Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/31/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir erleben eine denkwürdige Haushaltswoche – wieder mit einem Bundeshaushalt in Rekordgrößenordnung, diesmal in Höhe von annähernd 500 Milliarden Euro – in einer ebenso denkwürdigen Zeit, in einer Zeitenwendezeit, wie der Bundeskanzler zu Recht betont hat: Coronapandemie, Klimawandel, Rekordinflation – die höchste seit 40 Jahren – und Ukrainekrieg. Von der Zeitenwende, denkt man, müsste man in Ihrem Haushalt auch sehr deutlich etwas merken. Man merkt aber nur etwas auf der Einnahmeseite – oder sagen wir besser: bei den fehlenden Einnahmen –, nämlich dass Sie mit den Schulden in Rekordhöhe nach oben wandern. Konsequent müssten Sie als verantwortliche Haushälter und als verantwortliche Finanzer, Herr Minister Lindner, eigentlich auf der Ausgabenseite arbeiten. Selbst vor dem Ukrainekrieg und noch nicht mal in Ansehung der vollen Inflationsgrößenordnung haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen, und Sie haben auch vereinbart, im Rahmen des Haushaltsaufstellungsverfahrens Ausgabenkürzungen vorzunehmen – eine richtige Vorgabe, wie wir finden; nennenswerte Priorisierungen oder Kürzungen sind in Ihrem Haushalt allerdings nicht erkennbar. ({0}) Im Gegenteil: Sie satteln einfach nur drauf – netto 6 000 zusätzliche Stellen im Personalbereich. Darüber könnte man an der einen oder anderen Stelle noch diskutieren. Aber Sie lassen es sich auch selbst gut gehen. Sie und wir alle diskutieren darüber, ob wir hier das Parlament verkleinern. Sie machen es sich selber in der Regierung richtig fett mit der Rekordzahl von 37 Parlamentarischen Staatssekretären. ({1}) In dieser Größenordnung hat das bisher noch keine Bundesregierung geschafft. Ihre Fortschrittskoalition setzt auch in anderen Feldern Maßstäbe. Sie sind gestartet mit reichlich zusätzlichen Beamten an der Spitze der Ministerien in den höchsten Besoldungsstufen. Vor vier Jahren haben Sie der alten, der Großen Koalition, als wir 200 Stellen neu aufgebaut haben, ({2}) vorgeworfen: „Wer schon so anfängt“ – das sagte Otto Fricke, der Haushaltssprecher der FDP – „macht am Ende aus einer schwarzen Null ein schwarzes Loch.“ ({3}) Der Satz war ja gar nicht so falsch. Aber er trifft auf Sie noch viel härter zu. Sie bauen jetzt 324 neue Stellen – Topstellen – in den Ministerien auf. ({4}) Das ist deutlich mehr als unter allen Vorgängerregierungen. ({5}) Sie reden von „Zeitenwende“, aber Sie wenden nichts in Ihrem Haushalt. ({6}) Im Kernhaushalt beträgt der Verschuldungsanteil 140 Milliarden Euro. Wir haben gemeinsam – dafür sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank; das flechte ich gerne ein – das „Sondervermögen Bundeswehr“ beschlossen: 100 Milliarden neue Schulden. Und dann haben Sie noch die 60 Milliarden Euro Diebesgut aus der letzten Wahlperiode ({7}) in Form einer Kreditermächtigung übernommen. ({8}) Wenn man das aufaddiert, gelangt man zu dem Ergebnis: 300 Milliarden Euro Schulden. Ja, die 60 Milliarden Euro müssen wir bei Ihnen ehrlicherweise hineinrechnen. ({9}) Es sind also 300 Milliarden Euro Schulden, und das ist der absolute Rekord bisher. ({10}) Dann wollen Sie viele Projekte wie das Bürgergeld, die Kindergrundsicherung und das Klimageld, das Herr Heil jetzt ins Gespräch bringt, umsetzen. Das ist alles im Haushalt noch nicht abgebildet. Da sind wir sehr gespannt. Aber das Wichtigste ist eigentlich – und das ist das größte und bemerkenswerteste Versäumnis –: Sie haben für den ganzen Bereich der Sozialversicherung keine wirkliche Vorsorge getroffen. ({11}) Das wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten das drückendste Problem werden. Wir haben in diesem Land Vollbeschäftigung, und wir haben mit 45 Millionen Beschäftigten, die in die Sozialkassen einzahlen, auch Rekordbeschäftigung. Trotzdem sind wir nicht in der Lage, daraus die Rente zu finanzieren. ({12}) Wir können die Krankenkassen nicht finanzieren, und wir können auch die Pflege nicht finanzieren. ({13}) – Sie brauchen gar nicht so zu brüllen, Herr Dürr. ({14}) Ich sage das durchaus selbstkritisch: ({15}) Auch wir haben in der letzten Großen Koalition dieses Problem geschoben. ({16}) Der Unterschied ist nur folgender: Ihr Bundeskanzler, der heute nicht hier ist, hat mit diesem Thema Wahlkampf gemacht. Er hat Respekt gefordert bzw. den Wählern Respekt angeboten. ({17}) Ihre Plakate klebten in der ganzen Republik, darauf Scholz und die Aussage: Ich bin der Kanzler für sichere Renten. – Sie haben bei der Sicherheit der Renten für gar nichts vorgesorgt. Sie haben nur gesagt: Das Rentenniveau bleibt das gleiche, ({18}) an den Beiträgen ändern wir nichts, und das Rentenalter ändern wir auch nicht. – Wie wollen Sie das Problem dann lösen? Das Problem können Sie nur lösen, indem Sie immer mehr Steuergelder in die Rente schaufeln. Sie haben überhaupt keine Vorsorge getroffen, um dieses Kernthema irgendwie zu bewältigen. ({19}) Das ist Unverantwortlichkeit par excellence in der Haushaltspolitik; so ist das einzuordnen. Wir werden Sie in Zukunft regelmäßig daran erinnern und auch daran messen. Wenn dieser Kanzler Respekt gegenüber seinen Wählern hätte, dann müsste er sich ganz zügig und grundlegend des Themas „Reformierung der Sozialversicherung“ annehmen. ({20}) Vorletzter Punkt: Entlastungspakete. Dafür wollen Sie sich ja feiern lassen, möglicherweise auch heute. Ihre Entlastungspakete funktionieren aber nicht nach dem Motto, dass Sie da entlasten, wo es wirklich zielgenau erforderlich wäre, da, wo die Belastungen am größten sind, ({21}) sondern Sie entlasten so, dass jeder von Ihren Ampelpartnern, jede Ampelpartei, ein bisschen was kriegt – der eine dies, der andere das –, und am Ende sind Sie fröhlich. Nach der zielgerichteten Entlastung der Bürger wird nicht gefragt, und die findet auch nicht statt. Dies ist im Kern sogar ungerecht. Deswegen fordern wir, dass auch Pendler in diesen Paketen adäquat Berücksichtigung finden, genauso Rentner und Studenten. Die haben die gleichen Belastungen, und die haben genauso Entlastung von Ihnen zu erwarten. ({22}) Der letzte Punkt. Sie sprechen über diese Entlastungen immer mit so einer gönnerhaften Attitüde: „Jetzt geben wir den Bürgern dies und das und vielleicht auch noch ein bisschen mehr“, und dann wird über dies und jenes diskutiert. Sie haben im Moment, in der jetzigen Situation, massiv Mehreinnahmen. Der Finanzminister hat hier noch vor ein paar Wochen erklärt, das ginge alles nicht; wenn die Leute das Geld an der einen Stelle nicht hätten, dann würden sie es an der anderen Stelle nicht ausgeben. Wir sehen doch jetzt an den Steuerschätzungen sehr deutlich, dass laufend steigende Steuereinnahmen auf Sie zufließen. ({23}) Sie haben zusätzliche Einnahmen aus der Umsatzsteuer; im Zweijahresvergleich sind das Steigerungen um 30 Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit. ({24}) Sie haben zusätzliche Einnahmen, Herr Lindner, aus dem CO2-Emissionshandel, und zwar dem europäischen wie dem nationalen. ({25}) Wegen der kalten Progression wandern die Leute im Steuertarif durch die Lohnerhöhung automatisch nach oben; gleichzeitig wird ihnen das alles weggefressen durch die Inflation. ({26}) Durch die kalte Progression haben Sie doch Mehreinnahmen; das können Sie doch gar nicht bestreiten. ({27}) Sie werden also reichlich Mehreinnahmen haben, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir erwarten von Ihnen nicht, dass Sie gönnerhaft irgendwas zurückgeben. Aber wir erwarten von Ihnen, dass Sie den Menschen das zurückgeben, was Sie ihnen vorher durch höhere Steuern und Abgaben aus der Tasche gezogen haben. Das muss sein! Besten Dank. ({28})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Christoph Meyer. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir verabschieden in dieser Woche den hoffentlich letzten Krisenhaushalt. ({0}) Wir dokumentieren die Notlage am Freitag mit einem nochmaligen Beschluss gemäß Artikel 115 GG. Wir haben viel über Krisen gesprochen, über die Zeitenwende diskutiert, und eine Folge davon, das Sondervermögen für die Bundeswehr, beschließen wir ebenfalls in den nächsten Tagen. Ich möchte hier klarstellen: Dieses Sondervermögen ist ein Erfolg dieser Koalition, von Bundeskanzler Scholz, von Christian Lindner als Verhandlungsführer, aber auch von Annalena Baerbock. Ich danke explizit der Union, dass sie hier ihrer staatspolitischen Verantwortung gerecht geworden ist und mit uns zusammen einen sehr guten Kompromiss gefunden hat. ({1}) Herr Middelberg, wir haben zwei Entlastungspakete mit über 40 Milliarden Euro Entlastungsvolumen in den nächsten Jahren geschnürt. Nun sagen Sie – und das zieht sich ja wie ein roter Faden durch die Beiträge der Union in den Haushaltsberatungen –, dass es von allem immer etwas mehr sein muss. Ich habe von Ihnen in den Haushaltsberatungen keinen einzigen seriösen Gegenfinanzierungsvorschlag gehört. ({2}) Sie fordern einfach nur immer mehr. Das ist eine Rolle als Oppositionsfraktion, die Ihnen irgendwann auf die Füße fallen wird. ({3}) Zur Wahrheit gehört auch, dass wir im Zuge der parlamentarischen Beratungen 6 Milliarden Euro mehr für Zinskosten einstellen mussten. Das heißt, die Zeit der Staatsverschuldung ohne Aufwand ist vorbei. Umso wichtiger wird es sein, dass wir im Jahr 2023 zur haushaltspolitischen Normalität zurückkehren. ({4}) – Das ist gut; das können Sie tun. ({5}) Dreh- und Angelpunkt ist die Einhaltung der Schuldenbremse 2023 sowie 2024 und 2025. Das werden wir in den Folgejahren sicherstellen. Weil die FDP dies in den letzten Tagen immer wieder betont: Das ist keine Frage einer Parteiposition; es ist zwingende Vorgabe der Verfassung, ({6}) welche die gesamte Koalition und die ganze Regierung einzuhalten haben. Daher wird auch die gesamte Koalition aufgefordert sein, bei den Ausgaben zu priorisieren und zu konsolidieren. ({7}) Das Statistische Bundesamt hat gestern eine Inflationsrate von 7,9 Prozent gemeldet. Weil der Bund da nur bedingt gegensteuern kann – es gehört dazu, auch das zu sagen –, werden wir die vorhandenen Spielräume im Herbst für dringend notwendige Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger nutzen müssen. Daher begrüßen wir, dass der Arbeitsminister am Wochenende einen Debattenbeitrag geleistet hat. ({8}) Aber für uns ist klar, dass zunächst der Abbau der kalten Progression im Vordergrund stehen muss. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, dass der Staat sich nicht noch an Preissteigerungen bereichern und davon profitieren darf. ({9}) Meine Damen und Herren, ich möchte den Ampelfraktionen meinen Dank für die sehr konstruktiven Haushaltsberatungen aussprechen. Wir werden bereits Ende Juni den Haushalt für das Jahr 2023 im Bundeskabinett besprechen; da geht es weiter. Der Bundesfinanzminister hat zu Beginn dieses Jahres gesagt: Der Haushalt 2022 ist primär eine Fortschreibung des letzten Haushalts der Großen Koalition, auch wenn wir viele Veränderungen vornehmen mussten. - ({10}) Am Haushalt für das Jahr 2023 können wir den Finanzminister und diese Koalition messen lassen. Ich freue mich auf die Beratungen und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Peter Boehringer. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Der Bundeshaushalt 2022 umfasst 500 Milliarden Euro bei 139 Milliarden Euro Neuverschuldung – das Sechsfache dessen, was das Grundgesetz normalerweise erlaubt. Erneut wird eine haushalterische Notsituation geltend gemacht, obwohl 2022 keinerlei pandemische Notsituation vorliegt. In den Haushaltsberatungen wurde nicht einmal klargestellt, ob man zur Begründung der Notsituation noch immer nur Corona als Jahrhundertausnahme heranzieht oder ob nun auch der Ukrainekonflikt die Begründung sein soll. Der entsprechend klärende Antrag wurde dem Bundestag erst gestern Abend um 21 Uhr vorgelegt. Das ist ein unmögliches Vorgehen, zumal Sie selbst darin nicht eindeutig klarstellen, mit welcher Notstandsbegründung Sie eigentlich gerade an der Schuldenbremse vorbeiregieren. ({0}) Dieses intransparente Schauspiel wiederholt sich gerade beim geplanten Bundeswehrsondervermögen. Auch dort war noch bis gestern Abend unklar, auf welcher Artikelgrundlage des Grundgesetzes und mit welcher genauen Zweckbestimmung es eigentlich an diesem Freitag errichtet werden soll. Solch ein gesetzgeberischer Schweinsgalopp in zentralen Politikfragen mit Steuerauswirkungen im dreistelligen Milliardenbereich ist eine groteske Missachtung des Parlaments. ({1}) Jedenfalls hätte man auch 2022 die Schuldenbremse einhalten können, wenn man die richtigen Prioritäten gesetzt hätte. Die von uns aufgezeigten Einsparpotenziale liegen bei mehr als 160 Milliarden Euro: Der EKF bzw. der Klima- und Transformationsfonds kann als reiner Ideologietitel weitgehend gestrichen werden. ({2}) Auch die sogenannte Asylrücklage ist endlich aufzulösen. Im Einzelplan des Gesundheitsministers muss die Vervierfachung des Etats gegenüber 2019 endlich beendet werden: Über 40 Milliarden Euro Coronaausgaben sind ohne jeden Nachteil für die Bürger zu streichen. Die Zahlungen an Krankenhäuser für leerstehende Betten, die Kosten für Tests, für Impfstoffe und für das Offenhalten der Impfzentren im Sommer, das ist alles überflüssig. ({3}) Dazu gehören natürlich auch die Kosten für Impfpropaganda. Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit des Gesundheitsministeriums wurden mit Corona von 5 Millionen auf 210 Millionen Euro vervierzigfacht. ({4}) Ampel und Union wollen diese Position sogar nochmals verdoppeln; das steht in Ihren Anträgen. Die AfD hatte all das schon vor über zwei Jahren gestrichen, bis auf Unternehmenshilfen, die wir als nationale Hilfen notgedrungen mittragen, obwohl wir als einzige Partei immer gegen die Coronamaßnahmenhysterie waren – immer, seit Mai 2020. ({5}) Minister Lauterbach kauft Impfstoffe für alle denkbaren Coronaviren – eben erst wieder für 830 Millionen Euro –, während gleichzeitig Dosen im Milliardenwert verfallen. Weiterhin geben wir Milliarden in den internationalen Gesundheitsaufbau – vor allem für weltweites Impfen –, etwa über freiwillige Zahlungen an die WHO. Zudem möchte man ernsthaft ein Prognosemodell für Impfstoffbedarf. Die Ampel vertritt also noch immer den absurden Glauben, künftige Virenpandemien voraussehen, genau die Impfstoffe und deren Bedarf gegen potenziell Tausende von Varianten vorausplanen und dafür ein Modell erstellen zu können. So etwas ist einfach nur abwegig. ({6}) Dann: Gender- und Klimaprogramme in aller Welt. Das sind die berüchtigten Weltbeglückungsprogramme der sogenannten Agenda 2030 für eine demokratisch niemals mehrheitsfähige Transformation der Welt. Viel Geld könnte man natürlich auch bei der EU holen, wenn man es denn wollte. Deutschland erhält nur etwa ein Viertel dessen, was uns aus dem riesigen EU-Coronaprogramm „Next Generation EU“ zustünde. Obwohl man das weiß, wird in Brüssel ohne erkennbaren Widerstand aus dem Finanzministerium schon der nächste Schuldentopf konzipiert – nur ein Jahr nach dem Präzedenzfall der EU-Coronahilfen. ({7}) – Herr Minister, Sie sagen: Es stimmt nicht. – Es ist angekündigt von Frau von der Leyen und von x anderen Personen. Es ist angekündigt. Dann bitte ich Sie um eine Zwischenfrage, wenn Sie wirklich in dieser Form hier sagen: Es stimmt nicht. Es zeigt sich, dass der Next-Generation-EU-Gemeinschaftsschuldentopf kein Einzelfall war, sondern ein Dammbruch. Ich sagte hier an dieser Stelle schon 2021: Wenn dieser Damm erst einmal gebrochen ist, dann wird Brüssel immer wieder riesige Summen zulasten deutscher Bonität aufnehmen und sie großzügig umverteilen. – Meine Prognose: Ein neues EU-unterstütztes Schuldenprogramm über Hunderte Milliarden Euro wird kommen, „mit sichtbarem deutschem Anteil“, wie es der Finanzminister ausdrückt. Alle deutschen Steuerzahler werden absehbar drei bis sechs Monate arbeiten, alleine nur zur Absicherung dieses sichtbaren deutschen Anteils. ({8}) Wir retten die ganze Welt mit von Deutschland behafteten Schulden, aber für die eigenen Leute gibt es viel zu wenig Geld – zumindest kein EU-Geld. ({9}) Vor diesem Hintergrund lesen wir dann solche Sätze des Finanzministers – Zitat –: „Man kann abhängig werden von Staatsverschuldung, und wir müssen die Sucht nach … Verschuldung beenden …“ – Das sagen Sie, Herr Lindner, ernsthaft, nachdem Sie selbst in nur sechs Monaten im Amt nun volle 200 Milliarden Euro aufgenommen haben; zuzüglich Bundeswehrsondervermögen – wir hörten es ja eben schon von Herrn Middelberg – sind es dann sogar 300 Milliarden Euro Schulden. ({10}) Die AfD ist der Auffassung, dass auch dieser Haushalt wieder verfassungswidrig ist. Man darf keine Notkredite aufnehmen, um Rücklagen zu bilden, was Sie aber auch 2022 erneut getan haben. Das ist und bleibt ein Missbrauch des Ausnahmeartikels. ({11}) Diese Schuldenpolitik der Regierung wird natürlich zu immer mehr Inflation führen. Auch mit dem 2022-Haushalt gießt die Koalition weiteres Benzin ins Feuer. Obwohl die AfD die seit Jahrzehnten angelegten Inflationsursachen natürlich auch nicht über Nacht aus der Welt schaffen könnte, konnten wir doch für den Kampf gegen die Inflationsfolgen weitreichende Steuerentlastungen vorschlagen und auch Gegenfinanzierungsvorschläge machen: Das sind die Erhöhung des Grundfreibetrags – das kommt fast allen zugute – auf 12 600 Euro, die Aussetzung der Umsatzsteuer auf Lebensmittel und Treibstoffe, die längst fällige und überfällige Abschaffung des Solis, die Abschaffung der sinnfreien CO2-Besteuerung. All das ist gegenfinanziert. Die Regierung profitiert über hohe Steuereinnahmen absurderweise von der Schuldeninflation, die sie selbst befeuert. Für die Menschen dagegen ist die Inflation der „große Verarmer“. Kleine Leute mit nur langsam wachsenden Einkünften stehen plötzlich viel ärmer da. Eine Regierung, die das verursacht, ist zutiefst antisozial. ({12}) Doch etwa die Grünen begrüßen sogar die Inflation. Der hohe Preis der Klimaideologie ist nun da, und die Grünen finden das auch noch gut: Lebensmittel seien eigentlich viel zu billig, und Deutschland sei für die Ukraine bereit, einen hohen wirtschaftlichen Preis zu zahlen. Zudem beklagt Frau Baerbock auch noch die Kriegsmüdigkeit der Menschen. Wir werden nicht nur von abgehobenen Ideologen, sondern auch von Zynikern regiert! ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich einen kurzen Hinweis an die Mitglieder der Bundesregierung auf der Regierungsbank geben: Zwischenrufe, Zwischenbemerkungen, die ich laut höre, aber auch andere, sind nicht gestattet. ({0}) Jetzt rufe ich den nächsten Redner auf: für die SPD-Fraktion Dennis Rohde. ({1})

Dennis Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten in dieser Woche abschließend den Bundeshaushalt 2022, und ja, wir sehen noch mal eine hohe Kreditaufnahme von 139 Milliarden Euro vor. Das sind – das gehört dann aber auch zur Wahrheit – 100 Milliarden Euro weniger als das, was 2021 in der Großen Koalition geplant war. Das hat verschiedene Gründe: Der erste Grund ist, dass wir viele Maßnahmen nicht mehr brauchen, nicht mehr finanzieren müssen, weil sich viele Menschen in diesem Land solidarisch gezeigt haben, sich haben impfen lassen, und all denen gilt unser Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Der zweite Grund sind verbesserte Steuereinnahmen, eine Wirtschaft, die sich gerade als stabil herausstellt. Der Grund dafür liegt auch in den Maßnahmen, die wir in der Vergangenheit getroffen haben: Dadurch, dass wir Arbeitsplätze durch das Kurzarbeitergeld gesichert haben, dadurch, dass wir Unternehmen durch Wirtschaftshilfen gesichert haben, stehen wir heute wesentlich besser da, als es im letzten Jahr Status quo war. Das ist, finde ich, auch ein Erfolg der Politik der letzten Jahre, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Aber dieser Haushalt ist mit Unsicherheiten behaftet. Der Ukrainekonflikt mit seinen verschiedensten Auswirkungen auf der Ausgabenseite, aber auch auf der Einnahmeseite. Wir wissen nicht, wie sich das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte entwickelt. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen die Inflation auf der Ausgabenseite für den Bundeshaushalt hat. Wir sind in einer Situation, in der die Zinsen steigen und wir eigentlich eingeplante Negativzinseinnahmen nicht mehr haben werden. Also all das, was wir als Planungsgrundlage haben, ist durchaus volatil. Trotzdem und gerade deswegen müssen wir uns den Herausforderungen, die da auf uns zukommen, stellen. Und dass wir das tun, will ich am Beispiel der Ukraine deutlich machen: Während die Bereinigungssitzung stattfand, haben die G‑7-Finanzminister getagt. Während die Bereinigungssitzung stattfand, hat man beschlossen, der Ukraine kurzfristig 15 Milliarden Euro Liquiditätshilfen zur Verfügung zu stellen. Uns war wichtig, den deutschen Anteil von 1 Milliarde Euro noch in der Nacht in den Bundeshaushalt zu überführen, um deutlich zu machen: In dieser Frage stehen Legislative und Exekutive geschlossen beieinander. – Ein Zeichen der Solidarität, das auch von der Bereinigungssitzung ausging, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Ja, 139 Milliarden Euro neue Schulden sind vorgesehen. Zur Wahrheit gehört: Am Ende kommen noch 100 Milliarden Euro dazu, nämlich das Sondervermögen für die Bundeswehr, um die Truppe endlich wieder vernünftig auszustatten, auf Vordermann zu bringen und die Bundesrepublik wehrhaft zu machen. Ich danke all denen, die sich ihrer staatspolitischen Verantwortung an dieser Stelle stellen, die dafür Sorge tragen, dass dieses Sondervermögen Realität wird. Wir brauchen es, und wir bringen es auf den Weg. Wir sind damit auch Vorbild für viele andere Nationen um uns herum, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Mein Dank gilt besonders denjenigen, die verhandelt haben. Mein besonderer Dank gilt dem Bundeskanzler, der die Initiative angestoßen hat, der dieses Sondervermögen auf den Weg gebracht hat, aber auch dem Finanzminister, der Verteidigungsministerin, der Außenministerin und den Vertreterinnen und Vertretern der Union, die an der Sache orientiert zu einem guten Ergebnis gekommen sind. Ihnen allen im Namen der SPD-Fraktion vielen Dank. ({4}) Die äußere Sicherheit ist prägend für diesen Bundeshaushalt; denn wir stehen vor großen Herausforderungen bei der Bundeswehr und bei der Unterstützung der Ukraine. Aber wir haben in der Debatte auch die anderen Sicherheiten nicht vergessen: die innere Sicherheit und die soziale Sicherheit. Wir stärken die innere Sicherheit ganz gezielt, zum Beispiel durch 2 000 zusätzliche Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, die ab 2025/2026 unsere Bahnhöfe und Flughäfen sicherer machen werden. Man kann den Stellenaufwuchs durch die Ampel kritisieren. Aber ich sage Ihnen: Wir sorgen damit am Ende für zusätzliche Sicherheit. Ich finde, das sollte auch im Interesse der Union sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Und wir lernen aus der Katastrophe im Ahrtal. Wir haben gemerkt, welches Material dem Technischen Hilfswerk fehlte, und sorgen mit diesem Bundeshaushalt zum Beispiel dafür, dass dem Technischen Hilfswerk zusätzliche Unimogs zur Verfügung gestellt werden, dass es zusätzliche Logistikzentren bekommt, damit es alles das, was im Krisenfall gebraucht wird, vorhalten kann. Auch das ist ein Beitrag für die innere Sicherheit und für den inneren Zusammenhalt in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Und wir stärken die soziale Sicherheit durch Entlastungspakete mit Einmalzuschüssen, durch die Möglichkeit, kostengünstig den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen, was gerade in den nächsten Wochen und Monaten vielen Menschen ermöglicht, in der Ferienzeit zu reisen, die es sich durch die Inflation ansonsten nicht mehr leisten könnten – auch ein Beitrag zum Zusammenhalt –, sowie durch die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. All das sind Maßnahmen, die ein Ziel haben: in Zeiten von Krieg um uns herum und von Inflation dieses Land zusammenzuhalten. Und diese Aufgabe gehen wir in der Ampel an, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Aber auch beim Thema Soziales spielt die Ukraine wieder mit hinein. Wir stärken ganz gezielt den Etat des Bundesarbeitsministers, zum Beispiel durch die Möglichkeit, 200 Millionen Euro zusätzlich für Eingliederungsmaßnahmen zu nutzen, zum Beispiel durch über 100 Millionen Euro für zusätzliche Deutschkurse, damit diejenigen, die bei uns Schutz suchen, eine Perspektive in diesem Land haben. Auch das ist ein Beitrag zur sozialen Sicherheit dieses Landes, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Wir vergessen dabei nicht, dass wir nicht nur eine Verantwortung für unser Land tragen. Ja, die Krisen um uns herum treffen die Europäische Union und die Bundesrepublik Deutschland hart. Aber es gibt Regionen, die noch härter getroffen werden. Denn dort geht es teilweise um die blanke Existenz, um das blanke Überleben. Uns war es wichtig, deutlich zu machen, dass wir unsere internationalen Verpflichtungen erfüllen und die Krisen, die zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent wegen großer Ernährungsprobleme entstehen werden, in den Blick nehmen und sie angehen. Deshalb wird mit diesem Bundeshaushalt der Bereich der Entwicklungszusammenarbeit noch einmal um 2,4 Milliarden Euro im Vergleich zum Regierungsentwurf gestärkt. Das ist ein starkes Signal der internationalen Solidarität, das von diesem Bundeshaushalt ausgeht. ({9}) Und wir vergessen auch nicht diejenigen, die es in der Krise besonders schwer hatten: die Kulturschaffenden zum Beispiel, denen ihre gesamte Existenz für viele Monate geraubt wurde. Wir stärken erneut die Kultur im großen Umfang, nicht nur mit Investitionen, mit denen wir Kommunen und Länder unterstützen wollen, dass sie das, was sie an Kulturgütern haben, auch erhalten können, sondern zum Beispiel auch, indem wir in diesem Jahr einen zusätzlichen Zuschuss an die Künstlersozialkasse geben, damit im nächsten Jahr der Beitragssatz stabilisiert werden kann und die Künstler, die es in den letzten Jahren eh schon besonders schwer hatten, nicht noch doppelt hart getroffen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Abschließend: Ja, dieser Haushalt ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Aber er ist Ausdruck unserer Gesamtverantwortung für die äußere, für die innere und für die soziale Sicherheit. Es ist ein Haushalt des Zusammenhalts, und unsere Fraktion wird dem gern zustimmen. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Janine Wissler.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zehn Wochen parlamentarischer Arbeit an diesem Bundeshaushalt liegen hinter uns. Das ist der erste Haushalt der Ampelkoalition. Es waren besondere und herausfordernde Beratungen, weil dieser Haushalt in Zeiten großer globaler Krisen aufgestellt wurde. Und mit diesem Haushalt geben wir konkrete Antworten auf diese Krisen. Wir geben konkrete Antworten auf den schrecklichen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wir geben Antworten auf die Krisen des Klimas und des Artensterbens. Wir geben auch Antworten auf die immer noch anhaltende Coronapandemie. Und wir geben auch Antworten auf die vor allem fossil getriebene Inflation. Wir geben im Haushalt konkrete Antworten auf die Krisen, aber wir handeln auch konkret für die Zukunft. Wir handeln mit diesem Bundeshaushalt aktiv in dieser Krise. ({0}) Wir betreiben also nicht nur aktive Krisenbewältigung, sondern wir sorgen auch für die Zukunft vor. Wir haben in der Bereinigungssitzung des parlamentarischen Verfahrens die Investitionen noch einmal um 700 Millionen Euro erhöht. Wenn man den Energie- und Klimafonds, den Kernhaushalt und das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ zusammennimmt, so haben wir bei den Investitionen einen Rekordwert von insgesamt 75 Milliarden Euro. ({1}) Seit Beginn der Ampelkoalition konnten wir das Volumen des Energie- und Klimafonds für die nächsten Jahre auf fast 200 Milliarden Euro verdoppeln. ({2}) Und wir haben im parlamentarischen Verfahren den nationalen Klimaschutz noch einmal gestärkt. Wir haben den internationalen Klima- und Biodiversitätsschutz gestärkt. Wir unterstützen urbane Räume bei der Anpassung an die Klimakrise. ({3}) Wir stärken die Digitalisierung der Schiene mit 400 Millionen Euro in den nächsten Jahren. Und – worauf wir besonders stolz sind – wir haben endlich auch die Finanzierung für das Forschungsschiff „Polarstern II“ gesichert. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag für die Forschung, aber auch für den Klimaschutz. ({4}) Das Sondervermögen wurde schon angesprochen. Es ist richtig, dass wir die Bundeswehr in den nächsten Jahren angemessen ausstatten und dass wir im Haushaltsausschuss gleichzeitig beschlossen haben, dass wir eine notwendige Reform des Beschaffungswesens zusammen mit dem Rechnungshof eng begleiten werden. ({5}) Ich kann allerdings, ehrlich gesagt, die Union nicht verstehen, dass im 21. Jahrhundert Cyberabwehr kein Teil des Sondervermögens sein sollte. Ehrlich: Das ist von vorgestern, liebe Union. ({6}) Aber ich will auch etwas Lobendes zur Union sagen. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Union ihre ideologischen Positionen beim Sondervermögen geräumt hat und einer Neuverschuldung von 100 Milliarden Euro an der Schuldenbremse vorbei zugestimmt hat. ({7}) So wird jetzt die Ausstattung der Bundeswehr nicht gegen notwendige Gerechtigkeit und notwendigen Klimaschutz im Haushalt ausgespielt. Dafür danke ich herzlich. ({8}) Dennis Rohde hat es angesprochen: Sicherheit bemisst sich nicht nur an den Militärausgaben, sondern auch die Ausgaben für Diplomatie, zivile Krisenprävention und Entwicklungszusammenarbeit sind zentral für unsere Sicherheitspolitik in der einen Welt. Wir sehen ja gerade, wie Wladimir Putin gezielt mit Ernährung und Hunger einen Krieg führt, einen Kornkrieg weltweit, und auch versucht, die internationale Gemeinschaft zu spalten. Deswegen ist es gut, dass wir den zweiten Regierungsentwurf noch einmal deutlich nachgebessert haben im Ergänzungshaushalt, im parlamentarischen Verfahren. Wir haben jetzt 2,7 Milliarden Euro mehr für das Auswärtige Amt und das BMZ bereitstellen können, weil Diplomatie, zivile Krisenprävention und der Kampf gegen Hunger zentrale Teile unserer Sicherheitspolitik sind. Aber wir erwarten als Fraktion auch, dass die Eins-zu-eins-Regelung, die im Koalitionsvertrag festgehalten ist, für die nächsten Haushalte und in der Finanzplanung abgesichert wird, weil es nicht nur mit diesem Haushalt große Krisen zu bewältigen gibt, sondern auch in den nächsten Jahren wird es weiterhin große Krisen weltweit geben. Deswegen brauchen wir eine Absicherung in der Finanzplanung. ({9}) Die Linke und die Union fordern immer noch mehr Geld. Aber ich will darauf hinweisen, dass diese Koalition innerhalb von wenigen Wochen zwei Entlastungspakete in Höhe von über 40 Milliarden Euro bereitgestellt hat. Unser Fokus lag vor allen Dingen darauf, Menschen gezielt zu entlasten und Menschen sozial gerecht zu entlasten. ({10}) Das haben wir mit den Entlastungspaketen auch gezeigt. ({11}) Und natürlich gibt es angesichts der Kürze der Zeit auch noch Nachbesserungsbedarf; das will ich ehrlich zugeben. Nicht alle Maßnahmen sind zu 100 Prozent zielgenau. Das sehen wir gerade bei der befristeten Absenkung der Energiesteuer. Um Entlastungen jetzt aber auch strukturell abzusichern, haben wir im Koalitionsvertrag zwei Instrumente vereinbart, die auch strukturell dauerhaft zielgerecht und zielgenau wirken. Das ist das Energiegeld, finanziert aus allgemeinen Haushaltsmitteln, und das ist die Kindergrundsicherung. Ich gehe davon aus, dass diese Absichtserklärung aus dem Koalitionsvertrag auch in der Finanzplanung abgesichert wird. ({12}) Natürlich können wir auch gerne über neue Wege der Finanzierung reden; dafür sind wir Grüne immer offen. Für uns ist klar, dass es bei der Steuerpolitik vor allen Dingen um eine gerechte Lastenverteilung geht. Deswegen sagen wir auch sehr klar: Gerade in einer Krise, die so fundamental ist, müssen starke Schultern deutlich mehr tragen als schwache. Das gilt besonders für die Steuerpolitik. ({13}) Herr Middelberg hat den Energie- und Klimafonds angesprochen und die 60 Milliarden Euro dafür, wogegen die Union jetzt in Karlsruhe klagt. Das heißt, 60 Milliarden Euro sollen nach Vorstellung der Union für die notwendige Transformation der Wirtschaft in den Klimaschutz in den nächsten Jahren nicht bereitstehen. Das ist Ihr gutes Recht, zu klagen. Wir halten das, was Sie gemacht haben, inhaltlich für falsch und auch verfassungsrechtlich für nicht tragfähig. Aber man kann nicht gleichzeitig den EKF und die Rücklage von 60 Milliarden Euro in Karlsruhe beklagen, Herr Middelberg, und dann in der Bereinigungssitzung einen Antrag vorlegen, der diese 60 Milliarden Euro aktiviert, obwohl sie nach Ihrer Klage eigentlich verfallen sollten, und als Gegenfinanzierung für Anträge nutzen. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie konkret wollen. Das ist haushaltstechnisch und rechtlich nicht möglich. Ihre Klage in Karlsruhe haben Sie damit ad absurdum geführt. ({14}) Kollege Meyer hat es angesprochen, Kollege Rohde hat es angesprochen: Wir müssen in diesem Haushalt die Notfallregelung der Schuldenbremse ziehen, weil wir immer noch die Folgen der Coronapandemie sehen und weil wir jetzt zusätzlich mit dem schrecklichen Krieg Russlands gegen die Ukraine eine neue Notlage haben, die große soziale, ökonomische und humanitäre Herausforderungen mit sich bringt. Deswegen ist es richtig, dass wir auf diese Krisen jetzt konkret reagieren und in der Krise aktiv handeln. Wir sagen sehr klar: Mit diesem Haushalt sparen wir uns in keine Krisen hinein. ({15}) Ich wünsche mir wirklich sehr, dass wir aus diesen Krisen sehr schnell wieder herauskommen; denn es ist wirklich schrecklich, was wir tagtäglich sehen und was viele Menschen weltweit, besonders in der Ukraine, erleben müssen. Aber ich habe die Befürchtung, dass das leider nicht so schnell enden wird. Wenn ich mir das Handeln und die schrecklichen Pläne von Wladimir Putin anschaue, wenn ich mir die großen internationalen Folgen, die großen sozialen und ökonomischen Folgen, die es für Deutschland und Europa hat, anschaue, dann habe ich die große Sorge, dass das nicht 2022 schon zu Ende ist. Dieser Konflikt ist also kein 100‑Meter-Lauf, sondern ein Marathon. Zentral ist, dass Europa in diesen Zeiten fest und geeint zusammensteht und sich nicht von Wladimir Putin auf der Strecke auseinanderdividieren lässt. ({16}) Diesem übergeordneten Ziel muss sich dann auch die Finanzpolitik mit ihrer dienenden Funktion unterordnen. Deswegen ist es richtig, dass die Europäische Kommission für 2023 noch einmal die Ausnahmeklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschlossen hat. Europa hat aus den Fehlern der letzten Finanzkrise und den Fehlern der Austeritätspolitik gelernt. In Zeiten der Not handelt man; man spart sich in keine Krisen hinein. ({17}) Deswegen will ich noch einmal klar sagen: Deutschland hat als größte Volkswirtschaft Europas eine besondere Verantwortung in diesen Zeiten. Das gilt auch für die Aufstellung des Bundeshaushalts 2023. Gerade wenn eine Notlage besteht, kann man eben nicht den Rotstift ansetzen und eine Normalität suggerieren, sondern man muss aktiv handeln und das Notwendige auch finanzieren. ({18}) Wir haben in diesem Haushaltsverfahren 2022 gezeigt: Wir sorgen aktiv für die Zukunft vor, wir reagieren aktiv auf Krisen. Wir haben viel bewegt im Haushaltsverfahren. Wir haben die Regierung dort unterstützt, wo es notwendig war. Wir haben sie auch dort als selbstloses Parlament korrigiert und ergänzt, wo es notwendig war. Ich danke für die Zusammenarbeit und empfehle die Zustimmung zu diesem Haushalt. Danke. ({19})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Florian Oßner. ({0})

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich meinen Vorrednern lausche, dann gleicht das schon einem sehr teuren Wunschkonzert, was die Ampelregierung als Haushalt für das Jahr 2022 vorgelegt hat. Alle Vorlieben der Koalitionäre werden da gleichermaßen bedient: für die Grünen ein bisschen Klima, für die FDP ein bisschen Politikmarketing und für die SPD ein bisschen Soziales. Leider läuft dieses Konzert unter dem Titel: „Wer macht die meisten Schulden?“. Waren Grüne und FDP in der Vergangenheit immer gegen Schattenhaushalte, wollten Subventionen streichen und den Solidaritätszuschlag komplett abschaffen, so bleiben davon nur noch leere Worthülsen – wirklich sehr, sehr schade. Liebe Ampelkoalitionäre, so schafft man definitiv kein Vertrauen in die Finanzpolitik in Deutschland! ({0}) Es ist ohne Glaskugel absehbar, dass auch bei uns die Leitzinsen steigen. Wir haben bereits eine Rekordinflation. Damit wird auch das massive Schuldenmachen des Bundes immer teurer. Was würde also der vernünftige und vorsichtige Kaufmann machen? Richtig: sich beschränken, Prioritäten setzen, Ausgabenprogramme überprüfen und gegebenenfalls auch Dinge streichen. Stattdessen bekommen wir eine Nettoneuverschuldung von rund 140 Milliarden Euro präsentiert. Dann kommen durch Buchungstricks noch weitere 60 Milliarden Euro an Coronakrediten und natürlich das schuldenfinanzierte „Sondervermögen Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro dazu. Das sind in Summe sage und schreibe 300 Milliarden Euro neue Schulden. Bei den parlamentarischen Beratungen wurden nochmals 11,9 Milliarden Euro draufgesattelt. Damit bläht sich der Bundeshaushalt auf annähernd eine halbe Billion Euro auf. Das ist wirklich Wahnsinn und an Verantwortungslosigkeit in der Tat nicht mehr zu überbieten, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel. ({1}) Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. – Wir alle kennen diese alte Weisheit. ({2}) Ohne das konsequente Festhalten an ausgeglichenen Haushalten seit 2014 durch unionsgeführte Bundesregierungen hätten wir die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und jetzt des Ukrainekriegs nicht derart abfedern können. Die Ampel scheint hingegen bei jedem Problem in den finanzpolitischen Amoklauf zu verfallen: hier ein paar Milliarden, da ein paar Milliarden. ({3}) Es wird nur noch in Milliarden-Einheiten gesprochen, ohne jegliche Gegenfinanzierung. Beenden Sie deshalb bitte sofort dieses sinnlose Verfrühstücken der Zukunft unserer nachfolgenden Generationen! ({4}) Das Wort „Zurückhaltung“ scheint zudem nicht im Wortschatz der Ampel vorhanden zu sein. Das gilt insbesondere dann, wenn es um die Vergabe von Posten geht: insgesamt fast 10 000 zusätzliche Stellen! ({5}) Auch das Problem der Ausgabereste in den Ministerien wird von der Koalition komplett ausgeblendet und negiert – knapp 20 Milliarden Euro. Haushaltstransparenz sieht wahrlich anders aus, liebe Ampelkoalitionäre! ({6}) Als Union fordern wir deshalb die Bundesregierung in unserem Entschließungsantrag auf: Senken Sie die Neuverschuldung um über 100 Milliarden Euro durch die Auflösung der Rücklagen ({7}) und durch die Nichtinanspruchnahme der Corona- bzw. Klimakredite! Entlasten Sie die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmen durch die Beseitigung der kalten Progression im Steuertarif! Schaffen Sie endlich den Solidaritätszuschlag komplett ab! ({8}) Und nehmen Sie die Personalmehrung zurück, welche sowieso am Ende nur mehr Bürokratie schafft! Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner ist nun der Bundesminister Christian Lindner. ({0})

Christian Lindner (Minister:in)

Politiker ID: 11004097

Frau Präsidentin! Herr Oßner, Sie müssen ein Magier sein; denn Sie haben gerade vorgeschlagen, dass Sie die Rücklage auflösen wollen, die in Ihrer eigenen früheren mittelfristigen Finanzplanung noch benötigt worden ist, um im nächsten Jahr die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten. ({0}) Das ist leider widersprüchlich. Der Wechsel von Regierung zu Opposition ist Ihnen nicht gut bekommen. ({1}) Ich will mich aber bedanken für die große Einigkeit beim Sondervermögen. Von diesem Sondervermögen für die Bundeswehr geht eine doppelte Botschaft aus: Wir stärken mit 100 Milliarden Euro Investitionen unsere Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung, aber wir tun dies parallel zur Schuldenbremse des Grundgesetzes. Die Schuldenbremse selbst bleibt für alle anderen Aufgaben und Vorhaben erhalten. Das ist die doppelte Botschaft: Wir antworten auf die sicherheitspolitische Zeitenwende mit der Stärkung der Streitkräfte. Wir antworten auf die ökonomische Zeitenwende aufgrund der Inflation durch die Rückkehr zu soliden Haushalten und das Ende immer neuer Schulden. ({2}) Damit folgen wir auch dem Rat der Europäischen Kommission. Denn die Europäische Kommission hat bei ihrem finanzpolitischen Ausblick zwar die allgemeine Ausweichklausel verlängert, zugleich hat sie aber nicht empfohlen, davon Gebrauch zu machen. Im Gegenteil: Sie hat gesagt: Wir müssen zu fiskalischer Neutralität kommen, also nicht durch immer neue Subventionen und Ausgabenprogramme die Inflation nähren. ({3}) Genau das muss unser Ziel sein. Rückkehr zur Schuldenbremse bedeutet, Druck von den Preisen zu nehmen, indem wir nicht immer mehr umverteilen und immer mehr Subventionen erfinden. ({4}) Herr Kollege Middelberg, im zweiten Regierungsentwurf 2022 haben wir genau Ihre Zahl von 99,7 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme eingehalten. Wir haben nicht mehr Schulden gemacht, als Sie in Ihrer Regierungszeit vorhatten. ({5}) Aber wir haben mit Ihren Eckpunkten anderes gemacht: mehr für Bildung, soziale Aufgaben, Investitionen und Entlastung. Das zeigt: Bereits mit dem zweiten Regierungsentwurf hat die Ampel mit der Konsolidierung begonnen. ({6}) Aber neue Aufgaben kamen hinzu. Wir haben deshalb bekanntlich einen Ergänzungshaushalt vorgelegt, weil Dinge nicht vorhersehbar waren. Ich nenne als ein Beispiel – Dennis Rohde ist darauf eingegangen – 1 Milliarde Euro Zuschuss, um die Liquidität der Ukraine zu erhalten, damit sie ihre Staatsfunktionen garantieren kann. Das zeigt: Die Ampelkoalition nimmt internationale Verantwortung wahr. Ohne den Ergänzungshaushalt und ohne die klaren Entscheidungen des Haushaltsausschusses wäre nicht gesichert, dass die Ukraine ihr Recht auf Selbstverteidigung verwirklichen kann. ({7}) Die Mehreinnahmen, die der Staat in diesem Jahr erzielt, Kollege Middelberg, die gibt er zurück. Wir haben ein Entlastungspaket bzw. mehrere Entlastungspakete mit in der Summe über 30 Milliarden Euro geschnürt. Das, was uns an Mehreinnahmen zufließt, geht an die Bürgerinnen und Bürger zurück, auch dadurch, indem wir den von der CDU/CSU für das Jahr 2022 beschlossenen Steuertarif rückwirkend zum 1. Januar mit Arbeitnehmerpauschbetrag und höherem Grundfreibetrag korrigieren. ({8}) Dieser Steuertarif und der Grundfreibetrag waren Ihr Erbe. Es kommen neue Maßnahmen hinzu, zum Beispiel eine befristete Senkung der Energiesteuer; ab dem morgigen Tag gilt sie. Sie wird aus technischen Gründen nicht sofort wirksam sein. Es ist kein Geheimnis: Ich hätte ein anderes Modell vorgezogen. ({9}) Ich hätte eine Beihilfe wie in Italien empfohlen, wo man direkte Vorgaben an die Mineralölgesellschaften machen kann. Das wäre mein Modell gewesen. Wir haben uns dann im politischen Diskurs für eine Steuersenkung entschieden. Diese Steuersenkung muss aber jetzt durchgesetzt werden. Das ist jetzt eine Aufgabe des Kartellamts. Wir müssen sicherstellen, dass die Steuersenkung bei den Autofahrerinnen und Autofahrern und bei den Pendlern ankommt. Denn für die ist das gemeint, nicht für die Mineralölgesellschaften. ({10}) – Es war ja auch Ihr Modell, die Steuern zu senken. Sie wollten ja sogar noch die Mehrwertsteuer senken, ({11}) was aus europäischen Rechtsgründen ohne Weiteres nicht möglich gewesen wäre. Ein letzter Punkt, zu den Stellen. Wir reden ja hier über den Einzelplan 08. Das hat bisher ja noch niemand getan, deshalb will ich es mal machen, weil auch Kritik von der CDU/CSU kam: Im Einzelplan 08 schlage ich vor – der Haushalt wird ja von Ihnen beschlossen –, 1 400 zusätzliche Stellen für Zöllnerinnen und Zöllner zu schaffen. ({12}) Das ist eine Investition. Herr Middelberg, wollen Sie das nicht? Will die CDU/CSU nicht 1 400 zusätzliche Zöllnerinnen und Zöllner? Das ist eine Investition in die Wettbewerbsfähigkeit eines Exportlandes, damit Warenverkehr schnell abgewickelt werden kann. ({13}) Es ist zugleich aber auch eine Investition in die Bekämpfung von Finanzkriminalität, Geldwäsche und Schwarzarbeit. ({14}) Wollen Sie das nicht? Wir wollen das. Wir wollen das; denn unser Ziel ist es, die ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor Mehrbelastungen zu schützen, indem wir die schwarzen Schafe dingfest machen und dafür sorgen, dass sie ihren fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. ({15})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Harald Weyel. ({0})

Prof. Dr. Harald Weyel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004932, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebes finanzpolitikgeplagtes Publikum allüberall! Ich frage mich, ob Bert Brecht nicht mit Blick auf den deutschen Finanzminister, auf die Europäische Union und auf die Zentralbank sein Zitat „Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank“ variieren würde: Noch wahrere Profis gründen eine Europäische Zentralbank, und die ganz wahren Profis verabschieden mehrheitlich einen Bundeshaushalt. ({0}) Seit über einem Jahrzehnt kann man das Untersuchungsprojekt „Deutschland – Zahlmeister der EU“ – der Titel ist nicht von mir – von Professor emeritus Franz-Ulrich Willeke, Uni Heidelberg, fortschreiben. Anhand dieser sowie eigener Recherchen kann man folgende Feststellungen treffen: Erstens. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass eine laufende Umverteilung zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten ein wesentliches Merkmal der EU ist. Die EU, samt Vorläufern, stellt somit schon lange eine Transferunion dar. Zweitens. Die Europäische Kommission hat erstmalig 2006 – so viel Zeit hatte man – rückwirkend für die Jahre ab 1976 Daten zu den Einnahmen und Ausgaben der EU veröffentlicht. Diese erlauben es, erstmals Aussagen über die Nettobeiträge und Nettoleistungen zu treffen. Man kann konstatieren: Schon in den 15 Jahren vor der Wiedervereinigung zahlte Deutschland 60 Prozent aller Nettoleistungen. ({1}) Drittens. In den ersten 20 Jahren der Wiedervereinigung, also von 1991 bis 2011, zahlte Deutschland fast 250 Milliarden Euro, eine Gesamtbelastung des Haushalts, an die EU. Vorletztes Jahr lagen wir bei circa 20 Milliarden Euro netto, und jetzt geht es sogar mit 30 Milliarden weiter – jährlich. Weitere EU‑Eigenmittel – Zölle und Zuckerabgaben – kommen hinzu, und es werden weitere erfunden. Ich zitiere eine zusätzliche Quelle: „ Deutschland zahlte auch innerhalb der Nettozahler 61 Milliarden Euro mehr als sein ‚angemessener Nettobeitragʼ gewesen wäre. Deutschland wurde regelrecht ‚ausgeplündertʼ, so der Wissenschaftler Willeke.“ ({2}) Eben war die Rede von 60 Milliarden Euro, die fehlten. Die sind also schon längst woanders hingegangen. Unterm Strich gilt: Deutschlands Gesamtbeitrag zur EU beträgt zwischen 40 und 50 Prozent, und das vor dem Hintergrund, dass der deutsche Anteil am EU-Sozialprodukt des Brüsseler EU-ropas niemals mehr als ein Viertel von dessen Sozialprodukt und Bevölkerung ausgemacht hat. ({3}) Ich komme zum Schluss. Die jährlichen Zigmilliardenzahlungen aus dem Bundeshaushalt wachsen seit dem Britenabgang sprungartig an. All die zusätzlichen Fonds und Haftungsrisiken, die Quasigratiskredite ohne Sicherheiten haben die Billionengrenze längst überschritten. Sie stellen immer mehr eine bloße Wechselreiterei und Konkursverschleppung dar. Die Gegenleistung dafür erinnert bestenfalls an eine leistungsschwache, wenn nicht gar betrügerische Versicherungsgesellschaft, deren Prämien ständig steigen, während der immer teurer bezahlte Versicherungs- oder Leistungsfall stets weggeleugnet oder umgangen wird, siehe effektive Außengrenzsicherung sowie Vertragstreue und Rechtssicherheit und bürgerliche Freiheitsrechte mit und ohne Corona. Es ist insbesondere für Deutschland eher ein Angebot zur Ausbeutung statt zur Wohlstandsmehrung. Bereiten wir dem ein Ende! Konstruktiv rät Willeke: 0,2 Prozent des Bruttonationaleinkommens reichen. – Auf Deutsch übersetzt: Die Hälfte der Überweisungen reicht aus, und es können sogar noch die gleichen Nettoleistungen an die Nettoempfänger ausgezahlt werden. Halbieren Sie diese Kosten! Dann haben wir 20 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung. Danke schön. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Thorsten Rudolph. ({0})

Dr. Thorsten Rudolph (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005194, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleg/-innen! „Prognosen sind schwierig“, sagt ein Bonmot, „besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Das gilt in normalen Zeiten. Aber die Zeiten sind nicht normal. Wie schlimm wird die nächste Coronawelle? Wie geht es mit dem Ukrainekrieg weiter, wie mit den Lockdowns in China und den Schiffen vor Schanghai? Was heißt das alles für die Lieferketten und die Versorgung der Welt mit Lebensmitteln und Rohstoffen? Wie geht es mit der Inflation weiter? Und so weiter und so fort. Sicher ist aktuell nur, dass nichts sicher ist. Deshalb war es der Ampelkoalition so wichtig, mit diesem Haushalt 2022 Stabilität zu gewährleisten und Gestaltungsspielraum zu bewahren: mit weiterhin umfassenden Coronahilfen, mit den beiden Entlastungspaketen für die Bürger/-innen in Höhe von insgesamt 30 Milliarden Euro, mit Rekordinvestitionen in Klimawende, Digitalisierung, Bildung, Verkehr und sozialen Wohnungsbau – Sven-Christian Kindler hat es eben ausgeführt – und natürlich mit zusätzlicher finanzieller Hilfe für die Ukraine, mit Unterstützung für die Geflüchteten, mit mehr humanitärer Hilfe und mit Mitteln für unsere am stärksten vom Krieg betroffenen Unternehmen. Allein diese zusätzlichen Mittel wegen des Krieges schlagen mit knapp 40 Milliarden Euro zu Buche. Ansonsten aber entspricht die Verschuldung mit 99,7 Milliarden Euro dem, was schon die Große Koalition im ersten Regierungsentwurf vorgesehen hatte. Das ist nicht schön, aber eben das Ergebnis der außergewöhnlichen Notsituation im Sinne von Artikel 115 Grundgesetz, in der wir uns befinden und die dieses Hohe Haus zu Recht festgestellt hat. Gerade weil dieser Haushalt Maß und Mitte hält, ist es ein kluger Haushalt, meine Damen und Herren, der auf die Herausforderungen reagiert, aber zugleich Spielräume lässt. Dieser Haushalt ist finanziell verantwortungsvoll und stocksolide. ({0}) CDU/CSU und ihren Vertretern ist das nicht genug, habe ich gelesen. Sie fordern massive Mehrausgaben. ({1}) Sie wollen die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Fernwärme sowie die Netzentgelte senken, die kalte Progression ausgleichen, garantierte Zinsen bei der Altersvorsorge zahlen, die Grenzwerte bei der Arbeitnehmersparzulage verdoppeln, den Sparerpauschbetrag verdoppeln, den erstmaligen Erwerb selbstgenutzter Immobilien fördern, eine Sonderabschreibung für energieeffiziente Wohngebäude einführen, den Verteidigungshaushalt kontinuierlich aufwachsen lassen und – nicht zu vergessen – natürlich den Solidaritätszuschlag für die oberen 10 Prozent abschaffen. Allein diese letzte Maßnahme kostet 11 Milliarden Euro, und das Jahr für Jahr. Ich bin beeindruckt, Herr Kollege Middelberg, wie Sie auf der Ausgabenseite arbeiten. Alles in allem wird das, was Sie vorschlagen, eine regelrechte Schuldenorgie. ({2}) Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur die Ausgabenwünsche der letzten zwei, drei Monate, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Ich habe schnell wieder aufgehört, zu recherchieren, weil ich Angst hatte, dass meine ganze Redezeit für Zusatzausgaben der Union draufgeht. ({3}) Das Beste daran ist aber: Die Union beklagt zugleich ständig, dass die Ampel angeblich Rekordschulden mache. ({4}) Das sind die Schulden, die die CDU/CSU selbst in der Großen Koalition beschlossen hat, und die knapp 40 Milliarden Euro zusätzlich für die Ukraine, die im Großen und Ganzen unstrittig sind. Ich muss sagen: Ich habe schon einen gewissen Respekt vor so viel Unverfrorenheit. CDU und CSU greifen verbal ungeniert in den Staatssäckel und rufen dabei zugleich: Haltet den Dieb! ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht unterschlagen, dass die Union auch Einmalbeträge sparen will: beispielsweise die 2,5 Milliarden Euro für das 9‑Euro-Ticket, die 750 Millionen Euro für die Dekarbonisierung der Wirtschaft, die 50 Millionen Euro für die Querschnittsaufgabe Energieeffizienz und natürlich die 60 Milliarden Euro für den Energie- und Klimafonds; Sven-Christian Kindler hat alles dazu gesagt. ({6}) Alle diese Vorschläge zusammen ergeben ein präzises Bild davon, welche Politik die Union will: Entlastungen für Wohlhabende, weniger Geld für die Verkehrswende, viel weniger Geld für die Klimawende, dafür aber, wie ich lese, gerne Atomkraft und Fracking. Viele erkennen hier schon deutlich die Handschrift von Friedrich Merz. Fest steht jedenfalls: Das ist Politik für die 80er-Jahre und nicht für die 2020er-Jahre. ({7}) Die Ampel macht Politik für die 2020er-Jahre – zum Glück! –, auch wenn die Bedingungen zurzeit alles andere als einfach sind. Sie haben wahrscheinlich gestern alle gelesen, dass laut einer ifo-Studie noch in diesem Jahr ein Preisanstieg bei den Lebensmitteln um weitere 10 Prozent erwartet wird. Wir wissen alle, dass steigende Lebensmittelpreise und Energiepreise gerade Menschen mit geringem Einkommen besonders hart treffen. Lassen Sie mich daher von diesem Pult aus ganz deutlich sagen: Wir lassen niemanden im Stich. Wir beobachten die Lage sehr genau und werden gegebenenfalls reagieren und weitere Entlastungen beschließen. Diese Koalition hat gezeigt, dass sie auch kurzfristig handlungsfähig ist. ({8}) Meine Damen und Herren, wir wissen alle nicht, wie es weitergeht mit Krieg, Pandemie und Inflation. Eines wissen wir aber jetzt schon: Wir wissen, dass die Energiepreise dauerhaft hoch bleiben werden. Die Zeiten billigen Gases aus Russland sind vorbei. Die Energiewende kommt – mit einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien und einer konsequenten CO2-Bepreisung. Wir wissen auch, und zwar schon jetzt, dass die Energiewende nur dann ein Erfolg wird, wenn sie kein Elitenprojekt bleibt. Deshalb finde ich den Vorschlag von Hubertus Heil, ein sozial gestaffeltes Klimageld einzuführen, auch so gut und so wichtig. Wir brauchen eine dauerhafte und gezielte Entlastung bei den Energiepreisen für alle mit geringem und mittlerem Einkommen. Diejenigen, die es am nötigsten brauchen, sollen am meisten bekommen, diejenigen, die es nicht ganz so nötig haben, bekommen etwas, und diejenigen, die viel verdienen, bekommen nichts. Genau umgekehrt verhält es sich übrigens, wenn wir stattdessen die Einkommensteuer senken; denn die Geringverdiener zahlen keine Einkommensteuer und bekommen dann nichts, diejenigen, die wenig verdienen, bekommen etwas, und die Vielverdiener bekommen am meisten. Deshalb, Kolleginnen und Kollegen, bin ich froh, dass das Klimageld im Koalitionsvertrag steht, Steuersenkungen aber nicht. ({9}) Meine Damen und Herren, wir haben in Frankreich, wo Marine Le Pen die Lebenshaltungskosten gezielt instrumentalisiert hat, gesehen, wohin das führt. Das sollte auch uns in Deutschland klar sein. Eine Klimawende ohne sozialen Ausgleich wird es nicht geben. Die Klimawende ist keine Aufgabe für ein oder zwei Legislaturperioden. Wer dauerhaft eine politische Mehrheit für eine wirkliche Klimawende will, wer die Gesellschaft bei der großen Transformation zusammenhalten will, der muss die Menschen mitnehmen. – Das ist die Aufgabe, Kolleginnen und Kollegen, und ich verspreche Ihnen, die SPD-Fraktion wird alles dafür tun, diese Aufgabe zu erfüllen. Herzlichen Dank. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Christian Görke. ({0})

Christian Görke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005067, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt der Koalition ist eine einzige Fingerhakelei, und er ist unehrlich: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, 40 Milliarden Euro Ergänzungshaushalt – alles an der Schuldenbremse vorbeigetrickst. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und der Union, schon an das Grundgesetz herangehen, um Ihren Aufrüstungswahn abzusichern, dann haben Sie auch den Mut, diese Schuldenbremse zu reformieren, und zwar unter Einhaltung der goldenen Regel, dass auch in Zukunft noch Investitionen in Klimaschutz und vor allen Dingen auch in die Verkehrswende enkelgerecht realisiert werden können. ({0}) Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, interessant war eben Ihre These, dass die Rückkehr zur Schuldenbremse und eine neue Sparpolitik die Inflation senken werden. Dabei ist die Sparpolitik der Vergangenheit ein Grund für diese Inflation, ({1}) sie ist ein Grund dafür, dass wir so abhängig sind von diesen Energieimporten, sie ist ein Grund dafür, dass wir bei den Erneuerbaren und bei der Verkehrswende längst nicht da sind, wo wir sein müssten. Außerdem, Herr Finanzminister, reden Sie immer von Wachstum. Wo soll das denn herkommen? Soll es vom Himmel fallen? Wenn Sie nächstes Jahr die Schuldenbremse einführen, ziehen Sie bei der Konjunktur die Handbremse. Die Logik ist ganz einfach: Wenn Sie ab 2023 132 Milliarden Euro weniger ausgeben, dann heißt das 132 Milliarden Euro weniger für Investitionen, dann heißt das 132 Milliarden Euro weniger Einnahmen für den Wirtschaftskreislauf. Und zusätzlich ist das die Abrissbirne gegen den Sozialstaat, sofern Sie nicht endlich umsteuern und vor allen Dingen die exorbitanten und bizarren Reichtümer einiger weniger in Deutschland enkelgerecht besteuern. ({2}) Meine Damen und Herren, unsere Vorschläge für eine Vermögensabgabe zur Verbesserung der Einnahmenseite des Bundeshaushalts liegen auf dem Tisch. Die Gewerkschaften begrüßen das. Deshalb, meine Damen und Herren von SPD und Grünen: Machen Sie sich endlich ehrlich und steuern Sie im wahrsten Sinne des Wortes um. ({3}) Lassen Sie sich hier nicht weiter von diesem Finanzminister am Nasenring durch die steuerpolitische Manege ziehen. Sehr geehrter Herr Kindler, Sie haben zu Recht gesagt, man muss sich auch mal korrigieren. Deshalb noch einmal ein dringender Appell an die Ampel: Korrigieren Sie Ihre unsägliche Entscheidung zur Energiepauschale; denn es ist unakzeptabel, dass sogar der Kanzler und die Mitglieder dieser Bundesregierung diese Pauschale bekommen ({4}) und die Rentnerinnen und Rentner sowie die Studenten wie bekannt leer ausgehen. Korrigieren Sie das. Vielen Dank. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Andreas Audretsch. ({0})

