Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Sehr geehrter Herr Alterspräsident! So muss ich es jetzt sagen, genau; ich muss mich daran gewöhnen.
Nicht lange.
Nicht lange; da haben Sie schon recht. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Übernahme der Geschäftsordnung ist eine der ersten wichtigen Entscheidungen, die wir heute zu Beginn der Wahlperiode treffen müssen. Die Geschäftsordnung ist Grundlage für unsere gemeinsame Arbeit. Sie hat sich über viele Wahlperioden bewährt und wird uns auch durch die neue Wahlperiode tragen. Es ist gute Tradition, dass wir die Geschäftsordnung am Anfang einer Wahlperiode mit breiter parlamentarischer Mehrheit übernehmen, und das sollten wir auch heute tun.
Sie ist nicht in Stein gemeißelt – das wissen diejenigen, die bereits in der letzten Wahlperiode hier im Bundestag tätig waren –, sondern die Geschäftsordnung ist immer ein, ich sage mal, lebendiges Dokument, das sich den Gegebenheiten des Parlamentarismus, aber auch den Gegebenheiten der Arbeit hier im Deutschen Bundestag anpassen muss. Das muss eine Geschäftsordnung dann auch immer wieder in ihrer Entwicklung nachvollziehen. Wir haben dieses bereits in der letzten Wahlperiode bewiesen und einige grundlegende Änderungen beschlossen, vor allem und vorangestellt die überfällige Reform der Verhaltensregeln.
Wir begrüßen auch ausdrücklich die Initiative des scheidenden Präsidenten Herrn Schäuble, die Geschäftsordnung in dieser Wahlperiode einer Generalüberholung zu unterziehen. Wir sind gerne bereit, diese Impulse aufzunehmen, und laden auch alle anderen Fraktionen dazu ein, diesen Weg mit uns gemeinsam zu gehen. Die Vorschläge der Opposition sind ernst zu nehmen. Wir möchten sie aufgreifen und möchten gemeinsam mit Ihnen darüber diskutieren, wie eine Geschäftsordnung überarbeitet werden und in der nächsten Zeit auch wirken kann.
Wir plädieren allerdings auch dafür, dass wir die in der letzten Legislaturperiode eingeführten Regelungen für das digitale Tagen von Ausschüssen – vorerst zeitlich möglichst kurz – beibehalten; das können Sie auch unserem Antrag entnehmen. Und wir plädieren dafür, das eingeführte coronabedingte Absenken der Quoren, das notwendig war für die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages, in die neue Geschäftsordnung nicht mehr aufzunehmen.
Ich bitte, wir bitten Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag zur Weitergeltung der Geschäftsordnung, damit wir in der erforderlichen Zeit, die wir dann haben, die notwendigen Änderungen gemeinsam diskutieren und hier verabschieden können.
Herzlichen Dank.
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Stefan Müller, CDU/CSU, hat als Nächster das Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Konstituierung des Bundestages ist ein Festtag der Demokratie. Und wenn man sich auf der Welt mal umsieht und sich anschaut, wie die Situation anderswo ist, dann muss und darf man festhalten: Dass hier und heute ein unabhängiges, ein frei gewähltes, starkes Parlament zusammenkommt, ist ein Geschenk – ein Geschenk, auf das wir stolz sein und für das wir dankbar sein können, liebe Kolleginnen und Kollegen.
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Ich sage das deswegen, weil Demokratie ja immer auch ein Streit nach Regeln ist, und diese Regeln geben wir uns mit der Geschäftsordnung, die wir gleich beschließen. Diese Geschäftsordnung hat sich insgesamt bewährt, unser parlamentarisches Miteinander zu organisieren; deswegen werden wir den Antrag der SPD auch unterstützen. Dieses Bewähren gilt insbesondere auch für die Kernaufgaben, die dieses Parlament hat, nämlich die Gesetzgebung und die Regierungskontrolle.
