicht, dass ein Rathaus 2022 anfängt, Formulare als PDF auf seine Webseite zu stellen, die ich dann ausdrucken darf. Ein Ergebnis ist ein komplett digitaler Verwaltungsprozess, den ich online schnell finde, den ich verstehe, den ich bedienen kann und der mir zügig Ergebnisse liefert, ohne dass ich das Haus verlasse. Das und nur das kann das Ziel sein.
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Die Bundesregierung hat vor Kurzem ihre Digitalstrategie vorgestellt. Sie erkennt: Wir müssen ganz grundsätzliche Infrastruktur schaffen, um zum Ziel zu kommen. Das fängt an mit der sogenannten digitalen Identität. Wir müssen uns digital erst mal ausweisen können, um überhaupt loslegen zu können. Das muss sicher sein, und das muss praktisch sein. Die gute Nachricht ist: Deutschland hat seit Jahren eine sichere Lösung, die auch praktisch sein könnte, nämlich den Personalausweis, mit dem wir uns theoretisch auch online ausweisen könnten. Die schlechte Nachricht ist: Wir haben für den Perso kaum und hauptsächlich zu komplizierte Anwendungen. Die App für den Personalausweis heißt „AusweisApp2“. Das Ding klingt und bedient sich wie die Spam-Mail eines nigerianischen Prinzen, aber nicht wie die eID der Bundesrepublik Deutschland.
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Wir brauchen dringend eine nutzerfreundliche Lösung mit brauchbaren Schnittstellen und bezahlbaren Berechtigungszertifikaten.
Wir sprechen heute über Geld, über den Haushalt des Bundes für das kommende Jahr. Wir wollen 60 Millionen Euro für die digitalen Identitäten ausgeben. Das ist ein Wort.
Neben der digitalen Identität ist auch wichtig: Wir als Nutzerinnen und Nutzer müssen ein benutzerfreundliches Portal mit den Angeboten des Staates bekommen. Da werden Sie geholfen; darum geht es. Wir wollen 70 Millionen Euro investieren.
Ebenso erhöhen wir die Mittel für die Registermodernisierung deutlich. Das heißt, wir digitalisieren die Daten der Verwaltung. Nur so kann ein digitaler Staat funktionieren.
Die Zahlen sind trocken, das Ziel ist vielversprechend. Die Kunst liegt jetzt in der Umsetzung, und dafür stellt dieser Haushalt Geld zur Verfügung. Ein digitales Deutschland ist sowieso möglich. Lassen Sie uns jetzt möglichst schnell dorthin kommen!
Haben Sie vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Florian Oßner für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Wissing! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Haushalt wird eines deutlich: Digitales und Verkehr spielt eine völlig untergeordnete Rolle bei dieser Ampelregierung. Oder wie lässt sich sonst erklären, dass trotz Baukostensteigerungen und Mehrbelastungen durch die Energiepreisexplosion in diesem Bereich nun nochmals 1 Milliarde Euro eingespart wird? Seit 2021 sind es sogar schon 6 Milliarden Euro. Liebe SPD, Grüne und FDP, es ist wahrlich ein Trauerspiel mit Wiederholung. Viele Versprechen, das Schüren hoher Erwartungen und dann doch fehlende Umsetzung: So verspielt man jegliches politisches Vertrauen.
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Lag der Verkehrsetat unter der von CDU und CSU geführten Bundesregierung bei 41 Milliarden Euro, so soll er jetzt von 36 Milliarden Euro in diesem Jahr weiter auf 35 Milliarden Euro im nächsten Jahr gekürzt werden. Das ist angesichts der Vielzahl von Herausforderungen, die uns bevorstehen, und der Bedeutung des größten Investitionshaushalts des Bundes absolut unverantwortlich, zumal es im Bundeshaushalt eine Vielzahl von Einsparmöglichkeiten gegeben hätte, insbesondere in der Personalpolitik der Ampel. Hier wurde durch die Bank in allen Ministerien ein Wasserkopf an Versorgungsposten geschaffen, die keinen wirklichen Mehrwert versprechen.
Das Schlimme daran ist: Wichtige Zukunftsinvestitionen unterbleiben und werden durch die gestiegenen Baukosten am Ende sogar unmöglich. Das hat zur Folge, dass unsere Straßen, Schienen, Brücken und Schleusen immer weiter verfallen. Auch die dringend notwendige Digitalisierung der Verkehrswege wird völlig vergessen. Wo bleibt hier der oft beschworene Fortschritt, liebe Ampelkollegen der sogenannten Fortschrittskoalition?
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Stichwort „9‑Euro-Ticket“. Mein geschätzter verkehrspolitischer Sprecher Thomas Bareiß hat es schon ausführlich besprochen, und damit kann ich eine Minute einsparen.
Bevor es wieder überfüllte Züge gibt, muss jetzt die Kapazität der Bahn erst einmal ausgebaut werden. Da müssen wir jetzt alle finanziellen Anstrengungen konzentrieren. Früher hätte man in solchen Fällen von der Subventionspolitik mit der Gießkanne gesprochen. Die Ampel ist hier inzwischen einen Schritt weiter und hat die Gießkanne durch ein vollautomatisiertes Bewässerungssystem ersetzt,
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welches zügellos vor sich hinsprudelt. Diese Geldverschwendung auf Kosten zukünftiger Generationen kann und darf so nicht weitergehen.
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Im Bereich der Straße ist der Mittelansatz stagnierend. Allerdings müssen auch hier natürlich die immensen Baukostensteigerungen berücksichtigt werden, sodass am Ende sogar weniger verbaut werden kann, als ursprünglich geplant. Damit sind Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan, worauf sich viele vor Ort verlassen haben, massiv gefährdet. Entlastungen von Staus und Verkehrslärm dürfen am Ende nicht von ideologisch falschen Weichenstellungen abhängen.
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Bei der Schiene enttäuscht die Ampel leidlicherweise auf ganzer Linie, und sie wird ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. So werden beispielsweise die Mittel für das europäische Zugleitsystem um 80 Millionen Euro gekürzt, für den kombinierten Verkehr sind es 15 Millionen Euro weniger. Das erklärte Ziel, mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene und auf das Wasser zu verlagern, rückt damit in weite Ferne.
Besonders irritierend ist es für mich, dass ausgerechnet ein erklärter Digitalminister bei der Digitalisierung der Schiene kürzt, insbesondere da diese ein sehr effizientes Mittel wäre, um dort die Taktzeiten zu verdichten. Auch hier gehen Anspruch und Wirklichkeit diametral auseinander.
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Thema Wasserstraßen. Das ist ein Totalausfall; denn anders ist nicht zu erklären, dass der Verkehrsminister am 30. August 2022 zwar twittert: „Die #Binnenschifffahrt ist enorm wichtig für unsere Energieversorgung & Lieferketten!“, zeitgleich aber bei keinem Verkehrsträger mehr der Rotstift angesetzt wird als bei der Wasserstraße; es sind nämlich 350 Millionen Euro weniger als im Jahr 2022, als heuer. Das passt wirklich nicht zusammen, Herr Minister.
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Auch im Bereich des Digitalen bleibt es bei vielen Ankündigungen. Vom Digitalbudget fehlt weiterhin jegliche Spur. Die groß angekündigte Digitalstrategie ist nur ein Sammelsurium wenig unterlegter Punkte im Haushalt. Investieren in die Verkehrsinfrastruktur bleibt trotz anderweitiger Versprechen Fehlanzeige.
Sie haben vier Begriffe genannt – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –: Verlässlichkeit, Vernunft, Verantwortung und Fortschritt. Das Prüfergebnis: Alle vier Punkte sind nicht erfüllt.
Wir als CDU und CSU stehen bereit, hier bei diesen Punkten zu helfen. Aber auf diesem wackeligen Fundament kann man keine Zukunft bauen.
Herzliches „Vergelt’s Gott“ fürs Zuhören.
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Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Anna Kassautzki das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine Sache hat sich auch in den unruhigen Zeiten, in denen wir gerade leben, nicht geändert: Digitalisierung ist kein Nice-to-have; das ist kein optionaler Posten, den man irgendwann angehen kann, wenn mal Zeit und Geld dafür da ist. Das ist bei vielen Themen der Fall – das ist mir klar –, aber wir müssen jetzt in digitale Infrastruktur investieren, damit wir in den kommenden Jahren Dinge wie die Digitalisierung der Verwaltung oder der Schulen überhaupt flächendeckend umsetzen können.
Dazu benötigen wir jetzt Open-Source-Technologien, also quelloffene Technologien. Wieso? Wenn alle Menschen, die wollen, auf den Code zugreifen können, mag das im ersten Moment so aussehen, als würde es die Software unsicher machen. Genau das Gegenteil ist aber der Fall. Nur wenn Sicherheitslücken gefunden werden – und mehr Augen sehen mehr Sicherheitslücken –, können diese auch geschlossen werden, was die Software für uns alle sicherer macht. Bei Bezahlsoftware, wo man den Code nicht kennt, können solche Lücken geheim gehalten werden, um beispielsweise dem Ruf des Unternehmens nicht zu schaden oder wissentlich Zugänge für Geheimdienste offen zu lassen. Wenn ich meine Terrassentür offen lasse, kann aber nicht nur meine Katze da durchschlüpfen, sondern auch alle anderen, die wissen, dass sie offen ist.
Wir machen uns durch Open Source zusätzlich auch von marktbeherrschenden Softwareunternehmen unabhängiger, und auch das ist Bestandteil digitaler Souveränität.
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Open Source bedeutet für uns als Fortschrittskoalition: Public Money, Public Code. Da, wo öffentliche Gelder hinfließen, muss dieser Code also nicht nur für Sicherheitsüberprüfungen öffentlich zugänglich sein, sondern auch zur Weiterverwendung. Damit schaffen wir ein innovatives Umfeld, in dem aus Bestehendem neue Ideen, Impulse oder auch Start-ups entstehen können. Um uns als Gesellschaft weiterentwickeln zu können, müssen wir Wissen teilen, statt wie ein Drache auf dem Schatz zu sitzen.
Wir müssen deswegen jetzt resiliente digitale Strukturen schaffen, die es uns ermöglichen, kommende Krisen und Bedrohungsszenarien zu meistern, auch und gerade in Anbetracht von Fachkräftemangel, Klimawandel und einer älter werdenden Gesellschaft. Deswegen handeln wir als Ampel.
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Damit komme ich zum Haushalt.
Ich habe mich sehr beispielsweise über den Ausbau der Stellen beim Bundesdatenschutzbeauftragten gefreut; denn auch Datenschutz und Informationsfreiheit sind kein Nice-to-have, sondern fundamentale Rechte der Bürger/-innen. Ich bin auch froh, dass sich das BfDI in die netzpolitischen Debatten einbringt und mit uns gemeinsam datenschutzkonforme Lösungen erarbeitet. Datenschutz ist nämlich kein Bremsklotz in der Digitalisierung, sondern elementarer Bestandteil guter und demokratischer Digitalisierung.
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Auch der Sovereign Tech Fund für Open Source ist mit 10 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Das ist richtig stark.
In dem aktuellen Haushaltsentwurf fehlen mir das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung und das Open-Data-Institut, auch Dateninstitut genannt; wir werden uns als SPD in den Haushaltsverhandlungen dafür einsetzen, dass diese noch mit aufgenommen werden.
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Wir leben im Jahr 2022. Digitalisierung ist kein Nice-to-have. Wir als Ampel sind mutig und packen das deswegen an.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Stefan Seidler.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Moin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Piechotta, lieber Minister Wissing, wenn Sie hier ein schweres Erbe beklagen, dann schulden Sie es den Menschen dort draußen aber auch, ganz ehrlich zu sagen, dass wir uns wohl in Zeiten sich leerender Kassen befinden. Selten sieht man dies so eindrücklich wie im vorgelegten Verkehrshaushalt für das Jahr 2023. Die Verkehrswende, die Digitalisierung der Schiene, die steigenden Preise durch die Inflation: Wir stehen vor ganz großen Aufgaben. Dennoch sinken die Investitionen des Bundes. Wie passt das zusammen? Die Bundesregierung sendet mit diesem Haushalt ein fatales Signal an die Bürgerinnen und Bürger, die täglich mit der maroden Infrastruktur und überlasteten Bahnen konfrontiert sind.
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Es ist an der Zeit, mehr und nicht weniger Geld in die Hand zu nehmen. Herr Minister Wissing, es reicht nicht, sich dabei auf die überlasteten Hauptstrecken zwischen den Metropolen zu beschränken; denn auch der ländliche Raum muss an eine verlässliche und belastbare Infrastruktur angeschlossen werden.
Dies ist besonders im Norden ein Problem; hier mangelt es an guten und effizienten Angeboten für viele. So hat im Frühjahr dieses Jahres die Deutsche Bahn angekündigt, 890 Millionen Euro in die Schiene in Schleswig-Holstein und Hamburg zu investieren. Unmittelbar klingt das gut. Aber bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass der Löwenanteil dieser Summe der Anbindung des neuen Fehmarnbelttunnels an die Metropole Hamburg dient. In den ländlichen Räumen meiner Heimat, an der Nordseeküste, Richtung Flensburg, fühlen sich die Menschen also zu Recht abgekoppelt und von zukunftsweisender Mobilität auf der Schiene ausgeklammert. So geht es sicher auch Menschen in anderen ländlichen Teilen der Republik.
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Neben der Infrastruktur ist aber auch das Personal und hier besonders der Nachwuchs ein gewaltiges Problem. Erst kürzlich beklagten mehrere Eisenbahnunternehmer aus dem hohen Norden mir gegenüber den dramatischen Mangel an Ausbildungsmöglichkeiten für Zugführerinnen und Zugführer. Wir können doch nicht mehr und mehr Schiene fordern, und am Ende gibt es niemanden, der die Züge fahren kann! Bahnlinien sind gerade auf dem Land wahre Lebensadern. Die Menschen blicken daher zu Recht auf den Bund und wünschen sich, dass dieser Puls weiterschlägt.