Andreas Audretsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005011, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir unseren Koalitionsvertrag mit der Überschrift „Mehr Fortschritt wagen“ versehen haben, da wussten wir, dass wir für Fortschritt investieren müssen. Und genau das tun wir jetzt mit diesem Haushalt 2022. Wir starten eine Investitionsoffensive, zum Beispiel mit den 60 Milliarden Euro zusätzlich für den Klima- und Transformationsfonds. Auch die Mittel für humanitäre Hilfe liegen mit 2,7 Milliarden Euro auf Rekordniveau. Und für den sozialen Frieden in Deutschland bringen wir angesichts von 7,9 Prozent fossiler Inflation mehr als 40 Milliarden Euro für Entlastungspakete auf. ({0}) Das ist gut und richtig investiertes Geld. Jeder Euro, den wir heute in den Ausbau erneuerbarer Energien stecken, wird uns frei machen, wird uns unabhängig machen von Diktatoren wie Wladimir Putin, die mit Preistreiberei Politik machen. Wir dürfen uns keiner Illusion hingeben: Im Moment nutzt Putin Korn und Getreide als Waffe; er wird im Herbst auch Gas als Waffe nutzen. Deswegen müssen wir auch an der Stelle investieren, um wegzukommen von den fossilen Energien. ({1}) Wir müssen jeden Euro in Klimaschutz investieren, weil wir damit Katastrophen wie im Ahrtal verhindern. Milliarden über Milliarden kostet es, jetzt aufzuräumen. Wenn wir investieren, dann haben wir die andere Logik. Nicht Klimaschutz zu betreiben, ist das Teuerste, was wir tun können. Das dürfen wir künftigen Generationen nicht aufbürden. Deswegen müssen wir jetzt investieren. ({2}) Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind gut für die Verteidigungsfähigkeit – deswegen werde ich am Freitag zustimmen –; aber sie sind angesichts der Klimakatastrophe und angesichts der sozialen Fragen keine ausreichende Antwort auf die Größe der Herausforderungen, die wir in diesem Land haben. Das sehen übrigens nicht nur wir so. Das sieht auch die Europäische Kommission so. Deswegen hat sie beschlossen, auch 2023 die Schuldenregeln noch einmal ausgesetzt zu lassen, weil es um Verantwortung in einer Krisensituation geht, weil es um eine Verantwortung geht, die größer ist als die Schuldenbremse, weil es um eine Verantwortung geht, die größer ist als die Ideologie einer schwarzen Null. Dieser Verantwortung werden wir uns auch hier in Deutschland stellen. ({3}) Das gilt auch für die Steuerpolitik. Lassen Sie uns darüber reden, Herr Lindner, dass wir kleine und mittlere Einkommen im Bereich der Einkommensteuer entlasten; das können wir gerne machen. Aber es ist doch völlig klar, dass wir gleichzeitig darüber reden müssen, den Spitzensteuersatz anzuheben. ({4}) Nur das macht Sinn. Nur dann können wir gemeinsam an der Stelle über eine Reform reden. Mehr investieren und gleichzeitig Mindereinnahmen in Kauf nehmen und keine Schulden machen, das funktioniert nicht. Das passt schon rechnerisch nicht zusammen. ({5}) Deswegen ist die Aufgabe für die Beratungen des Haushalts 2023, das stimmig zu machen. Genau das ist Aufgabe der Verhandlungen über den Haushalt 2023. Dieser Verantwortung werden wir uns als Ampel angesichts der großen Krisen und Herausforderungen dieser Zeit stellen. Herzlichen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Carsten Brodesser. ({0})

Dr. Carsten Brodesser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004684, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Monat veröffentlichte das Bundesfinanzministerium ein bemerkenswertes Strategiepapier unter dem Titel „Finanzpolitik in der Zeitenwende – Wachstum stärken und inflationäre Impulse vermeiden“. Dort heißt es unter anderem, es brauche eine Finanzpolitik, die effizient und vorausschauend agiert. „Effizient“ bedeute – nach Ihrer Auffassung –, Ausgaben fortlaufend zu priorisieren und zu evaluieren. Sie, Herr Lindner, fordern ferner finanzpolitische Verlässlichkeit und die schnelle Wiedereinführung der Schuldenbremse. Und Sie wollen öffentliche Investitionen gegenüber zusätzlichen Sozialausgaben priorisieren. Das alles sind beeindruckende Aussagen, die auch aus der Feder von Ludwig Erhard stammen könnten. Doch die von Ihnen benannten Ansprüche entsprechen leider nicht der finanzpolitischen Realität. Ihre Bekenntnisse zur Wiedereinführung der Schuldenbremse suggerieren, der Bundeshaushalt sei ein Hort der Stabilität. Doch das Gegenteil ist der Fall. Noch nie in der Geschichte unseres Landes war die Bundesrepublik so hoch verschuldet wie heute. ({0}) Sie wollen diese Schulden noch mal um 139 Milliarden Euro erhöhen. Wer im Sinne von Prioritätensetzungen nach Einsparungen sucht, sucht leider vergebens. Anstatt den gesamten Beamtenapparat des Bundes abzuspecken, schaffen Sie 9 600 zusätzliche Stellen. Ihre Ausgabenplanung beläuft sich mittlerweile auf sage und schreibe 496 Milliarden Euro. Jeden vierten ausgegebenen Euro finanzieren Sie durch neue Schulden. Die gesamtstaatliche Verschuldung steigt damit auf 2,4 Billionen Euro. Das sind 29 000 Euro pro Bundesbürger, vom Kind bis zur Rentnerin. Pro Sekunde erhöht sich der Schuldenstand um weitere 4 900 Euro. Herr Lindner, Sie bekennen sich zur schnellen Wiedereinführung der Schuldenbremse. Das ist gut. Aber in Wahrheit war bereits Ihr Nachtragshaushalt 2021 der Anfang vom Ende der Schuldenbremse. ({1}) In den Jahren 2020 bis 2022 wird allein der Bund 485 Milliarden Euro neue Schulden gemacht haben. Den dazu ursprünglich ab 2023 beginnenden Tilgungsplan haben Sie kurzerhand auf 2028 verschoben. Sie tilgen auch nicht mehr innerhalb von 20 Jahren, wie es ursprünglich beschlossen wurde, sondern Sie strecken die Rückzahlung auf 30 Jahre und schieben das bis auf das Jahr 2058 hinaus. Gegenüber unseren Kindern und Enkeln ist eine solche Finanzpolitik weder nachhaltig noch sozial. ({2}) Denn nicht unsere Generation wird diese Schulden zurückzahlen, sondern die kommende Generation wird die Hauptlasten tragen müssen. Herr Finanzminister, die politischen und finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten zukünftiger Generationen schwinden damit immer weiter, wenn Sie nicht schleunigst eine Schubumkehr einleiten. Umso bemerkenswerter ist es, dass Sie in Ihrem Papier selbst zu der Erkenntnis kommen, dass man in ökonomisch unsicheren Zeiten keine sozialpolitischen Leistungen erhöhen sollte. Aber genau das bereiten Sie gerade vor. Sie entwickeln ein Bürgergeld, das den Bundeshaushalt noch mal Milliarden kosten wird. Auf dem Weg dorthin schaffen Sie mal eben sämtliche Sanktionen ab, die bisher zu Leistungskürzungen aufgrund der Verletzung von Mitwirkungspflichten führen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer Sozialleistungen bezieht, für den gibt es auch die Verpflichtung zur Mitwirkung. ({3}) Diese ist unverzichtbar; denn Solidarität ist keine Einbahnstraße, und der Sozialstaat wird von den Menschen getragen, die jeden Tag zur Arbeit gehen. Sie, Herr Lindner, wollen den Prinzipien der Haushaltswahrheit und Haushaltstransparenz wieder stärkere Geltung verschaffen. Das unterstützen wir ausdrücklich. Gleichzeitig erkennen Sie, dass der demografische Wandel die Sozialversicherungssysteme zunehmend unter Druck setzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung erreicht in diesem Jahr bereits einen Wert von über 100 Milliarden Euro. ({4}) Die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen benötigen ebenfalls Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Sie, Herr Lindner, erkennen selbst, dass das demografische Risiko den Handlungsspielraum des Bundeshaushalts weiter einschränken wird. Aber die implizite Deckung der Verbindlichkeiten der Sozialversicherung ist eine schwebende Schuld in unserem Haushalt, die jetzt angegangen werden muss. Anstatt zügig über notwendige Reformen zu entscheiden, planen Sie den Einstieg in eine kapitalgedeckte Säule zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Gut. ({5}) 10 Milliarden Euro sollten dafür im aktuellen Haushalt eigentlich bereitgestellt werden. Bei einer angenommenen Verzinsung von beispielsweise 6 Prozent würde dieser Fond also 600 Millionen Euro per anno erwirtschaften. Viel Geld, glaubt man. Aber das entspräche lediglich 0,2 Prozent der Beitragseinnahmen des letzten Jahres. ({6}) Dies wäre eine begrüßenswerte, aber leider nur homöopathische Entlastung und weit entfernt von einem notwendigen Reformpaket. ({7}) Doch selbst dieses Minimalvorhaben sucht man in Ihrem aktuellen Haushalt leider vergebens. Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, auch die Finanzpolitik ist in einer Zeitenwende. Deswegen brauchen wir jetzt geeignete und mutige Entscheidungen mit entsprechender Größe. Wenn Sie als Ampelkoalition Wachstum stärken, inflationäre Impulse vermeiden und die Sozialversicherungssysteme stabilisieren wollen, dann müssen Ihre selbstformulierten Ansprüche auch den Realitäten entsprechen. Vielen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Otto Fricke. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! In diesen drei Minuten kurz festzuhalten, was die Koalitionsgespräche zum Thema Haushalt und die Verhandlungen im Haushaltsausschuss ausgemacht hat, ist eigentlich fast unmöglich. Dennoch will ich eine Sache für diese Koalition voranstellen: Ein Haushalt ist nichts anderes als der Inbegriff des Kompromisses, den eine Koalition treffen muss. Da findet sich jeder, aber jeder zugleich auch nicht. Ich möchte mich ausdrücklich bei den beiden Koalitionspartnern und ihren Arbeitsgruppen bedanken, dass wir diesen Haushalt so hinbekommen haben, wie wir ihn in diesen schwierigen Zeiten auch hinbekommen mussten. ({0}) Meine Damen und Herren, wir haben dabei auch die Parlamentsrechte gestärkt. Ich komme gleich noch zu der Frage der Anträge. Wir haben – viele haben das nicht mitbekommen – bezüglich des Beschaffungswesens schon eine erste gesetzliche Regelung vorgenommen, die dafür sorgt, dass der Haushaltsausschuss und damit das Parlament bei der Frage der Beschaffungen im Militärwesen zukünftig eine explizit starke Rolle spielen werden. Wir werden das wahrscheinlich am Freitag noch einmal verstärken. Dafür großer Dank. Am Ende ist wichtig, dass beim Thema Haushalt klar ist, dass die Bundesregierung nur das machen kann, was ihr das Parlament als Erstgewalt auch sagt, also was sie zu tun hat bzw. dass sie es tun kann. ({1}) Hierbei, meine Damen und Herren, habe ich das Gefühl, dass in den nächsten Jahren auf uns noch weitere Arbeit zukommen wird. Denn wir müssen erkennen, dass wir nicht einfach immer nur Leistungsgesetze ausbauen können. Vielmehr müssen wir auch immer in der Gesamtwürdigung darauf achten, dass sich diese Leistungsgesetze an die jeweiligen Realitäten anpassen. Das heißt nicht, dass es, weil ein FDPler das sagt, um Kürzungen geht, sondern das heißt, dass man genau gucken muss, wo es notwendig ist. Es ist angesprochen worden – ich sage das jetzt vor allem in Richtung CDU/CSU –: Wir haben eine Sozialleistung ausdrücklich gestärkt, nämlich die Künstlersozialkasse, und zwar deswegen, weil wir erkannt haben, dass wir hier den Schwächsten helfen müssen und dass hier in der Coronakrise andere Voraussetzungen galten als vorher. Abgelehnt worden ist diese Erhöhung von einer Fraktion: von der CDU/CSU. ({2}) Das ist ein Punkt, wo ich sage: Da zeigt sich, wie diese Ampel wirkt. Man macht Kompromisse, man stärkt den sozialen Bereich, aber man weiß auch, wo die Grenzen sind. ({3}) Herr Middelberg, der Minister hat darauf hingewiesen, dass Sie die Stellen beim Zoll nicht wollen. Es ist schon gesagt worden, dass Sie auch die Stellen beim Bundeskriminalamt nicht wollen. Jetzt gehe ich noch mal auf die laut Ihnen angeblich so hohe Anzahl von B-Stellen ein. In der Ukraine ist Krieg. Da sind Kriegsverbrecher. Diese wollen wir mit dem Generalbundesanwalt, mit dem Bundesgerichtshof verfolgen. Dafür sind B-Stellen nötig. Wollen Sie die wirklich nicht, oder sollten Sie nicht vielmehr sagen: „Das sind Stellen, die aufgrund der gegenwärtigen Situation notwendig sind, und wir als CDU/CSU haben uns geirrt, dass wir diesen Stellen nicht zugestimmt haben“? Es wäre sehr, sehr gut, wenn Sie das an der Stelle sagen würden. ({4}) Meine Damen und Herren, ich will zum Schluss noch etwas zur CDU/CSU sagen, weil es mich einfach ärgert. Man könnte jetzt frei nach Shakespeare sagen: „Viel Lärm um nichts“. Aber ich will Ihnen deutlich sagen: Zum ersten Mal seit 16 Jahren ist es der Opposition nicht gelungen, mehr Änderungen am Haushalt durch Anträge vorzunehmen als der Koalition. ({5}) Sie als CDU/CSU haben es noch nicht einmal geschafft, halb so viele Anträge zu stellen, wie wir es als FDP noch in der letzten Legislatur jedes Jahr getan haben. Um es zum Schluss zu sagen – und der Rest ist dann nach Shakespeare Schweigen –: Es war der CDU/CSU nicht möglich, selbst einem Konzept wirkungsorientierter Haushaltsführung beim BMF zuzustimmen. Das wollen Sie nicht. Überlegen Sie sich, ob Sie es beim nächsten Mal besser machen. Jedenfalls müssen Sie es besser machen als in dieser Legislatur. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Michael Schrodi. ({0})

Michael Schrodi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004884, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Arbeitskreis Steuerschätzung hat uns ja zuletzt ganz gute Zahlen geliefert: 44 Milliarden Euro prognostizierte Mehreinnahmen, höhere Steuereinnahmen im Vergleich zur letzten Steuerschätzung im November 2021. Man muss da auch deutlich sagen: Das ist bei aller harten Debatte im Detail das Ergebnis einer richtigen Krisenpolitik der letzten Jahre gewesen: mit Wirtschaftshilfen, Corona-Steuerhilfegesetzen, Kurzarbeitergeld und Direktzahlungen. Die Firmenpleiten sind ausgeblieben. Der Arbeitsmarkt ist robust. Gerade die neuen Zahlen zeigen, dass die Arbeitslosigkeit auch im Mai wieder gesunken ist. Grundlage dafür waren und sind die massiven Hilfsprogramme und Investitionen, die 2021 auch die Union begrüßt hat, die auch an vielen Stellen die Unterstützung im gesamten Parlament gefunden haben. Ich glaube, es ist wichtig, zu erwähnen, dass der Weg, der damals richtig war, heute weiterhin richtig ist. Auf diesen Weg begeben wir uns auch mit diesem Haushalt 2022. ({0}) So schön die Zahlen sind, muss man auch sagen: Sie sind natürlich höchst volatil, unsicher. Wir wissen nicht, wie es mit Krieg und Pandemie, mit der importierten Inflation, mit hohen Energiepreisen und Lieferkettenstörungen weitergeht, wie sich die Wirtschaft entwickelt, wie sich Steuereinnahmen entwickeln. Eines aber gilt in dieser Krise und bei diesen Herausforderungen weiterhin – das hat auch Olaf Scholz gesagt –: Wir lassen in dieser Krise niemanden alleine, nicht die Bürgerinnen und Bürger und auch nicht die Unternehmen. Der finanzpolitische Dreiklang unserer Ampelkoalition lautet: sozialen Zusammenhalt stärken, Zukunftsinvestitionen weiterhin anpacken und für eine solide Finanzierung sorgen. Dieser Haushalt bündelt all das, und deswegen ist er auch zu unterstützen, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({1}) Ich darf aus der Debatte zum Haushalt 2021 zitieren. Damals hat der Fraktionsvorsitzende der Union, Ralph Brinkhaus, die Überschrift „Mit Mut die Krise überwinden“ gewählt und gesagt, neue „Schulden müssen aufgenommen werden, um die Folgen der Krise abzufedern – und um die Weichen für die Zukunft zu stellen“. Damals waren es 240 Milliarden Euro; wir haben jetzt 100 Milliarden Euro weniger. Was damals richtig war, ist es auch jetzt. Mit dem Haushalt 2022 tun wir genau das: richtig investieren. Übrigens verwundert mich Folgendes – Otto Fricke hat es gesagt; der Finanzminister hat es gesagt –: Wie kommt es, bitte schön, zu dieser massiven Kritik an einem Stellenaufbau beim Zoll, bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, zur Bekämpfung der Geldwäsche, der Kriminalität? ({2}) Das, meine Damen und Herren von der Union, ist nicht nachvollziehbar. Das Zweite ist – Herr Oßner, da würde ich aus Sicht eines CSUlers und aus Bayern kommend wirklich ganz ruhig sein –: Bei den Stellen bei der Steuerfahndung und bei der Betriebsprüfung ist gerade Bayern ganz weit hintendran. Das ist ungerecht; Sie verzichten auf Steuereinnahmen zuungunsten der bayerischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, Bürgerinnen und Bürger. ({3}) Da ist Bayern tatsächlich ganz weit hintendran.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Schrodi, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Herrn Middelberg aus der CDU/CSU-Fraktion?

Michael Schrodi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004884, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schrodi, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn Sie meinem Beitrag sorgfältig zugehört haben, dann wissen Sie, dass ich den zusätzlichen Aufbau von 6 000 Stellen netto nicht pauschal kritisiert habe. Ich habe ihn angesprochen und habe gesagt: Über die Dinge kann man im Einzelnen reden. – Trotzdem ist es insgesamt ein bemerkenswerter Aufbau, und den muss man infrage stellen. Meine Frage an Sie: Ist es richtig – und das habe ich auch angesprochen –, dass Sie bei der Einstellung zusätzlicher Spitzenbeamter in den Ministerien – nicht irgendwelche B-besoldeten Richter in irgendwelchen Gerichten, ({0}) sondern in den Ministerien – mit 324 Stellen jetzt einen Rekord aufstellen? Und ist es richtig, dass Sie mit 37 Parlamentarischen Staatssekretären – hochbezahlte Regierungsbeamte – jetzt auch einen Rekordwert setzen? Ist das richtig, und können Sie mir das bestätigen? ({1})

Michael Schrodi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004884, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Middelberg, es ja schön, wenn Sie hier – in Ihrer Rede haben Sie das nicht getan – differenzieren. ({0}) Sie sehen hoffentlich auch, dass es richtig ist, dass wir in dem Bereich, in dem einiges getan werden muss, nämlich im Bereich Steuerbetrugsbekämpfung, den Zoll stärken und dass wir hier für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Es ist übrigens im Koalitionsvertrag explizit festgehalten, dass wir hier für einen Stellenaufbau sorgen wollen – beispielsweise auch wegen des Themas Umsatzsteuerbetrug –, der richtig und notwendig ist. Zum Zweiten. Wir als Koalition sind eine Fortschrittskoalition und machen deutlich: Wir wollen große Aufgaben angehen. Die Ministerien müssen mit allem, was dazu notwendig ist, ausgestattet sein. Dazu gehört auch eine entsprechende personelle Ausstattung, die mit diesem Haushalt gewährleistet ist. Insofern ist es richtig, dass wir in diesen Zeiten gut ausgestattete Ministerien haben, die die großen Aufgaben, die Zukunftsaufgaben, angehen können. ({1}) Deswegen sind hier auch die Investitionen in das Personal richtig, Herr Middelberg. Mit dem Haushalt tun wir übrigens auch beim Thema Investitionen das, was wichtig ist. 51 Milliarden Euro sind im Haushalt für zusätzliche Investitionen enthalten. Nur wer heute in Bildung, in Weiterbildung, in die Bahn, in den Wohnungsbau, in die erneuerbaren Energien investiert, der schafft die Voraussetzungen dafür, dass wir auch in Zukunft zukunftsfähige Unternehmen und Arbeitsplätze und damit auch die Steuereinnahmen von morgen haben. Auch das ist ein wichtiger Beitrag für solide Finanzen der Zukunft. Wenn wir heute investieren, zahlt sich das in der Zukunft aus. Gleichzeitig stemmen wir mit dem Haushalt auch inflationsbedingte Mehrausgaben. Die Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sind am härtesten von den Preissteigerungen betroffen. Wir haben mit den Entlastungspaketen I und II und mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz 42 Milliarden Euro an Hilfen für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen gegeben. Diese stehen gezielt gerade den Empfängern von kleinen und mittleren Einkommen zur Verfügung, damit für die, die es am härtesten trifft, die hohen Kosten abgedämpft werden. Das ist gut in den sozialen Zusammenhalt investiertes Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({2}) Was tun wir weiterhin? Wir beobachten die Situation und die Entwicklung weiter. Wir werden schauen, ob wir da auch weitere Hilfen auf den Weg bringen müssen. Eines bleibt aber klar: Auch in Zukunft heißt der Dreiklang: sozialer Zusammenhalt, Investitionen möglich machen und solide Finanzen schaffen. Mit diesem Dreiklang werden wir auch in die nächsten Wochen und Monate gehen. Vielen Dank. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Sebastian Schäfer. ({0})

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Land wurde und wird durch die Coronapandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine extrem herausgefordert. Die Energiepreise steigen, und die Probleme bei den Lieferketten haben sich noch einmal verschärft. Wir sind gesamtwirtschaftlich leider immer noch nicht auf Vorkrisenniveau angelangt, und die Wachstumsprognosen für 2022 wurden teils deutlich nach unten korrigiert. Laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag beläuft sich der BIP-Verlust durch die Coronakrise bis Ende dieses Jahres auf circa 545 Milliarden Euro, und das rechnet die wirtschaftlichen Folgen des brutalen Angriffskrieges nicht mit ein. Dieser BIP-Verlust entspricht etwa dem Volumen von anderthalb Bundeshaushalten vor der Krise, und die wirtschaftlichen Perspektiven bleiben schwierig. Dementsprechend müssen wir weiter auf Sicht fahren und sollten wir keine Maßnahme vorschnell ausschließen. Im Gegensatz zum letzten Jahrzehnt erleben wir zudem, dass durch steigende Zinsen die Spielräume im Bundeshaushalt kleiner werden. Mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf gelingt es der Fortschrittskoalition, einen Politikwechsel einzuleiten. Wir stabilisieren die Investitionen auf einem Rekordniveau; Kollege Schrodi hat es angesprochen. Wir handeln und bekämpfen die Krisen, sind international verlässliche Bündnispartner und stärken den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz. ({0}) Mit in die Zukunft gerichteten Investitionen schaffen wir nachhaltiges Wachstum, unternehmerische Sicherheit und damit auch sichere Arbeitsplätze. Investitionen in den natürlichen Klimaschutz, in Elektromobilität, in die Dekarbonisierung unserer Industrie und in den Wasserstoffstandort Deutschland helfen nicht nur dem Klima; damit unterstützen wir vor allem auch die Transformation der Wirtschaft. ({1}) Wir nehmen in diesem Jahr nochmals Rekordschulden auf, um die Bürgerinnen und Bürger angesichts der Preisentwicklung zu entlasten und unsere extrem herausgeforderte Wirtschaft zu stützen. Mit dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro wollen wir der Bundeswehr die notwendige Ausstattung zur Verfügung stellen. Insgesamt nehmen wir neue Schulden in Höhe von fast einer Viertelbillion Euro auf – nicht leichtfertig; das kann ich unseren Bürgerinnen und Bürgern versichern. ({2}) Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Unser Staat muss in den zentralen Zukunftsfragen im Rahmen einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft auch selbst Verantwortung übernehmen. Wegen der Preisentwicklung insbesondere bei fossiler Energie, aber auch bei Lebensmitteln können weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger notwendig werden. Dabei ist es zentral, dass wir diese Entlastungen sehr zielgenau vornehmen. Wir müssen die bisherigen Entlastungen kritisch evaluieren und dann entsprechend handeln. Dann wird unser Land auch durch diese schwierigen Zeiten kommen. Herzlichen Dank. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Christian Haase. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben wir es hier schwarz auf weiß: 140 Milliarden Euro neue Schulden. Wenn wir die Schulden aus dem Sondervermögen noch dazurechnen würden – das wäre aber nicht ganz richtig –, dann hätten wir leider wieder einen Schuldenrekord. Herr Lindner, Sie hätten sich zu Beginn Ihrer Amtsübernahme sicherlich nicht vorstellen können, dass Sie beim Schuldenmachen Ihren Vorgänger noch überholen. ({0}) Dabei hätte der Ampel die Steuerschätzung zumindest mittelfristig die Möglichkeit gegeben, für Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen und auch die Neuverschuldung zu senken. Was erleben wir stattdessen? Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen verteilt die Ampel das Geld der Steuerzahler völlig ungeniert. Die Ausgaben des Bundes steigen noch mal um 12 Milliarden Euro, nur damit jeder etwas von seiner Wunschliste streichen kann. Auch im Personalhaushalt – darauf haben wir nun mehrfach hingewiesen – wird ordentlich draufgesattelt: brutto fast 10 000 Stellen. Das kann es nicht sein, wenn wir über die Zeitenwende sprechen. Das Wort „Zeitenwende“ scheint zumindest bei den Ampelkoalitionären bisher noch nicht angekommen zu sein; denn die Bundesregierung liefert uns angesichts der aktuellen Krisen und Herausforderungen, auf die wir eine klare Antwort brauchen, leider nur Mittelmäßigkeit. ({1}) Was hatten Grüne und FDP vor? Sie wollten Schattenhaushalte auflösen, Subventionen streichen, die kalte Progression bekämpfen, den Mittelstandsbauch abflachen, Rücklagen auflösen, Privatisierungserlöse erzielen. All das hatten Sie noch vor Kurzem hier im Bundestag gefordert. Übrig geblieben ist die Einigkeit beim Geldausgeben. ({2}) Meine Damen und Herren, Anspruch und Wirklichkeit klaffen da doch sehr weit auseinander. Ich will noch einmal erklären, was denn „Zeitenwende“ bedeutet: Man kann nicht so weitermachen wie bisher. ({3}) Das ist die Definition von „Zeitenwende“. Wir kommen aus einer zweijährigen weltweiten Pandemie, wir erleben die Rückkehr der Inflation, die Wirtschaftsleistung stagniert, und wir haben Krieg in Europa. Und wir erleben Gießkannenpolitik – keine richtige konkrete Entlastung, die bei Bürgerinnen und Bürgern ankommt. ({4}) Ich will als ein Beispiel nur das 9‑Euro-Ticket nehmen: 2,5 Milliarden Euro, die an dieser Stelle vollkommen verpuffen. So wird man keine Pendler in den ÖPNV bekommen. Da hätten wir dem ÖPNV anders helfen können. ({5}) Wie wir nach der Gießkannenpolitik 2023 zur Schuldenbremse zurückkommen wollen, ist mir unergründlich. Trotzdem: Wir wollen auch mit dieser Bundesregierung unsere staatspolitische Verantwortung zeigen; das ist heute mehrfach angesprochen worden. Ich bin froh, dass wir uns beim Bundeswehrsondervermögen geeinigt haben; denn die Aufnahme dieser Schulden ist die richtige Antwort auf die Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Deshalb ist es gerechtfertigt, diese 100 Milliarden Euro zusätzlich als Schulden aufzunehmen. Wir erkennen auch an, dass es in diesem Jahr noch notwendig war, ein letztes, ein wirklich allerletztes Mal die Schuldenbremse auszusetzen. Wir sind mit der Begründung, die wir jetzt gelesen haben, nicht ganz einverstanden. Insbesondere die Frage der Inflation wird jetzt alleine mit der Ukrainekrise beantwortet. Das zeigt an dieser Stelle ein wenig Ihre Scheuklappen. Ich glaube, die Inflation hat mehr Gründe als die Ukrainekrise. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir darauf finanzpolitisch reagieren. Auch wenn Artikel 115 Grundgesetz die Möglichkeit lässt, über die Konjunkturkomponente hinaus Schulden aufzunehmen, heißt das ja nicht automatisch, dass man das so machen muss, dass man also jede Möglichkeit, die geboten wird, auch vollständig ausnutzen muss. ({6}) Das hätte man anders lösen können. Dann geht es auch darum, dass wir das Finanzgefüge mit den Ländern wieder in den Blick nehmen. Die Länder erwirtschaften schon seit zwei Jahren Überschüsse, während der Bund hohe Schulden aufnimmt. Da hätte ich mir Ansätze gewünscht, wie man dagegen angehen kann. ({7}) Ich möchte auch etwas zum Thema Stellen ausführen, weil das heute Morgen – Herr Schrodi, vielleicht hören Sie mal zu – wiederholt falsch dargestellt wurde. Wir machen den Vorschlag, 1 Prozent der Stellen einzusparen. ({8}) Wer unsere Anträge gelesen hat, wird auch bemerkt haben, dass wir zum Beispiel den Zoll – auch wenn das heute mehrfach falsch gesagt wurde – und das BKA von diesen Stelleneinsparungen ausnehmen. ({9}) Kollege Otto Fricke, du hast dich eben beklagt, dass wir zu wenige Anträge gestellt hätten. Du siehst, diese sind noch nicht mal gelesen worden. Wir wollten euch an dieser Stelle eben nicht überfordern. ({10}) Wir arbeiten mit mehr Qualität und weniger Quantität. ({11}) Der letzte Punkt geht in Richtung des Kollegen Schrodi: Die Ampel selbst hat ja den Antrag gestellt, 0,5 Prozent der Stellen in den Ministerien einzusparen. Insofern: Auch da vielleicht mit den Kollegen noch etwas genauer abstimmen.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Kollege Haase, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Otto Fricke?

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Haase, ich danke Ihnen, dass Sie ausdrücklich klargestellt haben, dass Sie die 1-prozentige pauschale Stellenkürzung gefordert haben, nachdem Sie gesehen hatten, dass die Koalition sich auf die 0,5 Prozent bei den Stellenkürzungen geeinigt hat. Meine Frage ist jetzt aber: Kann ich a) aus Ihrer Äußerung schließen, dass es zutrifft, dass Sie im Vergleich zur Opposition – das schließt die Grünen im letzten Jahr ja mit ein – wenige Anträge gestellt haben, und kann ich b) daraus schließen, dass Sie entgegen der Äußerung des Kollegen Middelberg sagen: „Bis auf das 1 Prozent sind die restlichen 99 Prozent der Stellenerhöhung der Koalition richtig“? ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir machen eine solide Politik. So wie sich die Ampelkoalition wahrscheinlich mit den 0,5 Prozent Stellenkürzungen schon mal ein wenig an das Thema herangewagt hat, genau so haben wir uns mit 1 Prozent herangewagt. Wir hätten auch „2 Prozent“ schreiben können. Aber wir sehen an dieser Stelle auch die Realitäten. Es wäre besser gewesen, die Stellen erst gar nicht auszuschreiben oder etwas anderes zu tun. ({0}) Das hätte man tun können. Das haben Sie nicht getan. Aber es ist ja dann Ihre Entscheidung, wenn Sie die 0,5 Prozent nachher wieder einkassieren. ({1}) Ich habe mal im Bundesfinanzministerium nachgefragt: Wenn wir schon wegen Corona zusätzliche Schulden – das war ja bis zum zweiten Regierungsentwurf der Inhalt des Haushalts – aufnehmen, wofür sind diese denn alles? Und bei einem guten Teil der Schulden kann man sagen: Haken dran; da besteht ein relativ enger Zusammenhang zur Coronakrise. Aber auf der Liste, die mir zur Verfügung gestellt wurde, fand ich auch das Onlinezugangsgesetz mit fast 2 Milliarden Euro – coronabedingt? –, die Registermodernisierung mit 48 Millionen Euro und das „Flottenerneuerungsprogramm Behördenschiffe“ mit 224 Millionen Euro. Da ist schon viel Kreativität beim Schuldenmachen gefragt, um letztendlich alles mit der Coronakrise zu begründen, meine Damen und Herren. ({2}) Ich glaube, wir hätten an dieser Stelle mehr machen können. – Herr Meyer hat ja eben richtigerweise gesagt, was man hier alles tut –: Wir wollen die kalte Progression abbauen, die Energiepreispauschale auch für Rentner und Studenten einführen, den Familienzuschuss auf 200 Euro verdoppeln, einen Entlastungsbetrag für Alleinerziehende schaffen. Und wie finanzieren wir das? Dafür muss jetzt die Rücklage eingesetzt werden. Sie ist nicht für zukünftige neue Aufgaben gedacht, sondern wir müssen sie jetzt einsetzen und den Bürgerinnen und Bürgern das angesparte Geld zurückgeben. ({3}) Weil Sie das eben so ausdrücklich gesagt haben, gehe ich davon aus, dass nicht nur Sie unserem Entschließungsantrag gleich zustimmen werden. ({4}) Herr Lindner, Sie haben jetzt die schwere Aufgabe, nächstes Jahr tatsächlich die Schuldenbremse einzuhalten. Das heißt, das ist ja gar nicht nächstes Jahr. Im Grunde ist der Haushalt ja schon fast fertig. Wir sind darauf gespannt, wie das funktionieren kann. Wir sehen den Druck: Wenn ich sehe, dass Herr Heil in den letzten Tagen und heute Morgen Herr Rudolph und Herr Kindler schon wieder Forderungen an den neuen Haushalt gestellt haben, der ja noch gar nicht veröffentlicht ist – Herr Audretsch bejubelt ja schon das Aus für die Schuldenbremse auf europäischer Ebene –, dann weiß ich, dass es eine ganz schwierige Aufgabe wird, das auch tatsächlich durchzuhalten. Wir wollen das machen. Sie haben es letztens noch mal wiederholt. Für Sie gilt: Lieber neue Wahlen als neue Schulden. Dann warten wir mal ab. Danke schön. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Frauke Heiligenstadt. ({0})

Frauke Heiligenstadt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005077, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bundeshaushalt 2022, der diese Woche verabschiedet wird – mein Kollege Michael Schrodi hat das schon ausgeführt –, hat einen Dreiklang aus verschiedenen Schwerpunkten: einmal die Krisenbewältigung, einmal die Zukunftsinvestitionen und einmal die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dieser Dreiklang macht das Besondere des Haushaltes der Ampelregierung aus. ({0}) Ich komme gleich noch auf die einzelnen Punkte zu sprechen. Ich möchte allerdings zunächst – weil in den letzten Debattenbeiträgen ja immer darauf eingegangen wurde, was wir ausgeben – die Einnahmeseite beleuchten. Zu den Haupteinnahmequellen in einem Staat gehören nun mal die Steuern. Ich denke, dass man gerade als letzte Rednerin in dieser Debatte einmal allen Arbeitenden in den Finanzverwaltungen und in den Finanzämtern der Länder ganz herzlich danken sollte; denn diese müssen jeden Tag Steuern einziehen, und sie müssen unsere politischen Vorgaben umsetzen. ({1}) Ich danke natürlich auch den steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürgern; denn sie sind es, die dafür sorgen, dass wir gemeinsam unsere wichtigen staatlichen Aufgaben hier erledigen können, und die sich nicht darum herumdrücken und versuchen, Steuern zu hinterziehen. Das heißt also: Steuerehrlichkeit ist sehr wichtig für unseren Staat. Dafür gilt es auch einmal Danke zu sagen. ({2}) Deshalb ist es gut, dass wir die Voraussetzungen dafür schaffen, der Steuergerechtigkeit noch besser zum Durchbruch zu verhelfen, indem wir zum Beispiel – es ist hier schon paarmal erwähnt worden – 1 400 neue Stellen für die Zollverwaltung aufgelegt haben. Das ist ein Kampf für mehr Steuergerechtigkeit, gegen Geldwäsche, gegen Zollkriminalität, gegen Terrorismusfinanzierung. Und – es sei mir gestattet, das aus der Perspektive der sozialdemokratischen Fraktion in diesem Haus deutlich zu machen –: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung ist auch dafür zuständig, die Durchsetzung des Mindestlohns auf den Baustellen und in den Betrieben zu kontrollieren. ({3}) Auch das ist wichtig. Dieser wird im Übrigen ab Oktober 12 Euro betragen, und das ist gut so, meine sehr verehrten Damen und Herren. Der Bund wird in 2022 345 Milliarden Euro Steuern einnehmen; das sind immerhin knapp 17 Milliarden Euro mehr als noch vor einem halben Jahr geschätzt. Und die Nettokreditaufnahme wird knapp 140 Milliarden Euro betragen. All das sind immerhin deutlich bessere Zahlen, als wir sie noch vor einem halben Jahr erwarten konnten. Das zeigt, dass wir in der Pandemie viele wichtige Maßnahmen umgesetzt haben, die richtig waren, zum Beispiel das Kurzarbeitergeld, damit Menschen gar nicht erst in die entsprechenden Hilfesysteme hineingerutscht sind. Das war wichtig. Es stand den Betrieben nach der Zäsur in der Pandemie sofort zur Verfügung. Wir konnten damit viele Entlassungen vermeiden. Die Zahlen zeigen auch, dass wir mit den Unternehmensbeihilfen richtig gelegen haben; denn auch die schnelle wirtschaftliche Erholung hat dazu beigetragen, dass die Steuereinnahmen deutlich gestiegen sind. Dass wir Steuermehreinnahmen haben und damit die Aufgaben des Staates schultern können, ist natürlich grundsätzlich positiv. Andererseits bereitet uns die steigende Inflation sehr große Sorgen. Die Preise für Lebensmittel und Energie sind besonders für Familien und Menschen mit geringem Einkommen so exorbitant gestiegen, dass sie teilweise nicht mehr wissen, wie sie am Ende des Monats mit dem Einkommen klarkommen können. Deshalb haben wir zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der Union, das ist nicht nichts. Das sind 30 Milliarden Euro Entlastung oder direkte Zuschüsse für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Das ist richtig so. ({4}) Die Menschen profitieren von der Senkung der Strompreise durch den Wegfall der EEG-Umlage. Sie profitieren von dem Tankrabatt. Sie profitieren von dem 9‑Euro-Ticket. Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht, was die CDU/CSU alles mit den Kosten für das 9‑Euro-Ticket finanzieren will. In jedem Fall weiß ich aber, dass Millionen von Bestellerinnen und Bestellern das 9‑Euro-Ticket schon gelöst haben. Diese sagen: Wir nehmen dieses 9‑Euro-Ticket an. – Das ist auch richtig so. ({5}) Wir werden die Lage weiterhin aufmerksam beobachten. Ich bin dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil sehr dankbar, dass er am Wochenende Vorschläge zu dem Thema eines sozialen Klimageldes gemacht hat. Auch das wird etwas sein, was in den kommenden Monaten, wenn es notwendig ist, möglicherweise zur Entlastung beitragen kann. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir behalten eins im Blick: Die Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen, die sind bei der Betrachtung der Steuerpolitik extrem wichtig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Markus Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den Beratungen des Einzelplans 25 – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen – gab es eine Besonderheit, nämlich dass wir den Haushalt eines neuen Ministeriums zu beraten hatten. Zum ersten Mal seit 1998 gibt es wieder ein eigenständiges Wohnen- bzw. Bauministerium. Ein neues Haus ist natürlich mit allerlei Herausforderungen verbunden; da hakt es verständlicherweise an der einen oder anderen Stelle noch. Dennoch möchte ich als Hauptberichterstatter dem Haus, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie meinen Kolleginnen und Kollegen herzlich für den konstruktiven Austausch und die Beratungen danken. Dem Ressort stehen knapp 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Größte Ausgabe mit 1 Milliarde Euro ist das Baukindergeld, das die alte CDU-geführte Bundesregierung eingeführt hat. ({0}) Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund steigender Mieten und Immobilienpreise ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Stärkung der Wohneigentumsbildung, insbesondere für Haushalte mit Kindern, ist neben dem Mietwohnungsneubau ein zentrales Instrument. ({1}) Dabei ist klar: Die eigenen vier Wände sind und bleiben eine krisenfeste Wertanlage und ein wichtiger Bestandteil der persönlichen Altersvorsorge. ({2}) Das Baukindergeld, das die alte Bundesregierung eingeführt hat, ist ein Erfolgsmodell. Deshalb geht es darum, jetzt zu schauen, wie es in Zukunft weitergehen kann. Das Baukindergeld läuft aus. Nach dem Willen der Ampel soll es ein Jahr früher auslaufen als bislang geplant. ({3}) Deshalb ist es wichtig, dass Klarheit darüber herrscht, wie das Thema Wohneigentumsbildung in Zukunft vorangebracht werden soll. Wir als Union haben in der Bereinigungssitzung einen Maßgabebeschluss vorgelegt, der an das erfolgreiche Baukindergeld anknüpft und insbesondere junge Familien beim Erwerb ihrer ersten Immobilie unterstützt. Dem sind Sie leider nicht gefolgt. Aber immerhin: Sie haben sich dazu durchgerungen, die Bundesregierung aufzufordern, zeitnah ein Konzept zur Förderung des Erwerbs von Wohneigentum vorzulegen. Ganz ähnlich ist es auch im Bereich der Städtebauförderung gelaufen. Nachdem die neue Bundesregierung im Gegensatz zum alten Entwurf die Mittel für die Fortführung des Förderprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“ gestrichen hatte, wodurch das bereits begonnene Auswahlverfahren für 2022 abgebrochen werden musste, haben wir in den Haushaltsberatungen den Antrag gestellt, ein neues Förderprogramm für dieses Jahr aufzulegen. Dem ist die Koalition nun in der Bereinigungssitzung gefolgt. Damit ist es möglich, dass der Bund auch in Zukunft herausragende Projekte des Städtebaus und der Baukultur mit besonderer nationaler, aber auch internationaler Wahrnehmbarkeit und hohem Innovationspotenzial fördert. ({4}) Zum Dritten. Genauso gelaufen ist es auch bei den Mitteln für das Programm „Altersgerecht Umbauen“. Damit fördert der Bund seit 2009 sehr erfolgreich bauliche Maßnahmen in Wohngebäuden, mit denen Barrieren reduziert werden. Davon profitieren alle Altersgruppen, aber insbesondere ältere Menschen. Den Älteren wird so der längere Verbleib in den eigenen vier Wänden ermöglicht. Für 2022 waren zunächst keine neuen Mittel mehr vorgesehen. Nachdem wir einen entsprechenden Antrag gestellt hatten, ist die Ampel dann mit einem eigenen Antrag gekommen, wenn auch mit einem geringeren Volumen. Da aber die Mittel häufig vor Ablauf des Haushaltsjahres aufgebraucht sind, wäre ein höherer Ansatz natürlich hilfreich gewesen. Hier gilt das Motto: Gut gedacht, aber schlecht gemacht. Meine Damen und Herren, Sie sehen: Opposition wirkt. Unsere Anträge waren Vorbild, und sie waren darüber hinaus auch noch alle gegenfinanziert. ({5}) Ich fasse zusammen: Die Änderungen der Ampel am ursprünglichen Regierungsentwurf vom vergangenen Jahr sind überschaubar. In einigen Punkten ist die Ampel unseren Vorschlägen gefolgt. Insgesamt setzen Sie falsche Schwerpunkte: Sie kürzen sehr erfolgreiche Förderprogramme wie das zum Einbruchschutz oder lassen andere früher auslaufen. Sie bleiben hinter den selbstgesteckten Erwartungen Ihres Koalitionsvertrags zurück, und Sie setzen die Schwerpunkte falsch: 1 500 Stellen sind vom Bundesinnenministerium in das neue Haus, in das neue Ressort gewechselt. Hinzu kommen etwa 100 Stellen zum Aufbau des neuen Hauses. Und jetzt gab es im parlamentarischen Verfahren noch mal 380 weitere Stellen für das Ressort. Das ist, in der Relation gesehen, einsamer Rekord aller Ressorts im Bund – das ist fast ein Viertel zusätzliches Personal. Meine Damen und Herren, Frau Ministerin, mit so viel Personal muss es ja klappen mit den ambitionierten Projekten wie zum Beispiel beim Wohnungsbau. Personal sollte ja jetzt genügend da sein. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz. ({0})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Uhl, Sie haben es erwähnt: Das erste Mal seit 1998 gibt es wieder ein Bauministerium. ({0}) Das heißt: Es gibt auch erstmals wieder einen Etat; wir haben die wunderbare Nummer 25 abbekommen. Dieses neugeborene Baby, der Etat 25, wurde in den parlamentarischen Beratungen von Ihnen, von den Berichterstattern vom Haushaltsausschuss, noch mal ordentlich aufgepäppelt. Dafür meinen sehr herzlichen Dank, auch für diese sehr schöne Unterstützung auf dem Weg ins Leben des Ministeriums! ({1}) Das ist nämlich eine hervorragende Grundlage für die Investition in vieles: in nachhaltiges Bauen, in bezahlbaren Wohnraum und in ein gutes Leben in Stadt und Land. Und wir investieren in die Zukunft unseres Landes; denn jeder Euro Fördermittel generiert natürlich weitere private und öffentliche Investitionen. Das neue Bauministerium ist also vor allem ein Investitionsministerium in die Zukunft der Gesellschaft. Wir setzen Impulse für eine gute Konjunktur und für einen stabilen Arbeitsmarkt in Deutschland. Der Bau bietet eine große Zahl von Beschäftigungsmöglichkeiten für Fachkräfte in vielen Berufszweigen, und wir haben Sicherheit geschaffen: Die Finanzplanung reicht bis 2025, und sie zeigt: Wir sind verlässlicher Partner – herzlichen Dank auch allen Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Herr Uhl hat es erwähnt: Es waren ungewöhnliche Startbedingungen für die Haushaltsberatungen. Mein Haus versucht, Ihre Arbeit, so gut es geht, zu unterstützen. Eines unserer Hauptziele ist es, mehr Wohnraum zu schaffen, vor allem solchen, den sich alle Menschen leisten können. Herr Uhl ist nicht darauf eingegangen, aber einer der großen Schwerpunkte ist, dass wir es geschafft haben, die Mittel des sozialen Wohnungsbaus deutlich zu stärken: Bis 2026 werden 14,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen. Das ist auch ein großer Beitrag, um die Knappheit von bezahlbarem Wohnraum in den Ballungsgebieten zu entspannen. ({2}) Wir sorgen mit Mitteln für altersgerechtes und barrierefreies Umbauen dafür, dass Menschen länger in ihren vier Wänden bleiben können. Ferner haben die Haushaltsberatungen einen Akzent auf den Erwerb von Genossenschaftsanteilen gesetzt. Hier ist es im parlamentarischen Verfahren möglich gewesen, 6 Millionen Euro für diesen wichtigen Bereich einzustellen. Ich bin sicher, dass wir damit deutliche Impulse für Gründung und Neubau setzen werden; wir haben uns ja im Ausschuss darüber verständigt, dass diese Bundesregierung für den nächsten Haushalt auch eine Konzeption für die Eigentumsförderung vorlegen wird. Doch Geld allein baut natürlich keine Häuser; auch Ministerialbeamte machen das in der Regel nicht. Wir sind darauf angewiesen, in einem breiten Bündnis – mit den Akteuren aus Bund, Ländern und Kommunen, der Bauwirtschaft, den Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft – die Rahmenbedingungen dafür zu setzen, dass in Deutschland wieder mehr gebaut werden kann. Sie haben die Zahlen gehört: Im letzten Jahr der Amtszeit von Bauminister Seehofer sind die Zahlen nach unten gegangen: Weniger als 300 000 Wohnungen sind fertig geworden. ({3}) Gleichzeitig haben wir 847 000 Wohnungen im Bauüberhang, in der Warteschlange. ({4}) – Also, die Herren müssen sich da gar nicht aufregen. Zahlen sind erst mal Zahlen, ({5}) und zu meiner – gar nicht schönen – Überraschung lag die Zahl im letzten Jahr bei unter 300 000. Gleichzeitig war die Zahl der Wohnungen, die schon genehmigt sind und die darauf warten, gebaut zu werden, sehr hoch. Wir müssen alles tun, um die Art und Weise, wie wir bauen, effizienter zu gestalten, damit diese Wohnungen dann tatsächlich auch schnell gebaut werden können. Dabei ist ein wichtiger Punkt die Transformation. Wir müssen die Produktivität der Bauwirtschaft erhöhen. Neben Bagger und Zement müssen in Zukunft auch Software und künstliche Intelligenz ihren Platz am Bau haben. Wir investieren 10 Millionen Euro in BIM, und wir werden sämtliche Verwaltungsprozesse im Baubereich digitalisieren. Das fängt an beim Raumordnungsgesetz, geht über digitale Planungsverfahren und die Einführung der digitalen Bauakte bis hin zur Einführung von digitalen Gebäudezwillingen. ({6}) Wir haben angekündigt, dass der Bundeskanzler im Herbst mit den Ländern einen Pakt zur Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung schließen wird. Mein Bauministerium wird einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass vor Ort schneller geplant werden kann, dass die Kommunen so ausgestattet werden, dass die Verfahren so modernisiert werden, dass das passieren kann. Ein zweiter Punkt ist der wichtige Punkt Klimaschutz. Wir dürfen Klimaschutz und Wohnungsneubau nicht gegeneinander ausspielen, sondern wir müssen sehen, wie wir es schaffen – mit nachhaltigen Baustoffen, mit modernen Bauformen –, beides miteinander zu verbinden. Wir investieren auch in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft: Die 476 Millionen Euro, die wir in diesem Jahr zur Verfügung haben, um Schwimmbäder, um Sporthallen, um Bolzplätze energetisch zu sanieren, sind eine große Unterstützung für den Sport, für die Zivilgesellschaft, für die Kommunen und für alle Menschen, die sich begegnen wollen. ({7}) Die Städtebauförderung ist etabliert; sie wird auf dem hohen Niveau von 790 Millionen Euro fortgeführt, und – Sie haben es erwähnt, Herr Uhl – auch das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“, das den Abgeordneten des Bundestages ganz besonders am Herzen liegt, wird mit 75 Millionen Euro weitergeführt. Wir werden es auch in diesem Jahr schaffen, die wichtigen Projekte in diesem Bereich auszuführen. Zwei Punkte sind mir ganz wichtig. Der eine ist die Frage des barrierefreien Umbaus von Wohngebäuden. Das wird in den Beratungen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen ein Schwerpunkt sein. Es ist kein Zufall, dass ich gesagt habe: Ich will, dass der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Mitglied im Bündnis ist, dass Verena Bentele Mitglied im Bündnis ist, ({8}) weil wir natürlich einerseits einen sehr großen Bedarf, andererseits aber eine sehr zersplitterte Förderlandschaft haben: Wir haben das KfW-Darlehen, wir haben jetzt die KfW-Unterstützung über diesen Haushalt, wir haben einzelne Landesprogramme. Ich bin der Meinung, dass wir diese Mittel bündeln müssen, um es den Betroffenen so einfach wie möglich zu machen und ihnen auch die Sicherheit zu geben, dass sie eine von ihnen umgebaute Wohnung beim Auszug nicht wieder zurückbauen müssen; das ist ja vollkommen unsinnig. Der zweite Punkt: die Anpassung der urbanen Räume an den Klimawandel. Hier fließen 176 Millionen Euro über den EKF in die Förderung unserer Städte. Wir merken es: Die Sommer werden heißer, sie werden trockener, und das Grün in den Städten steht unter Stress. Wir brauchen mehr Speichermöglichkeiten für Wasser: Bei Starkregenereignissen muss es schnell abfließen können, und im Sommer muss es dazu beitragen, unsere Städte zu kühlen. Sehr geehrte Damen und Herren, „Transformation“ ist das Stichwort der heutigen Zeit. Mit diesem Haushalt beginnen wir auch in der Baupolitik eine neue Phase. Es geht um eine Zukunftsausgabe, nämlich darum, wie wir genug bezahlbaren, klimagerechten Wohnraum schaffen, wie wir ein innovatives Bauwesen in Deutschland schaffen, wie wir es schaffen können, Schwung für die Digitalisierung im Gebäudebereich und im Quartier zu schaffen und wie wir gerade nach Corona dazu beitragen, dass unsere Stadtquartiere und Ortskerne lebendig bleiben oder werden. Wir brauchen auch eine besondere Achtsamkeit für die Älteren und Schwächeren in unserer Gesellschaft. Ich weiß, die Kommunen stehen unter starkem Stress, was diese ganzen Transformationen anbelangt: die Verkehrswende, die Bauwende, die Klimaanpassungsmaßnahmen. Unser Ministerium wird an ihrer Seite stehen. Der Haushalt, den Sie beraten haben, der Einzelplan 25, den Sie aufgepäppelt haben, ist dafür eine großartige Grundlage. Herzlichen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Marc Bernhard für die AfD-Fraktion. ({0})

Marc Bernhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004669, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Danke, Herr Luczak. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Geywitz, Sie wollen die CO2-Emissionen von Gebäuden bis 2030 halbieren, in gerade mal acht Jahren. Gleichzeitig – haben Sie auch gerade eben gesagt – wollen Sie Bauen sozialverträglich gestalten. Beides zusammen ist schlichtweg unmöglich, und viele Menschen werden bei Ihren Plänen auf der Strecke bleiben. Die Hälfte der Mieter in deutschen Großstädten muss heute schon mehr als 30 Prozent vom Netto für die Miete berappen, 26 Prozent der Mieter zahlen über 40 Prozent und 12 Prozent sogar über 50 Prozent fürs Wohnen. Dabei mussten bereits 2020 über 7,4 Millionen Menschen frieren, weil sie nicht genug Geld fürs Heizen hatten. Wie viele Menschen sollen unter Ihrer Regierung denn eigentlich noch dazukommen? Ihre Klimaziele im Baubereich umzusetzen, würde nichts anderes bedeuten, als Millionen von intakten Wohnungen abzureißen, weil Sie auch mit der teuersten Sanierung Ihren geplanten Standard EH 55 gar nicht erreichen könnten. Bei diesem Standard kostet ein Quadratmeter heute schon 3 400 Euro, und das führt zu einer Kaltmiete von mindestens 13,50 Euro. Das können sich heute schon 80 Prozent der Menschen gar nicht mehr leisten. ({0}) Ab 2025 wollen Sie sogar EH 40 zum Standard machen, und das wird dann endgültig zur Unbezahlbarkeit führen. Das haben wir im Übrigen heute Morgen auch in der Anhörung gehört. Für das Fehlen von 2 Millionen bezahlbaren Wohnungen machen Sie Lieferengpässe, Rohstoffknappheit und Preissteigerungen verantwortlich, kommen aber nicht auf die Idee, dass Ihre Gesetze, Verordnungen, Steuern und Abgaben das Bauen extrem verteuern und in immer neue Höhen treiben. Also, Frau Ministerin, Sie können entweder an Ihren völlig unrealistischen Plänen festhalten, die Menschen frieren lassen und Wohnen zum Luxus machen oder endlich für bezahlbare, warme Wohnungen sorgen. ({1}) Aber was machen Sie in diesem Haushalt? Luxusprojekte fördern, beispielsweise eine Kita im Kanzleramt – Kosten: 2,8 Millionen Euro für sage und schreibe 12 bis 15 Kinder. Für das gleiche Geld werden sonst überall im Land Kitas für 80 Kinder gebaut. Damit kosten diese Luxuskitaplätze fünfmal so viel wie die für die normalen Menschen da draußen. ({2}) Geldverschwendung ist auch Ihr Programm BIWAQ. Sie fördern damit zum Beispiel Kochvideos der Volkshochschule Coburg, in denen gezeigt wird, wie man Pfannenbrötchen backt, ({3}) oder in Nürnberg ein Videoprojekt zur Erwerbsintegration, das in eineinhalb Jahren sage und schreibe ganze 16‑mal aufgerufen wurde. ({4}) Welch ein Irrwitz, Frau Geywitz! An diesen Beispielen sieht man, wo die Prioritäten dieser Regierung liegen. ({5}) Frau Ministerin, Ihre erste und wichtigste Aufgabe muss es doch sein, für ausreichend bezahlbare und warme Wohnungen zu sorgen und nicht das Geld der Bürger für Luxusprojekte oder Nonsensprogramme wie BIWAQ auszugeben. Damit Wohnen in Deutschland endlich wieder für jeden bezahlbar wird, fordern wir die Senkung der Grunderwerbsteuer, die Abschaffung der Grundsteuer und die Streichung aller kostentreibenden Bauvorschriften. ({6}) Und, Frau Ministerin, ich bitte Sie: Pfannenbrötchen backen gehört wirklich nicht zu den Aufgaben Ihres Ministeriums. Herzlichen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Andreas Audretsch das Wort. ({0})