Natürlich kann man der Auffassung sein, dass manche der Regeln, die schon einige Jahrzehnte alt sind – die Geschäftsordnung ist, glaube ich, in den 80er-Jahren zum letzten Mal wirklich grundlegend überarbeitet worden –, nicht mehr zeitgemäß sind; darüber herrscht, so denke ich jedenfalls, auch fraktionsübergreifend Übereinstimmung.
Frau Kollegin Katzmarek hat es gerade angesprochen: Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hat vor Kurzem angeregt, diese Regeln einer Überarbeitung zu unterziehen. Dem Vorschlag, das im zuständigen Geschäftsordnungsausschuss zu tun, schließen wir uns ausdrücklich an.
Nicht überarbeitungsbedürftig ist die Geschäftsordnung für uns allerdings bei der Wahl des Bundeskanzlers. Wir werden ja gleich auch über Änderungsanträge der AfD entscheiden; deswegen möchte ich dazu auch gerne Stellung nehmen und die Position der CDU/CSU hier vortragen. Wir glauben, diese Regelungen haben sich in der Vergangenheit bewährt.
Um es in aller Klarheit zu sagen: Eine Kanzlerwahl dient nicht der persönlichen Profilierung einer Fraktion, sondern sie dient dazu, diesem Land eine stabile Regierung zu geben. Deshalb soll ja nach dem Willen der Mütter und Väter des Grundgesetzes eine solche Wahl nur auf die Tagesordnung dürfen, wenn erkennbar ist, dass sich für eine erfolgreiche Kanzlerwahl auch eine erkennbare Mehrheit im Bundestag organisiert hat. Daran orientiert sich auch unsere Geschäftsordnung: Der Bundespräsident macht einen Wahlvorschlag; scheitert dieser Vorschlag, muss ein neuer Vorschlag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten im Bundestag unterzeichnet sein.
Genau da setzt die AfD an, möchte das ändern, möchte gewissermaßen eine Sonderregel für sich selbst einführen. Man stellt sich die Frage, warum das jetzt ausgerechnet am heutigen Tag stattfindet, wo die Kanzlerwahl gar nicht zur Diskussion steht.
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Wer sich einmal die letzte Wahlperiode anschaut, der weiß ganz genau: Es geht gar nicht um die Sache, sondern es geht darum, für Social Media die richtigen Videoclips zu produzieren. Es geht darum, hier die große politische Bühne zu haben, um sich inszenieren zu können; es geht um nicht mehr und nicht weniger.
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Die AfD versucht seit mittlerweile vier Jahren, die Bundestagssitzungen für ihren parteipolitischen Klamauk zu missbrauchen. Wir werden nicht zulassen,
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dass Sie das auch bei der Kanzlerwahl so machen.
Die AfD möchte als Fraktion Misstrauensanträge ohne Mindestzahl von Unterstützern stellen können. Hier gilt das Gleiche: Dies ist der Plenarsaal des Bundestages, nicht der Spielplatz für Ihre destruktive Propaganda.
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Es würde Ihnen bei diesen Misstrauensanträgen nur darum gehen, permanentes Misstrauen in die Institutionen und in unseren Staat zu säen. Das werden wir nicht zulassen. Deswegen werden wir als CDU/CSU Ihre Anträge ablehnen.
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Britta Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, hat als Nächste das Wort.
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Sehr geehrter Herr Alterspräsident Wolfgang Schäuble! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat wichtig und notwendig, dass wir uns gleich zu Beginn dieser konstituierenden Sitzung einen Rahmen geben. Dieser Rahmen als Grundlage für die Zusammenarbeit ist unsere Geschäftsordnung. Das ist wichtig und notwendig für uns, damit klar ist, wie die Arbeit des Parlamentes funktionieren kann. Manche haben einen solchen Rechtsrahmen nötiger als andere; aber für uns alle ist er verbindlich.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, das ist gut und richtig. Der Antrag, den die SPD vorgelegt hat, reagiert an einigen Stellen auch auf die aktuelle Situation. So regelt § 126a der Geschäftsordnung in der pandemischen Zeit eine Ausnahme für die Beschlussfähigkeit des Deutschen Bundestages. Diese heben wir mit dem heutigen Tag auf. Es ist richtig und notwendig, das zu tun; denn wir haben vereinbart, bis auf sehr wenige dort oben, dass wir in einem 3-G-Regime durchaus auch in größerer Anzahl hier tagen können. Deshalb erübrigt sich also auch die Frage, ob wir auch in einer kleineren Anzahl beschlussfähig sind. Also, das macht Sinn, meine Damen und Herren.