Vielen Dank.
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Vielen Dank, Kollege Seidler, für die wirklich vorbildliche Einhaltung der Redezeit.
Das Wort hat der Kollege Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion.
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Moin, Frau Präsidentin! Ich muss erst einmal einen Schluck trinken; nach der Comedyeinlage vom Kollegen Florian Oßner, da hatte ich so einen trockenen Mund.
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Das war ja schon richtig gut.
Herr Minister! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Der berechtigte Warnstreik der Hafenbeschäftigten in den norddeutschen Seehäfen hat eines wieder mal gezeigt: Ohne den Seeverkehr und ohne die Seehäfen geht es nicht. 80 bis 90 Prozent des internationalen Warenhandels erfolgen über den Seeweg; das ist sehr bedeutend für den größten Industriestandort in Europa.
Die Coronakrise und der Stau im Suezkanal haben unsere wirtschaftliche Abhängigkeit vom Seeverkehr abermals verdeutlicht. Die weltweiten Lieferketten starten oder enden im Hafen der jeweiligen Handelspartner. Steht dort die Arbeit still, ruht im ganzen Land der Warenverkehr. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Bund endlich zu seiner gemeinsamen Verantwortung mit den Ländern und Kommunen für die notwendigen Hafeninfrastrukturen stehen muss.
Doch ich habe immer noch das Gefühl, dass sowohl unser Bundesverkehrsminister als auch der Bundesfinanzminister die Bedeutung der deutschen Seehäfen und der Bundeswasserstraßen für die Transport- und Logistikketten immer noch unterschätzen. Das haben die Vorgänger übrigens auch gemacht, Florian – und die wollen dann Probleme lösen, die wir ohne sie gar nicht gehabt hätten.
Anders kann ich es mir nicht erklären, dass wir heute über einen Haushaltsentwurf sprechen, in dem der nasse Bereich strukturell unterfinanziert ist: 350 Millionen Euro weniger Mittel für die Bundeswasserstraßen, das ist schon eine Hausnummer.
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– Hat er auch gesagt, genau.
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Kannst ruhig lachen jetzt, kein Problem. – Ich halte das für grob fahrlässig und für ein strategisches Risiko für den Erhalt der Bundeswasserstraßen. Aber wir gucken mal; der Koalitionsausschuss hat ja am Wochenende noch ein bisschen was beschlossen.
Über diesen umweltfreundlichen Verkehrsträger findet die Beförderung von Massengütern sowie der Transport von Containern und insbesondere von gefährlichen Gütern statt. Dieser Sommer hat uns doch eindringlich gezeigt, welche verheerenden Auswirkungen der Klimawandel auf die Pegelstände der Bundeswasserstraßen hat.
Zusammen stark bedeutet: nicht am falschen Ende sparen. Wir brauchen die dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, wie die Hafenhinterlandanbindung und für den Ausbau von Kanälen und Schleusen.
Aber es ist offensichtlich nicht nur eine Frage des Geldes. Überall Ausgabenreste, und irgendwie kriegen wir die Finanzmittel nicht so richtig verbaut. Das zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Etat; das muss man auch einmal feststellen. Die Steuerung und Umsetzung der Bauvorhaben des Bundes sind ein massives Problem. Herr Minister, da müssen Sie jetzt mal ran. Die letzten zwölf Jahre haben offensichtlich Spuren im Verkehrsministerium hinterlassen.
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Aber jetzt tragen Sie die Verantwortung. Bringen Sie den Laden mal endlich in Schwung! Ich glaube, da haben Sie auch einen Ansatz. Dass Sie das können, haben Sie mit dem 9‑Euro-Ticket bereits gezeigt. Die Unterstützung der SPD-Fraktion haben Sie in diesem Fall.
Und tun Sie mir den Gefallen: Sichern Sie die Bordarbeitsplätze von Seeleuten in der deutschen Hochseefischerei und auf Küstenfischereifahrzeugen über die Schifffahrtsförderung – was leider in der Schiffsbesetzungsverordnung nach hinten losgegangen ist. Hier warten die Beschäftigten auf die konkrete Umsetzung; das ist Haushaltsgesetz. Setzen Sie das bitte um.
Die Aufgaben im Verkehrsbereich sind riesig, allen voran die Sicherung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehäfen. Der Bund muss sein hohes Interesse an der Leistungsfähigkeit der Seeschifffahrt und der deutschen Seehäfen unter Beweis stellen. Dazu gehört, dass er sich für die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen auf europäischer Ebene einsetzt, Stichwort „Gruppenfreistellungsverordnung“. Wir werden Sie in den parlamentarischen Haushaltsberatungen begleiten und Sie daran erinnern. Ich freue mich darauf.
Danke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2022 ist in vielfacher Hinsicht ein Krisenjahr: der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, Inflation, extrem steigende Energie- und Verbrauchskosten und Sorgen um die Versorgungssicherheit. All das trifft auf eine Gesellschaft und auf eine Wirtschaft, die sich noch immer von den Auswirkungen der Coronapandemie nicht erholen konnte, damit immer noch zu kämpfen hat. Gleichzeitig brennen Wälder in ganz Europa, belastet die Hitze vor allem ältere Menschen, trocknen Flüsse aus – all das Folgen eines weiteren Hitze- und Dürresommers und der fortschreitenden Klimakrise. Jetzt rächt sich – wir spüren das ganz extrem –, dass viel zu lange das Thema Energiesparen nur ungenügend auf der Agenda gestanden hat, dass der naturverträgliche Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze verschoben bzw. blockiert wurde. Diese Erblast kommt uns jetzt teuer zu stehen.
Für die Bundesregierung haben in dieser äußerst angespannten Situation die Versorgungssicherheit und die Hilfe für die Bevölkerung – und das vor allem für die Menschen mit geringem Einkommen – Priorität. Das im Koalitionsausschuss am vergangenen Sonntag beschlossene Hilfspaket ist groß. Für mich als Verbraucherschutzministerin ist dabei die Kombination aus Strompreisbremse, dem Schutz vor Kündigungen der Mieter und vor Strom- und Gassperren sowie natürlich dem Paket finanzieller Entlastungen entscheidend gewesen. Deshalb halte ich das erzielte Ergebnis wirklich für gut.
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Ich will dazusagen, dass damit natürlich nicht alle Belastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgeglichen werden können. Das ist schlicht nicht möglich. Aber wir federn die Härten ab, und wir helfen vor allem dort, wo es am dringlichsten ist.
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Aus Sicht des Verbraucherschutzes ist ebenso essenziell, dass die Versorgungssicherheit in der gegenwärtigen Situation gewährleistet ist. Ich habe deshalb gesagt, dass wir das Ergebnis des Stresstests des Bundeswirtschaftsministeriums zur Versorgungssicherheit nüchtern bewerten werden, wenn es vorliegt. Der Bundeswirtschaftsminister hat es gestern vorgestellt und zusammen mit den Netzbetreibern festgestellt, dass es aus Gründen der Versorgungssicherheit sinnvoll ist angesichts der angespannten Lage im europäischen Stromnetz, zwei Atomkraftwerke im Süden Deutschlands für einen potenziellen Notfall in Reserve zu halten. Das halte ich für vernünftig.
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Damit wird Vorsorge für ein Worst-Case-Szenario getroffen, und gleichzeitig wird die Laufzeit der Atomkraftwerke damit aber nicht verlängert.
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Als die für die nukleare Sicherheit zuständige Ministerin möchte ich dazu zweierlei klar und deutlich sagen: Atomkraft ist und bleibt eine Hochrisikotechnologie.
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Für die Atombehörden in Bund und Ländern muss die nukleare Sicherheit oberste Priorität haben. Darauf müssen sich alle Menschen in Deutschland verlassen können. Der Beschluss zum Ende der Atomkraftnutzung in Deutschland wurde hier im Deutschen Bundestag auch mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gefasst;
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nach einem gefährlichen Zickzackkurs in dieser Frage, der uns auch teuer zu stehen gekommen ist. Mit diesem Atomausstiegsbeschluss wurde ein jahrzehntelanger gesellschaftlicher Großkonflikt beendet. Wer jetzt einsteigt in eine Diskussion über Laufzeitverlängerungen und damit in Wahrheit über den Wiedereinstieg in die Atomkraftnutzung, der kündigt diesen Konsens auf;
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und das, während wir alle voller Sorge auf ein Atomkraftwerk wenige Hundert Kilometer von uns entfernt schauen, das Gegenstand des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine wurde. Ich halte das für unverantwortlich.
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Noch dazu ringt unser Nachbarland Frankreich gegenwärtig mit den massiven Problemen der Atomkraftnutzung, mit Sicherheitsproblemen bei den Reaktoren, mit fehlendem Kühlwasser und einer dadurch immens gefährdeten Stromversorgung. Wollen Sie Deutschland ernsthaft wieder in die Abhängigkeit dieser problematischen Stromversorgung bringen?
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Wir wollen das ganz sicher nicht,
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und deshalb halten wir am Atomausstieg fest.
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Meine Damen und Herren, eine Umweltkatastrophe schlimmsten Ausmaßes hat sich erst vor einigen Wochen eine gute Zugstunde von hier entfernt ereignet. Das Fischsterben in der Oder hat uns wirklich dramatisch vor Augen geführt, wie verhängnisvoll es ist, wenn ein Ökosystem ohnehin bereits geschwächt ist und dann Hitze, niedriger Wasserstand und gravierende Verschmutzung hinzukommen. Ich hoffe inständig, dass sich das Ökosystem Oder von den Folgen dieser Katastrophe so schnell wie möglich erholen kann und dass die Folgen für die Menschen, die am und vom Fluss leben, begrenzt sind und sie schnell wieder vom und am Fluss leben können.
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Im Umweltausschuss des Bundestages habe ich vorletzte Woche berichtet, was wir, was Brandenburg, was Mecklenburg-Vorpommern in die Wege geleitet haben und weiterhin tun werden, um die Ursache dieser Katastrophe aufzuklären und den Schaden so stark wie möglich zu begrenzen.
Wir brauchen darüber hinaus ein Umdenken im Umgang mit unseren Flüssen und Gewässern; denn die verändern sich jetzt rapide, und die Gefahren durch chemische Einleitungen und den Ausbau von Flüssen erhöhen sich. Der Dürresommer zeigt, wie wichtig es ist, Wasser in der Landschaft zu halten und in den Städten zu speichern, uns auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten und Klimaschutz zu betreiben. Ich freue mich deshalb sehr, dass ich letzte Woche trotz all der Krisen und Katastrophen das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz starten konnte,
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das bis 2026 mit 4 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds ausgestattet ist.
Der natürliche Klimaschutz ermöglicht eine dreifache Dividende: für den Klimaschutz, für den Naturschutz und für die Anpassung an die Folgen der Klimakrise. Wälder und Auen, Böden und Moore, Meere und Gewässer, naturnahe Grünflächen in der Stadt und auf dem Land binden Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern es langfristig. Sie nehmen Hochwasser auf, und sie sorgen bei Hitze für Abkühlung. Damit sichern sie unsere Lebensgrundlagen und unser Wirtschaften, gerade auch für die Landwirtschaft. Deshalb ist meine Priorität, dieses Programm jetzt tatsächlich in die Realität zu bringen. Wir werden natürlich mit weiteren Maßnahmen, mit unserer Wasserstrategie, mit dem Klimaanpassungsgesetz, diese konkreten, in der Realität jetzt beginnenden Maßnahmen unterstützen.
Die Haushaltsberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind eine gute Gelegenheit, neben den akuten Herausforderungen auch auf die langfristigen Krisen zu schauen und die Konzepte zur Bewältigung dieser Krisen zu diskutieren.
Vielen Dank bis hierher.
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Das Wort hat die Kollegin Dr. Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Haushaltsdebatten dienen der Regierung dazu, ihre Schwerpunkte vorzustellen. Für die Opposition sind sie Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Die Bilanz zu Ihrem Haushalt und zur Politik des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz – das ist wenig überraschend – enttäuscht uns. Zu den Themen, die die Menschen wirklich umtreiben, zu den hohen Kosten, zu den dringend nötigen Entlastungen, war von der Verbraucherschutzministerin, ehrlich gesagt, wenig zu hören. Die Menschen wissen nicht, wie es im Winter weitergeht, wie sie die hohen Preise stemmen sollen.
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Gleichzeitig sollen mehr als 20 Millionen Gaskunden mit der Gasumlage Unternehmen stützen, die von einem Zusammenbruch teilweise überhaupt nicht bedroht sind. Das soll jetzt nachgebessert werden. Aber: In der ganzen Diskussion habe ich die Stimme der Verbraucherschutzministerin vermisst. Eine Verbraucherschutzministerin muss sich doch einschalten, muss doch Alternativen entwickeln.
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Sehr geehrte Frau Ministerin, werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, und bringen Sie sich ein! Die Gasumlage, so wie sie jetzt konzipiert ist, kann es so nicht geben. Sie muss zurückgezogen werden, Frau Ministerin.
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Mit dem dritten Entlastungspaket werden teilweise unsere Forderungen übernommen; aber es enthält auch viele Leerstellen und Fragezeichen. Sie vergessen die Normalverdiener, die gerade so über den Sozialhilfesätzen liegen.
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Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind angestellt; sie sind auf ihren Arbeitsplatz angewiesen. Wo sind die konkreten und dringend benötigten Entlastungen für die kleinen und mittleren Unternehmen? Das Entlastungspaket enthält dazu nur Ankündigungen. Es ist derzeit völlig unklar, wie und wann die Unternehmen durch die sogenannte Strompreisbremse entlastet werden. Die kleinen und mittleren Unternehmen sind es doch, die den Karren in Deutschland ziehen; sie sind es doch, die für das Bruttosozialprodukt verantwortlich sind. Da braucht es konkrete Unterstützung, sonst sehe ich für die Arbeitslosenquote in Deutschland schwarz, liebe Frau Ministerin.
