Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade Boris Romantschenko gedacht. Er hat vier Konzentrationslager überlebt. Im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wurde er nun getötet. Sein Schicksal zeigt zugleich den verbrecherischen Charakter der russischen Politik und warum Deutschland solidarisch mit der Ukraine ist, warum wir solidarisch sein müssen.
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Das Zusammenleben in Frieden und Freiheit, die Ordnung des Völkerrechts und das Selbstbestimmungsrecht der Völker sind die Schlussfolgerungen aus den Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Das alles stellt Wladimir Putin infrage, weshalb er außerhalb der internationalen Gemeinschaft steht. Für diese zivilisatorischen Errungenschaften kämpft indessen die Ukraine. Deshalb stehen wir an ihrer Seite.
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Die Bundesregierung hat umfängliche Hilfen für die Ukraine bilateral und im internationalen Kontext bereitgestellt. Unsere Unterstützung für den Freiheitskampf der Menschen dort wird fortgesetzt. Ich habe meinem Amtskollegen zudem neulich versichert, dass wir nicht nur heute an die Ukraine denken. Wir hoffen auf baldigen Frieden. Wenn er erreicht ist, dann werden wir aber auch noch da sein, um sie beim Wiederaufbau, bei der Arbeit für eine gute Zukunft und dem Weg in eine Partnerschaft mit der EU zu unterstützen. Unsere Solidarität für unseren europäischen Nachbarn ist auf Dauer angelegt. Deshalb brauchen wir einen internationalen Marshallplan für die Ukraine.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis heute sind viele Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Täglich brechen weitere Menschen auf, um sich und ihre Familien vor den Angriffen in Sicherheit zu bringen – viele davon Kinder und Jugendliche. Nachbarstaaten wie Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Moldau helfen. Die humanitäre Hilfe und Aufnahmebereitschaft der Nachbarn der Ukraine verdienen Anerkennung, Respekt und Unterstützung. Allein Polen hat bereits rund 2 Millionen Menschen aufgenommen. Auch bei uns in Deutschland – nicht weit von hier am Hauptbahnhof in Berlin – kann man es sehen: Es kommen täglich Tausende Menschen.
Wir werden denen, die aus der Ukraine vor Gewalt und Bomben fliehen, schnell und unkompliziert helfen; dazu hat die Bundesinnenministerin bereits Entscheidungen getroffen. Wir werden ihnen Schutz und Sicherheit bieten, die medizinische Versorgung sichern, den Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnen. Ich bin sicher: Unsere Kitas und Schulen werden die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine mit offenen Armen empfangen.
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Dies ist auch eine Aufgabe für die staatliche Verantwortungsgemeinschaft von Bund und Ländern. Deshalb hat die Konferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und ‑chefs der Länder beschlossen, dass bis Anfang April ein gemeinsames Vorgehen auch hinsichtlich der Aufgaben- und Kostenteilung verabredet wird. Eine entsprechende Arbeitsgruppe ist bereits eingerichtet. In diesen Zeiten stehen Bund und Länder gemeinsam in Verantwortung. Wir werden sie gemeinsam wahrnehmen.
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Meine Damen und Herren, es sind Zeiten, die klare Prognosen erschweren, Zeiten der Unsicherheit. Wir kennen die globalen makroökonomischen Auswirkungen der Ukrainekrise noch nicht. Auch die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land ist von großer Unsicherheit geprägt. Seit einiger Zeit müssen die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung nach unten korrigiert werden. Gleichzeitig sehen wir uns mit steigenden Inflationserwartungen konfrontiert: erst wegen der Coronapandemie und unterbrochener Lieferketten, jetzt wegen der Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Wir alle wissen nicht im Einzelnen, wie lange diese auch wirtschaftliche Krisenlage andauern wird. Sie bleibt auch für die Menschen in unserem Land nicht ohne Folgen. Umso wichtiger ist nun eine passende Antwort der staatlichen Fiskalpolitik.
Ziel der Bundesregierung ist es, das Wachstum in Deutschland zu stärken und den Inflationsrisiken entgegenzuwirken. Eine Entwicklung Richtung Stagflation, also einer Zeit von ausbleibendem oder sogar negativem Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig hoher Inflation, wäre eine Gefahr. Die Preise würden steigen, aber die Wirtschaft nicht wachsen. Vieles würde teurer, aber unser Land nicht wohlhabender. Ich habe bewusst den Konjunktiv gewählt; denn die Menschen und die Wirtschaft können sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung ihre fiskalischen Möglichkeiten einsetzen wird, um ein solches Szenario zu verhindern.
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Dies gelingt am besten, indem wir die Produktivität und die volkswirtschaftlichen Produktionskapazitäten steigern. Ein höheres Produktivitätswachstum ebnet auch den Weg zu einem höheren Wirtschaftswachstum bei gleichzeitig sinkendem Druck auf die Preise. Wir sollten das aktuelle Umfeld als Signal für eine Stärkung der Angebotspolitik verstehen.
Aus diesem Grund beschleunigt die Bundesregierung Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger. Wir sorgen für verlässliche Rahmenbedingungen, die es Unternehmen erleichtern, langfristig zu investieren und Kapazitäten auszuweiten. Wir investieren in bessere Infrastruktur, Bildung und Innovation. Wir investieren in regenerative Energien. Mit dem Ausbau dieser, wie ich sage, „Freiheitsenergien“ koppeln wir uns schrittweise von den gegenwärtigen Preistreibern Öl und Gas ab. So nehmen wir perspektivisch Druck von den Preisen.
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Deutschland wird auch in Zukunft Energie importieren müssen, zum Beispiel langfristig in Form von Wasserstoff, übergangsweise auch andere Energieträger, für die der Bundeswirtschaftsminister sich ja einsetzt. Allerdings müssen wir insgesamt unabhängiger von Entwicklungen in einzelnen Weltregionen oder bei bestimmten Energieträgern werden. Deshalb ist es richtig, zu diversifizieren.
Wir müssen das Umfeld für dringend notwendige private Investitionen entscheidend verbessern. Mit dem Verzicht auf Steuererhöhungen wurde hier im Koalitionsvertrag eine wichtige rote Linie markiert. Wir sollten auch darüber hinaus alles vermeiden, was Menschen und Betriebe in dieser Lage weiter belasten könnte.
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Ich habe neulich beim Europäischen Rat bereits gesagt – ich glaube, damit auch die einhellige Auffassung im Ecofin getroffen zu haben –: Auch mögliche neue bürokratische Belastungen müssen hinter der Sicherung der wirtschaftlichen Entwicklung zurückstehen. Wir sollten das zurückstellen, was die wirtschaftliche Erholung und die Modernisierung unseres Landes gefährden könnte, im Sinne eines Belastungsmoratoriums, mit dem unser Land gut durch diese Krise kommen kann.
Hinzu kommt die notwendige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Das gehört auch zu einer Fiskalstrategie, die sowohl Wachstum als auch Bekämpfung der Inflation im Blick hat. Die amerikanische Federal Reserve hat bereits ihre Leitzinsen erhöht. Die Europäische Zentralbank hat eine Straffung ihrer Geldpolitik in Aussicht gestellt. Sie unterstreicht damit, dass auch die EZB Risiken der Inflation sieht und sich darauf einstellt. Das zeigt: Wir können nicht darauf bauen, dass Wachstum über die Notenbank organisiert wird und der Staat sich dauerhaft mit Niedrigzinsen finanziert. Wir müssen ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum in diesem Land ermöglichen und zugleich den Staat aus der Verschuldung herausführen.
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Dafür müssen wir Schritt für Schritt den Modus der fiskalischen Expansion verlassen. Anders gesagt: Wir müssen zurück zum Prinzip, dass der Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er verteilt werden kann.
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Für die Bundesregierung gilt: Wir richten unsere Haushalts- und Finanzpolitik am Ziel der Stabilität aus, damit wir handlungsfähig bleiben. Genau diesem Anspruch wird der vorliegende Haushaltsentwurf gerecht. Es ist der erste Haushalt einer neuen Bundesregierung, und es ist damit der erste Schritt, unser Land moderner, nachhaltiger, digitaler und freier zu gestalten.
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Wir halten mit diesem Entwurf die geplante Nettokreditaufnahme, die Eckpunkte der Vorgängerregierung ein. Dies gelingt, obwohl die Coronapandemie zusätzliche Ausgaben erforderlich gemacht hat. Das gelingt beim Verzicht auf Steuererhöhungen, und das gelingt bei einer gleichzeitigen Entlastung der Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel von der EEG-Umlage. Zudem haben wir Steuersenkungen in einer Größenordnung von 4,5 Milliarden Euro beschlossen. Es sind Entlastungen, die viele von dieser Koalition nicht erwartet haben.
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Ein Paar, eine Familie mit zwei Kindern, mit einem durchschnittlichen Einkommen wird so in einem ersten Schritt bereits um 360 Euro im Jahr entlastet.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon vor dem Beginn des Ukrainekrieges hatte sich das wirtschaftliche Umfeld verschlechtert; das war jedem sichtbar geworden. Trotzdem halten wir 99,7 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme für dieses Jahr ein. Das ist das Ergebnis harter Arbeit. Ich bin meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundeskabinett dankbar für sehr intensive Gespräche und eine konstruktive Zusammenarbeit. Wir haben die Vorhaben dieser Koalition priorisiert, uns auf das finanziell in diesem Jahr Darstellbare begrenzt und eine Perspektive für die nächsten Jahre aufgezeigt. Es ist damit gelungen, einen ersten Beitrag zur Konsolidierung zu leisten, trotz veränderter Rahmenbedingungen und trotz der neuen, modernen Schwerpunkte dieser Koalition.
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Wir konsolidieren aber nicht nur – das wäre falsch –, wir investieren auch dort, wo es notwendig ist. Wir gehen bei der Transformation zur wettbewerbsfähigen, klimaneutralen und digitalen Volkswirtschaft voran. Wir steigern die Investitionen insbesondere im Verkehrsbereich, dort vor allem für die Schiene. Wir stärken sozialen Zusammenhalt durch Ausgaben für Bildung und Familie, durch die Stabilisierung des Arbeitsmarktes, durch die Verbesserung von Aufstiegschancen und dadurch, dass wir die Rente für die Menschen verlässlich halten.
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Der Bund wird auch die Programmmittel für den Wohnungsbau erhöhen, insbesondere auch für den sozialen Wohnungsbau, mit dem Ziel der Bundesregierung, dass in Deutschland künftig 400 000 Wohnungen im Jahr neu entstehen.
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Bei dem allen halten wir dennoch die bisherigen Eckwerte ein, und das tun wir aus gutem Grund. Schließlich werden Staatsfinanzen nicht in der Krise ruiniert. In der Krise muss der Staat handeln und seine Möglichkeiten einsetzen. Die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen wird beschädigt, wenn die Rückkehr zur Normalität nach der Krise nicht gelingt. Wenn es nicht erreicht wird, größere Risikopuffer aufzubauen. Diese Rückkehr zur Normalität ist das haushaltspolitische Ziel der Bundesregierung.
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Wir haben also wichtige Vorhaben in unserem Koalitionsvertrag festgehalten, die finanziert werden, die wir erreichen wollen, für die wir Voraussetzungen geschaffen haben. Dabei bleiben wir zugleich innerhalb der Leitplanken, die uns unser gemeinsamer Koalitionsvertrag vorgibt, nämlich beim Verzicht auf zusätzliche steuerliche Belastungen und bei dem Bekenntnis zur Schuldenbremse. Auch diese beiden Punkte – Leitplanken – setzen wir genauso um wie unsere inhaltlichen Ziele.
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Für das laufende Jahr 2022 sind die krisenbedingten Belastungen für den Bundeshaushalt noch nicht absehbar. Die Bundesregierung schlägt deshalb dem Deutschen Bundestag vor, dass die Voraussetzungen für das Überschreiten der Kreditobergrenze nach Artikel 115 Absatz 2 Grundgesetz weiter vorliegen. In der Finanzplanung ist vorgesehen, die Schuldenbremse des Grundgesetzes im Jahr 2023 und in den Folgejahren bis 2026 einzuhalten. Wir hoffen und setzen ja alle darauf, dass im kommenden Jahr eben keine Notlage mehr besteht. Und wenn sich unsere Hoffnungen erfüllen, dann ist die Schuldenbremse des Grundgesetzes keine unverbindliche Willenserklärung; dann ist sie der Befehl unserer Verfassung.
Die Rückkehr zur Schuldenbremse ist auch ein Beitrag zur Wahrung der Glaubwürdigkeit unserer Institutionen. Wir zeigen damit, dass wir Ausnahmen in Ausnahmezeiten ermöglichen, aber den schnellsten Weg zurück zur institutionellen Normallage suchen. Wir können dennoch die Vorhaben der Koalition abbilden und sogar noch Handlungsbedarfe, die die Vorgängerregierung in ihrer Finanzplanung gesehen hatte, auflösen.
Die Schuldenbremse hatte sich vor Beginn der Coronapandemie bewährt. Sie hat zur Rückführung der Staatsverschuldung beigetragen. Mit ihrer Flexibilität für Notlagen ermöglichte sie während der Pandemie, vorher aufgebaute Handlungsfähigkeit zur Bekämpfung der Krise zu nutzen. Ich bin zuversichtlich, dass diese Schuldenbremse auch den richtigen institutionellen Rahmen bietet, um in den nächsten Jahren die Verschuldung schrittweise zurückzuführen.
Mit der vorliegenden Finanzplanung können wir es schaffen, dass die öffentliche Verschuldung bereits in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts unter die 60 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung unseres Landes zurückfällt, und damit würden wir die Zielvorgaben des Maastricht-Kriteriums und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes erreichen. Unsere Finanzpolitik sendet damit ein Signal der fiskalischen Stabilität über die deutschen Grenzen hinaus nach Europa.
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Mit dem Ukrainekrieg kam nun eine weitere Ausnahmesituation hinzu. Auf sie werden wir uns einstellen. Es werden Entlastungsmaßnahmen und Stützungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft nötig. Wir werden Maßnahmen zum Schutz, zur Unterstützung und zur Integration von Menschen zu finanzieren haben, die aus der Ukraine zu uns flüchten. Wir werden humanitären Herausforderungen in der Ukraine und in ihren Nachbarländern mit den Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfen begegnen müssen. Das kommt zu unseren bestehenden Verpflichtungen und Aufgaben hinzu.
Deshalb wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag möglichst bald einen Ergänzungshaushalt vorlegen. Dies werden wir tun, sobald wir eine größere Klarheit über das haben, was zur Finanzierung ansteht und welche makroökonomische Entwicklung dann welche Notwendigkeit nach sich zieht. Wir werden die Begründung für das Überschreiten der Regelobergrenze der Verschuldung nach Artikel 115 dann auch für den Ergänzungshaushalt anpassen und über die Coronapandemie hinaus auf Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Ukrainekrieges ausdehnen. Das macht zugleich deutlich: Beim Ergänzungshaushalt werden nur Maßnahmen ergänzt, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Folgen des Ukrainekrieges stehen.
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Der Wille zum Frieden, liebe Kolleginnen und Kollegen, leitet uns als Demokraten. Aber ohne Abschreckung und militärische Stärke bleibt auch ein großartiges Friedensprojekt wie die Europäische Union schutzlos. Verantwortung für Freiheit und Sicherheit zu übernehmen, ist unsere gemeinsame europäische Aufgabe.
Auch diese Seite der europäischen Politik erkennen wir Deutschen an. Wir müssen lernen, sie auch zu gestalten. Wir leben in einem Land, das von Partnern, Freunden und Verbündeten umgeben ist; aber das hat uns dazu verführt, zu denken, dass wir überall nur Partner, Verbündete und Freunde haben. Wir lernen schmerzlich: Das ist nicht so. Der Angriff Wladimir Putins hat die Sicherheitslage in Europa, hat unsere Sicherheitslage und die unserer Verbündeten grundlegend geändert. Die Friedensdividende ist verbraucht, und deshalb hat der Bundeskanzler recht, wenn er von einer Zeitenwende spricht, auf die auch Deutschland reagieren muss.
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Es gilt nun, die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit unseres Landes zu stärken und international Verantwortung zu übernehmen. Wir werden uns daher unserem wirtschaftlichen und politischen Gewicht entsprechend neu aufstellen; die Außenministerin hat dazu ja auch eine Strategie der vernetzten Sicherheit angekündigt.
Auch dieser Bundeshaushalt steht im Zusammenhang mit dieser Herausforderung und im Zusammenhang mit dem von der Bundesregierung vorgeschlagenen Sondervermögen im Grundgesetz zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Ein vernetzter Sicherheitsansatz und die Wahrnehmung internationaler Verantwortung unseres Landes lassen sich nicht alleine an den Verteidigungsausgaben ablesen. Deshalb wird Deutschland auch weiter stark in internationalen Zusammenhängen, in internationalen Institutionen und Organisationen Softpower und Formen der zivilisatorischen Zusammenarbeit pflegen.
Aber zur vernetzten Sicherheit gehört es eben auch, die lange und viele Jahre vernachlässigte Bundeswehr wieder zu stärken.
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Die Bundesregierung schlägt Ihnen dazu vor, Artikel 87a des Grundgesetzes zu verändern. Dieses Sondervermögen soll im Grundgesetz mit einer Zweckbindung zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit verankert werden und eine eigene Kreditermächtigung erhalten; bis 100 Milliarden Euro sollen dafür zur Verfügung gestellt werden. Die Verankerung in Artikel 87a des Grundgesetzes macht übrigens auch die Zweckbindung schon am Standort klar: Es handelt sich um die Wehrverfassung.
Mir ist wichtig: Dieses Sondervermögen steht ausdrücklich neben der Schuldenbremse des Grundgesetzes.
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Es hebt sie also nicht auf,
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sondern betont im Gegenteil den Ausnahmecharakter dieser Maßnahme.
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Die Alternativen – Steuererhöhung, zum Beispiel Solidaritätszuschlag, oder dauerhaftes Aufweichen der Schuldenbremse – wären demgegenüber nachteilig gewesen.
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Die Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit wird drei Kernbereiche umfassen: Erstens. Der Auftrag der Bundeswehr wird präzisiert und an die veränderte Lage angepasst. Zweitens. Strukturen der Streitkräfte und die Verfahren der Beschaffung sollen modernisiert werden, wie die Verteidigungsministerin zu Recht angekündigt hat. Denn bei der Bundeswehr und auch bei allen anderen Etats ist es das Ziel dieser Regierung, die Qualität hinsichtlich der öffentlichen Finanzen zu steigern. Also konkret bezogen auf die Bundeswehr: Wir wollen nicht, dass die Rüstungsindustrie reicher wird,
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sondern wir wollen für jeden eingesetzten Euro öffentlicher Mittel mehr Sicherheit erzielen.
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Drittens müssen wir die finanziellen Mittel für die Bundeswehr und ihre Betriebsausgaben auch in den laufenden Haushalten bereitstellen, und deshalb wird dieses Sondervermögen eben um einen Verteidigungsetat ergänzt, der bereits im Jahr 2022 die Marke von 50 Milliarden Euro erreicht. Wir setzen also mehr Mittel ein, um unsere Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu stärken, und dieses Niveau setzen wir 2023 und in der mittelfristigen Finanzplanung fort.
Um unsere Sicherheit zu erhöhen, werden wir auch die Resilienz und Leistungsfähigkeit des Staates im Bereich des Zivilschutzes zu erhöhen haben. Dazu hat die Bundesinnenministerin bereits Vorschläge unterbreitet und auch im Etat abgesicherte Entscheidungen getroffen. Fraglos ist der Zivilschutz im Kern natürlich eine Aufgabe der Länder.
Mit diesem Sondervermögen und dem Entwurf für den Einzelplan 14, liebe Kolleginnen und Kollegen, senden wir auch ein klares Signal an die Soldatinnen und Soldaten. Sie haben bei der Bewältigung etwa der Coronapandemie oder bei Hochwasserfolgen wie zuletzt im Ahrtal Großartiges geleistet. Nun steht eine Refokussierung der Bundeswehr auf die Bündnis- und Landesverteidigung an; das ist ihre Kernaufgabe. Diese Regierung zeigt durch die jetzt zur Verfügung stehenden Mittel, dass wir die Soldatinnen und Soldaten bei dieser wichtigen Aufgabe mit der bestverfügbaren Ausrüstung ausstatten wollen.
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Geld wird alleine nicht reichen und ist auch der Lage nicht angemessen. Vielleicht darf man in diesem Parlament daran erinnern, dass viele Soldaten in der Vergangenheit das Gefühl hatten, dass unsere Gesellschaft ihnen nur mit einem bestenfalls freundlichen Desinteresse begegnet ist. Die Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und der Respekt vor der Bundeswehr dürfen sich nicht nur in Etattiteln und ‑zahlen messen lassen. Es gilt auch, den Soldatinnen und Soldaten wieder den Respekt zu erweisen, den sie für ihren Dienst für unser Land verdienen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns vorgenommen, die 20er-Jahre zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen zu machen – beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, der Bildung und Forschung und der Modernisierung unserer Infrastruktur. Daran kann sich dieser Haushaltsentwurf ebenfalls messen lassen.
Ich hatte ja eben gesagt: Zur Fiskalstrategie der Bundesregierung gehört, Produktivitätswachstum zu ermöglichen und zugleich auch volkswirtschaftliche Kapazität auszudehnen, um die Voraussetzung für Wachstum zu schaffen. – Wo ich gerade in Ihre Richtung schaue: Bei der Aufzählung eben, was wir für Produktivitätswachstum brauchen, habe ich sogar noch eines vergessen, nämlich eine moderne, einladende, offene Einwanderungspolitik, damit wir den Bedarf an Fachkräften decken können.
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Aber ich wollte an dieser Stelle vor allem auf die öffentlichen Investitionsaufgaben, die wir haben, zu sprechen kommen. Der Bund wird das Rekordniveau von über 50 Milliarden Euro im Jahr verstetigen. Das ist ein Drittel mehr als vor der Coronakrise. Mein Vorgänger hat hier bereits die Investitionsbedarfe erkannt und in der mittelfristigen Finanzplanung zu Recht abgesichert. Wir verstetigen diese Investitionen. Von 2023 bis 2026 werden wir also über 200 Milliarden Euro in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes investieren – nur aus dem Kernhaushalt, aus dem regulären Bundeshaushalt.
Die größte Aufgabe dabei ist es, die Transformation hin zu einer wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Volkswirtschaft zum Gelingen zu bringen und dabei Wachstum und Wohlstand zu erhalten. Das erfordert enorme Anstrengungen, und wir unternehmen diese Anstrengungen.
Die Bundesregierung schlägt deshalb vor, den Energie- und Klimafonds zu einem Klima- und Transformationsfonds weiterzuentwickeln. Wir werden durch ihn von 2022 an rund 200 Milliarden Euro aufbringen, um vor allem die Dekarbonisierung voranzutreiben. Mit den betroffenen Ressorts hat es sehr intensive Gespräche über die einzelnen Programmvorhaben gegeben; denn die Bedarfe sind groß. Ich bin dankbar dafür, dass es insbesondere in den Gesprächen mit dem Bundeswirtschaftsminister gelungen ist, hier zu einer tragfähigen und realistischen Planung zu kommen, die im Ergebnis dieses Haushaltsentwurfs das, was wir uns vorgenommen hatten, sogar noch übertrifft.
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Neben dem Kernhaushalt unter der Schuldenbremse erlaubt der Klima- und Transformationsfonds in den kommenden Jahren zielgerichtete öffentliche Ausgaben. Er ist damit ein Hebel, um die Lösung von Zukunftsaufgaben zu beschleunigen. Als Teil unserer Fiskalstrategie ermöglicht er, den pandemie- und jetzt möglicherweise krisenbedingten Ausfall von wirtschaftlichem Leben und Investitionen durch verstärkte Anstrengungen gewissermaßen nachzuholen. Wir setzen dabei nicht auf alte Technologien, sondern wie andere Volkswirtschaften auch investieren wir uns aus der Krise heraus, indem wir auf die Zukunftstechnologien setzen, bei denen neue, zukunftsweisende Arbeitsplätze entstehen und wirtschaftliche Prosperität gesichert werden kann.
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Unsere Volkswirtschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat schon oft ihre Resilienz bewiesen, ein Selbstläufer ist die wirtschaftliche Erholung aber nicht. Stattdessen müssen wir alles unterstützen, was neues Wachstum schafft – in der aktuellen geopolitischen Lage gilt das umso mehr –, gemeinsam mit unseren Handelspartnern auf der Welt.
Zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung gehören aber auch dringend benötigte Entlastungen. Die Koalition hat ein erstes Entlastungspaket beschlossen; ich habe schon die Abschaffung der EEG-Umlage und eine Reihe von Erleichterungen im Corona-Steuerhilfegesetz erwähnt. Damit schaffen wir Freiräume für den Wiederaufbau von Reserven und die Stärkung von Investitionen.
Die steigenden Preise treffen die breite Mitte der Gesellschaft und nicht nur die Wirtschaft; deshalb müssen wir handeln und in der Breite entlasten. Für manche kann Inflation bedeuten, dass die Kinder keine neuen Schuhe bekommen. Es ist deshalb eine Frage der sozialen Sensibilität, dass wir diese Menschen als staatliche Solidargemeinschaft nicht alleine lassen.
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Aus diesem Grund haben wir bereits ein erstes Maßnahmenpaket beschlossen: mit einer Einmalzahlung für die Grundsicherungsempfängerinnen und ‑empfänger, auch für die Bezieher von BAföG, mit einem Sofortzuschlag für Kinder aus von Armut bedrohten Familien. Wir haben den steuerlichen Grundfreibetrag für die arbeitende und steuerzahlende Mitte erhöht und den Arbeitnehmerpauschbetrag angehoben. In einem ersten Schritt sind das Entlastungen in Höhe von rund 16 Milliarden Euro, die bereits in diesem Haushaltsentwurf und in den Eckwerten bis 2026 abgebildet sind.
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Wir sind uns als Koalition einig: Weitere Entlastungen werden kommen. So haben die Koalitionsfraktionen zum Beispiel den Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger im parlamentarischen Verfahren verdoppelt, und das zu Recht.
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Niemand darf verkennen, wie stark die steigenden Preise unser Land belasten. Die Not, beispielsweise im Transportgewerbe, ist groß. Mich haben viele Schreiben erreicht. Aus einem alleine nur möchte ich zitieren.
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung schreibt – Zitat –:
Die Kraftstoffkosten für den Transport- und Logistiksektor, aber auch für die Busunternehmer werden zu einem fundamentalen Belastungsfaktor … Die Unternehmen haben … mit massiven Preissteigerungen im Einkauf bei Diesel und Gas in kürzester Zeit zu kämpfen. Dies belastet nicht nur die Liquidität …, sondern es ist davon auszugehen, dass bei anzunehmender fortgesetzter Steigerung der Energiepreise dieser Umstand in vielen Fällen zur Existenzfrage wird. Bei der Personenbeförderung mit Bussen drohen Einschränkungen, insbesondere im ÖPNV und beim Schülerverkehr.
Deshalb arbeitet die Koalition an einem zweiten Entlastungspaket. Uns sollten dabei vier Aspekte leiten: Die Entlastungen sollten schnell wirken, sie müssen treffsicher gegen aktuelle Belastungen helfen, sie müssen befristet sein, und sie müssen im europäischen Kontext koordiniert sein – schnell, treffsicher, befristet, europäisch koordiniert. Die Koalition berät dabei über unterschiedliche Modelle, wie man weiß.
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Ich erwarte, dass am Ende eine Kombination unterschiedlicher Instrumente zum Einsatz kommt, weil die Lebenslagen in unserem Land eben auch sehr unterschiedlich sind.
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Ich halte auch angesichts der drohenden Preissteigerungen bei den Lebensmitteln, auf die ja der Landwirtschaftsminister aufmerksam gemacht hat, eine nochmalige Betrachtung der Situation bei den Grundsicherungsempfängern für ratsam.
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Ich glaube, dass wir in den Blick nehmen müssen, dass wir auch in der jetzigen Situation die Frage der Energieeffizienz nicht vernachlässigen dürfen.
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Aber ich habe auch wahrgenommen, dass in Europa viele unserer Nachbarn und Partner erkennen, dass die breite Mitte der Gesellschaft insbesondere auch bei der Mobilität belastet ist. Da sind unterschiedliche Wege denkbar. Frankreich und Italien setzen auf einen sogenannten Tankrabatt. Schweden setzt auf niedrigere Energiesteuern und eine Einmalzahlung an die Halterinnen und Halter von Pkws. Darüber ist zu sprechen. Ich rate aber dazu, es europäisch koordiniert zu machen.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU, zu einem koordinierten europäischen Vorgehen gehört zunächst einmal, dass das europäische Recht akzeptiert wird,
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und die Mehrwertsteuersystemrichtlinie erlaubt Ihren geringeren Mehrwertsteuersatz eben nicht.
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Das erlaubt das europäische Recht gegenwärtig nicht, wobei ich natürlich auch für steuerliche Maßnahmen offen bin. Man muss dann nur wissen, was man tut und wie sie begrenzt sind. Für uns ist das Ziel wichtig, nicht das einzelne Mittel; hier werden wir zu einer Verständigung kommen.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung, weil ich das gerade aus dieser Ecke gehört habe. Diese Koalition bedenkt die soziale Balance. Aus diesem Grund habe ich hier hervorgehoben, was wir beim Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger, bei Grundsicherungsempfängern und darüber hinaus machen. Wie Sie hier aber über die Menschen sprechen, die auf das Auto angewiesen sind, das halte ich für unangemessen. Es gibt auch Pendlerinnen und Pendler und Familien, die stark betroffen sind. Es gibt Menschen, die die besondere Unterstützung unserer Solidargemeinschaft brauchen. Sie von der Linkspartei dürfen aber bitte eines nicht verkennen.
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– Von der Linken. – Sie sollten eines nicht verkennen: In der breiten Mitte der Gesellschaft gibt es Menschen, die nicht bedürftig sind, sondern die sehr viel von ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durch Steuern und Sozialabgaben abgeben; auf der anderen Seite gehören sie aber auch nicht zur Beletage.
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Diese Menschen haben zum Beispiel über die Mineralölsteuer und die Mehrwertsteuer in den vergangenen Jahren hohe Lasten getragen, und das ging nicht alles nur in die Straße. Jetzt, wo die Spritpreise steigen, machen Sie die Ingenieurin und den Polizeibeamten gewissermaßen zu Reichen, die keine Entlastung verdient haben.
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Damit haben Sie sich von der Lebenswirklichkeit der Mittelschicht abgekoppelt.
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Über die aktuelle Krisensituation hinaus arbeiten wir an Freiräumen für weitere Entlastungen, beispielsweise an einer – –
Herr Lindner, möchten Sie, bevor Sie dazu kommen, eine Zwischenfrage aus der Linkspartei zulassen?
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Nein. Wir haben noch genug Gelegenheit zur Aussprache über diese Themen. Ich bin auch schon beim nächsten Punkt.
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– Ich habe das sehr genau gehört und auch gelesen.
Über die aktuelle Krisensituation hinaus arbeiten wir an Freiräumen für weitere Entlastungen. Ich nenne als ein Projekt nur die von uns angestrebte Kindergrundsicherung, über die wir im Gespräch mit dem Familien- und dem Arbeitsministerium sind.
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– Das ist jetzt noch nicht enthalten, aber es wird eingearbeitet werden.
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Dieses Koalitionsvorhaben steht.
Ebenfalls noch nicht eingearbeitet ist die weitere Entwicklung unseres Steuersystems. Sie wissen: Gesetzlich sind wir dazu angehalten, einen Progressionsbericht vorzulegen.
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Diesen Progressionsbericht werden wir vorlegen, und natürlich wird es zum Regelsatz der Grundsicherung, zum steuerlichen Grundfreibetrag und auch zur Weiterentwicklung des Steuertarifs einen fairen Vorschlag geben. Dazu sind wir verpflichtet, und diese Verpflichtung werden wir einhalten.
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– Nein, wir müssen den Progressionsbericht nicht vorlegen.
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Denn für dieses Jahr, 2022 – das sollten Sie eigentlich wissen –, haben wir durch den höheren steuerlichen Grundfreibetrag bereits eine Anpassung vorgenommen.
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Deshalb müssen wir nicht für dieses Jahr einen neuen Progressionsbericht vorlegen, sondern für das nächste und das übernächste Jahr, und das werden wir tun.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung will die Infrastruktur wieder auf den Stand bringen, der der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt angemessen ist. Wir steigern unsere Investitionen im Verkehrsbereich. Insbesondere die Entwicklung der Schiene als Form der nachhaltigen Mobilität liegt uns am Herzen. Das ist mit einer der größten Ausgabenblöcke bei den Investitionen. Bis 2026 werden über 20 Milliarden Euro alleine für die Modernisierung der Verkehrswege und dort im Kern für die Schiene zur Verfügung stehen. Das verbessert den Alltag von Millionen Pendlerinnen und Pendlern, verbessert aber auch die Situation vieler Fernreisender.
Wir stärken den sozialen Zusammenhalt mit zusätzlichen Investitionen in den Bereichen Bildung und Ausbildung. Gute Bildung auf hohem Niveau und erreichbar für alle ist die Basis für selbstbestimmtes Leben, für Freiheit, für soziale und Chancengerechtigkeit, für Innovation und Fortschritt und damit für die erfolgreiche Modernisierung unseres Landes. Deshalb wird der Etat der Bildungsministerin nach den Vorschlägen der Bundesregierung ab 2022 von 20,3 Milliarden Euro kontinuierlich auf 21,1 Milliarden Euro in 2025 steigen, und auf diesem Niveau wird er verstetigt. Das sind über 4 Milliarden Euro mehr für eine gute Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, für die Stärkung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland. Diese Koalition weiß: Bildungsausgaben sind die beste Sozialpolitik.
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Das ist aber noch nicht alles. Über das bestehende Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ – es gab also schon unter früheren Bundesregierungen Sondervermögen – werden die notwendigen Mittel zur Förderung des Ausbaus von Mobilfunk- und Gigabit-Netzen sowie für den DigitalPakt Schule bereitgestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihnen liegt der erste Bundeshaushalt einer neuen Koalition vor. Unser Koalitionsvertrag trägt den Titel „Mehr Fortschritt wagen“. Die gegenwärtigen Unsicherheiten machen Fortschritt in vielen Bereichen unseres Landes noch drängender.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Recht, den Etat zu verabschieden, wird ja oft als das Königsrecht des Parlaments bezeichnet – ich glaube, zu Recht –, wird doch durch die Festsetzung der Einnahme- und Ausgabepläne erst die Umsetzung von Politik möglich. Damit ist eine große Verantwortung verbunden, die in diesen Krisenzeiten umso schwerer wiegt.
Ich freue mich daher nun auf die Beratungen des Deutschen Bundestages. Gemeinsam stehen wir vor einer großen Aufgabe. Es gilt, unseren gemeinsamen Anspruch, Fortschritt zu ermöglichen, mit diesem Haushalt zusammenzuführen und zu konkretisieren. Es gilt, der im Land und international vielgeschätzten Stabilitätskultur Rechnung zu tragen. Die Stabilität unserer Finanzen ist die Grundlage für Sicherheit und Wohlstand. Es ist ein Schutzschild, besonders solide zu wirtschaften, besonders glaubwürdig an den Finanzmärkten zu sein und deshalb immer auch Reserven für Krisen zu haben. Das macht auch die Resilienz dieses Landes aus. Mehren wir sie!
Vielen Dank.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sie haben des Todes von Boris Romantschenko gedacht. Ich möchte mich ausdrücklich für diesen würdigen Akt bedanken. Sein Tod steht stellvertretend für das Leid und den Terror, die die Menschen in der Ukraine gerade erfahren, verursacht durch Putin. Aber sein Name steht auch für die Verantwortung Deutschlands.
Meine Damen und Herren, letzte Woche hat Präsident Selenskyj hier im Deutschen Bundestag an die Verantwortung des Deutschen Bundestages und dieser Regierung appelliert. Ich danke dem Bundesminister Christian Lindner, dass er auch dies hier angesprochen hat. Aber letzte Woche hat die Ampel ganz offensichtlich nicht die Kraft zur Debatte im Deutschen Bundestag gehabt. Das hat dem Deutschen Bundestag in der Summe geschadet. Deswegen: Sprachlosigkeit darf hier nie wieder einen Platz haben.
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Sie haben zu Recht angesprochen, dass unser Mitgefühl und unsere Solidarität dem Volk der Ukraine gelten. Präsident Selenskyj hat letzte Woche von einer „neuen Mauer“ gesprochen. Diese neue Mauer ist durch den Zivilisationsbruch Putins hochgezogen worden. Es ist eine Mauer zwischen Freiheit und Unfreiheit. Wir stehen auf der Seite der Freiheit, und die Ukraine braucht die Chance, auf der Seite der Freiheit stehen bleiben zu dürfen. Dazu braucht es aber nicht nur Solidarität, sondern auch die Chance zur Verteidigung.
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, es steht im Raum, dass die Bundesregierung die zugesagten Waffenlieferungen nicht einhält. Das Bundesverteidigungsministerium und das Bundeskanzleramt scheinen sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Herr Bundeskanzler, die Bundesrepublik Deutschland liefert zu wenig, sie liefert zu langsam, und die Bundesregierung will nicht darüber reden. Klären Sie, was real möglich ist, und führen Sie das aus, was wir gemeinsam vereinbart haben, nämlich die Ukraine zur Verteidigung mit Waffen zu versorgen!
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Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, wir erleben heute den zweiten Haushalt, den Sie dem Deutschen Bundestag vorstellen. Einen dritten kündigen Sie bereits an in Form Ihres Ergänzungshaushalts, dessen Inhalte Sie heute allerdings nicht vorstellen können. Und Sie kündigen eine Grundgesetzänderung an,
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über die Sie nicht selber entscheiden können. In Anbetracht dieser Lage hätte ich mir von Ihnen etwas mehr Demut und Bescheidenheit gewünscht.
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Ihre bisherige Bilanz lautet: Einen verfassungswidrigen Haushalt vorgelegt, heute einen unvollständigen Haushalt nachliefern
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und eine Grundgesetzänderung ankündigen, mit der Rekordschulden in Deutschland gemacht werden sollen. – Dafür braucht es mehr Bescheidenheit.
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– Entschuldigung, aber weil Sie dauernd dazwischenrufen: Ich habe dem Bundesfinanzminister bei seiner Rede sehr genau zugehört. Der Ergänzungshaushalt, der hier angekündigt wird, hat bisher noch überhaupt keinen Inhalt, bedeutet aber möglicherweise eine weitere Rekordverschuldung.
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Das, was Sie heute hier vorgestellt haben, ist kein Haushalt zum Beraten, sondern ein Haushaltsrätsel, das es zu erraten gilt. Aber das ist zu wenig für den Deutschen Bundestag!
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Zu drei großen Bereichen haben Sie, Herr Bundesfinanzminister, heute nichts vorgelegt: zur Finanzierung der Verteidigung – Fehlanzeige! –, zur Reduzierung der Energiepreise – Fehlanzeige! –, zu den Herausforderungen der Flüchtlingssituation – Fehlanzeige!
Erstens: zur Verteidigung. Wir haben sehr genau in Erinnerung, wie der Bundeskanzler in seiner Rede am 27. Februar dieses Haus positiv überrascht hat, weil er sich klar zu Erfüllung und Übererfüllung des 2-Prozent-Ziels der NATO bekannt hat. Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen damals gesagt – das gilt auch heute –: Bei diesem Ziel haben Sie uns an Ihrer Seite.
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Aber wir wurden heute negativ überrascht. In diesem Haushalt findet sich zur Erfüllung des 2-Prozent-Ziels rein gar nichts. Im Gegenteil: Der Haushaltstitel des Bundesministeriums der Verteidigung wächst nicht mal auf; er bleibt auf Jahre gleich. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie glauben, Sie könnten das Versprechen des Bundeskanzlers gegenüber dem Deutschen Bundestag,
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ab sofort das 2-Prozent-Ziel einzuhalten, nur damit einlösen, dass Sie 100 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und ansonsten den Verteidigungshaushalt inflationsbereinigt reduzieren, dann haben Sie uns nicht an Ihrer Seite; um dies klar zu sagen.
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Die 100 Milliarden Euro Sondervermögen, von denen Sie sprechen, sind nichts anderes als 100 Milliarden Euro Sonderschulden – um dies mal sehr klar zu benennen –, Sonderschulden, die Sie über eine Grundgesetzänderung erreichen wollen. Dafür brauchen Sie unsere Zustimmung.
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Es ist schön, dass wir bereits diese Woche mit ersten Gesprächen darüber beginnen. Aber ich kann Ihnen an der Stelle nur sagen: 100 Milliarden Euro neue Sonderschulden, ohne festzuschreiben, wie Sie diese zurückzahlen wollen – dafür werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen.
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Schuldentilgung ist ein Teil von solider Haushaltspolitik! Lassen Sie sich das an dieser Stelle sagen.
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Ich rate Ihnen auch dringend, Herr Bundesfinanzminister, die Ausgabendebatte in der Ampelkoalition unter Kontrolle zu bringen. Es war sehr interessant, festzustellen, wie der Applaus für Ihre sehr klaren Sätzen – Wohlstand erst erwirtschaften, dann verteilen; Gratulation zu dieser Erkenntnis – hier im Plenum verteilt war: keine Zustimmung bei SPD, keine Zustimmung bei Grünen, magerer Applaus bei der FDP.
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Ich hätte mir gewünscht, dass Sie an der Stelle deutlich stärker zum Ausdruck bringen: Diese 100 Milliarden Euro neue Schulden müssen ausdrücklich für die Landesverteidigung und die Bündnisverteidigung zur Verfügung stehen, ausdrücklich für Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr zur Verfügung stehen, ausdrücklich für nukleare Teilhabe und atomare Abschreckung zur Verfügung stehen. Für nichts anderes steht dieses Vermögen zur Verfügung! – Für nichts anderes werden wir die Hand reichen.
Ich rate Ihnen dazu, dafür zu sorgen, dass die ganzen Ausgabenwünsche in Ihrer Ampelkoalition nicht über diese 100 Milliarden Euro finanziert werden, egal ob feministische Außenpolitik oder welche anderen Ideen Sie haben. Dieses Geld steht für Verteidigung und Bündnisverteidigung und für die Bundeswehr zur Verfügung und für nichts anderes.
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Zweitens. Sie haben über die Energiepreise gesprochen. Herr Bundesfinanzminister, Sie hätten heute die Gelegenheit gehabt, Ihr Konzept vorzustellen, wie Sie auf die explodierenden Energiepreise reagieren möchten. Es reicht einfach nicht, zu erklären, dass die Energiepreise zu einer neuen sozialen Frage werden. Die Situation ist ganz konkret: Pendler, Familien im ländlichen Raum bezahlen an der Tankstelle 200 bis 400 Euro mehr pro Monat.
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Dafür hat die Ampel offensichtlich keine Lösung.
Ich kann Ihnen sagen: Die Menschen können es sich schlichtweg nicht leisten, dass Sie sich innerhalb der Ampel gerade streiten.
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Es ist auch vollkommen egal, ob das der FDP-Tankrabatt oder das grüne Tempolimit ist. Beides ist falsch! Setzen Sie doch an der Zapfsäule auf die Marktwirtschaft und nicht auf die Zettelwirtschaft! Wir können es uns nicht weiter leisten, hier nicht zu handeln.
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Sie verweigern sogar die Erkenntnis, dass Sie an der Zapfsäule kräftig mitverdienen. Ich rate Ihnen: Geben Sie den Menschen ihr Geld zurück.
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Die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer an der Zapfsäule sind seit der Zeit vor Corona um 70 Prozent gestiegen. Früher wusste die FDP, was zu tun ist, wenn die Steuern zu hoch sind. Kommen Sie dem endlich nach! Senken Sie die Steuern an der Zapfsäule! Es geht um die Mehrwertsteuer, es geht um die Mineralölsteuer. Kommen Sie mir nicht mit dem Europarecht. Die Polen haben die Mehrwertsteuer an der Stelle gesenkt. Es hat sich in Europa niemand gerührt, und der Europäische Rat wird dem am Ende zustimmen.
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Wissen Sie, das, was viele Länder machen und was von Europa nicht gerügt wird, ist erkennbar im Sinne unserer Gemeinschaft. Ich rate Ihnen dringend: Es ist klüger, die Steuern an der Zapfsäule zu senken, als Umgehungstatbestände zu schaffen,
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die in der Sache wirkungslos sind und die Menschen nicht entlasten, meine Damen und Herren.
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Herr Kollege, kommen Sie zum Ende. Ansonsten würden wir bei den anderen etwas kürzen.
Vielen Dank für den Hinweis.
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Dritter Punkt. Sie haben über die Aufnahme der Flüchtlinge gesprochen. Eine historische Kraftanstrengung mit erheblichen Auswirkungen auf unseren Haushalt! Deswegen sagen Sie: Der Ergänzungshaushalt wird sich ausschließlich mit der Situation und dem Krieg in der Ukraine und den daraus resultierenden Herausforderungen beschäftigen. – Wir werden das sehr genau beobachten.
Ich kann Ihnen aber auch sagen: Dazu gehört neben den Finanzen auch eine gute Organisation.
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Da fehlt es bisher an allen Stellen. Es funktioniert in Deutschland keine Registrierung der Menschen, die auf der Flucht sind. Wir haben uns die Situation in Polen ganz genau angesehen. Dort wird registriert, dort wird aufgenommen, dort wird dafür gesorgt, dass alle Daten in einem Datensatz zusammengeführt werden und man weiß, wo sich die Menschen befinden. In Deutschland scheint das nicht zu schaffen zu sein. Die Bundesinnenministerin sagt an der Stelle: „Niemand hat eine Glaskugel und weiß, was noch auf uns zukommt.“ Man braucht an dieser Stelle keine Glaskugel, sondern lediglich einen Blick auf die Grenzen: 100 000 Menschen kommen jeden Tag über die Grenze nach Polen. Da weiß man, was auf Deutschland zukommt.
Deswegen: Engagieren Sie sich bitte! Sorgen Sie dafür, dass endlich registriert wird und wir darüber – auch zukünftig – in Europa einen Verteilungsmechanismus organisieren können. Ohne Verteilungsmechanismus, ohne Registrierung werden erheblich mehr finanzielle Lasten auf uns zukommen, als notwendig ist, weil wir die Solidargemeinschaft in Europa nicht nutzen können. Das ist die Realität!
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Herr Bundesfinanzminister, Sie haben von einem Signal nach Europa gesprochen. Genau dieses Signal nach Europa bereitet mir große Sorgen. Sie haben von einem Signal der Solidität gesprochen. Ich glaube, in Europa wird das Signal ankommen, wie man Sonderschulden machen kann. Deswegen rate ich Ihnen sehr dringend: Geben Sie darauf acht, dass nicht die wichtigste Ressource Deutschlands in Europa verloren geht, nämlich die Berechenbarkeit und die Solidität des finanziellen Handelns. Das steht auf dem Spiel und ist mit Ihrem Namen verbunden.
Herzlichen Dank.
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Der Kollege Dennis Rohde hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hatten mit Blick auf diesen Haushalt, glaube ich, die Hoffnung, dass die Planungsunsicherheiten, die ihm unterliegen, kleiner werden. Aber zur Wahrheit gehört: Die Inflationsprognosen der Wissenschaft sind noch nie so weit auseinandergegangen, die Wachstumsprognosen sind noch nie so weit auseinandergegangen; die Folgen der Coronakrise mischen sich mit den Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der Russen auf die Ukraine.
In Zeiten, wo die Energiepreise explodieren, wo Menschen dadurch bedroht sind, von ihren Teilhabemöglichkeiten ausgeschlossen zu werden, wo Menschen Schutz und Zuflucht bei uns suchen, wo die Friedensordnung der letzten drei Jahrzehnte endet, stellt uns das nicht nur vor allgemeinpolitische, sondern auch vor haushalterische Herausforderungen. Das ist der Moment, einmal innezuhalten und die Maxime der eigenen Haushaltspolitik zu überdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung jetzt weiter plant und dass der Bundesfinanzminister angekündigt hat, einen Ergänzungshaushalt zu diesen Themen vorzulegen, um die großen Herausforderungen, die vor uns liegen, auch anzugehen. Ich will für unsere Fraktion sagen: Für uns ist Haushaltspolitik kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, ob die NKA am Ende höher oder niedriger ausfällt, ob die Ausgaben steigen oder sinken, wie hoch die Investitionsquote im Einzelnen ist.
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All das ist kein Zweck an sich, das ist kein Wert an sich. Es geht nicht um das blinde Erreichen irgendwelcher Kennzahlen. Für uns geht es darum, dass der Staat gerade in diesen Krisenzeiten in der Lage ist, Sicherheit im Wandel zu geben.
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Das ist unser Verständnis von der Aufgabe eines vorsorgenden und fürsorgenden Staates, und das ist die Maxime unserer Haushaltspolitik.
Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Herausforderungen, die vor uns liegen, wird der Klima- und Transformationsfonds einnehmen. Er wird mit erheblichen Mitteln ausgestattet werden: 203 Milliarden Euro bis 2026, Geld, das in jederlei Hinsicht nötig ist; denn dieser Klima- und Transformationsfonds ist zur Bekämpfung aller drei Krisen, die uns bevorstehen, wichtig.
Er ist wichtig zur Bekämpfung der Klimakrise, über die wir in diesen Zeiten vielleicht viel zu wenig diskutieren. Aber es ist unsere Pflicht, den Planeten für künftige Generationen zu sichern. Dafür ist der Klima- und Transformationsfonds da.
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Wir wollen mit entsprechenden Maßnahmen aus dem Klima- und Transformationsfonds der Wirtschaft bei ihren so dringend notwendigen Transformationsprozessen helfen, sei es in der Stahl- oder in der Chemieindustrie. Wir wollen aber auch Menschen helfen, ihren persönlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten, indem sie zum Beispiel Zuschüsse für die energetische Sanierung ihrer Häuser bekommen. Auch das ist uns wichtig.
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Und der Klima- und Transformationsfonds gibt auch eine Antwort auf die zweite Krise, über die wir momentan sehr viel diskutieren, nämlich die Folgen der Ukrainekrise. Es geht uns darum – ich glaube, der Letzte in diesem Haus muss es jetzt auch verstanden haben –, durch den Ausbau der erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit in Deutschland sicherzustellen und unabhängig zu werden von Drittstaaten. Das ist das Ziel, das wir jetzt primär angehen wollen, und deshalb ist der Klima- und Transformationsfonds auch an dieser Stelle so wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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All das ist auch mit der Pandemiebewältigung verbunden. Jeder Euro, den wir investieren, schafft Arbeitsplätze. Er sorgt dafür, dass die Arbeitsplätze, die wir in den letzten zwei Jahren durch diese Krise gebracht haben, morgen zukunfts- und gesellschaftsfähig sind. Er sorgt dafür, dass die Brücken, die wir gebaut haben, in der Zukunft ankommen. Wir werden mit dem Klima- und Transformationsfonds diese Pandemie nachhaltig verlassen, und das ist auch politisch wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Nun sind die Verhandlungen, die wir in den nächsten Monaten führen werden, wesentlich umfangreicher als sonst. Wir werden den Kernhaushalt, der uns vorgelegt wurde, diskutieren. Wir werden den Ergänzungshaushalt diskutieren, der uns hoffentlich in wenigen Wochen vorliegt. Wir werden den Gesetzentwurf diskutieren, der aus dem Energie- und Klimafonds den Klima- und Transformationsfonds macht. Und wir werden über eine Grundgesetzänderung und über das Sondervermögen Bundeswehr diskutieren.
Ich glaube, allen hier ist der Ausstattungszustand der Bundeswehr bekannt. Die Bundeswehr hat drei Jahrzehnte Friedensdividende gezahlt. Sie hat sie gezahlt, weil für viele von uns nicht vorstellbar war, dass wir uns jemals in dieser Situation befinden könnten, in der wir heute sind. Für meine Generation – ich bin 1986 geboren –, für viele Kolleginnen und Kollegen hier im Haus, die noch jünger sind, die den Kalten Krieg nicht mehr aus eigenem Erleben wahrgenommen haben, ist das gerade wahrlich eine Zeitenwende. Deswegen begrüßen wir die Initiative des Bundeskanzlers, ein Sondervermögen zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit zu schaffen, ausdrücklich.
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Herr Kollege Dobrindt, wenn man mit Blick auf das Sondervermögen nur über Schulden spricht, dann frage ich: Welches Bild sollen die Soldatinnen und Soldaten in Deutschland eigentlich von dieser Unionsfraktion haben?