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Wir werden auch im weiteren Prozess noch über einige Änderungen der Geschäftsordnung reden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen spreche ich jetzt die Neuen hier im Haus an: Natürlich ist eine Geschäftsordnung auch etwas wahnsinnig Lebendiges; denn sie ist ja nicht statisch. Wir haben in den letzten Monaten schon oft darüber geredet, an welcher Stelle wir Änderungen brauchen. Wollen wir zum Beispiel beim Fragerecht noch etwas ändern? Wollen wir uns andere Regeln in bestimmten Umgängen mit den Fraktionen geben? All das wird in den nächsten Wochen und Monaten im Geschäftsordnungsausschuss und abschließend hier diskutiert. Deshalb ist es richtig und gut, zu sagen: Das machen wir dann im Geschäftsordnungsausschuss und bereiten das für das Parlament vor. – Dennoch liegen heute zwei Änderungsanträge vor. Von mir aus nehmen wir die auch mit in den Geschäftsordnungsausschuss. Da können wir noch einmal über den Sinn und Unsinn dieser Änderungsanträge der AfD diskutieren.
Ich will in der Sache trotzdem ganz kurz etwas dazu sagen: Was soll dieser Änderungsantrag im Hinblick auf die Absenkung der Anzahl der Abgeordneten,
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den Bundeskanzler, die Bundeskanzlerin mit einem Viertel der Mitglieder dieses Hauses wählen zu können? Meine Damen und Herren, wer nachdenken kann – das hilft in dieser Situation –,
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weiß, dass wir bei sehr, sehr vielen Gesetzgebungsverfahren hier im Haus die Kanzler/-innenmehrheit brauchen. Wo sollte also der Sinn liegen, meine Damen und Herren, ausgerechnet bei der Wahl eines Kanzlers oder einer Kanzlerin zu sagen: „Dafür reicht ein Viertel“, außer der Tatsache, dass sich die Abgeordneten der AfD damit erneut ausleben wollen: Woche für Woche, Monat für Monat?
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Ich finde, es gibt keine sachlich guten Gründe, und das Parlament sollte dem keine Zustimmung geben, meine Damen und Herren.
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Es ist doch albern. Wir brauchen 369 Abgeordnete für eine Kanzler-/Kanzlerinnenmehrheit bei besonders relevanten Fragen. Aber mit einem Viertel der Abgeordneten soll man den Kanzler oder die Kanzlerin vorschlagen können? Das ist doch absurd. Und die Ankündigung, dass ein gewisser Herr Brandner das vorstellen will, macht es nicht besser, meine Damen und Herren.
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Also ich schlage vor: Wir nehmen das mit. – Meine Haltung dazu ist klar, und ich habe gehört: Anderen geht es ähnlich.
Der zweite Änderungsantrag im Hinblick auf die Frage, ob wir demnächst parlamentarische Initiativen oder Anträge, so wie es die Lebenswirklichkeit vieler Menschen abbildet, auch gendern. Das scheint den Horizont mancher Abgeordneter in der AfD zu übersteigen.
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Sie merken: Die Stimmung wird auch anders. Man hält es kaum aus.
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Ich sage nur, meine Damen und Herren: Kommen Sie doch einfach in der Lebenswirklichkeit an.
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Machen Sie es doch, wie Sie es wollen, aber schreiben Sie nicht allen anderen vor, was sie zu denken, zu tun und zu reden haben.
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Insofern nehmen wir das gerne mit in die Diskussion im Geschäftsordnungsausschuss. Ich denke, wir starten heute einfach einmal ganz gut durch, und das ohne die Änderungsanträge der AfD.
Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Marco Buschmann, FDP.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Als ich gestern insbesondere die neuen Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion auf den heutigen Tag eingestimmt habe, habe ich von einem weihevollen Tag gesprochen, einem Tag, der so ein bisschen ähnlich ist wie Taufe oder Erstkommunion,
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weil man etwas ganz Neues in seinem Leben erlebt. – Man kann auch, Herr Kollege Korte, Jugendweihe sagen.
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Entscheidend ist aber, dass wir heute das ausstrahlen, was die Bürgerinnen und Bürger erwarten, nämlich einen würdigen Umgang mit der Verantwortung, die sie uns allen übertragen haben. Zu diesem würdigen Umgang gehört der Streit nach Regeln. Das hat der scheidende Präsident vorhin gesagt. Diese Regeln geben wir uns jetzt, und es spricht für die Kultur unseres Parlamentarismus, dass wir einen sehr breiten Konsens haben, was den übergroßen Teil der richtigen und angemessenen Regeln für diesen Streit angeht. Deshalb unterstützen wir auch den Antrag der größten Fraktion des Hauses, die diesen Antrag traditionell einbringt, den Frau Katzmarek hier gerade vorgetragen hat. – Das ist die erste Bemerkung, die ich machen wollte.
Die zweite Bemerkung ist: Auch wir begrüßen es, dass wir die Geschäftsordnung einer Modernisierung unterziehen. Wir haben in der Coronazeit gelernt, dass es überhaupt nicht wehtut, Kolleginnen oder Kollegen digital zuzuschalten, Sachverständige digital zuzuschalten. Vieles, was lange Zeit als unwürdig, außergewöhnlich oder nicht umsetzbar galt, ist mit dem kleinen Vorbehalt, dass es technisch noch immer nicht ganz reibungslos klappt, überhaupt nicht schlimm. Es ist ein Gewinn für viele Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich auf eine Debatte zur grundlegenden Modernisierung der Geschäftsordnung.
Mit meiner dritten Bemerkung möchte ich auf einen der beiden bereits angesprochenen Änderungsanträge der AfD eingehen. Was technisch ein wenig auf leisen Sohlen daherkommt, nämlich die Absenkung des Quorums für einen Antrag sowohl zur Wahl als auch – darum geht es in Wahrheit wirklich – zur Abwahl eines Bundeskanzlers, ist in Wahrheit eine völlige Umkehrung des Charakters dieses Instruments. Die Abwahl des Bundeskanzlers, wie sie unser Grundgesetz vorsieht, ist eine Antwort auf unsere Geschichte. Die Abwahl eines Bundeskanzlers kann nur erfolgen durch die Neuwahl eines Kanzlers. Es ist das berühmte konstruktive Misstrauensvotum. Das konstruktive Misstrauensvotum ist eine Antwort auf unsere Geschichte, weil es in der Weimarer Republik ganz einfach war, eine Mehrheit gegen etwas zu organisieren. Es war leicht, eine Mehrheit zu haben, die sich darauf einigt, dass man unzufrieden ist mit dem Bestehenden, dass man sich aus der Verneinung heraus definiert. Aber es war eben schwer, eine Mehrheit zu organisieren, die sich für etwas ausspricht, für etwas, das man gemeinsam in der Mehrheit für das Bessere hält. Dadurch kam es zustande, dass reihenweise Regierungen in der Weimarer Republik aus dem Amt gejagt wurden, dass die Bürgerinnen und Bürger damals das Vertrauen in die Institutionen verloren. Und das hat mit dazu beigetragen, dass der Weg in die Diktatur geebnet wurde.
Daraus haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes eine Lehre gezogen, dass nämlich die Beseitigung eines gewählten Bundeskanzlers aus dem Amt durch das Parlament nur möglich ist, wenn es eben nicht nur eine Mehrheit gegen etwas gibt, sondern auch eine Mehrheit für etwas, das man gemeinsam für das Bessere hält.