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Eine neue Kommission soll sich jetzt der hohen Gaspreise annehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein Offenbarungseid. Die Regierung verfällt in ein gefährliches Muster: Wenn du nicht mehr weiterweißt, dann bilde einen Arbeitskreis. Aber die Zeit drängt, und die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen zu Recht wissen, in welcher Höhe sie wann mit einer Entlastung rechnen können. Die Belastung steht mit der Gasumlage im Raum. Bringen Sie endlich Licht ins Dunkel, und nehmen Sie den Menschen die Angst!
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Betrachtet man die bisher vom Bundesministerium vorgeschlagenen Gesetze, die vom Parlament verabschiedet wurden, steht nur die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes zu Buche. Das ist ernüchternd und viel zu wenig. Man muss ernsthaft die Frage stellen: Können Sie Krise? Haben Sie die Zeichen der Zeit erkannt? Inhaltlich ist die Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes viel zu kurz gegriffen. Damit erreichen wir nicht die dringend benötigte Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die wir für die Energiewende brauchen.
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Nur wenn wir in allen Bereichen – bezüglich aller Infrastrukturvorhaben, nicht nur bei der Windenergie – Planungsbeschleunigung hinbekommen, können wir Versorgungssicherheit gewährleisten und Klimaneutralität erreichen. Deshalb sage ich: Lassen Sie die Erleichterungen für sämtliche Infrastrukturvorhaben zu, und bessern Sie auch dieses Gesetz nach, Frau Ministerin!
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Zum Thema Kernenergie. Bislang hat die Regierung immer betont: Es gibt in Deutschland nur ein Wärmeproblem, aber kein Stromproblem.
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Das war Ihr Mantra. Der Stresstest hat jetzt gezeigt, dass es in manchen Regionen Deutschlands im Winter auch zu Stromengpässen kommen kann. Und was ist Ihre Reaktion? Zwei Kernkraftwerke in der Notreserve sollen es jetzt richten.
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Das heißt, es ist noch gar nicht klar, ob sie aktiviert werden;
(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das steht da nicht drin! – Gegenruf des Abg. Steffen Bilger [CDU/CSU]: Natürlich!
sie müssen für viel Geld vorgehalten werden. Das ist ehrlich gesagt ein schlechter Witz. Damit haben Sie die Chance auf eine sichere, bezahlbare und eine klimafreundliche Energieversorgung verpasst, liebe Ampel.
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Wir müssen alle Optionen nutzen. Wir müssen die Stromkapazitäten insgesamt erhöhen. Entlastungen sind wichtig und notwendig; aber damit lösen Sie das Grundproblem am Strommarkt nicht. Nur wenn wir das Angebot erhöhen, lösen wir dieses Problem. Nur das wirkt letztendlich preisdämpfend, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Deshalb brauchen wir eine befristete Laufzeitverlängerung – das ist kein Wiedereinstieg, Frau Ministerin – aller drei Kernkraftwerke, damit wir sicher und zu bezahlbaren Preisen durch den Winter kommen. Ihre ideologisch geprägte Politik
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schadet unserem Land und belastet die Menschen.
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Auch das dringend benötigte Klimaanpassungsgesetz lässt weiter auf sich warten. Und bei diesen Herausforderungen verwundert es schon, wenn die Mittel für Klimaanpassungsmaßnahmen mit diesem Haushalt um 15 Millionen Euro gekürzt werden.
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Das passt nicht zusammen.
Mein Fazit zum Haushalt ist: An vielen Stellen müssen die Schwerpunkte anders gesetzt werden; meine Kolleginnen und Kollegen werden noch darauf eingehen. Sie können sich sicher sein, dass wir uns konstruktiv in diese Haushaltsdebatte einbringen. Parallel dazu muss die Ministerin als Stimme der Verbraucherinnen und Verbraucher stärker zu hören sein, die angekündigten Initiativen schneller vorlegen. Die Regierung muss in der derzeitigen Krise wirklich den Menschen helfen. Das sind Sie ihnen schuldig.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Michael Thews für die SPD-Fraktion, der es sich nicht nehmen lässt, an seinem Geburtstag in die Debatte einzugreifen.
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Vielen Dank für die Glückwünsche, Frau Präsidentin! Es gibt nichts Schöneres, als seinen Geburtstag bei den Kolleginnen und Kollegen im Plenum zu verbringen; insofern bin ich sehr gerne hier.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich will vielleicht noch ein Wort zu Frau Weisgerber sagen. Frau Weisgerber, Sie lösen mit Ideen von vorgestern nicht die Probleme von heute.
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Da Sie immer wieder die Atomkraft anbringen: Wir reden hier über 6 Prozent der Energie, die die Atomkraftwerke liefern, und über riesige Probleme.
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Wir benötigen die Hälfte der Haushaltsmittel für die Endlagerung von radioaktiven Abfällen. Wir erzeugen Abfälle für Tausende von Jahren und belasten damit die Nachfolgegenerationen für eine kurze Spanne der Energiegewinnung von gerade mal 6 Prozent. Dieselbe Größenordnung könnten wir momentan unter anderem mit Biogas erzeugen. Das sollte man nicht vergessen.
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Die derzeitige weltpolitische Lage, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, die Spannungen zwischen China und Taiwan, die Auswirkungen der Coronapandemie haben Deutschland und Europa deutlich vor Augen geführt, dass wir, um zu exportieren und zu produzieren, Energie- und Rohstoffeimporte aus anderen Ländern brauchen, um unseren Wohlstand nicht zu gefährden. Auch wenn der Fokus, wie gerade eben schon bemerkt, auf Energieknappheit liegt, gibt es auch immer wieder Verknappungen bei Rohstoffen und Vorprodukten. Bauprojekte verzögern sich, Hightechprojekte sind nicht mehr durchführbar, weil Elemente fehlen. Die Automobilindustrie leidet unter fehlenden Ersatzteilen und Teilen, die nicht geliefert werden. Wir merken also: Rohstoffe wie Lithium, Metalle, Öl und vieles mehr sind knapp und teuer, und die Nachfrage steigt.
Ein Stück Unabhängigkeit von Lieferungen aus anderen Ländern bringt einmal die Produktion hier vor Ort, aber natürlich auch – das sage ich ja seit Jahren immer wieder – ein hochwertiges Recycling und eine durchdachte Kreislaufwirtschaft. Sie stellen genau die Rohstoffe hier im Land bereit, die wir dringend brauchen. Das ist gut für die deutsche Wirtschaft, und das ist gut für den Schutz der Umwelt.
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Damit Rohstoffe nicht illegal das Land verlassen, brauchen wir eine entschlossene Verfolgung von illegalen Abfalltransporten. Frau Ministerin Lemke, Sie haben das zwar für die Transporte nach Polen angekündigt – da gibt es solche Vorfälle –, aber wir müssen insgesamt dafür sorgen, dass illegale Transporte eingeschränkt werden. Wir beobachten das seit Jahren in immer wieder neue Länder. Sie haben bei diesem Vorhaben meine und die Unterstützung meiner SPD-Fraktion. Wir sind sehr gespannt auf Ihre Vorschläge in dem Bereich.
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Die Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen, sind groß; aber wir werden nicht lockerlassen: bei der ökologischen Transformation, bei der Energiewende, bei dem Umbau der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. Eine nachhaltige Entwicklung bedeutet, nachfolgenden Generationen keine haushohen Schulden zu hinterlassen, keine unwiederbringlich zerstörte Natur und keine weiteren radioaktiven Abfälle für Tausende von Jahren.
Vor diesem Hintergrund stehen die Verhandlungen zum Haushalt des Umweltministeriums. Und ich bin sehr froh, dass dieser Haushalt nicht gekürzt, sondern um knapp 264 Millionen Euro auf insgesamt 2,4 Milliarden Euro aufgestockt wurde. Ein Punkt, der mir dabei besonders wichtig ist, ist der nationale Meeresschutz. Er erfährt einen Aufwuchs von 1 Million auf 22 Millionen Euro. Ein wichtiger Punkt ist hierbei die Bergung der Munitionsaltlasten, die wir in Nord- und Ostsee haben. Insgesamt liegen dort 1,6 Millionen Tonnen Bomben, Granaten, Torpedos und vieles andere mehr, auch Reste chemischer Kampfstoffe, die verfallen so langsam, die korrodieren und setzen giftige Substanzen frei, die wir heute schon messen können. Wir brauchen das Geld dringend, um eine schwimmende Plattform in Auftrag zu geben, die vollautomatisch die Bergung vornimmt, die Munition zerlegen kann und unschädlich macht.
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Mit der Kollegin Bettina Hagedorn – sie ist auch heute hier – haben wir vor Kurzem eine Veranstaltung gemacht. Wir haben mit Experten gesprochen, die noch mal bestätigt haben, dass wir mit dieser Plattform starten können, dass es aber auch nötig ist, jetzt damit zu starten. Deswegen will ich das an dieser Stelle noch mal erwähnen. Im Haushalt für 2023 sind hierfür 20 Millionen Euro veranschlagt. Ich könnte mir vorstellen, dass wir das auch noch erhöhen; das wird sich innerhalb der Beratungen zeigen.
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Einen weiteren bedeutenden Aufwuchs um 26,6 Millionen Euro haben wir beim Bundesnaturschutzfonds. Hier sind viele Dinge enthalten: der Wildnisfonds, die Auenrenaturierung, das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Aber ich will an dieser Stelle noch mal sagen, dass wir insbesondere beim Artenschutzprogramm vieles vorhaben. Im Bereich des Ausbaus der regenerativen Energie, insbesondere der Windkraftanlagen, wollen wir natürlich dafür sorgen, dass der Artenschutz nicht gefährdet wird. Deswegen ist dieses Programm an der Stelle besonders wichtig.
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Ebenfalls einen Aufwuchs gibt es bei dem Förderprogramm zur Vermüllung der Meere. Für das Jahr 2023 werden 8 Millionen Euro mehr veranschlagt; ich will das noch mal besonders erwähnen. Dieses Projekt machen wir ja durchaus auch schon länger. Mit den Mitteln werden Organisationen mit Sitz in Deutschland gefördert, die Projekte zum Beispiel in Vietnam, Indien und in der Karibik durchführen. Dies ist ein ganz wichtiger Beitrag für ein globales Problem, die Vermüllung der Weltmeere. Ich glaube, dieses Geld ist sehr gut angelegt. Es ist ein Förderprogramm genau zur richtigen Zeit.
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Ein Bereich, der in diesem Haushalt neu dazugekommen ist, der aber besonders wichtig ist, ist der Verbraucherschutz. Gerade in diesen Zeiten haben wir mit Energieknappheit, mit sozial-ökologischer Transformation und mit Digitalisierung zu tun, und ebendort gibt es einen besonderen Bedarf für den Verbraucherschutz. Gerade in letzter Zeit haben wir erlebt, dass Verbraucher immer wieder mit schwierigen Situationen konfrontiert wurden. Es wurden Verträge gekündigt, es kam zur Einstellung der Belieferung mit Strom, zu unzulässigen Preiserhöhungen und vielem mehr. Es ist ganz wichtig, dass wir die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland in dieser Situation, in der die Herausforderungen sowieso groß sind, in der aber auch vieles schiefläuft, nicht alleinlassen, dass wir dort unterstützen, wo Unterstützung notwendig ist. Dafür brauchen wir auch die Informationen in diesem Bereich. Deswegen setzen wir uns für ein Bundesinstitut für Verbraucherforschung ein. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir es im nächsten Jahr schaffen, dieses Institut zumindest, sage ich mal, zu prüfen und auf den Weg zu bringen. Man muss dann noch darüber reden, wie es genau ausgestaltet wird. Aber ich glaube, es ist eine gute Idee, insbesondere für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich auf die weiteren Haushaltverhandlungen. Lassen Sie uns streiten! Lassen Sie uns verhandeln, für die besten Lösungen für die Menschen in unserem Land! Ich glaube, das ist ein ganz wichtiges Ziel. Wie gesagt: Ich freue mich auf die nächsten Wochen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Umwelt- und Naturschutz können einen wichtigen Beitrag zur Bewahrung unserer Heimat leisten. Gelingen wird es dann, wenn man den Schutz unserer Heimat zum vorrangigen Ziel macht.
Diese Bundesregierung will das aber gerade nicht. In der Energiepolitik lässt sie keinen Stein auf dem anderen. Sie bringt das Kunststück fertig, gleichzeitig die Versorgungssicherheit und viele schöne deutsche Landschaften zu zerstören. 2 Prozent der Fläche Deutschlands will man mit Windrädern und Solarkraftwerken zupflastern. Gegen diese angsteinflößenden Pläne hätte das Umweltministerium mit aller Kraft Widerspruch einlegen müssen.
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Zu hören war aber: nichts.
Es gäbe Alternativen. Seit Jahren setzt sich die AfD für die Weiternutzung der Kernenergie und für innovative, besonders sichere Reaktortypen ein.
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Inzwischen haben viele verstanden, dass das der richtige Weg ist.
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Der Ruf nach der Weiternutzung der deutschen Kernkraftwerke erreicht in der Energiekrise inzwischen Sturmstärke. Nur an einer Stelle wird er nicht begriffen, nämlich in der Regierung und insbesondere nicht in den grün geführten Ministerien.
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So war Ihr Haus, Frau Ministerin Lemke, mit dem Erheben von Bedenken gegenüber diesen Kraftwerken extrem schnell.
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Nie und nimmer kann das das Ergebnis einer gründlichen Prüfung gewesen sein. Stattdessen hat man offensichtlich einfach ein grünes Ideologiepapier aus der Schublade gezogen, so wie das, aus dem Sie vorhin abgelesen haben.
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Wenn aber ein Stresstest für die Energieversorgung ansteht,
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dauert es bei dieser Regierung Wochen und Monate. Heraus kommt dann ein Placebo, völlig wirkungslos gegen die explodierenden Strompreise.
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Im Haushalt des Umweltministeriums könnte man durch eine zukunftsorientierte Energiepolitik viel einsparen. Wir dürfen erwarten, dass moderne Reaktortypen die langlebigen nuklearen Reststoffe älterer Kraftwerke als Brennstoff verwenden können. Schade, Herr Kollege Thews, dass Sie dieses Konzept anscheinend nicht kennen.