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Ich bin der festen Überzeugung, dass es in der Bevölkerung eine breite Akzeptanz für dieses Sondervermögen gibt; denn seine Ausgestaltung sorgt dafür, dass die Themen der äußeren Sicherheit nicht in Konkurrenz gestellt werden zu den Themen der inneren und der sozialen Sicherheit, dass wir nicht das eine gegen das andere ausspielen, sondern dass wir die Krisenfolgen ganzheitlich betrachten. Wir stärken die äußere, innere und soziale Sicherheit. Das ist gerade in der heutigen Zeit eine wichtige Botschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Frau Ministerin Lambrecht, ich begrüße, dass es nicht nur um die Finanzierung von prestigeträchtigen Großprojekten geht, dass es nicht nur darum geht, eine Nachfolge für den Tornado zu finden, einen schweren Transporthubschrauber, sondern dass Sie von vornherein deutlich gemacht haben: Ein Teil dieses Geldes ist dafür da, um die Soldatinnen und Soldaten ganz schnell besser auszustatten, Geld, das sofort bei der Truppe ankommt. – Das ist auch ein wichtiges Signal, das wir, glaube ich, alle unterstützen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich habe gerade gesagt, dass wir die äußere nicht gegen die innere und die soziale Sicherheit ausspielen. Ich will ein Beispiel nennen, worauf es jetzt, glaube ich, auch mit Blick auf den Ergänzungshaushalt ankommt: Wir reden mit Blick auf den Krieg in der Ukraine über unsere Verantwortung in der Welt. Wir reden darüber, den Menschen, die hier bei uns oder anderswo Schutz suchen, zu helfen. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es nicht nur die Ukraine gibt. Wir reden auch über Afghanistan, über Syrien, Somalia, über den Jemen, den Irak; ich könnte noch viele weitere Länder aufzählen. Diese Länder dürfen wir in dieser Debatte nicht vergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Um es ganz deutlich zu machen: Wenn wir gerade lesen, dass die ukrainische Getreideproduktion wegbricht, dass das bei uns dafür sorgt, dass Preise steigen werden, wir uns das aber leisten können, dadurch aber droht, dass in Afrika eine Hungersnot ausgelöst wird, dann dürfen wir nicht weggucken, liebe Kolleginnen und Kollegen, und dann müssen wir einen Beitrag leisten, den Betroffenen zu helfen. Auch das muss sich im Ergänzungshaushalt wiederfinden.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeskanzler hat von einer Zeitenwende gesprochen. Vieles um uns herum befindet sich im Wandel. Für uns ist es Aufgabe einer vorausschauenden Haushaltspolitik, Sicherheit in diesem Wandel zu geben. Dafür werden wir uns in den Haushaltsverhandlungen in den nächsten Wochen einsetzen.
Vielen Dank.
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Das Wort für die AfD-Fraktion erhält der Kollege Peter Boehringer.
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Frau Präsidentin! Wir haben nun wortreich gehört, dass haushalterisch diesmal alles anders ist. Dabei ist im Haushaltsentwurf noch fast gar nichts vom Krieg angekommen; denn die zugehörigen Kostenpositionen will man ja erst im Rahmen eines Ergänzungshaushalts einbringen. Die erwartbaren Kreditermächtigungen über am Ende wahrscheinlich 250 Milliarden Euro werden auch nur zu einem kleinen Teil Kriegsfolgekosten finanzieren.
Der Kanzler sprach am 27. Februar hier von einer Zeitenwende. Nun, haushalterisch hat diese bereits 2020 stattgefunden; die Ausnahmesituation wird hier nun heute bereits im fünften Haushalt beschworen. Natürlich war der Krieg nicht vorhersehbar, aber haushalterisch wird er nun als Ausrede genutzt – genau wie seit 2020 Corona. Der Ausnahmezustand wird die Normalität sein; wir werden ab jetzt immer im Ausnahmezustand sein – dieses unglaubliche Zitat von Bundeskrankheitsminister Lauterbach gilt offenbar auch hier.
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Der vorgelegte Haushalt ist erneut verfassungsrechtlich bedenklich – wie schon vier Coronahaushalte zuvor. Vielleicht denkt die Bundesregierung, dass es irgendwann keiner mehr merkt, wenn man sich nur lange genug über das Grundgesetz hinwegsetzt. Eine außergewöhnliche Notlage liegt in Omikron-Zeiten nicht ansatzweise vor. Die mit dem Haushalt finanzierten Maßnahmen stehen vielfach nicht im Zusammenhang mit der behaupteten Coronanotlage, und erneut werden Kredite aufgenommen, anstatt die bestehende sehr große Asylrücklage aufzulösen.
Völlig verschollen ist übrigens die vor nicht einmal acht Wochen durch die Union ganz großspurig angekündigte Verfassungsklage gegen den Haushalt 2021.
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Am 27. Januar klang es bei der CDU/CSU – Herr Brehm, Herr Haase, Herr Middelberg, auch Herr Dobrindt, der eben gesprochen hat –: „verfassungswidrig“,
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„Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen“, „Unmittelbar nach Veröffentlichung … werden wir“ im Eilverfahren „Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen.“ – Das waren Zitate. Das war vor acht Wochen.
Bis heute wurde nichts von einer solchen Klage bekannt, obwohl die Union ganz alleine das Quorum für eine Normenkontrollklage hätte und obwohl sie sich nur unsere entsprechenden Anträge, die wir seit 2020 eingebracht haben, zu eigen machen müsste. Liebe Union, wenn Sie noch Unterstützung brauchen: Wir sind weiterhin gerne behilflich.
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Wir hoffen ja sehr, dass es sich bei Ihrer Klageankündigung nicht um eine reine Politshow gehandelt hat. Oder hat man in der Union vor dem Gang nach Karlsruhe noch gemerkt, dass man bei einer Klage faktisch gegen das eigene langjährige Vorgehen im angeblichen Coronanotzustand klagen würde? Ja, so holen einen eben die Sünden der Vergangenheit ein. Die einzige rechtsstaatliche Opposition ist auch im Haushalterischen nur die AfD.
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Die Haushaltsbegründung auch heute ist wiederum unehrlich. Die Bundeswehrmilliarden haben gar nichts mit dem Ukrainekrieg zu tun. Mit ihnen wird einfach nur der seit Jahren bestehende Investitionsstau aufgelöst.
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Es findet also derselbe Etikettenschwindel wie schon bei der Coronaneuverschuldung oder beim EU-Coronaprogramm „Next Generation EU“ statt. Über 1 Billion Euro wurde dort praktisch überall und für alles ausgegeben, nur nicht in Deutschland und auch nicht gegen Corona.
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Auch die Steigerungen der Energiekosten waren bereits lange vor dem Krieg im Markt. Schon im Januar lagen unsere Energieeinfuhrkosten um 144 Prozent höher als im Vorjahr. Strom war sogar um 212 Prozent teurer als 2021, was in erster Linie politikbedingt war; Stichwort „CO2-Abgaben“.
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Auch das sind keine Kriegsfolgen. Also erzählen Sie das nicht, wenn Sie den Ergänzungshaushalt vorlegen, Herr Minister Lindner! Die Teuerung hat uralte hausgemachte ideologische Ursachen: die Schulden, die EZB-Gelddruckerei, die CO2-Ideologie und eben die Coronamaßnahmen. Alles war schon vor dem Krieg da.
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Insgesamt wird der Bund zwischen 2020 und 2022 so viele Schulden aufnehmen wie in den 25 Jahren bis 2019 kumuliert zuvor, und die Regierung profitiert sogar indirekt von dieser Entschuldung durch Inflation und durch inflationsbedingte Steuermehreinnahmen.
Der Haushalt ist auch unzureichend in Bezug auf die von der FDP jahrelang angekündigten Entlastungen der Bürger. Wir finden einige homöopathische Erleichterungen: beim Arbeitnehmerpauschbetrag, beim Grundfreibetrag und bei der Anhebung der Entfernungspauschale, die jedoch nicht ansatzweise die Inflationsverluste ausgleichen werden. Herr Minister, Sie haben ja eben die Fünfjahreseinsparungen kumuliert aufgezählt.
Auch die sogenannte Abschaffung der EEG-Umlage – auch das haben wir eben gehört – ist lediglich eine Umschichtung von etwa 25 Milliarden Euro: heraus aus der Stromrechnung, hinein in den Bundeshaushalt. Das ist keine Entlastung der Bürger, sondern eine Umetikettierung und ein Verstecken dieser gewaltigen Position. Der Preis der Energiewende verschwindet aus der Stromrechnung, wo ihn jeder sehen kann; die Belastung jedoch bleibt. Wie war das bisher noch mit all den Transparenzforderungen, gerade der FDP?
Der Haushalt ist geradezu anachronistisch, weil er die Coronaausgaben nicht nur fortschreibt, sondern in Zeiten leerer Krankenhäuser und sehr leerer Intensivstationen skandalöserweise sogar noch erhöht: 27 Milliarden Euro an Coronamehrbelastungen gegenüber dem ersten Regierungsentwurf, erneut auf Pump und erneut in weiten Teilen nicht für medizinische Zwecke verwendet. Moderieren Sie endlich die Pandemie ab! Sämtliche Maßnahmen und alle damit zusammenhängenden Kosten für Impfungen oder Maskenbeschaffungen oder gar völlig absurde Impfserumseinkäufe bis 2029 müssen sofort enden.
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Im Ergebnis: Die Planwirtschaft über schuldenfinanzierte Staatsausgaben und eine dadurch immer höhere Staatsquote schreiten auch unter Ampelführung in Deutschland und in EUropa munter voran. Nur die Eurokritiker und Stabilitätspolitiker der AfD warnen seit vielen Jahrzehnten vor den Folgen des Gelddruckens und der Realitätsverweigerung auf allen Ebenen. Nun sind sie halt da.
Danke sehr.
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Sven-Christian Kindler hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute den ersten Haushaltsentwurf dieser neuen Regierung unter extremen Bedingungen. Wir sind mit mehreren Krisen gleichzeitig konfrontiert: Da ist die Klimakrise, die immer noch anhält und weiter eskaliert, es ist die Coronapandemie, die lange noch nicht vorbei ist, und das ist seit dem 24. Februar leider der schreckliche Angriffskrieg von Wladimir Putin gegen die Ukraine. Diese Krisen haben – darauf hat Dennis Rohde hingewiesen – auch massive Auswirkungen auf diesen Haushalt und auf kommende Haushalte. Wir als Koalition sagen sehr klar im Bundestag: Wir werden diese Herausforderungen angehen. Dafür wurden wir in den Deutschen Bundestag gewählt. Dafür stehen wir als Koalition zusammen. Wir nehmen diesen Auftrag für die Haushaltsberatungen an.
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Dieser Haushaltsentwurf ist eine gute Grundlage für die parlamentarischen Beratungen, die jetzt kommen. Viele wichtige Maßnahmen wurden hier verankert: beim Klimaschutz, bei energiepolitischen Maßnahmen, bei sozialen Maßnahmen, bei wirtschaftlichen Maßnahmen, Entlastungsmaßnahmen, die alle schon etatisiert sind. Natürlich ist es in dieser hochdynamischen Lage völlig klar, dass noch nicht alles in diesem Entwurf enthalten sein kann.
Übrigens, Herr Dobrindt: Das hat die Union im Haushaltsausschuss gar nicht kritisiert. Auch die Union hat zusammen mit der SPD für 2020 im laufenden Haushaltsverfahren noch einen Ergänzungshaushalt vorgelegt.
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Also: Das ist kein neues Verfahren; wir kennen es schon. Ich wünsche mir mehr Demut von der Union, wenn es um Verfahrensfragen zum Haushalt geht.
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In diesen bitteren Zeiten, wo wir mehrere Krisen gleichzeitig erleben, ist es zentral, dass der Staat die Menschen mit den Folgen dieser Krisen nicht alleinlässt. Die Zeiten, in denen sich Regierungen in Krisen zurücklehnen und hoffen, dass irgendwie alles vorbeigeht, sind vorbei. Das Prinzip „Too little, too late“ hat ausgesorgt. Dadurch wurden Krisen verschärft und größer gemacht. Was wir jetzt brauchen, ist aktives staatliches Handeln in Krisen. Wir lassen die Menschen in Deutschland und in Europa mit diesen Folgen nicht allein, und es wird auch nicht am Geld scheitern.
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Klar ist auch: Wir müssen jetzt energiepolitisch deutlich vorankommen. „Zeitenwende“ heißt für uns auch: Wir müssen deutlich unabhängiger werden von Gas, Öl und Kohle. Wir haben eine riesige Aufgabe vor uns, und wir sagen sehr klar: Nationale Sicherheit ist auch Energiesicherheit. Wir haben in diesem Haushalt jetzt zentrale öffentliche Investitionen festgeschrieben. Wenn man sich den gesamten Haushalt anguckt – den öffentlichen Haushalt, also den Kernhaushalt, plus die Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ und „Energie- und Klimafonds“ –, dann kommen wir auf 74 Milliarden Euro für öffentliche Investitionen insgesamt. Das ist ein Rekordwert. Ein großer Teil davon sind Klimaschutzinvestitionen und Investitionen für die Transformation. Deswegen sagen wir sehr deutlich: Wir können jetzt nicht stehen bleiben. Wir haben jetzt zwar diesen Haushaltsentwurf, aber wir müssen natürlich auf die neue Situation durch den Krieg in der Ukraine reagieren. Energieeffizienz, erneuerbare Energien, grüner Wasserstoff – all das ist in den nächsten Jahren notwendig, um uns unabhängiger und um es sicherer zu machen und um mehr Klimaschutz für die nachfolgenden Generationen zu gewährleisten.
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Klar ist auch: Wir werden die Folgen für die Menschen in Deutschland aufgrund von Preissteigerungen bei fossilen Brennstoffen und bei Lebensmitteln auch finanzpolitisch bewältigen und sozialpolitisch abfedern müssen. Diese Koalition hat ein erstes Entlastungspaket auf den Weg gebracht, in dem zum Beispiel der Heizkostenzuschuss und der Sofortzuschlag für Kinder enthalten sind, und ich erwarte, dass wir als Koalition zeitnah ein zweites Entlastungspaket beschließen werden.
Für unsere Fraktion ist klar: Wir wollen erstens, dass dieses Paket sozial gerecht ist und dass vor allen Dingen die Menschen mit keinem, kleinem oder mittlerem Einkommen davon profitieren und nicht primär Besserverdienende. Wir wollen zweitens, dass es Anreize gibt für Energieeffizienz und Energieeinsparung. Drittens muss es zielgerichtet sein. Es muss bei den Menschen ankommen, die es jetzt wirklich brauchen. Es darf am Ende auch nicht die Renditen von Mineralölkonzernen erhöhen.
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Ich wundere mich schon etwas über die finanzpolitische Solidität der Union. Einerseits erteilen Sie neuen Krediten eine harte Absage, gleichzeitig fordern Sie dauerhafte Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Herr Dobrindt, ich sehe Sie gar nicht mehr. Sie sind schon gar nicht mehr da. Das ist irgendwie auch nicht nett.
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Herr Dobrindt, ich wollte Sie eigentlich ansprechen; denn Sie haben gesagt, dass Sie eine Mehrwertsteuersenkung bei den Spritpreisen fordern, die sogenannte Spritpreisbremse. Um es hier noch mal sehr klar zu sagen: Das ist europarechtswidrig.
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Eine Bundesregierung darf nicht das Europarecht brechen. Ich weiß, dass Sie das in der Vergangenheit als CSU anders gemacht haben; ich erinnere an die Maut und das Mautdebakel der CSU.
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Aber diese Regierung wird bei dieser Frage nicht das Europarecht brechen.
Ich will auch einmal daran erinnern, dass es 16 Jahre lang Verteidigungsministerinnen und ‑minister von der Union waren, von CDU und CSU, die dafür gesorgt haben, dass die Bundeswehr in dem Zustand ist, in dem jetzt sie ist.
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Jetzt gibt es einen klaren Vorschlag des Kabinetts zu einem Sondervermögen für die Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit. Wir haben auch sehr klar gesagt: Das ist ein Vermögen, das wichtigen Investitionsvorhaben der Bundeswehr dient. Aber wir wollen auch, dass es effizient eingesetzt wird. Dafür brauchen wir ein hartes Controlling und eine Strukturreform, damit das Geld wirksam eingesetzt und nicht weiter verbrannt wird.
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Außerdem gibt es auch den Begriff der vernetzten Sicherheit, den diese Bundesregierung entwickelt hat und weiterentwickeln wird. Zivile Krisenprävention, die Frage von Cybersicherheit auch im Inland, zivile Verteidigung – das sind alles zentrale Sicherheitsbereiche, die wir konkret finanzieren müssen. Wir haben einen erweiterten Sicherheitsbegriff und keinen altmodischen Sicherheitsbegriff wie die Union.
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Wir werden sehr arbeitsreiche Haushaltsverhandlungen haben über den Ergänzungshaushalt mit dem Sondervermögen. Wir werden hier im Bundestag und mit der Regierung sehr intensiv gemeinsam beraten. Ich freue mich auf die Verhandlungen.
Vielen Dank.
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Aus gegebenem Anlass weise ich zwischendurch noch einmal darauf hin, dass die Allgemeinverfügung der Präsidentin vorsieht, dass die Masken aufbehalten werden, es sei denn, man ist hier am Redepult oder am Mikrofon oder ist gerade amtierende Präsidentin. Das sage ich aus Gründen. Und ich sage auch aus Gründen, dass damit die Bedeckung von Mund und Nase gemeint ist. Es wird nicht besser dadurch, dass man nur die Nase bedeckt und dann den Mund offen lässt. Ich werde die Kollegin, die das so handhabt, nicht persönlich ansprechen, damit ihr Name nicht schon wieder im Protokoll erscheint. Aber sie weiß sicher, wer gemeint ist. – Herzlichen Dank.
Ich gebe das Wort der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für Die Linke.
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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die klare Position meiner Fraktion ist: Der Krieg gegen die Menschen in der Ukraine muss sofort beendet werden.
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Es braucht einen sofortigen Waffenstillstand, und Putin muss die russische Armee abziehen, und zwar sofort, meine Damen und Herren.
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Der Krieg in der unmittelbaren Nachbarschaft macht vielen Menschen in unserem Land Angst. Hinzu kommen explodierende Strompreise, Klimakrise, Wohnungsnot und wachsende Altersarmut. Und auf all diese Probleme gibt die Bundesregierung mit diesem Haushalt keine Antwort, und das ist falsch, meine Damen und Herren.
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Für die Bundesregierung ist die Aufrüstung der Bundeswehr – die Aufrüstung! – das wichtigste Thema in den kommenden vier Jahren. Kanzler Scholz will ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro auflegen und zur Chefsache machen. Das neue Wettrüsten soll ins Grundgesetz und damit Verfassungsrang bekommen. Dieser neuen Rüstungsspirale wird meine Fraktion niemals zustimmen, meine Damen und Herren.
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Soziale und ökologische Fragen treten in den Hintergrund. Kindergrundsicherung, Bürgergeld, ausreichende Intensivbetten in den Krankenhäusern, mehr Pflegekräfte, bessere Bildungschancen für unsere Kinder sind in ferne Zukunft gerückt, und das ist fatal.
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Auch die Klimakrise und die Menschenrechte sind nur noch ein lästiges Randproblem, wenn der Wirtschaftsminister bei Oligarchen in Katar Gas einkaufen geht. Vor Kurzem haben die Grünen noch gefordert, die Fußballweltmeisterschaft wegen der Menschenrechtsverletzungen in Katar abzusagen. Jetzt ist es nur noch ein Land mit Eigenheiten. So geht das nicht, meine Kolleginnen und Kollegen.
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Alle Krisen treffen arme Menschen besonders brutal. Aber auch die Mittelschicht leidet unter den zunehmenden Lasten.
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Wir brauchen daher eine schnelle Finanzierung all der Menschen, die eben nicht zu den wenigen Oligarchen in unserer Gesellschaft gehören, aber der Finanzminister Lindner verteidigt starrsinnig die ökonomisch unsinnige Schuldenbremse. Nur für das Wettrüsten soll die Schuldenbremse nicht gelten, da wird der Turbo eingeschaltet, und das ist fatal.
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Die Schuldenbremse soll nur in sozialen und ökologischen Bereichen gelten. Das heißt im Klartext: Kürzungen in der Sozialpolitik. Das ist der falsche Weg.
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Meine Damen und Herren, Marcel Fratzscher, der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat festgestellt: Es gibt kein Land, in dem Arbeit so hoch und Vermögen so niedrig besteuert wird wie in Deutschland. – Das wollen wir ändern. Milliardäre, Krisen- und Kriegsgewinnler müssen endlich zur Kasse gebeten werden.
Herzlichen Dank.
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Christoph Meyer hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor fast genau zwei Jahren hat der Bundestag hier den ersten Nachtragshaushalt als Reaktion auf die Coronapandemie beschlossen. Es wurden vier Nachträge mit einer Neuverschuldung des Bundes in Höhe von 345 Milliarden Euro, und ich bin froh, dass Christian Lindner mit dem jetzt vorliegenden Regierungsentwurf den letzten Pandemiehaushalt vorlegt.
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In den letzten zwei Jahren war ziemlich alles die Ausnahme, nicht die Norm. Die Norm ist finanzpolitische Stabilität. Nur sie hat uns in die Lage versetzt, die finanziellen Herausforderungen in der Pandemie und auch die jetzt vor uns liegenden zu schultern.
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Es ist, glaube ich, auch klar, dass der Regierungsentwurf nur ein Abbild des Zustands vor dem Ukrainekrieg sein kann. Die Lage in Europa hat sich ein weiteres Mal dramatisch geändert, und es ist daher richtig, dass ein Ergänzungshaushalt vorgelegt wird. Mein Kollege Sven-Christian Kindler hat zu Recht darauf hingewiesen, dass doch klar ist, dass dieser Ergänzungshaushalt erst in den nächsten Wochen mit Leben gefüllt werden kann. Und zur Demut, Herr Dobrindt, würde auch dazugehören, dass Sie vor der Menge der Herausforderungen, vor der wir stehen, akzeptieren würden – vielleicht auch eingestehen würden –, dass dieser Ergänzungshaushalt nicht gleichzeitig mit dem ersten Regierungsentwurf hier vorgelegt werden kann, sondern dass es ein bisschen länger dauern kann.
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Das wäre seriöse Opposition – nicht der Klamauk, den Sie hier gemacht haben.
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Mit Blick auf den Regierungsentwurf können wir festhalten, dass die von der Vorgängerregierung geplante Nettokreditaufnahme in Höhe von 99,7 Milliarden Euro gehalten wurde, und zwar trotz 25 Milliarden Euro an Mehrausgaben für die Bekämpfung der Coronapandemie.
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Es ist das Verdienst des Bundesfinanzministers, auf die strikte Ausgabendisziplin hier beharrt und das auch in der mittelfristigen Finanzplanung so durchgehalten zu haben.
All dies gelingt – auch darauf hat Christian Lindner hingewiesen –, obwohl wir umfangreiche Mittel zur Verfügung stellen, um die Aufgaben, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, umzusetzen und anzuschieben. Wir werden mit dem Energie- und Klimafonds – zukünftig: Klima- und Transformationsfonds – 200 Milliarden Euro bereitstellen, um bis 2026 die richtige Schwerpunktsetzung zu ermöglichen.
Wir werden in den Haushaltsberatungen auch über das Sondervermögen zur Ertüchtigung der Bundeswehr sprechen. Herr Dobrindt, Sie erinnern sich an die Regierungserklärung; so haben Sie es formuliert. Ich erinnere mich daran, wie euphorisch Sie geklatscht haben, als der Bundeskanzler die 2-Prozent-Quote als zukünftiges Ziel ausgewiesen hat. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass Sie von dieser Euphorie ziemlich weit weg sind. Das Hin und Her, das Sie formulieren, wirkt offensichtlich so, als ob Sie eher einen Grund suchen, warum Sie diese 100 Milliarden Euro Sondervermögen nicht mittragen wollen.
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Dabei haben Sie die Truppe im Regen stehen lassen, dabei haben Sie sie in den letzten 16 Jahren kaputtgespart, und zwar Sie, Herr Dobrindt, maßgeblich in federführender Verantwortung.
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– Ja, und Sie auch, Herr Dobrindt. Wenn Sie in den letzten Wochen die Wahrheit formuliert haben, wenn das, was Sie von der Union in den letzten Jahren formuliert haben, zutreffend war, werden auch Sie diesem Sondervermögen zustimmen müssen, wenn Sie einen Rest an Glaubwürdigkeit als Oppositionsfraktion haben wollen.
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Der Krieg in Europa, die veränderte Sicherheitslage und die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft werden die Handlungsspielräume – auch das gehört dazu – weiter begrenzen. Steuererhöhungen hat unsere Koalition ausgeschlossen. Die Schuldenbremse versperrt richtigerweise die Aufnahme von übermäßigen Schulden. Vor diesem Hintergrund ist die Maßgabe des Koalitionsvertrages, Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen – und zwar in den nächsten Jahren, nicht im Jahr 2022 –, genau der richtige Weg. Nur durch Priorisierung von Ausgaben werden wir uns Handlungsspielräume erweitern können,
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und dies ist umso wichtiger, da parallel die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft durch den Ukrainekrieg herausgefordert wird.
Wir werden Wachstumsimpulse schaffen müssen – auch darauf hat der Bundesfinanzminister hingewiesen –, und wir müssen vor allem darauf hinwirken – auch das ist im Koalitionsvertrag bereits angelegt –, dass privates Kapital Zukunftsinvestitionen sichert, und zwar als Ergänzung zu den 200 Milliarden Euro, die wir staatlicherseits zur Verfügung stellen.
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Handlungsspielräume von Wirtschaft und Gesellschaft angesichts der finanziellen Auswirkungen des Krieges sicherzustellen, ist die Aufgabe der Stunde. Es wurde bereits viel darüber geredet. Wir haben ein erstes Entlastungspaket auf den Weg gebracht. Wir werden über den Ergänzungshaushalt ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg bringen. Uns ist wichtig, dass dieses Entlastungspaket schnell und zielgerichtet wirkt und nicht erst nach Monaten bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.
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Solide Finanzen und Wettbewerbsfähigkeit sind die Grundvoraussetzung für die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Krisenzeiten; das ist oft betont worden. Dieser Haushalt schafft dafür genau die richtige Grundlage. Er ist schon sehr gut.
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Wir werden ihn in den Beratungen sicherlich noch ein wenig besser machen. Ich freue mich darauf in den nächsten Wochen und danke für die Aufmerksamkeit.
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Der Kollege Christian Haase spricht jetzt zu uns für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünschte, ich hätte nicht recht gehabt. Ich wünschte, ich hätte mich geirrt. Bei der ersten Lesung zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 am 16. Dezember habe ich hier an dieser Stelle gesagt: Dieser Nachtragshaushalt ist der „Anfang vom Ende der Schuldenbremse“. Ich wünschte, es wäre anders gekommen.
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Für unser Land, für die nachfolgenden Generationen, für die Stabilität der Europäischen Union wäre eine solide und ehrliche deutsche Finanzpolitik unglaublich wichtig gewesen. Leider ist das nicht der Fall.
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Vor unser aller Augen erleben wir gerade das Ende der Schuldenbremse. Mit jedem erdenklichen Trick versucht die Bundesregierung, die Schuldenregeln zu umgehen. Wer dachte, ein Nachtragshaushalt für ein abgelaufenes Haushaltsjahr und die rückwirkende Buchungsänderung für Sondervermögen wären schon das Ende der Fahnenstange, lag leider falsch. Was das Bundeskabinett am letzten Mittwoch beschlossen hat, setzt dem Ganzen die Krone auf.
Erstens. Es gibt das 100 Milliarden Euro teure „Sondervermögen Bundeswehr“. Wenigstens ist man ehrlich und verbindet die Umgehung der Schuldenbremse mit einer Grundgesetzänderung.
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Abseits von sicherheitspolitischen Fragen ist es finanzverfassungs- und europarechtlich natürlich eine Herausforderung, wenn Mittel in Höhe eines Viertels eines normalen Gesamthaushaltes bei der Berechnung der zulässigen Neuverschuldung ausgeklammert werden. Wenn man meint, damit die Blaupause für ähnliche Aktionen zu schaffen, kann ich nur sagen: Nicht mit uns!
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Ja, wir müssen die Einsatzfähigkeit und ‑bereitschaft der Bundeswehr verbessern. Ich danke dem Kanzler für seine Kehrtwende und für die klaren Vorgaben für die Ampel, nachdem er das in den letzten Jahren als Finanzminister noch erfolgreich verlangsamt hat; es ist also vor allem für seine Partei eine Zeitwende. Meine Damen und Herren, wenn wir hier jetzt einen gemeinsamen Nenner haben, dann muss auch klar sein, dass das Geld ausschließlich für die Bundeswehr verwendet wird.
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Wenn auf das Sondervermögen nun alle möglichen Ressorts, vom Auswärtigen Amt über das Innenministerium, zugreifen, weil jeder Teil der Ampel etwas vom Geld haben will, dann hat das weder etwas mit der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu tun noch mit dem Sinn eines Sondervermögens. In das Sondervermögen gehören die großen überjährigen Rüstungsprojekte, und alles andere gehört zur Wahrung des Budgetrechts des Parlaments in den normalen Haushalt.
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Zweitens. Finanzminister Christian Lindner musste bereits vor dem Kabinettsbeschluss einen Ergänzungshaushalt ankündigen; ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik.
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So werden im Regierungsentwurf viele Positionen falsch oder sogar gar nicht veranschlagt: angefangen bei zu hoch geschätzten Steuereinnahmen über zu optimistische Arbeitsmarktzahlen bis hin zu fehlenden Ansätzen für das zweite Energieentlastungspaket.
Möchten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Fricke zulassen?
Nein, er redet anschließend. – Dieser Haushalt zerplatzt so schnell wie eine Seifenblase. Zugegeben: Der Angriff Putins war nicht zu erwarten. Aber entweder liegt der Ergänzungshaushalt bis spätestens Anfang April vor, und wir können darüber sachgerecht diskutieren, oder man legt im Sommer einen Nachtragshaushalt vor. Alles andere konterkariert die Rechte des Parlaments.
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Drittens. In diesem Haushaltsentwurf findet sich eine Vielzahl von weiteren bedenklichen Manövern. Einziges Ziel: jeden erdenklichen Spielraum ausreizen. Die Tilgung der Coronaschulden verschiebt sich klammheimlich von 2023 auf 2028 und wird von 20 auf 31 Jahre verlängert. Anstatt bei ideologisch motivierten Projekten zu kürzen, wird lieber bei der Rente gespart. Eine halbe Milliarde Euro für die Rentenversicherung sind kurzerhand entfallen.
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Viele Ansätze, beispielsweise für Kindergeld oder die geplanten Superabschreibungen, sind viel zu niedrig. Beim Arbeitslosengeld II und bei den Kosten der Unterkunft will die Regierung über 4 Milliarden Euro sparen; das ist völlig unrealistisch. Die coronabedingte milliardenschwere Schieflage der gesetzlichen Krankenversicherung wird komplett ignoriert.
Statt mehr Haushaltswahrheit zu wagen, verschleiert, täuscht und trickst die Ampelregierung, wo es nur geht. Und warum, meine Damen und Herren? Weil Geld der einzige Kitt ist, der diese Koalition zusammenhält.
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Wo immer ein Problem auftaucht, soll es mit Geld zugeschüttet werden, bis es nicht mehr zu sehen ist. Aber ich bin ehrlich: Da haben wir den vergangenen Wahlperioden auch nicht immer stringent gehandelt.
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Aber die Haushaltssituation war damals eine völlig andere. Wir haben Überschüsse gemacht und in eine Rücklage stecken können. Diese solide Finanzpolitik hat es uns ermöglicht, dass wir in der Krise die Volkswirtschaft massiv stützen konnten. Ja, wir befinden uns in einer Zeitenwende; so hat es Bundeskanzler Scholz richtigerweise gesagt. Diese Zeitenwende gilt aber auch für die Haushaltspolitik, liebe Ampelkoalitionäre. Die Zeit der Spielräume ist vorbei. Jetzt muss man sich ehrlich machen, Prioritäten setzen und das föderale Finanzgefüge wieder in Ordnung bringen.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation kann Bundesfinanzminister Christian Lindner einem wirklich leidtun. Wir alle kennen ihn als überzeugten Ordnungspolitiker. Ich kann mir vorstellen, dass er lieber die kleinen finanziellen Spielräume nutzen würde, um die Mitte der Gesellschaft zu entlasten, um in Zeiten von Krieg und Pandemie die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren und um in Zeiten der Inflation die kalte Progression zu bekämpfen. All das wäre wirtschaftlich sinnvoll, und er hätte die Unionsfraktion an seiner Seite.
Stattdessen muss Herr Lindner in einen sauren grünen oder roten Apfel nach dem anderen beißen. Bei seinen Reden hier an diesem Pult merkt man, wie schwer es ihm fällt, diese Ampelpolitik zu verkaufen.
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Ganz ehrlich, Herr Finanzminister: Ich leide mit Ihnen.
Als bekannt wurde, dass die FDP und nicht die Grünen das Bundesfinanzministerium erhalten, da war ich erleichtert. Immerhin würde nun ein kühner Verteidiger der Schuldenbremse das ehrwürdige Ministerium leiten – dachte ich. Stattdessen wird sich die Neuverschuldung in diesem Jahr auf ein neues Rekordhoch addieren. Da sind die 100 Milliarden im Sondervermögen, 100 Milliarden im jetzt eingebrachten Haushalt, und dazu kommen, ich schätze mal, 50 Milliarden mit dem Ergänzungshaushalt. 250 Milliarden Euro – ein neuer Schuldenrekord.
Herr Lindner weiß es wahrscheinlich viel besser als die meisten anderen hier im Haus: Jetzt wäre eigentlich umfassende Aufgabenkritik angezeigt. Gerade das war ja immer ein Kernanliegen der Freien Demokraten; aber davon hören wir nichts mehr. Man müsste knallhart priorisieren und angesichts von Pandemie, Krieg und Inflation ideologische Projekte nach hinten stellen. Es ist ja gut, wenn der Wirtschaftsminister das macht und nach Katar fährt. Aber Verhandlungen mit Katar – das hätte ich erwartet – sollten bitte auf Augenhöhe geführt werden und nicht mit einem Bückling.
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Lieber Herr Finanzminister, die SPD-Linke und der Kollege Kindler haben die Schuldenbremse bereits für 2023 abgeschrieben. Ich kann Ihnen nur sagen: Bleiben Sie standhaft! Die Unionsfraktion wird an Ihrer Seite stehen.
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Denn Sie haben ja recht mit Ihrer Ansage: Die Schuldenbremse ist keine Frage des politischen Willens, sondern eine Frage der Verfassung. – Nur sollte man nicht versuchen, die Schuldenbremse mit immer neuen Sondervermögen zu umgehen.
Lieber Herr Finanzminister, ich weiß, wie gerne Sie sagen würden: Lieber nicht regieren, als so falsch regieren wie jetzt.
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Der nächste Redner ist für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Thorsten Rudolph.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Haushalt sind nicht nur Zahlen. Ein Haushalt ist immer auch ein Blick in die Zukunft und manchmal auch ein Blick tief in die Vergangenheit.
Ich möchte mit einem Thema beginnen, das einem das Herz immer wieder schwer werden lässt und an das uns der Tod von Boris Romantschenko auch wieder erinnert hat: die Wiedergutmachung für die Opfer nationalsozialistischen Unrechts. Dieses Thema steht ganz am Anfang des Einzelplans 08, aber auch ganz am Anfang der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Ich selbst war als Abteilungsleiter im rheinland-pfälzischen Finanzministerium eine Zeit lang für die Wiedergutmachung zuständig. Ich war seinerzeit in Saarburg im Amt für Wiedergutmachung und habe mir dort die Akten zeigen lassen. Die Geschichten der Opfer, die sich in diesen Akten finden, sind erschütternd. Es wird einem dort aber auch sehr schnell eine besondere Ambivalenz bewusst: Einerseits ist die Wiedergutmachung einer der historisch seltenen Versuche, sich dem eigenen Unrecht zu stellen. Andererseits ist allein schon das Wort „Wiedergutmachung“ natürlich grundfalsch. Es gibt keine Wiedergutmachung. Das wird einem dann ganz besonders bewusst, wenn man diese Akten liest und erfährt, wie deutsche Verwaltungsbeamte, die noch kurz zuvor oft selbst zu den Tätern gehörten, dann in diesen Entschädigungsverfahren mit den Opfern umgegangen sind und sie nicht selten ein zweites Mal zu Opfern gemacht haben. Meine Damen und Herren, es ist genau diese Ambivalenz, die in die Gründungsjahre der Bundesrepublik Deutschland eingeschrieben ist.
Rheinland-Pfalz hat dabei übrigens die Sonderzuständigkeit für alle außereuropäischen Fälle, also auch für die Opfer, die beispielsweise in Israel und den USA wohnen. Das ist auch der Grund dafür, dass Rheinland-Pfalz seit den 50er-Jahren etwa ein Drittel aller Entschädigungsfälle bearbeitet hat. Das sind insgesamt rund 1 Million Akten. Saarburg ist damit international für viele Opfer eine Art Synonym für Wiedergutmachung geworden.
Wir alle wissen auch, dass die letzten hochbetagten Zeitzeugen jetzt nach und nach sterben. Aber das heißt nicht – das möchte ich ausdrücklich hier im Deutschen Bundestag von diesem Pult aus sagen –, dass die Aufgabe der Wiedergutmachung damit in irgendeiner Form erledigt wäre.
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Ich bin deshalb überaus dankbar, dass das Bundesfinanzministerium unter dem damaligen Minister Olaf Scholz ein großes Projekt, „Transformation der Wiedergutmachung“, gestartet und auch mit entsprechenden Haushaltsmitteln unterlegt hat. Es gab bereits ein großes internationales Symposium. Es wurde auch bereits beschlossen, alle Wiedergutmachungsakten zu digitalisieren.
Ich begrüße es außerordentlich, dass im aktuellen Haushaltsentwurf wieder rund 30 Millionen Euro für die Folgeaufgaben der Wiedergutmachung vorgesehen sind und zusätzlich Verpflichtungsermächtigungen von rund 50 Millionen Euro. Ich bin aber zugleich auch davon überzeugt, dass die Digitalisierung dieser Akten nicht ausreicht. Wir sollten – ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesen Vorschlag ernsthaft prüfen würden, Herr Minister – auch einen physischen Ort anbieten, an dem die Originalakten einsehbar sind, für die Nachfahren der Opfer, für die Wissenschaft und für die Öffentlichkeit. Wir sollten ein solches Forschungs- und Dokumentationszentrum für die Geschichte der Wiedergutmachung einrichten.
Ich bin überzeugt, dass Saarburg dieser Ort sein könnte. Wir sollten dies im Übrigen als Bundesrepublik Deutschland auch für uns selbst tun, wenn wir Rechenschaft darüber ablegen wollen, wer wir sind und wer wir sein wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe zu Beginn gesagt, dass der Haushalt auch immer ein Blick in die Zukunft ist. Insofern gibt es in diesem Jahr natürlich eine Besonderheit, weil gerade auch das bemerkenswert ist, was nicht im Haushalt steht.
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Ich halte es im vollen Bewusstsein unserer schrecklichen Geschichte für richtig und wichtig, dass wir in Anbetracht von Putins brutalem und menschenverachtendem Angriffskrieg 100 Milliarden Euro in einem Sondervermögen bereitstellen, um die Landes- und Bündnisverteidigungsfähigkeit jetzt schnell zu stärken und unsere Zusagen gegenüber der NATO finanziell zu unterlegen.
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Mir sind aber vor allem zwei Dinge wichtig:
Erstens. Dieses Sondervermögen stellt sicher, dass wir die 100 Milliarden Euro nicht über den Kernhaushalt bereitstellen. Denn das würde bedeuten, dass wir unter Geltung der Schuldenbremse an anderen Stellen im Haushalt genauso massive Kürzungen vornehmen müssten.
Zweitens. Der Parlamentsvorbehalt wird umfassend gewahrt. Es gibt hier keinen Alleingang der Exekutive. Denn sowohl der Wirtschaftsplan des Sondervermögens als auch jede einzelne Beschaffung über 25 Millionen Euro müssen selbstverständlich vom Haushaltsausschuss genehmigt werden.
Neben diesem Schwerpunkt Sicherheit ist aber genauso bemerkenswert, was tatsächlich im Haushalt steht. Sicherheit im Wandel heißt eben auch, dass die Koalition mit diesem Haushalt ihren äußerst ambitionierten Koalitionsvertrag mit Leben erfüllt. Dieser Haushalt ist ein Haushalt der Zukunftsinvestitionen. Dieser Haushalt wagt mehr Fortschritt.
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Der Kernhaushalt alleine sieht Investitionen in Höhe von rund 51 Milliarden Euro vor. Nur zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren es nicht einmal 39 Milliarden Euro.
Dieser Bundeshaushalt 2022 mitsamt der Finanzplanung bis 2026 bedeutet: mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau, mehr Investitionen in Bildung und Forschung, mehr Investitionen in Verkehr und Digitalisierung.
Zusätzlich zu diesen Investitionen im Kernhaushalt wird auch der Energie- und Klimafonds erheblich besser ausgestattet. Er wächst bis 2026 um rund 90 Milliarden Euro auf dann über 200 Milliarden Euro. Das bedeutet: massive Investitionen in die Gebäudesanierung, in die Elektromobilität und in den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur.
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All diese Investitionen dienen dazu, dass uns die große Transformation gelingt, dass wir die gewaltigen Herausforderungen aus Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie meistern, und das inmitten eines Umfelds, das geprägt ist von einer globalen Pandemie und einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, der die europäische Nachkriegsordnung zerstört hat.
Deshalb sind diese beiden Punkte, der Sicherheit und der Zukunftsinvestitionen, so eminent wichtig und richtig. Genau deshalb ist dieser erste Haushalt der Ampelkoalition klug, verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert. Mit einem Wort: Die Bürger/-innen wissen, was sie bei dieser Bundesregierung und den sie tragenden Parteien erwartet: mit Sicherheit Fortschritt.
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Kay Gottschalk spricht jetzt für die AfD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen: 445,6 Milliarden Euro. Nein, das ist nicht die Summe des Bundeshaushalts – man könnte das vermuten –, das ist allein die Summe der Kreditaufnahmen für die Jahre 2020, 2021 und 2022. Dazu kommen noch einmal 43,6 Milliarden Euro für die Jahre 2023 bis 2026. Wir reden hier also von knapp 490 Milliarden Euro, also einem Fünftel der öffentlichen Staatsverschuldung, einem Drittel der Bundesschulden, die hier innerhalb von nur sechs Jahren – daran sind Sie auch beteiligt, meine Damen und Herren der CDU/CSU – auflaufen. Das ist eine Bankrotterklärung der deutschen Finanzpolitik. Eurorettungspolitik, Südländerrettung, EZB-Staatsschulden, Target2-Saldo, Inflation – nun kommen wir zum Endpunkt dieser Weichwährung genannt Euro. Ihre Aufhäufung von Staatsschulden ist aus unserer Sicht verfassungswidrig, und Sie sind da genauso mitbeteiligt, meine Damen und Herren von der CDU/CSU.
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Herr Lindner, Ihr Bekenntnis zur Rückkehr zur schwarzen Null klingt da wie blanke Blasphemie. Sie haben den Ausnahmezustand zum Regelfall der Finanz- und Haushaltspolitik erklärt, meine Damen und Herren.
Wollen Sie wissen – wenn Sie denen überhaupt noch zuhören –, was der Bund der Steuerzahler als Ursache für die Entstehung von Schulden sieht? Nicht etwa die Konjunktur oder Krisen, sondern die gewählten Politiker in den Parlamenten, die über die Einnahmen und Ausgaben des Staates entscheiden, also Sie, werte Kolleginnen und Kollegen der die Regierung tragenden Fraktionen, auch der Regierung der 16 Jahre davor. Kein Corona, kein Krieg ist Ursache für diesen desolaten Zustand unseres Landes, meine Damen und Herren.
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Corona und Krieg sind gewiss Treiber, vielleicht auch Beschleuniger oder Brennglas; aber letztlich fördern sie nur viel schneller das zutage, was Sie in diesem Land in den letzten 16 Jahren an Missmanagement betrieben haben. Ich erinnere an dieser Stelle noch mal an den aus meiner Sicht verfassungswidrigen Nachtragshaushalt – mein Kollege Boehringer hat das auch getan –, in dem Kreditermächtigungen für Corona in Höhe von 60 Milliarden Euro mal so mir nichts, dir nichts für grüne Projekte und wahrscheinlich zur Wahrung Ihres Koalitionsfriedens umetikettiert worden sind – Dinge, die die FDP-Fraktion in Baden-Württemberg sogar mit Verfassungsklage belegt hat. So glaubwürdig sind Sie noch, Herr Lindner: Sie sind ein Zwerg der Glaubwürdigkeit geworden.
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Reiner Holznagel, den ich hier mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere, bringt es auf den Punkt:
Allgemein sehe ich den Trend, dass starke Meinungen immer häufiger eine sachgerechte Politik aushebeln. Dabei spielen Lenkungs- und Umverteilungsambitionen
– meine Damen und Herren von dieser Koalition –
eine so große Rolle, dass marktwirtschaftliche Grundprinzipien, Ordnungspolitik und systemkonforme Reformen fast schon verpönt werden.
Meine Damen und Herren, ich füge hinzu: Sie haben schon längst Moral über das Recht gestellt, und das bedeutet Rechtsbruch ohne Ende und, am Ende des Tages, das Ende des Rechtsstaates. Wir als AfD sind die einzige Partei, die für diese Verfassung und den Rechtsstaat noch eintritt.
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– Ja, durch Ihr politisch instrumentalisiertes Organ, Herr Kollege; dazu kommen wir gleich noch. Eigentlich müssten Sie vom Verfassungsschutz beobachtet werden, was Ihre Haushaltsqualität angeht.
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Willkommen also im grünen Sozialismus!
Und die FDP: Herr Lindner, Sie machen sich zum Steigbügelhalter – diesen Ausdruck kann man hier gebrauchen; Sie verdienen es – für unsolide Staatsfinanzierung. Mit Ihren grünen Fantastereien erschaffen Sie immer mehr eine Gefahr für unseren Wohlstand; denn durch immer höhere Steuern, gerade bei der Energie, feuern Sie die Inflation weiter an. Wir stehen jetzt wahrlich vor den faulen Früchten, meine Damen und Herren, die Sie in verschiedenen Kombinationen, auch unter Frau Merkel, zu züchten anfingen und die durch die aktuelle Regierung weitergetragen werden. Die deutsche Verteidigungspolitik ist ein Desaster; ob da 100 Milliarden Euro helfen, bleibt abzuwarten. Der Energiemarkt in Deutschland ist ruiniert – ich spreche gar nicht von der Versorgungssicherheit. Mit dem Euro haben wir eine ruinierte Weichwährung, die die Stabilität der deutschen D‑Mark vergessen lässt.
Herr Kollege, –
Allein im September sind bei Sparguthaben 8,9 Milliarden Euro –
– Sie kommen zum Schluss, bitte.
– durch Inflation aufgefressen worden. Das sind auch Opfer Ihrer Politik, meine Damen und Herren.
Herr Kollege, Sie kommen zum Schluss, bitte.
Ich komme zum Schluss. – Insoweit ist dieser Haushalt aus Sicht meiner Fraktion ein Offenbarungseid.
Herr Kollege.
Das werden wir nicht mittragen.
Vielen Dank.
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Lisa Paus hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, der vorliegende Haushalt kann sich wirklich sehen lassen.
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Es ist der erste der Ampelregierung. Er unterscheidet sich im Volumen nicht von dem der Vorgängerregierung; aber jetzt ist ein anderer Inhalt drin, meine Damen und Herren. Dieser Haushalt trägt bereits die Ampelhandschrift.
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Besonders wichtig: Über 200 Milliarden Euro für Klimaschutz und Transformation wird es in den kommenden fünf Jahren geben und ein erstes umfangreiches Entlastungspaket von mehr als 16 Milliarden Euro; darin enthalten allein für dieses Jahr der Einstieg in die Kindergrundsicherung, ein Kindersofortzuschlag von 20 Euro pro Kind und Monat für die Ärmsten unserer Gesellschaft,
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ein Heizkostenzuschuss von 270 Euro, ein Einmalzuschlag zur Grundsicherung von 100 Euro, die Abschaffung der EEG-Umlage zur Senkung der Stromkosten,
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eine Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrags um 363 Euro schon in diesem Jahr, die Verlängerung der Homeoffice-Pauschale bis zum Ende dieses Jahres und die Anhebung des Arbeitsnehmerpauschbetrags um 200 Euro und eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen. Ich finde, für den Einstieg ist es wirklich gut darstellbar.
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Wir erleben heute den 27. Tag dieses furchtbaren Angriffskrieges von Putin auf die Ukraine. Dieser Krieg findet nicht nur unmittelbar an unserer EU-Außengrenze und an unserer NATO-Bündnisgrenze statt, er fordert uns nicht nur moralisch und fordert nicht nur unsere Solidarität – durch Waffenlieferung, durch die Aufnahme von Flüchtenden, durch die Stärkung unserer Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit –, er stellt auch uns hier heute schon vor existenzielle Herausforderungen; das hat die Debatte über die beschlossenen Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland bereits gezeigt.
Wirtschaftsminister Habeck und das ganze Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz arbeiten mit Hochdruck daran – mit dem sogenannten Osterpaket –, uns von den fossilen Energien unabhängig zu machen. Wir wollen den Ausbau der Erneuerbaren verdreifachen, um die Energieversorgungssicherheit zu verbessern. Wir wollen den Energieverbrauch durch ein ganzes Bündel von Energieeffizienzmaßnahmen senken; denn jede einzelne eingesparte Kilowattstunde hilft, meine Damen und Herren.
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Aber was jahrelang in die falsche Richtung ging, werte Kollegen von der Union – ich sage nur: 10-H-Regelung für Windkraftanlagen, Nord Stream 2, Verkauf der Gasspeicher –, das kann selbst ein grüner Wirtschaftsminister nicht binnen weniger Wochen ungeschehen machen.
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So schießen eben die Gaspreise derzeit durch die Decke,
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obwohl im Moment sogar mehr Erdgas geliefert wird als vor dem Krieg. Und auch die Ölpreise waren zwischenzeitlich auf einem Allzeithoch, auch wenn sie inzwischen wieder auf unter 100 Dollar pro Barrel gefallen sind. Es ist gut, dass das Bundeskartellamt jetzt die Spritpreise überprüft. Auch die Gaspreise gehören auf den Prüfstand. Denn es wäre klimapolitisch verheerend, wenn Putins Krieg jetzt riesige Kriegsgewinne in alle fossilen Energieunternehmen spülen würde
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und ihnen damit ein letztes Aufbäumen ermöglichen würde. Allein jetzt ist es so, dass 24 der größten Mineralölkonzerne der Welt auf 9 000 ungenutzten Förderlizenzen sitzen, die sich plötzlich alle wieder lohnen könnten angesichts der astronomischen Preise. Das darf nicht passieren, meine Damen und Herren!
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Deswegen gehört auch die Einführung einer Übergewinnsteuer, gehört jeder Vorschlag, der geeignet ist, diese Oligopolgewinne abzuschöpfen, auf den Tisch, meine Damen und Herren.
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Und wir brauchen ein weiteres großes Entlastungspaket. Es muss sozial ausgewogen sein, es muss effektiv sein, und es muss nachhaltig sein. Sonst können viele den drastischen Energiepreisanstieg und auch den Anstieg der Nahrungsmittelpreise nicht stemmen. Deswegen arbeitet diese Koalition mit Hochdruck daran, in diesen Stunden, dieses Paket fertig zu schnüren. Denn es gibt schon jetzt Schätzungen, dass die Inflationsrate allein wegen des Anstiegs der Gaspreise um 2,5 Prozentpunkte zusätzlich steigen wird in diesem Jahr; insgesamt könnte sie sogar auf 7 Prozent steigen. Bei einem Embargo würde die Inflation zumindest kurzfristig sogar zweistellig werden.
Angesichts dieser großen Unsicherheit sind wir gut beraten, mit Augenmaß auf diese Herausforderungen zu reagieren, aber eben finanzpolitisch auch angemessen und nicht dogmatisch.
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Dabei kann man sich, bei uns jedenfalls, auf eines verlassen: Wir halten uns an die Gesetze der Mathematik. Bei der CDU/CSU ist das leider anders. Die CDU/CSU fordert ein Energielieferembargo und eine Spritpreisbremse; um mindestens 40 Cent pro Liter müsse entlastet werden – so Herr Spahn im „Morgenmagazin“ –, gleichzeitig sollen natürlich keine neuen Schulden gemacht werden. Das ist Voodoo; das ist unseriös, und ich würde mich wirklich freuen, wenn diese Union mal wieder eine Politik machen würde, die man ernst nehmen kann.
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Mit dem vorliegenden Haushalt und auch mit dem Ergänzungshaushalt sowie weiteren Maßnahmen werden wir Putin in dieser schweren Zeit jedenfalls klar entgegentreten und damit unseren Beitrag dafür leisten, dass wir hoffentlich bald wieder eine friedliche Zukunft haben.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Christian Görke für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Paus, ja, dieser Haushalt kann sich wirklich sehen lassen. Dieser erste Ampelhaushalt ist an Trickserei kaum zu überbieten, weil Sie einfach mal 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr an der Schuldenbremse vorbeischleusen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, waren nicht gerade Sie es, die hier immer für eine ehrliche Haushaltspolitik gestanden haben? Wären Sie heute in der Opposition, wären Sie die Ersten auf der Barrikade, und Ihr damaliger Fraktionsvorsitzender würde dann ganz vorne dabei sein.
