Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/13/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Robert Habeck (Minister:in)

Politiker ID: 11005074

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist für mich eine besondere Ehre, meine erste Rede in diesem Hohen Haus mit einer Regierungserklärung zu beginnen. Es gibt quasi keine rhetorische Warmlaufzeit. Das ist eigentlich auch ein ganz gutes Bild für das, was an Arbeit in meinem Haus ansteht. Wir werden wenig Zeit haben, uns einzugewöhnen, sondern müssen sofort loslegen. Wir als Land, wir als Gesellschaft müssen sofort loslegen. Wir treten unsere Regierungszeit in einer Phase großer Veränderung an, einer Veränderung, die man überall im Alltag spürt und die verschiedene Gründe hat. Diese verschiedenen Ursachen bündeln sich auch in meinem Haus, natürlich auch in den Häusern der anderen Kolleginnen und Kollegen, aber im Bereich des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums sicherlich in besonderem Maße. Natürlich ist es nach wie vor die Coronakrise, die als allererste große Aufgabe zu bewältigen ist. Aufbauend auf der Arbeit meines Vorgängers, Peter Altmaier, ist es mit der Überbrückungshilfe IV wieder gelungen, den Unternehmen zumindest für die Zeit, bis die Krise wieder normales Wirtschaften erlaubt, ihr Bestehen zu sichern. Mehr als Zeit zu schaffen, ist es allerdings nicht; denn die finanziellen Brücken der Unternehmen werden immer dürftiger. Die Gewinne werden in vielen Bereichen geringer, und die Investitionstätigkeit lässt nach. Trotzdem bin ich froh und auch ein bisschen stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, die dies auf den Weg gebracht haben. Die Programmierung leistet ja nicht der Minister, sondern die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr Sonderschichten geschoben, sodass wir es geschafft haben, die Programmierung noch vor dem MPK-Beschluss abzuschließen. Das heißt, die Unternehmen, die Überbrückungshilfen beantragen wollten, konnten gleich nach dem Beschluss die Anträge stellen; das war zuvor noch nicht möglich. Dies war eine große Leistung des Hauses, ({0}) die nur möglich war, weil es in der Vorgängerregierung ein gut eingespieltes Team gegeben hat, auf das ich aufbauen konnte. Aber die Aufgaben enden natürlich nicht bei der Coronapandemie. Ich glaube, die Herausforderungen sind zu groß, um sie alle in den neun Minuten Redezeit – sechs oder sieben habe ich noch –, die mir zur Verfügung stehen, aufzuzählen oder in der Tiefe zu bearbeiten. Wir erleben eine globale Veränderung der Weltwirtschaft, ablesbar an dem Hunger nach fossilen Energien, der die Preise für die Unternehmen, aber auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Moment nach oben treibt. Wichtig ist, bei dieser Debatte, die wir tagein, tagaus führen, festzuhalten, dass es der Hunger nach fossilen Energien ist, der die Preise nach oben treibt. Gas, Öl und Kohle, das ist es, was im Moment die Preise treibt. ({1}) Die Maßnahmen, die wir kurzfristig zur Entlastung der Verbraucherinnen und der Verbraucher ergreifen, sind die Abschaffung der EEG-Umlage – Bundeskanzler Olaf Scholz hat das gestern in der Regierungsbefragung noch einmal ausgeführt – und eine faire Umlage der CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern. Die Arbeiten daran haben begonnen. ({2}) Mittelfristig ist die beste Chance, die wir haben, die beste Strategie, auf die wir uns konzentrieren sollten, uns unabhängig von den fossilen Energien zu machen. Das gebieten der Klimaschutz und die Aufgaben, die damit verbunden sind, auch die ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten, die immer höher werden. Die Aufgaben gebieten aber auch das Nutzen der Innovationspotenziale der deutschen Wirtschaft. Ja, man kann das als große Bedrohung, als Zumutung beschreiben; auch ich habe das in den letzten Tagen getan. Aber in Wahrheit ist es auch eine Herausforderung, die uns buchstäblich wachsen lassen kann, indem wir den Wohlstand und den Reichtum dieses Landes, auch den ökonomischen Reichtum, noch einmal hebeln und uns trotzdem von Rohstoffimporten unabhängiger machen, indem wir durch geschlossene Kreisläufe und eine neue Form des Wirtschaftens die CO2-Emissionen senken. ({3}) Wenn wir das in der Zeit, die uns bleibt, schaffen wollen, gemessen an den CO2-Budgets, auf die wir uns völkerrechtlich verpflichtet haben, aber auch gemessen an der globalen Konkurrenzsituation – denken Sie an elektrische Mobilität, denken Sie an den Hunger nach Rohstoffen der anderen Länder, die auch alle überlegen werden, wie sie eine neue Infrastruktur aufbauen, wie sie auf Wasserstoff setzen können –, drängt die Zeit. Und wenn man sich anschaut, wie im Moment die Planungs- und Genehmigungsverfahren aussehen, merkt man, dass die Rechnung einfach nicht aufgeht. Wir haben uns bis 2030 Zeit gegeben, um die CO2-Emissionen um 65 Prozent zu senken. Das ist ein breiter Konsensbeschluss in diesem Haus. Das waren die Ziele der letzten Regierung, und wir als Ampelkoalition haben sie übernommen. Es müsste also in großen Teilen dieses Hauses Konsens darüber bestehen, dass die Maßnahmen dafür jetzt ergriffen werden: Maßnahmen also für minus 65 Prozent an CO2-Emissionen in acht Jahren. Die durchschnittliche Genehmigungszeit für eine Windkraftanlage in Deutschland beträgt aber sechs bis acht Jahre. Man muss nicht besonders helle sein oder in der Schule in Mathematik besonders aufgepasst haben, um zu merken, dass das nicht funktionieren kann. Wir müssen also effizienter und schneller werden in den Planungs- und in den Genehmigungsverfahren. Wenn die Elektrifizierung einer Schiene 40 Jahre dauert und die Planung und der Bau eines Radwegs 10 Jahre, dann kann das nicht ausreichend sein. Wir müssen besser werden. Wir müssen noch mal neu ansetzen und schneller werden. ({4}) thyssenkrupp und auch andere Stahlunternehmen wollen auf CO2-freie Produktion umstellen. Allein für thyssenkrupp – die anderen Unternehmen werden mir nachsehen, dass ich deren Zahlen jetzt nicht referiere – wird dafür im Endstadium ein Wasserstoffvolumen von 30 Terawattstunden gebraucht; das ist das Zweieinhalbfache des Stromverbrauchs von Berlin – nur für ein Unternehmen, für einen Standort; und wir haben derer wahrlich viele in Deutschland. Der Rest der Grundstoffindustrie ist damit noch gar nicht benannt. Wir werden also mit einem großen Roll-out, auch von Elektrolyseuren, in Deutschland eine neue Infrastruktur aufbauen müssen. Die müssen gefertigt werden. Die Induktionsöfen müssen gebaut werden. Wir stehen also, wenn wir es richtig angehen, vor einer großen Phase des industriellen Aufschwungs in Deutschland; und das ist durch die Zulieferindustrie ein Mittelstands- und Handwerksaufschwung. Ja, man kann darüber klagen, wie schwer alles ist, wie groß die Herausforderungen sind und dass wir in Rückenlage anfangen. Ich will das nicht mehr tun. Ich sehe die Chancen für die deutsche Wirtschaft, ich sehe die Chance für Wachstum und Klimaschutz. Beides kann sich wunderbar ergänzen, wenn wir denn besser, effizienter und produktiver werden, in der Verwaltung und in der Gesellschaft. ({5}) Mir ist vollends klar, dass das nicht eine Partei, eine Regierung machen kann. Wir werden im Zusammenspiel der verschiedenen staatlichen Gewaltenträger – der Parlamente, der Länder, der Bundesregierung, der Ressorts untereinander – zu einem neuen Verständnis kommen müssen, indem wir kooperativ arbeiten und nicht in Konkurrenz zueinander stehen, indem wir uns selbst das Schwarze unter den Nägeln gönnen. Wir sind Politiker; wir alle gucken immer wieder auf die nächste Wahl. Aber am besten wäre es, wenn diejenigen gewinnen würden, die die besten Konzepte am schnellsten umsetzen und den anderen das Leben möglichst nicht schwer machen. ({6}) So will ich die Arbeit führen. So will ich mit den Kolleginnen und Kollegen zusammenarbeiten. So will ich auf die Ministerpräsidenten und die Kolleginnen und Kollegen in den Wirtschafts- und Energieressorts zugehen. Wenn es einen Konsens über die Ziele gibt, wenn wir die Chancen für die deutsche Wirtschaft und damit für die deutsche Gesellschaft in Arbeit und Beschäftigung sehen, dann müssen wir es schaffen, diese acht Jahre möglichst effizient zu nutzen und in den kommenden vier Jahren möglichst weit zu kommen. Ich jedenfalls freue mich auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Vielen Dank, dass ich dies hier vorstellen durfte. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Julia Klöckner. ({0})

Julia Klöckner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003566, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Guten Morgen zusammen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, für Ihr neues Amt wünsche ich Ihnen viel Elan, gute Entscheidungen und den Blick für das große Ganze, aber auch für das Kleine, das Konkrete, das Alltagspraktische, was heute in Ihrer Rede doch etwas zu kurz gekommen ist. Wir als Opposition bieten Ihnen eine konstruktive, eine kritische Begleitung an. Wir werden das unterstützen, was wir für vernünftig halten, aber eigene Vorschläge machen, wo wir Besseres erwarten. Herr Wirtschaftsminister, Sie möchten den Turbo anwerfen – für den Klimaschutz. Und für die Wirtschaft? Die vielen Familienunternehmen, auch die Industriebetriebe mit ihren zahlreichen Arbeitsplätzen erwarten von einem Wirtschaftsminister einen Fürsprecher. Sie erwarten von einem Wirtschaftsminister einen Anwalt, der ihre Themen nach vorne bringt. Es ist aber schon bemerkenswert, dass einem Wirtschaftsminister Unternehmertum, Eigenverantwortung und Wettbewerb eher lästig sind; denn in Ihrer Rede war davon überhaupt kein Wort zu hören. ({0}) Deshalb, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister: Wo „Wirtschaftsminister“ draufsteht, muss auch Wirtschaftsminister drin sein. ({1}) Wenn Sie dann doch über Wirtschaft sprechen, dann kündigen Sie an, Ihr Ministerium transformiere die Wirtschaft. Ich möchte klarstellen: Nicht Sie transformieren die Wirtschaft. Macher der Transformation sind die, über die Sie leider viel zu wenig gesprochen haben, nämlich die Unternehmer, die Erfinder, die Gründer. ({2}) Deshalb: Grüne Planwirtschaft wird nicht funktionieren. ({3}) In diesen Monaten Unternehmer oder Unternehmerin zu sein, ist ja nicht immer ein Vergnügen. Selbstständige lösen ihre Altersvorsorge auf und stecken das Geld in Betriebe und Arbeitsplätze, um diese zu retten. An dieser Stelle möchte ich all denen danken, die in dieser schwierigen Zeit durchhalten. Das ist Unternehmertum. Mit Unterlassen kommt unser Land nicht voran. ({4}) Und wer glaubte, mit der Coronapandemie schon genug zu schultern, der kämpft nun auch mit steigenden Energie- und Lohnnebenkosten und mit Lieferengpässen. – Es ist schon hoch interessant, dass den Grünen an der Stelle, wo es darum geht, dass Selbstständige ihre Altersvorsorge, die für uns Abgeordnete gut geregelt ist, auflösen, um Arbeitsplätze zu retten, nichts anderes einfällt, als zu lachen. ({5}) Das zeigt viel; das zeigt, dass Wirtschaft für Sie hier überhaupt keine Rolle spielt. ({6}) Die Energie- und Lohnnebenkosten steigen; es gibt Lieferengpässe, Preisexplosionen, Fachkräftemangel. Oder schauen wir auf die Schlüsselindustrie mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen: Wurden vor Corona in Deutschland noch 5 Millionen Autos gebaut, sind es jetzt 3 Millionen. Einen Bundeswirtschaftsminister muss das umtreiben; das darf ihm keine Ruhe lassen. Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Habeck, einen Turbo für Klimaschutz – ja –, aber bitte auch für die Wirtschaftspolitik. ({7}) Aber statt Turbo sind Sie gestern im Kabinett erst mal auf die Bremse getreten. Was haben Sie gemacht? Stichwort „Bürokratieentlastung“: Der Normenkontrollrat wurde aus dem Kanzleramt verbannt; früher war das Chefsache; jetzt läuft das unter „ferner liefen“. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben diesen aktuellen Herausforderungen werden uns langfristig auch strukturelle Herausforderungen beschäftigen; die Themen Klimaschutz, Energie und Emissionshandel wird nachher mein Kollege Andreas Jung ansprechen. Ich bin mir sicher: Ohne eine Weiterentwicklung unserer sozialen Marktwirtschaft zu einer digitalen, nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft wird es nicht gehen. Wirtschaft, Staat und Gesellschaft benötigen hierfür einen Digitalisierungsbooster. Noch mehr Regulierung wäre hier Gift. Wir brauchen Entfesselung, Freiraum für Innovation. Deshalb, sehr geehrter Herr Habeck: Wir brauchen Experimentierräume für Leuchtturmprojekte. ({9}) Die neue Bundesregierung ist ja angetreten, um die Digitalkompetenzen zu bündeln. Sie wollten ein Zeichen setzen. Sie setzen ein Zeichen, Herr Habeck, ja, aber das falsche; denn Sie geben Digitalisierungskompetenzen aus Ihrem Haus ab und behalten die Fördertöpfe. Von Bündelung ist da wenig zu spüren. Als Union haben wir bereits wichtige Maßnahmen angestoßen: das Onlinezugangsgesetz, das Basisregister, das Unternehmerkonto. Deshalb sage ich: Umsetzen ohne zu zögern, das hilft der Wirtschaft. ({10}) Aber was machen Sie? Sie entlassen erst einmal viel wirtschaftspolitischen Sachverstand aus Ihrem Ministerium. Fünf oder sechs Abteilungsleiter mussten gehen. Statt Wirtschaftsexpertise setzen Sie auf NGO-Ideologie. Sie haben einen Staatssekretär, der Mitbegründer von Attac ist; das ist durchaus bemerkenswert. Auf deren Homepage steht: Ziel muss sein, die Produktion von nicht benötigten Gütern auszusetzen. – Und wer bestimmt, was benötigt wird? Sie im Ministerium? Ihre größte wirtschaftspolitische Schlagzeile war bisher, das Ende des Wachstums einzuleiten. ({11}) Das gilt nicht für den Zuwachs Ihrer Mitarbeiterstellen im Ministerium; das haben wir gemerkt. Ein nachhaltiges, umsichtiges Wirtschaftswachstum ist Innovations- und Wohlstandstreiber und Voraussetzung für Transformation. In meinem Wahlkreis zum Beispiel, in Idar-Oberstein, einer eher strukturschwachen Region, baut BioNTech Hunderte von Arbeitsplätzen auf, weil dieses Unternehmen wächst. Und das ist auch gut so. ({12}) Sehr geehrter Herr Habeck, machen Sie Wirtschaftspolitik zur Chefsache, und bringen Sie der Wirtschaft mehr Wertschätzung entgegen. Die Coronakrise geht tief in das Wirtschaften großer Teile unserer Unternehmen hinein. Wir brauchen ein Sofortprogramm für unseren Standort und für die Wirtschaft. Im Koalitionsvertrag der Ampel finden sich durchaus Ansatzpunkte dazu. Wir gehen noch weiter – neun Punkte –: Wir brauchen bessere Abschreibungsmöglichkeiten. Die steuerlichen Verlustverrechnungen müssen ausgeweitet werden. ({13}) Wir brauchen eine Verkürzung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, aber nicht nur bei Energieanlagen, und die Absenkung des Strompreises in 2023; die Abschaffung der EEG-Umlage kommt viel zu spät. ({14}) Wir benötigen eine Verlängerung der Sozialgarantie über 2021 hinaus, die Stärkung zum Beispiel des Eigenkapitals von Personenunternehmen oder, siebtens, die Flexibilisierung der Arbeitszeit; wir wollen keine Tageshöchstzeit, wir wollen eine wöchentliche Höchstzeit. ({15}) Weiter wollen wir eine Ratifizierung von CETA oder auch die Anpassung der Coronahilfen. Was uns aber am meisten erschreckt hat, ist das Staatsverständnis der Ampel. ({16}) Die größte Enttäuschung ist hier die FDP, die sonst – im Wahlkampf – ordnungspolitisch viel versprochen hat. Jetzt sehen wir: Der Staat soll mehr regulieren, mehr intervenieren, Wettbewerb beschneiden. ({17}) Machen Sie eines: Gleichen Sie die kalte Progression aus, wie das die CDU/CSU-geführten Bundesregierungen vor Ihnen gemacht haben. Liebe FDP, es ist kein Hexenwerk: Machen ist wie wollen, nur krasser. Am Schluss will ich Ihnen sagen, sehr geehrter Herr Habeck: Sie finden ein motiviertes und gut aufgestelltes Ministerium vor. Nutzen Sie es, auch für die Wirtschaftspolitik! ({18})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Verena Hubertz. ({0})

Verena Hubertz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005089, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben richtigerweise über die Zeit gesprochen und darüber, dass wir endlich anpacken müssen. Es gibt manchmal Wichtigeres als Dringlichkeit; aber häufig braucht es Dringlichkeit, damit wir die Dinge schaffen. Das kennt wahrscheinlich jeder und jede auch ein bisschen von sich selbst. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass es in der politischen Arbeit nicht anders ist. Es wird immer Zielkonflikte geben: Was geht man jetzt an, und wie geht man es an? Was ist besonders wichtig und dringlich? Aber eines sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz deutlich: Die Transformation, die vor uns liegt, hin zur Klimaneutralität, zu einer innovativen Wirtschaft, zu einer global wettbewerbsfähigen Wirtschaft, ist dringlich und wichtig, und das werden wir, auch wenn es eine Kraftanstrengung erfordert, gemeinsam angehen. ({0}) Herr Habeck hat diese Woche eindrücklich demonstriert und erläutert, wo wir bei der Erreichung unserer Klimaziele stehen. Er hat von einem Berg gesprochen, auf den wir hochmüssen, und das wird anstrengend. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als dieses 1,5‑Grad-Ziel endlich mit aller Dringlichkeit anzugehen. Wir müssen die Industrie umstellen; das geht vom Zement über den Stahl bis zur Chemie und natürlich darüber hinaus. Wir müssen auf eine klimaneutrale Produktion umstellen, und das werden wir auch schaffen. ({1}) Aber die Transformation bedeutet viel mehr als Gigawatts und CO2-Budgets. Da ist doch was im Wandel. Wie wandelt sich die Arbeitswelt? Sie wandelt sich durch die Pandemie, aber auch durch Digitalisierung, Automatisierung, künstliche Intelligenz, die Art und Weise, wie wir Dinge produzieren. Da ist einiges im Wandel. Ich bin da bei Herrn Habeck: Das bietet doch Chancen. Natürlich mache ich mir auch Gedanken um die Arbeitsplätze, wenn wir da anders rangehen müssen. Aber es bietet natürlich auch Chancen für Wachstum, dafür, dass Neues entstehen kann. ({2}) Schauen Sie sich einmal die Entwicklung bei den erneuerbaren Energien an: Die Solarindustrie boomt. Hier in Berlin gibt es Start-ups im Bereich Green Technology. Da werden dezentral Photovoltaikanlagen zur Vermietung gebaut, für alle, die sich eigentlich keine Photovoltaikanlage leisten können. Wir müssen zu einer anderen Art des Wirtschaftens kommen. Warum müssen wir Handys nach zwei Jahren wegwerfen, nur weil der Akku nicht mehr funktioniert? Wir müssen zu einer Wiederverwendung kommen, zu einer Kreislaufwirtschaft, die mit den Materialien behutsam umgeht. ({3}) Die deutsche Wirtschaft hat das Rüstzeug dazu. Unsere Wirtschaft ist durch den Mittelstand geprägt; er hat uns erfolgreich gemacht. 99,5 Prozent aller Unternehmen sind klein oder mittelständisch. Das ist das Rüstzeug, das wir brauchen, um diese Transformation zu schaffen, gemeinsam mit den Großkonzernen. Wenn wir allerdings einen Blick auf den DAX werfen, den Gradmesser unserer Wirtschaft, müssen wir feststellen: SAP, 1972 gegründet, ist der letzte Welterfolg digitaler Natur aus Deutschland. Das reicht doch nicht. Wir müssen das, was wir haben, das Bewährte, wandeln; aber es muss auch Neues entstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen Gründergeist in diesem Land; denn die DAX-Unternehmen der Zukunft wurden vielleicht noch gar nicht gegründet. Sie haben über Unternehmertum gesprochen. Ich war selbst Gründerin und Unternehmerin. Die Startvoraussetzungen sind noch nicht optimal. Wir müssen Bürokratie abbauen. Es darf nicht diese ewige Zettelwirtschaft geben, von der Gewerbeanmeldung bis zu sonstigen Formularen. Wir müssen da einfach schneller werden. ({4}) Wir müssen Bürokratie abbauen, die Mitarbeiterbeteiligung stärken, den Zugang zu Kapital erleichtern, insbesondere in den späteren Wachstumsphasen, auch durch den Zukunftsfonds, und wir müssen mehr Frauen zum Gründen bewegen. ({5}) In der Transformation, die ich angesprochen habe, liegen Chancen. Es entstehen gerade ganz viele neue Industrien: in der Halbleiterindustrie, bei der E-Mobilität, und wir haben die Möglichkeit, bei der Nutzung von Wasserstoff vorne mit dabei zu sein. Da besteht ja auch Nachfrage seitens der Konsumentinnen und Konsumenten. Dieser Wandel wird doch durch die Menschen gemacht, und das ist kein Generationenkonflikt, kein Alt gegen Jung, sondern ein Miteinander. Diesen Wandel müssen wir alle gemeinsam, miteinander meistern. ({6}) Wenn man sich mit Unternehmern austauscht, dann erfährt man, dass es neben der Bürokratie und neben den Energiepreisen ein Thema gibt, das alle betrifft; das ist der Fachkräftemangel. Die Hotellerie, die Gesundheitswirtschaft, die Techkonzerne, die handwerklichen Betriebe finden keine guten Nachwuchskräfte. Deswegen müssen wir auf Qualifizierung setzen. Wir müssen Weiterbildung wirklich als Kernkompetenz verankern. Wir müssen aber auch die Migration erleichtern und durch Zuwanderung den Fachkräftemangel beheben. ({7}) Der Staat – und damit wir alle gemeinsam – spielt da eine erhebliche Rolle. Wir wollen das nicht von der Seitenlinie aus betrachten. Wir wollen anpacken, wir wollen die Rahmenbedingungen setzen, wir wollen ermöglichen und die Probleme lösen, die unsere Wirtschaft hat, vom Fachkräftemangel über die Planungsbeschleunigung bis zum Bürokratieabbau. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt, dass wir da sehr strategisch vorgehen: Wir wollen Transformationscluster bilden, uns geografisch anschauen, in welcher Region wir gut sind, wie wir die Forschenden, die Unternehmen, die Zivilgesellschaft zusammenbringen können. Wir wollen auch über Sozialinnovationen Probleme lösen und hier explizit strukturschwache Regionen unterstützen. Denn wenn etwas wegfällt, dann kann auch etwas Neues geschaffen werden. ({8}) Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir in Deutschland manchmal ein bisschen zu gemütlich sind, manchmal auch pessimistisch. Bei der Industrialisierung vor rund hundert Jahren waren wir auch nicht vorne mit dabei. Aber wenn wir mal anfangen, dann legen wir richtig los, und ich freue mich darauf. Sehr geehrter Herr Bundesminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ampelkoalition wird dieses Thema mit aller Dringlichkeit angehen; darauf können Sie sich verlassen. Wir packen das an. Vielen Dank. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm. ({0})

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, auch die AfD-Fraktion wünscht Ihnen natürlich ein glückliches Händchen für Ihr wichtiges Amt für unser Land. Vor allen Dingen wünschen wir Ihnen Augenmaß. Augenmaß ist sehr, sehr wichtig. Ihr Klimaplan lässt es aus unserer Sicht deutlich vermissen. Er wird dazu führen, dass wir mit noch mehr Geschwindigkeit in die falsche Richtung fahren, und er wird verdammt teuer. Der Bund der Steuerzahler rechnet mit 50 Milliarden Euro oder auch mehr pro Jahr. Damit geht es dann noch schneller in die energiepolitische Sackgasse. Das kann sich Deutschland bei Weitem nicht leisten. ({0}) Klar, Windkraftindustrie und Solarhersteller werden sich freuen. Aber für die Bürger und den Rest der Wirtschaft wird es eben noch mal teurer, obwohl wir schon jetzt Rekordpreise bei Strom, Gas, Heizung, Sprit haben. Das reicht offensichtlich noch nicht; da soll noch der Habeck-Bonus obendrauf. Dabei treibt es schon jetzt, wenn wir genau hinschauen, Unternehmen ins Ausland. Andere fahren ihre Produktion herunter, wie zum Beispiel die Glashütte in Freital. Dort übersteigen die Energiekosten den Umsatz. Das muss man sich einmal vorstellen! Deren Geschäftsführer sagt, die Politik könne sich sämtliche Coronahilfen sparen, wenn sie bei den Energiepreisen keine Lösung finde. ({1}) Jetzt geht es noch einmal in die falsche Richtung. Mit Ihrem Plan, Herr Habeck, werden Sie bald kein Wirtschaftsminister mehr sein, sondern Insolvenzminister. ({2}) Sie wollen 2 Prozent der Bundesfläche mit Windrädern zustellen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß dabei, das den Ländern schmackhaft zu machen. Bei mir in Mecklenburg-Vorpommern haben wir schon jetzt an die 3 000 Windanlagen stehen – und kaum noch einen freien Blick zum Horizont. ({3}) – Schauen Sie doch einmal bei uns vorbei! Schauen Sie, wie es in der Nähe von Altentreptow oder in Gingst auf Rügen aussieht! Das ist nicht der richtige Weg, ganz einfach. Vor allem wird das – das ist doch klar – auch nichts nützen. Auch unter Minister Habeck ist die Wahrheit: kein Wind, keine Sonne – kein Strom. Da können Sie sich gehackt legen, das funktioniert nicht. Wir brauchen grundlastfähigen Strom in unserem Land. ({4}) Da müssen wir über eine Technologie reden, über die unsere Nachbarn schon längst reden – sie reden nicht nur darüber, sie handeln auch schon –: über Kernkraft. Es ist doch kontraproduktiv und auch umweltfeindlich, laufende moderne Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen, die günstig und sogar emissionsfrei Strom erzeugen. Emissionsfrei! Das ist doch Ihr Mantra. Wenn Sie also wirklich schnell CO2-Emissionen abbauen wollen, wenn Sie dazu eine sichere Energieversorgung und günstigen Strom haben wollen, dann schaffen Sie das nicht mit Ihrem Klimahirngespinst, sondern nur mit Kernkraftwerken. Legen Sie also endlich Ihre ideologischen Scheuklappen ab, und gehen Sie den Weg, den andere längst gehen! Das ist der Weg der Vernunft. ({5}) Ihr Plan macht die Deutschen auch arm. Die explodierenden Energiepreise sorgen dafür, dass viele weitere Produkte jetzt schon massiv verteuert werden; wir alle spüren das in den Supermärkten. Die neue EZB-Direktorin Schnabel warnt bereits vor einer Verstetigung der Inflation, gerade auch durch die Klimapolitik. Wenn dazu dann noch die Lohn-Preis-Spirale in Gang kommt, dann wird es ungemütlich für uns alle. Also kehren Sie endlich um, und hören Sie auf mit diesem „Koste es, was es wolle“-Plan! ({6}) Andere Aufgaben wären viel wichtiger. Davon habe ich noch nichts gehört, Herr Minister. Was ist mit der dringend notwendigen Entlastung bei Steuern und Abgaben? Wann gibt es endlich eine Entbürokratisierung, die ihren Namen verdient, wann eine bessere Infrastruktur – und vor allen Dingen: wie schnell? Ich hätte gerne gehört, was Sie dagegen tun wollen, dass sich Deutschlands Anteil an exportierten Hightechprodukten seit 1990 halbiert hat, während Chinas Anteil von 1 Prozent auf 24 Prozent gestiegen ist. Unsere Marktanteile schwinden gerade in dem Bereich, der in Zukunft für unseren Wohlstand sorgen könnte, und das kann nicht sein. ({7}) Ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie den Mitarbeitern der Werften in Mecklenburg-Vorpommern und in Bremerhaven, die gerade pleitegegangen sind, heute etwas Hoffnung geben mit Ideen aus Ihrem Haus, wie wir die Werftstandorte erhalten können. Da braucht es eben auch einen intensiven Einsatz des Bundes an dieser Stelle; das können die Länder nicht alleine schaffen. Das, Herr Habeck, haben die Beschäftigten mit Sicherheit heute auch von Ihnen erwartet, dazu ein Wort zu hören. ({8}) Wir brauchen dringend eine Perspektive für unsere coronagebeutelten Unternehmen im Land, gerade für die kleinen, die kleinen Einzelhändler, die Touristiker, die Gastronomen, die Kulturbetriebe. Aber statt einer Perspektive kommt jetzt auch noch 2 G Plus. Dabei ist doch jetzt mittlerweile klar – es gibt doch die Studien, die das zeigen –, dass bei Omikron die Belastung der Intensivstationen um drei Viertel zurückgeht, die Zahl der Todesfälle sogar um 90 Prozent. Da müssen Sie jetzt ran, Herr Minister! Sorgen Sie dafür, dass unsere Unternehmen endlich wieder arbeiten dürfen! Es ist Zeit für eine Öffnung. ({9}) Herr Minister, es gibt genug zu tun, aber Sie müssen eben auch das Richtige tun. Ihr Klimaplan ist ein kompletter Irrweg. Die Mittel sind falsch, die Kosten zu hoch, und die Folgen für die Bürger werden leider dramatisch sein. Deswegen sage ich es noch einmal: Wir brauchen Politik mit Augenmaß. Vielen Dank. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Lukas Köhler. ({0})

Dr. Lukas Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004786, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Minister! „Das Internet ist nur ein Hype.“ Dieser Satz ist nicht von mir, sondern von Bill Gates. 1993 hat er sich nicht vorstellen können, dass neue Technologien zu etwas Neuem oder etwas Gutem führen. Wenn ich mir die Reden der Union und der AfD hier so anhöre, dann muss ich feststellen: Sie sind so ein bisschen wie Bill Gates 1993: ({0}) keine Ahnung davon, wie und was Innovation und Fortschritt eigentlich ist. Aber wir können Hoffnung haben. Bill Gates hat dazugelernt. Wenn ich mir Microsoft heute ansehe: Die haben gelernt. Bei der Union habe ich da wirklich Hoffnung. Ich habe wirklich die Hoffnung, dass auch die Union Wirtschaftspolitik von heute lernen kann. ({1}) Bei der AfD ist meine Hoffnung ein bisschen hinüber. Der Weg hin zum 1,5-Grad-Ziel ist ein Weg, den wir nur mit Fortschritt und neuen Technologien beschreiten können. Damit ist er aber ein Weg der Prosperität. Es ist ein Weg, der dazu führt, Preisstabilität, Klimaneutralität und Innovationkraft miteinander zu verbinden. Das ist Wirtschaftswachstum, meine Damen und Herren. Das ist die Kerndefinition dessen, wie wir unsere Wirtschaft aufbauen und nach vorne bringen. ({2}) Und ja, liebe Frau Klöckner, wir brauchen einen Turbo. Wir brauchen eine Menge Turbos. Aber Turbo, liebe Frau Klöckner, ist kein Charakter aus einem Zeichentrickfilm, Turbo ist, wenn wir Innovationskraft entfesseln durch Planungsbeschleunigung, durch Bürokratieabbau, durch all die Dinge, die Minister Habeck hier angesprochen hat. Da hilft es, wenn man der Rede dann auch die nötige Würdigung beimisst. ({3}) Genau davon hat er gerade an dieser Stelle gesprochen: vom Weg nach vorne. Der Weg nach vorne ist der einzige, den wir beschreiten können. Das geht natürlich nur, wenn wir darauf achten, dass wir die Inflation in den Griff bekommen. Die Inflation wird aber im Moment durch hohe Energiepreise getrieben. Hohe Energiepreise setzen sich aus Rohstoffpreisen und Kosten für Bürokratie und Abgaben zusammen. Diese hohen Energiepreise können wir senken. Die Rohstoffpreise senken wir dadurch, dass wir massiv in erneuerbare Energien investieren. ({4}) Die Energiepreise senken wir aber auch dadurch, dass wir ein Konzept für morgen entwickeln werden, mit dem wir ein neues Strommarktdesign auf den Weg bringen werden. Die senken wir dadurch, dass wir bei internationalen Bezugsquellen für Energie für CO2-neutrale Moleküle sorgen. Die Abgaben und Steuern müssen wir senken. Wir müssen jetzt mit dieser Reform schnell vorankommen. Aber, meine Damen und Herren, das ist keine leichte Aufgabe. Das Ganze ist ein gewachsenes System. Die Reform dieses gewachsenen Systems werden wir nur in den Griff bekommen, wenn wir bei der Verwirklichung der Idee einer funktionierenden Energie- und Klimapolitik drei Punkte miteinander verbinden. Das ist zum einen der Aspekt der Versorgungssicherheit. Wir dürfen in Deutschland zu keiner Stunde, zu keiner Zeit im Jahr den Strom ausgehen lassen. ({5}) Das ist etwas, was wir uns nicht leisten können, nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch hinsichtlich der Akzeptanz der Bevölkerung. Diesen Aspekt müssen wir – zweitens – mit Klimaneutralität verbinden. In den kommenden Jahren müssen wir uns auf den Weg hin zur Klimaneutralität machen. Am Ende sein werden wir spätestens 2045, aber auf den Weg müssen wir uns jetzt machen. Das müssen wir – drittens – mit günstigen Preisen hinbekommen. Wenn wir die Steuern und Umlagen reformieren, dann müssen wir dabei dafür sorgen, dass der CO2-Preis die tragende Rolle spielt. Der Emissionshandel sorgt dafür – das ist ganz klar –, wie die Entwicklung aussehen wird. Wir müssen eine Alternative bieten, eine Alternative für diejenigen, die Strom günstig brauchen. ({6}) Das sind die erneuerbaren Energien. Die liefern aber nicht den ganzen Tag. Deswegen braucht es Gaskraftwerke. Wir werden in Gaskraftwerke investieren müssen. Als Übergang werden wir da Erdgas verbrennen; das ist ganz klar. Das ist auch kein Problem, weil wir das günstig, schnell und sinnvoll hinbekommen können. Aber „Übergang“ heißt, dass der Verbrauch von Gas enden wird, und dann werden sie mit Wasserstoff betrieben. Bei Wasserstoff können wir heute Weichen stellen. Die Innovationen, über die wir gerade gesprochen haben, zu denen wir gerade die wichtigen Ideen vernommen haben, die wir umsetzen wollen, sind schon längst auf dem Weg. Es ist doch nicht so, dass das alles noch nicht kommt, sondern es gibt die Ideen, die Technologien. Die Wege der Ingenieurinnen und Ingenieure werden doch in Deutschland jetzt schon beschritten. Dazu brauchen wir aber eine technologieoffene, eine technologieneutrale Formulierung dessen, was wir uns vorstellen. Dazu muss die Wasserstoffregulatorik in Deutschland technologieoffen ausgestaltet werden. Wenn wir das hinbekommen wollen, wenn wir das Race to Zero gegen China und die USA gewinnen wollen, dann müssen wir gemeinsam an einem Strang ziehen, und dann müssen wir Wirtschaftspolitik von morgen machen. Ich glaube, auf dem richtigen Weg sind wir als Ampelkoalition schon, und ich freue mich darauf. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Klaus Ernst. ({0})

Klaus Ernst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003753, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Habeck, erst einmal recht herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Amt! Es ist eine sehr schwierige Aufgabe. Ich wünsche Ihnen den besten Erfolg, vor allen Dingen natürlich bei den Projekten, bei denen unsere Meinungen übereinstimmen. ({0}) Ich kann Sie aber warnen: Es sind nicht sehr viele, ({1}) bei denen wir unterschiedliche Positionen haben, aber einige schon, und die werde ich natürlich auch ansprechen. Wir sind mit Ihnen der Auffassung, dass wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen müssen. Wir sind für einen raschen Ausstieg aus der Kohle. Aus der Atomenergie auszusteigen, ist – es tut mir leid – ein unumkehrbarer Weg. ({2}) Gott sei Dank werden wir den Weg gehen. Herr Holm, Sie sagten in Ihrer Rede, der Blick auf den Horizont würde durch Windräder verstellt. Ich habe den Eindruck, bei Ihnen ist der Horizont aus ideologischen Gründen verstellt. Deshalb würde ich da vorsichtig sein. ({3}) Es ist Fakt, Frau Klöckner, dass die letzte Bundesregierung tatsächlich verschlafen hat, die erneuerbaren Energien auszubauen. Wenn Sie in diesem Zusammenhang von grüner Planwirtschaft sprechen, Frau Klöckner, dann wünscht man sich ja Herrn Altmaier zurück. ({4}) Er war in dieser Frage einfach deutlich weiter. Er hat von Industriepolitik gesprochen. Dazu habe ich von Ihnen nichts gehört. Es tut mir leid: Sie waren mit dem, was Sie hier dargestellt haben, nicht sehr erfolgreich. Herr Habeck, die sehr schwierige Aufgabe, die Sie haben, können wir nur hinbekommen, wenn wir die Bürger dafür gewinnen. Ein Punkt, mit dem wir sie gewinnen, ist, dass wir beim Ausbau der Windkraft die Beteiligung der Bürger nicht nur im Anfangsstadium der Planung brauchen, sondern auch dann, wenn es ums Geld geht. ({5}) Ich sage Ihnen aus eigener Erfahrung in meinem Wahlkreis: Wenn diejenigen, die – aus welchen Gründen auch immer – ein Windrad vor ihrer Haustür akzeptieren müssen, an dem beteiligt werden, was das Windrad erbringt, dann steigt auch die Bereitschaft, es zu akzeptieren. ({6}) Deshalb bitte ich Sie, auf diesem Weg voranzugehen. Wir haben – das ist richtig – eine Explosion der Energiepreise. Der Großhandelspreis für Erdgas an der Börse ist allein in den vergangenen zwölf Monaten um 250 Prozent gestiegen; das ist exorbitant. Für Januar und Februar haben laut dem Vergleichsportal Verivox bisher 515 der rund 700 Gasgrundversorger Erhöhungen von durchschnittlich 23 Prozent angekündigt. Über den Preis von Benzin will ich gar nicht reden. Herr Habeck, das hat nichts mit Ihrer Politik zu tun – das ist klar; denn so lange sind Sie noch nicht im Amt –, aber diese Entwicklung schürt die Angst der Bürger auch vor einer Energiewende, weil sie mit Energie zu tun hat. Deshalb müssen wir dringend jetzt sofort eingreifen. Ich sage Ihnen: Der Verweis auf den Mindestlohn – er werde erhöht, dann sei alles nicht so schlimm – reicht nicht. Sie wollten den Mindestlohn schon erhöhen, als es noch gar keine Energiepreisexplosion gab. Deshalb brauchen Sie zusätzliche Maßnahmen, um die Bürger bei dieser Frage zu entlasten, und zwar sofort, meine Damen und Herren. ({7}) Wir schlagen vor, dass wir kurzfristig über die Absenkung der Mehrwertsteuer bei Strom, Heizöl, Erdgas und Sprit reden, um kurzfristig eine Entlastung hinzubekommen. Das wäre eine Möglichkeit, hier etwas zu tun. ({8}) Im industriellen Bereich brauchen wir natürlich Geld. 10 Milliarden Euro für die Stahlindustrie, damit sie zuerst auf Gas und dann auf Wasserstoff umstellen kann, sind jetzt gefordert. Ich habe den Eindruck, das Hauptproblem Ihrer Energiepolitik ist die Finanzierung. Nach dem, was Sie vorgeschlagen haben – Sie wollen die Schuldenbremse nicht aussetzen oder Ähnliches –, steht Ihr Klimafonds – Herr Habeck, Sie wissen es selbst – rechtlich auf tönernen Füßen. Wir müssen es dringend hinbekommen, dass wir bei der Finanzierung nicht die kleinen Leute belasten, sondern diejenigen, die in der letzten Zeit hervorragend verdient haben. Die Vermögen sind gestiegen, die Gewinne sind gestiegen. Wir brauchen dort eine veränderte Steuerpolitik. Dann haben Sie auch Geld für Ihre Industriepolitik. ({9}) Ein weiterer Mangel Ihrer Politik, den ich sehe: Sie haben die Eröffnungsbilanz Klimaschutz vorgestellt, aber das Wort „Arbeitsplätze“, Herr Habeck, kommt in dieser Bilanz nicht ein Mal vor. Im Übrigen wird auch die Sicherung von Beschäftigung nur am Rande erwähnt. Wir müssen bei der Frage der Klimapolitik auch überlegen, wie wir technische Lösungen forcieren können, die sich so auswirken, dass eine möglichst hohe Zahl von Arbeitsplätzen erhalten bleibt. Das ist keine Automatik: Wir machen Klimaschutz, und dann gibt es neue Jobs. – Das wird in vielen Bereichen so sein. Aber gleichzeitig ist es so, dass momentan viele Leute – das sehen wir – Angst um ihre Jobs haben. Deshalb müssen wir bei den technischen Lösungen, die wir anbieten und die wir brauchen – da haben Sie vollkommen recht –, auch darüber reden, wie wir solche vorantreiben können, mit denen wir Arbeitsplätze erhalten können. Zum Schluss: Ich freue mich natürlich, dass auch Sie jetzt erkannt haben – ich hoffe, das setzt sich in Ihrer ganzen Fraktion durch –, dass wir Gas als Zwischentechnologie brauchen. Das war nicht immer so. ({10}) Heiße Schlachten wurden geschlagen. Wenn es so ist, dass sich diese Erkenntnis bei Ihnen durchsetzt, dann würde ich mich freuen, wenn Sie das auch einmal Frau Baerbock sagen würden. Herzlichen Dank fürs Zuhören. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Dr. Ingrid Nestle. ({0})

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe, die unsere Koalition sich vorgenommen hat, nämlich die Energieversorgung sicher und sauber zu gestalten. Ich habe großen Respekt davor, denn keiner schüttelt eine Energiewende einfach aus dem Ärmel, und zudem sind wir in ganz vielen Bereichen schwer im Rückstand. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein sehr deutliches Beispiel dafür. Deshalb ist es genau richtig, was Minister Habeck gestern gemacht hat, nämlich innerhalb kürzester Zeit – wenn wir ehrlich sind, war nicht viel mehr als eine Weihnachtspause zwischen Amtsantritt und gestern – ein umfangreiches Paket für die Energiewende vorzulegen, das den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv beschleunigen wird. ({0}) Das ist genau richtig, aus verschiedenen Gründen. Und, Herr Ernst, vielleicht hat Herr Habeck nicht das Wort „Arbeitsplatz“ verwendet. Ich habe aber genau gehört, wie er von der Wirtschaftspolitik für Gesellschaft und Arbeit gesprochen hat, und ich glaube, wir sollten uns hier nicht über Worte, sondern über Inhalte unterhalten. ({1}) Und ja, natürlich sind die erneuerbaren Energien auch ein Arbeitsplatzbooster. ({2}) Es ist auch genau richtig, die erneuerbaren Energien jetzt auszubauen, weil sie auf alle drei zentralen Fragen der Energieversorgung die Antwort sind. Wir wollen Energieversorgung sauber, wir wollen sie sicher und wir wollen sie bezahlbar haben. Sauber ist sie im Moment nicht; das kann keiner behaupten. Die erneuerbaren Energien sind der Schlüssel, um sie sauber zu bekommen. Sicher ist die Energieversorgung zurzeit. Aber damit sie sicher bleibt, muss der Zubau natürlich auch funktionieren. Es kann nicht reichen, aus Atom und Kohle auszusteigen, wenn man nicht gleichzeitig den Zubau auch tatsächlich hinbekommt. Dafür, dass wir ihn hinbekommen, hat Herr Habeck gestern die Maßnahmen vorgelegt. ({3}) Die Energieversorgung muss aber auch bezahlbar sein. Derzeit ist sie für viele nicht mehr bezahlbar, weil die Energiepreise explodieren, weil die Gaspreise – die Preise für fossiles Gas – explodiert sind und in der Folge auch die Strompreise. Herr Holm, da haben Sie die Wirklichkeit wirklich vollkommen verdreht: ({4}) Ja, Energie ist gerade sehr teuer; aber nein, Energie ist nicht teuer wegen der erneuerbaren Energien. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist der Schlüssel dafür, mittelfristig die Energiepreise wieder herunterzubekommen, ({5}) ist der Schlüssel dafür, dass wir uns unabhängig machen von den Preissteigerungen, von den völlig unberechenbaren Preisexplosionen, die die Fossilen uns gerade bescheren. ({6}) Dann kommen Sie wahrscheinlich wieder – das haben Sie jetzt nicht gesagt, aber ich merke schon, dass Sie es denken – und sagen: Ja, aber Wind- und Sonnenenergie sind doch wetterabhängig. – Ja, natürlich sind die wetterabhängig; aber jedes Gigawatt mehr Windenergie oder PV könnte die Preise ein Stück weit senken. Hätten wir mehr Erneuerbare für die Erzeugung von Strom und Wärme, dann wären die Gasspeicher deutlich besser gefüllt und wir würden uns heute keine Sorgen über eine Preisexplosion machen. ({7}) Die Atomenergie haben Sie genannt. Atomenergie ist sowieso dreimal so teuer wie Erneuerbare. Es handelt sich also um eine reine „Ich möchte in der Vergangenheit leben und nichts mit der Realität zu tun haben“-Aussage. ({8}) Jetzt muss ich leider zum Schluss kommen. Ich wünsche es mir sehr und bin davon überzeugt, dass wir es hinbekommen, eine nicht ideologisch geprägte Debatte zu führen, ({9}) sondern eine, die dafür sorgt, dass die Stromversorgung und die Energieversorgung wirklich funktionieren, sicher und bezahlbar, im Einklang mit den Klimazielen. Selbst damit werden wir alle Hände voll zu tun haben. Ich freue mich sehr auf die Aufgabe. Es geht los. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung. ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Klimaschutz ist eine herausragende globale Aufgabe. Das Pariser Abkommen ist der gemeinsame Rahmen für die Antwort der internationalen Gemeinschaft, und es geht darum, dass wir in Deutschland unseren konsequenten Beitrag dazu leisten. Das ist unsere gemeinsame Grundlage. Auf dieser Grundlage, Herr Minister, will ich gerne das aufnehmen, was Sie vorgeschlagen haben, nämlich einen Wettbewerb um das beste Modell, um dieses Ziel zu erreichen. Wir werden dafür vorangehen. Wir haben dazu Vorschläge gemacht, und ich will Ihnen sagen, was unsere Haltung dazu ist. Unsere Haltung ist, dass konsequenter Klimaschutz von vornherein immer mit wirtschaftlicher Stärke und mit sozialem Ausgleich zusammengedacht werden muss. Das ist untrennbar miteinander verbunden. Das ist Nachhaltigkeit in der ganzen Breite, und das ist unteilbar. Das ist der Weg zum Erfolg, weil nur er, verbunden mit dauerhafter Akzeptanz, dazu führt, dass wir Klimaziele erreichen, Arbeitsplätze erhalten und die Menschen mitnehmen. ({0}) Dazu gehört auch, dass wir Akzeptanz erhalten, und deshalb ist entscheidend, dass wir auf diesem Weg den Menschen sagen: Selbstverständlich werden wir die Klimaziele erreichen, aber auf diesem Weg wird Mobilität bezahlbar bleiben, wird Energie bezahlbar bleiben, wird Wohnen in der Stadt und auf dem Land bezahlbar bleiben. Dazu werden wir die richtigen Regeln auf den Weg bringen. ({1}) Sie haben beschrieben, es gebe einen breiten Konsens über das Klimaziel: Deutschland muss bis 2045 klimaneutral werden. Das haben wir, Herr Bundeskanzler, in der Großen Koalition im Sommer gemeinsam beschlossen. Als wir es beschlossen haben, haben die einen – Herr Lindner, die FDP – gesagt, das sei zu schnell, 2050 sei ausreichend, und die anderen – Herr Habeck, die Grünen – haben gesagt, das sei zu spät, wir müssen es schneller schaffen. Sie haben es in unterschiedlicher Tonlage – die einen sachlich, die anderen polemisch – kritisiert und gesagt, das müsse alles sehr viel schneller gehen. Ja, es ist ein wichtiger Schritt, dass die Ampel jetzt gesagt hat: Das, was wir beschlossen haben – Klimaneutralität bis 2045 –, ist unser Beitrag zum Pariser Abkommen. Seit Sie es beschlossen haben, sagen Sie in all Ihren Reden – Sie haben es auch heute gesagt –: Das ist ein ehrgeiziges Ziel. Ja, das ist es. Und weil es ein ehrgeiziges Ziel ist, haben wir es mit einem Instrumentarium unterlegt: dem Klimaschutzgesetz. Ich frage Sie, Herr Minister: Was ist eigentlich aus dem Klimaschutzgesetz geworden? Als wir es beschlossen hatten, hat vor allem die SPD in den Debatten unsere gemeinsame Haltung dargestellt und gesagt: Das ist der Weg, um die Klimaziele einzuhalten. Da wird in Jahresscheiben und in Sektoren heruntergebrochen, was gemacht werden muss. Das wird sofort überprüft, und wenn es nicht erreicht wird, wird nachgesteuert. Von Ihrer Partei, Herr Habeck, war in besonderer Weise die Haltung zu vernehmen: Man braucht eigentlich nur den politischen Willen, um das Offensichtliche sofort zu beschließen, und dann geht das. – Mit dem Beginn Ihrer Regierungszeit haben Sie im Koalitionsvertrag festgehalten, das Klimaschutzgesetz solle aufgeweicht werden. In Ihren Überlegungen hat das Gesetz gar keine Rolle mehr gespielt. Ich frage Sie: Was ist mit dem Klimaschutzgesetz? Diese Position müssen Sie klären. ({2}) Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es um einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Ich sage aber dazu: Sie müssen noch besser erklären, wie Sie auf Ihre Zielmarke von 80 Prozent kommen. Der Verweis auf den Koalitionsvertrag als Quelle reicht da nicht. Die zahlreichen Studien, die es dazu gibt, legen nahe, dass eine Erhöhung richtig ist, aber die Zielmarke von 80 Prozent erklärt sich daraus noch nicht. Das müssen Sie besser erklären. Bei dem Weg, den Sie beschrieben haben, sind wir dabei, wenn es um Planungsbeschleunigung geht. Wir haben im Deutschen Bundestag ein Planungsbeschleunigungsgesetz beschlossen – Grüne und FDP hatten dagegengestimmt. ({3}) Es ist gut, wenn wir das jetzt gemeinsam machen. Zudem ist es wichtig, dass man das Ganze mit den Ländern bespricht. Einen Hinweis will ich noch geben. Bei der Frage, wie wir dabei vorankommen können, kommt es sehr aufs Detail an. Frau Nestle, dafür sind aber noch keine Maßnahmen vorgeschlagen worden. Es sind Ziele vorgestellt worden, aber noch keine Maßnahmen. Die Umweltministerkonferenz ringt seit Jahren um die Frage, wie die Belange des Artenschutzes und der erneuerbaren Energien zusammengebracht werden können. Die Minister ringen seit Jahren darum, aber sie haben noch kein Ergebnis. Herr Habeck, in der Umweltministerkonferenz sitzen elf grüne Minister und eine Ministerin von der CDU. Ich habe gestern mit ihr gesprochen, und ich kann Ihnen sagen: An ihr liegt es nicht. Das ist eine schwierige Frage, und darauf brauchen wir eine Antwort. Das ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die beispielhaft für das steht, was wir brauchen. Ja, wir haben ein überragendes Interesse daran, die Erneuerbaren voranzubringen. Das geht aber nur mit Akzeptanz, und für die Akzeptanz brauchen wir den Ausgleich mit dem Artenschutz, mit dem Naturschutz, mit den Anwohnern. Das muss alles zusammengebracht werden; das geht aber nicht durch eine Verordnung oder durch ein Gesetz, das in Berlin verabschiedet wird, sondern das geht nur durch Überzeugung, durch Dialog mit den Ländern, mit den kommunalen Spitzenverbänden und mit den Menschen vor Ort. Das ist unser Weg! ({4}) Ich komme zur Frage nach dem Gas. Da teile ich das, was der Kollege Lukas Köhler gesagt hat. Ich frage Sie aber: Ist das die Haltung von Lukas Köhler, die sich so auch im Koalitionsvertrag der Ampel wiederfindet? ({5}) – Richtig; Sie weisen darauf hin: Es steht im Koalitionsvertrag. – Aber ist das auch die Position der gesamten Bundesregierung? Herr Habeck, als die EU ihre Taxonomie vorgestellt hat, die beinhaltet, dass sie es begrüßt, wenn in wasserstofffähige Gaskraftwerke von Privaten investiert wird, da haben Sie gesagt, das sei fraglich. Sie haben im Koalitionsvertrag das Bekenntnis zur Investition in Gas stehen. Sie geben dort aber keine Antwort darauf, wie das gehen soll. Sie halten es für fraglich, dass Private investieren sollen. Wollen Sie es denn selber machen? Ich vermute, nicht. ({6}) Wir brauchen aber die Investition von Privaten, und dafür brauchen wir den richtigen Rahmen. Das ist die notwendige Antwort für den Übergang zu einer in vollem Umfang auf erneuerbare Energien gestützten Energieversorgung. Wir müssen Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Preise und damit Nachhaltigkeit in der ganzen Breite zusammen denken. Eine letzte Bemerkung: Dazu gehört auch die finanzielle Nachhaltigkeit. Auch das ist ein Maßstab, an dem wir Ihre Regierung messen werden. Die Schuldenbremse ist die Nachhaltigkeit im Verfassungsrecht. Wir müssen beides zusammenbringen: die Verantwortung für Umwelt und Klima mit Blick auf die kommenden Generationen, aber wir dürfen die kommenden Generationen auch nicht übermäßig mit Schulden belasten. Daran werden wir Ihre Politik messen. Das ist unser Weg. Herzlichen Dank. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Matthias Miersch. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir, Herr Minister Habeck, einen herzlichen Glückwunsch! Ich habe mich gefragt, was ich Ihnen in meiner ersten Rede, nachdem Sie Minister geworden sind, schenken kann. In den letzten Tagen hatte ich den Eindruck, dass Sie die Last dieses Ministeramtes ganz schön spüren. Deswegen will ich Ihnen das Zitat eines großen Sozialdemokraten schenken, nämlich Kurt Schumacher, der 1946 gesagt hat: „Man muss begeistert sein, um große Taten zu vollbringen!“ Das sagte jemand, der geschunden aus der Kriegszeit kam. Ich will nicht sagen, dass die Zeiten vergleichbar sind. Aber die Begeisterung für die Aufgaben, die vor Ihnen und vor uns liegen, die brauchen wir. Die müssen wir immer wieder zeigen. Das hat Verena Hubertz, wie ich fand, ganz toll gesagt: dass in dieser großen Transformation enorme Chancen stecken, dass in den neuen Technologien Chancen für neue Arbeitsplätze liegen, dass nur die Länder mit einer Exportwirtschaft erfolgreich sein können, die in Innovationen investieren. Das ist der sozialdemokratische Weg, den wir in diese Koalition hineinbringen wollen! ({0}) Es ist schon ein bisschen putzig, Andreas Jung, dass nun ausgerechnet die CDU die Erfinderin des Klimaschutzgesetzes sein soll. Nein, es ist eine der großen Errungenschaften, dass das Klimaschutzgesetz von Sozialdemokraten durchgesetzt wurde und Robert Habeck dieses Instrument jetzt nutzen kann, um für die Bundesregierung einen effektiven Klimaschutz zu realisieren. ({1}) Einen Punkt, Herr Minister, haben wir Ihnen schon mal weggeräumt: Wir haben in diesem Land einen Konsens über den Kohleausstieg. Auch das ist eine gesellschaftspolitische, historische Leistung, die aber natürlich niemals ausreicht. Sie und alle anderen, die das hier kritisiert haben, haben recht: Wir sind in der Großen Koalition an einigen Punkten weitergekommen, aber beim Schlüssel nicht ausreichend. Der Schlüssel für die Zukunft ist der maximale Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist der Punkt, der jetzt vor uns liegt. ({2}) Ja, wir haben den Solardeckel abgeschafft, und wir haben, Kollege Ernst, für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger auch Möglichkeiten der Beteiligung an Windkraftanlagen geschaffen; aber wir müssen da noch drauflegen. Da geht es jetzt tatsächlich um ganz viel, und da bin ich bei den großen Taten. Wir werden hier jetzt konkret sein müssen. ({3}) Über Klimaziele reden wir locker, über Ausbauziele reden wir locker. Das haben wir nicht mehr geschafft, Herr Kollege Brinkhaus. Da waren wir auseinander, weil Sie da blockiert haben. Das haben wir jetzt im Koalitionsvertrag. Aber jetzt geht es um die konkrete Umsetzung. In diesem Zusammenhang haben Sie in den letzten Tagen schon gesagt, Sie hätten etwas gegen Kommissionen. Ich weiß, wir lagen da mit Kohlekommissionen und so nicht ganz auf einer Linie. Ich sage Ihnen aber etwas – Sie haben sich über das große Ministerbüro gewundert und gesagt, da könnten Sie den einen oder anderen Verband mal einladen –: Mein Ratschlag ist, dass wir die unterschiedlichen Stakeholder, die wir haben – die Naturschutzverbände, die Energieverbände –, an einen Tisch holen. Das muss keine Kommission sein, aber nur mal kurz ein bilaterales Ministergespräch wird nicht reichen. Wir haben massive Konflikte zwischen dem Artenschutz und erneuerbaren Energien, die wir lösen müssen. Wenn man das macht – und das ist meine Erfahrung im Wahlkreis –, sind alle dazu bereit, aber es muss auf Augenhöhe passieren. Und deswegen meine Bitte, Herr Habeck: Überlegen Sie noch mal den Weg, wie Sie das tatsächlich in den nächsten Monaten auflösen wollen. Wir müssen da alle mitnehmen und kämpfen. ({4}) Für den Ausbau der Windkraft auf 2 Prozent der Landesfläche, für den wir streiten, haben Sie zwei Länder exemplarisch genannt. Das ist das gesetzgeberische Ziel, bedeutet aber noch keine Realisierung. Es ist gut, wenn Sie die Ministerpräsidenten besuchen. Wir haben im EEG einen Koordinierungsmechanismus zwischen Bund und Ländern, und wir haben im Koalitionsvertrag verankert, dass wir den ausbauen wollen. Ich glaube, wir brauchen im Bund einen Wettbewerb zwischen den Ländern, damit diejenigen Länder gefördert werden, die tatsächlich richtig nach vorne wollen. Deswegen, Herr Minister Habeck, habe ich auch hier eine Bitte: Nutzen Sie diesen Koordinierungsmechanismus, laden Sie die Länder ein, um hier gemeinsam weiterzukommen! Wir werden die Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren nur realisieren, wenn Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen. Das, glaube ich, ist der Schlüssel. ({5}) Nun noch ein letzter Punkt, weil die Atomkraft hier immer wieder genannt wurde: Ja, wir sind das Land, das gleichzeitig aus Kohle und aus Atom aussteigt. Ich wünsche mir, dass die Klimabewegung auch das Thema Atomkraft an vielen Stellen problematisiert. Wer Atomkraft als Lösung bezeichnet, eine Technologie, durch die wir 30 000 Generationen nach uns Müll überlassen, ({6}) ohne dass wir eine Lösung dafür haben, der macht den Menschen was vor. Das ist keine zukunftsfähige Lösung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Die Taxonomie – das sage ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihnen, Herr Habeck – ist nur ein Teil. Wir müssen auf europäischer Ebene die Frage stellen, welchen Energiemix die Europäische Kommission für die Jahre 2050 ff. vorsieht. Wenn im Übergang Atomenergie und Gas genutzt werden, habe ich dafür volles Verständnis, weil die Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich in diese Transformation starten. Aber es darf nicht sein, dass die Atomenergie einen festen Platz in der zukünftigen Energieversorgung hat. Dafür ist sie zu teuer, und sie ist nicht nachhaltig. ({8}) Deswegen müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass auf nationaler Ebene, auf europäischer Ebene und – Herr Bundeskanzler, zu Recht – im Rahmen des Klimaklubs alles für die Erneuerbaren getan wird. Das ist der Schlüssel für die Zukunft, das ist auch der Schlüssel für den Erfolg der deutschen Wirtschaft. Vielen Dank. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Karsten Hilse. ({0}) Herr Hilse, wenn Sie mir gestatten, will ich eine kurze Vorbemerkung machen: Sie haben gerade ein paar kreative Umbaumaßnahmen vorgenommen. Das ist selbstverständlich nicht Ihre Aufgabe. Deswegen sage ich Ihnen zu, dass wir sicherstellen werden, dass Sie alle, die aufgrund der derzeitigen Situation von oben reden müssen, eine Möglichkeit bekommen, auch Ihr Redemanuskript ablegen zu können, sodass Sie das nicht selber machen müssen.

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Das freut mich sehr.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Jetzt erteile ich Ihnen das Wort für Ihre Rede. – Herzlichen Dank. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es wundert mich natürlich, dass das bis jetzt noch nicht passiert ist, aber gut. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Gestatten Sie auch mir eine kurze Vorbemerkung: Während sich andere europäische Länder der Einschätzung der WHO aus dem vorigen Jahr anschließen, Covid in Zukunft als eine mittelschwere Grippe zu behandeln, hebeln Sie die grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechte aus, belegen Sie medizinisches Personal praktisch mit einem Berufsverbot, machen Sie Bürger und frei gewählte Abgeordnete zu Menschen zweiter Klasse, wenn sie sich der experimentellen Gentherapie entziehen. Das erinnert an die dunkelsten Zeiten der Geschichte. Herr Minister Habeck, nimmt man Ihre Regierungserklärung so ernst, wie sie vermutlich gemeint ist, dann haben Sie damit dem deutschen Volk den schnellsten Weg in den Untergang gezeigt, und ich bin sicher: Auch wenn Sie nicht wissen, wovon Sie reden, Sie meinen es ernst. ({0}) Sie wollen die Geschwindigkeit, mit der das rot-grüne Narrenschiff in Richtung Abgrund rast, noch einmal erhöhen. Nachdem mittels EEG die Menschen seit über 20 Jahren gnadenlos ausgeplündert werden – bis jetzt rund 1 Billion Euro –, wollen Sie die Ausplünderung noch forcieren. Der Klimaschutz verlange es, so behaupten Sie, wohl wissend, dass der deutsche Sonderweg von niemandem auf der Welt auch nur ansatzweise mitgegangen wird. Sollte die Hypothese, dass die menschengemachten CO2-Emissionen das Klima maßgeblich beeinflussen, stimmen, was übrigens Tausende Wissenschaftler weltweit bestreiten, würden Sie die hypothetische Erderwärmung um wenige Tausendstel Grad verringern. Die Verantwortlichen in China, Indien und allen anderen Entwicklungsländern kommen vor Lachen nicht in den Schlaf ob der dümmsten Energiepolitik und der Selbstzerstörung der deutschen Wirtschaft. ({1}) Aber mit der Zerstörung der eigenen Wirtschaft geben Sie sich nicht zufrieden; auch die Naturzerstörung muss forciert werden. Daher wollen Sie das bisherige Tempo des Umpflügens der deutschen Kulturlandschaft verdreifachen. Auf 2 Prozent der Landesfläche sollen daher jede Menge Windindustrieanlagen gebaut werden. Das sei im nationalen Interesse, behaupten Sie und Ihre Koalitionspartner – auch die Verräter der Freiheit in der Mitte des Parlaments. Diese 2 Prozent sind natürlich ein zum Himmel stinkender Betrug, da hier nur die unmittelbar bebaute Fläche berechnet wird. Doch jeder dieser Vogelschredder braucht Abstand zum nächsten Vogelschredder. Je größer er ist, desto größer die beanspruchte Fläche. Damit werden aus 2 Prozent schnell 9 bis 10 Prozent. Das sind dann rund 36 000 Quadratkilometer – mehr als die gesamte bebaute Fläche in unserem Vaterland; das sind nämlich, alle Städte und Dörfer zusammengenommen, nur 8 Prozent. Strom bei Flaute liefern diese krankmachenden Ungetüme natürlich auch nicht. Allein das würde schon ausreichen, Sie und Ihre Berater auf Ihren Geisteszustand untersuchen zu lassen. ({2}) Sie lassen zudem völlig außer Acht, dass die Deutschen schon heute, im Wesentlichen befeuert durch Ihren grünen Klimarettungsirrsinn und völlig konträr zu grünen Versprechungen – wir alle kennen die Lüge von der einen Kugel Eis im Monat –, unter den höchsten Strom-, Öl- und Gaspreisen der Welt leiden. Und nicht nur das: Im Wochentakt vermelden die Medien Stromausfälle über das ganze Land verteilt: Hamburg, Dresden, Berlin, Regensburg und, und, und. Und schon jetzt ist das Stromnetz extrem instabil: mehr als 8 000 Eingriffe ins Netz. Hunderte Stromabschaltungen waren im letzten Jahr notwendig, damit nicht das Stromnetz kollabiert und das ganze Land im Dunkeln sitzt. Waren es Anfang dieses Jahrhunderts noch 10 Eingriffe pro Jahr, sind es jetzt knapp 40 pro Tag. Dem gemeinen grünen Wähler macht das alles nichts aus. Er tankt weiterhin seinen SUV voll, zahlt gerne 40 oder 60 Cent pro Kilowattstunde und geht mit ruhigem Gewissen satt ins Bett, weil er glaubt, die Welt retten zu helfen. Otto Normalverbraucher und seine Familie können das nicht. Sie werden gezwungen, bei der Weltenrettung zu helfen, und müssen zusätzlich entscheiden, ob sie ihr Geld fürs Heizen oder fürs Essen ausgeben – aber immer im Bewusstsein, die Welt zu retten. Das hört sich spaßig an, ist es aber nicht. Jedem, der noch bei klarem Verstand ist, muss bei Ihren Plänen der Spaß vergehen; es ist bitterer Ernst. Sie, Minister Habeck, wollen den Untergang Deutschlands; schließlich fanden Sie Vaterlandsliebe schon immer zum Kotzen. ({3}) Wir nicht! Wir lieben unser Vaterland und werden uns jedem Angriff auf unsere Art, zu leben, entschlossen entgegenstellen. ({4}) Auch darin unterscheiden wir uns von den Grünen, Kommunisten und all denen, die da mitmarschieren. Aber irgendwann werden Sie alle sich verantworten müssen für die Verarmung und die Verelendung großer Teile des deutschen Volkes, für die Zehntausenden Toten bei einem Blackout und durch die Gentherapieschäden, für die Ebnung des Weges in den Totalitarismus ({5}) und vor allem für die geschundenen Kinderseelen aufgrund Ihrer menschenverachtenden Coronapolitik, ({6}) vielleicht nicht vor einem weltlichen Gericht, aber spätestens dann, wenn Sie vor Ihrem Schöpfer stehen. Bis auf wenige Ausnahmen verachte Sie zutiefst. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Reinhard Houben. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Man muss in diesem Hause schon manches aushalten, aber, Herr Hilse, die Demokratie in Deutschland hält auch Sie aus. ({0}) Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich wünsche Ihnen zum Start natürlich auch alles Gute. Das habe ich ja auch schon öffentlich gesagt: Ich begrüße es, dass Sie so schnell einsteigen und Ihr Thema Dekarbonisierung sofort so schwungvoll vorgetragen haben. Dadurch ist es Ihnen natürlich auch gelungen, heute hier die Debatte etwas zu bestimmen. Ich möchte, da ich die Ehre und das Vergnügen hatte, den Teil „Wirtschaft“ im Koalitionsvertrag mit zu verhandeln, noch ein bisschen wie der Lordsiegelbewahrer des darüber hinausgehenden Koalitionsvertrages auftreten und rufe Ihnen zu: Ja, natürlich ist die Transformation bzw. die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft eine sehr wichtige Aufgabe; aber das ist nicht das einzige Aufgabenfeld eines Wirtschaftsministers. Unsere Wirtschaftskraft liegt an der Vielfalt der wirtschaftlichen Tätigkeiten in unserem Land. Das beginnt beim Handwerk und im Mittelstand. Es geht um die Dienstleister und natürlich auch um die Industrie. Unsere Wirtschaft muss insgesamt international wettbewerbsfähig bleiben. Dazu haben wir uns ja nun auch im Koalitionsvertrag der Ampel bekannt. Neben preiswerter Energie und Versorgungssicherheit brauchen wir natürlich eben nicht nur eine Planungsbeschleunigung, sondern auch eine wirkliche Bürokratieentlastung, gerade für den Mittelstand. ({1}) Es muss in Deutschland einfacher werden, Start-ups zu gründen; es muss für sie leichter sein, Kapital zu akquirieren. Wir müssen die berufliche Ausbildung stärken. Auch da ist das Wirtschaftsministerium in der Verantwortung. Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir in Zukunft Rohstoffe für die deutsche Industrie und die deutsche Wirtschaft nicht nur im In-, sondern auch im Ausland sicher zur Verfügung stellen. Der Export ist ein weiteres wichtiges Standbein der deutschen Wirtschaft. Deswegen müssen wir uns auch mit den Themen der WTO und den Fragen der Handelsverträge weiterhin auseinandersetzen. Es gibt die Formulierungen zu CETA und Mercosur im Ampelkoalitionsvertrag. Ich bitte Sie, auch darauf einen Blick zu werfen. Darüber hinaus haben wir uns vorgenommen, möglichst einen transatlantischen Wirtschaftsraum zu schaffen – eine wichtige Aufgabe. Erlauben Sie mir zum Schluss eine Bemerkung, Herr Minister: Es ist gute Tradition, dass der deutsche Wirtschaftsminister auch international ein Türöffner für die deutsche Wirtschaft ist. Ich erhoffe mir sehr, dass Sie auch diese Aufgabe wahrnehmen. Vielen Dank. ({2})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Anja Karliczek. ({0})

Anja Karliczek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich will Ihr Augenmerk ganz besonders auf eine Branche richten, die in diesen Tagen wirklich sehr gebeutelt ist und die mit der Abstraktion, mit der Sie das Thema Corona angepackt haben, im Moment nicht viel anfangen kann. Bis 2019 war der Tourismus eine enorme Erfolgsgeschichte mit überproportionalen Zuwachsraten. Jetzt, im zweiten Coronawinter, sieht die Sache ganz anders aus. Die zurückliegenden Weihnachts- und Silvestertage zeigen ein komplett anderes Bild: Hotels, die trotz aufwendiger Hygienemaßnahmen eine viel zu geringe Auslastung mit Gästen aufweisen, Busunternehmen, deren Busse nicht fahren und, da es keine Fahrgäste gibt, in der Garage stehen, Reiseveranstalter und Reisebüros, die aktuell sehr stark die Zurückhaltung der Kunden spüren. Die Lage ist alarmierend. Bis zum Sommer 2021 beliefen sich die wirtschaftlichen Verluste auf circa 70 Milliarden Euro. Um das mal in Gästen auszudrücken, damit man ein Gefühl dafür kriegt, was das in dieser Branche bedeutet: 2019, im letzten Vor-Corona-Jahr, kamen 90 Millionen ausländische Gäste zu uns nach Deutschland; ein Jahr später waren es nur noch 30 Millionen. Ein Rückgang von 66 Prozent! Das sind Zahlen, hinter denen sich Schicksale wirtschaftlicher Existenzen und Lebensträume von Unternehmern und ihren Angestellten verbergen. Wir haben damals unter Führung der Union dafür gesorgt, dass dieser Branche geholfen wurde. Bis heute sind mehr als 20 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Dieser enorm wichtige Wirtschaftszweig braucht mittlerweile aber mehr als Überbrückungshilfen und Ausfallzahlungen. Die Krise geht an die Substanz. Es geht nicht mehr nur um aktuelle Hilfe. Die Betriebe mit ihren 3 Millionen Beschäftigten brauchen jetzt langfristige Perspektiven und rechtliche Flexibilität im Wandel; denn sobald die Coronakrise vorbei ist, stehen genau diese Betriebe vor den nächsten Mammutherausforderungen. Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind von Ihnen angesprochen worden. Das verändert viele Geschäftsmodelle in rasanter Geschwindigkeit, und deshalb müssen jetzt alle Gesetze, alle Regelwerke auf den Prüfstand. Wenn Sie nicht wollen, dass sich eine ganze Branche von der Zukunft verabschiedet, dann ermöglichen Sie jetzt wieder Hilfen für Modernisierung, für Investitionen! Viele Unternehmen setzen sich gerade mit der Umstellung der Energieversorgung ihrer Betriebe auseinander. Der Umbau der Heizung eines Schwimmbads und die Neuausrichtung der kompletten Energieversorgung sind aufwendig. Es kostet Geld, viel Geld; aber Geld haben diese Unternehmen nach diesen vielen schwierigen Coronamonaten eben überhaupt nicht mehr. Oder denken Sie an die kleinen und mittelständischen Busunternehmen! Es sind ja eben nicht nur Busreisen in den Schwarzwald oder die Sächsische Schweiz, die diese Unternehmen machen, sondern sie sorgen auch für die Aufrechterhaltung und das Funktionieren des öffentlichen Personennahverkehrs. Durch die Unterstützung der kleinen und mittelständischen Busunternehmen könnten Sie jetzt einen Beitrag für gleichwertige Lebensverhältnisse leisten. ({0}) Denn unsere heimischen Busunternehmen sorgen für Mobilität und Lebensqualität im ländlichen Raum. Einen Punkt muss ich noch ansprechen: Sie haben der Tourismusbranche eine bessere Koordination der Tourismuspolitik versprochen; so steht es im Koalitionsvertrag. Wichtig sind jetzt erst einmal volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung für diesen gebeutelten Wirtschaftsbereich. Anstelle des allein für den Tourismus zuständigen Beauftragten haben Sie eine Koordinatorin eingesetzt, die sich gleichsam um die genauso gebeutelte maritime Wirtschaft kümmern soll. Frau Müller ist eine nette Frau, aber sie kann das alles definitiv nicht gleichzeitig machen. ({1}) Noch nie sah sich die Tourismusbranche einer so dramatischen Krise ausgesetzt. Lieber Herr Minister, ich denke, Sie sollten noch einmal in sich gehen und der Tourismuswirtschaft einen alleinigen Ansprechpartner zur Verfügung stellen. ({2}) Mehr als 3 Millionen Menschen, die auch eine Zukunft haben möchten, haben es verdient, dass sie die volle Aufmerksamkeit und Wertschätzung der Bundesregierung erfahren. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dieter Janecek. ({0})

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Karliczek, Frau Müller ist nicht nur eine nette Frau, sie ist auch eine sehr kompetente Frau, ({0}) die das Thema Tourismuswirtschaft, glaube ich, sehr gut bedienen wird. Darauf können Sie sich verlassen. „Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen“: Das war vor 25 Jahren das Leitmotiv einer Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog, die circa 500 Meter von hier entfernt im Hotel „Adlon“ gehalten wurde. Nun glaube ich nicht – ich war damals 21 Jahre alt –, dass ich alle Handlungsanweisungen geteilt hätte, aber die Analyse von Stillstand in bestimmten Bereichen und der Hinweis auf die Notwendigkeit eines Aufbruchs waren damals richtig, und sie sind auch heute richtig. Minister Habeck hat das in seiner Rede deutlich gemacht: Wir brauchen einen Aufbruch im Bereich der erneuerbaren Energien, ({1}) in der Digitalpolitik, bei den Innovationen. Lukas Köhler hat es angesprochen, und wir gehen das entschlossen an. Gerade bei der Energiewende geht es ganz zentral auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, der deutschen Industrie. Wenn wir es nicht schaffen, jetzt, in den nächsten Jahren an Tempo zuzulegen, dann laufen wir Gefahr, den Standort zu beschädigen. Das ist die Wahrheit, die in der AfD nie verstanden werden wird. Die Industrie hat sie aber längst verstanden und geht einen gemeinsamen Weg mit uns. ({2}) Ich hatte die Ehre, in den Koalitionsverhandlungen den Bereich der Innovationspolitik mit zu verhandeln. Auch dort brauchen wir Neuerungen. Bezogen auf die anwendungsbezogenen Innovationen ist angedacht, eine große Agentur – ich sehe auch die Kollegin Anna Christmann in diesem Bereich – auf den Weg zu bringen, die in diesem Bereich, aber natürlich auch in den Bereichen Klimaschutz, Forschung und Entwicklung Innovationen industrienah auf den Markt bringt, sodass wir bei den Geschäftsmodellen, die wir brauchen, wirklich vorankommen. ({3}) Wir brauchen neue Weichenstellungen auch im Bereich der Start-up-Förderung. Wir brauchen Weichenstellungen auch beim Thema „Transfer und Innovation“. Die Agentur für Sprunginnovationen soll besser ausgestattet werden. Wir brauchen ein Dateninstitut, um auch das Thema Digitalisierung breit aufzustellen. All das sind wichtige Themen; sie stehen für Aufbruch, und dafür steht diese neue Koalition. ({4}) Ich habe mir vorgenommen, in meinen drei Minuten Redezeit auch die Coronakrise und in diesem Zusammenhang die kleinen und mittleren Unternehmen anzusprechen. Frau Karliczek, Sie haben völlig recht: Das ist ein Thema, das viele umtreibt. – Ich kann nur jeden auffordern und ermuntern – egal ob Sie in der Opposition oder der Regierung mitwirken –, die Kümmererposition in Bezug auf die Gastronomen und die Fragestellungen in der Veranstaltungsbranche einzunehmen. Wir führen die Gespräche. Die Auszahlungen der Überbrückungshilfe IV sind vorgezogen; die laufen jetzt. Wir sind hier auf Tempo ausgerichtet. Wir wissen um die schwierige Situation in den nächsten Wochen und Monaten, und Sie können sich darauf verlassen, dass wir uns kümmern. Wir alle hoffen, dass wir nach dieser Welle in einen dauerhaft besseren Zustand kommen, damit wir Verlässlichkeit erreichen, auch für unsere kleinen Betriebe, für die Selbstständigen. Darum wird es gehen. ({5}) Verlässlichkeit, Planungssicherheit, Aufbruch: Dafür steht diese Ampelkoalition. Ich freue mich, mit dabei zu sein, und freue mich auf die weitere Debatte. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Hansjörg Durz. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Habeck, auch ich darf Ihnen zunächst alles Gute für Ihr Amt wünschen. In den vergangenen Tagen haben Sie eine Eröffnungsbilanz und ein Sofortprogramm vorgestellt. Beides betraf aber nur einen Teil Ihrer Zuständigkeit: den Klimaschutz. Auch heute haben Sie sich darauf konzentriert. Zumindest ein Redner der Ampelkoalition hat darauf hingewiesen, dass es auch noch einen zweiten Teil gibt, nämlich die Wirtschaft. ({0}) Zur wirtschaftlichen Lage des Landes und dazu, wie Sie auf die aktuelle Situation reagieren, war bisher wenig von Ihnen zu hören, obwohl die derzeitige wirtschaftliche Lage das durchaus erfordern würde. ({1}) Jedes siebte Unternehmen in Deutschland fühlt sich laut einer aktuellen ifo-Umfrage in seiner Existenz bedroht. Die Pleite der MV Werften ist nur ein Beispiel für Unternehmen, deren Existenz auf dem Spiel steht. Doch längst nicht jede Unternehmenskrise findet den Weg in die Medien. Viele Unternehmen melden dieser Tage nicht einmal Insolvenz an, sondern schließen lautlos ihre Türen für immer. Davon zeugt so manche Fußgängerzone. Wirtschaft, das sind eben nicht bloß gierige Konzerne. Vom Handwerker bis zum Industriebetrieb, vom Gründer bis zur Onlineplattform: Hier sind mutige Ideengeber und fleißige Arbeiter am Werk, die unser Land am Laufen halten. Kurzum: Wirtschaft, das sind wir alle; Wirtschaft ist Gesellschaft. ({2}) Menschen, die in Unternehmen dieses Landes arbeiten, hätten vom Wirtschaftsminister gerne Antworten, Antworten auf Fragen wie diese: Wie wollen Sie dem Einzelhandel, der Gastronomie, dem Tourismus besser durch diese schwere Zeit der Pandemie helfen? Wann sind Lieferketten wieder Ketten und nicht nur Bruchstücke? Wodurch wird die Versorgungssicherheit bei der Energie gewährleistet? Wie wird Strom jetzt – schnell, kurzfristig – wieder bezahlbar? Wie bauen wir bürokratische Fesseln ab? Gibt es wieder einen Start-up-Beauftragten in Ihrem Haus? Wie stehen Sie zum Freihandel? Doch Sie, Herr Habeck, bleiben bei all diesen Themen bisher weitgehend stumm. Die Vertreter vieler Branchen hätten all diese Themen und noch viele mehr gerne mit Ihnen debattiert, zum Beispiel bei der üblichen Diskussion zum Jahreswirtschaftsbericht mit den Verbänden. Doch leider fanden Sie laut Medienberichten für ein solches Gespräch keine Zeit. Ich bitte Sie: Nehmen Sie die Unternehmen als Teil der Gesellschaft wahr! Nehmen Sie deren Sorgen ernst, und suchen Sie das Gespräch mit den Unternehmen! ({3}) Mit einem Update des Wettbewerbsrechts haben wir als Union in der letzten Legislatur die soziale digitale Marktwirtschaft aus der Taufe gehoben. Europa nimmt das Update in diesen Tagen mit dem DMA vor. Zudem sind wir seit jeher offen für Innovationen, die ökologische Aspekte in die Leitplanken der Wirtschaft einfließen lassen. Zentral dabei sind für uns aber ordnungspolitische Grundsätze. Die Funktionalismen des Marktes und der freie Wettbewerb nach Walter Eucken sind deutlich bessere Treiber von Innovationen, als es staatliche Einzelvorgaben je sein können. Innovationen, die dieses Land nicht nur für den Klimaschutz so dringend braucht, erblicken das Licht der Welt nämlich nicht auf Berliner oder Bonner Schreibtischen, sondern in den Köpfen und Werkshallen der Republik. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Bernd Westphal. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine solide Wirtschaft schafft Stabilität, sie schafft finanziellen und politischen Handlungsspielraum, und sie sorgt für Innovationen zur Bewältigung der globalen Herausforderungen, vor denen wir alle gemeinsam stehen. Der Klimawandel ist eine dieser Herausforderungen. Wir brauchen genau diese Innovationen aus der Wirtschaft, die Lösungen für diese globalen Probleme schaffen. Das geht mit Investitionen in die Wirtschaft. Windräder sind nicht aus Holz geschnitzt. ({0}) Dafür braucht man ein Stahlwerk, dafür braucht man eine Aluminium- und Kupferproduktion, und das werden wir am Wirtschaftsstandort Deutschland weiterentwickeln. Wir dürfen nicht vergessen, dass eine insgesamt stabile Wirtschaft nur deshalb funktioniert, weil wir fleißige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gut qualifiziert haben. Sie erwirtschaften im Drei-Schicht-Betrieb, im Vollkonti-Betrieb bei Tag und Nacht und am Wochenende diese Leistung und schaffen den Spielraum, über den wir hier diskutieren. ({1}) Aber natürlich braucht es auch einen handlungsfähigen Staat. Wir haben über die Coronahilfen gesprochen. Viele Wirtschaftshilfen sind auf den Weg gebracht worden: Soforthilfen, Überbrückungshilfen, aber auch das Kurzarbeitergeld. Genau das haben wir auf den Weg gebracht, um die ökonomische Basis in Deutschland zu sichern. Die sozial-ökologische Marktwirtschaft ist ein Mammutprojekt und erfordert nicht nur eine konsequente Politik, sondern auch stabile Rahmenbedingungen und einen klaren Kurs, damit wir den Investitionsattentismus, den wir teilweise in Unternehmen sehen, auflösen. Die niedrigen Zinsen, die wir zurzeit haben, sind auch ein Argument dafür, die Zeit zu nutzen und jetzt für Investitionen zu sorgen. Wie kann das gelingen? Natürlich gehört dazu, das zu organisieren. Wir schlagen dazu eine Transformationsallianz vor, in die wir die entscheidenden Akteure aus der Wirtschaft, aus der Politik, aus der Gesellschaft zusammen mit Gewerkschaften und Wissenschaft einbinden. Das Bundeskabinett hat nächste Woche, am 21. Januar, die Klausur, Herr Minister. Vielleicht ist das ja eine Gelegenheit, auch ressortübergreifend darüber zu sprechen, wie man so eine Transformationsallianz auf den Weg bringen kann. Für uns als SPD steht dabei fest: Ein innovationsfreundliches Umfeld entsteht nur dann, wenn wir auch soziale Standards berücksichtigen. Wir brauchen einen Kompass, damit wir die ökologischen, ökonomischen und die sozialen Aspekte nicht aus den Augen verlieren. Dafür brauchen wir zum Beispiel Tarifbindung. Wir brauchen auch Mitbestimmung, eine klare Beteiligung am Sagen und Haben in diesem Land. Das schafft Akzeptanz und sorgt für eine Veränderung in der Transformation. ({2}) Erfolgreiche wirtschaftliche Modernisierung und Entwicklung ist nur dann möglich, wenn es ausreichend ausgebildete Fachkräfte und Arbeitskräfte gibt. Viele Umsätze, Geschäfte bleiben im Moment liegen, werden nicht generiert, weil wir zu wenige Fachkräfte haben. Natürlich brauchen wir auch – das ist in den Vorreden deutlich geworden – erneuerbare Energien, zum Beispiel einen Wasserstoffhochlauf; wir brauchen eine Zurverfügungstellung von neuen Technologien für die Wirtschaft. Wir brauchen das innovative Umfeld der Start-up-Unternehmen, das wir mit den Industriestandorten bisheriger Prägung verknüpfen müssen. Und vor allen Dingen brauchen wir enorme private Investitionen, die durch staatliche Flankierung abgesichert werden müssen. Es gibt genug Studien, zum Beispiel die Studie „Klimapfade 2.0“ des BDI, die dena-Leitstudie oder auch das, was Agora vorgelegt hat, die zeigen: Es ist machbar. Das, was wir vorhaben, werden wir umsetzen. In Richtung AfD sage ich: Die erneuerbaren Energien sind die Zukunft. Die Spaltung von Atomen in einem Kernkraftwerk hat auch zu einer Spaltung in der Gesellschaft geführt. Mit Spalten kennen Sie sich aus. Wir wollen das nicht. Wir wollen den Weg in eine klimaneutrale Energieerzeugung beschreiten. ({3}) Vieles ist in den letzten Jahren auf den Weg gebracht worden, aber auch liegen geblieben. Wir brauchen eine neue Dynamik. Die Lage ist zu ernst für politische Spielchen. Bei allem föderalen Verständnis braucht es jetzt auch ein Selbstbewusstsein in den Landesregierungen, in der kommunalen Familie. Jeder Landrat, jede Landrätin, jede Bürgermeisterin und jeder Bürgermeister, Gemeinderat und Stadtrat muss sich jetzt fragen, welchen Beitrag er oder sie erbringen kann, damit die Region, in der er oder sie lebt, klimaneutral wird und das Land die Klimaziele erreicht. Das wird die Aufgabe sein, die wir in den nächsten Jahren bewältigen müssen. Lieber Herr Bundesminister Habeck, Sie sind der erste grüne Wirtschaftsminister in diesem Land. Ich sage Ihnen: Die Aufgaben sind groß, und es erfordert eine mutige Politik. Sie können sich darauf verlassen, dass die SPD-Fraktion mit 206 Abgeordneten bis in die Haarspitzen motiviert ist und an ihrer Seite ist und dass wir das, was wir im Koalitionsvertrag verankert haben, auch durchsetzen wollen. Ich kann für meine Arbeitsgruppe „Wirtschaft“ sagen: Im Wirtschaftsausschuss sind Männer und Frauen mit hoher Kompetenz und Erfahrung, die dazu beitragen wollen, dass die sozial-ökologische Marktwirtschaft gelingt. Wir wollen vertrauensvoll zusammenarbeiten. Ich sage auch an die Adresse der Union und der Linken: Sie sind herzlich eingeladen, an diesen Zukunftskonzepten mitzuarbeiten. Wir wollen mehr Fortschritt wagen. Bei allem Respekt und Selbstbewusstsein sage ich aber auch: Die Gesetze werden nicht im Ministerium beschlossen. Sie haben kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Ihrem Haus; aber die Gesetze werden hier beschlossen. ({4}) Deshalb biete ich Ihnen an: Wir sind solidarisch-kritische Begleiter auf diesem Weg. Herzlichen Dank und Glück auf! ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Dr. Andreas Lenz. ({0})