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Dann erübrigt sich nämlich eine Endlagerung weitgehend, und man hätte mit diesem Thema erheblich weniger Aufwand.
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Mehr Aufwand plant das Umweltministerium künftig für Sachverständige und für Dienstreisen ein. Das Beraterunwesen wuchert also weiter, und Videokonferenzen statt Dienstreisen empfiehlt das Ministerium höchstens anderen.
An dieser Stelle habe ich schon bei der letzten Haushaltsberatung das Umweltbundesamt angesprochen. Ich fordere es erneut dazu auf, zu akzeptieren, dass immer mehr Menschen Holz als nachwachsenden Rohstoff zum Heizen verwenden. Das Versagen der Energiepolitik macht das für viele zur Existenzfrage. Ein Verbot von Holzfeuerung wäre daher Irrsinn.
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In Bayern macht man sogar schon Ausnahmen von bereits verhängten Verboten. Aufklärung über das richtige Heizen mit Holz statt Verbotspolitik: Das wäre das Gebot der Stunde.
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Aber in der Regierung glaubt man immer noch, mit grüner Politik könnte man die Welt retten. Dabei stehen die Zeichen des Scheiterns längst an der Wand. Realistisch wäre es daher, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel stärker zu fördern. Aber ausgerechnet hier soll der Haushalt um ein Viertel gekürzt werden. Es gibt also viel zu verbessern. Die AfD-Fraktion wird das in den nächsten Wochen in aller Klarheit einfordern.
Vielen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Judith Skudelny das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch der Haushalt 2023 im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich steht im Zeichen der Zeitenwende, steht im Zeichen der Krise, die ausgelöst wurde durch Putins und Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die und in der Ukraine. Dieser Angriffskrieg hat natürlich auch auf uns Einfluss. Einen dieser Einflüsse sehen wir ganz aktuell auf den Energiemärkten im Bereich der Energiepolitik. Jede Bundesregierung, auch diese Bundesregierung, hat ein Versprechen gegenüber den Menschen in Deutschland und der Wirtschaft in Deutschland einzulösen. Es ist das Versprechen auf sichere, saubere und bezahlbare Energie, und dieses Versprechen wird die Ampelregierung einlösen.
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Wir haben schon gesehen, dass natürlich nicht alles einfach ist, und der Stresstest zeigt, dass die Netzsicherheit, insbesondere im Frühjahr nächsten Jahres, nicht an jedem Punkt gegeben ist. Das ist einfach so. Da kann man noch darüber reden, wie scharf die Situation ist. Aber wir werden Dinge tun müssen. Und sogar Robert Habeck hat gesagt: Wir werden wahrscheinlich einen Reservebetrieb für das Frühjahr 2023 benötigen.
Jetzt gibt es aber eine Sache, die liegt uns als FDP ein bisschen auf der Seele. Wir wissen, dass wir die Gaslieferungen aus Russland bis ins Jahr 2024 problemlos durch LNG und Wasserstoff ersetzen werden können. Das bedeutet aber, dass wir noch einen Herbst und ein Frühjahr vor uns haben. Und wenn wir das Atomgesetz in die Hand nehmen, um die Stromversorgung in Deutschland für das Frühjahr 2023 zu sichern, dann müssen wir uns doch auch fragen: Was ist bis in das Jahr 2024 hinein? Deswegen möchten und werden wir darüber diskutieren, ob wir nicht anstatt einem Plänchen bis ins Frühjahr nächsten Jahres nicht einen vernünftigen Plan für die Energiesicherheit bis 2024 machen sollten.
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Das würde uns übrigens auch aus einer weiteren Klemme befreien, nämlich der Klemme, zwischen sicher und sauber unterscheiden zu müssen.
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Wir wollen doch sicher und sauber.
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Deswegen wollen wir eben nicht Kohle und Öl hochfahren, sondern wir wollen eine Energieversorgung, die dem Klimaschutz Rechnung trägt.
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Das müssen wir auch im Jahr 2023 im Blick behalten. Wir wollen Stromsicherheit, wir wollen Energiesicherheit, und wir wollen Klimaschutz gemeinsam leisten.
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Bleibt noch das kleine Thema „bezahlbar“. Und ganz ehrlich: Die Menschen in Deutschland, die Wirtschaft und die Verbraucherinnen und Verbraucher merken, dass das Thema „bezahlbare Energieversorgung“ kräftig ins Wanken geraten ist.
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Jeder merkt das bei sich, aber viele Leute merken es tatsächlich schon bis an ihre existenzielle Grenze. Deswegen ist es richtig und notwendig, dass diese Bundesregierung die Nöte der Menschen aufgreift und ein 65-Milliarden-Euro-Entlastungspaket vorgelegt hat. Dafür bitte auch mal ein Applaus von Ihrer Seite; denn dazu haben Sie gar nichts gesagt.
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Dieses Paket umfasst etwas, was die CDU nie hingekriegt hat, nämlich eine Entlastung der Mittelschicht in Deutschland durch den Abbau der kalten Progression. Das ist nicht erst seit der Inflation überfällig.
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Wir geben den Leuten zurück, was sie verdienen, und zeigen, dass sich Leistung in Deutschland lohnt.
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Wir entlasten Rentnerinnen und Rentner, Auszubildende, Studenten und Geringverdiener. Wir geben ihnen die Möglichkeit, ihre Energierechnung zu zahlen,
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und wir geben den Menschen ein Versprechen ab. Denen nämlich, die sich bemühen, die versuchen, ihre Stromrechnung zu zahlen, die vielleicht sogar noch kalt duschen und trotzdem in existenzielle Nöte kommen, denen versprechen wir: Es wird keine Strom- und Gassperren in Deutschland geben für diese Menschen.
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Das ist Verbraucherschutz in Krisenzeiten, das ist es, was die Ampelregierung auf den Weg gebracht hat, und das ist es, was wir den Menschen versprechen können.
Noch eine kleine Bemerkung an dieser Stelle; ich habe noch eine Minute und zwanzig Sekunden Redezeit. Ich möchte gerade am heutigen Tag an etwas erinnern, was wir als FDP den Menschen auch versprochen haben: Gestern haben die Trilogverhandlungen zur Zukunft des Kolbenmotors ab 2035 begonnen. Die FDP hat im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass es eine Zukunft für den Verbrennungsmotor ab 2035 geben wird, wenn er klimaneutral gefahren werden kann.
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Wir haben uns in der Bundesregierung durchgesetzt und uns dafür eingesetzt, dass im Europarat ein entsprechender Beschluss gefasst wird, und wir werden weiterhin mit Argusaugen darauf achten, dass das nicht ein Papiertiger wird, sondern dass dieser Beschluss Eingang findet in die europäische Beschlusslage: dass der klimaneutrale Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen und E‑Fuels eine Zukunft hat. Das ist ein Versprechen, das wir als FDP-Fraktion den Menschen gegeben haben, ein Kompromiss, den wir verhandelt haben, und wir werden dafür Sorge tragen, dass er von der Ampelregierung auch auf europäischer Ebene umgesetzt wird.
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Das Wort hat der Kollege Victor Perli für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Umweltministerium hat 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind nur 0,5 Prozent des Haushalts; aber selbst von diesem bisschen fließt mehr als die Hälfte nicht in den Umwelt- und Naturschutz, sondern in die Lagerung von Atommüll. Ehrlicherweise ist Frau Lemke nicht Umweltministerin, sondern Ministerin für Atommüll.
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Wir finden es völlig falsch, dass die Ampelkoalition die Umweltpolitik so runterfährt. Es muss mehr getan werden. Wir müssen mehr Geld für die Umwelt ausgeben.
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Ausgerechnet jetzt öffnen grüne Minister die Tür für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke, obwohl die seit Jahren keine gültigen Sicherheitsnachweise mehr haben. Das ist verantwortungslos.
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Frau Lemke, Sie sind für die Sicherheit zuständig. Wo bleibt eigentlich Ihre Kritik? Alle Umweltverbände haben die Entscheidung von gestern deutlich kritisiert. Das ist ein Kniefall vor der Atomlobby, die jetzt Morgenluft wittert. Frau Lemke, Sie sind sogar die erste Umweltministerin, die sich Gesprächen mit den Menschen verweigert, die von Atommüll betroffen sind. Bei mir in Niedersachsen soll der alte Schacht Konrad Endlager für 95 Prozent des deutschen Atommülls werden. Das ist vor 40 Jahren ohne faires Verfahren und ohne gute Argumente so entschieden worden. Selbst der Chef der Atommüllbehörde, Wolfram König, hat gesagt: Heute würde man ein solches Bergwerk nicht nehmen. – Wie können Sie da, Frau Lemke, der Stadt Salzgitter, den Umweltverbänden, den Landwirten das Gespräch verweigern? Salzgitters Oberbürgermeister sagt über Sie: Ich habe selten eine solch ignorante Haltung in Berlin erlebt. – Wir sagen: Recht hat er.
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Der Naturschutzbund stellt entsetzt fest, dass eine „grüne Umweltministerin das Gespräch über Sicherheitsprobleme mit Atommüll verweigert“. Beim Skandal-Atommülllager Asse II, auch in Niedersachsen, dasselbe: Mit eiskalter Machtpolitik will Frau Lemke ein Zwischenlager mitten in ein Naturschutzgebiet setzen, ohne Alternativen zu prüfen, und sie lehnt Gespräche mit den Betroffenen ab.
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Stattdessen hat sie sich in den letzten Wochen ausgiebig Zeit dafür genommen, für die Grünen auf Wahlkampftour durch Niedersachsen zu gehen. Das ist wirklich skandalös und eine Unverschämtheit gegenüber den Menschen, die mit Ihnen sprechen wollen, die von Ihrer Politik betroffen sind. Sie machen Wahlkampf, anstatt Ihre Arbeit als Ministerin zu machen, Frau Lemke.
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Fazit: Der Umweltschutz kommt bei dieser Regierung genauso unter die Räder wie das Soziale. Wir werden als Linke hier weiter Druck machen, damit sich das endlich ändert.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Sebastian Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz wächst an; Michael Thews hat es gesagt. Das ist gerade jetzt in diesen schwierigen Zeiten ein wichtiges Signal. Es gibt allerdings ein großes Aber: Ein großer Anteil der Mittel ist durch die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll gebunden. Atomenergie kostet uns alle viel Geld, und zwar noch lange, nachdem wir den letzten Meiler abgeschaltet haben. Die Ausgaben für die Zwischen- und Endlagerung machen im Jahr 2023 nach den Planungen der Bundesregierung 1,16 Milliarden Euro aus; das sind 48 Prozent des Gesamthaushalts dieses Ressorts.
Im Finanzplanungszeitraum sind es über 2 Milliarden Euro allein für die Zwischenlagerung. Dazu kommen für die Endlagerung und das Standortauswahlverfahren noch einmal 4 Milliarden Euro. Das ist grundsätzlich aus dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung zu finanzieren, aber da verbleiben natürlich erhebliche Risiken beim Staat. Die Stilllegung des Endlagers Morsleben und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II sind nicht refinanzierbar. Allein die Stilllegung von Asse II wird bis zum Beginn der Rückholung – das ist nach dem jetzigen Stand im Jahr 2033 – etwa 3,1 Milliarden Euro kosten, die Stilllegung von Morsleben bis zum Projektende 2028 etwa 420 Millionen Euro. Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle ist noch lange nicht in Sicht.
Meine Damen und Herren von der Union – und leider muss ich das auch manchen Kolleginnen und Kollegen in der FDP sagen –, Sie wollen mit der Atomenergie eine Brücke bauen, aber diese Brücke ist unsicher, teuer und führt ins Nichts.
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Angesichts dieser Summen ist es besonders wichtig, Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz effektiv und effizient zu betreiben. Dabei geht es um Priorisierung. Manche Situationen sind besonders akut, da können unsere Antworten nicht warten. Wir hatten im Sommer das dramatische Fischsterben in der Oder. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt, aber es ist wichtig, dass wir mit angemessenen Maßnahmen reagieren können, sobald klar ist, was wir an der Oder brauchen. Das werden wir natürlich während der Haushaltsverhandlungen beobachten und dann entsprechend agieren. Das gilt genauso für die Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee, die korrodieren und zunehmend höhere Schäden und Kosten verursachen, wenn wir nicht zügig einschreiten.
Wir müssen auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die freigegebenen Mittel auch abfließen und Projekte in Zukunft in der Größenordnung und Geschwindigkeit umgesetzt werden, die im Haushalt vorgesehen sind. Das ist gerade beim natürlichen Klimaschutz ganz besonders wichtig.
Das wird der Schwerpunkt unserer Haushaltsverhandlungen sein. Ich freue mich auf die Beratungen mit den geschätzten Kolleginnen und Kollegen und dem Ministerium.
Herzlichen Dank.
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Ganz herzlichen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie nun auch noch mal herzlich begrüßen an diesem späten Nachmittag. Das Wort erhält Astrid Damerow für die Unionsfraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit einem Dreivierteljahr ist die Ampelkoalition nun im Amt. Schon bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt 2022 hat meine Fraktion die mangelnde Klarheit kritisiert. Damals bekamen wir zur Antwort, es handele sich nur um einen Übergangshaushalt. Somit hatten wir erwartet, dass dieser Entwurf deutlich klarer und eindeutiger wäre – leider Fehlanzeige. Ein Blick in den vor uns liegenden Entwurf führt mich zu der Erkenntnis, dass wirklich mehr Fragen als Antworten bleiben. Immer wieder kündigen Sie viele Vorhaben an: Aktions-, Strategie- und Maßnahmenpläne. Meist aber fehlt die entsprechende finanzielle Planung für Ihre Vorhaben.