Andreas Audretsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005011, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wohnen ist ein Grundbedürfnis, und Wohnen ist auch ein Grundrecht. Wohnraum darf kein Luxusgut sein. In vielen Städten in Deutschland sehen wir leider, dass es dennoch genau so ist. Manche Menschen stehen stundenlang an für Wohnungen, immer in der Angst, keine zu bekommen; immer in der Angst, die Wohnung, die sie brauchen, nicht zu bekommen oder aus der alten Wohnung rauszufliegen. Sich für ein iPhone anzustellen oder für andere Luxusgüter, das ist in Ordnung – bei Wohnungen dürfen wir das niemals akzeptieren! ({0}) Wohnen ist eine der ganz großen sozialen Fragen unserer Zeit, und von Wohnungen hängt so viel ab. Deswegen ist es richtig, dass diese Koalition ein neues Ministerium geschaffen hat, das sich diesen Herausforderungen ganz speziell widmet und dafür einen eigenen Etat zur Verfügung hat; die Ministerin hat das eingehend ausgeführt. Und es ist auch richtig, dass wir in diesem Etat einen ganz großen Teil des Geldes für den sozialen Wohnungsbau ausgeben: bis 2026 14,5 Milliarden Euro – das ist mehr als das Dreifache dessen, was ursprünglich in der Finanzplanung vorgesehen war. Das ist gut so, und das ist richtig so. ({1}) Denn Wohnraum zu schaffen, ist auch eine staatliche Aufgabe. Es rächt sich jetzt – und wir sehen jetzt, wie sehr es sich rächt –, dass der Staat sich in den letzten Jahren immer mehr aus der Wohnungspolitik zurückgezogen hat. Der Schwund an Sozialwohnungen ist ein ernstzunehmendes Problem überall in Deutschland. Wir werden das mit der Politik, die wir jetzt vonseiten der Ampel machen, aufhalten und zurückdrängen. Wir schaffen einen zweiten, einen doppelten Boden auf dem Wohnungsmarkt. Und weil wir eine echte Wohnwende wollen und weil wir sozialen Wohnungsbau auch klimagerecht machen wollen, geben wir natürlich auch Geld für das klimagerechte Wohnen und Bauen aus und verbinden so das Soziale und die Klimafrage in der Politik bei uns. 100 000 Sozialwohnungen jährlich – das ist eine Menge Holz; aber wir wissen, dass das am Ende nicht ausreichen wird. Und deswegen freue ich mich so, dass wir mit dem Haushalt 2022 endlich auch das KfW-Programm zur Förderung von Genossenschaftsanteilen starten konnten. Millionen Menschen in Deutschland schließen sich zusammen. Sie planen gemeinsam, sie schaffen Wohnraum gemeinsam. Aber sie schaffen noch viel mehr: Sie schaffen dauerhaft günstigen Wohnraum, stellen den zur Verfügung und probieren gleichzeitig ganz viele neue Wohnformen aus. Sie übernehmen Verantwortung füreinander, weit über die Kernfamilie hinaus. Und das ist an der Stelle nicht nur der Start eines weiteren KfW-Programms, sondern das ist gleichzeitig auch das Zeichen dieser Koalition, dass Genossenschaften die Eigenheime der Zukunft sind und dass wir gleichermaßen die Verantwortungsübernahme füreinander in dieser Gesellschaft fördern. ({2}) Das Geschaffte ist ein erster Schritt; wir wollen aber weiter. Wir wollen auch im Haushalt 2023 daran anknüpfen und noch weiterkommen. Die neue Wohngemeinnützigkeit steht im Koalitionsvertrag und muss kommen; denn sie schafft dauerhaft günstigen Wohnraum. Alle, die bereit sind, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, sollen dann auch profitieren können. Und genau darum geht es: Es geht nicht um Staat auf der einen Seite und Privat auf der anderen Seite oder um ein Gegeneinander dieser beiden Richtungen, sondern es geht um die Frage, wer bereit ist, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen, sich an Kriterien zu halten und soziales und ökologisches Wohnen auf den Weg zu bringen. Das ist die Maxime der Politik, und deswegen werden wir die Wohngemeinnützigkeit in den nächsten Jahren einführen. ({3}) Ein Zuhause muss Sicherheit bieten, und ein Zuhause muss Geborgenheit bieten. Beides geht verloren, wenn Heizkosten explodieren und Menschen sich nicht mehr sicher sein können, ob sie das finanzieren können. Mit dem Heizkostenzuschuss haben wir deswegen hier kurzfristig für Abhilfe gesorgt: 270 Euro, die direkt bei denen ankommen, die diese Unterstützung auch tatsächlich brauchen. Das ist gut, und gleichzeitig ist klar, dass wir Lösungen auch für den nächsten Winter finden müssen. Wir erleben, dass die Gaspreise ein zentraler Treiber der Inflation sind, dass die Gaspreise von Diktator Wladimir Putin dazu genutzt werden, um sie auch als Kriegswaffe einzusetzen und um Gesellschaften zu spalten. Mit Blick auf den nächsten Winter steht deswegen für uns im Mittelpunkt: Niemand in Deutschland darf in einer kalten Wohnung sitzen; jede und jeder hier in Deutschland hat ein Recht auf ein warmes Zuhause. Das werden wir gemeinsam erfüllen. ({4}) Wohnungen der Zukunft müssen mehr leisten. Wohnungen der Zukunft müssen so gebaut oder so saniert sein, dass sie für alle zugänglich sind, auch für Menschen mit Behinderungen, auch für ältere Menschen. So schwer die Situation auf dem Wohnungsmarkt für ganz viele Menschen ist, um so viel schwerer – das wissen wir – ist die Wohnungssuche zum Beispiel für Menschen, die im Rollstuhl sitzen. Der Anteil an barrierearmen oder barrierefreien Wohnungen ist immer noch viel zu klein. Deswegen haben wir hier im Bundestag in den Beratungen gesagt, dass wir das Programm „Altersgerecht Umbauen“ nicht auslaufen lassen wollen, sondern wir wollen, dass dieses Programm weitergeführt wird, und haben ganz dezidiert dafür Mittel eingestellt. ({5}) Denn es geht da nicht nur um das Sanieren von Wohnungen. In einer alternden Gesellschaft und in einer Gesellschaft, in der der demografische Wandel so eine große Rolle spielt, ist die Frage, ob es finanzierbar ist, das Badezimmer umzubauen, auch eine Frage von Selbstbestimmtheit und eine Frage von Freiheit. Insofern investieren wir gerade in einer alternden Gesellschaft hier in Freiheit und Selbstbestimmung von Menschen. Die Wohnung ist das eine – ich habe viel darüber gesprochen, wie wir an der Stelle Politik machen –, aber das Wohnumfeld ist das Zweite; auch das ist adressiert in diesem Etat. Wir wollen die ganzen Potenziale unserer Innenstädte und Ortskerne heben und haben genau dafür Geld in dem Etat hinterlegt. Wir haben in den Haushaltsberatungen hier im Bundestag wiederum Mittel bereitgestellt, um das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ fortzuführen, weil es uns ein Anliegen war, genau das voranzubringen. Wir müssen jeden Euro künftig so investieren, dass wir auf Nachhaltigkeit setzen, und uns so auch auf die Zukunft vorbereiten und für sie wappnen. Deswegen wird das Programm zur Sanierung kommunaler Einrichtungen ab jetzt auch für Vorhaben zur energetischen Sanierung genutzt. Es ist nur konsequent, dass wir das Programm künftig aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzieren; denn wir bekämpfen damit die Klimakrise auch beim Umbau von Sportstätten oder Gebäuden in der Jugend- und Kulturarbeit. Wir haben die Beratungen genutzt, um den Entwurf der Bundesregierung hier im Bundestag besser zu machen, und wir bereiten uns damit auch auf die nächsten Jahre vor. Wir werden daran anknüpfen, gemeinsam die Bauwende herbeiführen und das Ganze dann auch sozial und ökologisch nachhaltig gestalten. Ich danke Ihnen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Caren Lay das Wort. ({0})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung baut vor allen Dingen eines: Luftschlösser. Beginnen wir mit den angekündigten 400 000 Wohnungen pro Jahr. Nur etwa 290 000 Wohnungen wurden im letzten Jahr fertiggestellt; das sind 4,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Sie scheitern an den eigenen, selbstgesteckten Zielen. ({0}) Dabei waren Sie es, die in „Bauen, bauen, bauen“ das Allheilmittel für die Überwindung der Wohnungskrise gesehen haben. Wir als Linke haben immer gesagt: Es kommt darauf an, was gebaut wird. ({1}) Aber gerade beim sozialen Wohnungsbau können Sie uns nicht sagen, wie die versprochenen 100 000 Sozialwohnungen pro Jahr finanziert werden. Ich habe die Bundesregierung gefragt, welche Berechnung dem zugrunde liegt. Antwort: Es gibt keine Berechnung. – Sie versprechen 100 000 Sozialwohnungen pro Jahr und können nicht sagen, wie Sie es finanzieren wollen? Das ist ja wohl absurd! ({2}) Da keine Kalkulation geliefert wird, können wir ja gemeinsam überschlagen: 14,5 Milliarden Euro sollen ausgegeben werden, also ungefähr eine Verdreifachung der Mittel. Das ist gut, gerade weil ich an dieser Stelle sehr lange vergeblich für eine Erhöhung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau gekämpft habe. Aber mit einer Verdreifachung der Mittel mehr als eine Vervierfachung der Zahl der Sozialwohnungen zu finanzieren, bei gestiegenen Kosten: Also, Entschuldigung; das ist einfach Wunschdenken. ({3}) Nur bei „Markus Lanz“ lässt sich die Ministerin in die Karten der magischen Rechnung schauen, und siehe da: Die Länder sollen mehr finanzieren; sie seien ja eigentlich zuständig. Aber ich will daran erinnern: Wir haben hier gemeinsam das Grundgesetz geändert, gerade weil der Bund wieder in die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau gehen sollte. Schon alleine deswegen können wir Ihnen nicht durchgehen lassen, die Schuld bei den Ländern abzuladen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen! ({4}) Das Ziel, 100 000 Sozialwohnungen im Jahr zu bauen, ist richtig. Aber stellen Sie das Geld bereit, statt es in Rüstung zu versenken! ({5}) Meine Anfragen zur bundeseigenen Immobilienanstalt BImA brachten auch wenig Rühmliches zutage. Die BImA hatte im letzten Jahr sage und schreibe sechs Wohnungen gebaut. ({6}) Sie lassen Wohnungen in Größenordnungen leer stehen. Das ist einfach nur peinlich. ({7}) Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit muss kommen – ja, das sehen wir als Linke genauso. Aber wo ist sie denn? Ich meine, es geht doch darum, einen nichtprofitorientierten Sektor auf dem Wohnungsmarkt aufzubauen. Das muss so schnell wie möglich kommen. ({8}) Der muss so groß wie möglich sein. Das darf nicht länger auf sich warten lassen. ({9}) Deswegen müsste vom ersten Tag an jeder Euro, den wir im Bauhaushalt ausgeben, in den Aufbau dieser neuen Wohnungsgemeinnützigkeit fließen, anstatt weiter Wohnungskonzerne mit Millionenbeträgen zu subventionieren, die dann am Ende das Geld als Dividende an die Aktionäre ausschütten. Das ist absurd; ihnen sollte der Förderhahn zugedreht werden. ({10}) Wir müssen doch vielmehr die Städte und Gemeinden unterstützen, dass sie mehr bauen. Bauen wie in Wien, das ist unsere Lösung; „Kaufen wir uns die Stadt zurück“, das ist unsere Losung! ({11}) Für uns als Linke ist klar: Wohnen muss bezahlbar sein. Wir wollen mehr als 20 Milliarden Euro jährlich mehr investieren, 15 Milliarden Euro im Jahr für sozialen, kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Teil des Programmes muss eben auch ein Ankaufprogramm sein – für den Ankauf von Sozialwohnungen und von Belegungsrechten, für Rekommunalisierung, damit sich auch Menschen mit kleinem Geldbeutel endlich wieder eine Wohnung leisten können. ({12}) Wir brauchen einen Bodenfonds, damit Bauland wieder bezahlbar wird, und ein klimagerechtes Sanierungsprogramm in Höhe von 5 Milliarden Euro im Jahr; denn Klimaschutz muss auch ohne Mieterhöhung möglich sein. ({13}) Franziska Giffey hat in Berlin einen unausgegorenen Vorschlag präsentiert: Jeder soll nicht mehr als 30 Prozent des Einkommens für das Wohnen ausgeben. – Das ist richtig. Aber als allgemeine Forderung ist es wenig handhabbar. Wir haben einen Vorschlag gemacht: Beim Wohngeld könnte man das konkret mit diesem Haushalt beschließen. Das ist unser Vorschlag als Linke. ({14}) Und zu guter Letzt: Es hat natürlich nicht alles mit Geld zu tun. Man könnte auch einfach gute Gesetze machen. Wir bräuchten einen bundesweiten Mietendeckel oder wenigstens fünf Jahre Mietenstopp. ({15}) Das hatte ja die SPD im Wahlkampf auch vollmundig versprochen. Aber jetzt ist doch nichts davon übrig, im Koalitionsvertrag kein Wort davon. Noch nicht mal das Vorkaufsrecht kriegen Sie geändert, obwohl es sich um einen einzigen Paragrafen handelt. Also, in der letzten Legislatur hieß es immer: Die SPD kann sich als kleiner Koalitionspartner nicht gegen die CDU durchsetzen. – Jetzt stellen Sie den Kanzler, Sie stellen die Bauministerin, Sie haben mit den Grünen zusammen eine Mehrheit in dieser Koalition. ({16}) Und jetzt können Sie sich nicht gegen die FDP durchsetzen? Sorry, Genossen, da stimmt was nicht. ({17}) Also: Fassen Sie sich ein Herz! Setzen Sie Ihre Wahlversprechen durch! Das Wohnopoly muss beendet werden! ({18})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Torsten Herbst für die FDP-Fraktion. ({0})

Torsten Herbst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004746, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute über einen besonderen Einzelplan – „besonders“, weil er der Einzelplan eines neuen Ministeriums ist, und „besonders“ auch, weil wir hier im Bereich des Bauministeriums die höchste Investitionsquote in allen Haushaltsplänen haben, und das zahlt positiv auf die Investitionsquote des Bundeshaushaltes ein. Wichtig ist aus unserer Sicht: Wir dürfen nicht nur konsumieren; wir müssen investieren. Und das tun wir mit diesem Haushalt. ({0}) Die Aufgaben im Bereich des Bauministeriums sind zweifellos groß. Es geht darum, Wohnen bezahlbar zu gestalten, Bauinvestitionen zu unterstützen, Bremsen zu lösen. Es geht darum, Eigentumsbildung zu ermöglichen. ({1}) Und es geht darum, die Stadtentwicklung weiter voranzutreiben. Das ist in Anbetracht des aktuellen Umfelds alles nicht trivial; das ist völlig klar. Aber wir sind als Koalition entschlossen, diese Herausforderungen anzugehen. Ich bin überzeugt: Das neue Bauministerium wird mit uns gemeinsam in dieser Koalition die richtigen Akzente setzen. ({2}) Ein Haushalt von rund 5 Milliarden Euro – das klingt zunächst einmal viel, das klingt nach viel Gestaltungsspielraum. Aber zur Wahrheit gehört, dass das Vorgängerministerium, das CSU-geführt war, ({3}) uns sehr viele Verpflichtungen hinterlassen hat, Programme, die wir jetzt abfinanzieren müssen und die unseren Gestaltungsspielraum einengen. Dennoch konnten wir neue Akzente setzen. Ich möchte hier zwei erwähnen. Das Programm „Altersgerecht Umbauen“ bekommt jetzt frisches Geld, weil wir älteren Menschen ermöglichen wollen, länger in den eigenen vier Wänden zu leben. ({4}) Das ist selbstbestimmtes Leben. Das ist nicht nur eine wohnungspolitische, sondern auch eine soziale Frage, meine Damen und Herren. ({5}) Wir konnten zudem neue Bundesmittel für kommunale Investitionsprojekte mobilisieren. Es stehen jetzt 400 Millionen Euro für die Sanierung von Sport-, Kultur- und Freizeiteinrichtungen zur Verfügung. Wer die Situation kennt, weiß – wir alle sehen das in unseren Wahlkreisen –: Das ist dringend benötigtes Geld, das ist gut angelegtes Geld. ({6}) – Zu dem Zwischenruf aus der CSU: Natürlich gab es die vorher schon. ({7}) Aber wenn wir nicht frisches Geld investieren würden, wäre kein Euro verfügbar, um neue Projekte anzugehen. ({8}) Meine Damen und Herren, ich freue mich auch, dass es gelungen ist, einen Anstoß für die Auflage eines neues Programms zur Förderung von privatem Wohneigentum zu geben. Bis Oktober wird das Förderkonzept erarbeitet. Ich sage immer: Mehr sozialer Wohnungsbau und mehr privates Wohneigentum, das sind keine Gegensätze. Wir brauchen beides in unserem Land. ({9}) In beiden Bereichen gibt es übrigens die gleichen Herausforderungen: Wir sehen steigende Baukosten, Engpässe bei Fachkräften, bei Baumaterial und einen steigenden Bauzins. Das ist deshalb eine Herausforderung, weil Wohnen nicht Luxus ist; Wohnen ist ein existenzielles Bedürfnis. Aber nicht nur Wohnen, sondern auch der Erwerb von Wohneigentum ist ein existenzielles Bedürfnis. Wir sehen es als Aufgabe an, das gesellschaftliche Aufstiegsversprechen umzusetzen, indem wir dafür sorgen, dass jemand, der hart arbeitet und etwas zurücklegt, sich privates Wohneigentum leisten kann. Der Traum vom Wohneigentum darf nicht zum unerreichbaren Ziel werden. ({10}) In diesem Zusammenhang eine Anmerkung: Anders als Die Linke es darstellt, sind nicht alle Vermieter diese vermeintlich gierigen großen Konzerne. ({11}) Über 60 Prozent aller vermieteten Wohnungen in diesem Land gehören Klein- und Kleinstvermietern; die haben eine, manchmal zwei Wohnungen. Ohne deren Engagement sähe es auf dem Wohnungsmarkt in Deutschland ganz anders aus. ({12}) Die Fachkräftesituation im Baubereich bleibt anstrengend und das Baustoffthema mit Sicherheit auch. Deshalb geht es auch darum, dass wir Produktivität und Innovation fördern. Wir kommen nur aus dem Dilemma heraus, wenn wir effizienter bauen. Die Stichworte sind: Digitalisierung, serielles Bauen, Baustoffforschung. Nur durch Innovation machen wir das Bauen effizienter, und wir müssen es effizienter machen. ({13}) Wir sehen ja auch: Je teurer wir bauen, desto teurer werden die Mieten. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass die Kosten nicht unendlich steigen. Wenn schon am Markt die Kosten deutlich steigen, darf nicht noch der Staat zum Kostentreiber werden. Das zu verhindern, ist unsere gemeinsame Verantwortung in diesem Haus. Als Koalition wollen wir die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wieder mehr gebaut werden kann, dass Genehmigungen vereinfacht werden, dass Wohnraum bezahlbar bleibt, dass sich mehr Menschen den Traum vom Wohneigentum erfüllen können. Das ist unser Anspruch, den wir als Koalition haben. Ich bedanke mich ausdrücklich bei meinen Mitberichterstattern in der Koalition, und ich bedanke mich beim Bauministerium, das bei der Haushaltsaufstellung Großes geleistet hat, obwohl es sich noch im Aufbau befindet. Es waren insgesamt sehr konstruktive, sehr faire Verhandlungen. Wir haben jetzt erste Weichen für eine moderne, innovative Baupolitik gestellt. Weitere werden mit dem Haushalt 2023 folgen. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Emmi Zeulner das Wort. ({0})

Emmi Zeulner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Herbst, in diesem Haushalt ist gar nichts von Innovation zu spüren, zu lesen und zu sehen: keine Reallabore für nachhaltiges Bauen, kein KI-Cluster „Bau“, keine Digitalisierung. Erst im Nachhinein wurde entsprechend nachgesteuert. Wir als Union können nicht stehen lassen, dass Sie angeblich die Fortschrittskoalition sind. Im Bauhaushalt ist davon nichts zu sehen. ({0}) Wir als Union haben uns gefreut, dass ein neues Bauministerium entstehen sollte. Wir waren neugierig auf die Umsetzung, da es dem wichtigen Thema Wohnen mehr Gewicht verleiht. Dafür können die Menschen in unserem Land aber zu Recht etwas erwarten, nämlich dass Politik dann auch liefert. Dieses Ministerium muss den Unterschied machen. Aber zum jetzigen Zeitpunkt müsste das Bauministerium eher in „Baustoppministerium“ umbenannt werden. ({1}) Ein Mehrwert ist nicht erkennbar. Zukunftsträchtige Konzepte: Fehlanzeige! Die Fertigstellung neuer Wohnungen geht im Vergleich zum letzten Jahr – die Kollegin Lay hat es angesprochen – sogar zurück. Das Ziel der Bundesregierung, 400 000 neue Wohnungen zu bauen, rückt in weite Ferne. Dafür gönnt sich die Ampelregierung als Personalaufbaukoalition aber 10 000 neue Stellen; das ist sicher. Aber ob die Ampel in der Lage ist, in gleicher Geschwindigkeit 10 000 neue Wohnungen zu organisieren, das wage ich zu bezweifeln. ({2}) Die SPD hat sich einfach schon zu Beginn der Ampelkoalition verzockt. Viel zu spät haben Sie Ihre Ministerin berufen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben untersteht dem Finanzministerium, und die Themen „KfW-Förderung“ und „energetische Sanierung von Gebäuden“ liegen beim Wirtschaftsministerium. Da ist es auch nur folgerichtig, dass diese beiden Schlüsselministerien fürs Bauen erst gar nicht zum von Ministerin Geywitz initiierten Bündnis bezahlbarer Wohnraum eingeladen waren. Dabei muss man sich schon die Frage stellen, ob die Bauministerin und der Wirtschaftsminister beim Bauen überhaupt an einem Strang ziehen. Die eine will kostengünstig bauen, der andere schraubt die Anforderungen bei der energetischen Gebäudesanierung hoch. Im Ergebnis verursacht man einen zweimaligen KfW-Förderstopp und lässt damit Familien, Städte, Gemeinden und alle Bauwilligen im Stich, die ja durchaus für nachhaltiges Bauen offen sind. ({3}) Dabei sind die Grundvoraussetzungen für Investitionen in Wohnraum, egal ob in kommunaler, privater oder gemeinnütziger Verantwortung, immer an Verlässlichkeit und Berechenbarkeit gekoppelt; denn alle müssen in ihren Haushalten verlässlich kalkulieren können. ({4}) Ich frage mich schon: Wo sind die glaubhaften Konzepte zur Klimaneutralität bei der Gebäudesanierung, in denen Sie beschreiben, wie diese a) finanziert und b) realisiert werden soll? Wo ist die steuerliche Abschreibung, liebe Kollegen von der FDP, die von 2 auf 3 Prozent erhöht werden soll? Wo ist die auskömmliche Finanzierung für den altersgerechten Umbau, der immens wichtig ist in einer der ältesten Gesellschaften dieser Welt? Wo sind die Konzepte zur Eigentumsförderung? Überall nur Dienst nach Vorschrift, oder Sie sind komplett blank. Das Baukindergeld beispielsweise können Sie schlecht finden, wenn Sie meinen, dass das Ihr Ansatz ist. Fakt ist aber, dass gerade Schwellenhaushalte davon massiv profitiert haben. ({5}) Auch die Mittel für die soziale Wohnraumförderung werden, wie schon in der letzten Regierung vorgesehen, aufgestockt. Aber auch das ist nicht auskömmlich, um Ihr selbstgestecktes Ziel von 100 000 neuen Sozialwohnungen erreichen zu können. Sogar an die Städtebaumittel wollten Sie ran. Dankenswerterweise haben die Kollegen das in der Haushaltsbereinigungssitzung noch verhindern können. Dieser Haushalt ist wenig zukunftsweisend. Aber gerade hier gilt, dass Vertrauen in die Politik die Summe der gehaltenen Versprechen ist. Daran werden wir Sie messen. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion. ({0})

Uwe Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004878, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, das Herzstück Ihrer Politik ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum als nationale Aufgabe; das habe ich eben Ihrer Rede entnommen. Der Bund unterstützt die Länder dabei mit erheblichen Mitteln; denn auch die Länder sind dafür zuständig, Wohnungen zu bauen. Insgesamt 14,5 Milliarden Euro sind für den sozialen und klimagerechten Wohnungsbau bis 2026 im Haushalt eingeplant. Unmittelbar nach Inkrafttreten dieses Bundeshaushaltes können die Länder bereits über 2 Milliarden Euro verfügen. Und die Länder legen ihrerseits mindestens 30 Prozent der Bundesmittel obendrauf; dann wird das auch was. Im parlamentarischen Verfahren haben wir den Haushaltsentwurf noch besser gemacht und mit zusätzlichen Mitteln zielgerichtet verstärkt. Einige Punkte möchte ich herausgreifen; die wesentlichen Ziele im Koalitionsvertrag haben meine beiden Vorredner der Ampel schon genannt. Wohneigentum darf kein Luxus für Besserverdienende sein. Wir stellen daher 6 Millionen Euro zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen für selbstgenutzten Wohnraum zur Verfügung. Damit ermöglichen wir es künftig jungen Familien mit durchschnittlichem Einkommen, Wohneigentum zu erwerben. ({0}) Die Ampel hat Jung und Alt gleichermaßen im Blick. Wir statten das KfW-Programm zum altersgerechten Umbau von Wohngebäuden mit zusätzlich 75 Millionen Euro aus. ({1}) – Ja, es reicht immer nicht. Den einen ist es zu viel, den anderen zu wenig. ({2}) Mit den Mitteln fördern wir den barrierearmen Umbau von Wohn- und Außenbereichen. So ermöglichen wir einen höheren Wohnkomfort im Alter. In unserer immer älter werdenden Bevölkerung ist dies dringend notwendig; die Ministerin hat das eben angedeutet. Auch der Städtebau steht vor großen Herausforderungen. Städte wachsen immer schneller, Wohnraum wird immer knapper und die Luft in den Großstädten immer schlechter. Auch die Stadtentwicklung muss auf den Klimawandel reagieren. Um weitere Vorbilder für Projekte der nachhaltigen Stadtentwicklung und des Städtebaus in ganz Deutschland zu schaffen, haben wir die Mittel für das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ um weitere 75 Millionen Euro erhöht. ({3}) Unsere Städte und Kommunen reagieren auf die vielfältigen städtebaulichen Herausforderungen mit innovativen Konzepten wie das Gewächshaus auf dem Dach, die Vernetzung von Kunst und Grünflächen im Quartier oder andere städtebauliche Innovationen zur Lösung drängender Zukunftsausgaben. Die Städte der Zukunft sind nachhaltig, klimaneutral, grün und vernetzt. In diesem Haushalt haben wir noch zwei weitere Programme für die Stadtentwicklung vorgesehen, die vom Bauministerium bewirtschaftet werden. In den Beratungen ist es uns gelungen, das erfolgreiche Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ neu aufzulegen. Insgesamt 476 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren für neue Projekte bereit. ({4}) Wir unterstützen damit die Städte und Gemeinden bei zahlreichen Sanierungsprojekten und erhalten damit wichtige soziale Infrastruktur vor Ort. Ob der Sportverein um die Ecke, der Jugendklub in der Nachbarschaft oder die Kulturstätten, sie alle leisten tagtäglich einen großartigen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Integration in unserem Land. Aspekte des Klimaschutzes werden künftig auch eine größere Rolle bei den Förderkriterien spielen. So denken wir Klimaschutz und Sanierung zusammen und sorgen für Sicherheit im Wandel. Für das Sonderprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ haben wir die Mittel ebenfalls um 176 Millionen Euro erhöht. Insgesamt stehen 375 Millionen Euro bereit, damit die Kommunen öffentliche Parks und Gärten klimafreundlich weiterentwickeln können. Städtisches Grün trägt erheblich zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bei. Kommunen wird so ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz ermöglicht. All das sind Zukunftsinvestitionen in das bezahlbare Wohnen, die nachhaltige Stadtentwicklung und das klimafreundliche Bauen. Mein Dank geht an unsere Bundesministerin Klara Geywitz. Vielen Dank an meine Kollegen Andreas Audretsch und Torsten Herbst. Das war eine produktive Zusammenarbeit mit sehr guten Ergebnissen. Schließlich gilt mein Dank den vielen Mitarbeitenden im Hintergrund, in den Abgeordnetenbüros und in der AG. Recht schönen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD-Fraktion. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezahlbares Wohnen ist eine der großen sozialen Fragen in dieser Zeit. Inflation, astronomische Energiepreise und grüne Auflagen und Verbote für Hausbauwillige ziehen unseren Bürgern das Geld aus der Tasche. Hinzu kommt die Wohnungsknappheit, vor allem in Ballungsräumen, die unter anderem durch die völlig gescheiterte Migrationspolitik entstanden ist. Diese Politik wird mit der neuen Regierung noch viel schlimmer. Bauen ist in Deutschland so teuer wie nie. Die Preise für Baumaterial sind enorm hoch, und durch Lieferengpässe ist Material knapp. Das stellt gerade Handwerks- und Baubetriebe bei der Abgabe von Angeboten vor die enorme Herausforderung, ob ihr Angebot im Laufe des Baufortschritts überhaupt haltbar sein wird. Nicht wenige Betriebe bringt das in existenzielle Nöte. Durch die Materialknappheit können vielerorts die Bauzeiten nicht eingehalten werden. Das wird im diesem Jahr zu einer Stagnation im Baugewerbe führen. Das betrifft nicht nur die Zielerreichung der versprochenen 400 000 Wohnungen, sondern betrifft auch viele Familien, die sich selbst gerne ihre eigenen vier Wände schaffen wollen. Die hohen Baupreise führen dazu, dass die Baukosten für diese Familien massiv steigen und damit deren Finanzen ins Wanken geraten. Wir befinden uns in schweren Zeiten, ({0}) und es braucht Hilfe vonseiten der Politik, vor allem was die Dämpfung von Materialpreisen angeht, aber auch durch eine Politik, die Regeln vereinfacht und diese nicht weiter verschärft. Unter dem Deckmantel „klimaneutral“ wird die Kostenspirale durch die links-gelbe Koalition weiter hochgetrieben. Das kann sich unser Land jedoch nicht leisten. ({1}) Sie würgen mit Ihren Verboten und Auflagen privates Bauen in entsprechenden Größenordnungen ab, weil es dadurch kaum oder gar nicht mehr finanzierbar wird. Frau Ministerin, Ihr Haus steht vor großen Aufgaben mit der Einhaltung des gegebenen Versprechens, jährlich 400 000 Wohnungen bauen zu wollen. Mit dem im Ergänzungshaushalt vorgesehenen einmaligen Zuschuss für Heizkosten zum Wohngeld dieses Jahr wird es nicht getan sein. Dieser einmalige Zuschuss ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hier sind Sie und Ihre Kollegen zum Handeln aufgefordert, damit sich viele Bürger im kommenden Winter nicht die Frage stellen müssen, ob sie entweder heizen oder etwas zu essen kaufen. ({2}) Wir werden diesem Haushalt in dieser Form daher nicht zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Anja Liebert für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Liebert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005130, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in den sechs Monaten, in denen sie die Verantwortung trägt, die Weichen in der Bau- und Wohnungspolitik definitiv neu gestellt. Das zentrale Anliegen des hier verhandelten Einzelplans ist die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum. Für uns Grüne geht es dabei darum, das Soziale und das Ökologische miteinander in Einklang zu bringen. ({0}) Ganz konkret machen wir das mit der Klimamilliarde, die im Haushalt 2022 zu finden ist. Wir fördern energetisch hochwertigen Neubau; die Finanzplanung sieht 14,5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau vor. Mit dieser sozial gerechten und ökologischen Bau- und Wohnungspolitik wollen wir dafür sorgen, dass alle Menschen in sicheren, bezahlbaren und klimagerechten Wohnungen leben können. ({1}) Was die CDU uns hinterlassen hat – Stichwort: „auslaufende Fördermittel“; Herr Altmaier hat das nicht zu Ende gedacht und es auch nicht zu Ende geführt –, müssen wir jetzt ausbaden. Wir müssen schauen, wie wir das wieder auf einen vernünftigen Weg bringen. ({2}) Das Umfeld in der Baubranche ist dafür alles andere als ideal. Der Wohnungsbau steht unter Druck, weil Fachkräfte fehlen und die Preise für Baumaterialien kräftig angezogen haben; mein Vorredner hat das gesagt. Die Frage aber ist: Was ist die Lösung für das Problem? Lösungen für das Problem Fachkräftemangel sind vor allem Zuwanderung, Einwanderung, mehr Menschen in Deutschland in diesen Bereich des Arbeitsmarkts bringen und die Qualifizierung der Menschen. ({3}) Allein im Handwerk gibt es 250 000 offene Stellen, und in den nächsten fünf Jahren werden 125 000 kleine und mittlere Handwerksbetriebe eine Nachfolge suchen. Dafür brauchen wir eine Lösung. Deshalb freuen wir uns natürlich auf Menschen, die nach Deutschland kommen und für uns in diesem Bereich tätig werden wollen. Dass die Baukosten steigen, wissen wir. Es geht darum, dass wir in Zukunft konsequent Ressourcen sparen, Ressourcen schonen und auch konsequent aus den fossilen Energieträgern austeigen. Dazu muss der Wohnungssektor einen großen Beitrag leisten. Deshalb ist für uns die Verschärfung der Standards bei der energetischen Sanierung der richtige Weg. Wir wollen diese verstärkt an Nachhaltigkeit und der CO2-Einsparung ausrichten. ({4}) Wir werden auch in den anstehenden Haushaltsberatungen für 2023 Akzente setzen; denn wir haben in den sechs Monaten natürlich nicht geschafft, all das, was wir uns vorgenommen haben, umzusetzen. Der Koalitionsvertrag enthält viele Maßnahmen und Vorhaben, die wir auf den Weg bringen werden. Aber das schwierige Umfeld zwingt uns heute mehr denn je, Prioritäten zu setzen, und zwar auf Nachverdichtung, auf Sanierung und Umnutzung, auf Aufstockung und Ausbau der schon vorhandenen Bausubstanz. Wir müssen auch die Potenziale des seriellen und modularen Bauens nutzen und das Bauen schneller, effektiver und preisgünstiger machen. Unsere Bauministerin, Frau Geywitz, hat ja schon im Vorfeld gesagt: Es ist nicht sinnvoll und schon gar kein ökologischer Umgang mit knappen Ressourcen, noch mehr Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese außerhalb der Städte zu bauen. ({5}) Deswegen planen wir die Neue Wohngemeinnützigkeit. So wollen wir dauerhaft bezahlbaren Wohnraum schaffen. Auch die Programme der Städtebauförderung werden wir auf hohem Niveau fortführen. ({6}) Denn es geht darum, urbane Räume neu zu gestalten und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel möglich zu machen. Wir sehen: Wir haben einiges auf den Weg gebracht und haben für 2023 viel vor für eine nachhaltige und zukunftssichere Politik. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Daniel Föst das Wort. ({0})

Daniel Föst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004716, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Wir haben ja Zieleinigkeit. Die AfD außen vor gelassen, will ja wirklich jeder, dass die Menschen gut leistbar leben können und der Bestand CO2-neutral ist. Und allen Unkenrufen zum Trotz ist es gut, dass wir angesichts dieser gigantischen Herausforderungen, vor denen das Bauen, das Wohnen und der Bestand stehen, ein neues Bauministerium geschaffen haben. Natürlich geht immer mehr, liebe CSU. Aber wir haben jetzt schon bewiesen, dass auf alle Fälle mehr geht, wenn ihr nicht mit in der Regierung seid. ({0}) Wir haben das Bauministerium eingerichtet. Wir haben die Haushaltsmittel aufgestockt. Wir investieren mehr in den sozialen Wohnungsbau. ({1}) Es ist legitim, dass die Opposition immer sagt: Es könnte mehr sein. – Da schließe ich mich sogar an. Natürlich könnte immer mehr sein. Aber im Rahmen des Möglichen, im Rahmen der Mittel, die ja in Milliardenhöhe schon fest gebunden sind, haben wir neue Akzente gesetzt. Auf diesen ersten historischen Haushalt des Bauministeriums ({2}) kann die Ampel zu Recht stolz sein. Das geht in die richtige Richtung. ({3}) Natürlich ist nach einem halben Jahr noch nicht alles perfekt; natürlich sind noch nicht alle Probleme gelöst. ({4}) Wir müssen die Angebotslücke schließen, ohne Frage. Je nach wissenschaftlichem Institut schwankt die Zahl der neuen Wohnungen, die wir brauchen, zwischen 400 000 und 700 000 Wohnungen im Jahr. Das ist eine gigantische Aufgabe. Diese Angebotslücke werden wir nur schließen können, wenn wir die Bremsen lösen. ({5}) Das bedeutet Planungsbeschleunigung. Die Ampel hat bei den LNG-Terminals gezeigt, was sie unter Planungsbeschleunigung versteht. Das kann eine Blaupause dafür werden, wie wir die großen Bedarfe an neuen Wohnungen umsetzen können. ({6}) – Ja, ich weiß, liebe Freunde von der CSU. ({7}) – Ernsthaft! Ich bin ja bereit, zu diskutieren und zu reden. ({8}) Ich schätze auch ihre Kolleginnen und Kollegen für den Bereich „Bauen und Wohnen“, höre hier aber immer nur Seitenrufe wie „Mehr!“ und „Warum macht ihr es nicht?“. Kommt, legt mal vor! ({9}) Legt hier mal vor, was ihr konkret wollt, ({10}) statt nur zu fordern! ({11}) Da könnt ihr Jan-Marco Luczak den Koalitionsvertrag abschreiben lassen; das wäre schön. Dann können wir das beraten. ({12}) Also: Wir müssen die Angebotslücke schließen, ohne Zweifel. Und es ist sehr, sehr gut, dass wir als Ampel erkannt und auch im Koalitionsvertrag verankert haben: Der Staat alleine wird das nicht schaffen. Wir brauchen den privaten Sektor. Wir brauchen die kleinen Häuslebauer. ({13}) Wir brauchen die Genossenschaften. Ja, wir brauchen auch den städtischen und kommunalen Wohnungsbau. Das ist alles richtig. Deswegen ist es wichtig, dass wir von Konfrontation auf Kooperation umstellen. Was Konfrontation im Wohnungsmarkt anrichtet, das zeigt Berlin wirklich zur Genüge. ({14}) Es ist immer wie Realsatire, wenn ich von der Kollegin Lay höre, wie toll hier alles sei. ({15}) Berlin ist dysfunktional, und der Wohnungsmarkt in Berlin ist gescheitert. ({16}) Also: Angebotslücke schließen, Planungsbeschleunigung – das ist ganz wichtig. Aber wir müssen auch an die Baukosten heran. Es ist völlig zu Recht formuliert worden, dass uns die Baukosten davonlaufen. Es wird immer teurer, zu bauen. ({17}) Da ist eine klare Antwort – meine liebe Emmi Zeulner, das habt ihr in den letzten Jahren nicht gemacht –, die Bauforschung zu stärken. Wir müssen das DIBt ausbauen. Wir müssen mehr in die Forschung investieren. ({18}) Wir müssen auch die Entwicklung des seriellen und modularen Bauens und Sanierens stärken. ({19}) Das Building Information Modeling ist ein ganz zentraler Baustein: von der digitalen Planung über die Erstellung bis hin zum Betrieb des Gebäudes. Technologie, das ist eine der Antworten, um die Probleme am Wohnungsmarkt zu lösen. ({20}) Was wir ebenfalls brauchen, ist die Klärung der Frage: Wo bauen wir die neuen Wohnungen? Es gibt genug Flaschenhälse beim Thema Wohnungsneubau. Ich selber bin ja der Meinung: Wir können nicht alles auf der grünen Wiese bauen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir beim Wohnungsneubau wegkommen müssen vom Baulandbegriff hin zum Baupotenzialbegriff: Wo können wir aufstocken? Wo können wir umwidmen? Wo können wir umbauen? Wo ist eine Brache? Wo müssen wir vielleicht doch neues Bauland entwickeln? – Entscheidend bei der Frage, wie wir der Knappheit des Baulands entgegnen können, ist, auf das Baupotenzial zu schauen, uns also davon zu trennen, immer alles auf der grünen Wiese bauen zu wollen. ({21}) Abschließend: Die Eigentumsquote empfinde ich für ein so wohlhabendes Land wie Deutschland als beschämend. Wir sind da im Vergleich ganz, ganz hinten in Europa, in der EU. ({22}) – Ganz, ganz hinten! Ich will jetzt nicht streiten, ob nur der letzte oder auch der vorletzte Platz ganz, ganz hinten ist. Dass Die Linke solche Debatten führt, zeigt doch, wie völlig ergebnislos sie Politik macht. ({23}) Um den Gedanken kurz zum Ende zu bringen: Wir müssen die Menschen ins Eigentum bringen. Eigentum schützt vor Altersarmut, nicht nur die Generation, die es erarbeitet hat, sondern auch nachfolgende Generationen. Eigentum führt zu einer fairen Vermögensverteilung. Und Eigentum stabilisiert ganze Wohnviertel, ganze Wohnbereiche. Deswegen ist Eigentumsförderung ein erklärtes starkes Ziel für 2023. ({24}) Wir schaffen nicht alles mit einem Haushalt, innerhalb eines Jahres, aber diese Ampel ist für diese Legislaturperiode auf einem sehr, sehr guten Weg. ({25}) Ich freue mich auf alle weiteren Haushaltsdebatten. Vielen Dank. ({26})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Michael Breilmann das Wort. ({0})

Michael Breilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005032, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade vom Kollegen Föst einiges an Zahlen gehört und auch einiges, was man machen sollte. Ich frage mich nur, warum Ihre Vorschläge sich dann nicht in diesem Haushalt wiederfinden? Das wundert mich schon ein wenig. ({0}) Sie haben gerade davon gesprochen, es werde mehr für die Forschung getan. Wenn ich mir aber das Deckblatt zum Einzelplan 25 angucke, sehe ich beim Titel „Forschung, Untersuchungen und Ähnliches“ eine Kürzung um 59 000 Euro. ({1}) Eine Kürzung! ({2}) Wir sollten mit dem Zahlenmaterial vielleicht mal richtig arbeiten. Unser Haushälter Markus Uhl hat ein Auge darauf. ({3}) Wir beraten heute abschließend nicht nur den ersten Etat des neuen Bauministeriums, sondern auch die Umsetzung eines der zentralen Versprechen dieser neuen Bundesregierung, eines Versprechens, das Olaf Scholz auf zig Marktplätzen in Deutschland gegeben hat: 400 000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100 000 Sozialwohnungen. Ich finde, da ist es nur fair – das sollten wir in dieser Haushaltsdebatte heute auch noch einmal deutlich machen –, zu schauen, ob die Ziele, die Sie sich selber gegeben haben, erreicht werden können und welche Mittel Sie dafür haushaltspolitisch eingesetzt haben. Wenn wir uns die Zahlen und damit Anspruch und Wirklichkeit dieser Politik einmal angucken und auch die Prognosen, die aus der Baubranche, aus dem Baubereich kommen, einbeziehen, dann finde ich es schon seltsam, dass die Ampelvertreter sich in der Mehrheit – bis auf wenige Ausnahmen wie der Selbstkritik vonseiten der FDP – in dieser Debatte selbst ob Ihrer einzelnen Etatansätze feiern, obwohl die Realität in diesem Land eine völlig andere ist: Ab 2023 wird das Maximum an Neubauwohnungen Schätzungen zufolge bei 250 000 Wohnungen liegen. Die Baubranche warnt uns bereits jetzt vor weiterem Gegenwind in 2023. Bauherren verschieben Projekte oder stornieren sie sogar ganz. Zudem verteuert sich mit anziehenden Kreditzinsen gerade die Finanzierung. Das ist alarmierend, zeigt aber auch – das muss man heute einmal ansprechen –: Sie werden Ihre Ziele vermutlich nicht erreichen, sie werden verfehlt. ({4}) – Nein, das freut uns nicht. Deswegen machen wir Vorschläge, auf die ich gleich noch eingehen werde. ({5}) – Hören Sie zu! Wir brauchen einen vernünftigen Mix aus klugen Investitionen, neuen Freiräumen, Experimentierfeldern auch im Bereich Forschung und Anreizsystemen sowie Stärkung von Eigeninitiativen, verlässliche Förderbedingungen, Maßnahmen gegen Baukostensteigerung, zügiges Bereitstellen von Baugrundstücken, schnellere Planungsverfahren, keine Verschärfungen im Mietrecht und müssen Klimaschutz effizient angehen und steuerrechtliche Anreize setzen. All das wird in der Baubranche angemahnt, und auch das muss sich in einem Haushalt am Ende wiederfinden. ({6}) Wir als Union wollen bauen, bauen, bauen; denn das ist der beste Mieterschutz. Aber das Einzige, was bei der Bundesregierung zementiert wird, ist das Nichterreichen der eigenen Ziele. Natürlich spielen auch Lieferkettenprobleme, Material- und Fachkräftemangel, Preisexplosion, aber auch das unsägliche Förderchaos rund um die KfW-Mittel eine Rolle. Das geht sogar noch weiter. Ich habe dem gestrigen „Handelsblatt“ entnommen, dass sich das Chaos um die KfW-Förderung wohl fortsetzen kann. Scheinbar könnte es in absehbarer Zeit wieder zu einem Stopp der KfW-Förderung kommen. Allein dass das im „Handelsblatt“ steht – ob es stimmt oder nicht –, ist doch schon eine absolute Katastrophe. ({7}) Ich möchte deshalb auf ein Wort hinweisen, das in den Haushaltsberatungen eine wichtige Rolle spielt. Das ist das Wort „Planungssicherheit“. Menschen, gerade junge Familien, die ein Eigenheim schaffen wollen und sich auf Förderung verlassen haben, brauchen diese Planungssicherheit. Das ganze Geld, was in diesem Haushalt – wir gestehen Ihnen zu: ja, es gibt auch Erhöhungen – zur Verfügung gestellt werden soll, hilft dann nicht, wenn das Bauen gleichzeitig an anderen Stellen erschwert wird. Deswegen ist es enorm wichtig, gerade jetzt zu handeln und Wohneigentum zu fördern. Dazu gab es auch Vorschläge. Wir haben diese Position noch einmal deutlich gemacht. Die Ministerin möchte gerne im Bestand sanieren. Wir haben dazu einen Antrag gestellt. Wir wollen Wohneigentum mit dem Programm „Jung kauft Alt“ fördern. Das ist alles in den Haushaltsberatungen gewesen. Wir wollen ein Gesamtkonzept für Wohnungseigentumsförderung. Das haben Sie von der Koalition leider abgelehnt. Jetzt, in diesem Haushalt, brauchen wir die Förderung auch des Eigentums. In diesem Sinne ist der Haushalt baupolitisch mehr schöner Schein als der große Wurf, den wir aber dringend benötigen im Sinne aller Bauwilligen, aber auch im Sinne von Mieterinnen und Mietern. Danke. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup für die SPD-Fraktion. ({0})

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltspolitik muss – das glaube ich – im Zeichen globaler Krisen Prioritäten nach den Notwendigkeiten der Zeit setzen. Das gilt nicht nur für die Sicherheitspolitik, sondern es gilt auch für die Wohnungsbaupolitik. „Notwendigkeiten der Zeit“ bedeutet, eine Antwort auf die Frage zu geben, wie denn bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden kann. Die Antwort in dieser Koalition lautet: im Finanzplanungszeitraum 14,5 Milliarden Euro. Das ist das Dreifache von dem in der letzten Legislaturperiode. Das ist eine gewaltige Anstrengung, eine deutliche Schwerpunktsetzung, und das unterscheidet diese Ampelkoalition von der letzten Großen Koalition. Ich will das an dieser Stelle sehr deutlich sagen. ({0}) – Ja, ich war selber mit dabei, Herr Luczak, und Sie waren nicht derjenige, der gesagt hat: Wir sollen mehr für den sozialen Wohnungsbau tun. – Sie nicht, Sie nicht, Sie nicht, keiner von Ihnen, wir wohl. Das ist der wesentliche Unterschied. ({1}) Ich will an dieser Stelle sagen: Dieser Haushalt steht im Zeichen des sozialen Wohnungsbaus: Neubau, Sicherung auslaufender Mietpreisbindungen. Schauen Sie sich einmal den sozialen Wohnungsbau in den süddeutschen Ländern an. Das sind in hohem Maße Eigentumsmaßnahmen. Schauen Sie sich das einmal an. Sie wissen, glaube ich, gar nicht, wie wichtig das an dieser Stelle ist. ({2}) – Ja, ungefähr ein Drittel. Du kannst dir gerne die Statistiken ansehen. Es ist so. Deswegen sind andere Punkte dabei, die eine Rolle spielen: Das Genossenschaftsprogramm – jahrelang verhindert worden – kommt jetzt mit 6 Millionen Euro. Ein leichter Anfang, damit man auch Eigentumsbildung in den Städten durchführen kann. Das wollten Sie aber nicht. ({3}) Ich will dazusagen: Liebe Caren Lay, es ist keineswegs so, dass wir an unseren Zielen scheitern. Wir kämpfen um diese Ziele – das ist eigentlich ein klassisches Merkmal von linken Politikern gewesen – ({4}) und geben nicht auf und sagen: Wir sind gescheitert. Denn trotz globaler Krise, trotz Wohnungsmangel, Mietpreisentwicklung oder Klimawandel können wir die Arbeit nicht einfach aussetzen, und wir können sie auch nicht, liebe Emmi Zeulner, gegeneinanderstellen. Wir müssen den Klimawandel, den Klimaschutz und das bezahlbare Wohnen berücksichtigen, und das ist kein Gegensatz. ({5}) – Doch, das machen wir ganz genau. Ich habe es eben schon gesagt; da muss man zuhören. ({6}) Ich sage auch: Wir haben die Experimentallabore mit 250 Millionen Euro eingeführt. Da hat die Union nur zugeschaut. Wir haben jetzt 790 Millionen Euro in der Städtebauförderung, damit die daraus entwickelten Konzepte umgesetzt werden können. Das ist die Idee dabei. ({7}) Wir machen mit 10 Millionen Euro beim Thema BIM beispielsweise die Fortsetzung, damit es schneller geht, damit preiswerter realisiert werden kann. Das hat Daniel Föst eben angesprochen. – Mit anderen Worten: Diese Punkte sind bei uns schon richtig aufgehoben. ({8}) Wohnen ist keine x‑beliebige Ware. Wohnen ist nicht einfach ein Marktgut, sondern die Sozialpflichtigkeit spielt dabei eine Rolle, und deswegen ist die Mietenpolitik auch wichtig. Herr Luczak, auch Ihr Thema. Ich vermute, dass Sie gleich etwas sagen zur Begrenzung von Indexmieten. Das ist nämlich ein zentrales Problem zum gegenwärtigen Zeitpunkt. ({9}) Wir werden noch zum Vorkaufsrecht verhandeln. Ich finde es traurig, ehrlich gesagt, wie über die BImA gesprochen wird. Die BImA ist zum Partner der Kommunen, der Städte und Gemeinden geworden. Die BImA stellt in großem Umfang Wohnungen bzw. Unterkunftsmöglichkeiten für die Unterbringung von Flüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung. Das wird nirgendwo positiv gewürdigt, und ich finde, das muss man positiv würdigen. ({10}) Beim realen Wohnungsbestand von 39 000 Wohnungen beträgt die Leerstandsquote nicht einmal 2 Prozent, und es wird massiv modernisiert in der BImA. Ich finde, das muss man auf diese Art und Weise – das glaube ich jedenfalls – auch einmal darstellen. Ich will noch ein paar andere Punkte hier ansprechen und überschlage sozusagen ein Stück weit meine Rede. Ich will darauf aufmerksam machen, dass natürlich auch – das ist hier angesprochen worden – der Umbau von Wohnungen im Rahmen des altersgerechten Umbaus des Wohnungsbestandes dazugehört. 75 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung – reicht nicht, war aber nie mehr, wollte ich nur sagen, zu keinem Zeitpunkt. Genauso übrigens waren die Mittel für den sozialen Wohnungsbau, auch in den Anträgen der Linken, in der letzten Wahlperiode nie mehr. Ich will das an dieser Stelle einmal deutlich sagen. Das ist mir auch ein wichtiger Gesichtspunkt. Ich will auch darauf aufmerksam machen, dass wir uns um die Emissionen im Gebäudebestand kümmern müssen, dass wir den Gebäudebestand effizienter machen müssen. Deswegen gibt es einen CO2-Preis. Die Union will, dass dieser CO2-Preis nur von Mietenden, von Mieterinnen und Mietern, bezahlt wird. Das ist ihr ausdrückliches Ziel. Sie haben das andere verhindert. Deswegen machen wir jetzt dieses Zehnstufenmodell, um auf diese Art und Weise zu einer gerechten Lösung mit Anreizwirkungen zu kommen. Leider läuft die Zeit bei mir immer schneller als bei anderen. Ich weiß auch nicht, wie das kommt. ({11}) Deswegen will ich noch zwei, drei Sätze zu den Kommunen sagen. Dieses Thema wird in diesem Ministerium sehr deutlich. Die kommunale Handlungsfähigkeit von der Städtebauförderung bis zu den vielen Programmen, mit denen wir helfen, wurde angesprochen. Die Altschuldenhilfe ist übrigens auch ein Thema, um Handlungsfähigkeit herzustellen. Vielleicht tut sich jetzt etwas in Nordrhein-Westfalen, weil die Grünen hier ein Stück weit mitdrängeln und mithelfen. Das wäre jedenfalls wünschenswert. Herzlichen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Carolin Bachmann für die AfD-Fraktion. ({0})

Carolin Bachmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005014, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir erleben eine Zeitenwende, die Wohnen teuer und Bauen unattraktiv macht. Hauptverantwortlich sind Sie und die Vorgängerregierung. ({0}) In der Vergangenheit spielte der Wohnungsbau politisch eher eine untergeordnete Rolle. Zwar waren Urbanisierung und Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten bereits im Blickfeld; das Wohnen war aber grundsätzlich bezahlbar. Die Bürger konnten frei entscheiden, wo und wie sie wohnen möchten. Der Handwerker war erschwinglich, die Baukosten relativ konstant und das Material vorhanden. Doch heute stehen wir, politisch induziert, vor städtischer Wohnungsnot, einem vernachlässigten ländlichen Raum, Überfüllung mit Flüchtlingen und einer viel zu abhängigen und daher fragilen Wertschöpfungskette, die unsere Eigenversorgung nicht mehr gewährleisten kann. Die Folgen sind jetzt für alle spürbar. Auf der einen Seite explodieren Wohn-, Miet- und Nebenkosten, und auf der anderen Seite steigen die Baukosten und fehlt Baumaterial. Wohnen und Bauen sind Grundbedürfnisse. Das haben Sie sogar im Koalitionsvertrag festgehalten. Aber von Ihren Versprechungen, ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sind Sie meilenweit entfernt. ({1}) Wohnen und Bauen wird für immer mehr Menschen zum Problem. Sowohl Neubau als auch Sanierung werden durch Ihre Politik immer unwirtschaftlicher. Baustoffe sind bis zu 77 Prozent teurer. Und Sie weiten die dafür ursächliche Geldmenge noch weiter aus. Wir haben in Deutschland die höchste Steuer- und Abgabenlast, und Sie belasten Mieter und Vermieter noch mit völlig sinnlosen CO2-Abgaben. ({2}) Und weil Ihnen das alles noch nicht reicht, knechten Sie die Bürger weiter mit Ihrem Gebäudeenergiegesetz, mit Ihrem Dämmwahn und Ihren immer steigenden Anforderungen an den Bau. Sie rühmen sich mit dem Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen zu errichten. Da fragt sich auch die Immobilienbranche, wie Sie auf diese utopische Zahl von jährlich 400 000 Wohnungen eigentlich kommen. Auf meine Anfrage hin wussten Sie nicht einmal, wie viele Wohnungen in Deutschland überhaupt leer stehen. Woher wissen Sie dann, wie viele Wohnungen überhaupt benötigt werden? Genauso aus der Luft gegriffen wie die Zahl 400 000 ist auch Ihr Haushaltsplan. Ihr Haushalt bietet keinerlei Lösungen und Verbesserungen für das Bauen und Wohnen in Deutschland. Ihr Haushalt bietet auch keinen Anreiz für die soziale Marktwirtschaft und befähigt den Markt nicht, selbst die Wohnungen zu schaffen. Frau Ministerin, wir empfehlen Ihnen: Kommen Sie weg von Ihrer großstadtfokussierten Wohnungspolitik! Verschaffen Sie sich einen Überblick über den Leerstand, legen Sie ein Sanierungsprogramm auf, und machen Sie den ländlichen Raum infrastrukturell wieder attraktiv, damit die Leute aus den Städten wieder zurück aufs Land ziehen können! ({3}) Reduzieren Sie Ideologie statt Staatswirtschaft! Finden Sie stattdessen zurück zur sozialen Marktwirtschaft, und stärken Sie die Eigentumsrechte der Bürger! So schafft man nämlich ausreichenden und bezahlbaren Wohnraum. Ihr Haushalt geht aktuell am konkreten Bedarf und an den Zukunftsproblemen der Bürger vorbei. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Karoline Otte das Wort. ({0})

Karoline Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005172, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei diesen Haushaltverhandlungen konnten wir klarmachen, welchen Unterschied die Ampel macht. Wir gehen die großen Herausforderungen an. Große abstrakte Herausforderungen werden vor Ort in den Kommunen ganz konkret: in der Pandemie in den Gesundheitsämtern und Krankenhäusern, im Krieg Russlands gegen die Ukraine durch die Geflüchteten in den Gemeinden, in der Klimakrise durch überhitzte Städte und überflutete Siedlungen. Unsere Städte, Gemeinden und Landkreise machen einen Wahnsinnsjob, wenn sie an vorderster Front dafür sorgen, dass die Gesellschaft nicht an diesen Herausforderungen zerbricht. ({0}) Die Kommunen sind der Ort, an dem wir dafür sorgen müssen, dass Menschen dabei bleiben, sich nicht abkoppeln, sich nicht im Stich gelassen fühlen. Die Verantwortung, die Kommunen tragen, ist gigantisch, ihre Rolle bei allem, was wir hier in Berlin entscheiden können, zentral. Das bröckelnde Fundament der kommunalen Finanzen wieder auf stabile Füße zu stellen, das ist eine zentrale Zukunftsaufgabe. Mit dem Haushalt 2022 gehen wir einen Schritt in die richtige Richtung, um Kommunen finanziell besser auszustatten. Im Etat des Bauministeriums schaffen wir mehr als doppelt so viel Geld für kommunale Sanierungsprojekte. Es geht um 475 Millionen Euro mehr für Sporthallen, Jugendzentren und Schwimmbäder vor Ort. ({1}) Wir unterstützen Kommunen bei den zentralen Herausforderungen unserer Zeit über den gesamten Haushalt hinweg. Noch letztes Jahr wurde die Nationale Klimaschutzinitiative neu ausgerichtet – auch um den Bedürfnissen des kommunalen Klimaschutzes gerecht zu werden. Mit dem Haushalt 2022 sichern wir die Finanzierung der deutlich steigenden Nachfrage; denn Klimaschutz entscheidet sich vor Ort. Kommunen sind Teil der Transformation. Folgen von Transformationsprozessen sind vor Ort nicht immer leicht wegzustecken. Den Haushaltsansatz für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ haben wir deshalb im parlamentarischen Verfahren um 25 Millionen Euro erhöht. Die Gemeinschaftsaufgabe ist ein zentrales Instrument, um strukturschwache Regionen nachhaltig zu stärken. ({2}) Der Weg ist noch weit, bis wir Kommunen ihrer Rolle angemessen finanziell ausstatten. Aber mit dem Haushalt 2022 laufen wir in die richtige Richtung. Mit dem Haushalt 2023 müssen wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und noch größere Schritte wagen. Für die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist es entscheidend, dass wir die Altschuldenfrage lösen. Die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten braucht eine langfristige finanzielle Lösung. ({3}) Für den kommunalen Klimaschutz braucht es größere Lösungen. Hier müssen wir neue Wege zwischen Ländern und Bund finden. 100 Milliarden für die Bundeswehr mögen langfristig für mehr Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit sorgen. Es ist gut, dass wir das im Haushalt lösen, aber das darf nicht unsere Antwort auf „Zeitenwende“ bleiben. Die Menschen erwarten und brauchen mehr von uns. Dieses Mehr müssen wir im Haushalt 2023 finanzieren. Daher ist es jetzt Zeit, über Steuererhöhungen zu sprechen, damit alle einen fairen Beitrag leisten, um die Kosten der Krise zu schultern. ({4}) Um die großen Zukunftsinvestitionen zu leisten, ist auch eine Debatte über die Schuldenbremse für den Haushalt 2023 einfach notwendig. Alles andere wird der aktuellen Lage nicht gerecht. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Ulrich Lange das Wort. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob es historisch ist, lasse ich einmal offen. Aber wir freuen uns alle, dass wir heute nach circa 25 Jahren erstmals wieder einen Haushalt eines Bauministeriums beschließen. Ich sage aber auch ganz offen: Da ist auch Enttäuschung mit dabei: ein Ministerium mit mangelnder Kompetenz – BImA und KfW –, eine Ministerin mit mangelnder Durchsetzungsfähigkeit – BImA und KfW. Lieber Kollege Daldrup, bevor wir zur Legendenbildung über den sozialen Wohnungsbau kommen, helfe ich gern einmal nach: Seit wann ist sozialer Wohnungsbau wieder eine Bundesaufgabe? Seit wann sind wir verantwortlich? ({0}) Seit der letzten Periode. Also: Hier sind die Vorwürfe falsch. Wir und Horst Seehofer haben gehandelt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Und wer war der Finanzminister für das Bereitstellen der Mittel für den sozialen Wohnungsbau in der letzten Legislaturperiode? ({2}) Olaf Scholz hieß der Finanzminister, ({3}) und mehr Geld gab es halt vom heutigen Bundeskanzler nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun bin ich beim nächsten Thema, auch wenn es ein Dauerbrenner werden wird: Natürlich ist es schwieriger geworden, zu bauen. Die Zinsen und die Kosten für Material und Fachkräfte steigen. Aber wesentlich ist natürlich Ihr Förderchaos. Und wer hat nicht ausreichend Fördermittel zur Verfügung gestellt? Es war der Finanzminister der letzten Legislatur. Es war Olaf Scholz, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Das ist nun einmal die Wirklichkeit, mit der auch Sie sich, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, auseinandersetzen müssen. Dann würde ich doch einmal sagen: Frau Ministerin, machen Sie den Menschen nichts vor. 1,6 Millionen Wohnungen werden in dieser Legislatur nicht gebaut. Wir bedauern das. Aber man sollte ehrlich zu den Menschen sein, wenn man glaubwürdig Politik machen will, und hier sitzt noch jemand, der aus der letzten Periode ganz genau weiß, wie komplex es werden wird. Das ist auch eine Frage von Respekt, wie ich den Menschen gegenüber kommuniziere. Zur Wohnraumoffensive, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir haben in der letzten Periode mit mehr als 300 000 gebauten Wohnungen gezeigt, wie Wohnraumoffensive geht. ({5}) Daran müssen Sie sich in dieser Periode messen lassen. Und da werden Ihnen die Genossenschaftsanteile nichts nutzen. Schauen Sie doch einmal in Ihren Haushalt rein. Wie viel Geld steht da drin für die Genossenschaftsanteile? Das sind ein paar Hunderttausend Euro. Damit lösen Sie doch nichts. Das ist ein Mosaik. Aber erhöhen Sie nicht die Mittel für Mosaike und tun so, als ob Sie damit allgemeine Lösungen gefunden hätten. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Lange, ich habe die Uhr angehalten.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gut. Dann läuft sie weiter.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Damit man hier nicht wieder falsche Dinge sagt, möchte ich – auch das gehört dazu – auf Folgendes hinweisen: Für das Baukindergeld gab es 400 000 Anträge. 710 000 Kinder haben ein eigenes Dach über dem Kopf bekommen. Auch das ist echte Wohnraumförderung, auch das fördert Eigentum, auch das ist Familienpolitik, das ist Union, und das haben wir gemacht. ({0}) Die Neuauflage des Programms „Sanierung kommunaler Einrichtungen“ begrüßen wir. Die Haushaltstrickserei haben wir verstanden. Das Geld kommt jetzt aus dem EKF. Wo das Geld für den EKF herkommt, wird sich noch vor dem Bundesverfassungsgericht klären lassen. Dass Sie selber nicht an die Weichenstellungen der neuen Regierung glauben, zeigt Ihr Antrag im Haushaltsausschuss, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel. Ansonsten hätten Sie keinen Antrag gestellt, in dem Sie die Regierung auffordern, ein Programm zur Förderung des Erwerbs von Eigentum aufzulegen. ({1}) Sie müssen nicht die Regierung auffordern. Sie sind die die Regierung tragenden Fraktionen. Tun Sie es! Handeln Sie! Wir sind gespannt auf den Antrag und auf den Haushalt 2023. Danke schön. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Fricke das Wort.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Lange, vielleicht gehen Sie zum Thema Gewaltenteilung noch einmal in sich. Das wäre meine erste Bitte an Sie. Das ist die Aufgabe, die ein Parlament gegenüber der Regierung hat: Man fordert auf, und wenn die Regierung dann nicht reagiert, dann macht das Parlament, was notwendig ist. ({0}) Es ist schade, dass Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben; denn ich hatte einfach eine Wissensfrage. Ich höre den Reden aus der CDU/CSU seit heute Morgen zu und höre immer „mehr, mehr, mehr“; das mag auch berechtigt sein. Deswegen würde mich interessieren – bei all der Kritik hinsichtlich dessen, was wir nicht machen und was Sie mehr machen wollen –: Könnten Sie eine ungefähre Zahl nennen, was Ihnen an Millionen oder Milliarden in diesem Haushalt fehlt? Einfach dass ich es weiß. Dann kann ich das während der restlichen Woche berücksichtigen. ({1}) Mich interessiert: Wo fehlt es nach Ihrer Meinung bei den Zahlen? Vielleicht können Sie konkret oder auch grob eine Zahl nennen – ich will Sie dann auch nicht zu sehr beim Wort nehmen –, einen Betrag, der Ihnen fehlt?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Möchten Sie erwidern? – Dann haben Sie jetzt das Wort.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege Fricke, ich danke für den Hinweis auf die Gewaltenteilung. Ich glaube, wir verstehen beide, wie Gewaltenteilung funktioniert. Sie, die FDP, als Mitglied einer Rechtsstaatspartei wissen das in ganz besonderem Maße. Trotzdem ist es so: Politik und deren Umsetzung funktionieren, indem man als Koalition, die eine Regierung trägt, das umsetzt – Sie rühmen sich ja für Ihren Koalitionsvertrag –, ({0}) was man sich in einer Regierung vorgenommen hat. ({1}) Auch das gehört zum Verständnis einer parlamentarischen Demokratie. Genau das sind wir hier; dafür sind wir das Spiegelbild. Insofern, denke ich, haben wir diese Frage ausreichend geklärt. Zur Frage des „immer mehr“, lieber Kollege Fricke: Sie haben unsere Vorschläge auf dem Tisch. Wir haben über die Vorschläge zur Eigentumsförderung in der letzten Sitzungswoche diskutiert. Ich habe Ihnen ganz deutlich gesagt, dass wir es begrüßen, wenn man die kommunalen Einrichtungen wieder fördert. Ich sage Ihnen aber auch, dass wir natürlich ganz genau hinsehen, wie Sie das haushalterisch verbuchen. Danke schön. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat die Kollegin Isabel Cademartori für die SPD-Fraktion. ({0})

Isabel Cademartori Dujisin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005036, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon sehr viel über Zahlen gesprochen, was in einer Haushaltsdebatte auch nicht unüblich ist. Aber ich will den Blick darauf richten, dass, wenn wir über den Haushalt des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen debattieren, es eigentlich um viel mehr geht: Es geht um Orte, in denen Menschen leben. Es geht um Lebensqualität, um Zukunft und um Heimat. Gerade und besonders unsere Städte sind der Platz, an dem unsere Haushaltspolitik, über die wir heute debattieren, spür- und erlebbar wird. Städte und Kommunen spielen seit jeher eine entscheidende Rolle dabei, unser Gemeinwohl zu schützen und den Menschen in diesem Land Sicherheit und Identifikation zu geben. Sie sind Heimat und Anker. Sie stellen soziale Gerechtigkeit her und treiben die Transformation an. Zur Erfüllung dieser Aufgaben wird natürlich Geld benötigt, gut investiertes Geld. Sei es der fortschreitende Klimawandel, die Aufnahme von Geflüchteten, sei es der Umgang mit wirtschaftlichem Strukturwandel und Transformation, mit all diesen Herausforderungen müssen Städte und Kommunen fertigwerden. Wir als Bund lassen sie damit nicht allein. Der Bund wird auch in diesem Haushalt erhebliche finanzielle Mittel, nämlich 790 Millionen Euro, für die Städtebauförderung aufwenden. ({0}) – Das verdient auf jeden Fall Applaus. – Denn das Geld macht unsere Städte und Gemeinden zu lebenswerten Orten, an denen soziale Verankerung gelingt. Seit der sozialliberalen Koalition unter Willy Brandt, also seit mehr als 50 Jahren, gibt es bereits die Städtebauförderung, mit der die Bundesregierung die kommunale Stadtentwicklung unterstützt. Es ist quasi eine sozialliberale Erfolgsgeschichte, ({1}) die wir jetzt als Ampel fortschreiben, ({2}) und zwar nicht nur mit 790 Millionen Euro. Zusätzlich stellen wir noch 75 Millionen Euro für die neue Förderrunde des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“ bereit. ({3}) Ich finde, das ist ein starkes Signal an die Menschen in unserem Land, auch in einer Zeit, in der wir mit hohen Anforderungen an den Bundeshaushalt konfrontiert sind, in einer Zeit, in der zu Recht von Deutschland ein starkes internationales Engagement erwartet wird. Auch in dieser Zeit machen wir uns dafür stark, den Menschen dieses Landes eine lebenswerte Heimat zu schaffen und zu erhalten. Wir wollen gemeinwohlorientierte und gerechte Städte mit einem starken sozialen Zusammenhalt. Deswegen ist es unser Ziel, die Wohn- und Lebensqualität sowie die Nutzungsvielfalt in den Quartieren zu erhöhen, die Integration aller Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und den Zusammenhalt in unseren Nachbarschaften zu stärken. Dafür werden wir das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ als Nachfolgeprogramm des extrem erfolgreichen Programms „Soziale Stadt“ weiterfördern. Genau diesen sozialen Zusammenhalt zu stärken, ist auch das Ziel des KfW-Sonderprogramms für Flüchtlingsunterbringung, mit dem wir bereits vor Wochen auf die Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine nach Deutschland reagiert haben. ({4}) Gesellschaftlichen Zusammenhalt schafft man auch, indem man Orte fördert, an denen Menschen gemeinsam Sport machen, Kultur erleben oder einfach nur Feste feiern. Gerade in Coronazeiten haben wir gemerkt, wie schmerzhaft der Verlust dieser Begegnungsmöglichkeiten ist. Deshalb bin ich besonders froh, dass es gelungen ist, die doch stolze Summe von 476 Millionen Euro für die Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur bereitzustellen. ({5}) Es ist mir auch wichtig, hier besonders das Wort „Jugend“ zu unterstreichen. Unsere Jugend hat unter der Coronazeit besonders gelitten. Ihr wurden wertvolle Jahre und wichtige Erfahrungen genommen. Deshalb hat sie es verdient, dass wir für sie und künftige Generationen schöne Orte schaffen, in denen sie Sport treiben, Freunde treffen und auch feiern können. Junge Menschen sollen schließlich nicht ihre Jugend hier im Bundestag aufopfern müssen, sondern sie im Freibad verbringen oder im Sportverein. ({6}) Last, but not least sollen unsere Städte und Gemeinden grünere und nachhaltigere Orte werden. Ich komme aus Mannheim, einer der wärmsten Städte Deutschlands. Dort erlebe ich jeden Sommer die Notwendigkeit, in der Stadt Raum zum Atmen, zum Abkühlen und Schatten zu schaffen. Da dies in der Regel nur mit Steuergeld zu verwirklichen ist, bin ich sehr froh, dass es im Rahmen des Klimafonds gelungen ist, 176 Millionen Euro für die Anpassung urbaner Orte an den Klimawandel bereitzustellen. Wir werden auch die Raumordnung anfassen, um Platz zu schaffen für erneuerbare Energien. ({7}) Unsere Städte und Kommunen müssen angesichts zahlreicher gleichzeitiger Krisen noch resilienter und anpassungsfähiger werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin.