Dr. Andreas Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004339, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Minister! Wir haben die Tage viel über Ihre Eröffnungsbilanz gehört. Diese hängt aber etwas schief; das schreibt zu Recht auch die „FAZ“. Man hat den Eindruck, dass bei Ihnen das Transformieren der Zweck ist und nicht das Mittel. Die Transformation der Gesellschaft ist aber sicher kein Selbstzweck; das ist gerade auch Herrn Houben aufgefallen. Herr Habeck, Sie sind auch Wirtschaftsminister und nicht nur Transformationsminister mit dem Schwerpunkt, wie man meinen könnte, transzendentale Philosophie. Ich spreche auch gerne über existenzielle Dinge; aber bei vielen Unternehmen geht es mittlerweile um die Existenz. Sie müssen sich als Wirtschaftsminister auch um die Probleme der Unternehmen im Land kümmern. Und diese stöhnen unter hohen Energiekosten. Es gibt natürlich die kreative Zerstörung laut Schumpeter, aber es gibt auch nur Zerstörung; das ist nicht unser Ansatz. Wir brauchen Klimaschutz und eine starke Wirtschaft. Es muss auch und gerade Ihr Thema sein, wenn Betriebe schließen oder die Produktion verlagern. Die Unternehmen, die Firmen haben Probleme. Kümmern Sie sich, Herr Habeck! ({0}) Wir brauchen eine Begrenzung der Energie- und Stromkosten. Es braucht einen stärkeren Fokus auf die Bezahlbarkeit, aber auch auf die Versorgungssicherheit bei Energie. Ziehen Sie doch die Abschaffung der EEG-Umlage ein Jahr nach vorne. Gerade jetzt braucht es Entlastung für alle. ({1}) Außerdem fällt auf, dass Sie innerhalb der Ampel immer noch ein völlig diffuses, ein völlig ungeklärtes Verhältnis zu Nord Stream 2 haben. ({2}) Wir werden Gaskraftwerke brauchen; Lukas Köhler und andere haben es angesprochen. Da stellt sich schon die Frage: Reichen die Anreize im Moment? Sind die Anforderungen der EU-Taxonomie hierfür dienlich? Klar wollen wir Gaskraftwerke Wasserstoff-ready und mit kohlenstoffarmen Gasen betreiben; aber wenn durch zu hohe Anforderungen erst gar keine Kraftwerke gebaut werden, dann wird uns das auch nichts helfen. Wir brauchen Versorgungssicherheit. Ein Blackout – wir sind Gott sei Dank weit davon entfernt in Deutschland – ist kein Campingabenteuer, wie das jüngst vom WDR suggeriert wurde. Das bedeutet auch, dass wir eigene Kraftwerkskapazitäten im Land brauchen. Wir können uns nicht nur auf die europäischen Nachbarn verlassen, so wichtig der Strombinnenmarkt natürlich ist. Wir brauchen letztlich einen massiven Zubau von Erneuerbaren, wir brauchen hier Planungsbeschleunigung. Wir brauchen aber auch eine Auflösung des Konflikts zwischen Artenschutz und dem Ausbau der Erneuerbaren, gepaart mit Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. Wir brauchen Innovation und Technik. Daran werden wir Sie messen, Herr Minister. Daran werden Sie sich aber auch messen lassen müssen. Es gibt eine Eröffnungsbilanz, aber es gibt auch Zwischenbilanzen. Und es gibt letztlich eine Abschlussbilanz, und die schauen wir uns ganz genau an. In diesem Sinne herzlichen Dank fürs Zuhören. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Das Wort zu seiner ersten Rede hier im Deutschen Bundestag für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Michael Kruse. ({0})

Michael Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005117, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Habeck, ich freue mich sehr auf die künftige Zusammenarbeit in der Ampelkoalition. Als energiepolitischer Sprecher meiner Fraktion kann ich sagen: Der Start ist geglückt, und das betrifft nicht nur das Inhaltliche – wir haben uns eine ganze Menge vorgenommen, und Sie haben diese Woche gut vorgelegt –, sondern auch die Art und Weise, wie wir zusammengefunden haben und wie wir uns gemeinsame große Projekte für dieses Land vorgenommen haben. ({0}) Ich glaube, dass insbesondere dieses kleine Scharmützel eben hier am Rande um die Person Claudia Müller, die ich in den Koalitionsverhandlungen sehr gut habe kennenlernen und auch schätzen lernen dürfen, gezeigt hat, dass insbesondere der Stil, den diese Koalition an den Tag legt, ein ganz anderer sein wird als der, den die GroKo in den letzten Jahren gelebt hat. ({1}) Wir laden Sie herzlich ein, bei dieser Form der Auseinandersetzung mitzumachen. Wir haben es in den Koalitionsverhandlungen und in den letzten Wochen und auch in der Debatte heute gesehen: Die Energiepolitik ist momentan der Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Debatte. Wir haben uns große Ziele gesetzt. Die anhaltend hohen Strompreise, die im Wesentlichen aus fossilen Quellen getrieben sind – ich bitte Sie, das noch einmal nachzulesen –, zeigen uns: Es ist genau richtig, dass wir uns auf den Weg begeben, uns unabhängig zu machen von Zulieferung fossiler Energie aus dem Ausland. Das ist eine große Aufgabe für unser Land. Aber wer, wenn nicht diese Koalition, soll diese Aufgabe lösen, meine Damen und Herren? ({2}) Und wir werden neben dem mittelfristigen Ausbau, der hier heute schon vielfach beschrieben worden ist, auch kurzfristige Maßnahmen brauchen, insbesondere was die hohen Strom- und Gaspreise betrifft, die hier verschiedentlich angesprochen worden sind. Natürlich werden wir uns Gedanken machen, welche Maßnahmen wir hier kurzfristig ergreifen können. Nicht nur die langfristigen Maßnahmen sind sinnvoll, wir brauchen auch kurzfristige. Ich mache mir große Sorgen. Denn Logistiker rufen mich an und sagen mir: Ich habe auf die Förderprogramme der Großen Koalition gesetzt und meine Flotte schnell auf Gasantrieb umgerüstet. Nun bin ich in wenigen Monaten insolvent, weil ich Innovator war. – Meine Damen und Herren, die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Innovatoren, die Mutigen einen Vorteil von ihrem Pioniergeist haben. Sie gelingt nicht, wenn sie Opfer ihrer eigenen Entscheidungsfreude werden. ({3}) Deswegen bin ich sehr froh, dass die Koalition schon die ersten kurzfristigen Maßnahmen, insbesondere für Unternehmen, ergriffen hat. Die Pakete der KfW waren sehr nützlich. Ich lade Sie alle, Kolleginnen und Kollegen aus allen Fraktionen, herzlich ein, sich mit uns auf den Weg, den wir beschreiten werden, zu machen. Sie alle wissen: Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen. – Sie sind herzlich eingeladen, auf unserem Weg mitzukommen. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dr. Nina Scheer. ({0})

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn noch einmal kurz auf das eingehen, was aus Unionsreihen hier vorgetragen wurde. Es ist bitter für mich, nach diesen acht Jahren der Zusammenarbeit feststellen zu müssen und auch heute bestätigt zu bekommen, dass hier ein grundlegendes Missverständnis in Bezug auf das Verhältnis von Arbeitsplätzen, Klimaschutz und Energiewende existiert. Das gehört unmittelbar zusammen. Herr Lenz, sosehr ich Sie als Kollegen schätze, aber ich möchte Ihnen sagen: Man kann doch nicht allen Ernstes in einer solchen Debatte, in der es um einen Transformationsprozess, um eine Vervielfachung der Anstrengungen, um eine Verdopplung des Anteils der erneuerbaren Energien bis 2030 geht, das Thema Arbeitsplätze und die Aufgaben, die wir bei der Energiewende haben, getrennt voneinander betrachten. Nein, die Energiewende schafft Arbeitsplätze, und genau darum geht es. Unser Verständnis ist, dass es der Zielorientierung der Politik dient; es ist nichts Externes. ({0}) Es ist richtig, dass das hier klipp und klar definiert wird und schon zu Jahresbeginn ein klarer Arbeitsplan vorliegt – dafür bin ich dankbar, lieber Bundesminister Robert Habeck –; denn damit haben wir eine gute Grundlage, um den ambitionierten Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu begegnen, und können schon mit einem Osterpaket schnell in die Puschen kommen und Maßnahmen ergreifen, die auch unmittelbar wirken. Das liegt nun vor uns. Ich möchte ein paar Punkte nennen und noch einmal das unterstreichen, was Matthias Miersch zum 2‑Prozent-Flächenziel gesagt hat. Es ist wichtig, dass wir auch da das Verständnis haben: Die Kraft entsteht aus den Anreizwirkungen und der Einbindung eines wettbewerblichen Elements, sodass es auf keinen Fall zu einem Topdown kommt. Vielmehr sollen von unten, aus der Dezentralität heraus mit den Innovationsclustern – meine Kollegin Hubertz hat sie genannt – arbeitschaffende Instrumente eingesetzt werden, die zum Selbstläufer werden. Die Ziele werden nicht mehr etwas Abstraktes, etwas Sperriges, etwas irgendwo in weiter Ferne Liegendes sein, sondern Ziele, die wir wahrscheinlich locker erreichen, sogar noch übertreffen können. Wenn wir die richtigen Instrumente haben, werden sie diese Kraft in der Gesellschaft und der Wirtschaft entfalten. ({1}) Dabei geht es natürlich auch um die Akteurvielfalt, die wir leider teilweise bei der Energiewende verloren haben. Die müssen wir jetzt wiedergewinnen. Es geht darum, die Kommunen noch stärker einzubinden. Es geht auch darum, unmittelbar für die Unternehmen, aber auch für Bürgerenergie noch stärkere Anreize zu setzen. Es geht natürlich auch darum, Genehmigungshemmnisse zu beseitigen und bürokratische Hürden zu überwinden und abzubauen. Es geht auch darum – das sage ich mit Blick auf Bayern; das möchte ich noch einmal hervorheben –, die 10H-Regelung so bald wie möglich abzuschaffen. ({2}) Das Zehnfache der Höhe der Windkraftanlage als Abstand zu definieren, ist eine Verhinderungssystematik. Das ist einfach so. Das sehen Sie ja auch anhand der Ausbauzahlen in Bayern. Warten Sie doch bitte nicht, bis der Bundesminister zu Ihnen kommt, sondern sehen Sie es endlich ein. Schaffen Sie diese unsinnige Regel ab!

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Frau Scheer, gestatten Sie eine Zwischenfrage der AfD-Fraktion?

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. ({0}) Ich möchte kurz auf das eingehen, was CSU-Generalsekretär Markus Blume dazu gesagt hat. Er hat gesagt: An der 10H-Regel wird nicht gerüttelt. Die bayerische Regelung zur Windkraft sichert Akzeptanz und sorgt für Bürgerbeteiligung. Mit Verlaub, Herr Blume, das ist blanker Hohn. Denn Bürgerbeteiligung wurde in Bayern zuletzt dadurch geschaffen, dass Bürgerentscheide stattfanden. Bürgerentscheide sind aber das letzte Mittel, das einem dann noch bleibt, wenn die Landesregierung regelungstechnisch sagt: Windenergieausbau ist nicht möglich. – Stellen Sie sich nur einmal vor, wie absurd es wäre, wenn man zum Beispiel für die Produktion von Masken oder für die Produktion von Impfstoffen einen Bürgerentscheid brauchte. Genauso verhält es sich doch auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier braucht man keine Bürgerentscheide, sondern hier muss es selbstverständlich sein, dass dort gebaut werden kann, wo die erneuerbaren Energien gebraucht werden. ({1}) Wichtig ist dabei auch, dass die Möglichkeiten, die uns von europäischer Seite mit den neuen Beihilfeleitlinien an die Hand gegeben wurden, nun auch ausgeschöpft werden. Darin ist eine Ausschreibungsgrenze definiert. Wenn wir unterhalb dieser Grenze bleiben, haben wir die Möglichkeit, den Ausbau erneuerbarer Energien zuzulassen und gesetzliche Regelungen, die noch vor den Beihilfeleitlinien geschaffen wurden, zu kassieren und noch viel mehr jenseits der Ausschreibungsgrenzen zu gestatten. Darauf wollte ich noch hingewiesen haben. Mieterstrommodelle müssen wir vorantreiben. Auch Speicher müssen wir weiter als Säule der Energiewende etablieren. Dazu gehört natürlich unbedingt Wasserstoff. Ich möchte noch ganz kurz auf die Energiepreise eingehen. Natürlich ist es wichtig, dass sie im Zaum gehalten werden. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die schon auf den Weg gebracht wurden. „Heizkostenzuschuss zum Wohngeld“ sei hier nur als Stichwort genannt, weil meine Redezeit gleich um ist. Aber es ist auch hier wichtig, zu unterstreichen: Der beste Garant für bezahlbare Energie ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Sie bieten langfristig die Garantie für die Bezahlbarkeit von Energie. ({2}) Deswegen dürfen wir auch nicht den Fehler machen, in der Atomenergie eine Zukunft zu sehen. Der deutsche Weg ist richtig. Er ist auch nicht nur ein deutscher Weg. Atomenergie ist nicht nachhaltig; das ist die einzig richtige Definition, die man für Atomenergie finden kann. Deshalb: Lassen Sie uns an dieser Überzeugung festhalten! Vielen Dank. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Damit ist die Aussprache beendet. Aber das Wort zu einer Kurzintervention hat der Abgeordnete Hilse von der AfD-Fraktion. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Frau Scheer, ich hätte vorhin eigentlich nur eine kurze Frage gehabt. Sie haben gesagt, Sie möchten die 10H-Regel nicht, das heißt die zehnfache Höhe als Entfernung. Ich würde von Ihnen wirklich gern wissen wollen, was Sie möchten. Wie groß soll der Abstand zur nächsten bebauten Fläche, also zum nächsten Haus usw. usf. sein? Das möchte ich wissen. Ich möchte nicht wissen, dass Sie nicht 10H wollen, sondern ich möchte von Ihnen wissen: 5H, 3H, 1H? Keine Ahnung? Das würde ich gern wissen. Dann könnten wir – das hat „Vernunftkraft“ auch vorgeschlagen – zum Beispiel in Berlin auf dem Tempelhofer Feld oder in irgendwelchen Parks in anderen Großstädten, die sonst ja nicht davon betroffen sind, Windkraftkraftanlagen errichten. Wie gesagt, diese Frage würde ich gern von Ihnen beantwortet haben. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sie nicht beantworten werden, weil Sie eher im Vagen bleiben wollen. Aber vielleicht machen Sie es ja doch. Also, überraschen Sie mich! ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Frau Scheer, möchten Sie antworten?

Dr. Nina Scheer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004396, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Abstandsregelungen sollen nach Überzeugung der SPD-Fraktion – wir haben übrigens in den letzten Jahren dafür hart gekämpft – am besten nicht fix definiert werden, weil es absolut sachfremd ist, einen Abstand zu definieren, ohne die Einflussfaktoren berücksichtigt zu haben. Es geht darum, die Einflussfaktoren gemäß Immissionsschutzrecht jeweils vor Ort zu betrachten. Da spielt natürlich auch die Wohnbebauung eine Rolle. Da ist es möglich, Flächen- und Regionalplanungen einzubeziehen und zu schauen, wie wir das Miteinander der verschiedenen Nutzungen definieren und wie wir das sortieren. Aber sich für fixe Abstandsflächen zu entscheiden – wie gesagt, nach der 10H-Regelung in Bayern muss der Abstand das Zehnfache der Höhe der Windkraftanlage betragen –, hat nichts mit Nutzungskonzepten zu tun, sondern ist Verhinderungsplanung. Genau das wollen wir als SPD nicht – und als Koalition übrigens auch nicht. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen mir nicht vor.

Bettina Stark-Watzinger (Minister:in)

Politiker ID: 11004902

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Manchmal sind es die kleinen Momente im Leben, die das große Potenzial, das unser Land hat, zeigen. Eine junge Frau beschrieb auf einer Abschlussveranstaltung eines Ausbildungsprogramms, was sie unter Elite versteht: Das ist keine Jacht, das ist kein Luxus. Sie sagt: Elite ist, jeden Tag aufzustehen, sich anzustrengen, über die eigenen Grenzen hinauszugehen und etwas besser zu machen in diesem Land. ({0}) Es sind diese Menschen, die unser Land voranbringen – selbstbestimmt. Aber diese Selbstbestimmung ist uns nicht in die Wiege gelegt. Diese Selbstbestimmung bekommt man nur durch Bildung. Deshalb kann es uns nicht ruhen lassen, dass in unserem reichen Land noch jeder fünfte Jugendliche nicht ausreichend lesen kann, dass es oft mehrere Generationen braucht, bis man aus sogenannten einfachen Verhältnissen in die Mittelschicht aufsteigt. Meine Damen und Herren, wo die jungen Menschen herkommen, das können sie sich nicht aussuchen, aber wo sie hingehen, das sollen sie selbst bestimmen können, und das ist unsere Aufgabe. ({1}) Bildung zielt aber auf viel mehr als individuelle Karrierewege. Das Wissen jedes Einzelnen ist die Grundlage für das Wissen von uns allen, für das zukünftige Wissen. Bildung und Forschung sind Treiber für Wohlstand. Sie haben eine immense gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Deutschland ist Innovationsland, und Deutschland soll und muss Innovationsland bleiben, meine Damen und Herren. Mit der besten und modernsten Bildung wollen wir in der Regierung Lebenschancen schaffen und mit bester Forschung Lösungen für die Herausforderungen nicht in den Antworten der Vergangenheit, sondern in den neuen Technologien der Zukunft suchen. Das steht im Programm. Das gehen wir an. ({2}) Was haben wir uns vorgenommen? Erstens. Die Pandemie hat uns schmerzlich gezeigt, wie wichtig Bildung ist. Derzeit müssen wir alles tun, um Präsenzunterricht zu ermöglichen, damit das Recht auf Bildung verwirklicht wird. ({3}) Schulen gehören zur kritischen Infrastruktur, und falls Testkapazitäten knapp werden, dürfen Schülerinnen und Schüler nicht das Nachsehen haben in unserem Land. Deshalb muss die Schule mindestens den Rang von Kultureinrichtungen bekommen und zur kritischen Infrastruktur gehören. ({4}) Mit dem Digitalpakt 2.0 wollen wir die nächste Stufe der Digitalisierung schaffen. Die digitale Revolution passiert. Geben wir unseren Kindern und Jugendlichen den Pass in die Zukunft, den sie brauchen! ({5}) Zweitens. Die Nachwehen von Corona – nicht nur die Nachwehen – zeigen doch, dass Schüler/-innen gezielt Unterstützung brauchen; deswegen unser Programm „Startchancen“. Damit werden wir 4 000 Schulen in sozial schwierigen Lagen mit einem Investitionsprogramm und einem Chancenbudget besonders unterstützen, meine Damen und Herren. ({6}) Drittens. Das BAföG bekommt einen neuen Schub. Wir wollen es flexibler, attraktiver und moderner machen und vor allem auch elternunabhängiger. Bildung darf nicht an fehlenden Chancen scheitern. ({7}) Viertens: eine Exzellenzinitiative für berufliche Bildung. Ihre Bedeutung muss sich im Ansehen, das wir ihr entgegenbringen, dann auch in unserer Gesellschaft wiederfinden. Wir wissen: Das Programm der Koalition ist ambitioniert. Wir wollen nicht nur reparieren, sondern wir wollen auch vor die Welle kommen. Dazu braucht es alle: Kommunen, Länder und den Bund. Gemeinsam können wir die Kehrtwende schaffen, nicht mit einem Verbot der Zusammenarbeit, sondern nur mit einem Gebot. Der Bund steht bereit. ({8}) Die Pandemie hat gezeigt, was exzellente Forschung vermag. Schon jetzt können wir uns mit den mRNA-Impfstoffen gegen das Coronavirus impfen lassen, in Zukunft hoffentlich auch gegen Krebs. Wir brauchen Durchbrüche, große Sprünge, echte Innovation. Wir wollen freie exzellente Forschung ermöglichen und zugleich Missionen entwickeln. „Missionen“ heißt: auf Kooperationen setzen, soziale und technologische Innovationen verbinden und Brücken zwischen Disziplinen bauen. Ein Beispiel mit Blick auf den Klimaschutz: Mit Wasserstoff entstehen aus Abgasen der Stahlwerke Vorprodukte für Kraftstoffe, Kunststoffe und Dünger. Gelingt es uns, nur ein Stahlwerk auf Wasserstoff umzustellen, können wir damit so viel CO2 einsparen, wie eine ganze Großstadt verursacht. Das muss unser Ziel sein: statt kleiner Schritte des Verzichts große Schritte des Fortschritts. ({9}) Zwei letzte Punkte – meine Zeit ist begrenzt –: Entscheidend für unseren Erfolg ist, dass das Wissen aus der Forschung in der Praxis ankommt. Deswegen wollen wir Enterprise Zones schaffen. Deswegen gründen wir die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, eine Art Partnervermittlung für Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Wir müssen die Potenziale unserer Talente, aber auch unserer Daten nutzen. Deshalb wollen wir möglichst vielen Forschenden möglichst umfassenden Zugriff auf Forschungsdaten ermöglichen. Eine Zeitung schrieb neulich: Neue Daten können alte Meinungen ändern. – Lassen wir diese Chance nicht vorbeiziehen. Es ist unsere Aufgabe, als Erfindernation, neue Technologien zu fördern und die beste Bildung für die freie Entwicklung zu geben. Wir wollen echten Fortschritt. Das ist das Ziel dieser Koalition. Ich freue mich darauf. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Nadine Schön. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Stark-Watzinger, herzliche Glückwünsche zu Ihrem neuen Amt! Vonseiten der Unionsfraktion wünsche ich Ihnen alles Gute, viel Freude bei der Arbeit und natürlich viel Erfolg. Denn das Thema „Bildung, Forschung und Entwicklung“ liegt auch uns wirklich sehr am Herzen. Auch wir wollen, dass wir in unserem Land an der Stelle vorankommen. Wenn Sie sagen, Sie wollen, dass Deutschland weiter Innovationsland ist und bleibt, dann haben Sie uns an Ihrer Seite. ({0}) Sie finden bei uns eine ausgestreckte Hand vor allem dann, wenn es um die vier M geht: um mehr Mittel, um neue Methoden, um mehr Mut und auch um die Menschen. Ich fange bei den Mitteln an. Sie haben Ihre Rede eben mit dem Thema „Forschung und Entwicklung“ beendet. Sie sagen im Koalitionsvertrag, dass Sie 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für „Forschung und Entwicklung“ ausgeben wollen. Wir sind in den letzten Jahren für dieses Ziel den größten Teil des Weges gegangen, und wir finden es gut, dass Sie den Rest gehen wollen. ({1}) Wir sind mittlerweile bei etwa 3,2 Prozent angelangt. Es ist schon Wahnsinn, was wir gemeinsam geschafft haben, wenn man sich die Entwicklung anschaut: 2005, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, hatten wir beim BMBF einen Etat von 7,6 Milliarden Euro, und im letzten Jahr lag der Etat bei 20 Milliarden Euro. Das heißt, der Etat des BMBF hat sich mit einem Aufwuchs von 150 Prozent mehr als verdoppelt. Wir sind bei einem Anteil von etwa 3,2 Prozent am BIP angelangt. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg für die letzten 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte und unterstützen das, wenn Sie es schaffen. Wir haben nicht nur mehr Geld investiert, wir haben vor allem auch die Entwicklung immer wieder angepasst. Das Thema Wasserstoff haben Sie erwähnt. Anja Karliczek als Ministerin hat hier mit Unterstützung unserer Bundestagsfraktion den Schwerpunkt gelegt. Wir setzen auf diese Zukunftstechnologien und freuen uns, wenn Sie diesen Weg weitergehen. ({2}) Das gilt auch etwa für das Thema Gesundheitsforschung, für die Hightech-Strategie, für die Batterieforschung. Dafür sind die richtigen Grundlagen für diese Legislaturperiode gelegt worden. Wir haben den Pakt für Forschung und Innovation und verlässliche Mittel bis 2030 geschaffen. Dafür werden wir weltweit beneidet. Auch das ist eine gute Grundlage, auf der Sie aufbauen und weitermachen können. Wir unterstützen es, wenn Sie mehr auf Transfer setzen. Auch wir haben das getan. Der Pakt für Forschung und Innovation setzt zum ersten Mal auf Transfer, darauf, dass aus dem, was erforscht wird, auch Geschäftsmodelle und Produkte werden. Deshalb freuen wir uns, wenn Sie auch hier die Arbeit fortsetzen. Ich will aber an der Stelle sagen: Transfer zu fördern, darf nicht damit verwechselt werden, nicht mehr in Grundlagenforschung zu investieren. Wir brauchen eine gute Grundlagenforschung in unserem Land; denn nur Grundlagenforschung ermöglicht die wirklich großen Sprünge. Das haben wir etwa beim mRNA-Impfstoff gesehen, der deshalb so schnell entwickelt worden ist, weil eben auf Grundlagenforschung gesetzt worden ist. Das sehen wir beim Thema IT/Industrie 4.0, wofür in unserem Land Grundlagenforschung gemacht worden ist, die natürlich auch den Unternehmen hilft. Die großen Sprünge der Zukunft werden aus der Grundlagenforschung entstehen. Wir müssen es schaffen, dass das, was dort entwickelt und gedacht wird, dann auch tatsächlich in Produkte und Geschäftsmodelle umgesetzt wird. Das heißt aber nicht, dass wir nur noch auf anwendungsorientierte Forschung setzen müssen, sondern wir brauchen beides. ({3}) Frau Ministerin, es geht um mehr Mittel, es geht aber auch um mehr Mut. Ich kann Ihnen sagen, dass wir in den letzten Jahren oft mit dem Koalitionspartner gekämpft haben, wenn es darum ging, wie wir innovationsoffen regulieren, etwa beim Thema „künstliche Intelligenz“ oder beim Thema „Daten“. Und es bringt überhaupt nichts, nur mehr Geld ins Schaufenster zu stellen. Sie müssen den Start-ups, den Forschern, den Unternehmen ermöglichen, aus diesen Entwicklungen auch Produkte und Geschäftsmodelle zu machen. ({4}) Und bei der KI-Regulierung auf europäischer Ebene haben Sie jetzt gerade die Gelegenheit, sich dafür einzusetzen, dass wir hier nach vorne kommen. Wir haben in der Vergangenheit hier oft nicht einheitlich gesprochen, weil das SPD-geführte Justizministerium uns an vielen Stellen blockiert hat. ({5}) Und deshalb wünsche ich Ihnen, dass Sie es schaffen, in Europa wie auch in unserem Land, zu einer innovationsoffenen Regulierung zu kommen; denn nur dann können Sie all das, was Sie jetzt versprechen – und was wir uns auch wünschen – tatsächlich umsetzen. Viel Erfolg bei dieser Aufgabe! Auch hier haben Sie uns an Ihrer Seite. ({6}) Wir brauchen – das dritte M – neue Methoden. Wir haben die Grundlagen für diese Legislaturperiode gelegt, vor allem beim Thema Foresight. Es geht um neue Prozesse, wie wir Entwicklungen ins politische Geschäft implementieren. Auch da brauchen wir eine bessere Verknüpfung von Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Auch darauf setzen wir. Hier werden wir sehr genau beobachten, ob Sie diese Entwicklung weiter vorantreiben. Der vierte Punkt sind die Menschen, und mit den Menschen meine ich die vielen klugen Köpfe in unserem Land, die unser Land voranbringen. Wir setzen auf die jungen Menschen, denen wir die beste Bildung mit auf den Weg geben wollen. Wir setzen aber auch auf die vielen, die sich im Strukturwandel neu orientieren wollen und müssen. Deshalb setzen wir auf Bildung und auf Weiterbildung. Das wird nicht allein dadurch gelingen, dass man 4 000 Schulen in Deutschland gut ausstattet; da braucht es eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern. Mit dem DigitalPakt Schule haben wir groß vorgelegt. 6,5 Milliarden Euro stehen dafür zur Verfügung. Uns ging es im Übrigen auch zu langsam. Es kann nicht sein, dass nach zwei Jahren Pandemie, drei Jahre nachdem der DigitalPakt geschaffen wurde, die Geräte in vielen Schulen immer noch nicht angekommen sind. Das werden Sie aber nicht allein dadurch lösen, dass Sie einen Digitalpakt 2.0 machen. Da müssen Sie mit den Ländern sprechen, da müssen auch Strukturen geändert werden in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, und da müssen auch die Länder ihre Hausaufgaben machen; denn gute, bessere Bildung gerade im digitalen Bereich schaffen wir nur, wenn alle ihre Hausaufgaben machen. Mein Heimatland, das Saarland, hat gestern angekündigt, dass wir eine Qualitätsoffensive für alle Schulen machen, dass wir das Fach Informatik ab Klasse 5 an allen Schulen einführen, dass wir in allen Bereichen auf MINT setzen, dass wir die berufliche Bildung stärken. Das wird nur dann gelingen, wenn die Länder ihre Hausaufgaben machen, wenn wir als Bund mit anpacken. Aber strukturelle Veränderungen entstehen nicht allein durch 4 000 Leuchtturmschulen. Auch hier haben Sie uns an der Seite, wenn es um eine gute Ausbildung der jungen Menschen geht, gerade was die Zukunftsthemen „MINT“ und „digitale Bildung“ angeht. In diesem Sinne: Viel Erfolg für Ihre Arbeit! Bei den innovativen Themen haben Sie uns an Ihrer Seite. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit bei den Themen „Bildung“, „Forschung und Entwicklung“. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Oliver Kaczmarek für die SPD-Fraktion. ({0})

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja richtig, Frau Schön, dass viel erreicht worden ist, seit wir uns 1998 aufgemacht haben, den Reformstau in Deutschland aufzulösen. Trotzdem ist aber auch richtig, dass jetzt eine Zeit anfangen muss, in der tatsächlich neue Wege gegangen werden. Denn wir haben gemerkt: In der alten Konstellation sind wir an entscheidenden Stellen – beim Wissenschaftssystem, bei der Bildungspolitik – nicht weitergekommen. ({0}) Ich will dazu einige Punkte nennen. Bildung und Forschung, das ist verbunden mit zwei zentralen Versprechen an unsere Gesellschaft, nämlich mit dem Versprechen, dass jeder Mensch die gleichen Chancen hat, Aufstieg und Teilhabe durch Bildung in unserer Gesellschaft zu erwerben, und zwar unabhängig davon, was seine oder ihre Eltern besitzen, unabhängig von nationaler Herkunft oder Geschlecht. Dieses Bildungs- und Teilhabeversprechen ist tatsächlich strapaziert, und das ist uns durch die Pandemie noch mal vorgeführt und besonders in den Fokus gerückt worden. Wir wissen, wie bedenklich sich die Infektionszahlen im Schulbetrieb entwickeln. Wir wissen aber auch, was passiert, wenn Kinder und Jugendliche, wenn Schülerinnen und Schüler nicht zur Schule gehen können, was es für Lernrückstände bedeutet, was es aber insbesondere für das soziale Miteinander bedeutet und welche sozialen und psychischen Auffälligkeiten wir mittlerweile auch im Schulalltag feststellen. Deswegen bin ich Ihnen, Frau Ministerin Stark-Watzinger, sehr dankbar, dass Sie das hier noch mal deutlich gemacht haben. ({1}) Wir müssen alles dafür tun, um zu vermeiden, dass es noch einmal zu dauerhaften und flächendeckenden Schulschließungen kommt. Das Recht auf Bildung in der Pandemie heißt: so lange wie möglich den Schulbesuch ermöglichen. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten, zusammen mit den Ländern. ({2}) Ich will aber auch sagen: Wir haben mittlerweile das vierte Semester an den Hochschulen, in dem Studierende mit Einschränkungen zu kämpfen haben. Und wir wissen, dass es besonders die hart trifft, die ohnehin nicht gut mit Geld ausgestattet sind. Zu viele sind arm an unseren Hochschulen, und zwar unabhängig von der Pandemie; die Pandemie hat das aber noch mal deutlich gemacht. Und deshalb: Das BAföG grundlegend zu reformieren, ist eine herausragende Aufgabe in dieser Wahlperiode und übrigens auch ein Punkt, an dem wir in der letzten Koalition nicht mehr weitergekommen sind. Das jetzt zu reformieren und richtig, tatkräftig und auch schnell anzupacken, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben in dieser Wahlperiode. ({3}) Wir wollen, dass mehr Studierende BAföG bekommen, und zwar viel mehr Studierende als jetzt. Wir wollen es lebensnäher, elternunabhängiger, aber auch schuldenärmer gestalten. Wir wollen, dass es ein BAföG gibt, dem die Menschen vertrauen und das beim Abschluss eines Studiums hilft. ({4}) Das zweite Versprechen von Bildung und Forschung ist – wir hatten gerade eine Debatte über ein anderes Ressort, bei der das auch im Mittelpunkt stand –, mit den Erkenntnissen der Wissenschaft die großen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen, miteinander und mit der Wissenschaft dafür zu sorgen, dass Fortschritt und die Hoffnung auf ein besseres Leben auch Platz in der Politik finden. Wir glauben – und das zieht sich durch diesen Koalitionsvertrag –, die Voraussetzung dafür ist, Wertschätzung für Wissenschaft zu schaffen und nicht nur abstrakt im Munde zu führen, sondern konkret und spürbar zu entwickeln, und zwar insbesondere für die, die im System forschen und lehren. Deswegen will ich kurz drei Punkte nennen. Erstens. Wir glauben, Forschung auf Spitzenniveau und echte Wissenschaftsfreiheit, auch echte individuelle Wissenschaftsfreiheit, sind nur durch gute Arbeit in der Wissenschaft zu verwirklichen. ({5}) Wir werden dazu ein Maßnahmenbündel schnüren und das Wissenschaftszeitvertragsgesetz – auch noch so ein Punkt, der aus der letzten Wahlperiode übrig geblieben ist – anpacken und reformieren. Wir werden das Tenure-Track- und das Professorinnenprogramm verstetigen und weiterführen. Wir werden natürlich auch bei der Aufgabe, Dauerstellen für Daueraufgaben zu schaffen, wo insbesondere die Länder in der Verantwortung sind, nicht nachlassen. Insgesamt wollen wir dafür sorgen, dass in der Wissenschaft eben nicht die weit verbreitete Sorge um den Lebensunterhalt und die Vertragslaufzeit den Alltag prägt, sondern die Konzentration auf Forschung und Lehre durch gute Arbeit möglich ist. ({6}) Wir haben uns zweitens vorgenommen, die Strecke von der Grundlagenerkenntnis bis zur Anwendung zu verkürzen. Dazu wollen wir Forschungsprogramme, Ressortforschung und die Hightech-Strategie auf die zentralen Herausforderungen fokussieren. Und wir wollen vor allem – Sie haben das auch gerade angesprochen, Frau Ministerin – nach einem Jahrzehnt der Diskussion mit der Gründung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation dem Kind nicht nur einen Namen geben, sondern uns der großen Herausforderung stellen, mit diesem Instrument tatsächlich die Leistungsdimension „Transfer“ wirksam zu fördern, wovon vor allem die Hochschulen für angewandte Wissenschaften und die Technischen Universitäten profitieren werden. Die DATI ist ein Meilenstein, den wir uns für diese Wahlperiode vorgenommen haben, und sie wird wirksam helfen, in der Fläche Innovationen zu fördern. ({7}) Wir wollen die Hochschulen wieder ins Zentrum stellen, den Zukunftsvertrag für Forschung und Lehre dynamisieren und damit auch gleichberechtigt zu den Forschungsausgaben aufwachsen lassen. Aber ich will zum Schluss noch einmal sagen: Aufstieg und Teilhabe wie auch Fortschritt durch Forschung als die beiden zentralen Versprechen von Bildungs- und Forschungspolitik, das sind die Herausforderungen, die wir angehen müssen, wenn wir ganz konkret und spürbar den Alltag der Menschen verbessern wollen, und wir freuen uns, das gemeinsam mit der Bundesregierung anpacken zu können. Herzlichen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Nicole Höchst für die AfD-Fraktion. ({0})

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Bundesbildungsministerin, in unser aller Interesse wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei Ihrer neuen Aufgabe. Bildung ist in der Tat für unser Land ein Schlüsselbereich, um den Wohlstand und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und seiner zukünftigen Generationen zu sichern. Leider habe ich auch im 20. Deutschen Bundestag wiederum den Eindruck gewonnen, dass auch der neuen Koalition Bildung nicht so wichtig ist. Daran ändern auch Ihre Hochglanzreden nichts. Zum einen entspricht der Koalitionsvertrag zum Thema Bildung beinahe wortwörtlich dem der letzten Regierung. Frau Ministerin, ist es Ihnen nicht hochnotpeinlich, die gleichen leeren Worthülsen und die gebrochenen Versprechen bei den gleichen Themen wiederzuverwenden? Sie recyceln einfach die Ideen, die Deutschland bereits vor den Coronamaßnahmen in die Bildungskatastrophe führten. Immerhin – und da muss ich Ihnen ausdrücklich zustimmen – haben Sie in Ihren Reden hier als Bildungsministerin betont, dass Ihr Ziel die weltbeste Bildung für alle sei. Bravo! Das fordern wir von der AfD schon immer. ({0}) Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Rede zur Ganztagsschule durchaus treffend formuliert – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidiums –: Die Bildung in unserem Land ist nicht auf dem Niveau, das wir uns … wünschen. Jeder fünfte Jugendliche kann nicht gut lesen. Schon in der Grundschule hapert es. Lernen die Kinder dort wirklich die Grundkompetenzen in Lesen und Schreiben? Nein … Sie sagten es gerade wieder. Mein Respekt für diese aufrichtige Zustandsbeschreibung der Bildungskatastrophe in unserem Land. Lassen Sie sich das mal auf der Zunge zergehen, meine Damen und Herren: Unsere Bildungsministerin stellt offiziell im Deutschen Bundestag fest, dass unser Bildungssystem gescheitert ist. ({1}) Nur so kann man es nämlich bezeichnen, wenn derart viele unserer Kinder nicht einmal mehr richtig lesen und schreiben lernen. Klappe zu, Affe tot. Verantwortlich ist ausschließlich die Politik Ihrer Parteien in Bund und Ländern, die seit Jahrzehnten unser vormals leistungsfähiges Bildungssystem – ja, man könnte schon fast sagen, planmäßig – gegen die Wand fährt. Sie haben damit – und ich spreche Sie als Politiker und Verantwortungsträger auch persönlich an – unseren Kindern die Zukunft gestohlen. Ja, Frau Ministerin, eine vollständige Umkehr in der Bildungspolitik ist dringend geboten. Nun setzen Sie als Ministerin Ihrer haltungsflexiblen Truppe bitte um, was Sie selbst letztes Jahr gefordert haben! Initiieren Sie eine ehrliche Bestandsaufnahme der coronabedingten psychischen und physischen Schäden der Kinder durch die Schulschließungen! Sie von der Regierung müssen die Rechte unserer Kinder endlich ernst nehmen, statt sie nur plakativ ins Grundgesetz schreiben zu wollen. ({2}) Sorgen Sie dafür, dass unseren Kindern das Recht auf Bildung nicht noch einmal vorenthalten wird, und geben Sie eine staatliche Garantie für einen vollständigen Präsenzunterricht. Ihre Forderungen – handeln Sie danach! Sie dürfen sich dazu inhaltlich gerne an unseren zeitlos-aktuellen Anträgen zum Umgang mit Corona an Schulen ab dem Sommer 2020 bedienen und diese als Ihre verkaufen. Das können Sie von den nun Un-Freien Demokraten ja besonders gut. Stellen Sie sich schützend vor Lehrer und Schüler! Beenden Sie die Angstseuche! Kinder sind keine Pandemietreiber. Verhindern Sie eine Impfpflicht an Schulen! Meine Damen und Herren, laut „Tagesspiegel“ von gestern Nachmittag ist in Spanien die Pandemie vorbei und soll behandelt werden wie eine Grippe, trotz hoher Fallzahlen. Kehren auch wir um, zurück in die Zukunft! Sorgen Sie für die weltbeste Bildung für alle! Dafür haben Sie unsere vollste Unterstützung. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu ihrer ersten Rede im 20. Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Nina Stahr aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. ({0})

Nina Stahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005227, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich sehr, heute hier zum Thema Bildungspolitik meine erste Rede halten zu dürfen. Denn was wir alle wissen, dass der Bildungserfolg von Kindern nach wie vor viel zu stark vom Elternhaus abhängt, das habe ich hautnah erfahren in fast 20 Jahren Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – bei Kindern, deren Eltern ihnen nicht bei den Schulaufgaben helfen konnten, bei Kindern, die in Wohngruppen gelebt haben, weil ihre Eltern mit dem Familienleben überfordert waren, und als Lehrerin in einer Schule in Berlin-Neukölln. Was ich da immer wieder erlebt habe, das waren Kinder und Jugendliche, die großartige Talente hatten, aber die trotzdem von der Gesellschaft längst abgeschrieben waren. Das merken diese Kinder und Jugendlichen, und das nimmt ihnen die Chance auf eine gute Zukunft. Das kann und das will ich so nicht hinnehmen. Deswegen bin ich sehr, sehr froh, dass wir als Ampelkoalition ganz klar sagen: Bildung darf nicht vom Elternhaus abhängen. Kinder müssen alle die beste Bildung und damit die besten Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben haben. ({0}) Die letzten zwei Jahre im Ausnahmezustand der Pandemie haben die Ungerechtigkeiten zwischen Kindern massiv verschärft. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir endlich die Bedürfnisse von Kindern wieder in den Mittelpunkt stellen. ({1}) Ich möchte explizit an dieser Stelle allen Familien danken, den Eltern, die neben Homeoffice auch Kinderbetreuung und Homeschooling gewuppt haben, den Lehrerinnen und Lehrern, die alles getan haben, um diese Zeit für ihre Schüler/-innen so gut wie möglich zu gestalten. Aber vor allem den Kindern und Jugendlichen, die so solidarisch waren und auf so vieles verzichtet haben. Es ist Zeit, dass wir ihnen endlich was zurückgeben. ({2}) Ich bin froh, dass wir das als Koalition tun werden, nicht nur mit Blick auf die Pandemie, wo für uns ganz klar ist, dass Kinder und Jugendliche in Zukunft so wenig wie möglich eingeschränkt werden dürfen, sondern auch mit Blick darauf, dass endlich alle Kinder gute Startchancen bekommen. Der Koalitionsvertrag ist getragen von der gemeinsamen Überzeugung, dass nicht mehr Postleitzahl oder Job der Eltern, sondern das eigene Engagement über den Bildungserfolg entscheiden sollen. Er ist getragen von der Überzeugung, dass gerechte Bildungschancen nicht vom Himmel fallen, sondern das Ergebnis politischen Handelns sind und dass Aufstieg durch Bildung keine Phrase sein darf, sondern jeden Tag aktiv ermöglicht werden muss und dass dieses Ermöglichen unsere Verantwortung hier ist, und der werden wir uns stellen. ({3}) Gemeinsam wollen wir die Weichen für ein Jahrzehnt des Aufbruchs und der Erneuerung für den sozialen, ökologischen und digitalen Fortschritt stellen. Dieser Aufbruch – davon bin ich überzeugt – beginnt in den Kitas, Schulen und Hochschulen. Ich bin selbst Mutter von drei Kindern, und ich weiß, wie wichtig gute und zuverlässige Betreuung ist. Darauf müssen sich alle Familien verlassen können. Deshalb werden wir den Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung im Grundschulalter umsetzen und dabei die Qualität nach vorne stellen. ({4}) Schon vor dem Jahreswechsel haben wir dafür gesorgt, dass Kommunen das Geld für den Ausbau auch im neuen Jahr verwenden können, und damit für Planungssicherheit gesorgt. Klar ist aber auch: Kitas und Schulen sind in erster Linie keine Betreuungs-, sondern Bildungseinrichtungen. ({5}) Deshalb müssen sie vom Kind aus gedacht werden und den Bedürfnissen von Kindern gerecht werden. Dafür stehen wir in dieser Koalition. Gerechte Chancen in der Schule bedeuten auch: weg von der Gießkanne und gezielt dort unterstützen, wo es wirklich nötig ist. Mit dem Programm „Startchancen“ sorgen wir da für Bildungsgerechtigkeit, wo sie am dringendsten gebraucht wird. Mehr als 4 000 Schulen bauen wir zu modernen, klimagerechten und barrierefreien Schulen mit einer zeitgemäßen Lernumgebung aus. Wir schaffen freie Chancenbudgets, fördern Schulentwicklung und unterstützen bis zu 8 000 Schulen mit zusätzlichen Stellen für Schulsozialarbeit. Mit dieser gezielten Unterstützung können wir wirklich etwas verändern. ({6}) Mit dem Digitalpakt 2.0 werden wir unsere Schulen fit für das Lernen in der digitalen Welt machen. Wir bauen Bürokratie ab und sorgen dafür, dass das Geld schnell und direkt an den Schulen ankommt. Klar ist dabei: Der neue Digitalpakt muss besser gestrickt sein und weitergedacht werden. Neben Technik wollen wir auch viel stärker in Medienkompetenz investieren und gemeinsam mit den Ländern Beratungen rund um den digitalen Unterricht vom Kopf auf die Füße stellen. Frau Schön, ich habe Ihnen gut zugehört. Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie jetzt feststellen, dass alle ihre Hausaufgaben machen werden. Wir als Koalition machen uns jetzt daran, die liegengebliebenen Hausaufgaben von Ihnen, insbesondere im digitalen Bereich, endlich umzusetzen. ({7}) Als Lehrerin weiß ich: Gute Bildung lebt von Kooperation. Sie braucht tragfähige Beziehungen, ein respektvolles Miteinander und den Mut, Konflikte offen, ehrlich und lösungsorientiert auszutragen. Das gilt im Klassenzimmer wie in der Politik. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen wollen wir auch in der Bildungspolitik eine neue Kultur der Zusammenarbeit begründen, um die Bildung in unserem Land nach vorne zu bringen. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP für den guten Start in die neue Legislatur. Auch die Opposition möchte ich dazu einladen, dass wir nicht nur das Trennende, sondern das Gemeinsame und den Austausch miteinander suchen. Wenn nötig, hart in der Sache, aber fair im Umgang – zum Wohl der Kinder und Jugendlichen in diesem Land. ({8}) Wir wünschen insbesondere Ihnen, Frau Ministerin, eine glückliche Hand und gutes Gelingen. Wir freuen uns sehr auf die gemeinsame Arbeit für eine chancengerechte Bildung. Herzlichen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Nicole Gohlke für die Fraktion Die Linke. ({0})

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahrzehnt der Bildungschancen verspricht die neue Ampelregierung. Das wäre auch so was von überfällig, nachdem wir der Verwirklichung der Bildungsrepublik, die die letzte Bundesregierung versprochen hatte, nicht besonders nahegekommen sind. Für Die Linke ist klar: Die bloße Verwaltung des Mangels in der Bildung durch die Politik muss endlich ein Ende haben. ({0}) Der Neoliberalismus und die Unterfinanzierung – das muss man mal aussprechen – der letzten Jahrzehnte haben das Bildungssystem heruntergewirtschaftet. Der Putz fällt von den Decken, überall fehlen Fachkräfte. Es fehlt an digitaler Ausstattung. Viele Beschäftigte im Bildungssystem sind dramatisch unterbezahlt. Die Wahrheit ist: Dieses deutsche Bildungssystem verschärft die soziale Spaltung in der Gesellschaft. ({1}) Abgehängte bleiben in der Regel abgehängt. Den vielbeschworenen Bildungsaufstieg gibt es quasi nicht. Nur wer es sich leisten kann, kommt mit privaten Bildungsangeboten weiter. Nur wer es sich leisten kann, schafft es an die Uni und kann ins Ausland gehen. Das ist die Situation. Ich finde, es geht hier und heute um nichts Geringeres als darum, diesen Zustand endlich zu beenden und zu verändern. ({2}) Dafür, Kolleginnen und Kollegen, muss man neue Wege beschreiten: weg von der Spaltung in Elite und den Rest, weg von der Privatisierung der Bildungsaufgaben, weg von der Mangelwirtschaft. Aber genau das fehlt mir im Koalitionsvertrag der Ampel. Es ist schön, dass Sie die Digitalisierung und den Breitbandausbau vorantreiben wollen. Aber das ist ja wohl noch kein bildungspolitischer Aufbruch. Aus meiner Sicht sind das Selbstverständlichkeiten. ({3}) Worüber Sie aber kaum sprechen, sind strukturelle Veränderungen im Bildungssystem, die man angehen müsste. Kein Wort verlieren Sie dazu, wie eigentlich mehr Fachpersonal entstehen kann. Sie reden nicht über die Finanzierung, und vor allem schweigen Sie über die notwendige Umverteilung des Reichtums in diesem Land. Das sind aber die Zutaten, Kolleginnen und Kollegen, um die soziale Spaltung zu bekämpfen; denn die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland ist vor allem Resultat der brutalen Einkommens- und Vermögensungleichheit in diesem Land. Daran wird Die Linke Sie in den nächsten vier Jahren erinnern. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Ria Schröder für die FDP-Fraktion das Wort. ({0})

Ria Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bildungsministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Oma lebte immer nach der Idee, dass ihre Kinder es einmal besser haben sollten. In unserer von neuen Krisen geprägten Zeit teilen viele diesen Leitgedanken nicht mehr. Finanzkrise, Klimakrise, Coronakrise: Manche haben den Glauben an das Aufstiegsversprechen für die nächste Generation verloren und andere sogar den Anspruch daran. Kinder und Jugendliche standen gerade in der Pandemie oft an letzter Stelle. Das muss sich ändern, und das werden wir ändern, meine Damen und Herren. ({0}) 112 Tage waren die Schulen im letzten Winter zwischen Dezember und Mai geschlossen, während die Fußballstadien schon wieder voll waren. Wenn sich Jugendliche dann mal mit Freunden im Park trafen, konnte es ihnen passieren, dass sie von der Polizei durchs Gebüsch gejagt wurden, wie im Hamburger Jenischpark. Wo sind wir denn gelandet? Was geben wir denn den jungen Menschen heute mit auf den Weg? Die Folgen dieser Politik waren verheerend: unaufholbare Lernrückstände, häusliche Gewalt, psychische Krankheiten bis hin zu Suizidversuchen. Die neue Ampelkoalition und die Bundesbildungsministerin haben hier einen klaren Richtungswechsel eingeleitet. Mit uns werden die nächsten vier Jahre der Bildungspolitik vom Ziel geprägt sein, jedem jungen Menschen in diesem Land Aufstiegschancen zu ermöglichen. Endlich! ({1}) Ich freue mich ja über die große Zustimmung von der Union. Das alles hätten Sie zwar in den letzten 16 Jahren schon umsetzen können, aber Sie haben es versäumt. Frau Schön, Sie haben die letzte Bildungsministerin, Frau Karliczek, erwähnt, aber nicht das Desaster, das sie für die Bildungspolitik in diesem Land war. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass sie nicht einmal darüber nachgedacht hat, das BAföG als Krisenschutz für Azubis und Studierende zu öffnen, nicht einmal, als die Jugendorganisationen der demokratischen Parteien – die Jungen Liberalen, auch die Junge Union war dabei – sie darum gebeten haben. Sie hat auf den gemeinsamen Brief nicht einmal geantwortet. So viel Desinteresse und Ignoranz gegenüber den jungen Menschen darf nicht noch einmal die Bildungspolitik in diesem Land bestimmen. ({2}) Wir wollen aber nicht nur aufräumen, was Sie versäumt haben. Wir wollen nicht weniger, als allen Kindern und Jugendlichen unabhängig vom Elternhaus, vom Wohnort, von Hautfarbe, Geschlecht oder Religion oder auch vom Bundesland exzellente Bildung zu bieten; denn das ist die Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben, meine Damen und Herren. ({3}) Daher werden wir das BAföG elternunabhängig machen. Wir werden den Digitalpakt verbessern und mit dem Digitalpakt 2.0 ein neues Digitalisierungsprogramm auf den Weg bringen. Wir werden mit dem „Startchancen“-Programm mehr als 4 000 Schulen zu Talentschulen mit einem Chancenbudget machen, das modernste Pädagogik und Ausstattung ermöglicht: von Endgeräten bis zu Kreativlaboren, mit besserer Schulsozialarbeit, Berufsorientierung und individueller Förderung. Die besten Schulen brauchen wir da, wo Armut und soziale Herausforderungen am größten sind. ({4}) Geben wir Kindern und Jugendlichen das Handwerkszeug mit auf ihren Lebensweg, mit dem sie in einer Welt voller Krisen nicht den Mut verlieren, sondern lernen, ihre individuellen Talente und Fähigkeiten zu nutzen, um die Herausforderungen der Zukunft anzupacken! Wir haben es in den nächsten vier Jahren in der Hand, diese Weichen zu stellen. Denn wenn ich einmal Oma bin, dann möchte ich sagen können: Wir haben dafür gesorgt, dass es unseren Kindern besser geht. In diesem Sinne freue ich mich, Frau Ministerin, auf Ihre Arbeit, wünsche viel Fortune, freue mich auf die parlamentarische Debatte und danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Bundesministerin, ich darf Ihnen ganz herzlich zu Ihrer neuen Aufgabe gratulieren, und ich darf Ihnen besonders dazu gratulieren, dass Sie dieses Ministerium bekommen haben; denn Sie bekommen ein ausgesprochen gut bestelltes Haus. ({0}) Der Aufschwung der Mittel, meine Damen und Herren, den wir in den letzten 16 Jahren gesehen haben, ist beispiellos, auch für alle anderen Politikfelder. ({1}) Wir sind bei 7,6 Milliarden Euro gestartet, und liegen mittlerweile bei fast 21 Milliarden Euro – eine Fast-Verdreifachung. In keinem anderen Politikfeld kann man das so sagen. Bei uns hatten Wissenschaft, Forschung und Bildung immer Priorität – ein Benchmark. Es liegt jetzt an Ihnen, diese Linie weiterzuentwickeln; das ist das Entscheidende. Wir sind bei den Forschungsausgaben deutlich über 3 Prozent gekommen. Sie haben das Ziel von 3,5 Prozent; das vereint uns. Übrigens vereinen uns viele Dinge aus Ihrem Programm; aber es wird am Ende darauf ankommen, ob Sie es wirklich machen und ob Sie das zusätzliche Geld bekommen. Das ist die Messlatte. Was ich in Ihrer Rede, Frau Ministerin, an dieser Stelle vermisst habe, ist ein Wort zum privaten Kapital; denn die Forschungsausgaben bestehen ja nicht nur aus den staatlichen Mitteln, sondern zum größeren Teil aus den privaten Mitteln. Da bin ich gespannt auf Ihre Ideen, wie Sie das erreichen wollen. Wir haben dazu in der letzten Legislaturperiode gute Dinge vorgelegt: der Staat als Ankerkunde – ein gutes Thema, gerade für den Forschungsbereich. Wir haben für 11 Millionen Euro Starts bei einer Raumfahrtfirma bestellt. Die hat daraufhin 155 Millionen Euro privates Kapital eingesammelt. Das ist ein Hebel; das kann ein Vorbild sein. Im Quantencomputingbereich das Gleiche: 40 Millionen Euro wurden zuletzt von Anja Karliczek an ein Start-up vergeben, an IQM. Damit komme ich zum nächsten Punkt, den ich in Ihrem Vortrag bisher noch vermisst habe – aber ich glaube, wir haben ja noch ein bisschen Strecke vor uns –: Stichwort „Start-ups“. Ich glaube, ohne Start-ups werden wir kein Deep-Tech-Ökosystem bauen. Aber das müssen wir tun. Wir haben ja einiges in den letzten Jahren geschafft. Wir haben erfolgreiche Start-ups, die Raketen bauen, neu in Deutschland. Wir sind weltweit führend, was das Thema „Flugtaxis und eVTOLs“ betrifft. Wir haben Start-ups im Bereich Kernfusion. Wir haben mit BioNTech zum ersten Mal wieder Deep-Tech-Start-up, das wirklich global einen Impact macht. Das ist das Ergebnis von 16 Jahren unionsgeführter Forschungspolitik, ({2}) von unseren Mitteln, von der Hightech-Strategie, von der Exzellenzinitiative: dass wir es wieder schaffen, solche Wissenschaftler und Forscher in Deutschland zu halten, die in der Vergangenheit abgewandert sind. Da gibt es viel zu tun. Ein weiteres Stichwort, das ich in Ihrer Rede gerne gehört hätte, ist das Wort „Mittelstand“; denn Forschung wird nur mit dem Mittelstand gemeinsam funktionieren. Wir können uns nicht auf die großen Konzerne verlassen. Im Gegenteil, wir brauchen hier Wettbewerb zwischen Start-ups, zwischen Mittelständlern. Hier muss ein klarer Schwerpunkt her. Ich darf das schon mal ankündigen: Wir werden auf der Strecke danach fragen. Wir werden danach fragen, wie viel Sie für den Mittelstand im Bereich „Forschung und Technologie“ ausgeben. Wir brauchen auch Instrumente, um hier im Transfer besser zu werden mit privatem Kapital. Der Staat darf nicht allein ins Risiko gehen. Sie haben ein Projekt benannt: die DATI, die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation. Die Frage wird ja sein, wie das eigentlich konkret ausgestaltet wird. Bei der SprinD – übrigens auch ein Wort, das ich in Ihrer Rede vermisst habe; was wird eigentlich aus der SprinD? - ({3}) gibt es Dinge zu tun; das ist so. Aber wir machen hier auch eine gemeinsame Lernkurve, und die gemeinsame Lernkurve aus der SprinD besagt: Die Dinge werden kein Selbstläufer. Wenn Sie jetzt noch eine neue Agentur gründen – one in, one out; weniger Regulierung und Bürokratie ist immer ein Thema der FDP gewesen –, wollen wir auch wissen: Was schaffen Sie dafür eigentlich ab? Denn ständig neue Agenturen zu gründen, das ist am Ende eben keine Lösung. Wir haben große regulatorische Aufgaben, angefangen bei CRISPR/Cas 9 bis hin zu der Frage der Zulassung neuer Nukleartechnologien, zur Frage künstlicher Intelligenz und zu sämtlichen Genfragen. Wir haben so viele Themen, bei denen Sie sich als Koalition klar werden müssen, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie Dinge ermöglichen, oder wollen Sie Dinge verbieten? Im Verbieten waren wir in der Vergangenheit groß. Die Union stand für diesen Kurs nie. Wir waren immer für Offenheit und Technologie. ({4}) – Es ist interessant, dass gerade die Grünen beim Thema Verbote lachen, lieber Kollege Gehring. ({5}) Das möchte ich an der Stelle mal sagen. Die Verbotsliste Ihrer Partei ist doch legendär. Wir haben auch beim Thema BAföG 1,3 Milliarden Euro mehr lockergemacht. Wir werden das gemeinsam neu ausgestalten müssen; das ist, glaube ich, auch klar. ({6}) Aber wenn Sie von elternunabhängigem BAföG reden, wird sich natürlich die Frage stellen: Glauben wir auch an Subsidiarität, oder bekommen eben auch diejenigen Geld des Staates, die nun weiß Gott von zu Hause so viel Geld mitbringen, dass sie es nicht brauchen? ({7}) Zuletzt wünsche ich mir für die Digitalisierung der Schule auch mehr Offenheit und Wettbewerb. Sie werden zeigen müssen, wie Sie das Grundgesetz wirklich ändern wollen; denn eins ist doch klar: Wir werden hier mehr machen wollen und müssen, aber wir werden nicht unkonditioniert Geld an Länder geben können. Das wird eine schwierige Aufgabe. Wir werden Ihre Partner dabei sein. Wir werden Sie aber auch kritisch begleiten. Es kann ja kein unkonditioniertes Geld geben. Diese Grundgesetzänderung, die Sie ja auch implizit angekündigt haben, wird ein großes Thema werden. Der Fachkräftemangel ist ein großes Thema. Wenn Sie auf unsere Initiativen zur beruflichen Bildung aufsetzen, ist das gut und wichtig an dieser Stelle. Wir müssen Digitalisierung in die Bildung hineinbringen. Wir brauchen Plattformen, zu denen neue Anbieter, Start-ups, hinzukommen, wo es Wettbewerb gibt, wo pro Klick bezahlt wird und wo nicht Schulbuchverlage über viele Jahre sichere Verträge bekommen, die keine Innovation anreizen. Ein letzter Punkt. Wir brauchen auch mehr Dialog. Der Kollege Sattelberger – ich sehe ihn auf der Regierungsbank – hat am Wochenende „Learning Analytics“ angekündigt. Das finde ich gut. Ich habe dreimal gefragt, was er denn damit meint, und habe keine Antwort bekommen. Herr Kollege, Sie haben auch zu Ihrem Hund getwittert – der ist zweifelsohne süßer als die Wissenschaftsthemen; dazu gratuliere ich Ihnen –; da waren Sie deutlich auskunftsfreudiger. Ich glaube, hier brauchen wir auch einen Dialog zwischen Regierung und Opposition. Den wünsche ich mir im Parlament wie auf anderen Ebenen. Viel Erfolg, alles Gute! Wir werden hier was erreichen. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Katrin Zschau für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Katrin Zschau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005268, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin! Auf dem Weihnachtswunschzettel meiner Kinder stand im letzten Jahr auch der Wunsch, dass Corona endlich aufhören möge. Was erleben unsere Kinder und Jugendlichen nach wie vor in den Zeiten der Pandemie, oder, vielmehr, was bleibt ihnen verwehrt? Wurde und wird das Wohl von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie besonders bedacht und ausreichend berücksichtigt? Diese Frage adressiert unter anderem das Deutsche Kinderhilfswerk auch an uns Abgeordnete. Grundsätzlich und zuerst sage ich: Wer wirklich will, dass Kinder und Jugendliche wieder einen normalen Schul- und Kitaalltag erleben können, wem daran liegt, dass sie nachmittags in ihre Sportvereine oder zum Chor gehen können, wer möchte, dass der Schwimmunterricht nicht ausfällt, dass Schulfahrten nicht mehr verschoben werden, wer will, dass Abschlussfeiern stattfinden, junge Leute nicht zu Hause, sondern im Klassenverband und in Seminaren an der Universität gemeinsam lernen können, wer will, dass sie wieder in Klubs und auf Festivals tanzen gehen, der oder die sollte jetzt losgehen und sich impfen lassen. ({0}) Wer sich als Erwachsener jetzt impfen lässt, unterstützt damit Kinder und Jugendliche und bringt ihnen die Normalität zurück. Zweitens füge ich hinzu: Die Lernstände, die nach der langen Lockdown-Phase erhoben worden sind, fallen im Ergebnis stark auseinander. Die kontinuierliche Kompetenzentwicklung ganzer Schuljahre fehlt nun leider und schlägt sich auch in der Berufsbildung nieder. Nach einem ohnehin kräftezehrenden Schuljahr voller Belastungen, Einschränkungen und kurzfristig wechselnder Rahmenbedingungen hatten unsere Lehrkräfte, Erzieher und Erzieherinnen nur wenig Zeit, insbesondere Kinder aus Haushalten mit wenig formaler Bildung und ökonomischen Ressourcen beim Aufholen und Weiterlernen nach Corona unter die Arme zu greifen. Auch deshalb ist es jetzt wichtig, die Schulen weiterhin abgesichert offen zu halten. ({1}) Die Coronapandemie hat noch einmal deutlich ausgeleuchtet, was im Bildungsbereich in den nächsten Jahren angepackt werden muss. Wir haben uns als Ampelkoalition vorgenommen, die 2020er-Jahre zu einem Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen, insbesondere in Klimaschutz, in Digitalisierung, in Bildung und Forschung und in Infrastruktur, zu machen. Die Bildungsinstitution Schule spielt eine entscheidende Rolle. Sie kann alle Kinder und Jugendlichen erreichen und durch zeitgemäße und gute Pädagogik dazu beitragen, Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft zu fördern und Bildungsungerechtigkeit in Deutschland endlich zu verringern. ({2}) Unser Bemühen muss sich darauf ausrichten, junge Menschen so auszubilden, dass sie sich in einer sich rasant verändernden digitalen Welt zurechtfinden und behaupten können. Was wollen wir in dieser Hinsicht unter anderem gemeinsam anpacken? Im Anschluss an das Coronaaufholpaket werden wir die Situation für Kinder und Jugendliche mit einem Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit schnell und wirksam verbessern. Auch ich will es erwähnen: Mit dem neuen Programm „Startchancen“ wollen wir Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Eltern ermöglichen: Wir werden mehr als 4 000 allgemeine und berufsbildende Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler besonders stärken. ({3}) Wir unterstützen diese Schulen dauerhaft – und das ist wichtig – mit Stellen für schulische Sozialarbeit. Gemeinsam mit den Ländern werden wir einen Digitalpakt 2.0 für Schulen mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg bringen. Dieser Digitalpakt wird auch die nachhaltige Neuanschaffung von Hardware, den Austausch veralteter Technik sowie Gerätewartung und Administration umfassen. Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung entwickeln wir mit neuen Schwerpunkten weiter, unter anderem im Bereich digitaler Bildung. Wir richten den Fokus auf Digitales und digital gestütztes Unterrichten in Schule und Weiterbildung. Bundesprogramme dürfen nicht zu spät kommen, so wie wir es zuletzt beim DigitalPakt Schule erlebt haben. Darüber hinaus sollen ihre Beantragung und der Mittelabruf nicht mit überbordendem bürokratischem Aufwand verbunden sein. Diese Optimierung von Bund-Länder-Programmen, die wir uns vorgenommen haben, stellt aber nur einen sehr wichtigen Aspekt dar. Wir streben grundsätzlich die schon erwähnte engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation aller Ebenen an und wollen eine neue Kultur in der Bildungszusammenarbeit begründen. ({4}) Im Koalitionsvertrag ist dazu vereinbart, dass wir einen Bildungsgipfel einberufen, auf dem sich Bund, Länder, Kommunen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft über neue Formen der Zusammenarbeit und gemeinsame ambitionierte Bildungsziele verständigen und in Fragen des Bildungswesens etwas bewegen. Eine der größten gemeinsamen bildungspolitischen Herausforderungen ist der hohe Lehrkräftebedarf und der Fachkräftebedarf bei den Erziehungsberufen in den kommenden Jahren. Es muss darum gehen, dass auch in Zukunft genügend gut qualifizierte und motivierte Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher in Schule und Kita arbeiten. Nur auf dieser Grundlage ist es überdies überhaupt möglich, eine Senkung der Arbeitsbelastung der Kollegen und Kolleginnen herbeizuführen. ({5}) Sehr geehrte Abgeordnete, liebe Ministerin, wir wollen im Bund mehr Verantwortung für Bildungsqualität, Koordination und Finanzierung übernehmen, Kinder und Jugendliche beim Lernen in der Pandemie und beim Aufholen unterstützen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Götz Frömming für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle waren sehr gespannt, als es um die Verteilung der Ressorts ging, an wen das so wichtige Ministerium für Bildung und Forschung wohl gehen würde. ({0}) Nun, es liegt in den Händen der FDP. Frau Ministerin, ich darf mir mit Blick auf Ihren Koalitionspartner die Bemerkung erlauben: Es hätte schlimmer kommen können. ({1}) Meine Damen und Herren, das bedeutet aber, dass Sie, Frau Ministerin, das, was Sie vorhin angekündigt haben, auch wirklich umsetzen müssen. Sie sprachen von Technologieoffenheit, von einem deutlichen Bekenntnis zur Forschung. Da sehe ich mit Blick auf die grüne Partei doch erhebliche Vorbehalte, insbesondere was die Erforschung der so wichtigen Technologie im gentechnischen Bereich anbelangt. Genauso groß oder noch größer sind die Vorbehalte bei der Kernenergie, sogar bei der Erforschung der Kernenergie. Meine Damen und Herren, wir müssen doch nur zu unseren europäischen Nachbarn blicken, um zu sehen, dass der deutsche Sonderweg hier falsch ist. Wir sollten schnell auf die Linie unserer europäischen Partner einschwenken und Kernenergie nicht mehr zum Tabu erklären. ({2}) Meine Damen und Herren – Sie haben es vielleicht gelesen –, vor wenigen Tagen stand in den Zeitungen, dass Deutschland mal wieder Weltmeister ist – leider in einer zweifelhaften Disziplin: Wir sind nämlich Weltmeister im Erlassen von Verboten und Maßnahmen, um die Bürger zu einem pandemiekonformen Verhalten zu bewegen. Nun könnte man mit diesem Titel ja zufrieden sein, wenn auf der anderen Seite der Medaille stünde, dass wir besonders gut durch die Pandemie gekommen sind. Aber wir sehen, dass Länder, die die Schulen viel kürzer geschlossen hatten als wir – Frankreich etwa kam mit 50 Tagen aus, Schweden mit nur etwa 30 Tagen; bei uns sind es summa summarum über 180 Tage gewesen –, eben nicht wesentlich schlechter durch die Pandemie gekommen sind. Meine Damen und Herren, Sie alle waren gewarnt, nicht nur von uns, von der AfD-Fraktion; ich selbst habe von diesem Podium aus darauf hingewiesen. Wir hatten frühzeitig auch Studien, beispielweise die COPSY-Studie der Uniklinik Hamburg. Sie haben sie ignoriert, Sie haben weiter Schulen und Schüler drangsaliert, und jetzt haben wir die erschreckenden Ergebnisse. Schauen Sie sich an, was die neue Studie der Uniklinik Essen hervorgebracht hat: Die Zahl der Suizidversuche von Jugendlichen, von Kindern und Schülern ist während der Pandemie explodiert; sie liegt drei- bis viermal so hoch wie in anderen Zeiten. Meine Damen und Herren, das ist auch ein Ergebnis Ihrer einseitigen, Ihrer überzogenen Politik. Sie werden sich dafür vor den Kindern und ihren Eltern verantworten müssen. ({3}) Frau Ministerin, einer Ihrer neuen Parlamentarischen Staatssekretäre gefiel sich darin, am Schluss seiner Reden Ihre Vorgängerin immer etwas despektierlich aufzufordern mit der Formel: „Ran an den Speck, Frau Karliczek!“ Nun, jetzt sitzt die FDP selber in dem Haus, wo der Speck verteilt wird. Frau Ministerin, wir werden Sie dabei begleiten, kritisch begleiten, wünschen aber Ihnen und natürlich auch Ihren Parlamentarischen Staatssekretären viel Erfolg bei dieser wichtigen Aufgabe. Ich danke Ihnen. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Anja Reinalter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu ihrer ersten Rede im 20. Deutschen Bundestag. ({0})

Prof. Dr. Anja Reinalter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005187, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Frau Ministerin, auch von meiner Seite: Herzlichen Glückwunsch und auf gute Zusammenarbeit! Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir haben es heute schon öfter gehört: Wir befinden uns mitten in der Transformation der Wirtschaft. Die Aus- und Weiterbildung spielt hierbei eine Schlüsselrolle. ({0}) Dabei geht es um nichts weniger als um Menschen, um ihr Wissen, um ihre handwerklichen Fähigkeiten, um ihre Motivation und um ihre Leidenschaft, jeden Tag ihr Bestes zu geben. Und natürlich geht es um unseren Wirtschaftsstandort Deutschland; denn unsere Unternehmen brauchen gut ausgebildete Menschen. Derzeit fehlen sie. Der Fachkräftemangel ist bundesweit bekannte Realität, er wird nicht einfach verschwinden, und er wird auch von niemandem geleugnet. Im Gegenteil: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen demnächst in den Ruhestand – das ist das eine –; die wirtschaftliche Transformation, die wir für unser Klima so dringend brauchen, ist das andere. Allein für Letzteres benötigen wir immer mehr Fachleute, insbesondere im Handwerk. Das ist aber auch die positive Nachricht; denn die Transformation ist wirklich eine große Herausforderung, sie bietet aber auch Chancen, Chancen für spannende neue berufliche Perspektiven. ({1}) Darum bieten wir jetzt ein zukunftsfähiges Berufsbildungssystem, ein Berufsbildungssystem, das auf der Höhe der gesellschaftlichen Realität arbeitet. ({2}) Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf eine Vielzahl von Maßnahmen geeinigt. Ich greife drei heraus: Erstens werden wir Betriebe unterstützen bei der Suche nach Azubis, indem wir die Berufsorientierung und die Jugendberufsagenturen weiter ausbauen. An dieser Stelle bedanke ich mich recht herzlich bei allen Unternehmen und Betrieben, die ihren Beitrag zur dualen Ausbildung leisten. Herzlichen Dank dafür! ({3}) Zweitens werden wir die Ausbildungsgarantie sicherstellen; denn wir können es uns nicht leisten, dass wir Talente verlieren. Drittens. Die Weiterbildung ist wichtiger denn je und sollte selbstverständlicher Bestandteil der Arbeits- und Lebensbiografie sein. ({4}) Darum setzen wir auf Fort- und Weiterbildung aller Berufsgruppen und aller Branchen und werden das Aufstiegs-BAföG und das Weiterbildungsgeld ausbauen. Denn wir brauchen mehr Master und mehr Meister, sehr geehrte Damen und Herren. ({5}) Besonders wichtig ist uns auch, dass wir die Menschen erreichen, die vom Strukturwandel betroffen sind und die sich neue Berufsfelder suchen müssen. Darum ist es jetzt gut, dass wir im Ampelkoalitionsvertrag mit der Ausbildungsgarantie, mit dem Aufstiegs-BAföG, mit dem Weiterbildungsgeld die richtigen Instrumente festgelegt haben. So können wir dem Fachkräftemangel begegnen und viele Menschen dabei unterstützen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Dafür sind wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle gefragt. Also lassen Sie uns gemeinsam an einem Strang ziehen und loslegen! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Petra Sitte für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition ist out. Jetzt will die Ampelkoalition, wie der Titel ihres Koalitionsvertrages verrät, „mehr Fortschritt wagen“. Ich zitiere: Wir wollen unser Land erneuern, in die Zukunft investieren und Innovationen fördern, damit wir unseren Wohlstand erhalten und ausbauen können. ({0}) Frau Ministerin sagte, Bildung und Forschung seien Treiber des Wohlstandes. – Dem, der da gerade geklatscht hat, will ich nur sagen: Das ist interessant. Dieser Satz stammt nämlich nicht aus Ihrer Koalitionsvereinbarung, sondern aus der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD. ({1}) Warum ist das so interessant? Weil wir uns fragen, wenn wir Ihren Koalitionsvertrag betrachten: Was macht denn jetzt das Neue aus? Was ist denn der neue Duktus, der neue Geist in dieser Koalitionsvereinbarung? Welchen Fortschritt und wessen Wohlstand sollen denn Wissenschaft und Forschung vor allem voranbringen? Die Linke hat immer betont, es gehe zuallererst um eine Gemeinwohlorientierung. ({2}) Die sozioökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen lassen auch gar nichts anderes zu. An Konzepten zur Überwindung beispielsweise der Schere zwischen Arm und Reich, von Energiekrisen und Preisexplosionen oder zum Ausbau der Sozialsysteme, dazu muss vor allem geforscht werden. Wir stellen beim Lesen Ihres Koalitionsvertrages fest: Sie reden nur von einem neuen Geist, aber ein wirklich neuer Ansatz in dem von mir genannten Sinne fehlt dieser Koalitionsvereinbarung. Stattdessen: mehr Programme, neue Strukturen, noch mehr Projekte, sämtlich zeitlich befristet. Das heißt, alles ist wichtig – und alles nichts. Es droht die vollständige Zersplitterung der Forschungs- und Technologieförderung. Auch in Zukunft werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler also massenweise Ressourcen in Antragsverfahren ohne Ende stecken müssen. Die Unterfinanzierung von Hochschulen und Universitäten wird die Konkurrenz noch verschärfen. Was ist vor allem notwendig? Die langfristige und verlässliche Finanzierung des Gesamtsystems! ({3}) Mir persönlich ist wichtig, zu erwähnen – ich will das abschließend noch sagen –, dass es nicht nur darum gehen darf, über Start-ups zu reden. Sprechen Sie bitte auch über die vorhandenen forschenden Mittelständler! Sprechen Sie über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand!

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin!