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Sie alle wissen: Es ist ehrlich anzuerkennen, dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist; denn jeder, der ein bisschen Ahnung vom Haushalt hat und eins und eins zusammenzählen kann,
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sieht, dass Sie hier überbuchen. Und deshalb: Wenn Sie schon ans Grundgesetz gehen, dann nicht mit einem neuen Taschenspielertrick, sondern für eine ehrliche Reform der Schuldenbremse!
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Unsere Vorschläge für eine goldene Regel liegen auf dem Tisch.
Und noch was: Herr Kollege Kindler, Sie haben ja das Jahrzehnt der Investitionen ausgerufen. Im Finanzplan findet man das nur bedingt. Selbst Ihr angebliches 200-Milliarden-Euro-Paket ist voller Nebelkerzen. Ich rechne Ihnen das gerne mal vor: In dieser Legislatur sind bis 2025 rund 160 Milliarden Euro für den Klimafonds vorgesehen. 100 Milliarden Euro hatte selbst die desolate GroKo dafür noch eingeplant. Das macht also ein Plus von 60 Milliarden Euro. Aber Vorsicht! Dem Topf wird ja für die Abschaffung der EEG-Umlage auch noch etwas entnommen. Das heißt, 23 Milliarden Euro müssen wir auch noch ausbuchen. Es bleiben also im Vergleich zur GroKo sage und schreibe etwas über 9 Milliarden Euro pro Jahr mehr für Klimainvestitionen im Haushalt. Das ist viel zu wenig.
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Zum Vergleich: Bei den Bundeswehrmilliarden plus dem regulären Verteidigungshaushalt ergeben sich bis 2025 sogar 300 Milliarden Euro. Das heißt, Sie geben für Verteidigung rund doppelt so viel aus wie für den Klimaschutz. Das sind bittere Befunde, und das werden wir als Linke korrigieren.
Vielen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Otto Fricke das Wort.
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Geschätzte Frau Vizepräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind Zeiten der Not, und obwohl ich nun seit 20 Jahren Haushalte begleite – gemeinsam mit der Kollegin Hagedorn und der Kollegin Lötzsch –: Diese Situation hatten wir noch nicht. Das sollten wir alle auch berücksichtigen, und deswegen möchte ich hier auch mehr allgemeine Äußerungen machen.
Wir müssen das als Koalition berücksichtigen und sehen, dass wir uns gegenwärtig, in Zeiten der Not, von manch Liebgewordenem trennen müssen. Wir müssen das aber auch als Opposition sehen und gucken, wo die jeweilige Verantwortung liegt. Ich sage das bittend in Richtung CDU/CSU: Am Ende wird man euch nicht daran messen, wie viel ihr an Kritik – und sei sie auch noch so unberechtigt und ineffektiv gewesen – geäußert habt, sondern daran, wie viel Verantwortung ihr übernommen habt.
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Ich bitte die CDU/CSU deswegen, dieser Verantwortung auch nachzukommen, weil ich weiß, dass sie in den letzten Jahrzehnten eine staatstragende Partei war, es auch weiterhin sein will und, wie ich glaube, auch sein wird.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht nur durch den Angriffskrieg, sondern auch durch die immer noch ausklingende Pandemie und durch die hohe Inflation, die wir schon vor diesem Krieg hatten, eine Sondersituation, und wir werden als Koalition mit all diesen Dingen in den Haushaltsverhandlungen zurande kommen müssen.
Hier im Hause ist keiner, der weiß, wie sich die Welt entwickelt haben wird, wenn wir im Mai/Juni die Haushaltsberatungen abschließen werden, und keiner hier sollte jetzt behaupten, dass er schon genau weiß, was in einem solchen Ergänzungshaushalt stehen muss oder stehen kann. Es muss – und das sage ich in Richtung der Regierungsbank – dem Haushaltsausschuss und damit auch dem Parlament die Möglichkeit gegeben werden, den Ergänzungshaushalt so zu behandeln, dass die Parlamentsrechte gewahrt werden. Wir werden dafür sorgen, dass wir am Ende einen vernünftigen Haushalt haben. Ich glaube aber – und so habe ich den Minister auch verstanden –, hier ist dieses Ziel auch gegeben.
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Kollege Haase und vor allen Dingen Kollege Dobrindt, kurz direkt zum Ergänzungshaushalt: Sie behaupten hier, dass das was Neues sei. Erstens. 2020 hatten wir das schon einmal. Zweitens. Kollege Dobrindt, ich glaube, Sie werden, wenn Sie nach Hause, nach Bayern, kommen, Ärger kriegen. Der erste Minister, der einen Ergänzungshaushalt nach § 32 Bundeshaushaltsordnung vorgelegt hat, war ein gewisser Franz Josef Strauß.
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Ich weiß nicht, ob Sie den kennen. Das war jemand, der in der CSU mal ziemlich viel gesagt und manchmal auch Dinge gemacht hat, mit denen er die Verantwortung für Deutschland über die Partei gestellt hat. Vielleicht sollten Sie das noch mal nachlesen, bevor Sie Dinge behaupten, die einfach nicht stimmen.
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In den kommenden Monaten wird im Haushaltsverfahren auf uns alle eine Mammutaufgabe zukommen; denn ab dem Moment, in dem der Haushalt im Parlament ist, liegt bei uns die Arbeit und auch die Verantwortung dafür, den Haushalt so passend zu machen, wie es notwendig sein wird. Und – auch das sage ich wieder in hoffentlich verbindlicher Weise in Richtung CDU/CSU – dann hören wir gerne jeden Kürzungsvorschlag der CDU/CSU. Sie können sich ein Beispiel an der Opposition der FDP in der letzten Legislatur nehmen.
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Wir haben 500 Vorschläge pro Legislatur gemacht. Sie sind eine viel größere Fraktion. Ich erwarte von Ihnen wenigstens diese 500. Konkretisieren Sie, wo Sie sagen: Hier würde die CDU/CSU einsparen! Machen Sie das, wenn das Verfahren kommt – Sie haben es noch nicht gemacht, weil es in diesem Jahr überhaupt noch kein Verfahren gegeben hat –, und dann schauen wir uns das an. Ich sage das für die Koalition: Wenn es vernünftig ist, ist es gut.
Um es deutlich zu machen: Das sage ich nicht nur in Richtung CDU/CSU, sondern auch in Richtung Bundesregierung. Ich bitte die leider nicht mehr vollständig anwesenden Parlamentarischen Staatssekretäre, das ihren Ministerinnen und Ministern auch weiterzugeben. Ich erwarte schon, dass man noch weiter danach schaut, was im eigenen Haushalt steht, was in den letzten 16 Jahren vielleicht nur noch deswegen im Haushalt stand, weil die CDU/CSU jeweils an der Regierung war. Ich bitte, dass Sie im Hause noch mal in sich gehen und sich, da wir jetzt eine Notsituation, bedingt durch den Ukrainekrieg, haben, fragen: Auf was können wir, auf was sollen wir und insbesondere auf was müssen wir verzichten, damit dieses Parlament einen vernünftigen Haushalt beschließen kann?
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Meine Damen und Herren, hinsichtlich des Sondervermögens will ich nur auf eines hinweisen – und so habe ich den Bundeskanzler hier auch verstanden –: Wir haben auf der einen Seite das Sondervermögen und auf der anderen Seite das 2-Prozent-Ziel, das die CDU/CSU übrigens immer als das richtige Ziel ausgegeben hat. Ich gestehe: Die Union war auch immer diejenige, die in den letzten Jahren stärker darauf gedrängt hat, die Verteidigungsausgaben hochzufahren. Da werden Sie von mir auch nichts anderes hören. Da das aber so ist und bei Ihnen damals die 2 Prozent die Begründung waren, muss es doch logischerweise auch so sein, dass die 2 Prozent die Basis dessen sind, wofür die 100 Milliarden Euro dienen. Wir müssen dann auch darüber reden, wie wir das, was wir an zusätzlichen Möglichkeiten dringend benötigen, mit der 2‑Prozent-Regel in Übereinstimmung bringen.
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Ich komme zum Schluss. Weil immer gesagt wird, die FDP und der Finanzminister kümmern sich nicht um den Sozialstaat: Wir haben 2022 nach gegenwärtigem Plan eine Sozialausgabenquote von 50,8 Prozent. Sie wird bis zum Ende der Finanzplanung auf 51,9 Prozent steigen und liegt damit über der aus 2019 mit 49,6 Prozent. Daran zeigt sich auch, was soziale Verantwortung ist.
Grundsätzlich gilt aber: Ich schließe, wie immer, mit Shakespeare – Polonius, Hamlet, Akt 1, Szene 3 –: „Sich und den Freund verliert das Darlehn oft, und Borgen stumpft der Wirtschaft Spitze ab.“ Und das wollen wir ja nicht!
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Kollege Fricke, für den weiteren Verlauf bitte ich, den Schluss schon in die Redezeit einzupreisen.
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Shakespeare oder wer auch immer: Sie müssen in der verabredeten Redezeit bleiben.
Das Wort hat der Kollege Michael Schrodi für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir sehen uns konfrontiert mit außergewöhnlichen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, auch mit finanz- und haushaltspolitischen Herausforderungen. Die Pandemie fordert uns weiterhin. Wir haben in dieser Notsituation viel Geld mobilisiert für Wirtschaftshilfen oder für Direktzahlungen wie den Kinderbonus. Die gute Nachricht: Wir setzen viele Maßnahmen mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz fort, beispielsweise die Verlängerung der Geltungsdauer der Steuerfreiheit für Arbeitgeberzuschüsse zum Kurzarbeitergeld. Es ist ein gutes Signal dieser Ampelregierung, dass wir die Hilfsleistungen auch fortsetzen.
Eines sei an dieser Stelle klargestellt: In der Pandemie hat sich gezeigt, wie wichtig ein starker, ein handlungsfähiger Staat ist, und das wird er auch in Zukunft sein müssen angesichts der anstehenden neuen Herausforderungen. Dafür sorgen wir auch mit diesem Haushalt.
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Ich kann nicht mit Shakespeare dienen; ich kann aber mit Willy Brandt dienen, der sagte: Jede Zeit will – Herr Finanzminister – eigene Antworten. – Dazu muss man auf der Höhe der Zeit sein. Ich habe das Gefühl, dass manche Oppositionsfraktion sich gerade schwertut, auf der Höhe der Zeit zu sein und auch die richtigen Antworten zu geben. Wir müssen das, und wir wollen das auch. Vor uns liegen große Aufgaben, und wir müssen die Finanzierung hinbekommen.
Eine zentrale Herausforderung ist das Thema Klimaschutz. Die Antwort darauf geben wir. Sie lautet: Wir mobilisieren viel Geld mit dem Klima- und Transformationsfonds. Wir begegnen der Wirtschaftskrise, indem wir massive Investitionen in die Digitalisierung, in den Klimaschutz, in die erneuerbaren Energien ermöglichen. Damit bringen wir wirtschaftliche Prosperität, neue Arbeitsplätze und Klimaschutz zusammen.
Das ist ein sehr konstruktiver Vorschlag, mit dieser Krise umzugehen, und ich würde mir, liebe Kollegen von der Union, wünschen, dass Sie ebenso konstruktiv an die Ausgestaltung dieses Klima- und Transformationsfonds herangingen und nicht gegen dieses wichtige Instrument klagten. Das wäre eine konstruktive Oppositionshaltung an dieser Stelle, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Ein weiterer Punkt. Die neue Sicherheitslage bedeutet ein noch schwierigeres wirtschafts- und finanzpolitisches Umfeld und natürlich auch Mehrausgaben: einerseits für humanitäre Hilfe, für die Aufnahme derjenigen, die jetzt aus dem Kriegsgebiet flüchten, aber natürlich auch für die bessere Ausrüstung unserer Bundeswehr. Auch hier geben wir in dieser Zeit eine passende Antwort, und das ist das Sondervermögen über 100 Milliarden Euro für die bessere Ausrüstung der Bundeswehr. Hier gilt ebenfalls: Diese große Herausforderung bedarf auch der konstruktiven Beteiligung durch die Opposition. Ich habe heute nur gehört, dass Sie kritisieren. Sie kritisieren den Klima- und Transformationsfonds. Sie kritisieren das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen. Sie nennen es sogar teuer! Es ist aber eine notwendige Investition in die Zukunft der Bundeswehr. Das ist nicht teuer, sondern richtig und notwendig. Ich habe keinen einzigen Vorschlag gehört, wie man das anders machen soll. Ich erwarte, dass hier etwas anderes kommt. Aber kein Sondervermögen, keine höheren Steuern – dann gehen Sie zur Bundeswehr und sagen: Es bleibt alles beim Alten. – Wir wollen das nicht. Auch Sie sollten sich konstruktiv an der Debatte beteiligen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
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Und auch nicht alle Vorschläge in der aktuellen Debatte sind hilfreich. Sie müssten wissen, dass die Senkung der Mehrwertsteuer auf die Spritpreise mit EU-Recht nicht vereinbar ist. Aber vor allen Dingen müssten Sie wissen, dass Ihr Vorschlag zugleich bedeutet, dass Sie die Energielieferanten, die mit spekulationsgetriebenen hohen Preisen nun hohe Gewinne machen, zusätzlich entlasten mit dieser Maßnahme; denn es gibt dann Mitnahmeeffekte, aber keine Senkung der Preise an der Tankstelle. Auch das muss man sagen.
Wir werden mit dem Steuerentlastungsgesetz gezielt Menschen entlasten und in die Lage versetzen, die zusätzlichen Belastungen erträglicher zu machen, und zwar mit der Erhöhung des Grundfreibetrags – das hat der Herr Finanzminister schon erwähnt – oder auch mit der Erhöhung der Pendlerpauschale. Auch da geben wir die richtigen Antworten auf der Höhe der Zeit, um den Menschen zu helfen.
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Wir werden auch Antworten finden müssen, um auf der Einnahmenseite besser zu werden. Ich nenne nur ein Thema, das wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben: Bekämpfung von Steuerbetrug, beispielsweise bei der Umsatzsteuer. Das brächte einen niedrigen zweistelligen Milliardenbetrag. Eines ist klar: Wir wollen und wir müssen die Vorhaben, die wir vereinbart haben, um den sozialen Zusammenhalt gerade auch in dieser Krise zu stärken, weiterhin stemmen.
Wir wollen mehr Wohnungen bauen. Wir wollen die Kindergrundsicherung einführen. Wir wollen mehr in die Bildung investieren. Und auch dafür werden wir sicherlich –
Kollege Schrodi.
– dann weitere richtige und neue Antworten auf der Höhe der Zeit finden.
Ich freue mich auf die weiteren Beratungen.
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Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun der Kollege Bruno Hönel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen für diese junge Regierungskoalition könnten kaum größer sein. Die Coronasituation bleibt kritisch. Der Gesundheitsschutz und die nachhaltige Erholung der Wirtschaft binden Mittel. Und doch – unsere Aufmerksamkeit fokussiert sich auf die schreckliche Situation in der Ukraine.
Im Angesicht des Krieges sind wir alle in der Pflicht, alte Überzeugungen zu überdenken, scheinbare Gewissheiten zu verwerfen. Das gilt natürlich auch für unsere Haushaltspolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Haushaltsentwurf trägt diesem Grundsatz in weiten Teilen Rechnung.
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Die Bundesregierung kommt ihrer internationalen Verantwortung nach, stellt unter anderem 1 Milliarde Euro bereit für Maßnahmen der humanitären Hilfe, für die Krisenbewältigung. Wir unterstützen die Ukraine direkt, finanziell gemeinsam mit unseren europäischen Partnern, weil es unsere verdammte Verantwortung ist.
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Und ja, wir spüren die Konsequenzen des Krieges auch hier in Deutschland: steigende Energiepreise, die fossile Inflation, und auch an der Supermarktkasse wird es teurer. Deswegen ist es richtig, dass wir weitreichende Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht haben, die jetzt auch im Haushalt abgebildet sind, unter anderem der Kindersofortzuschlag als wichtiger Schritt hin zur Kindergrundsicherung, mit der wir Kinderarmut endlich wirksam bekämpfen werden. Wir machen uns auf den Weg für mehr Chancengerechtigkeit, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Klar ist aber auch: Dabei darf es nicht bleiben. Wir müssen den Ergänzungshaushalt jetzt nutzen, um weitere spürbare Entlastungen zu finanzieren. Die Zeit ist jetzt reif für das Energiegeld. Es entlastet alle, gerade Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sowie Familien in besonderem Maße. Darum muss es jetzt gehen. Ein Tankrabatt kann das nicht leisten!
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Lassen Sie mich einige Kennzahlen aus diesem Haushaltsentwurf noch mal herausgreifen: allein im Kernhaushalt 50,8 Milliarden Euro Investitionen in diesem Jahr, verstetigt über die kommenden Jahre. Das ist ein Rekordniveau im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit, und das sind eben Investitionen in die Zukunft.
Des Weiteren: 30,4 Milliarden Euro im Gesamtentwurf für Bildung und Forschung, Milliarden für Digitalisierung und Innovation, 27,8 Milliarden Euro Programmausgaben aus dem Energie- und Klimafonds für die klimaneutrale Transformation. Und ja, endlich schaffen wir es, mehr in die Schiene als in die Straße zu investieren, auch wenn hier noch deutlich mehr gehen muss für eine ernsthafte und nachhaltige Mobilitätswende.
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Der Regierungsentwurf ist ein gutes Zwischenergebnis für mehr Chancen- und Generationengerechtigkeit, und das ist auch dringend nötig nach 16 Jahren unionsgeführter Verwaltung des Status quo auf Kosten der künftigen Generationen.
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Aber der Haushalt muss auch im Kontext der aktuellen Umstände bewertet werden. Er wird gedehnt durch notwendige Ausgaben der äußeren und inneren Sicherheit und für den Zivilschutz, der im parlamentarischen Verfahren jetzt noch mal gestärkt werden sollte. Es wäre falsch, dringend notwendige Maßnahmen – vom massiven Ausbau der erneuerbaren Energien über flüchtlingsbezogene Ausgaben bis hin zu sozialen Unterstützungsmaßnahmen – jetzt, aber auch künftig konservativen Haushaltsdogmen zu unterwerfen. Das wäre unverantwortlich, das adressiert eben nicht die Realität, und das wäre auch nicht nachhaltig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich sagte es bereits: Viele scheinbare Gewissheiten sind im Angesicht der aktuellen Ereignisse überholt. Aber mindestens eine Gewissheit bleibt. Und weil unter Umständen in den letzten Wochen ein anderer, ein falscher Eindruck entstanden ist, möchte ich mit dieser einen Gewissheit auch schließen: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Haushaltsrecht ist Parlamentsrecht. Der Bundeshaushalt wird hier beschlossen, hier in der Herzkammer der Demokratie, hier im Deutschen Bundestag. Und in diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, wünsche ich uns konstruktive, aber vor allem auch selbstbewusste parlamentarische Beratungen.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Antje Tillmann das Wort.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Lindner, Sie mussten heute sehr tapfer sein. Einer Ihrer Lieblingssätze dieser Tage ist: Die Schuldenbremse ist keine politische Entscheidung, sondern eine Vorgabe der Verfassung. – Das ist ein bisschen wie das Singen im Dunkeln; denn alle anderen Reden Ihrer Koalitionspartner haben damit nichts zu tun.
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Sie selber halten die Schuldenbremse schon im Kernhaushalt nicht ein. Die Aussetzung ist durch Coronamaßnahmen bedingt; aber Sie wissen sehr genau, dass Personalkostenerhöhungen und Ausgaben für den Straßenbau überhaupt nichts mit Corona zu tun haben.
Sie haben ganz verschämt angekündigt, dass der Ergänzungshaushalt durch eine Ausweitung der Schuldennotlagenregelung wegen des Ukrainekriegs erhöht werden soll. Ich bin gespannt, wann Sie offiziell eine neue Notlage verkünden wollen.
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Ich bin auch gespannt, ob Sie dann die zweite Regelung einhalten, wonach Sie mit dem Ergänzungshaushalt auch einen Tilgungsplan vorlegen müssen.
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Und nein, Herr Kollege Hönel, das Energiegeld ist dann nämlich nicht aus diesem Ergänzungshaushalt zu finanzieren. Das wäre ganz klar verfassungswidrig.
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All die hier geäußerten Wünsche können im Ergänzungshaushalt nicht mehr untergebracht werden, wenn die Notlage mit dem Ukrainekrieg begründet wird – und ansonsten sind sie nicht finanzierbar.
Herr Minister, ich bin sicher: Sie werden mit dem Ergänzungshaushalt eine Berichtigung Ihrer Wachstumsprognose vorlegen. 3,6 Prozent Wirtschaftswachstum planen Sie ein. Ich bin sicher: Sie werden durch den Konjunkturrückgang ungefähr 10 Milliarden Euro im Ergänzungshaushalt einsparen müssen.
Im Haushalt sind die degressive Abschreibung, die Ausweitung der Verlustverrechnung und die Homeoffice-Pauschale berücksichtigt. Wir begrüßen das ausdrücklich, obwohl der Entlastungseffekt nicht sehr groß ist; denn tatsächlich handelt es sich um Gewinnverschiebungen, und die Homeoffice-Pauschale geht fast immer im Werbungskostenpauschbetrag unter. Anders als Sie gesagt haben, ist das Steuerentlastungspaket eben nicht im Haushalt eingepreist, jedenfalls nicht als Steuerentlastungspaket. Sie haben über eine globale Mindereinnahme 3,8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. 1,9 Milliarden Euro macht das Steuerentlastungspaket schon aus. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie wissen: Dieser Haushalt hat dann noch einen Spielraum von 1,9 Milliarden Euro. Damit werden Sie absolut nichts aus Ihrem Koalitionsvertrag finanzieren können.
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Dann gucke ich mir an, was Sie als Einzelmaßnahme im Haushalt stehen haben. Zur Grundfreibetragserhöhung: Sie lassen sich für 4,7 Milliarden Euro Entlastung feiern. Davon entfallen 3 Milliarden Euro auf den Grundfreibetrag. Die Erhöhung des Grundfreibetrags ist verfassungsrechtlich geboten. Übrig bleiben die Erhöhung der Fernpendlerpauschale mit einer Entlastung von 300 Millionen Euro und die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags mit einer Entlastung von 1,1 Milliarden Euro.
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Es ist immer gut, Arbeitnehmer zu entlasten. Aber warum Sie diejenigen, die keine zusätzlichen Kosten haben, mit 1,1 Milliarden Euro entlasten – das ist der Arbeitnehmerpauschbetrag – und diejenigen, die an der Tankstelle nicht mehr weiterwissen, mit 300 Millionen Euro abspeisen, ist Ihr Geheimnis, das Sie uns vielleicht in den Haushaltsberatungen verraten werden.
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Sie verabschieden sich mit diesem Haushalt – das muss Ihnen klar sein, liebe Koalitionäre – von allem, was Sie im Koalitionsvertrag stehen haben.
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Zur Kindergrundsicherung: Liebe Kollegin Paus, es kann doch nicht Ihr Ernst sein, dass die Kindergrundsicherung 20 Euro ausmacht. Da waren wir ja ohne Kindergrundsicherung doppelt so gut. Das Bürgergeld wird nicht kommen, das Energiegeld wird nicht kommen, die Superabschreibung wird nicht kommen, von der Thesaurierungsbegünstigung und anderem ganz abgesehen. Sie haben diesen Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung bis auf den letzten Euro ausgelaugt.
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Sie haben mit 3,6 Prozent Wachstum in diesem und 2,3 Prozent Wachstum im nächsten Jahr gerechnet. Sie werden keine zusätzlichen Einnahmen haben. Damit verabschieden Sie sich mit Ihrem Haushalt direkt von Ihren Koalitionsvorstellungen. Der Rest der Legislatur kann für Sie eigentlich nur noch traurig enden.
Danke.
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Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Frauke Heiligenstadt für die SPD das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Tillmann, bei der Rede, die Sie gerade gehalten haben, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht, in welchen Haushaltsplan Sie reingeguckt haben – ob in den für dieses Jahr oder für das letzte Jahr oder für wann auch immer.
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Der Bundesfinanzminister hat einen Haushalt für das Jahr 2022 vorgelegt, der zum einen einen Kurs der soliden Finanzpolitik darlegt und zum anderen notwendige Weichen für wichtige Zukunftsprojekte stellt.
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Mit diesem Haushalt wird Fortschritt möglich, und unser Land wird sicher durch sehr schwierige Zeiten geführt.
Was heißt „Fortschritt in der Zukunft“ im finanzpolitischen Gebrauch? „Zukunft“ heißt zum Beispiel: notwendige Investitionen beim Klimaschutz, bei der Digitalisierung, bei der Forschung, bei der Bildung und in der Infrastruktur; wir haben gerade in der Debatte zahlreiche Vorstellungen gehört. Denn nur so gelingt ein Umbau zu einem klimaneutralen und digitalen Gemeinwesen, zu einer guten Volkswirtschaft in unserem Land.
In Zahlen ausgedrückt heißt das: 200 Milliarden Euro mehr für Klimaschutz und damit für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Das ist gute Politik, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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So können zum Beispiel CO2-neutrale Produktionsverfahren oder klimafreundliche Produkte entwickelt werden.
Gleichzeitig wissen wir, dass Investitionen im Bereich der Bildung und der Digitalisierung dringend notwendig sind. Deswegen hat zum Beispiel das Bundesministerium für Bildung und Forschung in diesem Jahr 4 Milliarden Euro mehr Geld zur Verfügung. Das ist gut für die Bildung, für die Forschung und für die Menschen in unserem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.
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„Zukunft in der Finanzpolitik“ heißt für meine Fraktion aber auch, dass Bürgerinnen und Bürger in dieser schwierigen Situation nicht im Stich gelassen werden. Deshalb haben wir als Koalition ein 16-Milliarden-Euro-Entlastungspaket beschlossen.
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Das bringt für viele Menschen in unserem Land eine spürbare Entlastung und nicht nur ein bisschen, sehr geehrte Frau Tillmann.
Nach dem bereits in der letzten Plenarsitzung beschlossenen Heizkostenzuschuss und dem Beschluss über die Verlängerung der Sonderregelung beim Kurzarbeitergeld enthält das Entlastungspaket noch zahlreiche Einzelmaßnahmen; meine Kolleginnen und Kollegen haben das sehr häufig schon erwähnt. Wir ziehen die Abschaffung der EEG-Umlage vor – das entlastet einen vierköpfigen Haushalt um 300 Euro im Jahr; das ist doch etwas –,
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und wir werden den Arbeitnehmerpauschbetrag auf 1 200 Euro erhöhen. Weitere Beispiele sind die Erhöhung des Grundfreibetrags für die Einkommensteuer und die Erhöhung der Fernpendlerpauschale auf 38 Cent pro Kilometer. Zudem haben wir Menschen im Hilfebezug 100 Euro als Sofortzuschlag gegeben. Der entsprechende Zuschlag für Kinder, die von Armut bedroht sind, ist hier heute auch schon mehrfach erwähnt worden. Das ist soziale Politik in Zahlen gegossen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und dahinter steht die SPD-Fraktion.
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Zusätzlich reagieren wir mit dem Haushaltsentwurf auf den Krieg in der Ukraine; denn der ist jetzt tatsächlich wichtig und ist in unseren weiteren wirtschaftlichen Bemühungen und Finanzierungsbemühungen zu hinterlegen. So haben wir 1 Milliarde Euro für humanitäre Hilfe zu erwarten. Aber wir wissen noch nicht genau, was auf uns zukommt. Mir ist dabei besonders wichtig, dass der Bund die Länder und die Kommunen bei der Unterbringung der Geflüchteten nicht im Stich lassen wird. Es gibt bereits eine Arbeitsgruppe aus Bundes- und Ländervertretern, die sich mit der Problematik beschäftigen und zügig Ergebnisse vorlegen wird. Der Bund wird bei diesen Aufgaben an der Seite der Länder und Kommunen stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist wichtig, und das ist nachhaltig.
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Wir wissen nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Auswirkungen dieser fürchterliche Angriffskrieg Putins noch auf unser Land haben wird. Gleichzeitig sind wir aber zur Hilfeleistung verpflichtet, und wir werden dieser selbstverständlich nachkommen. Der Ampelkoalition ist es aber wichtig, daneben auch die Zukunftsprojekte auf den Weg zu bringen und mit diesem Haushalt die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen. Das ist mit diesem Entwurf bereits gelungen. Deshalb geht mein Dank auch an den Bundesfinanzminister und an die Mitarbeitenden in den Ministerien, die betroffen sind.
Es ist keine einfache Zeit, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber wir krempeln die Ärmel hoch, wir packen die Aufgaben an. Wir werden das mit Gemeinsamkeit und mit einem Blick für die Zukunft auch schaffen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es ist an sich schon etwas Besonderes, wenn die Bundesregierung den Entwurf des Bundeshaushalts hier in dieses Hohe Haus einbringt. Aber jetzt passiert noch etwas ganz Spezielles: Sie wissen, das Bundesbauministerium wurde am 8. Dezember 2021 wieder gegründet. Erstmals seit 1998 gibt es dieses wunderbare Ministerium wieder.
Das bedeutete natürlich für unsere Haushaltsverhandlungen: Es gibt auch einen funkelnagelneuen Einzelplan 25. Ich bin sehr froh, dass ich ihn heute einbringen kann, weil ich weiß, dass dieser neugeborene Einzelplan bei Ihnen in den parlamentarischen Beratungen in guten Händen ist; denn Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen sind Themen, die den Alltag von ganz vielen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land berühren, Themen, die täglich mit Freunden, mit Bekannten am Küchentisch diskutiert werden, zunehmend aber auch Themen, die mit Fragen und Sorgen einhergehen.
Deswegen ist es ein Schwerpunkt dieser Bundesregierung, dass wir dafür sorgen wollen, dass es ausreichend bezahlbaren, aber auch klimagerechten Wohnraum gibt. Wir sind der Überzeugung: Wohnen ist nicht nur ein Menschenrecht, es ist auch unsere Aufgabe als Politik, dafür zu sorgen, dass dieses Recht gelebt werden kann.
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Wir haben uns vorgenommen, die Weichen so zu stellen, dass 400 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden können, davon 100 000 bezahlbare, öffentlich geförderte Sozialwohnungen.
Ich bin mir bewusst, dass das ein großer Kraftakt für den Bund, aber natürlich auch für die Länder ist. Diese Wohnungen werden gebraucht, gerade in Ballungsgebieten. Es geht besonders für Familien mit Kindern, für Auszubildende, für Studierende, für Ältere um ganz entscheidende Fragen: Finde ich denn eine bezahlbare Wohnung in meiner Nähe, in meinem Kiez? Kann ich hier wohnen bleiben? Wird meine Miete steigen, oder steigt sie demnächst an, weil modernisiert wird? Diese Fragen sind richtig, wichtig, und wir sind es, die den Bürgerinnen und Bürgern eine Antwort darauf geben müssen.
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Diese Fragen werden wir als Politik nicht alleine beantworten. Deswegen werde ich im April ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum starten, mit Vertreterinnen und Vertretern der Länder, der Bauwirtschaft, natürlich der Mieter, mit Interessenvertretungen, aber auch mit Vertreterinnen und Vertretern von Umweltorganisationen. Mir war es auch ganz wichtig, Jürgen Dusel, den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, mit in dieses Bündnis einzuladen, weil ich sage: Sozialer Wohnraum muss immer auch inklusiv sein.
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Das entscheidende Instrument für bezahlbare Wohnungen bleibt der soziale Wohnungsbau. Dafür brauchen wir Geld. Dieser Haushalt und die Finanzplanungen legen dafür eine entscheidende Grundlage. Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau werden in der Finanzplanung auf insgesamt 14,5 Milliarden Euro deutlich erhöht.
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Davon stehen allein 2 Milliarden Euro im Jahr 2022 zur Verfügung. Das ist das tragfähige Fundament, auf dem wir den Bau von 100 000 Sozialwohnungen in Deutschland erreichen können.
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Mein Ziel ist es, mit den Ländern konkrete Vereinbarungen darüber zu treffen, welche Investitionen sie im Bereich des sozialen Wohnungsbaus vornehmen, auch und gerade für spezielle Zielgruppen wie Studierende und Azubis oder für Projekte zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit; denn das ist auch ein großes Ziel meines Ministeriums.
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Ich freue mich, dass wir als Regierungskoalition gemeinsam davon überzeugt sind, dass wir 8,5 Milliarden Euro mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren, als es bei der Vorgängerregierung der Fall war.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist es dabei aber genauso wichtig, dass wir neben der Bezahlbarkeit das Thema Klimagerechtigkeit in den Blick nehmen. Die Frage, wie wir heute dafür sorgen können, unseren Kindern und Enkelkindern eine intakte Erde zu hinterlassen, ist eine der zentralen Herausforderungen dieser Regierung. Ich werde oft gefragt: Sind Sie dafür, sozialen, preiswerten Wohnraum zu bauen, oder sind Sie dafür, klimagerechten Wohnraum zu bauen? Ich sage: Beides muss zwingend zusammen gehen. Wer billig baut, der baut doppelt. Wer heute baut, damit die Menschen niedrige Mieten haben, der kann nicht so bauen, dass sie in Zukunft hohe Nebenkosten haben. Nein, wir brauchen beides: sozialen Wohnraum, der klimagerecht ist.
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Wir werden sehr viele Anstrengungen unternehmen müssen, um auch im Bereich der energetischen Sanierung besser zu werden und hier die großen Potenziale des Wohnungsbaus, der Gebäudewirtschaft für die CO2-Einsparung zu heben. Hier sind wir zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz dabei, die energetische Sanierung in Deutschland anzukurbeln. Aber wir werden auch die Aufteilung der CO2-Kosten auf Mieter und Vermieter so regeln, dass es einen Anreiz gibt, in den Bestand zu investieren. Die Sanierung des Bestandes ist also eine große Herausforderung.
Es geht aber auch darum, wie sich unsere Städte, Gemeinden und Quartiere gestalten. Hier sind wir dabei, wie in den letzten Jahrzehnten weiter intensiv über die bewährte Möglichkeit der Städtebauförderung zu investieren, und setzen diese auf einem hohen Niveau mit 790 Millionen Euro pro Jahr fort.
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Wichtig ist, dass wir unsere Innenstädte resilient machen, dass wir sie stärken, dass wir sie zu lebendigen Zentren und Ortslagen entwickeln. Gerade nach Corona werden wir hier gemeinsame, große Anstrengungen unternehmen müssen. Deswegen habe ich zum Beispiel einen Beirat für die Innenstädte ins Leben gerufen. Ich werde auch eine Außenstelle des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Cottbus gründen, gerade um zum Beispiel die ländlichen Regionen stärker zu erforschen und zu fördern.
Es bleibt viel zu tun. Wir haben einen großen Investitionsbedarf im Bereich der kulturellen Infrastruktur, aber auch zum Beispiel im Bereich der sozialen Infrastruktur. Deswegen freut es mich, dass ich das ESF-Bundesprogramm BIWAQ bis 2027 weiter finanzieren kann.
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Wir müssen schneller werden beim Bauen und beim Planen; auch das steht auf unserer Agenda.
Eines ist mir zum Schluss ganz wichtig: Dieser Haushalt zeigt, dass mein Haus ein Investitionsressort ist. Zum Beispiel sind in Deutschland 50 Prozent aller jährlichen Investitionen Bauinvestitionen, und von diesen erfolgen wiederum 50 Prozent in den Wohnungsbau, und zwar im Neubau und im Bestand. Das heißt, die Bauwirtschaft, aber auch die Wohnungswirtschaft leisten einen entscheidenden konjunkturellen Beitrag für die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland, etwas, worauf wir angewiesen sind. Sie stehen gleichzeitig vor großen Herausforderungen in der Transformation. Mein Ministerium will diesen Transformationsprozess begleiten; denn ich bin der Meinung: Bauwirtschaft in Deutschland hat Zukunft, Bauhandwerk hat Zukunft.
Herzlichen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Ulrich Lange das Wort.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, es ist tatsächlich etwas Besonderes, wenn wir seit 1998 erstmals wieder eine echte Bauhaushaltsdebatte führen, in der wir dann auch ausreichend Zeit haben, über die Themen Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung zu sprechen, und man nicht – ich sage es einmal so – ein Annex zu anderen großen Häusern ist, ob Umwelt oder Innen. Das begrüßen auch wir sehr.
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– Ja, Sie haben es damals abgeschafft – bitte nicht vergessen! –, und in zwölf Jahren zusammen haben wir es auch nicht wieder hinbekommen. Deswegen geht dieses Lob an alle, die sich für die Baupolitik gemeinsam einsetzen; deswegen freut mich diese Debatte.
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Ein eigenes Ministerium alleine macht es aber auch noch nicht. Es geht nicht nur um ein Türschild, es geht nicht nur um eine Gebäudehülle, sondern es geht tatsächlich um die ganz große gesellschaftliche Aufgabe, Wohnen, Stadt, Quartier zusammenzuführen, zusammenzudenken und zusammen zu entwickeln. Dafür braucht man zum einen Finanzen und zum anderen Handlungsfähigkeit, und zu beiden Themen möchte ich ein paar Sätze sagen.
Ja, die Ausstattung des Haushaltes ist auf den ersten Blick zumindest so, dass man starten kann, aber eben auch nicht mehr. Wir freuen uns ganz besonders über den Aufwuchs beim Baukindergeld. Das zeigt, dass die Idee der letzten Periode eine erfolgreiche war. Uns fehlt im Haushalt die Antwort, wie in Zukunft Eigentum für junge Familien geschaffen werden soll. Da kann ich Ihnen, Frau Ministerin, die Fortsetzung dieses Baukindergeldes nur wärmstens als Erfolgsmodell empfehlen.
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Die Dynamisierung des Wohngeldes findet sich in diesem Haushalt entsprechend wieder; auch das war angelegt.
Die Städtebauförderung wird verstetigt – ja, aber eben auch nicht mehr, wenn wir jetzt aus der Krise kommen, aus der Pandemie heraus, und diese Städte in vielen Punkten schon notleidend geworden sind. Jeder, der ein bisschen in der Kommunalpolitik unterwegs ist, weiß, dass dafür große Aufgaben auf uns zukommen.
Und der Beirat für Innenstädte, Frau Ministerin, ist jetzt nicht neu, sondern den Bericht des Beirates kannten wir auch schon aus der letzten Periode. Das Entscheidende wird sein, auch tatsächliche Konsequenzen daraus zu ziehen und die Mittel entsprechend bereitzustellen. Das finden wir allerdings in diesem Haushalt noch nicht.
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Insofern sind wir gespannt, was an dieser Stelle auf uns zukommt.
Jetzt komme ich zum zweiten Punkt, und er ist mindestens ebenso wichtig: Das ist die Handlungsfähigkeit. Denn Sie brauchen Handlungsfähigkeit in den entscheidenden Feldern, und die sehen wir bei diesem neuen Bauministerium nicht. Sie sind – Entschuldigung, wenn ich das so sage – ein bisschen Königin ohne Land. Wo haben Sie denn die wirkliche Kompetenz und Federführung, wenn es um die Themen Baupreise geht, Rohstoffe, Lieferengpässe, wenn es um die Fachkräfte geht? Wer soll denn diese Wohnungen bauen, ohne die Fachkräfte, sei es in Heizung, Sanitär, in Klimatechnik und all den Bereichen?
Baukredite werden teurer; Sie sitzen aber nicht einmal im Aufsichtsrat der KfW. Das hat sich jetzt schon einmal als negativ herausgestellt. Zudem herrscht Flächenknappheit. Und die BImA? Die BImA ist auch im Finanzministerium geblieben. Ohne Fläche kein Bauen.
Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen der neuen Regierung, ein Bauministerium auf der Zuschauertribüne löst nicht die Herausforderungen, die wir in diesem Bereich haben.
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Die Architektur dieses Hauses ist, um es einmal bautechnisch zu sagen, wackelig, oder aber es ist vom Fundament nicht ordentlich gegründet. Deswegen haben wir schon in der frühen Phase gesehen, wo der architektonische Fehler liegt, nämlich zum Beispiel am Stopp der KfW-Förderung für energieeffizientes Bauen. Genau dort, wo junge Familien klimaeffizient, ökologisch hochwertig bauen wollten, haben Sie gesagt: Stopp hier an dieser Stelle, nicht mit dieser Regierung. – Welch Riesenschaden, welch Riesenvertrauensverlust!
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Sie haben dann ein bisschen ein Trostpflaster eingeführt; aber die Träume der Familien sind geplatzt.
Jetzt wird – daran, Frau Ministerin, werden wir Sie messen – im Zweifel von diesen Familien eben nicht im energetischen Standard, sondern billiger gebaut, weil genau diese Förderung fehlt. Ja, was ist das denn, bitte? Mehr Klimaschutz? Nein, es ist weniger Klimaschutz. Mehr Lebens- und Wohnqualität? Nein, es ist weniger Lebens- und Wohnqualität. Das kann doch nicht die Antwort eines neuen Bauministeriums sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ja, an dieser Stelle gibt es große Pläne, aber bisher relativ wenig dahinter. Ambitioniert oder utopisch: 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Periode. Wo ist die Baukostensenkungskommission, wo sind die Fachkräfte, wo sind die Flächen, und wo sind die Perspektiven für energieeffizientes Bauen? Das sind die Fragen, auf die wir von dieser Regierung Antworten erwarten. Arbeiten Sie daran! Wir werden Sie daran messen. Die Erwartungen sind groß. Das, was wir bisher gesehen haben, ist aber nicht mehr als eine ganz einfache Skizze.
Danke schön.
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Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Andreas Audretsch das Wort.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach einer langen Pause ist das heute hier eine Premiere. Wir haben Haushaltsdebatten in den letzten Legislaturperioden erlebt, in denen das Thema „Wohnen, Bauen, Stadtentwicklung“ immer Zusatzpunkt zu anderen Themen war. Das ist jetzt anders, und das ist gut so, weil dieses Thema eine ganz zentrale soziale Frage ist, eine ganz zentrale ökologische Frage; es ist richtig, dass wir das so machen. Frau Ministerin Geywitz, ich freue mich auf die Zusammenarbeit und auch auf die Zusammenarbeit mit Ihnen hier im Parlament.
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Ich komme aus Neukölln, aus Berlin, aus meinem Wahlkreis, und da erlebe ich aufs Bitterste, was für eine schwierige und harte soziale Frage das Thema Bauen ist. Ich habe mit vielen Mieterinnen und Mietern in den letzten Jahren darum gekämpft, dass sie nicht aus ihrer Wohnung fliegen. Ich weiß, was es bedeutet, wenn Sozialbindungen auslaufen. Ich habe in der Großsiedlung Gropiusstadt für energetische Sanierung geworben und immer wieder erfahren: Das ist eine existenzielle Frage für ganz viele Menschen, und es ist zugleich eine existenzielle Frage für das Überleben unseres Planeten. – Genau mit dieser Größe des Anspruchs sollten wir das Thema angehen.
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Ich möchte eine Dimension zu diesen zwei Dimensionen ergänzen. Die Klimafrage ist wichtig; die soziale Frage ist eine zentrale. Es kommt aber hinzu, dass die Frage des Bauens und des Wohnens auch eine Frage der strategischen Souveränität ist, angesichts dessen, was wir in der Ukraine erleben müssen. Wir müssen investieren, um den Klimakollaps zu verhindern. Wir müssen investieren, um die soziale Frage des Wohnens zu lösen. Wir müssen aber auch investieren, weil es unerträglich ist, dass so viele Menschen in Deutschland abhängig von einem Diktator wie Wladimir Putin sind, wenn es darum geht, ob ihre Wohnung im Winter warm ist oder nicht. Da müssen wir raus, das müssen wir beenden.
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Wir müssen raus aus den fossilen Energien. Wir müssen raus aus Putins Gas. Wir müssen raus aus dieser existenziellen Abhängigkeit. Genau das ist die Aufgabe dieser Zeit, genau das steht jetzt an, und genau das werden wir finanziell in diesem Haushalt unterlegen.
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Wir brauchen einen langen Atem in dieser Frage. Aber: Wir müssen die Fragen, die akut entstehen, auch akut und sofort lösen. Die steigenden Energiekosten treffen Menschen mit kleinen Einkommen hart in dieser Zeit. Und es ist nicht nur richtig, dass wir den Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht haben, sondern es ist noch viel richtiger, dass wir ihn verdoppelt haben. Das haben wir hier gemeinsam geschafft. 270 Euro Heizkostenzuschuss, das ist Geld, das ganz direkt ankommt, das den Menschen ganz konkret hilft. Denn wir sind uns einig in dieser Koalition – das ist gut und richtig so –: Eine warme Wohnung muss garantiert sein. Eine warme Wohnung darf in diesem Land für niemanden zum Luxus werden.
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Genau diesen Weg setzen wir fort. Die soziale Frage und die Klimafrage bringen wir zusammen. Das Wohngeld muss dauerhaft entlasten; da hilft die Dynamisierung. Um aber alle Haushalte auch in der Klimakrise dauerhaft entlasten zu können, müssen wir weitergehen. Um die Menschen auf die Folgen der Klimakrise vorzubereiten und sie zu wappnen, brauchen wir ein Klimawohngeld.
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Wir müssen auch beim Bauen eine Wende hinbekommen, und zwar eine soziale und ökologische.
Herr Lange – wo sitzen Sie? –, wenn Sie hier sagen, dass das Baukindergeld die Lösung dieser Probleme ist, dann sind Sie, mit Verlaub, auf dem Holzweg. Ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich sage, dass das Baukindergeld aus unserer Sicht völlig untauglich ist. Dadurch entstehen nicht die bezahlbaren Wohnungen, die wir brauchen. Damit lösen wir keine Frage in Bezug auf die Klimakrise. Die Verteilung von Geld mit der Gießkanne ist das, was wir von Ihnen gewohnt sind, aber für uns ist das keine Zukunftsperspektive.
Wir müssen zu diesem Programm stehen, und es muss abfinanziert werden; so viel Verlässlichkeit ist nötig. Aber das, was wir heute tatsächlich starten müssen, ist eine Wende in der Baupolitik, eine völlig neue Phase der Baupolitik mit sozialen und ökologischen Aspekten, und genau das gehen wir ab jetzt in dieser Koalition an.
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Ich ergänze zur energetischen Sanierung – da können Sie sich auf Ihrer Seite gern aufregen – einen Satz: Wenn Sie vonseiten der CDU/CSU mit Minister Altmaier uns diese ganzen Probleme, diesen Müll vor die Füße kippen und sich dann hier aufregen, dann ist das unredlich. Wir räumen den Müll, den Sie uns beschert haben, jetzt hier auf.
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Das ist das, was wir übernehmen, und diese Verdrehung von Tatsachen ist genau das, was wir hier im Parlament nicht brauchen.
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Es ist gut, dass die Ampel für sozialen Wohnungsbau sorgt. Seit 1990 hat sich die Zahl der Sozialwohnungen mehr als halbiert. Diesen Trend müssen wir stoppen. 100 000 Sozialwohnungen jährlich, das ist unser ehrgeiziges Ziel. Weil wir nicht nur einen sozialen Aufbruch wollen, weil wir auch einen ökologischen Aufbruch wollen, machen wir soziales und ökologisches klimaneutrales Wohnen und Bauen zugleich. Wir reservieren einen Milliardenbetrag explizit für das soziale Wohnen und für das ökologische Bauen. Der Anspruch ist, beides zusammenzudenken, und den erfüllt diese Koalition.
({9})
In diesem Etat geht es um das Bauen. Aber – diese Anmerkung sei mir auch als Berliner Abgeordneter gestattet –: Das Bauen ist nur die eine Seite der Medaille. Um die Wohnungsfrage zu lösen, müssen wir auch Mieterinnen und Mieter im Bestand schützen. Bei mir in Neukölln kämpfen jetzt zur Stunde Menschen um ihre Wohnung, weil sie Angst haben, dass ihnen ihre Wohnung, ihr Haus von Investoren genommen wird. Jetzt ist der Moment, in dem ein Vorkaufsrecht genau das wäre, was die Kommunen brauchen. Aufgabe dieser Koalition – an dieser Stelle ist es auch Aufgabe für und Anspruch an Sie, liebe Frau Geywitz – ist, dass wir an dieser Stelle so schnell wie möglich Rechtssicherheit schaffen. Die Kommunen brauchen das Vorkaufsrecht; das Vorkaufsrecht müssen wir wieder ermöglichen. Genau das ist Aufgabe dieser Koalition, und das werden wir angehen.
({10})
Die Ampel ist angetreten, um in Zukunft zu investieren. Dazu gehört es, in die Menschen ganz direkt zu investieren, aber auch in ihr Lebensumfeld. Aus diesem Grund werden wir auch in das Schwimmbad vor Ort, in das Lebensumfeld, in die Kommune investieren, weil es so wichtig ist für Menschen, wenn sie vor Ort sind, dass ein Schwimmbad saniert ist und funktioniert, dass wir Parks haben, dass wir Erholungsräume haben. Das alles werden wir angehen. Deswegen werden wir nachhaltig und seriös an dieser Stelle investieren.
Ich danke Ihnen für die Vorlage dieses Etats, und ich freue mich auf die gemeinsame Beratung.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass der Bereich „Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“ in einem eigenen Ministerium und mit einem eigenen Einzelplan hier in der Haushaltswoche behandelt wird. Gleich die erste Amtshandlung des neuen Ministeriums und von Ihnen, Frau Bauministerin, war es, sich 95 hochdotierte Stellen für den Aufbau Ihrer Ministerialbürokratie genehmigen zu lassen. Erste Handlungen sind auch immer erste Hinweise für die grobe Richtung der Politik, und mit „Mehr Bürokratie wagen“ haben Sie leider das komplett falsche Signal gesetzt. Da frage ich mich doch, wie im Innenministerium der Bau- und Wohnbereich in der letzten Wahlperiode funktioniert hat.
({0})
Es erzählt uns hoffentlich niemand, dass Horst Seehofer die Arbeit von 95 Beamten alleine stemmen wollte.
Eine große Herausforderung unserer Zeit ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt, besonders in den Ballungsräumen. Neben den horrenden Strom- und Heizkosten – maßgeblich verursacht durch die Politik der Regierung Merkel und von Links-Gelb jetzt fortgesetzt – sind die Mieten das große Problem. Viele Haushalte in Deutschland zahlen hohe Mieten, und für viele ist Wohnen vor allem in Großstädten nahezu unbezahlbar geworden.
Die Koalition versprach, 400 000 Wohnungen jährlich in Deutschland bauen zu wollen. In Ihrem Haushaltsentwurf für 2022 finde ich dazu lediglich 750 Millionen Euro an die Länder zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Mit 750 Millionen Euro Förderung wollen Sie also 100 000 neue Sozialwohnungen bauen, bei den klammen Länderkassen, und die restlichen 300 000 neuen Wohnungen werden schon aus Kapazitätsgründen der Bauwirtschaft Wunschvorstellungen bleiben – links-gelbe Versprechen, die schon bei der Ankündigung zum Scheitern verurteilt sind.
({1})
Bauen ist in Deutschland so teuer wie nie. Baumaterial ist knapp, und die Preise dafür sind drastisch gestiegen. Das stellt gerade Handwerksbetriebe bei der Abgabe von Angeboten vor enorme Herausforderungen. Wird das Angebot im Laufe des Baufortschritts überhaupt haltbar sein? Nicht wenige Betriebe bringt das in existenzielle Nöte. Und was machen die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag? Sie satteln munter unter dem Stichwort „klimaneutral“ auf die Kostenspirale obendrauf. Oder auf Deutsch: teuer, noch teurer, unbezahlbar. So sieht Ihre Baupolitik aus.
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Diese Politik führt dazu, dass noch weniger Menschen sich die eigenen vier Wände erarbeiten können oder durch privaten Wohnungsbau der Mietmarkt entlastet wird. Mit Regelungswut das Klima verändern zu wollen, wird vor allem an den Geldbeutel vieler Wähler gehen, die sich Ihre Wohnungs- und Baupolitik nicht leisten können.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Torsten Herbst das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erleben eine Premiere: Wir debattieren erstmals über den Etat des neuen Bauministeriums. Ich freue mich auf diese Debatte; denn wir können als Koalition konkret gestalten, und Sie sind als Opposition eingeladen, mitzuwirken.
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Wir haben einen neuen Haushalt, aber gleichzeitig Erblasten aus der alten Regierung, speziell aus dem CSU-geführten Innenministerium. Um im Bild zu bleiben, Herr Lange: Wir haben hier ein Haus, das erhebliche Statikfehler hat. Dafür tragen Sie die Verantwortung. Wir werden diese Statikfehler reparieren.
