Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Gemäß dem gestern abend hier im Hause gefaßten Beschluß rufe ich vor Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung von heute auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Amtszeit von Richtern und des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes ({0}).
Soll der Gesetzentwurf begründet werden, Herr Dr. Krone?
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- Das Haus verzichtet auf Begründung. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird sich nicht in der Lage sehen, einer Ausschußüberweisung dieser Vorlage zuzustimmen. Zwar beruht der Initiativantrag auf einer Anregung, die das Bundesverfassungsgericht selbst in seiner Stellungnahme vom 14. Juni 1955 gegeben hat. Darin heißt es:
Sollte befürchtet werden, daß durch die Vorwegnahme der technischen Novelle die von der Bundesregierung vorgeschlagene sofortige Verminderung der Richterzahl um 4 Jahre hinausgeschoben werde, so könnte in der technischen Novelle die Amtszeit der acht Richter, die im September dieses Jahres ausscheiden würden, um ein Jahr, also bis zum 7. September 1956, verlängert werden.
Aber Sie alle kennen das Sprichwort, daß manchmal auch Homer schläft. Ohne daß ich dem Bundesverfassungsgericht zu nahe treten will, darf ich doch gegenüber dieser seiner Stellungnahme darauf hinweisen, daß es sich mit der Frage einer Verlängerung von Wahlzeiten schon einmal richterlich beschäftigt hat, und zwar im ersten Südweststaaturteil vom 23. Oktober 1951. Dort hat das Bundesverfassungsgericht gesagt:
Wesentlich ist ihr
- nämlich der Demokratie auch, daß den Wahlberechtigten das Wahlrecht
nicht auf einem in der Verfassung nicht vorgesehenen Wege entzogen oder verkürzt wird.
Und nun kommt der entscheidende Satz:
Das Wahlrecht wird auch beeinträchtigt, wenn fällige Wahlen hinausgeschoben werden.
Um genau das handelt es sich hier bei dieser Vorlage. Diese Vorlage steht mit dem Grundgesetz nicht im Einklang; denn nach dem Grundgesetz sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts zu wählen. Es gibt also keine gesetzlich ernannten oder gesetzlich im Amt „verlängerten" Richter. Könnte man diesen Weg gehen, d. h. Wahlzeiten durch Gesetz verlängern, dann könnte man sie im Umkehrschluß durch Gesetz möglicherweise auch verkürzen.
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Es ist auch mit der Unabhängigkeit der Richter
nicht vereinbar, daß die Richter davon abhängig
sind, ob das Parlament von Zeit zu Zeit, und zwar
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kurzfristig, auf ein Jahr, möglicherweise das nächste Mal auf sechs Monate oder auf drei Monate, Amtszeiten verlängert.
Mit dem Grundgesetz ist auch nicht in Einklang zu bringen, daß die beim Bundesverfassungsgericht Antragsberechtigten nicht vor Richtern stehen, die nach dem Grundgesetz vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt sind - und zwar auf fest bestimmte Zeiten gewählt sind, acht Jahre, lebenslänglich -, sondern vor Richtern, die das Parlament ad hoc um ein Jahr in ihrer Zeit verlängert hat.
Es befindet sich deshalb auch sowohl in der Vorlage wie in der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juni 1955 ein Irrtum, wenn es dort heißt: „Amtszeit". Es gibt keine „Amtszeit", es gibt nur eine Wahlzeit, und eine Wahlzeit kann nur und ausschließlich und einzig und allein durch Wahlen geschaffen werden, nicht aber durch ein Gesetz.
Aus diesem Grunde sind wir außerstande, die Zustimmung dazu zu geben, daß eine Gesetzesvorlage, die auf so erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken stoßen muß, im Ausschuß beraten wird. Schon gestern hat mein Kollege Greve darauf hingewiesen, daß ja bereits für den 13. Juli das Wahlmännergremium des Bundestages zusammengerufen ist. Infolgedessen besteht zu einer solchen überstürzten Novelle kein Anlaß. Wie überstürzt sie ist, können Sie aus dem Text der Novelle selbst ersehen. Es ist dort die Rede von acht Richtern und dem Präsidenten; man hat nicht einmal gemerkt, daß der Präsident zu diesen acht Richtern gehört.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich vermag mich den Argumenten des Herrn Kollegen Arndt nicht anzuschließen. Es wäre so, Herr Kollege Arndt, wenn die Amtszeit oder Wahlzeit verfassungsrechtlich geregelt wäre. Sie ist aber durch ein einfaches Bundesgesetz geregelt. Ich bin der Meinung, daß das, was durch einfaches Bundesgesetz geregelt ist, auch durch einfaches Bundesgesetz ohne Verstoß gegen die Verfassung abgeändert werden kann.