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sprechen Sie darüber, wie Sie ihnen einen fairen Wettbewerb bieten, damit hier bessere Lebens- und Beschäftigungsbedingungen entstehen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag hat nun die Kollegin Maja Wallstein für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Maja Wallstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, Frau Präsidentin, dies ist meine erste Rede. Ich habe mir vom erfahrenen Kollegen Mierscheid aber berichten lassen, dass es in diesem Haus tatsächlich nicht immer zu jedem Thema Einigkeit gibt. ({0}) Aber einen Satz – da bin ich mir sicher –, den würden Sie alle inhaltlich unterstützen: Wer in Bildung und Forschung investiert, der investiert in die Zukunft unseres Landes. ({1}) Dass der Satz stimmt, ist schnell verstanden. Klar ist: Ein Land mit einem starken Bildungssystem, einer kreativen und exzellenten Forschungslandschaft ist in der Lage, seine soziale und ökonomische Innovationskraft zu entfalten. Das Problem dabei ist: So ein Satz ist schnell gesagt. Jetzt muss es natürlich darauf ankommen, dass wir auch Taten sprechen lassen. ({2}) Wir haben uns viel vorgenommen: Wir wollen mehr Fortschritt wagen. ({3}) Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erlaube mir, zu sagen: Es wird Zeit! Für uns als SPD bedeutet Fortschritt auch, die Hochschulen in ihrer Vielfalt zu stärken; denn sie sind der Kern und das Herzstück unseres Wissenschaftssystems. ({4}) Hochschulen werben zum Beispiel Spitzenwissenschaftlerinnen und ‑wissenschaftler an, sie betreiben Grundlagenforschung bis hin zur Anwendung, und sie bilden zukünftige Generationen aus. Die Hochschulen sind darüber hinaus oftmals Arbeitgeber und Innovationsmotor ihrer Regionen. Wir wollen die Hochschulen stärken, und wir wollen als Koalition dafür richtig Geld in die Hand nehmen. Wir werden deshalb den Zukunftsvertrag Studium und Lehre dynamisieren. Wir werden die jährlichen Zuwendungen um 3 Prozent steigern. ({5}) Das war in der letzten Koalition leider nicht zu machen. Ich bin froh, dass wir damit jetzt sicherstellen, dass sich die Budgets der Forschungsorganisationen und der Hochschulen nicht weiter auseinanderentwickeln. ({6}) Denn Spitzenforschung findet nicht nur an den außeruniversitären statt. Wir haben exzellente Forschung an unseren Hochschulen, und die muss auch weiterhin gefördert werden. Unsere Koalition hat vereinbart, die Exzellenzstrategie weiterzuentwickeln. Wir stehen dabei für ein wissenschafts- und wettbewerbsgeleitetes Verfahren. Wir stellen die Weichen, um die Antragstellung von Verbünden für kooperative und interdisziplinäre Exzellenzcluster zu stärken. Auch wenn die Förderentscheidungen erst in der nächsten Legislatur getroffen werden, müssen wir schon jetzt sicherstellen, dass die Exzellenzstrategie auch zukünftig ein Aushängeschild der Spitzenforschung bleibt. ({7}) Außerdem wollen wir die Forschung an Fachhochschulen stärken, unter anderem mit der Gründung der DATI; darauf wird meine geschätzte Kollegin Ye-One Rhie gleich genauer eingehen. Wir wollen so das Potenzial heben und sichtbar machen, das manchmal ein wenig im Schatten der Leuchttürme liegt. ({8}) Für Regionen, die vom Wandel besonders betroffen sind, ist dieser Koalitionsvertrag eine gute Nachricht. Das glauben bei mir zu Hause in der Lausitz auf den ersten Blick nicht alle sofort, weil natürlich auch ein möglicher vorgezogener Kohleausstieg drinsteht. Ich weiß genau, woher diese Skepsis kommt, weil ich ganz genau erlebe, was ein Kohleausstieg für die Menschen bedeutet und übrigens nicht zum ersten Mal. Wir müssen und wir werden alles daransetzen, um ein gutes Leben und industrielle Wertschöpfung vor Ort zu erhalten. ({9}) Der vielleicht wichtigste Baustein dafür sind Zukunftstechnologien. Darum bin ich überzeugt, dass das klare Bekenntnis unserer Koalition zu Innovationsregionen, zu Experimentierräumen die größte Chance ist, die wir seit Jahren haben – für uns in der Lausitz, für den Osten, aber vor allem für die ganze Republik. Damit uns das aber gelingt, damit wir vorankommen, global mitspielen können und attraktiv sind für Spitzenwissenschaftler/-innen, für die Wirtschaft, müssen wir als Gesellschaft stabil bleiben. Die Bedeutung der Wissenschaft und Forschung für eine freie, innovative und offene Gesellschaft ist dabei nicht zu überschätzen. Wir müssen ein Land sein, das sich für Wissenschaftsfreiheit einsetzt und diese immer wieder verteidigt. ({10}) Wir müssen ein Land sein, das sich nicht abschottet, das anerkennt, wie wertvoll der internationale Austausch für Innovationen, für Entwicklung ist. Zukunft braucht Zusammenhalt! Und darum müssen wir ein Land sein, das diskussionsfreudig bleibt und in dem jeder und jede seine und ihre eigene Meinung hat, aber nicht seine eigenen Fakten. ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir, dass wir uns zumindest in diesem Punkt einig sind. In diesem Sinne: Auf eine gute Zusammenarbeit! ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Daniela Ludwig für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es gerne noch einmal, liebe Frau Ministerin: Wir gratulieren Ihnen zu Ihrem neuen Amt; wir gratulieren Ihnen aber auch dazu, dass Sie ein wohlbestelltes Haus übernehmen – das meine ich sehr ernst –, ({0}) und das nicht nur, weil es uns unionsgeführt gelungen ist, die Mittel für Forschung und Entwicklung mehr als zu verdoppeln. Es ist natürlich nicht nur eine Frage der Mittel, aber es ist nicht ganz unwesentlich, dass wir hier eine wuchtige Vorlage machen, von der Sie hoffentlich weiter profitieren werden. Wir haben aber auch im materiell-rechtlichen Bereich zum Beispiel Dinge wie das Aufstiegs-BAföG in die Wege geleitet – ein absolutes Erfolgsmodell. Bisher wurden 9 Milliarden Euro in dieses Instrument gesteckt, 2,8 Millionen Menschen haben davon bereits profitiert, davon übrigens – an dieser Stelle auch nicht ganz unwichtig – ein Drittel Frauen. ({1}) Das ist etwas, was wir, liebe Kollegin Schön, in der letzten Legislatur vorangebracht haben. ({2}) Wir haben das Berufsbildungsmodernisierungsgesetz auf den Weg gebracht. Das war auch ein relativ dickes Brett. Es hat lange gedauert, bis wir wieder an dieses Thema herangegangen sind. Wir sind damit Anfang 2020 gestartet, und wir haben damit die so wichtige berufliche Ausbildung für die Zukunft fit gemacht, und das ist wichtig. ({3}) Denn wir brauchen in Deutschland weiterhin eine Stärkung der beruflichen Bildung. Fortschreitende Digitalisierung, neuartige Kommunikationsformen sind Herausforderungen, die jeden von uns ein Leben lang begleiten. Da müssen wir alle nicht nur am Anfang des beruflichen Lebens fit werden, sondern wir müssen fit bleiben. Das ist etwas, was uns als Union in dieser Legislatur weiterhin massiv umtreiben wird. ({4}) Diese beiden Instrumente sind für sich genommen von der Community fast schon gefeiert worden, weil sie lange erwartet wurden, und sie werden weiterhin erfolgreich angewendet. Sie sind sicherlich auch ein wichtiges Mittel, um den vielzitierten Fachkräftemangel in unserem Land zu bekämpfen. Der Fachkräftemangel ist Ihnen in Ihrem Koalitionsvertrag leider nur eine einzige Erwähnung wert. Das finde ich schade. Auch das Thema Bildung ist mit vier Seiten nach meinem Dafürhalten etwas unterbelichtet. ({5}) Aber der Kollege Jarzombek sagte ja so schön: Wir haben ja noch ein bisschen Wegstrecke vor uns. – Und so, wie ich Sie heute verstanden habe, haben Sie einiges vor. Ich möchte ganz, ganz klar dafür werben, ({6}) dass wir weiterhin an dem Kurs festhalten, dass es nicht nur akademische Bildung gibt – das haben viele von Ihnen schon gesagt –, sondern die berufliche Bildung mindestens gleichwertig danebenstehen muss. Das ist unser Herzensanliegen. ({7}) Legen Sie bitte Ihr Augenmerk darauf, dass junge Menschen sich für Handwerksberufe entscheiden, dass sie sich dafür entscheiden, Facharbeiter zu werden, dass sie in diese Richtung gehen. „Handwerk hat goldenen Boden“ ist so ein alter Spruch; aber ich glaube, die Zeiten, die wir im Moment erleben, beweisen ganz deutlich, dass es genau so ist. Wir haben hier tatsächlich in den letzten Jahren einiges voranbringen können. ({8}) Ich möchte Sie herzlich bitten: Gehen Sie diesen Weg weiter; denn sehr viele junge Menschen können davon profitieren. Beim Thema „Ausbildung und berufliche Bildung“ ist natürlich wichtig, dass das Matching von Angebot und Nachfrage, das uns umtreibt, besser klappen muss, also das Zusammenbringen von denen, die einen Ausbildungsplatz suchen, und denen, die einen Auszubildenden suchen. Die Antwort kann aber nicht sein, alle nur in die außerbetriebliche Ausbildung abzuschieben. Denn ich glaube, es ist schon wichtig, dass sich junge Leute weiterhin mit ihrem Ausbildungsbetrieb identifizieren und dass sie optimalerweise nach Ende der Ausbildung nicht sofort den Absprung woandershin versuchen, sondern dass sie vielleicht auch ein paar Jährchen in dem Betrieb bleiben, der sie ausgebildet hat. Davon profitieren beide Seiten. Deswegen sollte man den Fokus nicht zu sehr auf die außerbetriebliche Ausbildung legen, sondern wirklich gucken, dass beide Seiten auch nach Abschluss der Ausbildung ein Stück weit zusammenbleiben. ({9}) Deswegen sind wir sehr gespannt, was sich hinter Ausbildungsgarantie usw. letztlich verbirgt. Die FDP hat sich auch noch dafür feiern lassen, die Ausbildungsumlage verhindert zu haben. Ich bin jetzt gespannt, wie das am Ende des Tages zusammengehen soll. Wir freuen uns jedenfalls, hier vielleicht weiter mitgehen zu dürfen. Die Zeit erlaubt es nicht, hier noch auf das Thema „Weiterbildung und lebenslanges Lernen“ einzugehen. Aber auch das ist natürlich ein wuchtiger Baustein für den Innovations- und Zukunftsstandort Deutschland, um den wir uns kümmern müssen. Wir sind da, wo wir helfen können, gerne dabei. Aber wir werden natürlich auch den Finger in die Wunde legen, wenn wir den Eindruck haben: Jetzt läuft es falsch. – Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Vielen herzlichen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Laura Kraft zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Laura Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005113, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach 16 Jahren verpasster Chancen kommen von der CDU null Selbstkritik und viel unverdientes Selbstlob. ({0}) Das ist beachtlich; denn im Schnitt studieren drei von vier Akademikerkindern, während es unter den Arbeiterkindern nur eines von vieren ist. Dabei ist Bildung eine der besten Investitionen, die ein Staat tätigen kann. Wurde in der Vergangenheit nur allzu oft gespart, ist es nun an der Zeit, endlich die richtigen Weichen zu stellen. ({1}) Zu echter Chancengleichheit gehört ein BAföG, das auch leistet, was es soll: ein Studium unabhängig von der sozialen Herkunft ermöglichen. Damit BAföG gerechter wird, sorgen wir dafür, dass Studierende unabhängiger von ihrem Elternhaus gefördert werden. ({2}) Wir erhöhen die BAföG-Sätze, verlängern die Förderhöchstdauer und erleichtern und digitalisieren das Antragsverfahren. Die Situation von Studierenden hat sich in der Pandemie dramatisch verschärft. Viele mussten ihr Studium verlängern, einige brachen es ganz ab oder haben das geplante Studium erst gar nicht begonnen. Studierende sind angesichts der anhaltenden Pandemie von Zukunftsangst, von psychischer Belastung und von finanzieller Not besonders betroffen. Und hier sind wir als Politik gefragt, soziale Härten abzufedern. ({3}) Die Hochschulen sind das Herzstück des Wissenschaftssystems. Gute Forschung und Lehre gelingen nur mit auskömmlicher finanzieller Rückendeckung. Deswegen werden wir in den kommenden Jahren die staatlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung erheblich erhöhen. ({4}) Indem wir die Digitalisierung voranbringen, begleiten wir den Hochschulstandort Deutschland in Richtung Zukunft. Wissenschaft und Forschung sind elementar für die Lösung heutiger und künftiger Herausforderungen, aber gute Forschung braucht Zeit. Deshalb ermöglichen wir faire Arbeitsbedingungen und planbare Karrierewege für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler. ({5}) Wir schaffen Dauerstellen für Daueraufgaben. Und dazu gehört auch eine längst überfällige Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. ({6}) Von emissionsfreier Energieerzeugung über künstliche Intelligenz bis zum Impfstoff: Die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung prägen unsere Gesellschaft, sie können unser Leben verändern, sie retten es manchmal sogar. Für einen echten Innovationsbooster wollen wir Ausgründungen aus Hochschulen vorantreiben, um das Potenzial des heimischen Innovations- und Forschungsstandortes voll auszuschöpfen. ({7}) Auf politischer Ebene schaffen wir auch mit Ihnen, Frau Ministerin, dafür die Rahmenbedingungen, und wir gestalten von hier an Zukunft. Vielen Dank. ({8})

Ye One Rhie (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005188, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen im weißen Kittel in einem Labor. Sie haben eine geniale Idee. Diese führt zu einer neuen Entdeckung oder Erfindung, zu neuen Erkenntnissen und bestenfalls sofort zu einer spürbaren Verbesserung von Prozessen und Produkten. So stellen sich viele Menschen Forschung vor. Das Gegenteil ist jedoch häufig der Fall. Es gibt die genialen Ideen, ja, und davon viele; aber nur sehr selten wird eine Idee direkt umgesetzt. Und genauso selten gelingen Versuche und Experimente im ersten Anlauf. In Wissenschaft und Forschung gibt es nicht nur Erfolge – viel häufiger prägen Rückschläge, Zweifel und sogar Frust den Arbeitsalltag. Wissenschaft und Forschung bedeuten in der Praxis, nicht aufzugeben und es immer wieder zu versuchen. Es bedeutet, Visionen zu haben, die andere vielleicht noch nicht sehen, und Rückschläge immer wieder auch als Chancen zu begreifen. ({0}) Die wenigsten Forscherinnen und Forscher erfahren die Aufmerksamkeit und die Anerkennung, die ihnen zusteht. Viel zu oft findet ihre Arbeit im Verborgenen statt, und viel zu oft ist unklar, ob ihre Ideen überhaupt zur Umsetzung kommen. Und – erlauben Sie mir diesen Einschub – in der Forschung ist es da wie in der Politik: Es reicht nicht, gute Ideen zu haben und diese aufzuschreiben, sondern sie müssen auch umgesetzt werden. ({1}) Darauf kommt es an, und das haben wir in den nächsten vier Jahren vor. ({2}) Aber zurück zur Forschung. Forscherinnen und Forscher brauchen also viel Durchhaltevermögen, viel Motivation und Mut, gerade jetzt, wo viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – vielleicht sogar mehr denn je – Kritik, Anfeindungen und sogar Drohungen erfahren. Das verdient unseren Respekt. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne Mut gibt es keinen Fortschritt und keinen Aufbruch. Das sind beides Begriffe, die heute mehr als nur einmal gefallen sind, und das nicht ohne guten Grund. Fortschritt und Aufbruch – das ist die Überschrift unserer Politik der nächsten vier Jahre. Fortschritt und Aufbruch ist das, was dieses Land jetzt auch dringend braucht. ({4}) Deshalb wollen auch wir mutig sein. Das haben Sie, Frau Ministerin, in Ihrer Rede noch mal sehr deutlich gemacht. Wir wollen mutige Politik machen, die den Menschen Mut macht und ihnen vor allen Dingen den Raum gibt, selbst mutig zu sein. ({5}) Einer dieser Räume wird DATI sein, die neue Deutsche Agentur für Transfer und Innovation. Hier wollen wir mutige Ideen und Forschungsergebnisse schneller in die Umsetzung bringen; denn bisher geht viel zu viel Potenzial verloren. Was mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen, SprinD, angefangen hat, führt DATI in die Breite. Vor allem bezieht DATI dabei eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein, die viel zu oft und viel zu lange übersehen worden sind: die Forscherinnen und Forscher an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. ({6}) Wir als SPD wissen seit mehr als 50 Jahren um ihre Bedeutung, und wir kennen ihr Potenzial. Über 1 Million Studierende sind an einer der 246 deutschen Hochschulen für angewandte Wissenschaften eingeschrieben. Das sind mehr als ein Drittel aller Studierenden in Deutschland, und das sind über 1 Million Menschen mit Ideen, mit Talenten und dem Wunsch, Zukunft zu gestalten. Gleichzeitig sind sie angehende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer besonders starken Anwendungsorientierung – eine Kompetenz, die wir dringend brauchen, die aber noch viel zu wenig gefördert wird. ({7}) Diese Lücke zwischen Grundlagen- und Innovationsforschung werden wir schließen. Bis zur Gründung der DATI bauen wir dafür die bestehenden Förderprogramme deutlich aus. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Lust auf Zukunft. Wir haben Mut zur Veränderung. Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied zu den vergangenen 16 Jahren. Mit diesem Mut wagen wir mehr Fortschritt und gestalten den Aufbruch für unser Land. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Weitere Wortmeldungen zu diesen Themenbereichen liegen nicht vor.

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Minister:in)

Politiker ID: 11003797

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir treten gerade in das dritte Jahr der Pandemie ein, und es kann ein ganz entscheidendes Jahr für den weiteren Verlauf sein. Für uns kann sich entscheiden, ob das Coronavirus zu einem endemischen Virus mit geringer Sterblichkeit, mit geringer Bedrohung unserer medizinischen Versorgung insgesamt und mit wenig Leid und Tod wird oder ob wir diese Gelegenheit verpassen. Wir müssen alles daransetzen, dass es kein viertes Jahr mit ähnlicher Bedrohung für unsere Gesellschaft mehr gibt. Dafür wird unsere Bundesregierung alle notwendigen Voraussetzungen treffen. ({0}) Noch immer wird die Gefahr durch das Coronavirus nicht von allen richtig eingeschätzt oder sogar bewusst geleugnet. Dabei sind bereits jetzt mehr als 115 000 Menschen daran gestorben, und sehr viel mehr leiden an zum Teil langwierigen, ja zum Teil lebenslangen Komplikationen der Erkrankung. ({1}) Meine Gedanken sind bei den Angehörigen, meine Gedanken sind bei den Nahestehenden, die geliebte Menschen verloren haben, und bei denjenigen, die noch auf eine Heilung ihrer Krankheit warten. ({2}) Obwohl diese Zahlen jeden traurig stimmen müssen, sind wir in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern mit ähnlicher Altersstruktur bisher besser durch die Pandemie gekommen. ({3}) Diesen Erfolg müssen wir bei der jetzt an Fahrt gewinnenden Omikron-Variante unbedingt fortsetzen. Und wir haben die notwendigen Mittel dafür. ({4}) Ein wichtiger Bestandteil sind die noch geltenden Kontaktbeschränkungen. Nach wie vor gelten in Deutschland zahlreiche Kontaktbeschränkungen, die zum jetzigen Zeitpunkt die Zahl der Gesamtkontakte auf ungefähr die Hälfte der Kontakte von vor der Pandemie beschränken. Das ist eine Maßnahme, die den Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Opfer abverlangt hat und weiter abverlangt. Aber mit ihr ist es uns gelungen, sowohl die Delta- wie auch die Omikron-Welle in Deutschland zu verlangsamen, sodass wir die hohen Fallzahlen unserer Nachbarländer noch nicht beklagen müssen. Durch diese Maßnahmen wurden bereits zahlreiche Todesfälle verhindert, sowohl mit der Delta- wie auch der Omikron-Variante. Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, die diese Opfer auf sich genommen haben und hier den Weg mit uns gemeinsam gegangen sind. ({5}) Wir schützen uns damit selbst, und wir schützen andere. Dieser Schutz ist auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil wir in Deutschland leider eine hohe Zahl von ungeimpften Menschen haben, leider auch in höheren Altersgruppen. Gerade sie können in den nächsten Wochen durch die anschwellende Omikron-Welle besonders gefährdet sein. Ihre Gefährdung zu leugnen, ist auf der Grundlage der vorliegenden Studien fahrlässig. ({6}) Auch höre ich immer wieder von einigen, dass ihre Gefährdung zwar besteht, für sie aber als Gruppe in der Gesellschaft kein Grund für Schutzmaßnahmen mehr bestehe, da sie ihr Recht auf Schutz als Ungeimpfte verwirkt hätten. – Eine solche Haltung ist unethisch; denn im Kampf um das Überleben mit einer Krankheit, die so heimtückisch den Menschen zerstören kann, ist jeder gleich – geimpft oder ungeimpft. Auch das ist ein Beitrag zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. ({7}) Was kann also die Strategie sein im Umgang mit einer so ansteckenden Variante wie Omikron, von der wir wissen, dass sie für Ungeimpfte besonders gefährlich ist? Zunächst einmal muss der Appell, zumindest die erste Impfung hinzunehmen und zu wählen, an die Ungeimpften ergehen. Die erste Impfung schützt oftmals bereits vor schwerem Verlauf und vor Tod. Ich appelliere daher an die Vernunft aller Ungeimpften, ich appelliere an Ihre Solidarität: Schon mit einer einzigen Impfung sinkt Ihr Risiko, tödlich zu erkranken, deutlich. Viele von uns erbringen große Opfer, um Sie zu schützen. Bitte ergreifen Sie zumindest die Gelegenheit zur ersten Impfung! ({8}) Einen weitreichenden Schutz vor Infektionen und schwerer Krankheit bietet allerdings nur die Boosterimpfung. Daher hat die Bundesregierung von Anfang an eine offensive und groß angelegte Kampagne für die Boosterimpfungen begonnen. Für diese Kampagne sind ausreichend Impfzentren, Engagierte, Ärztinnen und Ärzte und Impfstoffe vorhanden. Seit meinem Amtsantritt hat das Bundesgesundheitsministerium 55 Millionen Dosen Boosterimpfstoff zusätzlich gekauft. Für jeden, der eine Boosterimpfung möchte, steht der Impfstoff zur Verfügung. ({9}) Durch diese Kampagne kann es gelingen, aus der Wand der Omikron-Welle einen steilen Hügel zu machen oder zumindest die Höhe der Wand zu begrenzen. In beiden Fällen rettet das Menschenleben und schützt vor schwerer, bleibender Krankheit. Es hilft, unser Gesundheitssystem zu schützen, sodass auch Krebspatienten oder Herzpatienten immer gut versorgt werden. Auch das muss unser Ziel sein. ({10}) Langfristig werden wir die Pandemie in Deutschland nur beenden können, wenn der allergrößte Teil der Bevölkerung so geimpft ist, dass schwere Verläufe auch mit neuen Varianten des Coronavirus nicht mehr erwartet werden können. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur kaum Spezialisten, die davon ausgehen, dass die Omikron-Variante die letzte Variante sein wird. Wir müssen daher auch in Zukunft mit gefährlichen und besonders ansteckenden Varianten rechnen. Bisher gilt, dass die Impfstoffe bei allen bekannten Varianten zumindest dahin gehend wirken, dass sie vor schwerem Verlauf und Tod auch bei älteren Menschen und bei Menschen mit Risikofaktoren zuverlässig wirken. Durch die Anpassung der Impfstoffe ist dies auch in Zukunft zu erwarten. Daher ist für mich der sicherste und schnellste Weg aus der Pandemie heraus die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland. ({11}) Die Impfpflicht ist medizinisch geeignet. Die Frage ist: Ist sie auch moralisch zu vertreten? ({12}) Aus meiner Sicht kann man es wie folgt bewerten: Wer sich dem Impfangebot verweigert, verletzt sogar das moralische Gebot des kategorischen Imperativs im Sinne von Immanuel Kant. Eine solche Verweigerung könnte nie die Maxime des Handelns für uns alle sein. Wenn wir uns alle weigern würden, die gut erforschte und nebenwirkungsarme Impfung zu nutzen, um uns selbst und andere vor Tod und schwerer Krankheit zu schützen, würden wir die Pandemie wahrscheinlich nie beenden können. ({13}) Mit der Kombination einer wirkungsvollen Impfung für alle Erwachsenen und einer ebenfalls wirkungsvollen medikamentösen Therapie derjenigen, die trotz Impfung einen unvermeidlichen schweren Krankheitsverlauf erfahren, haben wir eine realistische, maßvolle Möglichkeit, die Pandemie zu beenden. Diese Möglichkeit sollten wir dringend ergreifen. ({14}) Wir beenden damit nicht nur die Opfer, die die vielen Pflichtbewussten erbringen; wir beenden damit auch die Opfer, die unsere Kinder erbringen. Wir beenden damit vermeidbares Leid; wir beenden damit einen Belagerungszustand unserer Gesellschaft durch ein Virus. Wir haben die Mittel in der Hand. Wir sollten sie ergreifen. Wir sollten eine allgemeine Impfpflicht einführen, gründlich, aber in der Zeit, dass wir ein viertes Jahr der Pandemie nicht erneut so eröffnen müssen, wie wir jetzt gezwungen sind, dieses zu eröffnen. Wir können dies gemeinsam als Gesellschaft erreichen, und dafür stehen wir gemeinsam ein. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Tino Sorge das Wort. ({0})

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach, ich glaube, wir sind uns größtenteils in diesem Hohen Hause hier einig, dass die Bekämpfung der Pandemie eine der wichtigsten Aufgaben nicht nur der letzten, sondern auch dieser Legislatur werden wird. Umso überraschter – das sage ich Ihnen ganz offen – war ich, dass Sie hier kein einziges Wort darüber verloren haben, in welcher Funktion Sie jetzt gerade gesprochen haben. ({0}) Sie haben von der Wichtigkeit, gegen die Omikron-Variante zu kämpfen, gesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass die Impfpflicht eine Möglichkeit wäre, die Omikron-Wand zu brechen, bloß haben Sie das nicht als Minister gesagt. Wenn Sie das als Minister so sehen, dann erwarte ich von Ihnen auch einen Gesetzesvorschlag, und den sind Sie bisher immer noch schuldig geblieben. ({1}) Insofern ist das Interessante an der ganzen Konstellation, dass Sie in den letzten Tagen erheblich für Konfusion gesorgt haben. Sie haben in den letzten Wochen immer gesagt, Sie seien für eine allgemeine Impfpflicht; das haben Sie hier gerade wieder getan. Sie haben aber nicht die Fragen beantwortet: Ist das jetzt die Meinung des Ministers? Ist das die Meinung des einfachen Abgeordneten Karl Lauterbach? Ist das die Meinung, so wie es gestern der Herr Bundeskanzler Olaf Scholz hier immer gemacht hat, der Privatperson Karl Lauterbach? Das haben Sie auch hier wieder nicht klar und deutlich gemacht. ({2}) Ich darf Sie an Ihre Ausführungen vom 17. Dezember erinnern, wo Sie wie auch heute gesagt haben, Omikron werde alles übertreffen, was wir in der gesamten Pandemie bisher gesehen haben. Olaf Scholz hat noch im Dezember gesagt, es dürfe bei der Pandemiebekämpfung keine roten Linien geben. Deshalb finde ich es zwar gut, dass Sie an das Parlament verweisen, dass Sie sagen, wir Parlamentarier müssen uns damit beschäftigen. Sie haben dem Parlament, im Ausschuss auch Ihre Parlamentarische Staatssekretärin, sämtliche Unterstützung angeboten. Bloß wirft das, was Sie hier tun, wenn Sie das Parlament so schätzen, die Frage auf: Warum beantworten Sie dann die Fragen der Opposition nicht, lieber Herr Kollege Lauterbach? ({3}) Wir haben Ihnen bereits vor Weihnachten einen umfangreichen Fragenkatalog zur Verfügung gestellt, in dem wir darauf hingewiesen haben, welche Fragen beantwortet werden müssen. Wir reden nicht über politische Fragen. Wir reden über ethische Fragen, wir reden über fachliche Fragen, wir reden über eine ganz normale Datengrundlage, die auch aus Sicht des Ministeriums notwendig ist, damit dieses Parlament sich hier eine Meinung bilden kann. Ich will Ihnen auch noch einmal – vielleicht haben Sie die Fragen nicht gelesen – ganz konkret sagen, worum es dabei geht. Wir haben Sie gefragt: Welches primäre Ziel soll mit einer Impfpflicht überhaupt verfolgt werden? Von Ihnen kam bis heute keine Antwort. Wir haben Sie gefragt: Welche Rolle spielen Omikron und neue Medikamente wie Paxlovid? Von Ihnen kam bis heute keine Antwort. Wir haben Sie gefragt: Wie wollen Sie überhaupt die Fachexperten und die Expertise der Bundesländer einbinden? Von Ihnen kam bis heute – Sie können es sich vorstellen – keine Antwort. Das setzt sich seit Tagen so fort, lieber Herr Kollege Lauterbach. Ich möchte auch noch auf dieses dröhnende Schweigen in anderen Bereichen eingehen. Sie haben das Ziel angesprochen: 30 Millionen Impfungen bis Ende Januar. Das hat auch Olaf Scholz als Bundeskanzler vollmundig versprochen: Bis Ende Januar soll es gelingen, weitere 30 Millionen Impfungen zu verabreichen. Auch hier ist momentan völlig offen: Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen? Ich darf nur darauf hinweisen: Die Impfkampagne ist seit Tagen weit entfernt von diesen 1 Million Impfungen, die wir pro Tag bräuchten; wir liegen gerade mal bei der Hälfte dieser notwendigen Impfungen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Punkt, der schon fast an Arbeitsverweigerung grenzt. ({4}) – Da können Sie „Oje, oje!“ so laut schreien, wie Sie möchten. – Den nächsten Punkt sage ich Ihnen auch. Vor Weihnachten hat Ihr Bundeskanzler das Ziel ausgerufen: Eine Impfquote von 80 Prozent bis Ende Januar erreichen wir. ({5}) Was ist passiert? Hierfür müssten wir täglich 142 000 Erstimpfungen machen. Wir sind nicht an einem der letzten Tage auch nur ansatzweise an diese Größenordnung gekommen; in den letzten Tagen war es nicht einmal die Hälfte. Deshalb meine ganz konkrete Frage an den Herrn Minister – ich konnte sie ja gestern im Ausschuss nicht stellen, Sie waren leider nicht da –: Wie und was tun Sie konkret, um diese hochgesteckten Ziele zu erreichen? Es wäre sehr, sehr interessant, wenn Sie uns das mal erklären würden. ({6}) Wir haben nun eine Amtszeit einer Kanzlerin erlebt, die uns in diesem Land viel Gutes gebracht hat. Sie ist ja immer kritisiert worden, indem man gesagt hat, Angela Merkel sei für die Politik der ruhigen Hand bekannt. Aber – Herr Kollege Lauterbach, das kann ich Ihnen und dem Bundeskanzler nicht ersparen – bei Ihnen kann man nicht einmal davon reden, dass Sie mit der „Politik der ruhigen Hand“ regieren würden. Bei Ihnen ist es eher die „Politik der eingeschlafenen Füße“, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Erst kommen laufend neue Versprechungen, und dann kommt lange nichts. Deshalb die Bitte an Sie als Bundesregierung und auch konkret an Sie, Herr Kollege Lauterbach – Sie verweisen ja immer auf die Fachexpertise, die wissenschaftliche Expertise, die ganz wichtig für die Beurteilung und Bekämpfung der Pandemie ist; da sind wir einer Meinung –: Übernehmen Sie als Regierung Führung in diesem Land! Das wird von Ihnen erwartet. Verhalten Sie sich nicht wie eine Nichtregierungsorganisation. Das können wir uns in Deutschland nicht erlauben. Regierung bedeutet regieren. ({8}) Fangen Sie endlich damit an! Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Kirsten Kappert-Gonther für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Coronapandemie erschüttert uns. Sie erschüttert die ganze Welt. Viele Menschen haben den Eindruck, in einem Zug zu sitzen, der durch einen langen Tunnel fährt. Statt auf der anderen Seite des Berges ins Licht zu kommen, scheint es so, als würde es immer dunkler. Klar ist: Wir müssen diesen Zug bremsen; denn dann wird es auch wieder heller, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Es ist nicht einfach, während der Zug fährt, die Schienen zu bauen, um ihn herauszuleiten. Nicht nur unser Gesundheitsminister, sondern die ganze Koalition sieht dies als unsere vordringlichste Aufgabe an. Lieber Kollege Tino Sorge, ich habe mich schon sehr über Ihren Redebeitrag gewundert: ({1}) Keine Verantwortungsübernahme für die letzten Jahre – ich möchte sagen: Jahrzehnte – und kein einziger konstruktiver Vorschlag, was Sie anders machen würden. Das ist schon sehr irritierend. ({2}) Denn eigentlich erlebe ich Sie und Ihre Fraktion genauso, so wie weite Teile der Opposition, dass Sie konstruktiv daran mitarbeiten und auch mitarbeiten wollen, diese Pandemie zu überwinden. Es ist auch dringend notwendig, dass wir das alle gemeinsam tun, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Bezüglich mangelnder Konstruktivität haben wir leider auch hier im Deutschen Bundestag ein sehr schlechtes Beispiel: Die AfD streut Falschinformationen, diskreditiert Gesundheitsexpertinnen und ‑experten und schürt Ängste in der Pandemie, um unsere Demokratie anzugreifen. ({4}) Das gefährdet die Gesundheit von Menschen, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({5}) Der Kampf gegen diese Pandemie und der Einsatz für Demokratie gehen Hand in Hand. ({6}) Und sie müssen Hand in Hand gehen! Menschlichkeit und gegenseitige Anteilnahme sind grundlegend, um diese Pandemie zu überwinden, und sie sind elementar für unsere Seelen. Vielen Menschen fehlt gerade jetzt der Ansprechpartner, die Ansprechpartnerin. Einsamkeit ist in unserer Gesellschaft ein zunehmendes Problem. Das war vor Corona so, und das wird durch Corona jetzt verschlimmert. Überhaupt: Unsere seelische Gesundheit steht sehr unter Druck. Einerseits sehen wir, wie resilient wir Menschen unter sehr schwierigen Bedingungen sind, wie resilient wir als Gesellschaft angesichts dieser existenziellen Bedrohungen sind. Andererseits wissen wir aber auch, dass sich, wenn die äußere Drucksituation nachlässt – und sie wird hoffentlich nachlassen –, die seelischen Wunden erst oft im Verlauf zeigen. Das bedeutet: Wir werden der seelischen Gesundheit mehr Aufmerksamkeit widmen müssen. Wir brauchen bessere und mehr Zugänge zur Psychotherapie. Die Wartezeiten sind jetzt schon zu lang. Da ist es gut, dass diese Koalition erstmals in einem Koalitionsvertrag auf Bundesebene dem Thema „seelische Gesundheit“ eine zentrale Rolle beimisst. ({7}) Medizinethische Fragen stehen im Fokus der Öffentlichkeit: Impfpflicht, Triage, Suizidassistenz – all diese Debatten werden wir hier im Parlament sorgfältig und ernsthaft führen. ({8}) Die Pandemie zeigt uns: Gesundheit entsteht im Alltag. – Unter welchen Bedingungen wir leben, hat einen relevanten Einfluss auf unsere Gesundheit. Darum heißt es im Koalitionsvertrag, dass der „Leitgedanke von Vorsorge und Prävention“ im Zentrum stehen muss. Dieser Satz sagt so viel. Er umfasst gesundes Essen, soziale Gerechtigkeit, geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung, gute Geburtshilfe und dass Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz ist. ({9}) Auch in der Drogenpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen, steht die Prävention zukünftig endlich an erster Stelle. Viele Menschen haben sich zum Teil seit Jahrzehnten dafür eingesetzt, die Ampel macht es jetzt möglich: Die kontrollierte Freigabe von Cannabis kommt! ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind große Vorhaben. Das kann niemand alleine. Das können wir nur gemeinsam, hier im Parlament und mit den vielen Menschen draußen, die tagtäglich für unsere Gesundheit sorgen. Versetzen wir Berge! Stoppen wir den rasenden Zug und lenken ihn in gute Bahnen!

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gehen wir diese großen Projekte der Gesundheitspolitik gemeinsam an. Ich danke Ihnen. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Martin Sichert für die AfD-Fraktion. ({0})

Martin Sichert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004892, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als freiheitlicher Mensch möchte ich zuerst allen danken, die unter zum Teil großen persönlichen Entbehrungen solidarisch sind. Die vergangenen Wochen haben bewiesen: Je mehr Menschen geimpft und je mehr Menschen geboostert sind, umso diskriminierendere Maßnahmen verhängen die Regierungen gegen jene, die nicht bereit sind, sich alle drei oder sechs Monate spritzen zu lassen. – Der Nötigung der Regierung zu widerstehen, ist ein großer Akt der Solidarität; denn er ist ein Beitrag zur Freiheit von Millionen Menschen. Vielen Dank dafür! ({0}) Die Gesundheitspolitik muss endlich wieder die Gesundheit der Menschen im Fokus haben, anstatt als Feigenblatt für willkürliche Spaltung und Diskriminierung zu dienen. Mit 2 G Plus setzen Sie den Bundestag mit einer Kneipe gleich und sagen zugleich, dass er kein Arbeitsplatz ist; denn am Arbeitsplatz gilt 3 G. ({1}) Sie wollen angeblich immer demokratische Fraktionen sein, setzen aber den Bundestag mit einer Kneipe gleich. Das ist absolut irre! ({2}) Bremen hat mit 85 Prozent die höchste Impfquote aller Bundesländer, während Sachsen mit 61 Prozent die niedrigste hat. Bremen hat die mit Abstand höchste Inzidenz aller Bundesländer und Sachsen die niedrigste. ({3}) Wo 85 Prozent der Menschen geimpft sind, ist die Inzidenz mehr als fünfmal so hoch wie dort, ({4}) wo nur 61 Prozent der Menschen geimpft sind. ({5}) Ja, ich weiß, jetzt kommt wieder irgendein Schlauberger daher und sagt: Aber die Impfung schützt vor schwerem Verlauf. – Auch das stimmt nicht. In Bremen ist die Hospitalisierungsinzidenz doppelt so hoch wie in allen anderen Bundesländern und mehr als dreimal so hoch wie in Sachsen. ({6}) Gemäß dem letzten Wochenbericht des RKI waren bei den Toten, bei den Hospitalisierten und den an Omikron Erkrankten überproportional viele geboostert oder geimpft. Während knapp 30 Prozent der Bevölkerung nicht vollständig geimpft sind, waren nur 22 Prozent der Omikron-Erkrankten nicht vollständig geimpft. Wenn, wie uns diese Zahlen zeigen, die Geimpften und Geboosterten nicht durch die eigene Impfung geschützt sind, wieso sollten sie dann durch eine Impfung der Ungeimpften geschützt sein? ({7}) Dazu kommen die massiven Nebenwirkungen. Das Paul-Ehrlich-Institut meldet in elf Monaten viermal mehr Tote nach Impfungen gegen Corona als in den letzten 20 Jahren bei allen anderen Impfungen zusammen. Alle 5 000 Impfungen wird ein Fall schwerer Nebenwirkungen wie eine Herzmuskelentzündung gemeldet, und keiner weiß, um wie viel höher die Dunkelziffer ist oder welche Langzeitfolgen die Impfung verursacht. Bei der Zahl der belegten Intensivbetten liegen wir übrigens seit Wochen deutlich unter dem Durchschnitt der letzten zwei Jahre. Wie viele Patienten auf den Intensivstationen geimpft sind, wissen wir übrigens auch nach einem Jahr der Impfung immer noch nicht. Seit Mitte Dezember wird dies zwar von der DIVI erfasst, aber aus den Zahlen macht man ein Staatsgeheimnis. Ein Skandal; denn wer massive Maßnahmen verhängt, der muss den Bürgern auch die tatsächlichen Daten präsentieren. ({8}) Nicht nur rechtlich und moralisch, sondern auch gesundheitspolitisch gibt es keine Grundlage, Menschen aufgrund ihres Impfstatus zu diskriminieren. Die Coronamaßnahmen sind auch Gift für die Gesundheit. Experten sagen uns, dass deutlich mehr Menschen an Krebs sterben werden, weil viel weniger zur Vorsorge gehen. Jedes Jahr sterben in Deutschland circa 240 000 Menschen an Krebs. Wenn nur 10 Prozent sterben, sind das 24 000 Menschen, denen ein qualvoller Leidensweg bis zum Tod bevorsteht. 24 000 sind übrigens weit mehr Menschen, als bisher Menschen in allen Altersgruppen bis 69 Jahre an Corona gestorben sind. Am schlimmsten traf die Politik der vergangenen zwei Jahre die Jugend. Die Zahl der Jugendlichen, die wegen Suizidversuchen letztes Jahr auf den Intensivstationen gelandet sind, ist drastisch angestiegen. Wegen Abstand und Maske kann das Immunsystem der Kinder nicht ausreichend trainieren, weswegen Kinder deutlich anfälliger für andere Krankheiten sind. Wir werden jahrzehntelang die Folgen der psychischen und gesundheitlichen Belastung der Kinder ausbaden müssen. Es ist allerhöchste Zeit, endlich alle Maßnahmen gegen Kinder und Jugendliche umgehend aufzuheben. ({9}) Es gibt einen Weg aus Corona. Seit einem Jahr ist ein Urintest zugelassen, der ab dem ersten Tag der Infektion die Schwere des Verlaufs prognostizieren kann. Mit monoklonalen Antikörpern hätte man viele schwere Verläufe verhindern können. Leider passte das aber nicht in das Konzept, den Menschen die Impfung anzudrehen. Spätestens mit den seit November zugelassenen wirksamen Medikamenten gegen schwere Verläufe entfällt die Grundlage für eine Impfpflicht. ({10}) Lassen Sie uns Tests und Medikamente jedem, der sich infiziert, anbieten. So können wir auch allen Ängstlichen einen Weg aus Corona zeigen. Spanien und Schweden sind zur alten Normalität zurückgekehrt. Es wird Zeit, dass wir in Deutschland das auch tun. ({11}) Als eine der ersten Maßnahmen müssen wir die Impfpflicht für medizinisches Personal aufheben; denn sie verschärft den Pflegemangel. Hinzu kommt: In der Pflege verbringt jede vierte Pflegekraft mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Bürokratie. Hätte die Pflegekraft das gewollt, dann hätte sie wohl eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht. Bei der Pflege muss wieder die Fürsorge für die betreuten Personen in den Mittelpunkt gerückt werden, anstelle des Ausfüllens von Formularen. Und wir können uns auch nicht mit einem Bonus für Pflegekräfte aus der Verantwortung stehlen. Es braucht langfristig eine anständige Bezahlung, um diesen Beruf attraktiv zu machen. ({12}) Auch wenn hier die meisten privatversichert sind, möchte ich Ihnen nahelegen: Beschäftigen Sie sich auch mit den Kassenpatienten. Denn mit das größte Problem im Gesundheitssystem ist, dass Kassenpatienten oft monatelang auf Termine warten müssen. Das muss dringend geändert werden; denn eine zeitnahe Untersuchung oder Behandlung ist auch eine Frage von Leben und Tod. Sie sehen: Es gibt auch abseits von Corona viel zu tun. Beenden wir nach zwei Jahren endlich, den Fokus auf nur eine Krankheit zu legen. Vielen Dank. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus das Wort. ({0})

Christine Aschenberg-Dugnus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004003, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mich den Zielen unserer Fortschrittskoalition im Bereich Gesundheit widme, möchte ich gerne auf die aktuelle Coronalage eingehen. Die Infektionszahlen steigen erheblich an, und durch die hochansteckende Omikron-Variante werden die Zahlen voraussichtlich auch in den nächsten Wochen noch erheblich weiter nach oben gehen. Wir verfolgen als Koalition dieses Infektionsgeschehen sehr genau und nehmen die Lage auch sehr ernst. Gerade deshalb werde ich nicht müde, allen immer wieder zuzurufen: Die einzige Maßnahme, das wirksamste Mittel gegen Corona und gerade gegen Omikron ist Impfen und Boostern, meine Damen und Herren! ({0}) Deshalb impft und boostert Deutschland gerade, was das Zeug hält. Das erste Etappenziel, 30 Millionen Boosterimpfungen bis Ende des letzten Jahres, ist erreicht worden. Wir sind Booster-Europaweltmeister, und weitere Impfungen werden demnächst folgen. Ausreichend Impfstoff – das ist die Voraussetzung dafür – ist vorhanden. Vielen Dank, Karl Lauterbach. ({1}) An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen Beteiligten bedanken, die dabei mitgeholfen haben. Damit meine ich alle Impfenden: die Impfenden in den Praxen, in den Impfzentren, in den Betrieben, in den Pflegeeinrichtungen und in den mobilen Teams. Herzlichen Dank für Ihren Einsatz für unser Land, meine Damen und Herren. ({2}) Unsere Maßnahmen der Fortschrittsregierung haben das übrigens auch möglich gemacht. Erstens. Wir haben den Kreis der Impfberechtigten erweitert. Vor allem junge Menschen haben keinen Hausarzt; deswegen gehen sie zum Impfen auch lieber in die Apotheke oder zum Zahnarzt. Zweitens. Die Logistik in den Händen der Bundeswehr funktioniert. Das war eine gute Maßnahme der Regierung. ({3}) Drittens. Ein Expertenrat berät die Bundesregierung jetzt bei ihren Entscheidungen; das schafft das notwendige Vertrauen in der Bevölkerung. Auch das war eine notwendige Maßnahme. Viertens. Das Ganze wird hier offen und transparent im Parlament diskutiert, meine Damen und Herren, so wie heute Abend zum Beispiel auch die Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung. Dafür haben wir lange gekämpft, und wir haben es umgesetzt. ({4}) Die Pandemiebekämpfung unserer Bundesregierung ist planvoll und verhältnismäßig, und das ganz ohne Lockdown und vor allem ohne Schulschließungen. Denn unsere Kinder dürfen nicht wieder die Verlierer dieser Pandemie sein. Wie der „Spiegel“ gestern berichtet hat, ist die Nachfrage nach Therapieplätzen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie extrem nach oben gegangen, leider auch die Zahl der Suizidversuche bei Jugendlichen und Kindern. Wer nach einem Lockdown verlangt, darf diese Tatsache nicht außer Acht lassen, meine Damen und Herren. ({5}) Nun zu den bereits angekündigten gesundheitspolitischen Zielen dieser unserer Regierung des Fortschritts. Wir werden mit einer Digitalisierungsstrategie die Modernisierung des Gesundheitswesens vorantreiben; denn die Pandemie hat uns doch sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, schnell und zuverlässig Daten zu erhalten und vor allen Dingen die Gesundheitsakteure miteinander zu vernetzen. Wer das Land modernisieren möchte – und das wollen wir –, muss das Gesundheitswesen digitalisieren. Das werden wir jetzt angehen. ({6}) Meine Damen und Herren, ein weiterer wichtiger Punkt: Wir wollen die überflüssige Bürokratie konsequent abschaffen; denn die Zeit des Papierausfüllens ist vorbei. Diese Zeit ist besser bei den Patientinnen und Patienten investiert. Ich könnte noch viele weitere Punkte nennen, aber gestatten Sie mir noch einen letzten Punkt, der mir sehr am Herzen liegt: Das ist die Pflege. Pflegekräfte und vor allen Dingen pflegende Angehörige leisten Großartiges und wachsen täglich über sich hinaus. Sie verdienen unsere Anerkennung und unsere Unterstützung. Deswegen werden wir eine Ausbildungsoffensive für die Pflege starten mit bundesweiten Qualitätsstandards und einer Förderung der Pflegewissenschaften und der Pflegeforschung. Und eines können wir Ihnen versichern: Der Pflegebonus kommt. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kathrin Vogler für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Lauterbach, als Gesundheitsminister in der schwersten und längsten Gesundheitskrise unseres Landes, die Sie mit einer in weiten Teilen privatisierten und kaputtgesparten Infrastruktur bewältigen müssen, stehen Sie vor riesigen Aufgaben. Sie wurden von einer großen öffentlichen Erwartungswelle ins Amt getragen, und an diesen Erwartungen an ein besseres Krisenmanagement werden nicht nur wir Sie messen. Ich glaube, ich spreche für alle demokratischen Fraktionen dieses Hauses, ({0}) wenn ich Ihnen wirklich von Herzen wünsche, dass Sie dabei erfolgreich sind, denn es geht um sehr viel: um Leben und Gesundheit, um Sicherheit, Freiheit und um die Lebenschancen von Millionen Menschen in diesem Land. ({1}) Die Linke steht immer dafür ein, dass alle Menschen Zugang zu bestmöglichem Schutz und guter medizinischer Versorgung bekommen. Deswegen hat ja auch unsere neue Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping als Allererstes 1,4 Millionen FFP2-Masken beschafft, die kostenlos an finanziell benachteiligte Menschen, an Arme und Obdachlose verteilt werden. Und das ist gut so. ({2}) Im Gegensatz zur CDU/CSU kann man sich übrigens bei uns darauf verlassen, dass nicht ein einziger Abgeordneter unserer Partei auch nur 10 Cent daran verdient. So, meine Damen und Herren, geht soziale Pandemiebekämpfung; so muss man das machen. ({3}) Von Corona, aber auch von vielen anderen Krankheiten sind nämlich nicht alle gleich betroffen, wie das immer behauptet wird. Es ist auch nicht ein Virus, das unser Land spaltet, sondern eine Politik, die seit vielen Jahren die Reichen schont und die Armut verschärft. ({4}) Um genau darauf den Fokus zu lenken, haben wir Professor Dr. Gerhard Trabert als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert, einen Mediziner, der aus Überzeugung seit vielen Jahren für die Überwindung von Armut und für das Menschenrecht auf Gesundheit für alle kämpft, jemanden, der Obdachlose, Geflüchtete und Menschen ohne Krankenversicherung behandelt, ohne danach zu fragen: Wer ist eigentlich der Kostenträger? Und was hast du für einen Aufenthaltsstatus? – In einem Sozialstaat sollte das eine Selbstverständlichkeit sein: Wer krank ist, bekommt Hilfe. Punkt! ({5}) Leider ist die Wirklichkeit in diesem Land aber eine andere, und viele Menschen leiden darunter. Es sollte übrigens auch klar sein, dass all diejenigen, die diese Hilfe leisten, dafür anständig bezahlt und anständig behandelt werden. Dass die Bundesregierung jetzt mit großem Bohei eine Coronaprämie für Pflegekräfte ankündigt, dann aber erst mal langwierig herausfinden möchte, wer denn überhaupt genug belastet war, um die auch verdient zu haben, nachdem Sie es geschafft haben, in nur vier Tagen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht durch dieses Parlament zu bringen, finde ich wirklich unfassbar und völlig unangemessen. ({6}) Der Koalitionsvertrag der Ampel verspricht bessere medizinische Versorgung, mehr Prävention, mehr Inklusion und bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege. Das ist alles überfällig, und dabei werden wir Sie selbstverständlich unterstützen. Aber man muss schon noch mal die Frage stellen: Wie wollen Sie das eigentlich finanzieren, wenn Sie nicht das Zweiklassensystem aus privat und gesetzlich Versicherten aufbrechen wollen und wenn Sie darauf verzichten, zumindest über höhere Steuern die exorbitanten Krisengewinne der Konzerne abzuschöpfen? Wenn nicht alle in eine Kasse einzahlen und damit die Lasten der Gesundheitsversorgung gerechter verteilt werden, dann werden wir doch nicht mehr Geld zur Verfügung haben. Dann werden die Versicherten höhere Beiträge bezahlen müssen. Steigende Beiträge bei den Krankenkassen belasten vor allem diejenigen, die sowieso wenig Geld haben. Seit Neujahr zahlt etwa jeder vierte gesetzlich Versicherte höhere Beiträge – zusätzlich zur höheren Stromrechnung, zur steigenden Miete, zu den gestiegenen Heizkosten und Lebensmittelpreisen. Das ist wirklich inakzeptabel, meine Damen und Herren. Ich komme zum Schluss. Meine Auffassung ist, dass unser Gesundheitswesen mit kleinen Reförmchen nicht zu retten ist. Wir brauchen einen Systemwechsel, der Gesundheit und Pflege endlich den Kapitalinteressen entzieht und sie als öffentliches Gut der Daseinsvorsorge organisiert, und dafür steht Die Linke. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion wird jetzt Dagmar Schmidt das Wort ergreifen. ({0})

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle sind der Pandemie müde. Trotzdem ist sie zu Recht das wichtigste Thema, und man muss heute in dieser Debatte etwas dazu sagen. Auch wenn es richtig ist, dass es Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen und ‑situationen unterschiedlich hart trifft: Eins kann man, glaube ich, festhalten: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene trifft es am härtesten. Lange Zeit war der Unterricht nur digital, dann mal im Wechselmodell, oftmals war er unzuverlässig. Die Quarantäne hat vor allem diejenigen Familien in die Verzweiflung getrieben, in denen mehrere Kinder in der Schule immer wieder betroffen waren und es immer noch sind. Unzählige Schul- und Berufsabschlüsse konnten nicht gefeiert werden. Die Berufsorientierung und Lebensplanung ist schwer geworden. Viele Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene hat es aus der Bahn geworfen. Auch Teile der Wirtschaft sind besonders hart betroffen: Gastronomie, Kultur, Tourismus. Besonders trifft es die Soloselbstständigen. Wir erleben gerade die höchsten Infektionszahlen dieser Pandemie, und sie ist noch nicht vorbei, auch wenn sich das alle so sehr wünschen. Deswegen gilt es, einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Dieser hat mit der neuen Regierung auch schon begonnen. Denn nicht, wie man es sich wünscht, dass es mit der Pandemie weitergeht, darf der Maßstab des politischen Handelns sein, sondern sich vorausschauend auf alles vorzubereiten. Wir wollen endlich vor die Lage kommen. ({0}) Dazu hat die Bundesregierung zuerst einen Krisenstab im Kanzleramt eingerichtet. Dass 30 Millionen Impfungen im vergangenen Dezember möglich wurden, ist das Verdienst von Generalmajor Breuer und seinem Stab, aber auch von all denjenigen, die in den Hausarztpraxen, in den Impfzentren und mit viel Fantasie und Initiative in Kirchen, in Moscheen und an vielen anderen Orten zum Impfen einladen und damit erfolgreich sind. Ihnen allen ein ganz großes Dankeschön. Und: Macht weiter so! ({1}) Zum Zweiten bekommt mit dem Expertenrat wissenschaftliche Expertise endlich eine institutionalisierte Rolle. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden, immer wieder angepasst an die aktuellen Studien, zur Grundlage des politischen Handelns. Sich gut vorzubereiten, dazu gehört aber auch, dass der Bund die Finanzierung der Impfzentren bis zum Jahresende zugesagt hat. Auch die Testzentren können ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen. Auch die Krankenhäuser erhalten für die Verschiebung planbarer Operationen Unterstützung vom Bund. Die Gesundheitsinfrastruktur wird so für den weiteren Verlauf der Pandemie gesichert und gestärkt, und das ist auch gut so. Zu all den vorausschauenden Maßnahmen, Instrumenten und Initiativen, mit denen wir vor die Lage und aus der Pandemie kommen wollen, gehört auch die Debatte um die Impfpflicht. Wir werden das in der nächsten Sitzungswoche ausführlich beraten. Aber so viel sei schon einmal gesagt: Wenn wir das Ziel teilen, dass dieses Auf und Ab – dieses Auf und Zu und wieder eine neue Welle – enden soll, und wenn wir nicht den Weg gehen wollen, es darauf ankommen zu lassen mit dem Risiko, dass Menschen sterben oder schwer erkranken, dann sollten wir Demokratinnen und Demokraten die nächsten Wochen dazu nutzen, gemeinsam über die Impfpflicht und alle anderen Instrumente zur Bekämpfung der Pandemie sachlich und ergebnisorientiert zu diskutieren. Ich lade Sie alle dazu herzlich ein. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, man lernt in dieser Pandemie nicht nur viel in Bezug auf den Charakter des einen oder der anderen, im Positiven wie im Negativen. Es gibt auch einige Lehren und Aufgaben aus der Pandemie, die nicht alle neu, aber wieder zu Recht auf der Tagesordnung sind. Dazu haben wir einiges im Koalitionsvertrag aufgeschrieben: Erstens: mehr Respekt vor der Arbeit im Gesundheitssystem. Wir werden die Pflegeberufe aufwerten mit besseren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen; mehr dazu nachher noch von meiner Kollegin Heike Baehrens. Zweitens. Jahrelang – und das gilt nicht nur für den öffentlichen Gesundheitsdienst – hat gegenüber den Kommunen die Aussage gegolten: Baut Stellen ab, koste es, was es wolle; denn es kostet zu viel. – Was es kostet, das sehen wir jetzt. Das Ergebnis sind überlastete Verwaltungen, die ihre Aufgaben, erst recht in einer solchen Ausnahmesituation, nicht mehr bürgerfreundlich ausführen können. Deswegen werden wir unter anderem den Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst fortsetzen, bei Bedarf mit weiteren Mitteln ausstatten und – das sage ich hier auch – die Länder in dieser Frage nicht aus der Verantwortung lassen. ({3}) Drittens: Digitalisierung. Das ist ein Riesenthema für die Ampel. Faxe, ausgedruckte Formulare, die anderswo wieder händisch eingegeben werden müssen, Briefe statt E-Mails, Behörden, die Daten nicht miteinander austauschen können, Verzögerung, mangelnde Übersicht und mangelnder Informationsfluss: ({4}) All das ist nicht mehr hinnehmbar, weder im Gesundheitswesen noch in den anderen Bereichen unseres Sozialstaats und unserer Verwaltung. Das gehen wir mit Nachdruck an. ({5}) Viertens. Einfacher Zugang und einfache Unterstützung und Hilfe dürfen nicht vom Wohnort abhängen. Deswegen führen wir mit der Gemeindeschwester ein neues Berufsbild ein und helfen Kommunen beim Aufbau Medizinischer Versorgungszentren. Das alles und vieles andere mehr haben wir vor, und ich freue mich darauf. Vielen Dank. ({6})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Kollege Lauterbach! Lieber Gesundheitsminister! Wir als Unionsfraktion stehen an Ihrer Seite, wenn es um das Thema „Bekämpfung der Pandemie“ geht. Wir werden bei allen Maßnahmen, die dafür notwendig sind, diese Pandemie in den Griff zu kriegen, auch an der Seite der Ampelkoalition stehen. Wir wünschen Ihnen alles Gute, Gottes Segen und viel Erfolg, dass wir diese nationale Katastrophe endlich hinter uns bringen. ({0}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber nun ist die Ampelkoalition am Zug. Doch die Ampel hat schon nach einem Monat auf Rot geschaltet. Was heißt „Rot“? „Rot“ heißt: Olaf Scholz. „Rot“ heißt: Versprochen, gebrochen. Versprechen Nummer eins war im Dezember des letzten Jahres, dass bis Weihnachten 30 Millionen Boosterimpfungen in die Oberarme gegeben werden. Es waren 25 Millionen. Versprechen Nummer zwei war am 7. Januar dieses Jahres, dass bis Ende Januar weitere 30 Millionen Boosterimpfungen in die Oberarme kommen. Das wird nicht erreichbar sein. Versprochen, gebrochen, Herr Scholz. Auch das nächste Versprechen kann der Bundeskanzler Olaf Scholz nicht einhalten: die ganze Thematik der allgemeinen Impfpflicht. Hier ist die Erarbeitung eines Gesetzentwurfs bis Ende Februar/Anfang März vorgeschlagen worden. Herr Lauterbach, Sie haben heute erklärt, dass Sie selbst keinen einbringen. Diese Regierung ist keine Fortschrittskoalition. Diese Regierung ist eine Ampel, diese Ampel steht auf Rot, und „Rot“ heißt: Olaf Scholz. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie kommen wir aus dieser Pandemie heraus? Sie sagen, Sie vertrauen auf wissenschaftlichen Rat. Warum haben Sie denn nicht auf den Expertenrat gehört? Der Expertenrat hat nicht 2 G Plus gefordert. Diese Regierung setzt 2 G Plus um und fordert dies, ohne dass der Expertenrat das getan hat. Die Experten haben vor Weihnachten, Herr Lauterbach, bereits darauf hingewiesen, dass wir bei einer Omikron-Wand im schlimmsten Falle 750 000 Neuinfektionen pro Tag haben werden. Bereits vor Weihnachten hat unsere Fraktion gefordert, PCR-Testungen als Gurgeltest oder im Poolverfahren auszuweiten, sie auf Gemeinschaftseinrichtungen wie Altenpflegeheime, Kitas und Schulen anzuwenden und dafür die Laborkapazität hochzufahren. Was stellen wir heute fest? Heute sagt der Leiter Ihres Krisenstabes – o Wunder –: Die Kapazitäten im PCR-Bereich sind erreicht. – Was bedeutet das im Umkehrschluss? Wir werden am Wochenende die Quarantänezeiten verkürzen, richtigerweise gerade für den gebeutelten Gesundheitsbereich, richtigerweise auch für junge Familien, junge Väter und Mütter, die ihre Kinder freitesten lassen wollen. Aber sie haben gar nicht die Möglichkeit. Das ist Regierungsversagen der Ampelkoalition unter Olaf Scholz, und das ist Ihnen anzulasten. Sie haben nicht einen Tag auf den Expertenrat gehört. Sie haben nicht auf die Wissenschaft gehört, die gesagt hat: Die Omikron-Wand wird kommen. – Wir werden nächste Woche über 100 000 Neuinfektionen sehen. Wir werden nächste Woche die richtigerweise verkürzten Quarantänezeiten gar nicht einhalten können, weil es nicht möglich sein wird, die Betroffenen aus der jeweiligen Quarantäne herauszutesten. Nun haben ja einige Koalitionäre das Thema Digitalisierung angesprochen. Liebe FDP, wir sind da bei Ihnen. Wir freuen uns auf Ihren Vorschlag zum Impfregister. Bringen Sie den endlich ein, ({1}) damit wir digitalisierte Aufnahmen haben, damit wir einen Datenbestand haben! Da sind wir an Ihrer Seite. Bringen Sie das Impfregister voran! Das brauchen wir, um epidemiologisch auf die nächste pandemische Situation eingehen zu können. Dann hören wir, dass junge Menschen nicht zum Hausarzt gehen oder keinen Hausarzt haben. Wenn Sie sich, liebe Kollegen der FDP, die Hausarztverteilung im ländlichen Raum anschauen, dann sehen Sie: Es liegt nicht daran, dass junge Menschen nicht zum Hausarzt gehen wollen. Sie können gar nicht zum Hausarzt gehen, weil keine Hausärzte mehr vor Ort sind! ({2}) Was fordert Ihre Ampelkoalition? Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen. Das ist ja der absolute Wahnsinn. Da wird demnächst der 22-jährige Fußballspieler an die Hand genommen und dann ins Impfzentrum geführt, damit er sich die Impfung abholt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, ich wollte Ihnen noch eine Chance geben, Ihre Redezeit zu verlängern. Es gibt nämlich eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke. Das kann ich aber nur so lange machen, wie Sie in Ihrer Redezeit sind; das sind noch 20 Sekunden.

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, sehr gerne, Frau Präsidentin.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann bitte schön. ({0})

Ates Gürpinar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005073, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Lieber Herr Kollege Müller, es ist ja ganz spannend, dass sich CDU/CSU und Die Linke bei der PCR-Testung sehr nahe sind. Sie haben vom Dezember gesprochen und davon, dass es dem Kollegen Lauterbach hätte bewusst sein müssen, die Labore aufzubauen. Wissen Sie, wer noch bis November im Gesundheitsministerium war und mehrere Jahre die Labore hätte aufbauen können, wie es in anderen Ländern übrigens auch passiert ist, die jetzt schon mit der PCR-Testung angefangen haben? Die Frage lautet also ganz einfach: Wer war denn im November im Gesundheitsministerium? ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank für die Zwischenfrage. Um darauf einzugehen: Selbstverständlich haben wir als Unionsfraktion auch in der letzten Bundesregierung den Bundesgesundheitsminister gestellt, der bis November da war. Die Omikron-Wand steht erst seit Dezember vor der Haustür. ({0}) Seit Dezember – übrigens erst zwei Tage vor Regierungswechsel – war klar, wer neuer Bundesgesundheitsminister wird. Deswegen ist es nicht angebracht, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. ({1}) Die Verantwortung für die Omikron-Wand liegt beim Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Weil Sie suggeriert haben, wir würden da zusammenstehen: Uns unterscheidet vor allem eins, nämlich dass wir das nicht nur fordern werden, sondern da auch vorangehen wollen. Ich habe ja mitbekommen, dass Sie auch das Thema Pflegebonus angesprochen haben. Da hört man ja auch komische Töne aus der Ampelkoalition. Hier sind wir schon dabei, zu sagen: Wir wollen die medizinischen Fachangestellten unterstützen, und wir wollen die Notfallsanitäter unterstützen. Das ist der Unterschied zwischen einer konstruktiven Opposition, die schon an Anträgen arbeitet, und einer linken Opposition in Ihren Reihen. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Saskia Weishaupt hat jetzt für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Das ist ihre erste Rede in diesem Haus. ({0})

Saskia Weishaupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005253, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 28 Prozent – 28 Prozent! – der Auszubildenden in der Pflege brechen ihre Ausbildung wieder ab. Bei kaum einem anderen Bereich ist die Abbruchquote so hoch. Die Gründe hierfür sind so vielfältig wie die Menschen, die die Ausbildung machen. Es lässt sich aber leider ein Muster erkennen: Auszubildende kehren der Pflege den Rücken zu, weil sie von den Bedingungen so erschöpft und enttäuscht sind, dass sie in der Pflege einfach keine Zukunftsperspektive mehr sehen. In einer Gesellschaft, die so stark vom demografischen Wandel betroffen ist, stehen wir vor einem Dilemma: Auf der einen Seite stehen die Menschen, die auf pflegerische Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, aber auf der anderen Seite halten immer mehr Pflegende die herrschenden Arbeitsbedingungen einfach nicht mehr aus. Die Pflege muss attraktiver werden. Dazu gehört eben auch die Ausbildung, und genau das haben wir uns zur Aufgabe gemacht. ({0}) Es geht aber nicht nur um junge Menschen, die ihren Beruf in der Pflege finden wollen, sondern es geht auch um die Menschen, die seit Jahren und Jahrzehnten bereits im Krankenhaus, in Praxen oder Seniorenheimen arbeiten. Sie verdienen nicht nur unseren Applaus und unseren Respekt, sondern auch eine ernsthafte Umsetzung ihrer Anliegen. ({1}) Es ist daher lange überfällig, was wir als Koalition auf den Weg bringen. Wir schaffen eine funktionierende und verbindliche Personalbemessung im Krankenhaus ({2}) und schließen endlich die Gehaltslücke zwischen der Alten- und Krankenpflege, und wir ergänzen die professionelle Pflege durch neue Berufsbilder. ({3}) Und ja, das muss natürlich auch gesagt werden: Bonuszahlungen sind nett. Aber die meisten wissen doch hier, dass Pfleger/-innen, ob in der Intensivpflege oder in der Altenpflege, und die medizinischen Fachangestellten – kurzum: die Menschen, die unser Gesundheitssystem am Laufen halten – mehr brauchen. Sie verdienen ein Gesundheitssystem, in dem sie ihren Job wieder so machen können, wie sie ihn gelernt haben: nah am Menschen und für den Menschen. Das gehen wir an. ({4}) Ich will noch eine zweite Zahl in die Runde geben: acht. Acht Ärztinnen und Ärzte sind derzeit auf der Seite der Bundesärztekammer gelistet, die in Bayern Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Kaum woanders ist die Versorgungslage von ungewollt Schwangeren so mangelhaft wie in Bayern. In manchen Regionen gibt es im Umkreis von 200 Kilometern keine Versorgung. Wer Schwangere und das Leben wirklich schützen will, der gibt Informationen frei, und das tun wir endlich mit der Streichung von § 219a. ({5}) Es ist ein Befreiungsschlag für ungewollt Schwangere, die sich endlich über eine Gesundheitsleistung vernünftig informieren können. Dieser Schritt ist weitreichend und ein erstes richtiges und wichtiges Signal für mehr Selbstbestimmung. Und da hören wir nicht auf; denn gemeinsam wollen wir auch § 218 auf den Prüfstand stellen und endlich eine Regelung erarbeiten, die dem 21. Jahrhundert gerecht wird. ({6}) Es geht aber nicht nur um ungewollt Schwangere. Auch Frauen, die ihre Schwangerschaft weiterführen wollen, haben mit einer wirklich mangelhaften Versorgung zu kämpfen. Mit einem Aktionsplan rund um die Geburt wollen wir Müttern und Hebammen eine Eins-zu-eins-Betreuung garantieren und die Versorgungslücke während der Schwangerschaft endlich schließen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Damen und Herren, im Jahr 2022 ist es schließlich Zeit für eine Koalition, die den Pflegerinnen und Pflegern hier in diesem Land eine Perspektive gibt und die Bedürfnisse von Frauen endlich ernst nimmt. Danke schön. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Professor Dr. Andrew Ullmann ergreift das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Minister Lauterbach! Wir brauchen endlich einen Perspektivenwechsel in der Gesundheitspolitik. Gesundheitspolitik darf nicht mehr nur als Kostenbelastung verstanden werden, und deshalb wollen wir mehr gestalten statt verwalten. Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden, ob alt oder jung, Mann oder Frau oder divers, egal wo sie wohnen, in ländlichen Regionen oder in der Stadt, und egal woher sie kommen. Mehr denn je ist in der Pandemie klar geworden, dass es nicht nur um ein abstraktes Gesundheitssystem geht, sondern um Menschen. Menschen sind auch mal Patientinnen und Patienten, Menschen arbeiten im Gesundheitswesen, wie Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte, Physiotherapeutinnen und ‑therapeuten und viele mehr. Deshalb werden wir diejenigen stärken, die im Gesundheitssystem arbeiten, und Patientinnen und Patienten die modernste, effektivste gesundheitliche Versorgung gewährleisten. Dazu gehört auch die Aufwertung der Zuwendungsmedizin. Wie werden aber auch die Gesundheitsindustrie als wichtigen Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor nach vorne bringen. Die Bedarfe der Menschen sind ja recht unterschiedlich. Deshalb ist die Medizin der Zukunft individualisiert und spezialisiert. Wir in der Ampel werden den Weg der maßgeschneiderten und fortschrittlichen Medizin konsequent einschlagen. ({0}) Dazu möchte ich gerne zwei Punkte aus dem Koalitionsvertrag besonders hervorheben: Wir alle kennen die Probleme in den Krankenhäusern und in der Notfallversorgung; wir haben sie seit Jahren übrigens auch angemerkt. Diese Bundesregierung wird diese Thematik endlich auch angehen. Viele beklagen nämlich zu Recht den wachsenden Einfluss der betriebswirtschaftlichen Ziele auf die medizinische Versorgung in den Kliniken: Fehlanreize in den Abrechnungssystemen bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten, unzureichende Investitionen der Länder, fehlende Mittel zum Ausgleich der Vorhaltekosten. Stellenkürzungen sind häufig die Folge. Die gesundheitliche Versorgung verschlechtert sich, und das alles auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten und der Menschen, die in diesem Gesundheitssystem arbeiten. Das Hamsterrad läuft heiß; Burn-out und zunehmende Unzufriedenheit auf allen Ebenen werden offensichtlich. Dieser Herausforderung stellen wir uns. Wir werden die Probleme beseitigen. Wir wollen die Arbeitsplätze attraktiv machen, damit die Gesundheitsarbeiterinnen und ‑arbeiter wieder gerne zur Arbeit gehen. Neben der dringend notwendigen Reform der Fallpauschalen wird für die Finanzierung der Krankenhäuser die Vorhaltepauschale erarbeitet. Sie wird zu einer weiteren wichtigen und neuen Säule der Finanzierung der Krankenhäuser. Im ersten Schritt werden die Kinderstationen, die Geburtshilfe und die Notfallversorgung mengenunabhängig finanziert werden. In der ambulanten und stationären Versorgung werden Qualitätsvorgaben zunehmend eine Rolle spielen. Versorgung muss endlich vernetzter gedacht werden. Ambulante und stationäre Versorgung werden zusammen weiterentwickelt im Sinne einer sektorenübergreifenden Versorgungsplanung, um den Betroffenen unnötige stationäre Krankenhausaufenthalte zu ersparen. ({1}) Im zweiten Punkt – nicht ganz unwichtig; dafür haben wir auch in der letzten Legislaturperiode gekämpft – werden wir uns verantwortungsvoll für eine neue und moderne Drogenpolitik einsetzen, zum Beispiel für die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene. ({2}) Eine Legalisierung wird den Schwarzmarkt endlich eindämmen. Die Qualität von legalen Drogen kann überwacht werden. Es wird dann viel weniger verunreinigte Substanzen und Vergiftungen geben. Der Jugendschutz ist besser zu gewährleisten. Das, meine Damen und Herren, ist moderne und gute Drogenpolitik. ({3}) Wir als Fortschrittsregierung haben uns gesundheitspolitisch ambitionierte Ziele für die kommenden vier Jahre gesetzt. Viele Punkte konnte man jetzt in dieser Kürze nicht aufführen, aber einen Punkt dürfen wir nicht vergessen. Wir haben heute sehr viel über die Pandemie gesprochen. Ich weiß, dass der Kollege Karl Lauterbach mit seinem BMG hart dagegen kämpft. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Pandemie global wütet. Als Fortschrittskoalitionäre denken wir global, handeln lokal und europäisch. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank.

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Pandemiekrise – –

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Redezeit ist ganz schön weit überschritten; das haben Sie wahrscheinlich auch gesehen.

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja. – Diese Pandemiekrise bietet uns die Chance für Veränderungen und Fortschritt. Lassen Sie uns das zusammen angehen. Ich freue mich auf die nächsten Jahre der Zusammenarbeit in der Ampel für ein modernes Gesundheitswesen. Danke schön. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Erwin Rüddel kommt jetzt zu Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Erwin Rüddel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst zum Thema Impfpflicht. Die Ampel muss hier liefern. Die Koalition muss sagen, was sie will, ({0}) und das nicht nur in Sachen Impfpflicht, sondern auch in der Frage, ob es ein Impfregister geben soll, weil das eine sehr eng mit dem anderen zusammenhängt. Die Klärung dieser Fragen ist nicht die Aufgabe der Opposition; das ist Ihr Auftrag. Sie haben die Mehrheit, ({1}) Sie haben den Regierungsauftrag, und Sie haben die Verantwortung. Also hören Sie auf, bei der Impfpflicht rumzueiern, und sagen Sie den Menschen in Deutschland, was Sie vorhaben und ob Sie hinter Ihrem Kanzler und Ihrem Gesundheitsminister stehen. ({2}) Hören Sie auf, sich hinter Gewissensfragen zu verschanzen, um Ihre Uneinigkeit zu verdecken. ({3}) Als wir über die Masernimpfpflicht gesprochen haben und als wir über die Impfpflicht für die Pflege diskutiert haben, war das Thema Gewissensentscheidung nicht auf der Tagesordnung. In einem Satz: Meine Fraktion erwartet von Ihnen, von der Ampel, einen Gesetzesvorschlag mit Substanz. Wir werden ihn dann entsprechend bewerten und Ihnen sagen, was wir davon halten. ({4}) Meine Damen und Herren, Omikron ist offenbar dabei, die Spielregeln zu verändern. Die WHO sagt voraus, dass sich in den nächsten acht Wochen in Europa mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mit Omikron infizieren könnten. Auch mit schärferen Maßnahmen werden wir das kaum verhindern. Umso dringlicher ist es, die Digitalisierung unseres Gesundheitswesens voranzubringen. Beispielsweise haben Bund und Länder vor mehr als einem Jahr mit dem Pakt für den ÖGD 4 Milliarden Euro speziell zur Digitalisierung der Gesundheitsämter zur Verfügung gestellt. Ich höre gern, dass Sie den von uns eingeschlagenen Weg zur besseren Digitalisierung des Gesundheitssystems aktiv weiter beschreiten wollen. Wir benötigen zur Bekämpfung von Covid-19 endlich valide Daten. Das bedeutet möglicherweise auch eine Abwägung mit dem Datenschutz. Zur Bekämpfung der Pandemie muss immer wieder auch an Grundrechte herangegangen werden. Dabei darf der Datenschutz keine Sonderstellung als Supergrundrecht einnehmen. ({5}) Aber wir reden heute nicht nur über Corona. Wir haben natürlich Verständnis dafür, dass der Gesundheitsminister hier seine Schwerpunkte auf die Pandemiebekämpfung legen muss. Trotzdem stellen sich mit Blick auf allerhand Ankündigungen im Koalitionsvertrag Fragen, die bald beantwortet werden müssen. Zum Stichwort „Digitalisierung“ haben wir bereits einiges gehört. Der zum Jahreswechsel geplante Start des E-Rezeptes wurde leider verschoben. Aber wie geht es weiter mit den Krankenkassen- und Pflegebeiträgen? Was wird aus der Garantie, die Sozialbeiträge nicht über 40 Prozent steigen zu lassen? Das sind Fragen, die angesichts der Inflation und der höchsten Kaufkraftverluste seit Jahrzehnten für Millionen von Menschen von besonderer Bedeutung sind. Wie stellt sich der Minister künftig die Planung und Finanzierung der Krankenhäuser vor, wie die Notfallversorgung? Was planen Sie konkret zur Überwindung von Sektorengrenzen? Und wird die Ampel das Versprechen einhalten, höhere GKV-Beiträge für die Bezieher von Arbeitslosengeld II künftig aus Steuermitteln zu leisten? Das, meine Damen und Herren, sind nur einige der Fragen, die in den nächsten Wochen und Monaten vom neuen Gesundheitsminister beantwortet werden müssen. Vielen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Rednerin ist Heike Baehrens für die SPD-Fraktion. ({0})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Stresstest der Pandemie zeigen sich deutlich die Stärken und Schwächen unseres Gesundheitssystems: hoher medizinischer Standard, außerordentliche Leistungsfähigkeit unserer Krankenhäuser und unserer ambulanten Versorgungsstrukturen, aber auf der anderen Seite ausgeprägter Personalmangel in allen Pflegebereichen, schlecht ausgestatteter und überforderter Öffentlicher Gesundheitsdienst und noch immer nicht überwundene Abstimmungsprobleme zwischen dem Bund und den Bundesländern. Das sind die großen Herausforderungen, denen sich die neue Koalition mit großem Verantwortungsbewusstsein stellt, mit dem Mut und der Lust zu Fortschritt und Aufbruch. ({0}) Bürgerfreundlicher, transparenter, unbürokratischer soll der Sozialstaat werden, auch in der Gesundheits- und Pflegepolitik. Wir werden die verkrusteten Strukturen in der Pflege aufbrechen und die sektorenübergreifende Versorgung voranbringen. Wir werden Entscheidungsprozesse beschleunigen. Warum eigentlich geht es nicht voran mit den Personalschlüsseln in der Pflege und mit der PPR 2.0 im Krankenhaus? Das werden wir vorantreiben. ({1}) Wir werden die Digitalisierung und Entbürokratisierung vorantreiben, damit Pflege wirklich pflegen kann, damit Ärzte und Ärztinnen Zeit zum Sprechen mit ihren Patientinnen und Patienten haben. Überbelastung, Unterbesetzung, schwierige Arbeitsbedingungen, das muss ein Ende haben, weil es die Pflege selbst krank macht. ({2}) Gute Pflege braucht gute Bezahlung; das muss selbstverständlich sein. Darum braucht es endlich einen ordentlichen Pflegetarifvertrag. ({3}) Ja, das alles kostet viel Geld. Aber das muss es uns wert sein. Denn nur so kann es gelingen, mehr Menschen für diese so wichtigen Berufe zu gewinnen. Nur so schützen und fördern wir das öffentliche Gut Pflege. ({4}) Allen muss inzwischen klar sein: Es gibt noch etwas Schlimmeres als teure Pflege, nämlich keine Pflege. Deshalb müssen wir in unserer alternden Gesellschaft dafür sorgen, dass wir die größte Herausforderung, nämlich genug Menschen für diese wichtigen Berufe zu gewinnen, wirklich mit langem Atem anpacken. Das ist auch eine Frage des Respekts, wie unser Kanzler Olaf Scholz immer wieder sehr nachdrücklich betont, des Respekts vor dem Leben jedes einzelnen Menschen, aber eben auch des Respekts vor dem, was in der Pflege geleistet wird. ({5}) Noch etwas anderes hat uns die Pandemie wie unter einem Brennglas gezeigt, nämlich dass es nicht ausreicht, die Stärken unseres Gesundheitssystems auszubauen und unsere Schwächen zu beheben. Vielmehr ist es bei dieser Debatte dringend nötig, weit über den Tellerrand hinauszuschauen. Denn wer die Pandemie unter Kontrolle bringen will, muss den Blick auf das globale Ganze richten. ({6}) Mit mindestens genauso viel Energie wie für unsere heimische Impfkampagne müssen wir dazu beitragen, dass weltweit alle Menschen geimpft werden können. Wir brauchen noch mehr Einsatz bei Covax, dem Impfstoffverteilmechanismus der Weltgesundheitsorganisation, und ein überzeugenderes Engagement der Impfstoffhersteller beim Aufbau von Produktionskapazitäten im Globalen Süden. ({7}) Wenn Unternehmen wie Pfizer oder Moderna, auch durch die guten Preise, die von den einkommensstarken Nationen gezahlt werden, derzeit pro Sekunde 1 000 Dollar verdienen, dann haben sie die verdammte Pflicht, dafür zu sorgen, dass endlich auch die Menschen in den ärmsten Ländern dieser Welt geimpft werden können. ({8}) Nur so kommen wir aus dem Strudel heraus, der uns immer neue Mutationen bescheren kann.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Vogler zulassen?

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön. ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ganz genau, lieber Kollege. ({0}) Liebe Kollegin Heike Baehrens, ich finde, Sie haben da einen wichtigen und richtigen Punkt angesprochen. Ich freue mich auch, dass die Regierungsfraktionen diese Sachlage erkannt haben. Aber warum verschließen Sie sich dann nach wie vor der Forderung wichtiger großer Schwellen- und Entwicklungsländer, die Patente für Medizinprodukte, Arzneimittel und Impfstoffe aufzuheben, damit Fabriken, beispielsweise in Südafrika, Indien oder anderen Ländern des Globalen Südens, in die Lage versetzt werden, ohne Lizenzzahlungen an die ohnehin sehr gut verdienenden Pharmaunternehmen in den reichen Ländern selber diese notwendigen Produkte zur Bewältigung der Pandemie zu produzieren und damit eben auch einen Grundstock zu legen gegen die Entstehung immer neuer Virusvarianten, die dann ja auch zu uns kommen? ({1})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Vogler, für diese Nachfrage. – Sie kennen ja meine persönliche Haltung dazu. Ich kann Ihnen auch klar sagen: Diese Regierung verschließt sich dieser Diskussion nicht. Es wird sehr ernsthaft darüber nachgedacht, wie man es machen kann und ob es der richtige Weg ist, mit der vorübergehenden Aussetzung von Patenten den Zugang zu den Impfstoffen zu beschleunigen. Natürlich braucht der Produktionsaufbau in den Ländern des Globalen Südens sehr viel Zeit; wir brauchen aber heute den Zugang zu den Impfstoffen. Deshalb mein klarer Appell an die Impfstoffhersteller: Sie haben es in der Hand, heute dafür zu sorgen, dass Impfstoffe eben nicht nur schnell dorthin gelangen, wo hohe Preise gezahlt werden, sondern auch dorthin, wo eben keine hohen Preise gezahlt werden und die Menschen die Impfstoffe nicht erhalten. Vielen Dank für Ihre Frage. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, auch der Kollege Sorge hat eine Zwischenfrage. Wollen Sie diese auch noch zulassen?

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gerne.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dann bitte schön.