({1})
Viel Geld ist in Programmen gebunden, bei denen die Förderung nicht passgenau bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, bei denen zusätzlicher Eigentumserwerb nicht wirklich gefördert wird oder bei denen die Ausreichung der Fördermittel mit erheblichem Aufwand und Bürokratie verbunden ist. Ein Beispiel haben sie selbst genannt; das ist das Baukindergeld.
({2})
Über 20 Prozent, das heißt jeder fünfte Euro des Etats, fließen in Ausgaben für das Baukindergeld. Wenn wir 20 Prozent für das Baukindergeld ausgeben, müssten wir eine Bauoffensive erlebt haben wie noch nie in diesem Land. Aber ich habe den Eindruck: Es gibt einen großen Mitnahmeeffekt; es gibt keinen wirklichen Effekt im Sinne der Schaffung von neuem Wohnraum. Wir werden die Abfinanzierung sicherstellen, aber wir werden solche unsinnigen Programme nicht verlängern, liebe CDU/CSU.
({3})
Wir haben eine ganze Reihe von Herausforderungen im Baubereich vor uns. Es ist schon angesprochen worden: Ja, wir haben Wohnungsknappheit und hohe Mieten in Ballungsräumen. Aber – und das gehört auch dazu – wir haben auch Leerstand und Rückbaubedarf in ländlichen Regionen. Wir kämpfen mit der mangelnden Verfügbarkeit von Arbeitskräften und Baumaterialien und mit steigenden Baukosten. Wir haben auch zu wenige Wohnungseigentümer in diesem Land. Wir tragen im EU-Vergleich die rote Laterne. Das wollen wir ändern, meine Damen und Herren.
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Wohnen ist nicht irgendein Luxus, Wohnen ist ein existenzielles Bedürfnis. Deshalb wird es höchste Zeit, dass wir die Baupolitik der Realität anpassen – im Interesse der Mieter, im Interesse der Eigentümer, im Interesse der Bauherren, meine Damen und Herren.
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Deshalb sollten wir uns auch sehr bewusst sein, was unsere Entscheidungen für eine Wirkung haben. Wer das Bauen verteuert, verteuert auch die Mieten. Deshalb sollten wir bei neuen technischen Anforderungen vorsichtig sein, sie nicht ins Unermessliche steigern und Maß und Mitte halten, damit nicht nur Bauen, sondern auch Wohnen bezahlbar bleibt.
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Viele träumen von den eigenen vier Wänden. Das ist ein Traum, den wir unterstützen wollen. Denn egal ob man in Münster oder Meißen wohnt: Wohneigentum ist immer noch die beste Altersvorsorge.
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Und: Wir sollten den deutschen Wohnungsmarkt nicht ausschließlich durch die Brille der Ballungsräume betrachten; denn in vielen ländlichen Regionen haben wir erheblichen Leerstand, in vielen ostdeutschen Landkreisen von über 10 Prozent. Auch dort werden wir rückbauen und entwickeln müssen, damit diese Regionen attraktiv bleiben.
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Nicht alle können oder wollen in Ballungsräumen leben. Deshalb ist es genauso wichtig, dass wir die ländlichen Regionen attraktiv gestalten, dass wir sie gut anbinden – über die Straße, über den ÖPNV –, dass wir schnelles Internet in diese Regionen bringen und dass wir gute Angebote für Kultur, Bildung und Sport unterbreiten, damit die Lebensbedingungen in ganz Deutschland attraktiv sind.
Als Koalition, meine Damen und Herren, wollen wir dafür sorgen, dass mehr gebaut wird. Wir wollen dafür sorgen, dass Genehmigungen einfacher werden und dass sich mehr Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können.
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Was wollen wir dafür tun? Es geht darum, dass wir mehr Bauland und mehr Flächen ausweisen. Es geht darum, dass wir Baukosten senken durch Digitalisierung, Standardisierung und Entbürokratisierung. Es geht darum, Stadtentwicklung und Stadtumbau voranzutreiben. Und wir wollen zusätzliche Anreize für den Eigentumserwerb schaffen. Das ist das, was wir uns als Koalition gemeinsam vorgenommen haben.
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Mehr Wohnraum, meine Damen und Herren, schaffen wir nicht durch bestimmte Maßnahmen wie einen Mietpreisdeckel. Mehr Wohnraum schaffen wir dadurch, dass wir mehr und schneller bauen. Dem fühlen wir uns verpflichtet.
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Wir sind da als Bund nicht alleine unterwegs, sondern wir brauchen die Länder und Kommunen, beispielsweise wenn es um die Ausweisung von Bauland geht und auch beim sozialen Wohnungsbau.
Wir haben den Willen, die Entschlossenheit und die Ideen, die Baupolitik in diesem Land auf neue Füße zu stellen. Ich freue mich darauf. Ich wünsche uns eine erfolgreiche Debatte zum Bauetat.
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Das Wort hat Victor Perli für die Fraktion Die Linke.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahren explodieren die Mietpreise, auch Strom und Heizung werden immer teurer. Bezahlbarer Wohnraum ist in vielen Regionen Mangelware. Es gibt immer weniger Sozialwohnungen, inzwischen fehlen 5 Millionen. Das darf so nicht weitergehen. Das muss sich endlich ändern.
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Die Linke begrüßt deshalb, dass es ein neues Ministerium für Bauen und Wohnen gibt. SPD und Grüne hatten es 1998 abgeschafft; das war ein Fehler. Aber Sie haben jetzt die Chance verpasst, dieses neue Ministerium stark aufzustellen. Es fehlt an politischem Willen, und es fehlt an Kompetenzen. Das neue Ministerium ist zahnlos. Es ist für das Mietrecht überhaupt nicht zuständig. Die Zuständigkeit dafür liegt weiter beim Justizministerium, also ausgerechnet bei der FDP.
Im Koalitionsvertrag gibt es keine einzige neue Maßnahme, um explodierende Mietpreise zu stoppen: keine Mietpreisobergrenze, kein Mieterhöhungsstopp in angespannten Wohnlagen –
({1})
nichts von dem, was SPD und Grüne im Wahlkampf versprochen hatten.
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So wird das nichts, meine Damen und Herren.
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SPD, Grüne und FDP setzen einseitig auf das Mantra „Bauen, bauen, bauen“. Dabei verschweigen sie, dass Neubau zu teuren Mieten führt und lange dauert. In den letzten Jahren sind die Baupreise und die Bodenpreise massiv gestiegen. Wer einseitig auf Neubau setzt, der löst die Probleme nicht.
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Wer bezahlbare Mieten sichern will, der muss Wohnraum vor Profitmaximierung schützen.
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Das Ergebnis sehen wir auch im Haushalt. Weil die Mieten immer weiter steigen, müssen Bund, Länder und Kommunen auch mehr Geld fürs Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft bereitstellen. Mit öffentlichem Geld werden hier am Ende die Vermieter belohnt, die immer höhere Mieten verlangen. Deshalb fordert Die Linke einen Mietendeckel; denn der ist gut für die Mieter und gut für die Steuerzahler.
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Für den sozialen Wohnungsbau soll in den nächsten Jahren endlich mehr Geld ausgegeben werden. Aber das bleibt weit hinter dem zurück, was eigentlich notwendig wäre. Der Deutsche Mieterbund, die Stimme der Mieterinnen und Mieter, hat völlig recht, wenn er sagt: Die Mittel reichen nicht mal aus, um die Wohnungsbauziele aus dem Koalitionsvertrag zu erreichen. – Das Grundproblem bleibt: Jährlich fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue entstehen.
Der soziale Wohnungsbau der letzten Jahrzehnte ist heute die Beute der Miethaie. Um das zu ändern, braucht es nicht nur mehr Geld. Wir müssen dafür sorgen, dass Wohnungen, die mit öffentlichem Geld gefördert werden, nicht mehr nach ein paar Jahren aus der Preisbindung fallen. Wir dürfen nicht zulassen, dass Mieterinnen und Mieter verdrängt werden. Deshalb muss öffentliches Geld für dauerhaft öffentlichen und dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sorgen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Uwe Schmidt für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Moin, Kolleginnen und Kollegen! Etwa alle vier Tage schließt in Deutschland ein Hallen- oder Freibad, und zwar für immer. Eine Umfrage der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft hat ergeben, dass knapp 60 Prozent der älteren Grundschulkinder nicht schwimmen können. Ein kaputtes Schwimmbad darf dafür nicht der Grund sein. Das muss sich ändern. Fallen Orte wie diese weg, dann fehlen auch die Zentren der Gemeinschaft und des sozialen Zusammenhalts.
Mit dem Bundesprogramm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ greift der Bund den Kommunen helfend unter die Arme und unterstützt die Städte und Gemeinden beim Erhalt ihrer so wichtigen sozialen Infrastruktur. Seit 2015 konnten 290 Projekte bewilligt und mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro vom Bund gefördert werden. Die Projekte sind von besonderer regionaler und überregionaler Bedeutung. Diese Maßnahmen haben weitreichende Wirkung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Integration. Sie geben einen entscheidenden Impuls für die Stadtentwicklungspolitik und den Klimaschutz. Klimaneutral sanierte Einrichtungen stoßen auch weniger Emissionen aus.
Das Programm ist eine Erfolgsgeschichte von Nord bis Süd, in Ost und West. Darum ist es gut, dass im Haushaltsansatz für das Bundesprogramm erhebliche Mittel zur Verfügung stehen. Wir werden uns in den Haushaltsverhandlungen dafür weiter starkmachen. Und vielleicht geht da noch ein bisschen mehr; der Kollege Audretsch und der Kollege Herbst haben es ja eben angedeutet.
„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum“; so ist es in Artikel 11 des UN-Sozialpakts verbrieft. Wir unterstützen das mit dem neugeschaffenen Bundesbauministerium. Wir geben dem Bauen, dem Wohnen und der Stadtentwicklung wieder den Stellenwert, den sie verdienen.
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Mit einem gestärkten Ressort fokussieren wir uns darauf, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen. Bundesministerin Geywitz hat ihre klare Vorstellung zum sozialen Wohnungsbau gerade eben vorgetragen. Mit der Klimamilliarde denken wir Klimaschutz und bezahlbaren Wohnraum zusammen. Das ist der maßgebliche Ansatz der SPD-Bundestagsfraktion. Dafür danke ich Ihnen, Frau Bundesministerin.
({1})
Gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern stehen wir für eine Koalition des Fortschritts und erst recht im Bereich Bauen und Wohnen. Darum begrüße ich die Bauoffensive für 400 000 neue Wohnungen pro Jahr; ein Viertel davon öffentlich gefördert und damit mietpreisgebunden. Es muss doch in unserem Land möglich sein, dass junge Familien mit normalen Einkommen Wohneigentum erwerben können.
({2})
Eigentum ist im Übrigen immer noch die beste Absicherung, und das auch im Alter; der Kollege Herbst hat es ja auch schon gesagt. Dass kommerzielle Großprojektierer mit ihren Geschäftsmodellen zugunsten einiger weniger massiv subventioniert werden, damit müssen wir jetzt mal aufhören.
({3})
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, es mehr Menschen in Deutschland zu ermöglichen, im selbstgenutzten Wohneigentum zu wohnen. Wir werden dafür die Hürden senken, beispielsweise durch die Unterstützung mit eigenkapitalersetzenden Darlehen,
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Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Eigentumserwerb.
({5})
Dazu wollen wir KfW-Programme wie den Kauf von Genossenschaftsanteilen stärken und die Mittel erhöhen. Das müssen Sie mal nachlesen, nicht nur rumquaken.
Vor uns liegt ein Etat mit mehr als 4,9 Milliarden Euro Gesamtausgaben. „Sicherheit im Wandel“ bedeutet: bezahlbarer Wohnraum für Jung und Alt. Wir legen jetzt den Grundstein für das innovative Bauen der Zukunft. Für den sozialen Wohnungsbau stehen im Regierungsentwurf 750 Millionen Euro bereit. Das erhöhte Wohngeld statten wir mit 895 Millionen Euro aus. Auf die gestiegenen Energiepreise haben wir ja schon zügig reagiert und Entlastungen auf den Weg gebracht. Der einmalige Heizkostenzuschuss hilft rund 2,1 Millionen Bürgerinnen und Bürgern, davon rund 1,6 Millionen Wohngeldempfängern und ‑empfängerinnen.
({6})
Die Wohnungsbauprämie soll auf 180 Millionen Euro und das Baukindergeld sogar auf 995 Millionen Euro erhöht werden. Ich halte das für den richtigen Ansatz.
Den Bereich Stadtentwicklung wollen wir mit mehr als 1,1 Milliarden Euro fördern. Die Städte und Gemeinden sollen mit der Städtebauförderung bei der nachhaltigen Bewältigung des sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Wandels vom Bund unterstützt werden. 155 Millionen Euro stellen wir für Programme im Quartiersmanagement zur Verfügung und machen damit die Quartiere zu lebendigen Nachbarschaften.
Die Grundlagen sind im vorliegenden Haushaltsentwurf gelegt. Die Entlastung der Städte und Gemeinden haben wir im Blick. Wir werden in den Haushaltsberatungen mit Ihnen um die Entscheidungen ringen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch gute Beratung.
({7})
Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Mechthild Heil das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Geywitz, es ist gut und schön, dass es nun den Einzelplan 25 in dieser Legislaturperiode gibt. Aber eines haben Sie vergessen, liebe Frau Ministerin, hier zu erwähnen – die eine oder andere hier im Haus wird sich noch daran erinnern –: Das letzte selbstständige Bundesbauministerium wurde 1998 von der rot-grünen Koalition unter Gerhard Schröder aufgelöst.
({0})
Viele behaupteten damals, Deutschland sei fertig gebaut. Man sieht daran, dass Gerhard Schröder bei dieser Frage, wie bei vielen anderen Fragen, bis heute falsch liegt.
({1})
Der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum in Deutschland ist heute riesig, gerade – aber nicht nur – in den Ballungsgebieten. Die Ampelparteien haben das in ihrem Koalitionsvertrag auch festgestellt und sich wirklich große Ziele gesetzt. Sie haben gesagt: Wir wollen 400 000 Wohnungen in Deutschland bauen, davon natürlich auch 100 000 Sozialwohnungen. – Sehr ambitioniertes Ziel, kann ich nur sagen. Aber leider lassen weder der Koalitionsvertrag noch Ihr Geschäftsverteilungsplan noch dieser erste Haushaltsentwurf erkennen, wie Sie dieses Ziel nun wirklich erreichen wollen. Im Koalitionsvertrag findet sich leider außer wolkigen Worten nichts Konkretes.
({2})
Das neue Ministerium mit dem schönen Titel „Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen“ – schon der Name zeigt, dass Bauen von der Ampel gar nicht so wichtig genommen wird –
({3})
ist, wie mein Kollege Ulrich Lange sagte, ein Königreich ohne Land. Wichtige Kompetenzen sind bei den anderen Ministerien angesiedelt: im Wirtschafts- und Klimaministerium, im Justizministerium oder auch im Finanzministerium. Leider müssen wir feststellen: Dem ehrgeizigen Ziel von 400 000 neuen Wohnungen kommen Sie mit Ihrem wolkigen Koalitionsvertrag und auch mit dieser Geschäftsverteilung nicht viel näher.
Die Bundeswohnenministerin – das klingt zwar komisch, aber wir werden uns daran gewöhnen; denn Sie haben den Namen ja so gewählt – kann einem fast schon ein bisschen leidtun. Recht häufig wird sie in Zukunft darauf verweisen müssen:
({4})
Ich habe nichts damit zu tun; tut mir leid, das ist nicht mein Ressort. Wenden Sie sich bitte an die anderen Ministerien! Ich bin daran nicht schuld.
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Ich frage mich, ob die anderen Häuser die Verantwortung mit Ihnen teilen, wenn Sie, Frau Ministerin Geywitz, die beabsichtigten Zahlen an Neubauten nicht erreichen werden. Was wird Herr Habeck sagen? Was wird Herr Lindner sagen? Oder was wird Herr Buschmann als Justizminister dazu sagen? Wird er die Verantwortung für die nicht erreichten Ziele übernehmen? Ich bin gespannt.
Das neue Ministerium wird aber nicht nur im Koalitionsvertrag und bei den Kompetenzen kurzgehalten, sondern wir sehen heute: Es wird auch bei den Haushaltsmitteln kurzgehalten. Zwei Beispiele will ich Ihnen nennen.
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Fangen wir beim sozialen Wohnungsbau an. 100 000 neue Wohnungen, haben Sie gesagt, wollen Sie pro Jahr bauen, und natürlich sollen die möglichst klimafreundlich sein. Sehr gut, wunderbar! Das wären viermal so viele Wohnungen, wie in den letzten Jahren jedes Jahr gebaut wurden. Wir sehen auch eine Erhöhung der Mittel. Sehr gut! Aber wie Sie es auch drehen und wenden: Auf eine Vervierfachung der Mittel kommen Sie nicht.
Selbst wenn Sie auf eine Vervierfachung kämen – das hat ein Kollege eben schon angesprochen –: Wir haben steigende Baukosten, und Sie planen weitere Verschärfungen beim Klimaschutz. Das wird dazu führen, dass die Mittel nicht ausreichen. Sie brauchen mehr als eine Vervierfachung der Mittel. Aber davon finde ich nichts in Ihrem Haushaltsplan.
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Sie haben natürlich noch einen Ausweg. Auch den finden wir nicht; aber Sie kommunizieren ja auch nicht mit den Ländern. Ihr Ausweg könnte sein: Sie geben die Aufgabe dahin, wo sie hingehört, nämlich an die Länder, und sagen: Es ist eure Aufgabe. Stellt ihr die Mittel zur Verfügung! – Aber das haben Sie bislang nicht gesagt. Ich bin gespannt, ob Sie es in Zukunft sagen. Wenn, dann wäre Ihr Koalitionsvertrag auch in diesem Punkt ein Vertrag zulasten Dritter.
Thema zwei: Städtebauförderung. Seit einigen Jahren sieht der Bundeshaushalt bei steigenden Preisen dafür die gleiche Summe vor – Frau Geywitz, Sie haben es erwähnt –: 790 Millionen Euro. Das ist kein Ruhmesblatt, mit dem Sie sich schmücken können. 2021 hatte Olaf Scholz, damals Bundesfinanzminister, nämlich eine Erhöhung dieser Mittel verhindert. Und das, obwohl wir zum Beispiel gesagt haben: Wir brauchen ein Brachflächensanierungsprogramm.
({8})
Das wollten wir; aber es gab keine weiteren Mittel dafür.
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Für 2022 möchte Olaf Scholz als Bundeskanzler jetzt offenbar auch seiner vertrauten Bundeswohnenministerin keine Erhöhung der Mittel für diesen wichtigen Aufgabenbereich zugestehen.
Ich könnte diese Aufzählung bis ins Unendliche fortsetzen, und das Bild würde sich nicht ändern. Das neue Ministerium ist leider – das muss ich sagen – ein Etikettenschwindel, und mit diesem Haushalt werden Sie Ihre Ziele, die Sie verkündet haben, niemals erreichen. Wenn Sie nicht erheblich nacharbeiten, ist es offensichtlich, dass Sie Ihre Ziele aufgeben, noch bevor Sie mit der Arbeit angefangen haben. Sie bauen im Moment Luftschlösser.
({10})
Ich glaube, ehrlich gesagt, die Menschen in Deutschland haben von Ihnen etwas anderes erwartet, und Sie haben auch etwas anderes vorgestellt.
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Ich hoffe, Sie liefern noch; aber mit diesem Haushalt tun Sie das nicht.
Danke schön.
({12})
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Kassem Taher Saleh das Wort.
({0})
Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Heil, ich kann hier leider keinen Punkt erwähnen, zu dem ich Sie inhaltlich angreifen kann; denn Sie haben zum Inhalt überhaupt nichts gesagt.
({0})
Wir alle wollen ein schönes, bezahlbares und lebenswertes Zuhause, gerade auch im Homeoffice und in der Quarantäne. Bis zum 24. Februar dieses Jahres ging es darum, wie wir es schaffen, bezahlbares Wohnen mit den Klimazielen in Einklang zu bringen. Jetzt, in der aktuellen Zeitenwende, geht es auch darum, dass wir so wohnen und leben, dass wir von Putins fossilen Energien unabhängig werden.
({1})
Die Krisen dringen leider bis in unser warmes Wohnzimmer vor, wenn wir überhaupt eins haben. Wir befinden uns in einer Zeitenwende; darauf muss jetzt auch eine Bauwende folgen. Frau Heil, ich sage Ihnen hier ganz klar: Die Bauwende wird kommen.
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Diese Bauwende will finanziert werden; dafür stehen wir Bündnisgrüne; dafür steht die Koalition. Die Mieten steigen ins Unermessliche, und gleichzeitig sinkt der Sozialwohnungsbestand in den Keller, vor allem auch in Ostdeutschland. Leidtragende dieses immer größer werdenden Abgrunds sind Menschen mit Wohnberechtigungsschein. Hier investieren wir 2 Milliarden Euro für dieses Jahr und insgesamt 14,5 Milliarden Euro bis 2026. Das ist ein erster Vorgeschmack auf das, was wir uns in der Ampelkoalition vorgenommen haben. Denn jeder Euro, den wir jetzt investieren, muss ein sozial-ökologischer Euro sein.
({3})
Dabei müssen wir uns auch immer bewusst sein, dass wir momentan in einer Materialkrise sind. Putins Angriffskrieg sorgt für Lieferengpässe von Baumaterialien und abermals enorme Preissteigerungen. Wie es bereits in der Energiewirtschaft geplant ist, müssen wir auch in der Bauwirtschaft unabhängiger von Rohstoff- und Materiallieferungen werden. Die Lösungen sind Recycling, Urban Mining, also das Bauen aus dem Bestand, und der Umstieg auf regional verfügbare Baustoffe wie Holz, Stroh oder Lehm. Das konkret sind die Zutaten für eine sozial-ökologische Bauwende.
({4})
Dafür haben wir im Koalitionsvertrag auch eine nationale Holzbaustrategie als wichtigen Baustein für eine klimagerechte Neubauoffensive verankert. Diese Strategie soll im Haushalt substanziell untersetzt werden.
An anderer Stelle sind wir besser ausgestattet denn je: Bis 2025 investieren wir dreimal so viel in energieeffiziente Gebäude wie bisher eingeplant. Denn hier können wir die meisten Heizkosten sparen, das Klima bestmöglich schützen und zukunftsgerecht bauen. Dass das alles bisher nicht umgesetzt werden konnte, liegt allein an einer Fraktion in diesem Haus, und das ist die CDU/CSU-Fraktion.
({5})
Jetzt ist unsere Chance, um so schnell wie möglich die Gebäude in den Blick zu nehmen, die am schlechtesten gedämmt sind; denn diese haben im letzten Jahr wieder am meisten dazu beigetragen, dass der Gebäudesektor seine Klimaziele abermals haushoch verfehlt hat.
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Das darf uns nicht noch einmal passieren,
({7})
und genau deshalb brauchen wir jetzt dringend eine sozial-ökologische Bauwende.
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Aber das geschieht nicht von allein.
Kollege, setzen Sie bitte einen Punkt.
Deshalb muss die Bauwende angemessen in diesen Haushalt eingepreist werden.
Vielen Dank.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Beckamp für die AfD-Fraktion.
({0})
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Diese Regierung behauptet, sie sehe es als „Zeichen des Respekts, dass diejenigen, die hart arbeiten, gut davon leben und auch gut davon wohnen können“. So sagte es Frau Ministerin Geywitz kürzlich hier im Hause. Frau Ministerin, wenn Sie so etwas sagen, dann schwindeln Sie. Sie tun nämlich alles, damit genau das nicht so ist. Sie sagen zum Beispiel, jedes Jahr sollten 400 000 neue Wohnungen gebaut werden, 100 000 davon im sozialen Wohnungsbau; dadurch werde Wohnen wieder für mehr Menschen bezahlbar. Aber das stimmt jetzt schon nicht und wird auch in Zukunft nicht stimmen, und Sie wissen das. Weder werden so viele Wohnungen gebaut, noch bessert sich etwas für die vielen Wohnungssucher. Und Sie sagen: Wohnen soll kein Luxus für wenige, sondern Lebensgrundlage für alle sein. – Aber Sie verschweigen dabei den Zielkonflikt zwischen bezahlbarem Wohnen und milliardenschweren Klimaschutzmaßnahmen. Auch das also ein Wunschtraum – jedenfalls wenn es bezahlbar sein soll.
({0})
Aber schauen wir uns an, was diese Regierung im Bereich Wohnungspolitik konkret vorhat. Schwerpunkt der Politik und auch der finanziellen Mittel ist hier vor allem das Wohngeld mit 895 Millionen Euro. Wohngeld wird anteilig je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern geleistet, damit einkommensschwächere Haushalte oberhalb der Grundsicherung die Wohnkosten für angemessenen Wohnraum tragen können.
Ein weiterer Schwerpunkt sind die gut 2 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau als Unterstützung für die Bundesländer. Mit diesen Mitteln soll die Wohnraumversorgung der Haushalte unterstützt werden, die sich am Markt eben nicht angemessen versorgen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Diese Regierung und die Länder setzen also viele Milliarden für einen Zuschuss zur Miete und vergünstigte Wohnungen ein. Die Idee dahinter ist jedes Mal das Gleiche: bezahlbarer Wohnraum. Die Millionen Menschen in unserem Land, die über den Einkommensgrenzen für Wohngeld und Sozialwohnungen liegen, haben davon natürlich nichts. Und das sind die allermeisten.
Aber – und diese Frage stellt hier niemand, zu keiner Zeit – was sind denn die Ursachen dafür, dass gerade in den Städten Wohnraum für die meisten Geldbeutel knapp ist und bleibt? Warum fehlt so viel Wohnraum für Mieter, vor allem günstiger Wohnraum; denn darauf kommt es für die meisten Menschen an? Nun, in einer Antwort dieser Regierung auf eine ausdrückliche AfD-Anfrage zu Umfang und Ursachen der Wohnungsknappheit heißt es hierzu ganz allgemein – Zitat –: Zudem haben Bevölkerungszuwächse in Metropolen,
({1})
Großstädten und Universitätsstädten zur Wohnraumverknappung der letzten Jahre beigetragen.
({2})
Sie sind eine Folge der Urbanisierung. – Also, es gibt zu wenig Wohnraum in vielen Städten, weil dort zu viele Leute nach Wohnraum nachfragen – interessante Erkenntnis.
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– Sie murmeln in sich hinein. Sie wussten das schon – interessant. – Dann frage ich Sie: Wer fragt denn da nach? Wer ist das denn? Wie viele Leute sind das denn? Und wieso fragen sie dort nach? Antworten dieser Bundesregierung: Fehlanzeige.
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Diese Regierung tut, was sie kann, um zu verbergen, dass sie nicht kann, was sie tut.
({5})
Anders ausgedrückt: Diese Regierung schafft es, bei der Nachfrage nach den Ursachen der Wohnungsknappheit und steigenden Mietpreisen an vielen Orten unseres Landes nicht ein Mal den Begriff „Einwanderung“ zu benutzen.
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Diese Regierung lebt offensichtlich in einer Li-La-Laune-Regenbogenwelt, wo Sie alle schon sind – Willkommen!
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Und wenn Sie jetzt wieder hier – genau das erleben wir ja gerade; ich glaube, Sie nennen das Hass und Hetze;
({8})
diesmal kommt das von Ihrer Seite – Ihre üblichen Reflexe ausleben, Rassismus usw. bla, bla, bla, dann bleiben Sie doch die Antwort schuldig: Warum gibt es in unserem Land für immer weniger Menschen bezahlbaren Wohnraum?
({9})
Und was hat die Einwanderung damit zu tun? Erklären Sie das den Leuten doch mal! Denn Sie, Sie alle, haben diese Einwanderung, eine der wesentlichen Ursachen für den fehlenden Wohnraum, zugelassen und gefördert, und Sie sind damit selbst Verursacher dieser sozialen Frage.
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Jemand macht Ihnen einen Strich durch Ihre Wohnungspolitik, und das sind Sie selbst. Aber das sehen Sie nicht, und Sie wollen es auch nicht sehen, ganz nach dem Motto: Migration findet bei mir vor der Haustür nicht statt, also ist sie auch kein Problem.
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Aber woanders leben die Menschen nicht in so einer bornierten Idylle wie diese Regierung. Woanders findet diese Migration statt und wird mit Wohnraum versorgt.
({12})
Beispiele? 750 Wohnungen wurden etwa im Hamburger Bezirk Bergedorf, Am Mittleren Landweg, für zunächst 2 500 sogenannte Flüchtlinge auf Steuerzahlerkosten aus dem Boden gestampft.
Ein Neubau, der in Ingolstadt im Rahmen eines Wohnprojektes für angeblich minderjährige Flüchtlinge errichtet wurde, ist nach zwei Jahren ein Fall für eine vollumfängliche Sanierung. Die in Erstbezug übergebenen und voll möblierten Wohnungen müssen laut eines Berichtes des „Donaukuriers“ komplett saniert werden.
In Norderstedt – ich glaube, SPD-regiert – hatte das dortige Sozialdezernat eine für 25 Millionen Euro geplante nigelnagelneue 2 200 Quadratmeter große Wohnanlage erst einmal nur für Neubürger vorgesehen. In dem Wohnkomplex sollten unter anderem 18 Singleunterkünfte entstehen, um bisherigen – Zitat – „Konflikterfahrungen“ aus dem Wege zu gehen. Wie schön für alle Beteiligten!
An der Sandstraße in Leverkusen – ich war persönlich da – investierte die Stadt über 18 Millionen Euro in moderne Neubauten für 450 sogenannte Flüchtlinge – usw. usw; das ließe sich beliebig fortsetzen für jede deutsche Stadt.
({13})
Dazu passt auch – ich komme ganz konkret zum Haushalt zurück –
({14})
das Förderprogramm „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“ für Privathaushalte von Menschen, die schon länger hier leben, in Höhe von 35 Millionen Euro, ebenfalls im Haushalt des Ministeriums. Dieses Förderprogramm gibt es übrigens seit November 2015. Zeitliche Zusammenhänge mit anderen Ereignissen damals sind rein zufällig.
({15})
Es bleibt festzuhalten: Viele Wohnungen fehlen. Sie fehlen für Einheimische, egal ob Deutsche, Türken, Polen, Italiener oder sonst wen.
({16})
Und diese Leute, die selbst für ihre Miete aufkommen, nämlich durch ihrer Hände Arbeit, sehen sich immer weniger in der Lage, bezahlbare Wohnungen zu erhalten. Sie sind die Dummen, die die Wohnungen anderer finanzieren und selbst nicht darin wohnen können.
({17})
Sie erinnern sich an Ihre Schwindelei, Frau Ministerin. Sie alle hier – und damit meine ich wirklich alle, Sie ganz besonders natürlich – haben das zugelassen und sogar gefördert. Zuerst kamen die Fachkräfte, dann die Ortskräfte und zuletzt die afrikanischen Studenten aus der Ukraine. Das Einzige, was Sie hier davon mitkriegen, ist, dass die Lichterkette vor der Altbauwohnung ein bisschen heller leuchtet. Wie schön für Sie! Aber Ihr Handeln ist zutiefst unmoralisch. Es nennt sich Inländerfeindlichkeit.
({18})
Mit Blick auf die aktuelle Lage wird noch einmal deutlicher, dass wir millionenfach die Falschen ins Land gelassen haben. Es sind bereits mindestens 300 000 wirkliche Flüchtlinge aus der Ukraine bei uns, die wir gerne aufnehmen, und auch noch mehr – für Schutz auf Zeit. „Frauen und Kinder aus der Ukraine“, merken Sie was? „Frauen und Kinder“ und nicht „wehrfähige Männer aus Pakistan, Nigeria und Tunesien“.
({19})
Ein guter alter Brauch bei vielen Völkern lautet: Frauen und Kinder zuerst. – Ich darf freundlich darauf hinweisen: Die Politik, die wir wollen, nennt man inländerfreundlich.
Vielen Dank.
({20})
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Hagen Reinhold das Wort.
({0})
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um auf den Beckamp-Unsinn und die Hetze einzugehen, fehlt mir jetzt die Redezeit. Daher ignoriere ich das.
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Die Leitlinien und Herausforderungen im Haushalt haben die Ministerin und die Vorredner schon dargestellt. Erlauben Sie mir als Maurermeister, das jetzt nach meinem Bauingenieurskollegen einem Praxischeck zu unterziehen. Tatsächlich gibt es mehr als genug Probleme: Aktuell sind es Lieferengpässe, verursacht nicht nur durch die Coronazeit und abgerissene Lieferketten, es gibt Preissteigerungen beim Baumaterial schon seit vielen Monaten, und jetzt kommt dieser schreckliche Ukrainekonflikt dazu. Er verdeutlicht uns immer mehr die Abhängigkeit von ausländischen Rohstoffen.
Die Lösungen dafür – die Probleme bestehen ja nicht erst seit drei Wochen – finden sich Gott sei Dank schon im Koalitionsvertrag einer Fortschrittskoalition, die schon erkannt hat, dass es richtig ist, regionale Produkte und Baumaterialien zu verwenden, die recycelbar, leicht demontierbar sind, und einen Gebäuderessourcenpass einzuführen, der aufzeigt, welche Materialien enthalten sind. Das sind die Lösungen, die schon im Koalitionsvertrag stehen und jetzt wichtiger denn je sind.
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Ich will Ihnen das an einem Beispiel kurz aufzeigen. Über Holz rede ich gar nicht; den Mangel an Holz haben wir in den letzten Monaten schon diskutiert. Wir brauchen 4,1 Millionen Tonnen Bitumen in Deutschland, davon mehr als 30 Prozent aus russischem Öl, das meiste von russischen Firmen. Das brauchen wir sowohl für Straßenbauprojekte als auch für die Abdichtung jedes einzelnen Hauses. Deshalb ist es wichtig, dass wir von der Abhängigkeit loskommen. Dafür braucht es einen Notfallplan für Baumaterialien, und das in zweierlei Hinsicht: Er muss im Haushalt hinterlegt sein, und zwar nicht nur im Haushalt der Ministerin, sondern darüber hinaus auch im EKF. Wir haben etwa 30 Millionen Euro für einen Leitmarkt „Grüner Stahl“, etwa 100 Millionen Euro für Anpassungen urbaner Räume an den Klimawandel, 30 Millionen Euro für neue Konstruktionstechniken und Werkstoffe für eine emissionsfreie Industrie, etwa 40 Millionen Euro für Ressourceneffizienz, Forschung und Entwicklung im Baubereich vorgesehen. Wir haben internationale Rohstoffpartnerschaften mit über 95,5 Millionen Euro – 10 Millionen Euro mehr als vorher – hinterlegt sowie 120 Millionen Euro für CO2-Vermeidung. Richtig und wichtig! Richtig im Haushalt adressiert; dauert aber eine Weile, bis es umgesetzt wird.
Deshalb will ich unser Augenmerk auf Folgendes lenken. Wir haben das DIBt. Das ist die Zulassungsbehörde für neue Baumaterialien – vielen Baumaterialien gelingt erst jetzt mit der Preissteigerung der Markteintritt –; das ist ein Institut der Länder und des Bundes. Es muss jetzt schnell eruieren: Was ist ein Baumaterial, das helfen kann, Lieferengpässe zu vermeiden? Dann müssen wir dieses neue Material einführen. Und: Wo haben wir gerade da, wo noch Fossile in den Materialien stecken – Stichwort „Dämmung“ und vieles andere mehr –, Ersatzstoffe, die nur darauf warten, zugelassen zu werden? Viele warten viele Jahre darauf. Das können wir uns heutzutage gar nicht mehr leisten. Wir brauchen jetzt einen Schub an neuen Baumaterialien, selbstverständlich auch bei der Zulassung, übrigens das auch schon adressiert im Koalitionsvertrag der Fortschrittskoalition, den wir formuliert haben.
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Wenn wir das machen, verhindern wir, dass in den nächsten Monaten der Praxischeck zu einem harten Urteil führt und dass wir feststellen müssen: Auf den Baustellen werden wir unsere Ziele gar nicht erreichen können, weil uns die wichtigen Baumaterialien dafür fehlen. – Deshalb braucht es jetzt schnelle Zulassungsverfahren von neuen Materialien: nachhaltig, ressourcenschonend, regional. Das bedeutet auch: Viele von uns müssen sich umgucken, wenn sie in den Landkreisen demnächst zum Beispiel über Gipsabbau in Deutschland diskutieren. Ich weiß: Das ist hart, aber es tut not. Sonst werden wir an unseren Zielen scheitern.
Wie wichtig es ist, nachhaltig zu werden, das haben alle spätestens vor drei Wochen erkannt. Es freut mich, dass viele diesen Weg mitgehen wollen und den Koalitionsvertrag unabhängig von ihrer Farbe eigentlich mit unterschreiben müssten.
Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ungebrochener Mietenwahnsinn, anhaltende Wohnungsnot, zusätzlicher Bedarf an bezahlbaren Wohnungen durch ukrainische Geflüchtete, massiv steigende Strom- und Heizkosten, notwendige Investitionen in den Klimaschutz: Da braut sich eine explosive Mischung auf dem Wohnungsmarkt zusammen. Aber der vorliegende Haushaltsentwurf ist nicht geeignet, diesen Herausforderungen gerecht zu werden.
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100 000 Sozialwohnungen sollen im Jahr entstehen. Schön wäre es! Aber zur Wahrheit gehört, dass im vorliegenden Haushaltsentwurf gerade einmal 2 Milliarden Euro stehen. Das sind übrigens genau die 2 Milliarden Euro, die die GroKo schon im August letzten Jahres vorgesehen hatte.
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Das verkaufen Sie uns heute zum zweiten Mal. Das als großen Verhandlungserfolg der Ampel zu präsentieren, so geht es nicht.
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Aber angenommen, dass diese 14 Milliarden Euro innerhalb von fünf Jahren tatsächlich kommen würden – das würde etwa 2,9 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten –, wäre das natürlich viel zu wenig, um davon 100 000 Sozialwohnungen zu bauen. Meine Damen und Herren, das wissen Sie, glaube ich, auch selbst. Da ist noch nicht mit eingerechnet, dass jedes Jahr deutlich mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen, als neue hinzugebaut werden können. Das bedeutete am Ende der letzten Legislatur unter dem Strich ein Minus von 140 000 Sozialwohnungen. Sie können wirklich froh sein, wenn wir am Ende dieser Legislaturperiode bei null herauskommen.
Dass es auch anders geht, beweist die Ampel selbst: 100 Milliarden Euro Sondervermögen für Aufrüstung. Also da ist das Geld plötzlich da. Davon ließen sich 2,5 Millionen Sozialwohnungen bauen. Meine Damen und Herren, Sie setzen die falschen Prioritäten.
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Wir als Linke fordern 10 Milliarden Euro jährlich für den sozialen Wohnungsbau. Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung – das muss in Zukunft gelten. Das erreichen wir eben nur mit einem neuen gemeinnützigen Wohnungsbau. Davon lese ich zwar im Koalitionsvertrag, aber leider nicht im Haushaltsentwurf. Das muss sich dringend ändern; denn ansonsten wird es nichts mit einer sozialen Wohnungspolitik.
Vielen Dank.
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Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Verena Hubertz.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bezahlbares Wohnen ist eine der sozialen Fragen unserer Zeit. Deswegen ist es ein wichtiges Zeichen, dass wir nach 1998 endlich wieder das Bauministerium geschaffen haben.
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Liebe Frau Ministerin, mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf packen Sie und wir die wichtige Aufgabe gemeinsam an. 400 000 Wohnungen pro Jahr wollen wir bauen, davon 100 000 Wohnungen als sozial geförderten Wohnraum. Damit schaffen wir ein Angebot auf dem so angespannten Wohnungsmarkt. Es braucht dafür Geld und Investitionen. 14,5 Milliarden Euro werden wir von 2022 bis 2026 für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen. Damit – das kann man hier auch mal ganz deutlich sagen – haben wir die Mittel im Vergleich zur Vorgängerregierung fast verdreifacht.
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Aber es geht natürlich nicht nur um Geld. Das ist zwar schön, aber wir müssen ja auch zum Bauen kommen. Deswegen ist eine der ganz wichtigen Aufgaben im Koalitionsvertrag die Planungsbeschleunigung: Wie bauen wir Bürokratie ab? Wie geht das Ganze auch schneller? Wie beschreiten wir bei der Verwaltungsmodernisierung auch digitale Wege, um schneller zu den Wohnungen und allen Bauprojekten in diesem Land zu gelangen? – Da haben wir ein ganz wichtiges Mittel, und zwar das sogenannte BIM – Building Information Modeling –, das es ermöglicht, dass mit Standards vernetzt gleichzeitig gearbeitet werden kann und dass somit eben nicht alles schwerfällig und nacheinander abläuft. So können wir das Thema schnell auf die Strecke bringen.
„Schnell“ ist auch mein zweiter Stichpunkt. Es geht um schnelles Bauen – das wird ja schon gut erprobt –, um serielles modulares Bauen. Da kann man auch mal einen Blick auf die Automobilindustrie werfen. Da können Dinge vorgefertigt werden, die dann an der Baustelle schneller zusammengepackt werden.
Natürlich sehen wir auch einiges an Innovationen in der Baubranche. Man muss sich nur einmal Roboter anschauen, die mit zum Einsatz kommen, oder auch Materialien, die wir angesprochen haben. Welche Materialien – neben Holz – verbauen wir in der Zukunft? Es gibt ganz viel Forschung nicht nur hin zu klimaneutralen, sondern auch hin zu klimanegativen Materialien. Das sorgt auch ein Stück weit für Entlastung und weniger Abhängigkeit von globalen Lieferketten.
Wenn wir über Innovationen am Bau reden, dann geht das natürlich nicht, ohne hier einmal den 3-D-Drucker zu erwähnen. Da wird tatsächlich mit Zement im richtigen Moment vor Ort ganz konkret das passende Teil geschaffen. Deswegen – das ist mir ganz wichtig – ist dieses Ministerium auch ein Transformationsministerium. Wir werden und wollen neue Wege gehen.
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Es geht um klima- und sozialgerechtes Bauen. Das ist ein „und“: Das eine sind die Mietkosten, das andere sind die Nebenkosten. – Wir haben hier in der vergangenen Woche gemeinsam den Heizkostenzuschuss auf den Weg gebracht. Das hilft kurzfristig; aber wir brauchen mittel- und langfristig natürlich weitere Entlastungen. Da geht es darum, wie wir eigentlich bauen und zu welcher Gesamtenergiebilanz wir kommen. Gerade wenn man sich die CO2-Bilanz des Gebäudesektors anschaut, sieht man, dass wir bei rund einem Drittel der CO2-Emissionen sind. Deswegen haben wir in diesem Haus einen wichtigen Schwerpunkt auf klimaneutrales Bauen und Sanieren gelegt. Wir werden gezielt auf vernetzte Ansätze setzen, also auf Quartiersansätze und vernetzte Städte. Das ist eine Lösung und ein Baustein raus aus der Abhängigkeit hin zu den Erneuerbaren.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Herausforderung, die wir so nicht vorgesehen haben, sind natürlich all die Menschen, die gerade vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Viele Ehrenamtliche in diesem Land, gemeinsam mit den Kommunen, öffnen ihre Türen und Tore. Es ist ganz wichtig, dass wir als Politik, als Bundespolitik, hier weiter unterstützend dabei sind und Mittel für den Umbau, für den Aufbau und für die Schaffung von Gebäuden zur Verfügung stellen.
Der Entwurf des Bundeshaushaltes bildet und bietet eine gute Grundlage dafür, all das zu schaffen, was wir uns vorgenommen haben. Das geht aber nicht nur mit Geld, sondern dazu braucht es auch eine gemeinsame Kraftanstrengung. Liebe Frau Ministerin, dass Sie ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum einsetzen, ist genau der richtige Weg, um alle Akteure an einen Tisch zu bringen. Wir packen das gemeinsam an, und darauf freue ich mich mit allen gemeinsam auch sehr.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat Dr. Jan-Marco Luczak das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in der Haushaltswoche und sprechen hier und heute über den Einzelplan 25, in dem es um das Bauen und das Wohnen geht. Das ist ein existenzielles Thema. Mir ist ganz wichtig: Es geht hier nicht alleine um die drögen Zahlen, es geht nicht darum, mathematisch zu analysieren, welche Titel und welche Etatansätze es im Haushaltsplan gibt, sondern es geht darum, dass ein Haushaltsplan auch immer in Zahlen geronnene Politik ist. Da wird es jetzt spannend. Hier kommt es nämlich darauf an und hier kann man ablesen, wie ernst es die Ampel mit all den schönen Dingen meint, die im Koalitionsvertrag formuliert sind. Da kann man auch ablesen, wie die Durchsetzungskraft einer Ministerin und ihrer beiden Parlamentarischen Staatssekretäre ist. Da muss man dann schon sagen: Da klaffen Anspruch und Wirklichkeit doch erheblich auseinander, meine Damen und Herren.
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Schauen wir uns doch mal an, was eigentlich als Erstes passiert ist. Als Erstes haben Sie für einen abrupten KfW-Förderstopp gesorgt. Damit haben Sie all das, was Sie sich vorgenommen haben – beim Neubau, bei der Bezahlbarkeit des Wohnens, beim Klimaschutz –, torpediert, und vor allen Dingen haben Sie vielen Tausenden Menschen, darunter jungen Familien, die sich eigene vier Wände schaffen wollen, von heute auf morgen den Boden unter den Füßen weggezogen. Das war Ihre erste zentrale Maßnahme, und das war ein großer, großer strategischer Fehler.
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Sie haben damit wirklich massiv Vertrauen zerstört. Dann gab es öffentlichen Druck. Natürlich gab es da öffentlichen Druck – erheblichen öffentlichen Druck. Sie haben dann auch eine Kehrtwende oder zumindest eine halbe Kehrtwende vollzogen. Sie haben dann gesagt: Na gut, wir setzen die Förderung doch irgendwie fort. – Das ist jetzt zwei Monate her. Aber was ist seitdem denn eigentlich passiert? 1 Milliarde Euro soll es ja bis zum Jahresende befristet geben. Das kann man bis heute nicht beantragen. Sie haben gesagt, es gibt ein Anschlussprogramm. Was denn für ein Anschlussprogramm? Es gibt bislang keine Position dazu. Es gibt keine Eckpunkte. Nichts gibt es dazu. Sie wissen ganz genau, dass man lange Vorlaufzeiten braucht, wenn man hier plant. Deswegen ist das, was Sie dort gemacht haben – Sie haben das Vertrauen zerstört –, so ein elementarer Fehler gewesen. Das wird Ihnen nachhängen, und das wird Ihnen auch Ihre Bilanz verhageln; das kann ich jetzt schon sagen.
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Jetzt kommt noch ein Punkt hinzu, den ich hier schon noch herausarbeiten will. Sie haben beim EH-55-Programm als zentrales Argument verwendet: Das wird doch heute sowieso gebaut; das ist doch Marktstandard. – Jetzt schaue ich mir mal an, worauf sich die Ministerin mit den Ländern in der Verwaltungsvereinbarung geeinigt hat, wo es darum geht, den sozialen Wohnungsbau klimagerecht zu gestalten. Da soll es 1 Milliarde Euro geben. Sie haben mit den Ländern vereinbart, dass es beim Neubau eine Förderung vom Bund gibt, wenn der EH-55-Standard eingehalten wird. Das verstehe ich jetzt irgendwie nicht ganz. Wenn Sie auf der einen Seite argumentieren, dass das doch alles Marktstandard ist und man das sowieso so baut, und auf der anderen Seite den Ländern jetzt Geld dazugeben wollen, dann passt das doch nicht zusammen; das ist widersprüchlich. Sie haben hier riesige strategische Fehler gemacht, und die kaschieren Sie jetzt an der Stelle. Das passt nicht zusammen, und das werden wir aufdecken, auch in diesem Haushalt.
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Auch wenn es um die Bezahlbarkeit des Wohnens geht – das habe ich gerade schon gesagt –, war die KfW-Förderung ganz zentral. Sie haben gesagt, Sie wollen 400 000 neue Wohnungen bauen. Wir werden am Ende mit Blick auf die Flüchtlinge, die zu uns kommen, wahrscheinlich mehr Wohnungen brauchen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir nicht nur die Zahlen erreichen, sondern dass wir natürlich auch schauen, wo diese Wohnungen denn entstehen; es ist ja ein Allokationsproblem. Wir müssen vor allen Dingen auch schauen, welche Wohnungen entstehen. Es müssen am Ende bezahlbare Wohnungen sein.
Wenn man dann aber einmal den Realitätscheck macht, was eigentlich im Koalitionsvertrag steht, dann findet man darin vor allen Dingen Kostentreiber. Sie finden vor allen Dingen, dass Standards hochgesetzt werden. Sie wollen an vielen Stellen weitere Bauvorschriften auf den Weg bringen, die das Bauen und am Ende auch das Mieten teuer machen. Damit machen Sie genau das Gegenteil von dem, was jetzt eigentlich notwendig wäre: Wir bräuchten eigentlich ein radikales Entschlackungsprogramm, um die gewaltigen Herausforderungen beim bezahlbaren Neubau stemmen zu können. In Ihrem Koalitionsvertrag und im vorliegenden Haushalt findet sich nichts dazu. Das ist eine falsche Weichenstellung.
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Ich will noch einen Punkt erwähnen, der uns als Union besonders wichtig ist und der – so hatte ich es zumindest in der Vergangenheit verstanden – auch der FDP wichtig ist, nämlich das Thema Eigentumsförderung. Im Koalitionsvertrag findet sich dazu eine ganze Reihe von Punkten: Es geht um eigenkapitalersetzende Darlehen, Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer, Tilgungszuschüsse, Zinsverbilligungen. – Das sind alles wohlklingende Worte. Wir als Union finden das auch richtig; denn vier von fünf Menschen in Deutschland wollen in den eigenen vier Wänden wohnen. Das ist auch richtig, weil das gesamtgesellschaftlich positive Effekte hat, weil das Schutz vor steigenden Mieten bietet und weil das auch für die Altersvorsorge gut ist.
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Jetzt frage ich Sie mal, Herr Daldrup: Sie haben das in den Koalitionsvertrag geschrieben, aber im Haushaltsentwurf findet sich von allen diesen Punkten nichts,
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kein einziger Haushaltsansatz zu eigenkapitalersetzenden Darlehen oder zu Freibeträgen; nichts findet sich dazu.
Das Einzige, wozu sich etwas findet: 1 Milliarde Euro für das Baukindergeld. Dazu haben wir aber gerade von den Kolleginnen und Kollegen der Ampel gehört: Das finden sie alles furchtbar, das wollen sie am Ende einfach nicht. – Das ist das, was wir als Große Koalition noch auf den Weg gebracht haben: Wir haben über 300 000 Familien auf dem Weg in die eigenen vier Wände geholfen. – Das ist das Einzige, was Sie betreffend das Wohneigentum fortführen, und zwar weil Sie es fortführen müssen, nicht weil Sie es fortführen wollen; das haben Ihre Redner gerade deutlich gemacht. Ich muss sagen: Damit fügen Sie den Menschen in unserem Land, die in die eigenen vier Wände streben, einen Tort zu. Das ist keine vernünftige Haushaltspolitik, die Sie an dieser Stelle machen.
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Auch die FDP – Herr Herbst, Sie haben es gesagt – tritt für das Eigentum ein.
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Man muss schon sagen: Sie sind offensichtlich nur bei einer Sache durchsetzungsstark, nämlich wenn es um Corona geht. Da haben Sie die Ampel tatsächlich am Nasenring durch die Manege geführt. Aber wenn es darum geht, Eigentum zu fördern, wenn es darum geht, junge Familien in die eigenen vier Wände zu bringen, –
Herr Kollege.
– dann sind Sie in der Ampel ein Totalausfall.
Vielen herzlichen Dank.
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Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Anja Liebert das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Putins brutaler Angriffskrieg ist eine Zäsur und eine Zeitenwende. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das Leid der Menschen macht uns fassungslos. Wir sehen zerstörte Städte mitten in Europa. Vor diesem Hintergrund bekommen Selbstverständlichkeiten wie die Sicherheit einer Wohnung, eine intakte Infrastruktur und lebenswerte Städte eine ganz neue Bedeutung. Das ist unsere Aufgabe in diesem Politikbereich. Wir spüren die Auswirkungen auch hier: massiv steigende Kosten für den Lebensunterhalt und steigende Preise für fossile Energien. Wir werden ein radikales Umdenken in der Energiepolitik brauchen. Wir werden Prioritäten setzen und Mittel effektiv nutzen – für den sozialen Zusammenhalt und ökologisch nachhaltige Projekte.
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Wir wollen Neues wagen. Vielleicht schon im nächsten Haushaltsentwurf für das Jahr 2023, der ja bereits in wenigen Wochen vom Bundeskabinett beschlossen wird, erhoffen wir uns Mittel für das Projekt Wohnungsgemeinnützigkeit.
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Vielleicht können wir die fast 1 Milliarde Euro aus dem Bereich Baukindergeld, die langsam abschmelzen wird, für entsprechende Projekte nutzen.