Die Quoren der Geschäftsordnung, um ein solches Verfahren einzuleiten, stellen uns allen gemeinsam deshalb eine Prüffrage. Die Prüffrage lautet: Wie wollt ihr denn eine Kanzlermehrheit zustande bekommen, wenn nicht mal ein Viertel dieses Hauses bereit wäre, das Verfahren dafür einzuleiten? Diese Prüffrage stellt den Ausnahmecharakter dieses Verfahrens sicher; denn was nicht sein soll, ist, dass aus diesem Ausnahmeinstrument des konstruktiven Misstrauensvotums ein plenartägliches Kampfinstrument wird, das jede Sitzungswoche im Zweifelsfall gezogen wird, um das Vertrauen in die demokratischen Institutionen unseres Grundgesetzes zu unterhöhlen.
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Und wer Erfahrung mit der Fraktion, die diesen Änderungsantrag stellt, hier in den letzten vier Jahren gesammelt hat, weiß genau, dass das Ziel ist: das Vertrauen in die demokratisch legitimierten Institutionen unseres Grundgesetzes zu unterspülen, indem aus einem Ausnahmeinstrument ein plenartägliches Kampfinstrument gemacht wird. Und dabei machen die Freien Demokraten nicht mit.
Ich danke Ihnen.
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Nächster Redner ist der Kollege Stephan Brandner, AfD.
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Herr Alterspräsident! Lassen Sie mich zunächst Dank aussprechen für Ihre eindrucksvolle und ausgewogene Rede zu Beginn dieser Sitzung, die so ausgewogen und eindrucksvoll war, dass teilweise nur Applaus der AfD zu vernehmen war.
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Vielen Dank noch mal dafür, dass Sie uns vor Augen geführt haben, wo die Herausforderungen in der Zukunft liegen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns kurz über die rechtliche Flankierung des vor uns gemeinsam liegenden Lebensabschnittes in den nächsten vier Jahren, also der 20. Wahlperiode, reden. Das Regelwerk, über das ja schon hier gesprochen wurde, ist unter anderem die Geschäftsordnung, die sich zwar im Großen und Ganzen ganz nett liest, gleichwohl aber in der vergangenen Wahlperiode von Ihnen zur Bekämpfung der Opposition – und damit meine ich die AfD, die einzige Opposition; denn Sie alle regieren ja irgendwo irgendwie mit – missbraucht wurde:
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sei es der Sündenfall zum Alterspräsidenten – Bernd Baumann hatte das angesprochen –, sei es die unparlamentarische Verhinderung des Bundestagsvizepräsidenten – damit können Sie ja heute Schluss machen und mal wieder zu richtigen Parlamentariern werden –, seien es durchgepeitschte Gesetze im Rahmen der Parteienfinanzierung, seien es fragwürdige Omnibusgesetze, die völlig Verschiedenes vermischen, nämlich Fluthilfe beispielsweise mit Coronamaßnahmen. Es gibt viel zu tun, viel zu regeln, viel zu ändern an der Geschäftsordnung; das haben meine Vorredner ja ausgeführt.
Meine Damen und Herren, wir sind heute in der beginnenden 20. Wahlperiode, in der konstituierenden Sitzung, weshalb wir uns auf zwei wichtige und wesentliche Dinge beschränken wollen:
Zum einen – und das ist die Mehrheitsmeinung im deutschen Volke – geht es um die Lesbarkeit von Drucksachen durch Verzicht auf die sogenannte Gendersprache. Die deutliche Mehrheit unserer Bürger – ungefähr zwei Drittel – lehnt den Orwell’schen Sprachunsinn ab,
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ganz unabhängig davon, um wen es sich handelt. Männer und Frauen lehnen das ab. Sie wollen keine Sternchen, sie wollen keine Binnen-Is, sie wollen keine Doppelpunkte, sie wollen keine Schräg- und keine Unterstriche,
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und sie wollen keine künstlichen Stotterpausen. Also, Sie können was für unser Volk, für die Mehrheit des Volkes, tun. Handeln wir im Sinne der großen Mehrheit unserer Bürger! Handeln Sie im Sinne der großen Mehrheit unserer Bürger! Und lassen wir einen solchen Quatsch im Deutschen Bundestag einfach in Zukunft sein!