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Baehrens, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie hatten ja in Ihren Ausführungen das übliche Argument des Sozialneides angeführt, dass die bösen Unternehmen doch mehr zahlen sollten und sich gar nicht an sozialen Dingen beteiligen würden. Ich würde Sie dazu gern etwas fragen. Wir haben in Deutschland mit BioNTech glücklicherweise ein Unternehmen, das auch bei Impfstoffen sehr innovativ ist. Ist Ihnen bekannt, dass BioNTech für das letzte Jahr über 1 Milliarde Euro Steuern an die Stadt Mainz zahlt und dass sogar Ihr Kollege, Herr Ebling, seines Zeichens SPD-Oberbürgermeister, das mit Freude zur Kenntnis genommen hat? Wie passt das zu Ihren Ausführungen, dass Unternehmen sich an solchen Dingen nicht beteiligen? Das würde mich mal interessieren. Vielen Dank. ({0})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Sorge, für die Nachfrage. – Zum Ersten habe ich überhaupt nicht über Sozialneid gesprochen. Das will ich hier klarstellen. ({0}) Zum Zweiten sollte es selbstverständlich sein, dass Unternehmen, die in unserem Land Gewinne erwirtschaften, auch in unserem Land, also dort, wo sie ihre Standorte haben, ordentlich Steuern zahlen. ({1}) Es ist gut für die Stadt Mainz und gut für das Land Rheinland-Pfalz, dass diese Firma dort ansässig ist. Aber es ist mindestens genauso gut, dass Deutschland mit seinen Forschungs- und Förderprogrammen ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass diejenigen, die zum Beispiel an Krebsmedikamenten geforscht haben, jetzt die Möglichkeit hatten, diese jahrzehntelange Forschung umzusetzen, um ganz schnell einen Impfstoff zu produzieren. ({2}) Das ist hoch anerkennenswert, aber auch deshalb zustande gekommen, weil diese Unternehmen, weil diese Forscherinnen und Forscher öffentlich gefördert wurden. ({3}) Deshalb haben diese Unternehmen die Verantwortung, das, was dabei herausgekommen ist, diese enormen Renditen, auch wieder der Gemeinwohlverantwortung zuzuführen. ({4}) Daher sage ich: Wir haben hier international eine große Verantwortung, aber auch die Unternehmen haben hier eine riesengroße Verantwortung. ({5}) Ich bin der festen Überzeugung, dass sich Investitionen in Gesundheit weltweit vielfach auszahlen werden. Wo Menschen öffentlich abgesichert oder sozialversichert sind, werden sie nicht von den Behandlungskosten überfordert und in Armut gedrängt. Wo alle Bevölkerungsgruppen direkten Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung haben, können sie ein Leben in Würde führen. Das ist die Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass Staaten in Frieden miteinander leben und handeln können. Dafür brauchen wir auch eine starke Weltgesundheitsorganisation als leitende koordinierende Instanz beim Krisenmanagement, zur Prävention und für den Aufbau einer universellen Gesundheitsversorgung für alle. Dafür sollte sich Deutschland auch in Zukunft starkmachen. ({6}) Ich komme zum Schluss. Ja, wir wissen, worauf es in der nationalen und globalen Gesundheitspolitik ankommt. Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam daran arbeiten zu können. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt spricht Stephan Pilsinger für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern, am 12. Januar, haben die Gesundheitsämter dem Robert-Koch-Institut 80 430 neue Coronaansteckungen in Deutschland gemeldet. Das sind so viele wie nie zuvor an einem Tag in dieser Pandemie. Kanzler Olaf Scholz hat schon im November 2021 mitgeteilt, dass der Deutsche Bundestag bis Ende Februar 2022 ein Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht beschließen soll. Und was hat die Bundesregierung bisher an Gesetzentwürfen oder wenigstens an Formulierungshilfen zur Einführung der Impfpflicht geliefert, die der Bundestag ordentlich beraten könnte? ({0}) Was hat die Bundesregierung bisher getan, um die hochinfektiöse Omikron-Variante rechtzeitig durch eine Impfpflicht einzudämmen? Ich sage es Ihnen: Nichts, einfach gar nichts! ({1}) Meine Damen und Herren, hier zeigt sich leider sehr deutlich, dass Links-Gelb bei der Pandemiebekämpfung und bei der sehr wichtigen Frage der Impfpflicht noch immer kein Konzept hat. ({2}) Aus Angst vor diesem unstrittig wichtigen Thema duckt sich die Ampel weg und hofft auf interfraktionelle Gruppenanträge. Ich muss es leider so sagen: Herr Scholz hat in dieser Frage nicht genug Führungsstärke und die Ampel keinen Kompass in der Pandemiebekämpfung. ({3}) Die Wahrheit ist – und das wird langsam jedem klar –: Weil die Ampel keine eigene Mehrheit für ein Gesetz zu einer wie auch immer ausgestalteten Impfpflicht hat, ({4}) macht sie diese ganz klar politische Frage der Impfpflicht plötzlich zu einer ethischen Gewissensentscheidung und hofft, dass diese Entscheidung mit tatkräftiger Hilfe der Opposition gefällt wird. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Entschuldigung, Herr Kollege. Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion. Möchten Sie die zulassen?

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, die lasse ich zu.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege, für das Zulassen dieser Zwischenfrage. – Nach dem, was Sie eben gesagt haben, entsteht für mich der Eindruck, dass Sie bzw. die Kollegen Ihrer Fraktion ohne Wenn und Aber für eine Impfpflicht eintreten. Haben wir alle das hier richtig verstanden?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Lieber Herr Kollege, seien Sie doch so gut und setzen Sie Ihre Maske richtig auf. – Danke schön. ({0})

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Ihre Zwischenfrage, die es zulässt, mal klarzumachen, was unsere Position ist. Wir sind der Meinung, dass die Regierung diesem Haus einen ordentlichen und rechtssicheren Vorschlag vorlegen muss. Dann werden wir als Union das bewerten und entsprechende Vorschläge machen. Ich glaube, das ist der richtige Rahmen. Wir werden unsere Zustimmung am Inhalt des Gesetzes festmachen. „Ohne Wenn und Aber“ ist der falsche Ausdruck. Wir wollen einen guten gesetzlichen Rahmen. Den Gesetzesvorschlag werden wir bewerten, wenn er in diesem Haus vorliegt. ({0}) Ich frage: Gibt es einen signifikanten Grund, warum die Einführung einer Impfpflicht für das Pflegepersonal Ende letzten Jahres oder einer Masernimpfpflicht in der letzten Legislaturperiode keine Gewissensentscheidung war und die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht jetzt eine sein soll? Die gestrige Regierungsbefragung von Olaf Scholz hat klar gezeigt: Der Bundeskanzler hat darauf keine befriedigende Antwort. Es gibt einfach keinen Grund dafür. ({1}) Sehr geehrter Bundeskanzler Scholz, sehr geehrter Gesundheitsminister Lauterbach, kommen Sie jetzt rasch der Ihnen aufgetragenen Aufgabe nach! Übernehmen Sie als Regierung Verantwortung, und legen Sie endlich einen rechtssicheren und vernünftigen Gesetzentwurf vor, über den das Parlament dann ordentlich beraten und entscheiden kann! Wir als Union werden uns dann gerne konstruktiv an der Debatte beteiligen. Das ist das Verantwortungsbewusstsein, das ich eigentlich von einer Bundesregierung erwarten würde. ({2}) Wenn Sie wollen, Herr Lauterbach, können wir als neue Serviceopposition Sie gerne beraten. Wir laden Sie ein: Kommen Sie ausnahmsweise mal zu uns in den Gesundheitsausschuss. Sie müssen zum Diskutieren nicht nach Hamburg zu Markus Lanz fahren. Für einen Fernsehstar wie Sie nehmen wir uns immer gerne Zeit. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie fordern scheinbar Zwischenfragen heraus. Herr Ullmann würde gerne auch noch eine stellen. Das ist dann aber die letzte, die ich zu dieser Rede zulasse – schon mal als Hinweis für die Übrigen.

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Pilsinger, danke, dass Sie die Frage zulassen. – Da Sie gerade über die Impfpflicht gesprochen haben, habe ich die Frage: Gibt es in Ihrer Fraktion eigentlich eine Positionierung bezüglich einer Impfpflicht? Haben Sie eine Position, oder haben Sie keine? Oder sind Sie noch am Überlegen? Und wenn Sie Vorschläge unterbreiten wollen, haben Sie dann im Ministerium schon mal nachgefragt, ob Sie Formulierungshilfen haben wollen? ({0})

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, vielen Dank für die Nachfrage. – Natürlich sind wir in der Entscheidungsfindungsphase. Aber für eine Entscheidung brauchen wir wichtige Informationen aus dem Ministerium. Die entsprechenden Fachanfragen, die für eine so schwierige Entscheidungsfindung wichtig sind, haben wir vor Weihnachten schon gestellt. Leider haben wir keine Antwort erhalten. Wir müssen als Opposition das parlamentarische Fragerecht in Anspruch nehmen, um Antworten zu erzwingen. Wenn der Herr Minister schon von sich aus dem Wunsch nach Beantwortung unserer Fragen nachgekommen wäre, hätten wir schon einen Entscheidungsvorschlag vorlegen können; aber leider ist das nicht erfolgt. Deswegen hoffen wir auf die fachlich guten Antworten vom Ministerium, die wir noch brauchen. Dann können wir gut entscheiden. ({0}) Über was wir auch ernsthaft reden müssen, Herr Minister: Auf meine parlamentarische Anfrage hin hat mir Ihre Parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar mitgeteilt, dass die Bundesregierung den Medizinischen Fachangestellten in den niedergelassenen Praxen, im Gegensatz zu den Pflegekräften in den Krankenhäusern und Pflegeheimen, keinen staatlichen Coronasonderbonus zahlen will. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die in dieser Pandemie wirklich ihresgleichen sucht. ({1}) Die Bundesregierung denkt also, dass die Arzthelferinnen und Arzthelfer mit ihren kleinen Gehältern, im Gegensatz zum Personal in den Alten- und Pflegeheimen, nicht genug leisten, um auch staatlich angemessen honoriert zu werden. Das ist unanständig und auch inhaltlich grob falsch. ({2}) Ohne den enormen Arbeitseinsatz der Arzthelferinnen und Arzthelfer in der ambulanten Versorgung hätten viel mehr Patienten in den Krankenhäusern behandelt werden müssen. Das hätte unser Gesundheitssystem wahrscheinlich wirklich kollabieren lassen. Ohne die Medizinischen Fachangestellten wären die Organisation und Durchführung von Millionen Coronaimpfungen in den Praxen sicher so nicht möglich gewesen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, vielen Dank.

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also geben Sie sich einen Ruck, Herr Lauterbach. Zeigen Sie mehr Anerkennung für die oft bis zur Erschöpfung gehende tägliche Leistung unserer Medizinischen Fachangestellten in den Praxen. Das wäre wirklich eine Frage der Ethik. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wenn ich „vielen Dank“ sage, meine ich, dass die Redezeit zu Ende ist. ({0}) - „Vielen Dank“ ist nicht nett gemeint. Dann ist die Redezeit schon sehr weit überzogen. ({1}) – Ich weiß. Deswegen erkläre ich es auch. Dann haben das schon mal alle verstanden. Jetzt gebe ich Professor Dr. Armin Grau zu seiner ersten Rede das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({2})

Prof. Dr. Armin Grau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Gesundheitswesen hat die extremen Anforderungen in der Coronapandemie gut gemeistert. Die Beschäftigten in Krankenhäusern, Praxen und anderen Einrichtungen haben Gewaltiges geleistet. Dafür gebührt ihnen unser großer Dank. ({0}) Aber unser Gesundheitswesen hat auch seine Verletzlichkeit gezeigt, und es ist wichtig, jetzt zügig Reformen anzupacken, um eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung zu sichern. Rund 60 Prozent der deutschen Krankenhäuser rechnen für 2021 mit Verlusten. Hier werden wir als Ampel es verhindern, dass Corona zu einem Krankenhaussterben führt. Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig die Vorhaltung von Versorgungskapazitäten ist. Die aktuelle Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser beruht auf Fallpauschalen. Das bedeutet, dass die ohnehin vorhandenen Kosten, die Vorhaltekosten, über einzelne Patientinnen und Patienten finanziert werden. Daraus resultieren wirtschaftliche Fehlanreize bis hin zu Fallzahlausweitungen und zur Erbringung besonders lukrativer Leistungen. Das ist längst nicht immer bedarfsgerecht. Patienten und Patientinnen werden zum Wirtschaftsfaktor und Ärzte und Ärztinnen stehen oft im zermürbenden Zielkonflikt zwischen den ökonomischen Interessen ihres Krankenhauses und den Interessen ihrer Patienten und Patientinnen. Ich habe 19 Jahre lang eine Klinik geleitet und kenne diese Konflikte. Mir liegt am Herzen, dass es jetzt zu positiven Veränderungen kommt, etwas, was die Vorgängerregierung in keiner Weise geschafft hat. ({1}) Ein wichtiger Schritt dafür ist eine gesonderte Finanzierung von Vorhaltekosten, ein Punkt, der uns Grünen im Koalitionsvertrag sehr wichtig war. Parallel dazu bringen wir eine Strukturreform auf den Weg. Die Krankenhausplanung muss gestärkt werden; dabei müssen Erreichbarkeit und regionale Krankheitshäufigkeit berücksichtigt werden. ({2}) Mit einem Bund-Länder-Pakt müssen die stark unterfinanzierten Krankenhausinvestitionen verbessert werden. Im Gesundheitswesen ist Zusammenarbeit Trumpf. Deswegen wollen wir eine gemeinsame ambulante und stationäre Versorgungsplanung. ({3}) Bislang unnötig stationär erbrachte Leistungen erfolgen zukünftig ambulant. In Gesundheitsregionen fördern wir über Berufsgruppen und Sektoren hinweg die Zusammenarbeit. Armut macht krank. Daher machen wir in besonders benachteiligten Regionen neue niedrigschwellige Angebote. ({4}) Ich freue mich, dass wir diese Punkte im Koalitionsvertrag unterbringen konnten. Gesundheitsversorgung ist Daseinsvorsorge. Der Leitfaden unserer Politik ist eine klare Orientierung am Nutzen für die Menschen in unserem Land. Auch wirtschaftlich gesehen ist das langfristig die klügste Strategie. So entwickeln wir in und nach der Pandemie unser bereits jetzt starkes Gesundheitswesen weiter. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in diesem Haus. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das war top in der Zeit, insofern sehr erstaunlich für eine erste Rede.

Kerstin Griese (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003440

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bundesminister Hubertus Heil bedauert, dass er heute nicht selbst vor dem Deutschen Bundestag reden kann, aber er hat sich aufgrund eines Kontakts zu einer positiv getesteten Person in häusliche Quarantäne begeben. Deshalb will ich Ihnen heute unsere Ziele in der Arbeits- und Sozialpolitik vorstellen. Meine Damen und Herren, die neue Bundesregierung will unser Land gut und gemeinsam durch dieses spannende Jahrzehnt steuern. Wir haben dazu ein anspruchsvolles Ziel für unsere Politik formuliert: Wir wollen mehr Fortschritt wagen. Uns ist dabei besonders wichtig, dass wir mehr sozialen Fortschritt in Deutschland wagen. ({0}) Sozialer Fortschritt bedeutet, das Leben für die Menschen besser zu machen, besser zu machen durch Respekt vor ihrer Leistung, durch höheres Einkommen, durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sozialer Fortschritt bedeutet auch, dass wir dabei alle mitnehmen, nicht nur die Starken. Gerade dann, wenn sich so viel ändert, müssen sich alle auf die soziale Sicherheit in Deutschland verlassen können, auf stabile Renten, auf einen Sozialstaat mit weniger Bürokratie, der Chancen und Schutz bietet. Diese Verlässlichkeit ist die große Stärke unseres Landes. Wir haben einen der wirksamsten, stärksten und stabilsten Sozialstaaten der Welt; das hat auch die Coronakrise gezeigt. Wir haben stabile Renten, unsere soziale Sicherung hat funktioniert. Das ist ein gutes Zeichen. ({1}) Das ist auch wichtig in einer Welt des Wandels; denn Fortschritt, den wir alle wollen, braucht Vertrauen, damit die Menschen mitkommen. Meine Damen und Herren, sozialer Fortschritt heißt auch, dass wir ein inklusives Land sein wollen, dass wir Deutschland barrierefrei machen wollen und dass wir gerade für Menschen mit Behinderung mehr Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt schaffen wollen. ({2}) Sozialer Fortschritt bedeutet auch, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von diesem Wandel etwas haben; denn wir erleben in diesem Jahrzehnt eine Zeitenwende auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren mehr als halbiert. Man muss sich das mal vorstellen: Heute sind es 5 Prozent, 2005 hatten wir noch 13 Prozent Arbeitslosigkeit. Wir haben die höchste Zahl an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, die es je in Deutschland gab, ein Rekordhoch von 34 Millionen Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit der deutschen Einheit. Das ist eine gute Ausgangslage. ({3}) Das Problem ist ein anderes. In vielen Branchen und Regionen fehlen heute keine Arbeitsplätze, sondern Arbeitskräfte, vor allem Fachkräfte. Ob man IT-Spezialistin ist, Bauarbeiter oder Pflegekraft – in mehr und mehr Berufen kann man sich heutzutage den Job schon fast aussuchen. Gleichzeitig erfordern neue Technologien und der Wandel in Zukunft auch neue Qualifikationen, am Band und im Büro, in der Autoindustrie genauso wie zum Beispiel bei der Versicherung. Unser Ziel ist es, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute die Arbeit von morgen gut machen können. ({4}) Deshalb brauchen wir eine Doppelstrategie auf dem Arbeitsmarkt. Erstens müssen wir die Folgen der Pandemie auch in Zukunft weiter im Griff behalten, gerade angesichts der Omikronvariante. Dafür haben wir Vorsorge getroffen: Das Kurzarbeitergeld ist unsere Brücke über das tiefe Tal; denn das Kurzarbeitergeld sichert Jobs und damit Familieneinkommen. ({5}) Zweitens machen wir Tempo beim Thema Fachkräftesicherung, und das ist dringend nötig. Dabei setzen wir vier Prioritäten: Erstens. Wir machen den Weg frei für Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir wollen zum Beispiel mit Alltagshelfern und Alltagshelferinnen die Menschen entlasten. Das wird Familien helfen, das wird Jobs aus der Schwarzarbeit holen, es entstehen gute und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Zweitens. Wir verbessern die qualifizierte Zuwanderung durch Abschaffung von Arbeitsverboten, durch die Möglichkeit des Spurwechsels und durch den Ausbau von Sprachangeboten. Das wird mehr Fachkräftezuwanderung bringen. ({6}) Drittens. Wir bringen Langzeitarbeitslose zurück auf den Arbeitsmarkt. Der soziale Arbeitsmarkt, den wir eingeführt haben, ist ein Erfolg; ich weiß das gerade aus Nordrhein-Westfalen. Er wird verstetigt. Damit haben mehr Menschen eine Chance. Wir sorgen für Ausbildung statt Aushilfsjob mit der Einführung des Bürgergeldes und mit neuen Regeln, die Menschen künftig besser befähigen, in Arbeit zu kommen. ({7}) Viertens. Wir wollen Weiterbildungsweltmeister werden. ({8}) Das ist ein großer Anspruch, aber das werden wir tun; denn das brauchen wir in diesem Land. Wir werden, angelehnt an das Transformationskurzarbeitergeld, mit einem Qualifizierungsgeld die betriebliche Weiterbildung vorantreiben. Das ist gerade da wichtig, wo ein erheblicher Wandel ansteht. Ich denke zum Beispiel an die Zulieferindustrie im Bereich der Automobilindustrie. Da wird Weiterbildung ganz wichtig sein. ({9}) Mit diesem Vorhaben eröffnen wir Chancen, Chancen für Millionen von Menschen, Chancen für neue Fähigkeiten, für beruflichen Aufstieg, für besseres Einkommen. So sieht sozialer Fortschritt aus. ({10}) Sozialer Fortschritt bedeutet nicht zuletzt mehr Leistungsgerechtigkeit und mehr Respekt auf dem Arbeitsmarkt. Das betrifft besonders die Frauen in Deutschland; denn sie sind es, die immer noch am meisten mit der Mehrfachbelastung durch Familie und Beruf konfrontiert sind. Sie haben immer noch die niedrigeren Löhne, immer noch häufiger eine prekäre Beschäftigung und niedrige Renten. Gerade die Frauen, die unser Land am Laufen halten, ganz besonders in der Krise, haben mehr verdient. Deshalb sage ich: Wir müssen mehr für die tun, die so viel für uns alle tun. ({11}) Deswegen haben wir die Grundrente eingeführt, deswegen haben wir den Pflegemindestlohn erhöht, und deswegen erhöhen wir jetzt den allgemeinen Mindestlohn auf 12 Euro; das ist ein Plus von 22 Prozent. ({12}) Der neue Mindestlohn, meine Damen und Herren, ist eine der größten Lohnerhöhungen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Davon profitieren Millionen Menschen. ({13}) – Er wird noch dieses Jahr kommen. – Viele der Menschen, die davon profitieren, die Mehrheit, werden Frauen sein. Deshalb ist das ein guter und richtiger Schritt für mehr Respekt auf dem Arbeitsmarkt. ({14}) Das haben wir vor der Wahl versprochen, das halten wir. Das ist sozialer Fortschritt. Den Arbeitsmarkt gut für die Zukunft aufstellen, stabile Renten, soziale Sicherheit für alle Menschen, ein neues Bürgergeld, mehr Inklusion und Barrierefreiheit, das ist der soziale Fortschritt für unser Land. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesminister selbst freuen sich auf die Zusammenarbeit, damit wir gemeinsam mehr sozialen Fortschritt schaffen. Vielen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Unionsfraktion erteile ich dem Kollegen Hermann Gröhe jetzt das Wort. ({0})

Hermann Gröhe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002666, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Unser leistungsfähiger Sozialstaat bewährt sich gerade in Krisen. Darauf sind wir stolz, auch auf den Beitrag, den wir in den letzten Jahren im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik geleistet haben. Auch die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt – die Arbeitslosigkeit sank auch 2021 – gehört zu unserer gemeinsamen Bilanz. Ich freue mich, dass die geschätzte Staatssekretärin als Bezugspunkt für die Erfolgsgeschichte auf dem Arbeitsmarkt das Jahr 2005 gewählt hat. Das ist richtig, das war der Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel, meine Damen, meine Herren. ({0}) Auch als Opposition werden wir unseren Beitrag zu einer zeitgemäßen Weiterentwicklung des Sozialstaats und zu seiner Festigung leisten. Zugleich hat sich in der Krise gezeigt: Kraftvolle Solidarität braucht wirtschaftliche Stärke. So hat unsere solide Finanzpolitik Spielräume für umfassende Hilfen für Wirtschaft und Arbeitsplätze ermöglicht. Eine trotz der Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags prall gefüllte, milliardenschwere Reserve der Bundesagentur für Arbeit ermöglichte schnelle und umfassende Verbesserungen beim Kurzarbeitergeld. Dadurch konnten Hunderttausende Arbeitsplätze gesichert werden. ({1}) Dies unterstreicht unsere Überzeugung: Wirtschaftliche Vernunft und soziale Verantwortung gehören untrennbar zusammen. Das leitete uns beim Regierungshandeln und wird auch nun unser Maßstab für die Bewertung Ihres Handelns sein. Damit einher geht ein Verständnis von sozialstaatlichem Handeln, das auf so viel Befähigung zu Eigenverantwortung und Teilhabe, auf so viel Eröffnung von Wegen in den Arbeitsmarkt wie möglich zielt. Ausgehend von dieser Leitlinie findet manches in Ihrem Koalitionsvertrag unsere ausdrückliche Zustimmung. Anderes hinterfragen wir kritisch oder lehnen es ganz ab. Unterstützung findet die geplante Entfristung des Teilhabechancengesetzes. Die Förderinstrumente „Lohnkostenzuschuss“ und „intensive Begleitung“ haben sich bewährt. Auch der beabsichtigte Ausbau der Förderung schwer zu erreichender junger Menschen ist sinnvoll. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang eine persönliche Anmerkung: Die Schaffung dieser Förderung in § 16h SGB II war unserem vor einem Jahr verstorbenen Kollegen Karl Schiewerling ein besonderes Anliegen. ({2}) Ihn trieb wie viele von uns der Wunsch um, dass auch diese jungen Leute erfahren: Du wirst gebraucht. – Ich freue mich über die geplante Ausweitung und denke dankbar an einen großartigen Kollegen. ({3}) Meine Damen und Herren, auch die Stärkung der Aus- und Weiterbildung findet unsere grundsätzliche Zustimmung. Es lohnt sich, Arbeitslosigkeit am besten zu verhindern, indem rechtzeitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Veränderungen in der Arbeitswelt vorbereitet werden. Wichtig ist, dass geförderte Weiterbildung immer tatsächlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert. Eine entsprechende Förderung muss eigene Anstrengung der Wirtschaft und der Sozialpartner anreizen und darf nicht dazu führen, dass solche Aktivitäten zurückgefahren werden. Meine Damen und Herren, auch in der Sozialpolitik gilt: Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanzierbar. Leistungsversprechen ohne Beantwortung der Frage nach ihrer Finanzierbarkeit sind nicht seriös, schwächen das notwendige Vertrauen in den Sozialstaat. Ihr Koalitionsvertrag ist voller solcher Leistungsversprechen ohne Preisschild. Es reicht in der Rentenpolitik eben nicht aus, die Beitragsentwicklung allein in dieser Wahlperiode im Blick zu haben. ({4}) So bleibt Verlässlichkeit im Generationenvertrag auf der Strecke. Zudem fällt auf: Es fehlt bei Ihnen ein klares Bekenntnis zur Stabilität der Sozialversicherungsbeiträge. Steigende Beiträge aber gefährden Arbeitsplätze und belasten gerade die Bezieher kleinerer Einkommen. ({5}) Damit möchte ich auch eine Bemerkung zum Thema Mindestlohn machen: Auch wir – das sei klar hier festgestellt – haben nichts gegen einen spürbaren Anstieg des Mindestlohns. Ja, es gibt gute Gründe dafür. Aber wir sind gegen einen politischen Mindestlohn. Bei der Vorstellung der Mindestlohnkommission im Februar 2015 unterstrich die damalige Arbeitsministerin Andrea Nahles, dass man einen solchen politischen Mindestlohn gerade nicht wolle, ({6}) weil dies, so sagte sie wörtlich, „Willkür und Populismus Tür und Tor“ öffne – Zitat Andrea Nahles. ({7}) Gerade wenn man so stolz darauf ist, ein Wahlplakat ins Bundesgesetzblatt zu bringen, sollte man sich fragen, ob man nicht dieser Gefahr erlegen ist. Sie schwächen durch Aushebelung von mehr als 100 Tarifverträgen die Tarifpartnerschaft, zu deren Stärkung Sie sich zu Recht an anderer Stelle im Koalitionsvertrag bekennen. Das ist der falsche Weg zu einem nachvollziehbaren Ziel. ({8}) Die Weiterentwicklung der Grundsicherung zu einem sogenannten Bürgergeld ist eines der größeren Vorhaben dieser Regierung. Dass zunächst Experten den Vorschlag konkretisieren sollen, ist angesichts der Komplexität sehr verständlich. Aber bei einer Debatte in der letzten Sitzungswoche im letzten Jahr über Anträge der Linken konnte man nicht den Eindruck gewinnen, dass die Koalitionsfraktionen schon ein gemeinsames Verständnis von dieser Reform haben. Die einen sprachen über eine bessere Verzahnung von Leistungen und eine stärkere Vermittlung in den Arbeitsmarkt, die anderen von erhöhten Leistungen und abgesenkten Mitwirkungserfordernissen. Unsere Haltung ist klar: Eine bessere Verzahnung unterschiedlicher Hilfesysteme und die Stärkung der Vermittlung in den Arbeitsmarkt finden unsere Zustimmung; einen schrittweisen Weg in ein bedingungsloses Grundeinkommen lehnen wir entschieden ab. ({9}) Sie sollten übrigens auch nicht so tun, als sei das weitgehend von SPD und Grünen geschaffene System der Grundsicherung eine Schikane, die Leistungsbezieher entwürdige. Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern wahrlich nicht verdient, meine Damen, meine Herren. ({10}) Bei der Rente wird es von Ihren konkreten Vorschlägen abhängen, ob wir die Alterssicherung, die Vertrauen über lange Zeiträume braucht, weitgehend im Konsens gestalten. Wir sind dazu bereit. Dabei muss es vor allem um die langfristige Verlässlichkeit gehen. Die Aktivierung des Nachholfaktors, die Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten im Bestand – sehr kompliziert wegen der unterschiedlichen Erwerbsbiografien und Rechtslagen – und die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige finden unsere Zustimmung. Richtig ist es, Elemente der Kapitaldeckung ergänzend vorzusehen. Der notwendige Neustart in der privaten Altersvorsorge ist bisher an der SPD gescheitert; wir wollen ihn. Auch in der Rentenversicherung selbst kann ein solches Element durchaus sinnvoll sein. Wir haben 2015 mit dem Pflegevorsorgefonds genau ein solches Element in der Pflegeversicherung eingeführt. Ich sage aber: 10 Milliarden Euro für einen Kapitalstock werden bei Weitem nicht ausreichen, um den Beitragsanstieg auch nur nennenswert abzumildern. Hier darf nicht zu kurz gesprungen werden. ({11}) Insgesamt gilt: Wir werden Ihre Arbeit kritisch und konstruktiv begleiten und eigene Vorschläge mit dem Ziel machen, unseren Sozialstaat weiterhin zukunftsfest zu gestalten. Herzlichen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich weise Sie darauf hin, dass Sie noch etwa zehn Minuten Zeit haben, um sich an den Wahlen zu beteiligen. Wer das noch nicht getan hat, der oder die sollte sich nach draußen begeben und das noch tun. In zehn Minuten werde ich die Abstimmung schließen. Jetzt hat das Wort zu seiner ersten Rede, jedenfalls hier im Haus, der Abgeordnete Frank Bsirske für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Frank Bsirske (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005034, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In weniger als 30 Jahren eine klimagerechte Gesellschaft zu werden, bedeutet eine große, eine wirklich große Veränderung. Veränderung löst aber auch Verunsicherung aus. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fragen sich: Was wird aus meinem Arbeitsplatz? Was wird, wenn erworbene Qualifikationen nicht mehr gebraucht werden? Habe ich noch Chancen am Arbeitsmarkt? Und was für Chancen werden meine Kinder haben? Wir Grünen nehmen das sehr ernst. ({0}) Der ökologische Umbau wird nicht gelingen, wenn das Soziale auf der Strecke bleibt. Sozialer Ausgleich ist unverzichtbar. Das bedeutet: In der Alterssicherung darf es nicht zu einem weiteren Absinken des Rentenniveaus kommen ({1}) und dazu, dass die Rente für immer mehr Menschen nicht ausreicht, um anständig über die Runden zu kommen. ({2}) Wir dürfen nicht länger wegschauen, wie die Tarifbindung sinkt und Betriebsratswahlen behindert werden. Tarifverträge schützen und ermöglichen bessere Arbeitsbedingungen. Deshalb wollen wir das Tarifsystem stärken und die öffentliche Auftragsvergabe des Bundes an die Einhaltung repräsentativer Tarifverträge binden ({3}) sowie weitere Schritte zur Stärkung der Tarifbindung erarbeiten. Die Behinderung von Betriebsratswahlen machen wir zum Offizialdelikt. ({4}) Mit der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro erhöhen wir die Kaufkraft von rund 8 Millionen Beschäftigten um satte 9,8 Milliarden Euro. Das wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm und muss umgehend in Angriff genommen werden. ({5}) Keine Frage: Die digitale und ökologische Transformation der Wirtschaft wird zu massiven Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Umso wichtiger ist eine Arbeitsmarktpolitik, die den Beschäftigten Sicherheit und Perspektiven vermittelt. Deshalb machen wir mit dem Qualifizierungsgeld die Kurzarbeit zu einem Brückeninstrument für die Transformation. Damit kann die Bundesagentur für Arbeit auf der Grundlage von Sozialpartnervereinbarungen Unternehmen im Strukturwandel ermöglichen, ihre Beschäftigten durch Qualifizierung im Betrieb zu halten und Fachkräfte zu sichern. ({6}) Eine gute Berufsausbildung ist das Fundament für einen guten Einstieg ins Berufsleben. Mit einer Ausbildungsgarantie sorgen wir dafür, dass allen Jugendlichen ein Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht wird. ({7}) Ausbildungsbegleitende Hilfen bauen wir aus und gewährleisten auch Geflüchteten den Zugang. Für Menschen in Arbeitslosigkeit und Grundsicherung werden wir Berufsausbildung fördern, und zwar unabhängig von ihrer Dauer. Die Vermittlung in Arbeit wird nicht länger Vorrang vor beruflicher Aus- und Weiterbildung haben. Bei beruflicher Qualifizierung erhalten SGB-II- und -III-Bezieherinnen und -Bezieher ein zusätzliches Weiterbildungsgeld als wirksamen Anreiz zur Weiterbildung. ({8}) Wir wissen: Fort- und Weiterbildung werden in den Umbrüchen in Wirtschaft und Arbeitsgesellschaft zunehmend Bedeutung bekommen. Zur Unterstützung berufsbegleitenden Lernens bauen wir das Aufstiegs-BAföG aus und werden mit einer geförderten Bildungszeit Beschäftigten finanzielle Unterstützung für arbeitsmarktbezogene Weiterbildung bieten. 12 Euro Mindestlohn, Stabilisierung des Rentenniveaus, Stärkung der Tarifbindung, die Einführung eines Qualifizierungskurzarbeitergeldes, das waren ebenso wie eine Ausbildungsgarantie, das Weiterbildungsgeld, zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeiten und Weiterbildungsagenturen Forderungen, mit denen wir als Grüne für den Bundestag kandidiert haben – für eine andere, eine fortschrittliche, klimagerechte und zugleich sozialere Politik in unserem Land. ({9}) Ich freue mich, heute sagen zu können: Wir haben – zusammen mit unseren Partnern – geliefert. Gemeinsam kommen wir voran. Gut so! ({10}) Nun noch ein Wort in Sachen Bürgergeld. Mit ihm wollen wir das Hartz-IV-System überwinden und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Dazu wird in den ersten zwei Jahren des Bürgergeldbezuges die Leistung ohne Anrechnung des Vermögens erbracht und die Angemessenheit der Wohnung anerkannt. Angebot und Maßnahmen sowie Mitwirkungspflichten sollen im Rahmen einer Teilhabevereinbarung gemeinsam vereinbart werden und anschließend eine sechsmonatige Vertrauenszeit gelten – ohne Sanktionen. ({11}) Des Weiteren wird im Rahmen eines einjährigen Moratoriums auf die bisherigen Sanktionen verzichtet. Etwas anderes ist vom Koalitionsvertrag nicht gedeckt, was immer auch sonst in die Presse hineinzutragen versucht würde. ({12}) Abschließend: Eine ökologische Transformation mit sozialer Sicherung zu verbinden, ist uns Grünen ein zentrales Anliegen. Wir sehen darin eine elementare Bedingung für gelingenden klimagerechten Wandel wie für den Erhalt unserer Zukunft als starker Wirtschafts-, Industrie- und Beschäftigungsstandort. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege René Springer für die AfD-Fraktion. Nach seiner Rede werde ich die Wahl schließen. ({0})

René Springer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004900, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Staatssekretärin! Reden wir über aktuelle Probleme. Die Inflation hat einen Stand von 5,3 Prozent erreicht. Das ist der höchste Wert seit knapp drei Jahrzehnten. Die Energiepreise gehen durch die Decke. Das Heizen wird für immer mehr Menschen zum Luxus. Diesel war am Montag so teuer wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte. Pendlern geht im wahrsten Sinne des Wortes der Sprit aus. Die Nahrungsmittelpreise sind um 6 Prozent gestiegen, die Schlangen an den Tafeln werden immer länger. Und das Einzige, was von der Bundesregierung dazu zu hören ist, ist Cem Özdemir, der fordert, die Preise für Lebensmittel zu erhöhen. Was braucht es noch, um zu erkennen, dass dieses Land von einer gesättigten Elite regiert wird, die sich vom Volk vollkommen abgekoppelt hat? ({0}) Dass es anders geht, zeigt ein Blick ins Ausland: Frankreich hat die Strom- und Gaspreise gedeckelt und Energieschecks für 6 Millionen Haushalte eingeführt. Ungarn hat reagiert, Österreich hat reagiert, Polen hat reagiert; dort gibt es eine Kraftstoffsteuersenkung auf null und Lebensmittelhilfen für die ärmsten Familien. Und Deutschland? Bis heute hat die Bundesregierung keine einzige Maßnahme ergriffen. Ihr war es viel wichtiger, einen Queer-Beauftragten zu benennen, der die Interessen der Transsexuellen vertritt. ({1}) Und Sie, meine Damen und Herren von den Altparteien, streiten sich wie in der Vorschule um die Sitzordnung. Was für eine Peinlichkeit! ({2}) Meine Damen und Herren, peinlich ist auch der Umgang mit einer zentralen Gerechtigkeitsfrage in Deutschland. Die durchschnittliche Rente von Frauen mit drei Kindern liegt bei 751 Euro. Ein arbeitsloser Afghane, der nie einen Cent in unser Sozialsystem eingezahlt hat, ({3}) hat einen Anspruch – nehmen wir Hamburg – auf 944 Euro Sozialhilfe, 200 Euro mehr als eine Frau, die eine Lebensleistung erbracht hat, die das Land aufgebaut hat, die Steuern gezahlt hat und die für zukünftige Beitragszahler gesorgt hat. ({4}) Das ist eine Schande für die Politik. ({5}) Es ist eine Schande für Regierungen, die über viele Jahre und Jahrzehnte den Wählern soziale Gerechtigkeit versprochen haben. ({6}) Rund 40 Prozent aller Hartz‑IV-Empfänger sind Ausländer, ({7}) fast 40 Prozent aller in Deutschland lebenden Kinder leben in Hartz-IV-Familien – 40 Prozent! Der Anstieg von Armut in unserem Land ist fast vollständig die Folge der Zuwanderung. ({8}) Nehmen Sie diese Realität zur Kenntnis! ({9}) Die Politik der offenen Grenzen ist ein Angriff auf unseren Sozialstaat. ({10}) Und Sie lernen nichts, Sie machen immer weiter: noch mehr Zuwanderung, noch höhere Sozialleistungen, Wegfall von Sanktionen. Das alles kann nicht die Lösung sein. Diese Geldgeschenke sind ein riesengroßer Pull-Faktor, um weitere Armutsmigranten nach Deutschland zu locken. ({11}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Steuergeld, das Sie benötigen, um Armutsmigranten zu finanzieren, fällt nicht vom Himmel, sondern es wird von Millionen Normalverdienern erwirtschaftet, die tagtäglich hart arbeiten gehen. ({12}) Die sollten Sie mal in den Blick nehmen. ({13}) Sie nehmen diese Normalverdiener aber nicht in den Blick; Sie schröpfen sie einfach weiter. Statt Maßnahmen gegen die Inflation anzubieten, ziehen Sie ihnen noch mehr Geld aus der Tasche, um Ihre Weltrettungsfantasien zu finanzieren, und im Alter lassen Sie die Leute in Armut zurück. ({14}) Was für ein Trauerspiel! ({15}) Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen. Folgen Sie dem Beispiel Dänemarks, das von einer sozialdemokratischen Regierung geführt wird. Stoppen Sie die Armutsmigration, und machen Sie endlich Sozialpolitik fürs eigene Volk! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({16})

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich in den letzten Tagen und Wochen von Freunden und Bekannten auf die neue Koalition angesprochen wurde, dann ging es oft erst einmal gar nicht so sehr um Inhalte, ({0}) sondern dann erwähnen sie am meisten den Stil, bei dem diese Koalition im Vergleich zu den letzten Jahren einen Unterschied macht: Vertrautheit und Vertraulichkeit, ({1}) kein Stillstand auf Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners, sondern gute Kompromisse – und gute Kompromisse, die muten auch allen Seiten etwas zu –, ({2}) und dass so Fortschritt erreicht werden kann, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Dass dieser Fortschrittskoalition dabei – das sage ich einmal mit Blick auf die Union – offenbar eine gute Balance gelungen ist, ({4}) das hat zum Beispiel die Wortmeldung von Stefan Wolf, dem Präsidenten von Gesamtmetall, deutlich gemacht. Er hat nämlich explizit mit Blick auf das Kapitel „Arbeit und Soziales“ gesagt, das sei „deutlich besser als der letzte Koalitionsvertrag der Großen Koalition“, wo die Union dabei war. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir achten hier die Interessen von Unternehmern und Mitarbeitern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union. ({6}) Lieber Hermann Gröhe, du hast das Thema Rente angesprochen. Du weißt, es liegt mir auch besonders am Herzen. Aber ich finde schon, es hat Chuzpe seitens der Union, wo die CSU ja mit der Forderung – der Koalitionsbedingung – einer Mütterrente in den letzten Wahlkampf gezogen ist, ausgerechnet bei der Rente aus dieser Perspektive diese Koalition zu kritisieren. ({7}) Wir stabilisieren die Rente, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auf den Feldern, wo wir in dieser Legislaturperiode auch mit Blick auf Demografiefestigkeit vorankommen können – zum Beispiel mit mehr Einwanderungspolitik, die wir in diesem Land nämlich brauchen, ({8}) zum Beispiel bei mehr Generationengerechtigkeit durch den Nachholfaktor und mit der neuen Balance durch den Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente mit einer Aktienrente –, da stoßen wir die Tür auf zu einer enkelfitten Rente. ({9}) Auf diesen Weg haben wir uns in dieser Koalition gemacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Das zweite Thema, das ich kurz erwähnen will, ist, dass wir auch den Stillstand bei der Digitalisierung in der Arbeitswelt der letzten Jahre endlich durchbrechen: durch einen ganz großen Wurf bei der Weiterbildung, den wir in diesem Land dringend brauchen – Vorredner/-innen haben es erklärt –, ({11}) durch Modernisierung der Regeln für Homeoffice zum Beispiel und endlich durch mehr Fairness für Selbstständige, die in den letzten Jahren von den Regeln in diesem Land nämlich zu schlecht behandelt wurden. Das ist überfällig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12}) Das letzte Thema, das ich erwähnen will, ({13}) weil es mir besonders am Herzen liegt, ist, dass wir beim Thema „Chancengerechtigkeit und Aufstiegschancen“ endlich vorankommen mit dem, was wir uns beim neuen Bürgergeld vorgenommen haben. Chancengerechtigkeit und Aufstieg haben nämlich auch eine sozialpolitische Dimension. Zum Beispiel deshalb, weil die Zuverdienstregeln bei der Grundsicherung Menschen heute eher in der Grundsicherung festhalten, anstatt ihnen eine trittfeste Leiter hinzustellen, und insbesondere, wie wir mit jungen Menschen, wie wir mit Schülerinnen und Schülern in diesem Land umgehen. Da war eine Veränderung dringend notwendig. Denn schon bei der fundamentalen Erfahrung des ersten selbstverdienten Geldes kann heute zum Beispiel Aişe, deren Eltern finanziell auf eigenen Beinen stehen, vom Schüler-Minijob 450 Euro behalten, und Annika, deren Eltern vielleicht auf Hartz IV – das wir endlich reformieren – angewiesen sind, kann nur 170 Euro behalten. Das macht etwas aus in den Köpfen. Schon bei der fundamentalen Erfahrung des ersten selbstverdienten Geldes haben wir bisher das Signal in diesem Land, dass man schlechtere Chancen hat, wenn die Eltern in schwieriger Lage sind. Diese Ungerechtigkeit schaffen wir endlich ab, und wir sorgen für mehr Fairness. Das ist überfällig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({14}) Das waren drei Beispiele für notwendigen Fortschritt auch in der Sozialpolitik. Ich freue mich auf die Arbeit dieser Koalition. Vielen Dank. ({15})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Da ich jetzt fest davon ausgehe, dass kein Mitglied des Hauses mehr anwesend ist, das seine Stimme nicht abgeben konnte – ich bekomme von dahinten auch ein Zeichen –, schließe ich die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben. Jetzt gebe ich das Wort Susanne Ferschl für die Fraktion Die Linke. ({0})

Susanne Ferschl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004715, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Mehr Fortschritt wagen“: So lautet der Titel des Koalitionsvertrages. Die Frage ist, ob dieser Fortschritt bei den Beschäftigten im Hinblick auf Löhne, Arbeitsbedingungen und soziale Absicherung auch tatsächlich ankommt. Bei Hartz IV, das künftig „Bürgergeld“ heißen soll, ist das Ganze ohne eine Regelsatzerhöhung lediglich ein Etikettenschwindel. ({0}) Ein großes sozialpolitisches Projekt ist dagegen zugegebenermaßen die geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Die Linke fordert 12 Euro Mindestlohn schon seit 2017, und natürlich unterstützen wir es, wenn das Projekt jetzt zeitnah umgesetzt wird. Mich persönlich würde das wirklich freuen. ({1}) Damit der Mindestlohn aber wirkt, muss er endlich flächendeckend kontrolliert werden. Und da freue ich mich schon etwas weniger; ich habe da so meine Zweifel beim Finanzministerium unter Christian Lindner, der letztlich für die Kontrollen zuständig ist. Die FDP ist nämlich bislang nicht unbedingt als Hüterin von Arbeitnehmerrechten aufgefallen. ({2}) – Ja, gucken Sie sich das doch mal an: Fast 2,5 Millionen Menschen werden aktuell um den Mindestlohn betrogen. Für einen echten Fortschritt muss damit endlich Schluss sein! ({3}) So oder so kann der Mindestlohn nur die unterste Auffanglinie sein. Notwendig sind gute Arbeitsbedingungen und eine Stärkung der Tarifbindung. Hier machen Sie bisweilen das Gegenteil von dem, was notwendig wäre. Sie weiten Minijobs aus; ich hatte das ja gestern schon in der Regierungsbefragung kritisiert. Der Bundeskanzler ist jetzt leider nicht da. Er hat mir nahegelegt, ich solle Statistiken statt Flugblätter lesen. Das gebe ich gerne zurück: Die Statistiken zeigen nämlich deutlich, dass die Zahl der Minijobs kontinuierlich zugenommen hat. Eine Studie des IAB belegt auch den Verdrängungseffekt für reguläre Jobs. Minijobs als Sprungbrett in reguläre Beschäftigung: Das ist ein neoliberales Märchen, und ich bin enttäuscht, dass jetzt auch ein SPD-Kanzler dieses neoliberale Märchen nachplappert. ({4}) Aber weiter im Text! Sie halten an sachgrundloser Befristung und Leiharbeit fest, obwohl Leiharbeitnehmer im Schnitt 1 400 Euro pro Monat weniger an Entgelt haben als ihre festangestellten Kolleginnen und Kollegen. Und bei der Tarifbindung planen Sie einfach viel zu wenig, obwohl nur noch die Hälfte der Beschäftigten unter den Schutz eines Tarifvertrages fällt. Für mehr Fortschritt müssen Sie deutlich nachbessern. Machen Sie Minijobs sozialversicherungspflichtig! Schaffen Sie Leiharbeit und die sachgrundlose Befristung ab, und erleichtern Sie endlich die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen! ({5}) Nur dann wird es Löhne geben, die nicht direkt in die Altersarmut führen. Zusätzlich muss das Rentenniveau steigen. 48 Prozent sind zu wenig; das ist kein Fortschritt, das ist Stagnation. Die 53 Prozent, die wir im Übrigen schon mal hatten, wären finanzierbar; Sie müssten nur das Versicherungssystem umstellen. Sie müssten alle Erwerbstätigen, also auch Selbstständige, Bundestagsabgeordnete usw., mit einbeziehen. Das wäre tatsächlich fortschrittlich. ({6}) Aber nein, stattdessen wurde mit dem Einstieg in die Aktienrente ein langgehegter Wunsch der FDP erfüllt. Ich finde es, ehrlich gesagt, reichlich absurd, dass künftig mit Renten am Kapitalmarkt spekuliert werden kann. ({7}) Das Gleiche gilt leider auch für das Arbeitszeitgesetz. Auf Wunsch der FDP soll es per Tarifvertrag aufgeweicht werden können. Ich habe lange genug selber Tarifverträge verhandelt, um zu wissen, dass jetzt der Druck auf die Gewerkschaften zunehmen wird und die Arbeitgeber ein weiteres Mittel an die Hand bekommen, um schmutzige Kompromisse zu erzwingen. Der Angriff auf den Achtstundentag ist kein Fortschritt, sondern ein echter Rückschritt – um über 100 Jahre, um es genau zu sagen. ({8}) Ich kann Ihnen abschließend nur sagen: Fortschritt und Respekt sind große Worte. Es liegt in Ihrer Verantwortung, in der Verantwortung der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass das Ganze nicht zu Worthülsen verkommt. Wir werden Ihnen dabei jedenfalls immer und immer wieder auf die Finger schauen. Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dagmar Schmidt hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Generaldebatte ist gedacht für die großen Linien und Vorhaben, und wir haben uns unter der Überschrift „Sozialer Fortschritt“ einiges vorgenommen. Das erste große Ziel, das wir uns gesetzt haben, ist: Wir wollen unseren Sozialstaat bürgerfreundlicher machen. Wir folgen nicht mehr dem Leitgedanken, als Erstes zum Schutz gegen die, die den Sozialstaat missbrauchen könnten, große Mauern aufzubauen, die dann allen im Weg stehen, sondern wir wollen den Sozialstaat zuallererst in den Dienst derjenigen stellen, die ihn brauchen, um ihnen das Leben leichter zu machen. ({0}) Sein Leben in Deutschland zu organisieren, ist schon sehr kompliziert und oftmals anstrengend, auch wenn es nur darum geht, die Dinge des Alltags zu bewältigen, und auch dann, wenn nicht gerade Corona ist. Wenn aber ein unerwartetes Ereignis eintritt – eine Krankheit, ein Pflegefall, Arbeitslosigkeit –, wenn man es also gerade eh besonders schwer hat, dann schlägt oftmals die Bürokratie des Sozialstaates umso härter zu, und das wollen wir beenden, ({1}) zum Beispiel durch die Nutzung der Digitalisierung. Wir wollen, dass überall dort, wo das möglich ist, Leistungen, die den Menschen zustehen, automatisch ausgezahlt werden – ohne Antrag und ohne dass man selber die Unterlagen von allen Behörden beschaffen und sie dann auch selber weiterreichen muss. Mit der Grundrente haben wir da schon angefangen, und das wollen wir fortsetzen, zum Beispiel mit der Kindergrundsicherung. ({2}) Wir wollen, dass es in Zukunft überall einfach möglich ist, sich online zu informieren, sich beraten zu lassen, Anträge und Abfragen zu stellen. Das hilft den allermeisten Menschen wirklich gut; aber es gibt auch diejenigen, die das nicht können, die keinen Onlinezugang haben und für die auch der Weg auf das Amt ein beschwerlicher Weg ist. Wir wollen deshalb einen Sozialstaat, der auch aufsuchend ist, der vor Ort ist, der einfach zu erreichen ist, damit uns niemand verloren geht. Wir wollen einen Sozialstaat mit mehr individuellen Möglichkeiten, mit mehr Passgenauigkeit. Dazu werden wir Leistungen flexibler machen, zum Beispiel durch mehr Zeit für die Familie, wie durch die bezahlte Partnerzeit nach der Geburt eines Kindes ({3}) und die Erweiterung der Partnermonate, und indem wir haushaltsnahe Dienstleistungen finanziell unterstützen, die Betreuungsangebote für Kinder weiter ausbauen, die Zahl der Kinderkrankentage erhöhen und mehr zeitlichen Freiraum bei der Pflege von Angehörigen schaffen. ({4}) Außerdem wollen wir ein Recht auf Homeoffice, sodass Beschäftigte künftig von zu Hause aus arbeiten können, außer sie fahren einen Lkw oder sitzen an der Supermarktkasse. Wir werden aber auch Regeln festlegen, damit niemand im Homeoffice eine Entgrenzung seiner eigenen Arbeitszeit erleben muss. Beispielhaft für diesen bürgernahen Sozialstaat ist aber auch das, was wir im Kapitel „Bürgergeld“ aufgeschrieben haben. Nach allen Missverständnissen lohnt es sich vielleicht, das hier noch einmal etwas deutlicher auszuführen. Leistung wird wieder anerkannt. Wer in der Grundsicherung ankommt, muss keine Angst haben, zu verlieren, was er sich schon erarbeitet hat. Zwei Jahre lang bleiben Vermögen und Wohnung unangetastet, damit man sich eben nicht um eine neue Wohnung kümmern muss, sondern Zeit hat, sich einen neuen Job zu suchen. ({5}) Und wir gehen respektvoller miteinander um. Jede und jeder kann etwas, hat Stärken, hat Lebenserfahrung und Kompetenzen, die nicht immer in einem Zeugnis oder in einer Urkunde festgehalten sind. Diese wollen wir herausfinden, und auf diese wollen wir aufbauen. In einer Teilhabevereinbarung werden wir unter Zustimmung beider Seiten in verständlicher Sprache einen gemeinsamen Weg vereinbaren, der die Vorstellungen und Möglichkeiten der Arbeitslosen in den Mittelpunkt stellt. Dafür schaffen wir den Vermittlungsvorrang ab, damit niemand eine Arbeit annehmen muss, die nichts taugt, um dann sechs Monate später wieder vor der Tür des Jobcenters zu stehen. Wir wollen echte Perspektiven schaffen. ({6}) Dafür erweitern wir die Möglichkeiten, damit es für jeden und jede passgenau ist: von aufsuchenden Hilfen bis Coaching, vom Nachholen der Berufsbildung bis zum Erlernen von analogen und digitalen Grundfertigkeiten. Wir setzen zudem auf Anreize durch Boni bei Weiterbildung und Prämien für die, die es geschafft haben. Ja, man kann das Bürgergeld allein an der Höhe der Regelsätze und an den Sanktionen festmachen. Und ja, auch das nehmen wir in Angriff. Wir werden die Regelsätze neu berechnen, und wir werden sinnlose Sanktionen abschaffen. ({7}) Dafür, was wirklich wichtig ist, nämlich den Arbeitslosen eine ernsthafte und nachhaltige Perspektive zu geben, indem wir uns an ihren Stärken, Möglichkeiten und Wünschen orientieren, indem wir uns Zeit nehmen, indem wir auf Qualifizierung setzen, schaffen wir die Voraussetzungen in einem Maße, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. ({8}) Wir machen das, weil das gerecht ist und weil das für die Menschen gut ist. Wir machen das aber auch, weil wir auf niemanden verzichten können und wollen. Das gilt genauso für die Menschen, die mit einer Beeinträchtigung leben, egal ob sie diese von Geburt an oder im Laufe des Lebens erworben haben. Wir wollen, dass alle die gleichen Chancen haben, und wir wollen und können auf niemanden verzichten. ({9}) Um den Zugang zu guter Arbeit auch für Menschen mit Behinderung zu erleichtern, werden wir unter anderem das Budget für Arbeit und Ausbildung stärken und ausbauen und den Arbeitsmarkt insgesamt durchlässiger machen. ({10}) Und wir werden die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für die Unternehmen einführen, die keine Menschen mit Behinderung einstellen; denn auch Unternehmen tragen hier eine gesellschaftliche Verantwortung. ({11}) Sozialer Fortschritt, Chancengleichheit und Inklusion bleiben stetige Aufgaben, und es gibt noch verdammt viel zu tun. Ich freue mich darauf, dass wir jetzt endlich loslegen. Glück auf! ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion gebe ich dem Kollegen Axel Knoerig das Wort. ({0})

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine werten Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Versuche, die Mindestlohnkommission zu beeinflussen und einen politisch gewollten Mindestlohn festzusetzen, sei es über den nationalen Weg oder den europäischen, stellen einen schweren Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie dar. ({0}) Das sind Worte – jetzt muss ich erst mal schauen, wo die FDP ist – aus einem Antrag der FDP aus der vergangenen Wahlperiode, ({1}) der den Titel trägt: „Unabhängigkeit der Mindestlohnkommission garantieren, Subsidiarität achten“. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich habe diesen Antrag mal mitgebracht, ({3}) und – Herr Vogel, Sie nicken schon – ich werde nach meinem Redebeitrag zu Ihnen kommen und Ihnen diesen Antrag mit den Inhalten, die Sie vergessen haben, geben. ({4}) Meine Damen und Herren, treffender als die FDP-Fraktion unter dem damaligen Vorsitzenden Christian Lindner hätte ich es nicht formulieren können. Es beschreibt wirklich eindrücklich das Problem des Vorgehens von Bundesarbeitsminister Heil bei der Anhebung des Mindestlohns, Frau Griese. Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht um das Vorgehen, nicht um das Ziel. ({5}) Der Mindestlohn in Deutschland – das sagen wir ganz klar – muss höher ausfallen und muss auch schneller steigen als bisher. ({6}) CDU und CSU sind angetreten, die Regierungsarbeit kritisch und auch konstruktiv zu begleiten, ({7}) und deswegen will ich hier auch unsere Positionen darlegen. Wir befürworten die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro. Weshalb? ({8}) Erstens. Die Mindestlohnbezieher haben tendenziell stärker unter Corona gelitten als die Gut- und Durchschnittsverdiener. Oftmals haben sie in kritischen Bereichen, wie der Logistik, lebenserhaltende Arbeit geleistet. Hier sagen wir als Union: 12 Euro sind eine Art Anerkennung dieser Leistungen unter diesen erschwerten Bedingungen. ({9}) Zweitens. Die Mindestlohnbezieher sind von der gestiegenen Inflation, nicht zuletzt aufgrund der Energiepreise, besonders hart getroffen. In einer sozialen Marktwirtschaft ist es der bessere Weg, dies über eine höhere Entlohnung für selbst geleistete Arbeit zu kompensieren als durch eine Aufstockung der Bundesregierung.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, der Kollege Markus Kurth erwägt, Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen. Möchten Sie das gerne zulassen?

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das machen wir doch, Herr Kurth.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Knoerig, Sie geben an, das Ziel von 12 Euro Mindestlohn als Unionsfraktion mit uns zu teilen, sagen aber, der Weg sei eben nicht der richtige. Das hieße also, die Mindestlohnkommission müsste die 12 Euro festschreiben. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberseite – die BDA, Gesamtmetall und die anderen Arbeitgeberverbände – auch nur die leiseste Andeutung gemacht hat, in der Mindestlohnkommission zu diesem Schritt bereit zu sein? Wenn Sie dafür keine Anhaltspunkte haben: Wie anders, als mit einer gesetzlichen Änderung, würden Sie denn dann das ja angeblich auch von Ihnen geteilte Ziel erreichen wollen? ({0})

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Werter Herr Kollege Kurth, Sie haben Ihren Einstieg gut gewählt; Sie haben das, was ich hier zum Ausdruck bringen wollte, gut reflektiert. Ich sage Ihnen aber auch eines ganz klar: Es wird versucht, dass wir als Union uns an dem Verfahren festbeißen, sodass Sie als Regierung sagen können: Seht ihr, die wollen die 12 Euro im Grunde genommen nicht. – Ich sage Ihnen ganz klar: Das ist mit uns nicht zu machen. Wir stehen an der Seite derer, die einen Mindestlohn bekommen, und ich habe Ihnen gerade zwei gute Gründe genannt: nicht nur die Coronapandemie, sondern auch die Energiepreise und die Inflation. Deswegen sagen wir: Das Ziel von 12 Euro ist richtig. ({0}) – Ich lade Sie ein: Hören Sie meinem Redebeitrag weiterhin so aufmerksam zu. Dann werde ich Ihnen auch noch darlegen, wie wir das – gegebenenfalls auch mit Ihnen, wenn Sie es wünschen – optimieren möchten. ({1}) Ich komme zu meinem dritten Punkt – da gucke ich auch noch mal zur FDP, und ich sage es in aller Klarheit und Deutlichkeit –: Für uns kann es keine faktische Ausschaltung der Mindestlohnkommission geben. – Das will ich hier noch mal auf den Punkt bringen. Meine Damen und Herren, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände müssen in die Lohnfindung eingebunden werden; ohne sie geht es nicht. Dafür hat ja auch die SPD bei der Einführung entsprechend mitgestimmt. Die Gewerkschaften müssen die Möglichkeit haben, wenn erforderlich, ihre Tarifverträge nachzuzeichnen. Man sieht ja jetzt, dass das bis Juni, Juli in Teilen auch vorgenommen wird. Ich mache Ihnen noch einen konstruktiven Vorschlag der Union: Ergänzen Sie den Auftrag der Mindestlohnkommission um ein Kriterium für eine angemessene Alterssicherung! Bislang bildet die Mindestlohnkommission die tarifliche Lohnentwicklung nach. Um die Mindestlöhne schneller anheben zu können – das sagen wir –, sollte die Nachzeichnung beendet werden. Dieser Koalition fehlt schon zu Beginn der Mut, der Lage im Land ins Gesicht zu sehen. ({2}) Das gilt insbesondere für die Rentenpolitik. Eine echte Reform der Rente ist dringend erforderlich. Ihre vielgerühmten doppelten Haltelinien nimmt Ihnen angesichts der demografischen Entwicklung wirklich niemand mehr ab. Das ist keine Politik des Respekts, wie der Herr Bundeskanzler so gerne sagt, das ist das Gegenteil: Das ist respekt- und auch verantwortungslos. Meine Damen und Herren, wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der muss auch im Alter ein gutes Auskommen haben, und dafür setzen wir uns ein. ({3}) Wir brauchen Lösungen, die auch über diese Legislaturperiode hinaus Wirkung zeigen, und daran werden wir entsprechend mitwirken. Meine Damen und Herren, Sie werden jetzt sicherlich – und da gucke ich auch zur FDP – auf Ihr Vorhaben Aktienrente hinweisen. Das ist schön und gut; wirklich eine nette Idee. ({4}) 10 Milliarden Euro werden aber vorne und hinten nicht ausreichen, um die Rente zu sichern. ({5}) Die Rentenversicherung hat in 2021 dargelegt, dass sie 340 Milliarden Euro an die Rentnerinnen und Rentner ausgeschüttet hat; die Tendenz ist steigend. Wir brauchen deshalb schnell Geld. Es kommen jetzt die sogenannten Babyboomer-Zeiten. In der Mitte des Jahrzehnts werden viele in den Ruhestand wechseln, und für den langfristigen Aufbau eines Kapitalstocks reicht die Zeit schlichtweg nicht aus. Wir haben viel Zeit verloren, weil die SPD eine aktienbasierte Rente wie der Teufel das Weihwasser bekämpft hat. ({6}) Ich frage Sie: Was ist denn sozialer, als auch Normalverdiener an den steigenden Aktienkursen teilhaben zu lassen? Ich betone: Bei der Rente müssen alle drei Säulen angegangen werden. Die private und auch die betriebliche Altersvorsorge müssen ebenfalls gestärkt werden. Wachen Sie endlich auf! Da gucke ich zum Arbeitsministerium. Auch hier gilt: Respekt vor der Lebensleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer! Das zeigt sich vor allem, indem man die Realität annimmt und dann auch entsprechend handelt. Deswegen sage ich: Wagen Sie doch mal einen großen Wurf! ({7}) Ein weiteres Thema will ich noch ganz kurz ansprechen: die Pflege. Ich meine, Minister Spahn hat hier ein gutes Fundament vorgelegt; darauf kann der Herr Lauterbach aufbauen. Es gab jetzt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das sich mit der häuslichen Pflege beschäftigt hat und viele Fragen aufwirft. Da geht es um 300 000, 400 000 Pflegedienstleistende aus Mittel- und Osteuropa. Da sagen wir ganz klar: Wir wollen, dass für unsere älteren Mitbürger weiter eine 24-Stunden-Pflege zu Hause möglich gemacht wird, dass das hier also weiterhin vollzogen werden darf. Und da frage ich mich mit Blick zum Arbeitsministerium: Warum handeln Sie hier nicht?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben hier jetzt doch Verantwortung. Da muss gehandelt werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ducken Sie sich nicht weg! Wir helfen gerne mit Vorschlägen, aber handeln müssen Sie schon selbst.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Ihre Zeit wäre vorbei gewesen.

Axel Knoerig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004073, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für die großzügig eingeräumte Überziehung um 40 Sekunden. Danke. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Es ist gut, dass Sie das gesagt haben, weil das jetzt sicherlich dazu führen wird, dass Ihr PGF hierherkommt und dem nächsten Kollegen sagen wird, wie es weitergeht. ({0}) – Schonend beibringt. – Die nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Stephanie Aeffner. ({1})

Stephanie Aeffner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005004, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Behindertenpolitik ist Menschenrechtspolitik. Wie notwendig genau dieses Verständnis ist, hat sich in der Pandemiepolitik noch einmal deutlich gezeigt. Die Risikogruppen sollten vorrangig geschützt werden. Trotzdem waren gerade sie die besonders Leidtragenden in den letzten zwei Jahren. Viele Unterstützungsangebote sind weggefallen, Schutzausrüstungen für Menschen in ambulanten Settings waren Mangelware, es kam zu dramatischer sozialer Isolation von alten Menschen und Menschen mit Behinderung. Trotzdem gab es bei ihnen die meisten Todesfälle. Die Dramatik gipfelte aber darin, dass genau diejenigen, die am gefährdetsten sind und die gleichzeitig am härtesten für ihren Schutz kämpfen mussten, sich im Falle einer sogenannten Triage Sorgen machen müssen, keine lebensrettenden Maßnahmen zu erhalten. Die grüne Bundestagsfraktion hatte schon in der letzten Wahlperiode eine Anhörung dazu im Gesundheitsausschuss initiiert. Regelungen hat die alte Bundesregierung nicht getroffen. Deshalb war es so wichtig, dass das Bundesverfassungsgericht im Dezember geurteilt hat. ({0}) Wir müssen unverzüglich eine gesetzliche Regelung finden, die ausschließt, dass Menschen mit Behinderung im Fall einer Triage benachteiligt werden. ({1}) Ich bin froh, dass Justizminister Buschmann daran arbeitet. Für den Aufbruch zur Garantie der vollen Grund- und Menschenrechte für Menschen mit Behinderung haben wir uns drei zentrale Bereiche vorgenommen: Barrierefreiheit, Teilhabe am Arbeitsleben und eine inklusive Gesundheitsversorgung. Unser aller Leben findet größtenteils in der bereits fertiggebauten Umwelt statt, und hier wirken Barrieren auch am hartnäckigsten. Deshalb verpflichten wir die Privatwirtschaft zum Abbau von Barrieren. Mit entsprechenden Förderprogrammen verhindern wir eine Überlastung von Kleinstunternehmen. Nahverkehrspläne können immer noch Ausnahmen bei der Pflicht zur Herstellung von Barrierefreiheit definieren. Das beenden wir zum Jahr 2026. ({2}) Die Menschen sollen so lange und so inklusiv wie möglich am Arbeitsleben teilhaben können. Auf die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe hat Frau Kollegin Schmidt schon hingewiesen. Gleichzeitig gibt es eine scharfe Diskussion: Während die einen Werkstätten für Menschen mit Behinderung für einen Teil des inklusiven Arbeitsmarktes halten, sehen die anderen in ihnen einen Teil des Problems, weshalb sie deren komplette Abschaffung fordern. Der richtige Ort für die Debatte darüber, die alle Menschen mitnimmt, ist eine Enquete-Kommission zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention mit den Schwerpunkten „Teilhabe am Arbeitsleben“, „Bildung“ und „Gesundheitsversorgung“. Hierfür werden wir auf alle demokratischen Parteien zugehen. ({3}) Für den gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung gibt es noch einiges zu tun. Wie lebensnotwendig Assistenz im Krankenhaus ist, hat die Pandemie drastisch unterstrichen. Hier müssen wir Lücken schließen. In der Aus- und Fortbildung des medizinischen Personals müssen wir den Fokus viel stärker auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderung richten. Gerade Familien mit schwerst mehrfach behinderten Kindern waren extrem belastet. Sie gehören endlich in den Fokus. ({4}) Wir werden bis zum Ende des Jahres einen Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen vorlegen. Ich freue mich darauf, dass wir all diese Dinge jetzt gemeinsam angehen. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag erhält jetzt der Kollege Hannes Gnauck das Wort für die AfD-Fraktion. ({0})

Hannes Gnauck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005066, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin aus der Uckermark für meine Partei in dieses Hohe Haus eingezogen, um insbesondere für die Anliegen meiner ostdeutschen Landsleute einzutreten, für Anliegen, die von den verschiedenen Regierungskoalitionen seit der Wende angeblich bereits vertreten worden sind. ({0}) Natürlich ganz vorn dabei: die Sozialdemokraten! Dieselben Parolen von gerechter Rente und fairer Bezahlung begleiten uns ja nun schon seit Jahrzehnten, und auf diesem Best-of-Ticket stellen Sie nun den Bundeskanzler. Doch wie steht es tatsächlich um die soziale Lage in unserem Land? Sie haben von meinem ostdeutschen Kollegen René Springer bereits einiges dazu gehört. In 2020, dem Auftaktjahr der Coronapanik, waren über 16 Prozent des gesamten Volkes von Armut betroffen; das sind 13,4 Millionen Bürger. Vor allem bedenklich dabei: Alleinerziehende und kinderreiche Paare haben das höchste Armutsrisiko aller Haushaltstypen. So viel zu Ihrer Familienpolitik, meine Damen und Herren! ({1}) In meiner märkischen Heimat ist drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung über ein Drittel aller Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor tätig. Was tun Sie von der Ampel dagegen? Sie bauen Minijobs aus und schaffen mehr Minirenten. Fast ein Viertel aller Deutschen über 80 Jahre gilt bereits heute als arm; jeder dritte Rentner muss mit einer Rente von unter 1 000 Euro auskommen, obwohl sie 40 Jahre oder länger eingezahlt haben. Und in Ostdeutschland müssen 40 Prozent der Rentner mit genau solchen Minirenten auskommen – Tendenz steigend. In Ihrem Koalitionsvertrag dazu: etwas mehr als eine Seite. Minimalkonsens der ampelfarbigen Widersprüche: keine Lösung, keine Konzepte und deswegen keine fairen Renten! ({2}) Werte Kollegen der Regierungsparteien und insbesondere der SPD, Sie haben die sozialen Probleme in unserem Land nicht annähernd gelöst, und die sozialdemokratisch geführte linksliberale Ampelkoalition wird sie lediglich bunt anstreichen. Mit Ihrer Politik der Spaltung von oben in der Impfdebatte, Ihrer kopflosen Energiewende und der gezielten Fragmentierung unserer Gesellschaft durch Migration und sozialliberale Kulturexperimente werden Sie die künstlich erzeugten Konflikte und den Wohlstandsverlust unseres Landes nur noch mehr beschleunigen. Aber vielleicht wird ja Ihr neuer Staatsminister für Ostdeutschland und gleichwertige Lebensverhältnisse im Gegensatz zum vorherigen Ostbeauftragten zur Abwechslung mal nicht Volk und Land beschimpfen. Das wäre zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer. Vielen Dank. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Pascal Kober hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Pascal Kober (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004075, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bekennen uns im Koalitionsvertrag dazu, dass wir Hartz IV hinter uns lassen und das Bürgergeld einführen wollen. Ganz oben drüber stehen das Bekenntnis und das Ziel, dass wir zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen und die Potenziale der Menschen in den Mittelpunkt stellen wollen. Das ist unser Ziel; denn das ist die entscheidende Antwort auf die Frage, lieber Hermann Gröhe, wie wir aus diesem Problem endlich mal rauskommen. Die Kanzlerschaft Angela Merkel wurde angesprochen. In den letzten 16 Jahren ist es nicht gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen dauerhaft unter 700 000 zu drücken. Das liegt eben auch daran, wie wir mit den Menschen umgehen – auch in den Jobcentern. Deshalb sagen wir: Wir müssen die Potenziale und die Befähigung der Menschen in den Mittelpunkt stellen. ({0}) Wir wollen den Einstieg und den Wiedereinstieg in Arbeit für mehr Menschen als bisher ermöglichen. Dazu braucht es eine trittfeste Leiter in das Arbeitsleben. Deshalb ist ganz entscheidend – Dagmar Schmidt hat es erwähnt –, was zu Beginn eines Eingliederungsprozesses steht. Da wollen wir zunächst einmal ganz sorgfältig und einfühlsam – ich verwende auch mal ein solches Wort – die Fähigkeiten, die Kompetenzen der Menschen mit ihnen gemeinsam feststellen und ihnen sagen: „Du kannst was“, „Du bist was“, „Du bist wer“, und: „Wir schaffen das gemeinsam“. – Das ist das Neue an diesem Bürgergeld: das Vertrauen in die Kompetenzen, in die Möglichkeiten der Menschen. Daran wollen wir arbeiten. ({1}) Zu dieser Kompetenzfeststellung gehört ganz explizit auch die Feststellung von Soft Skills – so haben wir es genannt –, also von Fähigkeiten, die man bisher in unserem System der Abschlüsse vielleicht noch gar nicht zertifizieren konnte. Darauf bauen die Förderung von Grundkompetenzen sowie die weitere Förderung und der Ausbau von Ausbildungen – bis hin zu vollqualifizierenden Ausbildungen – auf. Das müssen wir machen; denn es muss um die Nachhaltigkeit der Integration gehen. Daran werden wir in den nächsten vier Jahren arbeiten. ({2}) Dazu gehört natürlich auch, dass wir den Vermittlungsvorrang abschaffen. Dazu gehört auch, dass wir das Coaching zum Regelinstrument machen werden; denn es wird darum gehen, die Menschen zu unterstützen – begleitend bei einer Ausbildung, bei einem Einstieg in den Beruf, aber auch in allgemeinen Lebensfragen. Auch das ist eine Erkenntnis der letzten Jahre: Das Coaching funktioniert. Deshalb werden wir es zum Regelinstrument machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Weil in unserem Land ja leider gilt, dass die Chancen im Erwerbsleben und der Bildungserfolg zu stark vom Elternhaus abhängen – ich sage ganz ausdrücklich: Karl Schiewerling hatte die richtige Idee, als er § 16h SGB II auf den Weg brachte –, werden wir die Möglichkeiten des § 16h ausweiten, um mehr Menschen auch in frühen Lebensjahren zu erreichen. Auch das ist etwas, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Schlussendlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Zum Menschenbild gehört auch, dass Eigeninitiative anerkannt werden muss. Wir wollen einen ermutigenden Sozialstaat. Dazu gehört eben, dass wir die Zuverdienstgrenzen erhöhen. Das sind die Wegmarken, die wir im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit neben vielen anderen Dingen in der Sozialpolitik verfolgen. Ich wünsche Minister Hubertus Heil, dass er bald wieder bei uns sein kann. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihm, mit den Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion für die Menschen in unserem Land. Vielen Dank. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner ist Stephan Stracke, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Stephan Stracke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004169, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte zeigt: In der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik steuert diese links-gelbe Koalition ({0}) mit Vollgas nach links. Von Gelb ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Das gilt für die wesentlichen Teile der Politik. Wir sehen, dass der Mindestlohn politisch festgesetzt wird und sich nicht mehr an festen Regeln, insbesondere an den Beschlüssen der Mindestlohnkommission, orientiert. Der Blick auf den Mindestlohn zeigt nicht nur, dass man ihn politisch festsetzt und damit dem Überbietungswettbewerb Tür und Tor für die Zukunft öffnet. Vielmehr sagt man auf europäischer Ebene: Wir orientieren uns am Durchschnittseinkommen und damit am Medianlohn. – Dazu reicht die FDP die Hand, wohl wissend, dass dies ein kompetenzwidriger Eingriff der EU in die Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich ist. ({1}) Zur Arbeitszeit. Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir viel deutlicher und viel besser den Arbeitsort flexibilisieren können. Aber wenn der Arbeitsort flexibel wird, dann muss dies auch für die Arbeitszeit gelten. Viele Menschen in unserem Land sehnen sich danach, sich die Arbeitszeit frei einzuteilen. Sie wollen nicht mehr dieses enge Achtstundenkorsett haben, sondern sich ihre Arbeit in der Woche frei einteilen können. Das wäre wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das wäre wichtig für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Und was tut Links-Gelb? Sie schaffen Experimentierklauseln unter engsten Voraussetzungen. Das sind doch keine überzeugenden Lösungen! Wir brauchen ein modernes Arbeitsrecht, eines, das Rechtssicherheit schafft. Wir wollen, dass sich die Arbeitszeiten nach den Bedürfnissen der Menschen richten und sich nicht die Menschen nach den Arbeitszeiten richten müssen in diesem Land. ({2}) Zur Rente. Die Alterssicherung ist dank der letzten 16 Jahre in Deutschland stabil aufgestellt. Aber natürlich schleicht sich der demografische Wandel immer spürbarer ein; ab dem Jahr 2025 wird der Handlungsdruck immer stärker. Und die FDP? Sie hat uns kritisiert, als wir die doppelten Haltelinien eingeführt haben. Sie haben gesagt, das sei fatal, das sei eine Manipulation der Rentenreform und der Rentenformel zulasten der Jüngeren. Wir haben diese Regelung zeitlich befristet – bis 2025 aus wohlüberlegten Gründen. Jetzt reicht die FDP die Hand dazu, den Nachhaltigkeitsfaktor wieder auszusetzen und damit die gute Balance zwischen den Jüngeren und den Älteren hinsichtlich der Lasten des demografischen Wandels nachhaltig und dauerhaft zu beseitigen. Das ist das Gegenteil von Generationengerechtigkeit. ({3}) Das ist das Gegenteil von dem, was Sie im Wahlkampf immer wieder gesagt haben. Und was tut die FDP? Sie rühmt sich dafür, jetzt einen Kapitalstock in Höhe von 10 Milliarden Euro aufzubauen. ({4}) Ihr eigenes Modell sieht mindestens 100 Milliarden Euro vor – im Übrigen als zusätzliche Staatsverschuldung –, um überhaupt eine sinnvolle Rendite erwirtschaften zu können. Zum Vergleich: Wir geben allein 100 Milliarden Euro jährlich an Bundeszuschüssen für die Rentenversicherung aus. ({5}) Sie bauen einen Kapitalstock in Höhe von 10 Milliarden Euro auf. Das ist kein großer Wurf! Ihr Vorhaben wurde kleingeschreddert innerhalb dieser Ampelkoalition. Jetzt wäre ein mutiger, ein echter Schritt nach vorne wichtig. Das wäre beispielsweise eine Generationenrente, ({6}) die wir einführen müssten, bei der der Staat für jedes Kind jeden Monat bis zum 18. Lebensjahr 100 Euro in die Rente einzahlt und das Geld renditeorientiert anlegt. Das, was Links-Gelb tut, ist zu wenig. Es ist falsch, und es reicht nicht, um die Rente zu sichern. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Martin Rosemann, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in den letzten Monaten mit dem Kurzarbeitergeld erfolgreich Arbeitsplätze in der Coronapandemie gesichert. Das zeigt nicht nur, dass die Kurzarbeit die Brücke über diese Krise ist, sondern es zeigt vor allem, wie wichtig ein handlungsfähiger Sozialstaat ist, der zielgenau hilft. ({0}) Deswegen ist es die Agenda dieser Ampelkoalition, unseren Sozialstaat so weiterzuentwickeln, dass er in konkreten Lebenslagen unterstützt, unbürokratisch, zugewandt, auf Augenhöhe oder – zusammengefasst – bürgerfreundlich. Damit leistet dieser Sozialstaat einen Beitrag dazu, dass wir als Gesellschaft die großen Herausforderungen der Globalisierung, der Digitalisierung und des technologischen und demografischen Wandels bewältigen und dass vor allem diejenigen, die in diesem Wandel mit Veränderungen zu tun haben und die dieser Wandel besonders betrifft, die Unterstützung erfahren, die sie brauchen, um mit diesem Wandel klarzukommen. Ein Sozialstaat, der für die Leute das Leben leichter macht! ({1}) Wir wollen einen Sozialstaat, der für Zusammenhalt sorgt. Deshalb erhöhen wir den Mindestlohn auf 12 Euro. Ja, wir machen das! Herr Knoerig, wir erzählen nicht nur, das sei unser Ziel, sondern wir sagen auch, wie das geht. Wir als Ampelkoalition setzen das um. ({2}) Das ist nämlich eine Gehaltserhöhung für fast 10 Millionen Beschäftigte und eine Frage des Respekts gegenüber Menschen, die jeden Morgen aufstehen, sich anstrengen und sich an die Regeln halten. ({3}) Aber klar ist auch: Um gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen für alle zu schaffen, braucht es natürlich mehr als einen Mindestlohn von 12 Euro. Deswegen wird diese Regierung alles dafür tun, die Tarifbindung zu stärken. Wir wollen und müssen auch in Zeiten der Digitalisierung für gute Arbeitsbedingungen sorgen, dass auch Beschäftigte von der Digitalisierung profitieren. Wir wollen die Digitalisierung nutzen, um Arbeit besser zu machen; wir wollen dafür sorgen, dass die Arbeit zum Leben passt. Deswegen werden wir unter anderem einen Rechtsrahmen für mobile Arbeit schaffen, mit mehr Rechten für die Beschäftigten. ({4}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ob bei Veränderungen durch die Digitalisierung oder durch technologischen Wandel, es gilt, dass Veränderung gestaltet werden muss. Das geht nur auf Augenhöhe zwischen den Arbeitgebern und ihren Beschäftigten. Es ist wichtig, dass wir die Mitbestimmung an die Anforderungen dieser Zeit anpassen, damit eine Gestaltung auf Augenhöhe auch möglich ist. ({5}) Arbeit ist für uns alle wichtig, für unser eigenes Leben, aber auch zentral für unseren gesellschaftlichen Wohlstand. Deshalb ist unser Anspruch als Ampel, allen einen Platz zu geben, auf dem sie sich produktiv mit ihren Möglichkeiten einbringen können. Das gilt auch für Menschen mit Handicap. Deswegen werden wir den Arbeitsmarkt durchlässiger, inklusiver machen; deshalb werden wir den sozialen Arbeitsmarkt entfristen und weiterentwickeln. ({6}) Unser Anspruch ist, Menschen zu befähigen, gerade bei Veränderungen. Unser Anspruch ist, dafür zu sorgen, dass der Sozialstaat als Partner in der Transformation für Sicherheit und Chancen sorgt. Deshalb bauen wir die Unterstützung bei Aus- und Weiterbildung, die Unterstützung bei beruflicher Neuorientierung aus, und zwar für Arbeitsuchende genauso wie für Beschäftigte, damit diese die Arbeit von morgen machen können. ({7}) Wir nehmen auch die Gesundheit von Beschäftigten in den Blick. Deshalb stärken wir Prävention und Rehabilitation. Meine Damen und Herren, eine neue Weiterbildungskultur und gesunde Arbeit sind für jeden einzelnen Beschäftigten und jede einzelne Beschäftigte wichtig; aber es ist – ebenso wie mehr Zuwanderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – auch wichtig für die Fachkräftesicherung und damit auch für die Sicherung der Altersvorsorge. Denn ein so guter Sozialstaat sorgt für Sicherheit, gerade auch im Alter. Deswegen werden wir als Ampel die gesetzliche Rente stärken. Wir schaffen langfristige Verlässlichkeit beim Sicherungsniveau. Wir werden Altersvorsorge auch für Selbstständige organisieren. Und wir werden auch für die Erwerbsminderungsrentnerinnen und ‑rentner im Bestand für Verbesserungen sorgen. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, es geht um Bürgerinnen und Bürger; sie haben Ansprüche und Rechte gegenüber dem Sozialstaat. Sie sind keine Bittstellerinnen und Bittsteller. Das ist auch eine Frage des Respekts.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Dr. Rosemann!