Isabel Cademartori Dujisin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005036, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Genau da setzen unsere Bundesprogramme zur Städtebauförderung an, um eine gerechte, nachhaltige und lebenswerte Heimat für uns alle zu schaffen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ganz froh, dass am Schluss der Debatte noch ein bisschen Schwung in das Ganze kommt. Wir wollen nicht nur über Zahlen reden, sondern wir sitzen hier als Baupolitiker zusammen. ({0}) Uns geht es darum, dass in unserem Land tatsächlich auch gebaut wird. Insofern hat die Ministerin völlig richtig gesagt, das Bauministerium sei, oder besser gesagt: sollte ein Investitionsministerium sein. Da stimmen wir voll und ganz zu. Nur muss man dann schauen: Was ist eigentlich der Anspruch, der von der Ministerin und im Koalitionsvertrag formuliert wird, und was ist die Wirklichkeit? Und da muss man sagen: Da klaffen Anspruch und Wirklichkeit ganz erheblich auseinander. Es ist ja hier schon angesprochen worden: Was war eine der ersten Maßnahmen dieser Ampelregierung? Sie hat ein beispielloses Chaos bei der KfW-Förderung angerichtet, das massiv Vertrauen zerstört hat und dazu geführt hat, dass vielen jungen Familien, vielen Bauherren die Finanzierung unter den Füßen weggezogen worden ist ({1}) und Zehntausende von Projekten nicht verwirklicht worden sind. Sie haben das Gegenteil von dem gemacht, was Sie heute hier vorgetragen haben. Das geht so nicht. ({2}) Das ist schon im Januar gewesen. Jetzt haben wir den 31. Mai, es ist also schon einige Monate später. Aber was ist seitdem passiert? Bis heute ist nicht klar, wie es mit der Förderung weitergeht. Wir haben momentan einen riesigen Attentismus. Projekte werden zurückgestellt. Der GdW hat gesagt, dass über 60 Prozent seiner Mitgliedsunternehmen ihre Projekte zurückstellen. Das sind Zehntausende von Wohnungen, die aktuell nicht realisiert werden, weil die Bauherren nicht wissen: In welche Richtung muss ich mein Projekt entwickeln? Welche Kriterien muss ich erfüllen, um in den Genuss einer Förderung zu kommen? – Da haben Sie bis heute keinerlei Klarheit geschaffen. Wir brauchen Investitionssicherheit, Planungssicherheit. ({3}) Sie haben das Förderprogramm so aufgesetzt, dass jetzt die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Das ist ja auch in Ordnung. Wir als Union sind gar nicht gegen ein QNG-Siegel. Aber wenn man fragt: „Wie viele Stellen gibt es eigentlich in Deutschland, die das zertifizieren können?“, dann erfährt man: Es gibt gar nicht viele. Sie haben an der Stelle einen riesigen Kapazitätsengpass. Selbst wenn es Leute gäbe, die so bauen wollten, könnten sie Ihre Vorgaben nicht erfüllen, weil nicht zertifiziert werden kann. Ich denke, Sie müssen Ihrem Anspruch Taten folgen lassen. Das ist uns zu wenig. Wenn wir schon über Ansprüche sprechen, füge ich für die Union hinzu: Wir haben im Rahmen der Haushaltsberatungen gehört, dass ein Konzept für die Eigentumsförderung vorgelegt werden soll. Das soll jetzt geplant werden. Es kommt aber erst irgendwann – im nächsten Jahr oder vielleicht auch nicht im nächsten Jahr. Wenn hier gesagt wird, dass jetzt ein Konzept erarbeitet werden soll, dann muss ich sagen: Es gibt doch diese Konzepte. Wir haben diese Konzepte doch. Wir reden doch heute nicht das erste Mal über Eigentumsförderung. Wir haben schon über das Baukindergeld gesprochen, das viele Zehntausende Familien in die eigenen vier Wände gebracht hat. Gerade die Schwellenhaushalte, die es so schwer haben, weil ihnen das Eigenkapital fehlt, haben wir mit dem Baukindergeld ertüchtigt, ihren Traum von den eigenen vier Wänden zu leben. Das haben wir gemacht. Sie hingegen treffen im Haushalt noch nicht einmal Vorsorge dafür, dass diejenigen, die einen Anspruch auf Baukindergeld haben, dieses Geld auch tatsächlich erhalten können. Es droht momentan ein weiterer Vertrauensbruch, weil das Baukindergeld nicht in Anspruch genommen werden kann. Es gibt weitere Konzepte – Sie haben das doch alles im Koalitionsvertrag formuliert –: Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, eigenkapitalersetzende Darlehen, Mietkaufmodelle, steuerliche Abschreibung. Da frage ich doch die FDP: Wo sind Sie denn? Haben Sie Ihre Durchsetzungskraft mit Corona verloren? Machen Sie doch mal diese Konzepte! ({4}) Man kann nur feststellen: Der Traum von den eigenen vier Wänden, den vier von fünf Deutschen leben wollen, hat für die Ampel offensichtlich keine Priorität. Das bedauern wir als Union ganz ausdrücklich. Herr Kollege Daldrup, weil Sie mich direkt adressiert haben, will ich noch einen Punkt ansprechen: die CO2-Kosten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Luczak, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Daldrup?

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gerne.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Luczak, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich würde ganz gerne von Ihnen wissen: Wie lange ist eigentlich diese Ampelkoalition jetzt in der Regierung, und was, glauben Sie, kann man in diesem Zeitraum vom Koalitionsvertrag alles realisieren? 80 Prozent, 90 Prozent oder 100 Prozent? Zweite Frage: Wenn Sie die Zertifizierung begrüßen, wie kann es dann sein, dass der fortschrittliche Horst Seehofer diese Zertifizierung nicht eingeführt hat? Offensichtlich haben CSU und CDU das nie gefordert, sodass das jetzt begonnen werden muss. Die dritte Frage: Wenn das Volumen des Förderprogramms KfW 55 von ursprünglich 5 Milliarden Euro auf 16 Milliarden Euro steigt und festgestellt werden muss, dass die klimapolitische Intention – Gott sei Dank – nicht mehr in dem Maße auschlaggebend ist wie im Anfang, das Programm also seinen Zweck erfüllt hat, wie hoch hätte dann Ihrer Meinung nach die zusätzliche, weiter gehende Förderung im Rahmen dieses Programms sein müssen, und welchen Deckungsvorschlag hätten Sie dafür gemacht? ({0})

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Daldrup, für die Zwischenfrage. – Zur ersten Frage nach der Dauer der Ampel kann ich sagen: Die Ampel ist viel zu lange in der Regierung, und wir arbeiten daran, dass sich das möglichst schnell ändert. ({0}) Was die Frage der Nachhaltigkeit und der Zertifizierung im Baubereich anbelangt, sage ich noch mal: Wir sind sehr dafür; natürlich muss man auch Programme fortentwickeln. Deswegen sagen wir als Union ja auch: Selbstverständlich kann man auch den Aspekt des CO2-Ausstoßes im Lebenszyklus bei Förderungen einbeziehen. Aber unser zentraler Kritikpunkt ist – den können Sie an der Stelle nicht entkräften –: Sie müssen den Menschen Planungssicherheit geben. Sie können doch nicht ein Programm abbrechen, ohne dass klar ist, was an dessen Stelle kommt. ({1}) Sonst passiert nämlich genau das, was jetzt passiert: Die Menschen bauen nicht, weil sie nicht wissen, wie sie bauen sollen. Am Ende geht es um Verlässlichkeit. Politik muss für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen, damit wir unsere Ziele erreichen können. Es geht um bezahlbares Bauen und Wohnen, und es geht um klimafreundliches Bauen und Wohnen. Wenn wir den Bauwilligen – den Investoren und den jungen Familien, die bauwillig sind – nicht klare Rahmenbedingungen vorgeben – und daran fehlt es bei der Ampel –, dann werden Sie Ihr Ziel – 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode – niemals erreichen. Da sind wir anderer Auffassung. Sie müssen die Planungssicherheit herstellen. Sie rühmen sich, jetzt in der Regierungsverantwortung zu sein. Dann regieren Sie aber auch, und gestalten Sie den Rahmen so, dass sich die Menschen darauf einstellen können! ({2}) – Ich bleibe gerne bei Ihnen, Herr Kollege Daldrup, weil Sie mich vorhin in Ihrer Rede bezüglich der CO2-Kosten direkt adressiert haben. Das Modell, das Sie hier vorschlagen, von dem Sie sagen: „Das ist so ein tolles Modell, das setzt auf Energieeffizienz“, dieses Modell ist eine Mogelpackung. Das ist eine Mogelpackung! ({3}) Es kommt bei Ihrem Modell ja überhaupt nicht darauf an, ob jemand in sein Gebäude investiert hat, um es energetisch zu modernisieren. Darauf kommt es bei Ihrem Modell nicht an, sondern Ihr Ansatz stellt allein auf die verbrauchsabhängigen Heizkosten ab. Danach wird ein Gebäude klassifiziert und aufgeteilt, wer welchen Anteil an den Kosten zu tragen hat. Da muss ich schon sagen: Die Frage, wie viel Brennstoff verbraucht wird, ist von ganz vielen Faktoren abhängig. Das hängt davon ab, wo ein Gebäude steht, in welcher Region es steht. Das hängt vor allen Dingen davon ab, wer in diesem Gebäude wohnt. Ihr Vorschlag, auf die verbrauchsabhängigen Heizkosten abzustellen, bedeutet am Ende, dass diejenigen Menschen, die einen hohen Heizenergieverbrauch haben – das sind ältere Menschen, das sind junge, kinderreiche Familien –, durchs Raster fallen, weil sich jeder Vermieter überlegen wird: Will ich die als Mieter haben oder nicht? Deswegen kann Ihr Modell keine Zukunft haben. Das ist eine falsche Steuerungswirkung. ({4}) Wir brauchen eine Lenkungswirkung bei den CO2-Kosten für beide Seiten, für Mieterinnen und Mieter, was das Nutzerverhalten anbelangt, aber eben auch Investitionsanreize. Deswegen brauchen wir ein abgestuftes Modell, kombiniert mit steuerlichen Förderungen. Dazu finden wir bei Ihnen überhaupt nichts. Da ist eine Leerstelle

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Luczak, das müssen Sie mit dem Kollegen Daldrup an anderer Stelle klären. Sie müssen den Punkt setzen.

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das mache ich sehr gerne. Wir haben an vielen Stellen noch Gelegenheit dazu. Wir brauchen eine Zeitenwende, eine gemeinsame Kraftanstrengung. Dieser Haushalt ist keine Kraftanstrengung, sondern insgesamt eine Mogelpackung, viel zu wenig eigene Akzente. Deswegen werden wir ihn so auch nicht mittragen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Brian Nickholz. ({0})

Brian Nickholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Geywitz! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir können hier natürlich noch viel Vergangenheitsbewältigung der Union betreiben, aber dafür bleibt nicht die Zeit. ({0}) Sonst hätte ich gerne danach gefragt, wie die letzte Bundeskanzlerin hieß. Und vielleicht nutzen Sie mal die Gelegenheit, mit Herrn Altmaier darüber zu sprechen, warum es so ein KfW-Chaos gab. Das wäre ehrlich. ({1}) Ehrlich war auch Ihre Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Daldrup, als Sie gesagt haben, Sie machen nicht Politik für die Menschen, sondern um die Ampel abzuwählen. Wir machen Politik für die Menschen, und deswegen möchte ich zu meinem eigentlichen Thema kommen: Wohnungslosigkeit ist nicht gleich Obdachlosigkeit. Es ist mir wichtig, das hier einmal klar anzusprechen; denn vielfach wird dies gleichgesetzt. Doch von den schätzungsweise 256 000 Wohnungslosen in Deutschland sind rund 45 000 Menschen obdachlos. Um all diese Menschen müssen wir uns kümmern, wenn wir über das Thema Wohnen sprechen. ({2}) Wohnen muss bezahlbar sein. Wie sehr dieser einfache Satz das Leben dominieren kann, habe ich aus Gesprächen in meiner Heimat erfahren. Deswegen möchte ich einen kurzen Blick auf eine Geschichte werfen, die mir zugetragen wurde: Es geht dabei um einen Menschen, der wohnungslos und dann obdachlos geworden ist, durch mehrere Schicksalsschläge in eine Lebenskrise gestürzt ist, Suchtprobleme hatte. Es kam zum Arbeitsplatzverlust, zur Entfremdung des privaten Umfeldes, zu einem Beziehungsende. Er ist jetzt durch eine Einrichtung der Diakonie erstmals wieder in einen eigenen Raum gekommen. Er hat jetzt die Perspektive auf eigenen Wohnraum und wird dabei begleitet. Auch um diese Menschen geht es, wenn wir ambitionierte Ziele setzen, insbesondere beim Thema Wohnen. ({3}) Denn unsere Ziele und Meilensteine sind nur so viel wert, wie sie auch dem ärmsten Teil der Bevölkerung zugutekommen. Umso wichtiger ist es, dass wir dieses Jahr zum ersten Mal eine belastbare Statistik bekommen, um Wohnungslosigkeit zu messen. Das ist ein erster Meilenstein, um in den kommenden Jahren gezielte Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Ich bin mir dessen bewusst, dass wir uns das Ziel gegeben haben, bis 2030 die Wohnungslosigkeit zu überwinden. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Herausforderung. Aber wir können das schaffen, indem wir auch die Wohnungswirtschaft stärker in die Verantwortung nehmen. Gleichzeitig müssen wir die Institutionen und Akteure mehr unterstützen, die sich jeden Tag mit voller Kraft den wohnungslosen Menschen in unserem Land widmen. ({5}) Aus meinem Austausch mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe nehme ich mit: An Wissen und innovativen Ideen mangelt es nicht. Einen zentralen Baustein stellt zu diesem Zweck der angekündigte Nationale Aktionsplan Wohnungslosigkeit dar. Unsere Ministerin wird damit einen effektiven Weg aufzeigen, wie wir bis 2030 die Wohnungslosigkeit überwinden werden. Ich freue mich zudem sehr, dass die Ministerin bereits für den Haushalt 2023 Mittel für den Aktionsplan in Aussicht gestellt hat. Das Menschenrecht Wohnen bedarf unserer gebündelten Aufmerksamkeit. Ich danke unserem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ausdrücklich, dass er das Thema aufgegriffen hat. Mit seinem Engagement leistet er einen wichtigen Beitrag. ({6}) Wichtig ist – was ich schon eingangs sagte –: Ein ambitioniertes Wohnungsbauprogramm, wie wir es vorsehen, wird sich am Ende auch daran messen lassen müssen, ob es uns gelungen ist, Wohnungslose mitgenommen zu haben. Daran gemeinsam zu arbeiten, ist meine Motivation. Mit dem Einzelplan und dem Bauministerium haben wir dafür den Grundstein gelegt. Nun lassen Sie uns gemeinsam das Haus weiterbauen für alle Menschen in Deutschland. Herzlichen Dank. ({7})

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In meiner Brust schlagen seit Kurzem zwei Herzen. Ich bin zum einen seit meinem Einzug in den Bundestag im Jahr 2005 Familienpolitiker mit Leib und Seele und darf zum anderen seit Kurzem auch den Haushalt des Ministeriums begleiten. Diese Verantwortung beinhaltet immer auch einen Spagat von inhaltlich gut und richtig auf der einen Seite und solide finanziert auf der anderen Seite. Daran müssen Sie sich, daran muss sich auch dieser Haushalt messen lassen. Wenn ich mir nun diesen Haushalt ansehe, dann kommt es bei beiden Herzen zu einer Rhythmusstörung. Soll das der künftige Weg sein, den Sie für die Familien, Frauen, Senioren und die Jugend in unserem Lande gehen wollen? Wir als Union haben uns in der letzten Wahlperiode mit Unterstützung der SPD in der ganzen Bandbreite für die Menschen dieses Landes eingesetzt: von der finanziellen Förderung von Familien, der Unterstützung bei der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Förderung von fairen Chancen von Frauen und Männern, dem Schutz und der Verbesserung von Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen über die Unterstützung älterer Menschen für ein aktives Leben bis hin zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Das hätte die Ampel als Blaupause nehmen sollen. ({0}) Schaut man sich aber an, was bisher an Gesetzentwürfen aus dem Ministerium gekommen ist, dann scheint es so, als läge das Haus noch immer im Dornröschenschlaf. Die Realisten unter uns würden sagen: Okay, besser wenig machen als zu viel Falsches. – Aber wie stärken wir unsere Familien? Was tun wir, um die Chancen unserer Kinder zu verbessern? Wo entlasten wir Familien oder Alleinerziehende? Davon sehe ich im Familienetat leider viel zu wenig, und das kritisieren wir von der CDU/CSU völlig zu Recht. Daher haben wir als Unionsfraktion in den Haushaltsberatungen beispielsweise eine deutliche Beschleunigung des Kinderbetreuungsausbaus gefordert sowie eine Aufstockung der Mittel für Sprach-Kitas. Sie alle wissen, dass Spracherwerb der Schlüssel für die Integration in das gesellschaftliche Leben und der Grundstein für den späteren Erfolg in Bildung und Beruf ist. Fehlende sprachliche Kompetenzen bei Kindern beeinträchtigen den weiteren Bildungsweg und die Integration erheblich. Wir könnten hier so viel mehr für die ukrainischen Kinder tun, die zu uns geflüchtet sind. ({1}) Weiterhin fordern wir, dass die Mittel für die „Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher“ aufgestockt werden. Gute Fachkräfte sind der Dreh- und Angelpunkt der frühen Bildung und Integration. Das ist eine Notwendigkeit, vor der man nicht die Augen verschließen darf. Zusätzlich gibt es einen immensen Bedarf, derzeit offene Stellen zu besetzen. Diesen Umstand hätten Sie berücksichtigen müssen. Neben anderen Maßnahmen verliert die Union aber auch gemeinnützige Träger wie Schullandheime nicht aus dem Blick, die in der Jugendbildung eine wichtige Rolle spielen. Durch die Pandemie sind deren Reserven aufgebraucht. Sie benötigen daher weitere Unterstützung. Dafür hat sich die Union in den Beratungen ebenfalls eingesetzt. Die Ampel ignoriert den Bedarf. ({2}) Weiterhin haben wir zusätzliche Mittel für die Stiftung Frühe Hilfen gefordert. Frühe Hilfen stellen niedrigschwellige und freiwillige Angebote für werdende Eltern und Familien mit kleinen Kindern bis zum Alter von drei Jahren in belastenden Lebenslagen dar. Wir können hier rechtzeitig etwas für die Schwächsten in unserer Gesellschaft tun und helfen gleichzeitig Eltern, wenn zum Beispiel eine Überforderung eingetreten ist oder sich ankündigt. Stärkung und Ausbau bei der Kinderbetreuung, Familien helfen und Alleinerziehende entlasten: In all diesen Punkten hätte ich von Ihnen deutlich mehr erwartet. ({3}) Stattdessen hören und lesen wir alle Tage etwas über das Demokratiefördergesetz, das noch dieses Jahr kommen soll. Meinen Sie ernsthaft, Sie setzen damit die richtigen Schwerpunkte? Ich appelliere deshalb besonders an die Kolleginnen und Kollegen der FDP: Es kann nicht Aufgabe des Staates oder der Sinn von Familienpolitik sein, NGOs flächendeckend und dauerhaft als gesetzliche Leistung zu finanzieren. Schauen Sie da bitte noch mal genau hin! ({4}) In der Vorbereitung haben Sie vom ersten zum zweiten Regierungsentwurf die Mittel für das Programm „Demokratie leben!“ bereits kräftig erhöht, ungeachtet der Tatsache, dass die Mittel bisher nur sehr zögerlich abgerufen worden sind. Das Geld hätte man anders definitiv sinnvoller und besser investieren können. Ohne Frage, jede Form von Extremismus, ob er von links kommt, religiös motiviert ist oder von rechts kommt, ist verabscheuungswürdig. Da stimmen Sie mir sicher zu. Aber dennoch muss bei einem entsprechenden Programm nicht nur darauf geachtet werden, dass die Programmbeschreibung wohlklingend formuliert ist, sondern auch darauf, dass gegen die Feinde unserer Demokratie ausgewogen – anstatt wie jetzt eher einseitig – Maßnahmen ergriffen werden. ({5}) Zusammengefasst: Sie haben die wichtigsten Kernthemen nicht genug im Blick. Andere Gruppen, wie zum Beispiel die Seniorinnen und Senioren dieses Landes, vergessen Sie fast ganz. Denken Sie an die 300 Euro im Energieentlastungspaket, die sie nicht bekommen! Bitte in Zukunft auch auf die Senioren schauen! Auch die haben Hilfe verdient. ({6}) Stattdessen versuchen Sie, andere Bereiche in den schon jetzt sehr großen Block der gesetzlichen Leistungen zu überführen, und erhöhen gleichzeitig noch zusätzlich die Zahl der Planstellen des Ministeriums. Um sage und schreibe 90,5 Stellen wurde die Zahl der Planstellen des Ministeriums erhöht. Frau Paus, viel Spaß mit Ihren neuen Mitarbeitern! Das ist weder gute Familien- noch solide Haushaltspolitik und wird unseren Ansprüchen schlichtweg nicht gerecht. Deshalb: Schauen Sie sich das noch mal an! Und wie schon gesagt: Alles Gute Ihnen und den Kolleginnen und Kollegen. Danke. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Bruno Hönel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! John Lennon sagte einst: Leben ist das, was passiert, während wir andere Pläne schmieden. – Wir können die schönsten Pläne für den Haushalt machen; aber sie müssen in einem anderen Licht betrachtet werden, wenn ein autokratischer Herrscher sein Nachbarland überfällt und Millionen Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingt. Selbstverständlich muss eine Bundesregierung darauf adäquat reagieren, und zwar auf allen Ebenen und in allen politischen Bereichen. Genau das tut diese Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Verantwortung, die wir gemeinsam für die Ukraine haben, durchzieht den gesamten Bundeshaushalt bis in den letzten Haushaltstitel, und das ist richtig und wichtig. ({0}) Die Aufgabe des BMFSFJ war und ist es nun, denjenigen zur Seite zu stehen, die alles verloren haben, die ihre Schulkameradinnen und Schulkameraden, ihr Kinderzimmer und, ja, einen Teil ihrer Kindheit oder Jugend verloren haben. Sie kommen in einem Land an, dessen Sprache sie nicht sprechen. Sie haben Bomben über ihr Zuhause fallen und Menschen sterben sehen. Ich möchte hier auch noch mal ausdrücklich die Chance nutzen und allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland für ihr Engagement in den letzten Monaten danken. Danke, dass Sie Ihre Türen für Menschen in Not geöffnet haben. Danke, dass Sie Geld, Kleidung, Nahrungsmittel gespendet haben. Ich freue mich, dass ich in einem Land lebe, dessen Bürger/-innen so warmherzig, so weltoffen und so hilfsbereit sind. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt unsere Pflicht als Bundesregierung, in Zusammenarbeit mit den Ländern dafür zu sorgen, dass den Menschen, die bei uns unterkommen, eine echte Chance auf einen Neustart geboten wird. Da sind eben auch die Länder in der Pflicht, mehr zu tun als bisher. Wir haben als Grüne das BMFSFJ in diesen Zeiten mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet. Wir wissen: Wir können nicht gegen die Krise ansparen; wir brauchen eine aktive Haushaltspolitik – und das jetzt eben auch in den Ländern. ({2}) Wir haben den Kinder- und Jugendplan im Vergleich zu 2021 um rund 66 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro aufgestockt. Dabei haben wir ein besonderes Augenmerk auf Kinder und Frauen gelegt. Es gibt zusätzliche Mittel für schwangere Frauen in Not, und es wird eine Koordinierungsstelle für Waisenkinder geben; denn es gehört eben auch zu den Schrecken des Krieges, dass gerade die Schutzbedürftigsten am frühesten und am stärksten leiden. Daher ist diese Koordinierungsstelle so wichtig, gerade um schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass den Kindern das Ankommen und Weiterleben hier bei uns überhaupt ermöglicht werden kann. Genau das stellen wir über diesen Einzelplan 17 sicher, und das sollte nicht untergehen. ({3}) Wir haben im parlamentarischen Verfahren noch einiges erreicht: 8 Millionen Euro mehr für die Jugendmigrationsdienste, 3 Millionen Euro mehr für die Jugendverbandsarbeit und damit für gerechte Teilhabe Jugendlicher an der Gesellschaft. Die Respekt Coaches, die an Schulen zu den Themen „Demokratieverständnis“, „Toleranz“ und „Extremismusprävention“ arbeiten, fördern wir mit 15 Millionen Euro zusätzlich. Und auch für die psychosoziale Beratung, die psychosozialen Zentren – ein Bereich, der in den letzten Jahren massiv vernachlässigt wurde –, stellen wir jetzt die notwendigen Haushaltsmittel bereit. Das alles sind wichtige Haushaltsposten, die langfristig wirken und so manche Altlast beseitigen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich ist auch eine andere Krise in unserem Bewusstsein, die über diesen Einzelplan adressiert werden muss. Die Folgen der Coronapandemie sind eben noch längst nicht überstanden. Kinder und Jugendliche mussten in den letzten zwei Jahren besonders unter den Einschränkungen leiden. Das BMFSFJ stellt daher 272 Millionen Euro zur Bewältigung der Folgen der Coronapandemie im familiären Bereich zur Verfügung. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes Investitionen in unsere Zukunft. Natürlich werden bei Haushaltsverhandlungen auch die verschiedenen Prioritäten der einzelnen Koalitionspartner/-innen deutlich; das ist selbstverständlich. Ich möchte hier nicht verhehlen, dass wir uns als Grüne mehr Unterstützung auch aus dem Finanzministerium gewünscht hätten, vor allem mit Blick auf die Finanzplanung. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist eines der wichtigsten Ziele unserer Politik, und das Fundament dafür legt eben das Familienministerium. Unsere Demokratie und das friedliche Zusammenleben aller hier lebenden Menschen müssen unbedingt geschützt und, ja, auch gefördert werden. Das klappt aber eben nicht mit Lippenbekenntnissen; dafür müssen Förderprogramme finanziell auch langfristig gut ausgestattet sein. ({5}) Kinder, Jugend, Familie und gesundes Altern sind nicht nachrangig. Das ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält, und deswegen müssen wir alle die Familienpolitik zu unserer gemeinsamen haushaltspolitischen Priorität machen. Das geht vor allem auch an den Finanzminister. ({6}) Zum Abschluss möchte ich noch einmal darauf hinweisen, was es haushalterisch dann eben doch für einen Unterschied gibt zwischen der Vorgängerregierung mit der Union und der jetzigen Regierung ohne die Union. Seit Jahren sind Demokratieförderprogramme unterfinanziert; das wissen Sie. Dass Sie gerade jetzt im parlamentarischen Verfahren Programme wie „Menschen stärken Menschen“ oder „Demokratie leben!“ kürzen wollen, ist nicht zu verstehen ({7}) und macht deutlich, dass Sie nicht verstanden haben, welche Bedeutung Maßnahmen der Extremismusprävention und der Demokratieförderung für unseren Zusammenhalt in der Gesellschaft haben. ({8}) Nein, liebe Union, wir nehmen die Förderung einer lebenswerten Gesellschaft der Vielen sehr, sehr ernst, und die Menschen in Deutschland können sich darauf verlassen, dass wir als Ampelkoalition und wir als Grüne konsequent dafür arbeiten und dafür kämpfen, dass Kinder gerechte Chancen haben, dass sie keine Armut erleben müssen und dass sie diskriminierungsfrei aufwachsen können. Herzlichen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing für die AfD-Fraktion. ({0})

Ulrike Schielke-Ziesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004873, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle hier fraktionsübergreifend einig, dass die Familie das A und O unserer Gesellschaft ist. Und obwohl uns diese Einschätzung eint, zeigt Ihre konkrete Politik, etwa wenn es um das Finanzielle geht, sehr schnell, dass es fundamentale Unterschiede zwischen dem Gesagten und dem Konkreten gibt. Ich habe das bereits bei der ersten Lesung gesagt, und ich sage es noch einmal: 600 Millionen Euro weniger für den Familienetat sind angesichts der Lage, in der wir uns derzeit befinden, ein fatales Signal, ({0}) gerade jetzt, inmitten der größten Inflation seit Jahrzehnten und nach zwei Jahren Pandemie. Mir scheint es, als ob bei der rot-grünen Ampel die Verbindung zur Realität vollkommen abhandengekommen ist; anders kann ich mir diesen Haushalt nicht erklären. Meine Fraktion und ich können uns auch nicht erklären, wieso Sie Ausgaben für völlig ideologische Projekte erhöhen, aber gleichzeitig bei wichtigen Ausgaben plötzlich sparsam unterwegs sind. Es sollte gerade andersherum laufen. Wir sind in einer Krise; es ist an der Zeit, die Prioritäten anders zu setzen. ({1}) Lassen Sie es mich einmal mit konkreten Beispielen anschaulich machen. Unter dem berühmten Titel „Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ findet man Projekte wie „Mehr Chancenpatenschaften“, „Impulspatenschaften“, „Vitamin P – Chancenpatenschaften im Übergang zwischen Schule und Beruf“, „RESET: Neue Strategische Kommunikation zur Neusetzung des Islam-Narrativs in Deutschland“ usw. Insgesamt sind es mehrere Hundert Projekte, dotiert mit mehreren 100 Millionen Euro. ({2}) Fast alle dieser Projekte haben eine nahezu identische Beschreibung. Das heißt: Hat man eine gelesen, hat man fast alle gesehen. Das Prinzip ist ganz einfach: eine schöne, bunte Internetseite mit vielen Stockfotos erstellen, eine Broschüre mit vielen Buzzwörtern wie „Netzwerk“, „Koordinierung“, „Engagement“ und „Brückenbauen“ schreiben, ({3}) dabei ganz, ganz viel gendern, und, voilà, Sie haben sich für die Förderung qualifiziert. Ob es einen Mehrwert gibt – egal. Dazwischen finden sich dann auch dubiose Stiftungen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung mit einem Jahresbudget von mittlerweile 5 Millionen Euro, die sich offensichtlich im Selbstbedienungsladen des Familienministeriums sehr gut auskennen. ({4}) Diese Strukturen werden Jahr für Jahr mit immer mehr Geld freudig finanziert. Ähnlich läuft das auch unter anderen Titeln wie etwa bei der Qualifizierungsoffensive. Da heißen „Patenschaften“ eben „Respekt Coaches“. 23 Millionen werden da für Fachkräfte der Jugendmigrationsdienste ausgegeben, ({5}) die das machen, was die eigentliche Aufgabe von Lehrern und Eltern ist. ({6}) Respekt und Toleranz sind nicht etwas, wofür wir noch zusätzliche und neue staatliche Strukturen brauchen, ({7}) zumal darunter ganz viel Indoktrinierung über Gender, weiße Privilegien oder Ähnliches getätigt wird. ({8}) Nebenbei bemerkt: All das soll dann an kaputtgesparten Schulen stattfinden. – Finde den Fehler! Verstehen Sie mich nicht falsch: Eine lebhafte Zivilgesellschaft ist durchaus erstrebenswert. Nur, das Ausmaß, das diese sogenannten NGOs mittlerweile einnehmen, die Einseitigkeit dieser Projekte und die vollkommene Kontrolllosigkeit sprengen jeglichen Rahmen. ({9}) Da wäre ein erhebliches Einsparpotenzial vorhanden. Das haben wir als AfD gefordert – leider vergebens. Was machen Sie? Sie geben dort noch mehr Geld aus. Das ist Klientelpolitik und nicht Politik für die Familien in unserem Land. ({10}) Auch bei der Förderung der – Achtung! – nicht parteipolitischen Aufgaben der Jugendorganisationen politischer Parteien legen Sie nach. Das heißt, Linksjugend, Grüne Jugend, Jusos und Co bekommen Steuergeld für ihre nicht parteipolitische Arbeit. Ein Unwort in sich! Anstatt das Geld zu streichen, wie wir vorgeschlagen haben, haben Sie die Gelder dafür sogar verdoppelt: Zack – 4 Millionen weg! Sie geben Ihren eigenen Jugendorganisationen Steuergeld, ({11}) und die Familien sollen in die Röhre gucken. Unfassbar! ({12}) Wo wir als AfD das Geld besser angelegt sehen, ist etwa bei den Zuschüssen für die Instandhaltung von Familienferienstätten, beim Deutschen Müttergenesungswerk, bei den Unterstützungsleistungen bei ungewollter Kinderlosigkeit oder für den Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt. Insgesamt 50 Millionen mehr! Das sind buchstäblich greifbare Maßnahmen und nicht irgendwelche ideologischen Papierprojekte. Das würde beim Bürger tatsächlich ankommen. ({13}) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir haben Ihnen als Opposition aufgezeigt, wo wir Geld sparen können und wo wir es dagegen viel besser investiert sehen. Den von Ihnen vorgeschlagenen Haushalt für das Familienministerium können wir in dieser Form nicht mittragen und werden ihn ablehnen. Einen Satz muss ich zum Schluss noch zu dem Umgang mit dem sogenannten Ergänzungshaushalt verlieren. Obwohl vielfach versprochen – auch von Ihnen persönlich, Frau Ministerin –: Über die genaue Ausgestaltung der zusätzlichen Mittelzuwendung stochern wir immer noch im Nebel. Diese Pauschalbuchung im Einzelplan 60 ist alles andere als transparent. So geht man mit dem Haushaltsgesetzgeber nicht um. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Elisabeth Kaiser hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Elisabeth Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute abschließend den Bundeshaushalt für Familien, Frauen, Senioren und Jugend für das Jahr 2022. Es ist ein Jahr, das immer noch von der Coronapandemie geprägt ist und von ihren Folgen für unsere Gesellschaft, ein Jahr, in dem seit Februar, seit über drei Monaten, Krieg in Europa herrscht und die Inflation die Sorgenfalten in den Gesichtern der Mitbürgerinnen und Mitbürger größer werden lässt. Der Angriff der russischen Regierung auf die Ukraine hat die Welt, hat uns alle fassungslos gemacht. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer, von ganz klein bis ins hohe Alter, waren und sind gezwungen, ihr Land Hals über Kopf zu verlassen, um in anderen Ländern Schutz und Sicherheit zu suchen. Es kommt nun darauf an, dass wir hier im Parlament die Entscheidungen treffen, um für diese aktuellen und künftigen Herausforderungen gut aufgestellt zu sein. Als Koalition setzen wir Schwerpunkte für eine starke Politik für Familien, Kinder, Jugendliche und ältere Menschen. Wir investieren in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, indem wir eine engagierte und vielfältige Zivilgesellschaft fördern. Und wir kümmern uns um Menschen, die vor dem Krieg zu uns geflüchtet sind und hier Schutz und Perspektive suchen. ({0}) Ich möchte im Folgenden erläutern, wo sich diese Schwerpunkte im Haushalt konkret widerfinden und was wir im parlamentarischen Verfahren noch an Verbesserungen herbeiführen konnten. Mit Blick auf die Coronapandemie ist festzustellen, dass in diesem Jahr allein 272 Millionen Euro zur Verfügung stehen, um ihre Folgen für Kinder und Jugendliche abzufedern. Den Etat für den Kinder- und Jugendplan, das zentrale Förderinstrument des Bundes in der Kinder- und Jugendhilfe, haben wir durch die parlamentarischen Beratungen insgesamt um 28,1 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf erhöhen können. ({1}) Damit stärken wir zum Beispiel die Jugendverbandsarbeit; denn sie trägt dazu bei, dass junge Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, die Möglichkeit erhalten, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten zu entwickeln. Persönlich freue ich mich sehr über den Verhandlungserfolg im Bereich der kulturellen Jugendbildung. Die Musikakademie Rheinsberg ist seit 2001 die erste und einzige Bundesakademie für junges Musiktheater mit Sitz in Ostdeutschland. Sie erhält nun auch mehr Mittel. ({2}) Mit zusätzlichen 35 Millionen Euro aus dem Ergänzungshaushalt verstärken wir gezielt auch Maßnahmen, mit denen wir vor allen Dingen Frauen und Kindern sowie traumatisierten Menschen helfen, die vor dem Krieg in der Ukraine hierher fliehen mussten. Wichtig ist aber nun, dass die Hilfen schnell und zielgerichtet dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Die Bundesstiftung Mutter und Kind beispielsweise bietet wertvolle und unbürokratische Hilfen für Schwangere in schwierigen persönlichen Situationen und Notlagen. Sie stärken wir mit zusätzlichen Mitteln von insgesamt 5,5 Millionen Euro. Lieber Herr Lehrieder, auch die Bundesstiftung Frühe Hilfen erhält zusätzliche Mittel. Darüber können Familien, Säuglinge und Kleinkinder psychosoziale Unterstützung erhalten. ({3}) Wichtig war uns im parlamentarischen Verfahren auch, gerade die Jugendmigrationsdienste besser auszustatten; denn diese rund 490 Dienste unterstützen bereits bundesweit junge Menschen mit Fluchterfahrung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung durch Beratung und enge Begleitung bezüglich aller Fragen rund um ihre Integration. Wir wollen damit zu mehr Chancengerechtigkeit für diese Kinder und Jugendlichen beitragen. ({4}) Im engen Zusammenhang dazu stehen auch die „Respekt Coaches“. Die Coaches sind pädagogische Fachkräfte, die Schülerinnen und Schülern dabei helfen, den Wert einer vielfältigen Gesellschaft zu erfahren. Sie unterstützen die jungen Menschen dabei, den eigenen Blickwinkel zu erweitern und beugen damit auch dem Entstehen von Vorurteilen vor. Leider waren die dafür vorgesehenen Mittel noch nicht im Regierungsentwurf abgebildet. Aber es ist gelungen, diese wichtige Arbeit abzusichern und Planungssicherheit zu geben. An dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich noch die Bedeutung von Demokratieförderung deutlich hervorheben. Ich glaube, das ist auch nach der letzten Rede sehr notwendig. ({5}) Um die Akteure der Zivilgesellschaft in ihrem wichtigen und oft nicht ungefährlichen Engagement für eine lebendige und wehrhafte Demokratie zu unterstützen, ist es wichtig und richtig, dass diese Koalition hier einen Schwerpunkt setzt. Das zeigt sich unter anderem auch bei den gestiegenen Mitteln für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“. ({6}) Um Demokratieförderung aber effektiv zu gestalten, ist es nicht nur wichtig, sie finanziell gut abzusichern, sondern auch, darauf zu achten, welche Ideologien und Entwicklungen unsere freiheitliche und vielfältige Demokratie gefährden. ({7}) Rassismus gehört dazu. Die Bekämpfung von Rassismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine besondere Rolle kommt dabei dem 2017 gegründeten Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung, dem DeZIM, zu. Mit dem Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor, NaDiRa genannt, untersucht das DeZIM Ursachen, Ausmaß und Folgen von Rassismus in Deutschland. Ziel ist es, Entwicklungen und Trends in Bezug auf Rassismus zu erfassen und daraus wiederum Impulse für Demokratieförderung und andere politische Handlungsfelder zu geben. ({8}) Ich bin sehr froh, dass wir die wichtige Forschungsarbeit mit zusätzlichen 4,8 Millionen absichern konnten. ({9}) Demokratie lebt aber natürlich auch von bürgerschaftlichem Engagement. Deshalb ist es gut, dass wir als Koalition die Freiwilligendienste in den kommenden Jahren bedarfsgerecht weiter fördern wollen und die Mittel für das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“ erhöhen. All diese Maßnahmen sind so wichtig für ein gutes Miteinander und stärken den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Lassen Sie mich abschließend noch einen Blick auf einen Bereich der Seniorenpolitik lenken. Mit zusätzlichen Mitteln sichern wir das Modellprojekt „Zukunftswerkstatt Kommunen – Attraktiv im Wandel“ ab. Hier geht es darum, Regionen abseits der Großstädte mittels einer Demografiestrategie für ältere Menschen attraktiv zu halten und ihre Teilhabe weiter zu fördern. Ich muss sagen: Als Abgeordnete aus Thüringen weiß ich, wie wichtig diese Projekte sind. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, dass wir den Regierungsentwurf an der einen oder anderen Stelle noch verbessern konnten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch sehr herzlich bei meinen Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums für die gute Zusammenarbeit bedanken. Wichtig finde ich jetzt vor allen Dingen, dass die nun gesetzten Schwerpunkte in den kommenden Jahren fortgesetzt werden und wir gleichzeitig wichtige Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag angehen können. Als Stichworte nenne ich die Kindergrundsicherung und das Qualitätssicherungsgesetz. Da ist jeder Euro sehr gut angelegt. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Die Linke hat das Wort die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter dem furchtbaren Krieg Russlands gegen die Ukraine leiden vor allem Kinder, Frauen und alte Menschen. ({0}) Sie leiden in der Ukraine, aber auch in vielen anderen armen Ländern der Welt und sogar in unserem reichen Land. Darum ist unsere klare Forderung: Dieser Krieg muss sofort beendet werden. Als ersten Schritt brauchen wir einen sofortigen Waffenstillstand. Dafür muss sich die Bundesregierung einsetzen, meine Damen und Herren. ({1}) In den Medien wird jeden Tag hartnäckig nachgefragt, wann die Bundesregierung denn endlich noch mehr Waffen in das Kriegsgebiet liefern werde. Ich sage Ihnen aber: Viel zu selten höre ich die Frage, wann die Bundesregierung endlich wirksam etwas gegen Armut und Hunger tut. Dagegen tut die Bundesregierung viel zu wenig, und das muss sich ändern. ({2}) Jedes fünfte Kind in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Das ist beschämend. Die galoppierende Inflation betrifft Alleinerziehende und Paare mit Kindern, die nur ein geringes oder mittleres Einkommen haben, besonders hart. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat nachgewiesen: Die Bundesregierung entlastet Alleinerziehende nur unzureichend. In den ersten vier Monaten dieses Jahres haben die Preissteigerungen schon mehr als die Hälfte der versprochenen Entlastungen verschlungen. Und Alleinlebende mit niedriger Rente sind auf jeden Fall im Minus. Die Menschen müssen jetzt sofort und konkret entlastet werden, meine Damen und Herren. ({3}) Frau Paus, wenn ich dem „Handelsblatt“ entnehme, dass Sie erst im Jahr 2025, also am Ende der regulären Regierungszeit, ein Gesetz für eine Kindergrundsicherung vorlegen wollen, dann sage ich Ihnen: Das ist deutlich zu spät. ({4}) Warum, frage ich Sie, kann diese Regierung in ein paar Wochen ein „Sondervermögen Bundeswehr“ von 100 Milliarden Euro aus dem Boden stampfen, aber schafft es nicht, innerhalb eines Jahres ein Gesetz für eine Kindergrundsicherung zu verabschieden? Das ist doch ein Widerspruch. Das nehmen wir nicht hin. ({5}) Meine Damen und Herren, mit dieser Kindergrundsicherung müssen wir dafür sorgen, dass arme Kinder wirklich eine Verbesserung erleben. Die bisherigen Modelle schaffen das leider noch nicht. Bis zur Einführung der Kindergrundsicherung wollen Sie von der Regierung die Kinder mit Almosen abspeisen. Dabei hat die Diakonie berechnet, dass Kinder in der Grundsicherung monatlich 78 Euro zu wenig erhalten. Das, was Sie ihnen jetzt geben wollen, ist viel zu wenig, und das ist ein wirkliches Armutszeugnis. ({6}) Wer Kinder in Armut aufwachsen lässt, stiehlt diesen Kindern nicht nur Kindheit, Jugend und Zukunft, sondern schadet der gesamten Gesellschaft. Das dürfen wir nicht zulassen. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Claudia Raffelhüschen spricht für die FDP-Fraktion. ({0})

Claudia Raffelhüschen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005273, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin Paus! Sehr geehrte Damen und Herren! In dieser Woche gehen die Beratungen für den Haushalt 2022 zu Ende. Für uns waren das sehr aufregende und fordernde Wochen. An dieser Stelle daher meinen herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere meine Ampelkollegen. Danke für die effiziente und völlig geräuschlose Zusammenarbeit. Das hat wirklich prima geklappt. ({0}) Ich freue mich, dass wir als Ampel auch in der letzten Haushaltsrunde, der Bereinigung, noch mal für verschiedene Gruppen in der Bevölkerung nachbessern konnten: für Senioren, für Jugendliche, für Frauen und Kinder. Die Frauen und Kinder, die aus der Ukraine zu uns geflohen sind, unterstützen wir in besonderer Weise. Fast 2,5 Millionen Euro fließen in finanzielle Hilfen speziell für schwangere Frauen aus der Ukraine, und noch einmal 1,6 Millionen Euro gibt es für die integrationskursbegleitende Kinderbeaufsichtigung; denn nur so ermöglichen wir den Müttern und ihren Kindern ein gutes und schnelles Ankommen in unserer Gesellschaft. ({1}) Sehr zuversichtlich stimmt mich die Tatsache, dass wir mit Ministerin Paus nun eine Finanzexpertin an der Hausspitze haben, die weiß, wie man mit Steuergeldern umzugehen hat. ({2}) Denn eines ist auch klar: Die nächsten Haushalte werden nicht einfacher für uns. Der fast permanente Krisenmodus, in dem wir uns als Gesellschaft leider seit über zwei Jahren befinden, darf für uns Haushälter nicht den Blick auf die Aufgaben verstellen, die ganz grundsätzlich und jenseits von Kriegen und Pandemien vor uns liegen, und das insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir gleichzeitig ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten wollen. Wir haben als Koalition noch einige sehr ehrgeizige Projekte vor uns, die diesen Einzelplan betreffen. Ich nenne hier nur mal exemplarisch die Kindergrundsicherung und die Fortsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes. Wenn der Bund sich bei diesen großen und wichtigen Projekten substanziell engagieren soll, müssen wir allerdings auch so ehrlich sein, zu priorisieren, auch wenn es manchmal wehtut. Meine persönliche Priorität im Einzelplan 17 liegt bei den Kindern. Sie sind unsere Zukunft. Sie haben in zwei Coronajahren von allen Gruppen am meisten verkraften und entbehren müssen, und sie haben in Deutschland verglichen mit anderen Gruppen, zum Beispiel den Senioren, leider traditionell keine besonders starke Lobby. Wir als Haushälter und Haushälterinnen des Einzelplans 17 können durchaus dazu beitragen, dass Kinder eben nicht hinten runterfallen. Die 272 Millionen Euro zusätzliche Mittel im Coronaaufholprogramm waren ein sehr guter Anfang. Noch besser war es, dass wir als Ampel mit unseren Änderungen einen noch stärkeren Fokus auf Kinder und Mütter gelegt haben. Die Hilfen insbesondere für die Ukrainerinnen habe ich schon genannt. In dieselbe Kategorie gehören für mich die zusätzlichen Mittel für die Schwangerschaftskonfliktberatung; denn Hilfe für Mütter und ihre Kinder ist leider manchmal schon dringend nötig, bevor diese Kinder überhaupt geboren werden können. Und ich freue mich sehr, dass wir die Frauen in dieser existenziellen Ausnahmesituation auch weiterhin nicht alleine lassen. ({3}) Genauso wichtig wie die Überzeugung, mit den Geldern in unserem Etat absolut sinnvolle Projekte zu unterstützen, ist mir aber auch die Maxime, Ausgaben, soweit irgend möglich, gegenzufinanzieren und immer wieder kritisch zu hinterfragen, ob einmal eingestellt Budgets wirklich effizient genutzt werden und natürlich ob sie weiterhin benötigt werden. Auch in diesem Punkt bin ich sehr froh, in meinen Ampelkollegen zwei Gleichgesinnte getroffen zu haben. Komplett unverständlich ist mir dagegen das Verhalten der Opposition, insbesondere der Linken: über 7,5 Milliarden Euro für zusätzliche Wünsche, und das netto. Da hätte ich mir schon ein kleines bisschen mehr Seriosität erhofft, Oppositionsrolle hin oder her. Natürlich können wir im Einzelplan 17 eine Menge Geld für Kinder und Familien verteilen. Das Ganze ist aber ziemlich kurz gedacht – man könnte auch sagen: verlogen –, wenn wir den zukünftigen Generationen gleichzeitig mit neuen Wohltaten neue Schulden ungeheuren Ausmaßes hinterlassen. Nur wenn wir beides zusammenbringen, wird ein Schuh draus: kluge und nachhaltige Ausgaben, wo sie nötig sind, und gut begründete Einsparungen dort, wo sie möglich sind. Anders lässt sich die Generationengerechtigkeit nicht erreichen, von der ja immer wieder gerne und viel gesprochen wird, die aber auch finanziell solide unterfüttert sein muss, wenn wir sie denn ernst nehmen. Mein Ziel als Liberale und insbesondere als Mutter ist und bleibt es jedenfalls, die Schuldenbremse ab 2023 wieder einzuhalten. ({4}) Nach diesen Haushaltsverhandlungen kann ich sagen, dass ich damit offensichtlich in der richtigen Fraktion angesiedelt bin, und freue mich darauf, mich weiterhin mit meinen Kollegen für solide Staatsfinanzen und eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder einzusetzen. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU hat Silvia Breher das Wort. ({0})

Silvia Breher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004681, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Paus! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für den Bereich des BMFSFJ stecken in diesem Haushalt so viele Möglichkeiten, aber leider auch so manche verpasste Chance. Auch wir hätten uns bei dem Volumen des Gesamthaushaltes durchaus mehr für den Bereich des BMFSFJ gewünscht. Aber, Herr Kollege Hönel, im Gegensatz zu Ihnen sind wir nicht Teil der Koalition. Es ist schon bemerkenswert, wenn Sie hier dann vor allem dem Finanzministerium mangelnde Unterstützung vorwerfen. Aber wir nehmen das zur Kenntnis. In der Sache selber sind wir uns, glaube ich, einig, dass insbesondere die Schaffung weiterer Betreuungsplätze und mehr Personal im Bereich der Kinderbetreuung eine der zentralen Aufgaben dieser Zeit ist. Sie stellen den Ländern jetzt – Sie haben es mehrfach angesprochen – pauschal unter anderem 1 Milliarde Euro durch einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zur Verfügung, um die Kosten für die Geflüchteten im Bereich Gesundheit und Pflege, Kinderbetreuung und Beschulung auszugleichen. Wir haben Sie ermutigt, hier zweckgebunden vorzugehen, die Mittel für ein Investitionsprogramm Kinderbetreuung einzusetzen. Denn das letzte – das Fünfte Investitionsprogramm Kinderbetreuungsfinanzierung – läuft jetzt aus, und es gibt hier keine Anschlussfinanzierung. Ihr Votum lautet leider: Ablehnung. Wir haben Sie ermutigt, das von Ihnen als erfolgreich beschriebene Programm „Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher“, das im Sommer endet, fortzusetzen – der Mangel an Fachkräften ist riesig –; aber auch hier lautet Ihre Empfehlung: Ablehnung. Wir haben Sie ermutigt, die Mittel für das Programm „Sprach-Kitas“ auszuweiten; denn Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Das war im Übrigen, liebe Kollegen von der FDP, auch eine zentrale Forderung Ihrer Fraktion zum Haushalt 2021; aber da waren Sie noch in der Opposition. In der jetzigen Regierung lautet Ihre Empfehlung: Ablehnung. ({0}) Wir haben Sie ermutigt, die so wichtigen frühen Hilfen auszubauen, den belasteten Familien gerade beim Start zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen. Ihr Vorwurf in anderen Haushaltsjahren – aus der Opposition heraus –: „Einfach weiter so.“ Jetzt muss ich leider sagen: Das gilt für Sie. Ihr Votum zu einem Aufwuchs lautet nämlich: Ablehnung. „Einfach weiter so“ gilt im Übrigen auch für die Freiwilligendienste. Zum Haushalt 2021 hat die Parlamentarische Staatssekretärin Deligöz noch gesagt, wir brauchen einen Ausbau der Freiwilligendienste, damit alle interessierten Jugendlichen zum Zuge kommen. Jetzt gibt es leider keine Verstetigung. Eine Forderung – ich denke, das eint uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, aber auch von der FDP – ist die Verstetigung der Mittel für das Gute-KiTa-Gesetz; denn diese Mittel laufen Ende dieses Jahres aus, und die Länder brauchen hier die bundespolitische Unterstützung. Der Ausblick ist und bleibt allerdings düster: im Eckwertepapier stehen null Komma null Euro – einfach nichts für die kommenden Jahre. Das wird schon ab September in den nächsten Beratungen für die kommenden Haushalte eine Kernaufgabe sein, und wir werden Sie da an Ihren eigenen Forderungen messen. ({1}) Abschließend, aus aktuellem Anlass – ich gehe davon aus, dass die Frau Ministerin darauf eingehen wird, weil es so ein brennendes Thema ist –: Das BKA hat gestern die aktuellen Zahlen zum Kindesmissbrauch, zur sexuellen Gewalt an Kindern veröffentlicht, und diese Zahlen sind nicht nur erschreckend; ich habe dafür einfach gar keine Worte. 17 704 Kinder sind im vergangenen Jahr Opfer von sexuellem Missbrauch geworden. Besitz, Herstellung, Verbreitung kinderpornografischen Materials – die Zahlen haben sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Frau Ministerin Paus, Sie sind gemeinsam mit der Bundesinnenministerin die Schutzanwältin der Kinder. Nehmen Sie diese Aufgabe bitte ernst! Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein. Zeigen Sie, dass dieses Thema Priorität in dieser Bundesregierung hat! ({2}) Lassen Sie vor allem die Kinder nicht im Stich! Bei diesem Thema haben Sie uns an Ihrer Seite; das kann ich Ihnen zusagen. Vielen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung ergreift jetzt das Wort die Bundesministerin Lisa Paus. ({0})

Lisa Paus (Minister:in)

Politiker ID: 11004127

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuhörende! Seit 96 Tagen führt Russlands Präsident Putin nun Krieg gegen die Ukraine. Mehr als 6,5 Millionen Menschen sind geflohen, davon mehr als 750 000 nach Deutschland. Der Krieg und die Sanktionen gegen den russischen Despoten haben inzwischen auch bei uns spürbare Auswirkungen: Steigende Energiekosten und Lebensmittelpreise belasten unsere Wirtschaft, sie belasten auch unsere Gesellschaft. Auch Corona hat bei uns allen seine Spuren hinterlassen. Umso wichtiger ist es, dass wir den sozialen Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit miteinander organisieren. Genau darauf kommt es an, meine Damen und Herren. ({0}) Denn wem es bereits vor Corona wirtschaftlich nicht gut ging, der muss jetzt erst recht jeden Cent umdrehen, bei dem zählt jeder Euro, jeden Tag. Meinem Haus stehen in diesem Jahr rund 12,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, danke ich allen Haushälterinnen und Haushältern ganz herzlich. ({1}) Dank Ihnen investiert mein Haus – erstens – in die Zukunft von Familien. Deshalb bekommen alle Kinder, die in Familien mit wenig oder keinem Einkommen groß werden, den Sofortzuschlag von 20 Euro im Monat zusätzlich. Zusammen mit dem Kinderzuschlag sind das in diesem Jahr 1,365 Milliarden Euro. Das hilft 2,9 Millionen Kindern. ({2}) Deshalb steckt in den Entlastungspaketen neben dem Heizkostenzuschuss und dem 9‑Euro-Ticket speziell für Familien der Kinderbonus von 100 Euro zusätzlich: weil wir eben wissen, welche Lasten gerade Familien jetzt und in den Coronamonaten zu tragen hatten und haben. So nehmen wir gemeinsam Druck aus dem Kessel, und das ist bitter nötig. ({3}) Sie wissen aber: Mein Ziel als Familienministerin geht darüber hinaus. Ich will Familien mit der Kindergrundsicherung finanziell ebenso konkret unterstützen: durch einen höheren Garantiebetrag für alle, durch stärkere Förderung einkommensschwacher Familien. Alle Förderleistungen werden gebündelt, damit sie wirklich alle Kinder ohne bürokratische Antragswege erreichen. Das ist mein Versprechen und natürlich das Versprechen der ganzen Bundesregierung. ({4}) Außerdem erhält das Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ für alle Kinder und Jugendlichen, die es in der Pandemie besonders schwer hatten, durch zusätzliche 272 Millionen Euro weitere Unterstützung. Auch diese stehen in diesem Jahr zur Verfügung. Ganz herzlichen Dank auch dafür. ({5}) Zweitens investiert mein Haus in die Zukunft von Frauen. Noch nie hatten wir so viele gut ausgebildete Frauen mit so guten Abschlüssen. Die „FAZ“ titelte vor einer Woche im Wirtschaftsteil: „Die Personalnot kommt mit Wucht. Der Fachkräftemangel verschärft sich dramatisch.“ Aber ein wesentlicher Teil der Lösung ist, dass Frauen mit Kindern die Erwerbstätigkeit einfach erleichtert wird, meine Damen und Herren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf darf eben keine Mutprobe mehr sein und erst recht keine Herausforderung für die Gesundheit. Die Vereinbarkeit fördern wir unter anderem mit dem Elterngeld. Diese bekannteste und beliebteste Familienleistung in Deutschland ist uns jeden einzelnen der 7,7 Milliarden Euro wert, ({6}) weil es den Müttern und Vätern eben hilft, Beruf und Familie tatsächlich unter einen Hut zu bekommen. Drittens werben wir in den nächsten Monaten verstärkt für den Zukunftsberuf Pflege. Wir wollen mehr Frauen und Männer für diesen Beruf gewinnen. Damit reagieren wir auf die Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft. Viertens investieren wir in die Perspektive der Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine. Wir wissen alle: 80 Prozent von ihnen sind Frauen, etwa 40 Prozent sind minderjährig. Wir geben rund 31 Millionen Euro für humanitäre Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine aus. Mit diesem Geld finanzieren wir Kinderbetreuung parallel zu Integrationskursen, wir helfen schwangeren Frauen über die Stiftung „Mutter und Kind“, und wir fördern das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“. Das ist wirklich gut angelegtes Geld, ({7}) damit diese Menschen eine Perspektive haben und hier auch tatsächlich gut ankommen können. Fünftes Beispiel für gute Investitionen: Wir investieren in die Zukunft unserer Demokratie, meine Damen und Herren. Das bundesweit größte Programm zu Demokratieförderung, ({8}) Vielfaltgestaltung und Extremismusprävention heißt nicht umsonst „Demokratie leben!“. Wir statten es mit robusten 165 Millionen Euro aus; denn es gibt viel Demokratie zu leben in diesem Land, meine Damen und Herren. ({9}) Mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ fördern wir mehr als 600 Initiativen in Deutschland, die sich gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus und für Toleranz und Demokratie engagieren. Meine Damen und Herren, wie robust und widerstandsfähig unsere Gesellschaft gegenüber äußeren Krisen ist, das bemisst sich an ihrer Stärke im Inneren. Darin investiert das BMFSFJ. Wir ermöglichen Frauen mehr Erwerbstätigkeit, wir stärken Familien, wir unterstützen Kinder und Jugendliche, wir reagieren auf die Herausforderungen einer alternden Gesellschaft, wir fördern Engagement und damit den Zusammenhalt. Genau damit machen wir Deutschland stark. Herzlichen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Gereon Bollmann hat jetzt das Wort für die AfD. ({0})

Gereon Bollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005029, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Breher, Ihre Erwartungen in die Rede, die wir gerade gehört haben, haben sich wohl kaum erfüllt, würde ich mal sagen. Was wir hier von der Familienministerin gehört haben, ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, in welchem Paralleluniversum man dort lebt. Von den rund 500 Milliarden Euro im Bundeshaushalt sind für das Familienministerium knapp 13 Milliarden Euro vorgesehen, also noch nicht einmal 3 Prozent. Mit dieser kümmerlichen Ausgabenplanung belegen Sie hier erneut eine himmelschreiende Ignoranz der echten Probleme unserer Familien. ({0}) Anfang des Monats wurden wir auf ein trauriges Jubiläum hingewiesen: Seit nunmehr 50 Jahren sterben in diesem Land mehr Menschen, als neue geboren werden. Das Defizit betrug im letzten Jahr 228 000 Geburten – ein einmaliger Nachkriegsrekord. Angesichts dieser demografischen Katastrophe müsste man sofort zu einem massiven Familienprogramm kommen, einem Willkommensprogramm, wie wir es seit mehreren Jahren fordern. ({1}) Planungen in diese Richtung – Fehlanzeige. Das wäre ja rechts. Stattdessen will man die Ausgaben für Maßnahmen zur Stärkung der Vielfalt, Toleranz und Demokratie – wie oft haben wir das heute schon gehört? – drastisch erhöhen, nämlich von über 150 Millionen Euro im letzten Jahr um sage und schreibe 22 Prozent auf nunmehr 183,5 Millionen Euro in diesem Jahr. Vielfalt, Toleranz, Demokratie – das hört sich ja ganz gut an, eigentlich sogar klasse. Ich denke da an unsere regionale Vielfalt, eine tragende Säule unseres föderalen Systems. ({2}) – Nehmen Sie die Maske gerne wieder auf. – Ich denke an die Toleranz gegenüber Andersdenkenden, die angesichts der Einförmigkeit politischen Denkens dringend der Förderung bedarf. Und ich denke an das demokratische Grundprinzip von Wahlen und Abstimmungen. Hier muss unbedingt die Bereitschaft der Mehrheit gefördert werden, die Minderheit nicht nur zu tolerieren, sondern auch zu schützen. ({3}) Aber ich denke auch daran, dass die Gesellschaft manichäisch mehr und mehr in Gut und Böse geteilt wird, dass Teile der hier erst seit Kurzem Lebenden eigenen Gesetzen und Werten folgen, die mit den Normen unseres Grundgesetzes nicht selten massiv kollidieren. Also: Aufgaben – ohne Ende. Förderung – Fehlanzeige. Schauen wir doch einmal näher in das Bundesprogramm „Demokratie leben!“. Auch das hört sich gut an, aber bei genauerer Betrachtung tun sich wiederum Abgründe auf. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in seinem letzten Bericht nahezu gleich viel Extremisten an den politischen Rändern gezählt, nämlich 33 300 auf rechter Seite und 34 300 auf linker Seite. Also sind beide Seiten doch etwa gleich stark vertreten, wobei bei 1 092 rechten Gewalttaten 1 237 linke Gewalttaten zu verzeichnen sind. ({4}) Auf dieser Grundlage ergibt sich eine bemerkenswerte Schieflage des Förderprogramms; denn es stehen nur 5 Modellprojekte gegen Linksextremismus 21 Modellprojekten gegen Rechtsextremismus gegenüber. ({5}) – Ja, das ist vielleicht Ihre Ansicht. Aber das ist ein Ungleichgewicht, das wohl der Änderung bedarf. ({6}) Aus diesem Abschlussbericht erfahren wir dann, dass man sich zu fast zwei Dritteln mit rechtsextremen Orientierungen und Handlungen befasste. Ein Pendant zum Linksextremismus fehlte. Das war nicht etwa das Drittel, das übrig bleibt, sondern das fehlte völlig. ({7}) Schlimmer aber noch: Seinerzeit hatte die ehemalige Bundesministerin Kristina Schröder die Förderung an eine Selbstverständlichkeit geknüpft: Die Geförderten mussten sich seinerzeit nämlich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen – eine sogenannte Extremismusklausel. Aber schon Anfang 2013 hatte Manuela Schwesig diese Klausel ersatzlos gestrichen. ({8}) Bei dieser skandalösen Streichung ist es bis heute geblieben. Das ist das Einfallstor, durch das seit Jahren die sogenannte Antifa, die der Verfassungsschutz fast zur Hälfte dem Linksextremismus zuordnet, an die Futtertröge staatlicher Förderung gelangt. ({9}) Auf eine Abhilfe dürfen wir künftig wohl nicht hoffen. ({10}) – Ich hatte ja auf ein Familienprogramm abgestellt. Hören Sie doch besser zu. Bekanntlich ist die oberste Verfassungsschützerin, die Innenministerin, ja nicht gerade zurückhaltend, wenn es darum geht, ihre Ansichten in einem Antifa-Magazin zu publizieren, und der Parlamentarische Staatssekretär in unserem Familienministerium, Herr Sven Lehmann – er ist ja heute dankenswerterweise da –, pflichtet ihr darin auch noch bei. ({11}) Meine Damen und Herren, diese Regierung hat ein Extremismusproblem. Das linke Auge verdeckt man mit einer dicken roten Klappe, und man sagt dann, auch mit dem anderen Auge beherrsche man natürlich das räumliche Sehen. ({12}) Machen Sie sich doch endlich einmal ehrlich. ({13}) Das Programm sollte besser „Antifa und Kommunisten fördern“ heißen, oder aber es sollte wirklich der Demokratie dienen. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.