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Wir wollen nicht nur Neues wagen, wir wollen auch Altes überwinden; mit „alt“ meine ich die Altschulden, die viele Kommunen belasten. Finanzschwache Kommunen müssen besser unterstützt werden. Sie brauchen gerade die Mittel für Stadtentwicklung, für Städtebauförderung dringend, um die Lebensqualität zu erhalten und um die Abwärtsspirale zu durchbrechen.
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Das heißt: Wir müssen eine Lösung für das Problem des Umgangs mit Altschulden finden. Hier sind gerade Unionsländer in der Pflicht. Ich denke da an Nordrhein-Westfalen und seinen Ministerpräsidenten, Herrn Wüst, der sich als einer der wenigen Ministerpräsidenten standhaft weigert, eine Lösung im Umgang mit Altschulden aufseiten der Länder herbeizuführen. Aber da müssen wir wirklich ran. Das kann so nicht weitergehen.
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Wir müssen aber auch nach vorne schauen und die Städte nach der Pandemie fitmachen. Handel, Gastronomie, Hotels, Kunst, Kultur, alle sind bereit für den Neustart. Dafür brauchen wir wirksame Mittel der Städtebauförderung, zum Beispiel das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Programme der Städtebauförderung lernende Programme sind und dass wir sie an die aktuellen Entwicklungen anpassen.
Klimawandel, Ressourcenknappheit, demografischer Wandel – auf all die damit verbundenen Fragen brauchen wir neue Antworten. Gute Programme haben wir bereits. Vorhin wurde das Thema Sportstätten angesprochen. Die Frage ist: Was können wir hier für die Kommunen tun? Als Beispiel ist das Investitionspaket „Soziale Integration im Quartier“ zu nennen. Mit allen Programmen zusammen werden wir nahezu 1,7 Milliarden Euro für die Städtebauförderung ausgeben.
Wir Grüne haben die Klimaneutralität, zu der wir uns international verpflichtet haben, fest im Blick. Klimaanpassung muss ein fester Baustein in den Programmen der Städtebauförderung sein und gestärkt werden. Wir brauchen aber auch mehr Digitalisierung, einen Digitalisierungsschub, zum Beispiel mit Projekten wie Smart City. Wir müssen Digitalisierung und Klimaschutz zusammendenken. Und wir müssen die Menschen dabei mitnehmen: mit lokaler Wertschöpfung, Kreislaufwirtschaft, Verkehrswendeprojekten, Bürgerbeteiligung.
Für uns als Grüne stehen die Klimagerechtigkeit und der soziale Zusammenhalt im Fokus. Das schafft wirtschaftliche Impulse und nachhaltige Lebensqualität für alle Menschen, die hier leben, und auch für die, die noch zu uns kommen. Gemeinsam in der Fortschrittskoalition werden wir dafür die Weichen stellen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Markus Uhl für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Schluss dieser Debatte kurz zum Haushaltsvolumen zurückkommen. Wir reden hier von etwa 5 Milliarden Euro; drei Viertel davon sind Investitionen, 1,17 Milliarden Euro sind Zuweisungen und Zuschüsse.
Ich möchte kurz auf drei Aspekte eingehen – zum Teil wurde es ja schon genannt –:
Größter Einzelposten im Einzelplan 25 ist das Baukindergeld mit knapp 1 Milliarde Euro. Vor dem Hintergrund steigender Mieten und Immobilienpreise ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sicherlich eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Stärkung der Wohneigentumsbildung, insbesondere für Haushalte mit Kindern, ist neben dem Mietwohnungsneubau ein zentrales Instrument dafür. Deshalb haben wir als CDU-geführte Koalition in der vergangenen Legislaturperiode ein entsprechendes Programm aufgelegt.
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Die eigenen vier Wände sind und bleiben eine krisenfeste Wertanlage. Sie sind auch ein wichtiger Bestandteil der Altersvorsorge. Das Baukindergeld, das wir eingeführt haben, das ist ein Erfolgsmodell.
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Der kürzlich vorgelegte Evaluationsbericht stellt dazu fest – ich zitiere –: Der Anteil der Familien mit Kindern, die ins Wohneigentum umzog, hat sich durch das Baukindergeld im Evaluierungszeitraum vervierfacht.
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Das Baukindergeld wird insbesondere von Familien mit niedrigen bis mittleren Einkommen genutzt. Es wirkt darüber hinaus über den eigentlichen Eigentumserwerb hinaus. So gab es im Evaluationszeitraum Investitionen im Baugewerbe in Höhe von etwa 22 Milliarden Euro. Von der Baukindergeldförderung geht auch eine Lenkungswirkung für den ländlichen Raum aus. Das trägt zur Stabilisierung schrumpfender Regionen bei und entlastete die Ballungsgebiete.
Aber – jetzt komme ich zum zentralen Punkt, der auch für Haushälter wichtig ist –: Aus der Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktion und den Beschäftigungseffekten, die durch das Baukindergeld angestoßen wurden, resultieren auch Einnahmen für die öffentliche Hand in Höhe von 13 Milliarden Euro. Die generierten Staatseinnahmen übersteigen somit die vom Bund eingesetzten Mittel. 1 Euro Fördermittel generiert etwa 3,70 Euro Staatseinnahmen, meine Damen und Herren. Das ist wahrlich ein Erfolgsmodell.
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Deshalb sage ich Ihnen auch ganz klar: Ich vermisse in Ihrem Haushalt Hinweise dazu, wie Sie denn in Zukunft das Thema Wohneigentumsbildung angehen wollen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch ganz klar: Machen Sie bitte nicht noch mal denselben Fehler, den Sie bei der eben schon angesprochenen KfW-Förderung für energieeffiziente Gebäude gemacht haben! Stoppen Sie keine Förderung abrupt und über Nacht! Sorgen Sie für Planbarkeit! Sorgen Sie für Verlässlichkeit im Interesse und zum Wohl der Familien, die darauf angewiesen sind.
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Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, pro Jahr 400 000 neue Wohnungen zu bauen. Ein ambitioniertes Ziel. Aber ich sage Ihnen: Mit Geld allein ist das nicht getan. Die Bundesländer, die das Ganze ja kofinanzieren und umsetzen müssen, haben sich ja schon an Sie gewandt, Frau Ministerin. Die Kapazitäten in der Bauverwaltung und in der Bauindustrie sind begrenzt. Durch neue Standards, die Sie einführen, erhöhen Sie die Baukosten und die Bürokratie noch zusätzlich.
Abhilfe schaffen würde da zum Beispiel auch Digitalisierung. Deshalb – das will ich an der Stelle anmerken – bin ich froh, dass in meinem Bundesland, nämlich dem Saarland, gerade am vergangenen Freitag der Digitale Bauantrag freigeschaltet werden konnte. Mit einer modernen Landesbauordnung und dem Digitalen Bauantrag werden sich hier die Genehmigungszeiten deutlich verringern. Das ist gut.
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Das Saarland ist hier Vorreiter in Sachen digitaler Baurechtschaffung. Deshalb wäre es auch gut, Frau Ministerin, wenn das Thema Digitalisierung beim Bund eine größere Rolle spielen würde.
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Damit könnten Sie dann ganz konkret dafür sorgen, dass Bauen in Deutschland schneller und auch billiger wird.
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– Nicht im Haushalt.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2020 ist die Zahl der Wohnungseinbrüche glücklicherweise bundesweit zurückgegangen. Das ist eine gute Entwicklung, sicherlich auch begünstigt durch viel Homeoffice aufgrund der Coronapandemie. Dennoch haben Einbrecher einen Schaden von 216 Millionen Euro verursacht, und es gab über 35 000 Wohnungseinbruchsversuche. Etwa die Hälfte der Einbrecher scheitert. Vor 30 Jahren scheiterten noch deutlich weniger. Ausschlaggebend sind dabei mittlerweile die guten Standards bei technischen Ausrüstungen, insbesondere gesicherte Fenster und Türen. So waren laut einer Studie, die Einbrüche untersuchte, nur 1,05 Prozent der Versuche erfolgreich, sofern Zusatzsicherungen im Einsatz waren.
Der Einbau ebendieser Zusatzsicherungen wurde in den vergangenen Jahren durch das KfW-Programm „Kriminalprävention durch Einbruchsicherung“ gefördert. In diesem Jahr stellen Sie noch mal – die Mittel wurden etwas abgesenkt – 35 Millionen Euro zur Verfügung, aber lassen das Programm dann auslaufen. Meine Damen und Herren, das ist sehr bedauerlich. Eigentumssicherung bzw. Einbruchschutz wird dadurch geschwächt. Ich bitte Sie: Führen Sie auch dieses wichtige Programm zur Sicherheit der Wohnungen in Deutschland fort!
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Summa summarum: Uns liegt ein Haushaltsplan vor, der falsche Prioritäten setzt. Bei wichtigen und vielen Förderprogrammen verursachen Sie Unsicherheit. Zum Teil haben Sie auch aktuelle Beschlüsse nicht abgebildet, zum Beispiel den erhöhten Heizkostenzuschuss. Das ist im Haushalt bisher nicht drin – und das bei nahezu null Spielraum. Ich bin gespannt, wie die Haushaltsberatungen verlaufen werden.
Vielen Dank.
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Das Wort hat Bernhard Daldrup für die SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ampel hatte ja in den ersten 100 Tagen keine Zeit zur Einarbeitung, sondern ist sofort gewissermaßen in einen Krisenmodus gestürzt worden, der um die unvorstellbare Dimension des Krieges erweitert worden ist. Trotzdem bin ich der Auffassung, dass der Koalitionsvertrag, wie es einige in der öffentlichen Meinung vielleicht darstellen wollen, deshalb nicht zur Makulatur geworden ist.
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Das Ziel, bis zu 400 000 Wohnungen im Jahr bauen zu wollen, darunter 100 000 Sozialwohnungen, wird erst recht seit der Aufnahme von Flüchtlingen nicht mehr infrage gestellt, sondern – gestern waren zum Beispiel der Kollege Luczak, ich und andere bei den privaten Wohnungsgesellschaften – dieses Ziel wird ausdrücklich unterstützt und gefordert. Es ist also keine zu hoch gelegte Messlatte.
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Ich will an dieser Stelle sagen: Umso wichtiger, damit das passieren kann, war auch die Bildung eines eigenen Ministeriums. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass Ministerin Geywitz in den vergangenen 100 Tagen jedenfalls so viele Gespräche mit der Wohnungswirtschaft geführt hat wie Horst Seehofer in vier Jahren nicht.
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Das ist, glaube ich, schon ein großer Unterschied. Wenn Sie sich gerne 20 Jahre zurückerinnern, mögen Sie das tun, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, aber wir gucken lieber 20 Jahre in die Zukunft statt in die Vergangenheit.
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Wir haben den sozialen Wohnungsbau in der letzten Wahlperiode durch eine Änderung des Grundgesetzes wieder in die Mitverantwortung des Bundes geholt. Liebe Mechthild Heil, Sie haben da mitgestimmt.
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Das war vernünftig, und dafür haben wir 5 Milliarden Euro bereitgestellt. Jetzt sind es von 2022 bis 2026 14,5 Milliarden, also fast dreimal so viel wie im CSU-geführten Bundesinnenministerium. Das können Sie ja kritisieren. Ich bin gespannt auf die Erhöhungsanträge, die von Ihnen in diesem Bereich kommen. Da wird sich dann zeigen, ob Sie es mit dem sozialen Wohnungsbau tatsächlich so ernst meinen, wie Sie es hier an dieser Stelle sagen. Ich habe Zweifel daran. Ich bin jedenfalls sehr dankbar für die Ankündigung, Frau Ministerin, dass das Bündnis für soziales Bauen in Kürze beginnen soll.
Durch den grausamen Krieg werden immer mehr Menschen zu uns kommen, die wir aus tiefer Mitmenschlichkeit und Solidarität aufnehmen und denen wir helfen wollen. Das werden Sie seitens der AfD nie verstehen.
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Es ist gut, dass wir die Fragen der Aufnahme, der Unterbringung, der Bildung, der Gesundheit und die vielen anderen Fragen, die damit verbunden sind, aufgreifen und behandeln.
An dieser Stelle danke ich sehr allen Ehrenamtlichen, danke ich sehr den Kommunen, dass sie so schnell und so hilfsbereit tätig gewesen sind.
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Das ist, glaube ich, wichtig. Ich erwarte auch, dass Bund und Länder gemeinsam am 7. April, wenn das Programm fertiggestellt werden wird, hier auch die finanziellen Konsequenzen für die Kommunen sichtbar werden lassen. Für uns Sozialdemokraten gilt auf jeden Fall – das gilt, glaube ich, auch insgesamt für die Ampel –: Wir werden die Kommunen nicht im Regen stehen lassen.
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Am Freitag werden wir beispielsweise eine Änderung des Baugesetzbuches, das wir sowieso intensiv verändern wollen, auf den Weg bringen, wodurch der schnelle Bau von Flüchtlingsunterkünften ermöglicht wird. Die KfW hilft mit 250 Millionen Euro bei einem Signalzins von minus 0,75 Prozent. Das ist auch ein wichtiger Gesichtspunkt.
Wenn wir aus der letzten großen Zuwanderung etwas gelernt haben, dann das: Es darf keine soziale Spaltung in diesem Land geben. Deswegen bleiben die Begrenzung des Mietenanstiegs, der Wohnungsneubau und die energetische Modernisierung weiterhin wichtig.
Auch die explodierenden Nebenkosten – sie sind tatsächlich eine zweite Miete – werden wir uns vornehmen müssen. Deswegen ist auch der Heizkostenzuschuss so wichtig. Wir haben ihn in den Koalitionsvertrag geschrieben. Wir haben ihn jetzt ganz konkret umgesetzt, und wir haben übrigens den Ursprungsbetrag verdoppelt. Ich bedanke mich bei den Linken, dass sie gesagt haben: Okay, unser Ansatz war geringer, aber ihr habt einen besseren, und den werden wir jetzt auch mit unterstützen.
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Ich finde es schon ein bisschen skurril, wenn nun ausgerechnet die Union bei einer Verdoppelung sagt: Das ist uns aber nicht genug. – Da ist von euch wirklich schon ein wenig eine Humoreske; das muss ich schon sagen.
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Das ist jedenfalls, wie ich finde, eine ziemlich skurrile Situation.
Wir werden sicher weiter an der Subjektförderung arbeiten. Aber die Objektförderung bleibt ausgesprochen wichtig. Der Förderabbruch beim Programm KfW 55: Ja, das war ein Problem. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich bedaure sehr, dass es zu einer solchen Situation gekommen ist. Aber, liebe CDU/CSU-Abgeordnete, ihr seid Pharisäer, wie sie im Buche stehen.
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Denn ihr tragt maßgeblich die Verantwortung dafür. Das jetzt hier abschütteln zu wollen, ist echt problematisch und meiner Ansicht nach auch nicht akzeptabel.
Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die wir hier erwähnen müssen, wenn wir über den Haushalt reden: Der Investitionsanteil beträgt 3,61 Milliarden. Die Mittel für die Städtebauförderung befinden sich weiterhin auf dem höchsten Niveau. Die zusätzlichen 250 Millionen Euro für die Innenstädte hast du, Uli Lange, eben total vergessen. Ja, wer hat sich denn darum gekümmert? Ihr doch nicht!
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– Also, das sehe ich aber ganz anders. – Bei der Eigentumsförderung redet ihr über das Baukindergeld, das ausläuft. Aber über die Genossenschaftsförderung, die ihr bisher verhindert habt, sprecht ihr nicht. Die wollte das BMI nicht, aber sie wird jetzt eingeführt. Das ist eine Form von Eigentumsbildung auch in den Städten, wo sich die Menschen das ansonsten gar nicht mehr leisten können.
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Es gibt – Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss – noch eine ganze Reihe von Punkten wie die Raumordnung, die ich gerne ansprechen würde, was aus Zeitgründen jetzt nicht mehr möglich ist.
Ich glaube, wir werden spannende Haushaltsberatungen bekommen. Ich bin sehr auf die weiter gehenden Vorschläge der Union für Ausgaben sowie deren Einsparvorschläge gespannt.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Daniel Föst für die FDP-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
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– Marco Luczak, vielen Dank für den Hinweis. Ich muss den Kolleginnen und Kollegen der Union, die man ja wirklichen zu weiten Teilen schätzen kann, einfach einmal sagen: Ihr könnt doch nicht erwarten, dass wir in 100 Tagen das lösen, was ihr vier Jahre habt liegen lassen!
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Deswegen: Macht euch doch mal ehrlich! Wir haben mit unserer Bauministerin und unserem Bauministerium einen Neustart begonnen, der dringend notwendig war, weil wir ein Land vorgefunden haben, das großen Nachholbedarf an Investitionen, an Geschwindigkeit, an Innovationen hat.
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Ihr zeigt mit dem Finger auf die SPD, fordert hier aber Sachen, denen die SPD ohne Probleme zugestimmt hätte. Also macht euch bitte mal ehrlich in der ganzen Debatte!
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Diese Debatte zeigt im Nachhinein viel, was die letzten Jahre erklärt. Der Kollege Luczak fragte hier: Wie ernst meint es die Ampel denn mit den vielen schönen Sachen im Koalitionsvertrag? Dazu möchte ich zunächst sagen: Danke für die Anerkennung! Ja, es stehen viele schöne Sachen im Koalitionsvertrag. Und ich kann Ihnen versprechen: Wir meinen es völlig ernst. Wir werden die Weichen stellen, damit wir mehr bauen, schneller bauen, günstiger bauen und den Bestand klimaneutral bekommen. Wir werden also das machen, was ihr fordert, woran ihr aber gescheitert seid.
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Wir sind jetzt selber vier Jahre in der Opposition gewesen. Ich verstehe, dass das nicht so viel Spaß macht wie Regieren. Ich stelle auch lieber mit den neuen Koalitionspartnern in der Fortschrittskoalition
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die Weichen, dass wir die Probleme lösen, die liegen geblieben sind.
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Aber eine Sache muss ich sagen, weil Uli Lange so viele Fragen aufgeworfen hat. So hat er gefragt hat: Wo sind denn die Fachkräfte? Ja, da habt ihr recht; die Frage ist berechtigt. Wir werden eine Fachkräfteinitiative auf den Weg bringen. Wir werden die Zuwanderung neu regeln. Wir werden eine Exzellenzinitiative für die Ausbildung auf den Weg bringen. Wir werden viel machen, um diese Fragen, die du zu Recht stellst, zu beantworten.
Aber ich muss, nachdem ich mir diese vielen Fragen angehört habe, auch feststellen: viele Fragen, aber keine Ideen. Und dann kommt ihr mit dem Baukindergeld an. Damit ich richtig verstanden werde: Ich gönne jedem – insbesondere Familien – das Geld, das der Staat ihm schenkt; ich gönne es ihm. Aber man kann doch nicht sagen: Das Baukindergeld – hipp, hipp, hurra! – war supergut. – Die Eigentumsquote ist nämlich gesunken.
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Also stellt euch nicht hierher und sagt, das Eigentum sei wichtig. Die von euch installierte Halteprämie ist gescheitert; sie hat dazu geführt, dass die Eigentumsquote sinkt. Deswegen: Wir sind offen für Ideen, wirklich.
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Wir schätzen eine konstruktive Opposition. Aber da muss neben den vielen Fragen dann auch tatsächlich mal was kommen.
Übrigens, Herr Beckamp, weil Sie gesagt haben, keiner rede im Zusammenhang mit Wohnungen über Einwanderung, tue ich Ihnen den Gefallen, darauf einzugehen: Deutschland ist ein Einwanderungsland.
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Wir brauchen die Zuwanderung. Wir brauchen Fachkräfte, die uns helfen, unser Land voranzubringen. Und wenn Sie sich hierhinstellen und von deutschlandfreundlicher Politik fabulieren, dann sage ich Ihnen eines: Ihre Politik ist dumm, am Thema vorbei und hetzerisch.
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Die Ampel wird die Weichen auf Fortschritt stellen. Dabei habe ich Spaß, und das wird auch was.
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Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Melanie Wegling für die SPD-Fraktion das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss dieser Debatte möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Waren Sie schon mal auf der Jahreshauptversammlung einer Wohnungsbaugenossenschaft?
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Stellen Sie sich eine Turnhalle oder ein Bürgerhaus vor, gefüllt mit Menschen aus Ihrer Nachbarschaft. Da treffen Sie immer auch ein paar von den lokalen Würdenträgern, so würde ich sie mal nennen. Die Bürgermeisterin hält ein Grußwort, und dann wird zwischen Apfelschorle und alkoholfreiem Weizen über das Zusammenleben diskutiert. Es wird demokratisch abgestimmt, es wird solidarisch entschieden.
Baugenossenschaften stehen für Selbsthilfe, für Selbstverwaltung und für Solidarität. 2,9 Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglied einer Baugenossenschaft; auch ich gehöre dazu.
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Unter ihrer Aufsicht entsteht guter Wohnraum, Wohnungen, die barrierefrei sind, die für mehrere Generationen, für kleine oder auch für große Familien mit vielen Kindern geeignet sind. Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich: Hier wird nicht mit Wohnraum spekuliert, hier kümmert man sich. Das schafft langfristige Wohnungssicherheit und ermöglicht bezahlbaren Wohnraum – Wohnraum, den wir so dringend brauchen.
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Häufig sind Baugenossenschaften außerdem wichtige Partner der Kommunen. Bei der Planung und Entwicklung von Quartieren unterstützen sie mit Expertise und beteiligen sich an der Umsetzung. Sie werten Wohnumfelder auf und pflegen Infrastrukturen.
Aus persönlichen Gesprächen in meiner Heimatregion im Kreis Groß-Gerau und aus Berichten über die besagten Jahreshauptversammlungen weiß ich, dass sowohl die Mitglieder als auch die Angestellten der Genossenschaften eine nicht zu unterschätzende Sozialaufgabe übernehmen. Dank des ausgeprägten Gemeinschaftssinns schaut man nacheinander: Wer braucht vielleicht Hilfe, wer hat Schwierigkeiten, die Treppen zu steigen? Dazu kommen viele weitere soziale Dienstleistungen, die gerne auch von älteren Mieterinnen und Mietern angenommen werden. Was für eine tolle Sache! Danke an alle, die das möglich machen.
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Etwa 5 Millionen Menschen wohnen deutschlandweit in einer Genossenschaftswohnung; und es dürfen gerne mehr werden. Deswegen nehmen wir auch dieses Jahr, mit dem Haushalt 2022, zusätzliches Geld in die Hand zur Förderung von genossenschaftlichem Wohnen – damit mehr Leute in den Genuss einer Genossenschaftswohnung kommen können.
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Denn im Gegensatz zum Bauminister der letzten Legislatur, der dieses Vorhaben immer wieder geschoben hat – es ist letztlich nichts passiert –, setzt die neue Bauministerin dieses Vorhaben mit einer Förderung von 1 Million Euro direkt um.
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Darüber freue ich mich als neue Genossenschaftsbeauftragte meiner Fraktion ganz besonders; denn es ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu unserem gemeinsamen Ziel, jährlich 400 000 neue Wohnungen zu schaffen, und es ist ein wichtiger Baustein für einen sozialen Wohnungsbau, für junge Wohnkonzepte und auch für Studenten- und Azubiwohnungen.
Auf dass die Jahreshauptversammlungen zukünftig noch geselliger werden und wir die Marke von 3 Millionen Mitgliedern von Baugenossenschaften bald knacken!
Vielen Dank.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wenn wir heute den Haushalt des Bundesumweltministeriums beraten, dann geschieht das unter dem Eindruck einer geopolitischen Zeitenwende. Die Coronakrise ist noch lange nicht überstanden, da sind wir durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bereits mit einer neuen, um ein Vielfaches dramatischeren Krise konfrontiert. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es jetzt selbstverständlich, den Menschen in der Ukraine zu helfen und denen zu helfen, die auf der Flucht sind. Diesen Krieg zu beenden, ist selbstverständlich die Kernaufgabe der diplomatischen Anstrengungen der Bundesregierung und der gegen Russland verhängten Sanktionen.
Wir stehen vor existenziellen Herausforderungen, die uns vor Augen führen, wie verletzlich unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem sind und wie abhängig unsere Versorgungsstrukturen von einem Aggressor wie Herrn Putin gemacht worden sind. Dieser Krieg verlagert kurzfristig natürlich auch den Fokus weg von anderen Krisen; aber der völlig falsche Ansatz wäre es jetzt, die ökologischen Fragen zurückzustellen.
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Die Klimakrise und das Artenaussterben sind eben auch zwei Krisen, die existenziell für die Menschheit sind. Und sosehr wir uns jetzt um das Heute kümmern müssen, so sehr müssen wir dabei das Morgen im Blick behalten.
Die Antwort auf den Angriffskrieg Russlands kann nicht lauten: Deutschland verringert seine Abhängigkeit von Importen aus Russland und gibt dafür seine Pläne auf, ganz grundsätzlich unabhängig von importierter Kohle und importiertem Öl und Gas zu werden. Die Antwort kann nicht lauten: Wir werfen Klima- und Naturschutzziele über Bord und riskieren damit die Stabilität unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Die Antwort kann eben auch nicht lauten: Wir steigen wieder ein in die Atomkraft.
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Die fürchterlichen Geschehnisse in der Ukraine machen einmal mehr deutlich, wie riskant diese Technologie ist und wie sehr sie uns ebenfalls abhängig macht von Importen, sei es eben aus Russland oder aus anderen Ländern.
Und um dies an dieser Stelle auch noch einmal auszuführen: Die Dauer des Betriebes der sich jetzt noch am Netz befindlichen drei Reaktoren ließe sich nur strecken, also um circa drei Monate nach hinten verschieben, ohne dass in Summe überhaupt mehr Strom produziert würde, während damit natürlich zusätzliche Risiken verbunden wären: Sicherheitsüberprüfungen etc. Wenn man mehr als diesen kleinen Beitrag erzielen wollte, müsste man eben neu in die Beschaffung von Brennelementen und in wirklich umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen einsteigen,
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und dies in Zeiten, in denen die Ukraine und Europa zu Recht mit riesengroßer Sorge auf einen Krieg rund um Atomanlagen schauen.
Es geht eben nicht, zu suggerieren, man könne das einfach ein bisschen länger laufen lassen, als würde man nachts das Licht im Flur brennen lassen. Wir reden hier über eine Hochrisikotechnologie. Und wer in unserer Gesellschaft den Wiedereinstieg in diese Technologie diskutieren möchte, der sollte den Menschen wenigstens reinen Wein einschenken.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen vor einer Richtungsentscheidung im Umgang mit diesen gleichzeitig stattfindenden Krisen. Lösen wir uns aus Abhängigkeiten! Betreiben wir Vorsorge! Sicherheit, Stabilität und sozialer Ausgleich sind das, was unsere Gesellschaft jetzt zusammenhält. Sind wir bereit, dafür auch relevante Veränderungen in unseren Gesellschaften, in unserem Konsum und in der Produktion anzustoßen, oder verharren wir im Alten in der Hoffnung, so doch irgendwie noch eine Weile über die Runden zu kommen? Meine Antwort ist klar: Gerade jetzt müssen wir begrenzte finanzielle Ressourcen für Klimaschutz und Energiesouveränität, für Naturschutz und Gesundheitsschutz, für Kreislaufwirtschaft und weniger Abhängigkeit von knappen Ressourcen effizient nutzen.
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Damit stabilisieren wir unsere Wirtschaft, reduzieren wir Abhängigkeiten und schützen wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Ich will Ihnen anhand von vier Beispielen erläutern, welche Schwerpunkte das BMUV auch im Haushalt dafür setzt.
Mein erster Punkt: Klimaschutz. Der massive Ausbau der erneuerbaren Energien ist essenziell, um unsere Abhängigkeit von importiertem Erdgas, Öl und Uran sowie importierter Kohle zu beenden. Dieser Ausbau muss aber im Einklang mit dem Naturschutz erfolgen. Robert Habeck und ich werden dazu bis Ostern geeignete Vorschläge vorlegen.
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Ein Artenhilfsprogramm, das Arten schützt, die vom Ausbau der Erneuerbaren besonders betroffen sind, wird hierzu einen Beitrag leisten.
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Neben den erneuerbaren Energien sind Wälder, Böden, Moore und Auen wichtige natürliche Klimaschützer,
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die zugleich unseren Wasserhaushalt stabilisieren und sichern. Ich werde in der nächsten Woche Eckpunkte für das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ vorlegen, und ich habe mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieses Programm im Haushaltsentwurf mit ausreichend Finanzmitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds ausgestattet wird. Ich hoffe, dass das Parlament diesen Entwurf unterstützt.
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Mein zweites Beispiel: Vorsorge vor den Folgen der Klimakrise. Der jüngste Bericht des Weltklimarates beschreibt wirklich schonungslos die Auswirkungen der Klimakrise, die wir ja auch hier in Deutschland und in Mitteleuropa immer stärker zu spüren bekommen. Die Notwendigkeit zur Anpassung und Vorsorge wird sich mit jedem Zehntel Grad Erderhitzung weiter verschärfen. Das BMUV agiert hier gemeinsam mit Ländern und Kommunen. Diese – genauso wie lokale Akteurinnen und Akteure sowie soziale Einrichtungen – wird das BMUV bei Klimaanpassungsmaßnahmen besser unterstützen. Dafür haben wir die bisherigen Modellprojekte in ein besser ausgestattetes Regelprogramm überführt, und wir werden damit Beratung und Kompetenzaufbau für die Anpassung an die Klimakrise unterstützen.
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Drittens: Kreislaufwirtschaft. Wir alle wünschen uns in der aktuellen geopolitischen Krise eine stärkere Autonomie von importierter Energie und Ressourcen. Diesem Ziel dient eine zeitgemäße Kreislaufwirtschaft. Mit geschlossenen Stoffkreisläufen, mit klugem Produktdesign ermöglicht sie Wertschöpfung und sichert zugleich unsere Lebensgrundlagen. Wir werden wichtige Schritte raus aus der Wegwerfgesellschaft gehen, zum Beispiel durch ein Recht auf Reparatur. Gleichzeitig werden wir dafür ein Förderprogramm „Reparieren statt Wegwerfen“ auflegen. Die Bundesregierung wird sich auch während unserer G-7-Präsidentschaft mit einem Schwerpunkt für Ressourceneffizienz und weniger Primärressourcen einsetzen.
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Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch die Vermüllung unserer Meere mit Plastik ansprechen. Die UN-Umweltversammlung in Nairobi hat Anfang des Monats die Verhandlungen für ein rechtlich verbindliches UN-Abkommen gegen die Plastikvermüllung angestoßen. Das ist ein großer Erfolg, für den sich Deutschland seit vielen Jahren eingesetzt hat. Es ist ein großer Erfolg für den Multilateralismus und macht gerade in diesen Zeiten tatsächlich Mut.
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Mein letztes Beispiel: der Naturschutz. Spätestens seit der Coronapandemie ist uns bewusst, dass die Zerstörung von Natur und der direkte Kontakt mit Wildtieren das Risiko, dass Krankheitserreger von Wildtieren auf Menschen überspringen, massiv erhöhen, im Extremfall bis hin zu einer Pandemie. Damit ist Naturschutz gleichzeitig auch Pandemievorsorge.
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Erfolgreicher Naturschutz steht und fällt mit seiner Finanzierung. Der Regierungsentwurf sieht daher vor, die Mittel für den Naturschutz gegenüber der Finanzplanung erheblich aufzustocken und in einem neuen Bundesnaturschutzfonds zu bündeln. Mit über einer halben Milliarde Euro sind für diesen Fonds in den nächsten vier Jahren mehr Finanzmittel als je zuvor vorgesehen.
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Sehr geehrte Damen und Herren, der Meeresschutz gehört dort natürlich auch dazu. Auch dieser ist im Haushalt abgebildet.
Ich möchte zum Schluss ausführen: Lösungen, die wir im Umwelt- und Naturschutz vorschlagen, helfen uns gegen multiple Krisen, sie verringern Abhängigkeiten von Ressourcen, stabilisieren unsere natürlichen Lebensgrundlagen und vermindern Gesundheitsrisiken und technologische Risiken. Krisen und Lösungsansätze dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden; sie müssen gemeinsam angegangen werden.
Mit diesen Grundgedanken bitte ich Sie um Unterstützung für den vorliegenden Haushaltsentwurf für das Bundesministerium für Umwelt.
Vielen Dank.
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Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Dr. Anja Weisgerber das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Wort „Budget“ basiert auf dem altfranzösischen Begriff „bougette“, und das bedeutet: Lederbeutel. In diesem führten die Menschen früher ihr Geld mit. Und so ein Lederbeutel ist entweder mit vielen Münzen oder mit wenigen Münzen gefüllt.
Um im Bilde zu bleiben: Der Lederbeutel des Bundesministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz ist etwas leerer als im vergangenen Jahr. Das hat auch mit den neuen Zuständigkeiten des Hauses zu tun. Damals wie heute müssen die Menschen entscheiden, was sie mit diesen Münzen im Lederbeutel, mit dem Geld, das sie zur Verfügung haben, machen. Wo möchten sie investieren? Wo sind die Schwerpunkte? Und wie ist die Reihenfolge der Prioritäten? In ein paar Punkten stimmt die Union mit der von Frau Ministerin aufgezeigten Prioritäten überein, in einigen anderen nicht. Dabei kommt es das eine oder andere Mal auf die Umsetzung und auf die Ausgestaltung an.
In meiner Rede gehe ich auf zwei unserer Schwerpunkte ein: die Klimaanpassung und die Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit dem Verbraucherschutz.
Zum Thema Klimaanpassung. Fakt ist: Der menschengemachte Klimawandel findet statt, auch bei uns in Deutschland. Das mussten wir im vergangenen Jahr in Teilen von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und auch in Bayern auf besonders leidvolle Weise erleben.
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Ganze Existenzen wurden binnen weniger Stunden zerstört. Die Schäden gehen in Milliardenhöhe. Menschen wurden verletzt, und manche Menschen haben auch ihr Leben verloren.
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Deshalb ist die Klimaanpassung in all ihren Facetten ein wesentlicher Pfeiler des Klimaschutzes. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode auch gegenüber dem damaligen Koalitionspartner immer wieder zum Ausdruck gebracht. Und, liebe Ampelregierung, ich muss Ihnen ein Lob aussprechen; denn Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag mit der Ankündigung einer Klimaanpassungsstrategie und eines Klimaanpassungsgesetzes einen zentralen Punkt unseres Unionwahlprogrammes aufgegriffen.
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Neben den beiden Säulen „Soforthilfen“ und „Wiederaufbau“ muss auch die Klimavorsorge dabei eine ganz prominente Rolle spielen. Denn wir müssen dafür sorgen und sicherstellen, dass in Zukunft die Schäden an Mensch, Tier, Umwelt und Infrastruktur gar nicht erst entstehen: durch Prävention und durch Klimaanpassung. Sie, liebe Ampel, müssen jetzt zeigen, dass Sie es ernst meinen mit Ihrer Klimaanpassungsstrategie, indem Sie entsprechend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen und auch die Anpassungsstrategie mit Leben füllen.
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Andernfalls wird dieses Prestigeprojekt in Ihrem Ressort, Frau Ministerin, wie eine Seifenblase zerplatzen. Das wollen wir nicht; denn die Klimaanpassung und der Schutz von Mensch, Natur und Umwelt sind uns wirklich sehr wichtig, meine Damen und Herren.
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Ein zweiter Schwerpunkt von CDU und CSU ist die Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit dem Verbraucherschutz. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Deshalb müssen wir die Rohstoffe und Materialien, die wir im eigenen Land haben, immer wieder nutzen, und wir müssen die Kreislaufwirtschaft immer weiter stärken. Gerade der völkerrechtswidrige Krieg in der Ukraine zeigt uns, wie abhängig Deutschland immer noch von Rohstoffimporten ist. Die neue politische Situation hat vieles verändert, und wir müssen jetzt die Konsequenzen ziehen.
Die Rohstoffe, die wir nutzen, kommen aus drei Quellen: aus Importen, aus der Nutzung eigener nationaler Rohstoffvorkommen und der Nutzung von Sekundärrohstoffen. Klar ist, dass Deutschland als Industrienation auch künftig nicht ohne Rohstoffimporte auskommen wird; aber wir müssen diese Importe so weit wie möglich substituieren. Und da ist auch die Effizienz beim Rohstoffeinsatz besonders wichtig. Die müssen wir steigern. Produkte sollten deshalb auch so hergestellt werden, dass sie reparierbar sind und länger haltbar.
Deshalb sagen wir: Das von der Bundesregierung geplante Recht auf Reparatur werden wir, auch im Sinne eines nachhaltigen Verbraucherschutzes, kritisch begleiten. Nachhaltig ist es aber nur, wenn es den Verbrauchern und der Umwelt am Ende wirklich etwas nutzt und wenn es auch für die Unternehmen machbar ist, dies umzusetzen. Und – als ehemalige Europaabgeordnete möchte ich auch das betonen – wir müssen beobachten, was die Europäische Union an dieser Stelle macht. Führt sie eventuell schon auf europäischer Ebene ein Recht auf Reparatur ein? Die Antwort auf diese Fragen muss die Basis sein für die Entscheidung auf nationaler Ebene.
Frau Ministerin, ich sage Ihnen noch eines: Einen neuen Preistreiber, der der Umwelt und den Menschen unter dem Strich nichts nutzt, sowie einen nationalen Alleingang und Überregulierung – das brauchen wir definitiv nicht, und da werden wir auch den Finger in die Wunde legen, meine Damen und Herren.
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Der Kern der Substitution von Rohstoffen ist die Kreislaufwirtschaft. Diese müssen wir stärken. Sie muss die tragende Säule der Rohstoffversorgung unseres Landes werden; das möchte ich noch einmal betonen. Aber, Frau Ministerin, dafür müssen wir auch die rechtlichen Rahmenbedingungen weiterentwickeln. Und da gehört es auch zur Wahrheit, dass wir bestehende Hemmnisse abbauen müssen.
Stoffrecht, Chemikalienrecht, Lebensmittelrecht bis hin zur Normung müssen überprüft werden; denn Sekundärrohstoffe sind keine Abfälle, es sind Wertstoffe. Deshalb müssen wir die Schadstoffgrenzwerte auch so ansetzen, dass Sekundärrohstoffe nicht als Abfälle eingestuft werden, sondern eben als Rohstoffe weiter genutzt werden müssen. Auch da muss die Ampelregierung zeigen, dass sie es mit der Kreislaufwirtschaft wirklich ernst meint.
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Der rechtliche Rahmen ist das eine. Zur Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft zählen aber auch Innovationen; zudem sind Investitionen erforderlich. Stichworte sind hier: neue Technologien bei der Sortierung und Aufbereitung der Abfälle wie zum Beispiel auch die Weiterentwicklung des chemischen Recyclings. Kreislaufwirtschaft ist auf der einen Seite Umweltschutz und gleichzeitig eine Chance für unsere Wirtschaft – Stichwort „Circular Economy“ –, wirklich die Rohstoffe in unserem Land zu halten und wieder zu nutzen. Nutzen wir diese Chance auf nationaler Ebene.
Die Kreislaufwirtschaft hat aber auch eine internationale Dimension; Sie haben es angesprochen. Uns alle erfüllt die zunehmende Vermüllung der Weltmeere mit Sorge. Und ja, Frau Ministerin, es ist ein Erfolg, dass auf der Umweltversammlung der Vereinten Nationen in Nairobi Anfang März ein Mandat für die Verhandlung eines internationalen Abkommens gegen die Vermüllung erteilt wurde. Aber wir müssen jetzt handeln. Und deswegen, Frau Ministerin, bin ich sicher, dass wir mit Ihrer Hilfe auch die erforderlichen Einsparmöglichkeiten dafür finden, dass wir Entwicklungsländer beim Aufbau von Abfallsammelsystemen und Sortiersystemen stärker unterstützen. Auch dafür muss Platz in diesem Haushalt sein.
Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Michael Thews das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Der brutale und durch nichts zu rechtfertigende Angriffskrieg gegen die Menschen in der Ukraine macht es schwer, eine Haushaltsdebatte zu führen, bei der es oft auch um trockene Zahlen geht. Ein Lichtblick, den wir alle zurzeit in den Wahlkreisen erleben, ist die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung, die Flüchtlinge aufnimmt und versucht, ihnen Mut zu geben in einer Zeit der Zerstörung und Bedrohung ihrer Heimat.
Vielen Dank an alle, die sich hier oft ehrenamtlich einsetzen. Sie verrichten eine wichtige Arbeit. Wir werden da auch Geld für die Kommunen bereitstellen müssen. So werden dann die Zahlen zu konkreten Projekten, die den Menschen helfen, über diese schwierige Zeit hinwegzukommen.
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Und so, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es auch mit dem Einzelplan 16, dem Umwelthaushalt. Der Schutz unserer Umwelt ist ein drängendes Problem und wird von der Mehrheit zunehmend so wahrgenommen, auch wenn es aktuell etwas in den Hintergrund getreten ist. Letzte Woche war der Umweltkommissar Sinkevicius aus Litauen zu Gast im Bundestag und hat uns berichtet, dass es bereits erste Stimmen in der EU gibt, die die Aussetzung des Green Deals wollen, weil es jetzt wichtigere Dinge gebe. Das ist grundfalsch und kurzsichtig, und so sah es auch der Umweltkommissar.
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Der Schutz unserer Umwelt bedeutet Sicherheit im Wandel. Wir schaffen Innovationen im Umwelt- und Ressourcenschutz. Wir schützen für uns und für nachfolgende Generationen natürliche Lebensräume, und wir sichern die Zukunft mit Maßnahmen im natürlichen Klimaschutz.
Der Krieg in der Ukraine macht es uns schmerzhaft deutlich, wie wichtig es ist, dass Deutschland von fossilen Brennstoffen unabhängig wird; aber das gilt eben nicht nur für die fossilen Brennstoffe, sondern auch für andere Rohstoffe. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft zur Kreislaufwirtschaft umbauen. Nur so können wir erreichen, dass unsere heimische Wirtschaft generell unabhängiger wird von Rohstoffimporten und zunehmend auch Sekundärrohstoffe nutzen kann.
Ein wichtiges Beispiel für eine nachhaltige Verkehrspolitik ist die Batterieproduktion. 2030 wird sich die Nachfrage nach Batterien gegenüber 2018 voraussichtlich verzehnfacht haben. Das wiederum setzt zwingend voraus, dass wir Batterien hochwertig recyceln; denn viele der Rohstoffe, die wir zur Produktion der leistungsstarken Lithium-Ionen-Akkus benötigen, werden unter ökologisch und sozial schwierigen Bedingungen abgebaut. Nickel kommt zum großen Teil aus Russland. Hier müssen wir unabhängiger werden vom Import von Rohstoffen, um unsere Wirtschaft resilienter zu machen, also stabiler gegenüber schwankenden Lieferketten in Krisenzeiten, um die Umwelt zu schützen und die natürlichen Lebensräume zu erhalten, die durch den Rohstoffabbau oft unwiederbringlich zerstört werden.
Viele Neuerungen im Bereich des Umweltschutzes und der Kreislaufwirtschaft wurden – das kann ich Ihnen nicht ersparen, Frau Weisgerber – in den letzten Jahren abgelehnt oder abgeschwächt, weil man die Wirtschaft nicht noch zusätzlich belasten wollte; das war häufig das Argument.
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Das ist eine sträflich innovationsfeindliche Verhinderungspolitik. Ich habe darauf immer wieder hingewiesen.
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Wir brauchen Vorgaben und finanzielle Anreize, um schnell voranzukommen. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Je unabhängiger unsere Wirtschaft von Rohstoffimporten ist, umso stärker ist sie. Deshalb ist die Kreislaufwirtschaft, wie ich hier im Bundestag schon oft und immer wieder erwähnt habe, nicht nur gelebter Umweltschutz, sondern sie ist auch die Grundlage für eine nachhaltige, innovative Wirtschaft in Deutschland.
Hierzu gehört auch das klare Bekenntnis zur Bekämpfung von illegalen Abfallexporten. Es ist eine Schande, wenn einige immer noch glauben, sich hier ungestraft schnell bereichern zu können, und wenn gleichzeitig wichtige Stoffströme unser Land verlassen, obwohl wir sie hier hochwertig recyceln und wieder bereitstellen können.
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Jede Investition in die Kreislaufwirtschaft ist nachhaltig und effizient, weil sie mehrfach wirkt: für den Umweltschutz, für den Klimaschutz und für eine nachhaltige Wirtschaft. Für den Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sind im zweiten Regierungsentwurf 2022 insgesamt rund 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Der Einzelplan hat sich, insbesondere was den Klimaschutz angeht, durch den neuen Ressortzuschnitt geändert; aber erhalten bleibt ein ganz wichtiger Punkt, und das ist die Anpassung an den Klimawandel. Die Herausforderungen werden hier ständig wachsen; denn die veränderten Klimabedingungen sind schon längst weltweit, aber natürlich auch in Deutschland spürbar.
Kommunen haben bereits heute mit Wasserknappheit und Hitzeperioden zu kämpfen. Menschen in sozialen Einrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen müssen verstärkt vor Hitze geschützt werden, und der Schutz vor Hochwasser- und Starkregenereignissen stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen.
Im Einzelplan des Umweltministeriums ist für die Förderung der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel ein Aufwuchs der Mittel um gut 37 Millionen Euro auf rund 60 Millionen Euro für 2022 vorgesehen. Das ist, wie ich meine, mehr als gerechtfertigt.
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Dazu kommen Ausgaben für den natürlichen Klimaschutz. Dieser Titel ist erstmals im Wirtschaftsplan zum Energie- und Klimafonds. Er wird durch das BMUV bewirtschaftet, und für ihn sind in den Jahren 2022 bis 2026 Ausgaben in der Höhe von insgesamt 4 Milliarden Euro vorgesehen. Mit diesen Geldern sollen Synergien zwischen Natur- und Klimaschutz genutzt werden. Die Renaturierung und die Wiederherstellung von Ökosystemen, wie zum Beispiel Mooren, tragen aktiv und nachhaltig zum Klimaschutz bei.
Wie auch in den letzten Jahren sind die größten Posten im Einzelplan 16 die Ausgaben für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls. Der Bund trägt die Verantwortung für die Finanzierung und Durchführung der Zwischen- und Endlagerung sowie für das Standortauswahlverfahren. Hierfür sind im Jahr 2022 insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. Wir geben also die Hälfte des gesamten Umwelthaushaltes für die Beseitigung der Folgen aus der Nutzung der Atomenergie aus. Spätestens hier wird noch mal deutlich: Die Atomenergie ist weder sicher noch günstig. Eine Weiternutzung – das hat die Frau Ministerin, finde ich, hervorragend ausgeführt – ist auf keinen Fall sinnvoll.
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Besonders wichtig im Umwelthaushalt ist aus meiner Sicht die Aufstockung und Ausweitung des Förderprogramms gegen die Vermüllung. Konkret geht es bei Letzterem um die Aufstockung der Förderung des Exports von Technologien gegen die Vermüllung unserer Weltmeere. Hier sind im vorliegenden Regierungsentwurf Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre in Höhe von 25,5 Millionen Euro vorgesehen. Für diese Förderprogramme setze ich mich schon seit Jahren ein. Ziel ist es, die Abfallmenge direkt an der Quelle durch funktionierende Sammellogistik, Recycling und Entsorgungsverfahren zu reduzieren, sodass der Plastikmüll gar nicht erst in die Weltmeere gelangen kann.
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Dazu werden in Ländern und Regionen in Asien und Afrika, die den größten Eintrag von Meeresmüll produzieren, funktionierende Abfall- und Kreislaufmanagementsysteme aufgebaut und weiterentwickelt. Die Projekte sollen zu einem weltweiten Netzwerk von Leuchtturmprojekten werden, die zusammenarbeiten und in ihrer jeweiligen Region als Multiplikatoren agieren. Je mehr Mittel wir in dieses Programm stecken, desto mehr Projekte können wir fördern und umso schneller können wir den Eintrag von Plastikmüll in die Weltmeere reduzieren – eines der ganz großen Umweltprobleme in unserer Zeit.
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Der eine oder andere kennt sicherlich Repaircafés aus seinem Wahlkreis, also die Orte, wo Geräte wirklich repariert und nicht zu Müll werden. Ich freue mich über das Förderprogramm „Reparieren statt wegwerfen!“ – ein ganz wichtiger Schritt. Man kann sagen: Gerade bei diesem Programm werden die Belange des Verbraucherschutzes und die Belange des Umweltschutzes umgesetzt. Das Programm ist im besten Sinne nachhaltig.
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Ganz im Sinne des Verbraucherschutzes sind aber auch unsere Ansätze der Kreislaufwirtschaft, die schon bei der Herstellung der Produkte ansetzen, also bei Langlebigkeit, Transparenz, was die Lebensdauer angeht, Reparierfähigkeit oder Recycelbarkeit, für die ich mich ebenfalls intensiv einsetzen werde.
In den nächsten Wochen wird es natürlich noch weitere Befassungen mit dem Regierungsentwurf geben. Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen mit Ihnen. Es geht eben nicht nur um trockene Zahlen, sondern es geht auch darum, die vorhandenen Mittel effizient und nachhaltig einzusetzen: für den Erhalt unserer Erde, für den Schutz dieser und kommender Generationen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Umweltschutz, die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, ist ein urkonservatives Anliegen. Kommt diese Aufgabe aber in die Hände von Ideologinnen und Ideologen, sind die Lebensgrundlagen schnell auf der Verliererstraße.
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Wenn eine Regierung versucht, die Energieversorgung eines ganzen Landes fast ausschließlich auf riesige Windräder und gewaltige Solarparks umzustellen, hat das notwendigerweise starke Auswirkungen auf die natürlichen Lebensgrundlagen. In meiner bayerischen Heimat erlebe ich, wie nun in großen und bislang unverbauten Waldgebieten gewaltige Windräder geplant werden.
({1})
Diese Dinger haben 50-Meter-Betonfundamente, die möglicherweise nie wieder aus dem Waldboden entfernt werden.
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Es wäre Aufgabe des Umweltministeriums, solche Aspekte verschärft in den Blick zu nehmen. Alleine: Bei den derzeitigen politischen Prioritäten von Rot-Grün-Gelb-Schwarz dürfte dies eine dringende Forderung der Bürger bleiben, ohne politische Umsetzung.
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In diesem Land wird eben, wie das „Wall Street Journal“ hellsichtig erkannt hat, die dümmste Energiepolitik der Welt verfolgt.
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Auch unser Nachbarland Belgien führt gerade vor, wie sehr Deutschland als energiepolitischer Geisterfahrer daherkommt:
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Belgien verschiebt seinen Atomausstieg um zehn Jahre, während die Bundesregierung – wir haben es gerade wieder gehört – halsstarrig daran festhält.
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Aus dem Haushaltsentwurf für das Umweltministerium spricht an vielen Stellen ebenfalls eine besserwisserische Arroganz. Bei einigen Titeln, etwa den Forschungsausgaben für den Umweltschutz, wird lapidar festgestellt: „Mehr wegen erhöhtem Bedarf“. Ja, der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.
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Die politische Aussage dieser versuchten Begründung ist aber viel schlimmer als die Grammatik; sie ist für den Bundestag eine Beleidigung. Sie bedeutet ja nicht mehr als: Wir brauchen mehr, weil wir mehr brauchen. – Ah ja!
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Mehr Geld wird auch an Nichtregierungsorganisationen ausgeschüttet. 5 Millionen Euro wollen genau dieselben Leute, die die ganze Zeit vom Klimawandel und von mehr Stürmen reden, nun dem „Bauhaus der Erde“ schenken. Dieser Verein wirbt für das Bauen mit Holz. Das ist schon eine sehr spezielle Art von politischer Ironie.
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Apropos Holz: Das Umweltbundesamt, das ebenfalls mit mehr Geld bedacht werden soll, sollte sich mal auf andere Dinge konzentrieren als auf das Verbot von Holzfeuerung. In einer Zeit, in der vielleicht bald das Gas fehlt und auch die Stromversorgung nicht mehr sicher ist, sollten die Bürger beim Heizen auf einheimische, nachwachsende Rohstoffe zurückgreifen können.
({10})
Oder heißt das Programm auch hier „Frieren für die Freiheit“? Für wessen Freiheit eigentlich? – Die Bürger werden das anders sehen.
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Eingespart wird dann auch mal, aber an der völlig falschen Stelle: Die Zuschüsse für die Stiftung Warentest, die immer die wirtschaftliche Souveränität der Bürger in ihrem Handeln unterstützt hat, werden zusammengestrichen. Ist das nun die Strafe dafür, dass die Stiftung beim Test von FFP2-Masken für Kinder Rückgrat bewiesen und kein einziges Produkt empfohlen hat?
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Es gibt, meine Damen und Herren, also genügend Stoff, um den Einzelplan 16 kritisch unter die Lupe zu nehmen. Die AfD-Fraktion wird sich engagiert an der Beratung in den Ausschüssen beteiligen.
Vielen Dank.