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deswegen werden wir die Grundsicherung zum Bürgergeld weiterentwickeln. Es geht um sozialen Fortschritt. Dafür sorgt diese Ampelkoalition, dafür sorgen wir als SPD, und dafür arbeiten wir gemeinsam in der Ampel. Herzlichen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die letzte Rednerin in dieser Debatte ist Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörende an den Fernsehgeräten! Veränderung braucht Halt. Veränderung braucht Sicherheit. Das ist uns Grünen, glaube ich, noch viel präsenter als vielen anderen; denn wir wissen, was für eine gewaltige Aufgabe vor uns liegt und wie viel Veränderung wir in den nächsten 10, in den nächsten 30 Jahren vor uns haben. ({0}) Eine klimaneutrale Wirtschaft und Gesellschaft sind ohne soziale Sicherheit und ohne sozialen Ausgleich nicht möglich. Genauso wahr ist aber, dass soziale Sicherheit und sozialer Ausgleich nicht mehr möglich sind, wenn wir Veränderungen nicht vornehmen, wenn wir nicht zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft kommen. Das ist unser Anspruch an diesen Koalitionsvertrag. Und wir sagen: Wir Grüne haben geliefert. ({1}) Die ganze Breite wurde bereits von meinem Kollegen Frank Bsirske und meiner Kollegin Stephanie Aeffner dargestellt. Ich möchte noch einmal kurz daran erinnern: 12 Euro Mindestlohn – das ist eine gewaltige Verbesserung für Millionen von Menschen in diesem Land. Arbeit lohnt sich wieder. Und auch die Reform des Bürgergeldes ist ein Erfolg. Frau Susanne Ferschl, klar, wir hätten uns von der Summe her mehr gewünscht. Aber wir reformieren das Hartz-IV-System grundlegend, und wir schaffen das Bürgergeld. ({2}) Die Vermögensschonung und die Tatsache, dass die Menschen keine Angst mehr um ihre Wohnung haben müssen, dass die Vereinbarung zukünftig auf Augenhöhe passiert, dass der Vermittlungsvorrang nicht mehr existiert – all diese Punkte stellen eine grundlegende Veränderung dar und ermöglichen, dass Menschen, die in dem Bezugssystem sind, im Jobcenter endlich wieder angemessen und auf Augenhöhe begegnet wird. Das ist der neue Geist dieser Koalition, und das werden wir umsetzen, meine Damen und Herren. ({3}) Ganz entscheidend ist auch das, was wir zum Thema Rente in dieser Koalition vereinbart haben. Wir müssen die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente sichern. Die gesetzliche Rente in Deutschland ist eine Errungenschaft, um die uns ganz viele Länder beneiden. Kein privates Produkt ist so leistungsfähig wie die gesetzliche Rente. Deswegen war es so wichtig, dass wir das Mindestniveau bei 48 Prozent verankert haben. Darauf können sich die Menschen in diesem Land verlassen. ({4}) Und wir bauen die Krankenversicherung zur Bürgerversicherung um. Auch die Selbstständigen werden zukünftig zu entsprechend angemessenen Konditionen berücksichtigt werden.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

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Lisa Paus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004127, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Auch das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer sicheren Rente. Ein Punkt ist offen geblieben: die private Altersvorsorge. Da sind wir nicht weit genug in den Verhandlungen gekommen. Das wird als ganz zentraler Punkt auf der Tagesordnung stehen. Unser Dreisäulensystem braucht auch eine Verbesserung. Wir brauchen eine grundlegende Reform des Systems der privaten Altersvorsorge sowie eine Verbesserung und Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Danke schön, meine Damen und Herren. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen nicht vor.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuhörende! Zunächst einmal wünsche ich Ihnen allen noch ein frohes neues Jahr und vor allem Gesundheit. Ich habe mich sehr gefreut, dieses wichtige Amt zu übernehmen. Das Ministerium kennt bereits viele Bezeichnungen. Und ich trete allen, die sagen, es gehe angeblich um sogenannte weiche Themen, entschieden entgegen. Nein, im Gegenteil: Dieses Ministerium und seine Themen sind ganz nah dran an den Menschen und an ihrem Alltag. ({0}) Ob es um Kinder geht, auch gebeutelt von der Pandemie und zunehmend mit psychischen Erkrankungen, ob es um Mütter und Väter geht, die oft unter großem Druck stehen, um ältere Menschen, Engagierte, Frauen, Jugendliche, Menschen in all ihrer Vielfalt – ihre Bedürfnisse und Rechte werden im Mittelpunkt meiner Politik stehen. ({1}) Familie – das ist überall dort, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Die Ampel will diese Vielfalt endlich im Recht abbilden und allen Familienformen Anerkennung zukommen lassen. ({2}) Warum auch nicht? Wir werden diese gelebte gesellschaftliche Vielfalt ganz konkret unterstützen, indem wir beispielsweise Bonuseltern in Patchworkfamilien rechtlich absichern, indem wir dafür sorgen, dass lesbische Mütter, die zusammen ein Kind bekommen, von Anfang an die gleiche rechtliche Anerkennung als Eltern bekommen. ({3}) Dazu gehört auch die international beachtete Benennung eines Queer-Beauftragten. Ich freue mich sehr, dass Sven Lehmann dieses wichtige Amt mit Leben füllt. ({4}) In der aktuellen Coronasituation ist es wichtig, das Leben von Kindern und Jugendlichen nicht erneut vorschnell einzuschränken. Deshalb ist es wichtig, dass es eine große politische Mehrheit gibt, die sich klar dafür einsetzt, dass wir zuallerletzt über die Schließung von Schulen und Kitas sprechen ({5}) und nicht zuallererst. Es sind leider auch viel Sport und Kultur, viele Kindergeburtstage und viele Jugendbegegnungen ausgefallen. Deshalb werden wir ein neues Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit auf den Weg bringen, um Kinder und Jugendliche in dieser schwierigen Phase zu stärken. ({6}) Wir werden endlich eine Kindergrundsicherung einführen als Kampfansage an Kinderarmut, damit Familien finanzielle Unterstützung viel unkomplizierter und auch online beantragen können. ({7}) Das wird der große Wurf werden, um Familien in Deutschland aus der Armut zu holen, meine sehr geehrten Abgeordneten. Und weil diese Großreform nicht schnell umgesetzt werden kann, werden wir gemeinsam mit dem Bundessozialministerium zeitnah einen Sofortzuschlag für Kinder, die auf Unterstützung angewiesen sind, einführen. ({8}) Ebenso wichtig – das hat die Coronapandemie erneut gezeigt – ist es, dass in den Schulen und Kitas die Kinder und Jugendlichen Kontakt mit Gleichaltrigen haben. Um die Qualität weiter zu stärken und zu sichern, werden wir das Gute-KiTa-Gesetz fortentwickeln und in ein Qualitätsentwicklungsgesetz mit klaren Standards überführen und zusammen mit den Ländern den Ganztagsschulausbau deutlich voranbringen. ({9}) Wir sind dafür einen wichtigen Schritt bereits vor Weihnachten gegangen und unterstützen die Länder mit insgesamt bis zu 3,5 Milliarden Euro an Investitionsmitteln von Bundesseite. Was kann eine gute Familienpolitik noch leisten? Dass alle Kinder dazugehören! Stichwort „inklusive Jugendhilfe“: Unter dem Dach der Jugendhilfe soll nicht mehr unterschieden werden, ob Kinder mit oder ohne Behinderung auf ihrem Lebensweg begleitet werden. Und: Wir wollen eine partnerschaftliche Aufteilung von Familie, von Care-Arbeit ermöglichen mit einer Reform des Elterngeldes. Nach der Geburt eines Kindes sollen die Partner – in der Regel die Väter – zwei Wochen bezahlte Freistellung nehmen können; denn direkt nach der Geburt gehören beide Elternteile zum Neugeborenen. Das ist eine ganz besondere Zeit im Leben einer Familie. ({10}) Zur Familie gehören aber alle Generationen. Wir wollen die jungen Menschen mit einem nationalen Aktionsplan und der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre in ihren Lebenschancen und Beteiligungsrechten stärken. Wir wollen aber gleichzeitig auch den Blick auf ältere Menschen in unserer Gesellschaft richten. Da geht es um mehr als die Themen „Pflege“ und „Gesundheit“. Es geht darum, dass wir ihre Anliegen und Nöte selbstverständlich mitdenken: durch den DigitalPakt Alter, durch Mehrgenerationenhäuser, aber auch durch eine Strategie gegen Einsamkeit. ({11}) Meine sehr geehrten Abgeordneten, liebe Zuhörende, als Feministin möchte ich die Frauenrechte in den Fokus rücken. Es geht um gleiche Rechte, es geht um gleiche Macht, gleichen Einfluss, gleiche Bezahlung, gleich viele Frauen in den Chefetagen. Wir werden darüber hinaus mit dem Bundesjustizministerium den § 219a StGB streichen ({12}) und damit die vorgestrige Kriminalisierung von Frauen und Ärzteschaft beenden. Wir werden den Kampf gegen Sexismus, gegen Gewalt an Frauen und Mädchen mit aller Kraft aufnehmen; denn dabei handelt es sich eben nicht um Beziehungstaten. Da ist kein privater Streit eskaliert. Es geht um Partner oder Ex-Partner, die eine Frau töten. Das passiert alle zweieinhalb Tage in Deutschland. Das sind Femizide, das sind abscheuliche Verbrechen, und wir sollten sie auch genau so benennen. ({13}) Dagegen müssen wir alle gemeinsam aufstehen und der Erklärung des Runden Tisches „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ Taten folgen lassen und unser Hilfesystem auf ein finanziell sicheres Fundament stellen. Ein letzter Punkt, der mir besonders wichtig ist. Wir haben eine Abteilung für Demokratie im Haus. Ja, leider gibt es sie: die hässliche Fratze von Hass und Hetze im Netz, auf der Straße, auch immer wieder montags. Deshalb werden wir diejenigen stärken, die sich in diesen Zeiten für ein friedliches, demokratisches und vielfältiges Miteinander in unserem Land einsetzen: ({14}) mit einem Demokratiefördergesetz – gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium –, das für klare Perspektiven sorgt. Sehr geehrte Abgeordnete, als ich den Koalitionsvertrag zu den Themen des Ministeriums gelesen habe, habe ich bei jedem einzelnen Satz gedacht: Endlich! Endlich packen wir diese wichtigen Projekte an. ({15}) Ich freue mich gemeinsam mit einem tollen Team im Ministerium, mit hochmotivierten Mitarbeitenden auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen. Herzlichen Dank. ({16})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die nächste Rednerin in dieser Debatte ist Dorothee Bär, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Spiegel! Ich freue mich sehr, Sie hier heute zu sehen, weil ich mir nach den ganz vielen Interviews des selbsternannten Familienministers Marco Buschmann in den letzten Tagen schon die Frage gestellt habe, ob er nicht heute die Familienpolitik der Ampel vorstellen will. ({0}) Anscheinend hat das Justizministerium es sich zur großen Aufgabe gemacht, den großen Wurf in der Familienpolitik zu machen, und das finde ich schade. Deswegen: Schön, dass die zuständige Fachministerin heute hier selbst erschienen ist. ({1}) Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben in den letzten Jahren für die Familien sehr viel auf den Weg gebracht, und zwar – das ist das Spannende – für alle Familien in diesem Land, weil wir nicht unterscheiden, weil wir keine besonderen Gruppen herausheben, weil wir den Anspruch haben, in der Mitte der Gesellschaft für alle da zu sein. ({2}) Wir sind da für die sogenannten traditionellen Familien, die Sie ja zumeist mit einem gewissen „Äh“ und „Igitt“ behandeln; wir sind da für Patchworkfamilien, für Alleinerziehende – immer mit einem ganzheitlichen Ansatz, immer im Ausgleich zwischen den Generationen, aber immer in der Mitte der Gesellschaft. Unser Anspruch entsteht bei den ganz konkreten Herausforderungen. Unser Anspruch ist: Wir kümmern uns um alle. Ich darf das auch anhand von zwei Beispielen, die Sie vielleicht nicht auf den ersten Blick auf dem Schirm haben, darstellen. Das Erste ist: Wir haben unter Federführung der Union mit dem Baukindergeld in der letzten Legislaturperiode auch Eigenheim geschaffen für Familien in unserem Land. Über 75 Prozent dieser Familien verfügten über ein Haushaltsjahreseinkommen von weniger als 50 000 Euro. Auch Familien brauchen ein Dach über dem Kopf. Es war der federführenden CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu verdanken, dass wir das haben leisten können. ({3}) Ein zweites Thema, das es ohne die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ebenfalls nicht gegeben hätte, sind die Alleinerziehenden in diesem Land, um die wir uns gekümmert haben. ({4}) Wir haben in Deutschland mehr als 2,7 Millionen Alleinerziehende. Wir haben als Union in der letzten Legislatur, in der letzten Koalition, auch in Teilen gegen die SPD die Verdoppelung des Entlastungsbeitrags auf über 4 000 Euro durchgesetzt, damit den Alleinerziehenden deutlich mehr im Portemonnaie bleibt, ({5}) die die doppelte Verantwortung alleine schultern. Auch da werden wir nicht nachlassen, weil wir genau wissen, dass gerade in Pandemiezeiten jemand, der die Last alleine zu tragen hat, noch viel mehr hat leisten müssen. Auch deswegen sind wir die Anwältinnen und Anwälte der Alleinerziehenden. ({6}) Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass wir für alle Familien da sind, dass wir unterschiedliche Lebensmodelle und unterschiedliche Familienmodelle unterstützen, dass wir auch die Parteien der Wahlfreiheit sind, weil wir kein bestimmtes Familienmodell vorschreiben oder so tun, als ob irgendwas moderner ist als anderes. ({7}) Ich finde es ohnehin vom Wording her ein bisschen peinlich, liebe Ampelkoalition, zu behaupten, es gehe in der Familienpolitik um Modernität. ({8}) Sie dürfen „Modernität“ nicht mit „Beliebigkeit“ übersetzen oder verwechseln. Das finde ich wirklich schwierig. Das ist nicht modern, was Sie hier an Beliebigkeit machen. ({9}) Das ist eine Verwechslung. Das ist falsch verstandene Toleranz. ({10}) Wir werden bei Ihren Vorhaben ganz genau hinschauen, beispielsweise bei der sogenannten Verantwortungsgemeinschaft, die Sie im Familienrecht verankern wollen. Da würde ich Ihnen allen jetzt – wir gehen ja langsam aufs Wochenende zu – mal die Lektüre der Bundestagsprotokolle aus dem letzten Jahr empfehlen. Noch zu Beginn des letzten Jahres wurde der FDP-Antrag dazu abgelehnt – auch mit den Stimmen beispielsweise der SPD und der Grünen. Man muss sich mal die Reden der Grünen im letzten Jahr zur Verantwortungsgemeinschaft anschauen. Da hat die grüne Kollegin gesagt, dass sie es nicht unterstützen, weil die FDP hier ein reines Steuersparmodell durchsetzen will. Und jetzt plötzlich soll es die gemeinsame Ampelpolitik sein. Das passt doch nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({11}) Wir lehnen diese „Ehe light“ auf jeden Fall ab, und zwar nicht nur, weil es ein Steuersparmodell ist, sondern weil es ganz viele Probleme nach sich zieht, die Sie vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm haben. Aber dafür haben Sie ja uns. ({12}) Für uns steht die Ehe unter einem ganz besonderen Schutz – nicht nur dem des Grundgesetzes –, und sie beinhaltet Rechte und eben auch Pflichten. Aber es bleibt nicht mehr viel übrig, wenn es ein Rechtsinstitut gibt, das zwar bei Sonnenschein unbürokratisch zugänglich und jederzeit auflösbar sein soll, aber wenn es schwierig wird, auch ganz große Probleme mit sich bringt. Wir haben täglich die Kinder im Blick – jedes einzelne Kind in diesem Land. ({13}) Wenn Sie sich mal mit den Juristen in diesem Land unterhalten, werden Sie schnell feststellen, dass die sagen: Oh, danke, die Ampel bringt uns mehr Geld. Denn es wird viel komplizierter, und es wird viel weniger ums Kindeswohl gehen. ({14}) Außerdem ist die Verantwortungsgemeinschaft etwas, das sie auch nicht wollen würden. Es wäre beispielsweise ein Blankoschein für die Vielehe, wenn Sie sagen: Es geht nicht mehr um zwei Leute, sondern es können auch drei oder vier sein. – Wo sind denn da nach oben noch Grenzen gesetzt? Das macht doch alles keinen Sinn, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. ({15}) Es ist doch bei Scheidungen jetzt schon kompliziert, das Kindeswohl bei zwei streitenden Parteien nicht zu gefährden. Wie ist es denn dann, wenn es sich um vier Personen handelt? Das passt alles nicht.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir stehen für die Kinder. Wir stehen für die Mitte der Gesellschaft. Wenn Sie die Mitte der Gesellschaft entlasten wollen, haben Sie uns an Ihrer Seite, was bei steigenden Energiepreisen und der höchsten Inflation seit 30 Jahren auch dringend geboten ist. Wenn das Kindeswohl an erster Stelle stehen soll, wird die Unionsfraktion dabei sein. Wenn Sie meinen, „modern“ ist „beliebig“, dann sind wir sicherlich eine sehr streitbare Opposition. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile zu ihrer ersten Rede das Wort Jasmina Hostert. ({0})

Jasmina Hostert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005088, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit zehn Jahren bin ich als Kriegsflüchtling aus Bosnien in dieses Land gekommen. Ich hatte damals einen kleinen Rucksack mit ein paar Puppen dabei – mehr nicht. Ich weiß, was es bedeutet, als Kind zeitweise nichts zu haben. Es war mein großes Glück, dass ich eine liebevolle und auch finanziell relativ abgesicherte Pflegemutter hatte, die mir beim Start in mein neues Leben hier geholfen hat. Erfolgreich in der Schule zu sein, später zu studieren, meinen Interessen nachzugehen, an Klassenfahrten und Ausflügen teilzunehmen, Freunde zu finden – kurzum: am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können: Ich hatte Glück, andere hatten und haben nach wie vor Pech. Sollen Glück und Pech unser Maßstab sein? Ganz sicher nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte, dass die Zukunft von Kindern nicht von Glück abhängt, sondern dass Kinder in unserem Land alle Möglichkeiten haben und die Förderung erhalten, die sie für ihre Entwicklung brauchen. ({0}) Wir werden Familien ganz konkret unterstützen und entlasten. Den Strauß an Maßnahmen und Leistungen, die Familien betreffen, werden wir bündeln, modernisieren und auf ganz neue Beine stellen. Wir werden das Elterngeld vereinfachen, indem wir zum Beispiel einen Anspruch für Pflegeeltern einführen und die Partnermonate beim Basiselterngeld um einen Monat erweitern – auch für Alleinerziehende. ({1}) Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass jede Hilfe für alleinerziehende Mütter und Väter eine wichtige ist; denn auch ich habe meine Tochter zeitweise alleine großgezogen. Eine besondere Entlastung für Alleinerziehende, für Familien allgemein, aber vor allem für die Kinder selbst, ist die Kindergrundsicherung. Lange haben wir darauf hingewirkt und endlich – ja, endlich! – können wir sie nun in dieser Koalition umsetzen. ({2}) Es ist doch mehr als beschämend, dass laut Bertelsmann-Stiftung in Deutschland jedes fünfte Kind in Armut lebt. Kinderarmut ist oft versteckte Armut. Eltern versuchen alles, damit die Armut der Kinder nicht bemerkt wird. Sie sparen an sich selbst, um den Kindern etwas bieten zu können. Wenn ich, Mutter von zwei Kindern, aber genauer hinschaue, sehe ich große Unterschiede. Es gibt Kinder, die jeden Tag nach der Schule Aktivitäten nachgehen, von Musik über Sport bis hin zu Freunde treffen und ins Kino gehen. Dann gibt es die Kinder, die nicht mal eine Geburtstagsfeier im Jahr organisiert bekommen, weil schlicht das Geld dafür fehlt. Damit muss jetzt endlich Schluss sein. Wir werden Kinder aus der Hartz-IV- und Armutsfalle holen. ({3}) Die Kindergrundsicherung ist ein Meilenstein auf diesem Weg. Sie bedeutet einen grundlegenden Systemwechsel. ({4}) Die Grundsicherung wird die bisherigen finanziellen Unterstützungen für Kinder bündeln, also das Kindergeld, den Steuerfreibetrag, aber auch alle anderen Leistungen, die ärmere Familien nicht in Anspruch nehmen. Warum nicht? Weil sie sich ganz oft schämen, zum Amt zu gehen, oder weil die Antragstellung so kompliziert ist, dass sie es eben nicht tun. Mit der Kindergrundsicherung bauen wir die bürokratischen Hürden ab und bringen keine Familie in die Situation, beschämt um Leistungen zu bitten wie Gutscheine fürs Schwimmbad, Zoobesuche oder die Übernahme der Kosten für den Tanzkurs der Tochter. Die Grundsicherung besteht aus zwei Komponenten: einem Garantiebetrag, den alle erhalten, und einem gestaffelten Zusatzbetrag, der abhängig vom Einkommen der Eltern ausgezahlt wird. Das heißt, Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen bekommen automatisch mehr Geld, und das ist gut so. Denn Kinder in Armut brauchen unsere Unterstützung, und zwar jetzt. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, meinen zwei Kindern geht es gut. Sie sind gesund, und wahrscheinlich werden sie nicht in Armut leben müssen. Das wünsche ich mir für alle Kinder in unserem Land, unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern. ({6}) „Respekt heißt für mich: Kein Kind soll mehr in Armut aufwachsen.“ Das sagt unser Kanzler Olaf Scholz ganz richtig. Ich freue mich auf die gemeinsame Umsetzung der Kindergrundsicherung und vieler anderer wichtiger Vorhaben in der Ampel, auch mit Ihnen, Frau Ministerin. Legen wir los! ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Martin Reichardt, AfD-Fraktion. ({0})

Martin Reichardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004859, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin Spiegel! Durch die ungeheuerliche Wählertäuschung des Herrn Lindner in der Frage der Impfpflicht und der Freiheitsrechte führt heute eine Ministerin das Familienministerium, die aus einer Partei kommt, die ein unklares Verhältnis zu Pädophilie und Inzest hat. Teile der Grünen, Grüne Jugend und der Liberale wollen den Sex unter Verwandten legalisieren. Nach Ihrer Auffassung entspricht dieses Verbot einer altbackenen Moralvorstellung, die nicht mehr in die neue grüne diverse Definition von Ehe und Familie passt. Die neue Familienministerin will Familie neu definieren. Die Mehrheit, also die gesellschaftliche Realität, wird umgedeutet und der Ideologie einer links-grünen Politblase unterworfen. Im Klartext heißt das: Die Ampel will die traditionelle Familie und damit das Fundament unseres Zusammenlebens zerstören. ({0}) Sie wollen die natürliche Familiengrundlage von Vater, Mutter und Kindern abschaffen. Sie wollen Ehe und Familie, die unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung stehen, einer künstlich geschaffenen Verantwortungsgemeinschaft gleichstellen. ({1}) Wer Vater und Mutter zu einer Beliebigkeit macht, der muss sich Kritik gefallen lassen. ({2}) Ein Kind kann bis zu vier Eltern haben, egal welchen Geschlechts. In den von Ihnen angestrebten Verantwortungsgemeinschaften ist alles möglich: Mehrelternschaft, Ko-Mutterschaft. Elternschaft wird fortan nicht mehr durch naturwissenschaftliche Fakten, sondern durch lösbare Verträge definiert. Es ist der Weg in eine Gesellschaft ohne Familie, ohne Herkunft, ohne Identität und ohne Heimat. ({3}) Kinder werden unter der Ampel zum Spielball der LSBTQ-Lobby. Zitat der neuen Ministerin – auch heute hier in der Rede –: „Bisher hängt eine unnötige und diskriminierende Bürokratie daran, wenn zwei Frauen ein Kind miteinander bekommen.“ Auch wenn man nur Politik, Philosophie oder Psychologie studiert hat, sollte man wissen: Zwei Frauen können gar kein Kind miteinander bekommen. Das ist Realität, das ist Naturwissenschaft. ({4}) Die Infantilisierung und Realitätsferne hat im Familienministerium Einzug gehalten oder besser: eine Biologieleugnerin, meine Damen und Herren. ({5}) Richtig heißt es: wenn zwei Frauen ein Kind produziert bekommen; und dadurch wird das Kind für Sie zum Produkt. Zu Ihrem 100-Tage-Programm gehört außerdem ein Gleichstellungscheck für die Tätigkeit der Bundesregierung. Jede Vorlage, die ins Kabinett kommt, soll darauf geprüft werden, ob sie gleichstellungs- und frauenpolitischen Grundsätzen Rechnung trägt. Meine Damen und Herren, Familien in Deutschland hätten einen Familiencheck verdient; denn sie sind die, die Deutschland am Laufen halten. ({6}) Familien aus Vater, Mutter und Kindern sind das Erfolgsmodell. Familien werden auch noch dann da sein und den Fortbestand der gesamten Menschheit sichern, wenn Regierungen und Politiker, die Kultur, Herkunft, Wissenschaft und Sprache umschreiben wollen, längst auf dem Schrottplatz der Geschichte, der Ideologien geendet sind. ({7}) Zu dem 100-Tage-Programm der Ministerin gehört auch ein Sofortzuschlag an bedürftige Familien, der dann ausgezahlt werden soll. Er soll in zweistelliger Höhe sein. Es ist schon ein Hohn; denn besonders Familien leiden unter den hohen Energiepreisen, den hohen Kraftstoffpreisen und dem Preisanstieg bei Lebensmitteln. Diese Regierung treibt diesen Preisanstieg auf allen Ebenen maßgeblich voran und preist dann eine Leistung in zweistelliger Höhe als großen Erfolg. Dazu muss man nichts mehr sagen, meine Damen und Herren. ({8}) Auch wollen Sie eine Grundsicherung gegen Kinderarmut einführen. Gegen Armut hilft aber kein Geld, das man dauerhaft nur vom Staat bekommt. Dauerhaft hilft nur Arbeit, von der man leben kann. ({9}) Nur die AfD will starke Bürger und starke Familien, die den Staat nicht brauchen. Grüne und Linke wollen das nicht; denn in der Familie werden Werte vermittelt. Sie steht für Vertrauen und Verantwortung. Familien sind seit vielen Jahrzehnten und eigentlich schon immer resistent gegen linksideologische Umtriebe. ({10}) Und deshalb wollen Linke auch schon aus ihrer gesamten Geschichte heraus die Kontrolle über die heranwachsenden Kinder gewinnen – auch Bundeskanzler Scholz hat das bereits gesagt – und die Rechte von Eltern und Kindern beschneiden. Dafür wollen Sie Kinderrechte im Grundgesetz verankern, damit dann eine komplett staatliche Erziehung möglich wird, meine Damen und Herren. ({11}) Seit fast zwei Jahren aber bestimmt dieser Staat ja schon über das Leben unserer Kinder. Sie haben das Leben der Kinder zu einer Verhandlungsmasse Ihrer Coronapolitik gemacht. Sie haben sich der schweren Form der Kindeswohlgefährdung schuldig gemacht: keine Treffen mit Freunden, kein Sport, kein Austausch mit Gleichgesinnten im Präsenzunterricht. Vor allem aber die üble Rhetorik, mit der Sie bis heute unsere Kinder zu Oma- und Opa-Umbringern diskreditieren, hat sensible Kinderseelen zerstört, meine Damen und Herren. ({12}) Allein von März bis Mai 2021 mussten bundesweit 500 Kinder nach Suizidversuchen auf Intensivstationen behandelt werden. Die Zahl der Kinder, die nach Selbstmordversuchen auf Intensivstationen landete, hat sich vervierfacht; das sind Zahlen einer Studie der Essener Uniklinik. Die kinderlose Ex-Kanzlerin Merkel sagte im Januar 2021: „Ich lasse mir nicht anhängen, dass ich Kinder quäle.“ Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Genau das tut diese Bundesregierung. ({13}) Sie treiben Kinder in Depressionen, in Essstörungen, in Angstzustände. Sie treiben die Kinder dorthin, dass sie oft nicht mehr leben wollen, und das ist eine große Schuld, die Sie auf sich geladen haben, meine Damen und Herren. ({14}) Ich bitte Sie im Namen unserer Kinder: Heben Sie alle die Kinder betreffenden Maßnahmen umgehend auf! ({15}) Die Familienministerin hat sich zu diesen erschreckenden Zahlen bis heute überhaupt nicht geäußert. Das wundert nicht; sie hat ja Wichtigeres zu tun: Sie muss einen Beauftragten für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ins Amt hieven. Was sind schon Kinderleben gegen grüne Lobbyarbeit, meine Damen und Herren? ({16}) Alle Fraktionen in diesem Hause außer der AfD haben das Recht verwirkt, das Wort „Kinderrechte“ in den Mund zu nehmen. ({17}) Mit der Ampelkoalition ist in Deutschland eine Regierung aktiv geworden, die sich die aktive Sterbebegleitung unseres Landes auf die Fahne geschrieben hat

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Martin Reichardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004859, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, nur die AfD steht in diesem Land für Freiheit und Selbstverantwortung von Eltern und Kindern. Wir stehen für Grundrechte und Identität. Wir sind die einzige Stimme der Freiheit in diesem Parlament. ({0}) Vielen Dank. – Und jetzt muss ich noch meine Staubschutzmaske aufsetzen. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort der nächsten Rednerin: Gyde Jensen, FDP-Fraktion. ({0})

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sieben ganz schön lange Minuten gerade. ({0}) – Herr Baumann, wir halten das aus. Deswegen komme ich jetzt zu den Plänen der Ampelkoalition in einem Bereich, wo es nicht nur um ein Familienbild geht, sondern um so viel mehr. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den positivsten Rückmeldungen, die ich auf die Vorhaben dieser neuen Koalition erhalten habe, ging es vor allen Dingen um den Zuspruch für die Abschaffung von § 219a und um die Liberalisierung des Familienrechts. Bei diesen Rückmeldungen klang vor allen Dingen eines durch: dass das eine Art Befreiungsschlag ist, ({2}) weil sich eine Koalition im 21. Jahrhundert nicht mehr anmaßt, den Menschen andauernd in persönlichsten Lebensbereichen ihre Moralvorstellungen aufdrücken zu wollen. ({3}) Stattdessen traut sie ihnen etwas zu, und zwar selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und verantwortungsvoll elementarste Aspekte ihres Lebens zu entwerfen. Für viele, viele Menschen in diesem Land ist das eine große Erleichterung. ({4}) Denn unsere Gesellschaft hat die Union in diesen Fragen schon vor Jahren überholt. Und, Frau Bär, es geht nicht nur aus Prinzip um Modernität, sondern um Realität. ({5}) Denn wir sorgen dafür, dass schon längst gelebte und gesellschaftlich vollkommen akzeptierte Lebensentwürfe und Familienformen endlich auch rechtlich abgebildet werden. Das eint uns hier in dieser Koalition, und zwar nicht, weil wir uns einen Vertrag geschrieben haben, sondern weil wir davon zutiefst überzeugt sind. Ich will auch erklären, warum. Seinen eigenen Weg zu gehen, das ist ein Gefühl, und das hat nicht nur etwas mit beruflicher Lebensplanung zu tun. Ein selbstbestimmtes Leben fängt mit Träumen an, mit einem Ziel, auf das man hinarbeiten möchte. Für viele Menschen besteht dieser Lebenstraum darin, eine Familie zu gründen. Den meisten von uns ist es das tiefste Bedürfnis, unser Leben mit Menschen zu teilen, die wir schätzen oder lieben, denen wir vertrauen und für die wir Verantwortung übernehmen möchten. Diese Entwürfe, die sich daraus ergeben, spielen wir nicht moralisch gegeneinander aus, ({6}) und über die fällen wir auch kein Urteil. ({7}) Wir werden unser Bestes geben, vielfältige Lebensentwürfe zu ermöglichen, damit alle Bürgerinnen und Bürger Lebensträume träumen und vor allen Dingen verwirklichen können, ({8}) indem wir das Familienrecht liberalisieren – wir haben es schon in vielen Reden gehört –, indem wir ungewollt Kinderlose besser unterstützen, und zwar ohne Diskriminierung ihres Familienstandes oder ihrer sexuellen Identität, indem wir die Bedingungen verbessern, damit Familie und Beruf miteinander vereinbart werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Lebensträume entstehen in der Kindheit, wenn man Bücher liest, wenn man mit Freunden spielt, wenn man an Orte reist, an denen man noch nie war, indem man Hobbys ausübt. Kinder, die in Armut aufwachsen – das haben wir heute schon eindrücklich, auch aus persönlichen Erfahrungen, gehört –, haben weniger dieser Möglichkeiten. Und obwohl ihnen ihre liebevollen Eltern alles möglich machen, was irgendwie geht, müssen sie die Erfahrung machen, dass sie nur in einem ganz begrenzten Rahmen träumen dürfen, und genau da müssen wir politisch unterstützen. Das ist die Verantwortung, die wir hier haben und die wir gemeinsam mit der Koalition auf den Weg bringen wollen. ({9}) Deswegen werden wir eine Kindergrundsicherung und ein digitales Kinderchancenportal etablieren. Die Pandemiebekämpfung in den letzten zwei Jahren ging auf Kosten der Kinder, auf Kosten von Familien und Jugendlichen. ({10}) Wir sollten uns hier in diesem Hohen Haus sehr bewusst sein – und ich glaube, die Koalition ist das definitiv –, dass Schule mehr als ein Kapitel in einem Mathebuch ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da haben wir einiges gutzumachen; das wollen wir sehr gerne tun. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit, liebe Ministerin Spiegel. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg; wir stehen an Ihrer Seite. Und vor allen Dingen wünschen wir Ihnen viel Freude bei den Projekten, die vor Ihnen liegen. ({11})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu ihrer ersten Rede erteile ich das Wort Heidi Reichinnek, Fraktion Die Linke. ({0})

Heidi Reichinnek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Lesen des Koalitionsvertrags habe ich mich kurz gefragt, ob mir vielleicht ein paar Kapitel fehlen. Denn da stehen zwar viele schöne Worte; es wurden auch einige vorgetragen. Aber die Vorhaben der Ampelkoalition leisten nicht wirklich einen Beitrag dazu, die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland endlich zu schließen. Vermögensteuer: Fehlanzeige! Bürger/-innenversicherung: Fehlanzeige! Abschaffung von Hartz IV – Sie ahnen es –: Fehlanzeige! Und nein, ein neuer Name hilft uns nicht wirklich weiter. ({0}) Nach vielen Jahren Arbeit in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe kann ich Ihnen nur sagen: Auch hier liegt einiges im Argen, und die Folgen der Pandemie sind gravierend. Zwar diskutieren alle darüber, wie der verlorene Schulstoff aufgeholt werden kann; aber kaum jemand redet darüber, was es mit Kindern und Jugendlichen macht, wenn sie zwei Jahre lang fast keine sozialen Kontakte haben, und hier sind Kinder armer Familien massiv benachteiligt. Im eigenen Garten mit Computer ist so eine Quarantäne ehrlicherweise einfacher zu ertragen als mit zwei Geschwistern auf einigen wenigen Quadratmetern. ({1}) Bereits nach dem ersten Lockdown stiegen Depressionen bei Jugendlichen auf das Zweieinhalbfache des Vor-Corona-Niveaus. Auch hier kann ich aus meiner Praxis in der Jugendhilfe berichten – ich war da noch vor wenigen Monaten –: Die Kinder und Jugendlichen gehen gerade kaputt. Aber statt nur zu pöbeln und die Kinder zu instrumentalisieren, sage ich: Wir brauchen deshalb eine nachhaltige Stärkung von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe. Statt hier und da Projektförderungen, bei denen niemand ohne Promotion versteht, wie man die Anträge dafür überhaupt ausfüllen muss, brauchen wir Investitionen in nachhaltige Strukturen. ({2}) Es bringt nichts, wenn sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter ein Prestigeprojekt nach dem nächsten ausdenken müssen, damit Politikerinnen und Politiker damit in der Presse glänzen. Denn Sozialarbeit ist kein Wettbewerb; sie ist eine zentrale öffentliche Aufgabe, und das müssen wir endlich anerkennen. ({3}) Doch ich möchte noch einen Schritt weitergehen: Wie viele Kinder kommen hungrig in die Schule? Wie viele Kinder können nicht mit zum Schulausflug? Wie viele Kinder können sich vielleicht gerade noch den Beitrag für den Fußballverein leisten, aber nicht mehr die Schuhe dafür? Ja, es geht um Kinderarmut: Jedes fünfte Kind lebt in Armut. Sie sagen: „Die Kindergrundsicherung soll kommen“, bleiben dabei aber völlig unkonkret, um welchen Betrag es sich denn handeln soll. Deswegen empfehle ich Ihnen unseren Antrag aus dem März 2020. Wir werden konkret: altersabhängig bis zu 630 Euro Grundbetrag plus Erstattung von Kosten für Wohnung und Sonderbedarfe. So einfach kann es sein, so gut, so gerecht. ({4}) Doch noch unwichtiger als Kinderarmut scheint für Sie Altersarmut zu sein; denn das Wort wird im gesamten Koalitionsvertrag nicht einmal erwähnt. Dabei lebt ein Fünftel aller Seniorinnen und Senioren in Armut. Interessant auch, wie uninteressant das Thema Alleinerziehende für Sie zu sein scheint. Die werden fünfmal erwähnt, aber ohne erkennbare Strategie, um deren Situation wirklich zu verbessern. Auch hier erinnere ich Sie ungern: 43 Prozent aller Alleinerziehenden leben in Armut. Die Pandemie hat sie ganz besonders belastet. Wenn Minister Heil jetzt mit großem Tamtam als erste Maßnahme 40 Prozent Zuschuss für Haushaltshilfen ankündigt, dann ist das doch absurd. Denn wer kann sich denn eine Haushaltshilfe leisten, und welche Art von Jobs wird damit finanziert? Das sind rhetorische Fragen. ({5}) Aber mal im Ernst: Damit wollen Sie Ihr Jahrzehnt der Gleichstellung einläuten? Frau Ministerin Spiegel, Sie sagen von sich, Sie seien Feministin, und das freut mich außerordentlich. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass die angekündigten Vorhaben der Ampel, um die Situation von Frauen zu verbessern, zügig auf den Weg gebracht werden, und ich hoffe, Sie schaffen es auch, sich gegen die Handschrift der FDP durchzusetzen. Dass die Istanbul-Konvention beispielsweise endlich wirksam umgesetzt werden soll, ist dabei weniger ein großer Wurf der neuen als eher ein Versagen der alten Regierung. „Wirksam umgesetzt“ heißt übrigens, dass wir unter anderem 14 000 Plätze mehr in Frauenhäusern brauchen und dafür entsprechende Investitionen. ({6}) Was da mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, möglich ist, das ist die große Frage. Was wir gut finden, ist, dass Sie zwei Wochen bezahlten Urlaub für Väter nach der Geburt einführen wollen. Das soll bitte unabhängig vom Geschlecht für das zweite Elternteil gelten und auch für Alleinerziehende. ({7}) Das übrigens ist eine linke Idee; wir haben sie letztes Jahr hier eingebracht. Damals hat die SPD leider noch dagegengestimmt. Schön, dass Sie es sich jetzt anders überlegt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir sehen mal wieder: Links wirkt! Bei Ihren guten Projekten sind wir an Ihrer Seite, und ansonsten rücken wir die soziale Frage als einzig soziale Opposition im Haus natürlich in den Mittelpunkt. Vielen Dank. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Das Wort hat die Kollegin Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ulle Schauws (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004395, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zusammen loslegen, so wie es Anne Spiegel gerade angekündigt hat, ja, darauf freuen wir uns – endlich den Aufbruch gestalten! Ich kann Ihnen sagen, so viele haben sich nach den Koalitionsverhandlungen bei uns, bei mir gemeldet und gesagt: Jetzt kann ich richtig aufatmen; eure vielen Vorhaben für eine fortschrittliche Gesellschaftspolitik geben mir echt Hoffnung. – Ich sage Ihnen: Das hat mich echt berührt. ({0}) In diesem Geist werden wir also loslegen, damit aus Hoffnungen Realitäten werden, in enger Zusammenarbeit mit der Ministerin und dem Gesellschaftsministerium – für Familien, Frauen, Jugend, Seniorinnen und Senioren, Queere und für eine moderne Gesellschaft der vielen. Daran arbeiten wir mit aller Kraft. ({1}) Unser Ziel ist, bestehende Lebensrealitäten anzuerkennen und jedem Menschen zu ermöglichen, sicher, frei und in Würde zu leben. Wir wollen, dass ein selbstbestimmtes Leben für Frauen, für Menschen mit internationaler Familiengeschichte, für queere Menschen, für Junge und Alte gestärkt und abgesichert wird und dass unsägliche Diskriminierungen, die es noch immer gibt, endlich abgeschafft werden. ({2}) Ich kann in drei Minuten nur ein paar Punkte nennen, aber: Endlich alle Familienkonstellationen, in denen Menschen in Liebe und Verantwortung miteinander leben, abzusichern, das heißt Fortschritt. Genau diesen Fortschritt hat die Union 16 Jahre verhindert. Dorothee Bär hat gerade, wie ich finde, sehr giftig unter Beweis gestellt, dass Politik an den Realitäten von Familien vorbei gemacht worden ist; da helfen auch Flugtaxen nichts. Das ist nicht Modernität. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Entstauben von Gesetzen werden wir nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen. Wir passen das Abstammungsrecht an und sorgen bei Kindern mit zwei Müttern von Anfang an für Sicherheit. Die soziale Elternschaft stärken wir mit einem kleinen Sorgerecht. Ein großer Schritt in puncto Gerechtigkeit und gegen Kinderarmut wird die Einführung der Kindergrundsicherung sein, und für eine gerechtere Beteiligung sorgt das Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre. Das sind klare Ziele unserer Ampelkoalition. ({4}) Mir liegt am Herzen, dass wir den Gewaltschutz für Frauen echt verbessern, Frauenhäuser endlich mit aus dem Bund finanzieren und die vorbehaltlose Umsetzung der Istanbul-Konvention voranbringen. Ein Selbstbestimmungsgesetz, das seinem Namen gerecht wird, werden wir auf den Weg bringen. Und: Wir werden § 219a schnell und endgültig streichen und über eine Lösung für § 218 außerhalb des Strafgesetzbuches beraten. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, so viele Menschen haben auf ein Bundespartizipationsgesetz gewartet. Das wird ebenso kommen wie unser verstärkter Kampf gegen Rechtsextremismus. ({6}) Aber – das gilt allen Verbänden und NGOs –: Ohne die jahrzehntelangen Kämpfe der Zivilgesellschaft wären wir nie so weit gekommen. Darum: Danke an alle, die dafür gekämpft haben. ({7}) Ich komme zum Schluss. Wir wagen das Positive: jedem Menschen zugestehen, geschützt, abgesichert und selbstbestimmt zu leben, den Realitäten von Menschen gerecht werden. Denn so leben wir in unserem Land: modern, bunt, normal, vielfältig. ({8}) Genau so sollten Gesetze aussehen. In diesem Sinne: Auf geht’s! ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort Silvia Breher, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Silvia Breher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004681, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Spiegel, zunächst auch von mir: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Amt und viel Erfolg zum Wohle aller Familien in Deutschland! Ihr Koalitionsvertrag verspricht viel, nicht nur gesellschaftspolitisch. Er verspricht vor allen Dingen auch viel Geld. Ich möchte nur mal ein paar Stichworte nennen: Sofortzuschlag, Kindergrundsicherung, Elterngeld, haushaltsnahe Dienstleistungen, Anschlussprogramm für unser Corona-Aufholprogramm und Fortführung der Mittel für unser Gute-KiTa-Gesetz. ({0}) Viele gut klingende Überschriften; das ist richtig. Aber es ist eben alles nicht nur eine Frage der Haltung, sondern auch eine Frage der Finanzierung. Deswegen gehe ich davon aus, dass Sie mehr als nur einen guten Draht zu Ihrem Finanzminister haben, der Ihren Haushalt trotz Schuldenbremse erheblich aufstocken müssen wird; denn es sind Ihre Versprechen an die Familien. ({1}) Ihr Kernversprechen: die Einführung einer Kindergrundsicherung. Diese Debatte ist nicht neu. Nein – richtig –, wir haben diese Debatte schon oft geführt, und deswegen frage ich mich: Warum haben Sie noch keine Antworten, noch keine Ideen für einen Weg und handeln aktuell eher nach dem Motto: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis“? Das ist mir an dieser Stelle definitiv zu wenig. ({2}) Weil Ihre Umsetzung eben länger dauert, gibt es einen Sofortzuschlag. Sofortzuschlag: Wer bekommt den denn? Wie viel? Wann? Monatlich oder jährlich? Antworten auf diese Fragen kann bis jetzt noch niemand aus dieser Bundesregierung geben. Zudem gibt es später die Kindergrundsicherung, einen Garantiebetrag für jedes Kind – gibt es schon: wir nennen das Kindergeld –, und einen vom Elterneinkommen abhängig gestaffelten Zusatzbetrag. Den gibt es übrigens heute auch schon. Wir nennen das Kinderzuschlag und Bildungs- und Teilhabepaket. ({3}) Die Leistungen sollen zusammengefasst und in einem neuen digitalen Kinderchancenportal einfach automatisiert berechnet und ausgezahlt werden, zitiere ich. Ich kann Sie beruhigen, liebe Koa: Die Arbeit können Sie sich sparen; die haben wir nämlich in der letzten Legislatur bereits mit dem Digitale-Familienleistungen-Gesetz gemacht. ({4}) Die rechtlichen Grundlagen sind geschaffen. Sie müssen es nur noch umsetzen. ({5}) Jedes Kind in Deutschland, das sozial benachteiligt ist, ist eins zu viel. Wenn Sie gute Ideen haben, haben Sie uns an Ihrer Seite. Aber Ihr Wunsch, dass die Leistungen aus der Kindergrundsicherung nun direkt beim Kind ankommen, ist doch, ganz ehrlich, eine leere Phrase. Das Geld wird immer in den Familien ankommen und nicht direkt beim Kind. Fakt ist: Geld alleine hilft nicht. Dadurch geht noch kein Kind, das heute ohne Frühstück in die Schule geht, mit Frühstück oder einem gesunden Essen durch den Tag. ({6}) Hier gilt es, auch zukünftig Familien, Kinder und Eltern, zu unterstützen, und zwar zielgerichtet und bedarfsorientiert, mit guten und verlässlichen Bildungseinrichtungen und Betreuungsangeboten und flächendeckenden Anlaufstellen, damit Leistungen auch abgerufen werden, und vor allen Dingen gilt es, die Eltern in Erwerbstätigkeit zu bringen. Das war und das ist unser Anspruch als Union. ({7}) Sie kündigen eine umfassende Reform des Sorge- und Umgangsrechtes an. Studien sollen diese Vorhaben begleiten. Aber bitte machen Sie nicht den zweiten Schritt vor dem ersten. Diese Studien müssen Grundlage von rechtlichen Entscheidungen sein. In diesem Zusammenhang frage ich Sie nach der teuren Forschungsstudie „Kindeswohl und Umgangsrecht“. Was ist daraus geworden, was im BMFSFJ unter SPD-Führung für 1,2 Millionen Euro in Auftrag gegeben wurde? Der Datenschutzbeauftragte hat die Studie gestoppt, so zumindest unsere Informationen. Aber genau diese Infos brauchen wir, wenn wir ans Sorge- und Umgangsrecht gehen; denn für uns als Union steht das Kindeswohl immer an erster Stelle. ({8}) Zudem sprechen Sie auch heute, Frau Ministerin, über die zweiwöchige Freistellung des Partners nach einer Geburt bei vollem Gehalt. So weit, so gut. Sie verraten nur nicht, wer das bezahlen soll – vielleicht der Arbeitgeber? Aber, diese Freistellung entspricht entgegen Ihrem heutigen Artikel keiner Pflicht gemäß der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie. Das sollten Sie wirklich besser wissen, Frau Ministerin. Mit unserem Elterngeld sind wir hier in Deutschland nämlich schon heute mehr als gut aufgestellt. Eine weitere Pflicht erwächst aus dem EU-Recht nicht. Es braucht einfach mehr als eine zweiwöchige Freistellung und einen weiteren Monat Elterngeld, liebe Koa: bessere Wahlfreiheit, mehr Zeitsouveränität, und das über das gesamte Berufsleben. Diese Vision, neue und alte Instrumente zusammenzubinden, haben wir, und das erwarten wir auch von Ihnen. Insofern wünschen wir Ihnen viel Erfolg bei der Umsetzung in den nächsten Jahren. Danke schön. ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu seiner ersten Rede erteile ich das Wort Daniel Baldy, SPD-Fraktion. ({0})

Daniel Baldy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005015, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit der Bundesfamilienministerin Frau Spiegel verbindet mich nicht nur die Überzeugung der Ampel als Fortschrittskoalition. Als Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer haben wir in unserem Heimatbundesland in den letzten fünf Jahren auch sehen können, dass die Ampelkoalition sehr gute Arbeit geleistet hat, die die Menschen überzeugt. Wie sehr sie überzeugt hat, das haben wir beide und auch das ganze Land im vergangenen März bei der Landtagswahl sehen können. Gerade im Bereich der Demokratie- und Engagementpolitik wurden wichtige Vorhaben nicht nur angekündigt, nein, sie wurden auch umgesetzt. Das ist auch unser Anspruch für den Bund. Ich bin mir sicher, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wir werden diesem Anspruch in der Ampelkoalition auch gerecht werden. ({0}) Eines der Projekte, das die Ampelkoalition in Rheinland-Pfalz umgesetzt hat, ist die Onlinemeldeplattform m*power, die im September 2020 für menschenfeindliche, rassistische und antisemitische Vorfälle eingerichtet wurde. Schon der erste Jahresbericht hat uns gezeigt: Es war richtig, diese Plattform einzurichten und zu schaffen, um Vorfälle, die leider oft im Verborgenen bleiben, sichtbarer zu machen. Aber die hässliche Fratze des Hasses, wie Sie sie nannten, Frau Spiegel, zeigt sich nicht nur in der Anonymität des Internets. Die steigende Zahl von tätlichen Angriffen auf Engagierte und Ehrenamtliche muss für uns Grund zur Sorge sein. Mehr als 70 Prozent der „Partnerschaften für Demokratie“, unterstützt durch das Programm „Demokratie leben!“, sind regelmäßig von Anfeindungen betroffen. Das dürfen wir nicht tolerieren, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen. ({1}) Gefährdete Personen brauchen und verdienen unseren Schutz und müssen sich – nicht nur, aber allen voran – in ihren eigenen vier Wänden sicher fühlen können. Deshalb stärken wir die Möglichkeit von Auskunftssperren im Melderegister. Denn eins ist klar: Wer für demokratische Werte wie Vielfalt, Toleranz, Respekt und Freiheit eintritt, der muss und der wird von uns, wo immer es geht, unterstützt werden. ({2}) Wir sollten zivilgesellschaftliches Engagement aber nicht nur vor Angriffen schützen, nein, wir sollten es auch proaktiv fördern. Wir als SPD-Bundestagsfraktion machen das schon lange. Denn wir waren es, die sich in der vergangenen Legislaturperiode im Parlament, aber auch in der Regierung vehement dafür eingesetzt haben, die Programme für zivilgesellschaftliches Engagement langfristig auf solide finanzielle Füße zu stellen. ({3}) Um es ganz konkret zu machen: Allein das Programm „Demokratie leben!“ fördert mehr als 320 lokale Partnerschaften für Demokratie, 40 zivilgesellschaftliche Organisationen und 150 Modellprojekte in ganz Deutschland. Aber: All die wichtige Arbeit, die dort geleistet wird, hat Sie, liebe Unionsfraktion, bisher leider nicht überzeugen können. Sie sehen hinter jeder Organisation gegen rechts Gespenster linksextremer Gewalt. Sie rücken dieses bürgerschaftliche Engagement in eine antidemokratische Schmuddelecke. Sie stellen die für unsere Demokratie so wertvollen Streiterinnen und Streiter unter Generalverdacht. Das war der Grund, warum Sie einen Rückzieher gemacht haben beim Entwurf zum Demokratiefördergesetz in der letzten Legislatur. Selbst Horst Seehofer, Ihr Innenminister, war – Zitat – „maßlos enttäuscht“ von Ihrem destruktiven Handeln. ({4}) Dass wir als Ampelkoalition spätestens im kommenden Jahr nun endlich ein solches Gesetz vorlegen und verabschieden wollen, ist auch ein klares Zeichen an die vielen Vereine und Initiativen im Bereich der Beratungs- und Präventionsarbeit: Wir schätzen eure Arbeit. Wir wollen euch unterstützen. Ihr könnt euch auf uns verlassen. Wir lassen euch nicht im Stich. ({5}) Wenn wir uns die Ziele der kommenden Jahre anschauen, dann gilt es einmal mehr, festzuhalten: Unsere Demokratie hat Feinde, und unsere Demokratie wird bedroht. Und wir, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben die Aufgabe, sie zu verteidigen. Alle Demokratinnen und Demokraten in diesem Hohen Haus müssen sich klar positionieren, ob sie nun in der Regierung sind oder in der Opposition. Den Kampf gegen rechts und für die Demokratie müssen wir zusammen führen. Daran werden wir uns als Parlament messen lassen müssen, und Sie, liebe Links- und liebe Unionsfraktion, sind herzlich eingeladen, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen. Herzlichen Dank. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner in dieser Debatte ist der Kollege Christoph de Vries, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christoph Vries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir in dieser Wahlperiode über Familienpolitik reden, dann müssen wir auch über den Schutz unserer Kinder sprechen, und zwar ganz besonders über den Schutz unserer Kinder vor sexualisierter Gewalt. Denn Kindesmissbrauch zerstört Kinderseelen. Wir sprechen von Tausenden Fällen Jahr für Jahr in Deutschland, und zwar mit steigender Tendenz. Wir hatten beim Kindesmissbrauch im Jahr 2020 einen Anstieg um 7 Prozent, fast 14 500 Fälle. Der Handel mit Kinderpornografie hat immens zugenommen: um 53 Prozent auf 18 700 Fälle. Meine Damen und Herren, das sind erschütternde Zahlen, und das sind keine Zahlen, die es uns als Parlament erlauben, hier in irgendeiner Form die Hände in den Schoß zu legen und tatenlos zuzuschauen. ({0}) Es ist hochaktuell: Erst gestern – Sie werden es mitbekommen haben – sind die Ergebnisse der Soko „BAO Berg“ in Nordrhein-Westfalen publik geworden. In zwei Jahren sind dort 65 Kinder befreit und 439 Tatverdächtige identifiziert worden. Das jüngste Opfer war ein drei Monate altes Baby, das vergewaltigt wurde. Das macht einen als Vater von drei Kindern sprachlos, und, Frau Ministerin, ich hätte mir an dieser Stelle, einen Tag nach dieser Bekanntmachung, schon gewünscht, dass Sie dazu ein paar Worte der Anteilnahme sagen und dass Sie dem Parlament auch sagen, was Sie in den nächsten vier Jahren politisch gegen Kindesmissbrauch unternehmen wollen. ({1}) Die Unionsfraktion hat sich die konsequente Bekämpfung des Kindesmissbrauchs seit Langem auf die Fahnen geschrieben – das ist hier kein Geheimnis –: Wir haben den sexuellen Kindesmissbrauch als Verbrechen eingestuft. Wir haben den Strafrahmen erhöht. Wir haben den Besitz und die Verbreitung von Kinderpornografie als Verbrechen auch strafrechtlich hochgestuft. Wir haben das Cybergrooming unter Strafe gestellt. Wir haben vor allen Dingen aber auch die Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden im Darknet gestärkt, indem Ermittler nun echt aussehende computergenerierte Bilder hochladen können, damit man Zugang zu diesen kinderpornografischen Foren erhält, um dort ermitteln zu können. – Das alles ist wirklich beachtlich; aber das ist noch lange nicht genug. Unser Anspruch als Unionsfraktion ist und bleibt, dass wir hier Speerspitze im Parlament bleiben wollen im Kampf gegen den Kindesmissbrauch. ({2}) Und was finden wir dazu im Koalitionsvertrag? Eine dürftige Seite mit einem Drittel Absatz. Außer Allgemeinplätzen und Phrasen findet sich beim Schutz vor Kindesmissbrauch nichts Substanzielles, keine konkreten Maßnahmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, das reicht nicht; denn die Zahlen mahnen uns ja eindringlich zum Handeln – ich habe das eben fortgeführt –, zu mehr Aufklärung, zu mehr Ermittlung und auch zu mehr rechtlichen Befugnissen der Polizei. Ich will nur zwei Forderungen nennen, die wir an vielen Stellen deutlich gemacht haben: Wir wollen, dass Internetdienste bei Kenntnis von sexuellem Missbrauch dazu verpflichtet werden, Bestandsdaten an die Ermittler weiterzugeben. Und wir wollen – das sage ich auch mit Blick auf die Rede des Justizministers gestern, die ich an der Stelle erschütternd fand –, dass es auf europäischer Ebene eine grundrechtskonforme Regelung zur verpflichtenden Speicherung von IP-Daten gibt, die die Ermittlung der Täter ermöglicht. Meine Damen und Herren von der Ampel, Ihr kategorisches Nein zur Vorratsdatenspeicherung beraubt die Ermittler ihrer schärfsten Waffe. Jährlich können Tausende Fälle von Kinderpornografie nicht aufgeklärt werden, weil diese Verbindungsdaten fehlen. Was Sie hier aus datenschutzrechtlichen Gründen hartnäckig ablehnen, ist in der Realität in Tausenden Fällen ein Freifahrtschein für Kinderschänder und für skrupellose Geschäftemacher in unserem Land. Dieses Verhalten leistet dem Missbrauch von Kindern und dem Handel mit diesem abscheulichen Zeug, was dort verbreitet wird, Vorschub. Ich muss es an dieser Stelle einmal ganz deutlich sagen. ({3}) Unser Grundsatz gilt hier weiter: Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden. Seien Sie sich dessen immer bewusst bei Ihren Entscheidungen, die Sie in den nächsten Jahren familienpolitisch, aber auch rechtspolitisch treffen werden. Wir werden Ihnen das nicht durchgehen lassen, und wir werden an dieser Stelle immer wieder den Finger in die Wunde legen. Vielen Dank. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Auch zu seiner ersten Rede erteile ich das Wort Martin Gassner-Herz, FDP-Fraktion.

Martin Gassner-Herz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005061, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Welch ein für mich beeindruckendes Ereignis, hier an dieser Stelle meine erste Rede halten zu dürfen! Neugewählter Abgeordneter zu sein, bedeutet logischerweise ja auch, dass man noch unlängst einem anderen Beruf nachgegangen ist. So war ich bis vor Kurzem im Jobcenter in Offenburg beschäftigt und damit in der ersten Reihe, wo unsere Sozialsysteme auf Menschen treffen, denen sie eine Stütze sein sollen. Gute Sozialsysteme sind eine Aufstiegsleiter, mit der sich stolze Menschen aus einer schwierigen Situation emanzipieren. Mit diesem Gedanken des selbstbestimmten Vorankommens bin ich den Weg gegangen, der mich bis hierher, in den Deutschen Bundestag, getragen hat. Dieser Aufstiegsleiter fehlen gerade an ihrem Beginn noch entscheidende Sprossen. Die Freien Demokraten werden in der Sozialpolitik gemeinsam mit den sozialdemokratischen und grünen Partnern neue und dichtere Sprossen schaffen. ({0}) Besonders niedrige und enge Sprossen brauchen diejenigen mit den kürzesten Beinen, und das sind die Kinder. Wir holen Kinder aus Hartz IV heraus und ermöglichen ihnen eine Teilhabe, die nicht mit der Bewältigung von unzähligen Formularen verbunden ist. Mit der Kindergrundsicherung machen wir einen großen Schritt hin zu einer echten Chancengerechtigkeit. ({1}) Zu oft haben bürokratische Hürden bisher verhindert, dass Hilfe dort anlangt, wo sie gebraucht wird. Das wird sich nun ändern. Die Kindergrundsicherung wird unbürokratisch und gut zugänglich bisher verschiedene Leistungen zusammenführen. Sie wird digitaler sein und mehr Kindern einfachere, bessere Chancen zur Teilhabe an Gemeinschaft, Gesellschaft, Bildung und Mobilität eröffnen. Die Familienpolitik der Fortschrittsregierung wird außerdem jene im Blick haben, deren Wünsche, wie sie Familie sein möchten, noch nicht erfüllt sind. Wir werden mit der Verantwortungsgemeinschaft oder Änderungen im Adoptionsrecht dazu neue Möglichkeiten eröffnen. ({2}) Ein besonderes Herzensthema ist für mich, dass mehr Paare, die unerfüllte Kinderwünsche haben, finanziell entlastet werden, wenn sie medizinische Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Wir werden außerdem mehr Menschen Zugang zu dieser Förderung verschaffen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Ein solcher Weg ist so häufig mit Rückschlägen verbunden und für betroffene Paare sowohl seelisch als auch körperlich extrem belastend. Wie furchtbar muss es sein, wenn man zusätzlich dazu noch Sorgen um die Finanzierbarkeit der Behandlung haben muss? Auch die beste Sozialpolitik kann nicht jede Schwierigkeit des Lebens abwenden, aber sie sollte dort Leid mindern, wo es möglich ist. ({3}) Familien in all ihren vielfältigen Formen sind die Urzellen der Gesellschaft. Aus ihnen heraus bilden wir Gemeinschaften. In ihr sind wir stolze Bürgerinnen und Bürger und bilden damit das Fundament der Demokratie. Gerade in diesen für die Gesellschaft belastenden Zeiten hat die Fortschrittskoalition im Blick, den Zusammenhalt zu stärken. Bürgerschaftliches Engagement ist das Rückgrat einer starken Gesellschaft und einer integrativen Demokratie. Wir begeistern mehr, besonders junge Menschen für das Ehrenamt. Wir fördern das Vereinsleben. Wir stärken damit jene, die aus der Mitte der Gesellschaft unser Zusammenleben tragen. Damit drücken wir Respekt aus gegenüber den großen Leistungen, die Menschen im Ehrenamt und damit in ihrer Freizeit vollbringen und die der Staat nie leisten könnte. ({4}) Wir machen unsere Gesellschaft mit einer starken Bürgerschaft aber auch widerstandsfähig gegen jene, die versuchen, die Gesellschaft zu untergraben und Spaltpilze zu verbreiten. Dazu werden wir ein Demokratiefördergesetz erarbeiten. Die Familien- und Gesellschaftspolitik der Koalition wird Wunderbares erreichen. Ich habe große Lust darauf, gemeinsam mit Ihnen mit der Umsetzung endlich loszulegen. Vielen Dank. ({5})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Auch zu Ihrer ersten Rede erteile ich das Wort Anke Hennig von der SPD-Fraktion. ({0})

Anke Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005081, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Spiegel! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Jedes Kind hat Rechte, auf der ganzen Welt, egal in welchem Land es lebt und aus welchem sozialen Umfeld es stammt – jedes einzelne Kind. Diese Kinderrechte müssen in unserem wichtigsten Gesetz, das wir in Deutschland haben, verankert werden: im Grundgesetz. ({0}) Kinderrechte stärken bedeutet dabei nicht, dass Eltern in ihren Rechten geschwächt werden – ganz im Gegenteil: Wenn Erwachsene wissen, wo die Rechte ihrer Kinder liegen, ist ein Fundament geschaffen, das beide Seiten stärken wird. In der UN-Kinderrechtskonvention steht geschrieben, dass Kinder in der Gesellschaft beteiligt werden müssen. Sie müssen beschützt und gefördert werden. Auf all das hat sich die Koalition geeinigt. ({1}) Ich bin sehr froh, dieses längst überfällige Thema jetzt zeitnah angehen zu können, und ich bin mir sicher, dass es durch einen Grundgesetzeintrag gelingen wird, die Welt für die Kleinsten in unserer Gesellschaft komfortabler, sicherer und unbeschwerter zu machen. ({2}) Aufgrund des noch immer bestehenden Ungleichgewichts in der Vielfältigkeit, vor allem in der Familie, ist es zur Befriedung wichtig, auch queere Themen als Grundrechte zu definieren, die diese Menschen zu gleichberechtigten Mitmenschen machen – auf Augenhöhe. Ein selbstbestimmtes Leben mit Akzeptanz ist erst möglich, wenn man ein Mensch mit gleichen Rechten in unserer Streitkultur der Aufklärung ist. ({3}) Deshalb werden wir Gleichstellung verwirklichen. Das bedeutet – und es ist mir an dieser Stelle, nach der unsäglichen Rede des Herrn Reichardt, eine Genugtuung, das sagen zu können –: Vielfältige Familienmodelle werden rechtlich abgesichert – von uns. ({4}) Regenbogenfamilien werden zusätzlich darin unterstützt, füreinander Sorge zu tragen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sich mehrere Menschen mit den oder anstelle der biologischen Eltern um ihre Kinder kümmern. ({5}) Auch ein sehr veraltetes Abstammungsrecht werden wir überarbeiten, und wir werden ein modernes auf den Weg bringen. Es müssen gleiche Rechte von gleichgeschlechtlichen Partnerinnen und Partnern in der Ehe gelten, insbesondere bei Adoptionen und auch Pflegschaften. ({6}) Das Transsexuellengesetz ist Unrecht und muss abgeschafft werden. ({7}) Aus demselben Grund werden wir ein Selbstbestimmungsgesetz verabschieden, das die entwürdigenden psychischen Begutachtungen und die Diskriminierung von Transpersonen auch vor dem Gesetz endgültig beendet, sodass sie vor diesem gleichgestellt sind. ({8}) Das Diskriminierungsverbot wegen der geschlechtlichen und sexuellen Identität wird in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz aufgenommen. Die Ausnahmeregelungen beim Diskriminierungsschutz für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sollen enger gefasst sein und damit den individuellen Rechten deutlich mehr Geltung verschaffen. ({9}) Nur weil jemand an Götter glaubt, darf er sich nicht ausgenommen fühlen. Wir wollen gleiche Rechte, nicht aber unklare Grundsätze im Zusammenleben – mit aller Konsequenz. ({10}) Außerdem brauchen wir mehr Engagement und Sichtbarkeit in Anerkennung und Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans-, Inter- und queeren Menschen; die kurze Bezeichnung ist „LSBTIQ“. Das bedeutet auch eine Pädagogik der Vielfalt und somit die Berücksichtigung von LSBTIQ in Unterrichtseinheiten und in Schulbüchern. ({11}) Die rechtliche Absicherung von LSBTIQ-Familien und Trans- und lnterpersonen ist längst überfällig. ({12}) Zusätzlich brauchen wir einen nationalen Aktionsplan gegen Homo-, Bi‑, Trans- und Interangst und Gewalt gegen LSBTIQ. Wir müssen uns auch auf europäischer Ebene für die Ächtung solcher Diskriminierung intensiv einsetzen. ({13}) Zu guter Letzt: Wir werden die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Blutspende anpassen. Jeder soll Blut spenden dürfen, völlig unabhängig von der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. ({14}) Unser Familienbegriff oder unser Verständnis von Familie ist sehr weit gefasst. Unser Familienbegriff zeichnet sich durch Vielfältigkeit aus. Daher bin ich umso glücklicher, dass wir in unserer Regierungskoalition in den nächsten vier Jahren eine breite und fortschrittliche Politik machen können. Vielen Dank. ({15})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die nächste Rednerin ist Dr. Katja Leikert, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Katja Leikert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004337, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin Spiegel! Wir alle bekommen ganz, ganz viele Mails von Impfskeptikern, von sogenannten Spaziergängern. Ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, wie es wäre, wenn wir genauso viele Mails von Jugendlichen und Kindern bekommen würden. Ich bin es wirklich leid – das sage ich ganz offen –, dass wir den Lauten so viel Aufmerksamkeit schenken. Auch in Ihrer Rede kam mir das Thema „Corona und Kinder“ leider etwas zu kurz. Vielleicht liegt das auch daran, dass ein stringentes Konzept zur Bekämpfung der Coronapandemie, das ja dazu führen würde, dass die Situation für die Kinder und Jugendlichen in unserem Land sicherer werden würde, leider fehlt und dass die Coronapolitik leider geprägt ist von einem großen Zaudern und Abwarten der Ampelkoalitionäre. ({0}) Was wir brauchen, liebe SPD und liebe Ampelkoalitionäre, ist viel mehr Respekt – das ist ja eines Ihrer Lieblingswörter – gegenüber denjenigen, die, wie unsere Schulkinder, sechs Stunden am Tag diszipliniert ihre Masken tragen, und viel mehr Respekt gegenüber den Familien in unserem Land, die Großartiges geleistet haben. ({1}) Der nach wie vor stärkste Ausdruck dieser Zögerlichkeit ist die Aussetzung der pandemischen Lage. Ich bin, ehrlich gesagt, bis heute nicht ganz darüber hinweg, dass Sie die pandemische Lage einfach ausgesetzt haben. Zum Glück wurde von Ihrer Seite nachgesteuert, nachgebessert. Zum Glück können die Kinder heute wieder in die Schule gehen. Aber ich sage es auch ganz deutlich: Nachbessern und Glück sind kein Regierungshandeln. Wir erwarten von Ihnen einfach langfristige Konzepte und die nötige Weitsicht. ({2}) Wenn man sich anschaut, wie Sie darauf reagieren, dann kann man nicht feststellen, dass es so etwas wie Einigkeit mit Blick auf die Pandemiebekämpfung gibt. Es ist wirklich bemerkenswert, wie weit Herr Kubicki von der FDP und Frau Haßelmann von den Grünen hier nach wie vor auseinanderliegen. Dabei ist eins ganz, ganz klar: Es geht – so sagt es auch die Vorsitzende des Ethikrats – um die Solidarität mit Kindern und mit Jugendlichen. Und dabei müssen sowohl die Schule als auch das soziale Leben der Kinder für uns alle die höchste Priorität haben. Stellen wir uns doch einmal weniger die Frage, wie es den Spaziergängern geht, sondern vielmehr die Frage, wie es einem Drittklässler in unserem Land geht, der vor zwei Jahren ganz normal eingeschult wurde. Dann kam der Lockdown, dann kamen Homeschooling ({3}) und Distanzunterricht. Zu Hause hat sich der Stress in den Familien erhöht, weil es einfach schwierig ist, ein Kind zu unterrichten und gleichzeitig zu arbeiten. Fast 3 Millionen Grundschülerinnen und Grundschülern ging es so in unserem Land. Wir denken auch an die Studierenden, die nicht richtig studieren konnten, an die Schülerinnen und Schüler, die ein bisschen älter sind. Deshalb, sehr geehrte Ampelkoalitionäre und liebe Frau Ministerin: Meine große Bitte an Sie ist, da noch mal ganz genau hinzuschauen. Es gibt dringenden Handlungsbedarf. Wir haben es schon gehört: Die Zahl der Suizidversuche bei Kindern ist um fast 300 Prozent gestiegen; der Anteil der Kinder im Alter von 16 bis 19 Jahren mit klinisch relevanten depressiven Symptomen ist von vorher 10 Prozent auf jetzt 25 Prozent gestiegen. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was Kinder im Jahr 2022 brauchen – diese Learnings dürften langsam bei allen angekommen sein –, ist genau das, was uns Jugendpsychologen und Bildungswissenschaftler sagen: Was Kinder jetzt am meisten brauchen, ist Sicherheit. Sie brauchen die Sicherheit, dass sie in ihren Vereinen weiterhin Fußball spielen können, dass die Schulen offen bleiben, dass sie sich mit Freundinnen und Freunden treffen können und Geburtstage feiern können. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, sorgen Sie hier bitte für einen klaren Kurs! Sorgen Sie für die Sicherheit unserer Kinder! Vielen Dank. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner ist Johannes Huber. – Herr Huber, ich gebe Ihnen auf der Tribüne ein Zeichen, wenn Ihre Redezeit vorbei ist, weil es da noch keine Uhr gibt. Das wird aber organisiert. – Vielen Dank.

Johannes Huber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004764

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Mitbürger! Das Positive vorweg: Es ist absolut notwendig, dass Heim- und Pflegekinder die eigenen Einkünfte komplett behalten. Das befreit Kinder aus der Armut und ist ein positiver Leistungsanreiz, den in der letzten Legislatur zuerst die AfD-Fraktion und später auch die FDP gefordert haben. Die Kindergrundsicherung ist aber vor allem für hilfsbedürftige Eltern kein Leistungsanreiz dahin gehend, dass sich die Erwerbsarbeit im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe lohnt. Stattdessen handelt es sich hierbei um einen Etikettenschwindel, weil das Geld in den meisten Fällen nicht bei den minderjährigen Kindern selbst ankommt. In Wahrheit versucht die Ampel, hier den ersten Schritt zum bedingungslosen Grundeinkommen zu unternehmen. Wenn Sie das schon tun, dann seien Sie wenigstens ehrlich zu den Bürgern da draußen. Besser wäre es, wenn Sie bereits jetzt das kindliche Existenzminimum mit ausreichend hohen Kinderfreibeträgen gewährleisten würden; aber hier hat sich die FDP nicht gegen die sozialistische Restampel durchsetzen können. ({0}) Für Kinder und Jugendliche haben übrigens alle Grundrechte so lange gegolten, bis sie vom unverhältnismäßig heiligen Infektionsschutz ausgehebelt wurden. Gesonderte Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und Olaf Scholz die Lufthoheit über die Kinderbetten zu erlauben, ist also überhaupt nicht notwendig, sondern eine alte sozialistische Traumvorstellung, um die Eltern infolge dieser kulturellen Revolution zugunsten der Regierung komplett zu entmündigen. Liebe CDU/CSU, die Eltern und Kinder in der Bundesrepublik erwarten von Ihnen, dass Sie das zusammen mit der AfD verhindern. ({1}) Die Ampelregierung will nämlich die familiären Bindungen entwerten bzw. komplett auflösen. Dass Alleinerziehende mit einer Steuergutschrift bessergestellt werden, ist ein fataler Anreiz, Beziehungen zu trennen und das Kindeswohl zu gefährden. Kinder sollen sogar vor der Empfängnis mit einem Schritt hin zur Legalisierung der Leihmutterschaft verschachert werden. Aber noch schlimmer: Mit der Verantwortungsgemeinschaft jenseits von Liebesbeziehungen begehen Sie einen Anschlag auf das Grundgesetz, nämlich auf Artikel 6, durch den Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. ({2}) Ich komme zum Schluss mit einem Appell an die Regierung: Kommen Sie zurück auf den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, und setzen Sie unsere Familien und Kinder nicht Ihren gesellschaftlichen Experimenten aus! Vielen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Denken Sie bitte an Ihre Maske, wenn Sie zu Ihrem Platz gehen. – Vielen Dank. Ich erteile als letztem Redner in der Debatte das Wort für seine erste Rede hier im Deutschen Bundestag Felix Döring, SPD-Fraktion. ({0})

Felix Döring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005043, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Mehr Fortschritt wagen“, das ist das Motto, das sich diese Koalition auf die Fahnen schreibt. Deswegen möchte ich meine erste Rede im Deutschen Bundestag einem Projekt dieser Ampelkoalition widmen, zu dem dieses Motto „Mehr Fortschritt wagen“ passt wie die Faust aufs Auge. Es geht um eine Norm, die schon im letzten Jahrhundert so wirkte, als sei sie von vorgestern. Es geht um einen alten Paragrafen, der nicht nur verstaubt und antiquiert wirkt, sondern der in seinem Grundsatz falsch ist – und auch reaktionär. Meine Damen und Herren, die Rede ist vom § 219a StGb. Worum geht es? Stellen Sie sich vor, Sie müssen einen medizinischen Eingriff vornehmen lassen, und Ihre zuständige Ärztin, Ihr zuständiger Arzt darf Sie nicht darüber informieren, dass er oder sie diesen Eingriff durchführen kann und was das bedeutet. ({0}) Dieser Zustand, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht hinnehmbar. ({1}) Es ist deswegen gut, dass diese Ampel sehr zügig, sehr rasch und aus tiefer Überzeugung heraus den § 219a streichen wird. Denn es kann nicht sein, dass Frauen im Jahre 2022 in Deutschland, wenn sie einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen müssen, mit dieser Realität konfrontiert sind. Diese zu ändern, dafür werden wir Sorge tragen. ({2}) In meinem Wahlkreis hat dieses Thema eine besondere Brisanz. Ich komme aus Gießen. Dort lebt und praktiziert die Ärztin Kristina Hänel. Kristina Hänel hat informiert, hat aufgeklärt, hat beraten. Man könnte auch sagen: Sie hat eigentlich nur ihren Job gemacht. Es beschämt mich zutiefst, dass sie aufgrund der geltenden Rechtslage mittlerweile eine verurteilte Straftäterin ist. Liebe Frau Hänel, ich weiß, dass Sie zuhören. Ich sende Ihnen von dieser Stelle und im Namen aller Kolleginnen und Kollegen dieses Parlaments, die sich ebenso wie ich und ebenso wie diese Koalition dem gesellschaftlichen Fortschritt verpflichtet fühlen, einen herzlichen Gruß der Solidarität. ({3}) Aber wir belassen es nicht nur bei Solidarität. Wir werden erstens dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Ausbildung sein werden, wir werden zweitens die Versorgungssicherheit verbessern und drittens dafür sorgen, dass Gehsteigbelästigungen durch sogenannte Lebensschützer der nötige Einhalt geboten wird. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Umfrage aus dem Jahr 2018 hat eine repräsentative Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der Befragten gesagt: Ja, Ärztinnen und Ärzte sollten das Recht haben, diese Informationen auf ihrer Homepage zu veröffentlichen. – Die gesellschaftliche Mehrheit für das Unterfangen, den § 219a abzuschaffen, ist doch längst vorhanden, meine Damen und Herren. Gescheitert ist dieses Projekt damals am Widerstand der Union. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, den eigentlich notwendigen gesellschaftlichen Fortschritt völlig unnötigerweise auszubremsen, das ist Ihre traurige Kernkompetenz. ({5}) Aber damit wird jetzt Schluss sein, meine Damen und Herren. ({6}) Wir werden dafür sorgen, dass aus dieser gesellschaftlichen Mehrheit für die Abschaffung des § 219a jetzt auch eine parlamentarische Mehrheit wird, ({7}) und wir werden somit dafür Sorge tragen, dass sich der Fortschritt seinen Weg bahnt. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Wir sind am Schluss dieser Debatte. Weitere Wortmeldungen zu diesem Themenbereich liegen nicht vor.