Dazu ein paar Beispiele:
Vor einem Jahr hat die damalige Umweltministerin die Eckpunkte zur Nationalen Wasserstrategie vorgelegt. Jetzt gibt es einen Entwurf der Nationalen Wasserstrategie, der sich in der Ressortabstimmung befindet. Die Wasserstrategie soll Antworten geben, wie wir bis zum Jahr 2050 zu einem nachhaltigen Umgang mit Wasser und Gewässern kommen. Der Entwurf ist in vielen Punkten richtig, der angehängte Aktionsplan ausgesprochen ambitioniert, und beides weckt sehr hohe Erwartungen. Allerdings, Frau Ministerin, fehlt es an einem konkreten Maßnahmenplan, der die Vorhaben priorisiert und im Übrigen auch finanziert. Hier bleiben Sie sämtliche Antworten schuldig.
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Welche Kosten werden für bisher fehlende Flächen für Renaturierung entstehen? Wer trägt die finanziellen Belastungen, die auch in Zukunft durch Wetterextreme wie Starkregen, Hochwasser oder Dürre entstehen werden? Welche Investitionen sind beispielsweise erforderlich, um die personellen und technischen Kapazitäten unserer Wasserwirtschaftsverwaltung bundesweit zu sichern? Wie soll eine vierte Reinigungsstufe in der Fläche konkret finanziert werden? Länder und Kommunen und alle Bereiche der Wirtschaft und Verwaltung müssen aber wissen, was auf sie zukommt. Das ist auch in diesem Haushalt nicht ersichtlich.
Ein zweiter Punkt, bei dem ich Klarheit vermisse, ist die Bergung der circa 1,6 Millionen Tonnen Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee. Die Bundesregierung will noch in diesem Jahr den Bau einer Plattform in Auftrag geben, um die Munition zu bergen. Diese Bergungsplattform soll etwa 100 Millionen Euro kosten, so erste Schätzungen. Für das Jahr 2023 planen Sie 20 Millionen Euro im Haushalt ein. Wenn die Plattform jedoch, wie von Ihnen geschrieben, schon 2024 und 2025 arbeiten soll, dann muss ich die Frage stellen: Woher kommen die anderen 80 Millionen Euro? Dazu ist in der weitergehenden Finanzplanung nichts zu finden.
Die an Nord- und Ostsee gelegenen Bundesländer wollen Sie finanziell beteiligen. Das ist diesen Bundesländern auch durchaus klar. Allerdings: Haben Sie da mittlerweile Gespräche aufgenommen? Meines Wissens nicht. Oberflächlich betrachtet, erwecken Sie in Ihrem Haushaltsentwurf den Eindruck, Sie würden schnell handeln. Tatsächlich sind aber Baubeginn der Plattform sowie Durchführung der Erprobung nicht durchfinanziert und damit völlig offen. Bei der Gelegenheit stellt sich auch die Frage: Was ist eigentlich aus Ihrem angekündigten Sofortprogramm zur Bergung der Munitionsaltlasten geworden?
Das dritte Beispiel ist das dramatische Fischsterben an der Oder. Es ist völlig klar, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch einen erheblichen Bedarf an Aufklärung der Ursachen gibt. Es ist wichtig, dass die Verursacher und eventuelle behördliche Fehler gefunden werden. Es ist auch klar, dass die Aufklärungsarbeit in Zusammenarbeit mit Polen sehr schwierig ist. Aber gerade deshalb können wir nicht warten, bis alle Haftungsfragen geklärt sind.
Bereits heute entstehen in den entsprechenden Bundesländern Kosten, und zwar nicht nur für die Länder, sondern auch für die betroffenen Kommunen und Unternehmen, aber auch für Privatleute. Sind Sie mit diesen Ländern darüber im Gespräch, wer welche Kosten übernimmt? Werden unmittelbar und mittelbar Betroffene entschädigt? Auch darauf gibt der Haushaltsentwurf keine Antwort,
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genauso wenig übrigens wie auf die Frage der anfallenden Kosten zur Behebung der Schäden am Ökosystem. Oder wollen Sie damit auch die Kommunen und die Länder alleine lassen?
Sehr geehrte Frau Ministerin, Ihre Ziele und Ihre Ideen und auch die Ziele und Ideen der gesamten Regierung sind sicher nicht alle falsch. Sie sind meist sehr ambitioniert und werden stets sehr eloquent vorgetragen und öffentlichkeitswirksam präsentiert.
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Die finanzielle Ausstattung dazu bleibt allerdings häufig auf der Strecke oder ist nicht vorhanden oder unklar – keiner weiß es. Sie arbeiten wirklich ganz oft mit ungedeckten Schecks. Damit laufen Sie Gefahr, dass aus Ihrer Koalition des Aufbruchs und des Fortschritts eine Koalition der Luftnummern wird.
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Dieser Haushaltsentwurf lässt mehr Fragen offen, als er beantwortet. Das ist nicht ungewöhnlich. Wir werden die nächsten Wochen dazu nutzen, von Ihnen Antworten einzufordern und Ihnen unsere Ideen vorzulegen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Als Nächstes erhält das Wort für die SPD-Fraktion Jakob Blankenburg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Umweltministerin Lemke! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Haben wir in den vergangenen Wochen aus dem Fenster geblickt oder in die Zeitung geschaut, dann sahen wir Dürre vor unserer Haustür mit trockenen Flussbetten und Seen, verseuchte Fische in der Oder – wir haben es gerade gehört –, brennende Wälder fast überall in Europa, Überschwemmungen in Pakistan und gigantische Müllinseln in unseren Ozeanen.
Diese Phänomene sind Ausdruck einer Vielzahl von globalen Krisen: der Klimakrise, der Biodiversitätskrise und auch der Müllkrise. Diese Krisen finden längst nicht mehr nur am anderen Ende der Welt statt, sondern auch hier bei uns, in der direkten Nachbarschaft. Diese Krisen müssen uns eine Warnung, aber auch eine Handlungsaufforderung sein, wenn wir es ernst meinen mit dem Anspruch, unseren Planeten auch für zukünftige Generationen lebenswert zu erhalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist es gut, dass der Haushalt des Bundesumweltministeriums für das kommende Jahr, über den wir heute beraten, mehr Geld zur Bekämpfung der Ursachen und Auswirkungen ebendieser Krisen vorsieht.
Die Klimakrise wurde in den letzten Wochen und Monaten bereits deutlich spürbar. 98 Prozent der Fläche Deutschlands – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – sind von Dürre betroffen. Flüsse und Seen tragen so wenig Wasser, dass Schifffahrtswege nicht mehr passierbar sind, dass Industrieanlagen und Kraftwerke nicht mehr ausreichend gekühlt sind. Da lohnt sich auch ein Blick zu unseren Freundinnen und Freunden nach Frankreich, gerade vor dem Hintergrund dessen, was wir heute in der Debatte schon dazu gehört haben.
Neben dem Zuwenig an Wasser, das in diesem Sommer unübersehbar ist, hat sich der Sommer des vergangenen Jahres mit den reißenden Fluten im Ahrtal in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Dürre und Starkregen, das sind zwei Seiten derselben Medaille, und beide haben zerstörerische Wirkung. Deshalb sieht der Haushalt des Bundesumweltministeriums für das nächste Jahr mehr als die doppelte Summe für den klimawandelgerechten Hochwasserschutz und für die klimawandelgerechte Wasserversorgung vor. Zum Jahreswechsel wird das Bundesumweltministerium außerdem eine Nationale Wasserstrategie mit dem Ziel eines integrierten Wassermanagements vorlegen, das gemeinsam mit den Ländern eine Leitlinie zur Wasserentnahme entwickelt, die der öffentlichen Trinkwasserversorgung dann auch den Vorrang einräumt.
Aber schauen wir uns die nächste Krise an. Auch die Biodiversitätskrise war für uns lange abstrakt; dabei war der Rückgang der Artenvielfalt über Jahre hinweg an dramatischen Zahlen ablesbar. Aber die Coronapandemie, die unseren Alltag so sehr verändert hat wie kaum etwas zuvor, hat uns gezeigt, dass unser Raubbau an der Natur nicht folgenlos bleibt. Mit dem Eindringen des Menschen in natürliche Ökosysteme und mit dem Verlust von Lebensräumen werden Zoonosen, also Krankheiten, die von Tieren auf Menschen überspringen, von Jahr zu Jahr häufiger. Im Haushalt für 2023 ist deshalb deutlich mehr Geld für den Natur- und Artenschutz vorgesehen. Das gerade erst beschlossene Artenhilfsprogramm trägt einen wichtigen Schritt dazu bei.
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Die dritte Krise, auf die ich in dieser Rede blicken möchte, ist die Müllkrise. Um nachhaltig etwas gegen die immer weitere Vermüllung der Weltmeere zu tun, wird im Haushalt des Bundesumweltministeriums ein Budget für die Förderung von Technologien gegen die Vermüllung der Meere eingeplant. Es ergänzt die jahrelangen Anstrengungen der EU und Deutschlands für eine verbesserte Kreislaufwirtschaft, wozu auch das in diesem Jahr neu aufgelegte Programm „Reparieren statt Wegwerfen“ gehört.
Meine Damen und Herren, all diese Maßnahmen und Budgets leisten einen wichtigen Beitrag, um die globalen Umweltkrisen zu bewältigen. Damit sie mehr sind als ein Pflaster auf einem verwundbaren Planeten, müssen wir es aber schaffen, langfristig umzusteuern, was unser Wirtschaften und unser individuelles Verhalten angeht.
Wir alle, aber ganz besonders wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier, stehen gemeinsam in der Verantwortung, die Lebensgrundlage für uns, aber auch für die zukünftigen Generationen zu bewahren. Damit das gelingt, braucht es mehr Nachhaltigkeit in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten. Der Haushalt des Bundesumweltministeriums für das kommende Jahr leistet dazu einen wichtigen Beitrag, und ich freue mich schon auf die Beratungen im Ausschuss.
Vielen Dank.
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Als Nächstes folgt für die AfD-Fraktion Thomas Ehrhorn.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Mitbürger! Die Umwelt- und Energiepolitik dieser Ampelkoalition ist eine Symbiose aus ideologischem Fanatismus und fachlicher Inkompetenz. Nach jahrzehntelangem Aufschwung und wachsendem Wohlstand in der Nachkriegszeit erleben wir nun eine geradezu absurde Weichenstellung für den dauerhaften Wohlstandsverlust und die Verarmung unserer Bevölkerung.
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Dass diese deutsche Selbstzerstörungspolitik dabei irgendeinen messbaren Einfluss auf das Weltklima hätte, das kann man wohl nur denen einreden, die sich auf dem intellektuellen Niveau einer Greta Thunberg bewegen.
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Reden wir mal über Windkraftanlagen. Neben der unfassbaren Zerstörung unserer Naturlandschaften stellt sich nun heraus, dass in den Schaltanlagen das Isolationsgas SF6 verwendet wird und zu großen Teilen anschließend in die Atmosphäre gelangt. Schwefelhexafluorid – um den Faktor 26 000‑mal klimaschädlicher als CO2 – erzeugt nach einem Bericht des Magazins „plusminus“ schon heute einen Treibhauseffekt, der größer ist als der des gesamten innerdeutschen Luftverkehrs.
Reden wir mal über die Verkehrswende. Im Kongo zum Beispiel hinterlässt der Kobaltabbau für unsere Autobatterien vergiftetes Wasser, vergiftete Böden und vernichtete Lebensgrundlagen für die Menschen vor Ort. Und wofür? Damit sich eine grüne Schickeria in München und Berlin in ihrem Elektroauto fälschlicherweise einreden kann, sie tue etwas für das Weltklima.
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Aber reden wir ruhig mal über das Weltklima. Ich weiß nicht, ob es schon irgendjemandem in diesem Hause aufgefallen ist, dass sich die Bevölkerung in Afrika, während wir über die Vorteile von Lastenfahrrädern räsonieren, bis 2050 fast verdoppeln wird, von 1,3 Milliarden auf 2,5 Milliarden Menschen. Könnte es vielleicht sein, dass wir bezüglich Klima und Umwelt dieser Erde ganz andere Probleme haben als Tempo 130 auf deutschen Autobahnen? Dass manche von denen, die außer einem abgebrochenen Studium in ihrer Vita nichts vorzuweisen haben, nicht in der Lage sind, derartige Prioritäten zu erkennen, das glaube ich wohl.
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Wer aber absichtsvoll die gesicherte Energieversorgung eines Industrielandes abschneidet, zerstört damit nachhaltig die Lebensgrundlagen der eigenen Bevölkerung. Aber glauben Sie mir: Wenn die Menschen im Winter ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können, wenn Heizung und Duschwasser kalt bleiben, wird den Menschen klar werden, dass wir keinen Gasnotstand haben. Wir haben einen Regierungsnotstand.
Vielen Dank.
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Als nächster Redner erhält Frank Schäffler für die FDP-Fraktion das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Im Einzelplan 16 gibt es auf Koalitionsseite ein paar Themen, über die wir einen Grundkonsens haben, über die wir einer Meinung sind, bei denen wir auch etwas gemeinsam tun wollen.
Viele dieser Dinge sind schon erwähnt worden, zum Beispiel die Beseitigung des Meeresmülls. Dass hierfür die Mittel aufgestockt werden, ist sicherlich sinnvoll. Hier müssen wir, glaube ich, auch verstärkt das Verursacherprinzip durchsetzen. Auch die Erhöhung des Hochwasserschutzetats ist notwendig. Hier können wir im Umweltetat sehr viel erreichen. Beim Thema Meeresschutz müssen wir – auch das ist schon angesprochen worden – im Haus ebenfalls einen Schwerpunkt setzen. Hier können und müssen wir in den Haushaltsberatungen noch mehr tun. Das Geburtstagskind hat heute zu Recht auf die Zeitfrage verwiesen, die sich im Zusammenhang mit der Beseitigung der Munition im Meer stellt. Wir müssen möglichst schnell handeln und die Munition auf See beseitigen, damit man das nicht umfangreich an Land machen muss, mit all den Gefahren, die damit zusammenhängen.