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Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frank Schäffler das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Laut Aristoteles sind es vor allem zwei Dinge, die die Fürsorge und Zuneigung der Menschen auf sich ziehen: das Eigentum und das, was man liebt. Wer etwas besitzt, gibt darauf acht. Ist eine Ressource endlich, wird man entweder nach Methoden suchen, sie wiederzuverwerten oder sie sparsam einzusetzen.
Eigentum ist ein zentraler Eckpfeiler marktwirtschaftlicher Ordnung. Ein weiterer ist das Prinzip der Haftung. Diese trägt auch dazu bei, dass mit Eigentum verantwortungsvoll umgegangen wird; denn wer zur Rechenschaft gezogen werden kann, wird umsichtig agieren, um Fehler zu vermeiden.
Diese beiden Prinzipien stärken auch den Umweltschutz. Sind die Eigentumsverhältnisse unklar, kümmert sich keiner, kann keiner zur Verantwortung gezogen werden, wenn es schiefgeht. Das ist dann eine Gesellschaftsform, die privates Eigentum nicht kennt und diskriminiert. Sie ist also unfrei und schadet auch Natur und Umwelt.
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Sie vollzieht Raubbau. Nicht ohne Grund sind die größten Umweltschäden in Ländern des Sozialismus zu finden.
({1})
Eine marktwirtschaftliche Ordnung setzt den Rahmen für eine faire und lebenswerte Gesellschaft, in der die Kräfte verantwortlich handeln können. Wir sehen heute engagierte Unternehmen, die über gesetzliche Standards hinausgehen, weil sie Investitionen in den Umweltschutz als Wettbewerbsvorteil begreifen. Laut des Statistischen Bundesamtes haben sich die Umweltschutzinvestitionen im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland von 2009 bis 2019 mehr als verdoppelt, auf fast 12 Milliarden Euro. Die Ampelkoalition unterstützt diese Entwicklung. Bereits in diesem Jahr sind mehr als die Hälfte der Ausgaben im Einzelplan 16 – über 1 Milliarde Euro – für Investitionen vorgeschlagen.
({2})
Zudem werden im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz bis 2026 rund 1,3 Milliarden Euro mehr ausgegeben.
({3})
Die Garantie von Rechtssicherheit, Privateigentum, Vertragsfreiheit und freier Preisbildung wird diese Entwicklung begleiten und unterstützen. Hier setzt auch der Verbraucherschutz an. Zur Unterstützung der Mündigkeit der Bürger wollen wir nicht nur Innovation und Medienkompetenz stärker in den Fokus rücken. Auch die Finanzkompetenz sowie die Resilienz überschuldeter Verbraucher sollen eine größere Rolle spielen als bisher. Am Ende setzen wir auf den mündigen Verbraucher.
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Mit einer sachorientierten umweltpolitischen Gesetzgebung und der Förderung einer lebendigen, innovativen Start-up-Kultur bekommt menschlicher Erfindergeist die Entfaltungsmöglichkeiten, die er braucht. Unser Ziel muss es sein, dass wir alle, über sämtliche Grenzen hinweg, von Innovationen profitieren werden, die heute noch illusorisch wirken. Nur so können auch ungewöhnliche Ideen zur Marktreife gelangen.
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Hier reden wir nicht nur, sondern wir handeln auch. Für 2022 sind im Einzelplan 16 über 150 Millionen Euro für Bildung und Forschung vorgesehen. Das entspricht einer Steigerung zum Istwert 2021 um sage und schreibe 50 Prozent, und das aus gutem Grund: Wir brauchen Forschung und Wissenschaft, Innovationen und die vielen klugen Ideen der Menschen. Nur neue und immer bessere Technologien ermöglichen es uns, Energie bezahlbar umzuwandeln und gleichzeitig die Natur und auch das Klima zu schützen.
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Es darf in der Umwelt- und Energiepolitik keine Denkverbote geben.
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Der schreckliche Ukrainekrieg und unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas, die wegen des massiven Ausbaus der Erneuerbaren noch gestiegen ist, zeigen dies überdeutlich.
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Auch bei der Lösung von komplexen Umweltproblemen brauchen wir die Kreativität der vielen und den Wettbewerb der besten Ideen. Moralpredigten über Veränderungen des individuellen Lebensstils – vom Auto zum Fahrrad, vom Fleisch zur Pflanzenkost, von der Plastiktüte zum Jutebeutel – sind eben nicht zielführend.
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Sie sind letztendlich individuelle Lebensentscheidungen, in die wir nicht eingreifen dürfen.
Es braucht Kreativität und Wettbewerb. Ökonomen jeglicher Couleur zeigen uns bereits seit Jahrzehnten empirisch, dass man bei negativen externen Effekten nötigenfalls einen Markt etablieren muss. Also: Seltenheit, Wettbewerb und ein Preis – nur so kann es uns gelingen, heimische Umweltschutztechnologie zum Exportschlager zu machen. Auf dem Weg der Verbote und des moralischen Zeigefingers wird uns niemand folgen;
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auf den, der wirtschaftlichen Fortschritt, eine freie Lebensweise und effektivere Ressourcenschonung verbindet, allerdings schon.
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In der deutschen Umweltpolitik wurden in der Vergangenheit viel zu viele und zu kleinteilige Diskussionen geführt. Dies war überbürokratisch und meist abhängig von Einzelinteressen und Einzelentscheidungen. Oftmals formulierten wir ehrgeizige und ambitionierte Ziele, die regelmäßig verschärft wurden. Schließlich verkommen diese Ziele und Maßnahmen jedoch zum Papiertiger, und in der Praxis wird nichts erreicht. Gleichzeitig verkennen wir, dass das Heil auch, aber nicht nur im Klimaschutz liegt.
Meine Damen und Herren, in diesem Bereich müssen wir vorhandene Konzepte endlich entschlossen umsetzen und innovative Lösungen weiterentwickeln. Unser Ziel müssen lebenswerte Naturlandschaften sein, in denen sich noch nachfolgende Generationen wohlfühlen und frei entfalten.
Kollege Schäffler, Sie können selbstverständlich weitersprechen, täten das aber sonst auf Kosten Ihrer Kollegen.
Dieser Einzelplan legt die Grundlage dafür. – Vielen Dank, Frau Präsidentin.
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Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Amira Mohamed Ali das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Gerade einmal 41 Millionen Euro sind im Haushalt für die Verbraucherpolitik vorgesehen. Zum Vergleich: Ein Unternehmen, das dafür bezahlt wird, für deutsche Unternehmen im Ausland Werbung zu machen, bekommt 44 Millionen Euro, mehr also, als für den Schutz von 83 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern in unserem Land vorgesehen ist. Kolleginnen und Kollegen, das geht so nicht! Der Verbraucherschutz braucht viel mehr.
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Viel zu oft werden Verbraucher von großen Unternehmen betrogen und abgezockt: überhöhte Dispozinsen, Kreditverträge mit horrenden versteckten Nebenkosten, irreführende Werbung.
Kürzlich mahnte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen alle großen Telefonanbieter wegen schlechter Beratung und Verstößen gegen Informationspflichten ab. Und jeder, der schon einmal in einer der vielen Kundendiensthotlines festsaß, der weiß: Viel zu oft braucht man Nerven wie Drahtseile, um als Verbraucher zu seinem Recht zu kommen. Aber das sollte nicht so sein.
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Der Blick in die digitale Welt zeigt den Ernst der Lage umso deutlicher. Es wimmelt von Fake-Bewertungen und Fake Shops. Unsere Daten werden viel zu oft hemmungslos genutzt. Der Manipulation sind Tür und Tor geöffnet, und nicht jedem ist bewusst, dass die Algorithmen, die das individuelle Kauf- und Klick-Verhalten analysieren, nicht nur für individuelle Produktangebote sorgen; nein, sie sorgen auch für individualisierte Preise. Aus der Fülle von persönlichen Daten wird analysiert, wer von uns bereit ist, für welches Produkt wie viel Geld auszugeben, und den Preis kriegt man dann angezeigt. Das ist Manipulation auf allerhöchstem Niveau, und all dem muss man etwas Schlagkräftiges entgegensetzen, Kolleginnen und Kollegen.
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Die Verbraucherschützer in unserem Land, zum Beispiel in den Verbraucherzentralen, arbeiten unermüdlich mit großartigem Einsatz. Aber dieser Übermacht können sie viel zu oft viel zu wenig entgegensetzen, weil sie personell und sachlich einfach nicht genügend ausgestattet sind. Geben Sie ihnen endlich die Mittel, die sie brauchen, um ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen! Schluss mit dieser Unterfinanzierung!
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Das gilt auch für sämtliche staatliche Kontrollbehörden, von der Lebensmittelaufsicht bis zum Zoll. Kürzlich habe ich bei mir zu Hause in Oldenburg ein Gespräch mit Zollbeamten geführt. Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung weiß, wie die Lage da ist. Darum stelle ich es mal kurz dar.
Die technische Ausstattung ist, wenn vorhanden, vollkommen überaltert. Die digitale Vernetzung zwischen den Behörden ist mangelhaft. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind chronisch überlastet, weil Kolleginnen und Kollegen fehlen.
Und ja, ich weiß, es sollen jetzt mehr Stellen beim Zoll geschaffen werden. Das ist auch gut, aber bereits heute können 800 Stellen nicht besetzt werden, weil man einfach keine Leute dafür findet. Das liegt wiederum daran, dass man als Zollbeamter beim Einstieg nur so wenig verdient, dass man davon nicht mal eine Wohnung in einer Großstadt bezahlen kann. Hier muss man ran.
Es muss insgesamt endlich Schluss damit sein, dass diejenigen, die in unserem Land die wichtigsten Aufgaben erfüllen – in den Kontrollbehörden, in den Beratungsstellen, im gesamten sozialen Bereich –, dass diese Menschen mies bezahlt werden und unter Dauerüberlastung leiden. Damit muss Schluss sein. Echte Leistung muss sich endlich lohnen, Kolleginnen und Kollegen!
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Das gilt auch für die Schuldnerberatungen. Ja, erstmals sind dafür im Haushalt jetzt 1 Million Euro vorgesehen – na, Donnerwetter. In Anbetracht der wachsenden Notwendigkeit von flächendeckender Schuldnerberatung ist das wirklich nur ein Feigenblatt. Aufgrund der steigenden, der explodierenden Energiekosten, gegen die Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, sich nachhaltig weigern, effektive Maßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel entsprechende Steuersenkungen und staatliche Preisaufsicht,
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geraten immer mehr Menschen in ernsthafte Schwierigkeiten.
Gute und kostenlose Schuldnerberatung flächendeckend ist wichtiger denn je. Nach unseren Berechnungen bräuchte es dauerhaft 15 Millionen Euro im Haushalt für eine soziale Schuldnerberatung, und das ist ja wohl wirklich das Mindeste, Kolleginnen und Kollegen.
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Wenn es nach uns geht, sollten Inkassounternehmen an diesen Kosten angemessen beteiligt werden. Wenn man bedenkt, wie viele sich hier teilweise mit mehr als fragwürdigen Methoden eine goldene Nase verdienen, ist das wirklich nur recht und billig.
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Leider agiert die neue Bundesregierung bisher mit der gleichen Zögerlichkeit, der gleichen Knausrigkeit wie die Vorgängerregierungen, wenn es darum geht, das notwendige Geld für Beratungsstellen, Kontrollinstanzen und Kontrollbehörden zur Verfügung zu stellen. Warum? Wollen Sie ernsthaft behaupten, dafür sei kein Geld da, wenn Sie auf der anderen Seite unfassbare 100 Milliarden Euro für Aufrüstung ausgeben wollen? Sogar das Grundgesetz soll dafür geändert werden. Warum ist für den Verbraucherschutz nur so wenig Geld da? Frau Ministerin Lemke, diese Frage müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wirklich beantworten.
Danke schön.
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Der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen ist der Kollege Dr. Sebastian Schäfer.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen gerade in diesen Tagen vor existenziellen Herausforderungen, die uns vor Augen führen, wie verletzlich unsere Gesellschaft ist. Gerade deshalb dürfen wir darüber nicht die Klimakrise und das massenhafte Aussterben von Arten aus dem Blick verlieren. Die ökologischen Fragen stellen sich mit größter Dringlichkeit.
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Es geht gerade jetzt darum, die Resilienz unserer Gesellschaft zu erhöhen – Herr Lindner hat es heute Morgen ausgeführt –, und dafür ist der natürliche Klimaschutz essenziell. Intakte Ökosysteme sind wichtige Kohlenstoffsenken, aber nicht nur das. Naturschutzgebiete wie der Nationalpark Schwarzwald, die für den Arterhalt so wesentlich sind, sind kein Luxus, sondern das ist unsere Lebensgrundlage, das ist unsere Zukunft.
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Wir brauchen aber auch Klimaanpassung. Ein Großteil der Emissionen, die bis 2050 unser Leben verändern, sind bereits ausgestoßen. Wir wissen, und das regional sehr exakt, was auf uns zukommt, und wir müssen den Mut haben, unsere Augen dafür zu öffnen. Berlin könnte und wird wahrscheinlich 2050 das Wetter von Toulouse haben. Winter ohne Schnee werden normal.
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Die Anzahl der Hitzetage wird sich verdoppeln, und die Landwirtschaft in Deutschland muss sich auf regelmäßige Dürren einstellen. In der Region von meinem Wahlkreis Esslingen dürfte sich die Tigermücke ausbreiten, und auch auf solche Entwicklungen müssen wir vorbereitet sein.
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Damit Klimaanpassungen aber irgendwann ein Ende nehmen können und wir uns die enormen Kosten, die langfristig damit verbunden sind, sparen können, hat die neue Bundesregierung den Ausbau erneuerbarer Energien ganz oben auf die Agenda gesetzt. Die Vorteile einer sauberen und dezentralen Energieversorgung sind offensichtlicher denn je, auch geostrategisch, und wir werden zeigen, dass Klima- und Naturschutz vereinbar sind.
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Die Lebensgrundlage von Arten wie Schwarzstörchen oder Wanderfalken, die vom Ausbau der Windkraft ganz besonders betroffen sind, werden wir mit dem Bundesnaturschutzfonds verbessern. Auch den Meeresschutz stärken wir. In ersten Demonstrationsprojekten soll Munition geborgen, zerlegt und in schwimmenden Entsorgungsanlagen verbrannt werden. Dieses Vorhaben zeigt auch, wie lang ein Krieg nachwirkt.
Lassen Sie uns jetzt die Krisen nicht gegeneinander ausspielen. Sosehr wir uns um das Heute kümmern müssen, so sehr müssen wir dabei das Morgen im Blick behalten. Wir brauchen keinen Rollback, wir brauchen Zukunft.
Herzlichen Dank.
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Christian Hirte hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir alle schauen in die Ukraine und sind entsetzt über den verbrecherischen Angriffskrieg, den wir dort erleben. Die Konsequenzen dessen sind international spürbar. Sie sind nicht nur ein Drama für die Ukraine, sondern sie haben am Ende auch für uns in Deutschland konkrete Auswirkungen.
Das, was da passiert, hat, Frau Ministerin, am Ende ganz konkrete Auswirkungen auf Ihre Arbeit und das, was der Einzelplan 16 jetzt im Entwurf eben noch nicht aufgegriffen hat. Wir werden sehen, dass es Auswirkungen auf die Energiepreise, die Versorgung mit Rohstoffen, vor allem aber auch auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln und die internationalen Preise für diese haben wird.
Angesichts etwa der prekären Gasversorgung sorgen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch Unternehmen über das, was auf uns zukommt – mit Blick auf die Zapfsäulen, mit Blick auf die Strom- und Gaszähler oder etwa auf die Supermarktregale.
Wenn wir uns anschauen, wie sich die Situation gerade in den letzten Wochen und Monaten entwickelt hat, stellen wir fest, dass sich Preise so dynamisch entwickelt haben, wie wir das bislang noch nie kannten. Die prekäre Gasversorgung wird leider dazu führen, dass wir auch für die in den Blick genommene Netzstabilisierung unseres Stromnetzes durch Gaskraftwerke schwarzsehen müssen. Wir haben also eine kurzfristige und auch eine langfristige Unterversorgung mit Energie in den Blick zu nehmen. Das wird am Ende Arbeitsplätze kosten. Es wird Wohlstand und Einkommen vernichten.
Olaf Scholz hat am Sonntag, dem 27. Februar, von einer Zeitenwende gesprochen, und er hat angekündigt, dass vieles auf den Prüfstand gestellt werden muss, insbesondere bei der Verteidigungspolitik der die Regierung tragenden Parteien. Jetzt müssen wir aber aufpassen, dass aus dieser Rede am Sonntag nicht eine Sonntagsrede wird.
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Denn auf den Prüfstand müssen wir nicht nur unsere Verteidigungs- und unsere Außen- und Sicherheitspolitik stellen, sondern selbstverständlich auch alle anderen Bereiche, insbesondere etwa unsere Energiepolitik. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir alle nationalen und europäischen Ressourcen heben, die uns in dieser Situation weiterhelfen können. Uns ist doch klar geworden – zumindest ist jedem jetzt klar geworden –, dass bei dem energiepolitischen Dreieck die Versorgungssicherheit absolute Priorität vor den anderen beiden Bereichen Klimafreundlichkeit und Bezahlbarkeit haben muss.
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– Herr Kollege, ohne die Versorgungssicherheit nutzen Preise gar nichts, nutzt auch Klimafreundlichkeit gar nichts, wenn es am Ende in Deutschland zappenduster wird.
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Die Priorität muss ganz klar die Versorgungssicherheit haben.
Deswegen ist es Aufgabe der Regierung – es ist eben schon einmal angeklungen –, vorurteilsfrei und – ich betone das ausdrücklich, Frau Ministerin – auch ideologiefrei zu prüfen, welche Möglichkeiten wir haben, politisch, wirtschaftlich, aber eben auch technologisch unseren Beitrag zu leisten, damit wir uns ein Stück weit besser aufstellen, etwa wenn es darum geht, Kohle und auch die Kernkraft weiter zu nutzen.
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Wir müssen prüfen, wie es mit unseren nationalen Öl- und Gasreserven aussieht. Wir müssen, Frau Ministerin, auch prüfen, wie es aussieht mit der Nutzung von CCS und CCU und schließlich auch mit dem Ausschöpfen der Biomasse, die wir in Deutschland nutzbar machen können. Aus gutem Grund hat die Europäische Kommission jetzt angekündigt, zu prüfen, ob wir beim Green New Deal nicht einen Teil der Maßnahmen aussetzen, um zunächst alles nutzbar zu machen, was in Europa und, Frau Ministerin, auch im eigenen Land nutzbar gemacht werden kann.
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Ich vermisse in Ihrem Haushalt Aussagen zum Thema „alternative Mobilitätsformen“. Es gibt eben nicht nur Elektroautos, sondern wir müssen auch schauen, welche Antriebsformen sonst in Betracht kommen, etwa synthetische Kraftstoffe. Für eine lange Zeit wird der Fuhrpark auch noch mit Verbrennern ausgestattet sein. Wir müssen schauen, dass wir auch Holz- und Pelletnutzung weiter ermöglichen und diese nicht, wie von Ihrem nachgeordneten Umweltbundesamt angekündigt, verbieten.
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Wir müssen schauen, dass wir bei der Planungsbeschleunigung massiv Gas geben, so wie es von der letzten Bundesregierung angepackt wurde, um die großen Herausforderungen beim Ausbau unserer Energiewirtschaft, etwa bei den Erneuerbaren, aber auch bei der Infrastruktur, zu meistern.
Frau Ministerin, Ihr Haus hat viele Aufgaben vor sich. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten – kritisch, aber konstruktiv.
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Helmut Kleebank ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heutige 22. März ist nicht nur der erste Tag der Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag, sondern es ist auch der Weltwassertag. Im Jahr 1992 von den Vereinten Nationen ausgerufen, wurde er verbunden mit der UN-Wasserdekade von 2018 bis 2028; vier Jahre sind bereits verstrichen. Ziele dieser Aktion sind insbesondere die Wissensverbreitung zum Thema „Wasser und Gewässerschutz“ und die Stärkung der Kommunikationsmaßnahmen zur Umsetzung wasserbezogener Ziele, insbesondere der SDGs. Die deutsche Bundesregierung hat diesen Aufruf schon in der letzten Wahlperiode ernst genommen und sowohl einen Nationalen Wasserdialog als auch einen internationalen Wasserdialog für nachhaltiges Wasserressourcen- und Gewässermanagement initiiert und diesen auch im letzten Jahr abgeschlossen.
Warum sage ich das? Wassermangel, wie er uns droht, wird uns alle betreffen. Ich will das noch ein klein wenig vertiefen. Bei den Oberflächengewässern ist das alles für uns sichtbar: Kleinere Gewässer versiegen; stehende Gewässer verlieren, insbesondere wenn sie grundwassergespeist sind, an Volumen.
Das Ganze ist aber eigentlich noch katastrophaler. Das Global Institute for Water Security hat Daten einer Satellitenmission analysiert und kommt zu folgendem Ergebnis: In den letzten 20 Jahren hat Deutschland in Summe – das betrifft Oberflächengewässer, die Feuchtigkeit im Boden, das Grundwasser – Wasser im Volumen des Bodensees verloren. – Auch das ist vielleicht interessant: Die Betroffenheit ist natürlich nicht gleich verteilt. Es betrifft ebenso die Lüneburger Heide wie auch mit besonderem Schwerpunkt Bayern und Baden-Württemberg.
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Das alles ist nicht nur Folge des Klimawandels, aber natürlich auch. Wir merken es an katastrophalen Starkregen- und Hochwasserereignissen. Wir merken es an langen und heftigen Dürreperioden, die eine Bedrohung für unsere Wälder und für unsere Landwirtschaft darstellen. Gerade heute hat der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet, dass in den Berliner Forsten Eichen im besten Lebensalter spontan umfallen und man feststellt, dass sie über keinen Wurzelballen mehr verfügen. Die Ursache ist noch einigermaßen unklar. Vermutlich ist es eine Kombination aus Wassermangel und Schädlingsbefall. – Es ist sicher auch Folge der Umgestaltung unserer Flächen: Versiegelung, Trockenlegung, blockierte, entwässerte Überschwemmungsgebiete, Moore, ein steigender Wasserbedarf in Wirtschaft und Landwirtschaft und Ähnliches.
Der Kollege Thews hat darauf hingewiesen, dass insbesondere die Klimafolgenanpassung und der natürliche Klimaschutz wichtige Elemente sind. Eine zukünftige Antwort darauf wird die Nationale Wasserstrategie liefern. Auch diese ist von unserer damaligen Umweltministerin Svenja Schulze ins Leben gerufen worden. Ich freue mich, dass die Bundesregierung bereits erklärt hat, diese Nationale Wasserstrategie weiterzuverfolgen und zum Jahresende die Ressortabstimmung durchgeführt haben zu wollen.
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Im Koalitionsvertrag hat die Klimafolgenanpassung breiten Raum eingenommen. Sie korrespondiert mit dem natürlichen Klimaschutz und dem Erhalt der Artenvielfalt. Das gehört zusammen, insbesondere mit Blick auf das Wasser. Die Ziele müssen also sein, Wasser in der Fläche zu halten, Moore zu schützen, zu renaturieren, wieder zu vernässen, Auen wiederherzustellen, naturnahe Wälder zu entwickeln und vieles mehr. Ich erinnere hier in Bezug auf die Bundeswasserstraßen nur an das Programm „Blaues Band Deutschland“; auch das ist ein wichtiges Projekt.
Das alles fördert sowohl die Artenvielfalt als auch den Erhalt und die Wiederherstellung von Biotopen. Deswegen ist es sehr begrüßenswert, dass aus dem EKF über die Zeit rund 4 Milliarden Euro veranschlagt werden. Für das laufende Jahr – oder war es das kommende Jahr? ich meine, es war dieses Jahr – sind es 590 Millionen Euro. Das ist ein richtig dicker Brocken, finde ich.
Zugleich gilt es aber auch, wassersensible Städte zu fördern. Das ist nicht vordringlich Aufgabe des Bundes. Aber wer sich das mal anschauen will: Sie alle kennen wahrscheinlich noch den ehemaligen Flughafen Tegel. Das dort entstehende Schumacher Quartier soll genau diesen Ansprüchen gerecht werden.
Ich will zuletzt noch darauf hinweisen, dass es sich um eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Wissenschaft und Forschung, aber auch Wohnungsbaugesellschaften usw. handelt. Wir schaffen mit diesem Haushalt wichtige Voraussetzungen für den natürlichen Klimaschutz, und auch der Bundesnaturschutzfonds wird einen wichtigen Beitrag des Bundes dazu leisten. In diesem Sinne bin ich sicher: Wir sind gut aufgestellt.
Der Kollege Dennis Rohde hat heute Morgen gesagt: Lebensbedingungen für zukünftige Generationen gilt es zu sichern. Dafür ist dieser Haushalt hervorragend gerüstet.
Vielen Dank.
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Dr. Rainer Kraft hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Werte Präsidentin! Frau Ministerin! Verehrte Kollegen! Noch niemals ist eine Regierung nach einem Frontalzusammenstoß mit der Realität so schnell und so hart auf dem Boden der Realität angekommen wie diese.
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Neben vielen anderen Punkten betrifft das vornehmlich natürlich Ihre Energiepolitik und damit die Frage nach der Kernkraft und nach den nuklearen Reststoffen.
Die EU gibt in der Taxonomie den Weg vor. Ein Land nach dem anderen macht sich auf den Weg in die nukleare Zukunft, aber diese Regierung stellt sich blind und taub. Diversifizierung der Energiewirtschaft wäre das Gebot der Stunde, aber diese Regierung setzt weiter immer nur auf Erneuerbare und Gas, Gas, Gas,
({1})
wie ein Süchtiger auf der Suche nach dem nächsten Schuss und dem nächsten Dealer. Um der einen Abhängigkeit zu entfliehen, buckelt man sich dabei in die nächste.
Dieses Verhalten wird selbstverständlich international wahrgenommen, auch von den Gaslieferanten; denn jedes Kernkraftwerk in Europa bedeutet weniger verkauftes Gas. Bei einem Kernkraftwerk, wie wir es in Deutschland haben, kann man circa 1 Milliarde Kubikmeter Gas pro Jahr gegenrechnen.
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Es ist daher kein Wunder, dass die europäischen Absichten, sich mit Kernkraft vom Gas unabhängiger zu machen, von den Gaslieferanten torpediert werden, zum Beispiel durch die Finanzierung von Antiatomkraftbewegungen, von Umwelt- und Klimaverbänden oder auch durch inszenierte Kämpfe auf dem Gelände von ukrainischen Kernkraftwerken.
({3})
Aber bleiben wir bei den Reststoffen aus der zivilen Nutzung. Während Recycling und Wiederverwendung ansonsten höchste Priorität genießen – auch jenseits der Wirtschaftlichkeit dieser Projekte –, hält man bei den nuklearen Reststoffen daran fest, dass man sich des Problems mittels eines tiefen Lochs entledigt. Ein verantwortlicher Umgang, meine Damen und Herren, ist das nicht.
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Es gibt zahlreiche Beispiele aus der Vergangenheit. Zum Beispiel – es wurde heute angesprochen – hat man nach den Weltkriegen viel Munition einfach in Nord- und Ostsee, ins Meer geworfen. Heute sucht uns dieses unverantwortliche Handeln heim, und wir müssen die Munition wegräumen.
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Das Gleiche geschieht bei der Deponierung von toxischen Giftstoffen: Über 2,5 Millionen Tonnen von Arsen, Quecksilber und dioxinhaltigen Abfällen schlummern in deutschen Deponien, oftmals oberflächennah, ohne Halbwertszeit und oftmals sogar aus dem Ausland nach Deutschland importiert. Aber das interessiert niemanden. Es wird weiter unheimlich viel Steuerzahlergeld verbrannt, um sich an den nur 15 000 Tonnen nukleare Reststoffe abzuarbeiten.
An dieser Schwerpunktsetzung erkennt man die Widersprüchlichkeit des Handelns dieser Regierung: Ein kleineres Problem wird massiv hochstilisiert,
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mit Steuerzahlergeld wird die Endlagerung vergoldet, und andere, größere Probleme der Deponierung werden weitestgehend ignoriert.
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Das heißt, liebes Ministerium: Sie handeln aus ideologischen Gründen und messen mit zweierlei Maß.
Es ist daher nötig, mit den Hinterlassenschaften, auch mit den nuklearen Reststoffen, verantwortlich umzugehen,
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sie aufzutrennen, alles, was verwertet werden kann, einer Verwertung zuzuführen und nur den unverwertbaren Rest einzulagern. Schützen Sie daher endlich die Umwelt, statt Ihre alten Ideale aus dem letzten Jahrhundert hochzuhalten!
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Herr Kollege, kommen Sie zum Ende, bitte.
Stärken Sie die Energiediversifizierung, und helfen Sie mit, unsere Nation aus den Fängen der Autokraten in Ost und Nahost zu befreien!
Herr Kollege.
Beginnen Sie mit dem Entzug!
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Judith Skudelny hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Putins Angriffskrieg hat die weltpolitische Lage verändert, er hat die politische Lage in Deutschland verändert, und er beeinflusst auch die Politik im Umwelt- und Verbraucherschutzbereich. Wer jedoch denkt, angesichts der neuen Herausforderungen in alte Denkweisen verfallen zu müssen, der ist schlicht und ergreifend falsch beraten.
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Die Ampelkoalition wird an die aktuellen und kommenden Fragen mit pragmatischen und progressiven Lösungen herangehen.
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Eine der dringendsten Fragen ist die nach dem Umgang mit der Welternährung. 30 Prozent der Getreideernte werden durch den Krieg weltweit ausfallen. Das sind Auswirkungen, die wir nicht in Deutschland spüren, die wir nicht in Europa spüren. Sie werden spürbar sein für die Menschen im Nahen Osten; sie werden spürbar sein für die Menschen in Afrika.
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Gleichzeitig sehen wir in allen Regionen der Welt, dass das Artensterben voranschreitet.
Meine Damen und Herren, wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass die eine und die andere Herausforderung sich gegenseitig wie Katalysatoren befeuern können. Wir in Deutschland haben eine ethische und eine praktische Verantwortung, aus diesen Gegensätzen eine Einheit zu machen, damit wir die Sicherung der Welternährung und den Arterhalt in Deutschland schaffen.
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Dazu hat die Bundesregierung mit den 4 Milliarden Euro für den natürlichen Klimaschutz einen dicken Stein ins Wasser geworfen. Frau Lemke, ich kann mir vorstellen, dass die Verhandlungen mit Robert Habeck um den Anteil aus dem Energie- und Klimafonds nicht einfach waren.
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Aber ganz im Ernst: Hätte ich auf einen von Ihnen beiden wetten müssen, meine Stimme wäre bei Ihnen gewesen. Ich kann mir gut vorstellen, warum Sie sich so gut durchgesetzt haben. Herzlichen Glückwunsch dazu!
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Zur Kreislaufwirtschaft. Früher war Kreislaufwirtschaft im Wesentlichen ein Umweltthema. Wir sehen, dass in vielen Ländern, aus denen unsere Rohstoffe kommen, unsere Umweltstandards nicht ganz eingehalten werden.
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Deswegen haben wir schon in der Vergangenheit immer wieder darauf gedrungen, dass Rohstoffe öfter und länger genutzt werden müssen. Seit dem Krieg in der Ukraine kommen zwei neue Argumente beim Thema Kreislaufwirtschaft dazu: Menschenrechte und eine unabhängige Versorgungssicherheit. Diesen Anforderungen an die Kreislaufwirtschaft wird die Ampelkoalition gerecht werden.
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Mit der erweiterten Herstellerverantwortung, mit einer besseren und vor allem technologieoffenen Finanzierung der dualen Systeme und auch mit dem Aktionsplan „Reparieren statt wegwerfen“, der mit 19 Millionen Euro unterlegt ist, verfolgen wir das Ziel, den Primärressourcenverbrauch zu reduzieren. Der Ampelkoalition wird es gelingen, dieses Ziel zu erreichen.
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Das ist übrigens nicht nur ein Gebot mit Blick auf die Umwelt; es ist auch ein Gebot der Vernunft und der Menschlichkeit.
Gerade beim Öl zeigt sich, wie wichtig die Unabhängigkeit ist. Schon heute müssen sich Menschen in Deutschland zwischen Tank und Teller entscheiden – eine Situation, die noch vor einem Jahr niemand hätte vorhersehen können. Davon ist auch die Mitte der Gesellschaft betroffen, also diejenigen, die jeden Tag darum kämpfen, sich und ihre Familien über Wasser zu halten und sich einen geringen oder mittleren Wohlstand zu bewahren. Diesen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft müssen wir helfen.
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Der von Finanzminister Christian Lindner ins Gespräch gebrachte Tankrabatt wird jetzt mittlerweile wenigstens in Frankreich und Italien umgesetzt; das ist ja auch schon mal ein Erfolg. Aber ganz ehrlich: Wir sind pragmatisch. Ob Tankrabatt, Energiegeld oder Mobilitätsprämie: Die Menschen wollen eine Lösung für die ganz konkreten Probleme, vor denen sie heute stehen. Es ist wurscht, wie das Kind heißt; Hauptsache, die Hilfe kommt schnell und bürokratiearm. Dafür ist die Ampel gewählt worden, und da wird die Ampelkoalition auch liefern.
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Noch ganz kurz ein Thema in eigener Sache. Ganz ehrlich: So hoch, wie unsere Energiepreise heute sind, lohnen sich auch E-Fuels, und zwar im Tank und in der Heizung. Hätten wir schon früher darauf gesetzt,
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wären wir da vielleicht auch schon weiter. Im Moment ist die Tür offen. Es wäre schön, die Ampelkoalition würde durch diese Tür gehen und auch den E-Fuels perspektivisch eine Chance geben.
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Ich habe eingangs gesagt, dass die Ampel progressiv und pragmatisch in der Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik vorgehen wird. Sie wird auch effizient und effektiv mit den Geldern umgehen. Unser Finanzminister und die Umweltministerin haben dazu mit ihrem Haushaltsentwurf eine solide und herausragende Grundlage geschaffen. Den Feinschliff übernehmen wir hier noch im Parlament – für die Umwelt und für die Menschen in Deutschland.
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Der Kollege Klaus Mack hält heute hier seine erste Rede und spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin, dieser Haushalt sieht weniger anstatt mehr Naturschutz vor. Die Wahrheit ist im Haushalt immer eine Zahl: Der Naturschutzetat schrumpft, und das in einem grünen Ministerium.
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Unlängst haben Sie noch groß verkündet, dass Ihnen der Finanzminister mehr Mittel zugesteht. Was Sie allerdings verschweigen: Dieses Geld fließt in andere Bereiche. Das bedeutet jetzt: keinen Cent mehr für den Natur- und den Artenschutz, und das, obwohl Sie am Haushalt der Vorgängerregierung größte Kritik geäußert haben. Der Haushalt sei aus der Zeit gefallen; er sei im Klein-Klein verhaftet. Ich frage Sie: Wenn Sie als grüne Umweltministerin jetzt weniger Geld für Natur- und Artenschutz ausgeben, ist dieser Haushalt dann im Noch-Kleiner verhaftet? Dem Naturschutz erweisen Sie so in jedem Fall einen Bärendienst, liebe Frau Ministerin.
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Das Problem ist ein organisatorisches. Ihnen fehlen nämlich die Grundlagen, um die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre fortzuführen. Ihr Ministerium wurde schlichtweg ausgedünnt. Den Klimaschutz mussten Sie an Herrn Habeck abgeben, den internationalen Klimaschutz an Frau Baerbock; dabei wäre Klima- und Naturschutz aus einem Guss notwendig.
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Es wäre die große Chance gewesen, das Umweltministerium zu einem Transformationsministerium auszubauen.
({3})
Aber nein, die Ampel hat eine ganzheitliche Betrachtung verspielt. Die Grünen zerlegen ihr eigenes Kernministerium.
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Sie mussten Federn lassen. Jetzt fehlen Ihnen erhebliche Mittel, sodass Sie beim Naturschutz hinter den hochgesteckten Erwartungen zurückbleiben. Wofür Sie dann im Bundesamt für Naturschutz und im Umweltbundesamt über 100 neue Personalstellen brauchen, ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft.
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Eine zielgerichtete Organisation eines Bundesumweltministeriums sieht so jedenfalls nicht aus, meine Damen und Herren. Das wäre aber notwendig, um die Energiewende voranzubringen.
Sie wollen die Genehmigungsdauer beim Ausbau der regenerativen Energien halbieren. Da sind wir dabei. 11 000 Megawatt Windenergie stecken derzeit im Genehmigungsverfahren fest. Damit könnte man nahezu sieben Großstädte wie Hamburg versorgen.
({6})
Die Hälfte aller Klagen ist auf den Artenschutz zurückzuführen. Übrigens wurden diese größtenteils von Umwelt- und Naturschutzverbänden geführt. Es ist doch leider häufig die grüne Klientel vor Ort, die Projekte blockiert, verschleppt und mit Klagen bedroht.
Ich war viele Jahre Bürgermeister der Stadt Bad Wildbad. Unser Windkraftprojekt wurde über sechs Jahre lang blockiert wegen ein paar Fledermäusen und einem Wespenbussard. Da fragt man sich doch, ob so ein Vogel bei über 90 Prozent Waldanteil bei uns im Schwarzwald keinen anderen Baum findet, meine Damen und Herren.
({7})
Sie wollen jetzt einen Paradigmenwechsel. Die Population soll künftig geschützt werden und nicht mehr der einzelne Vogel. Das ist tatsächlich ein richtiger Weg. Mit einem nationalen Artenhilfsprogramm soll das Ganze abgefedert werden. Nach Berechnungen Ihres eigenen Ministeriums sind dazu mindestens 100 Millionen Euro jährlich notwendig. Wenn ich mir aber Ihren Haushalt ansehe, dann stelle ich fest, dass Sie dieses Programm in diesem nebulösen Bundesnaturschutzfonds verstecken. In Wahrheit sehen Sie nicht mal 1,5 Millionen Euro für das Artenhilfsprogramm vor. Das ist reine Augenwischerei. Sie sind als Tiger gestartet und enden als Bettvorleger.
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Sie werden damit sicher nicht diejenigen vor Ort überzeugen, die Fledermäuse zählen und die Fahne des Naturschutzes hochhalten.
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Und noch eine Frage stelle ich mir bei diesem Haushalt. Sie sehen ernsthaft 100 000 Euro für Herdenschutzesel vor. Ob das unsere Weidetiere vor dem Wolf schützt, möchte ich mehr als bezweifeln. Ich glaube, da wollen Sie eher nach dem Sprichwort handeln: „Immer, wenn über eine Sache Gras gewachsen ist, kommt irgendein Esel und frisst es wieder runter.“
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Allerdings wächst über die Wolfsproblematik kein Gras. Sehen Sie endlich ein, dass der Wolf in manchen Regionen Deutschlands zu einem echten Problem geworden ist. Legen Sie für das Monitoring einheitliche Kriterien vor. Der günstige Erhaltungszustand der Population Wolf ist längst erreicht.
({11})
Deshalb sollte es auch kein Tabu mehr sein, den Wolf als jagdbare Tierart in das Bundesjagdgesetz aufzunehmen.
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Es muss jetzt Schluss sein mit der romantisierenden Vorstellung einzelner Tierschützer. Der Wolf ist kein Kuschel-, sondern ein Raubtier.
Es gibt in diesem Haushalt noch viel nachzuarbeiten. Nutzen Sie die Chance bei den Haushaltsberatungen, im Sinne des Natur- und Artenschutzes nachzusteuern, umzuschichten, neu zu justieren. Notwendig wäre jetzt, Naturschutz mit gesundem Menschenverstand zu gestalten und die Aufgabe anzugehen, Klimaschutz, Landwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz mit dem Menschen in Einklang zu bringen; denn auch der Mensch gehört zur Natur.
Ich danke Ihnen.
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Ich gebe Stefan Wenzel das Wort, und er spricht für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, vielen Dank für die Vorstellung Ihres Haushaltes heute im Bundestag. Wir alle stehen in diesen Wochen unter dem Eindruck der Ereignisse in der Ukraine. Bereits zwei Wochen nach diesem Ereignis hat die EU-Kommission ein Programm unter dem Stichwort „REPowerEU“ vorgelegt, und das kann sich sehen lassen.
Beim Gipfel von Versailles haben die Staats- und Regierungschefs darauf Bezug genommen. Ein zentrales Ziel ist es, Abhängigkeiten – insbesondere von Russland – zu beseitigen. Es geht darum, Widerstandsfähigkeit, auch „Resilienz“ genannt, zu gewinnen. Das gilt jetzt auf allen Ebenen und ist ein zentraler Punkt für alle unsere Ministerien.
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Auch das Umweltministerium wird mit diesem Haushalt ganz wesentliche Beiträge dazu leisten.
Sehr geehrter Herr Mack, ich glaube, Sie haben bei Ihrer Analyse schlicht und einfach den Finanzplan für das Sondervermögen „Klima- und Transformationsfonds“ übersehen. Wenn Sie sich diesen anschauen, dann sehen Sie, dass dieses Haus in Zukunft weit mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat als in der Vergangenheit, und das werden wir auch ganz praktisch erleben.
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Es geht um Moore. Es geht um Wälder. Es geht um Meere und Meeresschutz. Allein 90 Millionen Euro stehen für die Beseitigung von Altlasten, aber auch für das, was zum Beispiel durch die Versauerung der Meere droht, zur Verfügung. Es geht um unsere Nahrungsgrundlage, die Nahrungsgrundlage für Milliarden Menschen auf der Erde. Aber: Die 4 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds werden weit darüber hinaus Beiträge leisten, um natürlichen Klimaschutz zu ermöglichen.
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Meine Damen und Herren, Kreislaufwirtschaft bedeutet Effizienz. Das heißt, wir nutzen unsere Rohstoffe so, dass sie möglichst effizient zur Anwendung kommen. Wir vermeiden den Abbau von neuen Rohstoffen. Auch das macht uns unabhängiger, widerstandsfähiger, resilienter; denn wir müssen diese Rohstoffe dann nicht einkaufen, beispielsweise in Russland.
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Das sind einige Beispiele, die dieser Haushalt liefert. Ich bin sicher, wir werden aus diesem Ressort sehr nachhaltige, sehr wichtige Beiträge sehen.
Herr Hirte, es geht genau in die andere Richtung: Der Beschluss zu REPowerEU sagt: Wir müssen massiv den Umbau in unserer Energieversorgung beschleunigen, um von Rohstoffimporten aus Russland unabhängig zu werden.
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Dazu leistet dieser Haushalt einen wichtigen Beitrag.
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Herr Kollege.
Deshalb freue ich mich auf die Ausschussberatung. Ich glaube, dass die Ministerin hier Wegweisendes auf den Tisch gelegt hat.
Herr Kollege.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
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Streng sein überträgt sich von einer Präsidentin auf die nächste. – Das Wort hat der Kollege Jürgen Braun für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hatte die Merkel’sche Energiewende wegen eines Tsunamis in Japan schon den Charakter einer absurden Tragödie,
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so wiederholt sich heute vieles als traurige Farce.
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Landwirtschaftsminister Özdemir behauptet wörtlich, „weniger Fleisch zu essen, wäre ein Beitrag gegen Putin“. Frau Minister Lemke verteidigt jene linksradikale Sekte mit dem realsatirisch treffenden Namen „Letzte Generation“,
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die widerrechtlich deutsche Straßen blockiert und fleißige Bürger an ihrer Arbeit hindert. Denn darum geht es: uns zur letzten Generation zu machen, zu letzten Menschen, wie Nietzsches Zarathustra sie beschrieb:
Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: … „Wir haben das Glück erfunden“ – sagen die letzten Menschen und blinzeln.
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Der Haushaltsplanentwurf der grün-linken Ampel ist ein Sammelsurium an Absurditäten. Mit 625 000 Euro wollen Sie im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft 2024 unterschiedliche Aktivitäten „umweltschutzbezogen unterstützen“. Sie wollen „Jugendsport- und Jugendumweltverbände in ihrem nachhaltigkeitsbezogenen Engagement“ bestärken. Resilienz fehlte jetzt gerade noch als Modewort. Was soll man darunter verstehen? Wollen Sie der Nationalmannschaft recycelte Trikots aufzwingen?
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Oder wollen Sie Lastenräder anschaffen, die anstelle von Flugzeugen zur Anreise genutzt werden?
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Was meinen Sie überhaupt mit dem Beitrag des Fußballs zu mehr Nachhaltigkeit? Was haben Umweltverbände mit Sportverbänden zu tun?
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Das Bundesumweltministerium sollte sich eigentlich ganz anderen Fragen zuwenden als der nächsten EM, zum Beispiel der Frage, warum die EU die Kernkraft für nachhaltig hält, Deutschland aber wieder mal einen Sonderweg gehen will,
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oder der Frage, warum uns die schwarz-rot-grün-gelbe Altparteienriege durch ihren kopflosen Kernkraftausstieg innerhalb von zehn Jahren völlig in die Abhängigkeit von Russland manövriert hat.
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Der Reinhardswald in Nordhessen, Märchenwald der Brüder Grimm, dieser legendäre deutsche Wald wird jetzt brutal abgeholzt, gefördert von den rücksichtslosen Anhängern der Klimasekte in der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen.
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Um angeblich die Welt zu retten, zerstören Windindustrieanlagen Wälder, verschandeln die Landschaft, zerstören unsere Blicke auf die Natur, verbauen die Horizonte. Artenschutz spielt keine Rolle mehr in der grün-linken Ideologie der Altparteien. Rotmilane, Störche, Spechte, Fledermäuse, sie alle sind den deutschen Regierungen egal, wenn die Windkraftlobby ruft. Naturschutz am Ende, das ist Deutschland heute.
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Nadine Heselhaus hat das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haben Sie sich schon einmal Gedanken über Ihren Einkaufswagen gemacht? Die Anordnung der Griffe hat Einfluss auf unser Konsumverhalten. Griffe an der Seite sorgen laut einer Studie dafür, dass wir 25 Prozent mehr einkaufen. Das wissen Unternehmen mit Sicherheit; denn sie beschäftigen sich mit dem Verhalten von Kundinnen und Kunden, um dieses zu steuern und so ihre Gewinne zu maximieren. Darum ist es wichtig, zu erkennen, wo die Selbstbestimmung der Menschen in ihrem Konsum endet und sie geschützt werden müssen. Auch um auf neue Marktentwicklungen zu reagieren und die richtigen politischen Maßnahmen zu entwickeln, sind wir auf verlässliche Erkenntnisse angewiesen. Dafür brauchen wir die Wissenschaft. Es ist gut, dass wir den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen und das Bundesnetzwerk Verbraucherforschung haben. Darauf lässt sich aufbauen.
Jetzt wollen wir die Verbraucherwissenschaft weiterentwickeln. Wir wollen eine breitere wissenschaftliche Basis durch ein Bundesinstitut für Verbraucherforschung.
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Wir alle, Sie und ich, unsere Eltern und unsere Kinder, konsumieren. Verbraucherpolitik betrifft also alle Menschen. Deshalb sollten wir ihr endlich den Stellenwert zukommen lassen, den sie verdient, in all ihren Facetten. Wie oft hören wir, die Schule vermittle nichts fürs Leben? Und haben wir das nicht auch selbst oft gedacht. Hier setzt schulische Verbraucherbildung an. Schleswig-Holstein hat es vorgemacht und Verbraucherbildung als eigenes Fach in den Lehrplan aufgenommen. Denn ob Nachhaltigkeit, Ernährung, Digitales, Verträge oder Finanzen – Verbraucherthemen betreffen unser gesamtes Leben. Und darauf sollten Kinder vorbereitet sein.
Natürlich sind in erster Linie wir als Politik gefordert, die Menschen mit wirksamen Regeln und Gesetzen zu schützen. Trotzdem kommt es immer auch auf die Konsumierenden selbst an. Deshalb ist Verbraucherbildung so wichtig, umso mehr in einer Konsumwelt, die sich immer schneller verändert. Ja, Schulbildung ist Sache der Länder. Ein flächendeckendes Vorankommen wäre hier dennoch wünschenswert und sinnvoll.
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Ganz ohne Möglichkeiten ist aber auch der Bund nicht. So fördern wir bereits das Projekt Verbraucherschulen – ein wunderbares Projekt mit sehr motivierten Teilnehmenden. Damit es dauerhaft bestehen kann, müssen wir diese Förderung verstetigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verbraucherpolitik ist seit dieser Wahlperiode dem Umweltministerium angegliedert, und das hat durchaus Charme. Ich bin davon überzeugt: Die Entwicklung zu einer nachhaltigen klimaneutralen Gesellschaft – eine der Herausforderungen der nächsten Jahre – gelingt nur gemeinsam mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
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Deshalb liegt eine große Chance darin, wenn wir Umwelt- und Verbraucherpolitik stärker zusammendenken. Nehmen wir einmal unsere Konsum- und Wegwerfgesellschaft: Es kann doch nicht sein, dass Produkte in der Tonne landen, weil Ersatzteile fehlen und sie nicht repariert werden können. Das bereits benannte und im Koalitionsvertrag verankerte „Recht auf Reparatur“ ist mir daher ein Herzensanliegen.
Wenn die Energiepreise wie aktuell durch die Decke gehen, braucht es kurzfristig erst einmal Entlastungen für die privaten Haushalte. Einige davon wurden von der Bundesregierung bereits auf den Weg gebracht, andere werden folgen. Auch Energiesparen ist ein probates Mittel, denn in fast jedem Haushalt stecken ungeahnte Einsparpotenziale. Wer schon einmal eine Energieberatung in Anspruch genommen hat, weiß, wovon ich rede. Die Verbraucherzentralen machen hier tolle Angebote. Sie werden derzeit geradezu überrannt. Deshalb brauchen sie von uns noch mehr Unterstützung.
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Meine Damen und Herren, Sie sehen: Von guter Verbraucherpolitik profitieren wir alle ganz persönlich und gleichzeitig auch die Umwelt. – Daran werde ich immer wieder erinnern.
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Das Wort hat Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede gerade den Ausbau der erneuerbaren Energien im Zusammenhang mit dem Artenschutzprogramm angesprochen. Leider haben Sie in Ihrer Rede kein Wort zu den Menschen gesagt, die an diesen Photovoltaikanlagen, an diesen Windkraftanlagen leben müssen. Sie sind nur auf den Artenschutz eingegangen. So bekommen Sie keine Akzeptanz für den Ausbau der erneuerbaren Energien.
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Deswegen ist meine Bitte und Aufforderung, hier anders vorzugehen, anders zu argumentieren.
Sie haben viel zum Haushalt für den Klima- und Umweltschutz gesagt. Der Kollege Mack hat Ihre Rede zum Haushalt 2021 angesprochen: im Kleinen verhaftet, wenig ambitioniert, dürftige Leistung – das waren damals Ihre Worte. Jetzt stellt sich die Frage: Was ist jetzt eigentlich anders? Was haben Sie zusätzlich auf den Weg gebracht? Dazu reicht ein Blick in das nackte Zahlenwerk des Einzelplans 16. Als ein Beispiel nenne ich die Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel: 59,571 Millionen Euro. Das ist auf den ersten Blick ein Aufwuchs von 37,5 Millionen Euro. Aber wenn man dann genauer hinschaut, sieht man: Der Ansatz ist identisch mit dem aus dem Jahr 2020. Das liegt daran, dass diese Mittel im Jahre 2021 aufgrund der Konjunkturpakete des Jahres 2020 aufgestockt wurden. Das ist also nichts Neues, nichts Zusätzliches; es ist das, was die Vorgängerregierung auch schon gemacht hat.
Und deswegen, glaube ich, ist das, was die Vorgängerregierung in den Jahren zuvor gemacht hat, doch einigermaßen ambitioniert gewesen.
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Den von Ihnen gerade eben angepriesenen zusätzlichen Bundesnaturschutzfonds möchte ich auch kurz erwähnen. Bisher hatten wir für die Förderung biologischer Vielfalt 45 Millionen Euro, für die Errichtung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft 14 Millionen Euro und für Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben 4 Millionen Euro. Die Auenrenaturierung schlug mit 10 Millionen Euro zu Buche, der Wildnisfonds mit 20 Millionen Euro. Das sind insgesamt 93 Millionen Euro. Der neue Bundesnaturschutzfonds im Einzelplan 16 hat genau 90,34 Millionen Euro Inhalt. Ihnen sind also beim Einfüllen der verschiedenen Schläuche des Weines in den neuen einzelnen Schlauch, der umetikettiert wurde, sogar noch 2,6 Millionen Euro danebengeflossen.
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Es ist schlichtweg alter Wein in einem neuen Schlauch – auch nichts Neues. Es ist wenig ambitioniert.
Das zieht sich eigentlich wie ein roter Faden durch den gesamten Einzelplan 16: Wir sehen kleinere Umschichtungen, wir sehen in einzelnen Bereichen Kürzungen. Zusätzliche und neue Maßnahmen werden einzig und allein durch das Sondervermögen und durch neue Schulden finanziert – nichts anderes.