Carsten Schneider (Gast)

Politiker ID: 11003218

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist auch für mich ein Perspektivwechsel: Nach 20 Jahren in den Reihen der Abgeordneten hier links im Parlament komme ich jetzt von der Regierungsbank. Vielen herzlichen Dank für die Glückwünsche, die mich erreicht haben! Ich will vor allen Dingen Doro Bär, deren Büro ich übernommen habe, vielen herzlichen Dank sagen. Die Machtübergabe, wie sie in Deutschland stattgefunden hat, war stilbildend und ganz fair. Ich will Ihnen zusagen, dass die Bundesregierung alles tun wird, um auch die Opposition ausführlich zu unterrichten, bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen und stark mit einzubinden. Das meine ich vor allen Dingen bezogen auf den Themenkomplex, für den ich Verantwortung trage: Ostdeutschland. Wir führen jetzt eine Debatte zum Themenbereich Bundeskanzleramt. Wir werden auch über Kultur reden, meine Kollegin wird zur Integration sprechen. Ich werde den Aspekt Ostdeutschland herausgreifen und Ihnen ein Angebot machen. Die Bundesregierung hat mit der klaren politischen Entscheidung des Bundeskanzlers Olaf Scholz, den Beauftragten für Ostdeutschland vom Wirtschaftsministerium – dort war mein Vorgänger, der Kollege Wanderwitz, angesiedelt – in das Kanzleramt zu transferieren, eine wichtige Weichenstellung vorgenommen. Das erste Mal war es schon unter Rolf Schwanitz so, und dann ist dieses Amt gewandert. Das hat sich nicht bewährt. Wenn man sowohl die Sichtbarkeit als auch die politische Durchsetzbarkeit der Interessen, die man strukturpolitisch hat, um die Einheit zu vollenden, um die Wirtschaftskraft voranzubringen, um Universitäten zu stärken, erhöhen will, dann braucht man dieses Amt wirklich an der Spitze der Regierung. Das ist ein klares Bekenntnis von Olaf Scholz für die Region, für Ostdeutschland, und es ist eine klare Verpflichtung der Bundesregierung, dieser Entscheidung etwas folgen zu lassen. Das heißt, Sie können uns daran tatsächlich messen. ({0}) Ich will aber auch eines sagen: Ich habe diese Debatten immer hier im Bundestag verfolgt – meine Kollegin Budde ist auch da; ich war immer eher Generalist als der Spezialist für den Osten; ich bin da geboren, ganz klar –, aber was mich gestört hat, war, dass die Debatte in Teilen nur unter Ostdeutschen geführt wurde. Ich möchte gern, dass das Interesse, die Neugierde, die wir aufeinander in diesem Land haben müssen – in der Bevölkerung, aber auch hier im Bundestag –, sich nicht an den Schubladen der Landesgruppen orientiert, sondern allgemein ist, dass wir die Debatten gemeinsam führen. Daran hat es in den letzten Debatten hier gemangelt. Es hat, glaube ich, in unserem Land auch gesellschaftlich in den letzten Jahren zu wenig Zusammenhalt und zu wenig Austausch gegeben. Wir hatten die Kommission „30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ mit wichtigen Ergebnissen und entsprechenden Beschlüssen der letzten Bundesregierung. Ich nehme sie, Kollege Müller, als Leitschnur, um die entsprechenden Empfehlungen umzusetzen. Einige sind Teil des Koalitionsvertrages, einige werden wir hier im Bundestag verhandeln müssen. Es geht gar nicht um eine Sonderbehandlung, sondern es geht darum, dass es trotz unglaublich vieler Milliarden, die in den letzten 30 Jahren investiert wurden, unglaubliche Brüche in den Biografien der Bürgerinnen und Bürger gegeben hat: Ingenieure, die arbeitslos wurden, eine Umschulung gemacht haben und danach in einem viel niedriger bezahlten Beruf angefangen haben. Es geht immer noch um die Statistik zu den Löhnen: Wenn man sie auf einer bundesdeutschen Karte darstellt, dann erkennt man an den geringen Einkommen immer noch das Gebiet der ehemaligen DDR. Das muss sich zwingend ändern, weil das Selbstbewusstsein, vor allen Dingen aber auch eine Integration in dem Sinne, ein ordentliches Leben zu führen und eine ordentliche Rente zu haben, davon abhängen, dass man ordentliche Löhne und Gehälter bekommt. Die Zeiten des Lohndumpings in Ostdeutschland müssen vorbei sein. Das ist die Aufgabe der Bundesregierung. ({1}) Ich weiß: Wir haben Tarifautonomie. – Aber wir haben seinerzeit eine klare politische Entscheidung getroffen, nämlich dass wir Mindestlöhne einführen. Ich hatte vorher bei mir in Erfurt die Situation, dass Leute für 3,50 Euro oder 4,50 Euro gearbeitet haben und davon nicht leben konnten. Jetzt wollen wir den Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen, und wir wollen die Tarifbindung stärken. Das ist auch eine Frage der Selbstermächtigung und ‑befähigung. Das heißt allerdings, dass man auch bereit sein muss, einen Arbeitskampf zu führen. Man muss auch bereit sein, im Zweifel in eine Gewerkschaft einzutreten. Die Freiheit, die Verantwortung, diese Entscheidung zu treffen, will ich auch als Aufforderung verstehen, mit einem neuen, eigenen Selbstbewusstsein – das wollen wir als Regierung zumindest mit unterstützen – dafür zu kämpfen, dass wir mehr Tarifbindung und ordentliche, zukunftsfähige Arbeitsplätze in Ostdeutschland haben. ({2}) Vielleicht noch ein Letztes: Es geht immer auch um strukturpolitische Fragen. In den ersten Jahrzehnten haben wir vor allen Dingen Autobahnen und Eisenbahnen gebaut. Die ICE-Trasse von Berlin nach München über Erfurt ist ein Beispiel. Jetzt geht es darum, dass wir Innovationen sowie Investitionen in Innovationen voranbringen. Das heißt, wir wollen keine nachsorgende Sozialpolitik, sondern wir wollen, dass in die neusten Trends – ich nenne zum Beispiel die Wasserstofftechnologie, die ganz klar im Mittelpunkt stehen wird – vorneweg in Ostdeutschland investiert wird, dass sie dort gefördert werden. Das kann der Zukunfts-Gamechanger sein. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass sie schon ihre Bereitschaft signalisiert haben, mich dabei zu unterstützen, dass die entsprechenden Entscheidungen so fallen, dass der Osten tatsächlich Selbstbewusstsein und Zukunft hat. Ich lade auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition zu einem kritischen Dialog dazu ein. Vielen Dank. ({3})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Staatsminister Schneider, vielen herzlichen Dank für die freundlichen Worte anlässlich unserer wirklich sehr, sehr freundlichen Amtsübergabe. Ich gebe zu: Ich habe das Büro nicht gerne geräumt; aber wenn ich es jemandem gerne übergeben habe, dann Ihnen. Also vielen herzlichen Dank noch mal für die sehr netten Worte an dieser Stelle! ({0}) Ich hätte mich jetzt gefreut, hier direkt auf Claudia Roth antworten zu dürfen, habe aber gerade vom Kanzleramtsminister erfahren, dass sie noch in Quarantäne ist. Deswegen wird sie uns sicherlich am Bildschirm zuschauen. Sehr geehrte Frau Kulturstaatsministerin, von dieser Stelle alles Gute auch von unserer Fraktion! Auf eine gute Zusammenarbeit der Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker! Ich darf Sie herzlich grüßen und hoffe, dass Sie in der nächsten Sitzungswoche dann wieder bei uns sein werden. – Die Grünen dürfen auch klatschen, finde ich. ({1}) Claudia Roth hat neulich in einem Interview gesagt, dass Kultur ein „Grundnahrungsmittel“ unserer Gesellschaft sei. Dem kann ich nur zustimmen; Kultur ist systemrelevant. Und all denjenigen, die sie vielleicht viele Jahre lang als „nice to have“ oder als „Wir haben es ohnehin schon“ angesehen haben, kann ich nur sagen: Gerade in der Pandemie hat man ganz besonders gesehen, was es bedeutet, wenn Kultur eben nicht stattfindet, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, abends spontan irgendwo ins Theater, ins Kino, zum Poetry-Slam zu gehen, uns irgendwo auch noch bildende Künste und das, was unsere Künstlerinnen und Künstler in unserem Land leisten, anzuschauen. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir Kunst und Kultur einen ganz neuen und wieder einen wichtigen Stellenwert in unserer Gesellschaft einräumen. Ich darf Ihnen heute von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vielleicht noch ein paar Punkte mit auf den Weg geben, weil wir in den letzten Jahren nicht nur wirklich sehr, sehr viele Erfahrungen gemacht haben, sondern meines Erachtens die Kulturpolitik in unserem Land federführend gestaltet und auch sehr gut gestaltet haben. Wir haben sie geprägt; wir haben erfolgreiche Kulturpolitik betrieben. Was ist erfolgreiche Kulturpolitik? Nicht nur, aber natürlich auch ein ganz starker Etat. Das BKM-Budget ist unter Bernd Neumann und Monika Grütters auf über 2 Milliarden Euro angewachsen. Wir haben Sondermaßnahmen zur Pandemiebewältigung, das Programm „Neustart Kultur“ und den Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen gestartet. Für Kultur stehen damit insgesamt 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist eine historische Zahl. Ich finde, daran muss sich auch die Ampel messen lassen, und sie darf nicht dahinter zurückfallen. Das bedeutet aber auch, dass wir als Unionspolitiker in der Kultur die ganze Bandbreite im Blick haben. Einige Beispiele habe ich schon erwähnt. Kultur umfasst aber alles: von der Filmwirtschaft bis zur Erinnerungskultur, von der Klubwirtschaft bis zum Denkmalschutz, vom Berliner Opernhaus bis hin zum kleinen Kinobetreiber auf dem Land. Mir persönlich ist es besonders wichtig, gerade auch die Kultur in den ländlichen Räumen zu betonen. Sie darf nicht hinter das großstädtische Angebot zurückfallen. Uns als Union war und ist gerade die Kultur im ländlichen Raum ein ganz, ganz großes Herzensanliegen. ({2}) Ich sage als jemand, der wirklich auch mit Begeisterung einen Zweitwohnsitz in Berlin hat: Ich freue mich, dass Berlin drei Opernhäuser hat; ich freue mich, dass Berlin ein Stadtschloss hat. Aber gleichzeitig, muss man sagen, würde das für eine große Kulturnation nicht reichen. Ohne die Chursächsischen Winterträume im Vogtland, Frau Präsidentin, ohne den Kultursommer im Landkreis Tübingen, den Musikalischen Sommer in Ostfriesland, den Kissinger Sommer in Bad Kissingen oder auch, sehr geehrte Frau Kollegin Schenderlein, das Full Force Festival in Ferropolis in Sachsen-Anhalt, um nur einige Beispiele zu nennen, wären wir kulturell auf jeden Fall wesentlich ärmer. Wir haben in der letzten Legislaturperiode eine ganze Reihe an Initiativen und Förderprogrammen auf den Weg gebracht, wie „Kultur in ländlichen Räumen“ oder die sogenannten Landmillionen, die ganz, ganz wichtig sind. Das „Zukunftsprogramm Kino“ und der Film liegen mir seit vielen Jahren ganz besonders am Herzen, und auch da würde ich mir wünschen, dass das Kino und die Filmwirtschaft in den nächsten Jahren wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. Ich wünsche mir auch, dass die Kulturpolitik in der neuen Regierung nicht nur eine Auswärtige Kulturpolitik ist und nicht ausschließlich eine außenpolitische Note hat. Natürlich sollten wir eine internationale und europäische Vernetzung haben, aber angesichts der gravierenden Schwierigkeiten, vor denen unsere Kulturlandschaft derzeit steht, gerade wegen der Pandemie, sollten wir unser besonderes Augenmerk auf die Vielfalt in unseren 16 Bundesländern legen. Wir haben als CDU/CSU-Bundestagsfraktion viele Fragen an die neue Regierung: Wie genau wollen Sie die soziale Lage der Kulturschaffenden verbessern? Wo bedenken Sie in Ihrer Kulturpolitik die vielen Ehrenamtlichen? Ich habe von meinen Kolleginnen und Kollegen gehört, dass in der letzten Legislaturperiode das Thema „bürgerschaftliches Engagement“ im Unterausschuss so wichtig war, dass diejenigen, die jetzt gemeinsam regieren, also die Ampelparteien, versprochen haben, in dieser Legislaturperiode einen ordentlichen Ausschuss hierzu zu machen. Wo ist der? Fehlanzeige! Auch da wird für die Ehrenamtlichen nicht das getan, was Sie sich vorgenommen haben. Was ist mit den Themen der kulturellen Bildung? Gerade in der Pandemie ist es so wichtig, der heranwachsenden Generation Museumsbesuche als etwas Selbstverständliches nahezubringen und ihr zu zeigen, was Kunst und Musik für unser Leben bedeuten. Ich hoffe, dass wir unsere breite und vielfältige Kulturlandschaft in Deutschland weiter fördern. Hier gibt es so wahnsinnig viel, nicht nur in Franken, aber besonders da. Wir verfügen insgesamt über ein sehr reiches Kulturerbe, und weil wir das haben, tragen wir auch eine ganz große Verantwortung. Darauf werden wir als Union immer ein Auge haben, daran werden wir Sie messen. Und eine Parlamentspoetin alleine wird uns keinen kulturellen Sommer bescheren. Herzlichen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort der Kollegin Filiz Polat, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Filiz Polat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004857, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es geschafft: Wir brechen auf in ein neues Jahrzehnt der Gesellschaft der Vielen. Frau Staatsministerin Alabali-Radovan, wir freuen uns über Ihre Ernennung und auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und Ihrem Team; das sage ich im Namen der gesamten Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0}) Es wird Schluss sein mit der Ausgrenzungsrhetorik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Union, die seit Jahren die Debatten um Migration und Integration vergiftet haben. Der gemeinsame Geist, der diese Koalition trägt, besteht darin, dass alle respektiert werden, dass alle gleichberechtigt mitgestalten und angstfrei leben können und sich als Gleiche begegnen. Wir freuen uns auf diesen Paradigmenwechsel in der Migrations- und Integrationspolitik, und wir laden alle herzlich ein, unsere Migrationsgesellschaft mitzugestalten. ({1}) Ich weiß, dass Generationen von Einwanderern und ihre Kinder, vor allem meine Generation, die wie ich durch die rassistischen Ausschreitungen und Angriffe in den 90er-Jahren politisiert wurden, sich besonders auf die Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes freuen. Wir beenden die schleichende Aushöhlung des Staatsangehörigkeitsrechtes und knüpfen an die erste große Reform unter Rot-Grün aus dem Jahre 2000 an. Mehr als 20 Jahre nach der unsäglichen Doppelpass-Kampagne der Union wird endlich die Einbürgerung für alle unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich sein. Damit siegt die Vernunft vor dem nationalstaatlichen Exklusivitätsdenken, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Nicht zuletzt würdigen wir endlich die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeiter/-innen- und Vertragsarbeiter/-innengeneration durch die Erleichterung bei den Einbürgerungen und die Abschaffung der Einbürgerung unter Kulturvorbehalt, liebe SPD-Kolleginnen und -Kollegen. Dies sind Meilensteine in der Einbürgerungspolitik, die endlich den Lebensrealitäten vieler Menschen in unserem Land gerecht werden. Dazu gehört auch unser gemeinsames Vorhaben, die Kettenduldung endlich abzuschaffen. ({3}) Unser Anspruch ist es, die Teilhabe von Einwanderinnen und Einwanderern bestmöglich zu fördern. Dafür starten wir 15 Jahre nach Einführung der Integrations- und Sprachkurse erneut eine Integrationsoffensive und würdigen das jahrzehntelange Engagement der Migrantenselbstorganisationen – wer weiß das besser als Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen – durch eine strukturelle Förderung. ({4}) Wir werden den Rassismus an der Wurzel packen. Das heißt für uns: Ran an die Strukturen, rein in die Institutionen und mehr finanzielle Sicherheit für alle Akteurinnen und Akteure, die sich tagtäglich dafür einsetzen! Liebe Kolleginnen und Kollegen, lange – zu lange – überwog in unserer Migrations- und Integrationspolitik das Restriktive, das Ausschließende. Dem wollen wir ein Ende machen. Deshalb freue ich mich auf unseren gemeinsamen Aufbruch in der Gesellschaft der Vielen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort dem nächsten Redner: Dr. Marc Jongen, AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Abgeordnete und Regierungsvertreter! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! Es war Friedrich Merz, nach dem dritten Anlauf heute Chef der CDU, der Ende der 90er-Jahre den Begriff der deutschen Leitkultur in die politische Debatte eingeführt hat. Geprägt hat diesen Begriff übrigens der Politologe Bassam Tibi, ein Migrant aus Syrien, der besser als die links-grünen deutschen Ideologen verstanden hat, dass verbindliche Wertvorgaben seitens der Mehrheitsgesellschaft für eine erfolgreiche Integration essenziell wichtig sind. ({0}) Wie recht er hatte, das können wir fast täglich auf den Straßen, in den Schulen und anderswo in unserem Land beobachten. Schon damals haben die eigenen Parteifreunde Sie, Herr Merz – er ist nicht da; ich sage es in seiner Abwesenheit –, als einsamen Rufer in der Wüste stehen lassen. Und wo stehen Sie heute? Sie haben nichts Besseres zu tun, als eine „Brandmauer zur AfD“ zu errichten und jeden aus der CDU zu werfen, der mit uns kooperiert. Ich sage Ihnen: Die Alternative für Deutschland ist die einzige Kraft in diesem Land, die Ihre damaligen richtigen Ideen noch weiterträgt und verteidigt. Und wenn Sie uns zum Feind erklären, dann hängen Sie Ihr Fähnchen in den Wind des Zeitgeistes – um der reinen Machterhaltung willen. Das ist schändlich, Herr Merz! Liebe CDU, kehren Sie um von diesem Verrat an allen konservativen Werten! Nutzen Sie die Chance der Opposition! Machen Sie mit uns eine Politik für Deutschland! ({1}) Sie von der CDU sind ja leider wesentlich verantwortlich dafür, dass in 16 Jahren scheibchenweiser Deutschlandabschaffung unter Angela Merkel das Modell „Multikultur mit gleichrangigen Parallelgesellschaften“ heute quasi zur Staatsdoktrin geworden ist; ({2}) wir haben es gerade gehört. Im Koalitionsvertrag der Ampel nennt sich das beschönigend „Einheit in Vielfalt“, die aber – Achtung! – durch eine „ganzheitliche Diversity-Strategie“ erzwungen werden soll. Frau Staatssekretärin Alabali-Radovan, Sie wünschen sich, so habe ich es in einem Interview gelesen, dass Deutschland in fünf Jahren als vielfältiges Einwanderungsland in den Medien, in der Politik und in der öffentlichen Verwaltung sichtbar wird. ({3}) Das bedeutet Quoten nach ethnischer Zugehörigkeit, in konkreten Einzelfällen also gezielte Benachteiligung autochthoner Deutscher bei Stellenbewerbungen. Sprechen Sie zu uns nicht mehr von Rassismus, wenn Sie solche diskriminierenden Ethnoquoten tatsächlich einführen wollen, werte Ampelparteien! Nicht ethnische Zugehörigkeit darf entscheiden, auch nicht das Geschlecht, sondern einzig die Qualifikation und die Loyalität zu diesem Land und seinen Werten. So steht es im Grundgesetz. ({4}) Und diese Loyalität erreichen Sie nicht, indem Sie die deutsche Staatsbürgerschaft nach fünf oder gar drei Jahren quasi verschenken ({5}) und Mehrfachstaatsbürgerschaften zulassen. Ich möchte keine deutschen Polizisten oder Staatsbeamte, die in ihrer Freizeit Erdogan oder anderen fremden Potentaten zujubeln und dort ihr Kreuz machen. ({6}) Frau Claudia Roth – in Quarantäne, ich wünsche von hier aus gute Gesundheit –, wir wissen ja aus Youtube, dass Sie die Türkei lieben. Aber gerade deshalb kann Ihnen das ja wohl auch nicht recht sein. Das Bewusstsein, dass Deutschland eine über Jahrhunderte gewachsene Kulturnation ist, fehlt im Koalitionsvertrag fast völlig. Stattdessen lesen wir von Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit und vor allem von Green Culture. Das gesamte Kulturleben soll in den Dienst der grünen Klimareligion gestellt werden. Damit degradieren Sie die Kultur zum Propagandainstrument Ihrer ideologischen Energiepolitik. Schweigen Sie uns künftig von Freiheit der Kunst; denn was Sie betreiben, ist das genaue Gegenteil: Sie untergraben diese systematisch. Ich komme zum Schluss. Die Ostdeutschen haben ein feineres Gespür für solch latent totalitäre Tendenzen wegen ihrer 40-jährigen sozialistischen Diktaturerfahrung. Und wenn der ehemaligen Ostbeauftragte Wanderwitz meinte, seine Landsleute seien deshalb noch nicht in der Demokratie angekommen, man könne nur auf die nächste Generation hoffen, dann soll er sich bitte fragen, ob er selbst nach 40 Jahren Parteisozialisation in der Demokratie angekommen ist. Was für eine unfassbare Arroganz der Macht! ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist bereits überschritten.

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Seinem Amtsnachfolger Carsten Schneider sage ich zum Schluss nur: Hören Sie auf die regierungskritischen Stimmen aus den ostdeutschen Bundesländern.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie ist bereits deutlich überschritten.

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Dann kommt dieses Land auch wieder auf guten Kurs. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP spricht jetzt der Kollege Hagen Reinhold. ({0})

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Staatsminister Carsten Schneider, ich bin genauso wie Sie darüber erfreut, dass wir diese Debatte unter anderem über Ostdeutschland unter dem Label „Bundeskanzleramt“ führen. Das unterstreicht die Aufwertung des Postens. Das freut mich ungemein. Warum freut mich das? Nicht so sehr, weil ich die Unterschiede sehe. Unterschiede gibt es in diesem Land zwischen Ost und West genauso wie zwischen Nord und Süd und zwischen Stadt und Land; das ist gar nicht die Frage. Aber die Herausforderungen in Ostdeutschland sind gewaltig. Wir haben riesige Transformationsprozesse in Ostdeutschland vor uns. Sie werden unsere Aufmerksamkeit fordern. Deshalb ist ein im Kanzleramt angesiedelter Ostbeauftragter goldrichtig angesetzt. Mit Transformation kann man ganz unterschiedlich umgehen. Man kann sie verwalten, man kann einen feuchten Händedruck geben, man kann sicherlich auch einen Bankangestellten zum IT-Fachmann umschulen und sagen: „Such dir in den neuen Berufen, die es jetzt bald geben wird, einen Job“, oder man gestaltet Transformation so – so wird es die Koalition machen –, dass man von denen lernt, die Transformation durchmachen – das können wir in Ostdeutschland übrigens perfekt; das haben wir in 30 Jahren nicht nur einmal durchgemacht –, und sagt: Wir lernen von euch, weil wir diese Transformationsprozesse in den gebrauchten Bundesländern nämlich in den nächsten Jahren auch erleben werden. Das zeigt, dass wir die Lebensleistung der Ostdeutschen anerkennen, diese Herausforderungen – wir wissen: das sind große in nächster Zeit – anerkennen und davon für das ganze Land in Deutschland Gebrauch machen. Das ist eine andere Anerkennung der Leute, die sie jahrelang vermisst haben. Diese Ampelkoalition gibt ihnen das Zeichen, dass sie die von uns erwarten können. ({0}) Die Transformationsprozesse sind deshalb riesig, weil die Rohstoffe der Vergangenheit, ob das Kohle oder Stahl waren, sich hin zu neuen Rohstoffen verändern: Wir werden Wasserstoff nutzen, wir werden Digitalität haben. Wir haben einen Wandel in der Demografie. All das schlägt in Ostdeutschland zuallererst zu. Und deshalb sagen wir als neue Regierung auch: Wir brauchen eben nicht nur neue Qualifikationen, sondern auch die Firmen, die die Jobs anbieten, die die Zukunft bietet. Deshalb haben wir so etwas wie eine Agentur für Transfer und Innovation, die gerade kleineren Universitäten erlaubt, neue Ideen zu KMUs und auch zu Start-ups zu transferieren. Wo sind denn diese kleinen Universitäten? Sie sind in Ostdeutschland. Das ist ein großartiger Schritt. Wir werden IPCEI-Projekte für Wasserstoff und Chips fast schon automatisch in Ostdeutschland ansiedeln, und zwar nicht nur weil wir neue Projekte in Ostdeutschland ansiedeln wollen, sondern auch weil Ostdeutschland gerade im Hinblick auf Chips bereits ein Cluster ist. Wir werden GRW-Mittel aufstocken, wir werden die Fördersysteme so anpassen, dass sie diese Transformationsprozesse im Wirtschaftssystem fördern und dass sie gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen. All das freut mich, weil es auf die Bereiche zugeschnitten ist, die in den nächsten Jahren Transformation erleben werden. Aber wir werden – deshalb bin heilfroh, dass meine Nachbarin Reem, dass Frau Staatsministerin Alabali-Radovan, hier genauso dabei ist – erstmals einen Transformationsprozess vor uns haben, bei dem es gar nicht reicht, die Leute mitzunehmen, die jetzt in den Regionen da sind. Denn wir brauchen darüber hinaus noch deutlich mehr, nicht nur in Ostdeutschland, sondern in ganz Deutschland. Deshalb braucht es Einwanderung und Integration mehr denn je. Das können Sie, das kannst du – in Moskau geboren, in Ostdeutschland, in Schwerin, aufgewachsen – besonders gut einschätzen. Aber wir brauchen sie auch insgesamt, und zwar nach klaren Regeln, weil wir wissen, wen wir in den nächsten Jahren in Deutschland vermissen werden, weil wir wissen, dass 400 000 Leute pro Jahr jetzt schon fehlen. Und deshalb müssen wir nicht auf den Zufall bauen, sondern auf klare Regeln und ein Punktesystem, die uns erlauben, jeden Fachmann in Deutschland einzuladen, um mitzumachen, dieses Land in den nächsten Jahren mitzugestalten, den wir brauchen. Dabei sind Fachleute Gott sei Dank nicht wie in der Vergangenheit Leute, bei denen man es auf dem Lohnzettel oder an dem Studiengang ablesen kann, ganz im Gegenteil: Ich kenne genug Betriebe – nicht nur in Ostdeutschland, sondern in der ganzen Republik –, für die ein Fachmann schon einer ist, der einen Führerschein hat, und auch diesen Fachmann werden wir in nächster Zeit brauchen, damit wir nicht in solche Schwierigkeiten kommen, wie es sie in England jetzt schon gibt. ({1}) Deshalb braucht es eine Integration in diesem Land. Deshalb braucht es ein klares Konzept, das auf die Lebensleistung der Leute baut. Ja, wir werden den Menschen in Ostdeutschland durch diese Transformation viel zumuten. Aber wir geben ihnen ein Zeichen, dass wir diesen Transformationsprozess nicht nur gemeinsam gestalten, sondern von ihnen lernen werden und sie als gutes Beispiel für die ganze Republik anführen. Das würdigt eine Lebensleistung; das ist der Unterschied zu den Jahren davor. Deshalb freue ich mich auf die Zusammenarbeit und auf die nächsten Jahre, weil das ein großartiger Schritt wird. Da wird aus dem Fortschritt, den wir wagen, schnell das Wagnis verschwinden und der Fortschritt entstehen. Darauf freue ich mich besonders. Recht herzlichen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Die Linke hat jetzt Sören Pellmann das Wort. ({0})

Sören Pellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke begrüßt, dass das Thema Ostdeutschland neuerdings im Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Das haben wir oft gefordert. ({0}) Herr Staatsminister Schneider, wir wünschen Ihnen von Herzen viel Erfolg und dass die Türen des Bundeskanzlers und auch des Bundeskanzleramtes für Sie und das Thema Ostdeutschland immer weit offen stehen. Diese administrative Aufwertung Ostdeutschlands reicht aber nicht aus. Notwendig ist eine reale politische Aufwertung. Und sie vermisse ich bislang. ({1}) Ostdeutschland führt ein Schattendasein im Koalitionsvertrag. Und das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für die nächsten Jahre. Unlängst kam in meinem Leipziger Wahlkreis eine junge Sozialarbeiterin auf mich zu. Sie arbeitet seit 15 Jahren in diesem Beruf, und nun wurde ihre Wohnung gekündigt. Die Eigentumswohnung wurde verkauft. Sie konnte sich diese trotz Vollzeitjob nicht leisten. Die neuen Eigentümer, ein junges 25-jähriges Pärchen aus Solingen, haben jetzt Eigenbedarf angemeldet. Für sie ist das eine große Ungerechtigkeit. Ihrer Meinung nach wird im Osten nicht selten die Altersarmut der Eltern geerbt, während andere aus dem Westen ihr einfach die Wohnung wegkaufen, obwohl sie offenkundig noch nicht viel aus eigener Hände Arbeit erwirtschaftet haben. Ich kann diesen Frust verstehen. Dieses Beispiel sagt sehr viel zu den derzeitigen Bedingungen zwischen Ost und West. Als Vollzeitbeschäftigte verdienen sie im Osten im Schnitt 650 Euro im Monat brutto weniger als westdeutsche Kollegen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Auch im 32. Jahr nach der Einheit sind wir davon Lichtjahre entfernt. Millionen Ostdeutsche sind weiterhin Beschäftigte zweiter Klasse, und der Anteil der Geringverdiener ist hier besonders hoch. Herr Schneider, wir erwarten hier konkrete Vorschläge, wie Sie diese Ost-West-Spaltung des Arbeitsmarktes aufheben und ihr entgegenwirken wollen. Die Linke sagt deutlich: Wir brauchen die Angleichung bis 2025. ({2}) Von der geplanten Anhebung des Mindestlohnes auf 12 Euro pro Stunde würden im Osten Deutschlands 1,5 Millionen Menschen profitieren. Aber wann kommt diese Erhöhung denn endlich, sehr geehrter Herr Arbeitsminister Heil? Die Inflation liegt aktuell bei 5 Prozent. Ich fordere Sie auf, noch vor Ostern die Umsetzung des Mindestlohns von 12 Euro zu beschließen. Die Linke haben Sie da an Ihrer Seite. ({3}) Zwei Themen, die die Ostdeutschen besonders umtreiben, sind völlig blank in Ihrem Koalitionsvertrag: die Renten und die Energiepreise. Gleiche Rente für gleiche Lebensleistung? Denkste! Rentner im Osten erhalten noch immer im Schnitt rund 400 Euro weniger im Jahr für die gleiche Lebensleistung. Gleichen Sie die Rentenwerte endlich an, nicht erst 2025, sondern noch in diesem Jahr. ({4}) Denn auf Ostdeutschland rollt weiter eine Lawine aus Minirenten und Altersarmut zu. Jedem zweiten Vollzeitbeschäftigten droht eine Rente von unter 1 160 Euro netto, und das nach 45 Jahren, nach einem kompletten Arbeitsleben. Wir brauchen endlich ein deutlich höheres Rentenniveau. ({5}) Aber was machen Sie? Sie schaffen sogar vernünftige Regelungen ab, nämlich den Umrechnungsfaktor, der die Lohnlücke zwischen Ost und West wenigstens in der Rente etwas abgemildert hat. Das bedeutet eine faktische Rentenkürzung für künftige Rentnerinnen und Rentner. Herr Schneider, korrigieren Sie diese falsche Entscheidung! ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bleiben denn die angekündigten Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger? Die Energiekosten gehen durch die Decke. Die Inflation ist auf Rekordniveau, und das Leben wird immer teurer. Das trifft das ganze Land, aber besonders den Osten. Abschließend, zweierlei ist für den Osten essenziell: klare Perspektiven und Verlässlichkeit der bereits erreichten Vereinbarungen. Durch beide Forderungen zieht sich der Aspekt der Wertschätzung. Das ist es, was Millionen Ostdeutsche wie die bereits erwähnte Sozialarbeiterin zu Recht und seit Langem erwarten. Der erste Strukturbruch in den 1990er-Jahren hat Narben und Bitterkeit hinterlassen. Den bevorstehenden Strukturwandel müssen wir gemeinsam besser hinkriegen. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung spricht jetzt zu uns die Kollegin Staatsministerin Reem Alabali-Radovan. ({0})

Reem Alabali-Radovan (Gast)

Politiker ID: 11005006

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, liebe Frau Widmann-Mauz, mich für die kollegiale Übergabe zu bedanken. Die Koalition steht für einen neuen Aufbruch. Wir wollen mehr Fortschritt, Respekt und Zusammenhalt, damit wir ein modernes Einwanderungsland sind und alle 83 Millionen Menschen gleiche Chancen haben, damit unsere Vielfalt zu einer starken Einheit wächst. Heute ist meine erste Bundestagsrede, und bis hierhin bin ich einen langen Weg gegangen. Ich weiß, was es heißt, in einer Erstaufnahme und in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. Ich weiß, was es heißt, auf eine Entscheidung der Ausländerbehörde über den Aufenthaltstitel zu warten, und ich weiß, welche strukturellen Hürden wir für eine gleichberechtigte Teilhabe aller noch abbauen müssen. Die Themen meines Amtes als Staatsministerin begleiten mich schon mein ganzes Leben, privat wie beruflich. Ich weiß also auch, welche Chancen unser wunderbares Land bietet. Arbeiten wir gemeinsam daran, dass alle Menschen diese Chancen bekommen und nutzen können! ({0}) Alle, das heißt, egal welcher Herkunft, egal in welchem Stadtteil oder Dorf sie leben, egal ob hier in zweiter oder zwölfter Generation zu Hause: Alle sollen ihren Weg gehen können. Wie wollen wir den Aufbruch nun konkret gestalten? Mehr Fortschritt. Ein modernes Einwanderungsland braucht ein zeitgemäßes Staatsangehörigkeitsrecht. Die Einbürgerung ist eine wichtige Voraussetzung für gleichberechtigte Teilhabe. Nur dann kann man den Bundestag und den Landtag wählen und auch dorthin gewählt werden. Um die 5 Millionen Menschen sind seit über zehn Jahren ein fester Teil unserer Gesellschaft, doch sie haben aufgrund ihrer Staatsangehörigkeiten nicht dieselben Rechte. Es ist nicht gut für eine Demokratie, wenn Wohn- und Wahlbevölkerung auseinanderfallen. Darum werden wir schneller und besser einbürgern. Darum ermöglichen wir grundsätzlich die Mehrstaatigkeit. Damit klopfen wir den letzten Staub der Kaiserzeit aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz. ({1}) Zu Fortschritt gehört auch, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft überall Stimme und Verantwortung hat. Im Bundestag sind wir weiblicher, jünger und diverser, und das muss überall so sein: in der Wirtschaft und in der Vorstandsetage, im Sportverein und im Stadtteiltreff. Es muss normal sein, dass alle die gleichen Chancen auf die Ausbildung oder den Job haben. Wir werden dafür sorgen, dass Qualifikation entscheidet, nicht der Name, nicht das Aussehen oder die Herkunft, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Mehr Respekt. Wir wollen, dass jeder Mensch einen guten Zugang zu Bildung und Beruf hat, gute Löhne für gute Arbeit, Wertschätzung für jede Lebensleistung. Das gilt auch für Geflüchtete und Geduldete. Viele sind hoch motiviert, aber leben in Unsicherheit. In jedem Wahlkreis gibt es dafür bewegende Beispiele. Bei mir ist das eine ukrainische Familie. Die Frau ist Pflegerin im Seniorenheim, der Mann ist Handwerker, die Kinder gehen zur Schule. Sie sind hier zu Hause; aber die Duldung wurde entzogen, die Abschiebung droht. Gleichzeitig sprechen wir über einen Fachkräftemangel. Das kann nicht sein; das kann niemand verstehen, auch die Unternehmen nicht. ({3}) Respekt heißt deshalb auch: faire Bleibeperspektiven. Wir werden die Kettenduldung ablösen, Ordnung bei den Duldungstatbeständen schaffen und Wege raus aus der Duldung, rein in die Perspektive der Aufenthaltserlaubnis ebnen. ({4}) Mehr Zusammenhalt. Wer über Aufbruch und ein modernes Einwanderungsland spricht, der muss auch die Kehrseiten klar benennen. Ferhat, Gökhan, Hamza, Said, Mercedes, Sedat, Kaloyan, Vili und Fatih – sie waren ein Teil von uns, aus unserer Mitte. Sie waren Deutschland. Sie hatten noch ihr ganzes Leben vor sich; doch sie wurden im Februar 2020 bei dem rassistischen und rechtsextrem motivierten Anschlag in Hanau aus dem Leben gerissen. Ich werde nie vergessen, was ich bei dieser Nachricht gefühlt habe. Das war eine Zäsur. Weitere grausame Erinnerungen gehören dazu: Solingen, Mölln, Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Halle und der Mord an Walter Lübcke. Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Liste weitergeht. ({5}) Darum sage ich es noch einmal, auch wenn und gerade weil es einige hier im Saal nicht hören wollen: Der Rechtsextremismus ist die größte Gefahr in unserem Land. ({6}) Dazu mahnen auch jährlich über 20 000 Straftaten von rechts, alle etwa 22 Minuten eine Straftat. Oft fängt es mit Worten an – im Bus, im Supermarkt, im Tweet –, weil einige eben nicht wollen, dass wir alle dazugehören. Der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Antiziganismus und weitere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geht uns alle an, nicht nur die Betroffenen. Wir sind mehr, und wir müssen das auch zeigen. Wir sind alle gegen rechts! ({7}) Wir machen uns an die Arbeit. Der Aufbruch ist hier und jetzt. Für mehr Fortschritt, für mehr Respekt und für mehr Zusammenhalt in unserem Land – dafür treten wir an. Herzlichen Dank. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Sepp Müller hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuallererst wünsche ich Ihnen, Herr Staatsminister Schneider, gutes Gelingen. Auf gute Zusammenarbeit und allzeit Schaffenskraft für die neuen Bundesländer! Da liegt viel Arbeit vor uns. Zu Ihrem Amtsantritt möchte ich Ihnen drei Punkte mit auf den Weg geben. Bevor ich diese nenne, muss man, weil einige gesagt haben, das Ministeramt sei aufgewertet worden, eines festhalten: Wir hatten 16 Jahre lang eine erfolgreiche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die neuen Bundesländer vorangebracht hat. Da sage ich: Herzlichen Dank, Angela Merkel, für 16 Jahre erfolgreiche Arbeit. ({0}) Herr Staatsminister, wenn wir diesen Schulterschluss ernst meinen, zu dem Sie aufgerufen haben, dann habe ich drei Punkte. Wir erwarten als Unionsfraktion von Ihnen, dass Sie eine kräftige Stimme für die neuen Bundesländer am Kabinettstisch sind, dass Sie im gleichen Rang mit den Kabinettskollegen Ihre Stimme erheben. Diese starke Stimme, Herr Staatsminister – Sie sprachen vorhin von Sichtbarkeit, politischer Durchsetzbarkeit –, habe ich persönlich zwischen den Feiertagen vermisst. In einem Interview mit der „Zeit“ hat Wirtschaftsminister Habeck Folgendes zum Strukturwandel prophezeit – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Es werden neue Arbeitsplätze entstehen, uns geht die Arbeit nicht aus, ganz im Gegenteil. Aber damit geht einher, dass alte Arbeitsplätze etwa im Kohlebergbau wegfallen oder sich verändern, und das kann individuell oder auch für Regionen eine bittere Nachricht werden. Es wird also auch Enttäuschung und vielleicht Zorn geben … Die Reaktion des Staatsministers für die neue Bundesländer: keine. – Keine! Die Ampelparteien sprechen von Gestalten und Transformation. Hierbei spricht der Wirtschaftsminister, der für den Strukturwandel zuständig ist – nicht ein unbeteiligter Kommentator –, den Menschen in den neuen Bundesländern nicht aus der Seele. Wenn der Bundeswirtschaftsminister schon zu Beginn seiner Amtszeit beim Thema Strukturwandel keinen Gestaltungswillen erkennen lässt, dann erwarte ich zumindest von Ihnen als zuständigem Staatsminister den festen Willen, den großen Worten, die Sie heute vorgetragen haben, auch Taten folgen zu lassen. Ich sage es deutlich: Ich halte das Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030 für falsch! Sie hatten davon gesprochen, dass wir in den neuen Bundesländern die Tarifpartner stärken wollen, für gewerkschaftliches Engagement streiten wollen. Das ist richtig. In einem gesamtgesellschaftlichen Prozess mit der IG BCE – liebe Sozialdemokratie, das kann doch auch an Ihnen nicht vorbeigehen – haben wir uns für das Ausstiegsdatum 2038 entschieden. Dort haben sich junge Menschen engagiert, die einen Ausbildungsvertrag als Maschinen- und Anlagenführer unterschrieben haben. Dort gibt es Finanzierungen, die bis 2038 abgestimmt wurden, weil man sich gewerkschaftlich und im gesamtgesellschaftlichen Prozess darauf geeinigt hat. Drei der vier vom Strukturwandel betroffenen Bundesländer sind neue Bundesländer. Wir reden von einem Wegfall von 40 000 Arbeitsplätzen. Und der Staatsminister für die neuen Bundesländer sagt zu diesem Thema in seiner ersten Rede: nichts. Das ist nicht akzeptabel für uns als Unionsfraktion. Hier erwarten wir von Ihnen mehr Angriff, auch innerhalb der Koalitionsfraktionen. Wir brauchen unter anderem in diesem Bereich beschleunigte Planungsverfahren, die Ansiedlung von Forschungseinrichtungen und Bundesbehörden – einiges ist angekündigt; das unterstützen wir – und den zügigen Ausbau von Straßen und Bahntrassen. Dazu gehört auch, dass Sie für die ostdeutschen Interessen werben und Geld einsammeln. Bei der grünen Wasserstoffwirtschaft sind wir dabei. Die Ansiedlung von Unternehmen im Bereich der Mikroelektronik – der Standort Dresden ist ein florierendes Beispiel –, die gerade in der aktuellen Zulieferindustrie Lösungen anbieten, wurde von Ihnen nicht genannt. Da erwarten wir substanzielle Unterstützung. Und wir brauchen die Sicherung hochwertiger Arbeitsplätze. Ja, wir erleben seit 30 Jahren einen Strukturwandel. Aber wenn 40 000 Arbeitsplätze innerhalb von acht Jahren verloren gehen und jetzt in Mecklenburg-Vorpommern 2 000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen, dann kommt vom zuständigen Staatsminister: nichts. Das ist nicht akzeptabel! Herr Staatsminister, hier müssen Sie Ihren Worten Taten folgen lassen und sich einbringen, nicht nur runde Tische anbieten, sondern vorangehen. Ein letzter Punkt. Frau Staatsministerin, Sie haben es angesprochen – das gilt für uns als Gesellschaft natürlich generell –: Wir müssen mit ganzer Kraft den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. – Dafür stehen wir als Union, dafür stehen wir als Partei der Wiedervereinigung jederzeit an Ihrer Seite. Danke. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Erhard Grundl hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Erhard Grundl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004733, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bewältigung der Pandemie hat den Künstlerinnen und Künstlern und den Menschen in der Kreativbranche in ihrer beruflichen Existenz weltweit bisher mehr abverlangt als den Menschen in vielen anderen Berufsgruppen. Als Kulturpolitikerinnen und Kulturpolitiker ist es ganz akut unsere vordringliche Aufgabe, alles dafür zu tun, die kulturelle Infrastruktur unseres Landes zu erhalten und die Existenzen der im Kulturbereich arbeitenden Menschen zu sichern; denn Kunst und Kultur sind gesellschaftsrelevant für unser freies und vielfältiges Land. ({0}) Um diese Infrastruktur zu sichern, wird die neue Regierung alle Register ziehen. ({1}) Prekär war die Arbeitssituation im Kulturbetrieb aber schon vorher. Künftig werden wir eine bessere soziale Absicherung gerade von Freischaffenden, Soloselbstständigen und Hybridbeschäftigten in Kunst und Kultur gewährleisten, etwa durch die Einführung von Mindesthonoraren in Bundesförderrichtlinien oder eine langfristige Stärkung der KSK. Wir werden aber auch über die in der KSK Versicherten hinausdenken müssen. Gerade die für den Kulturbetrieb so wichtige Veranstaltungsbranche verliert seit Beginn der Pandemie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, gerade in den ländlichen Räumen: Tontechniker/-innen, Stagehands oder Sicherheitsdienste. Wenn wir 2022 einen Kultursommer haben wollen, müssen wir noch mal scharf nachdenken, wie wir in diesem Bereich gegensteuern können. ({2}) Meine Damen und Herren, aus den Erfahrungen, dass der Holocaust möglich war und dass universale Grund- und Menschenrechte außer Kraft gesetzt werden konnten, erwächst uns die Aufgabe, zu erinnern. Das ist Teil unseres demokratischen Erbes. Unser Erinnern bedarf der Rituale, der Orte des Gedenkens und auch der Bereitschaft, sich Unerforschtem zu stellen. Denn vieles ist auch 77 Jahre nach Kriegsende nicht aufgearbeitet. Die neue Regierung wird da rangehen, ({3}) etwa an die Verfolgungsgeschichte der Sinti und Roma, an die Geschichte von Opfergruppen und die Nachgeschichte der Euthanasiemorde und Zwangssterilisationen. Es braucht ein Mahnmal für die verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas, und es braucht deutlich mehr Engagement bei der Provenienzforschung und der Restitution von NS-Raubgut. ({4}) Und es braucht die so lange verdrängte Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit und der kolonialen Kontinuität bis heute. Es braucht die Dekolonialisierung von Stadträumen und vor allem die Rückgabe von kulturellem Eigentum und Human Remains, die noch zu Tausenden in deutschen Forschungseinrichtungen lagern. ({5}) Künftig wird es also verstärkt um Restitution und Rückübereignung gehen, aber auch um eine enge Zusammenarbeit mit den Herkunftsgesellschaften. Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Agenda für eine moderne Kulturpolitik und die Herausforderungen, vor denen sie steht. Wo es aus meiner Sicht eine klare Abkehr von der bisherigen Kulturpolitik der Union der letzten Jahre braucht, ist die vorherrschende offensichtliche Gleichgültigkeit, wenn es darum ging, klare Kante zu zeigen gegen jede Form der Umschreibung, der Relativierung deutscher Geschichte – eine Form der Gleichgültigkeit, die dazu geführt hat, dass heute im Zentrum von Berlin über dem Humboldt Forum eine Kuppelinschrift prangt, die für das exakte Gegenteil von Weltoffenheit steht. ({6}) Die Weltoffenheit Deutschlands ist für uns als Ampelkoalition der Grundpfeiler einer gemeinsamen Kulturpolitik. ({7}) Einher ging diese jetzt abgelöste Kulturpolitik leider auch mit einem zunehmend unkritischen Preußenbild, das die vermeintliche Glorie auch baulich in Szene setzt, die aber Militarismus, Kolonialverbrechen oder die Kollaboration mit dem Nationalsozialismus geflissentlich unter den Teppich kehren wollte. Das werden wir nicht weiter zulassen! ({8}) Erinnerungskultur hört 1945 nicht auf. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur anhand der Stasiunterlagen muss weitergehen – an Orten wie dem Campus für Demokratie auf dem Gelände der ehemaligen Stasizentrale hier in Berlin, aber auch an den Orten der größten deutschen Demokratiebewegung, der Friedlichen Revolution in der DDR. ({9}) Zur Erinnerungskultur gehört für uns ebenso die Aufarbeitung der NS-Morde wie die Geschichte von Flucht und Vertreibung und die Entwicklung Deutschlands vom Gastarbeiterland zum Einwanderungsland. ({10}) Meine Damen und Herren, der Aufbruch in eine klimaneutrale Zukunft ist eine Notwendigkeit und zugleich eine Chance. Sie betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche, auch die Kultur. Wir werden den Kulturschaffenden mit der Anlaufstelle Green Culture Desk erstmals Beratung und Finanzmittel an die Hand geben. Damit eröffnen wir ebenso Chancen wie durch eine geschlechtergerechte Förderpolitik durch die Förderung von Diversität. ({11}) Unsere Kulturstaatsministerin Claudia Roth – ich grüße sie ganz herzlich – spricht davon, parteiisch sein zu wollen: parteiisch für die Kunst und Kultur. Das ist Programm! Das zeigt klipp und klar, wo die Bundeskulturpolitik künftig steht: an der Seite derjenigen, die Kunst und Kultur in unserem Land lebendig machen, im Dialog mit ihnen, im Bewusstsein, wie wertvoll sie für unsere Gesellschaft sind. Darum wollen wir Kunst und Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Darum werden wir die klassische Förderung von Kultureinrichtungen voranbringen, aber auch die der freien Szene. Unabhängigkeit und Freiheit der Kunst ist unsere Agenda. ({12}) Unverzichtbar und entscheidend für eine freiheitliche Demokratie ist natürlich ebenso eine freie Presse. Sie wollen wir stärken gegen alle Versuche, in eine kritische und unabhängige Berichterstattung einzugreifen. Die japanisch-amerikanische Musikerin, Sängerin und Poetin Yoko Ono hat gesagt: Kunst ist kein Substantiv, Kunst ist ein Verb. – In diesem Sinne werden wir ins Machen kommen. Herzlichen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der nächste Redner ist Martin Renner für die Fraktion der AfD. ({0})

Martin Erwin Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004862, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Grüß Gott! Ich begrüße ganz herzlich das Präsidium, aber auch alle Abgeordneten in den Niederungen dort unten im Parlament! Ganz besonders begrüße ich die Kollegen hier oben im Olymp des Hohen Hauses! ({0}) Wir haben ein sehr ernstes Problem, und das heißt nicht „Corona“, sondern das heißt „Spaltung“, „Spaltung der Gesellschaft“. Wir sprechen über Integration und Kultur. Was ist das aber für eine Kultur, in der wöchentlich Hunderttausende demokratische Spaziergänger bundesweit verunglimpft, beschimpft und kriminalisiert werden? Bevor wir über Integration sprechen, müssen wir zum Wohle unserer funktionierenden Demokratie die Risse in unserer Gesellschaft zu heilen beginnen, und zwar mit höchster Priorität. Diese Regierung, aber auch schon die vorhergehende Regierung, bekommt nichts in den Griff. Das Einzige, das sie im Griff hat, sind die Medien, ist die polithörige Wissenschaft, sind die agitatorisch wirkenden und ideologisierten Zivilgesellschaften. Woher kommt diese Eintönigkeit, diese Uniformität, die man eigentlich schon „Gleichschaltung“ nennen könnte? Liegt es etwa an den unzähligen maßlos wohlgefüllten Fördertöpfen des Staatshaushalts? Fakt ist: Die blanke Zensur in den sozialen Netzwerken nimmt immer unerträglichere Ausmaße an. Der sogenannte und angebliche Kampf gegen rechts wird immer unverhohlener zu einem Kampf gegen Meinungspluralität, zu einem Kampf gegen alternative Medien, zu einem Kampf gegen Informationsfreiheit und Meinungsfreiheit. ({1}) Bedingungslose Uniformität zwischen Medien- und Regierungsmeinung und erkaufte Agitation und Propaganda darf und kann es in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben; ({2}) es sei denn, dass ein Weg ins Totalitäre geplant ist. Die sozialen Medien sind die Kommunikationsräume freier Menschen mit dem Anspruch auf ihr christlich fundiertes Selbsteigentum. Die schon seit Jahrzehnten währende Politik des Staates ist dabei, die Früchte der Aufklärung zu vernichten. Die damalige Befreiung des Menschen aus den absolutistischen Bevormundungen und Unterjochungen brachte die Rede- und die Pressefreiheit hervor. Genau das war und ist der kulturelle Acker unserer Nation für freien öffentlichen Diskurs, für These, Antithese und daraus folgende Synthese, ({3}) für freien Wettbewerb der Ideen und damit für gesellschaftlichen Wohlstand. Wir brauchen hier dringend die geistig-moralische Wende. „Sapere aude!“, rufe ich deshalb allen Spaziergängern zu: Euer Dienst für unsere freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie ist von unschätzbarem Wert. Vielen Dank, ihr lieben spazierengehenden Mitbürger. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Thomas Hacker hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Thomas Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004734, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück vom Olymp! Eigentlich schärft der Blick in die Weite ja den Geist, aber offensichtlich nicht immer. ({0}) Wenn eine Regierungskoalition damit startet, Kultur als zentrales Staatsziel im Grundgesetz zu verankern, dann ist das mehr als nur eine verfassungsrechtliche Zäsur. Es ist ein tiefes Bekenntnis zur Kultur, ihren Institutionen, zu den vielen Menschen, die Kultur ermöglichen, gestalten, vermitteln. Es zeigt den unverzichtbaren Wert der Kultur für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie. Es ist ein Bekenntnis, das wir Freien Demokraten uns schon vor Jahren für unser Land gewünscht hätten. Aber vielleicht haben gerade die letzten beiden Jahre unseren Blick geschärft, uns deutlich gemacht, was uns fehlt, wenn wir ohne Konzerte, Klubbesuche oder Kinoabende leben müssen. Viel zu lange hat es gedauert, bis erkannt wurde, wie systemrelevant die vielen Kreativen, die Kulturschaffenden doch sind. Oft liefen die Hilfen ins Leere, empfanden die Menschen die angekündigten Unterstützungen als reines Lippenbekenntnis. Hier wollen wir andere Wege gehen. Sehr geehrte Frau Bär, ein großes Budget ist sinnvoll und gut und ein Signal. Man kann sich dafür gegenseitig oder selbst auf die Schultern klopfen. Wichtig ist aber, welche Projekte, welche Institutionen gefördert werden, und vor allem, dass das Geld dann auch bei den Menschen ankommt. ({1}) Hier ist die Bilanz leider etwas trübe. ({2}) Mehr Fortschritt wagen – das ist der gemeinsame Anspruch von uns Freien Demokraten, von SPD und Grünen für die nächsten vier Jahre. Das gilt selbstverständlich auch für die Kulturpolitik unseres Landes. Die Zeit der reinen Symbolpolitik ist vorbei. ({3}) Unsere Kultur ist doch so vielfältig und divers wie unser Land selbst, egal ob es sich um klassische Musik, wie in meiner Heimatstadt Bayreuth, oder um Graphic Novels handelt, die mehr sind als bunte Bildergeschichten mit Mäusen oder Superhelden und die nicht zuletzt über die Popart ihren Weg in die Museen oder als Streetart in unser Leben geschafft haben. Kultur umgibt uns, Kultur umringt uns, umarmt uns, jeden Tag und überall. In der Coronakrise haben wir NFT, neue digitale Bilderkulturen kennengelernt, Museen in Virtual Reality besucht, Musikfestivals im Stream verfolgt. Diesen neuen Erfahrungen tragen wir als Koalition jetzt auch Rechnung. Wir wollen Kultur mit allen ermöglichen, ihre Vielfalt und Freiheit sichern, unabhängig von Organisations- und Ausdrucksformen. Wir sind überzeugt: Kulturelle und künstlerische Impulse können öffentliche Debattenräume schaffen und unsere Gesellschaft inspirieren. In diesem gemeinsamen Verständnis setzen wir uns in der Ampel für eine zukunftsweisende Kultur- und Medienpolitik ein. Einer Feststellung von Claudia Roth – herzliche Grüße! – zu Beginn dieser Woche braucht man eigentlich nichts mehr hinzuzufügen: „Indem wir die Kultur stärken, stärken wir die Demokratie.“ Wir erleben ja täglich, wie zerbrechlich Demokratie ist. Wir erleben täglich, wie die Grundlagen unseres Zusammenlebens immer wieder infrage gestellt werden und auch offen angegriffen werden, draußen, aber leider auch immer wieder hier in diesem Hause. Dem wollen und müssen wir uns entgegenstellen: gemeinsam und mit ganzer Kraft. ({4}) Wir werden die soziale Lage in Kunst und Kultur verbessern, paritätische und diversere Strukturen fördern, die Künstlersozialkasse finanziell stärken und die Grundlagen für Kreative an der Lebensrealität ausrichten. Ein Ansprechpartner bei der Bundesregierung für die Kultur- und Kreativwirtschaft gibt Sichtbarkeit und hilft, dass Kreativität und Innovation keine Grenzen mehr kennen. Und die Gründung eines Kompetenzzentrums für digitale Kultur ist eine Investition, die weit über Deutschland und Europa hinauswirkt. Unser Fokus auf die Zukunft verstellt dabei nicht den Blick auf die Vergangenheit. Unser kulturelles Erbe und unsere erinnerungspolitische Verantwortung ist für uns Anspruch und Verpflichtung zugleich. Wir schützen und stärken unsere Erinnerungsorte und Gedenkstätten in Ost und West. Wir fördern die Forschungsarbeit und die lokalen Initiativen und sichern den Blick von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen für künftige Generationen. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. In der Kultur kann man es sich wunderbar bequem machen als gescheiterter Weltverbesserer oder als ausgebremste Utopistin … So formulierte die „Süddeutsche Zeitung“ eine Herausforderung an Claudia Roth.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Thomas Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004734, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Bequem machen werden wir es uns nicht. Es wird nicht bequem werden, liebe Kolleginnen und Kollegen, sondern spannend. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Als Nächstes spricht die Kollegin Dr. Christiane Schenderlein für die Fraktion der CDU/CSU zu uns. ({0}) Und es ist ihre erste Rede, auf die wir uns besonders freuen.

Dr. Christiane Schenderlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005205, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass mir meine Fraktion in der neuen Wahlperiode den Bereich Kultur und Medien übertragen hat. In meinem Heimatland Sachsen gibt es viele kulturelle Schätze. Diese liegen nicht nur in den großen Zentren wie Leipzig oder Dresden, sondern vor allem außerhalb, im ländlichen Raum. So befindet sich in meiner Heimat Nordsachsen mit der Hubertusburg in Wermsdorf die größte Jagdresidenz Europas. Um diese kulturelle Vielfalt im ländlichen Raum zu stärken, haben wir in Sachsen mit dem Kulturraumgesetz ein erfolgreiches Instrument für die kulturellen Angebote in Stadt und Land geschaffen. Aber besonders große Vorhaben wie zum Beispiel „Kulturhauptstadt Chemnitz 2025“ könnten wir ohne den Bund nicht stemmen. ({0}) Es war und bleibt von enormer Bedeutung, dass Kunst und Kultur auch in erheblichem Maße vom Bund gefördert werden – gerade jetzt. Die Pandemie hat alle gesellschaftlichen Bereiche getroffen. Die Kultur und die in der Kultur tätigen Menschen leiden besonders hart darunter. Für die Bundesregierung muss es in den nächsten Wochen und Monaten oberste Priorität haben, die massiven Folgen in der Kultur- und Kreativwirtschaft abzumildern. Kultur ist systemrelevant. Sie braucht Perspektive, eine Art Masterplan. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung. Mit dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ und dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen in Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden Euro haben wir bereits eine wichtige Grundlage gelegt. Vor allem nichtstaatlichen Einrichtungen und Projekten wird damit zumindest finanziell geholfen. ({1}) Wir begrüßen auch, dass Frau Staatsministerin Roth das Thema Erinnerungskultur als ein Herzensanliegen bezeichnet hat. Im Koalitionsvertrag hat das Thema Kolonialismus ein eigenes Kapitel, die Aufarbeitung des SED-Unrechts und der SED-Diktatur leider nicht. Das Mahnmal für die Opfer des Kommunismus findet leider auch keine Erwähnung. Unseren kulturellen Reichtum müssen wir erhalten; das fällt in die Mitverantwortung des Bundes. Der Kulturhaushalt des Bundes hat sich in unserer politischen Verantwortung verdoppelt: auf insgesamt stolze 2 Milliarden Euro. Ich hoffe doch, Herr Hacker, Ihre Auslassungen bedeuten nicht, dass Sie da kürzen wollen. ({2}) Leider finden sich im Koalitionsvertrag weder eine eigene Aussage zum Kulturhaushalt noch ein klares Bekenntnis zur Sicherung von bundesgeförderten Kultureinrichtungen außerhalb der Hauptstadt. Dabei wissen wir doch alle, wie wichtig diese Zusage ist: dass eben nicht an der Kultur gespart werden darf. Geben Sie diese Zusage! Für Sie heißt es im Koalitionsvertrag: „Vielfalt und Freiheit sichern“. Für uns heißt es: Freiheit und Vielfalt sichern. ({3}) Freiheit bedeutet aber nicht nur die Freiheit der Kultur und Künste, sondern auch Freiheit der Medien und des Journalismus. Ähnlich wie die Politik werden aktuell etablierte Medien und der öffentlich-rechtliche Rundfunk zur Zielscheibe von demokratie- und systemfeindlichen Kräften. Angriffe auf Politiker und Journalisten werden leider zunehmend präsenter. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger verlieren in einer Flut von Falschinformationen den Überblick und bleiben in Filterblasen gefangen. Das Resultat können wir aktuell deutschlandweit auf den Straßen sehen. Daher stehen wir als Unionsparteien auch in dieser Wahlperiode an der Seite des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und an der Seite der freien privaten Medien. Wir fordern die Bundesregierung in der anstehenden Wahlperiode zum konsequenten Kampf gegen Fake News und gezielte Desinformation auf. ({4}) Ich freue mich auf die weitere Debatte und auf die gemeinsame Arbeit im Kulturausschuss. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Helge Lindh hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Helge Lindh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Renner, bei Ihren Anmerkungen aus dem Orkus haben Sie etwas verwechselt. Gleichschaltung betrifft nicht unsere Gesellschaft, sondern die Gesellschaft, das Regime, in dessen Spuren Sie schon seit vielen Jahren gehen. ({0}) So weit zur historisch-kulturellen Bildung an dieser Stelle. Wenn Kunst es schafft, jemanden unwillkürlich zu Tränen zu rühren, dann werden ihre Macht und ihre Stärke sichtbar. Kurz vor Weihnachten saß ich in irgendeinem Hotelzimmer hier in Berlin, konnte nicht schlafen und stieß zufällig auf ein Video, nämlich das Video der Rede von Barack Obama bei der Trauerfeier für Clementa Pinckney nach dem rassistischen Massenmord von Charleston. Er spricht da, Bezug nehmend auf eine mit ihm befreundete Künstlerin und Schriftstellerin, von dem „reservoir of goodness“, dem Reservoir von Güte, kommt dann auf „grace“, auf Gnade, zu sprechen und spricht dann mehrfach von „amazing grace“, erstaunlicher Gnade. Dann hält er einen Moment inne, und dann beginnt er, zu singen. Der ganze Saal mit Tausenden von Menschen schweigt erst und beginnt dann, mit ihm zu singen, und alle stehen auf. Man muss sich das klarmachen. Das macht, glaube ich, deutlich, was Kultur und Kunst schaffen können. Kein anderes Medium, keine andere Form ist damit vergleichbar. Denn er sang dieses Lied mit Menschen, die Angehörige der Opfer dieses Mordens waren, die aber nicht antworteten mit Hass, sondern mit Verzeihen, die nicht aggressiv waren, sondern zusammenstanden. Das Lied „Amazing Grace“ – das muss man wissen – wurde ursprünglich geschrieben vom Kapitän eines Sklavenschiffs, der erst später zum Abolitionisten, einem Gegner der Sklaverei, wurde. Diese Zusammenhänge, diese Überwindung von Grenzen ist das, was Kunst und Kultur und was Medien ausmacht und worüber wir reden. Wenn wir daher, wie heute schon oft erwähnt, mehr Fortschritt wagen wollen und sollen, dann ist das bei Kunst und Kultur aus meiner, aus unserer Sicht ganz stark im Sinne von Brandts „Mehr Demokratie wagen“, und das ganz präzise – so wie der Moment, den ich gerade schilderte, ein kultureller wie zutiefst demokratischer Moment war. Das ist auch das, was sich hinter dem Staatsziel Kultur verbirgt und verbergen muss. Wenn wir uns angucken, wie wir im kulturellen Bereich Demokratie fördern, dann entdecken wir auch, wie viele kulturelle Einrichtungen heute noch geprägt sind von gar nicht demokratischen Mechanismen: wie schwarze Ballerinas diskriminiert werden, wie patriarchale und keineswegs gleichberechtigte Verhältnisse wirken und wie dann leicht gesagt wird: Das ist die Freiheit der Kunst; anders kann man künstlerisch nicht produzieren. – Was schlicht falsch ist. Das heißt: Die Demokratie muss auch Einzug halten in kulturelle Einrichtungen. Das ist unsere kultur- und medienpolitische Aufgabe zuallererst. ({1}) Wenn wir tatsächlich ein solches „Plenum der Kultur“ von Bund, Ländern und Kommunen und vor allem auch unter Beteiligung möglichst starker Interessenverbände und der Zivilgesellschaft auf den Weg bringen, macht das genau dann Sinn, wenn wir Demokratie da ernst meinen und Pionierinnen und Pioniere von Demokratie im kulturellen Bereich sind. Es macht keinen Sinn, wenn es nur eine Simulation von Partizipation wird. Es macht keinen Sinn, wenn wir wieder zurückfallen in die üblichen Rituale der Vorwürfe und der Schuldzuweisungen zwischen den verschiedenen Ebenen, Bund, Ländern, Kommunen, etwa: Wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht? Oder doch? All diese Rituale brauchen wir nicht, weil sie keinen Sinn machen. Das Plenum macht nur dann Sinn, wenn wir es als Auftrag begreifen, uns endlich klarzumachen, dass es nicht wirklich sinnvoll ist, Künstlerinnen und Künstler darauf zu konditionieren und zu trainieren, besonders nach Projektanträgen zu funktionieren. Unsere Aufgabe als Koalition wird sein, freies künstlerisches Schaffen zu unterstützen und entsprechend auch Fördersysteme zu entwickeln. ({2}) Demokratie und Kultur bedeuten aber auch, Erinnern zu begreifen und die Lücken in unserem Erinnern zu sehen. Was ist mit unserer Einwanderungsgesellschaft? Sie hat sich, was die Mehrheitsgesellschaft betrifft, nicht ausgezeichnet durch eine Fähigkeit, sondern eher durch eine Unfähigkeit, zu erinnern, zu empfinden und zu trauern. Die AfD und andere tun so, als ob Rassismus eine Erfindung von Identitätspolitik in Feuilletons wäre. Wenn Sie mal – ich will das den Familien nicht zumuten; aber Ihnen sollte man es zumuten – mit der Familie Hashemi oder der Familie Unvar gesprochen hätten, wenn Sie Herrn Kurtovic in die Augen geschaut hätten, dann wüssten Sie, was Rassismus in diesem Land anrichtet. Erst dann begreift man, was für eine unglaubliche Leistung es war, was diese Menschen auf den Weg gebracht haben: nicht nur, dass sie einen Alltag bewältigen, sondern dass sie noch eine Bildungs- und Kultureinrichtung schaffen, dass sie aufklären, dass sie nicht von Hass getrieben sind, dass sie dieses Land nicht verlassen, sondern hier sind. Unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, gerade auch kultur- und medienpolitisch, ist es, diesen Opfern, diesen Familien Unterstützung bei den Einrichtungen und bei dieser Erinnerungsarbeit zukommen zu lassen. ({3}) Das ist keine Leistung. Das ist nur das Minimum. Das ist schlichte Pflichterfüllung unsererseits. Sehr geehrte Damen und Herren, wir können, wenn wir heutzutage von Kultur und Medien sprechen, nicht zu Corona schweigen. Wir können nicht schweigen zu der Frage, wie wir die kulturelle Infrastruktur und die kulturelle Daseinsvorsorge überhaupt am Leben halten: mit Finanzen, mit Unterstützung, mit der Möglichkeit, wieder Veranstaltungen zu machen. Wir müssen auch etwas anderes erwähnen – und das kommt mir viel zu kurz; ich glaube, auf dem Weg durch die Pandemie mit den ganzen Fragen von Gesundheit und ökonomischen Hilfen haben wir das ein Stück weit vergessen –: Diese Pandemie hat etwas mit uns gemacht, und es braucht Kunst und Kultur, um das zu bewältigen. ({4}) Menschen und Individuen sind traumatisiert. ({5}) Seit zwei Jahren hören wir doch nichts anderes als Inzidenzen und Hospitalisierungszahlen. Wir erleben um uns herum – ich zuletzt gestern –, wie Bekannte sterben, wie Menschen in Angst leben, andere wiederum in Isolation. Viele haben ihre wirtschaftlichen Existenzen verloren. Das hinterlässt doch Spuren. Wir leben in einer traumatisierten Gesellschaft, und das sieht man auch daran, wie wir teilweise über die Impfpflicht diskutieren. Es braucht auch Kunst und Kultur, um dies verarbeiten und damit leben zu können. ({6}) In diesem Zusammenhang gibt es eben nicht, wie die AfD und andere denken, gut und böse, schuldig, absolut richtig und absolut wahr. ({7}) Nein, es braucht Nuancen und Differenzierung. Aber es braucht gerade eben nicht diejenigen, die sich in ihrer Wagenburgmentalität, in ihrem Selbstmitleid verbarrikadieren, die sich selbst immer als Opfer betrachten, die Besserwisserei und Rechthaberei pflegen. Das ist es nämlich im Kern, was die Querdenkerbewegung kulturell ausmacht. Das alles brauchen wir nicht. ({8}) Wir brauchen eine Kultur- und Medienpolitik, die Menschen ermutigt und die ermächtigt, die nicht die Selbstviktimisierung feiert, sondern die die tatsächlichen Opfer unterstützt und die begreift, dass dieser kulturelle Moment, dieses Einzigartige etwas ist, was jeder und jede Einzelne erleben muss.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. ({0})

Helge Lindh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Deshalb grüße ich abschließend mit Rio Reiser unsere Staatsministerin, die heute nicht da sein kann, und zwar mit seinem Lied „Wann?“. Da heißt es am Schluss: Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Liebe?

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege?

Helge Lindh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004802, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wer, wenn nicht wir? The time is now. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich habe schon befürchtet, es kämen jetzt alle Strophen, aber vielen Dank. Nina Warken hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Migration ist eine große Herausforderung für Gegenwart und Zukunft, und damit verbunden ist die Herausforderung des Umgangs mit den Menschen, die in unser Land kommen. Für diese Aufgabe wünsche ich der Bundesregierung, aber vor allem auch Ihnen persönlich, Frau Staatsministerin, alles Gute, viel Weitsicht und Erfolg. Integrationspolitik ist ein weites Feld. Es geht nicht nur um Menschen, die geflohen sind, sondern auch um Fachkräftezuwanderung und EU-Arbeitsmarktmigration. All diese Gruppen gilt es in den Blick zu nehmen und für sie passgenaue Programme aufzulegen, so wie es in der Vergangenheit der Fall war. Ich denke zum Beispiel an den beschleunigten Zugang zu Integrationskursen und das europaweit einzigartige Modell der Berufssprachkurse. An beiden sollten wir in Zukunft festhalten und sie weiterentwickeln. ({0}) Wenn man den Vertretern der Ampelkoalition in der Debatte zuhört oder den Koalitionsvertrag liest, könnte man meinen, Integration werde schon gelingen, wenn man jeder und jedem, der ins Land kommen möchte, Zugang ins Land und zu Leistungen gewährt, egal woher oder aus welchem Grund jemand kommen möchte oder bleiben will. Was Sie sich aber so schön ausmalen, werte Kollegen, wird in der Realität nicht funktionieren. Integration gelingt nur gemeinsam mit den Menschen hier im Land. Sie findet nicht in der Theorie statt, sondern vor Ort in den Städten und Gemeinden. Sie kann nicht unbegrenzt gelingen; denn auch die Kapazitäten unseres Landes sind endlich. Sie ist auch keine Einbahnstraße und erfordert das Wollen und Mitwirken derjenigen, die zu uns kommen. ({1}) Integration gelingt nur, wenn es eine breite Akzeptanz für die Regeln der Migration gibt. Dazu ist eines klar zu sagen: Ohne eine nachvollziehbare Ordnung und Kontrolle bei der Migration wird diese Akzeptanz der Bevölkerung rasch schwinden. ({2}) Die unionsgeführte Bundesregierung hat in der vergangenen Wahlperiode gemeinsam mit der SPD – daran möchte ich noch mal erinnern – gute Mechanismen für eine strukturierte Migration und Integration erarbeitet. Im Sommer 2019 haben wir ein Migrationspaket verabschiedet. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz können gut ausgebildete und dringend benötigte Fachkräfte leichter zu uns ins Land kommen. Sie stärken Unternehmen und unsere Wirtschaft. Gleichzeitig wurden Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Migration und eine konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht beschlossen. Das gehört eben auch in die Verantwortung der Migrationspolitik. ({3}) Nun aber werden von der Bundesregierung Pull-Faktoren geschaffen, die Deutschland verstärkt zu einem attraktiven Ziel für illegale Migration machen können. Das ist ein bedenkliches Signal, wenn wir eine Überlastung unserer Sozialsysteme verhindern und vor allem die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft bewahren wollen. Auch darum machen wir als Union uns weiterhin stark für das Prinzip des Förderns und Forderns. Der nun von der Ampel vorgesehene Weg markiert eine klare Abkehr von diesem bisherigen Integrationsverständnis, und hiervor warne ich noch einmal ganz deutlich, werte Kolleginnen und Kollegen. Zum Abschluss – auch wenn ich kein Gedicht vortrage, gewährt mir die Präsidentin noch ein paar Sekunden – möchte ich noch eine weitere wichtige Sache ansprechen. Im Koalitionsvertrag wird die Integrationspolitik an vielen Stellen zur Antirassismus- und Antidiskriminierungspolitik umgeformt. Das halte ich in der Form für schwierig und zu einseitig. Frau Staatsministerin hat zu Recht die Vorkommnisse und den Anschlag in Hanau angesprochen. Wir sind uns alle einig, dass Rassismus und Extremismus entschieden bekämpft werden müssen. Nicht jeder aber, der Migrationspolitik und Integration vor Ort kritisch betrachtet oder in geordnete Bahnen lenken will, gehört in die Schublade der Rassisten, und nicht jede fehlgeschlagene Integration ist die Folge von Diskriminierung. Lassen Sie uns da bitte gemeinsam genauer hinschauen. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, wenn Sie dann zum Ende kommen, bitte.

Nina Warken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Vielen Dank. – Damit ist die Debatte zu diesem Themenbereich beendet.

Dr. Volker Wissing (Minister:in)

Politiker ID: 11003702

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Monate der Pandemie haben deutlich gemacht, wie wichtig es für uns ist, uns frei bewegen und jederzeit miteinander kommunizieren zu können. Mobilität und Kommunikation sind Grundbedürfnisse der Menschen. Wir brauchen sie, um uns und unsere Ideen zu entfalten. Die große Aufgabe lautet jetzt, dafür zu sorgen, dass wir unsere Grundbedürfnisse klimaneutral erfüllen können, und zwar so schnell wie möglich. Klimaschutz muss umfassend und sektorübergreifend gedacht werden. ({0}) Wir brauchen einen starken ÖPNV, eine starke Bahn, klimaneutrale Lkw, Schiffe und Flugzeuge, attraktive und sichere Rad- und Fußwege und im Pkw-Bereich ganz klar den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität. Da gibt es auch nichts mehr zu diskutieren oder abzuwarten. Es ist unsere Aufgabe, der Welt zu zeigen, dass unsere soziale Marktwirtschaft mit ihrer Wettbewerbsordnung auch ökologische Fragen am besten beantworten kann. ({1}) Wir wollen unserer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht werden. Das heißt für uns, dass wir alles tun werden, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Wir streben deshalb mindestens 15 Millionen elektrische Pkw bis 2030 an. Die kurzfristig verfügbare, klimaneutrale Mobilität im Individualverkehr ist die Elektromobilität. Wenn wir schnell CO2 reduzieren wollen, müssen wir sie stärker nutzen. Wir wollen die Klimaschutzziele im Verkehrsbereich einhalten. Die Elektromobilität im Pkw-Bereich ist dafür ein wichtiger Baustein. Gleiches gilt aber auch für strombasierte Kraftstoffe, E-Fuels, nicht nur im Flugverkehr, sondern auch im Schiffsverkehr, bei den Nutzfahrzeugen und natürlich auch in den Bestandsflotten der Pkw. Jeder Beitrag zur CO2-Reduktion ist wichtig. ({2}) Meine Damen und Herren, Mobilität muss sich auch in Zukunft technologieoffen weiterentwickeln. Wir wissen heute nicht, welche technologischen Chancen uns die Zukunft bietet. Verfügbare Technologien zu nutzen, darf deshalb nie heißen, ein Verbot neuer Technologien auszusprechen. ({3}) Mobilität ist zu vielfältig. Deswegen können wir nicht alles auf einen Antrieb umzustellen. ({4}) Wir dürfen den Menschen das Leben nicht erschweren. Im Gegenteil: Nachhaltige Mobilität muss einfach sein, bequem und bezahlbar, und zwar für alle. Der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur ist für mich eines der drängendsten Themen. Niemand kauft sich ein E-Auto, wenn er Stunden an der Ladesäule warten muss. Zudem müssen öffentliche Ladesäulen für jeden unbürokratisch nutzbar sein. Klimaschutz kann nur funktionieren, wenn die breite Mitte der Gesellschaft ihn mitträgt. Deswegen müssen wir immer im Blick behalten: Die Mitte besteht aus unterschiedlichen Menschen mit sehr unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen. ({5}) Jedem und jeder ein entsprechendes Angebot zu machen, das sie als Fortschritt empfinden, ist unsere Aufgabe. Und die Digitalisierung kann uns hier enorm helfen. Dank ihr können wir ganz neue Mobilitätsangebote entwickeln, die individuell auf die Situation der Menschen passen. Aber auch in anderen Bereichen ist die Digitalisierung der entscheidende Schlüssel, um beim Klimaschutz voranzukommen. Mit ihrer Hilfe können wir Infrastruktur besser planen, besser bauen und effizienter nutzen. Sie ist ein Booster für unsere Wirtschaft, erst recht für unsere Verwaltung. Digitalisierung erleichtert unseren Alltag und unser Arbeitsleben. Mit ihrer Hilfe läuft es effizienter, kürzer und ressourcenschonender. Klar ist: Dafür brauchen wir ein leistungsfähiges Internet und verlässlichen Mobilfunk, und zwar überall dort, wo Menschen leben und arbeiten. ({6}) Wir werden deshalb eine umfassende Gigabitstrategie erarbeiten, schlanke, digitale Antrags- und Genehmigungsverfahren entwickeln, alternative Verlegetechniken normieren und ein bundeseinheitliches Gigabitgrundbuch aufbauen. Bei all diesen Vorhaben baue ich auf Ihre Unterstützung. Holpriges Internet und Mobilfunklöcher sind für einen Wirtschaftsstandort wie Deutschland nicht akzeptabel. ({7}) Mit dem G-7-Vorsitz wird Deutschland zudem in der Digitalisierung ein starkes Signal setzen für offene Standards und Diversität, für digitale Innovationen sowie für unternehmerische und gesellschaftliche Initiative. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Mobilfunk und Glasfaser, Schienenwege, Straßen, Radwege, Brücken, Tunnel, das alles sind die Lebensadern einer modernen Gesellschaft. Deshalb werden wir kräftig investieren, übrigens erstmals mehr in die Schiene als in die Straße, aber eben auch in die Straße. Und wir müssen schneller werden beim Planen, Genehmigen und Bauen. Die A 45 zeigt uns gegenwärtig die Folgen mangelnder vorausschauender Planung. Deshalb werden wir die Verfahren beschleunigen und mit den Ländern einen Pakt schließen. Wichtig ist, dass unsere Investitionen schnell Wirkung zeigen. Eines haben wir nicht: Zeit. Zum Schluss, meine Damen und Herren, wünsche ich mir etwas ganz Grundsätzliches: mehr Verständnis für die Bedürfnisse und die Sichtweisen des anderen, etwas weniger Bereitschaft, sich sofort und ständig zu empören. Wenn jemand von einem Verkehrsträger spricht, heißt das nicht, dass er andere geringschätzt. Ich bin überzeugt, dass wir nur besser werden, wenn wir unterschiedliche Blickwinkel auf die Themen zulassen. Vieles müssen wir gemeinsam anpacken. Wir müssen schneller werden und immer nah an den Bedürfnissen der Menschen bleiben. Klimaschutz ist eine Daueraufgabe für uns alle. Was wir heute auf den Weg bringen, muss dauerhaft von Mehrheiten getragen werden. Das schaffen wir nur, wenn wir die Menschen mitnehmen und ihnen ein attraktives Angebot machen. Vielen Dank. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Thomas Bareiß hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Bareiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003734, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister Dr. Wissing, auch im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe! Sie übernehmen mit dem Bundesverkehrsministerium ein gut bestelltes Haus. ({0}) Darüber hinaus wünschen wir Ihnen viel Erfolg, ({1}) Fortune und Gottes reichen Segen. Ich glaube, das brauchen Sie auch. Ich hatte den Eindruck, dass manche in Ihrer neuen Koalition nicht ganz so viel Applaus spenden. Ich glaube, Sie müssen noch etwas Überzeugungsarbeit für das eine oder andere leisten. Offen gestanden kommt uns als CDU und CSU vieles von dem, was Sie vorgetragen haben, sehr bekannt vor, Herr Minister. Sie listen viele Vorhaben auf, die Ihr Vorgänger auf den Weg gebracht hat. Sie werden daher feststellen, dass wir Sie in vielen – nicht in allen, aber in vielen – Bereichen wohlwollend begleiten werden. ({2}) Bei manchen Vorhaben wollen Sie noch über das hinausgehen, was Ihr Vorgänger gemacht hat. Allerdings beschreiben Sie nicht, wie Sie die notwendigen Mehrausgaben finanzieren wollen. In diesem Punkt ist Ihre sogenannte Fortschrittskoalition eher ein großer Rückschritt, meine Damen und Herren. ({3}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, für die CDU/CSU-Fraktion ist Mobilität ein Ausdruck von Freiheit. Freiheit ist ein Grundbedürfnis aller Menschen. Deshalb muss Mobilität auch in Zukunft für jeden, ob auf dem Land oder in der Stadt, bezahlbar sein. Dazu haben wir heute nichts von Ihnen gehört, Herr Minister. ({4}) Wir sind dankbar, dass keine grüne Verbotskultur ins Bundesverkehrsministerium eingezogen ist. Wir alle wissen: Verbote schaden mehr, als dass sie nützen. Ich kann Sie nur ermuntern: Halten Sie stand bei Forderungen wie einem generellen Tempolimit. Es bringt nichts für das Klima und auch nichts für die Verkehrssicherheit. ({5}) Auch in anderen Bereichen haben wir hohe Erwartungen an Sie, so zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Wir werden Sie daran messen, ob Sie Ihre hohen Ziele im Verkehrssektor auch wirklich einhalten. Wir alle wissen: Ohne den Verkehrssektor gibt es keinen Klimaschutz. Die Union setzt sich deshalb ein für den Ausbau und die Elektrifizierung des Schienenpersonennahverkehrs, den Ausbau des ÖPNV, die Shared Mobility, natürlich auch für den Radverkehr, die Neuausrichtung des Luftverkehrs und vor allem für eine enge Verzahnung und Digitalisierung unserer Verkehrsträger. Für viele Bürgerinnen und Bürger wird das Auto unverzichtbar sein, hat Bundeskanzler Scholz in seiner Regierungserklärung vor wenigen Wochen gesagt. In den letzten vier Jahren haben wir es geschafft, die Zahl der Elektroautos in Deutschland zu verzehnfachen, meine Damen und Herren. Aber auch alternative und synthetische Kraftstoffe, E-Fuels, die Brennstoffzelle und Wasserstoff sind wichtige Säulen für eine nachhaltige und klimafreundliche Mobilität. Ohne E-Fuels und alternative Kraftstoffe geht es nicht, Herr Minister; denn auch der Pkw-Bestand braucht eine klimafreundliche Perspektive. Das war bis heute immer Ihre Meinung, auch die Ihres Parteivorsitzenden und der ganzen FDP. Umso überraschter war ich heute Morgen, als ich im „Tagesspiegel“ gelesen habe, dass Sie sich von E-Fuels verabschieden und sich bei Pkws nur noch für die Elektromobilität einsetzen. ({6}) So schnell ist noch kein Minister innerhalb weniger Wochen in einem ganz entscheidenden Punkt seines Ressorts umgefallen. Das kommt einem Wortbruch gleich, Herr Minister. ({7}) Bisher hat die FDP immer betont, ein Ende von bestimmten Technologien wie dem effizienten Verbrennungsmotor werde es mit ihr nicht geben. Diese Woche hören wir von Ihrem Koalitionspartner im Verkehrsausschuss, dass schon entschieden sei, dass dem Verbrennungsmotor das Aus bevorsteht. Ja, was nun, Herr Minister? ({8}) Deutschland als wichtigste Industrienation Europas und bisher weltweit erfolgreichster Automobilstandort kann sich keine Bundesregierung leisten, die nicht weiß, was sie will. Die 800 000 Beschäftigten im Automobilbereich brauchen weiterhin einen Minister, auf den sie sich verlassen können, Herr Wissing. ({9}) Meine Damen und Herren, Verlässlichkeit braucht es auch bei Investitionen in die Infrastruktur. Wir haben in den letzten zehn Jahren über 64 Prozent mehr in die Schiene investiert. Sie haben selber gesagt: Dieses Jahr wird das erste Mal mehr in die Schiene als in die Straße investiert. Wir haben im Schienenpersonennahverkehr die Mittel für die nächsten drei Jahre vervierfacht. Für die Schnellladesäulen haben wir 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, für die Wasserstoffstrategie 7 Milliarden Euro. In allen Bereichen der Mobilität bietet das in den nächsten Jahren große Chancen. Wir erwarten, dass Sie diesen nachhaltigen Pfad weitergehen und den Erhalt, die Erweiterung und den Ausbau in allen Bereichen stark vorantreiben. Das betrifft auch den erforderlichen Neubau der maroden Autobahnbrücke auf der A 45 bei Lüdenscheid. Hier erwarten wir einen schnellen und zuverlässigen Fahrplan für den Ersatzbau. ({10}) Das muss zur Chefsache werden. Das erwarten die Menschen vor Ort zu Recht, und dabei werden wir sie auch weiterhin unterstützen. ({11}) Hier können Sie zeigen, Herr Minister, wie eine Beschleunigung der Planung und Umsetzung vor Ort in den nächsten Jahren aussehen kann. Daran werden wir Sie ganz konkret messen. Herr Minister, wir bieten eine konstruktive und offene Zusammenarbeit an, zum Wohle der Menschen und zum Wohle eines erfolgreichen Industriestandorts Deutschland. Herzlichen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Detlef Müller. ({0})

Detlef Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Die Pandemie prägt unser Alltagsleben; Herr Wissing hat es angesprochen. Die Bereiche Verkehr und Digitales stehen symbolhaft für die Einschränkungen und Belastungen, die damit einhergehen. Ob auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder im Homeoffice, wir erleben, dass wir uns auf unsere Infrastrukturen verlassen können müssen, um solche Krisen erfolgreich zu bewältigen. Und wir spüren: Wir brauchen mehr Widerstandsfähigkeit, mehr Leistungsfähigkeit, aber auch mehr Kapazitäten. Und wir brauchen qualifizierte und motivierte Beschäftigte. Deshalb möchte ich ausdrücklich denen danken, die sich jeden Tag in die Bresche werfen, damit unsere Daseinsvorsorge funktioniert. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Legislaturperiode steht für Ausbau und Modernisierung unserer zentralen Infrastrukturen. Herr Bareiß, ich fand Ihre Rede schon etwas seltsam und ein Stück weit auch anmaßend. ({1}) Nach zwölf Jahren – nach zwölf Jahren! – bayerischer Herrschaft im Verkehrsministerium und angesichts der vorgelegten Bilanz – übrigens auch bei der A 45 – hätte ich mir schon etwas mehr Demut gewünscht; das wäre angemessen gewesen. ({2}) Meine Damen und Herren, Verkehr, Digitalisierung und Energie sind die zentralen Bereiche für unsere Wirtschaft, für den Klimaschutz und auch für den gesellschaftlichen Fortschritt. Sie prägen ganz maßgeblich das Zusammenleben in unserem Land, nicht nur in den Städten, sondern insbesondere auch in den ländlichen Regionen. ({3}) Mobilität für jeden, eine flächendeckende digitale Infrastruktur und bezahlbare Energie stehen für soziale Teilhabe und auch für zukunftsfähige Beschäftigung. Das eine lässt sich vom anderen nicht trennen. Sie sind der Kernbereich des Strukturwandels; den haben wir unumkehrbar begonnen. Nun kommt es darauf an, dass wir ihn zum Besten der Menschen voranbringen. Dazu gehört vor allem, dass wir in der Umsetzung schneller werden. Wir verlieren immer noch viel zu viel Zeit, das zur Verfügung stehende Geld auch zügig in reale Investitionen umzusetzen. Das gilt für den Gigabittrassenausbau genauso wie für die Lade- und Verkehrsinfrastruktur. Wir müssen endlich den Investitionsstau auflösen, den zukunftsfähigen Ausbau unserer Infrastrukturen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen und darüber auch einen großen gesellschaftlichen Konsens herstellen. Wir müssen weg von der Verhinderungskultur und hin zu einer Kultur des Ermöglichens. Der Koalitionsvertrag spricht eine klare Sprache: Planungsbeschleunigung steht auf der Agenda ganz oben. Es kann nicht sein, dass wir die Fertigstellung zentraler Bahnstrecken von Jahrzehnt zu Jahrzehnt weiter nach hinten schieben. Wir werden daher die Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag von der Stichtagsregelung über bundeseinheitliche Ausnahmeregelungen bis hin zum Maßnahmengesetz konsequent nutzen, um unsere Ausbauziele auch zu erreichen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Bahnpolitik und den öffentlichen Personennahverkehr noch stärker ins Zentrum der Verkehrspolitik der kommenden vier Jahre stellen. Dazu gehört, dass wir die Digitalisierung der Bahn schneller voranbringen. Allein dadurch sind ohne lange Planungsverfahren bis zu 25 Prozent mehr Kapazität auf der Schiene zu erreichen. Gleiches gilt für den ÖPNV. Eine bessere und zukunftsfähige Finanzausstattung für den Betrieb, die voranschreitende Digitalisierung und ein besseres Angebot, gerade auch in der Fläche, brauchen ein klares Bekenntnis von uns, übrigens auch zu Investitionen. Dafür steht der Modernisierungspakt für den ÖPNV im Koalitionsvertrag, den wir auf allen föderalen Ebenen schnell mit Leben füllen müssen. ({5}) Meine Damen und Herren, unser Leitbild ist die bezahlbare Mobilität für jeden – nicht gegen das Auto, sondern in intelligenter Verknüpfung aller Verkehrsträger. Wir müssen auf die Lebensrealität der Menschen abgestimmte Angebote schaffen. Der Rentner fragt zu Recht, warum alle vom ÖPNV reden, aber bei ihm nur zweimal am Tag der Bus fährt, und die Familie wundert sich, dass sie sich ein Elektrofahrzeug kaufen soll, es aber kaum bezahlbare Modelle auf dem Markt gibt und die nächste Ladesäule 12 Kilometer entfernt ist. Gleiches gilt für den Digitalausbau. Eine flächendeckende, leistungsfähige und sichere digitale Infrastruktur ist die Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung, soziale und gesellschaftliche Teilhabe, modernes Arbeiten und Lernen sowie für fortschrittliche Mobilität. All das hängt an einem konsequenten Ausbau der digitalen Infrastruktur. Wir wollen, dass die Verwaltung in Deutschland bei der Digitalisierung endlich ein Niveau erreicht, für das man sich international nicht mehr schämen muss. ({6}) Die Digitalisierung der Verwaltung steckt vielerorts immer noch in den Kinderschuhen. Das ist ein Investitionshindernis, nicht bürgerfreundlich und verlängert unnötig Planungs- und Genehmigungsverfahren. Wir brauchen eine zeitgemäße, leistungsfähige und nutzerorientierte digitale Verwaltung, die nicht Hemmschuh, sondern zentraler Standortvorteil ist. Lieber Herr Kollege Wissing – das gilt auch für den Kollegen Habeck; Herr Kellner, Sie können es ihm ja ausrichten –, alle drei Bereiche, Digitalisierung, Verkehr und der Ausbau der erneuerbaren Energien, hängen eng zusammen, bedingen sich gegenseitig und müssen zusammengedacht und umgesetzt werden. Wir werden Sie dabei unterstützen, damit wir unsere Ziele als Koalition auch erreichen, und wir werden Sie konstruktiv fordern, wenn es darum geht, zu überlegen, auf welchem Weg wir das tun. Die Zeiten des „Man müsste mal“ sind vorbei.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege!