Gereon Bollmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005029, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Unser Kollege Sönke Rix hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Vorweg zum Thema Demokratieförderung: Das Gegeneinanderaufrechnen von linksextremistischen ({0}) Straftaten und rechtsextremistischen Straftaten und deren Gleichsetzung ist eine Ohrfeige für die Hinterbliebenen der zahlreichen Opfer der rechtsextremistischen Gewalt in diesem Land. ({1}) Denn die Anzahl derer, die richtige Opfer und sogar tot sind, gestorben sind – – ({2}) Das ist der Grund – weil es um das Leben von Menschen geht –, warum wir Demokratieförderung betreiben, Extremismus bekämpfen, und das vor allen Dingen gegen rechts. ({3}) Ein Menschenleben ist was wert, und deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir das Demokratiefördergesetz bekommen. Lieber Kollege Lehrieder: Wir haben ja bis vor Kurzem auch gemeinsam regiert. ({4}) Und es gibt auch einen gemeinsamen Entwurf – damals noch von Innenminister Seehofer und unserer damaligen Familienministerin – eines Demokratiefördergesetzes. Warum jetzt auf einmal eine Distanzierung gegenüber dem eigenen Minister Seehofer? Etwa weil er nicht mehr da ist und man das dann nicht mehr richtig finden muss? Das finde ich sehr, sehr bedauerlich; denn die Erkenntnis war bei der Union schon mal besser, lieber Kollege Lehrieder. ({5}) Die Ministerin hat dankenswerterweise noch mal deutlich gemacht, wie viel in diesem Haushalt steckt: Hilfen für Familien, Sofortzuschlag, Kinderzuschlag. Wir haben den 100-Euro-Bonus jetzt noch mit dabei, und wir haben auch das Elterngeld als wirklich attraktivste Leistung in unserem Programm. Durch die Haushaltsberatungen wurden zudem zusätzlich Jugendmigrationsdienste und Programme gegen Rechtsextremismus gestärkt. Es gibt Schutz und Hilfe für Geflüchtete, insbesondere aus der Ukraine. All das ist in diesem Haushalt mit drin, und dafür ganz herzlichen Dank den Haushältern, aber auch ganz herzlichen Dank für den Entwurf, den das Parlament jetzt noch ein bisschen besser gemacht hat. ({6}) Und dann kam diese Bemerkung; die Kollegin Bär hatte das gerade noch mal gebracht. Ich wäre ja froh, wenn all diese Ansätze der Union, in denen jetzt kritisiert wird, was angeblich zu spät kommt oder noch gar nicht kommt, schon in Ihrer Regierungszeit mal da gewesen wären. Stattdessen werfen Sie uns jetzt vor, dass nach ein paar Hundert Tagen noch nicht alle Maßnahmen im Hinblick auf die Elterngeldreform, die Kitareform und die Kindergrundsicherung da sind. Wir wären ja dankbar gewesen, wenn wir das mit euch hätten umsetzen können; aber ihr habt es damals in der alten Regierung blockiert. ({7}) Aber wir wissen natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die zukünftigen Haushalte mit all dem, was wir im Koalitionsvertrag stehen haben, schwierig zu gestalten sein werden. Die Herausforderungen bleiben ja da, und all das, was im Koalitionsvertrag steht, soll auch umgesetzt werden. Deshalb ein aktueller Hinweis: Dass wir jetzt ein Sondervermögen, das insbesondere von der Linksfraktion so heftig kritisiert wird, für die Bundeswehr einrichten, weil wir es richtig finden, dass sich unsere Bundeswehr auch angesichts der sich verändernden internationalen Lage vernünftig aufstellen muss, ({8}) das ist ein Vorteil für die zukünftigen Haushalte, weil das Geld eben nicht zulasten der anderen Haushalte geht, sondern, im Gegenteil, es gibt einen Extrahaushalt, und dadurch sind all die Projekte – Kindergrundsicherung, Kitareform – eher gesichert als geschwächt. Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Wir haben mit der Kindergrundsicherung noch etwas Wichtiges vor; Sie haben es erwähnt. Wir haben die ersten Schritte getan. Jetzt gibt es eine interministerielle Arbeitsgruppe. Ich finde es richtig, dass die Bundesregierung nicht sagt: Das ist ausschließlich Aufgabe des Familienministeriums. – Nein, die Kindergrundsicherung ist nämlich nicht einfach nur eine finanzielle Leistung, die wir auszahlen wollen; vielmehr wollen wir damit, wie gesagt, über mehrere Säulen erreichen, dass wir nicht nur vor Kinderarmut schützen, sondern dass wir auch die Kindergrundsicherung gerecht gestalten. Wir wollen einen Grundbeitrag gewähren, und wir wollen zusätzlich eine zweite Säule einführen, mit der diejenigen Kinder, die in besserverdienenden Familien aufwachsen, entsprechend weniger bekommen und die anderen entsprechend mehr. Das ist auch noch sozial gerecht ausgestaltet. Wir wollen das System vereinfachen. Die Familienleistungen sollen zusammengelegt werden. Wenn wir das in Angriff nehmen – ich finde es gut, dass es jetzt in Angriff genommen wird –, dann werden wir wirklich einen richtigen Schritt zur Absicherung von Familien vollziehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke ist die nächste Rednerin Gökay Akbulut. ({0})

Gökay Akbulut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004653, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alleinerziehende machen einen wesentlichen Bestandteil der Familien in Deutschland aus. Über 40 Prozent der Alleinerziehenden leben in Armut oder sind von Armut gefährdet. Sie brauchen dringend mehr Unterstützung vom Bund. Die bisherigen Bundesregierungen, allen voran die CDU/CSU-geführten, haben die Lage der Alleinerziehenden über Jahrzehnte hinweg in unserer Gesellschaft ignoriert. Die Ampelkoalition weigert sich ebenfalls, dringend notwendige Maßnahmen für Alleinerziehende einzuleiten. Die hälftige Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsvorschuss würde hier helfen. Aktuell wird das Kindergeld vollständig mit dem Unterhaltsvorschuss verrechnet. Bei Erhöhung des Kindergeldes sinkt der Unterhaltsvorschuss entsprechend. Wir fordern daher, dass das Kindergeld nur zur Hälfte auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. ({0}) Von dieser Maßnahme würden 850 000 Kinder in alleinerziehenden Familien profitieren. Durch diese Änderung würden sie 110 Euro mehr im Monat zur Verfügung haben. 110 Euro sind mindestens ein Wocheneinkauf an Lebensmitteln, neue Schulsachen, Sportschuhe oder die Mitgliedschaft in einem Verein. Außerdem wäre es sinnvoll, hier die Bedarfsprüfung ab zwölf Jahren abzuschaffen. Hierdurch könnten rund 1 Million Kinder und deren Eltern dauerhaft entlastet werden. ({1}) Die Gesamtausgaben für den Bund würden sich durch diese Maßnahmen um etwa 2 Milliarden Euro jährlich erhöhen, also um nur einen Bruchteil dessen, was die Ampel und die Union bereit sind für die Bundeswehr auszugeben. Laut dem Koalitionsvertrag möchte die Bundesregierung Alleinerziehende mittels einer Steuergutschrift entlasten. Steuergutschriften bringen jedoch den wenigsten Alleinerziehenden etwas, weil die meisten kaum Erwerbseinkommen haben und auf Transferleistungen angewiesen sind. Durch die aktuell steigende Inflation sind Alleinerziehende zusätzlich massiv von Armut bedroht. Die Ampelkoalition muss jetzt handeln und verhindern, dass noch mehr Alleinerziehende in Armut abrutschen. Ihr bisheriger Maßnahmenmix ist völlig unzureichend. Konsequenter Kampf gegen Kinderarmut sieht anders aus. Vielen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Martin Gassner-Herz. ({0})

Martin Gassner-Herz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005061, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin stolz auf die Verbesserungen, die sich die Fortschrittskoalition vorgenommen hat, ({0}) um den Reformstau in der Familienpolitik anzugehen. Endlich werden die Rahmenbedingungen an die Realität angepasst, wie Menschen auf vielfältige Weise in Deutschland gemeinsam Familie sind. Die Nachschärfungen und Ergänzungen, die wir für den Haushalt 2022 heute gegenüber dem Entwurf der Vorgängerregierung vornehmen, sind insbesondere den zwei großen Themen der Zeit geschuldet: der Coronapandemie und den Auswirkungen des brutalen Krieges, den Russland über die Ukraine gebracht hat. Die Interessen von Familien sind in der Pandemie oft zurückgestellt worden. Für Kinder und Jugendliche war die Zeit besonders hart: Unterricht nur auf Distanz, ein Schüleraustausch war nicht möglich, das erste Engagement im Verein hat nicht stattgefunden, Freunde durften sich nicht sehen, Lebenswege und Möglichkeiten für die Zukunft blieben versperrt – von der Zunahme psychischer Erkrankungen ganz zu schweigen. Es gelingt uns, 272 Millionen Euro einzusetzen, um ein Aufholen der entstandenen Lücken zu unterstützen. Davon fließen 40 Millionen Euro in den Kinder- und Jugendplan und 60 Millionen Euro in die Sprach-Kitas. Die Bundesstiftung Frühe Hilfen erhält zusätzlich 35 Millionen Euro und fördert damit die psychosoziale Betreuung von Familien, in denen gerade die Kleinsten besonderer Unterstützung bedürfen. Wir ermöglichen 40 Millionen Euro für die Familienferienzeiten, stärken die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung mit rund 80 Millionen Euro und ermöglichen der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt einen Mittelaufwuchs um 10 Millionen Euro. In diesen zusätzlichen Herausforderungen unserer Zeit sind wir auf eine starke Gesellschaft angewiesen, die von starken Bürgerinnen und Bürgern getragen wird. Mit der Aufstockung der Programme „Menschen stärken Menschen“ und „Demokratie leben!“ fördern wir den Zusammenhalt in der Gesellschaft und unterstützen Programme zur Prävention und gegen Extremismus. ({1}) Wir unterstützen das unermüdliche Engagement in der Aufnahme der vielen Geflüchteten, die bei uns Schutz suchen. Den vielen Freiwilligen möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich danken. ({2}) Ich erlaube mir zusätzlich auch den Hinweis, dass Hilfsbereitschaft weiterhin dringend gebraucht wird und jene, die inzwischen seit Monaten beinahe Übermenschliches leisten, unverändert dankbar für weitere Unterstützung sind. ({3}) Diese Aufgaben sind enorm, gerade weil unter denen, die wir aufnehmen, so viele Kinder sind. Sie brauchen ein Gefühl von Willkommensein und Hoffnung. Das geht nur gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, die mit Sport, Kultur und Gemeinschaft viel dazu beiträgt, dass diese Kinder wieder lachen können. Mit 16 Millionen Euro unterstützen wir Maßnahmen für Geflüchtete, darunter auch psychosoziale Zentren. Nicht zu vergessen sind unsere familienrechtlichen Maßnahmen, die im Haushalt nicht wirksam werden, aber dennoch große Fortschritte und Verbesserungen für unsere Gesellschaft bedeuten, zum Beispiel die Abschaffung des § 219a StGB, die Ermöglichung der Mehrelternschaft, die Liberalisierung des Namensrechts oder die Möglichkeit, ohne Entwürdigungen im Verfahren den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister anzupassen. ({4}) Weitere Projekte haben wir bereits im Blick. Noch müssen Jugendliche in stationären Einrichtungen einen großen Anteil ihres eigenen Verdienstes für die Unterbringung abgeben. Wir werden denen, die sich anstrengen und die ersten Stufen auf ihrer persönlichen Aufstiegsleiter erklimmen, Rückenwind geben, statt Signale zu setzen, eigene Mühen lohnten sich nicht. Deshalb soll die Kostenbeteiligung zügig ganz entfallen. Außerdem setzen wir uns dafür ein, mehr Menschen mehr finanzielle Unterstützung bei einer Kinderwunschbehandlung zu ermöglichen. Es ist grausam, wenn Wünsche nach einem eigenen Kind am Geldbeutel der Eltern scheitern müssen, wenn zu deren Erfüllung medizinische Unterstützung notwendig ist. Die Realität von Familie ist heute eine andere als gestern. Darauf müssen wir reagieren, und wir stellen uns dieser Aufgabe. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Dr. Hermann-Josef Tebroke. ({0})

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gassner-Herz, ich kann noch nicht erkennen, dass der hier vorgelegte Haushalt tatsächlich ein Fortschritt sein soll. Ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob die Projekte, die Sie da angekündigt haben, unserer Gesellschaft wirklich ein Fortschritt sein werden; aber das werden wir in den zukünftigen Debatten sicherlich ausführlich erörtern. ({0}) Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Einzelplan und dem Haushalt insgesamt beraten wir die finanziellen Grundlagen einer Politik für Jugend, Frauen, Senioren und eben auch für Familien; auf Letztere möchte ich fokussieren. Familienpolitik richtet sich, wenn Sie so wollen, an die Keimzelle der Gesellschaft. Jedenfalls geht es um die kleine Einheit, die nach unserer Auffassung so vielfältig ausgestaltet sein kann, in der Menschen im Rahmen einer engen persönlichen, insbesondere verwandtschaftlichen Beziehung auf Dauer, verbindlich, generationenübergreifend und insbesondere als Gemeinschaft mit Kindern füreinander Verantwortung übernehmen. Familien, zumal mit Kindern, leisten einen wichtigen generativen Beitrag. Das hat zuletzt das Bundesverfassungsgericht in seinem aktuellen Urteil zur Notwendigkeit der Staffelung von Pflegeversicherungsbeiträgen anerkannt; das ist ein Erfolg gerade für kinderreiche Familien, den wir ausdrücklich begrüßen. ({1}) Wir gehen davon aus, dass nunmehr auch eine intensivere politische Diskussion nicht nur über die Renten- und Krankenversicherungsbeiträge, sondern auch über die generativen Beiträge zum Sozialsystem insgesamt erfolgt, und werden uns intensiv daran beteiligen. Familien, zumal mit Kindern, tragen eine besondere finanzielle Last; das ist hier wiederholt angesprochen worden. Kinder sind ein Geschenk für die Familie und auch für unsere Gesellschaft; aber sie dürfen nicht zu einem Armutsrisiko werden und sollen möglichst unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen ihrer Eltern die gleichen guten Entwicklungschancen haben. Vater Staat ist beteiligt, aber er ist nicht Teil der Familie. Er lebt von der Familie. Darum ist es seine Aufgabe und auch Aufgabe der Gesellschaft, diese Leistung in den Familien anzuerkennen und sie bei der Wahrnehmung dieser zugleich staatstragenden und den Einzelnen in seiner persönlichen Entfaltung unterstützenden Funktion auch zu unterstützen. Familie braucht – das haben wir wiederholt aufgezeigt – dazu zeitliche und finanzielle Spielräume und die notwendige Infrastruktur. Damit ist Familienpolitik immer auch Bildungspolitik, Betreuungspolitik, Pflege- und Gesundheitspolitik, Sozialpolitik, Wohnungspolitik, Zeitpolitik und eben mehr als Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik. Folgerichtig werden die familienpolitischen Maßnahmen und Entscheidungen nicht alle im Einzelplan 17 abgebildet, der tatsächlich gerade mal 13 Milliarden Euro umfasst, sondern in den vielen anderen Einzelplänen im Haushalt insgesamt. Die entscheidende Frage aber ist: Werden der vorliegende Haushaltsplan und insbesondere der Einzelplan 17 dem Anliegen einer gerechten und umfassenden Familienpolitik gerecht? ({2}) Lässt der Haushalt der Ampel ein familienpolitisches Konzept erkennen? ({3}) – Ich widerspreche Ihnen an dieser Stelle, Herr Hönel. Wir können das nicht erkennen. ({4}) – Das haben Sie sich gedacht. – Ist der Haushalt denn wenigstens nachhaltig und generationengerecht finanziert? Frau Raffelhüschen, Sie haben dankenswerterweise sehr intensiv darauf hingewiesen, ebenso wie auf die Bedeutung eines ausgeglichenen Haushalts für die nachfolgende Generation. Ich bin gespannt, ob die Vorsätze, die Sie formuliert haben, auch die gleichen sind, die die Ampel dann verfolgen wird. Wir fragen uns: Wo schlagen sich die im Koalitionsvertrag angekündigten familienpolitischen Vorhaben nieder? Die Kindergrundsicherung ist gerade von Frau Ministerin Paus angekündigt worden; Herr Rix, Sie haben sie ebenfalls angekündigt. Etwas anzukündigen, ist aber noch keine wirksame Maßnahme gegen Kinderarmut. Wenn es um die Umsetzung geht, dann können Sie auf jeden Fall auf die konstruktive Unterstützung der Unionsfraktion setzen. Etwas anderes, was uns sehr beschäftigt, ist die Frage, wie eigentlich der Einzelplan auf die aktuell gestiegenen Herausforderungen für Familien – Corona, ukrainische Flüchtlinge, steigende Preise – reagiert. Wir meinen: absolut unzureichend. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, gefragt und gefordert, dass die Ampel hier Maßnahmen ergreifen möge. Ich bin froh, Herr Hönel, dass die Ampel auf einige Hinweise eingegangen ist. Gleichwohl glauben wir, dass an mindestens drei Stellen noch mal nachgebessert werden könnte; meine Kollegin hatte bereits darauf hingewiesen. Sie haben die Möglichkeit, unserem Änderungsantrag zu folgen. Ich lade Sie ausdrücklich dazu ein. ({5}) Zuletzt, Frau Akbulut – ich brauche auf das Thema „Unterstützung für Alleinerziehende“ nicht mehr im Einzelnen einzugehen –, weise ich darauf hin: Bereits im April haben wir dazu einen umfassenden Antrag vorgelegt ({6}) und haben jetzt noch mal einen Entschließungsantrag vorbereitet, der die finanziellen Voraussetzungen dafür schafft, dass die notwendigen Maßnahmen bald ergriffen werden können, ({7}) zum Beispiel die Verdopplung des Kinderbonus und die Erhöhung des Entlastungsbetrages. ({8}) Wenn Sie es genauso sehen wie wir, dass den Alleinerziehenden Hilfe zuteilwerden sollte, dann stimmen Sie doch gern unserem Entschließungsantrag zu. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Insgesamt ist der Haushalt nicht so, wie wir uns ihn vorstellen, meine Damen und Herren. Das können Sie sich wiederum vorstellen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deswegen werden wir ihn ablehnen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Geduld. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Und sicher auch für die Kollegialität. – Die nächste Rednerin ist unsere Kollegin Emilia Fester für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Emilia Fester (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005055, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der Ruf, der jungen Menschen vorauseilt, ist manchmal nicht ganz fair. Die Jugend sei verwöhnt und faul, anspruchsvoll, obwohl so unerfahren, und dann auch noch utopisch idealistisch. ({0}) Älteren Menschen fehlt es leider zu oft an Verständnis für junge Lebensrealitäten und umgekehrt. In einer demokratischen Gesellschaft sind aber alle Altersgruppen relevant für eine ausgeglichene, nachhaltige Gestaltung unseres Miteinanders. Deshalb muss ich aus gegebenem Anlass folgende Worte an den Bundeskanzler richten: Herr Scholz, Sie sind auf dem Katholikentag auf junge, engagierte Menschen gestoßen, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen, sich politisieren und bilden, um für ihre eigene Zukunft und auch für unsere zu kämpfen. ({1}) Ihr Umgang mit diesen jungen Menschen war mindestens schwierig, und daher möchte ich Sie bitten, Ihre Äußerungen gegenüber diesen jungen Menschen richtigzustellen und sich gegebenenfalls zu entschuldigen. ({2}) Was auch immer Sie sagen wollten: Die geweckten Assoziationen wirken sowohl geschichtsrevisionistisch als auch herabwürdigend für die junge Klimagerechtigkeitsbewegung ({3}) und kontraproduktiv für unser gemeinsames Anliegen, konsequenten Klimaschutz voranzubringen. ({4}) Die Klimabewegung ist ein hervorragendes Beispiel für das, worauf ich eigentlich hinauswill; denn junge Menschen sind besser als ihr Ruf. Jung sein ist nicht nur etwas Unvollständiges auf dem Weg zum Erwachsenwerden, sondern junge Menschen haben auch ein Recht auf die eigene Gegenwart und Mitsprache bei der Zukunftsgestaltung – nicht etwa trotz der Widersprüche mit den vielleicht desillusionierten Erwachsenen, sondern genau wegen ihrer anderen Perspektive, ihrer Prioritäten und Ideale. Im Dritten Engagementbericht des BMFSFJ gaben fast zwei Drittel aller jungen Menschen an, sich im vergangenen Jahr für einen gesellschaftlichen Zweck engagiert zu haben. ({5}) Junges Engagement ist ein großer Teil des unsichtbaren Kitts unserer Gesellschaft, von dem so viele immer sprechen. Freiwilligendienste zum Beispiel sind eben nicht nur Orientierungsjahre, sondern auch echte Unterstützung und einer der wichtigsten und schönsten Berührungspunkte der Generationen. ({6}) Deshalb sorgen wir als Ampel, anders als die Vorgängerregierung es eigentlich vorgesehen hatte, für die Ausfinanzierung der Freiwilligendienste im laufenden Haushaltsjahr, und wir erhöhen den Etat der Jugendverbände und Jugendmigrationsdienste. ({7}) Das sind nur ein paar konkrete Beispiele für den Grundstein, den wir hier noch im laufenden Haushaltsjahr legen. Wir wollen die Jugendpolitik neu aufleben lassen. Wir wollen dafür sorgen, dass allen Jugendlichen in ihrer Orientierungsphase die Tür für einen Freiwilligendienst offen steht. Teilzeitoption, Digitalisierung, Taschengelderhöhung, mehr Stellen – all das haben wir uns vorgenommen. ({8}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt legt einen guten Grundstein für unsere Vorhaben. Aber klar ist auch: Wir fangen gerade erst an. Meinen letzten Satz möchte ich an die Jugendlichen hier auf den Tribünen richten: Schön, dass ihr uns zuguckt! Bitte bleibt laut, frech und engagiert! Wir stehen an eurer Seite. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Daniel Baldy das Wort. ({0})

Daniel Baldy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005015, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als ich 2011 mit meinem besten Kumpel Lars in die SPD eingetreten bin, führte uns einer unserer ersten Wege zu den Jusos Mainz-Bingen. ({0}) Durch die Hartnäckigkeit meines ersten Juso-Vorsitzenden Rouven blieb ich dabei und würde ohne seine Arbeit heute vielleicht auch gar nicht hier stehen. Warum blieb ich dort? Nun, weil die Jugendorganisationen der demokratischen Parteien mehr sind als Plakatklebetruppen. Sie sind eine essenzielle Naht zwischen jungen Menschen und Parteien. Dort wird diskutiert, dort wird gestritten, dort lernen sich junge Menschen aus der ganzen Republik und manchmal sogar aus der ganzen Welt kennen. Kurzum: Es sind Orte der Bildungsarbeit und der Beteiligung. ({1}) Insbesondere in Zeiten, in denen das Vertrauen und Zutrauen junger Menschen in Parteien permanent schwindet, brauchen wir die Jugendorganisationen und ihre wichtige Arbeit. Es macht mich daher unendlich stolz, einem Bundeshaushalt zustimmen zu dürfen, der diese Aufgabe und Verantwortung erkennt und die Jugendorganisationen mit zusätzlich 4,2 Millionen Euro unterstützt. Denn es ist eine Frage des Respekts, nicht nur zu sagen: „Toll, was ihr da macht!“, sondern auch zu sagen: „Wir unterstützen euch bei dem, was ihr da macht.“ Weil ein Haushalt mit seinen vielen Zahlen immer wahnsinnig anonym wirkt, möchte ich es ganz konkret machen: Diese 4,2 Millionen Euro zusätzlich helfen unter anderem Noah und Alina, den aktuellen Juso-Vorsitzenden in Mainz-Bingen, weiterhin andere junge Menschen für Politik zu begeistern. Ich danke ihnen und all den anderen jungen Menschen, die in ihrer Freizeit andere für Politik begeistern, für die Arbeit, die sie tagtäglich leisten. ({2}) Die Stärkung von Demokratie ist aber nicht die alleinige Aufgabe von Parteien. So steckt hinter dem Titel „Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ ein breit gefächerter Strauß an Maßnahmen, Projekten und Programmen, die durch die Zivilgesellschaft getragen werden, allen voran natürlich das Programm „Demokratie leben!“ mit mehr als 500 Projekten in ganz Deutschland und 16 Landes-Demokratiezentren, 320 lokalen Partnerschaften für Demokratie und 150 Modellprojekten. ({3}) Und weil ein Haushalt – ich habe es eben schon erwähnt – nie eine seelenlose Zahlensammlung sein sollte, möchte ich Ihnen eines dieser geförderten Modellprojekte vorstellen. ({4}) Vielleicht hilft es auch, die Akzeptanz für dieses Programm bei einigen hier etwas zu erhöhen. Das Projekt „Wertraum“ des Vereins Wertzeug in Mainz entwickelt Maßnahmen für Inhaftierte und Menschen in der Bewährungshilfe, um Radikalisierung im Bereich des politischen und religiösen Extremismus zu verhindern. Nun mag der Zuschuss von 250 000 Euro im Jahr 2022 an Wertzeug im Vergleich zum Gesamtvolumen des Programms „Demokratie leben!“ recht gering wirken. Aber auch mit dieser Summe sorgen wir dafür, dass inhaftierten Menschen in Rheinland-Pfalz eine Perspektive aufgezeigt werden kann, die jenseits von Hass und Gewalt liegt. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Programm-Homepage recherchieren, dann werden Sie feststellen: „Demokratie leben!“ leistet auch in Ihren Wahlkreisen verdammt wichtige Arbeit, für die wir alle dankbar sein können. ({5}) Aber auch an anderer Stelle wird wichtige Arbeit geleistet. Die Respekt Coaches setzen sich bundesweit an Schulen für demokratische Werte ein. „Unterschiedliche Meinungen akzeptieren, Position beziehen, argumentieren …“, wie es auf der Homepage heißt. Verhaltensweisen, die wir hier in diesem Parlament, ({6}) aber auch in vielen anderen Bereichen unseres Lebens tagtäglich an den Tag legen und bei denen es gut und richtig ist, sie früh zu erlernen. Als Lehrer weiß ich, wie schwierig es manchmal ist, Veranstaltungen und Projekttage neben dem regulären Unterricht zu organisieren; denn die nötige Vorbereitung droht zwischen Klassenarbeiten, mündlichen Noten und dem Abarbeiten des Lehrplans oftmals auf der Strecke zu bleiben. Deshalb braucht es auch außerschulische Angebote und Unterstützung. Es war deshalb absolut richtig, die Haushaltsmittel im parlamentarischen Verfahren noch einmal um 15 Millionen Euro zu erhöhen. Im Ergebnis werden die Respekt Coaches jetzt mit 36 Millionen Euro gefördert. Ich möchte unserer Haushälterin Elisabeth Kaiser ausdrücklich für ihren Einsatz für dieses Projekt danken. ({7}) Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Prävention gegen jede Form von Extremismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit kann der erste Schritt sein, selbst aktiv zu werden. Selbst aktiv zu werden bei Themen wie Toleranz, Vielfalt, Respekt und Demokratie, und wer weiß, wie viele junge Menschen durch die Respekt Coaches den Weg in eine Jugendorganisation und in einigen Jahren vielleicht sogar den Weg in den Deutschen Bundestag finden. Ich würde es mir wünschen. Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich gebe das Wort an Astrid Timmermann-Fechter für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Astrid Timmermann-Fechter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004425, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 17 zum Geschäftsbereich des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist mit seinen 12,6 Milliarden Euro im Verhältnis zu anderen Einzelplänen ein ziemlich kleiner, aber gemessen an seiner Bedeutung ein außerordentlich großer Posten im Bundeshaushalt. Er macht nur 2,5 Prozent des Gesamthaushalts aus, betrifft aber 100 Prozent der deutschen Bevölkerung: etwa 50 Prozent sind Frauen, 49 Prozent sind Männer; davon sind 22 Prozent Senioren, und rund 10 Prozent sind Jugendliche. Aber jeder Einzelne von uns ist Teil einer Familie. Man kann also sagen: Unser Haushalt geht jeden etwas an. Da verwundert es umso mehr, dass die Gruppe der Seniorinnen und Senioren, immerhin ein Fünftel der Gesamtbevölkerung und sogar namentlich im Titel erwähnt, im Haushalt der Ampelregierung so stiefmütterlich behandelt wird. Immerhin handelt es sich in Teilen auch um die Generation, die unser Land nach dem Krieg wiederaufgebaut und zu Wohlstand gebracht hat, denen wir alle also viel zu verdanken haben. ({0}) Da verwundert es auch, dass die Regierung die Haushaltsmittel für die Arbeit der Seniorenpolitik in 2022 einfach nur auf dem Niveau von 2021 fortschreibt. Es werden natürlich seniorenpolitische Projekte finanziert, zum Beispiel um demografische Veränderungen und das Lebensumfeld gemeinsam zu gestalten und Mitwirkung auf lokaler Ebene zu stärken. Es stehen auch Haushaltsmittel zur Verfügung, um gute Rahmenbedingungen für die Familienpflege zu schaffen und die Teilhabe älterer Menschen zu ermöglichen. Was in diesem Haushalt jedoch nur am Rande behandelt wird, ist ein großes gesellschaftliches Thema der letzten Jahre, wenn nicht sogar das größte gesellschaftliche Thema der letzten Jahre, weil es durch Corona noch an Relevanz gewonnen hat. Es geht um das Thema Einsamkeit. Deren Auswirkungen und der Umgang mit ihr bestimmten in den letzten Jahren zu Recht die öffentliche Diskussion. Viele Menschen leiden unter Einsamkeit oder sozialer Isolation mit weitreichenden Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gesundheitswesen. Die gesundheitlichen Folgen umfassen neben psychischen Folgen wie zum Beispiel Stress, Angsterkrankungen, Depressionen oder Demenz auch physische Folgen wie zum Beispiel eine höhere Anfälligkeit für Infektionen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Fehlernährung. Vereinsamung macht also krank. Einsamkeit betrifft alle Generationen. Besonders stark betroffen sind jedoch die jungen Erwachsenen und die hochaltrigen Seniorinnen und Senioren. Eine erfolgreiche Strategie gegen Einsamkeit muss deshalb darin bestehen, Menschen bis ins hohe Alter dabei zu unterstützen, selbstbestimmt zu leben und an der Gesellschaft teilzuhaben. Wir müssen die Forschung intensivieren, Programme auflegen und neue Konzepte für eine aktive Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben entwickeln. ({1}) Wir als Union sehen, welch weitreichende Folgen Einsamkeit haben kann. Wir haben diesbezüglich ein Positionspapier entwickelt mit dem Titel „Gemeinsam gegen Einsamkeit – Für eine nationale Strategie“ und dort Maßnahmen festgehalten. Es gibt also auch in Bezug auf das Thema Einsamkeit noch viel zu tun. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die Einsamkeitsstrategie, die Anfang des Jahres von der ehemaligen Ministerin Anne Spiegel angekündigt wurde. Das Kompetenznetzwerk Einsamkeit hat ja seine Arbeit im Februar aufgenommen und hilft Ihnen sicherlich dabei, eine Strategie zu entwickeln. Ganz entscheidend ist dabei aber eine auskömmliche Finanzierung, um Einsamkeit zu vermeiden. Und diese Finanzierung spiegelt sich leider in Ihrem aktuellen Haushalt noch nicht wider. Herzlichen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ulrike Bahr spricht jetzt für die SPD-Fraktion. ({0})

Ulrike Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft, und darum gehören sie immer ins Zentrum unserer Politik. Seit mehr als zwei Jahren sind wir nun im Krisenmodus und haben sie nicht immer genug berücksichtigt. Das sage ich durchaus selbstkritisch. Der Kollege Spahn hat zu Beginn der Pandemie einmal gesagt, wir würden uns später viel verzeihen müssen. Die Frage ist, ob unsere Kinder uns verzeihen können: die gesperrten Spielplätze, die geschlossenen Schulen und Kitas, während Büros und Geschäfte zunächst offen blieben. ({0}) Dieser Umgang mit der Pandemie hat für Kinder und Jugendliche Folgen, die wir gerade erst beginnen aufzuarbeiten. Wissenschaftliche Studien unterstreichen dies. Ich nenne hier exemplarisch die COPSY-Studie zur psychischen Gesundheit in der Pandemie am Hamburger Universitätsklinikum und die KiZCo-Erhebung zum Kinderschutz des Deutschen Jugendinstituts in München. Fast jedes dritte Kind leidet nach Beginn der Pandemie unter psychischen Auffälligkeiten. ({1}) Betroffen sind vor allem Kinder und Jugendliche aus armen Familien. ({2}) Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat eine neue Fluchtbewegung ausgelöst. Im letzten Vierteljahr sind etwa 800 000 Menschen aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, vorwiegend Frauen, Kinder und Jugendliche. Viele Geflüchtete zeigen großes Interesse an Integrationskursen, beruflicher Orientierung und wollen in Schulen und Kitas ankommen. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr froh, dass wir in den Verhandlungen zum Haushalt 2022 Geld dahin geben konnten, wo es zur Krisenbearbeitung gebraucht wird. ({3}) So erhalten die Jugendverbände 3 Millionen Euro zusätzlich, um die Folgen der Pandemie etwas abzufedern und wieder Kinder und Jugendliche für Jugendarbeit zu begeistern. Denn die Zyklen sind kurz: Wer mit 16 Jahren nicht die Gelegenheit hatte, in der Mädchengruppe, im Alpenverein oder im Naturschutz in Engagement und Verantwortung hineinzuwachsen, wird das mit 18 nicht einfach nachholen. Großartig, dass sich so viele Jugendverbände diesen Anstrengungen stellen, und gut, dass es dafür finanzielle Unterstützung gibt. ({4}) Gut ist auch, die Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für geflüchtete junge Menschen zu stärken. Die Jugendmigrationsdienste leisten da seit vielen Jahren vorbildliche Arbeit. Aber zur Wahrheit gehört auch: Sie sind seit Langem am Limit und völlig unterfinanziert. Während der Finanzkrise kamen viele junge Südeuropäer/-innen nach Deutschland und brauchten ihre Unterstützung. Später waren es syrische, irakische und afghanische Geflüchtete, inzwischen sind es junge Menschen aus der Ukraine. Jetzt kann ein Aufwuchs von 8 Millionen Euro wenigstens die Spitzen abfedern. Kaum ein Bereich der Jugendsozialarbeit bringt so schnelle und greifbare Ergebnisse wie die Arbeit der Jugendmigrationsdienste. Sie betreuen zum großen Teil hochmotivierte und engagierte junge Menschen, die Unterstützung brauchen, um sich hier gut zurechtzufinden. Jeder Euro ist hier gut angelegt! ({5}) Kinder und Jugendliche brauchen Förderung und Bildung, Gemeinschaft und Vorbilder, damit sie sich für Demokratie und Gesellschaft begeistern können. All das bietet zum Beispiel das genannte Programm „Respekt Coaches“. In diesem Projekt bearbeiten sozialpädagogische Fachkräfte mit Schülerinnen und Schülern an mehr als 400 Schulen Themen wie „Respekt“, „soziale Ungleichheit“, „Religion“, „Demokratieverständnis“ oder auch aktuell zum Ukrainekrieg. Ich bin sehr erleichtert, dass die zusätzlichen 15 Millionen Euro, die der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zugesagt hatte, auch jetzt, 2022, wieder zur Verfügung stehen. Darum vielen Dank an unsere Haushälter/-innen für diese guten Nachrichten. Aber auch für den Haushalt 2023 gilt: Kinder und Jugendliche dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren; denn was wir an ihnen versäumen, kann kaum wieder nachgeholt werden. Vielen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dorothee Bär bekommt jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Haushaltsentwurf für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend tun Sie so, als ob das wirklich der ganz, ganz große Wurf wäre – und das nicht nur wegen der 12,6 Milliarden Euro, sondern angeblich auch wegen der Inhalte. Jetzt mögen 12,6 Milliarden Euro erst einmal nach einer guten Nachricht klingen. Aber wenn man bedenkt, dass der größte Anteil im Einzelplan 17, nämlich 86 Prozent, schon für fixe gesetzliche Leistungen vorgesehen ist, dann ist klar: Es bleibt nicht mehr viel Spielraum, und den Spielraum, der da ist, nutzen Sie leider nicht. ({0}) Das zeigt sich auch darin, dass die angekündigten Verbesserungen, die es angeblich gibt, gar nicht bei den Familien ankommen. Das heißt: Die Familienpolitik der Ampel existiert quasi nicht. Das hat man heute auch bei allen Rednern der Ampelkoalition gemerkt. ({1}) Dass in dieser Koalition viel im Argen liegt, hat man auch an den Reden gemerkt. Frau Raffelhüschen hat, wenn vielleicht auch unabsichtlich, gleich mal die Grünen gebasht; da haben Sie uns an Ihrer Seite. ({2}) Frau Fester zerlegt den Bundeskanzler. Respekt! Da muss man schon sagen: Von wegen „Fortschrittskoalition“ und „es läuft“ – da ist nicht viel übrig. ({3}) Das finde ich schon beeindruckend; denn es geht hier um Menschen: Es geht um Familien, es geht um die Jugend, es geht um Frauen, es geht um Senioren. Sie aber zerstreiten sich nur. Das ist wirklich nicht angemessen für unser Land und gegenüber allen, für die Sie zuständig sind. ({4}) Sie machen sich in dem Einzelplan noch nicht einmal die Mühe, differenziert zu schauen: Wo sind unterschiedliche Dringlichkeiten? Wo sind unterschiedliche Bedarfe? Vielmehr gibt es da auf der einen Seite viel Gießkannenprinzip. Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, hauptsächlich die vermeintlich eigene Klientel zu bedienen, Geld auszuschütten über jeweilige Zielgruppen ohne Plan und ohne Ziel – und das gleichzeitig zu einer Aufnahme von neuen Schulden in Milliardenhöhe. In den letzten Jahren bestand eigentlich schon einmal mehr Einigkeit darin, zu sagen, dass Kinder auf Schuldenbergen nicht spielen können. Nachdem die Ausschussvorsitzende gerade gesagt hat, wie sehr ihr Kinder am Herzen liegen, muss man sagen: Dann kann doch die Ampel nicht so viele Schulden auftürmen, dass später keiner mehr Luft zum Atmen hat. ({5}) Sie wollten unbedingt regieren. Jetzt, wo Sie es tun, tun Sie es nicht. ({6}) Regieren ist ein Versprechen, die Zukunft besser zu gestalten als die Gegenwart. ({7}) Sie aber falsch einzuschätzen, wirft die Frage nach Ihrer eigenen Zukunftskompetenz auf. ({8}) Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie tun das, weil Sie es nicht besser wissen, oder mangels Kompetenz oder aber, weil es im Grunde egal ist: Hauptsache, ideologisch passfähig. Ich möchte jetzt schon noch ein paar Worte verlieren zum Demokratiefördergesetz, was heuer noch beschlossen werden soll. Abgesehen davon, dass es den großen Block der gesetzlichen Leistungen noch weiter anwachsen lässt, ist es eben auch haushalterisch ein Fass ohne Boden. Wir sind uns einig, dass wir auf jeden Fall entschieden – völlig richtig – etwas gegen Rechtsextremismus tun müssen; das ist völlig klar. Aber – man höre und staune! – der Islamismus taucht als demokratiegefährdende Form gar nicht auf, obwohl es rund 550 islamistische Gefährder und dicke Verfassungsschutzberichte dazu gibt. Für uns stellt es sich so dar, dass der Islamismus eine reale Gefahr für unsere offene, liberale Gesellschaft in Deutschland ist. Daher würde ich Sie bitten, an dieser Stelle besser hinzuschauen. ({9}) Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht der eigenen Ampel, wobei, wie gesagt, die Kommunikation unter den Ampelfraktionen nicht so vorhanden zu sein scheint, wenn ich mir mal die FDP anschaue. Die Ministerin hat die „FAZ“ zitiert. Auch ich darf hier mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, die „FAZ“ zitieren, die gestern getitelt hat: „Gegen Antidemokraten zu sein reicht nicht“. Das sagen nicht nur wir; das sagt auch die FDP-Innenpolitikerin Linda Teuteberg. Sie hat bezüglich des Demokratiefördergesetzes „Zweifel, ob es die Richtigen stärkt“. Also, vielleicht fragen Sie einmal in der eigenen Ampel nach, ob das alles so richtig ist, was Sie hier vorschlagen an dieser Stelle. ({10}) Dafür wollen Sie im neuen Haushaltsplan die Mittel auf satte 184 Millionen Euro anheben, obwohl im Haushaltsjahr 2021 nur 116 Millionen Euro für das Vorläuferprogramm abgerufen wurden. ({11}) Wir sind so strikt gegen eine Verstetigung, weil das eine vage und umstrittene Sache ist und sich die Frage stellt, wo uns das haushalterisch an anderer Stelle einschränkt. Die Wunschliste aus dem Koalitionsvertrag kennen wir; sie ist lang. Davon sehen wir bislang sehr wenig abgebildet. Stichwort „Zeitenwende“, das so oft bemüht wird: Auch hier Fehlanzeige! Wir orientieren uns an den konkreten Bedarfen für die Kinder, für die Jugendlichen, für die Seniorinnen und Senioren, für die Frauen in diesem Land. ({12}) Deswegen haben wir uns unter anderem auch für ein neues Kinderbetreuungsausbauprogramm starkgemacht, die Sprach-Kitas wurden schon angesprochen – alles ganz konkrete Punkte, die Sie ganz leicht umsetzen können, wenn Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mit wenigen geschickten Ansatzveränderungen würden Sie wirklich die Familien in unserem Land stärken.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich wollte nur wissen, ob Sie die Frage von Herrn Hönel zulassen wollen.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Hönel hat ja schon Redezeit gehabt. Nein, das werde ich jetzt an der Stelle nicht tun. Die Familie ist das Rückgrat unserer Gesellschaft – die Mitte, wo Deutschland auch sein Gesicht der Menschlichkeit zeigen kann. Deswegen nehmen Sie bitte noch einmal eine Neubewertung vor, auch eine Neubewertung des Koalitionsvertrags. Alle Rednerinnen und Redner haben ja gesagt, dass sich die Welt verändert hat. Der Koalitionsvertrag ist aus dem letzten Jahr und bildet die Realität jetzt nicht mehr ab. Stimmen Sie unseren Anträgen zu! Dann tun Sie etwas für die Familien. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion hat Leni Breymaier das Wort. ({0})

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns im Koalitionsvertrag viel vorgenommen für den Bereich „Familien, Frauen, Jugend, Seniorinnen und Senioren“. ({0}) Uns Ampelfamilienpolitikerinnen und ‑politiker und die ganze Ampel eint weitgehend die Vorstellung einer chancengerechten und diskriminierungsfreien Gesellschaft. Dazu gehört auch, tüchtig etwas zur Stärkung der Demokratie zu tun. Während hier die Debatte lief, habe ich recherchiert: Seit 2016 sind 22 Menschen durch Rechtsextremismus zu Tode gekommen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir haben es bitter nötig, dagegen etwas zu tun. ({1}) Darum ist es gut, dass wir da etwas machen. Wir müssen auch denjenigen, die die Demokratie verächtlich machen und den Institutionen und Repräsentantinnen und Repräsentanten Ungutes wünschen, wie zum Beispiel in „Quasselgruppen“ der AfD, ({2}) gesellschaftlich etwas entgegensetzen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Und das machen wir, indem wir Demokratie stärken. ({4}) Es ist jetzt schon einiges gesagt worden; ich will nur noch auf eines hinweisen: Der Islamismus, Frau Kollegin Bär, ist selbstverständlich auch in diesem Haushalt berücksichtigt. Auch dagegen muss man etwas tun. Das Problem ist durchaus auf dem Zettel. Jetzt zum Haushalt als solchem. Wir haben bisher recht wenig gehört zum Thema „Frauen und Gleichstellung“. Deswegen dachte ich, das mache ich jetzt mal. Wenn wir hier von Frauen reden, dann geht es natürlich nicht allein um Karrierefrauen. Wir Frauen sind Mütter, Arbeitskolleginnen, Ehefrauen, Partnerinnen, Nachbarinnen, was auch immer. Was uns alle eint: Wir sind diskriminiert. ({5}) Deshalb ist es gut, dass wir mit diesem Haushalt den Deutschen Frauenrat stärken. ({6}) Es ist gut, dass die Bundesstiftung Gleichstellung finanziell verstetigt ist. Sie hatte vor drei Tagen ihren ersten Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch an die, die dort etwas aufbauen! ({7}) Wir freuen uns, dass UN Women – das war auch Ihre Forderung – in diesem Jahr tatsächlich mehr Geld bekommt. Das alles ist also wunderbar. Darüber hinaus sind wir Familienpolitikerinnen und Familienpolitiker immer auch total nett zu den anderen Arbeitsgruppen und Ausschüssen, weil wir von euch so viel brauchen. Ich freue mich zum Beispiel darüber, dass die Bundespolizei beim Zoll eine vierstellige Personenzahl mehr bekommt. Das ist auch in unserem Bereich gut, wenn es um die Frage von Zwangsprostitution geht. Wir freuen uns darüber, dass wir künftig BAföG bis 45 Jahre haben, weil dann auch krumme Lebensläufe von Frauen mit Kindern usw. Berücksichtigung finden. Das Elterngeld steigt um fast 270 Millionen Euro. Manches kostet auch gar nichts, zum Beispiel, wenn wir den § 219a StGB streichen. ({8}) Kolleginnen und Kollegen, nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Wir machen jetzt den 22er-Haushalt und haben den 23er, 24er und 25er tatsächlich im Blick. Es geht natürlich um diese Riesenprojekte, die wir uns vorgenommen haben: Schutz vor Gewalt, Kindergrundsicherung muss gut vorbereitet werden, das Gute-KiTa-Gesetz wollen wir weiterführen. Das gehört schon auch dazu. Ich finde die Ampelkoalition toll. ({9}) Ich finde es aber auch toll, dass wir nicht über alles in Harmonie Puderzucker streuen. ({10}) Deshalb möchte ich der Kollegin Raffelhüschen sagen: Lassen Sie uns doch bitte nicht die Kinder gegen die Alten ausspielen. Das sollten wir nicht machen. ({11}) Das würde ich gut finden. Lassen Sie uns die Projekte angehen, die wir uns vorgenommen haben. Wir machen jetzt den 22er-Haushalt fertig und haben den 23er-Haushalt im Blick. Ich bedanke mich bei allen Haushälterinnen und Haushältern, bei unserer Kollegin Elisabeth Kaiser und bei den Haushältern der anderen Ampelfraktionen sehr für Ihre Arbeit. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit, und ich freue mich auf ein gutes Arbeiten im Familienausschuss für die Familien in diesem Land. Herzlichen Dank. ({12})

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Ministeriums für Digitales und Verkehr offenbart: Die Ampel ist in Wahrheit ein Bremslicht. Statt den Infrastrukturausbau in unserem Land voranzubringen, werden wertvolle Steuergelder in zweifelhaften Experimenten wie dem 9‑Euro-Ticket verbrannt. Die Ampel gönnt sich damit schon einen ordentlichen Schluck aus der Schuldenpulle. Leidtragender ist und bleibt der Steuerzahler, der am Ende mit einem Riesenkater aufwachen wird und dafür am Ende auch noch die Zeche bezahlen darf. ({0}) Denn von den 2,5 Milliarden Euro Mehrkosten wird kein einziges neues Gleis verlegt, kein Stellwerk modernisiert, keine Schleuse repariert, keine Umgehungsstraße gebaut und kein Funkloch geschlossen. Das Ende vom Lied wird sein: Das Geld ist verprasst, das Konto weist ein dickes Minus auf, und der ÖPNV ist nach drei Monaten für die Leute wieder genauso unattraktiv wie zuvor. Da kann man zu Recht fragen: Was habt ihr gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel? Nachhaltiges Wirtschaften sieht wahrlich anders aus. ({1}) Kommen wir zu einem weiteren sehr schönen Ampelprojekt: die Förderung des Fußverkehrs. ({2}) Alles schön und gut. Auch bei aller Sympathie für das Wandern fällt es mir schwer, ({3}) hier eine Zuständigkeit des Bundes zu erkennen. Wir brauchen hier wahrlich mehr Haushaltsdisziplin. Wenn wir vernünftige Haushalte haben wollen, müssen wir endlich damit aufhören, die Zuständigkeiten von Bund, Ländern und Kommunen wild miteinander zu vermischen, und sollten uns wieder auf die Kernaufgaben des Bundes konzentrieren. ({4}) Wir als CDU/CSU wollen Technologieoffenheit und einen Mobilitätsmix – eben kein Ausspielen von einzelnen Verkehrsträgern. Wir wollen Forschung und Entwicklung autonom und automatisiert fahrender Verkehrsmittel, zum Beispiel automatisiert fahrender Shuttlebusse, fördern. Hierzu gibt es zum Beispiel in meinem Wahlkreis, in Kelheim, mit dem Projekt KelRide einen interessanten Feldversuch. Gerade im ländlichen Raum können wir mit derart innovativen Projekten eine viel größere Wirkung entfalten als mit kurzfristigen Rabattaktionen. Das wäre zukunftsgerichtete Verkehrspolitik. ({5}) Die Ampel betont bei jeder Gelegenheit gerne, wie wichtig ihr der Ausbau der Schieneninfrastruktur ist. Das ist auch wichtig. Ein Blick in den Haushalt zeigt jedoch, dass dies in Wahrheit nur Lippenbekenntnisse sind. So fordert Rot-Grün-Gelb einerseits in einem Maßgabebeschluss sehr prominent im Haushaltsausschuss, mehr Geld in den Schienenausbau zu investieren, kürzt aber zeitgleich die Verpflichtungsermächtigungen für den Bedarfsplan Schiene im Haushalt. Das sind krasse Widersprüche und ist eine absolute Augenwischerei. ({6}) Als Union haben wir deshalb einen Änderungsantrag vorgelegt und fordern, dass diese Investitionen wieder das Niveau von 2021 erreichen. Ich freue mich auf Ihre Zustimmung. Auch im Bereich Planungsbeschleunigung ist die Ampel ambitionslos. Wie dringend hier Nachbesserungsbedarf besteht, zeigt ein Beispiel, was letzte Woche in der Presse zu lesen war. Die Länder Berlin und Brandenburg haben sich darauf verständigt, die sogenannte Stammbahn zwischen Berlin und Potsdam wieder zu reaktivieren. Obwohl schon viele Vorarbeiten bei diesem Projekt geleistet wurden, wird es vermutlich bis sage und schreibe 2040 dauern, bis dort die ersten Züge fahren. Grund hierfür ist das lange Planfeststellungsverfahren. Am Ende wird es also geschlagene 50 Jahre dauern, also ein halbes Jahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung, bis es möglich ist, diese kurze Strecke zu nutzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann und darf nicht unser Anspruch beim Infrastrukturausbau sein. ({7}) Akzente für eine moderne Mobilität finden sich in diesem Haushalt kaum. Ganz im Gegenteil: So werden beispielsweise Mittel für zukunftsweisende Projekte wie das Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft in München gekürzt ({8}) und Innovationschancen verspielt. ({9}) Das wäre eine wirkliche Blaupause für die moderne Vernetzung aller Stakeholder im Bereich der Mobilität gewesen. Unser Unionsantrag wurde trotz heftiger Diskussion abgelehnt. Das war ein sehr, sehr großer Fehler. ({10}) Entgegen der Ankündigung der Ampel in ihrem eigenen Koalitionsvertrag wird es auch kein zusätzliches zentrales Digitalbudget im Haushalt 2022 geben. Der jetzige Kompetenzwirrwarr in zahlreichen Ministerien im digitalen Bereich ist echt erschreckend. Wir haben dazu einen Antrag eingebracht, der von der Ampel abgelehnt wurde. Das war ein sehr, sehr großer Fehler. Zusammenfassend kann man über den digitalen Verkehrshaushalt der Ampel sagen: Er ist völlig innovations- und ambitionslos. Schlimmer noch: Der von der Union gestartete Investitionshochlauf kommt mit Androhungen wie zum Beispiel dem Straßenbaumoratorium zum Erliegen. Wichtige Verkehrsbauprojekte zur Entlastung von Anwohnern vor Ort werden damit ausgebremst. Die groß angekündigte Digitalisierungsoffensive beschränkt sich lediglich auf die Änderung des Ministeriumsnamens. Das reicht nicht. Als Fazit bleibt: Die sogenannte Fortschrittskoalition ist als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet. Die Ampel bleibt ein Bremslicht. Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Frank Schäffler spricht jetzt für die FDP-Fraktion. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will direkt auf Herrn Oßner antworten: Wenn man die Zahlen aus Ihren Änderungsanträgen im Haushaltsausschuss einmal zusammenrechnet, dann kommt heraus, dass die Union im Wesentlichen die Investitionen kürzen will. ({0}) Sie haben 130 Millionen Euro weniger an Investitionen veranschlagt als die Bundesregierung und die sie tragende Koalition. Sie machen also im Kern das Gegenteil dessen, was Sie selbst versprochen haben. ({1}) Wir dagegen kümmern uns um konkrete Investitionsprojekte. Ohne uns würde es jetzt keine Vertiefung des Seehafens in Rostock geben. Das haben Sie damals im Haushaltsverfahren vermasselt. Erst dadurch, dass wir hier Verpflichtungsermächtigungen bereitstellen, kommt dieses wichtige Projekt endlich voran. ({2}) Aber Oppositionsarbeit heißt nicht nur, etwas zu kritisieren, sondern man muss sich vielleicht auch ein Stück weit an die eigene Nase fassen. Da finde ich es besonders bemerkenswert – und darauf will ich im Wesentlichen eingehen –, wie Ihre Oppositionsarbeit im Haushaltsausschuss eigentlich aussieht. Sie haben einen Maßgabebeschluss zur Digitalisierung vorgelegt, aus dem ich gerne zitieren möchte. Darin heißt es: Der Haushaltsausschuss begrüßt, dass in der letzten Legislaturperiode im Bereich der Digitalisierung durch die damalige unionsgeführte Bundesregierung wichtige Weichen gestellt wurden. Punkt! ({3}) Das ist die politische Qualität der Haushaltspolitik der Union im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. ({4}) Wäre es nicht so traurig, könnte man eigentlich darüber lachen. ({5}) Denn das, was Sie in der Digitalpolitik hinterlassen haben, ist doch eine absolute Katastrophe. ({6}) Das sage nicht nur ich, sondern da gibt es genügend Quellen, von denen ich ein paar nennen möchte. Der internationale Wettbewerbsindex der Digitalisierung hat uns 2021 – damals haben Sie regiert – auf Platz 18 klassifiziert. 2016 waren wir noch auf Platz 15. Das Berliner European Centre for Digital Competitiveness hat uns in Europa auf den vorletzten Platz gesetzt. Nur Albanien ist schlechter. ({7}) Die G‑7-Staaten haben uns ebenfalls auf den vorletzten Platz gesetzt. Die G‑20-Staaten – das war alles in Ihrer Regierungszeit – haben uns auf den drittletzten Platz gesetzt, hinter Südafrika, Mexiko und Argentinien. Das ist Ihre Bilanz in der Digitalisierungspolitik. ({8}) Und jetzt werfen Sie uns hier nach 150 Tagen vor, wir hätten noch nichts erreicht. Ich finde, dafür sollten sich schämen. Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Marcus Bühl spricht jetzt für die AfD-Fraktion. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der grüne Traum aus den 90ern geht in Erfüllung: 5 Mark pro Liter Benzin werden an der Tankstelle so gut wie erreicht. Für die Pendler, für die Bürger im ländlichen Raum oder das Transportgewerbe ist die Preisexplosion dagegen zu einem anderen Traum geworden, nämlich zu einem Albtraum. Die hohen Spritkosten sind eine der Ursachen für die hohe Inflation, die den Bürgern das mühsam Ersparte auffrisst. Ja, es ist richtig, dass der Krieg in der Ukraine zu weltweiten Preisanstiegen führte. Aber der Blick zu unserem Nachbarn Polen zeigt, dass es nicht der ausschließliche Grund ist. Einen wesentlichen Unterschied zwischen polnischen und deutschen Kraftstoffpreisen stellt der hohe deutsche Steuer- und Abgabenanteil dar. Denn es war und ist der politische Wille dieser und der vorherigen Koalition, Autofahren zu verteuern und eine ideologische Verkehrswende zu betreiben, sei es durch die CO2-Bepreisung oder hohe Energiesteuern. Die fatalen wirtschaftlichen Folgen dieses Kurses sind inzwischen deutlich messbar. ({0}) Die Antwort von Links-Gelb heißt dann: Entlastungspaket. Was ist das? Ein Flickenteppich, der den Benzinpreis für 90 Tage um 30 Cent und den Dieselpreis um 14 Cent senkt. Dieses Sommerstrohfeuer soll vielleicht die Bürger etwas besänftigen. Eine wirkliche Lösung sieht anders aus. Was wir brauchen, sind langfristige Lösungen wie das dauerhafte Absenken der Energiesteuern. Das gebietet allein die wirtschaftliche Vernunft. Das zu beschließende 9‑Euro-Ticket für 90 Tage wird bestimmt kein Sommermärchen, sondern ein Sommerchaos, welches sich jetzt schon bei der Bahn andeutet. ({1}) In den Haushaltsberatungen haben wir viel über hohe Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur gesprochen. Hoffentlich bleiben die Vorhaben nicht im Schaufenster stehen und finden sich nächstes Jahr als Ausgabenreste wieder, wie leider schon so oft. Unsere Infrastruktur ist stark belastet. Besonders bei Brückenbauwerken stehen wir vor enormen Herausforderungen in den nächsten Jahren. Unsere Straßen wickeln fast 80 Prozent des Verkehrs ab, und das muss sich auch in den Investitionen und in den Ausgaben für den Erhalt im Haushaltsplan widerspiegeln. Wir teilen nicht die Auffassung der Koalition, dass die Schiene mehr Mittel als die Straße erhalten soll. Auch diese Position passt zur Politik der links-gelben Regierung, Autofahren immer teurer zu machen. Wir können dem Haushalt in dieser Form daher nicht zustimmen. Vielen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Metin Hakverdi ist jetzt der nächste Redner für die SPD-Fraktion. ({0})