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Sie haben gesagt: Das schafft mehr Gestaltungsspielraum. – Das ist in einer Ihrer Reden gefallen. Meine Damen und Herren, auch meine Tochter, mein Sohn, meine Enkelkinder möchten künftig noch Gestaltungsspielräume haben. Deswegen müssen die Schulden ja auch irgendwann zurückgezahlt werden. Und Sie engen mit Ihrer Haushaltspolitik, mit neuen Schulden, die Gestaltungsspielräume nachfolgender Generationen ein.
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200 Milliarden Euro Neuverschuldung, Tendenz steigend, ein Ergänzungshaushalt, der angekündigt ist, keinerlei Prioritätensetzung – normalerweise müssten Sie, meine Damen und Herren, Ihren Koalitionsvertrag auf den Tisch legen, überarbeiten und Prioritäten setzen. Das Ganze: Fehlanzeige!
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Wir sprachen von einer Zeitenwende, meine Damen und Herren. Und ja, diese Zeitenwende ist tatsächlich gegeben. Ich möchte noch kurz auf zwei Punkte eingehen:
Zum einen ist da die Ernährungssicherheit für Deutschland, für Europa und für die Welt, die ich aufgrund des Ukrainekriegs gefährdet sehe. Anstatt da jetzt von der Stilllegung von Flächen und der Ausweisung neuer Schutzgebiete zu sprechen, hätte ich, liebe Frau Ministerin, eher die Bitte, dass Sie mit dem Bundeslandwirtschaftsminister gemeinsam in Brüssel aktiv werden und die angedachten Flächenstilllegungen nach dem GAP-Strategieplan aussetzen. Das wäre sinnvoll.
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Wir brauchen jetzt jeden einzelnen Quadratmeter in Deutschland für die Lebensmittelproduktion.
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Wenn wir schon beim Bewirtschaften der Flächen sind, möchte ich noch kurz ansprechen, dass wir natürlich in Schutzgebieten auch jetzt schon Bewirtschaftungsauflagen für unsere Landwirte haben. Da setze ich große Hoffnungen auf die FDP, die hier vor mir sitzt, dass dort auch noch einmal über die Themen Düngung und Pflanzenschutz nachgedacht wird.
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Das waren doch Ihre Themen der letzten Legislaturperiode. Auch da müssen wir noch mal ran und entsprechend diskutieren.
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Wir brauchen praxisorientierte Lösungen mit Umweltverbänden und Landwirten gemeinsam, wir brauchen Kooperationsmodelle. Das hilft weiter.
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Zum anderen möchte ich als letzten Punkt die Waldbewirtschaftung ansprechen. Dort ist es nämlich genauso.
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Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, und auch das Bundesumweltministerium setzen auf naturbelassene Wälder, auf Wildnis. Wir von der CDU/CSU-Fraktion wollen eine nachhaltige Waldbewirtschaftung nach dem Motto „Schützen durch Nützen“. Wir wollen natürlich auch keine alten Buchen- und Eichenbestände abholzen – das will kein Mensch –;
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aber eine vernünftige Bewirtschaftung unserer Wälder muss möglich sein. Wir brauchen auch einen entsprechenden Holzeinschlag, gerade auch mit Blick auf das von Ihnen aufgelegte Programm zum nachhaltigen Bauen mit Holz. Wo soll das ganze Holz denn eigentlich herkommen, wenn wir unsere Wälder nicht mehr bewirtschaften?
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Wir haben vorhin kurz von der Ankündigung des UBA gehört. Holz halte ich auch als Energieträger für enorm wichtig.
Deswegen: Wir haben noch viele offene Fragen. Wir haben einige Punkte, über die wir diskutieren müssen. Ich freue mich auf die Beratungen. Und für das Thema Wolf habe ich jetzt leider keine Zeit mehr.
Vielen Dank.
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Die letzte Rede in dieser Debatte – allerdings die erste für den Kollegen – kommt aus der SPD-Fraktion von Axel Echeverria.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Zuschauende!
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Ich halte heute meine erste Rede im Deutschen Bundestag,
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und es ist mir eine Ehre und ein Privileg, die Menschen aus meinem Wahlkreis hier vertreten zu dürfen.
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Es freut mich, dass ich dies in einem Bundestag tun darf, der die Bevölkerung unseres Landes in ihrer Diversität widerspiegelt. Ich denke, dies freut uns alle, bis auf diejenigen, die extrem rechts sitzen und auch so denken.
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Wir alle hier im Haus haben in einer Zeit der Krisen Verantwortung übernommen. Kein Bundestag stand vor den parallelen Herausforderungen, denen wir uns aktuell stellen müssen: die Coronakrise, die eine Gefahr für unsere Gesundheit, aber auch für unser gesellschaftliches Miteinander darstellt,
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die Energieverteuerung, die sehr viele Menschen und Unternehmen in Bedrängnis bringt, und der Überfall auf die Ukraine, der die geopolitische Lage in der Welt komplett verändert hat. Hinzu kommt der menschengemachte Klimawandel. Diese drohende Katastrophe ist deutlich abstrakter als eine Pandemie, Energiepreise oder Krieg. Das macht sie aber nicht weniger gefährlich, meine Damen und Herren.
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Ich komme aus dem Ruhrgebiet. Bei uns wurde mit dem Hochwasser im Juli 2021 aus der abstrakten Gefahr des Klimawandels eine konkrete Gefahr für Leib und Leben. Selbst wenn bei uns, anders als in anderen Landesteilen, keine Personenschäden zu betrauern waren, hat uns diese Katastrophe dennoch gezeigt und vor Augen geführt, dass die Folgen des Klimawandels längst vor unseren Haustüren angekommen sind. In dieser Nacht sind an der Ruhr ganze Existenzen wortwörtlich den Bach runtergegangen.
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Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung den Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt. Der Erhalt der natürlichen CO2-Speicher, der Erhalt der Biodiversität sowie die Stärkung der Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung – das alles sind Themenfelder, in denen sich die Klimafrage mitentscheidet, das alles sind Themenfelder, die Frau Bundesministerin vorhin angesprochen hat.
Von den aktuellen Krisen ist die drohende Klimakatastrophe die weitreichendste, und wir brauchen dringend Lösungen – Lösungen, die eine gesellschaftliche Akzeptanz haben, eine Akzeptanz, die wir nur durch Anreize und Sicherheit für die Menschen erreichen. Denn unsere Art zu leben und zu wirtschaften muss auf den Prüfstand; unser ganzes Land muss sich ändern.
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Im Ruhrgebiet kennen wir Veränderungen; früher hieß das bei uns mal „Strukturwandel“. Der Strukturwandel im Revier bedeutete vor allem den Wegfall gutbezahlter Jobs, den Verlust der finanziellen Handlungsfähigkeit vieler Kommunen und das Verschwinden ganzer Industriezweige. Das alles sind Dinge, mit denen die Städte an der Ruhr heute noch zu kämpfen haben, meine Damen und Herren. Und wir müssen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, es dieses Mal besser machen und alle Menschen dabei mitnehmen.
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Die Ampel ist eine Zukunftskoalition. Wir sorgen dafür, dass Ökologie und Ökonomie sich in unserem Land nicht länger widersprechen. Wir sorgen dafür, dass die Menschen auch morgen gut und sicher in diesem Land leben können, ohne Raubbau an unserem Planeten zu betreiben. Und wir als SPD garantieren dabei, dass sich jede und jeder unsere Klimapolitik leisten kann; denn wir garantieren Sicherheit im Wandel, meine Damen und Herren.
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Im vorliegenden Haushaltsentwurf steht viel Richtiges. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Herzlichen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor.
Besten Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einem Dank, einem Dank aus tiefem Herzen. Er gilt allen, die seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine Übermenschliches geleistet haben und weiter leisten. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Bahn, die sofort engagiert geholfen haben, als es darum ging, verzweifelte Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen und Hilfsgüter zu transportieren. Ich danke allen Lkw-Fahrerinnen und Lkw-Fahrern, die seit Wochen unter erschwerten Bedingungen alles daransetzen, zu helfen, unsere Versorgung sicherzustellen und Lieferketten aufrechtzuerhalten.
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Mein Dank gilt auch der Bundeswehr, den sozialen Diensten, den unzähligen Helferinnen und Helfern und allen Freiwilligen, die allesamt anpacken und das entsetzliche Leid der Flüchtenden lindern. Diese Solidarität, diese Hilfsbereitschaft, diese Tatkraft berühren und machen Mut. Meine Damen und Herren, genau diesen Mut brauchen wir; denn die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind gigantisch.
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Auch mein Haus tut alles, um die Beförderung der Geflüchteten zu organisieren und bei der Logistik von Hilfsgütern zu unterstützen. Zugleich müssen wir unsere Zukunftsthemen weiter vorantreiben: Klimaschutz, Digitalisierung und moderne Mobilität. Die vergangenen Wochen haben gezeigt: Das ist möglich – Zupacken und Zuversicht, Handeln und Herzlichkeit, Transformation und Teilhabe.
Der Haushalt, über den wir heute reden, ist dafür eine sehr gute Grundlage. Er bietet Verlässlichkeit in unsicheren Zeiten und ermöglicht gleichzeitig Transformation und Fortschritt. Rund 21,9 Milliarden Euro sind alleine für Investitionen vorgesehen, davon rund 19,5 Milliarden für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Schienenwege, Brücken, Straßen, Tunnel, Wasserstraßen, Mobilfunk und Breitbandnetze – das sind lebensnotwendige Adern für Wirtschaft und Gesellschaft.
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Das alles steht, meine Damen und Herren, für Mobilität, Transport und Kommunikation. Es sind ganz wesentliche Grundbedürfnisse eines modernen sozialen Gemeinwesens. Unsere heutigen Investitionen in die Infrastruktur sind Investitionen in unsere Zukunft. Es sind Investitionen in unseren künftigen Wohlstand, in den Zusammenhalt der Gesellschaft, in ein Land, das seinen Menschen Chancen bietet.
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Der Erhalt der Infrastruktur ist ein Generationenvertrag. Es ist die Aufgabe unserer Generation, die Infrastruktur zu erhalten, die unsere Mütter und Väter aufgebaut haben. Es ist unsere Aufgabe, der nächsten Generation eine Infrastruktur zu übergeben, die ihr ein Leben in Wohlstand und Freiheit ermöglicht, genauso wie uns das ermöglicht wurde. Infrastruktur darf nicht in Jahren, sie muss in Generationen gedacht werden. Deshalb investieren wir beispielsweise 9,4 Milliarden Euro in die klimafreundliche Schiene und damit deutlich mehr als in die Straße. Wir wollen unsere Mobilität so schnell wie möglich klimaneutral gestalten. Das ist eine unserer Verpflichtungen gegenüber künftigen Generationen, und daran arbeiten wir.
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Wir werden deshalb auch den ÖPNV und den Radverkehr auf Rekordniveau unterstützen. Wir treiben außerdem den Ausbau von E-Ladesäulen voran und unterstützen das Verlagern von Güterverkehren auf die Schiene und auf die Wasserstraße.
Meine Damen und Herren, ein Schwerpunkt ist natürlich auch die Digitalisierung. Die Mittel für automatisiertes und vernetztes Fahren etwa haben wir um rund 48 Millionen auf mehr als 64 Millionen Euro erhöht. Der Ansatz für die Potenziale der digitalen Wirtschaft wird sogar verdoppelt. Der Ansatz für den Breitbandausbau wird zunächst mit den Ausgabenresten aus dem Einzelplan 12 bedient, die wir abbauen, und 2026 werden dann zusätzlich 334,5 Millionen Euro investiert.
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Dieser Haushalt steht für einen grundsätzlichen Wechsel – einen Wechsel weg vom Immer-mehr hin zum Immer-effektiver. Wir wollen sicherstellen, dass das Geld dahin fließt, wo damit der größte Nutzen für unsere Gesellschaft erzielt werden kann. Deshalb prüfen wir sehr genau, welche Unterstützung und welche Förderprogramme gut und richtig waren, welche wir weiterführen und optimieren, welche wir aufstocken und welche nicht. Das haben wir schon mit unseren Eckpunkten für die Gigabit-Strategie, in den Gesprächen mit den Ländern bei der Sonder-VMK zum ÖPNV und mit unserem Brückengipfel und dem Zukunftspaket für leistungsfähige Autobahnbrücken angestoßen.
Gleiches haben wir auch im Masterplan Ladeinfrastruktur vor, den wir in Kürze präsentieren werden. Überall gilt: Wir wollen gezielt fördern und investieren, im engen Austausch mit denjenigen, die damit arbeiten und davon profitieren sollen. Die Menschen sollen spüren: Es geht voran, und zwar schnell, und diese Regierung geht verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben viel vor. Wir unterstützen den Umstieg hin zu klimafreundlicher Mobilität, und zwar in allen Verkehrsbereichen: an Land, auf dem Wasser und in der Luft. Wir investieren massiv in die digitale Infrastruktur. Wir modernisieren und digitalisieren. Wir sorgen dafür, dass Infrastrukturprojekte schneller vorankommen und eine gute Anbindung gerade im ländlichen Raum gewährleistet ist. Wir stärken die gesamte Infrastruktur, wir machen sie krisenfest. Der vorliegende Haushalt steht für Verlässlichkeit und Zuversicht, die wir alle brauchen.
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Klar ist: Eine leistungsfähige Infrastruktur ermöglicht eine klimafreundliche Mobilität, vor allem aber auch Wirtschaftswachstum, Investitionen, sichere Arbeitsplätze, einen funktionierenden Sozialstaat. Damit versetzt sie uns überhaupt erst in die Lage, dass wir Menschen in Not helfen können.
Wir müssen vieles weiterentwickeln, gleichzeitig auch vieles neu entwickeln und neu aufbauen. Wir müssen heute dafür sorgen, dass die Mobilität der Zukunft attraktiv ist, dass sie keine ist, die vor allem Einschränkungen und Verzicht bedeutet, sondern neue Chancen und Angebote bereithält. Dieser Haushalt ist das Fundament, auf dem wir die Mobilität der Zukunft aufbauen wollen.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, Sie sind jetzt als Digitalminister ziemlich genau 100 Tage im Amt. Wir hätten jetzt nicht erwartet, dass Sie in der Zeit die Welt retten oder den letzten Weiler mit Glasfaser erschließen. Wir haben noch nicht mal erwartet, dass Sie in der Zeit eine Digitalstrategie vorlegen. Was wir aber erwartet hätten, wäre, dass sich die Ampel in den ersten 100 Tagen zumindest darauf einigt, wer wofür zuständig ist.
Wir haben im Januar 62 konkrete Fragen zu digitalen Themen an die Bundesregierung gestellt. Wir haben gestern die Antwort erhalten – es ist im Wesentlichen eine Antwort –: Über die interne Verteilung der Zuständigkeiten finden noch regierungsinterne Abstimmungen statt. – Ich habe den Satz so oft gelesen, dass ich ihn schon fast auswendig kann.
Meine Damen und Herren, das wäre ja alles kein Problem, wenn wir heute nicht den Haushalt für 2022 beraten würden. Denn alles, was nicht im Haushalt für 2022 steht, wird 2022 nicht passieren. Herr Wissing, Sie hatten viele gute Ideen im Koalitionsvertrag. Ich nehme mal das Digitalbudget als Beispiel. Das steht in diesem Haushalt nicht drin. Warum? Es doch war Ihr Spruch: Digital first, Bedenken second. – Machen Sie doch einfach mal!
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Als Digitalminister haben Sie aber – das muss man fairerweise dazusagen – bereits am Tag 99 einen ersten inhaltlichen Punkt gemacht: Sie haben die Eckpunkte Ihrer Gigabit-Strategie vorgestellt, und zwar exklusiv den CEOs der großen Netzbetreiber. Ich hätte es besser gefunden, Sie hätten sie am Tag 98 dem Ausschuss vorgestellt; zu dem Zeitpunkt hatten die Grünen das Thema nämlich auf die Tagesordnung gesetzt. Dafür hat Ihre Staatssekretärin original eine ganze Stunde lang die Auskunft über Ihre Pläne verweigert mit der Begründung, der Minister müsse das zuerst mit den Unternehmen besprechen, bevor er in den Bundestag kommt.
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Jeder so, wie er mag.
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Meine Damen und Herren, die Eckpunkte liegen in der Zwischenzeit vor. Nun kann man über den Inhalt reden, und das möchte ich auch gerne tun. Wir hätten viele Eckpunkte ähnlich wie Sie formuliert: Digitalisierung der Genehmigungsverfahren, Gigabit-Grundbuch, Einsatz alternativer Verlegeverfahren, Unterstützung der Kommunen; das geht alles in die richtige Richtung.
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Aber wenn Sie das im Ausschuss vorgestellt hätten, hätte ich bei ein paar Punkten die Hand gehoben. Ich nenne drei:
Der erste Punkt. Sie setzen voll auf den privatwirtschaftlichen Ausbau,
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ohne aber zu wissen, wer die Investoren und Fonds eigentlich sind und was sie wollen und ob es tatsächlich real ist, dass sie in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro in die Infrastruktur in Deutschland investieren werden. Wenn sie das tun, dann ist es gut, dann begrüße ich das absolut; aber im Moment traue ich den PowerPoints noch nicht.
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– Ich komme gleich dazu.
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Der zweite Punkt ist: Sie wollen bestehende Kabelnetze überbauen. Wenn Ihre Ziele, so wie Sie sie beschrieben haben, aufgehen, werden 2025 mindestens 20 Prozente der Haushalte in Deutschland zwei Gigabit-Anschlüsse zur Auswahl haben: Glasfaser und Kabel; das wird vor allem in den Städten der Fall sein. Ich würde es als besser empfinden, wenn Sie sich als Ziel setzen würden, dass in Stadt und Land jeder zumindest einen Anschluss hat.
Der dritte Punkt ist – jetzt komme ich zu den neuen Markterkundungsverfahren, Potenzialanalysen usw. –: Sie vergeuden zu viel Zeit mit neuen Eckpunkten, mit Strategien, mit neuen Förderinstrumenten, mit neuen Förderverfahren.
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Ich prognostiziere Ihnen: Bis Sie Ihr neues Förderprogramm am Laufen haben, wird es Mitte 2023 sein.
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Das bedeutet, dass der erste von der Ampel geförderte Glasfaseranschluss frühestens Ende 2024 ans Netz gehen kann. Ich sehe Sie schon vor mir: Sie werden sich 2025 trotzdem hier an dieses Pult stellen und eine Erfolgsbilanz verkünden.
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Das wird aber nicht die Erfolgsbilanz Wissing, sondern das wird die Erfolgsbilanz Scheuer sein.
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Minister Scheuer hat in seiner Zeit 9,4 Milliarden Euro für den Glasfaserausbau fest zugesagt. 2 400 Projekte sind auf dem Weg. 2,7 Millionen Anschlüsse werden in den nächsten Jahren dadurch entstehen.
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Herr Wissing, Sie sind auch Verkehrsminister; ich probiere es mal damit. Geben Sie mehr Gas – ja, dann haben Sie uns an Ihrer Seite –, aber würgen Sie den bestehenden Fördermotor nicht ab.
Und an die Kollegen von der FDP – ich muss mich erst daran gewöhnen, wo Sie jetzt sitzen;
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da sitzen Sie – –
Herr Kollege, bevor Sie sich zu sehr an das Pult gewöhnen – –
Ich hätte auch einen Spruch für Ihre Plakate: Digital first, Zuständigkeiten second. Das wäre ein Schritt. Probieren Sie es mal damit.
Herzlichen Dank.
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Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort dem Kollegen Metin Hakverdi.
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So, das war ja fast schon ein bisschen Karneval. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich den Danksagungen des Bundesministers an, nicht nur für den Transport von Geflüchteten mit der Bahn innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch für den Materialtransport in die Ukraine. Herzlichen Dank ausdrücklich an dieser Stelle!
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Ich möchte in meiner Rede vier Schwerpunkte zum Einzelplan 12 aufrufen. Erstens. Wir müssen die Mobilitätswende vorantreiben. Zweitens. Wir müssen CO2 konsequenter einsparen. Drittens. Sicherheit und Wandel bedeuten natürlich auch: Wir müssen Mobilität sozial gerecht gestalten. Viertens. Wir müssen in Zeiten dieses Krieges in der Ukraine sehen, ob das auch eine Bedeutung für den Einzelplan 12 hat. Wir müssen angesichts unserer derzeitigen außenpolitischen Herausforderungen zum Beispiel auch über die Resilienz unserer Infrastruktur nachdenken und darüber, wie sich das im Einzelplan im Detail darstellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den anstehenden Beratungen zum Haushalt 2022 ist das Thema „menschengemachter Klimawandel“ zu Recht das überragende Thema. Es geht um unseren Planeten. Ein Drittel aller CO2-Emissionen entfallen auf den Mobilitätsbereich. Wir müssen in diesem Zusammenhang über unser Mobilitätsverhalten sprechen, wir müssen über unsere Antriebstechniken sprechen, und wir müssen das Thema, welche Energien wir dafür nutzen, ganz neu denken.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist die Frage der sozialen Ausgestaltung der Mobilitätswende eine Frage der Gerechtigkeit. Dieser Transformationsprozess darf keine Verlierer produzieren; denn das kann auch eine Gefahr für die Stabilität der Demokratie werden. Die Energiepreise dürfen nicht die neuen Brotpreise werden. Die Mobilitätswende darf keinen sozialen Abstieg befördern.
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Wir müssen dafür sorgen, dass im 21. Jahrhundert die Mobilität nicht zu einem Luxusgut wird. Mobilität muss für alle Einkommensgruppen bezahlbar bleiben. Deshalb ist unser Staat besonders in der Verantwortung. Ausreichend bezahlbare Mobilitätsangebote gehören zur Daseinsvorsorge. Deshalb ist Verkehrspolitik auch immer Sozialpolitik. Auch hieran müssen wir denken, wenn wir in den kommenden Wochen an den einzelnen Titeln im Einzelplan 12 arbeiten.
Putins Krieg bedeutet für den Einzelplan 12: Wir müssen identifizieren, welche Maßnahmen wir für unsere Infrastruktur ergreifen müssen, um der neuen außenpolitischen Bedrohungssituation im Ernstfall gewachsen zu sein.
Kolleginnen und Kollegen, der uns von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf macht einen guten ersten Eindruck. Wesentliche Aspekte, die wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, sind zutreffend adressiert. Gemeinsam werden wir in diesem Hause in den anstehenden Beratungen schauen, welche Feinjustierungen aus Sicht des Haushaltsgesetzgebers angezeigt sind. Herr Minister, das Struck’sche Gesetz wird vor dem Einzelplan 12 nicht haltmachen; seien Sie sich dessen sicher.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, folgende sieben Punkte sind mir wichtig, weil sie von strategischer Bedeutung für unsere Zukunft sind:
Erstens. In den kommenden Jahren müssen wir den Schwerpunkt auf den Erhalt unserer Infrastruktur legen. Unser Land verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur; das ist richtig. Machen wir uns jedoch nichts vor: Um allein die vorhandene Infrastruktur in Schuss zu halten, sind gewaltige Anstrengungen erforderlich. Bundesminister Wissing hat zu Recht einen Autobahnbrückengipfel organisiert und dazu eingeladen; das ist richtig und wichtig. Das ist jedoch ein erster Gipfel, auf den wahrscheinlich noch weitere folgen müssen. Der Zustand unserer Eisenbahnbrücken ist nicht besser. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn bietet keinen ausreichenden Rahmen, um die Sanierung dieser Eisenbahnbrücken sicherzustellen; dafür sind die einzelnen Brücken zu teuer. Wir brauchen noch einen Gipfel für unsere Wasserstraßen und unsere Schleusen.
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Die stiefmütterliche Behandlung von Wasserstraßen gegenüber Schiene und Straße gehört der Vergangenheit an; das muss aufhören. Die Leistungsfähigkeit unserer Wasserstraßen ist für unsere Klimaziele von strategischer Bedeutung. Wir brauchen einen Fahrplan, wie der Sanierungsstau bei unseren Wasserstraßen abgebaut wird. Dazu gehört auch das Thema Schleusen.
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Eine zweite strategische Weichenstellung liegt in der Modernisierung und in der Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur. Mit der Digitalisierung können wir mehr Mobilität in unserer bereits vorhandenen Infrastruktur organisieren. Insbesondere die Digitalisierung der Schiene verspricht signifikante Kapazitätssteigerungen. Das ist eine gute Nachricht.
Eine weitere wichtige Weichenstellung ist drittens das Thema Schnittstellen. Dabei geht es um die Vernetzung einzelner Verkehrsträger, insbesondere im Bereich Güterverkehr. Wir müssen die wechselseitigen Übergänge zwischen Straße, Schiene und Wasser schaffen. Das ist zum einen eine Frage der Infrastruktur, die als Schnittstelle bereitgestellt wird, das ist aber auch die Frage von kluger Förderung. Dazu gehört auch das Thema Häfen.
Herr Kollege, wollen Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion zulassen?
Nein, danke, rechts liegen lassen.
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Viertens. Die Weiterentwicklung des ÖPNV ist für die gerechte Ausgestaltung der Mobilitätswende von strategischer Bedeutung. Wir sollten die Länder bei der Schaffung eines attraktiven Angebots für den ÖPNV unterstützen, dann steigen auch mehr Menschen um.
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Dafür bieten die anstehenden Verhandlungen zur Anhebung der Regionalisierungsmittel einen guten Rahmen.
Fünftens. Was mir besonders wichtig ist: Mobilität im ländlichen Raum. Dazu gehört auch die bessere ÖPNV-Erschließung. On-Demand-Angebote können aber auch eine Rolle spielen.
Sechstens. Wir sollten auch bei unseren Anstrengungen zu alternativen Antrieben wie Elektromobilität, Wasserstoffantrieben oder zu alternativen Kraftstoffen nicht nachlassen. In Hamburg forscht Airbus am klimaneutralen Flugzeug, das mit Wasserstoff angetrieben wird. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass, wenn dieses Flugzeug mal fertig ist, wir auch Flughäfen haben, die für Wasserstoff ausgerüstet sind und die entsprechende Infrastruktur haben.
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Schließlich siebtens. Es ist wichtig, dass wir die Chancen der Digitalisierung nutzen. Wir müssen sicherstellen, dass Transformationsprozesse nicht an unseren Stadtgrenzen haltmachen. Es gilt, den Breitbandausbau auch in ländlichen Regionen voranzutreiben. Wir müssen den Onlinezugang zu Verwaltungsdienstleistungen weiter verbessern.
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Die Beratung des Einzelplans 12 ist noch ein gutes Stück Arbeit. Ich freue mich auf den intensiven Austausch und die Beratungen bis Mitte Mai und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Marcus Bühl hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Steuereinnahmen und Verkehrshaushalt: Der Wunsch der Grünen aus den 90ern, der Liter Benzin möge 5 D‑Mark kosten, hat sich inzwischen so gut wie erfüllt. Bei teilweise über 2,30 Euro liegt der Literpreis, was nahe an die 5 D‑Mark herankommt. Dass internationale Einflüsse wie der Ukrainekrieg den massiven Preisanstieg nur teilweise begründen, zeigt der Blick zu unseren polnischen Nachbarn, wo Diesel und Benzin zu deutlich niedrigeren Preisen zu bekommen sind. Während die polnische Regierung ihre Bürger über Steuersenkungen entlastet, bleiben die Steuerschrauben in Deutschland weiter unerbittlich fest angezogen. Wir fordern: Sofort weg mit der CO2-Abgabe, Pendlerpauschale erhöhen, runter mit den Albtraumsteuern! Treibstoffe müssen finanzierbar bleiben.
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Kommen wir zum größten Investitionshaushalt des Bundes, dem Haushalt für Digitales und Verkehr. „Investitionshaushalt“ heißt Investieren, und da fangen die Probleme in Ihrem Entwurf, Herr Minister Wissing, bereits an. Hohe Ausgabenreste sind auch in diesem Jahr die Realität. Aber Investitionen nur auf dem Papier, die nicht realisiert werden, sind Augenwischerei und bringen null Fortschritt.
Unsere Infrastruktur ist stark belastet. Folgerichtig muss die Substanzerhaltung auch 2022 im Fokus stehen. Ihr eigener Brückengipfel vor wenigen Wochen hat gezeigt, wie groß die Aufgaben bei der Sanierung der Infrastruktur wirklich sind. Abertausende marode Brücken sprechen eine deutliche Sprache. Unsere Straßen wickeln fast 80 Prozent des Verkehrs ab. Diese Bedeutung und ihr Erhalt müssen sich auch bei den Investitionen und im Haushaltsplan widerspiegeln.
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Herr Minister, viel zu tun gibt es auch bei der Aufklärung der Berateraffäre der Deutschen Bahn. Der Bundesrechnungshof hat in seinen Berichten auf die Zustände hingewiesen und in diesem Zusammenhang von politischer Landschaftspflege gesprochen. Hier endlich aufzuräumen, ist mehr als überfällig.
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Global aufgestellt sollte sie sein, die Bahn, was zu Hunderten Beteiligungen weltweit geführt hat. Wenn man mal von der einen großen Logistiktochter absieht: Wie geht es eigentlich den anderen Beteiligungen? Nur mal zur Erinnerung: Seit ihrer Privatisierung hat die Bahn 32 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Was wir brauchen, ist eine Rückführung der Deutschen Bahn auf ihr Kerngeschäft: Eisenbahn in Deutschland wirtschaftlich und zuverlässig durchzuführen.
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Deutschland hinkt in der Digitalpolitik um viele Jahre hinterher. Die unzureichende Breitbandversorgung, Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutz mit veralteter Digitaltechnik sind die traurigen Ergebnisse dieser Politik. So, Herr Wissing, kann und darf es nicht weitergehen.
Ich danke.
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Dr. Paula Piechotta spricht jetzt zu uns für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Volker Wissing! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke insbesondere Volker Wissing und Metin Hakverdi für die der aktuellen Situation, in der wir uns auch bei der Verkehrsinfrastruktur befinden, deutlich angemesseneren Worte. Ich möchte mich gleich dem Dank anschließen; aber erlauben Sie mir, noch mal einen ganz kurzen Blick zurückzuwerfen.
Vor ungefähr einem Jahr sind wir in der Bundesrepublik in den Wahlkampf gestartet. Es gab einen Vertreter der Union, der damals immer wieder die Erzählung ausgepackt hat, dass jetzt bald die Goldenen Zwanziger kommen: Die Pandemie ist vorbei, alles wird wieder gut. – Es gab immer noch die Überzeugung, dass es diese eine Krise gibt; dann ist die vorbei, und dann ist erst mal wieder gut.
Wir sehen jetzt: Das hätte nicht falscher sein können. Wir leben nicht mehr in der Zeit, wo es diese eine Krise gibt, und dann ist gut, sondern wir leben in einer Zeit, wo die eine Krise nicht endet, die nächste noch dazukommt und die andere auch weiter besteht. Wir haben jetzt nicht zwei oder drei, wir haben jetzt über vier Krisen auf einmal zu bewältigen. Das spielt sich alles auch im Bereich der Verkehrsinfrastruktur ab.
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Das betrifft auch die ganzen Konflikte, die da passieren. Das sehen wir, wenn wir – Herr Wissing hat es angesprochen, Metin Hakverdi hat es angesprochen – schauen, was alleine gerade bei Busunternehmen, aber auch auf der Schiene beim Transport von Flüchtlingen, beim Transport von Gütern geleistet wird, und zum Beispiel auch, wenn wir schauen, wie in Belarus gerade Schienen sabotiert werden, damit russische Truppen darüber nicht unterstützt werden können; aber auch, wenn wir anschauen – Stichwort „Klimakrise“ –, wie gerade – und man muss das verurteilen, wenn es andere Menschen gefährdet – Menschen in diesem Land inzwischen zunehmend so verzweifelt sind, dass sie Autobahnen blockieren,
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weil einfach Menschen zunehmend verzweifeln, weil wir als Weltgesellschaft Jahr um Jahr die Klimaziele reißen, insbesondere auch im Verkehrssektor.
Nächster Punkt: natürlich Digitalisierung. Was hätte in diesem Land auch in der Coronakrise alles besser laufen können, wenn wir eine besser funktionierende Digitalisierung schon letztes Jahr, schon vorletztes Jahr gehabt hätten?
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Ich sage das alles nicht, weil ich noch mal aufzählen möchte, wie wichtig Verkehrsinfrastruktur ist. Ich sage das, weil Verkehrsinfrastruktur in der aktuellen Zeit auch über ihre Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit mit darüber entscheidet, ob wir diese Krisen gut gelöst bekommen oder nicht. Deswegen ist es so fatal, in welchem Zustand wir diese Infrastruktur von der Vorgängerregierung übernehmen.
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Es ist kein Geheimnis, dass Grüne und FDP und SPD nicht in allen Fragen der Verkehrspolitik immer sofort einer Meinung sind. Aber wir sind uns einig darin, dass wir in diesen Zeiten eine neue Ernsthaftigkeit in der Verkehrspolitik brauchen. Wir brauchen keine Symbolpolitik mehr. Wir brauchen keine Regionalpolitik mehr.
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In diesen Zeiten kann man sich nicht mehr hinter Flugtaxis verstecken. In diesen Zeiten muss man Brücken sanieren, Schienen sanieren, Bahnhöfe sanieren. Das ist nicht so fashionable, das hat nicht so viel Glamour,
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aber das ist das, was diese Zeiten von uns verlangen.
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Wir sind uns auch einig darin, dass wir Verkehrspolitik und Verkehrsinfrastruktur auch haushalterisch für alle Menschen in diesem Land abbilden müssen. Wir brauchen Verkehrsinfrastruktur nicht nur für Autofahrer/-innen, nicht nur in einem bestimmten Bundesland und nicht nur im ländlichen Raum oder nur in der Stadt, sondern wir brauchen Verkehrsinfrastruktur, die für die Menschen im Norden dieses Landes, im Westen dieses Landes, im Süden und im Osten dieses Landes funktioniert; da gibt es unterschiedliche Bedürfnisse. Wir brauchen auch Verkehrsinfrastruktur, die für Menschen im ländlichen Raum und auch in den Städten funktioniert, in den Städten, wo es Zuzug gibt und wo der ÖPNV mitwachsen muss, wenn die Einwohnerzahlen steigen. Das brauchen wir jetzt in der Verkehrspolitik.
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Ich möchte noch mal ganz kurz auf die Brücken eingehen. Autobahnen sind ja jetzt nicht das Leib- und Magenthema von den Grünen.
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Aber wir stehen natürlich auch ganz klar dazu, dass die Autobahnbrücken saniert werden müssen, und sehen überhaupt, dass sie saniert werden müssen. Wir hätten ja eigentlich mit den ganzen Krisen, die wir jetzt zu bewältigen haben, alle Hände voll zu tun. Aber stattdessen müssen wir zusätzlich noch die Hausaufgaben machen, die in den letzten Jahren liegen gelassen wurden.
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Das ist auch deswegen so fatal, weil wir das jetzt in einer Situation mit Baukostensteigerungen, mit gestörten Lieferketten machen müssen. Das ist die denkbar ungünstigste Situation, um das alles noch nachholen zu müssen.
Das wird ein großer Kraftakt, vor allen Dingen aufgrund der Gleichzeitigkeit.
Frau Piechotta, sorry. – „Kraftakt“, „Gleichzeitigkeit“: Herr Bühl, Sie haben wahrscheinlich vergessen, Ihre Maske wieder aufzusetzen. Und das, wenn hier eine Ärztin spricht! – Bitte schön.
Ich glaube, das wird ein unglaublich großer Kraftakt, gerade auch haushalterisch. Ich bin ganz bei Metin Hakverdi und wahrscheinlich auch gleich bei Frank Schäffler, wenn ich sage: Dieser Haushalt wird das Parlament nicht so verlassen, wie er reingekommen ist. – Aber ich glaube, das, was wir am Ende dieses Kraftakts erreicht haben müssen – anders als die Vorgängerregierung –, ist eine Infrastruktur, die bleibt statt bröselt, ist eine Infrastruktur, bei der die Menschen sicher sein können, dass, wenn sie von A nach B gelangen müssen, sie dabei nicht automatisch gleichzeitig den Planeten schädigen, eine Infrastruktur, die krisenfest ist und die auch funktioniert, wenn es schneit und wenn es stürmt und wenn aufgrund des Klimawandels das Wetter häufiger verrücktspielt. Das ist am Ende eine Infrastruktur, die krisenfest ist, die die Menschen zuverlässig zusammenbringt, statt sie unnötig aufzuhalten, insbesondere auch im Bereich der Digitalisierung.
Vielen Dank.
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Victor Perli ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach zwölf Jahren CSU im Verkehrsministerium – nach Ramsauer, Dobrindt und Scheuer –, nach einer Politik voller Pleiten und Skandale dachte man eigentlich: Jetzt kann es nur besser werden.
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Doch weit gefehlt! Bereits der Koalitionsvertrag ist bei Verkehr und Digitalem eine einzige Enttäuschung.
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Passend dazu kam das größte Lob ausgerechnet von Ex-Verkehrsminister Scheuer. „Der neue Koalitionsvertrag könnte von mir sein“, sagte er. Ich hatte in den letzten Jahren wirklich selten Übereinstimmung mit Herrn Scheuer; aber da hat er recht.
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Die Verkehrspolitik von SPD, Grünen und FDP ist weder sozial gerecht noch klimafreundlich.
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Das setzt sich hier in einem wirklich ambitionslosen Haushaltsentwurf fort. Dabei stehen wir vor großen Herausforderungen. Mobilität wird immer teurer; das belastet immer mehr Menschen. Die Ticketpreise bei Bus und Bahn steigen seit Jahren stark an, und jetzt sind auch noch die Benzinpreise explodiert, weil Ölkonzerne den schlimmen Krieg in der Ukraine für Extraprofite ausnutzen.
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Die Ampelkoalition hat darauf immer noch keine Antwort.
Wie es geht, zeigt Neuseeland; dort hat die regierende sozialistische Partei gerade die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr halbiert und die Steuern auf Benzin gesenkt.
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Liebe Sozialdemokraten und Grüne, findet ihr nicht auch, dass das eine bessere Idee wäre, als über Nacht 100 Milliarden Euro für Atombomber und für Kriegswaffen zur Verfügung zu stellen?
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Seit Jahren wird in Sonntagsreden eine bessere Bahn versprochen und auch, dass die Busse häufiger fahren und günstiger werden. Viele Menschen wünschen sich das, weil sie ihr Auto dann einmal stehen lassen könnten; es wäre auch gut fürs Klima. Warum gibt es kein 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Bus und Bahn?
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Warum gibt es keine Bundesinitiative für ein Jahresticket für 365 Euro, also für 1 Euro pro Tag? Bei unseren Nachbarn in Luxemburg ist der öffentliche Nahverkehr sogar kostenfrei.
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Im Haushaltsentwurf der Koalition steht bei den Zuschüssen des Bundes für den Nahverkehr kein einziger Euro mehr als im Entwurf der alten Regierung; damit fällt der Haushaltsentwurf sogar hinter den Koalitionsvertrag zurück. Das ist eine einzige Enttäuschung, meine Damen und Herren.
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Die Koalition behauptet – und der Herr Minister hat das hier getan –, dass sie jetzt mehr in die Schiene als in die Straße investieren werde. Aber das stimmt nicht. Sie haben bei den Straßen einfach mal so 1 Milliarde Euro Planungskosten rausgerechnet. Aber es ist uns aufgefallen, ebenso der Allianz pro Schiene. Dieses Herausrechnen ist, finde ich, ein sehr schäbiger Taschenspielertrick, der übrigens auch zeigt, dass Sie einen sehr schlechten Finanzplan vorgelegt haben; sonst müsste man solche Taschenspielertricks ja nicht machen. Dieser Haushaltsentwurf ist eine einzige Enttäuschung. Aber ich freue mich trotzdem auf die Beratungen.
Vielen Dank.
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Frank Schäffler hat das Wort für die FDP-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Minister Wissing hat, finde ich, völlig richtig dargestellt, welches große Engagement in der Gesellschaft im Zuge der Flüchtlingskrise im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg da ist. Da müssen wir wirklich als Gesellschaft dankbar sein, dass das in Deutschland, in ganz Europa möglich ist. Wenn man sieht, was die Polen, was die Tschechen, was die Bulgaren und andere machen, muss man sagen: Das ist wirklich ganz, ganz großes Kino. Da können wir eigentlich stolz sein auf das, was da aktuell geschafft wird.
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Ich will erst einmal auf die etwas negative Konnotation meines Kollegen Reinhard Brandl eingehen. Herr Brandl, den Oppositionsmodus schon nach 100 Tagen direkt einzuschalten,
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obwohl man als Union vier Verkehrsminister gestellt hat, das finde ich, ehrlich gesagt, schon ziemlich peinlich.
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4 Milliarden Euro, die in diesem Haushalt veranschlagt wurden, sind bislang nicht ausgegeben worden, weil Sie es nicht geschafft haben, diese Mittel in die Straße, die Schiene und die Wasserstraße zu investieren. Im digitalen Bereich sind 1 Milliarde Euro liegen geblieben, weil Sie nicht in der Lage waren, dafür zu sorgen, dass diese Mittel eingesetzt werden. Sie tragen doch hauptsächlich die Verantwortung für den Zustand der digitalen Infrastruktur, der Straßenbrücken, der Brücken im Schienenverkehr und der Wasserstraßen, über den wir tagtäglich reden. Sich hierhinzustellen und zu fordern, dass jetzt alles besser werden müsste, und zu behaupten, dass alles ganz gut gewesen sei, das ist, glaube ich, nicht besonders glaubwürdig, wenn man die Vergangenheit betrachtet.
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Also: Kehren Sie gefälligst erst einmal vor der eigenen Tür, bevor Sie anderen Vorwürfe machen!
Wir haben im Koalitionsvertrag relativ ehrgeizige Ziele aufgeschrieben: Wir wollen die Fahrgastzahlen im Schienenverkehr verdoppeln. Wir wollen den Umfang des Güterverkehrs auf der Bahn um 25 Prozent erhöhen. Wir wollen erreichen, dass 75 Prozent des Schienennetzes elektrifiziert sind. Wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für alternative Antriebs- und Kraftstoffarten entwickeln. Und beim Breitband- und Mobilfunkausbau wollen wir Weltspitze sein.
Das setzt wiederum voraus, dass man auch eine gewisse Prioritätensetzung vornimmt. Wahrscheinlich werden wir – um es einmal auf die Bahn zu reduzieren – nicht alles auf einmal erreichen, sondern da muss es Prioritäten geben. Ich meine, wir müssen die Prioritäten bei dem setzen, was wir kurz- und mittelfristig erreichen können; das muss das Ziel dieser Koalition sein, und dafür werde ich mich einsetzen. Ich glaube, es ist notwendig, dass wir uns auf diese kurz- und mittelfristigen Fragen konzentrieren. Wenn wir das nicht tun, dann läuft uns der Bedarf bei der Instandsetzung und Erneuerung von Schienen und Straßen weiter fort.
Inzwischen haben die Brücken einen Altersdurchschnitt von 74 Jahren in vielen Bereichen. Dort kommt in der nahen Zukunft ein großer Investitionsbedarf auf uns zu. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass wir in diesem Bereich schneller werden. Und die Bahn muss vor allem auch schneller werden. Die Bahn muss pünktlicher werden. Die Bahn muss freundlicher werden. Sie muss mehr Dienstleister sein, sie muss vor allem auch, was die Erneuerung von Technik betrifft, schneller werden; da muss mehr Tempo kommen. Ich glaube, das ist eine der großen Zukunftsaufgaben.
Wir dürfen nicht irgendwelche Zukunftsprojekte skizzieren, die irgendwann einmal kommen mögen, sondern wir müssen jetzt bei der Bahn endlich handeln. Ich glaube, die Menschen sind es leid, dass die Deutsche Bahn im Wesentlichen dadurch auffällt, dass sie zu spät kommt, weil das Wagenmaterial zu alt ist oder weil die Digitalisierung der Schiene immer noch nicht vorankommt. Da müssen wir einfach schneller werden. Das ist, glaube ich, wichtig. Wir wollen das voranbringen. Also: Wir wollen eine Deutsche Bahn, die Qualität produziert, die Service produziert, die pünktlich ist und das in den Mittelpunkt stellt. Vor allem wollen wir, dass sie teure Prestigeprojekte möglichst nicht angeht, sondern kurz- und mittelfristig Verbesserungen erreicht. Dafür müssen wir die Mittel konzentrieren.
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In welchem desaströsen Zustand die Autobahnen sind, haben wir erfahren. Wir wissen, dass allein in Nordrhein-Westfalen inzwischen 300 größere Autobahnbrücken marode sind und erneuert werden müssen. Deshalb, glaube ich, ist das eine der wesentlichen Aufgaben, um die wir uns kümmern wollen.
Natürlich ist auch der kombinierte Verkehr aus Schiene, Wasserstraße und – Stichwort „Lkw“ – Straße ein Thema.
Herr Kollege.
Das werden wir als Koalitionsfraktionen in den Haushaltsberatungen in den nächsten Wochen gemeinsam angehen.
Vielen Dank.
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Thomas Bareiß spricht zu uns für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir aufgrund der aktuellen Ereignisse eine kleine Vorbemerkung: So wie wir heute hier im Deutschen Bundestag im Großen diskutieren, beraten auch viele zu Hause ihren kleinen Haushalt. Sie haben große Not, weil sich die tägliche Fahrt zur Arbeit aufgrund der Spritpreise teilweise nicht mehr lohnt und die Kosten der Fahrt zum Einkauf teilweise erdrückend werden. Ich glaube, das große Thema der Menschen vor Ort sind derzeit die Spritpreise. Dazu haben wir heute kein Wort gehört, Herr Minister – kein Wort zu den Spritpreisen und den Energiepreisen! Ich glaube, hier brauchen wir schnell eine ganz konkrete Antwort von Ihnen und der Bundesregierung statt ewig lange Diskussionen, die quälend sind. Wir brauchen auch hier eine ganz konkrete Lösung für die Menschen vor Ort und einen konkreten Maßnahmenkatalog auch aus Ihrem Haus.
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Heute berät der Deutsche Bundestag den Bundesverkehrshaushalt 2022. Vieles von dem, was Sie genannt haben, Herr Wissing, ist uns wohlbekannt. So schlecht kann die Verkehrspolitik der letzten Jahre nicht gewesen sein,
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da Sie unsere Projekte und die Finanzierung teilweise eins zu eins in Ihrem Haushalt übernommen haben. Vor allem wollen Sie kräftig investieren; auch das haben wir Ihnen vorgemacht. Teilweise begrüßen wir das, was Sie vorgeschlagen haben; denn aufgrund der hohen Bedeutung des Verkehrssektors für die Menschen, unsere Wirtschaft und die Industrie in Deutschland ist eine gute Mittelausstattung des Verkehrssektors unverzichtbar.
Durch einen enormen Mittelaufwuchs, die Prioritätensetzung und auch durch das Prinzip „Erhalt vor Aus- und Neubau“ wurde durch die CDU/CSU bereits in der letzten Legislaturperiode die entscheidende Grundlage für die Mobilität der Zukunft in allen Sektoren – Schiene, Straße und Wasserstraße – gelegt.
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Heute Morgen hat der Bundesfinanzminister den Mittelaufwuchs für die Schiene besonders betont hervorgehoben. Ich muss nochmals in Erinnerung rufen, dass es die CDU/CSU war, die bereits in der letzten Wahlperiode mehr Geld für die Schiene als für die Straße zur Verfügung gestellt hat.
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Von Fortschritt oder Neuanfang ist also weniger vorhanden, als hier oftmals gesagt wird. Übrigens: Auch für den Schienenpersonenverkehr hat die CDU/CSU die Förderung bis 2025 mehr als verdreifacht.
Die bestehenden Krisen, der Fachkräftemangel und die steigenden Energiepreise lassen die Preise für die notwendigen Ausbauten – beispielsweise für den Deutschlandtakt bis 2030 – derzeit explodieren. Das betrifft vor allen Dingen auch das Baugewerbe. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, dass auf diese Entwicklungen auch reagiert wird, um die Zielmarken für den Ausbau zu erhalten. Mit diesem Haushalt hätte es dazu ein klares Bekenntnis vom Bundesverkehrsministerium gebraucht. Schon jetzt ist zu erkennen, dass die dramatischen Kostenanstiege nicht zu finanzieren sind. Der Haushalt muss diesen Preissteigerungen Rechnung tragen. Sonst sind all die schönen Buchungen Luftschlösser, die nicht umsetzbar sind, Herr Minister.
Die steigenden Energiepreise lähmen gerade auch die kleinen und die mittelständischen Unternehmen im Verkehrsgewerbe. Mit niedrigen Margen und den Auswirkungen der Coronapandemie im Rücken geht es für Bus- und Taxiunternehmen um nicht weniger als um ihre nackte Existenz. Mit jedem Tag, den Sie mit Ihren finanziellen Zusagen warten, steht immer mehr Unternehmen des ÖPNV das Wasser bis zum Hals.
Meine Damen und Herren, Sie haben hohe Ziele im Bereich der E-Mobilität. Aber auch hier lassen Sie Antworten vermissen. Wir erwarten, dass die Koalition die hohen Mittelzuweisungen für die Ladeinfrastruktur des vergangenen Jahres fortsetzt und neben den rechtlichen und politischen insbesondere auch die finanziellen Rahmenbedingungen für den Hochlauf der E-Mobilität in der 20. Legislaturperiode schafft.
Für eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität braucht es aber auch einen technologieoffenen Ansatz.
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Wir brauchen E-Mobilität, wir brauchen Wasserstoff, und wir brauchen synthetische Kraftstoffe zur schnellstmöglichen Erreichung der Flottengrenzwerte und unserer Klimaziele. Selbst wenn wir in Deutschland 15 Millionen Elektrofahrzeuge bis 2030 schaffen, werden 2030 immer noch 30 Millionen Bestandsfahrzeuge auf den deutschen Straßen sein. Diese brauchen einen CO2-freundlichen Kraftstoff; sonst wird Ihre Verkehrswende nicht aufgehen.
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Darüber hinaus brauchen wir nicht nur Geld, sondern auch eine Verlässlichkeit im Straßenbau und bei der Infrastruktur. Wir brauchen auch ein ganz klares Bekenntnis zum Bundesverkehrswegeplan. Es kann nicht sein, dass die Grünen vor Ort ständig Maßnahmen infrage stellen und fordern, dass die Maßnahmen noch mal überprüft werden müssen, während Sie hier im Bundestag behaupten, dass hier keine Not herrscht. Wir brauchen verlässliche Bedingungen, wir brauchen einen klaren Rahmen für den Bundesverkehrswegeplan und deshalb auch hier ein klares Bekenntnis für die 1 000 Straßenbauprojekte, fast 70 Schienenprojekte und 24 Wasserstraßenprojekte. Auch hier brauchen wir Verlässlichkeit und einen klaren Fahrplan dafür, wie es im nächsten Jahr weitergeht.
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Herr Minister, auch hier brauchen wir Ihr klares Wort. Sonst sind Glaubwürdigkeit und Planungssicherheit nicht gegeben, und die brauchen wir so dringend – auch im Bereich der Bundesverkehrswegeplanung.
Herzlichen Dank.
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Detlef Müller spricht jetzt für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister Wissing! Meine Damen und Herren! Selten in der Geschichte der Bundesrepublik musste ein Haushalt in derart schwierigen Zeiten erarbeitet werden. Die Finanzkrise, das Flüchtlingsdrama, seit drei Jahren Corona und nun ein Angriffskrieg im Herzen Europas: Mittlerweile ist eine ganze Generation an jungen Menschen mit einem fast permanenten Krisengefühl herangewachsen.
„Sicherheit im Wandel“ heißt: Wir als Deutscher Bundestag haben die Verantwortung, in dieser Zeit Handlungsfähigkeit und Stabilität zu bewahren.
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Wir zeigen nicht nur, dass wir Krisen gewachsen sind und solidarisch zur Ukraine stehen. Wir zeigen zugleich, dass wir dieses Land trotz allem weiter zukunftsfest machen. Wir setzen unsere Modernisierungsagenda um. Das ist im Übrigen auch ein Freiheitsversprechen, an dem Herr Putin ablesen kann, um was er sein eigenes Volk mit diesem Krieg betrügt.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt ist noch von den Coronafolgen geprägt, und er ist gleichzeitig deutlich belastet durch die erheblichen Auswirkungen des Krieges. Die Preise für Energie – und nicht nur für Sprit, Herr Bareiß –, Wohnen, Mobilität, Lebensmittel steigen teils dramatisch mit noch nicht absehbaren Langzeitfolgen für den Staat, die Wirtschaft und die Menschen. Klar ist: Der Staat kann nicht jedes Risiko abfedern oder ausgleichen, aber es braucht jetzt Unterstützung, insbesondere für Menschen mit kleineren Einkommen und für Unternehmen, die keine ausreichenden Reserven haben, um den höheren Energiekosten standzuhalten.
Wir müssen aber auch sehr schnell die gierige Spekulation an den Ölmärkten in den Griff bekommen. Was da passiert, ist in hohem Maße unanständig und unsozial.