Detlef Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. – Das Ob haben wir mit dem Koalitionsvertrag beantwortet. Nun geht es um das Wie und vor allem um das Wann, also um die Umsetzung. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die AfD-Fraktion spricht Joana Cotar. ({0})

Joana Cotar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004696, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Bevor ich zum eigentlichen Thema komme, eine kurze persönliche Anmerkung von mir: Die Ausgrenzung von Ungeimpften im Bundestag, wie sie seit dieser Woche praktiziert wird, und draußen in der Gesellschaft muss ein sofortiges Ende finden. ({0}) Das hat mit Gesundheitsvorsorge nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun, sondern ist reine Schikane und Brandmarkung von Ungeimpften. Dass gesunde Menschen in Deutschland nicht mehr normal leben und arbeiten können, ist eine Schande, meine Damen und Herren. ({1}) Bevor hier die Aufregung zu groß wird – ich weiß, Sie können mit der Freiheit wenig anfangen –, ({2}) komme ich zum eigentlichen Thema meiner Rede, zu den Digitalisierungsplänen der Ampelkoalition. Die neue Regierung hat sich für die nächsten vier Jahre viel vorgenommen – viele Versprechen, wohlklingende Sätze. Das alles kennen wir schon von den letzten vier Jahren, und auch da war die SPD mit an der Regierung. Der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass Deutschland während der letzten Regierung sowohl beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch beim Einsatz digitaler Technologien und Dienstleistungen hinter viele andere OECD-Länder zurückgefallen ist. Wir haben unseren Standard also nicht mal halten können; wir sind zurückgefallen. Aber nun soll alles besser werden. Schließlich gibt es nun neue Koalitionspartner. Der Netzausbau soll vorangetrieben werden, die Verwaltung endlich digitalisiert werden. Es soll mehr geforscht werden, mehr für die Cybersicherheit getan werden. Buzzwörter wie KI, Blockchain und Kryptowährungen dürfen natürlich auch nicht fehlen. Kurz: Fast alles, was man sich im Bereich Digitalisierung wünschen kann, soll angegangen werden. Das klingt gut. Das ist bitter nötig. Aber schauen wir uns doch mal an, wie glaubwürdig das ist, und werfen wir dabei einen Blick auf die Parteien, die dieses Versprechen abgeben, allen voran die FDP, die in der letzten Wahlperiode das Thema Digitalisierung hier wirklich rauf- und runtergespielt hat. Eine ihrer zentralen Forderungen war die Schaffung eines Digitalministeriums, einer koordinierenden Stelle, die den Überblick hat und die Digitalisierung in Deutschland managt. Und was kommt in dieser Legislaturperiode nicht? Ein Digitalministerium. Stattdessen kümmert sich Minister Wissing nun um Digitales und Verkehr. Aber auch da sind nicht alle Digitalthemen zu Hause. So wurde zum Beispiel der Gamingbereich ausgegliedert und dem Wirtschaftsministerium zugeordnet. Das Innenministerium ist für die Verwaltungsdigitalisierung zuständig, und irgendwie mischt auch das Umweltministerium noch mit. Auf Digitalpolitik aus einem Guss müssen wir wohl noch ein paar Jahre warten. Was ist mit den Themen Freiheit und Privatsphäre im Internet? Deren Schutz wurde von der FDP in der letzten Legislaturperiode immer wieder gefordert. Die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes stand dabei für die FDP immer ganz oben, was wir von der AfD immer begrüßt haben. Das war allerdings vor der Regierungsübernahme. Nachdem Marco Buschmann dann Justizminister geworden ist, betonte er in einer seiner ersten Stellungnahmen, dass das NetzDG verbindlich sei, selbstverständlich auch für Telegram gelte und er den Messengerdienst strenger kontrollieren will, frei nach dem Motto: Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern! ({3}) So schnell, wie Sie von der FDP umkippen, kann man das Wort „liberal“ gar nicht aussprechen, werte Kollegen. Ob NetzDG, Impfpflicht, Schuldenmachen oder 2 G – Sie haben für Ihre Ministerposten nicht nur zentrale Wahlversprechen gebrochen, sondern schlicht die Freiheit verraten. ({4}) Die Grünen, die im letzten Jahr vor allem im Digitalausschuss Öffentlichkeit verlangten, lehnten diese gestern ab. Und die SPD? Nancy Faesers erste Äußerung zur Digitalpolitik war die, sich zuerst um Hass und Hetze im Internet kümmern zu wollen. ({5}) Also alles beim Alten bei der neuen Ampel, meine Damen und Herren. Ausgerechnet Ihnen sollen wir jetzt das Versprechen abnehmen, dass Sie das mit der Digitalisierung ernst meinen und hinbekommen? Schön wäre es. Aber mit Verlaub, da glaube ich eher dem Lebenslauf von Frau Baerbock. Herzlichen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Julia Verlinden hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen diese Wahlperiode für einen echten Aufbruch in der Verkehrspolitik nutzen. Wie in vielen anderen Bereichen gibt es nach Jahren des Bremsens und des Verzögerns sehr viel zu tun. Es geht zum einen um den Beitrag des Verkehrssektors zum Klimaschutz. Wir als Ampel haben uns das Ziel gesetzt, wieder auf den 1,5‑Grad-Pfad zu kommen. Dieses Ziel erreichen wir nur gemeinsam und wenn alle Bereiche ihren Beitrag leisten. Es geht aber auch um Modernisierung, um Digitalisierung, um den Abbau von Barrieren, um passende Angebote für alle, auch für diejenigen, die keinen Führerschein haben oder die im Rollstuhl sitzen; denn so unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse bei der Mobilität. Darauf haben Sie hingewiesen, Herr Minister. Wir wollen deshalb eine Vielfalt an Möglichkeiten schaffen, vom E-Auto über den autonomen Nahverkehrsbus bis zum ICE im Halbstundentakt. Dazu gehören einladende und sichere Radwege, Abstellanlagen auch an Bahnhöfen, um das Fahrrad und den öffentlichen Verkehr optimal zu verzahnen. Dazu gehören attraktive Carsharingangebote sowie digitale Lösungen, die das Reisen und Bezahlen einfacher machen. Die Neuausrichtung in der Verkehrspolitik ist eine Riesenchance, dass die Menschen gut, sicher und bezahlbar mobil sein können. Das Ziel ist, dass bessere Mobilität nicht automatisch zu mehr Verkehr, zu mehr Lärm und zu mehr Flächenverbrauch führt. Ich bin zuversichtlich, dass uns das in der Ampel gelingt, weil wir gemeinsam an intelligenten und innovativen Lösungen arbeiten. ({0}) Eine unserer Verabredungen ist, anstehende Infrastrukturvorhaben zu überprüfen. Das ist notwendig und vernünftig; denn der letzte Bundesverkehrswegeplan enthält viel mehr Straßenprojekte, als jemals gebaut werden können, und die Grundlagen haben sich seit 2016 deutlich verändert. Der Verkehrsbereich hat seine Emissionen nicht senken können. Gleichzeitig gibt es inzwischen ein Klimaschutzgesetz und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, das uns als Gesetzgeber auffordert, mehr für den Klimaschutz zu tun und so die Freiheiten der kommenden Generationen zu sichern. Den großen Handlungsbedarf sehen wir auch an einem ganz aktuellen Beispiel – es wurde bereits genannt –: die Brückensperrung auf der Sauerlandlinie A 45. Diese Sperrung ist nur ein Vorbote von dem, was uns in den kommenden Jahren erwartet; denn bei der Sanierung von Brücken und Tunneln gibt es einen riesigen Rückstand. Es ist ein Skandal, wie der letzte Unionsverkehrsminister und die Unionsverkehrsminister, die in den letzten zwölf Jahren die Verantwortung für unsere Verkehrswege hatten, dem Verschleiß von Straßen, Schienen und Brücken jahrelang tatenlos zugesehen haben. ({1}) Ihnen haben wir zu verdanken, dass wir jetzt in der viertgrößten Industrienation Autobahnen sperren müssen. ({2}) Die Union hat eben lieber auf neue Straßen gesetzt, anstatt die bestehenden zu erhalten. ({3}) Wir als Ampelkoalition werden einen klaren Fokus auf Erhalt und Sanierung legen. Das schützt uns auch vor weiteren Kostenfallen; denn mit jeder neuen Bundesstraße erhöhen sich automatisch auch die Beträge, die wir für die Instandhaltung zurücklegen müssen. Gleichzeitig verringern sich Investitionsspielräume für die kommenden Regierungen. Große Investitionen haben wir im Bereich Schiene vor. Deren Marktanteile wollen wir deutlich steigern, sowohl im Güter- wie auch im Personenverkehr. Wir werden außerdem mehr Städte an den Fernverkehr der Bahn anschließen und den deutschlandweiten Taktfahrplan auf der Schiene vorantreiben. ({4}) Wir werden auch die Regionalisierungsmittel erhöhen. Wir werden mit Ländern und Kommunen Standards für einen guten öffentlichen Nahverkehr festlegen. Das stärkt ländliche Regionen, weil es den Menschen mehr Wahlfreiheit bei der individuellen Mobilität gibt. Wir wollen die Lärmbelastung durch den Verkehr reduzieren, stecken mehr Geld in aktiven und passiven Lärmschutz an Straßen und Schienen. All das gehen wir jetzt mit der Ampel an. Darauf freue ich mich, Herr Minister. Vielen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich gebe Thomas Lutze das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Thomas Lutze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004103, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Positive vorweg – keine Angst, es geht nicht um Corona –: Das Positive ist, dass der neue Verkehrsminister einen riesigen Vorteil gegenüber seinen Amtskollegen hat; denn schlechter als seine CSU-Vorgänger kann er es beim besten Willen nicht machen. ({0}) Also, lieber Kollege Wissing, nutzen Sie diese fast einmalige Chance, und gehen Sie das Projekt Verkehrswende richtig an. Ich glaube, bei Ihren beiden Koalitionspartnern werden Sie für so etwas sicherlich Unterstützung finden. Und auch meine Linksfraktion ist Ihnen gerne behilflich, wenn es darum geht, zum Beispiel das Schienennetz endlich auszubauen, deutlich mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen oder die ländlichen Räume so zu gestalten, dass niemand mehr sagen muss, er oder sie sei auf das Auto angewiesen, weil ja sonst nichts fährt. Und, Herr Wissing, wir müssen auch über das Geld reden; da kennt sich Ihre FDP ja besonders gut aus. ({1}) Senken Sie doch einfach mal die Steuern, so wie es auf Ihren Plakaten steht. Weg mit der Mehrwertsteuer bei Bahn- und ÖPNV-Tickets! Das wäre mal eine Schlagzeile. Hier könnten Sie sich profilieren, und Millionen Fahrgäste profitierten. ({2}) Das Thema Sicherheit wird bei Ihrer FDP auch immer ganz groß geschrieben. Na, dann vorwärts! Tempolimits auf Autobahnen erhöhen nämlich die Verkehrssicherheit. Eine Mehrheit in Deutschland hat keinen Bock mehr auf diese weltweit einzigartige Raserei. ({3}) Selbst bei Tempo 30 innerorts geht es bei den Konservativen voran. In meiner Heimatstadt Saarbrücken führt jetzt – hören Sie genau zu! – eine Mehrheit aus CDU, Grünen und FDP ein Tempolimit von 30 km/h in der Innenstadt ein. Machen Sie das doch bitte auch mit Ihrer Bundesregierung. Unsere Unterstützung dafür haben Sie. Herzliches Glückauf! ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Wir hören jetzt die erste Rede von Maximilian Funke-Kaiser für die FDP-Fraktion. ({0})

Maximilian Funke-Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005058, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beginnen mit der Ampelkoalition eine neue Zeitrechnung; denn alles, was wir die letzten Jahre verschlafen haben, all die Möglichkeiten, die wir verpasst haben, all der Fortschritt, der zunichte gemacht wurde, all das packen wir jetzt endlich an. Das neue Bundesministerium für Digitales und Verkehr ist der Beweis dieses Gestaltungswillens, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Denn statt wie bisher die Digitalpolitik als zahnlosen Tiger im Bundeskanzleramt geradezu krepieren zu lassen, haben wir Kompetenzen endlich einmal in einem Bundesministerium gebündelt, und zwar im Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Das gab es in dieser Form noch nie; das ist ein absoluter Meilenstein. ({1}) Wir werden die Digitalisierung auf jeden Fall nicht mehr als Schaufensterpolitik missbrauchen, sondern endlich die politischen Weichen für die vollumfassende und überfällige Digitalisierung in diesem Land ebnen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Das möchte ich an zwei Themen beispielhaft festmachen. Zum einen an der digitalen Infrastruktur: Schnelles Internet, sei es Mobilfunk oder Breitband, ist ein Grundbedürfnis. Ich finde es traurig, dass wir das im Jahre 2022 immer noch so betonen müssen. Massive bürokratische Schwächen haben den Ausbau bislang verschleppt, was wir unter anderem ändern werden. Wir verschlanken und digitalisieren Antrags- und Genehmigungsverfahren. Wir finalisieren die Normierung alternativer Verlegetechniken, und wir stärken das Monitoring, damit Kommunen und ausbauende Unternehmen überhaupt wissen, wo was liegt. Wir wollen schlichtweg vom Funkloch- zum Highspeed-Weltmeister werden. Um es an dieser Stelle deutlich zu sagen: Nichts anderes ist eines Industriestaates wie Deutschland würdig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Zweitens werden wir das Thema „digitale Identitäten“ angehen, nachdem die ID Wallet – der eine oder andere wird sich noch daran erinnern – im vergangenen Jahr unter Führung des Bundeskanzleramtes krachend an die Wand gefahren worden ist. Die sichere digitale Identifizierung ist nicht nur ein Grundpfeiler der Digitalisierung unseres Landes. Sie hätte uns – das ist traurig – auch bei der Bekämpfung der Coronapandemie geholfen. Zusammen mit einem antragslosen und automatisierten Verfahren in den Behörden und Druck bei der Verbesserung und Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, auch aus dem BMDV heraus, machen wir unseren Staat einfacher und schneller; denn wir brauchen einen unkomplizierten Staat, der zum einen den Bürgerinnen und Bürgern das Leben erleichtert und eben auch in Krisenzeiten handlungsfähig bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Was mir wichtig ist: Wir wollen es nicht nur besser wissen, wir werden es auch besser machen. Ich bin dankbar, dass ich als digitalpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion hierbei das Erbe von Jimmy Schulz weitertragen darf. Ich freue mich auf die zukünftige Zusammenarbeit mit Ihnen hier im Hohen Haus, und ich freue mich natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen im Bundesministerium, vorneweg Dr. Volker Wissing, damit wir zeigen können, dass Deutschland zu deutlich mehr imstande ist, wenn es um die Digitalisierung in Deutschland geht. Herzlichen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Ulrich Lange das Wort. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Viele schöne Schlagworte, viele Ankündigungen und dann die Rednerinnen und Redner der neuen Koalition. Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe noch nicht so richtig erkennen können, ob alle vom gleichen Haus, vom gleichen Koalitionsvertrag und vom gleichen Ministerium gesprochen haben. ({0}) Zum einen haben wir im Koalitionsvertrag 65-mal das Wort „Investitionen“ festgestellt, aber nur dreimal das Wort „Milliarde“. Wo das Geld herkommen soll, da bleiben große Fragezeichen. Was sich jetzt schon gezeigt hat: der fehlende Mut, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Denn es ist viel hineingeschrieben, aber nicht klar benannt worden, weil wohl unbezahlbar. Und vieles wurde genannt, aber nicht konkret, weil man sich wohl nicht einigen konnte. Deswegen hat man es zunächst einmal groß verpackt. Ich sage Ihnen, die Sie von großem neuen Zeitalter, von Respekt und von vielem anderen gesprochen haben, jetzt eines: Gerade Verkehrspolitiker wissen, dass, wenn das Geld nicht da ist, es ungedeckte Schecks sind, und das macht mir Sorge. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Infrastruktur braucht Konstanz und Planbarkeit. Herr Minister, ich garantiere Ihnen heute schon den Check mit der Wirklichkeit bei all dem, was hier genannt wurde. Ich warne und wir warnen vor milliardenschweren Verschiebebahnhöfen im Haushalt des Verkehrsministeriums. ({3}) Wenn Sie Respekt einfordern, dann fordern auch wir Respekt ein; denn dass Mehrausgaben für Schiene im Haushalt drin sind, das war die alte Bundesregierung, das ist kein Verdienst der neuen. ({4}) Das Bekenntnis zur Straße hätte Ihnen auch gutgetan. Bei einem neuen Bundesverkehrswegeplan mit einem Dialogprozess, von dem ich da gerade gehört habe, da schrillen natürlich in den ländlichen Räumen die Alarmglocken. Wollen Sie die ländlichen Räume abhängen? Wollen Sie das Auto zurückdrängen? ({5}) Da sage ich Ihnen ganz deutlich: Das wird nicht funktionieren; denn auch das wird der Check mit der Wirklichkeit werden. ({6}) Statt in Berlin zu diskutieren, muss man sich in der Infrastruktur auf Planung und Kosten verlassen und dort weiterbauen, wo man begonnen hat. Bei der Schiene fehlt Ihnen der Mut. Und wissen Sie, warum? Da haben Sie hier die alte Dampflok SPD sitzen. ({7}) Da haben Sie, Frau Kollegin, gerade vom Halbstundentakt beim ICE gesprochen. Wir helfen Ihnen gerne, das System Bahn zu verstehen. Der Fernverkehr ist eigenwirtschaftlich. Zum Deutschlandtakt habe ich heute nichts gehört; auch da fehlt viel. Lieber Kollege Müller, ganz offen – wir haben uns gut verstanden –: Es war schwach. 12 der 16 Jahre war die SPD mit dabei. Noch nie wurde so viel investiert wie unter unionsgeführtem Bundesverkehrsministerium, ({8}) noch nie so viel in den ländlichen Raum, noch nie so viel in die Schiene, ({9}) noch nie so viel in der Straßeninfrastruktur gerichtet, noch nie so viel für Radwege und noch nie so viel für saubere Luft. ({10}) Liebe neue Koalition, daran werden Sie sich messen lassen müssen. Sie brauchen eine Verkehrspolitik mit Augenmaß. Das heißt: Lastenrad und Auto.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das heißt: nicht verbieten, verteuern oder vermiesen. – Wir bieten konstruktive Opposition an: für Mobilität in ganz Deutschland, für alle Bürgerinnen und Bürger. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Dr. Jens Zimmermann. ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Lange, man merkt in diesen Tagen so richtig: Die Union lechzt nach einer langen Periode in der Opposition so richtig danach, einmal wieder etwas umsetzen zu können, nach 16 Jahren. ({0}) Aber ich glaube, nach dem, was Sie hier heute so erzählt haben, wird das zumindest noch ein bisschen dauern. Erinnern wir uns: 16 Jahre unter Helmut Kohl, das war schon einmal eine lange Ära. Als 1998 hier dann eine Regierungserklärung abgegeben wurde, hieß es: Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen. – Heute muss man aber sagen: Wir wollen es nicht nur besser machen, sondern wir müssen tatsächlich auch vieles anders machen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Darin sind wir uns in dieser Koalition einig. Darum haben wir Ideen, konkrete und, ja, ambitionierte Pläne in diesen Koalitionsvertrag gesteckt. Wir wollen mehr Fortschritt wagen. Dazu gehört für uns auch ein digitaler Aufbruch in unserer Gesellschaft, bei der Infrastruktur, aber eben auch beim Menschenbild und bei den Bürgerrechten. Beides ist zentral, um unser Land und auch Europa für die Zukunft aufzustellen. Wir wollen eben eine solidarische, eine flächendeckende und eine konsequente Digitalisierung. Wenn ich sage: „Wir müssen etwas anders machen“, dann betrifft das auch die Zusammenarbeit in dieser Koalition. Wir wollen als Ampel diese Ziele nicht jeder für sich, nicht gegeneinander, sondern gemeinsam erreichen. Das unterscheidet diese Koalition ganz massiv von der der letzten acht Jahre, meine Damen und Herren. ({2}) Es ist ganz klar: Ein digitaler Aufbruch bedeutet auch, dass wir unsere Hausaufgaben machen müssen. Das ist vollkommen klar. Die haben wir aus den vergangenen Jahren mitgenommen. Wir brauchen einen schnellen Infrastrukturausbau, wir brauchen mehr Investitionen in digitale Bildung, und wir brauchen eine digitale und zeitgemäße Verwaltung. Was uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten besonders wichtig ist: Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit in diesem digitalen Wandel bieten; denn für viele ist Digitalisierung nicht nur Chance, nicht nur Verheißung, sondern sie bringt eben auch viele Sorgen mit sich, und unsere Aufgabe ist es, hier Sicherheit zu bieten, meine Damen und Herren. ({3}) Neben all diesen harten Fakten der Digitalisierung geht es auch um die Bürgerrechte. Diese Koalition hat ihrem Vertrag eben ein anderes Menschenbild zugrunde gelegt. Deswegen haben wir uns – das ist ein sperriges Wort; das gibt viele Punkte beim Scrabble – auf eine Überwachungsgesamtrechnung geeinigt, auf eine Inventur der Sicherheitsgesetze in unserem Land; denn wir wollen Sicherheit und Freiheit wieder in die richtige Balance bringen, meine Damen und Herren. ({4}) Deshalb freue ich mich auch auf die Zusammenarbeit mit unserer Bundesinnenministerin, mit Nancy Faeser, die schon in den ersten Wochen klare Kante gezeigt hat, gerade gegen rechten Hass im Internet. Ich freue mich natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit unserem neuen Minister, mit Volker Wissing, und auf die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition. Aber – das will ich zum Abschluss explizit betonen – ich freue mich auch auf den konstruktiven Austausch und den konstruktiven Streit mit der Union und mit den Kolleginnen und Kollegen von den Linken. Herzlichen Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die AfD spricht Dr. Dirk Spaniel. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst einige persönliche Worte sagen: Ich bin nach meiner Coronaerkrankung seit 23 Tagen gesund, ich bin negativ getestet, und trotzdem werde ich aus dem Parlament auf die Besuchertribüne hier oben verbannt. ({0}) In fünf Tagen darf ich zusammen mit den vielen nicht Getesteten wieder unten im Plenum sitzen. ({1}) Diese Fakten sagen mehr über politische Entscheidungswege im Deutschen Bundestag als irgendwelche Sachdiskussionen. ({2}) Lassen Sie uns zur Verkehrspolitik kommen. Zwischen der FDP und der AfD gab es in der vergangenen Wahlperiode eine beachtliche verkehrspolitische Übereinstimmung. Bei immerhin 27 von 40 FDP-Anträgen haben wir zugestimmt. Insbesondere im Bereich Infrastrukturerneuerung waren wir uns in der Vergangenheit zumindest in vielen Punkten weitgehend einig. Jetzt kommt es zur Nagelprobe. Das Drama um die plötzlich und unerwartet marode Autobahnbrücke Rahmede ist sinnbildlich für die Realitätsverweigerung der bisherigen Infrastrukturplanung im Verkehrssektor. Mich schockiert in diesem Zusammenhang, dass es im Verkehrsministerium offensichtlich keinen Standardplan für Renovierung und Neubau, insbesondere von Brückenvorhaben, gibt. Herr Wissing, Sie treten ein schweres Erbe an; das muss man leider so sagen. Das nächste große Thema ist die für die Menschen in diesem Land immer unbezahlbarere Mobilität. Das lösen Sie nicht mit stark subventionierten Tickets für den ÖPNV, weil der in weiten Teilen unseres Landes überhaupt gar keine Rolle spielt. Das Problem der Menschen in diesem Land ist der Preis für den Liter Benzin, der im Moment bei circa 1,70 Euro liegt. Schade, dass der Kanzler nicht da ist. Es ist immer gut, wenn er auch einmal den Spritpreis hört. ({3}) Es gibt Stimmen, die sagen, der hohe Spritpreis liegt an den Rohölpreisen. Das Barrel Rohöl kostet heute ungefähr 80 Dollar. Zwischen 2011 und 2012 lag der Preis im Jahresmittel bei 110 Dollar. Die Endkundenpreise an der Tankstelle sind heute trotzdem höher. Also, wem wollen Sie hier erzählen, dass es an den Rohölpreisen liegt? Es sind die politischen Maßnahmen in diesem Land wie die CO2-Steuer, die Autofahren und übrigens auch den ÖPNV immer teurer machen. ({4}) Wenn ich den Koalitionsvertrag lese, dann kann ich Ihr Konzept nicht erkennen, Herr Wissing. Wie wollen Sie den nach wie vor hohen Mobilitätswunsch der Bürger in diesem Land erfüllen? Ganz im Gegenteil: Ich lese dort Formulierungen, die sehr deutlich darauf hindeuten, dass Sie die Menschen in diesem Land umerziehen wollen, hin zu weniger Mobilität. Das hört sich für mich völlig anders an als das, was Sie in der letzten Wahlperiode versprochen haben. Aber, Herr Wissing, wir wollen Sie an Ihren Taten messen, und wir hoffen, dass nicht das Gleiche passiert wie hier mit den Vertretern der Gegner der Impfpflicht. Wir hoffen, dass Sie wenigstens Ihr Wort halten –

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– und im Verkehrssektor nicht umfallen. Vielen Dank. ({0})

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Stefan Gelbhaar das Wort. ({0})

Stefan Gelbhaar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004726, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wo werden wir, wo wollen wir stehen im Jahr 2025? Ich will drei Punkte herausgreifen: Erstens. Wir müssen die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht haben. Zweitens. Wir brauchen Mobilität für alle, in der Stadt genauso wie auf dem Land, und dafür eine funktionierende Infrastruktur. Drittens. Mobilität muss endlich sicher sein. Das sind die vereinbarten Ziele, auch die des Koalitionsvertrages. Da gilt es jetzt zu fragen: Wo stehen wir eigentlich? Das ist, glaube ich, für Herrn Bareiß besonders wichtig – er war im letzten Ausschuss nicht dabei –; deswegen vielleicht mitschreiben: Die Ziele in Sachen Elektromobilität sind massiv verfehlt worden; bei Rad- und Fußverkehr wurde vor allem Papier geschwärzt; marode Straßen und Brücken füllen die Zeitungen; die Ziele, die sich die Bundesregierung in Sachen Verkehrssicherheit selbst gesteckt hatte, sind allesamt verfehlt worden. Das ist die Bilanz der letzten Regierung, und da muss sich einiges ändern. ({0}) Wie werden wir also sichere klimafreundliche Mobilität für alle erreichen? Vieles muss dafür gleichzeitig angegangen werden. Beginnen wir bei der Sicherheit: Im Koalitionsvertrag ist die Vision Zero für weniger Unfälle und mehr Verkehrssicherheit verankert. Ich begrüße den Vorstoß von Minister Wissing zu mehr Tempo 30; das ist ein wichtiger Schritt. Ich finde, aus der Vision Zero muss eine Mission Zero werden, und dafür stehen wir bereit. ({1}) – Ja. Nächster Punkt. Mobilität für alle setzt eine funktionierende Infrastruktur voraus. Daher werden wir die Mittel für den Bahnausbau ebenso wie für den Nahverkehr erhöhen. Der Nationale Radverkehrsplan wird umgesetzt werden; insbesondere das Radnetz ist auszubauen. Wir werden uns darauf verständigen, welche Infrastruktur wir künftig brauchen. Dazu haben wir etwas Neues im Koalitionsvertrag verankert, nämlich einen sogenannten Gleichstellungscheck. Der sichert erstmals den Einfluss der verschiedensten Perspektiven, zum Beispiel von Jung und von Alt. Das ist neu, und das ist gut. Wir kümmern uns auch – auch! – um die Straßeninfrastruktur. Dass das bitter nötig ist, sagen immer wieder landauf, landab Vertreter aller Fraktionen. Das wird betont, wurde aber, Herr Bareiß, von der Vorgängerregierung einfach nicht gemacht. Das muss jetzt anders werden. ({2}) Ich habe kurz überlegt, ob man die A-45-Baustelle Herrn Bareiß widmen sollte; aber ich finde, nach diesem flammenden Plädoyer für die Scheuer’sche Verkehrspolitik gehört diese Baustelle ganz eindeutig Ihnen, Herr Lange von der CSU. Ganz eindeutig! ({3}) Künftig hat der Erhalt Vorrang vor dem Neubau. Die vielen Straßenneubauprojekte müssen überprüft werden; das ist logisch, und das ist auch konsequent. Die Klimaschutzziele gelten ganz klar auch im Verkehr. Da muss ich mich auch bedanken; denn das hat der Herr Verkehrsminister heute noch einmal ganz explizit und klar formuliert. Das ist gut so. Deswegen werden wir statt Verbrennern Elektroautos auf den Markt bringen, und deswegen wird es einen Klimacheck geben – das ist übrigens der Realitätscheck, Herr Lange –, mit dem Auswirkungen von Gesetzesmaßnahmen auf das Klima transparent und steuerbar gemacht werden. Es gilt, enorm viel aufzuholen. Mit dieser neuen Koalition wird sich daher vieles bewegen müssen. Mobilität kann sicher, kann nachhaltig, kann erschwinglich sein. Das ist keine Utopie, das ist Handwerk, und dafür laden wir alle auf eine gute Zusammenarbeit ein. Vielen Dank. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt die Kollegin Anke Domscheit-Berg. ({0})

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz egal, welches Ranking zur Digitalisierung man sich ansieht, man kann ziemlich sicher sein: Deutschland ist irgendwo ganz weit unten. Die Ampelkoalition hat viele Dinge versprochen, wie sie das verändern will. Schöne Versprechen hatte auch schon die GroKo gemacht. Wir haben inzwischen alle gelernt: Bei der Digitalisierung kommt es vor allem darauf an: Schafft man die Umsetzung? Ob die klappt, hängt vor allem von zwei Faktoren ab. Zum einen: Gibt es eine gute Digitalisierungsstrategie? Zum anderen: Gibt es eine kluge und effektive Governance, eine Zuordnung von Rollen und Verantwortungen? Zum ersten Faktor. Eine Digitalisierungsstrategie gibt es noch nicht. Die muss natürlich zeitnah prioritär entwickelt werden. Sie muss sehr eng mit der Nachhaltigkeitsstrategie verbunden sein. Diese beiden Themen haben unfassbar viel miteinander zu tun. Sie muss aber auch sinnvolle, messbare und verbindliche Ziele enthalten, also nicht so etwas wie früher bei der GroKo, etwa die Anzahl elektronischer Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung. Was man messen muss, ist: Wie viele Bürger/-innen nutzen diese Dienste, und wie zufrieden sind sie damit? Die Strategie muss aber auch die Kompetenzdefizite adressieren. Ohne eine flächendeckende Weiterbildungsoffensive in der digitalen Verwaltung sind Fortschritte in der Digitalisierung nicht erreichbar. ({0}) Zum zweiten Faktor, der klugen Governance. Die Verteilung der Verantwortungen, Rollen usw. in der Ampelkoalition überzeugt mich, ehrlich gesagt, noch nicht, erst recht nicht nach der Rede des Ministers. Ich frage mich aber auch: Warum hat Kanzler Scholz alle im Kanzleramt bisher angesiedelten Aufgaben zur Digitalisierung fallen gelassen wie heiße Kartoffeln? Die Digitalisierungsstrategie muss Chefsache sein. Das war wirklich ein falsches Signal. ({1}) Liebe Damen und Herren der Ampelkoalition, in der letzten Legislatur habe ich 40-mal am Ende meiner Reden die Abschaffung des § 219a gefordert. Bitte setzen Sie auch dieses Versprechen schnellstmöglich um! Bei zwei Minuten Redezeit brauche ich jeden Satz für Digitales. Vielen Dank. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Dorothee Martin das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dorothee Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004959, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine fortschrittliche Politik, das ist das, was SPD, Grüne und FDP eint. Dieser Mut und Wille zum Fortschritt wird auch die neue Verkehrspolitik dieser Ampelkoalition prägen. Nicht weniger als das ist auch nötig; denn wir stehen auch im Verkehrsbereich vor wirklich großen Herausforderungen. Mobilität bleibt ein wesentlicher Faktor für Klimaschutz, für Teilhabe und auch für unser erfolgreiches Industrieland. Wir wollen – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt – Mobilität fortschrittlicher und nachhaltiger gestalten und zukunftsfest machen. Das gilt für die Schiene, für Häfen, für die Schifffahrt, für den Luftverkehr und auch weiterhin für die Straße. Dass wir im Verkehrsbereich vor einem enormen Transformationsprozess stehen, sollte wirklich jedem in diesem Hause klar sein. Um diesen hohen Anforderungen von Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Infrastruktur jetzt wirklich gerecht zu werden, brauchen wir deutlich mehr Tempo im politischen Prozess, bei der Planung und bei der Umsetzung. Was wir wirklich nicht weiter brauchen, sind Bremsklötze von der CDU/CSU. Wir brauchen keine weiteren Verhinderer, und wir brauchen vor allem kein verantwortungsloses Mautdesaster mehr, meine Damen und Herren. ({0}) Mein Kollege Detlef Müller hat schon die besondere Bedeutung von Bahn und Schiene und unseren Fokus darauf hervorgehoben. Ich möchte noch einen weiteren Fokus setzen – auch ich bin Herrn Minister Wissing sehr dankbar für seine klaren Worte –, nämlich auf Elektromobilität. Hier setzen wir ganz neu an. Wöchentlich werden derzeit etwa 250 neue Ladepunkte in Deutschland gebaut. Damit aber im Jahr 2030 15 Millionen E-Autos auf unseren Straßen unterwegs sein können, müssen es 2 000 Ladepunkte pro Woche sein. Unser Ziel als Ampelkoalition ist klar: Wir werden 1 Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bis 2030 schaffen und damit deutlich mehr Anreize, auf Elektromobilität umzusteigen. ({1}) Wir werden dabei sicherstellen, dass die Strompreise an den Ladesäulen transparent sind, dass man gezielt ohne langes Suchen freie Ladesäulen finden kann, und das flächendeckend. E-Mobilität wird künftig überall selbstverständlich und einfach nutzbar sein, und sie wird zusammen mit der Digitalisierung im Verkehrsbereich die Mobilität ganz gravierend verändern, sie klimafreundlicher, sicherer, komfortabler und einfacher machen. Gleiches gilt für den Bereich Lkw, wo wir ein verlässliches Ladesäulennetz und auch Wasserstoff als wichtige Antriebsform brauchen. Das alles bedeutet aber auch für die Automobilindustrie einen ganz großen und notwendigen Transformationsprozess, den wir nach Kräften unterstützen werden; denn sie ist eine unserer Schlüsselindustrien, und wir wollen, dass das so bleibt – künftig dann mit E-Mobilität als Antriebsart der Zukunft. So sichern wir Arbeitsplätze, und so schaffen wir neue. Darauf können sich die Beschäftigten und die Unternehmen verlassen, meine Damen und Herren. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme aus Hamburg. Dort gibt es eine Vielzahl an wirklich guten und vernetzten Mobilitätsangeboten. Aber auch im ländlichen Raum, in Kleinstädten muss Mobilität möglich sein und bleiben. Niemand darf abgehängt werden, weil er sich Mobilität nicht mehr leisten kann oder weil Angebote noch fehlen. Für uns steht ganz klar fest: Der Umbau unserer Verkehrsinfrastruktur wird nur funktionieren, wenn wir Stadt und Land gleichermaßen einbinden und wenn Mobilitätsangebote auch Lebensrealitäten abbilden. Auch das ist übrigens eine Frage des Respekts, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Wir wollen eine Vernetzung von Individual- und öffentlichem Verkehr und kein Gegeneinander; denn Mobilität richtet sich für uns an den verschiedenen Bedürfnissen aller aus: egal ob zu Fuß, mit dem Rad, im ÖPNV oder per Auto. Wir werden hier ein neues Miteinander in der Mobilität schaffen – sicher, klimafreundlich und innovationsoffen. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in der Koalition; ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Minister Wissing. Lassen Sie es uns anpacken! Vielen Dank. ({4})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren ja blumige Worte des neuen Digitalministers in puncto Digitalisierung. Aber leider keine einzige konkrete Aussage! Wo soll die Digitalisierungspolitik unseres Landes hingehen? Wo sehen Sie unser Land 2030? Was bedeutet der digitale Aufbruch in Deutschland und in Europa? Wie wollen Sie Transformation erreichen? Wie wollen Sie die Chancen der Digitalisierung nutzen? Davon habe ich in Ihrer Rede, Herr Minister, leider nichts gehört. Blumige Worte, keine konkreten Maßnahmen! Und ich finde auch nichts von dem, was die FDP in den letzten vier Jahren hier in jeder Debatte gesagt hat – nicht im Koalitionsvertrag, nicht in den ersten Verlautbarungen der Bundesregierung und auch nicht in der Rede des Ministers. ({0}) Vier Jahre lang haben Sie gesagt, es braucht mehr Monitoring, es braucht mehr Steuerung und es braucht ein Digitalministerium. Und was machen Sie? Sie machen weniger Monitoring, weniger Steuerung und auch kein Digitalministerium. Es reicht nicht, den Namen eines Hauses zu ändern und „Digitales“ vorne hinzuschreiben. Man muss dann auch wirklich Digitalkompetenzen bündeln, man muss Budgets bündeln, man muss steuern, monitoren und das Ganze mit Kennzahlen versehen. Nichts davon findet man in Ihrer Politik. ({1}) Man findet dazu auch nichts beim Thema Infrastruktur. Wer sich den Koalitionsvertrag durchliest, liest dort: FTTH in jedem Haus. – Das ist ein schönes Ziel, aber davon, wie man dort hinkommen will, wann man dort hinkommen will, wie man das Ganze monitoren will, ist nichts zu lesen. ({2}) Die digitale Transformation des Staates ist Thema des ersten Kapitels in Ihrem Koalitionsvertrag, und sie stand im ersten Kapitel Ihres Sondierungspapiers. Ich dachte: Ja, genau; das ist genau das richtige Thema. – Im Koalitionsvertrag findet man dazu auch relativ viele konkrete Sachen; das eine oder andere kam mir bekannt vor aus unseren eigenen Papieren. Aber wer soll das eigentlich machen? Macht das Herr Wissing als neuer Digitalminister? ({3}) Der Nationale Normenkontrollrat ist gerade vom Kanzleramt zum Bundesjustizministerium, zu Herrn Buschmann, gewandert. Für die digitale Verwaltung ist Nancy Faeser zuständig. Herr Wissing hat wohl auch Teile der Zuständigkeiten für die Digitalstrategie aus dem Bundeskanzleramt bekommen. Das Foresight-Management liegt bei Frau Stark-Watzinger. Wie, bitte, soll die digitale Transformation des Staates gelingen, wenn Sie bei den Zuständigkeiten eine so zerfledderte und zerklüftete Landschaft haben? Und das, was das Kanzleramt bisher an Koordinierung gemacht hat, haben Sie auch gleich noch gestrichen. ({4}) Ich lasse mich sehr gerne positiv überraschen; denn unser Land braucht die digitale Transformation des Staates. ({5}) Es braucht auch das, was Sie gesagt haben: die Digitalisierung der Mobilität. Aber auch hier: Für Smart Cities ist das Bauministerium zuständig. ({6}) Wir wünschen Ihnen sehr viel Glück dabei; aber mit so wenig Koordinierung, mit so wenig Monitoring, mit so wenigen konkreten Maßnahmen wird das nicht gelingen. Sie haben die Chance, das Ganze zu konkretisieren. Wir sind da an Ihrer Seite. Wir wollen Sie bei dieser Transformation unterstützen, ({7}) aber weder der Koalitionsvertrag noch – schon gar nicht – die Reden des heutigen Tages lassen mich da irgendwie optimistisch sein. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Schön.

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte?

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Oder reden Sie noch weiter? – Es hörte sich gerade so an, als sei Ihre Rede zu Ende. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich habe noch eine Minute und würde das auch ganz gerne noch weiterführen. – Lieber Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie finden in unseren Positionspapieren und in unserer Politik viele Ansatzpunkte dafür, wie wir das wirklich gemeinsam schaffen können, und ich will Ihnen heute die Hand ausstrecken, das auch gemeinsam zu tun. Dafür müssen Sie aber folgende Fragen beantworten: Wer hat die Zuständigkeiten? Wer hat die Budgets? Wer koordiniert? Wer macht die Strategie? – Dann können wir gemeinsam die digitale Transformation unseres Staates, unserer Verwaltung und auch unserer Wirtschaft schaffen. Ich würde mich freuen, wenn das gelingt. Unser Land kann sich keine verlorenen Jahre leisten. ({0})

Anna Kassautzki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005098, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Früher haben wir ab und an mal einen Brief geschrieben und tagelang auf Antwort gewartet. Heute verschicken und empfangen wir täglich Dutzende Nachrichten, ob dienstlich oder privat, ob E-Mail, Foto oder Sprachnachricht. Durch dieses Mehr und diese Art an Kommunikation ist die Vertraulichkeit wichtiger denn je; sie ist durch die technische Entwicklung aber auch stärker gefährdet als jemals zuvor. Während wir uns bei der Briefpost auf den Umschlag und die Post als Dienstleisterin verlassen konnten, sind unsere Daten im Internet nur durch starke Verschlüsselung vor neugierigen Mitleserinnen und Mitlesern geschützt. Um diese Daten zu schützen, ist das Recht auf Verschlüsselung unabdingbar – ({0}) mit starker Kryptografie, ohne Hintertüren und Kompromisse. Dieses Recht wollen wir als Fortschrittskoalition einführen. ({1}) Wir brauchen nicht nur eine sichere Verschlüsselung, sondern auch sichere Hard- und Software. Deswegen wollen wir zusätzlich eine Hersteller/‑innenhaftung für Schäden auf den Weg bringen, die durch fahrlässig oder vorsätzlich verursachte IT-Sicherheitslücken entstehen. Die Verantwortung von Unternehmen, sichere Produkte anzubieten, wird in Zukunft nicht mehr an der Kasse enden. Woraus besteht aber die Software dieser Produkte? Viele Hersteller/‑innen nutzen Open-Source-Projekte, also Software, die, oft in ehrenamtlicher Arbeit, her- und öffentlich zur Verfügung gestellt wird. Aktuell gibt es die Debatte um Log4j, eine Open-Source-Komponente, die in über 5 000 Produkten verwendet wurde und eine bis letzten Dezember unbekannte Sicherheitslücke beinhaltet hatte. Durch diese Lücke konnten Angreifer/-innen einen Code auf betroffenen Systemen ausführen und es dadurch übernehmen. Diese Komponente haben zwei Programmierer nach Feierabend betreut. Zwei Programmierer, nach Feierabend: Das ist doch kein Zustand, meine Damen und Herren! ({2}) Es geht hierbei um die Sicherheit von uns allen im Netz. Während also Produkte, die auf Open-Source-Software basieren, oftmals Millionen erwirtschaften, findet die Entwicklung selbst immens wichtiger Open-Source-Komponenten viel zu oft als personell und finanziell schlecht ausgestattetes Freizeitprojekt engagierter Programmierer/-innen statt. Vielen Dank an der Stelle an die Programmierer/-innen; aber das darf nicht die Norm sein, sondern muss ordentlich gefördert werden. ({3}) Open-Source-Software kann gerade wegen ihres offenen Codes von unabhängigen Sicherheitsexpertinnen und ‑experten jederzeit auf ihre Sicherheit überprüft werden. Das schafft Transparenz und Vertrauen. Und mit der Verpflichtung, Sicherheitslücken zu schließen, schützen wir unsere Systeme und uns alle. Was tun wir also, um die aktuelle Situation zu verbessern? Wir führen ein Recht auf Verschlüsselung und die Hersteller/-innenhaftung bei IT-Sicherheitslücken ein. Und zusätzlich wollen wir, dass Hard- und Software, in die öffentliche Gelder fließen, wenn dem keine zwingenden Gründe entgegenstehen, als Open-Source-Projekt der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden. Das Motto heißt hier: “Public Money? Public Code!” ({4}) Ich bin mir sicher: Gemeinsam schaffen wir es, Deutschland auf europäischer und internationaler Ebene zu einem Leuchtturm für sichere Informationstechnologie zu machen. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Kassautzki. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Reinhard Brandl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004018, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an die Rede meiner Vorgängerin, Nadine Schön, an. Wir haben mal versucht, nachzuvollziehen, wer in der neuen rot-grün-gelben Koalition eigentlich welche Zuständigkeiten für Digitalisierung bekommen hat, und ich schicke es vorweg: Es ist kompliziert. ({0}) Wir haben deswegen mal ein Bild gemalt, um die verschiedenen Kompetenzverschiebungen zu visualisieren. ({1}) Man erkennt eines: Jede Farbe bekommt was, und jede Farbe gibt was. ({2}) Falls die Kollegen der Ampelkoalition Interesse an der Grafik haben, um sich selber mal kennenzulernen: ({3}) Ich gebe sie nachher gerne weiter. ({4}) Was übrigens auf der Grafik fehlt, Kollegen von der FDP, ist der große gelbe Kasten mit dem Versprechen aus Ihrem Wahlkampf: das Bundesministerium für digitale Transformation. Das gibt es nicht. Das war eine gute Idee; herausgekommen ist ein Etikettenschwindel. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr ist für vieles zuständig, für viele digitale Themen aber eben nicht. ({5}) Ich möchte die Regierung ja gar nicht daran messen, inwieweit sie das FDP-Wahlprogramm umsetzt, aber ich messe Sie daran, inwieweit die Aufstellung, die Sie gewählt haben, geeignet ist, um die zentralen Herausforderungen in der digitalen Welt unseres Jahrzehnts zu bewältigen. Nach dieser Woche bin ich, ehrlich gesagt, etwas skeptisch, und ich will das auch begründen. Ich habe jetzt fast alle Reden aller Minister verfolgt. Es gibt in Europa im Moment drei große Weichenstellungen, die in den nächsten Monaten erfolgen und unseren digitalen Raum in Europa für das nächste Jahrzehnt mitprägen werden: Das ist der Digital Markets Act, der die Marktmacht von Google, Facebook und Amazon begrenzen soll, das ist der Digital Services Act, der unter anderem den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz regeln soll, und das ist die EU-Verordnung für künstliche Intelligenz, die das Vertrauen der Menschen in diese Technik stärken soll. Das sind drei zentrale Fragen, die jeden Bürger in Europa betreffen, die jedes Unternehmen in Europa betreffen und die über die Zukunftsfähigkeit und Innovationsfähigkeit unseres europäischen digitalen Marktes mitentscheiden. Die Position der Bundesregierung in dieser Woche dazu: Null! In keiner Debatte hat das in irgendeiner Form eine Rolle gespielt. Der zuständige Superminister Robert Habeck, in dessen Verantwortungsbereich das fällt, redet natürlich lieber über das Klima; das ist sein Kerngeschäft. Der Digitalisierungsminister ist offenbar nicht zuständig. Ich könnte das gleiche Bild bei dem Thema Verwaltungsmodernisierung zeichnen. Es ist eine der zentralen Herausforderungen und entspricht auch der Erwartungshaltung der Bürger, dass sie nicht nur ihr Auto mit dem Handy kaufen können, sondern dass sie es auch digital zulassen können und sich nicht einen halben Tag Urlaub nehmen müssen, um dann im Landratsamt eine Nummer zu ziehen, sich auf einen Stuhl zu setzen und zu warten, bis sie dran sind. ({6}) Die zuständige Innenministerin hat lange über den Kampf gegen Rechtsextremismus gesprochen. Das ist richtig und wichtig, aber wir brauchen auch jemanden, der sich um die digitale Verwaltung und die Verwaltungsmodernisierung kümmert. ({7}) Das Problem an diesem Bild, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, ist: Jeder von Ihnen hat sich ein paar interessante Themen gekrallt; jeder kann gut Förderbescheide übergeben, aber jeder hat ein anderes Kerngeschäft. ({8}) Um die Fragen der Digitalisierung wird sich ressortübergreifend zu wenig zentral gekümmert, und das wird der großen Aufgabe, die vor uns steht, nicht gerecht. Sie haben jetzt genügend Zeit und Raum, da noch besser zu werden. Herzlichen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Brandl. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Maik Außendorf, Bündnis 90/Die Grünen, auch für seine erste Parlamentsrede. ({0})

Maik Außendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005012, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Wissing! Digitalisierung ist neben dem Klimaschutz das große Thema unserer Zeit. Auch hier liegen Probleme und Lösungen dicht beieinander. Ich möchte zuerst ein Problem ansprechen, bevor ich, Frau Schön, zu den Chancen komme, und das ist der Energieverbrauch in Rechenzentren, Endgeräten und Übertragungsnetzen. Die Internetnutzung in Deutschland erzeugt etwa so viel an CO2-Emissionen wie der Flugverkehr. Dieses Problem adressieren wir in unserem Koalitionsvertrag vorbildlich mit einem Umweltmanagementsystem für die Rechenzentren des Bundes ab 2025 und der verpflichtenden Klimaneutralität für neue Rechenzentren ab 2027. ({0}) Auch an dieser Stelle zeigt sich, wie wichtig der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien ist. Aus dieser Problemlage heraus haben sich aber auch zukunftsweisende Lösungen entwickelt, zum Beispiel die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren für die Nahwärmeversorgung oder andere Bereiche, wie ein Beispiel aus Nordfriesland zeigt: Dort wurde ein Gewächshaus auf ein Rechenzentrum gebaut und mit der Abwärme geheizt. Das ist unter dem Strich dann sogar klimapositiv. Es geht noch weiter: Viele große Rechenzentren haben eigene Batteriespeicher, um Stromausfälle überbrücken zu können. Eben diese Speicher können als Puffer dienen, um das Netz zu stabilisieren, und somit selbst einen Beitrag zur Energiewende leisten. Es liegt in der DNA von Informatikerinnen und Informatikern, Probleme als Herausforderung zu betrachten und ihnen mit innovativen Lösungen zu begegnen. Dies wollen und müssen wir nutzen, um nachhaltiger und klimaschonender wirtschaften zu können. ({1}) Ein Beispiel aus dem Bereich Mobilität ist der Nahverkehr auf Nachfrage. In Münster und andernorts ist das bereits modellhaft umgesetzt. Nutzer/-innen können über eine App einen Transportwunsch angeben, und dann werden dynamisch die Routen von Kleinbussen zusammengebaut, die die Menschen von A nach B transportieren. Das verbessert die Mobilität im vorstädtischen Raum genauso wie im ländlichen Raum. ({2}) – Alles klar; das haben wir gelernt in den letzten Jahren. Diese Liste ließe sich lange fortsetzen und auf viele Bereiche ausdehnen. Zunächst aber sind wir als Politik gefragt, um den Booster von Herrn Wissing zu zünden. Es geht nämlich darum, die Rahmenbedingungen für digitale Lösungen und für Unternehmen zu verbessern, um all dies umsetzen zu können. An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die wirtschaftspolitische Debatte von heute Morgen zurückkommen. Da haben Frau Klöckner und andere Redner der Union uns unterstellt, dass wir die Perspektive der Unternehmen nicht berücksichtigen würden. Das muss ich in aller Schärfe zurückweisen! ({3}) Ich selbst bin bis zur Wahl Unternehmer gewesen. Ich hatte die Ehre, den wirtschaftspolitischen Teil des Koalitionsvertrages mit zu verhandeln. In dieser Gruppe haben wir gerade die Perspektive von kleinen und mittelständischen Unternehmen immer auf dem Schirm gehabt, und ich werde dafür sorgen, dass das auch so bleibt. ({4}) Bevor Sie also noch mal versuchen, uns irgendwelche Defizite anzudichten, bearbeiten Sie bitte erst mal Ihre eigenen Informationsdefizite! ({5}) Um also die Voraussetzungen für digitale Innovationen und für nachhaltiges und digitales Wirtschaften von Unternehmen zu schaffen, um diese Innovationen umzusetzen, haben wir eine Reihe von Maßnahmen im Koalitionsvertrag beschlossen. Der Kollege Zimmermann hat das schön gesagt: Das wollen wir gemeinsam umsetzen. – Viele der Punkte wurden hier schon genannt; so kann ich mich hier also ein bisschen kürzer fassen. Insbesondere danke ich Frau Kassautzki für die Ausführungen zur Open-Source-Software; denn die adressieren wir ja insbesondere mit dem Sovereign Tech Fund. ({6}) Ein Punkt ist aber noch wichtig, und das sind die Freiheitsrechte. Die müssen wir schützen, und das ist ein Spagat. Es geht einerseits darum, eine freiere, sichere verschlüsselte Kommunikation und auch den Austausch in sozialen Netzwerken sicherzustellen, andererseits aber auch darum, vor Hass und Hetze zu schützen. Das wollen wir vor allem durch die Aufstockung der Ressourcen und nicht durch das Verbot einzelner Messenger erreichen. Wer so etwas fordert, der haut den Sack und meint den Esel. Das bringt nichts. Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir adressieren die Risiken, sorgen für den nötigen Infrastrukturausbau und setzen die Rahmenbedingungen, um die Digitalisierung für nachhaltigen, ökologischen und sozialen Fortschritt zu nutzen. Danke schön. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Außendorf. – Letzte Rednerin zu diesen Themenbereichen ist die Kollegin Isabel Cademartori Dujisin, SPD-Fraktion, mit ihrer ersten Parlamentsrede. ({0})

Isabel Cademartori Dujisin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005036, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Menschen Zukunftsvisionen entwickeln, spielt Mobilität seit jeher eine wesentliche Rolle. Raumschiffe, Menschen, die sich beamen, fliegende Autos: Die Frage, wie der Mensch sich fortbewegt, hat schon immer unsere Phantasie an- und die Gemüter aufgeregt. Nicht zuletzt in meiner Heimatstadt Mannheim wurde aus vielen dieser Visionen Realität. Das erste Automobil, gebaut von Carl Benz, fuhr im Sommer 1885 über die Straßen Mannheims, und bereits 1817 baute Karl von Drais in Mannheim die erste Zweiradlaufmaschine, einen Vorläufer des heutigen Fahrrads. Gestern und heute gilt: Mobilität ist stets im Wandel. Und genau bei diesem Wandel wird von jeher danach gestrebt, den Menschen mehr und nicht weniger Mobilität zu ermöglichen. So soll es auch bleiben. ({0}) Die von der Ampelkoalition angestrebte Verkehrswende wird keine Wende hin zu weniger Mobilität sein und schon gar keine Wende hin zu einer Gesellschaft, in der Mobilität zum Luxusgut wird. Es ist eine Wende hin zu einer nachhaltigeren, effizienteren und intelligenteren, vor allem aber auch weiterhin bezahlbaren Mobilität. ({1}) Es ist eine große Errungenschaft unserer Industriegesellschaft, Mobilität und damit auch eine neuartige Form der Globalisierung für weite Teile der Bevölkerung und nicht nur für eine privilegierte Minderheit zu ermöglichen. Meine eigene Lebensgeschichte, die sich über drei Kontinente spannt, ist ein Zeugnis dieser vernetzten Welt, und ich bin deshalb auch persönlich nicht daran interessiert, diese Entwicklung zurückzudrehen. In der Zukunft brauchen wir eine vielfältige und vernetzte Mobilität, die alle Verkehrsträger gleich ernst nimmt; denn die meisten Bürgerinnen und Bürger bewegen sich nicht nur mit einem Verkehrsmittel fort, sondern wechseln im Laufe einer einzigen Woche mehrmals zwischen Fahrrad, Bahn, Auto oder Fußweg. Deswegen ist es ein erklärtes Ziel der Ampelkoalition, die Investitionen in die Infrastruktur weiter zu erhöhen und langfristig abzusichern, und zwar nicht nur in Bayern, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Wir werden den Wandel nicht von oben verordnen, sondern Subsidiarität ernst nehmen und Kommunen mehr Spielräume einräumen, um den für sie richtigen Mobilitätsmix mit ihren Bürgerinnen und Bürgern umzusetzen. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Mobilität prägt auch Identität. Die Verkehrspolitik befasst sich nicht ausschließlich mit technischen Themen, wie Antriebe, Infrastruktur und Taktung. Der Verkehr betrifft wirklich jeden Menschen in unserer Gesellschaft, und zwar jeden Tag aufs Neue. Als SPD werden wir dabei insbesondere im Blick behalten, dass Mobilität nicht zu einer sozialen Frage wird, die die Gesellschaft spaltet. Aus technischem Wandel werden wir sozialen Fortschritt für alle schaffen. Wenn also Klimaaktivisten wieder über SUV-Fahrer herfallen, Autofahrer sich über Radfahrende aufregen und Fußgänger über E-Scooter schimpfen, dann halten wir einmal inne und denken daran, was uns als Bürgerinnen und Bürger verbindet: Wir alle wünschen uns, dass die Bahn endlich mal wieder pünktlich fährt. In diesem Sinne geben wir jetzt richtig Gas. Vielen Dank. ({3})

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wohnen ist ein Menschenrecht: So ist es im Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte festgelegt. Es ist gerade kein Luxus für wenige, sondern Lebensgrundlage für alle. Und ich füge hinzu: Es geht um gutes und bezahlbares Wohnen in einem lebenswerten Umfeld. Es ist aus meiner Sicht eine Frage des Respekts, dass diejenigen, die hart arbeiten, gut davon leben und auch gut davon wohnen können. Es ist Ausdruck des gesellschaftlichen Zusammenhalts, dass Azubis, Familien und Rentnerinnen und Rentner Tür an Tür miteinander leben können. Deshalb ist es auch eine Frage der Zukunftsfähigkeit unseres Landes, ob wir es schaffen, ausreichend Wohnungen zu bauen, die den demografischen und digitalen Erfordernissen und den ökologischen Standards unserer Gesellschaft entsprechen. Damit das gelingt, ist viel zu tun. Deshalb ist es wichtig, dass die Fortschrittskoalition ein eigenständiges Bundesministerium dafür geschaffen hat. ({0}) Zum ersten Mal seit sage und schreibe 1998 gibt es dieses Ministerium wieder. Das unterstreicht nicht nur die politische Bedeutung des Wohnungsbaus und der Stadtentwicklung. Es ist auch die Chance, unter einem Dach und aus einer Hand die Themen „Wohnen“, „Stadtentwicklung“ und „Bauwesen“ vom Bund aus neu zu denken, die Chance, neue Wege zu beschreiten und Innovationen zu ermöglichen, und natürlich auch eine Chance, die gewaltige Transformation der Bauwirtschaft aktiv zu gestalten und für neuen ökonomischen Schub in Deutschland zu sorgen. ({1}) Für diese politischen Ziele werde ich schnell ein stabiles Fundament bauen, indem wir Schwung in den Wohnungsmarkt bringen. Wir brauchen viel mehr bezahlbaren und klimaneutralen Wohnungsbau. 400 000 neue Wohnungen sollen pro Jahr gebaut werden können, davon 100 000 im sozialen Wohnungsbau. Deswegen werde ich das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ zügig aufsetzen. ({2}) Gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen, der Bau- und Wohnungswirtschaft, mit Mieterverbänden, Gewerkschaften, aber auch vielen weiteren Akteuren werden wir dafür sorgen, dass es gelingt. Und ich weiß: Dafür braucht es natürlich zum einen die richtigen Förder-, zum anderen aber auch die richtigen Rahmenbedingungen. Deswegen war eine meiner ersten Amtshandlungen, die soziale Wohnraumförderung für 2022 auf den Weg zu bringen. ({3}) Noch im Dezember konnten wir 1 Milliarde Euro Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau freigeben; eine weitere Milliarde aus dem Klimapaket wird folgen. ({4}) Wenn wir bezahlbare Wohnungen schaffen wollen, brauchen wir aber noch mehr, zuallererst genügend Bauland. Brachliegende Grundstücke, bei denen Einzelne auf Wertsteigerung spekulieren, können wir uns nicht mehr leisten. Wichtig ist auch, dass die Kommunen schnell wieder Rechtssicherheit beim Vorkaufsrecht haben und wir dafür nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine gute Lösung finden. ({5}) Meine Damen und Herren, Bauen ist Alltag für viele. Jede und jeder, die und der in den letzten Monaten versucht hat, ein Bauvorhaben oder eine Renovierung anzugehen, kennt das Problem. Das eine ist das notwendige Baumaterial, das andere ist der Handwerker dazu. ({6}) Die Bewältigung des Fachkräftemangels wird deshalb eine der großen zentralen Aufgaben, bei der wir innerhalb der Bundesregierung, aber auch gemeinsam mit Unternehmen und Gewerkschaften an einem Strang ziehen müssen. ({7}) Wir brauchen eine Azubi-Offensive, wir brauchen Weiterbildung, Fachkräfteeinwanderung und gute Arbeitsbedingungen auf dem Bau. ({8}) Damit wir beim Bauen einen Gang höher schalten, werden wir die Planungs- und Bauverfahren vereinfachen. Tempo machen wir auch durch die Nutzung digitaler Verfahren – denn auch dafür ist mein Haus mit zuständig –, weniger Bürokratie und mehr Standardisierung. Übrigens wollen wir auch beim Bundesbau schneller werden. Wir wollen eine Vorbildfunktion einnehmen und zeigen, wie effizientes und nachhaltiges Bauen geht. Beim Luisenblock West hier in Berlin-Mitte können Sie sich das schon mal ansehen. Es hat vom Prüfauftrag bis zur Finalisierung des modernen und modularen Holzbaus nur 27 Monate gedauert. ({9}) – Es war die Bundesbauverwaltung. ({10}) Die große Zahl an Wohnungen, die wir brauchen, wird aber nicht von heute auf morgen gebaut. Genauso wichtig ist deshalb eine rasche Entlastung auf angespannten Wohnungsmärkten. Die Mieten müssen in den nächsten Jahren bezahlbar bleiben – auch und gerade, wenn modernisiert und energetisch saniert wird. Dabei geht es nicht nur um die Kaltmiete. Die Energiepreise machen vielen große Sorgen. Deshalb ist bereits zum Jahreswechsel für mehr als 1 Million Bürgerinnen und Bürger ein höheres Wohngeld in Kraft getreten. Und ich möchte noch einmal ergänzen: Wohngeldbezieher/-innen sollen einen einmaligen Heizkostenzuschuss von mindestens 135 Euro erhalten. Es war uns ein großes Anliegen, dass wir das so schnell wie möglich für 710 000 Haushalte auf den Weg bringen, die davon profitieren. ({11}) Verständigt haben wir uns auch auf Verbesserungen bei der Miete; denn gut wohnen heißt auch, keine Angst zu haben, seine Wohnung wegen Mietsteigerungen zu verlieren. Die Koalition hat sich darauf verständigt, die Mietpreisbremse bis 2029 zu verlängern, Begrenzungen von Mieterhöhungen auf angespannten Wohnungsmärkten und eine Ausweitung des Mietspiegels vorzunehmen. Und ich möchte auch für die Menschen sorgen, die gar keine Wohnung haben. Bis 2030 wollen wir als Bundesregierung die Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden. Deshalb ist mir als Bau- und Wohnungsministerin der Nationale Aktionsplan dafür sehr wichtig. ({12}) Meine Damen und Herren, wir starten in ein Transformationsjahrzehnt, in dem wir unser Land beim Klimaschutz auf Kurs bringen. Mit guter Gesetzgebung, Entschlossenheit und Experimentierfreude können wir hier viel erreichen. Ich freue mich, dass ich mit dem Wirtschaftsminister Robert Habeck schon verabreden konnte, dass wir Themen gemeinsam angehen, zum Beispiel die Nachhaltigkeit und die Bezahlbarkeit beim Bauen und Wohnen, Maßnahmen für energieeffiziente Gebäude oder eine Fachkräftestrategie gerade im Bauhandwerk und das Forschen an nachhaltigen Baustoffen. Erste Maßnahmen werden wir schon im Klimaschutz-Sofortprogramm auf den Weg bringen. Mein Wunsch wäre es, dass wir in Deutschland zum Beispiel ganz konkret die Bedingungen für Mieterstrom noch weiter verbessern. ({13}) Nicht zuletzt sehe ich es auch als meine Aufgabe, für gutes Leben in der Stadt und auf dem Lande zu sorgen. Dafür nehme ich die Quartiers-, Stadt- und Regionalentwicklung mit in den Blick. Gutes Wohnen und Leben braucht ein gutes und lebenswertes Umfeld. Ich bin im Übrigen sehr froh darüber, dass in meinem Haus nun auch die Raumordnung verortet ist. Das hilft enorm, um bei der Planung und innovativen Entwicklung von Regionen schneller zu werden. Klimawandel, Strukturwandel, demografischer Wandel, sozialer Zusammenhalt und Digitalisierung, das sind nur einige der Stichworte, die den riesigen Transformationsbedarf in Städten und Gemeinden beschreiben. Mit der Städtebauförderung haben wir ein schlagkräftiges Instrument. Dieses werden wir für gutes Leben und Zusammenhalt in Stadt und Land weiter verbessern. Ich freue mich, dass wir zum Beispiel 250 Millionen Euro in 238 Städte investieren können, gerade um die von Corona sehr stark in Mitleidenschaft gezogenen Innenstädte zu stabilisieren und auch neue Formen von Gemeinplätzen zu schaffen, wo man sich – gerade auch Familien – jenseits eines kommerziellen Einkaufserlebnisses in der Innenstadt aufhalten kann, wodurch die Innenstädte belebt werden. ({14}) Integrierte Mobilitätsangebote insbesondere in ländlichen Gebieten müssen dazu Realität werden. Unsere Lebensräume müssen klimaresilient werden, um sich vor den Folgen von Starkregenereignissen und Hitzeperioden zu schützen. Hier gibt es in der Städtebauförderung und auch in der Regionalplanung viel zu investieren. Vielleicht noch ein Satz zur Region Bonn. Ich weiß: Sie erwartet von uns auch ein Bekenntnis zur Bundesstadt Bonn. – Von mir wird sie dieses bekommen. Ich fahre demnächst in die Region, in den Rhein-Sieg-Kreis, und spreche auch mit der Oberbürgermeisterin. Wir werden uns sehr viel Zeit nehmen, zu schauen, wie wir die Bundesstadt Bonn – auch mithilfe der kommunalen Expertise – stärken können. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ein Dach über dem Kopf zu haben, ist ein menschliches Urbedürfnis, ein existenzielles Bedürfnis. Eine Wohnung zu haben, ist aber noch weit mehr. Eine Wohnung ist auch immer persönlicher Rückzugsraum, Ort der individuellen Entfaltung und somit auch ein Stück Heimat. Wohnungspolitik hat daher für jeden Einzelnen, für Familien, aber auch für die Gesellschaft insgesamt eine enorm hohe Bedeutung. Die Immobilienwirtschaft ist auch volkswirtschaftlich essenziell für unser Land: 3,3 Millionen Arbeitsplätze gibt es in diesem Bereich; die Bruttowertschöpfung beträgt über 600 Milliarden Euro, weit mehr als etwa in der Automobilindustrie. Und auch für den Klimaschutz, das Thema, das uns in den letzten Jahren so enorm bewegt hat und auch in den kommenden Jahren bewegen wird, sind die Gebäude ganz essenziell und zentral. 35 Prozent des Endenergieverbrauches treten im Gebäudebestand auf; 30 Prozent der CO2-Emissionen werden dort emittiert. Hier schlummern also riesige Potenziale, die wir heben können und wollen, wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen. Deswegen begrüßen wir als Union ausdrücklich, ({0}) dass es in dieser Wahlperiode ein eigenständiges Ressort für Bauen und Wohnen gibt. Damit geht dann aber auch die Erwartung einher, dass das Thema „Bauen und Wohnen“ innerhalb der Ampel Sichtbarkeit und das Gewicht bekommt, das ihm angesichts seiner Bedeutung für die Menschen, für die Gesellschaft und auch für den Klimaschutz zukommt. ({1}) Insofern: Sehr geehrte Frau Ministerin, zu Ihrer Ernennung zur Ministerin für diesen Geschäftsbereich beglückwünschen wir Sie ganz ausdrücklich. Wir wünschen Ihnen für diese wichtige Aufgabe alles Gute und viel Erfolg. Wir sagen Ihnen auch zu, dass wir als Fraktion Sie dabei konstruktiv begleiten und auch unterstützen werden, wenn Sie gute Vorschläge machen, um den Herausforderungen dieser Zeit nachzukommen. ({2}) Die Herausforderungen in diesem Ressort sind groß. Sie haben sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Das zentrale Ziel – Sie haben es erwähnt – sind 400 000 Wohnungen, die jedes Jahr neu entstehen sollen, 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Wahlperiode. Mehr Bauen ist auch aus unserer Sicht der richtige Weg, um die angespannten Wohnungsmärkte bei Angebot und Nachfrage endlich wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nur auf diesem Wege werden wir die steigenden Mietpreise auch nachhaltig in den Griff bekommen und verhindern, dass Menschen verdrängt werden. Insofern begrüßen wir, dass die Bauoffensive, die wir als Union in der letzten Wahlperiode gestartet haben, jetzt von der Ampel fortgesetzt wird. Das ist ein gutes und richtiges Signal. ({3}) Sie, Frau Ministerin, haben es in einem Ihrer ersten Interviews gesagt – Sie werden an diesem Ziel, an dieser Erwartung auch gemessen werden –: 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Wahlperiode. – Unsere Erwartung als Union ist daher, dass Sie die vielen Hürden, die es gibt, beseitigen, um dieses Ziel zu erreichen, dass Sie die bürokratischen Hemmnisse angehen, dass Sie die 20 000 Bauvorschriften, die es in unserem Land gibt, radikal entschlacken, dass Sie die Planungen beschleunigen, dass Sie die Mobilisierung von Bauland voranbringen. Dafür müssen Sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, und wenn Sie das angehen wollen, reichen wir Ihnen als Union dazu gerne die Hand. ({4}) Uns ist aber wichtig, zu sagen, dass Sie uns nicht an Ihrer Seite haben, wenn Sie versuchen, die steigenden Mietpreise allein durch Regulierung in den Griff zu bekommen. Wir haben im Bereich des Mietrechts in der letzten Wahlperiode viel auf den Weg gebracht. Ich will das hier gar nicht im Einzelnen durchdeklinieren. Was wir aber jetzt sagen können, ist, dass wir die ersten Erfolge sehen. Die Leerstandsquote steigt erstmals seit 15 Jahren leicht, auch in einigen Wachstumsregionen – das ist mir ganz wichtig –, und die Neuvertragsmieten haben ebenfalls nicht mehr die Dynamik, die sie in den letzten Jahren gehabt haben. Stattdessen verzeichnen wir da in einigen Bereichen sogar Rückgänge. Das ist immer noch auf niedrigem Niveau, gar keine Frage, aber trotzdem können wir feststellen: Langsam entspannt sich die Lage wieder auf dem Wohnungsmarkt; wir haben hier eine Trendumkehr. Vor diesem Hintergrund finde ich Ihre Aussage, dass Sie die Mietpreisbremse verlängern wollen, schon bemerkenswert. Bis 2029 wollen Sie die Mietpreisbremse verlängern, obwohl wir sie gerade erst, vor gar nicht allzu langer Zeit, bis 2025 verlängert haben. Sie zementieren damit einen Markteingriff, von dem wir heute noch gar nicht wissen, ob er in einigen Jahren überhaupt noch erforderlich ist. Wenn diese Trendumkehr sich fortsetzt, also wir weitere Signale der Entspannung auf dem Wohnungsmarkt haben, dann ist es auch verfassungsrechtlich höchst problematisch, ob die Verlängerung der Mietpreisbremse überhaupt richtig und erforderlich ist. Sie wissen es: Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss zur Mietpreisbremse ausdrücklich ausgeführt, dass die zeitliche Befristung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieses Eingriffs in das Eigentum zentral ist. Deswegen darf es keine vollständige Entkopplung von den Marktpreisen geben, sonst kommt es zu einer Substanzverletzung im Eigentumsrecht. Deswegen sagen wir: Aus diesem befristeten Instrument darf keine Dauerlösung ohne Rücksicht auf die Lage auf dem Wohnungsmarkt werden, meine Damen und Herren. ({5}) Wichtig ist: Wenn Sie den Menschen wirklich helfen wollen, dann müssen Sie die Baukosten in den Griff bekommen. 14 Prozent Steigerung haben wir hier zuletzt verzeichnen können. Deswegen ist es auch gut und richtig, dass die Baukostensenkungskommission ihre Arbeit fortsetzen soll; dagegen habe ich überhaupt nichts. Mir ist aber wichtig, zu sagen: Wir haben doch nicht primär ein Erkenntnisproblem, sondern wir haben vor allen Dingen ein Durchsetzungsproblem. Deswegen ist es so wichtig, Frau Ministerin, dass Sie die beschlossenen, diskutierten Maßnahmen jetzt endlich auch um- und durchsetzen. Das ist wichtig, damit wir nicht zu steigenden Baukosten kommen, weil das immer auch bedeutet, dass die Wohnkosten und am Ende die Mieten steigen. Deswegen darf es nicht so kommen. Die Baukosten müssen runter, Frau Ministerin. Wir sehen mit Sorge, dass der Koalitionsvertrag nachgerade gespickt ist mit Vorhaben, die das Bauen am Ende deutlich teurer machen werden. KfW-40-Standard für den Neubau, im Bestand bei wesentlichen Aus- und Umbauten EH-70-Standard, Solardachpflicht, ab 2025 beim Betrieb neuer Heizungen 65 Prozent erneuerbare Energien – all das ist ein Widerspruch, wenn Sie die Baukosten senken wollen. ({6}) Es gibt natürlich einen Zielkonflikt; das wissen wir. Sie haben es im Ausschuss gesagt: Es ist ein bisschen die Quadratur des Kreises. – Wir hoffen und haben auch die Erwartung an Sie, dass Sie denjenigen in Ihrer Koalition, die überbordende Regulierungsfantasien haben, die Stirn bieten, dass wir zu einem vernünftigen Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie kommen, dass die Baukosten nicht durch die Decke gehen, meine Damen und Herren. Am Ende möchte ich noch ein Thema ansprechen, das Sie nicht erwähnt haben, Frau Ministerin. Wenn ich richtig zugehört habe, ist das Wort „Eigentumsbildung“ in Ihrer Rede nicht ein einziges Mal vorgekommen – nicht ein einziges Mal! Vom Eigenheim träumen vier von fünf Menschen in Deutschland. Sie wollen in die eigenen vier Wände; aber es leben viel zu wenige diesen Traum. Deutschland ist bei der Eigentumsquote Schlusslicht in Europa und ist zuletzt sogar zurückgefallen. Wir als Union finden es richtig, dass Sie im Koalitionsvertrag sagen: Wir wollen eigenkapitalersetzende Darlehen, Tilgungszuschüsse, Zinsverbilligungen, Freibeträge bei der Grunderwerbsteuer. – Aber Sie bleiben bei all diesen Punkten im Ungefähren. Sie sagen, Sie wollen das, aber Sie sagen nicht, Sie werden das umsetzen. In Hamburg, wo auch eine Ampel regiert, haben Sie gerade die Grunderwerbsteuer erhöht.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deswegen sagen wir an dieser Stelle: Sie müssen das klare Signal an all die Menschen in diesem Land, die Eigentum bilden wollen, aussenden, dass Sie das ermöglichen werden. Sie müssen klar sagen, welche Mittel Sie zur Verfügung stellen, und dürfen ihnen keine Steine in den Weg legen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Luczak, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie das tun, haben Sie die Union an Ihrer Seite. Aber wenn es um Regulierung und steigende Baukosten geht, werden wir Ihnen eher Steine in den Weg legen. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Christina-Johanne Schröder, Bündnis 90/Die Grünen, zu ihrer ersten Parlamentsrede. ({0})

Christina Johanne Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005214, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist so cool, dass „Wohnen“ ganz vorne im Titel des neuen Ministeriums steht. Wie wir wohnen, ist das Erste, womit wir am Morgen konfrontiert werden: Ist es laut oder leise? Zugig oder saniert? Haben ich und meine Familie genug Platz, einen langen Weg zur Schule oder zur Arbeit? Kann ich mir gutes Wohnen leisten? Oder belasten mich Mieten, Bodenpreise oder Wohnnebenkosten stark? Man hört ganz oft, dass die Frage des Wohnens zu einer großen sozialen Frage geworden ist, entscheidend für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Sogar die Union war zu dieser Analyse fähig. Taten haben Sie im Gegensatz dazu fahrlässig vermissen lassen und zugesehen, wie Mieten, Bodenpreise und Baukosten explodieren. ({0}) Herr Dr. Luczak, auch für Sie: Die Preise für Wohngebäude sind zwischen 2010 und 2020 um 29 Prozent gestiegen, für Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser um satte 65 Prozent. Nur, woran liegt das? Das liegt doch nicht daran, dass wir mehr dämmen oder mal eine Solaranlage auf dem Haus installieren. Das liegt daran, dass sich die Kosten für Bauland mehr als verdoppelt haben, in den meisten Regionen sogar mehr als verdreifacht. Das macht Bauen teuer! ({1}) Nach Jahren der Blockade durch die Union werden wir, die Ampel, das Baurecht vereinfachen und wirksam das Mietrecht nachschärfen. Schön, dass die Union dabei eine konstruktive Mitarbeit angekündigt hat. Wir, die Ampelkoalition, wollen genau die Rahmenbedingungen dafür setzen, dass 400 000 neue Wohnungen im Jahr geschaffen werden, davon 100 000 sozial gebunden. Durch Erleichterungen im Baurecht für Aufstockung, Dachausbau und Umnutzung gering genutzter Flächen entsteht ein Potenzial von unglaublichen 2,5 Millionen Wohnungen – ohne eine weitere Fläche zu versiegeln, ohne teuren Boden kaufen zu müssen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, zwischen „sozial“ und „ökologisch“ gehört kein „oder“. Zur dauerhaften Senkung von Wohnkosten gehört beides zwingend zusammen. Die Preissteigerungen beim Heizen mit fossilen Energieträgern belasten die Bürger ungemein. Ein Beispiel: Der Preis für Heizöl ist im vergangenen Jahr um unfassbare 144 Prozent gestiegen. Heizen mit Gas und Öl ist so teuer wie nie. Besonders betroffen davon sind Menschen mit einem geringen oder mittleren Einkommen, da sie häufiger in schlecht sanierten Wohnungen leben müssen. ({3}) Daher ist es richtig, dass wir handeln und jetzt den Heizkostenzuschuss auf den Weg bringen. Dann wollen wir das Mieter/Vermieter-Dilemma überwinden, in die Teilwarmmiete einsteigen und so die Modernisierungsumlage abschaffen. Noch eine weitere Maßnahme duldet keinen Aufschub. Schnellstmöglich müssen wir das Vorkaufsrecht für Kommunen rechtssicher anwendbar machen. Sehr geehrte Frau Ministerin Geywitz, ich begrüße daher die zeitliche Priorisierung dieser Aufgabe, wie Sie es gestern im Ausschuss angekündigt haben. ({4}) Wir als Ampelkoalition haben uns viel vorgenommen. Dazu gehört auch die Einführung der neuen Wohngemeinnützigkeit. In den 90er-Jahren hatte die damalige unionsgeführte Bundesregierung die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft. Damit ist eines der heutigen großen Grundprobleme auf den Wohnungsmärkten überhaupt erst entstanden. Wir werden die Wohngemeinnützigkeit wieder einführen. Wir werden die Geltungsdauer der Mietpreisbremse verlängern und bis 2030 – ich finde es sehr wichtig und gut, dass Sie es in Ihrer Rede eben erwähnt haben – die Wohnungs- und Obdachlosigkeit in Deutschland überwinden. ({5}) Liebe Frau Ministerin, liebe Kollegin, ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit. Vielen Dank. ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder. – Nächster Redner ist der Kollege Beckamp, AfD-Fraktion; ebenfalls seine erste Parlamentsrede. ({0})