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Frau Haßelmann, Sie können natürlich gendern und künstlich stottern, wie Sie wollen – zu Hause, in Ihren Fraktionssitzungen oder auf Ihren Parteitagen –, aber im Deutschen Bundestag sollte Vernunft walten. Dazu dient unser erster Antrag.
Meine Damen und Herren, der zweite Antrag steht ganz einfach unter dem Motto: Mehr Demokratie wagen.
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Das war nicht nur ein Anliegen von Willy Brandt; das ist auch ein Anliegen der AfD seit Bestehen der AfD: Mehr Demokratie wagen im Großen, beispielsweise durch Volksabstimmungen und Volksbegehren; mehr Demokratie wagen aber auch im Kleinen, im Rahmen der Geschäftsordnung, die gänzlich weltfremd vorschreibt, dass allein für den Wahlvorschlag zum Bundeskanzler – – Frau Haßelmann,
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da haben Sie unseren Antrag wohl nicht begriffen; entweder haben Sie ihn selbst nicht gelesen oder sich ihn falsch erklären lassen. Es geht nicht darum, dass wir das Quorum absenken wollen für die Wahl des Bundeskanzlers, sondern es geht schlicht und ergreifend um den Wahlvorschlag.
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Also, Sie haben einfach am Thema vorbeigeredet, wie wir das von Ihnen kennen, Frau Haßelmann.
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Aber die Bestenauslese schlägt ja offenbar bei den Grünen auch bei den Parlamentarischen Geschäftsführern nicht durch.
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Bei der AfD ist das anders.
Also: Die Geschäftsordnung schreibt eigentlich völlig weltfremd vor, dass man für den Vorschlag zur Wahl eines Bundeskanzlers 25 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestags, also knapp 190, braucht. Allein um kandidieren zu dürfen, benötigt man diese Anzahl, die sich offenbart. Das ist ein ganz klarer Verstoß gegen die Geheimheit der Wahl. Und wenn wir in diesen bunten Bundestag hineinschauen, bringt nur eine einzige Partei es alleine zustande, 25 Prozent für den Wahlvorschlag zusammenzubekommen. Das wäre die SPD.
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Eine andere Fraktion schafft es auch noch durch eine, sagen wir mal, seltsame Auslegung der Geschäftsordnung, durch eine komische Konstellation, dass sich zwei Parteien zusammenschließen, zwei Parteien, die krachend verloren haben bei der Bundestagswahl: die CDU bundesweit bei knapp 19 Prozent – das muss man mal wissen –, die CSU gerade mal bei 5,2 Prozent – gerade mal die 5-Prozent-Hürde übersprungen; die CSU hat gerade mal 0,3 Prozent mehr als die Linken.
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Das muss man mal wissen, was in Deutschland los ist.
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Meine Damen und Herren, Demokratie verlangt danach, dass natürlich ein Wahlvorschlag gemacht werden kann von einem relativ geringen Quorum ausgehend. Deshalb schlagen wir vor: Jede Fraktion hat das Recht, einen Kandidaten vorzuschlagen zur Wahl des Bundeskanzlers. Dann – Frau Haßelmann, ich erkläre Ihnen das gerne noch mal – kommt es natürlich darauf an, dass man die Kanzlermehrheit im Deutschen Bundestag erreicht.
Das, was Herr Müller und Herr Buschmann hier gesagt haben, ist vom Bereich der Verschwörungstheorien wirklich nicht weit entfernt und von Unkenntnis auch nicht, Herr Müller. Nicht die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben das so eingeführt, sondern die Väter und Mütter der Geschäftsordnung. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben dazu gar nichts geregelt.
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Deshalb unsere dringende Bitte, meine Damen und Herren, ganz im Sinne der Bürger unseres Landes: Verzichten wir auf die Gendersprache, und werden wir ganz im Sinne von Willy Brandt etwas demokratischer
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dadurch, dass wir die Formalien für den Vorschlag zum Kandidaten eines Bundeskanzlers etwas absenken! Werden Sie demokratischer! Folgen Sie der AfD! Stimmen Sie unseren Anträgen zu!
Vielen Dank.