Metin Hakverdi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004289, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des BMDV, des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, hat traditionell einen sehr großen Investitionshaushalt. Wir bauen große Bahnhöfe, Autobahnen, neuerdings auch Radwege, große Wasserstraßen, Schleusen, digitale Stellwerke und riesige Bahnbrücken. Wir bauen sie nicht nur, wir müssen sie auch auf dem neuesten Stand der Technik halten, und ab und zu muss man sie sanieren. Unsere Klimaziele setzen uns im Verkehrssektor besonders unter Druck. Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun Sie mir bitte den Gefallen – vielleicht nicht jetzt, sondern später – und googeln Sie mal Ihren Wohnort und das Jahr 1990, dann drücken Sie auf „Bilder“, und dann gucken Sie mal, was Sie finden. – Und was fällt Ihnen da auf? 1990 waren sehr wenig Autos auf der Straße, richtig wenig Autos auf der Straße. Jetzt rechnen Sie mal: Bis 2030 wollen wir 65 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 – im Vergleich zu 1990, nicht im Vergleich zu heute – einsparen. Das betrifft in erheblichem Maße auch den Verkehr. Schauen Sie noch einmal auf die Bilder. Ich würde sagen, das bedeutet eine Menge Elektroautos und sehr viele zusätzliche Bahnkunden bis 2030. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, wird sich einiges in diesem Jahrzehnt wandeln müssen, auch im Sektor Verkehr. Sicherheit im Wandel bedeutet, dass wir massiv in die Verkehrsinfrastruktur investieren müssen. Es wäre großartig, wenn mehr Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen. Es wäre großartig, wenn mehr Güter von der Straße auf die Schiene oder auf die Wasserstraßen kämen. Es wäre großartig, wenn mehr Menschen das Rad benutzen würden. Klar ist aber auch: Mobilität darf kein Luxusgut werden. Sie muss für alle Einkommensgruppen bezahlbar bleiben. ({0}) Der Wandel im Verkehrssektor darf keinen sozialen Abstieg fördern. Mobilität gehört zur Daseinsvorsorge. Wir haben in den Beratungen seit der ersten Einbringung des Haushalts Ende März dieses Jahres einige Änderungen vorgenommen, um den Wandel im Verkehrssektor schneller voranzubringen. Beispielhaft seien hier genannt: Zuschüsse an private Unternehmen im kombinierten Verkehr: Wir unterstützen Investitionen in Anlagen, die Güter von der Straße auf die Schiene oder aufs Wasser bringen. Radverkehr: Wir investieren mehr in das Radnetz Deutschland und in das Sonderprogramm „Stadt und Land“. In Zukunft werden mehr Menschen auf das Rad umsteigen, weil es, elektrisch verstärkt, komfortabler wird und vor allen Dingen größere Reichweiten haben wird. Dazu braucht es auch ein richtiges Radwegenetz. Wasserstraßen: Wir haben darüber hinaus die Mittel zur Unterhaltung von Wasserstraßen erhöht. Allein für die Seekanalvertiefung Rostock haben wir Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 118 Millionen Euro in den nächsten Jahren ausgebracht. Und schließlich die wichtigste Veränderung zum Regierungsentwurf: Für die Digitalisierung der Schiene haben wir mehr als 400 Millionen Euro bereitgestellt. Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Thema Digitalisierung zu den Herausforderungen der Zukunft im Verkehrsetat kommen. Ich sehe zwei Schwerpunkte: erstens Digitalisierung der Schiene, zweitens Erhalt der Infrastruktur. Wir sehen dieser Tage, dass die Bahn immer wieder an ihre Leistungsgrenze kommt: Verspätungen, Zugausfälle, schlicht zu geringe Kapazitäten auf bestimmten Strecken. Diese Probleme bestehen nicht nur bei der Bahn. Sanierungsbedürftige Autobahnbrücken, Wasserwege und Schleusen bereiten uns heute oftmals große Probleme. Wenn wir hier nicht schnell gegensteuern, kann das richtig teuer werden. Wir müssen in den kommenden Jahren in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur investieren. Wir müssen in diesem Bereich unsere Versäumnisse der Vergangenheit aufholen. Gleichzeitig müssen wir im Bereich Digitalisierung der Schiene noch ehrgeiziger werden; denn es schlummert ein riesiger Schatz in unserem Trassennetz. Durch die digitale Vernetzung der bestehenden Infrastruktur – der Gleise, der Weichen, der Stellwerke, der Signale und der Fahrzeuge auf den Gleisen – können die bestehenden Gleise deutlich mehr Kapazität, also mehr Züge, deutlich zuverlässiger bewältigen. Dafür müssen wir aber in die Infrastruktur investieren und sie digital ausrüsten. Wenn wir wollen, dass Menschen vom Auto auf die Bahn umsteigen – das ist gut so –, dann muss die Bahn aber auch verlässlich, komfortabel und preiswert sein. Wir werden das nur mit massiven Investitionen in die Infrastruktur erreichen. Dabei sind die Digitalisierung der Schiene und der Ausbau des Streckennetzes besonders wichtig; denn so wird das Umsteigen auf die Bahn attraktiver. Wir haben deshalb im Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss an die Bundesregierung gerichtet – mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich daraus –: Die Bundesregierung ist aufgefordert, bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs 2023 und der Finanzplanung im Einklang mit dem Koalitionsvertrag bei der Anhebung und langfristigen Absicherung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur erheblich mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren. ({1}) Mit den anzuhebenden Ansätzen im Kapitel Bundesschienenwege sind insbesondere die Digitalisierung der Schiene und die Ausweitung des Streckennetzes im Bahnverkehr prioritär voranzutreiben. Damit ist alles gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Haushaltsausschuss hat mit diesem Maßgabebeschluss ein Machtwort Richtung Regierung gesprochen. Wir meinen es ernst. Wir wollen die Schiene ausbauen, wir wollen die Schiene digitalisieren. ({2}) Wir sehen uns hier alle nach der Sommerpause wieder, um den Haushalt 2023 zu beraten. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in die Verkehrsinfrastruktur investieren. Zum Abschluss noch herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen Berichterstatterinnen und Berichterstatter. Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium, an die Referentinnen und Referenten in den AGen und in den Abgeordnetenbüros. Die Arbeit hat sich gelohnt. Ich freue mich auf den Haushalt 2023. Vielen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Auch der Dank war innerhalb der Redezeit. Ich nehme das als Anregung für alle nachfolgenden Rednerinnen und Redner mit und gebe jetzt das Wort dem Kollegen Victor Perli für die Fraktion Die Linke. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was wurde nicht alles versprochen: ein neuer Aufbruch bei Digitalem und Verkehr, mehr Güter auf die Schiene, überhaupt mehr Geld für die Bahn als für die Straße. Nichts davon findet sich in diesem Haushalt. Die neue Regierung macht genauso weiter wie die alte. ({0}) Das 9‑Euro-Ticket ist auf jeden Fall super. Aber es ist Wunschdenken, wenn Sie hier behaupten, dass bei Bus und Bahn alles besser wird, nur weil drei Monate lang günstiger fahren angesagt ist. ({1}) „9‑Euro-Ticket hab ich. Wo bleibt der Bus?“ Das ist doch die Situation außerhalb der großen Städte. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass Bus und Bahn dauerhaft günstig werden, dass das Angebot im ländlichen Raum ausgebaut wird. Das ist die Aufgabe dieser Zeit, und das macht die Ampelkoalition genau nicht, meine Damen und Herren. ({2}) Schauen wir auf die Zahlen. Als die Grünen noch in der Opposition waren, sagte der Kollege Kindler – ich zitiere –: „Was jetzt im Haushalt notwendig ist, ist eine klare Verkehrswende mit Schwerpunkt auf der Bahn …“ Dazu wollten die Grünen die Mittel für den Schienenneubau in einem ersten Schritt auf 3 Milliarden Euro erhöhen. Jetzt sitzen die Grünen in der Regierung und für den Neubau gibt es keine 3 Milliarden Euro, sondern 1,9 Milliarden Euro. Das ist genau die Summe, die der ehemalige Verkehrsminister Scheuer von der CSU bereits in den Entwurf eingestellt hatte; keinen einzigen Cent haben Sie obendrauf gesetzt. Im Vergleich zur Großen Koalition ist es sogar so, dass die Ampel die Mittel für die Straße deutlicher erhöht als die Mittel für die Schiene. Beim Personal ist es dasselbe: 29 neue Stellen für das Fernstraßen-Bundesamt, damit neue Autobahnen schneller geplant werden, ({3}) aber nur 9 neue Stellen beim Eisenbahn-Bundesamt. Jetzt kürzen Sie auch noch wichtige Förderprogramme für die Schiene, zum Beispiel für den Güterverkehr, für die Gleisanschlüsse, für den Deutschlandtakt. Im Koalitionsvertrag versprechen Sie genau das Gegenteil. Es gibt dabei überhaupt nichts schönzureden, meine Damen und Herren. ({4}) Einige denken sich jetzt wahrscheinlich: Na ja, das Geld wird ja vielleicht gar nicht gebraucht. Das behaupten Die Linke und der Perli nur. – Aber weit gefehlt: Interne Dokumente aus dem Ministerium, die mir zugespielt worden sind, ({5}) belegen, dass die Beamten, die für die Schiene zuständig sind, bereits Alarm schlagen, weil sogar für die wichtigsten Zukunftsprojekte das Geld fehlt. ({6}) – Hören Sie mal zu, was die Verkehrsverbände, die Hoffnungen auf Sie gesetzt haben, jetzt sagen! Allianz pro Schiene sagt – ich zitiere –: „ Der Bundeshaushalt 2022 ist eine herbe Enttäuschung“ und „Die Ampelkoalition hat … verkehrspolitisch kein Aufbruchsignal gesetzt, sondern sich für ‚Weiter-Soʼ entschieden.“ Das ist die Lage. Was SPD, Grüne und FDP hier vorgelegt haben, ist eine einzige Enttäuschung. Es ist zu nichts zu gebrauchen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Perli, da ich annehme, dass Sie wissen, dass es im Plenum untersagt ist, Plakate oder Transparente hochzuhalten, gehe ich davon aus, dass das, was Sie hochgehalten haben, ein besonders groß ausgedruckter Teil Ihres Manuskriptes war. ({0}) Ich gebe das Wort an die Kollegin Dr. Paula Piechotta für Bündnis 90/Die Grünen. ({1})

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer/-innen! Das Spannende ist, dass wir diese Debatte, wenige Stunden bevor das 9‑Euro-Ticket – das ja definitiv die Geister spaltet – an den Start geht, führen. Man kann jetzt viel kritisieren – es gibt die einen, die das jeden Tag tun; es gibt die anderen, die die Vorteile betonen –, aber niemand kommt in diesen Tagen am 9‑Euro-Ticket vorbei, weil es Realitäten schafft. Das sind keine perfekten Realitäten. Aber das 9‑Euro-Ticket zeigt, auch in dem begrenzten Zeitraum, in dem es gilt, was möglich ist in diesem Land, wenn die große Gestaltungsmacht des Bundeshaushaltes, der Bundesgesetzgeber, die Länder, die Verkehrsverbünde, die Menschen in diesem Land tatsächlich zusammenkommen und an einem Strang ziehen. ({0}) Es zeigt uns aber auch – Herr Perli, da haben Sie recht –: Ein halbes Jahr Ampelregierung macht nicht alle Nachlässigkeiten und Fehler der Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte rückgängig. ({1}) Wir müssen die Verkehrswende jetzt, wo wir von der Realität eingeholt werden und ganz schnell von fossilen Energien unabhängig werden müssen – auch im Verkehrsbereich, was wir zum Beispiel mit dem 9‑Euro-Ticket versuchen –, schaffen, obwohl wir nicht die Vorarbeit vorfinden, die dafür eigentlich hätte geleistet werden können. Wir schaffen Realitäten und erkennen gleichzeitig an, dass sie unperfekt sind, aber das nur, weil die Vorbereitung unperfekt war. Das ist die Realität nach einem halben Jahr Ampelregierung. Jede Schlagzeile über einen Zug oder über einen Bus, der überfüllt ist, oder über eine überlastete Bahnlinie wird uns, aber auch – was noch viel wichtiger ist – den Menschen im Land deutlich machen, dass uns das nicht noch mal passieren darf. Dafür haben wir nun Vorsorge im parlamentarischen Verfahren getroffen. Nachdem wir den Haushalt 2022 beschlossen haben, haben wir nicht mehr wahnsinnig viel Zeit – nur noch ein halbes Jahr – zum Ausgeben des umgeschichteten Geldes. Wir sehen aber auch, dass wir nicht alles korrigieren können, was auf Kabinettsseite nicht geleistet wurde. Deswegen haben wir uns auf die Punkte konzentriert – meine Kollegen haben das in Teilen angesprochen –, die tatsächlich in diesem Jahr noch sinnvoll machbar sind. Ein Kollege von mir meinte neulich: Jetzt, wo wir regieren, fällt mir zum ersten Mal auf, wie wichtig Ausgabenreste und Verpflichtungsermächtigungen sind. – Wir haben festgestellt, dass es teilweise relevante Ausgabenreste gibt. Wir haben in den entsprechenden Bereichen nicht aufgeschichtet, sondern haben geschaut, was man in diesem Jahr noch Sinnvolles machen kann. ({2}) Das machen wir jetzt zum Beispiel im Bereich digitale Schiene, 400 Millionen Euro plus. Das machen wir auch im Rahmen des Attraktivitätsprogramms für die Bahnhöfe. Hier sind auf Kabinettsseite Lücken gerissen worden, die wir teilweise wieder geflickt haben. Das 9‑Euro-Ticket wird uns zeigen, dass dauerhaft nicht mehr Menschen die Bahn nutzen werden, wenn sie – weil sie zum Beispiel auf einen Rollator oder einen Rollstuhl angewiesen sind – erst gar nicht zum Zug gelangen oder sich auf den Bahnhöfen einfach nicht sicher fühlen. Deswegen gibt es noch mal 21,5 Millionen Euro für das Bahnhofsprogramm obendrauf. Wir schaffen als erste Koalition im Bundeshaushalt einen Titel für Nachtzüge. Wir haben es geschafft, den diesbezüglichen Satz aus dem Koalitionsvertrag haushälterisch zu untersetzen. Wir beteiligen uns an der Schaffung der Voraussetzungen für ein dichtes, zuverlässiges europäisches Nachtzugnetz. ({3}) Nicht zuletzt stellen wir – manche mögen das als Gedöns bezeichnen – 30 Millionen Euro für ein Fahrradparkhausprogramm zur Verfügung. Nicht so sehr in kleinen, wohl aber in großen Gemeinden ist es durchaus ein Problem, dass der Knotenpunkt, die Verknüpfung von Radverkehr und Bahnverkehr, nicht funktioniert, weil die Menschen sich nicht trauen, über Nacht das Rad am Bahnhof stehen zu lassen. Und auch das wird hier behoben. Wir schaffen Realitäten, wir verändern Realitäten, und wir sind uns dabei aber natürlich bewusst, dass wir nicht die gesamten Fehler von Scheuer und seinen Vorgängern in einem halben Jahr und auch nicht im nächsten halben Jahr komplett neutralisieren können. ({4}) Wir werden jetzt – der Kollege hat das gerade richtig in den Raum geworfen – noch 131 Millionen Euro obendrauf packen. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit beim Radverkehr an meine Kollegin Swantje Michaelsen! Wir haben in den letzten Tagen gesehen, dass immer noch viele Menschen gerne auf das Rad umsteigen würden, sich aber nicht trauen, weil sie sich nicht sicher fühlen. Bei der Sicherheit der Radverkehrsinfrastruktur müssen Bund und Länder – genauso wie in allen anderen Verkehrsbereichen – noch besser zusammenarbeiten. ({5}) Wir alle profitieren am Ende davon, wenn die, die wollen, auch Fahrrad fahren können. Wir sparen damit nicht nur Emissionen ein. Vielmehr machen wir dadurch die gesamte Gesellschaft gesünder, und zwar nicht nur diejenigen, die selber Fahrrad fahren, sondern auch die anderen Mitmenschen, die durch weniger Abgase und weniger Lärm geschützt werden. Wir haben in diesem Haushalt nicht alle Probleme, die wir im deutschen Verkehrsbereich vorfinden, gelöst; das ist richtig. Aber wir haben angefangen, die richtigen Weichen zu stellen, um die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die wir als Ampel im Verkehrsbereich gegeben haben, einzulösen. Das 9‑Euro-Ticket ist das Sichtbarste und Spürbarste, was wir in diesem Bereich in den nächsten Monaten machen. Es wird uns auch unglaublich viele Daten liefern, die uns helfen werden, folgende Fragen zu beantworten: Wo reichen allein niedrige Preise – solche fordert die Linksfraktion immer – heute schon, um den Menschen ein wirklich gutes Umstiegsangebot beim öffentlichen Nahverkehr zu machen, und wo sind die Regionen, wo selbst ein niedriger Preis das noch nicht leisten kann, weil einfach nicht genügend Angebote da sind?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin Piechotta.

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir wollen es als Ampel schaffen, dass die Verkehrspolitik in diesem Land den Versprechen im Koalitionsvertrag gerecht wird; wir fangen damit dieses Jahr an.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin!

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Aber das ist unsere Forderung natürlich auch für die Haushalte der nächsten Jahre. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Felix Schreiner spricht jetzt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Debatte über den Bundeshaushalt wird es konkret. Man kann schwarz auf weiß sehen, was die jeweilige Koalition vorhat, was sie plant und was sie in Zukunft konkret anpacken möchte. Genau damit sind wir schon beim Problem. Diese Koalition hat keinen Plan, leidet unter jeder Menge Verwirrung und stiftet Verwirrung in ganz Deutschland. ({0}) Die Bundesregierung fällt durch Dauerstreitigkeiten auf. Es ist eben nicht klar, ob mit den 15 Millionen Elektroautos bis 2030 rein batteriebetriebene oder auch hybride Autos gemeint sind. Es ist nicht klar, ob bei den Verbrennungsmotoren auch synthetische Kraftstoffe eine Zukunft haben werden, schließlich werden 2030 noch 30 Millionen Verbrenner unterwegs sein. Es ist nicht klar, ob ein Tempolimit kommt oder ob es ad acta gelegt ist, ob neue Brücken sechs- statt vierspurig ausgebaut werden, um dem wachsenden Verkehrsaufkommen Rechnung zu tragen. Es ist auch nicht klar, was diese Koalition eigentlich macht, um den Bundesverkehrswegeplan bis 2030 noch schneller umzusetzen. Stattdessen gibt es Streit, etwa bei der A 100 hier in Berlin oder bei den Neckarschleusen in Baden-Württemberg. Wir müssen nach sechs Monaten Ampelkoalition schlicht und ergreifend festhalten: Anspruch und Wirklichkeit dieser selbsternannten Fortschrittskoalition klaffen meilenweit auseinander, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit. ({1}) Zum 9‑Euro-Ticket. Ich finde, Sie haben den Pfad der Solidität und der Verlässlichkeit in der Haushaltspolitik wirklich verlassen. Ihr Schnellschuss eines 9‑Euro-Tickets wird den Steuerzahler am Ende 2,5 Milliarden Euro und mehr kosten. In Wahrheit ist es handwerklich einfach schlecht gemacht. Sie haben keine Kompensation für die steigenden Energie-, Personal- und Baukosten vorgesehen. Das führt in der zweiten Runde zu einer Verteuerung der Ticketpreise bei den Kunden. Das gefährdet die privat finanzierten Innovationen im Verkehr. Das treibt familiengeführte Busbetriebe schlicht und ergreifend an den Rand der Insolvenz, weil sie sich beispielsweise schon jetzt vor Stornierungen gar nicht mehr retten können. Es ist eine Maßnahme gegen den ländlichen Raum und schafft nicht die Voraussetzungen dafür, dass wir eine dichtere Taktung und einen besseren Nahverkehr gerade im ländlichen Raum haben. ({2}) Was nutzt denn ein 9‑Euro-Ticket, wenn der Zug oder der Bus gar nicht fährt oder überfüllt ist? Sie verbrennen das Geld der Bürger. Sie werfen eine Nebelkerze nach der anderen, und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, meine Damen und Herren. ({3}) – Genau, vielen Dank, Herr Schäffler, für den Hinweis. Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Die Rekordinvestitionen im Verkehrsbereich sind doch nicht in diesem Haushalt, sondern in Wahrheit in der letzten Legislaturperiode in diesem Deutschen Bundestag beschlossen worden. ({4}) Es war die Vorgängerregierung, die das beschlossen hat, übrigens auch noch mit der SPD, die ja nicht mehr dabei gewesen sein will. ({5}) Die Wahrheit ist: Es war die Große Koalition, die im Deutschen Bundestag für Rekordinvestitionen im Verkehrsbereich in diesem Land gesorgt hat. Bekennen Sie von der SPD sich doch mal dazu. Es täte Ihnen eh viel besser, wenn Sie mal ein bisschen fröhlicher durchs Land gingen. Vielleicht werden dann Ihre Umfragen auch wieder besser. ({6}) Meine Damen und Herren, schon in der letzten Legislaturperiode galt das Prinzip „Erhalt vor Aus- und Neubau“. Es wurde erfolgreich umgesetzt. Es gab ein klares Bekenntnis für die Verkehrsinfrastruktur. Ich möchte Sie auch wirklich vor einem Straßenbaumoratorium warnen – ich mache das immer an dieser Stelle; vielleicht glauben Sie es mir dann irgendwann –, das SPD und Grüne fordern. Sie werden damit für eine Verzögerung sämtlicher Bauprojekte in diesem Land sorgen. Das wird uns Jahrzehnte kosten, wenn Sie sich damit gegen die FDP durchsetzen. Unsere Unterstützung haben Sie als FDP an dieser Stelle. Es kann doch nicht sein, dass Sie in diesem Haushalt ausgerechnet bei der Autobahn GmbH oder beim Deutschen Zentrum Mobilität der Zukunft massiv die Mittel kürzen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, in Wahrheit brauchen wir da einen Mittelzuwuchs.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, als Sie sagten: „Es kann doch nicht sein“, war die Redezeit zu Ende.

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dieser Haushalt ist – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin – kein großer Wurf. Nein, er ist ein Ausdruck der Planlosigkeit dieser Ampelkoalition. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister Dr. Volker Wissing. ({0})

Dr. Volker Wissing (Minister:in)

Politiker ID: 11003702

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Spontan irgendwo hinzufahren, Freunde und Familie zu treffen, ins Theater, zum Sport, zur Schule oder zur Uni zu gehen, voranzukommen im Leben, Ziele zu erreichen, die Welt zu erkunden – das ist Freiheit. Und Freiheit braucht Mobilität. Es ist unsere Aufgabe, diese Mobilität zu ermöglichen: einfach, bezahlbar, intelligent, umwelt- und klimafreundlich. ({0}) Dieser Leitgedanke, „Ermöglichen statt Erschweren“, prägt die Verkehrspolitik dieser Bundesregierung und den Haushalt, den wir heute hier beraten. Fast 22 Milliarden Euro können wir investieren. Dafür danke ich Ihnen ganz herzlich. Unser Ziel ist eine Mobilität, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen gerecht wird. Der Familienvater, der mit Kindern auf dem Land lebt, braucht ein anderes Mobilitätsangebot als die Studentin in der Stadt oder der Rentner, der aus Altersgründen nicht mehr Auto fahren möchte. Und der Stahllieferant braucht andere Transportlösungen als der Styroporhersteller. Unser Haushaltsentwurf trägt alldem Rechnung, indem wir die Schiene weiter stärken, den ÖPNV unterstützen wie nie zuvor, den Radverkehr zu einem wichtigen Element unserer Politik machen, erstmals eine nationale Fußverkehrsstrategie erarbeiten, die klimafreundliche Schifffahrt fördern und natürlich auch Straßen und Brücken sanieren und neu bauen; denn sie sind nun mal ganz wichtige Lebensadern unserer Mobilität. ({1}) Vor allem aber werden wir die Digitalisierung nutzen und dafür sorgen, dass Daten sicher bereitgestellt, ausgetauscht, verknüpft und genutzt werden können. Damit ermöglichen wir auch ganz neue Mobilitätsangebote und neue Geschäftsmodelle, mit Lösungen, die individuell auf die Bedürfnisse der Menschen zugeschnitten sind, die den Umstieg von einem Verkehrsmittel auf ein anderes erleichtern und auch im Alltag ermöglichen. Bahnhöfe sollen zu attraktiven Mobilitätsdrehkreuzen werden – barrierefrei, mit Fahrradparkhäusern sowie Autostellplätzen, die selbstverständlich auch mit Ladesäulen ausgestattet sind. Wir vernetzen die Verkehrsträger effizient und intelligent, damit Menschen zum Beispiel leichter vom Rad in die Straßenbahn oder vom Auto in den Zug umsteigen können und damit Waren leichter vom Lkw auf den Zug oder das Schiff verladen werden können. Moderne Mobilität bedeutet, anzuerkennen, dass jeder Verkehrsträger gebraucht wird. Jeder hat seine eigenen Stärken. Wir müssen sie kombinieren und natürlich massiv den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe vorantreiben. Wir machen Druck, damit synthetische Kraftstoffe ihren Beitrag zur klimaneutralen Mobilität leisten können. Wir machen Druck beim Ausbau der Ladeinfrastruktur, und wir werden den Einsatz klimafreundlicher Pkw, Lkw, Nutzfahrzeuge, Busse, Schiffe, Züge oder Flugzeuge erleichtern. ({2}) Dabei bleiben wir bewusst technologieoffen; denn nicht die Politik entscheidet, was sich am Ende am Markt durchsetzt, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie werden sich nur dann für eine klimafreundliche Mobilität entscheiden, wenn sie darin Vorteile sehen. Gerade deshalb ist auch das 9‑Euro-Ticket ein so interessantes Projekt. Dieses Mammutvorhaben ist zwar nicht Teil des Einzelplans 12, sondern wird aus den Regionalisierungsmitteln finanziert, die der Bund jährlich aus dem Einzelplan 60 gibt, damit die Länder den Nahverkehr bestellen können. In diesem Jahr sind es wegen des Rettungsschirms und des 9‑Euro-Tickets übrigens mehr als 13 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern zur Verfügung stellt, um ÖPNV zu organisieren. Aber unabhängig davon ist der enorme Ansturm auf das 9‑Euro-Ticket ein sehr ermutigendes Signal. Er zeigt: Eine große Zahl von Menschen ist bereit, den eigenen Mobilitätsgewohnheiten auch mal etwas Neues entgegenzustellen und etwas Neues auszuprobieren. Über 7 Millionen Menschen haben bereits ein 9‑Euro-Ticket erworben. Das ist die Abstimmung der Bürgerinnen und Bürger über dieses Erfolgsprojekt. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Menschen sind offen, neugierig. Sie sind bereit für Veränderung. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie diese Veränderung als etwas Positives empfinden, als Fortschritt – indem wir nichts erschweren, indem wir ihnen nichts nehmen, indem wir ihnen nichts vorschreiben, sondern indem wir alles ermöglichen, indem wir für ihre individuellen Bedürfnissen ein individuelles Mobilitätsangebot – klimafreundlich, zukunftsgerichtet – bereitstellen. Ich bin überzeugt: „Dieser Haushalt macht all das möglich“, und bitte deshalb um Ihre Zustimmung. Ich danke Ihnen herzlich. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Minister Wissing. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dirk Spaniel, AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! „Nie gab es mehr zu tun“ – Herr Minister, Sie werden sich erinnern –, das war der Slogan des FDP-Wahlprogramms zur letzten Bundestagswahl, beschlossen ziemlich genau vor einem Jahr, im Mai 2021. Sie erinnern sich doch sicher daran. Oder vielleicht doch nicht? Ich helfe Ihnen gerne. Ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren lehnte die FDP damals ab. Nach meinen Informationen wird die FDP sich jetzt auf europäischer Ebene nicht gegen das Verbot von Verbrennungsmotoren stellen, und damit befürworten Sie es. Sie können mir gerne widersprechen und das hier klarstellen; aber ich habe die Information, dass Sie sich nicht dagegenstellen werden. Weitere Punkte: Sie haben versprochen, die Schieneninfrastruktur und den Bahnbetrieb zu trennen. Davon höre ich jetzt gar nichts mehr. Planungsverfahren sollten beschleunigt werden. Ich erinnere mich an die Diskussion im Verkehrsausschuss und kann nicht sehen, dass da irgendwas in die Richtung passiert. Und die Luftverkehrsteuer wollten Sie auch abschaffen. All das ist nicht passiert. Noch nie wurden die Verlässlichkeit eines Wahlprogramms und Regierungshandeln so auf den Kopf gestellt wie durch Ihre FDP, Herr Dr. Wissing. ({0}) Die FDP hat ihren verkehrspolitischen Kurs um 180 Grad geändert, seitdem sie in dieser Koalition ist – ({1}) wir übrigens nicht. Anbiedernd an den grünen Zeitgeist rühmen Sie sich im Vorwort zum Verkehrsetat: „Im Jahr 2022 wird mehr Geld in die Schiene investiert als in die Straße.“ Das ist richtig. Aber um auf die 12,8 Milliarden Euro für die Schienenwege zu kommen, die Sie hier zitieren, rechnen Sie doch die Eigenkapitalerhöhung der Deutschen Bahn AG in Höhe von ungefähr 1 Milliarde Euro hinzu. Das ist nichts anderes als ein Taschenspielertrick; denn die DB AG ist ein international aufgestelltes Unternehmen, ein Logistikunternehmen. Sie subventionieren anhaltendes Missmanagement bei der Bahn. Sie geben deutsches Steuergeld für neue Busse in Großbritannien oder für Schenker-Lkws in Italien aus und erzählen den Menschen, das käme dem deutschen Schienennetz zugute. ({2}) Das Einzige, was bei der Bahn konsequent steigt, sind die Verspätungsquote, die Unternehmensverschuldung und die Vergütung der Vorstände. Dank einer SPD-nahen Bahngewerkschaft erhalten die Bahnbeschäftigten 1,5 Prozent mehr Gehalt. Sie vergessen aber, zu erwähnen, dass die Vorstände satte 10 Prozent mehr kriegen. So etwas nennen Sie dann „Vorrang für die Schiene“. ({3}) Gebetsmühlenartig beschwört die Ampelkoalition, mehr Verkehr auf die Schiene bringen zu wollen. Wo leben Sie eigentlich? Das deutsche Schienennetz ist dicht; da geht nichts mehr. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr liegt bei unter 70 Prozent. Ihr Mantra von der Verlagerung auf die Schiene ist ein realitätsfernes Märchen. ({4}) Der Lkw ist und bleibt das wichtigste Transportmittel, auch perspektivisch. Das sagen aktuelle Studien, sogar vom Umweltbundesamt. Der Haushalt sieht vor, dass rund 11,4 Milliarden Euro in Bau und Erhaltung der Bundesfernstraßen investiert werden. Das ist angesichts des jahrelangen Sanierungsstaus wohl auch bitter nötig. Herr Bundesminister, für Klimahysterie und ‑gesinnung stehen heute schon die Grünen. Nehmen Sie bitte häufiger Ihr Wahlprogramm zur Hand. Aktuell können wir nur feststellen: Sie sind gelebter Vertrauensverlust. ({5}) Für alle, die bessere Straßen, eine funktionierende Bahn, eine Abschaffung der Luftverkehrsteuer und auch einen funktionierenden Schiffsverkehr wollen, für die gibt es eine politische Alternative für Deutschland. ({6}) Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Bettina Hagedorn, SPD-Fraktion. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben in dieser Debatte richtigerweise ja schon viel darüber gehört, auch von Ihnen, Herr Minister, dass die Ampel der Bahn und der Schiene eine Priorität gegenüber der Straße einräumen will. Das Stichwort, das allerdings noch fehlt, ist der Ausbau der Wasserstraßen. Dem kommt nämlich ebenso eine hohe Priorität zu, vor allen Dingen, weil wir auf europäischer Ebene schon seit zehn Jahren davon reden, dass Güterverkehr von der Straße auf die Schiene, aber auch auf die Wasserwege verlagert werden soll. Darum bin ich meiner Fraktion dankbar, dass ich hier zu einem besonders wichtigen Wasserweg sprechen darf. Seit über zehn Jahren verfolgt insbesondere der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages das Ziel, den Nord-Ostsee-Kanal einer Grundinstandsetzung zu unterziehen. ({0}) In dem Bericht, den ich im Haushaltsausschuss von Ihnen angefordert hatte – er ist leider nicht sehr aussagekräftig, aber Sie haben schon zugesagt, ihn nachzubessern, und dafür bin ich Ihnen sehr dankbar –, heißt es, es stünden 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung – und das stimmt. Die Wahrheit ist aber, dass nicht einen Cent davon das Verkehrsministerium beim Finanzministerium durchgeboxt hat; denn in fünf Bereinigungssitzungen des Deutschen Bundestages wurde das beschlossen – 2,5 Milliarden Euro insgesamt. Das hört sich nach einer Erfolgsstory an. Das ist aber nicht ganz so. 2021 – so steht es in Ihrem Bericht – waren 250 Millionen Euro ausgegeben – das sind genau 10 Prozent –, und die sind überwiegend für die fünfte Schleusenkammer verwendet worden, die ja 2026 fertig werden soll. Ursprünglich sollte sie ja mal 2018, dann 2021 und dann 2024 fertig werden, womit wir bei dem Thema Planungsbeschleunigung wären, auf das ich eingehen möchte, weil bei diesem Thema von vielen in diesem Haus gerne so getan wird, als seien es immer die Bürgerinitiativen und die Umweltverbände, die dem schnellen Baufortschritt im Wege stehen würden. Der Nord-Ostsee-Kanal ist hier ein gutes Beispiel. Dort hat es nämlich nie Bürgerinitiativen oder Umweltverbände gegeben, die irgendeinem Bauabschnitt im Wege gestanden haben. ({1}) Das haben die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und das Verkehrsministerium unter drei CSU-Verkehrsministern ganz alleine geschafft. ({2}) – Es ist traurig, dass Sie dazu Beifall klatschen müssen. Es ist eine Pointe, aber auch die traurige Wahrheit. Ich will jetzt auf das eingehen, Herr Minister, was in diesem Bericht leider auch nicht steht, obwohl ich danach gefragt hatte. Das sind nämlich die anderen Bauabschnitte, die für den Kanal genauso wichtig sind wie die fünfte Schleusenkammer und deren Baufortschritte gar nichts mit dieser fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel zu tun haben. Ich denke vor allen Dingen an die Oststrecke. Der Ausbau der Oststrecke zwischen Rendsburg und Kiel war 2014 mit 130 Millionen Euro veranschlagt; 2019 waren es 500 Millionen Euro. Und wissen Sie, was in Ihrem Bericht steht? In Ihrem Bericht steht: Der Baufortschritt des zweiten Bauabschnittes ist abhängig von zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln. – So steht es auch bei allen anderen Bauabschnitten, nach denen ich gefragt hatte.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das heißt: Wo sind die 2,5 Milliarden nur? Fakt ist: Für den zweiten Bauabschnitt ist bisher nur die Planung ausgeschrieben. Leider ist meine Redezeit zu Ende. Der Nord-Ostsee-Kanal wäre ein abendfüllendes Thema.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hätte richtig viel Spaß daran, dazu auch mal einen Abend zu gestalten. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Hagedorn. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Anke Domscheit-Berg, Fraktion Die Linke. ({0})

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleg/-innen! Als Digitalexpertin gucke ich natürlich nicht nur auf die Inhalte des Koalitionsvertrags, sondern auch auf die Umsetzung, und da kommen mir jetzt schon die Tränen. Eine Digitalisierungsstrategie fehlt nach wie vor. Die Governance zur Digitalisierung ist ein reiner Albtraum. Niemand blickt durch. Wer hat für was die Federführung? Zuständigkeiten sind doppelt, dreifach oder überhaupt nicht verteilt. Und nach 25 Wochen im Amt liegt das von mir schon vor Monaten erbetene Wimmelbild der Digitalisierungszuständigkeiten immer noch nicht vor. Das ist schlampige Regierungsarbeit. Das ist keine Ampel; das ist eine Schlampel, meine Damen und Herren. ({0}) Die Haushaltsmittel und die Inhalte des Koalitionsvertrags passen auch nicht zusammen. Versprochen waren unter anderem Nachhaltigkeit und ein Recht auf schnelles Internet. Es gibt ein eigenes Referat für Nachhaltigkeit und Digitalisierung im BMDV; es hat genau null Haushaltsmittel. ({1}) Es koordiniere ja nur, schrieb man mir. Und ja, Fördermittel könnten die Datenlage verbessern und Innovationen anreizen. Im Haushalt gibt es aber trotzdem keine dafür. Danke für nichts, Herr Minister. ({2}) Statt des Rechts auf schnelles Internet kommt ein Recht auf das lahmstmögliche Internet: 10 Mbit Download- und 1,7 Mbit Uploadgeschwindigkeit. Und selbst dieser mickrige Rechtsanspruch kommt nicht, wie versprochen, zum 1. Juni 2022, noch wirkt er, wie versprochen, kurzfristig. ({3}) Denn von der Beschwerde bis zum lahmstmöglichen Internet dauert es bis zu 14 Monate – oder auch länger; denn im Haushalt der Bundesnetzagentur hat Minister Wissing den Personalaufwand für die Bearbeitung der Anträge von 300 000 anspruchsberechtigten Haushalten einfach vergessen. What the fuck? ({4}) Dieses FDP-Ministerium schafft keine Sicherstellung einer angemessenen Internetmindestversorgung, weder durch Bandbreiten, die auch einer Familie die Grundversorgung ermöglichen, noch durch Personal bei der BNetzA und auch nicht durch die Förderung eines kommunalen Glasfaserausbaus ohne Zwangsverkauf der Glasfasernetze an den Markt.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es handelt nach der Maxime „Markt first, Bürger/-innen und Klima second“. Das muss sich ändern, und dafür wird die Linksfraktion weiter kämpfen. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Domscheit-Berg. – Nächster Redner ist der Kollege Maik Außendorf, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Maik Außendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005012, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Domscheit-Berg, Sie haben gerade das vermeintliche Recht auf schnelles Internet angesprochen. Sie wissen doch ganz genau: Das ist nicht das Recht auf schnelles Internet, sondern es geht um den Universaldienst. Schon heute haben über 90 Prozent der Haushalte in Deutschland mehr als 100 Mbit. Der Universaldienst, den Sie ansprechen, ist genau für die Menschen gedacht, die noch unterversorgt sind und damit einen Mindestanspruch haben. Und das ist auch nur eine Interimslösung. ({0}) Unser Ziel sind mittelfristig mindestens 100 Mbit und Glasfaser in allen deutschen Haushalten. Sie reden hier nur von einer Interimslösung. ({1}) Meine Damen und Herren, Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, das alle Bereiche des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens durchdringt. So sind die Digitalposten auch über die verschiedenen Ministerien verteilt. Wir sprechen hier über mehrere Einzelpläne, wenn wir Digitalisierung als Ganzes betrachten. Und es stimmt: Die eingebrachten Einzelpläne sind in einigen Bereichen hinter den Erwartungen zurückgeblieben und nicht den Ansprüchen an eine soziale, digitale und ökologische Reform gerecht geworden. Deswegen an dieser Stelle zunächst mein großer Dank an unsere Haushälter/-innen, die auf dem parlamentarischen Weg und in intensiver Zusammenarbeit mit uns Fachpolitikerinnen und ‑politikern gute Nachbesserungen in mehreren Einzelplänen ausgehandelt haben. ({2}) Ich komme noch mal zurück zum Breitbandausbau. Das Ziel ist 100 Prozent Glasfaserversorgung. Wir haben nicht erst in der Pandemie gemerkt, wie wichtig der schnelle Breitbandausbau ist. Die Grundversorgung bedeutet für die Menschen im Land Teilhabe und ist natürlich auch für die Wirtschaft wichtig. Deswegen geht es da ja auch darum, zum Teil mit großen Mitteln aus der Privatwirtschaft voranzukommen – sie machen tatsächlich einen Großteil aus –, gleichzeitig aber auch die Förderung aufrechtzuerhalten und den Ausbau zu verstetigen; denn nur so kommen wir in die Fläche, an jedes Haus und an jede Milchkanne. Im BMDV-Etat sind hierfür knapp 80 Millionen Euro vorgesehen. Der Großteil für den Breitband- und Mobilfunkausbau mit etwa 2,5 Milliarden Euro kommt allerdings aus dem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“. Falls Sie in den Einzelplänen nicht fündig geworden sind, sei angemerkt: Da ist genug Geld vorhanden; am Geld scheitert es nicht. ({3}) Im Mobilfunkbereich müssen wir zunächst die Scheuer-Altlasten aufräumen. Herr Oßner, an Sie gerichtet: Sie haben da eben das Bild vom „Riesenkater“ benutzt. Wenn ich an das denke, was wir jeden Tag an Scheuers Altlasten aufräumen müssen, dann bin ich verkatert, obwohl ich bei der Sause nicht dabei sein durfte. ({4}) Er hat zum Beispiel die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft gegründet – das ist das Funklochamt von Herrn Scheuer –, weil er vorher die Vergabeverfahren für den Mobilfunkausbau völlig verkorkst hat. Und jetzt hat der Bundesrechnungshof festgestellt: Das, was da gemacht wird, ist völlig unwirtschaftlich. – Da müssen wir erst mal aufräumen. An der Stelle – das muss man auch mal sagen – haben wir Mittel gekürzt, und zwar auf 20 Millionen Euro halbiert, weil wir das Amt umstrukturieren müssen. ({5}) Andererseits stecken wir aber 103 Millionen Euro in die Umsetzung der 5x5 – G – Strategie, gegenüber 16 Millionen Euro im Vorjahr. Aus diesen Mitteln wird zum Beispiel auch der Strukturwandel in der Lausitz zur 5 – G – Modellregion finanziert. Wir wollen aber auch mit dem Breitbandausbau weiterkommen. Das hängt nicht nur am Geld, sondern auch an den mangelnden Kapazitäten im Tiefbau. Deswegen wollen wir auch alternative Verlegetechniken fördern, eine Cluster-Förderung neu strukturieren, eine neue und bessere Mobilfunkversorgung an Bahnstrecken umsetzen. Das alles sind Punkte, die in der Digitalstrategie, in der Gigabitstrategie schon festgehalten sind. Daran werden wir weiterarbeiten. ({6}) Ich möchte jetzt hier aber auch noch kurz auf einige ausgewählte Projekte aus anderen Häusern eingehen, um das digitalpolitische Bild abzurunden. Ein großer Erfolg unser Haushälter/-innen war die Nachverhandlung im BMWK zum Sovereign Tech Fund. ({7}) Da haben wir jetzt 3,5 Millionen Euro. Das ist ein guter Anfang; das wird auch noch mehr werden. Mit diesen Förderprogrammen liefern wir die Antwort auf ein altbekanntes Problem bei der Open-Source-Förderung; denn viele Nutzer/-innen und Firmen nutzen Open Source. Aber es liegt oft an einzelnen Entwicklern, die daran arbeiten. Mit dem Sovereign Tech Fund wollen wir das verstetigen. Das muss noch mehr werden, und dafür sorgen wir auch. Beim BMI gibt es einen Topf, der neu eingerichtet ist, nämlich für das ZenDiS, das Zentrum für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung. Auch das ist ein Ansatz, um Open Source zu fördern, und zwar insbesondere für den Einsatz in staatlichen Stellen. Ebenfalls wurde eben schon von Herrn Wissing das Dateninstitut angesprochen. Wir wollen hier einen Grundstein legen, um die ganzen Datenschätze, die in verschiedenen Unternehmen und Organisationen schlummern, zu heben, wobei persönliche Daten sicher und transparent anonymisiert werden. Die Startfinanzierung in Höhe von 1,7 Millionen Euro ist hier ein erster Schritt. Da kommen wir gut voran. Ich komme langsam zum Schluss. – Ganz wichtig ist das Thema Cybersecurity. Da habe ich nicht nur eigene Erfahrungen als IT-Unternehmer, sondern dazu gibt es auch eine Bitkom-Studie, die herausgefunden hat, dass in den letzten Jahren 88 Prozent der befragten Unternehmen unter IT-Angriffen leiden mussten und dabei über 200 Milliarden Euro an Schaden eingefahren haben. Da ist es ganz wichtig, dass der Staat reagiert. Darüber werden wir auch noch in anderem Kontext reden müssen. Auch hier haben wir eine Förderung bereitgestellt: 120 Millionen Euro alleine über das Programm „Digital Jetzt“. Ich komme zum Schluss: Mit diesem Haushalt sind die Weichen in Richtung Digitalisierung gestellt, und wir werden in den nächsten Jahren noch mehr Fahrt aufnehmen. Danke schön. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Außendorf. – Nächste Rednerin ist Kollegin Nadine Schön, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Außendorf, ich bin Ihnen dankbar, dass wenigstens ein Redner der Koalition noch weiß, dass dieses Haus auch für Digitalisierung zuständig ist. ({0}) In der Rede des Ministers hat das Thema leider komplett gefehlt. Deshalb frage ich mich, Herr Minister Wissing: Warum haben Sie Ihr Haus umbenannt und das Thema Digitalisierung nach vorne gestellt? Warum hat die FDP immer die große digitalpolitische Entfesselung gefordert, wenn Sie hier in Ihrer Zeit als Minister nichts davon vorlegen? ({1}) Ich fand das bei der letzten Haushaltsrede schon enttäuschend. Da waren es 20 Prozent der Redezeit, die Sie für Digitalisierung verwendet haben. Jetzt haben Sie überhaupt nichts zur Digitalisierung gesagt. Wenn man sich mal die Homepage des Ministeriums anschaut, dann muss man die digitalen Themen mit der Lupe suchen. ({2}) Und auch in der Öffentlichkeit habe ich ganz viel über das 9‑Euro-Ticket, über die Bahn, über die Schiene und weiß der Geier gehört, aber zum Thema Digitalisierung fast nichts. Dabei hat es ganz viele Gelegenheiten gegeben. Ich nenne nur mal das Thema „Digitalministertreffen bei G 7“. Großer Aufschlag: Die G – 7 – Digitalminister waren in Düsseldorf. Es wäre eine tolle Chance gewesen, darüber zu reden, wie die G 7 gemeinsam ihre digitale Resilienz stärken, wie wir entlang der digitalen Lieferketten besser zusammenarbeiten, wie wir gemeinsam die Cyberabwehr im digitalen Raum organisieren. Was vom Digitalministertreffen übrig bleibt, ist vor allem die Frage, wie viel Energie man braucht, um ein Essensfoto hochzuladen, und das ist entschieden zu wenig. ({3}) Sie sind mit viel Elan beim Thema Gigabitausbau gestartet. Da gab es einige Vorschusslorbeeren, etwa von Bitkom, der gesagt hat: Das ist jetzt die Chance, bis 2025 Gigabit auszubauen, Glasfaser in jedes Haus zu verlegen; das ist zu schaffen. – In den letzten Tagen hat man viel über Streitigkeiten zwischen den Verhandlungspartnern gehört. Sie waren sich in vielem uneinig. Aber in einem Punkt waren sie sich einig, nämlich darin, dass das Digitalministerium viel zu wenig macht, um zu einer konsistenten Digitalstrategie und Einigkeit zwischen den Partnern zu kommen. ({4}) Auch beim Thema „Digitalisierungsstrategie und Digitalbudget“ warten wir noch auf konkrete Ergebnisse. Frau Domscheit-Berg hat es schon angesprochen: Der Minister hatte dem Ausschuss im Januar – O-Ton – ein Wimmelbild mit den Zuständigkeiten versprochen: Wofür ist er zuständig, wofür die anderen Minister, wo gibt es Schnittstellen, wie lädt man die auf? – Wir warten immer noch darauf. Wir wurden von Mal zu Mal zu Mal vertröstet. Morgen ist Juni, und wir haben immer noch keine Übersicht über die Zuständigkeiten, darüber, wer in dieser Regierung welche digitalen Themen bearbeitet. ({5}) – Das ist unglaublich; da gebe ich Ihnen völlig recht, und leider merkt man das eben auch an der konkreten Politik. Frau Kollegin Hoppermann hat, weil wir Sie unterstützen wollten, einen Antrag für ein gemeinsames Digitalisierungsbudget schon mal als Start vorbereitet; der wurde von den Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss und auch im Digitalausschuss abgelehnt. Na ja, da warten wir halt noch ein Jahr auf ein Digitalisierungsbudget, dann kriegen wir 2024 eins. Es wäre aber schön, wenn wir dann im nächsten Jahr wenigstens eines hätten; denn Budget heißt auch, dass man gemeinsam steuert, dass man Standards vereinbart, dass man ein gemeinsames Controlling hat und dass man so Digitalisierungspolitik gemeinsam vorantreibt. Sie haben mit Blick auf die letzte Bundesregierung gesagt: Wie das im Bundeskanzleramt gelaufen ist, war es nicht ausreichend. – Das mag ja sein. Aber gar keine Koordinierung und gar keine Steuerung ist noch viel weniger. Deshalb hoffe ich sehr, dass Sie im Laufe des Jahres bei den Zuständigkeiten, bei der Strategie und auch beim Budget Fakten schaffen und in die Umsetzung kommen. ({6}) Der Kollege Außendorf hat ausgeführt, was jetzt alles an Fortschritten kommt. – Herr Außendorf, das waren genau die Punkte, die wir in der letzten Bundesregierung angefangen haben. Das Zentrum für Digitale Souveränität, den Sovereign Tech Fund, all die Punkte haben wir so vorbereitet, dass man sie nur noch weiterführen musste, aber diese Bundesregierung hat das erst einmal alles aus dem Haushalt gestrichen. Erst nach großer Gegenwehr der ganzen Open Source Community und dank des Parlamentes wurden sie jetzt wieder eingestellt. – Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen! Aber es ist doch das Mindeste, was an digitalpolitischem Aufbruch kommen muss, dass Sie das weiterführen, was schon vorbereitet war. Ehrlicherweise hätte ich mir unter Fortschrittskoalition ein bisschen mehr vorgestellt. Jetzt ist das erste halbe Jahr rum.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben noch die Chance, Gas zu geben, damit das Digitalministerium seinem Namen gerecht wird und nicht nur ein Verkehrs-, sondern auch ein Digitalministerium ist. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Schön. – Jetzt erhält das Wort der Kollege Bernd Reuther, FDP-Fraktion. ({0})

Bernd Reuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004864, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht gut bestellt um die Infrastruktur in diesem Land, auch nicht im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarstaaten. Egal wo man hinschaut – Schienenwege, Brücken, Schleusen –: Viele sind in einem katastrophalen Zustand. Da muss man auch mal fragen dürfen, lieber Kollege Oßner, lieber Kollege Schreiner: Wer hat denn die letzten vielen Jahre Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur in diesem Land getragen? Wer war das denn? Das waren doch Sie, und Sie haben sie sträflich vernachlässigt. ({0}) Diese Koalition wird in die Schiene investieren, sie wird bauen, erneuern, sanieren. Wir brauchen massive Investitionen ins Netz; denn nur wenn die Züge pünktlich kommen, steigen die Menschen in diesem Land auch um, steigen vom Auto in den Zug. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Gleiches gilt im Übrigen für die verladende Wirtschaft. Die will mehr Güter auf die Schiene bringen. Sie kann es aber nicht, weil aktuell die Kapazitäten fehlen. Das werden wir ändern, genauso wie bei den Brücken. Wir werden mehrere Hundert Brücken jedes Jahr neu bauen in diesem Land. ({1}) Wir werden in Schleusen bei den Wasserstraßen investieren, nicht nur in Brunsbüttel, Kollegin Hagedorn, sondern zum Beispiel auch im westdeutschen Kanalnetz, weil es bei der Binnenschifffahrt noch Kapazitäten in diesem Land gibt, und die wollen wir nutzen. Während es bei den Punkten, die ich gerade angesprochen habe, eher um Erneuerung und Sanierung geht, werden wir die Ladeinfrastruktur massiv ausbauen, neu bauen, weil nur so der Umstieg auf batterieelektrisches Fahren gelingt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Und wir werden bei allen Punkten die Geschwindigkeit beim Planen und Bauen, beim Ausbauen und Erneuern deutlich erhöhen. Das ist ein zentrales Ziel dieser Koalition und der Bundesregierung. Wir haben damit in diesem Haushalt begonnen. Wir werden das im 23er-Haushalt fortführen. Da können Sie sicher sein, auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. Ich habe ja den europäischen Vergleich angesprochen: So, wie der FC Bundestag bereits europäische Spitze ist, ({3}) müssen wir das in der Verkehrsinfrastruktur auch werden. Herzlichen Dank. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Reuther. – Ich habe erfahren, dass Sie nicht mitgespielt hatten, Herr Kollege Reuther. ({0}) Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lenk, AfD-Fraktion, mit ihrer ersten Parlamentsrede. ({1})

Barbara Lenk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005126, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will heute mit Ihnen eine Reise ins Baltikum unternehmen. Angenommen, ich habe eine Panne und bleibe mit dem Auto im ländlichen Litauen oder an der lettischen Ostseeküste liegen, dann hätte ich nicht nur einen fabelhaften Handyempfang, sondern auch überall schnelles Internet. Ich könnte mir einen Abschleppwagen per App buchen, und bis der ankommt, nehme ich noch an einer Zoom-Konferenz teil. Wie würde das wohl in den unterschiedlichen ländlichen Regionen Deutschlands aussehen? Schlimmstenfalls könnte ich wegen schlechten Empfangs noch nicht mal einen Abschleppdienst anrufen. ({0}) Im Gegensatz zu den baltischen Staaten, wo man fast alles digital erledigen kann und wo über 80 Prozent der Haushalte schnelles Internet haben, befinden wir uns hier in Deutschland im digitalen Mittelalter. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Koalitionsvertrag der Ampel steht die Digitalisierung an vorderster Stelle. Die Ampel hantiert ab Seite 15 mit gut klingenden Schlagworten: „digitaler Aufbruch“, „digitale Verwaltung“, „digitale Gesellschaft“, „digitale Wirtschaft“ und „digitale Souveränität“. Das klingt doch wunderbar. Allerdings: Die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen werden nur ungenügend umgesetzt. Deutschland tritt bei der Digitalisierung auf der Stelle. ({1}) Die Internetgeschwindigkeit im Breitband liegt in Deutschland mit Durchschnittswerten zwischen 25 und 29 Megabit pro Sekunde im europäischen Mittel. Skandinavische und baltische Länder erreichen Werte bis zu sagenhaften 55 Megabit pro Sekunde. Aber schauen wir wieder nach Deutschland. Beispielsweise werden gut 37,5 Millionen Euro zusätzlich für die Stärkung der digitalen Souveränität ausgegeben. Grundsätzlich gilt: Die Erhöhungen der Ausgaben für Digitales sind richtig und gut. Und sie sind auch dringend notwendig angesichts des Rückstandes, den wir in Deutschland bei der Digitalisierung haben. Aber sie reichen bei Weitem nicht aus. Wir haben immer noch keinen einheitlichen digitalen Haushalt und immer noch kein Digitalministerium. Wie es Herr Kollege Oßner schon gesagt hat: Die Bundesregierung ist mit ihren digitalpolitischen Vorhaben als Tiger gesprungen und droht als Bettvorleger zu landen. ({2}) Deutschland, ein hochindustrialisiertes Land, steht bei der Digitalisierung schlechter da als unsere Nachbarn. Die Bundesregierung, so schreibt es „Der Tagesspiegel“, hat ein paar Millionen für die Digitalisierung zusammengekratzt. Sehr verehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, wenn hier nicht bald umgesteuert wird, verspielen wir die Zukunft unseres Landes und der kommenden Generationen. Vielen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Lenk. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dorothee Martin, SPD-Fraktion. ({0})

Dorothee Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004959, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen, den Teams und allen, die diesen Etat mitgestaltet haben, ganz herzlich für ihre Arbeit danken. Was haben wir gemeinsam erreicht? Wir haben eine wichtige erste Etappe zur Realisierung der Ziele unseres Koalitionsvertrags erreicht, nämlich eine nachhaltige, eine vernetzte, eine innovative und eine bezahlbare Mobilität umzusetzen. Ja, und das auch mit einem 9‑Euro-Ticket, das gerade viele Menschen mit schmalem Geldbeutel wirklich entlastet. Aber diese haben Sie von der CDU und CSU wirklich aus dem Blick verloren. ({0}) Wir werden mit einer deutlich höheren Geschwindigkeit für die Dekarbonisierung des Verkehrs sorgen und zugleich angehen, dass Mobilität für alle noch besser zugänglich ist; denn Mobilität ist auch Daseinsvorsorge, und das für die Menschen in der Stadt, aber auch im ländlichen Raum, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das alles ist ein Prozess. Ja, der kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden; das ist, glaube ich, klar. Aber ich bin davon überzeugt: Wenn wir die Kapazität nicht mehr für unsinnige Projekte wie eine Pkw-Maut für Ausländer verbrauchen, ({1}) dann werden wir auch bei den Zielen im Verkehr deutlich besser vorankommen, während Sie noch in der Vergangenheitsbewältigung feststecken; das haben wir ja heute gehört. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mittelerhöhungen für Bundeswasserstraßen, für Binnenschifffahrt, für Radverkehr, für die Förderung zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit von Bahnhöfen: Das sind richtig gute und wichtige Entscheidungen. Das gilt auch für den kombinierten Verkehr. Denn gerade für das Erreichen des verkehrs- und umweltpolitischen Ziels, mehr Güter von der Straße auf die Schiene zu bekommen, spielt der kombinierte Verkehr eine ganz große, eine immer wichtigere Rolle. Daher begrüßen wir sehr, dass diese in den Haushaltsverhandlungen weiter gestärkt wurde. Was uns besonders freut: dass der Fußverkehr als die grundlegendste aller Verkehrsarten jetzt erstmals mit einem eigenen Haushaltstitel gefördert wird und damit die Beachtung bekommt, die er verdient. ({3}) Wir wollen mit einer nationalen Fußverkehrsstrategie eine Grundlage zur weiteren systematischen Förderung des Fußverkehrs schaffen. Ich finde es schon erschütternd, dass Sie das auf der rechten Seite des Hauses hier so ins Lächerliche ziehen. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spaniel?