Vom Kollegen Dr. Schäfer wurde schon der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung angesprochen. Ich finde, das ist eigentlich ein sehr gutes Beispiel, wie wir das Problem der Kosten der kerntechnischen Entsorgung in der Vergangenheit gelöst haben. Es ist eigentlich ein vorbildliches Projekt. Die Industrie, der damals der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke untersagt wurde, hat letztendlich 24 Milliarden Euro in eine Stiftung überführt, die dazu dienen soll, die kerntechnische Entsorgung in den nächsten Jahrzehnten auszufinanzieren. Das funktioniert auch sehr gut. Das ist inzwischen die größte Stiftung in Deutschland; sie ist professionell gemanagt. Wir können durchaus stolz darauf sein, dass wir das in diesem Land geschafft haben.
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Wir haben häufig Probleme, Kapitalsammelstellen in großem Stil zu schaffen. Hier haben wir mal eine geschaffen, die auch erfolgreich am Markt agiert und die Gelder mehrt und nicht reduziert.
Aber – die Ministerin hat das angesprochen, und deshalb will ich das hier an dieser Stelle auch tun – es gibt natürlich auch einen Dissens. Er hat natürlich etwas mit dem zu tun, was wir aktuell erleben. Wenn die Strompreise sich verzehnfachen, wenn die Gaspreise sich verzehnfachen, dann muss man natürlich schauen, wie man mit diesem Problem umgeht. Und da sind die Gasumlage und die negative EEG-Umlage ein Thema, an das man ranmuss. Der Wirtschaftsminister ist dabei, das anzugehen.
Aber es geht auch um die Angebotsseite. Wir müssen auch die Angebotsseite erhöhen.
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Da reicht es eben nicht – das ist ein großer Unterschied –, nur Notfallkernkraftwerke auf dem Markt zu haben,
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weil das nicht das Angebot, sondern wahrscheinlich – weil die vergütet werden für diese Zeit – tendenziell sogar noch die Preise erhöht. Es wird nicht dazu führen, dass Energie, Strom und Gas in diesem Land billiger wird, und es löst das Problem nicht.
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Deshalb, glaube ich, müssen wir wieder verstärkt über die Kernenergie in diesem Land konstruktiv reden. Das machen wir zu wenig. Man muss ja begründen, warum man nur zwei der drei noch aktiven Kernkraftwerke weiterbetreiben will und das beste Kernkraftwerk, das wir in Deutschland haben – Lingen im Emsland – außen vor lässt.
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Das erschließt sich mir nicht. Dafür gibt es aus meiner Sicht keine nachprüfbare Begründung.
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Herr Abgeordneter?
Nein, ich will meinen Gedanken gerne zu Ende führen.
Also, Sie erlauben keine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?
Nein.
Gut.
Wir haben 2019 36 Prozent des grundlastfähigen Stroms über Kernenergie bestritten. Inzwischen sind es nur noch rund 6 Prozent. Hätten wir das damals in dieser Form nicht gemacht, dann wären wir nicht in die Erpressungssituation hineingekommen, in der wir heute sind und in der letztendlich Erdgaskraftwerke den Strompreis für alle anderen bestimmen. Insofern haben wir in Deutschland eben nicht nur ein Gasproblem, sondern natürlich auch ein Stromproblem.
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Und wenn man das als zuständiger Minister nicht weiß,
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dann hat man auch ein Problem; denn das ist die Grundlage des Strom- und Energiemarktes in Deutschland. Deshalb, glaube ich, muss man da noch etwas nachsitzen.
Vielen Dank.
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Für eine Kurzintervention erhält das Wort Karsten Hilse aus der AfD-Fraktion.
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Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Herr Schäffler, Sie sind einer der Kollegen der FDP, denen ich wirklich abnehme, dass Sie das, was Sie hier sagen, ehrlich meinen. Schade, dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Deswegen stelle ich Sie Ihnen jetzt.
Ihnen ist sicherlich bekannt, dass wir einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, durch den § 7 Atomgesetz geändert wird, sodass quasi die restlichen drei Kernkraftwerke erst einmal weiterlaufen könnten. Gehe ich denn richtig in der Annahme, dass Sie, wenn Sie davon überzeugt sind, dass wir sie weiterlaufen lassen sollten, Ihrer Fraktion empfehlen werden, diesem Gesetzentwurf in der zweiten und dritten Lesung zuzustimmen?
Vielen Dank.
Herr Abgeordneter, wollen Sie antworten? – Erkennbar ja.
Herr Kollege, wir bilden ja eine Koalition aus FDP, SPD und Grünen. Wir haben einen Koalitionsvertrag vereinbart; darin haben wir Dinge niedergeschrieben, die in der heutigen Zeit sicherlich einen Realitätscheck brauchen. Das haben wir beim Thema Bundeswehr schon gemacht, auch bei den Investitionen holen wir es jetzt zusätzlich nach. Ich bin auch ganz optimistisch, dass die Koalition auch in der Frage, was die Kernenergie betrifft, zu weiteren Schritten kommen wird. Da müssen wir Ihnen nicht auf den Leim gehen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Als Nächstes erhält das Wort für Die Linke der Abgeordnete Ralph Lenkert.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Innerhalb der letzten fünf Jahre ist 2022 das vierte Hitze- und Dürrejahr. Auch in Deutschland verdorren Wälder, trocknen Flüsse aus, was ich aus meiner Jugendzeit nicht kannte. Im Thüringer Becken gibt es eigentlich beste Böden. Für gute Ernten fehlt der Regen, und wenn er kommt, dann oft als Unwetter. Der Klimawandel trifft uns bereits hart.
Ministerin Lemke kündigte eine Klimaanpassungsstrategie an. Aber trotz Klimakrise sind mehr Mittel für Klimaanpassung Fehlanzeige. Die Ampel hat versagt.
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Ich fordere Sie auf: Erhöhen Sie beispielsweise die Gelder für unseren Wald von 121 Millionen Euro auf 1 Milliarde Euro:
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für schnelleren Waldumbau, damit unsere Wälder Starkregen speichern, Hochwasser abmildern, Grundwasserneubildung unterstützen und somit auch dem Austrocknen der Flüsse vorbeugen können.
Dieses Jahr verlor Deutschland durch Waldbrände bis August über 4 500 Hektar Wald. Das darf so nicht weitergehen.
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Wir müssen Waldbrände verhindern und schneller löschen.
Im Ahrtal brach beim Hochwasser die gesamte Trinkwasserversorgung zusammen, und immer öfter wird auch in Deutschland die Trinkwasserversorgung kritisch. Der Dank der Bundesregierung an die Einsatzkräfte, die Brände löschten, an die Männer und Frauen, die die Trinkwasserversorgung wiederherstellten, muss ihnen heute wie Hohn vorkommen. Gerade tobt im Harz ein Waldbrand auf 150 Hektar, und die Ampel kürzt die Gelder für den Bau und den Erhalt von Löschteichen und Löschwasserentnahmestellen von 10 Millionen auf 2 Millionen Euro. Das ist fahrlässig.
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Die Ampel streicht die meisten Mittel für die Notbrunnen, die im Katastrophenfall wie an der Ahr die Versorgung mit Trinkwasser absichern sollen. Das ist grob fahrlässig.
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Nehmen Sie die Kürzungen zurück! Dann erweisen Sie den Kameradinnen und Kameraden von Feuerwehr und THW wirklich Respekt.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich finde es eine Schande für Deutschland, wenn für Klimaschutz, für Klimaanpassung, für soziale Belange beim Geld gekleckert wird, aber, sobald es um Aufrüstung geht, geklotzt wird. Das ist keine zukunftsweisende Politik.
Vielen Dank.
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Es folgt Dr. Jan-Niclas Gesenhues für die Grünen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorab sagen, dass ich der Bundesregierung sehr dankbar dafür bin, dass sie unsere Versorgungssicherheit einem Realitätscheck unterzogen und mit einem Stresstest pragmatisch und ideologiefrei geprüft hat
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und Robert Habeck einen intelligenten Vorschlag gemacht hat. Ich freue mich, wenn Sie diesen auch unterstützen.
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Viele Rednerinnen und Redner haben darauf hingewiesen: Wir machen Politik in einer krisenhaften Zeit. Die Krise scheint schon Normalzustand der Politik geworden zu sein, was dramatisch ist. Und dann gibt es immer die üblichen Verdächtigen, die in solch einer Krise danach rufen: Ja, jetzt müssen wir mal beim Umwelt- und Naturschutz zurückdrehen!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich halte das für extrem gefährlich, weil es doch umgekehrt wahr ist: Umwelt- und Naturschutz sind nicht Teil des Problems, sondern sie sind Teil der Lösung.
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Sie sind Teil der Lösung, um unsere Ernährung zu sichern, weil wir intakte Böden brauchen, weil wir intakte Artenvielfalt brauchen. Sie sind Teil der Lösung gerade auch im Bereich Kreislaufwirtschaft – Kollege Thews hat es angesprochen –, um unsere Rohstoffsicherheit zu gewährleisten. Natur- und Umweltschutz sind wichtig, um unsere Sicherheit zu gewährleisten; denn freies und sicheres Leben gibt es nur auf einem intakten Planeten, meine Damen und Herren.
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Vor diesem Hintergrund ist es auch gut, dass der Haushalt des Bundesumweltministeriums solide finanziert ist. Wir stärken auch noch einmal das Bundesministerium als wichtiges Haus, als Fördermittelgeber und wirklich auch als Motor und Antreiber für den Natur- und Artenschutz. Zudem – das ist mir vorhin ein bisschen zu kurz gekommen – stellen wir 4 Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz bereit, womit wir Klimaschutz, Naturschutz und Artenschutz stärken.
Liebe Unionsfraktion, es hat mich schon ein bisschen erstaunt, dass Ihnen dazu nichts anderes einfällt, als wieder landwirtschaftliche Betriebe dagegen aufzuhetzen. Hören Sie doch endlich mal auf, Naturschutz und Landwirtschaft gegeneinander auszuspielen.
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Ich glaube, in diesem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz liegt auch eine große Chance für unsere landwirtschaftlichen Betriebe.
Auch im Verbraucherschutz setzen wir wichtige Akzente, beispielsweise indem wir die Verbraucherzentralen weiter gut unterstützen, indem wir die Schuldnerberatung verstetigen und auch das Recht auf Reparatur finanziell unterlegen. Die Bundesregierung zeigt damit: Der Bereich „Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz“ ist ihr wichtig, ist ihr vor allem auch wichtig als Investition in die Zukunft, als Investition in die Freiheit und in die Sicherheit kommender Generationen.
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Trotzdem darf die Frage erlaubt sein: Reicht das? Und mit Blick auf das internationale Artensterben oder auch mit Blick auf die Situation an der Oder halte ich es für wichtig, dass wir da nachsteuern. Ich war vor Ort an der Oder und hatte noch tagelang diesen heftigen Verwesungsgeruch in der Nase. Das ist wirklich dramatisch. Über bestimmte Punkte, wie zum Beispiel internationale Biodiversitätsfinanzierung und – im wahrsten Sinne des Wortes – ein Wiederbelebungsprogramm für die Oder, können wir dann gerne noch mal miteinander reden. Ich bin auf die Beratungen gespannt. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen.
Herzlichen Dank.
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Es folgt jetzt der Abgeordnete Klaus Mack für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Ziel ist die Bewahrung der Schöpfung, das heißt der Schutz, der Erhalt und die Wiederherstellung der Natur zum Wohle der Menschen in unserem Land, aber auch zum Wohle der nachfolgenden Generationen.
Deshalb führen wir die heutige Debatte zur Einbringung des Bundeshaushalts auch vor dem Hintergrund der Ausgestaltung des Green Deal der EU. Die Europäische Kommission will die biologische Vielfalt fördern. Dazu schlägt sie rechtsverbindliche Ziele für die Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme vor. Warum? Weil die bisherigen Empfehlungen nur zögerlich umgesetzt wurden.
Eine zentrale europaweite Regelung klingt da zunächst schlüssig. Die Bundesregierung sollte aber alles daransetzen, dass die zentralen Vorgaben aus Brüssel subsidiär angelegt werden. Die Länder, die Kreise und die Kommunen müssen auf ihre Verhältnisse vor Ort reagieren können, und wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir nicht wieder in vorauseilendem Gehorsam noch stringentere und noch detailliertere Vorgaben machen, Vorgaben, die am Ende an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigehen, gerade auch, Frau Ministerin, beim Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz. Wir brauchen Natur- und Artenschutz mit gesundem Menschenverstand, meine Damen und Herren.
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Und wir brauchen einen Perspektivwechsel in Europa. Die EU will weg vom rein defensiven Schutz von Biotopen und Arten hin zu einer offensiven, naturnahen und artenreichen Gestaltung von Lebensräumen.
Wir hier im Deutschen Bundestag hätten einen solchen Perspektivwechsel längst vollziehen können, und zwar bei der Verabschiedung des Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes hier im Juli dieses Jahres, als es hier darum ging, Natur- und Artenschutz mit den Klimaschutzzielen unter einen Hut zu bringen und die erneuerbaren Energien beschleunigt auszubauen. Leider haben Sie, liebe Koalitionäre der Ampel, die Chance verspielt, die Energiewende umfassend zu denken. Die Gesetzesnovelle wurde mit heißer Nadel gestrickt. Ihre eigenen Experten im Umweltausschuss sprachen von einem Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte und wiesen auf erhebliche Rechtsunsicherheiten hin. Sie haben die Menschen vor Ort mit unsinnigen pauschalen Vorgaben zur Ausweisung von Windkraftflächen verprellt. Sie haben die Flexibilität vor Ort verhindert. Das ist keine bürgernahe Umwelt- und Klimapolitik, meine Damen und Herren; das ist ein Durchregieren von Berlin aus. So nimmt man die Menschen vor Ort nicht ernst.
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Ein Punkt ging zumindest in die richtige Richtung: Die Artenhilfsprogramme richten den Fokus nicht mehr auf den Schutz eines einzelnen Vogels; es wird vielmehr der Erhalt der geschützten Population insgesamt in den Blick genommen. Damit sollen mehr Windräder noch schneller gebaut werden. Ob Ihnen das angesichts des handwerklich schlecht gemachten Gesetzes allerdings gelingt, wird das Jahr 2023 weisen. Am Ende wird es wohl viel Wind um nichts gewesen sein.