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Voraussichtlich letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Jan Korte, Die Linke.
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Sehr geehrter Herr Alterspräsident Dr. Schäuble! Also, Herr Brandner, gleich in der ersten Sitzung die braune Widerlichkeitsskala in solche Höhen zu treiben,
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das ist immerhin respektvoll.
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Dass ausgerechnet Sie Willy Brandt zitieren, der gegen die Nazis gekämpft hat, der niedergekniet ist vor den Opfern des Aufstandes im Warschauer Ghetto, dass ausgerechnet Sie, die in der Tradition der Nazis stehen,
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das hier anbringen, ist abartig, um das in aller Klarheit zu sagen. Abartig und ekelerregend!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren von der AfD,
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wenn ich mir die politische Lage angucke, dann finde ich zurzeit besonders wichtig: Wie entwickelt sich Corona? Ich finde es wichtig, darüber zu diskutieren, wie wir Kinderarmut bekämpfen können. Und ich mache mir große Sorgen, dass sich hier eine Koalition anbahnt, in der das Soziale hinten runterfallen wird, weil die stabil marktradikale FDP dafür schon sorgen wird.
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Das ist etwas, was mich und viele Menschen bewegt.
Was ist der AfD wichtig? Der AfD ist wichtig: die Verunglimpfung von geschlechtergerechter Sprache. Das einzig Sinnvolle an Ihrem Änderungsantrag ist, dass man sehen kann, wie parlamentarisch verblödet Sie eigentlich sind. Ich will Ihnen mal was sagen: Wir können an Ihrem Änderungsantrag – das ist das einzig Gute – sehr gut erkennen, dass Sie offenbar in vier Jahren Bundestag nicht einmal einen Gesetzestext gelesen haben. Da gibt es kein Binnen-I, keine Doppelpunkte und keine Gendersternchen.
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Das ist so absurd, was Sie hier beantragen, weil es das gar nicht gibt in den Gesetzestexten. Also: Völlig für den Papierkorb, was Sie hier vorgelegt haben!
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Meine Fraktion wird die Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion unterstützen; denn ich halte diese Geschäftsordnung für eine gute Grundlage, auf der wir hier miteinander streiten und diskutieren können. Es findet unsere Zustimmung. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass die Geschäftsordnung so bleibt, wie sie jetzt ist, sondern sie muss generalüberholt werden. Dazu will ich auch einige Vorschläge machen; sie sind gar nicht alle explizit von mir. Ich habe mir noch mal die Reden zum Beginn der letzten Wahlperiode vom Kollegen Buschmann, der Kollegin Haßelmann und vom Kollegen Schneider durchgelesen. Das sind ja sehr, sehr gute Vorschläge gewesen. Carsten, die guten Vorschläge scheiterten ja immer an der CDU/CSU. Das können wir jetzt ändern, und deswegen werden wir natürlich auch alle eure Vorschläge hier einbringen.
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Und dann ist ja auch eine Mehrheit kein Problem, worüber ich mich sehr freue.
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Ich halte es für zentral, dass wir endlich dazu kommen, Ausschusssitzungen öffentlich zu machen. Ich finde, wir müssen das parlamentarische Fragerecht dringend stärken und ausbauen. Ich finde, wir müssen darüber diskutieren, wie wir die Möglichkeit von Großverdienern, durch Parteispenden Einfluss hier auf den Laden zu nehmen, endlich begrenzen können. Das ist eine zentrale Frage für die Glaubwürdigkeit der Politik.
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Ich glaube darüber hinaus – das ist jetzt bitter für die FDP –, dass wir endlich Großspenden von Unternehmen verbieten müssen. Denn Politik darf nicht käuflich sein. Da müssen Sie anders an Geld rankommen.
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So geht es auf jeden Fall nicht.
Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen, über den wir hier wirklich nachdenken müssen. Wenn Sie sich mal die Wahlbeteiligung angucken, kann man erkennen: Es ist eine soziale Frage. Wenn ich mir den Wahlkreis Starnberg angucke, sehe ich, dass wir dort eine Wahlbeteiligung von 80 Prozent haben. Bei mir in Sachsen-Anhalt, im Wahlkreis Anhalt, sind es gerade mal 65 Prozent.