Dorothee Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004959, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nee, nicht von der rechten Seite. ({0}) Die wichtigste verkehrspolitische Weichenstellung ist in diesem Haushalt ganz klar die deutliche Erhöhung der Mittel für die digitale Schiene auf über 400 Millionen Euro. Denn, ja – das wurde schon gesagt; man muss es noch mal betonen –: Nur mit dem massiven Ausbau des digitalen Bahnbetriebs bringen wir mehr Züge und damit mehr Kapazität ins Schienennetz. Das ist gerade für den Schienengüterverkehr unerlässlich, und das haben wir auch gerade in den letzten Tagen gesehen. Die Herausforderungen sind da wirklich riesengroß. Wir sind uns aber auch sehr bewusst darüber, dass in den künftigen Haushalten noch mehr passieren muss, damit wir die ehrgeizigen Ziele des Koalitionsvertrags für eine bessere Mobilität wirklich zügig umsetzen. Das gilt bei uns besonders für die Schiene. Wenn wir wollen, dass etwa der Deutschlandtakt das Bahnfahren noch attraktiver macht, wenn wir wollen, dass deutlich mehr Güter als jetzt auf der Schiene transportiert werden, dann werden wir noch mehr brauchen: Wir brauchen noch mehr Anstrengungen, wir brauchen noch mehr Innovationen, und wir brauchen auch mehr finanzielle Mittel. Diese Investitionen für Ausbau, für Stärkung, für Sanierung des Schienennetzes fordert der Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses ganz explizit. Das begrüßen wir ganz außerordentlich. Ich verspreche Ihnen: Wir werden sehr genau darauf achten, dass dieser Beschluss in den künftigen Haushalten umgesetzt wird; denn nur mit einer starken Bahn kann die Verkehrswende wirklich gelingen. Und wir freuen uns auch sehr über die Unterstützung des Finanzministers bei den zukünftigen Haushalten. Vielen Dank. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist Matthias Gastel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Der Handlungsbedarf ist gerade im Bereich der Schienenwegeinfrastruktur besonders groß. Wir erleben aktuell massive Verspätungen im Bahnverkehr. Es wird zu wenig in die Infrastruktur investiert. Aber die Deutsche Bahn ist noch nicht mal in der Lage, dieses Geld vollständig abzurufen und zu verbauen. Deren Baustellenmanagement ist sehr kritikwürdig. Die Kapazität ist zu niedrig, auch durch die vielen Baustellen, die nicht gut gemanagt werden. Gestern hat der DB‑Chef sogar verkündet, dass Güter teilweise wieder auf die Straße wandern müssen, weil die Kapazitäten auf der Schiene nicht ausreichen. Das, meine Damen und Herren, ist die Folge von drei völlig verkehrten Bundesverkehrsministern, drei Verkehrsministern in Folge, die von der CSU kamen. Drei Unionsbundesverkehrsminister waren einfach zu viel für das deutsche Schienennetz; das verkraftet es nicht. Sie haben ein einziges bahnpolitisches Trümmerfeld hinterlassen. ({0}) Der Haushalt 2022 ist sicherlich nicht genug und schon gar nicht genug, um alle Probleme zu lösen; aber er enthält einige positive Botschaften. Beispielsweise steigen die Bedarfsplanmittel für den Aus- und Neubau der Schiene gegenüber 2021 um 22 Prozent. Die Lärmsanierungsmittel steigen um 33 Prozent an, und für die elektrische Güterbahn gibt es 24 Prozent mehr als noch im Vorjahr. ({1}) Die Investitionen in die Schieneninfrastruktur steigen gegenüber 2021 um insgesamt 180 Millionen Euro. Die Investitionen in die Schiene liegen um 970 Millionen Euro höher als die in die Straße. Wobei – das muss man gleich dazusagen –: Wir müssen mal darüber reden, was da alles jeweils reingerechnet wird; das müssen wir noch machen. ({2}) Aber der Weg, der Kurs, den wir hier einschlagen, stimmt auf jeden Fall. ({3}) 7,4 Milliarden Euro stehen an Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung, das heißt Finanzierungssicherheit für die Infrastruktur in den Folgejahren. Und ich als ein Fan der Nachtzüge freue mich ganz besonders, dass es hier vorangeht, dass wir an einem europäischen Nachtzugkonzept arbeiten und hier die Schiene gegenüber dem Flugverkehr attraktiver machen. ({4}) Im Haushalt 2023 wird die Koalition dafür sorgen müssen, den Koalitionsvertrag noch deutlich stärker abzubilden, als es jetzt gelungen ist. In Stichworten: Es geht um die Bahnhöfe, die Engpassbeseitigung im Netz, es geht um die Gleisanschlüsse für Industriebetriebe – dazu muss der Verkehrsminister auch mal die Förderrichtlinie vorlegen –, und es geht um Klarheit darüber, dass es dauerhaft niedrigere Trassenpreise insbesondere für den Güterverkehr gibt. ({5}) Anders als mit mehr Geld für die Schiene lassen sich die Klimaziele im Verkehrsbereich nicht erreichen. Wir haben also viel zu tun. Der 2022er-Haushalt ist ein Anfang. Aber wir sind noch nicht weit genug; da muss 2023 deutlich mehr geliefert werden. Es braucht insbesondere deutlich mehr Mittel für die Schiene gegenüber der Straße. ({6}) Wir brauchen eine starke Schiene: im Personenverkehr, damit mehr Leute statt mit dem Auto mit einer zuverlässigen Bahn fahren, –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– und im Güterverkehr, damit mehr Güter auf die Schiene verlagert werden können. So erreichen wir eine bessere, gesündere Mobilität und erreichen auch die Klimaziele im Verkehr. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Sie haben großes Glück, dass ich Swantje Michaelsen jetzt keine Minute mehr abziehen kann, weil sie dann gar nicht mehr reden dürfte. ({0}) Insofern: Beim nächsten Mal! – Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist der erste Verkehrshaushalt der neuen Bundesregierung, und er setzt, lieber Kollege Gastel, sichtbar auf dem auf, was die alte Bundesregierung in den letzten Jahren erfolgreich gestartet hat. ({0}) Investitionshochlauf für die Straße, für die Schiene, für den Radverkehr: ({1}) Das war gelebte Unionsverkehrspolitik mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD – ihr dürft gerne mitklatschen –; das haben wir zusammen geleistet. ({2}) Wenn ich dann den Koalitionsvertrag lese, sehe ich: Da würdigen Sie selber die eigene Arbeit. Die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur müssen weiter erhöht werden, nachdem drei CSU-Verkehrsminister Jahr für Jahr mehr Geld organisiert haben. ({3}) Viel Erfolg, lieber Kollege Wissing, bei Ihrem Finanzminister auch da mehr zu bekommen. Das haben Sie erkannt. Den Deutschlandtakt wollen Sie stärken, den Masterplan Schienengüterverkehr wollen Sie vorantreiben. Das ist alles richtig. Nur, die Haushaltswahrheit ist natürlich Ernüchterung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Warum? Sie senken die Mittel beim Programm „Zukunft Schienengüterverkehr“, Sie senken die Mittel bei Neu- und Ausbau, ({4}) Sie senken sogar die Mittel bei den Gleisanschlüssen. Lieber Kollege Gastel, das, was Sie hier gerade so groß vorgetragen haben, schaut natürlich in der Lebenswirklichkeit anders aus. ({5}) Stattdessen reden Sie über 400 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schiene. Die finden natürlich nicht im Haushalt 2022 statt, sondern die finden in ganz ferner Zukunft statt. Wissen Sie, warum? Sie haben ja sicher das Interview des Bahnchefs Lutz gestern gelesen. ({6}) Was hat er denn zur Digitalisierung der Schiene gesagt? Ich denke, da wird auch der Verkehrsminister ein bisschen hellhörig geworden sein: „Wenn ich eine störanfällige Infrastruktur digitalisiere, bleibt es eine störanfällige Infrastruktur“, so Lutz. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, also setzen Sie doch nicht hier etwas in die Welt, was nicht funktioniert. Setzen Sie vielmehr dort an, wo wir begonnen haben: Schritt für Schritt sanieren! ({8}) Lieber Kollege Gastel, lieber Kollege Perli, der Kollege Kindler hat 2020 3,7 Milliarden Euro jährlich gefordert. Der Kollege Luksic hat gefordert, dass die Bahn nicht mehr Staatskonzern sein darf. Lieber Verkehrsminister Wissing, genau auf diese Fragen fehlen aber in diesem Haushalt Ihre Antworten: Groß gestartet, wenig gekommen. ({9}) Wenn Sie über Geld und die Sanierung reden: Wir haben die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung deutlich erhöht: 8,6 Milliarden Euro jährlich. Nur, die Bahn schafft es nicht, die Brücken zu sanieren; sie schafft es nicht, den barrierefreien Ausbau herzustellen. ({10}) Nein! All das schafft sie nicht. Und der Bahnchef fordert jetzt 60 Milliarden Euro zusätzlich. Ich kenne von der DB immer nur die Forderung nach Geld. Ich möchte jetzt jedoch Taten sehen für das Geld, das bereitgestellt ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({11}) 2,5 Milliarden Euro für das 9‑Euro-Ticket – das sind 250 barrierefreie Bahnhöfe nach unserem ZIP.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist nachhaltig; das würde ich Ihnen empfehlen. Wir sind Anwalt der Bürgerinnen und Bürger. Wir sind Anwalt der Mobilität für Schiene und Straße. Danke schön. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Nun denn! – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jens Zimmermann, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden über den Haushalt des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Aber man muss natürlich eins sagen: Herr Kollege, ich drücke wirklich die Daumen, dass Herr Pofalla das hinbekommt mit der Infrastruktur bei der Bahn. ({0}) Vielleicht können Sie da ja auch noch mal ein gutes Wort einlegen. Wenn wir uns die digitale Seite dieses Haushaltes und des Hauses anschauen, dann müssen wir uns zwei Themen klarmachen: Wir haben die großen geostrategischen Veränderungen, zum Beispiel den Krieg in der Ukraine und den Systemwettbewerb mit China, und wir haben rasante technologische Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund müssen wir in Deutschland, in Europa einen digitalen Aufbruch und digitale Souveränität organisieren. Wir haben mit diesem Haushalt ganz entscheidende Weichenstellungen im Vergleich zur letzten Legislaturperiode gemacht, meine Damen und Herren. ({1}) Ich will da auch Minister Wissing und seinem Haus danken; denn das ist schon auch kein leichtes Erbe, das Sie da angetreten haben. Das muss man einfach sagen, das gehört zur Wahrheit hier mit dazu. ({2}) Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und all dessen, was wir hier jede Woche auf den Weg bringen müssen, was wir diskutieren müssen – Stichwort „Sondervermögen“ usw. –, haben wir gemeinsam im Bundestag im Digitalausschuss jede Menge Themen auf den Weg gebracht: Gigabitstrategie, Digitalstrategie, Mindestversorgung. Wir haben die ganzen europäischen Dossiers, den Digital Services Act, den Digital Markets Act und noch viel mehr. Sich hier als Opposition hinzustellen und zu sagen: „Ja, alles zu wenig, und es könnte noch viel mehr …“, ({3}) das ist irgendwie am Ende auch ein bisschen unterkomplex angesichts der Situation, in der wir gerade sind, meine Damen und Herren. ({4}) Es ist natürlich auch wichtig, dass wir die Infrastruktur in Deutschland stärken. Jetzt hat quasi der geistige Vater der sogenannten Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft direkt vor mir geredet, Herr Kollege Lange. Da sieht man einfach auch, dass Veränderung guttut. Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft ist in der letzten Legislaturperiode im Verkehrsministerium unter Andi Scheuer geboren worden. Eine ganz gute Idee eigentlich: Man wollte mehr Handymasten ins Land bringen. Da sind Geschäftsführer eingestellt worden, da sind gute Verträge gemacht worden. Und jetzt raten Sie mal: Wie viele Handymasten hat diese Mobilfunkinfrastruktur aus dem Hause Scheuer gebaut? Hat jemand eine Idee? ({5}) – Nein, sie hat mehr als null gebaut; sie hat einen gebaut. Da drüben sitzt mein Kollege Johannes Schätzl aus Passau, der freut sich. Der freut sich; denn in Passau ist der einzige Handymast gebaut worden. ({6}) Er hat mir eben noch mal erklärt: Da gibt es 5‑G-Empfang. Ich bin mir sicher: Das ist einer der Erfolge aus den ersten Tagen im Deutschen Bundestag. Es könnte aber auch zufällig daran liegen, dass Passau der Wahlkreis von Andi Scheuer ist. ({7}) So viel Chuzpe muss man erst mal haben, so eine Bilanz uns zu hinterlassen. Ich führe das nicht etwa aus, weil das irgendwie ironisch oder lustig ist, sondern weil es eben wirklich noch mal zeigt, wie die Ausgangslage ist, mit der wir hier gemeinsam mit dem Haus arbeiten müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Es ist aber im Digitalbereich natürlich nicht nur das Digitalministerium zuständig. Wir reden momentan ganz viel über Cybersicherheit vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass im Rahmen der Haushaltsverhandlungen in der Bereinigungssitzung noch zusätzliches Geld für das Bundesinnenministerium für die Digitalisierung dort bereitgestellt werden konnte. Ebenso begrüße ich, dass wir das Institut für Digitalisierung oder das Zentrum für Digitale Souveränität jetzt – wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben – auf den Weg bringen können. Das ist ein großer Erfolg, und auch dafür einen herzlichen Dank unseren Haushälterinnen und Haushältern der Koalition. ({9}) Wichtig ist jetzt aber auch, dass wir uns – so wie wir es diese Woche beim Sondervermögen beschließen werden – auch daranmachen, die Cybersicherheit – die Resilienz, wie man neudeutsch sagt – unseres Landes im digitalen Bereich zu stärken. Das wird eine große Aufgabe für die Haushaltsverhandlungen 2023. Aber ich kann für die SPD-Bundestagsfraktion – ich glaube aber auch für die ganze Koalition – zusagen, dass wir alles dafür tun werden, dass wir in Zukunft in Deutschland sicher im Netz unterwegs sein können. Herzlichen Dank. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Swantje Michaelsen, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Swantje Henrike Michaelsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005152, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleg/-innen! In diesem Jahr sieht der Haushalt so viel Geld für den Radverkehr vor wie nie zuvor: Mehr als 750 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Und das ist auch bitter nötig; denn landauf, landab fehlt es an guten, sicheren und komfortablen Wegen für den Radverkehr. Dabei zeigen Umfragen, dass für immer mehr Menschen der Klimaschutz eine zentrale Rolle spielt, und immer mehr Menschen sind bereit, ihre eigene Mobilität zu verändern. Mehr als 40 Prozent würden gern mehr Fahrrad fahren. Damit ist das Fahrrad das Verkehrsmittel mit dem höchsten Verlagerungspotenzial. ({0}) 40 Millionen Autofahrten jeden Tag sind kürzer als 2 Kilometer. Davon könnte ein riesiger Teil mit dem Rad zurückgelegt werden, wenn die Infrastruktur da wäre. Deshalb investieren wir in diesem Jahr in Radschnellwege, ins Radnetz Deutschland und in Radwege an Bundesfern- und ‑wasserstraßen. Wir legen ein neues Programm auf für Fahrradparkhäuser an Bahnhöfen, um die Kombination aus Rad und ÖPNV zu stärken. ({1}) Für das Sonderprogramm „Stadt und Land“ stehen mehr als 500 Millionen Euro zur Verfügung, damit die Kommunen die Radwege vor Ort ausbauen, sicher und attraktiv machen können; denn die Wege vor Ort sind es, die die Menschen zum Umsteigen einladen. Deshalb ist es so wichtig und so richtig, dass wir auch den Fußverkehr endlich in den Blick nehmen. ({2}) Mit einem eigenen Haushaltstitel über 1 Million Euro steigen wir ein in die Erstellung einer nationalen Fußverkehrsstrategie. Mit Rad- und Fußverkehr rückt die Mobilität von Menschen in den Mittelpunkt. Zusammen mit einem gut ausgebauten ÖPNV machen wir so nämlich fast alle Menschen aktiv mobil. Und das nützt nicht nur dem Klima, sondern führt auch zu lebenswerten Städten und Gemeinden, und es stärkt Teilhabe und Barrierefreiheit. Jetzt ist es an uns, diesen Trend fortzusetzen und auch in den nächsten Jahren für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen. 2022 ist jedenfalls ein sehr guter Anfang. Vielen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächste erhält das Wort die Kollegin Franziska Hoppermann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Franziska Hoppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Lieber Herr Wissing, anscheinend haben Sie zu viel damit zu tun, mit Ihrem Kollegen Herrn Habeck über die Zukunft der Elektromobilisierung zu ringen, statt sich mit der Digitalisierung Deutschlands zu befassen. Sie haben offensichtlich vergessen, dass das BMDV nicht nur für Verkehrspolitik zuständig ist, sondern auch für die Digitalpolitik in Deutschland. Oder ist es am Ende vielleicht gar nicht so, wie unser Wimmelbild neulich bei einer der ersten Reden gezeigt hat? Hier zeigt sich nämlich schon der erste große Fehler: Es hätte ein Digitalministerium geben müssen. Nur den Namen des Ministeriums zu ändern, das reicht bei Weitem nicht aus. Das ist Etikettenschwindel, Herr Minister! ({0}) Der jetzt zu beschließende Haushalt ist genau dafür wieder ein Beispiel. Man ist sich bei Ihnen im Haus anscheinend noch nicht klar darüber, dass Sie nicht nur für die physische, sondern auch für die digitale Infrastruktur des Landes zuständig sind. Schauen wir doch einmal in den Koalitionsvertrag, was Sie ursprünglich geplant hatten. Man staune; denn dort schreiben Sie – ich zitiere –: Deutschland braucht einen umfassenden digitalen Aufbruch. Wir wollen das Potential der Digitalisierung für die Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen, für Wohlstand, Freiheit, soziale Teilhabe und Nachhaltigkeit nutzen. … Kompetenzen in der Bundesregierung werden neu geordnet und gebündelt, ein zentrales zusätzliches Digitalbudget eingeführt und Gesetze einem Digitalisierungscheck unterzogen. Für diese Aussagen im Koalitionsvertrag hat die Regierung viele Vorschusslorbeeren bekommen. Der Bitkom-Verband lobte beispielsweise, dass die Digitalisierung erstmals auf Augenhöhe mit am Kabinettstisch sitze. Eine Bündelung der Kompetenzen ist notwendig und absolut zielführend. Das Gegenteil ist in Ihrer Verantwortung jedoch leider der Fall. Und das zeigt sich noch deutlicher im Haushalt: Weit und breit ist kein Digitalbudget sichtbar. Jedes Ressort macht seine Digitalvorhaben eigenständig weiter und weitet sie aus. Das Kanzleramt veranschlagt – neu, wohlgemerkt – 78 Millionen Euro für die Digitalkompetenz der Ministerien – warum auch immer –, und ein Mitglied einer Koalitionsfraktion bezeichnete zuletzt das Innenministerium als eigentliches Digitalministerium. Eine Kompetenzbündelung muss sich vor allen Dingen in den Ressourcen abbilden; denn wer die Musik bezahlt, bestellt auch, was gespielt wird. ({1}) Mit dieser Art der Digitalpolitik, wie Sie sie betreiben, sind weder eine Kompetenzbündelung noch eine einheitliche Steuerung und ein Controlling möglich. Die Einführung eines Digitalbudgets wäre ein entscheidender Schritt gewesen, um die Digitalisierung im Land voranzubringen. Sie haben diese Chance klar verpasst. Herr Minister, wo bündeln Sie denn die digitale Kompetenz, wenn nicht im Ministerium für Digitales und Verkehr? Es kann nicht sein, dass Deutschland in Fragen der Digitalisierung noch länger hinterherhinkt. Die Chancen, die mit der Digitalisierung verbunden sind, müssen ausgeschöpft werden. Stattdessen hat die Ampelregierung die Zuständigkeiten und die Mittel für Digitalisierung bis hin zur Unübersichtlichkeit verteilt. Der jetzt vorgelegte Haushalt unterstützt dieses Chaos noch, und jeder kocht sein eigenes Süppchen. Ihre Parlamentarische Staatssekretärin Kluckert schien das im April noch erkannt zu haben, als sie in großen Tönen davon sprach, dass die Bundesregierung mit dem Digitalbudget ganz konkret Verbesserungen für die Menschen in diesem Land schaffen wolle – nicht erst 2030, sondern schon jetzt, in dieser Legislaturperiode. Diesen Gedanken hätte die Kollegin vielleicht einmal mit dem Rest der Regierung teilen sollen; denn entgegen Ihrer eigenen Ankündigung im Koalitionsvertrag wird es im Haushalt 2022 kein Digitalbudget geben. Was aber nicht mit Haushaltsmitteln unterlegt ist, kann auch nicht umgesetzt werden, und es findet schlichtweg nicht statt. Stattdessen kündigen Sie jetzt an, die Digitalstrategie noch in diesem Quartal, also bis Ende Juni, vorzulegen – man darf gespannt sein –, und Sie erklären, ein Digitalbudget könne erst danach folgen. Parallel – aber das wissen vor allem Haushaltspolitiker – steht aber der Haushalt 2023 intern schon vor dem Abschluss. Wie und wann also sollen das Digitalbudget und die Kompetenzbündelung dann umgesetzt werden? Herr Minister, liefern Sie das, was Sie im Koalitionsvertrag versprochen haben! ({2}) Fassen wir Ihre Bemühungen im Bereich der Digitalisierung am Ende ganz einfach zusammen: So traurig es ist – es kreißte der Berg und gebar eine Maus. Vielen herzlichen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Mathias Stein, SPD-Fraktion. ({0})

Mathias Stein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Bundesregierung hat schon einen sehr guten Regierungsentwurf zum Haushalt im Bereich Verkehr vorgelegt. Herzlichen Dank für diese Vorarbeit! Wir haben im parlamentarischen Verfahren hier aber noch mal eine ordentliche Schippe draufgelegt und diesen Haushalt deutlich besser gemacht. Da sind wir nicht nur bei Schönheitsreparaturen gelandet, sondern wir haben kräftige Sanierungsarbeiten geleistet. Hier gilt mein Dank den Haushälterinnen und Haushältern der Ampelkoalition: der Grünen, der FDP und natürlich auch meinem Kollegen Metin Hakverdi. Herzlichen Dank! ({0}) Wir wollen damit gestalten und nicht nur verwalten. Das ist uns an vielen Stellen im Verkehrsbereich gelungen. Wir wollen eine moderne, nachhaltige Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Es ist wichtig, dass wir auch etwas für den Umwelt- und Klimaschutz tun. Dafür müssen wir mehr Verkehre auf die Schiene und auf die Wasserstraße verlagern. Um dies zu ermöglichen, ist es ideal, beides miteinander zu verbinden. Deshalb kommt dem kombinierten Verkehr hier eine Schlüsselrolle zu. Dafür haben wir als Ampelkoalition in unseren Haushaltsanträgen Akzente gesetzt. Wir stellen insgesamt 77,6 Millionen Euro zur Verfügung, damit finanzieren wir Umschlagsanlagen wie Containerterminals, damit die Kombination aus Schiene und Wasserstraßen an den Häfen besonders gut funktioniert. Das sind ganze 15 Millionen Euro mehr, als der Bundesfinanzminister und der Bundesverkehrsminister zur Verfügung gestellt haben. Und wir nehmen dieses Geld aus dem Bereich Straße, sodass wir quasi doppelt verlagern können. ({1}) Wir tun noch eines: Oft wurde beim Titel für den Unterhalt der Infrastruktur der Wasserstraßen gespart – ich kenne das als Wasserbauer –; dem haben wir ein Ende bereitet. Wir haben 5 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, damit die Wasserstraßen vernünftig saniert werden können. Dies ist nicht nur für 2022 geplant. Wir werden das in den Folgejahren für eine verlässliche Infrastruktur fortsetzen. ({2}) Außerdem brauchen wir moderne Schiffe für unsere Wasserstraßen. Wir hatten mit dem Koalitionspartner Union, aber auch in der Zusammenarbeit mit vielen anderen ein Förderprogramm für die Binnenschifffahrt aufgelegt und dafür gesorgt, dass der Ansatz schon im letzten Haushalt von 6 Millionen auf 30 Millionen Euro erhöht worden ist. Jetzt haben wir mit einem Kraftakt erreicht, noch 10 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, sodass auch die Binnenschifffahrt als wichtige Branche klimaneutral werden kann. Das ist eine gute Nachricht! ({3}) Gut für die Umwelt, gut für den Klimaschutz und meistens auch gut für die Gesundheit ist der Radverkehr. ({4}) Damit die Förderprogramme und Modellvorhaben, die wir in den letzten Jahren aufgelegt haben, weitergehen können, werden wir 110 Millionen Euro zusätzlich an Verpflichtungsermächtigungen bereitstellen. Denn wir wissen: Die Jährlichkeit des Haushalts ist oft ein Problem. Das bringt Planungssicherheit für die Beteiligten in den Kommunen und den Bundesländern. ({5}) Dann noch zum Thema Fußverkehr: Der Fußverkehr, von vielen sehr unterschätzt, aber doch von allen genutzt – auch von Herrn Oßner, der sich jetzt nett unterhält –, ist die einfachste, älteste und flexibelste Form der Mobilität. Wir als Ampelkoalition wollen diesen Verkehrsträger stärken und ihm mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen, als er bisher bekommen hat. ({6}) Deshalb ist es richtig, dass wir einen eigenen Haushaltstitel dafür geschaffen haben. Wir stellen 1 Million Euro für eine nationale Fußverkehrsstrategie bereit, und das ist richtig so! ({7}) Wir werden mit diesem Haushalt und auch den nächsten Haushalten mehr für eine nachhaltige Mobilität, eine bessere Infrastruktur und einen guten sozialen Zusammenhalt tun. Vielen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Stein. Sie haben sich verletzt, habe ich gesehen, hoffentlich nicht beim Radverkehr. Ich wünsche Ihnen alles Gute und gute Besserung mit Ihrem Arm. ({0}) Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Dr. Carolin Wagner, SPD-Fraktion. ({1})

Dr. Carolin Wagner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005247, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Digitale Transformation, das ist nicht etwa der Untertitel eines neuen Hollywood-Blockbusters. Nein, es ist das Schlagwort für den tiefgreifenden digitalen Umbau aller Lebensbereiche. Diesen Umbau packen wir als Fortschrittsregierung endlich an. Warum? Weil es nicht sein kann, dass sich Deutschland in Sachen „digitale Wettbewerbsfähigkeit“ im Vergleich mit anderen Ländern in Europa seit Jahren unter den Schlusslichtern einreiht. Dieses Abgehängtsein können wir uns und wollen wir uns nicht länger leisten. Deshalb macht es die Ampel hier genauso wie in allen anderen Bereichen: Wir übernehmen Verantwortung, wir gestalten. ({0}) Ganz zentral hierbei ist die Digitalisierung im Bildungsbereich. Gerade an unseren Schulen wurde Digitalisierung doch jahrelang nur als Schulprojekt verfolgt. Genau das ist uns in der Coronapandemie vor die Füße gefallen. Mit dem DigitalPakt Schule wurde konkret gehandelt, um die digitale Bildungsinfrastruktur auf Vordermann zu bringen, damit Schulen auch wirklich für eine Arbeitswelt und eine Lebenswelt 4.0 vorbereiten können. Wir werden den DigitalPakt Schule bis ins Jahr 2030 fortführen, den Mittelabfluss beschleunigen und hierfür richtig viel Geld in die Hand nehmen, um in der schulischen Bildung endlich auf die Überholspur zu wechseln. ({1}) Die digitale Transformation vollzieht sich aber auch in allen anderen Bereichen, zum Beispiel in der Arbeitswelt. Hierfür leistet diese Regierung einen Beitrag, indem wir die Mittel zur Förderung innovativer Maßnahmen zur Gestaltung der Arbeitswelt in der Transformation auf 39,7 Millionen Euro erhöhen. Was steckt hinter dieser Titelgruppe im Haushalt? Dahinter steckt etwa die Nationale Online-Weiterbildungsplattform, NOW. Diese Plattform bündelt Weiterbildungsangebote und verknüpft Fördermöglichkeiten. Mit Maßnahmen wie dieser erhöhen wir Weiterbildungsbeteiligung, befördern wir von unserer Seite den digitalen Strukturwandel und unterstützen wir die Bürgerinnen und Bürger bei der Erschließung neuer beruflicher Qualifikations- und Entwicklungswege. ({2}) Digitale Transformation findet überall statt, auch in unseren Städten und Kommunen, die wir für die Zukunft fit machen müssen. Lassen Sie mich hier schon einen Blick auf die nächste Haushaltsdebatte werfen: Mit dem Förderprogramm für Smart Cities und Smart Regions, für das der Bund bisher 820 Millionen Euro bereitgestellt hat, haben wir erste Modellprojekte initiiert, die jetzt vor Ort quasi Grundlagenarbeit leisten für clever vernetzte, nachhaltige und partizipative Städte und Gemeinden. Dieses zarte Pflänzchen gilt es in den nächsten Jahren ausreichend zu gießen. Das heißt, wir müssen in den kommenden Jahren hier weitere Mittel bereitstellen, um die Kommunen in diesem Land in der Breite smart zu machen. Auch das hat die Ampel im Blick und wird sie anpacken. Unser Anspruch als Fortschrittskoalition ist es, die digitale Transformation in diesem Land zu gestalten, und nicht, sie aus der Lauerstellung heraus zu beobachten. Wir stärken das Gemeinwohl und die Teilhabe aller. Genau dazu soll digitale Transformation dienen, und genau dafür steht unsere Bundesregierung. Vielen herzlichen Dank. ({3})

Uwe Feiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Entwicklung des Bundeshaushalts 2022, insbesondere des Einzelplans 16, vom ersten Regierungsentwurf bis heute anschaut, dann wird man nicht viele Neuerungen und kaum Änderungen finden. Es sind einige neue Etiketten dabei wie der Bundesnaturschutzfonds, den es in anderer Form in mehreren Titeln schon gab. Das ist auch Ausdruck guter Arbeit der Vorgängerregierung. Was ist denn eigentlich die größte Veränderung bei Ihrem Haus, Frau Bundesministerin? Die größte Veränderung ist die Aufteilung des Kapitels „Klimaschutz“ auf mehrere Ministerien. Ich habe in den Einzelplanberatungen bereits erwähnt, dass Sie sich hier im Klein-Klein verlieren. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei. Und wer in dieser Bundesregierung eigentlich Chefkoch beim Thema Klimaschutz ist, erschließt sich mir bisher leider nicht. ({0}) Geld, meine Damen und Herren, ist der Kitt, der diese Regierung, diese Koalition zusammenhält. Aber im Gegensatz zu den unendlichen Weiten meiner schönen Heimat Brandenburg sind die Mittel, die wir hier zur Verfügung haben, die hart erarbeiteten Steuergelder der Bürgerinnen und Bürger, endlich. Sie nehmen jetzt 4 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds für die Umsetzung der Vorhaben des BMUV – 4 Milliarden Euro neue Schulden ohne Prioritätensetzung, alles ist wichtig. Sie bauen damit eine schöne Fassade für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz auf. Ich möchte kurz auf das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz eingehen. Sie wollen Moore wiedervernässen. Sie wollen Flussauen renaturieren. Sie wollen Waldflächen, Äcker und Wiesen der Natur überlassen. Sie wollen Wildnis fördern. ({1}) Das Ganze haben Sie in einer wunderschönen Hochglanzbroschüre zusammengestellt. Aber was bedeutet das eigentlich in der Praxis? In der Praxis bedeutet dies einen erheblichen Flächenentzug für die jetzigen Nutzer. Vielleicht ist das alles kein Problem bei Bundes- oder Landesflächen; aber die Flächenkulisse in der Bundesrepublik sieht anders aus. Das schafft eine Betroffenheit privater Landeigentümer und Landnutzer. Wir, meine Damen und Herren, wollen keine Enteignung durch die Hintertür. ({2}) Aussagen zu Kooperationsmaßnahmen, zu Entschädigungen, zur Gebietskulisse: derzeit Fehlanzeige. Oder wollen Sie gar Flurbereinigungsverfahren in Erwägung ziehen? Flurbereinigungsverfahren kosten Geld, aber vor allem Zeit. Ich spreche da aus Erfahrung. Die Untere Havelniederung liegt direkt bei mir vor der Haustür. Das dortige Flurbereinigungsverfahren läuft seit 15 Jahren, und der Abschluss ist offen. Es lohnt sich also ein Blick hinter die Kulissen, hinter die Fassade Ihrer Klimapolitik. Ich sehe dort eine Großbaustelle. Ob wir innerhalb der nächsten vier Jahre, innerhalb dieser Legislatur, sichtbare Baufortschritte sehen, ist für mich noch ein bisschen fraglich. Eine Hochglanzbroschüre reicht nicht aus. Aber vielleicht geben Sie dieses Geld – die 4 Milliarden Euro neue Schulden, die Sie machen – auch gar nicht aus. Uns war in den Beratungen noch der internationale Meeresschutz gegen die Vermüllung der Meere wichtig; dazu haben wir einen entsprechenden Antrag gestellt. Sie haben die Mittel im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf um fast 30 Prozent gekürzt, obwohl der Mittelabfluss in den vergangenen Jahren sehr gut war. Deutschland kann bei diesem Thema eine Vorreiterrolle übernehmen und neue Märkte für unsere Unternehmen erschließen. Wir wollten daher zurück zum Ansatz des ersten Regierungsentwurfs; aber leider haben Sie das trotz einer von uns vorgeschlagenen Gegenfinanzierung abgelehnt. Auch beim nationalen Meeresschutz – Stichwort „Munition in der Nord- und Ostsee“ – sind Sie unserem Antrag leider nicht gefolgt. Sie setzen 1 Million Euro ein, davon 400 000 Euro für die Munitionsbergung. Wir wollten die Mittel von 1 Million Euro auf 5 Millionen Euro erhöhen. Wir wollten nicht kleckern, wir wollten klotzen. Leider haben Sie das abgelehnt – trotz lobender Worte aus der Regierungskoalition. Sie kleckern lieber, statt zu klotzen. ({3}) Meine Damen und Herren, ein paar Sätze noch zum Thema Wolf. Sie setzen 100 000 Euro für sogenannte Herdenschutzesel ein. ({4}) Das ist lobenswert, treibt aber, glaube ich, jedem Weidetierhalter die Zornesröte ins Gesicht. Wenn man sich Ihren Koalitionsvertrag einmal anschaut, dann findet man dort einen sehr guten Satz. Sie wollen nämlich das Wolfsmonitoring mit den Ländern verbessern und eine regionale Begrenzung der Population ermöglichen. Das ist ein gutes Vorhaben; es ist im Übrigen ein Vorhaben von Bundesministerin a. D. Julia Klöckner und ihrem Parlamentarischen Staatssekretär Uwe Feiler aus der letzten Legislaturperiode gewesen. Gescheitert ist das Ganze an der SPD und dem BMU. Ob es jetzt gerade die FDP sein wird, die die Umsetzung dieses Vorhabens voranbringt, wage ich zu bezweifeln. ({5}) Für die ländlichen Räume und für die Weidetierhaltung wäre es gut. ({6}) Machen Sie es einfach! Sie haben uns da wirklich an Ihrer Seite. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Nach dem Haushalt ist bekanntlich vor dem Haushalt. Der Bundeshaushalt 2023 wirft seine Schatten voraus. Ich bin gespannt auf Themen wie die Schuldenbremse und auf Ihre Prioritätensetzung. Ihrem Haushalt für das Jahr 2022 werden wir leider nicht zustimmen können. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Sebastian Schäfer, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr nach der Bundestagswahl wird der Etat ja erst im Frühjahr beschlossen. Nach acht Jahren Großer Koalition hat die Ampel jetzt zügig Verantwortung übernommen. Wenn ich dem Vorredner zuhöre, muss ich sagen, dass das wirklich dringend notwendig gewesen ist. ({0}) Viele Ministerien sind neu zugeschnitten worden. Auch das BMUV hat mit dem Verbraucherschutz eine neue Gestalt bekommen. Der Haushalt wird nur ein gutes halbes Jahr in Kraft sein; insofern kann man durchaus von einem Übergangshaushalt sprechen. Das heißt aber nicht, dass wir mit diesem Haushalt nicht gestalten. Es gibt eine ganze Reihe positiver Entwicklungen zu verzeichnen, unter anderem den Aufwuchs im Bundesnaturschutzfonds. Die Ampel legt damit ein Hilfsprogramm für Arten auf, die besonders vom Ausbau erneuerbarer Energien betroffen sind. So adressieren wir Konflikte zwischen Klima- und Naturschutz, die den Ausbau erneuerbarer Energien leider lange blockiert haben. Mit dem Bundesnaturschutzfonds verbinden wir außerdem eine Reihe von bestehenden Titeln, um damit auch eine erhöhte Flexibilität in der Bewirtschaftung zu schaffen. Es gibt einen deutlichen Aufwuchs beim nationalen Meeresschutz und eine verbesserte Mittelausstattung für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel. ({1}) Wir können die Erhitzung nicht mehr zurückdrehen. Die Folgen erleben wir alle in unseren Wäldern und auf unseren Äckern. Wie drastisch diese Folgen global schon sind, sehen wir leider zurzeit in Indien. Im parlamentarischen Verfahren haben wir außerdem dafür gesorgt, dass das Recyclinglabel als zentraler Bestandteil einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft zügig eingeführt werden kann. Hier liegt eine große Chance für unsere Volkswirtschaft, die es jetzt zu nutzen gilt. ({2}) Ganz besonders wichtig waren uns die Mittel für Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität auf internationaler Ebene. Die Mittel hierfür liegen nun im BMWK, aber das Umweltressort kann in der Mitbewirtschaftung darauf zugreifen. Wir haben den Ansatz dafür im parlamentarischen Verfahren noch einmal deutlich erhöht. Während die Klimakrise im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist, sind uns die Auswirkungen des Artensterbens noch immer viel zu wenig präsent. Von den geschätzt 8 Millionen Tier- und Pflanzenarten sind 1 Million vom Aussterben bedroht. Die Biomasse an Fluginsekten ist in Deutschland an manchen Orten um 80 Prozent zurückgegangen. Das hat große Auswirkungen auf Vögel und die Bestäubung von Pflanzen. Die Natur um uns herum stirbt; aber wie bei der Klimakrise nehmen wir das Problem erst mit großer Verzögerung wahr. Mit den zusätzlich bereitgestellten Mitteln können wir auch auf der Artenschutzkonferenz in Kunming einen wichtigen Beitrag leisten und zeigen, dass wir unsere internationale Verantwortung als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ernst nehmen. ({3}) Der Erhalt der Biodiversität und der Kampf gegen die Klimakrise hängen sehr eng zusammen, und ich bin froh, dass wir mit diesem Etat gegen die Krise ankämpfen. Vielen Dank. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Wolfgang Wiehle, AfD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Schutz unserer Lebensgrundlagen ist Heimatschutz und schon dadurch ein Grundanliegen konservativer Politik. Er gerät zum Leidwesen von Millionen Menschen immer mehr in den Würgegriff der grundfalschen Energiewendepolitik. Auch wenn Ihr Haus, Frau Ministerin, einige Themen an Ihren Kollegen Habeck abgegeben hat, bleiben Sie zuständig für den Immissionsschutz und den Naturschutz. Im Sinne zahlloser Betroffener fordere ich Sie an dieser Stelle dazu auf, bei den Abstandsregeln für Windindustrieanlagen Härte zu zeigen. ({0}) Die Beratungen im Haushaltsausschuss haben offengelegt, dass die Koalition darüber streitet. Je näher die Windräder an die Wohnhäuser rücken, desto größer wird die Belastung durch Schall und Schattenwurf. Das Landschaftsbild wird vielerorts durch die Verspargelung zerstört. In einer anderen Frage des Immissionsschutzes, nämlich bei den sowieso schon sehr strengen Stickoxidgrenzwerten, hat Ihr Haus unerbittliche Härte gezeigt und bei den Fahrverboten mitgewirkt. Wenn Sie nun gegenüber der Windindustrie wenigstens halb so viel Härte zeigen würden wie damals Ihre Amtsvorgängerin gegen die Autofahrer, wäre der Natur und vielen Menschen sehr geholfen. ({1}) Die Projektförderung im Einzelplan 16 haben wir bei den Haushaltsberatungen genau betrachtet, und ich danke für die Auskünfte. Die AfD-Fraktion wird darüber wachen, dass Fördergelder nach klaren fachlichen Kriterien vergeben werden. Wir werden hartnäckig aufzeigen, wenn sogenannte Nichtregierungsorganisationen sich in gut geförderte Regierungshilfsorganisationen verwandeln, zum verlängerten Arm der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung werden und wie in anderen grün geführten Ministerien vielleicht sogar Regierungspersonal stellen. ({2}) Für den Umweltschutz, die Energiesicherheit und die deutsche Volkswirtschaft und damit auch den Bundeshaushalt wäre der Weiterbetrieb der Kernkraftwerke von größter Bedeutung. Dass sich das Umweltministerium hier weiter querstellt, stößt auf die energische Kritik der AfD-Fraktion. ({3}) Die Betreiber der Kraftwerke sind da wesentlich kooperativer, aber ihre Reaktion zeigt auch eines: Das ideologische Hin und Her der Politik unter den Kanzlern Schröder, Merkel und Scholz hat dort alles an Vertrauen zerstört. ({4}) Wenn die Regierung neue Öl- und Gasheizungen verbietet und der Strom für die Wärmepumpen unbezahlbar wird, ist für viele Bürger der Holzofen die letzte Rettung, um nicht zu frieren wie in der Steinzeit. ({5}) Es kann nicht sein, dass sich das Umweltbundesamt auch noch anschickt, Holzöfen zu verbieten. Dieses Amt ist kein freischwebender Diskutierklub, sondern eine Bundesbehörde unter Ihrer Verantwortung, Frau Ministerin Lemke. Weisen Sie das UBA vielmehr an, die Bürger über das richtige Heizen mit Holz aufzuklären! Gerade das Umweltministerium müsste bei gedrucktem Papier und üppigen Reisen ein Vorbild bei der sparsamen Haushaltsführung sein. Hier müsste verstärkt mit digitalen Medien gearbeitet werden. Aber selbst diese kleinen und eigentlich selbstverständlichen Änderungsanträge der AfD-Fraktion wurden abgelehnt. Wir werden dem Einzelplan 16 wegen fehlender Ausgewogenheit nicht zustimmen. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nunmehr erhält das Wort der Kollege Michael Thews, SPD-Fraktion. ({0})

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute über den Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Gerade nach dieser unterirdischen Rede von der rechten Seite will ich hier noch einmal ganz klar sagen: Wir beraten über die notwendigen Mittel für die Sicherheit des Lebens auf unserer Erde für uns und für nachfolgende Generationen. ({0}) Wir müssen unsere Erkenntnisse, unser Potenzial für die Zukunft nutzen und aufhören, an einzelnen Sachen herumzudoktern. Es gilt vielmehr, unsere Ökosysteme zu retten und die Artenvielfalt, unsere Meere, Moore, Wälder nachhaltig zu schützen. ({1}) Es geht um nicht weniger als den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. ({2}) Dazu kommt, dass in diesem Einzelplan zum ersten Mal der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher enthalten ist und damit der Schutz der Rechte von uns allen. Hier gibt es auch Schnittmengen zu den klassischen Umweltthemen, zum Beispiel beim Recht auf Reparatur oder beim neuen Recyclinglabel, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir beschließen in diesem Jahr unter anderem einen Aufwuchs an Mitteln für kommunale Projekte zum natürlichen Klimaschutz, mehr Geld für den Meeresschutz, mehr Geld für die Kreislaufwirtschaft und den Schutz der Wattenmeere. Wir stellen für den natürlichen Klimaschutz für die nächsten Jahre Ausgaben in Höhe von 4 Milliarden Euro bereit. Damit setzen wir den Koalitionsvertrag um. Wir haben im Koalitionsvertrag ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vereinbart. Damit schaffen und fördern wir Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz. Durch Renaturierungsmaßnahmen – in meinem Wahlkreis an der Lippe und den Nebenflüssen zu beobachten – beseitigen wir aktiv die Fehler der Vergangenheit. Funktionierende stabile Ökosysteme wie Moore, Wälder, Auen, Grünland, unsere Meere und Küsten wirken der Klimakrise entgegen. Gesunde Ökosysteme sind gleichzeitig eine Vorsorge gegen die Folgen der Klimakrise. Gesunde Böden speichern Wasser, Wälder halten Stürmen besser stand und verhindern weitere Erosionen, intakte Auen halten Wasser zurück und schützen so auch vor Hochwasserfolgen. Im parlamentarischen Verfahren haben wir dafür gesorgt, dass im Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz Maßnahmen vorgesehen werden, durch die der Klimaschutz in kommunalen Gebieten und in ländlichen Räumen besonders vorangebracht werden kann. Förderfähige Projekte sollen aus den für die Maßnahmen zum natürlichen Klimaschutz veranschlagten Mitteln finanziert werden. Hierzu wird es 2023 einen Förderaufruf geben. Neu im Umwelthaushalt ist der Start des Recyclinglabels. Ich danke den Kollegen, dass sie unserer Initiative gefolgt sind ({3}) und wir schon in diesem Jahr mit dem Recyclinglabel starten können. Das ist ganz wichtig; denn damit wird der Einsatz von Rezyklaten bei der Herstellung neuer Produkte gefördert. Das ist die Voraussetzung für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Ich setze mich schon seit Jahren für ein Label ein, das verbindlich, transparent und verlässlich Auskunft gibt über den Anteil an Rezyklaten in Sekundärrohstoffen, die ein Produkt enthält. Ein derartiges Label erleichtert unter anderem die Produktauswahl bei der öffentlichen Beschaffung. Damit wollen wir das ganze System fördern. Es ist aber auch für den Bereich Verbraucherschutz wichtig; denn auch Verbraucher wollen nachhaltige Produkte kaufen. Hier können sie dann klar erkennen, wo CO2 eingespart und die natürlichen Ressourcen geschützt wurden. ({4}) Ein wichtiger Teil des Umweltschutzes ist der nationale Meeresschutz. Hierfür werden in den nächsten Jahren 7 Millionen Euro eingestellt. Das ist ganz wichtig; denn es gilt auch, die Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg in Nord- und Ostsee zu beseitigen. 1,6 Millionen Tonnen Munition liegen dort noch im Wasser. Sie müssen umweltfreundlich und sicher entfernt werden. Dafür haben wir jetzt den Grundstein gelegt. Wir gehen das Problem zusammen mit den Ländern an und werden in den nächsten Jahren für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Hier ist zu lange zu wenig passiert. ({5}) Ebenfalls im parlamentarischen Verfahren haben wir im Bundesnaturschutzfonds zusätzliche Gelder zur Förderung von Wattenmeerzentren erreichen können. Damit fördern wir den Schutz und das Umwelt- und Naturbewusstsein für diese einzigartige Küstenregion. Diese Woche beschließen wir den Haushalt 2022. In Kürze werden wir über den Haushalt 2023 in erster Lesung beraten. Hier gilt es, weiterhin die notwendigen Mittel bereitzustellen, vielleicht an der einen oder anderen Stelle sogar noch einen Aufwuchs zu erreichen. Ich bedanke mich noch einmal recht herzlich bei den Berichterstatterkollegen, den Mitarbeitern und der Ministerin für die gute Zusammenarbeit, aber auch bei den Büros der AG, der Fraktion und den Abgeordneten. Vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. Ich bin ganz sicher, dass wir das in nächster Zeit fortsetzen können. Vielen Dank. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Thews. – Nächster Redner ist der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke. ({0})

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sie behaupten, die Umwelt habe Priorität, und geben dann nur 0,5 Prozent der Haushaltsmittel an das Umweltministerium. Das ist absurd. ({0}) In Summe sind es 2,2 Milliarden Euro, und die Hälfte, nämlich 1,1 Milliarden Euro, sind allein für die Verwahrung des Atommülls notwendig. Ganze 472 Millionen Euro stehen dem Umweltministerium für realen Umweltschutz zur Verfügung. Hinzu kommen jährlich 1 Milliarde für 16 Maßnahmenkomplexe zum natürlichen Klimaschutz und Forschungsmittel im Bildungsetat. Das ist auch in der Summe viel zu wenig. ({1}) Aber selbst bei diesem niedrigen Umweltetat würde Die Linke andere Schwerpunkte setzen. Wir fordern die Einrichtung von Totalschutzzonen in Nord- und Ostsee zum Überleben von Schweinswal, Dorsch und Hering und jährlich 50 Millionen Euro als Unterstützung für das Überleben der Fischereibetriebe von Usedom bis Amrum. Wir fordern zusätzliche 50 Millionen Euro für kommunale Lärmschutzprojekte an Straßen und Schienen, damit Anwohnerinnen und Anwohner gesund bleiben. ({2}) Wir brauchen zusätzlich 100 Millionen Euro für den Ausbau von Naturschutzprojekten und den Rückbau von Wehren und das Entfernen von Beton aus unseren Flüssen. Artenschutz darf nicht an der Wasseroberfläche enden. ({3}) Bei der Fahrt durch Deutschland, bei mir im Thüringer Wald, im Schiefergebirge, im Harz, fast überall sieht man klaffende Wunden in unseren Wäldern. Die Wälder sind unverzichtbar als CO2-Senke, zum Klimaschutz, als Holzlieferant, für alternatives Bauen der Industrie, zur Erholung, zum Schutz vor Überschwemmungen nach Starkregen und als Wasserspeicher auch für Trinkwasser. Die Fachleute des ThüringenForsts sagen: Ohne Umbau droht einem Viertel unserer Wälder das Aus. Von den 11,4 Millionen Hektar deutscher Wald sind 3 Millionen Hektar anfälliger Monokulturwald. Dieser muss zu Laubmischwäldern umgebaut werden ({4}) Rund 285 000 Hektar Wald verloren wir durch Stürme, Dürre und Borkenkäfer allein in den letzten drei Jahren. Forstbetriebe brauchen dringend Hilfe zum Waldumbau, zur Schadholzbeseitigung und Wiederaufforstung. Das ist unverzichtbar. ({5}) Laut Bayerischer Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft ist Waldumbau ähnlich aufwendig wie Neuanpflanzung. Auf 8 000 Euro je Hektar belaufen sich die Kosten. Waldumbau und Wiederaufforstung erfordern also mindestens 25 Milliarden Euro. Nur knapp 90 Millionen Euro für den Wald fanden wir im Haushalt. Im Klima- und Transformationsfonds stehen 200 Millionen Euro für den Waldumbau. ({6}) Die sind aber leider gesperrt; gesperrt, bis sich die Bundesministerien auf ein gemeinsames Waldkonzept einigen. Unfassbar! Koalition und Union schaffen kein gemeinsames Konzept zur Rettung unserer Wälder; aber eine Grundgesetzänderung für Aufrüstung bekommen sie hin. Das ist eine Schande! ({7}) Die Linke fordert: Heben Sie die Sperre der 200 Millionen Euro für den Wald sofort auf! Mit diesen 200 Millionen Euro und den 90 Millionen Euro jährlich bräuchte der Waldumbau dann ganze 80 Jahre. Kolleginnen und Kollegen, so viel Zeit haben wir nicht. Sie haben im Koalitionsvertrag versprochen, den Forstbetrieben Ökosystemdienstleistungen zu honorieren. Wo finde ich die Umsetzung dieses Versprechens? Liebe Bürgerinnen und Bürger, der Waldumbau braucht viel zusätzliches Personal, er kostet Geld, und er verringert zukünftige Einnahmen der Forstunternehmen. Aber wir alle brauchen gesunde Laubmischwälder – ich wiederhole – als CO2-Senke, zum Hitzeschutz, als Rohstofflieferant, zur Erholung und als Hochwasserschutz. ({8}) Deshalb brauchen die Forstbetriebe dringend Geld für den Waldumbau, für gut bezahlte Waldarbeiterinnen und Waldarbeiter. Mit jährlich 1 Milliarde Euro zusätzlich könnten wir es bis 2045 schaffen, unsere Wälder umzubauen. Meine Fraktion wird in dieser Woche viele Alternativen zu dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr benennen. ({9}) Und ich frage: Wenn die Umwelt, wenn der Wald, wenn unsere Lebensgrundlagen zerstört sind, wofür braucht es dann noch Kriegsfregatten? Verzichten Sie auf die fünf neuen Hochsee-Fregatten 126, die fast 6 Milliarden Euro kosten! Mit diesem Geld wäre der Waldumbau zumindest bis 2028 erst einmal abgesichert. Vielen Dank. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Lenkert. – Nun hat das Wort der Kollege Frank Schäffler, FDP-Fraktion. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Schon der Name des Ministeriums sagt, um was es im Einzelplan 16 geht: Umwelt, Natur, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Ich will mit Letzterem, dem Verbraucherschutz, anfangen. Das ist ein Thema, das hier jetzt neu angesiedelt ist. Wir als Freie Demokraten setzen uns für den mündigen Verbraucher ein. Wir wollen die Grundlage dafür schaffen, dass der Bürger eigenverantwortlich seine Konsum- und Investitionsentscheidungen treffen kann. All das, was dazu beiträgt, dass der Bürger als mündiger Bürger selbst entscheiden kann, werden wir unterstützen. ({0}) 2,2 Milliarden Euro umfasst der Kernhaushalt dieses Einzelplans. Aber dazu kommen noch die Mittel des EKF. Deshalb ist es zwar ein kleiner Haushalt, aber dennoch wirkungsmächtig in dem, was er sonst noch zu bieten hat. Im Naturschutzbereich wollen wir die Rechte der Eigentümer stärken, weil wir glauben, dass nur so die Kooperation der Flächennutzung als zentraler Baustein genutzt werden kann. Deshalb halten wir den Vertragsnaturschutz für das richtige Instrument zur Förderung des Naturschutzes. ({1}) Der größte Anteil in diesem Haushalt ist der Bereich „nukleare Sicherheit“. 1 Milliarde Euro umfasst dieser Bereich für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle. Im Wesentlichen korrespondiert dies mit der Finanzierung über den Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung, in den 24 Milliarden Euro von der Industrie eingezahlt wurden. Die laufenden Erträge dienen unter anderem dazu, diese 1 Milliarde Euro für die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle zu finanzieren. Ich glaube, wir in Deutschland tun gut daran, wenn wir die Kerntechnik weiter als nutzbare Energie erhalten. ({2}) Vielleicht ist es sinnvoll – nach dem gestrigen Tag, als Russland angekündigt hat, den Niederlanden das Gas abzustellen –, über Alternativen auch in Deutschland nachzudenken. Zumindest diese Option für die Zukunft offenzuhalten, halte ich für richtig. Robert Habeck hat mit Recht gesagt, dass es keine Denkverbote geben darf. Ich finde, auch bei der Kernenergie darf es keine Denkverbote geben. ({3}) Wichtig ist für uns als FDP ein Thema, das bisher noch nicht so richtig im Fokus stand, nämlich der Meeresschutz. Ich glaube, das, was wir in der Nord- und Ostsee an Altlasten haben, muss uns zum Handeln auffordern. 1,6 Millionen Tonnen Munition und 5 000 Tonnen chemische Kampfstoffe aus dem Zweiten Weltkrieg sind nicht nur eine Umweltbelastung, die auf uns zukommt, sondern sie verhindern auch technischen Fortschritt und das Nutzbarmachen der Meere. Deshalb ist es nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Aufgabe, dass wir in den nächsten Jahren hier handeln. Das machen wir, indem wir Haushaltsmittel dafür bereitstellen. Aber das erfordert in den nächsten Jahren einen ganz erheblichen Aufwuchs. Das haben wir auch schon im Koalitionsvertrag niedergeschrieben: Für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee wird ein Sofortprogramm aufgelegt sowie ein Bund-Länderfonds für die mittel- und langfristige Bergung eingerichtet und solide finanziert. In diesem Haushalt haben wir mit Mitteln in Höhe von 1 Million Euro begonnen; es ist ja auch ein kurzes Haushaltsjahr. Ich glaube, das ist eher ein symbolischer Wert. Aber das dient dazu, in den nächsten Jahren einen erheblichen Aufwuchs zu starten. Ein weiteres Thema ist uns auch sehr wichtig – es ist vorhin an anderer Stelle schon einmal genannt worden –, und zwar das Thema Wolf. Ich glaube, wir haben im Koalitionsvertrag mit Recht niedergeschrieben, dass wir „ein regional differenziertes Bestandsmanagement ermöglichen“ wollen. Dieses Bestandsmanagement erfordert auch die Entnahme von Wolfsbeständen in Deutschland. ({4}) Das ist ebenfalls notwendig. Bestandsmanagement setzt voraus, dass man auch Wölfe entnehmen können muss. Deshalb glaube ich, das muss in den nächsten Haushaltsberatungen – in diesen ist es uns noch nicht gelungen – ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen sein. Vielen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Schäffler. Das war ja zügig. – Nächster Redner ist Alexander Engelhard, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alexander Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass ich als Müller in der Haushaltsdebatte Umwelt zum Thema Wasser sprechen darf, passt sehr gut. Mein Großvater pflegte zu sagen: Kinder, ihr wisst nicht, was das Wasser dem Müller für Sorgen bereitet! – Bei zu wenig Wasser stand die Mühle, bei zu viel aber auch. Hinzu kamen die Sorgen, die Sie aus den Hochwassergebieten kennen. Das Thema Wasser müsste auch der Bundesumweltministerin am Herzen liegen. Eine Nationale Wasserstrategie ist zumindest angekündigt. Auch ein Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz soll auf dem Weg sein. Viel Konkretes dazu gibt es allerdings noch nicht. Der Schwerpunkt Wasser ist im Haushaltsplan an entscheidenden Stellen nicht erkennbar. Mein Eindruck ist – und der verfestigt sich, wenn ich mir den aktuellen Haushalt anschaue –, dass die Bundesregierung falsche Schwerpunkte setzt und nicht effizient mit Steuergeldern umgeht. ({0}) Fast 140 Milliarden Euro neue Schulden, fast 8 Prozent Inflation, eine kaum mehr kontrollierbare Geldmenge, und dazu kommen die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine, die grüne Transformation und weitere große Herausforderungen. Angesichts dieser immensen Aufgaben sollte die Bundesregierung sorgfältiger mit ihren Ressourcen umgehen. Das fängt beim Personal an. Ich habe größte Zweifel, dass knapp 10 000 neue Stellen in der Verwaltung ein effizienteres Regieren ermöglichen. Vielmehr bin ich überzeugt, dass dieses zusätzliche Personal zu einer bürokratischen Mehrbelastung für unsere Wirtschaft führt. Weitere Produktivitätsverluste sind damit garantiert. ({1}) Ehrlich gesagt, fällt es mir in diesem Zusammenhang schwer, mehr Geld einzufordern. Keine Sorge, es geht nicht um Milliarden, sondern nur um wenige Millionen. An drei Beispielen möchte ich jedoch verdeutlichen, wo Haushaltsmittel zielgerichteter für unsere wertvollste Ressource Wasser genutzt werden können. Das Thema „Meeresschutz“ wurde schon angesprochen. Vor unseren Küsten in der Nord- und Ostsee liegen geschätzte 1,6 Millionen Tonnen Munition aus den Weltkriegen. Das entspricht 12 800 Lkw-Ladungen. Zum Vergleich: Hintereinander aufgereiht wäre das eine Kolonne von Berlin nach Hawaii. Die Schadstoffe der Munition – auch das wurde schon angesprochen – vergiften zunehmend die Meeresumwelt und bedrohen damit zahlreiche Arten und Lebensräume. Über belastete Muscheln und Fische gelangen diese Gifte auch in die menschliche Nahrungskette. Es besteht fraktionsübergreifender Konsens, dass hier gemeinsam mit den Bundesländern schnelles Handeln dringend gefordert ist. Bei Kosten von geschätzten 100 Millionen Euro für den Start der Bergung sind die im Haushalt veranschlagten 0,4 Millionen Euro ein zögerlicher Einstieg. Hier hätten wir uns ein beherzteres Vorgehen gewünscht. ({2}) Thema „Plastikmüll im Meer“: Ein Großteil der Abfälle, die im Meer landen, stammt aus Regionen mit schlecht entwickelten Abfallsammel- und Verwertungsstrukturen. In Deutschland sitzen unzählige innovative Unternehmen, die wertvolles Know-how beim Sammeln und Verwerten von Abfall haben. Mit dem bestehenden Programm zum Export von Technologien gegen die Vermüllung der Meere – ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich will darauf hinweisen: Die Zeit läuft weiter, die wird nicht angehalten.