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Dabei wäre es an der Zeit, diesen Perspektivwechsel im Artenschutz auch auf andere Bereiche auszuweiten. Solange wir aber eine Eidechse für 4 000 Euro pro Stück umsiedeln,
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die am Zielort kurze Zeit später gar nicht mehr vorhanden ist, schütteln die Menschen zu Recht den Kopf.
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Oder denken Sie an die Wiederansiedlung des Wolfes: zweifelsohne ein Erfolg für den Artenschutz; aber die Akzeptanz schwindet eben, wenn die Population nicht geregelt wird.
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Ich sage das insbesondere auch mit Blick auf unsere Weidetierhalter. Sie leisten mit ihren Herden einen wertvollen Beitrag. Statt defensiv in diesem Haushalt in kostspielige Erstattungen für Wolfsschäden zu investieren, sollten diese Mittel besser offensiv für die Erforschung der Weidetierhaltung angelegt werden, gerade in Bezug auf den Erhalt wertvoller Ökosysteme. Aber gemäß dem Motto „Ein schwarzes Schaf findet sich immer“ verschließen Sie vor dieser Realität einfach die Augen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Erfolg aller Maßnahmen im Natur- und Artenschutz und damit im Klimaschutz steht und fällt aber natürlich auch mit einem erfolgreichen Vollzug dieser Programme. Beim Naturschutzfonds gab es beispielsweise letztes Jahr große Probleme bei der Verwendung der bereitgestellten Mittel. Auch dieses Jahr sieht es nicht viel besser aus. Wenn Sie aber das Geld nur in irgendwelchen Haushaltsresten hin- und herschieben, ist das wenig nachhaltig; denn an anderer Stelle könnten diese Mittel durchaus Positives für unsere Natur bewirken, zum Beispiel beim Programm zur Wiedervernetzung von Lebensräumen für das Rotwild. Wildtierbrücken können nicht gebaut werden; das Rotwild droht genetisch zu verarmen. Nutzen Sie doch jetzt in den Haushaltsberatungen einfach die Chance, umzuschichten!
Frau Ministerin, die Zahl der Beamtenstellen hat sich beim Bundesamt für Naturschutz mehr als verdreifacht. Allein mehr Personal und mehr Geld zu bewilligen, macht aber eben noch kein Erfolgsrezept.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeden Tag verschwinden auf der Welt bis zu 150 Tier- und Pflanzenarten.
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Der heutige Mensch ist also der Natur weitaus gefährlicher geworden, als sie für ihn jemals war. Wir alle haben also Verantwortung, uns für die Artenvielfalt einzusetzen. Erfolgreicher Natur- und Umweltschutz ist aber nur mit den Beteiligten möglich.
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Doch wie die Grünen – Sie rufen ja gerade so laut – über Bürgerbeteiligung denken, das wissen wir ja. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte mal bei der Diskussion um einen Nationalpark, es gehe bei der Bürgerbeteiligung ums Gehörtwerden und nicht um eine Politik des Erhörtwerdens.
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Wenn wir die Menschen aber für eine nationale Kraftanstrengung im Klima- und Umweltschutz gewinnen wollen, dann dürfen wir sie mit solchen Aussagen eben nicht vor den Kopf stoßen, meine Damen und Herren.
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„Panta rhei“, „Alles fließt“, das wussten schon die alten Griechen. Wir wollen und müssen also einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten. Das bedeutet, dass wir wegmüssen von starren, vergangenheitsbezogenen Regulierungen. Wir müssen eine moderne Umweltpolitik gestalten, und zwar mit den Menschen.
Vielen Dank.
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Als Nächstes erhält das Wort die Abgeordnete Nadine Heselhaus für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie viel Geld haben wir eigentlich zur Verfügung, und wofür geben wir es aus? Darum geht es, grob gesagt, in unseren Haushaltsberatungen. Genau diese Fragen stellen sich auch die Menschen in unserem Land jeden Tag, und das aktuell mehr denn je. Für viele ist die momentane Situation finanziell eine große Herausforderung. Steigende Preise in nahezu allen Bereichen bringen die privaten Haushalte in Bedrängnis, und zwar nicht nur die mit kleinen, sondern zunehmend auch die mit mittleren Einkommen. Die Verbraucherzentralen schlagen deshalb Alarm; denn an sie wenden sich die Menschen derzeit vermehrt. Besonders Angebote der Energieberatung stehen dabei hoch im Kurs. Im Haushalt stärken wir deshalb den Verbraucherzentrale Bundesverband mit der Finanzierung zusätzlicher Stellen, und das ist gut angelegtes Geld.
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Von wachsender Nachfrage berichten allerdings auch die Schuldnerberatungsstellen, und das macht mir noch größere Sorgen. Umso wichtiger ist es daher, dass wir bereits im letzten Haushalt einen Millionenbetrag zur Unterstützung der Schuldner- und Insolvenzberatung in Deutschland zur Verfügung gestellt haben. Das führen wir im nächsten Haushalt so fort. Noch lieber wäre es mir allerdings, wenn das gar nicht nötig wäre. Ziel unserer Politik ist deshalb, dass Menschen gar nicht erst in eine Situation geraten, in der ihnen Überschuldung droht. Die Ergebnisse des Koalitionsausschusses vom Wochenende gehen daher in die richtige Richtung; denn das dritte Entlastungspaket enthält viele gute Maßnahmen,
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zum Beispiel die Energiepreispauschale, die Wohngeldreform, das neue Bürgergeld oder die Mittel für ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket. Ganz konkret helfen werden den Menschen auch die Strompreisbremse und dass wir Strom- und Gassperren verhindern. Jetzt kommt es darauf an, diese Punkte schnellstmöglich umzusetzen.
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Die vereinbarten Entlastungen sind zielgerichtet. Das ist für uns als SPD und für mich persönlich zentral; denn sie kommen in erster Linie denen zugute, die dringend darauf angewiesen sind: Transferleistungsbeziehende, Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Auszubildende, Familien sowie Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Damit Einmalzahlungen auch diejenigen erreichen, die bereits in den Schuldensog geraten sind, müssen wir klar regeln, dass sie unpfändbar sind, weil es nicht sein kann, dass dieses Geld am Ende Inkassounternehmen zufließt.
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Meine Damen und Herren, wie ernst die aktuelle Lage ist, zeigt sich auch daran, wie heiß zuletzt mögliche Sparmaßnahmen der Privathaushalte öffentlich diskutiert wurden. Dabei ging es vor allem ums Energiesparen. Befragungen zeigen jedoch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bereits generell ihr Konsumverhalten geändert haben und zunehmend Verzicht üben. Sie sparen an Lebensmitteln, verzichten auf den Friseurbesuch oder schieben Anschaffungen hinaus.
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Deshalb sind die genannten Entlastungen so wichtig.
Gut ist auch, wenn wir uns weiter aufmachen in Richtung eines Konsums, der gleichermaßen den Geldbeutel und die Ressourcen schont.
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Aus diesem Grund bringen wir als Koalition im Herbst das Aktionsprogramm „Reparieren statt Wegwerfen“ auf den Weg und stellen dafür Mittel in den Haushalt ein, damit es einfacher und attraktiver wird, das Smartphone oder den Fernseher auch mal reparieren zu lassen, anstatt praktisch nur den Neukauf als Option zu haben.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in diesen Zeiten brauchen wir eine aktive Verbraucherpolitik, die die Menschen ganz gezielt anspricht. Formen der aufsuchenden Verbraucherarbeit müssen wir deshalb unterstützen. Denn es gilt das, was Bundeskanzler Olaf Scholz gesagt hat: Wir dürfen und wir werden niemanden alleinlassen.
Vielen Dank.
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Jetzt folgt in der Debatte Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich freue mich: Wir haben die Lage: Die Kernenergie hat eine Mehrheit in diesem Haus, so wie sie sie auch in der deutschen Bevölkerung hat. Wir müssen nur endlich umsetzen, was wir als AfD seit Jahren fordern.
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Das ist Kern dieser Debatte. Es gibt keine Ausreden mehr. Es gibt keine Ausreden mehr, wenn Stromausfälle passieren, weil die Kernenergie nicht in Gang gesetzt wurde, meine Damen und Herren.
Es hat Tradition: Grüne Minister reden nur ideologisch von Umweltschutz, tun aber seit Jahrzehnten nichts Sinnvolles für Mensch und Natur. Beim Verbraucherschutz ist es noch klarer: Die Verbraucher sind nur ein störendes Anhängsel im grünen Ministerium, kleine Etats werden winzig.
Der Stiftung Warentest soll das Budget um die Hälfte gekürzt werden, auf gerade mal eine halbe Million Euro.
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Diese Summe ist ein Witz. Es ist nicht viel mehr, als ein RBB-Intendant vom Staat erhält.
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Die Stiftung Warentest hat bisher nicht nach ideologisch-grünen, sondern nach wissenschaftlichen und technischen Kriterien Tests durchgeführt. Sie ist dem Ministerium ein Dorn im Auge und soll bestraft werden.
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Bei den Innovationen im Bereich Verbraucherschutz sieht der Entwurf sogar eine Kürzung der Mittel um mehr als die Hälfte vor. In diesem Ministerium ist für jeden ideologischen Firlefanz Platz und Geld;
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aber sobald es um Verbraucherschutz geht, muss plötzlich gespart werden.
Ebenso interessant ist die wundersame Vermehrung der Beamten des höheren Dienstes bei den Behörden im Geschäftsbereich des Ministeriums, die der Entwurf vorsieht. Beim Bundesamt für Naturschutz wollen Sie mehr als eine Verdoppelung der B-2-Stellen. Zur Erinnerung: B 2, das heißt immerhin fast 8 500 Euro monatlich. Fürs Umweltbundesamt verlangen Sie mehr als eine Verdreifachung der B-2-Stellen. Und beim Bundesamt für Strahlenschutz soll – man höre und staune – auf einen Schlag eine Verneunfachung der B-1-Stellen stattfinden.
Alles konsequent – aus Sicht der Ministerin Lemke. Schon die Zahl der beamteten Staatssekretäre hat sie verdoppelt. Auch die Qualifikationen für diese Spitzenposition „Staatssekretär“ sprechen Bände. Da ist einmal der Politologe Stefan Tidow, für seine Stelle insbesondere dadurch qualifiziert, dass er mal Büroleiter von Jürgen Trittin und Claudia Roth war.
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Und da ist Frau Rohleder, die über sexuellen Missbrauch promoviert hat. Das ist zwar ein Lieblingsthema der Grünen;
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aber es hat weder mit Umwelt- noch mit Verbraucherschutz auch nur das Geringste zu tun.
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Man sieht an der Personalpolitik dieses Ministeriums mal wieder: Die grüne Partei macht sich unseren Staat rücksichtslos zur Beute, und blechen müssen dafür die Bürger. Zum Schutz vor steigenden Preisen tun Sie nichts. Aber zusätzlich zu Spritpreisschock, Strompreisschock und wirrer Gasumlage wird der deutsche Steuerzahler mitten in dieser von Ihnen verursachten Krise auch noch zur Kasse gebeten, um die grünen Genossen zu versorgen.
Vielen Dank.
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Als Nächstes folgt die Abgeordnete Dr. Franziska Kersten für die SPD-Fraktion.
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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen aus der Sommerpause zurück. Neben Ukrainekrieg und Energiekrise haben wir noch ganz andere Probleme vor uns. Sie haben alle die Bilder von der Oder gesehen, wie dort Helfer Hunderte Tonnen Fisch und anderer Flusslebewesen einsammeln mussten. Es ist eine echte Umweltkatastrophe, und sie ist menschengemacht.
Durch den von uns beschleunigten Klimawandel und den verantwortungslosen Umgang mit Ressourcen haben wir es so weit kommen lassen. Wir haben nicht nur unwiderrufliche Probleme für das Ökosystem geschaffen, sondern es kommen auch soziale und ökonomische Probleme dazu. Ich wäre Herrn Gesenhues sehr dankbar, wenn wir noch mal darüber reden würden, wie wir tatsächlich die Wiederherstellung des Biotops Oder und auch die Fischereibetriebe unterstützen können.
Für mich zeigt das Fischsterben an der Oder vier Dinge:
Erstens. Das Thema Biodiversität bekommt immer noch nicht genügend Aufmerksamkeit. Dabei ist es auf jeden Fall untrennbar mit der Aufhaltung des Klimawandels und mit einer gesunden Umwelt verbunden. Was wir brauchen, ist eine Naturschutzbeschleunigung. Deshalb stehen fast 49 Millionen Euro für das Bundesprogramm Biologische Vielfalt im Haushaltsentwurf.
Zweitens. Wir müssen in unsere Umweltbehörden investieren. Auch wenn das Fischsterben an der Oder zum großen Teil ein Versagen vonseiten polnischer Behörden darstellt, heißt das nicht, dass wir vor ähnlichen Katastrophen gefeit sind. Das Fischsterben an der Oder ist vielleicht ein Extremfall; aber in Zukunft wird so was häufiger vorkommen können.
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– Wir wissen die Ursache noch nicht, aber – –
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– Wenn Sie dazwischenquatschen – ich lasse mich ja nicht gerne ablenken –: Es ist tatsächlich so, dass die Ursachenbegründung noch nicht da ist; sie kommt Ende September. Aber durch ein verringertes Wasserangebot und ein Wachstum von Algen, die toxische Stoffe ausgestoßen haben, ist schon jetzt einzusehen, dass die Ursache absolut menschengemacht sein muss.
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Es ist aber nicht nur wichtig, Personalstellen vor Ort zu haben, sondern wir brauchen auch bessere Warn- und Meldeketten. Das schaffen wir durch die Stärkung der Behörden und Strukturen vor Ort. Wir brauchen auch auf Bundesebene mehr Leute; denn wir haben wirklich viel vor. Wir wollen den Naturschutz stärken, und dazu brauchen wir Leute, die sich dafür einsetzen und dementsprechend bezahlt werden.