Roger Beckamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005020, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wir hören hier heute viel von zu hohen Mieten, gestiegenen Baupreisen, einer angeblich notwendigen Mietpreisbremse und überhaupt von irgendwie bezahlbarem oder eben nicht bezahlbarem Wohnraum. Und nun soll alles besser werden. Aber all das sind nur Symptome. Es sind Zeichen dafür, dass der Markt seit einiger Zeit stark in Bewegung ist. Auch der Wohnungsmarkt ist ein Markt mit Angebot und Nachfrage; die Älteren von CDU und FDP erinnern sich vielleicht. Aber warum ist das so? Warum besteht ein Mangel an Wohnraum, und warum steigen die Preise fast überall? Vor gut 20 Jahren, zur Jahrtausendwende, war das nicht so; da gab es eine stark nachlassende Wohnungsnachfrage. Was ist nun anders? Und was passiert da überhaupt? Nun: Wenn von etwas zu wenig vorhanden ist, also ein Mangel besteht, gibt es weniger, als gebraucht wird. Dies kann daran liegen, dass das Angebot an Wohnraum knapper wird oder auf einmal die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Wenn das passiert, steigen in der Folge die Preise, also Miete genauso wie Baukosten. Das sind Zeichen für den Mangel; so einfach kann es sein. Das Angebot an Wohnraum in unserem Land – da sind wir uns wahrscheinlich einig – ist nicht gesunken. Es sind nicht Tausende Wohnungen unbewohnbar oder abgerissen worden. Das Gegenteil ist der Fall: Es sind Tausende dazugekommen. Aber die Nachfrage nach Wohnraum – und darum geht es hier – ist in den letzten Jahren um ein Vielfaches gewachsen. Diese Nachfrage lässt sich im Grunde auf drei wesentliche Punkte zurückführen. Erstens. Es gibt immer mehr kleine und damit insgesamt immer mehr Haushalte, die am Markt eigene Wohnungen nachfragen. Wenn etwa früher eine fünfköpfige Familie eine Wohnung nutzte, sind es heute überwiegend Einpersonen- und Zweipersonenhaushalte. Der anteilige Flächenverbrauch wächst entsprechend. In den 50er-Jahren waren es 15 Quadratmeter pro Kopf, heute sind es um die 46 Quadratmeter. Der Flächenverbrauch hat sich gut verdreifacht. Das frisst Wohnraum und ist ein Symptom für die Vereinzelung und Vereinsamung der Gesellschaft. Diese Ursache wird die Politik wohl nicht so schnell in den Griff kriegen. Im Gegenteil: Unsere Gesellschaft zerfällt weiter. Das liegt wohl maßgeblich an zerstörten Zugehörigkeiten und Verbindlichkeiten. Jedenfalls zum Teil ist dies sicher auch eine Folge von erfolgreicher grün-roter Politik, also der Propagierung von Diversity, Multikulti, Konsumkultur und Globalismus und die Unterminierung von Familie und Nation. ({0}) Zweitens gibt es die Binnenwanderung, also den Zuzug in die Städte und die Wachstumsregionen. Die Leute wollen vorwiegend wegen Arbeitsplätzen lieber in Halle an der Saale leben als im Saalekreis oder lieber in Köln als in der Eifel – leider. An beiden vorgenannten Gründen wird die Politik so schnell nichts ändern können. Das sind langfristige Entwicklungen. Drittens geht es um eine Ursache, die die Politik schnell regeln könnte, aber lauthals verschweigt. Es ist der Elefant im Raum: Die Masseneinwanderung seit 2015, ({1}) ersehnt und gefördert von den Migrationssüchtigen der alten und genauso der neuen Regierung. ({2}) Anders und weniger verfänglich ausgedrückt für die Herrschaften hier: Man muss sich einfach mal darauf einlassen, meine Damen und Herren, ({3}) dass mehr Menschen im Land eine höhere Nachfrage nach Wohnraum bedeuten. Dafür muss man kein Populist sein. Darüber kann man einfach kurz mal nachdenken, und schon kommt man darauf. ({4}) Meine Damen und Herren, ich will Ihnen ja die Hand reichen, ({5}) eine Botschaft des Friedens senden. Aber selbst wenn man die Grenzöffnungen 2015 und manche absehbaren Entscheidungen dieser neuen Ampelregierung irgendwie gutheißt, kann man sich trotzdem an einem generellen Muster stören, das dem zugrunde liegt und weiter voranschreiten wird. Denn politische Entscheidungen, die sich generell unter der Rubrik „Einwanderung“ zusammenfassen lassen, benachteiligen häufig Leute mit geringem Einkommen, meine Damen und Herren. ({6}) Das führt dann dazu, dass diese Haushalte mit ihren Steuern die Wohnungen für die Hunderttausenden Neubürger bezahlen, aber selbst kaum noch Wohnungen finden, geschweige denn bezahlbare. Sehr vieles, was seit Jahren in diesem Land läuft und was diese Regierung noch vorhat, führt dazu, dass die Niedrigverdiener die Last dieser Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt als Erste und am stärksten ertragen müssen und teilweise verdrängt werden. Sie müssen das schaffen, was selbstgefällige grün-rote Rhetorik verspricht. ({7}) Aber hören wir nicht, was ich zu sagen habe, sondern was die Fachpresse vor einiger Zeit in der „Welt“ geschrieben hat – Zitat –: … die hohen Fernwanderungsgewinne – tolles Wort – durch Flüchtlinge und Migranten verschärfen die Wohnungsnachfrage, der Wohnungsmarkt wird enger, und das insgesamt steigende Mietniveau wirkt sich sukzessive auch im Bestand aufgrund von Mieterhöhungen im Rahmen bestehender Verträge und durch höhere Neuvermietungsmieten aus. So einfach. Und weiter – Zitat –: Gerade jene Wohnungen, die an Flüchtlinge vermietet werden, tauchen in den einschlägigen Online-Immobilienportalen nur selten auf, da die Gemeinden diese oft direkt und ohne Umweg über den freien Vermittlungsmarkt anmieten. Beispiel gefällig? Das ist gerade zwei, drei Tage alt. Pressemitteilung der Stadt Niederkassel in meiner Heimatregion ({8}) vom 11. Januar 2022: Aufgrund der erhöhten Zuweisung afghanischer Flüchtlinge sucht die Stadt Niederkassel dringend privaten Wohnraum zur Anmietung für diesen Personenkreis. Für Geflüchtete mit dauerhaftem Bleiberecht ist es ein ganz wichtiger Meilenstein bei der Integration in ihre neue Heimat, wenn sie eine eigene Wohnung beziehen können. Wie schön! Und was ist mit den anderen, also den Einheimischen, ob Deutsche oder Menschen anderer Nationalität, die hier schon lange leben? Nur zur Erinnerung: Afghanistan hat seine Bevölkerung seit dem Jahr 2000 bis heute von 18 Millionen auf 38 Millionen Menschen mehr als verdoppelt. Da kommen noch mehr, und das hat nichts mit den Taliban zu tun. ({9}) Und ich zitiere weiter, diesmal aus einem Fachartikel einer großen deutschen Tageszeitung: Die Auslandszuwanderung, insbesondere die der Flüchtlinge seit 2015, zielte und zielt vor allem in die Verdichtungsräume und Metropolen. Und dort gebe es einen Effekt ausgerechnet im Marktsegment der günstigen Wohnungen, heißt es weiter. Der Kampf um Wohnraum findet folglich im unteren Segment statt, dort, wo Migranten auf Einheimische treffen. Und das beruhigt und freut den grünen Migrationssüchtigen und die Besserverdiener von CDU und FDP. Diese müssen all das in ihren Rotweinvierteln der Städte nicht erdulden, weil sie da nicht wohnen, wo die Menschen hinziehen. ({10}) Aber man muss kein Experte sein, um festzustellen, dass über 1 Million Flüchtlinge Wohnungen brauchen, die dann auf dem Wohnungsmarkt für die einheimische Bevölkerung fehlen. Da reicht der gesunde Menschenverstand. Und dieser Zuzug hört nicht auf; jedes Jahr kommen mehrere Großstädte dazu. Dieser Zuzug ähnelt derzeit eher Kabul, demnächst vielleicht Mogadischu. Und der Satz „Wir haben Platz“, ist eine Lüge – eine Lüge zulasten aller Einheimischen in diesem Land, die nicht das Einkommen eines Abgeordneten haben. Wer das dennoch behauptet, ist ein Wohnungsnotursachenleugner und Teil des Problems. ({11}) Die Einzigen, die derzeit etwas für den deutschen Wohnungsmarkt tun, sind die Polen an ihrer Ostgrenze. Sie, liebe Ampelregierung, könnten das auch tun, indem Sie zunächst etwa die knapp 300 000 ausreisepflichtigen Ausländer abschieben. Abschieben schafft Wohnraum! ({12})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Carina Konrad, FDP-Fraktion. ({0})

Carina Konrad (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004789, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Mehr Fortschritt wagen“, so steht es über unserem Koalitionsvertrag. Dieses Motto scheint mir nicht erst seit dem Vorredner dringender nötig denn je zu sein. ({0}) „Mehr Fortschritt wagen“, das ist uns Freien Demokraten ein Herzensanliegen in allen Bereichen. Die Ampel hat sich viel vorgenommen. Die Ampel hat sich auch im neuen Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen viel vorgenommen. Und das ist dringend notwendig. Denn nicht erst seit Corona ist das Zuhause für viele Menschen mehr als ein Ort zum Übernachten. Es ist Lebensraum, es ist Arbeitsraum, es ist Lernraum, es ist Raum für die eigene Entfaltung und die eigene Entwicklung. Dabei sind die Vorstellungen vom Wohnen so individuell wie die Menschen in unserem Land. Wir haben uns auf ein Maßnahmenmix verständigt, der dafür sorgen soll, dass gutes Wohnen bezahlbar ist und Eigentum kein Luxus ist. Dazu muss mehr, schneller und günstiger gebaut werden: in den Städten und auf dem Land. Frau Ministerin Geywitz hat einige wichtige Punkte bereits genannt. Ich möchte welche hervorheben, die uns Freien Demokraten besonders am Herzen liegen. Wir wollen erstens, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Dafür braucht es keinen staatlich festgelegten Mietendeckel; dafür braucht es auch keine Enteignungsfantasien, sondern Maßnahmen, die dazu in der Lage sind, die Angebotslücke zu schließen. Wir haben uns eine Offensive für bezahlbares und nachhaltiges Bauen und Wohnen vorgenommen. Unser Ziel ist, jedes Jahr die so oft erwähnten 400 000 Wohnungen zu bauen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass gebaut wird, sondern es kommt auch darauf an, was gebaut wird. Damit dieses ambitionierte Ziel erreicht werden kann, werden private Investitionen der Schlüssel sein. ({1}) Diese privaten Investitionen wollen wir anreizen. Das hilft den Menschen und der Wirtschaft. Das ist sozial, ökologisch und ökonomisch. ({2}) Zweitens ist es uns Freien Demokraten ein besonders wichtiges Anliegen, dass sich mehr Menschen ihren Traum vom Eigenheim erfüllen können. Das wird im Moment schwieriger. Die gestiegenen Preise wurden hier bereits angesprochen. Doch wer für die Erfüllung seiner Träume spart, wer für sich und seine Familie Eigentum wie das eigene Haus aufbauen möchte, wer dadurch eigenverantwortlich Vorsorge auch für sein Leben im Alter betreibt, wer so handelt, muss sich darauf verlassen können, dass seine Rücklagen etwas wert bleiben. Wir schaffen mit zahlreichen Maßnahmen in unserem Koalitionsvertrag die Voraussetzungen dafür, dass mehr junge Menschen den Schritt ins Eigentum wagen können. Ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer soll eingeführt werden und so gerade zu Beginn der Finanzierung den Menschen die notwendige Luft verschaffen. Zudem unterstützen wir mit eigenkapitalersetzenden Darlehen sowie Tilgungszuschüssen und Zinsverbilligungen beim Kauf einer Immobilie. Denn es ist doch meistens nicht die monatliche Rate, die den Weg ins Eigenheim erschwert, sondern es sind die Anfangsfinanzierungen. Diese Hürden wollen wir abbauen. ({3}) Mein dritter und letzter Punkt. Damit wir überhaupt bauen können, brauchen wir – Frau Ministerin Geywitz hat es angesprochenen – Menschen, für die „Bob der Baumeister“ der Held ihrer Kindheit war. ({4}) Wir brauchen Fachkräfte. Laut ifo-Institut findet inzwischen mehr als jedes dritte Unternehmen im Baugewerbe nicht genügend Personal. So meldeten im Oktober 34 Prozent der Unternehmen einen Mangel an Fachkräften. Den Fachkräftemangel im Bauwesen zu beheben, ist die dringlichste Aufgabe. Doch wie schaffen wir das? Eine Ausbildungsoffensive für Bauberufe wäre ein guter Anfang. Bauen ist heutzutage mehr, als Steine aufeinanderzustapeln. Es gibt zahlreiche spannende, komplexe und hochtechnisierte Bereiche. Am Bau werden bald junge, technisch interessierte Menschen mit Augmented Reality agieren und über Building Information Modeling den digitalen Zwilling zum Maßstab für das Bauen von morgen machen. Der Bau braucht junge, technisch interessierte Frauen und Männer, die diese Chancen nutzen und die Vision zur Realität bringen. Daran müssen wir arbeiten. ({5}) Und – es wurde bereits angesprochen – wir brauchen auch qualifizierte Zuwanderung in diesem Bereich. Dazu gibt es viele dicke und dünne Bretter zu bohren. Unsere Akkus, das kann ich Ihnen sagen, sind geladen. Packen wir’s an! ({6})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Konrad. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Caren Lay, Fraktion Die Linke. ({0})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Durchschnittsmiete in München liegt inzwischen bei über 19 Euro pro Quadratmeter. Die Heizkosten haben sich im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Ob Kindergärtnerin oder Grundschullehrer, ob Krankenpfleger oder Busfahrerin: Wer kann sich das denn überhaupt noch leisten? Ob sich diejenigen, die hier den Laden am Laufen halten, auch in Zukunft noch eine Wohnung in der Stadt leisten können, entscheidet sich jetzt. Und ob unsere Städte lebendig und sozial durchmischt bleiben oder zu Reichenghettos werden wie London und Paris, auch das entscheidet sich jetzt. Die letzten acht Jahre waren acht verlorene Jahre. Es waren acht Jahre des Mietenwahnsinns und der unterlassenen Hilfeleistung für Mieterinnen und Mieter. Das darf sich nicht wiederholen. ({0}) Nun bin ich skeptisch, ob das mit dem vorliegenden Koalitionsvertrag gelingen wird. Ich freue mich zwar sehr über Ihr persönliches Engagement, Frau Ministerin Geywitz. Ich finde es auch gut, dass wir jetzt eine Bauministerin haben. Ein eigenes Bauministerium – prima! Dafür haben wir als Linke lange gekämpft, genauer gesagt: für ein Wohnungsministerium. Aber leider ist das neue Ministerium ja ein Rumpf. Die Zuständigkeit für Gebäudeenergie liegt beim Wirtschaftsministerium, für Häuser und Grundstücke beim Finanzministerium und für das Mietrecht – das schmerzt mich am allermeisten – beim Justizministerium, bei der FDP; das ist wirklich schade. Das neue Bauministerium darf kein Feigenblattministerium sein. ({1}) Das Mantra der Ampel lautet wie das der letzten Regierung: Bauen! Bauen! Bauen! – Aber es kommt ja darauf an, was gebaut wird. Für drei Viertel der neugebauten Wohnungen soll es gar keine Vorgaben geben. Also wieder teure Mietwohnungen, teure Eigenheime. Aber das geht am Bedarf vorbei. In Deutschland fehlen 5 Millionen Sozialwohnungen; darauf muss der Fokus liegen. ({2}) Nun haben Sie, Frau Ministerin, vorhin von 100 000 Sozialwohnungen gesprochen. Im Koalitionsvertrag steht aber etwas von 100 000 geförderten Wohnungen; das ist etwas anderes. Also bitte: keine Mogelpackungen an dieser Stelle. ({3}) Mit der versprochenen 1 Milliarde Euro kommen Sie nicht weit. Davon wurde bis jetzt der Bau von 25 000 Sozialwohnungen im Jahr finanziert. Wir brauchen alleine dreimal so viel, um die Zahl der Wohnungen auszugleichen, die Jahr für Jahr aus der Sozialbindung fallen. Das ist doch völlig absurd. Deswegen brauchen wir mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau und ein neues Prinzip: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. Das muss in Zukunft gelten. ({4}) Hamburg ist ja Ihr Vorbild in der Wohnungs- und in der Baupolitik. Aber kürzlich kam eine Studie heraus, die belegt, dass in Hamburg die Mieten mit 7,3 Prozent so stark gestiegen sind wie seit 20 Jahren nicht mehr. Das kann kein Vorbild sein. Deswegen ist Bauen allein kein Programm. Was wir dringend brauchen, ist ein Mietenstopp. ({5}) Und weil diese Forderung so richtig und auch so logisch ist, hatte sie die SPD ja zum Beispiel auch im Wahlprogramm stehen. Im Koalitionsvertrag findet sich davon kein Wort. Auch die Ausnahmen bei der Mietpreisbremse bleiben bestehen: kein Wort zum Kündigungsschutz, keine Verbesserung bei Gewerbemieten. Auch die Bodenpolitik enttäuscht: nur ein Prüfauftrag beim Vorkaufsrecht, obwohl dies durch das Urteil faktisch außer Kraft gesetzt wurde. Wir haben das geprüft und schon einen eigenen Antrag vorgelegt. Das Vorkaufsrecht muss sofort wieder gelten, und es muss verbessert werden. ({6}) Zu guter Letzt, meine Damen und Herren: Es sieht für mich so aus, als hätten in diesem Koalitionsvertrag viele für die Bauwirtschaft gekämpft und keiner für Mieterinnen und Mieter. Wir als Linke werden weiter mit den Mieterverbänden, mit den Initiativen für einen Mietstopp kämpfen. Der Mietenwahnsinn muss gestoppt werden. Das Monopoly muss endlich beendet werden. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Lay. – Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Daldrup, SPD-Fraktion. ({0})

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur eine kurze Bemerkung machen. Herr Beckamp, Sie sind ja jetzt neu, auch im Ausschuss. Ich habe gedacht, es würde sich etwas ändern. Aber es ändert sich eigentlich überhaupt nichts. ({0}) Deswegen würde ich sogar außerhalb von Coronazeiten darauf verzichten, dass Sie mir die Hand reichen, so wie Sie über das Thema reden. ({1}) – Angemessen! ({2}) – Dem angemessen, wie Sie reden, ({3}) angemessene Reaktion. ({4}) Ich lasse Ihre flegelhaften Bemerkungen nicht zu. Damit Sie das wissen, Herr Beckamp! ({5}) – Ja, okay, Ihre Fakten. ({6}) – Es ist doch schön, wenn Sie sich aufregen. Machen Sie es weiter! ({7}) – Lauter! Mich stören Sie nicht. Ich habe das Mikrofon. ({8}) Darauf können Sie sich verlassen. ({9}) Meine Damen und Herren, wenn es ein äußeres Zeichen dafür gibt, dass es einen Aufbruch nach der Bundestagswahl gibt, dann ist es die Tatsache, dass es ein neues Bundesministerium gibt. Das finde ich großartig. Die Baufrage ist nicht mehr ein Appendix im BMI an der Seite einer, wenn ich es mal so sagen darf, verheimlichten Heimatabteilung, sondern ein neues Ministerium wird die Aufgabe, also den Bau neuer Wohnungen, das klimagerechte Wohnen, die bezahlbaren Mieten übrigens auch, Caren, und die zukunftsorientierte Stadtentwicklung angehen; da können wir ganz sicher sein. Herr Kollege Luczak, Sie sind ja im Ausschuss; das ist auch eine Aufwertung. Sie können sich darauf verlassen, dass die Bauwirtschaft – davon bin ich zutiefst überzeugt – unsere Ministerin, anders als in der letzten Wahlperiode, nicht nur aus Prospekten kennt, sondern sie auch persönlich kennenlernen wird. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Daldrup, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Ich bedanke mich sehr dafür, liebe Frau Geywitz, dass Sie die erste Möglichkeit genutzt haben, mit uns Parlamentariern im Ausschuss zu sprechen. Wir haben sofort gemerkt und erfahren, wie engagiert Sie bei der Sache sind. Konkret und kompetent haben Sie Ihr Aufgabenspektrum dargestellt. Herzlichen Dank dafür! Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit. ({0}) Es ist tatsächlich mutig, als jährliches Ziel den Bau von 400 000 neuen Wohnungen, darunter 100 000 Sozialwohnungen, zu projektieren. Die ersten Mittel dafür sind jetzt schon freigegeben. Deswegen wird das so auf den Weg gehen. Es geht dabei tatsächlich nicht nur um Masse. Es geht nicht nur um Kubikmeter umbauten Raum. Es geht um die Vielfalt des Wohnens: um die jungen Familien, um die Studierenden, um die Auszubildenden, um die Wohngemeinschaften. Es geht um Barrierefreiheit, um Mietwohnungsbau, natürlich auch um Eigentumsförderung – Mietkauf beispielsweise ist durchaus ein Thema –, und um Genossenschaften in ländlichen und in urbanen Räumen. Überall haben wir diese Herausforderungen zu bewältigen. Es geht eben nicht nur um „Bauen! Bauen! Bauen!“, sondern es geht um die Frage des richtigen Bauens, des energie- und klimagerechten Bauens, ({1}) angebunden an den öffentlichen Nahverkehr, verdichtend, den Lebenszyklus der Materialien berücksichtigend, kostenbewusst, digital geplant, seriell vorgefertigt und übrigens mit lebendigen öffentlichen Plätzen und lebenswerten Innenstädten. Auch das gehört dazu. ({2}) Wie kann das eigentlich gelingen? Ja klar, mit einer Menge zusätzlichen Geldes kann das gelingen, mit einer hohen Investitionsbereitschaft, mit steuerlicher Hilfe wie der Erhöhung der linearen Abschreibung von 2 auf 3 Prozent beispielsweise, mit Verbesserungen beim Mieterstrom, mit Eigentumsförderung in Genossenschaften und vielen weiteren Maßnahmen auch. Aber es reicht im Ergebnis nicht. Jetzt, liebe Caren Lay, will ich etwas zu den Zuständigkeiten sagen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Ministerin sehr früh und sofort davon gesprochen hat, zu einem Bündnis für bezahlbares Wohnen einzuladen; denn es müssen alle an einen Tisch, wenn das gelingen soll. Da geht es nicht um die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen zwei Ministerien, sondern es geht darum, dass wir eine konzertierte Aktion zum Gelingen der Aufgabe organisieren, ({3}) eine gesellschaftliche Aufgabe unter Federführung eines zuständigen Ministeriums mit einer engagierten Ministerin. Das ist das Ziel bei der ganzen Aufgabenstellung. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen ist übrigens dabei nicht die einzige Aufgabe. Das, was uns in Europa vorgetragen wird unter dem Motto „Fit for 55“, wird uns noch gewaltig herausfordern, die Fachkräftefrage selbstverständlich auch, die Rohstoffknappheit, die Unterbrechung von Lieferketten beispielsweise, die Durchsetzung der Digitalisierung im Bausektor – das alles gehört zu dieser konzertierten Aktion mit Langzeitwirkung dazu, und um die werden wir uns kümmern. Dazu gehört übrigens auch – das sage ich in Richtung Bauwirtschaft –, dass gute Arbeit gut bezahlt wird und dass der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten wird. Die Bauwirtschaft ist gut beraten – das hat eine Anfrage, die ich selber gestellt habe, auch hervorgebracht –, gegen die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen vorzugehen. Denn ohne gute Löhne wird es keine Fachkräfte geben. ({4}) Ohne gute Löhne gibt es keine Auszubildenden. Das alles ist dafür auch erforderlich. Leider, leider habe ich nicht die Zeit, auf all die Fragen kommentierend einzugehen, weil ich zum Anfang meiner Rede einen kleinen Disput hatte. Zum Abschluss will ich aber noch eines sagen: Mich freut es genauso wie Sie, Frau Ministerin, dass die Raumordnung einen Ort gefunden hat, wo sie ernsthaft behandelt werden kann, wo Fragen der Raumnutzung, beispielsweise auch der Windenergienutzung, dazu genutzt werden können, Verfahren zu verkürzen, Kommunen zu entlasten, die Sache selber voranzubringen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss bitte.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es gibt eine wirklich breit angelegte Aufgabenstellung. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Herzlich willkommen! Herzlichen Dank und Ihnen allen noch einen schönen Abend. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Daldrup. – Die AfD-Fraktion hat um eine Kurzintervention für den Kollegen Beckamp gebeten. Ich lasse die Kurzintervention zu. – Herr Kollege Beckamp, Sie haben das Wort.

Roger Beckamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005020, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Lieber Herr Daldrup, Sie haben gerade nach meiner Rede gesagt, dass Sie mir zukünftig nicht die Hand geben werden. Das bedaure ich. Ich gebe Ihnen nach wie vor die Hand, und das auch sehr gerne. Wir können uns gerne über alle Fakten unterhalten, über die wir gerade in meiner Rede etwas gehört haben. Das können wir gerne auch mit Quellen und Belegen machen. Zukünftig wünsche ich mir von Ihnen, dass Sie mit ein bisschen mehr Niveau pöbeln. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Daldrup, Sie wollen darauf tatsächlich antworten?

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich will nur darauf hinweisen, dass ich auch niemandem die Hand gebe, weil das ja nicht angemessen ist während der Coronapandemie. ({0}) Aber Sie können gerne antworten.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Beckamp, ich habe überhaupt nicht gepöbelt, wie Sie das nennen, sondern ich habe Fakten dargestellt. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Damit ist das jetzt hoffentlich auch erledigt. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Nicolaisen, CDU/CSU-Fraktion, ({0}) aus Schleswig-Holstein, wo die ruhigen Menschen wohnen. ({1})

Petra Nicolaisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004841, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das stimmt. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! In einer Generaldebatte zum Thema „Stadtentwicklung, Wohnen und Bauen“ vermisse ich einen Blick darauf, welche Bedeutung die Bundespolitik in diesem Bereich für unsere Kommunen hat; denn Sie haben die Kommunen als Anhängsel in Ihrem Ministerium. Ich gestehe zu: Sie haben aus kommunaler Sicht die Latte im Koalitionsvertrag recht hoch gehängt. So heißt es im aktuellen Koalitionsvertrag: „Wir brauchen leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen.“ Und: „Unser Ziel sind leistungsfähige Kommunen mit einem hohen Maß an Entscheidungsfreiheit vor Ort, eine verlässliche öffentliche Daseinsvorsorge ... und eine engagierte Zivilgesellschaft.“ Doch kann dieses Ziel mit einem Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP erreicht werden? ({0}) Ich meine: nein. Der Koalitionsvertrag hemmt kommunale Planungskompetenzen und schränkt die kommunale Selbstverwaltung ein. Vielmehr streben die Koalitionäre – Zitat – „eine engere, zielgenauere und verbindliche Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen“ an. Wo bleibt denn da die kommunale Selbstverwaltung? Der Koalitionsvertrag enthält zudem Risiken und Nebenwirkungen, die ländliche Räume, aber auch städtische Ballungszentren belasten werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was bedeutet das konkret? So haben wir zum einen die Wechselwirkung zwischen Stadt und Land. Wer diese nicht berücksichtigt, verschärft die Situation in unseren Kommunen. Statt diese zu verbessern, werden mit dem geplanten Bau von 1,6 Millionen neuen Wohnungen in überwiegend städtischen Ballungszentren die ländlichen Räume durch Wegzug geschwächt und die städtischen Ballungsräume zunehmend belastet. Es muss, Frau Ministerin, also auch bei der Infrastruktur in betroffenen ländlichen Regionen nachgelegt werden. Einen Beitrag zu gleichwertigen Lebensverhältnissen leistet die Regierungskoalition damit nicht. Genau das ist auch mein nächster Punkt: die gleichwertigen Lebensverhältnisse. Diese werden zwar im Koalitionsvertrag bei verschiedenen Ansätzen adressiert. Aber bei der konkreten Regierungsarbeit wird das Thema voraussichtlich keine bedeutende Rolle spielen. So werden neben einigen Bereichen, die im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung einem Check unterzogen werden sollen, gleichwertige Lebensverhältnisse nicht einbezogen. Dass der Gleichwertigkeitscheck bereits in der vergangenen Wahlperiode von uns etabliert worden ist, kann dafür nicht verantwortlich sein; denn andere Themenchecks sind ebenfalls bereits in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien enthalten und werden im Koalitionsvertrag nochmals genannt. Die Wechselwirkungen zwischen Stadt und Land allein beim Bau von Wohnungen zeigen aber, wie wichtig ein Gleichwertigkeitscheck in der Gesetzesfolgenabschätzung ist. Das kann problemlos auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Hier muss die Regierungskoalition dringend nachbessern und, so wie es in der vergangenen Wahlperiode ja bereits vereinbart worden ist, Gesetzesvorhaben auf Auswirkungen auf das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse prüfen. Lassen Sie mich als einen weiteren Punkt einige Worte zur Stärkung der kommunalen Planungshoheit sagen. Ein wesentliches Element kommunaler Selbstverwaltung ist die kommunale Planungshoheit. Das gilt für Flächennutzungspläne und Bebauungspläne, deren Ausweitung durch das Auslaufen der Regelung des § 13b Baugesetzbuch erschwert wird und insbesondere das Entwicklungspotenzial kleinerer Kommunen in ländlichen Räumen hemmt. Kommunale Planungshoheit wird aber auch beim Ausbau der Windenergie beschnitten werden. Hier will die Regierungskoalition in Rechtsbereiche eingreifen, für die der Bund nicht zuständig ist. Zentralistische Vorgaben werden die kommunale Planungshoheit im Baubereich jedenfalls nicht stärken, sondern die kommunale Selbstverwaltung schwächen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt lässt der Koalitionsvertrag für die kommunale Selbstverwaltung wenig Hoffnung auf gute Zeiten. Statt Bundeseinmischung wäre mehr Vertrauen in die kommunalen Fähigkeiten – auch im Sinne des Ziels, leistungsfähige Kommunen zu haben – zielführender. Ich persönlich bin der Meinung, dass es einer intelligenten Neugestaltung der Aufgabenverteilung und der Finanzmittel zwischen Bund, Ländern und den Kommunen bedarf. Nur dann können wir die Kommunen auch in die Lage versetzen, ihre Aufgaben und Herausforderungen aus eigener Kraft zu bewältigen. Mit weniger Bundesvorgaben und mehr Freiheit vor Ort erreicht man tatsächlich leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Nicolaisen. – Als nächsten Redner rufe ich den Kollegen Kassem Taher Saleh, Bündnis 90/Die Grünen, zu seiner ersten Parlamentsrede auf. ({0})

Kassem Taher Saleh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005197, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Name ist Kassem Taher Saleh, ich bin Bauingenieur, Bündnisgrüner und Sachse, und ich bin entschlossen, den notwendigen sozialökologischen Umbau im Bausektor voranzutreiben. ({0}) Gerade hier müssen wir tatsächlich mehr Fortschritt wagen. Auch im Jahr 2021 hat der Gebäudesektor das Klimaziel nach dem Klimaschutzgesetz deutlich verfehlt. Über 33 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen stammen aus dem Gebäudesektor. An vielen Orten habe ich das als Bauleiter persönlich gesehen. Tonnenweise Beton und Kunststoffe werden verbaut, obwohl das große CO2-Schleudern sind. ({1}) Es fehlen außerdem klimafreundlichere Elemente wie Wärmepumpen, Photovoltaik, begrünte Dächer und Fassaden. Das ist, gelinde gesagt, energetischer und ökologischer Bullshit, meine Damen und Herren. ({2}) Aber nach Jahren des Stillstands unter Horst Seehofer wird es mithilfe der neuen Ampelkoalition jetzt endlich vorangehen. Wir Bündnisgrüne haben immer wieder eine Bauwende gefordert. Sie kommt jetzt auch; denn wir werden 400 000 Wohnungen jährlich klimaneutral bauen. Wir werden neuen Technologien den Weg bereiten und gleichzeitig auf ökologische Baumaterialien und Rohstoffe zurückgreifen. ({3}) Die Verwendung von Holz werden wir im Zuge einer nationalen Holzbaustrategie ausweiten. ({4}) Mit dem neuen digitalen Gebäuderessourcenpass können wir diese Baustoffe dann dokumentieren und somit den gesamten Lebenszyklus im Blick haben. Das ist die Zukunft und schon bald die Gegenwart des Bauens, meine Damen und Herren. ({5}) Schon bald wird sich der Slogan etabliert haben: „Auf dieses Holz können wir bauen“. ({6}) Gleichzeitig möchte ich hier und heute deutlich machen: Wohnen ist ein Grundrecht, und zwar für alle, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Das gilt ganz besonders für Wohnungs- und Obdachlose, für Studierende und Azubis, für Menschen mit niedrigem Einkommen, für Geflüchtete, für Menschen im Alter und für Menschen mit Behinderung. ({8}) Und eines sage ich Ihnen: Ganz egal, ob Sie Kassem, Cem, Klara oder Olaf heißen, der Name oder die Herkunft dürfen nicht darüber entscheiden, ob man eine Wohnung bekommt oder nicht. ({9}) Eine solche Art der rassistischen oder klassistischen Diskriminierung ist unsozial und menschenunwürdig. Das gehört endlich beendet! ({10}) Dazu stellt sich natürlich die Frage, wie wir es schaffen, dass alle Menschen würdevoll wohnen können. Das geht nur mit zukunftsgerichtetem und nachhaltigem Bauen, das tatsächlich allen zugutekommt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein sozialökologischer Umbau im Baubereich heißt damit konkret: Wir brauchen bezahlbares Wohnen für alle Menschen, und wir werden dies mit den ökologischen Herausforderungen beim Bauen in Einklang bringen. Dafür stehe ich persönlich, dafür stehen wir als Bündnisgrüne. Bei dieser Kraftanstrengung stehen wir an Ihrer Seite, Frau Ministerin. Vielen Dank. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Saleh. – Das Wort hat nun der Kollege Daniel Föst, FDP-Fraktion. ({0})

Daniel Föst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004716, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Frau Ministerin! Ja, die Ampelpläne für den Bereich Bauen und Wohnen sind im gesamten Koalitionsvertrag sehr ehrgeizig. Sie sind aber auch deshalb sehr ehrgeizig, weil wir unheimlich viele Hausaufgaben geerbt haben. Ich habe die Verhandlungsgruppe „Bauen und Wohnen“ für die FDP geleitet und festgestellt: An der SPD lag das anscheinend nicht. ({0}) Ich muss echt sagen: Ich freue mich auf das, was die Ampelkoalition beim Bauen und Wohnen bewirken kann und bewirken wird. Wenn ich Ihre Reden höre, werte Kollegen von der CDU/CSU, dann wird mir klar, warum es so viele Hausaufgaben gibt. Lieber Herr Luczak, ihr wisst, ich schätze insbesondere die für Bauen und Wohnen zuständigen Kollegen aus euren Reihen. Aber die Mietpreisbremse gilt nur in angespannten Wohnungsmärkten. Und wenn die Ampel das tut, was sie versprochen hat, nämlich bis zu 400 000 Wohnungen im Jahr zu bauen, dann werden wir schnell erleben, dass angespannte Wohnungsmärkte der Vergangenheit angehören. Und so lösen wir das Problem mit der Mietpreisbremse. ({1}) Es freut mich auch sehr, dass wir im Koalitionsvertrag festgehalten haben, dass die Angebotslücke das große Problem ist und nicht die fehlende Regulierung; ja, wir müssen an der einen oder anderen Stelle nachschärfen. Aber das große Versprechen, das wir gegeben haben, ist, dass wir schnell und günstig neuen Wohnraum schaffen. Die Mechanismen liegen auf der Hand – wir haben sie in den letzten Jahren immer wieder vorgeschlagen –: Dachaufstockung – der Boden ist bereits bezahlt, das geht modular, das geht in Holzständerbauweise, und es geht schnell – und Digitalisierung des gesamten Prozesses. Es ist doch völlig absurd, dass wir im Wohnungsbau längere Genehmigungsverfahren haben, als die Bauzeit dauert. Das muss gelöst werden. ({2}) Sie haben völlig zu Recht die Überkomplexität des Bauens angesprochen, die 20 000 Regeln, Normen, Gesetze, Vorschriften. Natürlich müssen wir da ran. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag auch festgelegt, dass wir uns die Normung anschauen. Sie ist vier Jahre lang nicht bearbeitet worden. Wir haben festgelegt, dass wir einen Wohnkostencheck einführen, um darauf zu achten, welche neue Regel wie auf die Wohnkosten zielt. Denn wer günstiger baut, der kann am Schluss auch günstiger wohnen. Das ist ein ganz großer Hebel. ({3}) Kollege Kassem hat es in seiner wirklich sehr guten ersten Rede angedeutet – ich mache es noch mal ganz deutlich –: Wenn der Gebäudesektor bei der CO2-Einsparung, bei der Emissionseinsparung nicht liefert, dann werden wir die Pariser Klimaziele niemals erreichen. ({4}) Deswegen ist es wichtig, dass wir die Fördersystematik endlich umstellen, dass wir den Fokus auf die tatsächlich gesparte Menge CO2 richten und davon wegkommen, einzelne Maßnahmen zu fördern. Wir müssen vielmehr das Gesamtsystem in den Blick nehmen, inklusive des Quartiers, inklusive der Art und Weise, wie die Wärme erzeugt wird, und inklusive der Effizienz des Gebäudes und – das ist uns ganz besonders wichtig – inklusive der verfügbaren Technik. So werden wir schnell große Mengen an CO2 einsparen. ({5}) Abschließend nehme ich gerne einen Satz von Ihnen auf, Frau Ministerin – ich muss zugeben, der Start der Zusammenarbeit hat sehr viel Spaß gemacht; das wird gut –; Sie haben formuliert, wenn ich es mir auf die Schnelle richtig gemerkt habe: Wohnen ist kein Luxus. – Das ist absolut korrekt, unterschreibe ich. Ich ergänze: Eigentum ist auch kein Luxus. Eigentum ist Traumerfüllung. Eigentum ist Leistungsanreiz. Eigentum ist Sicherheit. Eigentum ist das, was die Menschen wollen. ({6}) Deswegen freut es mich als Freien Demokraten, dass wir sagen: Wir brauchen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer; das können die Länder machen. Aber wir setzen auch bei eigenkapitalersetzenden Darlehen und bei einem Tilgungszuschuss an und helfen damit denjenigen, die es sonst nicht schaffen, zu Eigentum zu kommen. Wir haben viel zu tun. Die Ampel macht sich auf den Weg beim Bauen und Wohnen. Wenn ihr mit dabei seid, liebe CDU/CSU: Mich freut’s. Die Menschen haben es verdient, dass die Wohnkosten sinken. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Franziska Mascheck, SPD-Fraktion, ebenfalls mit ihrer ersten Parlamentsrede. ({0})

Franziska Mascheck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005144, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Landkreis und Wahlkreis Leipzig ist sehr vielfältig: Es gibt einen Speckgürtel rings um Leipzig, es gibt vorwiegend landwirtschaftlich genutzte und geprägte Regionen, es gibt aber auch Industrie, Kohlebergbau und Kohleverstromung, und es gibt viele abgelegene, ruhige Orte mit überwiegend älteren Menschen. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren: In meinem Wahlkreis gibt es viele Herausforderungen. Ich bin froh, dass diese Fortschrittskoalition diese Aufgaben in den nächsten Jahren angehen wird. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sie und insbesondere Frau Bundesministerin Klara Geywitz dabei tatkräftig unterstützen. ({0}) Wir werden viele Anliegen angehen, die insbesondere die Menschen in den ländlichen Räumen betreffen. Da ist beispielsweise das altersgerechte Wohnen. Viele Menschen leben gerne in ihren Wohnungen oder in ihren Häuschen und wollen dort auch ihren Lebensabend verbringen. Dazu werden nicht nur energetische Modernisierungen nötig. Irgendwann werden wir alle Hilfe und Unterstützung brauchen. Darum benötigen wir vielleicht barrierefreie Türen oder Sanitäranlagen. Neue Formen des Zusammenlebens wie WGs für Seniorinnen und Senioren oder die Mehrgenerationenhäuser werden immer wichtiger, um die wohnliche Umgebung auf die Bedürfnisse der älteren Menschen abzustimmen. ({1}) Dazu zählt auch, dass leerstehende Bestandsgebäude in den Kommunen für altersgerechtes Wohnen genutzt werden können. Hierfür braucht es flexible Gestaltungsmöglichkeiten im Baurecht; denn letztlich ist auch das eine Frage der Nachhaltigkeit und trägt zum Erhalt der Innenstädte besonders kleinerer Kommunen bei. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion wollen Barrieren abbauen und somit mehr Selbstbestimmung ermöglichen. Deshalb möchten wir die beliebten und wirksamen KfW-Programme erhalten und ausbauen. ({2}) Meine Damen und Herren, ein zentrales Vorhaben dieser Koalition ist der Klimaschutz. Gerade im Gebäudebereich ist eine ganze Menge zu tun. Wir freuen uns, das mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Ausschüsse anpacken zu können. Hierbei werbe ich aber dafür, dass wir die Bedürfnisse in den ländlichen Regionen nicht aus den Augen verlieren und uns immer wieder fragen, wie wir diese Anforderungen in weniger dicht besiedelten Gegenden angehen und gemeinsam mit den Menschen vor Ort umsetzen können. ({3}) Meine Damen und Herren, für mich und für die Menschen in meinem Wahlkreis ist das ein bedeutender Punkt. Bei allem, was wir hier besprechen, leidenschaftlich diskutieren und gemeinsam beschließen, müssen wir uns immer wieder vor Augen halten, welche unterschiedlichen Ausgangsbedingungen in unserem Land herrschen. Denn es gibt viele Orte, gerade auch bei mir im Wahlkreis, in denen Kommunen den Gürtel immer enger schnallen müssen. Ich selbst erfahre in meinem Stadtrat, wie es aufgrund wirklich winziger finanzieller Handlungsspielräume – Corona und auch die engstirnige Schuldenbremse der sächsischen Union sind hier, ehrlich gesagt, gar keine Hilfe – dazu kommt, dass Mittel für wichtige Aufgaben, wie zum Beispiel die Jugendarbeit, wieder gestrichen werden, weil kein Geld da ist. Da drohen gerade viele Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe zu verschwinden. Immer mehr Vereine, freiwillige Feuerwehren und zivilgesellschaftliche Initiativen springen für den Staat in die Bresche. Das fordert die Ehrenamtlichen ordentlich und hinterlässt bei einigen Menschen doch irgendwie den Eindruck, dass es immer weniger Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung im ländlichen Raum gibt und dass das Leben und Arbeiten auf dem Land immer unattraktiver wird. Da hilft es nicht, wenn dann auch noch die Apotheke, der Bäcker, die Post oder, wie gerade in meiner Stadt, die Sparkasse demnächst dichtmachen. Diese Erfahrungen prägen die Menschen, und sie prägen auch ihre Einstellungen zur Demokratie. Bei all diesen Punkten gilt es, jetzt das Ruder rumzureißen; denn die Kommune ist die letzte Meile zu den Bürgerinnen und Bürgern in der Demokratie. Wir müssen bauliche, aber vor allem soziale Infrastrukturen stärken und somit auch mehr Teilhabe ermöglichen. ({4}) Für mich ist das eine grundlegende Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit, für ein durch und durch sozialdemokratisches Ziel. Packen wir es an! Vielen Dank und ein herzliches Glückauf! ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächsten Redner rufe ich auf den Kollegen Ulrich Lange, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, auch wir gratulieren natürlich zum neuen Ministerium. Baupolitiker haben es weiß Gott herbeigesehnt, dass das zurückkommt, was Rot-Grün damals abgeschafft hat; aber auch das sei lediglich eine historische Randbemerkung. Es ist spannend, der Debatte zuzuschauen, die diese neue Koalition uns heute hier bietet; denn ich habe, liebe Kollegin Schröder und lieber Kollege Föst, noch nicht so ganz den gemeinsamen Bogen gefunden. Man kann natürlich viele Wünsche erst mal formulieren und ein Füllhorn daraus machen; einen Aufbruch kann ich dabei aber wirklich nicht erkennen. Viele Prüfaufträge, viele Forderungen – aber sind die Ressourcen, sind die Zuständigkeiten da in diesem neuen Ministerium? Liebe Frau Ministerin, ja, wir freuen uns über das neue Ministerium. Aber Sie brauchen ein Haus mit Zuständigkeit und Kompetenz und keine Gebäudehülle. Warum sage ich das? Weil vieles halbherzig ist, weil vieles nicht fertig ist an diesem Haus, um ein wirkliches Bauministerium zu werden, und das erkennt man auch hier an dieser Debatte. Wir debattieren immer wieder Dinge, für die Sie, Frau Ministerin, und auch der Bauausschuss keine Federführung haben. Ich stelle da die Frage der Modernisierungsumlage, die vonseiten der Grünen so in den Mittelpunkt der Debatte gestellt worden ist. Das ist geregelt im BGB; der neue Justizminister Buschmann der FDP sitzt ja schon da. Wir sind mal gespannt, wie die grünen Vorstellungen beim Thema Modernisierungsumlage dann mit den Vorstellungen der FDP im Justizministerium zusammenpassen. Wir behandeln das Thema Gebäudeenergie. Wir waren uns ja gerade schon einig, wie wichtig Energie im Sektor Bauen ist. Dann stellen wir aber doch wieder fest, dass dieses Thema im Wirtschaftsministerium geblieben ist. Frau Ministerin, auch da fehlt Ihnen was. Und dann – ich sage das ganz offen – die ganz große Enttäuschung: Wie oft haben wir darüber gesprochen, dass wir in der Baupolitik doch gerne auf die Grundstücke, Flächen und Gebäude der BImA zugreifen würden? Wenn wir das jetzt richtig nachverfolgt haben, dann bleibt das Thema BImA im Finanzministerium und ist also auch nicht im Bauministerium angesiedelt. ({0}) Dieses Ministerium ist so Stückwerk, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ja, wir wollen bauen, wir brauchen Bau, wir brauchen Stadtentwicklung; aber wir brauchen es richtig. 1,6 Millionen Wohnungen haben Sie sich vorgenommen. ({1}) 4 mal 400 000 sind 1,6 Millionen; so viele Wohnungen haben Sie sich vorgenommen. ({2}) Das bedeutet aber auch, dass Sie sie bauen müssen. Wer soll sie planen? Wer soll sie bauen? Wo sind die Ressourcen? Wo ist die Fachkräfteoffensive Bau? Ist all das im Bau- und Wohnungsteil des Koalitionsvertrages? Fehlanzeige! ({3}) Aber die Wohnungsbauoffensive, die wir gestartet haben, soll fortgesetzt werden. 2019: 250 000 Wohnungen, 2020: 300 000 Wohnungen. Wir haben vorgelegt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und es wird nicht so einfach, das zu überbieten. Ich kann viel schreiben, aber am Ende muss es den Realitätscheck erfüllen. Wir haben das Thema der Vorschriften; Kollege Luczak hat es schon angesprochen. Auch da geben Sie Blankoschecks – Blankoschecks, die am Ende zu Zwangssanierungen führen Dann sprechen Sie über Eigentum. Die FDP rückt das Thema Eigentum in den Mittelpunkt. Von der Frau Ministerin habe ich zur Eigentumsförderung überhaupt nichts wirklich vernommen. Und von den Grünen habe ich im Ausschuss gestern vernommen, dass 16 Jahre Investorenpolitik endlich ein Ende finden muss. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, wir brauchen Investoren, und das wissen Sie doch ganz genau. Ohne Investoren kein Wohnungsbau! ({4}) Sie sitzen ja jetzt nebeneinander; dann können Sie das auch mal besprechen und sich erklären. Die 16 Jahre waren auch geprägt von einer gemeinsamen Politik. 8 Jahre davon hat die SPD die Baupolitik verantwortet – ich will es nur mal so als Anmerkung sagen – und war dabei der Bremser. Da könnten wir jetzt über vieles diskutieren. Bauland zu mobilisieren, ist und bleibt die Hauptaufgabe. Dazu wird es wohl eine Novelle zum Baugesetzbuch geben. Die Kolleginnen und Kollegen der letzten Wahlperiode kennen diese Herausforderung. Ich sage nur: § 13b BauGB. Ja, das brauchen wir auf dem Land. Ich sage aber auch: Wir brauchen endlich Brachflächenprogramme. Wer nicht will, dass wir permanent neue Äcker und gute Böden für Bauland verwenden, der muss und darf nicht weiter Brachflächenprogramme blockieren, wie es die Sozialdemokraten in der letzten Wahlperiode getan haben. ({5}) Wir müssen die Innenstädte revitalisieren. Frau Ministerin, das geschah zu wenig nach der Pandemie. Die 250 Millionen Euro – Respekt! –, die kamen aus der letzten Wahlperiode. Die Milliarde für das Klima – Respekt! –, die kam aus der letzten Wahlperiode.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, wir müssen etwas tun für die Innenstädte. Wir brauchen mehr Programme. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um Lebensqualität, es geht um die Quartiere, es geht um Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, es geht um Wohnungsbau und nicht um Luftschlösser.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Daran wollen und werden wir Sie messen. Danke schön. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Lange. – Letzte Rednerin zu diesen Themenbereichen ist die Kollegin Karoline Otte, Bündnis 90/Die Grünen, mit ihrer ersten Parlamentsrede. ({0})

Karoline Otte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005172, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Geywitz! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit einem Koalitionsvertrag starten wir in diese Regierung, der die Lebensrealitäten von Menschen in den Blick nimmt und sich zur Aufgabe macht, diese spürbar zu verbessern. Bitter genug, dass das hier erwähnenswert ist, etwas, was eigentlich grundsätzlich Aufgabe von Politik sein sollte, aber viel zu selten in den letzten 16 Jahren Unionsregierung der Grundsatz war. ({0}) Vieles von dem, was wir hier in Berlin im Bundestag beraten und beschließen, vieles von dem, was die Bundesregierung auf den Weg bringt, kann nur umgesetzt werden, wenn wir nicht an den kommunalen Realitäten vorbei entscheiden. Hierauf werden wir im zuständigen Ausschuss ein Auge haben. Aber auch unsere Regierungskoalition hat sich dies ins Stammbuch geschrieben; denn unsere Vorhaben können wir nur mit starken Kommunen vor Ort Realität werden lassen. ({1}) Wir brauchen die Städte und Gemeinden, damit unsere Politik bei den Menschen vor Ort ankommen kann. Für das kommende Jahr hat sich die Ampel das Ziel gesetzt, Planungsvorhaben zu beschleunigen, damit es vorangeht, damit die Energiewende vor Ort Realität wird, damit 1,6 Millionen neue Wohnungen gebaut werden können, damit wir endlich einen zügigen Zubau der Schiene erreichen. Durch die Verschärfung des kommunalen Vorkaufsrechts erweitern wir kommunale Handlungsspielräume und begegnen Wohnraumspekulationen und Verdrängungstendenzen. Aber gebaut, gekauft oder saniert wird nur da, wo man nicht in Schulden zu ersticken droht. ({2}) Fast 150 Milliarden Euro kommunale Investitionsrückstände, das sind keine Schulden in den Büchern, aber in der bitteren Realität. ({3}) Wenn wir über desolate Schultoiletten reden, dann müssen wir auch über die kommunale Finanzlage sprechen. Wenn wir hier nicht anfassen, dann bricht die kommunale Daseinsvorsorge weg. Das kommunale Schwimmbad, die Bibliothek wird geschlossen, das Krankenhaus privatisiert, die Buslinie gestrichen. Das trifft vor allem die Menschen, die den Wegfall nicht mit privatem Einkommen ausgleichen können. Das dürfen wir nicht zulassen. ({4}) Für die Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge und zur Realisierung der notwendigen Investitionen ist es wesentlich, dass wir überschuldeten Kommunen helfen und sie nicht mit ihren Sozialausgaben alleine lassen. ({5}) Fördermittel müssen wir gerade für finanziell belastete Kommunen niedrigschwellig gestalten. Damit öffentlich gebaut wird, müssen wir den Fördermitteldschungel anfassen und Ausschreibungskriterien vereinfachen. ({6}) Unser Grundgesetz gibt das Versprechen von gleichwertigen Lebensverhältnissen. Dieses Versprechen ist noch lange nicht eingelöst. Aber besonders in Zeiten einer globalen Krise sind Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt so wichtig. Beides muss vor Ort spürbar werden. ({7}) Vor Ort müssen wir mit starken, solidarischen Kommunen klarmachen, dass wir für die Menschen einen Unterschied machen. Packen wir es an! ({8})

Sabine Dittmar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11004261

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bringen heute Änderungen der Corona-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung auf den Weg. Die Bundesregierung reagiert damit erneut zügig und konsequent auf das aktuelle Infektionsgeschehen. Meine Damen und Herren, wir verzeichnen leider einen neuen Infektionsrekord. Die Omikron-Welle ist auch bei uns angekommen. Das Robert-Koch-Institut meldet heute 81 417 Neuinfektionen, eine Inzidenz von über 427 und 316 weitere Todesfälle. Wir können von Glück sagen und wir müssen dankbar sein, dass wir seit über einem Jahr über sichere und wirksame Impfstoffe verfügen – entwickelt am Wissenschaftsstandort Deutschland –, die zuverlässigen Schutz bieten vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen. ({0}) Aber wissenschaftliche Studienergebnisse zeigen uns auch, dass die Immunität im Laufe der Zeit nachlässt. Das ist für Mediziner nichts Verwunderliches. Wir kennen dies bei anderen Impfstoffen auch. Wir wissen auch – und die Studien zeigen es erneut –, dass mit Auffrischung und Boosterung natürlich wieder ein guter Immunschutz aufgebaut werden kann, auch gegen die Omikron-Variante. Deshalb von dieser Stelle noch mal der Appell: Nutzen Sie die vielfältigen Angebote, die zur Verfügung stehen! Lassen Sie sich boostern, und lassen Sie sich erstimpfen! Jede Impfung zählt. ({1}) Meine Damen und Herren, es muss aber auch sichergestellt sein, dass unsere rechtlichen Grundlagen so flexibel sind, dass sie den jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen auch ausreichend Rechnung tragen. Genau das tun wir mit dem vorliegenden Entwurf. Wir passen die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung derart an, dass nunmehr unter bestimmten Umständen auch gegenüber geimpften und genesenen Personen eine Quarantäneanordnung ausgesprochen werden kann. Das soll insbesondere dann der Fall sein, wenn die Grundimmunisierung länger als drei Monate zurückliegt und eine Auffrischungsimpfung noch nicht erfolgt ist. Im Gegenzug haben wir uns aber auch nach Beratungen durch das Robert-Koch-Institut darauf verständigt, die Dauer der Quarantäne auf zehn Tage zu verkürzen und die Freitestung nach sieben bzw. fünf Tagen zu ermöglichen. Die Verkürzung der Quarantäne ist medizinisch verantwortbar und gut begründbar; denn wir wissen, dass bei Omikron der Zeitraum zwischen eigener Infektionen und der Gefahr der Transmission, also der Übertragung auf andere Menschen, deutlich kürzer ist. Mit den neuen Regelungen finden wir deshalb eine gute Balance zwischen notwendiger Isolation und der Möglichkeit qualifizierter Freitestung. Wir sorgen dafür, dass die kritische Infrastruktur nicht durch quarantänebedingte Personalausfälle ins Stocken gerät, und wir ermöglichen es vor allen Dingen Kindern, sich nach fünf Tagen frei zu testen, sofern sie einer seriellen Testung in ihrer Einrichtung unterliegen. Durch die vor einigen Tagen erfolgte Anpassung der Coronavirus-Testverordnung wird der Bund die Kosten für diese Freitestung umfassend übernehmen. Meine Damen und Herren, nach den neuen Regelungen müssen die Impf- und Genesenennachweise generell den jeweils aktuell veröffentlichten Anforderungen entsprechen. Für den Impfnachweis sind das die Kriterien auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts, für den Genesenennachweis die auf der Seite des Robert-Koch-Instituts. Diese Kriterien und Vorgaben werden laufend an die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst. Der Genesenenstatus wird künftig nach 3 Monaten bzw. 90 Tagen entfallen. Eine Anpassung der Vorgaben für einen vollständigen Impfschutz wird von der Bundesregierung fortlaufend überprüft. Auch die Corona-Einreiseverordnung sieht diese entsprechenden Anpassungen vor. Kolleginnen und Kollegen, mit diesen notwendigen Änderungen in der Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung und der Einreiseverordnung bilden wir den Stand der Wissenschaft ab und setzen der gegenwärtigen Omikron-Welle ein angepasstes und pragmatisches Instrumentarium entgegen. ({2}) Wir schützen unsere relevanten Infrastrukturen und nehmen auf die besonderen Belange unserer Kinder in den Schulen und Kitas Rücksicht. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zusammen alles Notwendige tun, um gemeinsam die Pandemie zu überwinden. Deshalb hier noch mal: Bitte, lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich boostern! ({3}) Schützen Sie sich und Ihre eigene Gesundheit, und schützen Sie Ihr Umfeld und die Gesellschaft! ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Staatssekretärin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Sabine Dittmar (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11004261

Nein, erlaube ich nicht. – Die Bundesregierung sorgt dafür, dass es genügend Impfstoffe gibt. Neben den bewährten Impfstrukturen in den Impfzentren und Praxen gibt es mobile Angebote und nun auch impfende Apotheken. Mein herzlicher Dank von dieser Stelle an all diejenigen, die die Impfkampagne seit vielen Monaten unterstützt haben. ({0}) Meine Damen und Herren, bleiben Sie zuversichtlich, bleiben Sie gesund, und ich bitte um Zustimmung zu der Verordnung. Danke schön. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Diana Stöcker, CDU/CSU-Fraktion, mit ihrer ersten Parlamentsrede. ({0})

Diana Stöcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist lobenswert, dass die Regierungskoalition dem Vorschlag der Ministerpräsidentenkonferenz zügig gefolgt ist und die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung sowie die Coronavirus-Einreiseverordnung an die aktuelle Situation und Faktenlage angepasst hat. Die zurzeit vorherrschende Omikron-Variante überträgt sich schneller und einfacher von Mensch zu Mensch, und in absehbarer Zeit könnte ein relevanter Teil der Bevölkerung zeitgleich erkrankt oder in Quarantäne sein. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Wasserschaden im Keller, und kein Handwerker kommt, Sie benötigen den Rettungsdienst oder eine Not-OP. Was machen, wenn es Schwierigkeiten bei der Wasserversorgung gibt, wenn die Infektionszahlen stark steigen, was wir leider momentan Tag für Tag erleben? Genau an dieser Stelle setzt die Überarbeitung der Verordnungen an, und das wird von unserer Fraktion vollumfänglich mitgetragen. Es geht besonders darum, die kritischen Infrastrukturen in schwieriger Lage aufrechtzuerhalten und nicht zu überlasten. Verordnungen entfalten ihre volle Wirkungskraft aber nur, wenn sie ernsthaft umgesetzt werden. Dafür sind die Länder und Kommunen vor Ort verantwortlich. Es ist gerade mal drei Monate her, dass ich als Bürgermeisterin der Großen Kreisstadt Rheinfelden im Dreiländereck an der Grenze zu Frankreich und der Schweiz mit der Umsetzung von Coronaverordnungen täglich konfrontiert war. Ich kann Ihnen bestätigen, dass es dafür eines ganz besonderen Engagements und Durchhaltevermögens vor Ort, an der Basis bedarf, auch hinsichtlich der Kommunikation der immer wieder neuen Regelungen und Verordnungen für die Bürgerinnen und Bürger. Ich möchte daher diese Gelegenheit nutzen, um mich bei denen zu bedanken, die diese Verordnungen in den Kommunen meistens sehr kurzfristig umsetzen müssen, ({0}) beispielsweise die Ordnungs- und Gesundheitsämter, die Schul- oder Kitaverwaltungen. ({1}) Gerade in Grenzlagen fällt vielen Bürgerinnen und Bürgern der Überblick über die Fülle von Regelungen nicht leicht. Unser Dreiländereck Deutschland- Frankreich-Schweiz ist trotz politischer Grenzen zu einem in sich dicht verflochtenen Lebensraum zusammengewachsen. 80 000 Pendler überqueren täglich zum Arbeiten die Grenzen. Große Firmen haben Niederlassungen im jeweils grenznahen Ausland. Gegenseitige Freizeitkultur, Gastro- und Einkaufsbesuche gehören zum Alltag. Einwohnerinnen und Einwohner im Dreiländereck nahmen die Grenze vor der Pandemie nicht mehr wirklich wahr. Wir leben Europa. Gerade die Pandemie hat jedoch gezeigt, wo Schwächen des grenzüberschreitenden Alltags liegen, an welchen Themen wir gemeinsam politisch arbeiten müssen. So begegnet man in meinem Wahlkreis in unmittelbarer Nähe und im Alltag sowohl drei verschiedenen Coronaregelungen als auch einem unterschiedlichen Umgang mit der Pandemie. Die neue Bundesregierung sollte sich daher unbedingt darum bemühen, mit unseren unmittelbaren Nachbarn im ständigen Austausch zu bleiben und eine Harmonisierung von Coronamaßnahmen anzustreben. ({2}) Richtig ist, dass sich nun mit der Änderung der Einreiseverordnung und speziellen Grenzgängerregelungen Menschen in Partnerschaften und Familien, die über die Grenzen hinweg bestehen – was bei uns Alltag ist –, auch in prekären Coronalagen sehen und besuchen dürfen – anders als zu Beginn der Pandemie, als plötzlich rot-weiße Flatterbänder und Gitterzäune die Menschen an den Grenzen voneinander trennten. Eine solche Situation wollen wir nie wieder im Dreiländereck und anderen Grenzregionen erleben. ({3}) Gerne wiederhole ich meinen Dank an die Regierungskoalition, dass sie dem Vorschlag der Ministerpräsidentenkonferenz zügig gefolgt ist und die Verordnung an die aktuelle Situation und Faktenlage angepasst hat. Gehen Sie bitte mit derselben Zielstrebigkeit an einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Impfpflicht heran; denn das erwarten nicht nur die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und wir als CDU/CSU-Fraktion, sondern auch die Mehrheit der Menschen in unserem Land. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Stöcker. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Janosch Dahmen, Bündnis 90/Die Grünen ({0})

Dr. Janosch Dahmen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004962, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage ist erkennbar ernst. Mit 81 000 Neuinfektionen am heutigen Tag, mit inzwischen 115 000 Toten in den letzten zwei Jahren Pandemie und mit 3 000 Patientinnen und Patienten, die heute noch mit Covid-19 auf Intensivstationen dieses Landes behandelt werden müssen, kann die Botschaft am heutigen Tage nur ganz eindeutig heißen: Wir werden, wir müssen und wir können dieses tödliche Virus in den kommenden Tagen und Wochen nur mit aller Vehemenz bekämpfen. ({0}) Dabei braucht es meines Erachtens drei Dinge, die wir forcieren müssen: Das sind zum einen die Ausweitung und die Intensivierung der Impfkampagne, insbesondere dort, wo wir Menschen bisher noch nicht oder nicht ausreichend erreicht haben. Zweitens müssen wir den Omikron-Schutzwall höher bauen, insbesondere durch Maßnahmen wie das konsequente und ausnahmslose Maskentragen im Innenraum, wo erwachsene Menschen zusammenkommen, und dort, wo das nicht möglich ist, gegebenenfalls durch Ausweitung von anderen Schutzmaßnahmen wie der 2-G-Plus-Regel. Drittens. Ja, wir werden auch das Testregime ausweiten müssen, insbesondere dort, wo wir sichergehen wollen, dass keine Infektionen oder infektiöse Situationen vorliegen. Wir reden ja hier und heute über die Änderung der Corona-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung, die auch die Regeln für Isolation und Quarantäne im Detail beschreibt. Wenn wir über derartige Regeln reden, dann will ich Bezug nehmen auf einige unsägliche Zwischenrufe von der Tribüne am heutigen Tage und noch mal sehr eindeutig sagen: Es geht bei Isolation und Quarantäne nicht darum, irgendjemanden, irgendwelche Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu gängeln, sondern es geht darum, andere Menschen vor einem tödlichen Virus zu schützen. ({1}) Das ist der Kernbestand von wirkungsvoller Pandemiearbeit. Lassen Sich mich, weil auch das in dem ein oder anderen Zwischenruf von der Tribüne heute durchklang, noch mal deutlich sagen: Die Omikron-Variante, über die wir reden, mag in einzelnen Fällen zu einem milderen Verlauf führen. Aber milderer Verlauf bedeutet nicht gleich milder Verlauf. Ich kann nur ganz ausdrücklich an alle Menschen draußen im Land appellieren: Jeder und jede, die sich noch nicht geimpft haben, die müssen sich jetzt impfen lassen; denn auch mit dieser neuen Omikron-Variante ist die Gefahr, schwer zu erkranken, im Krankenhaus behandelt zu werden, gegebenenfalls auf der Intensivstation zu landen, ausdrücklich gegeben. Wir müssen uns mit intensivierten Anstrengungen und Überzeugungsarbeit um die ungeimpften Menschen in diesem Land kümmern. ({2}) Omikron bedroht uns in unserem Land bei Reisen im und aus dem Ausland auch deswegen so sehr, weil wir eines der ältesten Länder in Europa sind, weil wir bisher zu den Ländern mit den niedrigsten Impfquoten zählen und weil wir ein Land sind, das ausgerechnet bei den alten Menschen noch existenzielle Impflücken hat, die wir nun schließen müssen. All das müssen wir miteinbeziehen, wenn wir sagen, wie die Schutzregeln in diesem Land aussehen, die wir gemeinsam adressieren müssen. Genau dem tragen wir Rechnung mit einer jetzt evidenzbasierten und zielgerichteten Regelung und entsprechendem Regierungshandeln. Die Quarantäne- und Isolationsregelung trägt dem veränderten Typus dieses Virus Rechnung; es steigt schneller in der Infektiosität an, fällt aber auch schneller in der Infektiosität wieder ab. Aufgrund dieser veränderten Kontagiosität können wir jetzt die Isolations- und Quarantänezeiten verkürzen und gleichzeitig ein zusätzliches Schutzinstrument einführen: Nur die Menschen, die sich negativ getestet haben und damit den Nachweis erbracht haben, dass sie die Isolation oder auch Quarantäne früher verlassen können, dürfen von dieser Regel profitieren. Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen, was in der Debatte um diese Quarantäne- und Isolationsfragen immer zu kurz kommt: Das Wichtigste ist gar nicht so sehr das Ende, sondern das Wichtigste ist der rechtzeitige Anfang. ({3}) Das heißt, wir müssen in den kommenden Wochen darauf achten und dafür sorgen, dass Menschen frühzeitig davon erfahren, wenn sie Kontakt zu einer infizierten Person hatten. Das gelingt nur durch den konsequenten und verantwortungsvollen Einsatz der Corona-Warn-App, durch verantwortungsvolles Verhalten eines jeden Einzelnen von uns. ({4}) In diesem Sinne appelliere ich an alle: Lassen Sie sich impfen! Tragen Sie FFP2-Masken! Nutzen Sie die Corona-Warn-App! Dann werden wir erfolgreich aus dieser Pandemie herauskommen. Vielen Dank. ({5})

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vorliegenden Änderungen sollen den Weg zu einer dauerhaften bundesweiten 2-G-Plus-Regelung freimachen. Es ist der Weg, den Sie wollen: impfen, impfen, impfen, boostern, boostern, boostern. ({0}) Jeder soll geimpft werden. Wissen Sie was? Mit diesem Weg wird es nie ein Ende der Pandemie geben. Wir brauchen aber ein Ende der Pandemie. In den meisten Bundesstaaten der USA hat man jetzt die ganzen Coronaregeln aufgehoben und ein normales Leben wieder möglich gemacht. Das ist das, was wir in Deutschland jetzt auch machen müssen, ({1}) weil Omikron eben nicht die hochgefährliche Variante ist, sondern Omikron steckt viele Leute an, die gar nicht mal merken, dass sie irgendeine Infektion haben. Es ist keine tödliche Krankheit. Und Sie machen mit Ihrer Panikmache weiter, wie das schon die ganze Zeit geschieht. Dieser Verordnungsänderung stimmen wir nicht zu, weil wir nicht wollen, dass die ganze Bevölkerung sich alle drei bis vier Monate wieder impfen soll. Das kann doch nicht wahr sein. Die Leute, die glauben, sie haben mit den ersten Impfungen eine Immunisierung erreicht, wollen Sie alle paar Monate wieder neu zum Impfen schicken. Das geht doch überhaupt nicht, weil die Impfungen überhaupt keine Immunisierung herbeigeführt haben. ({2}) Das ist rein politisch motiviert, verfassungswidrig und dient der Erzeugung eines dauerhaften Impfdrucks. Gegen freiwillige Impfungen ist nichts einzuwenden; ({3}) aber was Sie wollen, ist, die Leute mit einer Impfpflicht zur Impfung zu zwingen, und das darf niemals sein. Fakt ist jedoch: Die Covid-19-Impfstoffe werden seit einem Jahr massiv eingesetzt. Sie haben trotz einer erreichten Impfquote von über 70 Prozent weder vor steigenden Inzidenzen noch vor der Weiterverbreitung des Virus geschützt. Wovor hat denn diese Impferei die 60 Millionen Menschen, die vollständig geimpft worden sind, geschützt? Es ist unbestreitbar, dass bei keinem der bisherigen Impfstoffe derart viele schwerwiegende, bis zum Tod reichende Nebenwirkungen aufgetreten sind, die den Sinn dieses gentherapeutischen Medikaments vollständig infrage stellen. Nach den neuesten Zahlen des RKI ist der Anteil der Geimpften und Geboosterten an den Neuinfektionen mit Omikron größer als der Anteil der Ungeimpften. Das heißt, die Pandemie der Ungeimpften ist eine reine Erfindung der Herren Tschentscher, Söder und Kretschmer, um die allgemeine Impfpflicht durchzusetzen. ({4}) Das Paul-Ehrlich-Institut verzeichnet in seinem Sicherheitsbericht vom 23. Dezember 2021 für die Covid-19-Impfungen 197 000 Meldungen, darunter 26 000 schwerwiegende Fälle und 1 919 Todesfälle. In den letzten elf Monaten wurden für alle Covid-19-Impfstoffe viermal so viele Todesfälle in absoluter Zahl gemeldet wie in den ganzen letzten 20 Jahren für alle anderen in Deutschland eingesetzten Impfstoffe. Ich komme zum Schluss. – Ich sage Ihnen: Wir wollen keine Verlängerung dieser Pandemie und keine jahrelang weiter andauernde Panikmache, ({5}) um die Gewinne der Impfindustrie immer weiter nach oben zu treiben. Wir sind keine Lobbypartei, sondern wir wollen, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in diesem Land geschützt wird. ({6}) Aus diesem Grund lehnen wir diese Bestimmung ab –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Farle.

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– und fordern Sie auf: Gehen Sie mit uns den Weg aus der Pandemie, indem wir ein normales Leben in Deutschland wieder möglich machen und keine Impfapartheid zulassen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Farle, jetzt bitte.

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Wir sind zwar sehr großzügig bei ersten Reden, aber die Großzügigkeit sollte auch nicht über Gebühr strapaziert werden. ({0}) Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus, FDP-Fraktion. ({1})

Christine Aschenberg-Dugnus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004003, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir nun zurück zu einer seriösen Debatte. ({0}) Wir debattieren heute die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung und die Coronavirus-Einreiseverordnung. Und endlich werden Verordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit hier im Parlament diskutiert und abgestimmt. Darüber sollten wir uns freuen. ({1}) Denn die ursprüngliche Fassung der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung vom Mai 2021 wurde ohne Parlamentsbeteiligung erlassen; ich schaue hier auf die Kollegen der CDU. Wir haben für die Reparlamentarisierung sehr lange gekämpft, meine Damen und Herren; denn der Sinn einer Parlamentsbeteiligung ist doch, dass dabei gleichzeitig eine transparente, eine öffentliche Debatte hier stattfindet. Das ist Parlamentarismus. Das ist unser Verständnis von Demokratie, und die Fortschrittskoalition hat das jetzt umgesetzt. ({2}) Meine Damen und Herren, die vorliegende Verordnung ist auch notwendig, um die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Maßnahmen umsetzen zu können. Das betrifft zum Beispiel die Quarantänezeiten und Isolationszeiten und die Ausnahmen davon. Diese Verordnung ermöglicht Quarantäne- und Isolationsausnahmen für Geimpfte und Genesene. Die Pandemie hat uns doch verdeutlicht, dass eine rasche Anpassung der Vorgaben an die aktuellen Entwicklungen im wissenschaftlichen Bereich möglich sein muss, und genau das setzen wir mit dieser Verordnung um. ({3}) Omikron ist im Gegensatz zu Delta zwar ansteckender, hat aber dafür eine kürzere sogenannte Generationszeit. Das bedeutet, dass Omikron für einen kürzeren Zeitraum ansteckend ist. Als wir es noch nicht besser wussten, galt bei Omikron eine 14-tägige Quarantäne ohne Ausnahme für Geimpfte und Genesene. Jetzt wissen wir es besser, auch dank der Beratung durch den Expertenrat und das Robert-Koch-Institut. ({4}) Den Gesundheitsämtern ist es jetzt möglich, nach den Vorgaben des RKI die Quarantänezeiten zu verkürzen. Dafür wird das Robert-Koch-Institut aktualisierte Empfehlungen am morgigen Tag nach dem Bundesratsbeschluss veröffentlichen. Diese folgen dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Meine Damen und Herren, die Verordnung ermöglicht auch die Verkürzung der Quarantäne im Bereich der kritischen Infrastruktur. Damit verhindern wir gerade in diesen Bereichen Personalausfälle. Diese Verkürzung der Quarantäne stellt aber keine Gefahr für die Öffentlichkeit dar; denn sie beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Um das noch mal ganz klar zu sagen: Die Verkürzung der Quarantäne und Isolation ist auch deshalb möglich, weil zum einen Omikron eine kürzere Generationszeit hat und weil zum anderen die Verkürzung, also das Raustesten, für das Personal der kritischen Infrastruktur immer an einen negativen PCR-Test geknüpft ist. Das macht die Sache sicher. Meine Damen und Herren, es geht schlicht und ergreifend um die Aufrechterhaltung unserer kritischen Infrastruktur, also der Krankenhäuser, der Feuerwehren und der Stromversorgung. Es wurde immer vor einem Kollaps gewarnt, wenn zeitgleich zu viele Menschen erkranken oder in Quarantäne müssen. Es ist absolut richtig, dass man diese Entscheidung nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen trifft; denn die können sich fortlaufend ändern. Daher kommt es darauf an, zeitnah zu reagieren. Das erwartet die Bevölkerung von uns, und das setzen wir mit dieser Verordnung um. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Aschenberg-Dugnus. – Nächster Redner ist der Kollege Ates Gürpinar, Fraktion Die Linke, mit seiner ersten Parlamentsrede. ({0})

Ates Gürpinar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005073, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben versprochen, die Wissenschaft enger in die Pandemiebekämpfung einzubinden. Das wird nun endlich sichtbar mit dieser Verordnung; Frau Dittmar hat sie vorgestellt. Dafür herzlichen Dank! Dafür gibt es Zustimmung auch von links. ({0}) – Nicht zu früh klatschen. – Allerdings: Die Einbindung wissenschaftlicher Grundkenntnisse war in den ersten Wochen Ihrer Amtszeit, Herr Lauterbach, nicht immer zu sehen; ich erinnere an die Zeit vor Weihnachten. Nach ein bisschen Hin und Her hatte sich quasi der Glaube durchgesetzt, das Virus mache erst nach den Feiertagen weiter. Ich weiß nicht: weil der Weihnachtsmann kommt? Auch deswegen, Herr Lauterbach, rutschen wir von der Delta-Welle geradewegs in die Omikron-Wand hinein. Noch schlimmer allerdings ist die Teststrategie, die Sie weitgehend von Ihrem Vorgänger übernommen haben. Die alte GroKo – na ja, eine GroKo war sie schon damals nicht mehr wirklich – hatte den Behauptungen der Hersteller von Antigentests ungeprüft geglaubt, und es sind nach wie vor unsichere Schnelltests am Markt. Sie haben versäumt, nur gute Schnelltests zuzulassen und die schlechten vom Markt zu nehmen. ({1}) Genauso haben Sie es versäumt, jetzt auf PCR-Testungen zu setzen. Ihr Ministerium überlegt, bei sehr hohen Fallzahlen eine Diagnose rein symptom- bzw. antigenschnelltestbasiert zu stellen und auf eine PCR-Testung gänzlich zu verzichten. Das ist – Verzeihung – absurd! ({2}) Jetzt ist die Rede davon, dass es zu wenig Personal gibt, um die Testungen auszuweiten. Die Stadt Wien hat mehr PCR-Testkapazitäten als Deutschland insgesamt. Ich frage Sie: Warum gibt es denn in Wien mehr Personal als in Deutschland? Machen Sie es den Menschen nicht so schwer, sich und andere zu schützen! Binden Sie wissenschaftliche Erkenntnisse in die Pandemiebekämpfung dauerhaft ein! Planen Sie langfristig, und bauen Sie eine nichtkommerzielle PCR-Testinfrastruktur inklusive gut bezahlten Personals auf! Dann erhalten Sie auch weiterhin Zustimmung von links; ansonsten steigt der Druck von links. Vielen, vielen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Gürpinar. – Als Nächstes erhält das Wort die Kollegin Heike Baehrens, SPD-Fraktion. ({0})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist der zentrale Ort der gesellschaftlichen Debatte über die notwendigen Maßnahmen in der Pandemie, die uns noch immer in Atem hält. Das ist uns als SPD wichtig. ({0}) Wir beziehen eine breite wissenschaftliche Expertise in unsere Entscheidungsprozesse ein, nicht nur Virologen und Epidemiologen. Wir behalten auch die ethische Dimension unseres Handelns im Blick. Das umfasst soziale und entwicklungspsychologische Fragestellungen genauso wie die wirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen. Dem trägt auch die heutige Beschlussvorlage Rechnung. ({1}) Was uns weiterhin gelingen muss, ist der notwendige Spagat zwischen ruhiger Vorsicht, Voraussicht und Besonnenheit auf der einen Seite und der Fähigkeit auf der anderen Seite, trotzdem schnell die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen dieses erfordern. Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger bei der SPD verlassen. Dafür steht unser Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach. ({2}) Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, dass diese Verordnung heute hier im Parlament von einer so breiten Mehrheit getragen wird; denn eine Pandemie eignet sich nicht für Parteipolitik. ({3}) Ich denke, insgesamt würde es unserem Land guttun, wenn wir wegkommen von der Lust an Empörung und Skandalisierung. ({4}) Denn Menschen brauchen Orientierung und auch mal ein bisschen Ermutigung. Seit über zwei Jahren leben wir alle in einer deutlich veränderten Realität. Alle miteinander – nicht alle, aber die allermeisten – versuchen wir, bestmöglich damit umzugehen, um so viel Leid und Tod wie möglich zu verhindern und gleichzeitig unvermeidbare Härten so gut wie möglich abzufedern. Im Kleinen wie im Großen leisten viele, viele Menschen in unserem Land ihren Beitrag dazu, dass diese größte Gesundheitskrise seit über 100 Jahren durchgestanden wird. ({5}) Sie leben ihren veränderten Alltag, informieren sich, halten sich an Regeln, auch wenn es nervt, helfen mit, andere zu schützen. Ich empfinde dies als eine ganz großartige Gemeinschaftsleistung. ({6}) Noch mal: Vermeiden wir Empörung und Skandalisierung, und stärken wir gemeinsam das Vertrauen der Menschen in die demokratischen Institutionen, in wissensbasierte Entscheidungsprozesse, wie sie hier stattfinden! Da – das haben wir eben leider wieder gemerkt – unterscheiden wir uns eben von den Kollegen ganz rechts außen, die unser gemeinsames demokratisches Fundament in dieser Gesellschaft gezielt mit Fake News zu zersetzen versuchen. Daher freue ich mich, dass wir heute diese Verordnung hier mit breiter Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten beschließen. Sehr geehrter Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, zu prüfen, ob es nicht möglich ist, dass die heute wieder von der Tribüne verbreiteten Fake News durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages widerlegt werden. ({7}) Ich freue mich in diesem Sinne auf die weitere gemeinsame Arbeit mit allen verantwortungsvollen Fraktionen. Vielen Dank. ({8})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, nachdem ich weiß, dass Sie immer darauf drängen, dass man schnell zum Schluss kommen soll, habe ich mich schon aufgestellt. Das müssen Sie mir jetzt nachsehen. ({0}) Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind jetzt am Schluss der Debatte zur COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung – ein schönes Wortungetüm. Aber es betrifft ja eine flexible Art, mit Blick auf wichtige Infrastrukturen zu reagieren, wenn Covid-19 bzw. jetzt Omikron möglicherweise übers Land fegt und viele Menschen davon betroffen sein werden, die wir als Pfleger und Unterstützer in den Krankenhäusern benötigen, aber genauso natürlich bei den Sicherheitsdiensten und in vielen anderen Bereichen. Der Kollege Janosch Dahmen hat ja bereits dargelegt, dass wir darauf flexibel zu reagieren haben, auch auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Behandlung. Das ist auch richtig so, und das wird jetzt von den Fraktionen auch breit geteilt. Aber gleichzeitig bildet es ja auch eine Grundlage für die verschiedensten Gesundheitsminister der Länder. Es ist am 5. Januar in der Besprechung der Gesundheitsminister der Länder mit dem Bundesgesundheitsminister letztendlich die Grundlage dafür geschaffen und der Anstoß gegeben worden, hier diese Ausnahmenverordnung zu verändern; es wurde die Möglichkeit geschaffen, sie anzupassen. Das zeigt sehr deutlich: Wir können in der Pandemie großartig zusammenarbeiten, um damit für die Sicherung der Menschen in den vielfältigsten Bereichen eine gute Grundlage zu haben. Da danke ich allen, die sich mit eingebracht haben: den Ministern auf der Landesebene, natürlich auch dem Bundesgesundheitsminister und der Frau Staatssekretärin, die es heute dargelegt hat. Ich glaube, dass schon wichtig ist – Frau Kollegin Baehrens hat das ja dargelegt –: Dieses Thema darf nicht parteipolitisch ausgeschöpft werden, sondern wir sollten an der Pandemiebekämpfung gemeinsam arbeiten. Dafür stehe ich sehr; da bringt sich auch die Union in besonderer Weise mit ein. Dementsprechend übernehmen wir Verantwortung in den einzelnen Bundesländern, wo wir die Regierung stellen, und anderen Landesregierungen oder der Bundesregierung geben wir wichtige Anregungen. ({1}) Und die wichtigen Anregungen sind dann natürlich das Entscheidende. Wenn wir heute gemeinsam diese Ausnahmenverordnung mit großer Mehrheit verabschieden werden, so ist auch daran zu denken, dass es auch darüber hinaus viele Zusammenkünfte gibt, nämlich die große Schar der Ministerpräsidenten, die bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Bundeskanzler und mit dem Bundesgesundheitsminister in großer Einigkeit dargelegt haben, dass wir eine allgemeine Impfpflicht brauchen. Wir wissen alle – und alle haben es betont –: Impfen ist wichtig, und Impfen schützt. Impfen schützt einen persönlich, Impfen schützt die Mitmenschen. Und deshalb ist das hier auch ein großer Teil der Diskussion. Vor dem Hintergrund, dass alle Ministerpräsidenten dafür waren, sage ich: Natürlich gibt es unter den Landesministern auch einen FDP-Gesundheitsminister; da ist die FDP mit dabei. Wenn jetzt alle Ministerpräsidenten fordern, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, sage ich: So lange können wir nicht warten, bis es einen FDP-Ministerpräsidenten gibt, Herr Präsident. Das muss man auch sehen. ({2}) Das bedeutet letztendlich aber, dass dieser wichtigen Grundlage, diesem Beschluss der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler, mit dem Bundesgesundheitsminister – alle sagen: wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht –, auch nachzukommen ist. In diesem Sinne bitte ich einfach die Bundesregierung, in die Puschen zu kommen und endlich einen Gesetzesvorschlag zu machen. ({3}) Mit der Verordnung hat es jetzt schnell geklappt.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Am 5. Januar war die Sitzung, und jetzt könnten wir doch auch sehr schnell zu einer allgemeinen Impfpflicht kommen. ({0}) Das wäre doch ganz gut. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege Straubinger, bitte.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird dieser Verordnung zustimmen. Herzlichen Dank. ({0})