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Das heißt also, diejenigen, die das höchste Pro-Kopf-Einkommen haben, nehmen überproportional ihre demokratischen Rechte wahr, und damit haben wir ein Ungleichgewicht in der parlamentarischen Demokratie. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir auch für Leute, diese zum Teil 35 Prozent, die nicht mehr an Wahlen teilnehmen, die sich abgemeldet haben, die Parlamente und das Parlamentsgeschehen so attraktiv machen können, dass sie sich angesprochen fühlen.
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Last, but not least: Ich glaube, dass wir bei der Kontrolle und der Begrenzung des Lobbyismus jetzt wirklich weiterkommen können, liebe Freunde von der SPD; denn die Halbtagslobbyisten der CDU/CSU sitzen ja – das ist das einzig Erfreuliche für meine Partei, kann man so sagen – jetzt in der Opposition.
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Sie sind jetzt kein Hinderungsgrund mehr. Deswegen glaube ich, dass wir für die Vorschläge der FDP, der Grünen und der SPD – die Linke ist immer für große Reformen zu haben –, die ich in der nächsten Woche einbringen werde und die zum Teil wortgleich von den Grünen und der FDP kommen, hier eine übergroße Mehrheit haben werden, und darüber freuen wir uns.
Alles Gute für die weitere Debatte!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Korte, wir waren uns eigentlich in der letzten Legislaturperiode einig, dass wir Vorwürfe, dass Fraktionen oder Kolleginnen und Kollegen in der Tradition der Nationalsozialisten stehen, als unparlamentarisch in diesem Hause nicht hören wollen.
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Mein Rat an meine Nachfolgerin
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und an alle, die es angeht – Sie alle, mich eingeschlossen –, ist, dass wir daran auch in dieser Legislaturperiode festhalten.
Damit schließe ich die Aussprache.
Sehr geehrter Herr Alterspräsident, die SPD-Bundestagsfraktion schlägt die Kollegin Bärbel Bas vor.
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Herr Alterspräsident, vielen Dank. Ich nehme die Wahl von Herzen gerne an. Vielen Dank.
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Ah! Faszinierend. Wunderbar. – Frau Präsidentin, vielen Dank. Ich hatte zumindest versucht, mich vor der Abstimmung über Satz 2 zu Wort zu melden, der sich, wie Sie richtig erwähnt haben, auf das Vorschlagsrecht bei der Wahl der Stellvertreter der Präsidentin bezieht. Ich wollte nur fürs Protokoll anmerken, dass – auch im Hinblick auf den beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Organstreit – ich davon ausgehe, dass dieser Satz 2 mein Vorschlagsrecht als Abgeordneter nicht tangiert. – Fürs Protokoll. Vielen Dank.
Das hätte ich gerne vor der Abstimmung gesagt. Das habe ich hiermit nachgeholt. Ich glaube nicht, dass es am Abstimmungsergebnis irgendwas geändert hätte. Aber es wäre korrekt gewesen, mich das vor der Abstimmung sagen zu lassen.
Vielen Dank.
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Vielen Dank.
Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl sehr gerne an und freue mich auf die Zusammenarbeit. – Vielen Dank.
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Ich frage Sie, Frau Kollegin Magwas: Nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an, bedanke mich auf das Herzlichste für das Vertrauen und freue mich auf die Zusammenarbeit. – Vielen Dank.
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Vielen Dank. – Frau Kollegin Roth, nehmen Sie die Wahl an?
Ja, ich nehme sie mit großer Freude an, bedanke mich von ganzem Herzen für das Vertrauen und werde mich bemühen, es nicht zu enttäuschen.
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Herr Kollege Kubicki, nehmen Sie die Wahl an?
Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl sehr gerne an. Beim nächsten Mal werde ich mich auch selbst wählen. – Vielen Dank.
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Frau Kollegin Pau, nehmen Sie die Wahl an?
Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an und freue mich auf die Zusammenarbeit für die Demokratie.
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