Drittens. Wir müssen zur Erreichung der Ziele im Umweltschutz jetzt wirklich Vollgas geben. Allein für die im Koalitionsvertrag verankerten neuen Themen wie das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, die Meeresoffensive, die Moorschutzstrategie, die Renaturierung von Ökosystemen, die Planungsbeschleunigung für den Ausbau der Erneuerbaren brauchen wir mehr Personal und finanzielle Unterstützung.
Machen wir uns nichts vor: Wir hinken jetzt schon bei einigen Umsetzungszielen der europäischen Umweltschutzgesetzgebung hinterher und müssen nachsteuern, wie bei der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie 2030, der Wasserrahmenrichtlinie, der Nachschärfung des Schutzgebietmanagements und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Auch wird eine vermehrte Überprüfung und Evaluierung unseres Biodiversitätsverlustes auf uns zukommen. Am Ende muss auch mehr Geld in die Naturschutzforschung und in eine verbesserte Datenlage investiert werden.
Vor der Sommerpause haben wir hier im Bundestag den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien verhandelt, inklusive einer Bundesnaturschutzgesetznovelle; sie wurde ja heute von der Opposition gelobt, immerhin. Als Ausgleich für mehr Windräder haben wir das Artenhilfsprogramm aufgesetzt, das die möglichen Verluste bei kollisionsgefährdeten Arten durch Schutzmaßnahmen ausgleichen soll. Es ist absolut wichtig, dass das auch funktioniert.
Nächstes Jahr wird der Bund 14 Millionen Euro zum Ausbau des Programms beisteuern. Die vorgesehenen Bundesmittel in Höhe von 82 Millionen Euro bis 2026 sind angesichts dieser bundesweiten Herausforderungen an Land und auf See nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es müssen in den nächsten Jahren mehr Gelder frei gemacht werden, als jetzt vorgesehen.
Der vierte und letzte Punkt für mich ist, dass Umweltprobleme grenzüberschreitende Probleme sind. Wir müssen in letzter Konsequenz über die nationale Ebene der Gesetzgebung hinausgehen, internationale Artenhilfsprogramme fördern und auf EU-Ebene in Krisenfällen zusammenarbeiten. Denn genau wie sich der Klimawandel nur schwer aufhalten lässt, wird der Artenschwund nicht von allein aufhören. Wir müssen dagegenhalten.
Für die Oder gibt es wahrscheinlich Hoffnung, auch wenn dieses Wochenende schon wieder tote Fische gefunden wurden. Experten haben über ein Dutzend verschiedener überlebender Fischarten gesichtet. Sorgen wir mit unserer Politik dafür, dass solch ein Fischsterben nicht noch einmal passiert!
Vielen Dank.
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Nächster Redner in dieser Debatte ist Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste auf den Tribünen! Frau Ministerin Lemke, ich war ja wirklich ein Stück weit gespannt auf Ihren ersten wirklich eigenen Haushalt. Beim ersten Blick darauf war ich auch ein Stück weit positiv überrascht.
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Beim zweiten Blick hat sich das Bild dann ein wenig eingetrübt, und so einige Kritikpunkte haben wir ja auch eben schon gehört.
Positiv anzumerken ist, dass unser Antrag auf Aufstockung der Mittel für den Export von Technologien gegen die Vermüllung der Meere, von dem wir hier ja schon gehört haben, aufgegriffen wurde. Die Mittel wurden von 17 Millionen Euro um 8 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro erhöht, obwohl die Ampelkoalition das im Frühjahr bei den Haushaltsberatungen für den Haushalt 2022 noch abgelehnt hat. Jetzt ist es im Haushaltsentwurf drin. Das ist eine richtige und gute Entscheidung. Vielen Dank dafür, Frau Ministerin.
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Ansonsten, meine Damen und Herren, wächst der Haushalt um knapp 264 Millionen Euro auf. Das klingt zunächst erst mal gut. Aber jetzt ist natürlich fraglich, ob überall die richtigen Prioritäten gesetzt werden; auch das haben wir schon gehört. Da gibt es einige Punkte, wo auch in meinen Augen noch Redebedarf besteht, und da müssen wir in den Verhandlungen noch mal ran.
Eine Frage, die sich mir stellt, ist, ob die Mittel für den natürlichen Klimaschutz, von dem Sie ja auch gesprochen haben – 4 Milliarden Euro nicht in diesem Jahr, auch nicht im nächsten Jahr, sondern verteilt auf die Folgejahre, und beim Bundesnaturschutzfonds wachsen die Mittel zunächst mal um 26,6 Millionen Euro auf –, dann nachher auch tatsächlich in die Natur gebracht werden. Das müssen wir uns natürlich anschauen. Denn die hohen Ausgabereste im Bundesnaturschutzfonds – das sind in diesem Jahr 32,5 Millionen Euro, meine Damen und Herren; das ist circa ein Drittel des gesamten Etatansatzes für 2022 – lassen bei mir doch schon gewisse Zweifel aufkommen, ob dieses Geld dann tatsächlich auch ausgegeben werden kann.
Sie, liebe Frau Ministerin, müssen nämlich die Beteiligten – die Landbesitzer, die Waldbesitzer, die Flächennutzer – mit einbeziehen; die müssen mitmachen. Daran hapert es in meinen Augen landauf, landab. Frau Ministerin, ich habe auch ein Stück weit meine Zweifel, ob Sie es schaffen, diese Beteiligten dann letztendlich auch zu überzeugen. Gute Worte und Hochglanzbroschüren reichen da nicht aus. Wir werden diese Ausgabenreste also genau im Auge behalten und die Effektivität der Programme, die Sie noch auflegen müssen, dann auch entsprechend begutachten.
Zunächst erfreulich – das haben wir auch schon gehört – ist der Aufwuchs der Mittel für den nationalen Meeresschutz auf 22 Millionen Euro; davon sind 20 Millionen Euro für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten vorgesehen. Inklusive der Verpflichtungsermächtigung bis 2026 halte ich diesen Mittelansatz aber für zu gering. Ich habe auch schon gehört, dass es in den Haushaltsberatungen durchaus noch Gesprächsbedarf dahin gehend gibt, diese Mittel entsprechend anzupassen.
Kampfmittel sind aber nicht nur im Meer eine Gefahr für Mensch und Umwelt, sondern auch an Land. Die Kampfmittelbelastung allgemein ist ein Umweltrisiko. Wir finden Verdachtsflächen in Wäldern, Heidelandschaften, Städten und Gemeinden. Welche Herausforderungen daraus entstehen können, meine Damen und Herren, konnten wir bei den Waldbränden in Sachsen und Brandenburg sehen. Vielerorts, gerade im Süden von Brandenburg und in Sachsen, konnten die Einsatzkräfte gar nicht auf die Flächen, weil dort Munitionsaltlasten zu explodieren drohten, und so war nur ein Löschen aus der Luft möglich. Das führt natürlich dazu, dass so ein Waldbrand nicht schnell in den Griff zu bekommen ist.
Bisher haben wir die Kampfmittelbeseitigung immer unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr gesehen, mit hauptsächlicher Zuständigkeit bei den Ländern. Ich halte das mittlerweile mit Blick auf die von mir geschilderten Herausforderungen für zu kurz gesprungen. Bodenschutz, meine Damen und Herren, ist Klimaschutz. Frau Ministerin, Ihr Haus hat auf eine Frage von mir eingeräumt, dass diese gefährlichen Altlasten unsere Böden und Gewässer beeinträchtigen können, also tatsächlich Umweltbelastungen darstellen. Wir täten alle gemeinsam gut daran, liebe Ampelkoalition, wenn wir zumindest die Diskussion führen würden, ob analog zum Meeresschutz gemeinsam mit den Ländern der Schutz unserer Böden durch schnelles und sicheres Bergen dieser gefährlichen Altlasten aus Mitteln im bisherigen Energie- und Klimafonds oder im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz nicht anteilig mitfinanziert werden sollte. Oftmals ist die Frage nämlich nicht, ob so eine Munitionsaltlast explodiert, sondern die Frage ist, wann sie explodiert. In meinen Augen, wie schon gesagt, sollten wir hier Gefahrenabwehr und Umweltschutz gemeinsam denken.
Abschließend noch einige Sätze zur Energiekrise. Aus Verbraucherschutzsicht ist eine effektivere und schnellere Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und natürlich auch der Unternehmen notwendig. Das angekündigte Entlastungspaket, von dem wir heute auch schon gehört haben, greift hier zu kurz und kommt zu spät. Wir müssen zwingend alle möglichen heimischen Energieträger zur Energiegewinnung einsetzen, auch die drei noch laufenden Atomkraftwerke.
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Da wundert es mich dann schon sehr, dass gerade das Atomkraftwerk in Niedersachsen ausgespart wird. Das hat wahrscheinlich mit dem Wahlkampf in Niedersachsen zu tun. Und dass wir Geld für die Reserve bereitstellen, aber den Strom dann tatsächlich nicht nutzen, das ist in meinen Augen völlig, ja, hirnverbrannt.
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Hier ist die Bundesregierung gefordert.
Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Von der Verbraucherschutzministerin erwarte ich eine Abkehr von ideologischem Denken hin zu pragmatischem Handeln.
Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen.
Vielen Dank.
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Letzter Redner zum Einzelplan 16 ist der Abgeordnete Rainer Keller für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Frage, dieser Sommer war wirklich schon richtig knackig, und er war zu heiß. Wir haben es alle erfahren, wir konnten es alle spüren. Nach veröffentlichten Daten des Deutschen Wetterdienstes gab es über 800 Sonnenstunden in diesem Sommer. Das ist ein neuer Rekord, die größte Anzahl von Sonnenstunden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Was für einen sonnenliebenden Menschen eine große Freude war, ist für unsere gesamte Gesellschaft eine große Herausforderung; das ist einfach nicht wegzudiskutieren. Die menschengemachten Klimaveränderungen spüren wir nun alle. Hitzerekorde, Trockenheit, Starkregenereignisse werden wir auch in den kommenden Jahren immer wieder und immer mehr erleben. Daran müssen wir uns anpassen; denn das, was wir jetzt haben, werden wir auch behalten. Dieser großen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden wir uns als Ampelkoalition stellen, und wir werden diese Herausforderung auch annehmen.
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Wir werden die Klimaanpassung in Deutschland entschieden voranbringen und dafür, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, ein starkes Fundament schaffen. Die begonnenen Finanzierungsgespräche mit den Bundesländern werden hoffentlich bald zu handfesten Ergebnissen führen. Für mich und meine Fraktion ist dabei klar: Hier muss geklotzt und darf nicht gekleckert werden; denn die volkswirtschaftlichen Schäden ohne Klimaanpassung werden uns später teuer zu stehen kommen. Mit den dann zur Verfügung stehenden Mitteln müssen wir zügig in die Umsetzung gehen. Die Klimaveränderungen, die wir jetzt alle schon erleben, werden nämlich nicht warten.
Das zeigte mehr als deutlich die durch Starkregen ausgelöste Flutkatastrophe im Sommer des vergangenen Jahres. Um auf solche Ereignisse einschließlich ihrer verheerenden Folgen besser vorbereitet zu sein, müssen wir die gesamten Gefahrenkarten weiter standardisieren und überregional zusammenfassen. Man kann sich gar nicht vorstellen, was für ein Sammelsurium das ist. Ebenso brauchen wir für die Zukunft ein gebündeltes Informationsangebot, aus dem sich alle zuständigen Stellen bedienen können. Das aktuelle Nebeneinander von verschiedenen Informationsplattformen wird uns in den kommenden Jahren nicht weiterbringen.
Und auch unsere Flüsse zeigen in diesem Jahr mehr als deutlich, was passieren wird, wenn wir nichts tun: überall Trockenheit, landauf, landab Fischsterben. Das betrifft nicht nur die Oder; wir konzentrieren uns alle nur auf die Oder. In meinem Wahlkreis gibt es einen kleinen Nebenfluss, der sich „Issel“ nennt. Dort waren in dieser Woche über 100 Helferinnen und Helfer ehrenamtlich im Einsatz, um Fische zu retten. Das ist eine Auswirkung des Klimawandels; das kann man auch nicht mehr wegdiskutieren. Einen großen Dank übrigens an die Helferinnen und Helfer, die das ehrenamtlich gemacht haben! Ich denke, da kann das Haus auch mal klatschen.
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Überall Trockenheit, landauf, landab Fischsterben, geschädigte Ökosysteme, eingeschränkte Transportwege und zerstörte Infrastruktur – das sind die Folgen. Dieser tödliche Cocktail aus Niedrigwasser, hohen Temperaturen und schädlichen menschlichen Einträgen – auch in die Oder – ist aber nur die traurige Spitze dieses Eisbergs. Um unsere Flüsse besser vor den Klimaveränderungen zu schützen, brauchen wir mehr renaturierte Moore und Auen. Damit halten wir Wasser aus dem Winter länger in der Landschaft, und die Flüsse können sich daraus speisen.
Doch gerade beim Auenprogramm, Frau Ministerin, müssen wir, glaube ich, noch mal ein bisschen nachlegen; denn in den kommenden Jahren müssen wir da deutlich mehr Tempo machen, damit wir unsere Zielsetzungen erreichen. Bevor Frau Präsidentin mich als letzten Redner jetzt hier gleich wegbasht,
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muss ich noch einen Satz dazu loswerden – der sei mir gestattet –: Bislang habe ich nämlich den Eindruck, dass wir dort noch ganz viel Luft nach oben haben. Auch viele Verbände sehen das so. Das sollten wir in unserer Haushaltsplanung auch berücksichtigen. Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind dazu bereit, den konstruktiven Dialog zu suchen, und ich denke mir, dass wir auch eine Lösung finden werden.
Also, jetzt müssen Sie aber auch langsam zum Ende kommen.
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Frau Präsidentin, ich bin am Ende.
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