Alexander Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– fördern wir den Technologietransfer und leisten einen wichtigen Beitrag für den internationalen Umweltschutz. Dass dieses Programm funktioniert, zeigt nicht zuletzt die fast vollständige Ausschöpfung der bereitgestellten Mittel. Umso weniger verstehe ich, dass die Koalition bei diesem wichtigen Thema, das gleichzeitig den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt, den Rotstift angesetzt hat und 8 Millionen Euro gestrichen werden sollen. Das letzte Thema, das ich ansprechen möchte, ist im vergangenen Jahr bei uns in Deutschland erschreckend sichtbar geworden. Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat uns schmerzlich gezeigt, wie wichtig vorbeugende Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel sind. Auch deshalb haben wir als Unionsfraktion kürzlich einen Antrag eingebracht, der viele gute Vorschläge zur Anpassung an den Klimawandel enthält. Wie wir wissen, können durch den Klimawandel Starkregen und Hochwasser deutlich zunehmen, was zu immensen Schäden führt. Es kostet sehr viel Geld und Zeit, die zerstörte Infrastruktur wie Versorgungsleitungen, Straßen, Brücken und Gebäude wieder neu zu errichten. Deshalb fordern wir, mehr Geld in Vorsorge zu stecken und dem klimawandelgerechten Hochwasserschutz einen höheren Stellenwert im Haushalt zu geben. ({0}) Ich bin überzeugt, dass jeder intelligent eingesetzte Euro zur Vorsorge uns künftig ein Vielfaches an Schäden ersparen wird. Und genau das wünsche ich mir von der Bundesregierung. Geben Sie dort Geld aus, wo Sie für jeden investierten Euro das meiste bewirken können! Wie beim Wasser empfiehlt sich auch beim Geld ein verantwortungsbewusster Umgang mit endlichen Ressourcen. Verschütten Sie deshalb keinen Tropfen! ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Engelhard. Sie haben dafür aber Zeit geopfert. -Nächste Rednerin ist die Kollegin Linda Heitmann, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Linda Heitmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005078, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier heute den Haushalt des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Auch wenn der Verbraucherinnenschutz hier an allerletzter Stelle in der Aufzählung steht, so ist es mir und hoffentlich auch vielen anderen hier sehr wichtig, dass er trotzdem in unserer Betrachtung und Diskussion nicht hinten runterfallen darf. ({0}) Das tut er auch nicht, wenn man sich den Haushalt ansieht. Wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass wir die Verbraucherzentralen stärken wollen und dass wir die Arbeit der Stiftung Warentest stärken wollen. Das bildet sich in diesem ersten Haushalt der Ampelkoalition auch bereits ab. ({1}) Wir wollen Verbraucherinnen und Verbraucher besser vor Überschuldung schützen. Deshalb starten wir mit diesem Haushalt ein millionenschweres Programm zur Stärkung überschuldeter Verbraucherinnen. ({2}) Ich finde, jetzt, da dieser Haushalt steht, gilt es, ihn und das unterlegte Geld auch wirklich mit Leben zu füllen. Unser Maßstab als Ampel ist dabei das Vorsorgeprinzip. Wir wollen die Rechte von Konsumentinnen schützen und stärken, und wir wollen nachhaltigen und fairen Konsum ermöglichen. ({3}) Aber ich glaube, uns muss dabei auch klar sein: Den oder die Durchschnittsverbraucherin gibt es in Deutschland nicht. Es gibt bei uns ein unterschiedliches Vorwissen bei Konsumentinnen. Es gibt eine unterschiedliche Gründlichkeit, mit der Menschen die Verträge prüfen, die sie abschließen. Es gibt auch unterschiedliche Vorstellungen von Nachhaltigkeit, die Verbraucherinnen ({4}) und Verbraucher in Deutschland mitbringen. Sich auf diese Unterschiedlichkeit einzustellen und dabei allen Verbraucherinnen und Verbrauchern in diesem Land gerecht zu werden, das ist die Herausforderung, vor der wir als Ampel jetzt stehen. ({5}) Wenn ich dabei von Unterschiedlichkeit im Verbraucherschutz rede, dann müssen wir uns zum Beispiel auch das Thema Mehrsprachigkeit ansehen. Wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass wir mehrsprachige und niedrigschwellige Verbraucherbildung in Deutschland stärken wollen. Gerade auch mit den Haushaltsmitteln, die wir hier zur Stärkung der Verbraucherzentralen eingestellt haben, müssen wir dieses Vorhaben angehen. ({6}) In den letzten Monaten gab es schon viele Angebote, auch der Verbraucherzentralen, zum Beispiel mit russisch- oder ukrainischsprachigen Apps, mit Beratungsangeboten, mit Materialien in vielen Sprachen. Es ist wichtig, dass wir das auch wirklich verstetigen und in die Fläche bringen und dabei auch prüfen, wie wir erfolgreiche Projekte, wie zum Beispiel „Verbraucher stärken im Quartier“ auch nachhaltig sichern und verstetigen können. ({7}) Nächster Stichpunkt: Schuldnerinnenberatung. Ich habe lange in der Suchtkrankenhilfe gearbeitet, und ich weiß: Bei Erkrankungen wie Spielsucht oder Kaufsucht werden ganze Familien in den Ruin getrieben. – Dabei ist es gerade bei der Schuldnerinnenberatung wichtig, dass es hier auch eine enge Vernetzung mit sozialen Einrichtungen und Hilfen vor Ort gibt. Wir als Politik müssen das gewährleisten und müssen zusätzlich die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Menschen mit den richtigen Gesetzen auch präventiv vor Verschuldung wirklich geschützt werden. ({8}) Ich habe kaum noch Redezeit. Gern hätte ich hier noch etwas zum Thema Greenwashing gesagt. Auch dem wollen wir uns in den nächsten Jahren verstärkt widmen. Gerade bei diesem Punkt ist es auch richtig und wichtig, dass Verbraucherinnenschutz jetzt mit Umwelt- und Naturschutz zusammengedacht wird in einem Ministerium. Deshalb wollen wir gemeinsam daran arbeiten, dass dieses Thema in den nächsten Jahren nicht hinten runterfällt, weder im Haushalt noch in der Alltagspolitik. Vielen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Heitmann. – Nun erhält das Wort der Kollege Jürgen Braun, AfD-Fraktion. ({0})

Jürgen Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004680, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! „Eine brutalere Zerstörung der Landschaft, als sie mit Windkrafträdern zu spicken und zu verriegeln, hat zuvor keine Phase der Industrialisierung verursacht. Es ist die Auslöschung aller Dichterblicke der deutschen Literatur …“ ({0}) So befand Botho Strauß schon vor zwei Jahrzehnten. Der grüne Windkraftwahn führt unweigerlich zu einer Zerstörung über Jahrhunderte gewachsener Kulturlandschaften. ({1}) Aber die Grünen, von Botho Strauß auch als „Schänder der Landschaftsseele“ bezeichnet, hatten ja noch nie etwas mit Umweltschutz am Hut. Denn Umweltschutz ist zuallererst Heimatschutz, und Heimat fanden die Grünen irgendwie stets zum Kotzen, um einmal Robert Habeck etwas frei zu zitieren. Warnungen auch aus der Bundeswehr: Durch den geplanten massiven Ausbau der Windkraft kann unsere Luftsicherheit gestört werden. – Doch der grüne Wahn nimmt auf nichts Rücksicht, weder auf die Sicherheit Deutschlands noch auf die Interessen der Anwohner. ({2}) Diese Bundesregierung einschließlich der vermeintlich bürgerlichen FDP wollte sogar direkt nach der NRW-Wahl den Bundesländern das Recht nehmen, Mindestabstände zwischen Wohngebieten und Windindustrieanlagen festzusetzen. Diese vielgepriesene Windindustrie zerstört nicht nur Unmengen an Wäldern und Wiesen, sie vernichtet auch Vögel, Fledermäuse und Insekten. ({3}) Die Windindustrie soll nach dem Willen der Bundesregierung auch direkt neben deutschen Dörfern in den Himmel ragen. Den Grünen ging es immer darum, sozialistische Utopien in grünem Gewand durchzuboxen. Wir erleben es derzeit, dass die unsinnigsten grünen Projekte mit dem Ukrainekrieg begründet werden. Aber die jetzt nötige energiepolitische Unabhängigkeit von Russland erreichen wir nicht durch Windindustrieanlagen, sondern durch Kernkraft und Braunkohle. ({4}) Dass die Verlängerung der Atomlaufzeit auch rechtssicher regelbar wäre, hat jetzt ein Gutachten der Ruhr-Universität Bochum gezeigt. Damit sind die Einwände des Umweltministeriums hinfällig; denn es spricht auch juristisch nichts gegen einen Weiterbetrieb unserer Kernkraftwerke. Vielen Dank übrigens, Herr Schäffler, dass Sie ausgesprochen haben, was wir als AfD schon lange gefordert haben – AfD wirkt –: Wir müssen unsere guten Kernkraftwerke in Deutschland weiter betreiben. ({5}) Franz Josef Strauß hatte die Deutschen vor grün-linken Utopien gewarnt: Oder steigen wir in das bunt geschmückte Narrenschiff „Utopia“ ein, in dem dann ein Grüner und zwei Rote die Rolle des Faschingskommandanten übernehmen würden? ({6}) Heute schippert die FDP mit auf dem bunten Narrenschiff „Utopia“, und CDU und CSU sind traurig, dass sie nicht als Leichtmatrosen den grün-linken Narren assistieren dürfen. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Braun. – Nächster Redner ist der Kollege Carsten Träger, SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Braun, Sie sind ja ein großer Zwischenrufer, aber nach dieser Rede würde man sich wünschen: Schweigen Sie einfach! ({0}) Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln. ({1}) Ich bin froh, dass wir heute über den Haushaltsentwurf des Jahres 2022 sprechen; denn ich bin stolz auf diesen Haushaltsentwurf. Es ist ein Haushaltsentwurf, der gut ist, und es ist ein Haushaltsentwurf, der in schwierigen Zeiten aufgestellt werden muss – schwierige Zeiten, nicht nur weil in der nahen Ukraine ein Angriffskrieg tobt, nicht nur, weil wir noch nicht wissen, ob die Coronapandemie wirklich überwunden ist, sondern auch, weil die zwei großen Menschheitskrisen, der Klimawandel und die Krise des Artensterbens, nicht vorbei sind. Sie sind ja nicht weg, nur weil Putin einen Krieg vom Zaun gebrochen hat. Sie sind nur im Bewusstsein der Öffentlichkeit ein Stück nach hinten gerückt. Deswegen ist es eine gute Botschaft, die dieses Parlament aussendet: Liebe Menschen in Deutschland, ihr seid bei dieser Koalition in guten Händen. ({2}) Wir sorgen für äußere Sicherheit, wir sorgen für innere Sicherheit, und wir sorgen für soziale Sicherheit. ({3}) Über die äußere Sicherheit wird in diesen Tagen viel gesprochen, und wir tragen dem mit der Einrichtung dieses Sondervermögens Rechnung. Die innere Sicherheit hat viel mit der Frage zu tun: Wie lösen wir uns aus der Energieabhängigkeit von Russland? Wenn Sie, die Ewiggestrigen, munter weiter den Fortbestand der Atomkraft fordern, dann kann ich Ihnen nur sagen: Wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien entfesselt wird. ({4}) Just in diesem Moment finden Berichterstattergespräche statt, damit das ehrgeizige Ziel erreicht werden kann, eine Förderkulisse im EEG zu schaffen, die uns unabhängig von Energieimporten macht, die uns mittelfristig günstige Energie beschert ({5}) und die uns vor allem ein Energieszenario beschert, das nicht auf Kosten der Natur und der Gesundheit der Menschen geht und nicht riskant für den Fortbestand aller Menschen und Tiere auf diesem Planeten ist. ({6}) Wir werden bis zur Sommerpause diese Gesetzespakete durch den Bundestag gebracht haben. Und ja, es ist ein hochspannender, ein anspruchsvoller Zeitplan, den wir uns da vorgenommen haben. Aber diese Fortschrittskoalition wird in sechs Monaten mehr geliefert haben, als es die Union in 16 Jahren Verantwortung geschafft hat. ({7}) All das, was unter dem Thema „Planungsbeschleunigung und Verfahrensbeschleunigung“ zusammengefasst wird, werden wir in der zweiten Jahreshälfte durch dieses Parlament bringen, sodass wir 2023 durchstarten können und wirklich einen entfesselten Ausbau der erneuerbaren Energien, die Sie so hassen, durchsetzen können. ({8}) Wir müssen die Krisen zusammendenken. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Wir werden gezwungen. Wir werden getrieben. Aber es ist auch richtig, die Klimakrise zusammen mit der Biodiversitätskrise zu denken; denn das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wenn wir kluge Lösungen finden, dann schaffen diese Lösungen Synergieeffekte und tragen dazu bei, dass wir die Krisen mit diesen Lösungen beheben können. Ein Stichwort ist die Wiedervernässung von Mooren. Diese Moore binden CO2, sie erhöhen die Biodiversität, sie halten das Wasser in der Fläche und sind damit auch eine gute Prävention gegen zukünftige Hochwasserkatastrophen. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, vielen Dank. Die haben schon genug geredet. ({0}) Uns Sozialdemokraten ist wichtig, dass wir die Menschen mit mittleren und kleinen Einkommen dabei nicht aus dem Blick verlieren. Deswegen war es richtig, ein Energieentlastungspaket zu schnüren. Deswegen ist es richtig, dass der Sozialminister Hubertus Heil die Idee des sozialen Klimageldes vorantreibt. Wir arbeiten schnell und seriös. Wir sorgen für äußere, innere und soziale Sicherheit. Vielen Dank.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich lasse jetzt eine Kurzintervention zu, aber das nächste Mal sollten Sie sie ein bisschen früher anmelden. Ich erteile das Wort dem Kollegen Karsten Hilse aus der AfD-Fraktion zu einer Kurzintervention.

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Kurzintervention zulassen, auch wenn es ein bisschen knapp war. – Sie möchten den Ausbau der Windenergie entfesseln. Ihnen ist der Thinktank Agora ein Begriff, denke ich. ({0}) – Richtig. Die sind mittlerweile Teil der Regierung, sagt mein Kollege gerade. ({1}) Wir haben im Moment bei der Windenergie eine Nennleistung von knapp 70 Gigawatt. Da gibt es ein Agorameter, wo man jederzeit nachschauen kann, wie viel gerade produziert wird. Der letzte Eintrag ist von 16 Uhr. Dort waren es onshore 1,79 Gigawatt Windstrom. ({2}) – Nicht einmal 2 Prozent. Wenn ich es richtig verstanden habe, möchten Sie auf 130 Gigawatt hoch. Wenn dann quasi 2 Prozent von 130 Gigawatt produziert werden, ({3}) dann ist das eben sehr, sehr wenig. 65 mal 0 ist genauso viel wie 130 mal 0. ({4}) Das heißt, Ihre Energiewende ist eine Energiewende ins Nichts. Sie kann ohne Speicher nicht funktionieren. Sie haben aber keine Speicher für große Kapazitäten. Ich wollte Sie eigentlich fragen, wie Sie es lösen wollen, wenn der Wind, wie im Moment, gerade einmal nicht weht.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Träger, Sie haben die Möglichkeit zur Antwort. – Davon machen Sie Gebrauch. Bitte schön. ({0}) – Frau Kollegin Haßelmann, nicht alles, was wir nicht verstehen, ist deshalb sinnlos. ({1})

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. Mir geht es ganz ähnlich. – Vielen Dank für die Frage, die ich leider nicht ganz verstanden habe. ({0}) Aber ich glaube, Sie wollten darauf hinaus, dass wir für die Energiewende Speicher brauchen. Ja, da haben Sie recht, Herr Hilse. – Vielen Dank für die Frage. ({1})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden in dieser Woche über den ersten Haushalt, den die Ampelkoalition aufstellt. ({0}) Innerhalb dieses Haushalts setzen wir neue Schwerpunkte, weil wir die Ampelkoalition ja als Fortschrittskoalition gestalten wollen. Die neuen Schwerpunkte erkennen wir insbesondere im Bereich der Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik, indem wir diesen Haushalt um 165 Millionen Euro aufstocken; das ist eine gute Nachricht für die Menschen in Deutschland. ({1}) Wir steigen in die Beseitigung der Munitionsaltlasten ein, wir etablieren ein Recyclinglabel, um die Kreislaufwirtschaft voranzubringen, und wir werden auch den Beitrag zum internationalen Artenschutz auf der COP 15 in diesem Jahr deutlich erhöhen. Wir im Parlament arbeiten daran, dass die Erhöhung innerhalb des Haushalts noch signifikanter wird; denn der internationale Artenschutz steht im Moment aufgrund der Ernährungskrise unter besonderem Druck, und Deutschland hat eine besondere Verantwortung dafür. ({2}) Weitere 4 Milliarden Euro kann das Umweltministerium aus dem Klima- und Transformationsfonds bewirtschaften. Wir dürfen nicht vergessen, dass das ein Sonderposten ist, den wir in der Vergangenheit nicht hatten. Diese Gelder gehen nicht nur in den Klimaschutz, die Maßnahmen dienen gleichzeitig dem Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland, der Landschaften und des Naturschutzes – ein Meilenstein auf dem Weg zu Biodiversität in unserem Land. ({3}) Umweltschutz erreichen wir aber nicht mit Geld allein. Unsere Fortschrittskoalition hat sich auf die Fahne geschrieben, die vielen innovativen Ideen, die die Menschen – junge Start-ups, aber auch etablierte Firmen – im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes haben, tatsächlich auch bei uns in Deutschland umzusetzen. Dazu müssen wir bei den Planungen schneller werden. Wir sehen, dass durch das neue LNG-Beschleunigungsgesetz – damit beweisen wir es – deutlich beschleunigt Planungen umgesetzt werden können. Zwar ist nicht jede einzelne Maßnahme, die darin zur Beschleunigung im Notfall enthalten ist, dazu geeignet, zum Regelfall zu werden. Was wir aber sehen müssen, ist, dass wir den nötigen Klimaschutz nur dann rechtzeitig erreichen, wenn wir schneller werden. Auf die Planungsbeschleunigung wird insbesondere die FDP-Fraktion Wert legen. ({4}) Auch im Bereich des Verbraucherschutzes müssen wir vorangehen. Die Ampelkoalition verbindet Umweltpolitik nicht nur mit der Wirtschaftspolitik. Wir haben auch die Verbraucher im Blick. Da gibt es wirklich viel zu tun, gerade in Zeiten der Inflation. Wir sehen, dass der Tankrabatt, den wir alle beschlossen haben, endlich bei den Menschen ankommen muss. Die steigenden Energiepreise befördern übrigens nicht erst seit der Ukrainekrise Probleme, sondern die Billigstromanbieter haben schon im Januar gezeigt, dass es unredliches Verhalten in diesem Bereich gibt. Dagegen müssen wir engagiert vorgehen. ({5}) Im Rahmen der Umsetzung der erweiterten Herstellerverantwortung, einer EU-Richtlinie, müssen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Zukunft nicht mehr nur für die legale Entsorgung mancher Produkte zahlen, sie müssen auch für deren illegale Entsorgung mithaften. Die FDP wird darauf achten, dass wir in allen Punkten konsequent, aber auch mit Augenmaß vorgehen. ({6}) Die Menschen haben schon heute mit den Folgen der Inflation zu kämpfen. Die FDP ist Garant dafür, dass die aktuellen Belastungen in einer Koalition der Mitte nicht dazu führen, dass die Menschen in Deutschland überlastet werden. Darauf werden wir ein besonderes Augenmerk legen. ({7}) Der vorliegende Haushalt ist der erste von vier Haushalten, den wir als Ampelkoalition gemeinsam aufstellen werden. ({8}) Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und nicht alle Ziele aus dem Koalitionsvertrag können schon im ersten Jahr umgesetzt werden. Aber dieser Haushalt ist ein Schritt in die richtige Richtung. Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern SPD und Grüne werden wir unser Projekt zum Erfolg bringen. Der Schritt ist gemacht, der Stein ins Wasser geworfen. Er wird Wellen schlagen, und wir werden gemeinsam Erfolg haben. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Christian Hirte hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Hirte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003890, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Eine Haushaltsdebatte bietet ja immer auch die Gelegenheit, eine Generalaussprache vorzunehmen. Deswegen hat die Ministerin in der ersten Lesung – aus meiner Sicht zu Recht – darauf hingewiesen, dass Krisen nicht gegeneinander ausgespielt werden sollen. Sie wies darauf hin – ich zitiere –, dass es gelte, die begrenzten finanziellen Ressourcen effizient zu nutzen: „für Klimaschutz und Energiesouveränität, für Naturschutz und Gesundheitsschutz, für Kreislaufwirtschaft und weniger Abhängigkeit von knappen Ressourcen“. Insoweit besteht ja wahrscheinlich noch allgemeine Einigkeit. Die Unterschiede beginnen bei den Schlüssen, die man daraus zieht, insbesondere in der Antwort auf den brutalen und völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine und auch auf die Situation in der Energie- und Lebensmittelversorgung, die wir in Deutschland und weltweit haben. Deswegen will ich ausdrücklich sagen: Die Bundesregierung, Frau Ministerin, muss noch beweisen, wie sie mit ihrer angekündigten Planungsbeschleunigung tatsächlich vorankommt und wie insbesondere die Vielzahl der Anwohner in den betroffenen Regionen dann tatsächlich etwa auf den massiven Windenergieausbau reagiert. Die Regierung muss außerdem schauen, wie sie den angekündigten Ausbau der LNG-Infrastruktur „mit Lichtgeschwindigkeit“, um Minister Habeck zu zitieren, voranbringt. Das ist auch ein Stück weit ein Lackmustest dafür, wie wir mit anderen großen Transformationsentscheidungen und Beschleunigungen in unserem Land vorankommen. Dann werden wir nämlich, wenn es konkret wird, vor Ort Proteste von Fridays for Future, von der Deutschen Umwelthilfe, von anderen Naturschutzverbänden und vielleicht auch gelegentlich von Grünen-Ortsgruppen sehen. Ich glaube, das Thema Planungsbeschleunigung – Frau Skudelny hat gerade darauf hingewiesen – ist am Ende auch ein ganz entscheidender Punkt für die großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht. Deswegen, Frau Ministerin, ist auch Ihr Haus am Ende nicht nur für die hier angeschlagenen Themen – Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz – zuständig, sondern eben auch fürs große Ganze, eingebunden in die Verantwortung innerhalb der Regierung. Da stellt sich die Frage, wie es gelingt, Deutschland auch bei diesen von Ihnen zu verantwortenden Themen im internationalen Standortwettbewerb so aufzustellen, dass wir weiterhin Vorbild sein können. Schauen wir doch mal, was Ernst & Young uns gerade dieser Tage ins Stammbuch schreibt, nämlich dass wir in Deutschland mittlerweile hintenanstehen im Vergleich etwa zu Frankreich und Großbritannien, wo mehr Investitionen stattfinden, weil sie der attraktivere Standort sind, mit einfacheren und schnelleren Verwaltungsverfahren und vor allem auch mit preiswerterer Energie. Deswegen ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ministerin für nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz schauen muss, wie die Akzeptanz in der Bevölkerung ist, nicht nur beim Ausbau der Erneuerbaren oder beim Ausbau von LNG, sondern zum Beispiel auch beim Weiterbetrieb von Kernkraftwerken. ({0}) Kollege Schäffler und auch andere haben darauf hingewiesen, dass wir angesichts der extremen Energieknappheit, vor der wir stehen, auch ernst nehmen sollten, was ein übergroßer Teil unserer Bevölkerung für richtig hält, nämlich unter Sicherheitsgesichtspunkten und unter Kostengesichtspunkten zu schauen, wie man die sicheren, noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke vielleicht weiter am Netz halten kann. ({1}) Wenn Sie, Herr Träger, meinen, das seien Ewiggestrige, dann sollten Sie mal schauen, wie viel Prozent Ihrer potenziell ehemaligen Wähler sich als solche Ewiggestrigen betiteln lassen wollen. ({2}) Ein kleiner Hinweis an die Grünen: Wenn wir schon über eine potenzielle Verlängerung von Kernkraft im Wettstreit mit einer eventuell längeren und intensiveren Nutzung der Kohle reden, ({3}) dann müssen Sie sich doch fragen, auch im internationalen Maßstab, ob Sie Ihrem eigenen Anspruch, nämlich vernünftige Klimaschutzpolitik machen zu wollen, gerecht werden, ({4}) wenn Sie eine klimaneutrale Technologie ideologisch ablehnen, ohne ernsthaft Möglichkeiten zu prüfen, wie wir sie weiter nutzen können. ({5}) Das Gleiche gilt am Ende auch für unsere nationalen Ressourcen, etwa für Biogas, Biokraftstoffe und Ähnliches. Jetzt ist ja leider Minister Özdemir nicht mehr da, der sich im europäischen Kontext hinstellt und die Möglichkeiten, landwirtschaftliche Produktion intensiver voranzutreiben und 4 Prozent der Flächen gerade nicht stillzulegen, ausschlägt – und das in einer weltweiten Hungerkrise, ausgelöst durch den Krieg und die Belagerung durch Russland. Ich halte das ein Stück weit sogar für verantwortungslos. Deswegen sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken – auch für die nächste Saison –, ob Sie da nicht auf einem Holzweg sind und im Interesse unseres Landes und der weltweiten Versorgung anderes richtig und notwendig wäre. Letzte Anmerkung. Der Kollege Engelhard hat darauf hingewiesen: Wir laufen auf eine massive Neuverschuldung zu. Tagesaktuell stehen wir vor der Situation, dass morgen der Tankrabatt eingeführt wird und das 9‑Euro-Ticket kommt, mit all den Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen. Schauen Sie mal, ob das wirklich funktioniert, ob wirklich am Ende diejenigen erreicht werden, die in Not sind, ob wir ab morgen vielleicht nicht doch höhere Preise haben, weil Märkte anders funktionieren, als Sie sich das in der überwiegend linken und ein kleines bisschen gelben Koalition überlegt haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Tabea Rößner hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Tabea Rößner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004138, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Samstag ist fast unbemerkt das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht in Kraft getreten. Anbieter von Onlinemarktplätzen müssen nun über Rankings und die Vertrauenswürdigkeit von Kundenbewertungen informieren. Das ist ein Schritt hin zu mehr Transparenz, und das ist auch gut, aber Transparenz und Information allein reichen nicht. Es braucht klare Regeln für Plattformen, damit sich Verbraucher/-innen auch selbstbestimmt und sicher im Netz bewegen können. ({0}) Die Menschen kaufen zunehmend online ein – die Coronapandemie hat das noch mal befördert –, und damit nimmt auch die Zahl der Betrugsfälle zu. Die Zahl der Fake Shops hat sich gegenüber 2019 versechsfacht. Mit Tricks und Täuschungen werden Verbraucher/-innen um ihr Geld gebracht, und ein Drittel der Deutschen gibt an, dass ihre persönlichen Daten schon mal missbräuchlich verwendet wurden. Eine gerade veröffentlichte Studie der Europäischen Kommission zeigt, dass auf 97 Prozent der beliebtesten Apps und Websites Dark Patterns eingesetzt werden, die Verbraucher/-innen verleiten, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Kein Wunder, dass sich die meisten Verbraucher/-innen in der digitalen Welt nicht sicher fühlen! Es gibt also eine Menge zu tun. Das müssen wir angehen. ({1}) Mit dem Digital Services Act soll ein sicheres und vertrauensvolles Onlineumfeld geschaffen werden. Das stellt uns in Deutschland vor große Herausforderungen; denn mit dem neuen nationalen Digital Services Coordinator müssen wir eine Aufsichtsbehörde schaffen, die nicht nur zwischen Bund, Ländern und EU-Ebene koordinieren soll, sondern das Recht auch durchsetzen muss. Wie das so läuft, hat Jan Böhmermann am Freitag im ZDF ja deutlich gezeigt. Da steht uns eine gewaltige Aufgabe bevor. Und entscheidend ist nicht nur, effiziente Aufsichtsstrukturen mit fachlicher Expertise aufzubauen. Sie müssen finanziell auch so ausgestattet werden, dass gegen illegale Inhalte wirksam vorgegangen werden kann. Das wird in den nächsten Haushaltsberatungen eine Baustelle sein. ({2}) Die Menschen wollen nicht nur sicher, sondern auch nachhaltig konsumieren. Das ist nicht leicht, wenn Produkte immer kürzere Lebensdauern haben, festverbaute Akkus nicht austauschbar und Ersatzteile nicht verfügbar sind. So produzieren wir jedes Jahr 57 Millionen Tonnen Elektroschrott weltweit – das muss man sich mal vorstellen: das sind 350 Kreuzfahrtschiffe des Typs „Queen Mary 2“ –, Tendenz steigend. Das belastet den Geldbeutel der Verbraucher/-innen, aber vor allen Dingen Klima und Umwelt. ({3}) Wir müssen daher zu einer echten Kreislaufwirtschaft kommen, mit dem Ziel Cradle to Cradle. ({4}) Nachhaltigkeit by Design muss Standard werden, und mit digitalen Verfahren können wir Ressourcen viel effizienter einsetzen. Es ist ein wichtiger Schritt, dass auf EU-Ebene die Ökodesign-Verordnung erweitert und nun auch die Textilbranche adressiert wird und dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz das Recyclinglabel und das Aktionsprogramm „Reparieren statt wegwerfen“ auf den Weg bringt. Für uns ist klar: Verbraucherschutz ist auch Umweltschutz. Mit dem Wechsel der Zuständigkeit ins Umweltministerium zeigen wir: Wir denken beides zusammen. ({5}) Die Digitalisierung kann Treiber für Nachhaltigkeitsstrategien sein; das kommt oft zu kurz. Deshalb muss der digitale Produktpass auch wirklich kommen. Mit dem Digitaldruck können zum Beispiel Ersatzteile nachproduziert werden, ohne dass sie lange vorgehalten werden müssen. Diese Potenziale für einen ressourcensparenden Konsum müssen wir heben. Mit dem aktuellen Haushalt können wir viele angekündigte Maßnahmen angehen. Es reicht aber nicht, wenn Zuständigkeiten von dem einen Ministerium ins andere wandern, wenn die Stellen nicht mitwandern. Das bleibt eine Baustelle für die nächsten Beratungen. Vielen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die AfD-Fraktion hat jetzt Thomas Ehrhorn das Wort. ({0})

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der weltdümmsten Energiepolitik, wie sie das „Wall Street Journal“ nannte, schicken wir uns nun an, mit der weltdümmsten Umweltpolitik auf uns aufmerksam zu machen. ({0}) Typisch Grün, verfällt die Bundesregierung von einem Extrem ins andere. Von der jahrzehntelangen Verhinderung wichtiger Infrastrukturprojekte durch grüne Vorfeldinstitutionen, um Juchtenkäfern und Fledermäusen gerecht zu werden, ({1}) bringt uns nun das sogenannte Osterpaket der Bundesregierung die umweltpolitische 180-Grad-Wende: Rodungen für Windkraft in Wald und Landschaftsschutzgebieten möglichst ohne jeden Abstand zu Wohnsiedlungen, und das auf 2 Prozent unserer Gesamtfläche, also Landschaftszerstörung auf mehr als 7 000 Quadratkilometern. Planungsbeschleunigung mit der Brechstange! Die Belange des Umwelt- und Artenschutzes spielen dabei plötzlich eine völlig untergeordnete Rolle – alles für die grüne Illusion, man könne die Energieversorgung eines Industrielandes fast ausschließlich durch Wind und Sonne sicherstellen. Nun soll die Zahl der Windräder also vervierfacht werden. Dass aber, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, vier mal null immer noch null ist, ist grünen Politikern offenkundig nicht zu vermitteln. ({2}) Sollte unsere Energieversorgung im nächsten Winter wider Erwarten nicht komplett zusammenbrechen, wird es also daran liegen, dass wir Atomstrom zum Beispiel aus Frankreich in großen Mengen einkaufen werden, dem Frankreich, welches gerade für jedes AKW, welches wir abschalten, zwei neue baut. ({3}) Nachdem wir am Beispiel russischen Gases gerade gelernt haben, wie problematisch Abhängigkeiten von anderen Staaten sind, machen wir diesen Fehler gleich noch einmal. Inzwischen macht eine Anekdote die Runde, nach welcher ein französischer Politiker gefragt wird, warum denn in Frankreich immer mehr Atomkraftwerke entstehen. Die Antwort lautet: Damit die Deutschen unsere Renten bezahlen. ({4}) Dass links-grüne Politik unsere Energiesicherheit gefährdet und unseren Wohlstand vernichtet, wird gerade denen am meisten klar, die Benzin, Strom, Gas und Lebensmittel nicht mehr bezahlen können. Dass am Ende dieses ideologischen Amoklaufes auch zerstörte Naturlandschaften stehen werden, das hätten sich viele allerdings nicht träumen lassen. Eines lernen wir jedenfalls in der heutigen Zeit, nämlich dass grüne Umweltpolitik absolut beliebig ist, dass sie immer nur Mittel zum Zweck war, um die eigentlichen, verdeckten Ziele zu erreichen, und das schon seit Ende der 70er-Jahre, als spätere Grüne noch dem Kommunistischen Bund angehörten. „Was stört uns unser grünes Umweltgeschwätz von gestern?“, könnte man sagen. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Lina Seitzl hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Lina Seitzl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Oben auf den Zuschauertribünen sitzen ganz viele Schülerinnen und Schüler, die uns heute zuhören. Wir behaupten hier im Saal ja immer wieder – und das tun alle von uns –: Wir machen generationengerechte Politik. – Wer sich einmal ernsthaft mit dem Prozess der Atommüllendlagersuche auseinandergesetzt hat und die Atomenergie trotzdem weiter nutzen möchte, der kann nicht ernsthaft sagen, dass er generationengerechte Politik macht. Wer sich mal mit den Kosten auseinandergesetzt hat, die Atomenergie verursacht, wer sich mal mit den Risiken auseinandergesetzt hat, die mit der Nutzung von Atomenergie verbunden sind, und die Laufzeit der Atomkraftwerke dennoch verlängern möchte, der kann nicht hier stehen und sagen, er macht Politik für die jungen Menschen, für die nachfolgenden Generationen. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 33 Milliarden Dollar an wirtschaftlicher Leistung stellt das Ökosystem uns jährlich zur Verfügung, und zwar ungefragt und kostenlos, für uns alle. Ich bin mir sicher: Jeder Finanzminister dieser Welt wäre froh, so ein Sondervermögen ohne Zinsen und Verpflichtungen sein Eigen nennen zu dürfen. Die Natur schafft unsere Lebensgrundlagen: saubere Luft, Trinkwasser, ertragreiche Böden, Lebensmittel. Sie gibt uns Lebensraum und Freiraum. Sie trägt buchstäblich unsere Häuser und Straßen. Sie stellt uns Baumaterial zur Verfügung. Die Mehrheit der Menschen hat ja nicht einfach ein großes Haus mit Garten zur Verfügung. Ein Park, ein Wald, ein See, etwa der Bodensee, sind daher systemrelevant; das hat uns spätestens die Coronapandemie gezeigt. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, aus der AfD-Fraktion gäbe es den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Dr. Lina Seitzl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich verzichte sehr gerne. ({0}) Auch wegen der Klimakrise sind wir auf Ökosystemleistungen angewiesen; denn wir brauchen gesunde Böden, intakte Moore und großflächige Wälder als natürliche CO2-Speicher. 33 Milliarden Dollar – das ist das von der Natur erschaffene Sondervermögen, auf das wir wahrlich nicht verzichten können. Jetzt sind wir ja gerade in Haushaltsberatungen und erinnern uns, zumindest in dieser Woche, dass Vermögen, dass Geld nicht einfach irgendwie im Haushalt drin ist, sondern das muss man sich erarbeiten. Dafür muss man investieren, und genau das tun wir in diesem Einzelplan 16. ({1}) Und das ist auch dringend nötig. Der Artenschwund schreitet in einem dramatischen Tempo voran, und zwar nicht nur in weiter entfernten Regionen, sondern auch hier bei uns vor Ort. Deshalb hat der Schutz der biologischen Vielfalt einen besonderen Platz in diesem Haushalt. Für den Bundesnaturschutzfonds gibt es allein in diesem Jahr knapp 92 Millionen Euro; das ist ein deutlicher Aufwuchs. ({2}) Diese Mittel sind frei angelegt, sodass sie je nach Bedarf verlagert werden können. Zum Fonds gehört zum Beispiel das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Auch das Artenhilfsprogramm ist im Fonds verankert. Seine Mittel werden ausgegeben, um Populationsschutzmaßnahmen beim Ausbau der erneuerbaren Energien zu finanzieren. ({3}) Aber – auch das muss man hier sagen –: Der Schutz der Biodiversität ist auch eine Frage der globalen Gerechtigkeit. Mit unserem Konsum überschreiten wir nämlich längst die Landesgrenzen: Futter für deutsche Tierhaltung wird in Brasilien produziert. Unser Obst und Gemüse kommt von überall auf der Welt. Er ist auch eine Frage der Gesundheit; denn da, wo Wildnis zum Acker wird, wo Lebensräume der Tiere zerstört werden, können neuartige Krankheiten vom Tier auf den Menschen überspringen. Ich spreche natürlich von Zoonosen. Eine davon konnten wir mit der Covid‑19-Pandemie in den letzten zwei Jahren eindrücklich erleben. Deshalb beteiligen wir uns auch so aktiv bei den Verhandlungen zum internationalen Rahmenabkommen für die biologische Vielfalt. Wir wollen hier verbindliche Standards und konkrete Ziele definieren. Es muss aber auch klar sein, dass auch in den kommenden Haushalten finanzielle Mittel dafür hinterlegt werden müssen. Sehr geehrte Damen und Herren, wir nutzen das Sondervermögen der Natur, indem wir investieren. Vielen herzlichen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Steffen Bilger hat jetzt für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Steffen Bilger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin Lemke, Sie haben bei der ersten Beratung Ihres Haushalts hier im Hause vor gut zwei Monaten gesagt: Und sosehr wir uns jetzt um das Heute kümmern müssen, so sehr müssen wir dabei das Morgen im Blick behalten. Sie haben das angesichts des damals noch sehr jungen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und dessen Folgen gesagt. Ich stimme Ihrer Aussage voll und ganz zu, damals wie heute. Heute dauert der Krieg aber schon über ein Vierteljahr, und der Handlungsdruck wird Tag für Tag größer, ({0}) und zwar in jedem Zuständigkeitsbereich dieser Bundesregierung, auch in Ihrem. Leider habe ich immer mehr den Eindruck, dass Sie diesem selbstformulierten Anspruch nicht gerecht werden. Wo kam es durch den Krieg denn zu einer neuen Prioritätensetzung im Bundesumweltministerium? Wo arbeiten Sie an neuen und an diese große Krise angepassten Antworten für das Morgen? Ein Weiter-so, das sture Abarbeiten des Koalitionsvertrages, Nibelungentreue zum grünen Parteiprogramm sind in meinen Augen alles, nur kein Krisenmodus. ({1}) Dabei müssen Sie sich doch angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen unser Land steht, vor denen Europa steht, auch die Frage stellen: Wo zwingt uns diese Situation, die Dinge auch einmal anders zu sehen, Prioritäten anders zu setzen, eigene Positionen pragmatisch zu revidieren? ({2}) Leider habe ich in dieser Richtung von Ihnen seit Ende Februar nichts gehört. In der heutigen Debatte haben wir von Ihnen auch gar nichts gehört. Dabei könnten Sie die medial abgefeierte neue Hausfreundschaft mit Ihrem Landwirtschaftskollegen Özdemir nutzen und sich gemeinsam in Brüssel für einen pragmatischen Weg bei der Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik einsetzen, damit die deutschen und europäischen Landwirte jetzt einspringen können, wenn im Kriegsgebiet weniger Getreide produziert wird, wenn andernorts auf der Welt Hungersnöte drohen. ({3}) Das tun Sie aber nicht, Frau Ministerin. Sie könnten die Frage nach dem vorübergehenden – und ich sage bewusst: vorübergehenden – Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke – Kollege Hirte ist schon darauf eingegangen – offen prüfen lassen. Denn das, was Sie bisher gemacht haben – mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammen –, war ja keine offene Prüfung, sondern es war eine Zusammenstellung aller Argumente, die dagegen sprechen. ({4}) Sie haben aber eine Verantwortung, dass wir jetzt nicht noch länger Energie aus Kohle statt klimaneutraler Energie einsetzen müssen. Sie haben auch eine Verantwortung für die Versorgungssicherheit, die Sie wahrnehmen müssen. Das tun Sie hier aber nicht. ({5}) Und Sie könnten sich angesichts der Inflation, der steigenden Preise – gerade bei Produktions- und bei Konsumgütern – in Brüssel für ein Belastungsmoratorium starkmachen. Auch aufgrund des Grünen Deals und der ganzen Auflagen, die da vorgesehen sind, kommt es ja zu Belastungen. Ein Belastungsmoratorium wäre das, was die Bundesregierung jetzt in Brüssel einbringen müsste. Das tun Sie aber nicht. Und Sie könnten dafür sorgen, dass Deutschland seine Infrastruktur schneller ertüchtigen kann, und zwar in allen Bereichen; damit wir die Kriegsfolgen bewältigen; damit wir Klimaneutralität erreichen können. Stattdessen gibt es nur in Teilbereichen Beschleunigung. Im Koalitionsvertrag stehen viele schöne Worte. In der letzten Sitzungswoche haben wir über Planungsbeschleunigung diskutiert; da wurde deutlich, wie groß die Unterschiede in den Koalitionsfraktionen sind. Es bleibt also zu befürchten, dass sich beim Thema Planungsbeschleunigung viel zu wenig tut. Dabei braucht Deutschland eine umfassende Beschleunigung. Und Deutschland braucht eine Umweltministerin, die sich dafür einsetzt. Das tun Sie aber nicht. ({6}) Sie könnten sich in der Bundesregierung dafür starkmachen, dass Deutschland seine Abhängigkeit von Rohstoffimporten reduziert, indem die Kreislaufwirtschaft oberste Priorität bekommt, anstatt dass das Thema irgendwo im Niemandsland zwischen Ihrem Haus und dem Haus von Herrn Habeck verloren geht, dort, wo übrigens kein einziges von sage und schreibe 202 Fachreferaten das Thema überhaupt im Titel trägt. Das tun Sie aber nicht, vielleicht auch, weil Sie da keine so besondere Hausfreundschaft verbindet. Sie könnten auch, Frau Ministerin – obwohl Sie für den Klimaschutz ja nicht mehr zuständig sind –, die positive Klimawirkung von Biokraftstoffen anerkennen, wie Sie es früher selbst getan haben und wie es Ihre Parteifreundin Renate Künast getan hat, die noch vor einigen Jahren davon gesprochen hat, dass die Bauern die Ölscheichs von morgen werden. Sie könnten klarstellen, dass der Einsatz von Anbaubiomasse in Deutschland streng nach oben gedeckelt ist – übrigens strenger als von der EU verlangt –, dass es gesetzlich geregelte Nachhaltigkeitsanforderungen gibt, dass Abfall und Reststoffe klar Vorrang haben und dass Palmöl ohnehin ab kommendem Jahr nicht mehr angerechnet wird, weil wir das letztes Jahr so beschlossen haben. Sie könnten das tun, anstatt die vermeintliche Gunst der Stunde zu nutzen, die für die Erreichung der Klimaziele auf der Straße zurzeit wichtigste Alternative zu diffamieren und zu versuchen, ihr den Garaus zu machen. Das tun Sie aber nicht. Und Sie könnten schließlich als Verbraucherschutzministerin dafür sorgen, dass diese Bundesregierung Mehreinnahmen, die sie aufgrund der Inflation erzielt, dafür einsetzt, die Inflationslasten zu mildern, anstatt sich in Einzelmaßnahmen zu verlieren. Sie könnten sich für ein Gesamtkonzept einsetzen, das die Breite unserer Gesellschaft entlastet, zu dem eine Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Preisentwicklung genauso gehört wie eine Absenkung der Stromsteuer und eine Energiepauschale, von der auch Studenten, Rentner und junge Familien in Elternzeit profitieren. Aber auch das tun Sie nicht. Mein Fazit: Frau Ministerin Lemke, das Vertrauen in die Politik steht und fällt mit dem Vertrauen der Menschen in die Fähigkeit, auf Herausforderungen und Krisen zu reagieren. Es gehört wirklich auch dazu, in der Lage zu sein, den eingeschlagenen Kurs da zu revidieren, wo es Sinn macht. Sie selbst haben in Ihrer ersten Haushaltsrede als verantwortliche Ministerin ja davor gewarnt, im Alten in der Hoffnung zu verharren, so doch noch eine Weile über die Runden zu kommen. Damals war mir nicht klar, dass sich diese Worte heute an Sie selbst richten. Mein Appell deshalb: Korrigieren Sie Ihre Politik! Kommen Sie endlich im Krisenmodus an! ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Nadine Heselhaus hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Nadine Heselhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005084, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende! Ob Lebensmittel, Strom oder Benzin: Alles wird teurer. Wir erleben gerade die höchste Inflation seit der Wiedervereinigung, und die macht den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland schwer zu schaffen. Es ist gut, dass in diesen Zeiten eine sozialdemokratisch geführte Koalition das Land regiert. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern haben wir in zwei Paketen Maßnahmen beschlossen, die die privaten Haushalte um fast 24 Milliarden Euro entlasten. ({0}) Vom Heizkostenzuschuss über die Energiepreispauschale und den Kinderbonus bis zum 9‑Euro-Ticket: All das hilft den Menschen in der aktuellen Situation. Verbraucherpolitik ist aber noch viel mehr, als kurzfristig Entlastungen zu schaffen. Gerade weil sie alle Menschen in nahezu allen Bereichen betrifft, verdient sie auch mehr Aufmerksamkeit; denn es geht darum, die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher systematisch zu stärken. Dafür haben wir uns als Koalition viel vorgenommen, und einiges spiegelt sich bereits im Haushalt wider, den wir heute beraten. Meine Damen und Herren, die eingangs erwähnten Preissteigerungen treffen Haushalte unterschiedlich hart. Als Abgeordnete kann ich es jetzt verschmerzen, wenn ich mehr für Strom oder Lebensmittel zahlen muss. ({1}) Aber ich bin auch alleinerziehende Mutter und kenne selbst Lebenssituationen, in denen man einfach irgendwie über die Runden kommen muss. Da wird beim Wocheneinkauf zweimal überlegt, was in den Einkaufswagen kommt, und der Kinobesuch fällt auch mal aus. Wenn dann auch noch die Nebenkostenabrechnung einer Horrornachricht gleicht, ist die Belastungsgrenze schnell überschritten. Vielen Menschen droht so die Überschuldung. Und Überschuldung ist kein rein finanzielles Problem. Sie belastet Menschen psychisch und schließt sie von weiten Teilen des sozialen Lebens aus. Die Schuldnerberatungen bieten hier die notwendige Hilfe an. Die Nachfrage nach Beratungsterminen steigt seit Wochen, und sie wird weiter zunehmen. Das Angebot kann mit der Nachfrage jedoch kaum Schritt halten, zumal die Schuldnerberatung in Deutschland generell unterfinanziert ist. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb vereinbart, die Schuldner- und Insolvenzberatung auszubauen und finanziell zu unterstützen. Das setzen wir schon in diesem Haushalt um. ({2}) So fördern wir zum Beispiel Präventionsmaßnahmen und die Vernetzung von Organisationen, die diese Beratungen durchführen. Für mich steht dabei fest, dass wir das Thema Verbraucherverschuldung in den kommenden Jahren noch intensiver in den Blick nehmen müssen. Ein weiteres Koalitionsvorhaben, das im Haushalt abgebildet wird, ist das Recht auf Reparatur. Die Masse der in Deutschland in Verkehr gebrachten Elektrogeräte ist zwischen 2013 und 2019 um 60 Prozent gewachsen – und mit ihr auch die Menge an Elektroschrott. Andererseits belegen Umfragen, dass die meisten Menschen ihr Handy oder ihre Waschmaschine lieber reparieren lassen würden, als ein neues Produkt zu kaufen. Das wird ihnen jedoch von der Industrie oft unnötig schwer gemacht, wenn Geräte zum Beispiel so verbaut sind, dass eine Reparatur praktisch unmöglich ist, oder wenn Ersatzteile unverhältnismäßig teuer sind. Mit dem Aktionsprogramm „Reparieren statt wegwerfen“ wird die Bundesregierung das angehen und verschiedene Maßnahmen auf den Weg bringen, die den Reparatursektor und damit auch die Konsumierenden stärken werden. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Produkte länger zu nutzen und Reparaturen zu erleichtern, schont Ressourcen und damit die Umwelt. Das ist nachhaltige Verbraucherpolitik im besten Sinne, und dafür steht diese Koalition. Vielen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort geht an Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derzeit erfolgt das größte Artensterben der Menschheitsgeschichte. Allein während dieser Debatte werden weitere zehn Arten für immer von diesem Planeten verschwinden. ({0}) Das ist deshalb fatal, weil damit die biologisch-ökologischen Netze zu dünn werden, als dass sie uns als Menschheit auf Dauer tragen und ernähren können. Ökonomen bewerten das gerne monetär mit rund 4 Billionen US-Dollar. Artenschutz ist also auch eine ökonomische Überlebensfrage. Vor zwei Wochen haben deshalb über 1 400 Wissenschaftler/-innen in ihrer Berliner Erklärung eine Trendumkehr zugunsten von Arten- und Klimaschutz gefordert. „Follow the science“, kann ich hier nur sagen. Die Ursachen sind bekannt: Klimakrise, Ressourcenabbau, intensive Landnutzung, Kollege Bilger, Pestizide, Flächenfraß, Vermüllung. Wir müssen jetzt die Lebensgrundlagen für morgen sichern und mehrere Krisen bewältigen, ohne sie gegeneinander auszuspielen. ({1}) Das war auch eine der Grundbotschaften des Weltwirtschaftsgipfels in Davos. Wir brauchen also gerade jetzt mehr Umweltschutz, mehr Naturschutz und soliden Artenschutz, auch weil mit dem Rückgang der Artenvielfalt das Entstehungsrisiko von Zoonosen und Pandemien steigt. Artenschutz ist deshalb auch Gesundheitsvorsorge. ({2}) Biodiversität ist die Grundlage von widerstandsfähigen Ökosystemen, ohne die wir nicht überleben können. Ohne Bestäuber und gesundes Bodenleben sind gute Ernten unmöglich. Auch deshalb ist es so wichtig, dass wir gerade jetzt Landwirtschaft naturverträglich betreiben, sodass sie mit funktionierenden Ökosystemen die Erträge von morgen und übermorgen sichert. Wir müssen auch runter von Flächenkonkurrenzen. Der Anbau von Energiepflanzen für Agrosprit lässt Menschen hungern, und der Anbau von Futtergetreide macht viele Tiere satt, aber viel zu wenig Menschen, Kollege Bilger. ({3}) Zum ewigen Gebet zur Atomkraft – es ist ja jetzt von mehreren angesprochen worden, von Kollege Bilger, Herrn Hirte und anderen –: 53 Prozent des Urans kommen aus Russland, Kasachstan und Usbekistan. ({4}) Viel Spaß bei „Raus aus der Abhängigkeit!“! ({5}) Keine einzige Atomanlage dieser Welt ist auf Kriegssituationen ausgelegt, und da reden Sie vom Weiterbetrieb der Atomkraft. ({6}) Stichwort „Endlager“: Ich habe noch keinen gefunden, der laut „Hier“ schreit, wenn es darum geht: Wo soll der Atommüll denn hin? ({7}) Im Bundeshaushalt geben wir jedes Jahr 1 Milliarde Euro für die Entsorgung des Atommülls aus, und da reden Sie von der Verlängerung der Atomkraft.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Ebner, es gäbe eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, danke. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Und eine Zwischenfrage aus der Unionsfraktion: Möchten Sie die zulassen?

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dr. Klaus Wiener (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005257, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben das Thema Uran angesprochen. Die Zahlen per se waren natürlich korrekt, aber es ist ja so, dass wir seit vielen, vielen Jahren sogar ein weltweites Überangebot an Uran auf den Märkten sehen. ({0}) Brennelemente sind ein anderes Thema, aber beim Uran besteht ein Überangebot. 25 Prozent des Urans werden in Australien und Kanada hergestellt. Also: Ein Knappheitsproblem gibt es an der Stelle zumindest nicht. ({1}) Würden Sie da zustimmen? ({2})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Da würde ich nicht zustimmen. Allein wenn Sie die Zahl 25 nennen: 25 Prozent sind einfach 75 Prozentpunkte weniger als 100 Prozent. ({0}) Daran sehen wir schon, dass ein Knappheitsproblem entstehen kann. ({1}) Klima-, Arten- und Ernährungskrise müssen an der Stelle zusammen gelöst werden. Die Arten warten nicht mit dem Aussterben, bis wir andere Probleme gelöst haben. Deshalb ist es so wichtig, dass die UN-Artenschutzkonferenz in diesem Jahr stattfindet und nicht noch mal verschoben wird ({2}) und dass wir für den internationalen Artenschutz zusätzlich Geld in diesem Haushalt bereitstellen. ({3}) Die globale Finanzierungslücke beim internationalen Artenschutz ist derart groß, dass das, was wir dieses Jahr machen, nicht reicht. Wir müssen da mehr machen. Am Geld wird es nicht mangeln. 67 Milliarden Euro an umweltschädlichen Subventionen könnten wir einsparen; da ist viel Luft nach oben. Das haben auch die Wissenschaftler in der Berliner Erklärung gefordert. Das geht auch ohne jede Steuererhöhung. Wir haben noch Möglichkeiten, viel Gutes für den Umwelt-, Natur- und Artenschutz zu tun und dies auch gemeinsam zu denken. Danke schön. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem Kollegen Bystron.

Petr Bystron (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004692, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Frage zulassen. – Ich will Sie auch nicht überfordern. Das ist etwas aus dem ersten Semester Volkswirtschaft. Sie haben hier nämlich das Drohbild an die Wand gemalt, wir würden uns in Abhängigkeit begeben, gerade von Russland, von Kasachstan. ({0}) Wer, bitte schön, sitzt am längeren Hebel in einer freien Marktwirtschaft, derjenige, der etwas verkauft, oder der, der etwas kauft? Haben Sie schon mal darüber nachgedacht? ({1}) Und der Kollege von der CDU hat das schon sehr treffend gesagt: Wir haben hier ein Überangebot auf dem Markt, selbst bei anderen fossilen Rohstoffen wie Gas oder Öl. Sie haben darauf angespielt, dass wir uns in die Abhängigkeit von Russland begeben. Also, bitte sehr: Die Russen haben immer zuverlässig geliefert. ({2}) Sogar zu Zeiten des Kalten Krieges haben sie verkauft, weil sie auf unser Geld angewiesen sind. ({3}) Die sind die Verkäufer, die brauchen das Geld. Das heißt, wenn jemand etwas abstellt, dann sind wir das wieder. ({4}) Wir sagen: Wir stellen die Käufe ab, weil wir am längeren Hebel sitzen. Also, bitte: Warum zeichnen Sie hier so eine Drohgebärde, die überhaupt nicht der Realität entspricht?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Ebner macht den Eindruck, als ob er antworten möchte. – Bitte schön.

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Verlässlichkeit von Russland als Lieferant von Gas und anderen Rohstoffen haben wir in den letzten Tagen und Wochen sehr gut beobachten können. Sie ist gleich null an der Stelle. Deshalb ist es notwendig, dass wir da aus jeglichen Abhängigkeiten rauskommen. Deshalb diversifizieren wir auch die Abhängigkeiten, was Energielieferungen angeht. Das ist gut, und das ist richtig so. Und ich sage Ihnen eines: Wer uns am allerwenigsten den Hahn zudrehen kann, sind die Sonne und der Wind. Das wollen Sie ja nicht. Aber das ist der richtige Weg. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schlage vor, dass wir jetzt die Kollegin Dr. Franziska Kersten für die SPD-Fraktion anhören. ({0})

Dr. Franziska Kersten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005103, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Leider sind schon viele von den Zuschauern weg. Ich freue mich, dass Sie noch dageblieben sind. Wenn man sich den Haushalt anschaut, erkennt man recht schnell, dass wir in einer Krisensituation stecken: das „Sondervermögen Bundeswehr“, die Energiepreispauschale, hohe Pandemieausgaben. Ganz klar: Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Situation. Das sind aber kurzfristige Krisen, die manchmal den Blick auf die langfristigen Probleme wie den Klimawandel und die Biodiversitätskrise etwas versperren. Dabei ist es fünf vor zwölf. Ein Drittel aller Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland ist gefährdet. In manchen Regionen sind, wie wir schon gehört haben, mehr als zwei Drittel des Insektenbestandes schon verloren gegangen. Deshalb unterstütze ich alles, was meine Vorredner aus der Koalition bisher gesagt haben. Die knapp 92 Millionen Euro für den Bundesnaturschutzfonds sind genau so richtig, weil die Mittel für die verschiedenen Programme vereint und flexibel gehandhabt werden können. Die Mittel zur internationalen Zusammenarbeit, insbesondere für die UN-Biodiversitätskonferenz in Kunming, sind genau aufgrund dieser Logik aufgestockt worden. Wir brauchen einen Paris-Moment für die Biodiversität! ({0}) Die Mittel für den natürlichen Klimaschutz im Energie- und Klimafonds zeigen, dass wir den Artenschutz ernst nehmen und mit dem Klimaschutz gemeinsam denken. Denn was einmal an Biodiversität verloren gegangen ist, kommt nicht wieder. Ich unterstütze deshalb ausdrücklich, dass im Umwelthaushalt die Forschung zu KI und digitalen Lösungen für den Umweltschutz gestärkt wird. Investitionen zur Verminderung von Umweltbelastungen verdoppeln wir nahezu: von 25 auf 42 Millionen Euro. Da ich außer im Umweltausschuss auch im Landwirtschaftsausschuss tätig bin, hat mich besonders gefreut, dass sich die G‑7-Agrarminister diesen Monat zum One-Health-Ansatz bekannten, der die Gesundheit der Umwelt, der Menschen und der Tiere zusammenhängend betrachtet. Hier stehen die Minimierung und Eindämmung von Zoonosen als auch von Antibiotikaresistenzen – auch eine Gefahr, die uns echt droht – in Landwirtschafts- und Ernährungssystemen im Fokus. Für mich als Agrar- und Umweltpolitikerin verbindet die drei Themen „erneuerbare Energien“, „Ernährung“ und „Biodiversität“ ein Punkt ganz klar: Es sind Flächenkonkurrenten. Wenn wir 30 Prozent Schutzgebiete sichern wollen, haben wir weniger Fläche für die Produktion von Lebensmitteln und Energie. Um diese Flächenproblematik anzugehen, müssen wir jetzt gesamtgesellschaftlich denken. Durch frühe Beteiligung können wir den Druck auf die Fläche reduzieren und auch mehr Akzeptanz schaffen. ({1}) Unser alter Koalitionspartner hatte mutige Politik lange blockiert. Das ist bei uns anders. Unsere Koalition packt es an und findet auch starke Kompromisse, beispielsweise im Osterpaket. Das Eckpunktepapier zum Ausbau der Windkraft an Land stellt einen Kompromiss für ein seit Jahren bestehendes Problem dar. Noch sind nicht alle Fragen im Detail geklärt: Wie soll gewährleistet werden, dass die Populationen gefährdeter Arten geschützt werden oder erhalten bleiben? Wie können wir Strukturen und Kapazitäten vor Ort stärken? Da müssen wir in den nächsten Wochen noch weiter diskutieren, damit die heute vorgestellten Mittel auch gezielt abfließen. Wenn wir alle heute vorgestellten Programme jetzt richtig umsetzen, haben wir einen Haushalt, der nicht nur kurzfristige Lösungen verspricht, sondern auch langfristige Lösungen schafft. Danke. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Jakob Blankenburg. ({0})

Jakob Blankenburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005025, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte diese Rede mit Zeilen beginnen, die den Fans deutscher Indie-Musik bestens bekannt sein dürften. Ich zitiere: Nur weil man sich so dran gewöhnt hat Ist es nicht normal Nur weil man es nicht besser kennt Ist es nicht Noch lange nicht Egal Diese Zeilen stammen von der Hamburger Band Kettcar. Kettcar werden am Freitag bei der letzten Kulturellen Widerstandspartie im Rahmen der 33. „Kulturellen Landpartie“ in Gorleben auftreten, direkt vor dem dortigen atomaren Zwischenlager, mitten im Wendland, dem Inbegriff der Antiatombewegung. Woran wir uns schon längst gewöhnt haben: Etwa 1 Milliarde Euro jährlich fließen in die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle. Wir haben es heute schon gehört: Das ist knapp die Hälfte des diesjährigen Etats des Bundesumweltministeriums. Diese Summe wird Jahr für Jahr aufgebraucht, um radioaktive Abfälle sicher zu lagern und den bestmöglichen Standort für ein Endlager für radioaktive Abfälle zu finden. ({0}) Wir haben uns daran gewöhnt, aber es ist nicht normal, und es kann uns auch nicht egal sein. ({1}) Diese Zahlen belegen – auch das wurde in dieser Debatte schon gesagt –, dass die Nutzung der Atomenergie alles andere als kostengünstig ist. Die Nutzung dieser Energieform hat enorme Folgekosten, und diese sind nicht nur in Euro zu bemessen. Künftige Generationen werden bis zu 1 Million Jahre mit den Hinterlassenschaften unserer Energieerzeugung umgehen müssen. Jeder Tag, an dem kein neuer hochradioaktiver Müll aus deutschen Atomkraftwerken hinzukommt, ist wichtig. ({2}) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir daran fest, dass die letzten drei noch aktiven Atomkraftwerke in Deutschland Ende dieses Jahres vom Netz gehen. Da reicht ein Blick in den Prüfvermerk, den BMUV und BMWK ausgefertigt haben. Darin ist ganz klar geregelt: Selbst wenn wir es wollten, es wäre unwirtschaftlich, es macht keinen Sinn. ({3}) Den Kolleginnen und Kollegen aus der FDP würde ich einen Blick in den Koalitionsvertrag empfehlen, Seite 47, falls das hilft. Generationen von Menschen haben für diesen Ausstieg aus der Atomenergie gekämpft, in Gorleben und in vielen anderen Ecken Deutschlands, und ihr Widerstand hat sich gelohnt. Das Motto am Freitag heißt zu Recht: „Gorleben raus, AKWs aus“. ({4}) Wie gefährlich Atomkraftwerke und der Atommüll sind, hat uns die dramatische Situation in den ukrainischen Kraftwerken infolge der russischen Angriffe einmal mehr verdeutlicht. Wir müssen unter Hochdruck daran arbeiten, die hochradioaktiven Abfälle aus der jahrzehntelangen Nutzung der Atomenergie schnellstmöglich tiefengeologisch einzulagern. Der Deutsche Bundestag hat für die Suche nach dem bestmöglichen Standort für ein solches Endlager im Jahr 2017 ein Verfahren beschlossen, übrigens auch mit den Stimmen der Unionsfraktion. Dieses Verfahren soll partizipativ, wissenschaftsbasiert, transparent, selbsthinterfragend und lernend sein. Das mag erst mal sperrig klingen; aber genau das ist der richtige Weg. Eine solche Standortsuche geht nur mit den Menschen und nicht gegen sie. Das haben wir unter anderem aus Gorleben gelernt. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb ist die Bürger/-innenbeteiligung in allen Phasen der Standortsuche einer der zentralen Aspekte. Die Mittel aus dem in dieser Woche zu beschließenden Bundeshaushalt sind hier gut angelegt. Der Umgang mit den Hinterlassenschaften unserer Energieerzeugung geht uns alle an – und ganz besonders die junge Generation. Sie wird die Inbetriebnahme des Endlagers für hochradioaktive Abfälle miterleben. Für sie wird dieses Endlager irgendwann normal sein. Geben wir uns Mühe, sie auf dem Weg dahin bestmöglich mitzunehmen. Mit dem Einzelplan 16 legen wir die Grundlage dafür. Vielen Dank. ({6})