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Mein großer Dank gilt dagegen den Bahnunternehmen und den zahlreichen Logistikern und Spediteuren, die den kostenlosen Transport von Flüchtlingen und die Verteilung von Hilfsgütern stemmen. Sie machen die humanitäre Hilfe erst möglich, die so viele Menschen in diesem Land zeigen. Das ist der Anstand, den die Spekulanten nicht haben.
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Meine Damen und Herren, wir werden über einige Dinge im parlamentarischen Verfahren noch reden müssen; aber bei allen Unwägbarkeiten und Risiken löst dieser Haushalt das Modernisierungsversprechen der neuen Koalition ein. Die Investitionen werden auf einem Rekordniveau verstetigt. Davon profitieren insbesondere die Verkehrs- und die digitale Infrastruktur. Wir lösen den Anspruch des Koalitionsvertrages ein, indem wir mehr Geld in die Schiene als in die Straße investieren.
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Zudem wird ein Schwerpunkt auf Sanierung gelegt. Ich bin Minister Wissing dankbar, dass er sich insbesondere des Themas Brücken so engagiert angenommen hat. Brücken sind die Achillesferse unseres Verkehrssystems. Daher muss Sanierung oberste Priorität haben.
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Wenn wir jetzt bei der Planungsbeschleunigung noch einen Zahn zulegen, dann kommen wir auch wirklich voran. Im Koalitionsvertrag steht fast alles drin, was wir dafür brauchen. Dass das Kanzleramt die Umsetzung steuert, ist gut. Noch besser wäre es, wenn wir mit der Verabschiedung dieses Haushaltes auch gleich ein großes Beschleunigungspaket mitbeschließen könnten.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, allem Lob muss auch Kritik folgen. Es gibt einige notwendige Nachbesserungen. Der öffentliche Personennahverkehr ist im Haushalt unterbelichtet. Der mit den Ländern angestoßene Dialog zu mehr Transparenz, Qualität und einem besseren Angebot im ÖPNV muss schnell vorankommen. Wir wollen mehr und besseren ÖPNV, und dafür werden Bund, Länder und Gemeinden am Ende auch mehr investieren müssen. Wir müssen aber schon in diesem Jahr mit den enorm hohen Energiepreisen umgehen und damit in diesem Haushalt darauf achten, dass wir den ÖPNV leistungsfähig erhalten.
Gleiches gilt für den Bahnverkehr. Wenn wir die Schiene im Wettbewerb mit der Straße stärken wollen, müssen auch beim Güterverkehr die Trassenpreise sinken.
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Beim Bedarfsplan für die Bundesschienenwege, Herr Wissing, müssen wir die Finanzplanung auch mit dem Deutschlandtakt in Einklang bringen. Es darf nicht sein, dass wir beim notwendigen Schienenausbau weiter Zeit verlieren. Dazu gehört im Übrigen auch, dass wir die Investitionen in die Bahnhöfe steigern müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Digitalbereich ist eines der zentralen Zukunftsfelder in allen Ressorts. Mit dem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ ist die Umsetzung zentraler Vorhaben wie der Infrastrukturausbau oder auch der DigitalPakt Schule im Haushalt gut abgebildet. Ich möchte aber sicher sein, dass wir beim Breitbandausbau tatsächlich auch die notwendigen Mittel bereitstellen. Umsetzungsprobleme können nicht der Grund sein für Mittelkürzungen. Ich erwarte, dass die Programme so optimiert werden, dass das eingeplante Geld auch tatsächlich abfließt, und ich erwarte, dass die Digitalstrategie mit eigenen Mitteln unterlegt wird. So ist es im Koalitionsvertrag vorgesehen.
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Ich gehe davon aus, dass der Bundestag bereits bei der Erarbeitung der Strategie durch das Ministerium frühzeitig so eng eingebunden wird, dass wir am Ende einem Digitalbudget auch zustimmen können.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Nachbesserungsbedarf und trotz all der Unsicherheiten hat die Bundesregierung angesichts der aktuellen Krisen einen guten Haushaltsentwurf vorgelegt.
Ein letzter Satz. Es sei mir an dieser Stelle ein weiterer Dank gestattet, nämlich ein großer Dank an Frau Vizepräsidentin Göring-Eckardt und an Frau Vizepräsidentin Pau.
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Sie bewältigen nunmehr schon die zweite Woche sozusagen im Schichtdienst mit gegenseitiger Ablösung bei den Plenarsitzungen. Dies alles allein zu managen, von früh bis spät, verdient großen Respekt und Anerkennung.
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Dafür bedanke ich mich herzlich, auch im Namen der Kollegin. – Seine erste Rede hält heute hier für die AfD der Kollege Dirk Brandes.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Politik sollte sich einmal bei den Autofahrern bedanken – spülen sie doch rund 50 Milliarden Euro jährlich in die Kassen. Das ist in etwa so viel wie das gesamte Investitionsvolumen in unserem Haushaltsentwurf. Doch was bekommt der Bürger dafür eigentlich von unserer Regierungsbank, und zwar schon seit Jahren? Ich sage es Ihnen: Eidgenossen-Asphalt, liebe Kollegen! Nur Schweizer Käse hat mehr Löcher als unsere Straßen!
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8 000 Brücken – und damit jede zehnte Autobahnbrücke in Deutschland – sind ein Sanierungsfall. Allein in meiner Heimatregion Hannover sind es 35 Brücken. Auch im Flugverkehr wollen Sie Ihrer staatlichen Aufgabe nicht mehr nachkommen: 12 von 14 Regionalflughäfen sind von Insolvenz bedroht. Egal ob Straße, Schiene, Luft oder Wasserwege, die Lebensadern unseres Landes verfallen. Die Folgen sind verheerend. Gemäß einer Studie der KPMG zweifeln ausländische Unternehmen zunehmend am Wirtschaftsstandort Deutschland und fahren ihre Investitionen kontinuierlich zurück. Grund ist neben hoher Steuerlast und gigantischen Stromkosten die zunehmend schlechte Verkehrsinfrastruktur. Den Berichten zahlreicher Kommissionen zufolge ist unsere Verkehrsinfrastruktur chronisch unterfinanziert. Die versprochene Trendwende bleibt im aktuellen Entwurf jedoch aus. Trotz Rekordneuverschuldung stehen in diesem Jahr für unsere Straßen und Schienen knapp 4 000 Millionen Euro weniger zur Verfügung als noch im Vorjahr.
Ein Problem ist aber nicht nur die chronische Unterfinanzierung, sondern auch die Gewichtung der Investitionssummen, Herr Minister. Sie planen tatsächlich, in diesem Jahr mehr Geld für die Schiene auszugeben als für die Straße. Mein Kollege hat es bereits gesagt: Mit der Realität des Verkehrsaufkommens hat das wenig zu tun; denn 80 Prozent des Personenverkehrs und 74 Prozent des Güterverkehrs werden über die Straße abgewickelt. Die, die Sie alle schröpfen, sind auf das Auto angewiesen. Es sind Pendler, es sind Handwerker, Familien und Senioren. Wer aber soll Ihre weltfremden Mobilitätsträume rot-grüner Großstadtmilieus bezahlen, wenn Sie diese Gruppen einst in den Ruin getrieben haben werden?
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Mit dieser ideologischen Politik schränken Sie aber nicht nur die Freiheit der Bürger ein, und Sie riskieren nicht nur den Wirtschaftsstandort Deutschland. Nein, wer den Verkehrssektor für ökoideologische Feldversuche missbraucht, gefährdet auch die Sicherheit in diesem unserem Land. In Erinnerung an die Flutkatastrophe im Ahrtal und mit Blick auf die Kriegsfolgen in der Ukraine kann ich Ihnen nur eines sagen: Mit Lastenfahrrädern, Kobolden, Elektrorollern retten Sie weder Menschen zuverlässig aus Krisengebieten, noch erhalten Sie den Wirtschaftsstandort Deutschland, meine Damen und Herren.
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Krankenwagen und Feuerwehren erreichen vielerorts ihre Einsatzziele gar nicht mehr rechtzeitig, weil sie sich an künstlichen Verkehrsberuhigungen wie Pop-up-Radwegen entlangschlängeln müssen. Damit muss endlich Schluss sein! Was die Menschen in unserem Land benötigen, ist ein Verkehrswegeplan, der Straße, Wasserweg, Schiene und Luftfahrt gleichermaßen einbindet, sichert und nicht gegeneinander ausspielt. Nur ein optimales Zusammenspiel aller Verkehrsmittel sorgt für eine ökonomische und ökologisch effiziente Beförderung von Reisenden und Gütern. E-Fuels müssen gleichberechtigt behandelt werden, wollen wir die Unabhängigkeit Deutschlands erreichen. Und wie lange versprechen Sie uns eigentlich schon den Bürokratieabbau? Großprojekte dauern immer länger. Vielleicht sollten wir Bürokraten abbauen, um damit die Bürokratie spürbar zu entlasten.
Ich danke Ihnen.
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Ich gebe Stefan Gelbhaar das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushalt ist Wahrheit – das habe ich an dieser Stelle vor einigen Jahren gesagt. Die Wahrheit ist: Im Haushaltsentwurf 2022 sind Dinge enthalten, die mir gut gefallen. An anderen Stellen werden wir noch arbeiten müssen.
Gut ist: Der Haushalt setzt auf den Erhalt unserer Infrastruktur. Wir stocken nicht mehr wie die Große Koalition Jahr für Jahr den Neubauetat auf. Das ist richtig so. Erhaltungsmittel sollen nur noch für Erhaltung genutzt werden. Neubaumittel hingegen können auch für Sanierung genutzt werden. Das ist der notwendige Paradigmenwechsel, den wir hier einleiten: Erhalt vor Neubau.
({0})
Das ist auch bitter nötig; denn der Erhalt von Straßen und Brücken wurde massiv verschlampt. Bröckelnde Brücken sind übrigens auch eine Form der Verschuldung. Das Problem gehen wir jetzt intensiv an.
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Mobilitätswende bedeutet: Verkehr vermeiden, verlagern, dekarbonisieren. Bei der Dekarbonisierung verdoppeln wir die Mittel für die Ladeinfrastruktur. Damit wird die Antriebswende im Pkw-Bereich angeschoben. Wir müssen allerdings alle Verkehrsmittel betrachten, und dazu werden wir dann im parlamentarischen Verfahren – etwa bei der E-Bus-Förderung – noch einmal genau hinschauen.
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Warum? Der Verkehrshaushalt muss die Klimaziele von Paris in den Fokus nehmen. Darauf haben wir uns als Koalition verständigt, und dafür braucht es, wie verabredet, mehr Mittel für Bahn und für Schiene.
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Es braucht auch mehr Mittel für einen besseren ÖPNV: mehr Digitalisierung etwa durch bundesweite digitale Ticketsysteme. Das ist die Richtung, in die es gehen muss.
Mit dem Klima- und Transformationsfonds und dem regulären Verkehrshaushalt werden Milliardensummen dafür bereitgestellt. Dass wir hier konsequent in Klimaschutz investieren, darauf werden wir als Koalition gemeinsam im parlamentarischen Haushaltsverfahren achten.
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Die „Vision Zero“ ist eine weitere gemeinsame verkehrspolitische Messlatte. In den Radverkehr werden so viele Mittel investiert wie noch nie. Das ist ein Teil der Lösung. Als Koalition haben wir beschlossen, das zu verstetigen. Wir werden das Verkehrsministerium dabei unterstützen, eine effiziente und wirkungsvolle Verwendung dieser Mittel noch in diesem Jahr zu organisieren. Warum ist das so wichtig? Unter Verkehrsminister Scheuer sind von Jahr zu Jahr immer weniger Radwege an Bundesstraßen gebaut worden. Das muss sich jetzt ändern.
Zur Wahrheit gehört: Das Parlament ist der Haushaltsgesetzgeber. Wir werden uns den Regierungsentwurf also selbstbewusst und kritisch ansehen und dann mit unseren Koalitionspartnern nach Lösungen für die offenen Punkte suchen.
Vielen Dank.
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Bernd Riexinger spricht jetzt zu uns für Die Linke.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ohne eine nachhaltige Mobilitätswende, die diesen Namen auch verdient, wird es nichts mit der Einhaltung der Klimaziele.
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Der Auto- und Lkw-Verkehr ist ein zentraler Bereich, in dem sich die CO2-Emissionen nicht reduziert haben. Das ist unverantwortlich und muss sich schnell ändern.
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Ich habe jedoch erhebliche Zweifel, dass das der Ampel gelingt. Eine Antriebswende ist noch lange keine nachhaltige Mobilitätswende. Dafür brauchen wir Städte und Kommunen der kurzen Wege, großzügigen Ausbau der Fahrradwege, massive Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr in Stadt und Land.
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Der Güterverkehr muss dringend auf die Schiene verlagert werden. All das wäre im Übrigen auch noch sozial, wenn die Ticketpreise massiv reduziert oder wenn es stufenweise kostenfrei würde. Dafür fehlen Ihnen aber offensichtlich der Mut und auch der politische Wille.
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Wie anders ist ein sinkender Verkehrsetat sonst zu erklären? Das Mindeste wäre es doch, die Summe der auslaufenden Coronaunterstützung auf den Etat draufzuschlagen.
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Dass die Ampel mehr Geld in die Bundesfernstraßen – das ist die Wahrheit – als in die Bundesschienenwege steckt, ist absurd.
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Es müsste eigentlich völlig klar sein, dass die Kommunen gewaltige Investitionsmittel benötigen, um den ÖPNV auszubauen, ihn attraktiver und preisgünstiger zu machen. Gerade jetzt, bei den hohen Spritpreisen, die Ticketpreise zu halbieren, wäre das richtige Signal anstatt der völlig verkorksten Tankstellenprämie von Herrn Lindner.
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Wir könnten bei der Verdoppelung des ÖPNV noch Hundertausende Arbeitsplätze im industriellen Bereich schaffen – nachhaltige, soziale und sichere Arbeitsplätze.
Das ist unsere Konzeption, meine Damen und Herren.
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Vom SSW spricht jetzt zu uns der Kollege Stefan Seidler.
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Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Moin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
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Viele von Ihnen tun es wie ich: Wir pendeln nach Berlin. Wir sind Berufspendler. Und so tun wir es einer stetig steigenden Zahl von Menschen in Deutschland gleich. 68 Prozent der Berufspendler in Deutschland nehmen das Auto, und lediglich 4,6 Prozent nehmen die Bahn. Das wollen wir im Zuge der Mobilitätswende doch eigentlich gerne ändern.
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Wenn man mich fragen würde, wie ich aus dem hohen Norden von Flensburg nach Berlin pendle, würde ich antworten: mit der Bahn. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen heute ein Geheimnis beichten: Um pünktlich hier bei Ihnen in Berlin sein zu können und um eine kürzere Reisezeit zu haben, nehme ich oft mein Auto – ja, den Verbrenner – von Flensburg nach Hamburg und steige dann erst in die Bahn. Ich weiß: Das machen ganz viele Berufspendler genauso.
Liebe Bundesregierung, lieber Minister Wissing, wenn Sie die Mobilitätswende wirklich voranbringen wollen, dann sorgen Sie auch für eine zeitgemäße Anbindung für die Teile der Republik, die außerhalb der Metropolregionen liegen.
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Hier sind Schienen, Brücken und auch Bahnhöfe marode. Es mangelt an guten und effizienten Anbindungen.
Noch ein Beispiel aus meiner Heimat: Der Eurocity-Zug aus Kopenhagen nach Hamburg rauscht bei uns vorbei; der hält nicht einmal bei uns an der Grenze in Flensburg.
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Das ist doch Unsinn. Mit einer optimierten Trassenplanung, dem zweigleisigen Ausbau und der Reaktivierung sowie Elektrifizierung von Strecken ließe sich viel Fahrzeit einsparen und ein zeitgemäßes, umweltfreundliches Verkehrsnetz schaffen – auch in den Randgebieten der Republik.
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Außerdem muss das Nachtzugangebot in Europa ausgebaut werden, und die Trassenpreise müssen gesenkt werden. Hier steht der Bund in der Verantwortung.
Egal ob Sie in der Großstadt oder bei mir in der nördlichen Provinz am Bahnsteig stehen: Zugfahren sollte doch eigentlich so sein, wie wir Witze über die Bahn machen, nämlich: ständig einer verfügbar und einfach billig.
Vielen Dank.
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Ronja Kemmer hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Wissing, als Sie im Februar zum Antrittsbesuch bei uns im Ausschuss für Digitales zu Gast waren, da, fand ich, haben Sie an vielen Stellen recht glaubhaft gemacht, dass Sie die Digitalisierung in Deutschland ernsthaft weiter schnell vorantreiben wollen.
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Wenn man sich die Eckpunkte im Haushalt jetzt aber anschaut, dann stellt sich einem schon die Frage, wo Sie die Weichenstellungen dafür eigentlich setzen. Sie haben sich mehrfach als Digitalminister bezeichnet und ein Digitalbudget angekündigt. Jetzt, nachdem die Ampel 100 Tage regiert, müssen wir feststellen, dass Sie zwar das Namensschild an der Tür des Ministeriums ausgetauscht haben, aber ein wirkliches Digitalbudget gibt es noch nicht. Die Ankündigung, dass Sie das im nächsten Jahr nachholen wollen, ist unzureichend, Herr Minister. Das ist etwas mehr Handbremse als Turbo, und das lassen wir Ihnen nicht unbemerkt durchgehen.
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Die Mittel für die Digitalisierung in Ihrem Einzelplan muss man wirklich genau suchen, wenn man einmal von den Geldern absieht, die über das BMF aus der Ferne mit bewirtschaftet werden. Das steht schon in einem krassen Widerspruch zu 23 Fachreferaten, die in Ihrem Haus im Organigramm gelistet werden. Das wirkt nach einem maximalen Anspruch, aber eben mit einer minimalen Unterfütterung. Auch die digitalpolitischen Verhandlungen auf der EU-Ebene sollen durch Ihr Ministerium koordiniert werden. Das zumindest war ein weiteres Ziel von Ihnen. Wenn wir jetzt sehen, dass Deutschland bei den wichtigen Verhandlungen, die momentan auf EU-Ebene zum Thema KI-Regulierung stattfinden, Anfang des Jahres, im Januar und im Februar, praktisch abwesend war, muss ich sagen, dass auch diesem Anspruch nicht entsprechend Rechnung getragen worden ist.
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Ein weiterer Punkt treibt uns und die Menschen in diesem Land um, Stichwort „weiße Flecken im Bereich Mobilfunk“, wo jetzt weniger bezuschusst werden soll als im letzten Jahr. Auch hier haben Sie Ziele für die Ferne formuliert. Nach der Gigabitstrategie wollen Sie bis 2030 überall dort, wo die Menschen leben und arbeiten, den neuesten Mobilfunkstandard gewährleisten. Das unterstützen wir. Aber die Weichen für das Jahr 2030 werden eben nicht erst im Haushalt 2029 gestellt, sondern die stellt man auch schon heute.
Sie vertrauen da sehr auf die Zusagen der Branche, auch auf ein Zutun der Länder. Ich sage es einmal so: Wenn das in der Abstimmung so läuft wie in anderen Teilen, dann sehe ich da leider schwarz für die weißen Flecken.
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Dass Sie Ihre Ausbaupläne dann noch – es wurde schon erwähnt – zunächst mit den CEOs statt mit dem Herz der Demokratie und dem Geldgeber, dem Deutschen Bundestag, besprechen, –
Frau Kollegin.
– ist nicht nur uns sauer aufgestoßen, sondern auch vielen Parlamentariern in den Regierungsfraktionen. Herr Minister, wir fordern hier mehr Transparenz, aber vor allem auch Weitblick.
Herzlichen Dank.
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Anja Troff-Schaffarzyk spricht jetzt für die SPD-Fraktion zu uns. Es ist ihre erste Rede, und wir freuen uns darauf.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mobilität bedeutet soziale Teilhabe.
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Gute Infrastruktur schafft Perspektiven und Chancen für die Menschen in unserem Land – wirtschaftlich und vor allem auch gesellschaftlich. Als Verkehrspolitikerin und als Sozialdemokratin ist es mir deswegen besonders wichtig, diese dringend benötigten Verkehrsangebote allen Menschen flächendeckend im ganzen Land zur Verfügung zu stellen,
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und zwar unabhängig davon, ob sie in der Stadt oder auf dem Land wohnen.
Mein Wahlkreis ist sehr ländlich geprägt, zum Teil in Ostfriesland, zum Teil im Emsland. Von daher weiß ich nur zu gut, dass dem immer wieder angekündigten Anspruch einer gleichberechtigt mobilen Gesellschaft in der Vergangenheit nicht genug konkrete Maßnahmen gefolgt sind.
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Ganz im Gegenteil: Es wurde gespart und zusammengestrichen. Wie fragil unsere bestehende Infrastruktur ist, das erleben wir in meinem Wahlkreis seit Jahren mit der Friesenbrücke. Durch ihre Beschädigung wird alles lahmgelegt, tolle Projekte liegen plötzlich auf Eis, und der Wiederaufbau dauert viel zu lange.
Wer die Gesellschaft in eine sozial-ökologische Zukunft transportieren will, muss diese grundsätzlichen Mängel beseitigen. Ich danke der Bundesregierung und dem Bundeskanzler, dass für den Ausbau, aber auch für die Instandhaltung der Infrastruktur benötigte finanzielle Mittel eingeplant werden, trotz der großen finanziellen Herausforderungen.
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In dem umfangreichen Einzelplan 12 mit seinen 36 Milliarden Euro Gesamtausgaben stecken für den ländlichen Raum viele gute Nachrichten, die den Menschen in ihrem Alltag, in ihrer Gemeinde, auf dem Dorf oder in der Stadt konkrete Verbesserungen bieten. Es ist eben die einzelne Brücke, die saniert wird und dadurch der vereinfachte Arbeitsweg. Es sind die Bahnhaltepunkte, die reaktiviert werden und auch ein Studium weiter entfernt möglich machen. Es ist die Anbindung an den nächsten Flughafen, die die Reise in den Urlaub vereinfacht, und es ist die Errichtung einer Ladesäule, die die Anschaffung eines Elektroautos erst möglich macht. Wir müssen Angebote schaffen, die passgenau sind und die auch genutzt werden, damit sich sowohl die kleinen Verbesserungen wie auch die großen auszahlen werden.
Ich freue mich, dass der vorliegende Haushalt viele wichtige Ansätze für eine bessere Mobilität bietet; aber ich möchte zugleich deutlich machen, wie groß meine Erwartung ist, dass sich die Infrastruktur flächendeckend verbessert. Da geht es dann nicht mehr nur um den einzelnen Bahnhaltepunkt, sondern um den Ausbau des bundesweiten Schienennetzes. Da geht es um eine grundlegende Neuausrichtung von Mobilität im ländlichen Raum wie auch im städtischen Bereich. Da geht es um die Dekarbonisierung von Straßenverkehr, Schiffsverkehr und Luftverkehr. Die Investitionsbedarfe sind hier mittelfristig riesig, und dafür müssen entsprechende Mittel bereitgestellt werden.
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Um noch einmal auf den Anfang meiner Rede zurückzukommen: Mobilität bedeutet soziale Teilhabe; das ist unser Anspruch. In diesem Haushalt wird damit der Anfang gemacht. Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Packen wir es gemeinsam an!
Vielen Dank.
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Joana Cotar hat das Wort für die AfD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Digitales hat die Ampel im Koalitionsvertrag ganz großgeschrieben. Alles soll besser werden als in den letzten 16 Jahren, die vor allem durch Stillstand, Bürokratie, falsche Prioritäten und fehlenden Mut gekennzeichnet waren. Irgendwie ist die Digitalisierung im Kanzleramt unter Merkel dann doch „Neuland“ geblieben.
Also mit neuem Schwung auf in die Zukunft, so zumindest die Versprechen. 100 Tage ist die Ampelregierung jetzt im Amt, und wir sehen bisher herzlich wenig – große Worte, wenig Taten. Dabei wäre ein Versprechen gleich zu Beginn der Legislatur ganz einfach einzulösen gewesen, nämlich die öffentliche Sitzung der Ausschüsse. Es steht auch im Koalitionsvertrag: Sie wollen mehr Transparenz. Haben die Grünen dies in der letzten Legislaturperiode immer vehement gefordert, lehnen sie die Öffentlichkeit jetzt regelmäßig ab. Das ist enttäuschend, liebe Kollegen.
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Wer, wenn nicht der Digitalausschuss, sollte denn vorangehen und unsere Sitzungen streamen, damit die Bürger da draußen mitbekommen, was hinter den Kulissen passiert? Vielleicht überdenken Sie Ihre Entscheidung noch einmal. Es wäre wünschenswert.
Ebenfalls wünschen würde ich mir klare Zuständigkeiten, klare Kompetenzen und klare Budgets im Bereich Digitalisierung und vor allen Dingen eine zentrale Stelle, die den Überblick hat. Das nun hat die FDP in den letzten vier Jahren immer wieder vehement gefordert. Nun verweist Digitalminister Wissing im Ausschuss auf andere Ministerien, wenn man Detailfragen an ihn hat. Das ist schlichtweg zu wenig, Herr Minister.
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Jeder erwartete das bereits angekündigte Digitalbudget – ebenfalls vergebens. Die Zuständigkeiten und Gelder sind wieder quer übers Kabinett verstreut. Der Bereich Quantencomputing zum Beispiel findet sich im Bildungs- und Wirtschaftsministerium, der der Robotik nur im Wirtschaftsministerium, ebenfalls der der Computerspielförderung. Das Budget für Cybersicherheit ist dem Innenministerium und dem Verteidigungsministerium zugeordnet, das autonome Fahren dem Ministerium für Bildung und Forschung sowie dem Wirtschaftsministerium. Selbst das Landwirtschaftsministerium spielt mit einem eigenen Digitalbudget mit.
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Beim Sorgenkind Onlinezugangsgesetz bleibt es bei der problematischen Aufteilung zwischen dem Ministerium des Innern und dem der Finanzen. Das wirft uns letztendlich auf einen Stand von vor drei Jahren zurück, verehrte Damen und Herren.
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Von einer Steuerung der angemahnten digitalen Transformation der Gesellschaft durch das Ministerium für Digitales kann also leider keine Rede sein.
Natürlich dürfen auch die üblichen Schaufensterprojekte nicht fehlen, wie zum Beispiel die neue DATI-Innovationsagentur. Dabei gibt es erst seit 2018 die Agentur für Sprunginnovationen, von der man kaum etwas hört. Diese Gelder wären also woanders besser aufgehoben, zum Beispiel beim eigentlich geplanten Sovereign Tech Fund für Open-Source-Technologien; denn selten war digitale Souveränität wichtiger als heute. Hier fehlt jetzt das Geld.
Ich weiß: Die Ampel muss nun das ausbaden, was die Regierung Merkel in all den Jahren zuvor angerichtet hat. Aber es zeigt sich, dass die Neuen da weitermachen, wo die Alten aufgehört haben, nicht nur im Hinblick auf fehlendes Projektmanagement für die Digitalisierung, sondern auch bei den gebrochenen Versprechen, der Zensur im Internet, bei der Fortführung der katastrophalen Energiewende inklusive Bückling vor dem Emir von Katar – was ist denn bei Ihnen kaputt, Herr Habeck? dabei ist Energie wirklich zentral für das Thema Digitalisierung – und letztendlich auch dem Nichterkennen, wie wichtig nationale Souveränität ist, digital wie analog.
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Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.
Ja. – Ich hoffe, das ändert sich in den folgenden Jahren; denn es geht um Deutschland und um unsere Zukunft.
Herzlichen Dank.
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Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt Tobias Bacherle das Wort.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Bundesminister Wissing! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt eine Bundesregierung, die weiß, dass Digitalisierung mehr ist als nur ein Infrastrukturprojekt. Trotzdem deckt sie in diesem Haushaltsentwurf eben klar ab, dass wir diese Infrastruktur als Basis, als Fundament natürlich brauchen. Das ist vielleicht manchen hier im Hause durch die Pandemie etwas überraschender klar geworden: dass es bei schnellem Internet nicht nur darum geht, dass man alle Streamingdienste gleichzeitig ausprobieren kann, sondern dass es tatsächlich darum geht, am Unterricht teilnehmen zu können, studieren zu können
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und – deswegen ist es so überraschend, dass wir da so hinterherhecheln – eben auch, um arbeiten zu können. Deshalb ist es umso begrüßenswerter, dass wir jetzt nach dieser Überraschung versuchen, weiter aufzuholen mit einer gezielten Förderung für den Ausbau der Gigabit- und Mobilfunknetze, einer Weiterführung der 5x5-G-Strategie, aber eben auch mit einer höheren Priorisierung der Digitalisierung der Verwaltung.
Dabei geht es doch beim Internet und bei guter Infrastruktur nicht nur darum, dass man gute Videokonferenzen machen kann – deswegen, wie gesagt, auch die Überraschung von mir und manchmal auch Ihre Überraschung –: Selbst der Produktionsstandort Deutschland ist doch massiv darauf angewiesen, dass wir eine gescheite digitale Infrastruktur zur Verfügung stellen. Oder denkt irgendjemand, dass in Grünheide eine Fabrik mit DSL-Anschluss entstanden wäre?
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Deswegen und weil es da vor allem um die hiesigen Traditionsunternehmen und den europäischen Forschungs- und Technologiestandort geht, führe ich an, dass zum Beispiel bei mir im Wahlkreis ein großer Automobilkonzern mit Stern es vorgemacht hat: Die haben dort eine neue Produktionshalle eröffnet, wo automatisierte Vorgänge sehr fein und präzise in das übergehen, was man dort sozusagen von früher kennt, in die Bandarbeit. Das greift schön ineinander, aber funktioniert nur mit einer guten Infrastruktur. Das müssen wir doch allen deutschen Mittelständlern überall ermöglichen.
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Diese Infrastruktur schafft das Fundament, aber ob da dann ein alter Betonklotz draufkommt oder ein schöner, sozial und ökologisch nachhaltiger Holzbau, das entscheidet am Ende die Frage: Wie digitalisieren wir, wie gestalten wir Digitalisierung, welche sozioökonomischen Verhältnisse, welche Machtverhältnisse digitalisieren wir da eigentlich? Und das ist am Ende entscheidend für den langfristigen Erfolg der digitalen Transformation. Das spiegelt sich auch im Koalitionsvertrag wider.
Dieser Haushaltsentwurf legt jetzt das Fundament für diese nachhaltige Digitalisierung. Es ist der Anfang, und wir haben noch viel vor. Wir wollen den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch uns als Gesellschaft digitale Souveränität ermöglichen. Gerade mit Blick auf bewegte Zeiten wird das auch eine Priorität in dem jetzigen parlamentarischen Haushaltsverfahren sein.
Vielen Dank.
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Felix Schreiner spricht zu uns für die CDU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen eine Haushaltsdebatte in politisch herausfordernden Zeiten; Zeiten, von denen heute keiner sagen kann, was die Herausforderungen von morgen sind und was morgen auf der politischen Agenda steht.
Gestatten Sie mir ein paar nachdenkliche Worte zu Beginn. Wenn ich mir die Debatten heute den ganzen Tag angeschaut habe, denke ich mir auch als Vertreter der jungen Generation, dass wir wirklich gut daran tun, die Schuldenbremse auch in Zukunft beizubehalten, sie zu verteidigen und sie nicht an der einen oder anderen Stellschraube einfach so auszuhöhlen. – Das sei als Anfang aus meiner Sicht gesagt.
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Wenn wir in den Einzelplan für Verkehr schauen, dann möchte ich mit einem Märchen gleich zu Beginn aufräumen, nämlich zu glauben, dass es jetzt erst Rekordinvestitionen in Schiene, in Radverkehr und in den öffentlichen Nahverkehr gibt. Meine Damen und Herren, wenn Sie die früheren Haushaltsberatungen der vergangenen Legislaturperiode in der letzten Bundesregierung betrachten, konnten Sie da Rekordausgaben und Rekordinvestitionen sehen. Es ist gut, dass die Bundesregierung diese Linie weiter setzt. Aber es ist, glaube ich, falsch, von einem Paradigmenwechsel zu reden. Im Gegenteil: Es ist sogar Hohn, weil Sie hinter diesen Zielen zurückbleiben, meine Damen und Herren.
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Auch da möchte ich ganz offen sagen: Ich kann – Kollege Thomas Bareiß hat es gesagt – die Enttäuschung schon verstehen. Dass man nach 100 Tagen im Amt heute natürlich angesichts der Energiekosten in diesem Land, der zusätzlichen Belastung für viele Millionen Pendlerinnen und Pendler, der Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle gern auch eine Antwort der Regierung, des neuen Verkehrsministers gehört hätte, kann ich verstehen. Deshalb gibt es ganz einfach eines zu sagen: Dieser Haushaltsentwurf ist eine große Enttäuschung, meine Damen und Herren.
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Zur Frage der Modernisierungschance, wie es vorhin gesagt wurde, möchte ich Ihnen sagen: Eigentlich ist doch in den letzten Wochen nur eines auffällig gewesen, nämlich dass sich die Partner in dieser Ampelkoalition streiten, dass sie keine Antwort auf die Frage zum Beispiel nach der richtigen Antriebsenergie geben. Im Gegenteil: Sie fokussieren sich sehr stark auf ideologische Dinge, die Sie schon immer gerne gehabt hätten. Aber zur Wahrheit gehört: 2030 wird es in Deutschland noch 30 Millionen Verbrennungsmotoren geben. Dafür braucht es Infrastruktur, und deshalb sollten wir in die Gänge kommen, um gemeinsam nämlich nicht die Antriebsformen gegeneinander auszuspielen, sondern mit Technologieoffenheit den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen, sich von A nach B fortbewegen zu können, genau so, wie sie es gerne wollen. Hören Sie auf, den Menschen in diesem Land ständig vorzuschreiben, wie sie sich zu bewegen haben, sondern ermöglichen Sie Mobilität der Zukunft!
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Meine Damen und Herren, es braucht alle Verkehrsträger mit ihren Stärken. Es braucht jeden Träger für einen modernen, für einen klimaschonenden Mobilitätsmix. Aber auch der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ist wichtig. Wir stehen vor der Wahl, ob wir auch international Anschluss halten und unsere Infrastruktur weiter ausbauen, ob wir sie digitalisieren oder ob wir gerade die ländlichen Räume abhängen und den Menschen dort die Mobilität eben nicht ermöglichen.
Deshalb, meine Damen und Herren speziell von der FDP, ist das unsere Bitte: Unterstützen Sie Ihren Minister, wenn er sich gegen die Grünen und gegen Teile der SPD durchzusetzen versucht. Es bringt überhaupt nichts, wenn man den Bundesverkehrswegeplan komplett auf den Prüfstand stellen will. Im Gegenteil: Setzen Sie ihn um! Es ist nicht eine Loseblattsammlung; es ist ein Gesetz des Deutschen Bundestages mit großartigen Projekten, auf die viele Menschen in Deutschland gewartet haben.
Vielen Dank.
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Ich gebe Falko Mohrs das Wort für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn wir uns die digitale Infrastruktur anschauen, muss man feststellen: Die besten Jahre liegen auf jeden Fall nicht hinter uns.
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Ich muss schon sagen, Herr Dr. Brandl: Andreas Scheuer in einem Satz mit dem Wort „Erfolgsbilanz“ zu verwenden, ist echt schon mehr als mutig.
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Wir sind noch mit den Scheuer-Resten beschäftigt, 950 Millionen Euro allein im Bereich der digitalen Infrastruktur, die aus dem letzten Jahr nicht ausgegeben wurden. Insofern, meine Damen und Herren, macht dies doch an dieser Stelle schon deutlich: Diese 950 Millionen Euro wären viel besser heute bereits in Form von Glasfaser unter der Erde oder in Form von Funkmasten dafür da, die digitale Infrastruktur in unserem Land zu verbessern, statt als Haushaltsreste aus dem letzten Jahr in diesem Haushalt.
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Denn unser Ziel ist doch völlig klar: Wir wollen Glasfaser bis in die Wohnung, bis ins Haus, und zwar völlig egal, ob es im ländlichen Raum oder in der Großstadt ist. Wir wollen, dass es eine moderne, die modernste flächendeckende Mobilfunkinfrastruktur in diesem Land gibt, völlig egal, ob es die Autobahn oder das Ballungszentrum ist oder das Dorf oder der Acker. Das ist deswegen so wichtig, weil es in unserem Land eben keine digitale Spaltung geben darf. Das ist unser Versprechen als Koalition. Das ist ein Ziel, dem wir uns mit unserem Koalitionsvertrag verpflichtet sehen, und es ist ein Ziel, dem wir uns auch mit diesem Haushaltsentwurf nähern und dem wir uns verpflichten, meine Damen und Herren.
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Es ist das Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen – so haben wir uns das vorgenommen –, und deswegen muss es auf der einen Seite natürlich mit den Geldern im Haushaltsplan hinterlegt sein. Es muss aber auch ankommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir beispielsweise im Bereich der alternativen Verlegemethoden schneller, verbindlicher und standardisierter vorankommen. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit den Eckpunkten der Gigabit-Strategie jetzt Grundlagen geschaffen haben, an deren Ausgestaltung wir feilen müssen; denn am Ende – das ist doch wichtig – darf nicht am grünen Tisch mit irgendwelchen wissenschaftlichen Potenzialanalysen entschieden werden, wo am Ende eigenwirtschaftlich ausgebaut und wo gefördert wird. Das muss vor Ort entschieden werden, denn die Bürgerinnen und Bürger vor Ort brauchen Verlässlichkeit beim Ausbau ihrer digitalen Infrastruktur, egal ob es Glasfaser oder ob es Mobilfunk ist. Verlässlichkeit ist hier das Maß der Dinge, meine Damen und Herren!
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Deswegen ist es gut, dass wir 2,5 Milliarden Euro in das Sondervermögen geben. Aber ich glaube, wir müssen sehr genau schauen, ob das, was hier in den Jahresscheiben jetzt vor uns liegt, was eingeteilt ist, eigentlich unserem Ambitionsniveau entspricht. Hier werden wir auch, Herr Minister Wissing, im weiteren Beratungsverlauf sehr genau draufschauen müssen.
Meine Damen und Herren, wenn wir das hinbekommen – das ist notwendig für den digitalen Ausbau –, dann liegt die beste Zeit vor uns.
Herzlichen Dank.
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Susanne Menge hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Dekaden bilden Haushalte im Verkehrssektor eine Infrastrukturpolitik ab, die sich allenfalls in Ansätzen einer Idee der integrierten Mobilitätsplanung zuwendet. Es ist daher höchste Zeit, den öffentlichen Nahverkehr, vor allem im ländlichen Raum, zuverlässig fahren zu lassen, sichere Wege für unsere Kinder zu haben und mehr Raum für Rückzugsräume, Rad- und Fußwege.
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Perspektivwechsel und der Mut, das System Verkehrsinfrastruktur neu zu denken, hängen, meine Damen und Herren, vor allem mit vielen weltweit engagierten Frauen zusammen. Es sind gerade deren Erfahrungen und deren Sichtweisen, die in unsere Diskussionen Einzug halten müssen. Sie müssen sich in Haushaltsentscheidungen und zukunftsweisenden Veränderungen unserer Verkehrsinfrastruktur wiederfinden. Dass eine unserer Kolleginnen es gewagt hat, auf Basis einer fundierten Sachanalyse die Profiteure eines Tankgutscheins zu nennen, hat einen Shitstorm über sie hereinbrechen lassen, der leider allzu deutlich macht, wie sehr wir am Anfang eines Paradigmenwechsels feministischer Politikschwerpunkte stehen. Doch dafür brauchen wir Sie alle – Frauen und Männer, die die Verkehrswende hinbekommen wollen.
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Der Haushalt 2022 ist ein Haushalt in Krisenzeiten. Durch den Krieg in der Ukraine wird uns bewusst, wie krisenanfällig und verwundbar unser Verkehrssektor ist. Die Abhängigkeit von fossilen Energierohstoffen macht den Verkehr zur Achillesferse unserer Volkswirtschaft. Das muss und wird sich ändern. Veränderungen funktionieren jedoch nicht von heute auf morgen, aber Schritt für Schritt müssen wir mit den kommenden Haushalten dafür die Weichen stellen.
Weiterhin gilt insbesondere für die Verkehrspolitik: Wir müssen unverzüglich handeln, um die planetaren Grenzen einzuhalten. Wir müssen in überschaubarer Zeit einen massiven Ausbau des Schienen- und Wasserwegenetzes und des öffentlichen Verkehrs organisieren. Gleichzeitig muss der weitere Ausbau des Fernstraßennetzes reduziert werden.
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Es ist daher richtig, dass wir die Haushaltsmittel für die Vorhaben des Schienennetzes schrittweise erhöhen. Für den Haushalt 2023 und folgende muss der Zuwachs jedoch unbedingt höher ausfallen, damit das Schienen- und Wasserwegenetz künftig aufnahmefähiger für die notwendigen Verkehrsverlagerungen werden. Wir müssen dafür alle Register ziehen, meine Damen und Herren.
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Es liegt so viel Musik in einer modernen und integrierten Verkehrsplanung. Diese wollen und müssen wir auch anpacken. In diesem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir aufgefordert, diesen Entwurf für den Haushalt 2022 in den anstehenden Beratungen zu ergänzen und noch besser zu machen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Florian Oßner hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund des Leids im Ukrainekrieg fällt die heutige Haushaltsdebatte sicherlich nicht leicht. Dennoch muss sie geführt werden; denn Anspruch und Wirklichkeit klaffen in der Politik ja hin und wieder auseinander. Aber zwischen dem, was die sogenannte Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP verspricht, und dem, was sie am Ende liefert, liegen wirklich Welten. Hier auch noch von einem „Jahrzehnt des Aufbruchs“ zu sprechen, wie soeben geschehen und wie es auch Bundesfinanzminister Lindner macht – das sind schon richtige Nebelkerzen, die da gezündet werden. Da braucht es – um einen bildhaften Vergleich zu bedienen – wahrlich einen Captain Kirk und das Raumschiff Enterprise, um diese „unendlichen Weiten“ zu erkunden, die zwischen Ankündigungen der Ampel und der gelebten Wirklichkeit liegen. Mehr Ehrlichkeit wäre hier definitiv angebracht.
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Schaut man sich den Etat für Digitales und Verkehr an, lieber Herr Minister Wissing, findet man nur wenige Punkte, die den Begriff „Fortschritt“ am Ende rechtfertigen würden. Selbst beim angeblichen Herzensthema der FDP, dem Ausbau der digitalen Infrastruktur, sollen die Investitionen um 824 Millionen Euro im Einzelplan 12 heruntergefahren werden.
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Ist das der versprochene Fortschritt? Wir brauchen flächendeckend schnelles Internet ohne Wenn und Aber. Für mich ist das Politik auf Kosten gleichwertiger Lebensverhältnisse und vor allem auf Kosten des ländlichen Raums. Jeder zweite Deutsche lebt auf dem Land, und diese Menschen dürfen Sie mir nicht vergessen, meine lieben Ampelkoalitionäre.
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Um nicht falsch verstanden zu werden: Im Grundsatz kann ich eine sparsame Haushaltsführung nur begrüßen. Mir allein fehlt einfach die richtige Prioritätensetzung der Ampelregierung. So wird in keinem Bereich mehr gekürzt als im Bereich der Luft- und Raumfahrt: satte 58 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Ampel scheint in Zukunft offenbar auf den Heißluftballon setzen zu wollen; denn auch hier sind die Versprechen von Fortschritt nur heiße Luft. Womöglich könnte dies aber auch ein weiteres Zugeständnis an die Grünen sein, zumindest was die Klimaverträglichkeit anbelangt. In einer Zeit, in der die Branche durch Corona und den Ukrainekrieg zutiefst verunsichert wurde, ist dies ein völlig fatales Signal. Das ist keine vernünftige Haushaltspolitik.
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Gerade im Bereich Luft- und Raumfahrt finden derzeit unglaublich viele Innovationen für eine klimaneutrale Mobilität statt. So entwickelt Airbus Flugzeuge mit Wasserstoffantrieb, und in Leipzig wird mit der Neuentwicklung der Dornier 328 ein Regionalflugzeug gebaut,
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welches mit klimaneutralen E-Fuels betrieben werden kann. Also, anstatt mit ideologischen Scheuklappen das Fliegen zu verteufeln
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und Schiene, Straße und Flugzeug gegeneinander auszuspielen, sollten Sie darauf hinarbeiten, dass es auch weiterhin Innovationen made in Germany geben wird, die das Fliegen klimaneutral und für alle bezahlbar machen, liebe neue Bundesregierung.
Unsere Infrastruktur sowie der gesamte Mobilitätssektor sind die Stütze unserer deutschen Volkswirtschaft. Den Wohlstand von morgen gibt es nur mit der Innovation von heute. Aber anstatt den Haushalt zu nutzen, um wichtige Weichen für die Zukunft zu stellen, steht die Ampel hier auf Dauerrot. Alternative Kraftstoffe spielen keine Rolle mehr. Akzente für eine moderne Verkehrspolitik werden an keiner Stelle gesetzt. Ganz im Gegenteil: So werden beispielsweise Mittel für zukunftsweisende Projekte wie zum Beispiel für das Deutsche Zentrum für Mobilität massiv gekürzt. Ein absolutes Unding! Denn das wäre eine echte Blaupause für eine Bündelung aller Zukunftsideen im Bereich des Verkehrs. Ich kann nur an Sie, Herr Minister Wissing, appellieren, das Deutsche Zentrum für Mobilität wieder zu priorisieren.
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Aber auch in den Bereichen Planen und Bauen klaffen Anspruch und Wirklichkeit eklatant auseinander. So werden bei der Schiene investiv knapp 3 Milliarden Euro gekürzt, dies vor allem vor dem Hintergrund hoher Inflation und stark gestiegener Bau- und Rohstoffpreise. Damit kann keine Planungssicherheit für die ausführenden Stellen erreicht werden, sondern nur Verunsicherung, nur eine Verzögerung der Projekte mit der Folge von langen Wartezeiten und zusätzlichen Staustunden zum Schaden aller Verkehrsteilnehmer. Hinzu kommen noch die hohen Spritpreise; heute schon das ein oder andere Mal angesprochen. Deshalb nochmals: Senken Sie die Mineralölsteuer sowie die Mehrwertsteuer für Unternehmer und Autofahrer!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, seien Sie versichert, dass wir als CDU und CSU bei den anstehenden Haushaltsberatungen alles daransetzen werden, dass wir die eingeleitete Infrastrukturverbesserung der letzten zehn Jahre nicht abrupt abreißen lassen und dass wir beim Thema „Mobilität der Zukunft“ weiter auf Innovation und Technologieoffenheit setzen – ohne das gegenseitige Ausspielen der Verkehrsträger.
Ein herzliches „Vergelts Gott“ fürs Zuhören.
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Martin Kröber hält heute hier seine erste Rede für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige Jahre war ich Gewerkschaftssekretär für Reinigungskräfte. Reinigungskräfte geben alles, aber sie bekommen oft nur wenig. Viele Reinigungskräfte können von dem wenigen Geld zusätzlich zu einer Wohnung kein Auto finanzieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie fragen sich jetzt sicher: Was haben Reinigungskräfte eigentlich mit Verkehrspolitik zu tun?
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Ich sage Ihnen: eine ganze Menge. Sie stehen für mich exemplarisch für viele Berufsgruppen, die am Ende des Monats ganz genau hinschauen müssen, was sie sich leisten können. Für diese Berufsgruppen bin ich hier.
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Ich möchte genau für diese Menschen Verkehrspolitik machen. Für diese Menschen brauchen wir einen bezahlbaren und vor allem gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr.
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Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer pendeln jeden Tag zur Arbeit, und am Wochenende wollen sie vielleicht auch mal zum See oder in den Zoo.
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Damit dies möglich ist, brauchen wir einen bezahlbaren und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Öffentlicher Nahverkehr ist schließlich Daseinsvorsorge.
In der Ampelkoalition haben wir uns darauf verständigt, wie wir das schaffen wollen: Es geht nur mit mehr Geld und mehr Effizienz.
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Ich bin Verkehrsminister Wissing sehr dankbar dafür, dass er trotz der schwierigen Zeiten einen guten Entwurf vorgelegt hat. Er zeigt: Wir investieren auch weiter in bezahlbaren und gut ausgebauten Nahverkehr.
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Ich sage an der Stelle aber auch ganz klar: Wir müssen an wichtigen Punkten weiter festhalten. Insbesondere drei möchte ich hier ganz klar nennen: Erstens. Mit dem Deutschlandtakt schaffen wir eine gut durchgetaktete Anbindung vom kleinen Dorf bis in die große Stadt. Zweitens. Mit 1 Milliarde Euro fördern wir große Schienenprojekte im Nahverkehr. Wir müssen hier aber auch für einen besseren Mittelabfluss in kleine Kommunen sorgen.
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Drittens. An der Seite der Länder werden wir mehr Geld für den öffentlichen Nahverkehr zur Verfügung stellen. So steht es auch im Koalitionsvertrag, und daran halten wir uns.
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Die Reinigungskräfte, Pflegekräfte und Kindererzieherinnen müssen morgen früh wieder zur Arbeit fahren; sonst funktioniert in diesem Land nichts mehr. Genau für diese vielen Menschen braucht es einen bezahlbaren und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr. Den werden wir ihnen geben.
Vielen Dank.
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Auch für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Anna Kassautzki.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die digitale Welt ist für viele von uns schon lange kein Neuland mehr, auch wenn der Zustand unserer digitalen Infrastruktur, wie mein Kollege Falko Mohrs vorhin ausgeführt hat, das manchmal noch vermuten lässt. Als Fortschrittskoalition haben wir uns die Digitalisierung als eines der Kernprojekte in den Koalitionsvertrag geschrieben. Und auch wenn der Wind aktuell aus einer ganz anderen Richtung weht: Sie hat dadurch nichts an Relevanz verloren – ganz im Gegenteil.
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Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserer Innenministerin Nancy Faeser und dem Innenministerium, die die Umsetzung und Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes, also die Digitalisierung unserer Verwaltung, im vorliegenden Haushaltsentwurf umfangreich bedacht haben.
Das OZG hat eine neue Form der Zusammenarbeit gebracht. Mit dem „Einer für Alle“-Prinzip haben wir im Konjunkturpaket endlich den notwendigen Hebel gefunden, um gemeinsam Deutschland zu digitalisieren und nicht mehr jeder für sich.
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Dadurch werden in unserem föderalen Staat nach und nach auch die IT-Systeme von Bund, Ländern und Kommunen endlich zu einer Föderation. Ob ich nun beispielsweise meine Ummeldung digital von zu Hause aus machen möchte oder ob Oma Erna dafür lieber aufs Amt geht: Beides muss und beides wird möglich sein.
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Damit die Kommunen das erfolgreich leisten können, brauchen sie allerdings unsere Unterstützung. Digitalität ist dabei nicht alles. Die Entwicklungen der letzten Wochen haben uns wieder mal auf bedrückende Art und Weise gezeigt, dass wir uns nicht in Abhängigkeiten begeben dürfen, die uns angreifbar oder erpressbar machen. Das gilt in einer digitalisierten Welt ganz besonders auch für unsere digitalen Systeme. Deshalb wollen wir nicht nur eine digitale Verwaltung, sondern insbesondere auch in der Verwaltung digitale Souveränität.
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Klar ist nicht zuletzt deswegen, dass wir, wo öffentliches Geld in Softwareentwicklung fließt, den Quellcode möglichst auch öffentlich zur Verfügung stellen – „Public Money, Public Code“. Das haben wir im Koalitionsvertrag festgeschrieben.
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Denn Open Source ist ein maßgeblich stützender Pfeiler der digitalen Welt, in der wir uns bewegen. Aus geteiltem Code können nicht nur neue Dinge wachsen; es muss auch nicht jedes Mal das Rad neu erfunden werden. Man kann den öffentlichen Code unabhängig prüfen und weiterverwenden. Wir schützen uns so auch vor technischen Monopolen, Abhängigkeit von einzelnen Anbietern und damit auch vor deren Herkunftsstaaten und bringen uns, wie durch die Multi-Cloud-Strategie, einen großen Schritt näher in Richtung digitale Souveränität.
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Durch die öffentliche Hand erhobene Daten müssen, insofern sie nicht personenbezogen sind, analog zum Prinzip „Public Money, Public Code“ möglichst als Open Data zur Verfügung gestellt werden. Das schützt uns alle vor der Abhängigkeit von Datenmonopolen. Auch diesen Rechtsanspruch auf Open Data haben wir uns in den Koalitionsvertrag geschrieben, und dazu stehen wir auch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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All das zeigt, wie wichtig es ist, dass auch in der aktuellen Zeit Themen wie der Sovereign Tech Fund zur Unterstützung von Open Source jenseits von „Public Money, Public Code“ oder die Schaffung eines Zentrums für Digitale Souveränität und eines Dateninstituts nicht untergehen. Als sozialdemokratische Fraktion werden wir uns im parlamentarischen Verfahren dafür einsetzen. Wir wollen gemeinsam als Koalition mehr Fortschritt wagen.
Herzlichen Dank.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen mir nicht vor. Wir sind auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.