Immerhin verkenne ich nicht, daß die von Ihnen aufgeworfenen Fragen einer sorgfältigen Prüfung bedürfen. Deswegen bitte ich das Hohe Haus, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Worte noch. Herr Kollege Hoogen, ich verkenne nicht, daß das Bundesverfassungsgerichtsgesetz ein einfaches Gesetz ist, und es ist selbstverständlich durch einfaches Gesetz abänderbar, mit der Begrenzung, daß es nicht völlig beseitigt werden kann und daß nichts darin geschehen darf, was mit den Prinzipien der Verfassung nicht im Einklang steht. Aber darum handelt es sich nicht. Zwingend vorgeschrieben ist, daß die Richter gewählt werden, und das einfache Gesetz hat nur den Wahlmodus und die Wahlzeiten geregelt. Hier wird jedoch von der
Wahl abgegangen; hier soll es auf einmal Richter geben, die nicht mehr gewählt sind, sondern deren Amtszeit kraft Gesetzes verlängert ist. Denn die jetzt ausscheidenden Richter sind seinerzeit auf vier Jahre gewählt, und mit Ablauf dieser Frist hört ihre Wahlzeit auf, so daß sie keine gewählten Richter mehr sind. Durch ein solches Gesetz würden sie gesetzlich ernannte Richter auf ein Jahr werden. Das ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die erste Beratung des aufgerufenen Gesetzes.
Es ist Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 1536 an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Bannmeilengesetz ({1}).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Justizminister von Rheinland-Pfalz Becher.
Becher, Minister der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat das Bannmeilengesetz am 4. Mai dieses Jahres beschlossen; am 20. Mai hat der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen. Ziel der Anrufung war die Änderung nur einer Bestimmung des Bannmeilengesetzes, nämlich des § 3. Der § 3 regelt, wer Ausnahmen von dem generellen Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel und von Aufzügen in den befriedeten Bannkreisen der Gesetzgebungsorgane des Bundes in Bonn und des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe zulassen kann. Das generelle Verbot ist schon durch § 16 des Versammlungsgesetzes verfügt worden.
Lassen Sie mich bitte kurz darlegen, wie diese Frage im bisherigen Gang der Gesetzgebung geregelt werden sollte. Der Regierungsentwurf sah für Bonn eine Zuständigkeit des Bundesinnenministers im Einvernehmen mit den Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates vor, für Karlsruhe aber die des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ohne Einschaltung des Bundesinnenministers. In seiner Stellungnahme im sogenannten ersten Durchgang schlug der Bundesrat vor, die vom Regierungsentwurf für Karlsruhe vorgesehene Regelung auch auf Bonn zu übertragen. Der Bundestag beschloß umgekehrt, die Zuständigkeit für den befriedeten Bannkreis des Bundesverfassungsgerichts ebenso zu regeln, wie es der Regierungsentwurf für den Bannkreis der Gesetzgebungsorgane in Bonn vorsah, sie also in beiden Fällen dem Bundesinnenminister zuzuweisen, der aber jeweils nur im Einvernehmen mit den Präsidenten der geschützten Verfassungsorgane eine Ausnahmegenehmigung sollte erteilen können. Der Bundesrat hat daraufhin den Vermittlungsausschuß mit dem Ziel angerufen, für Karlsruhe wieder zum Regierungsentwurf zurückzukehren und für Bonn
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eine entsprechende Regelung zu treffen, also in beiden Fällen die Präsidenten und nicht den Bundesinnenminister für zuständig zu erklären. Der Vermittlungsausschuß hat sich dem Vorschlag des Bundesrates angeschlossen.
Zunächst wurden verfassungsrechtliche Bedenken beraten. Der Ausschuß kam aber schließlich zu der Aufassung, daß verfassungsrechtliche Bedenken weder gegen die Bundestags- noch gegen die Bundesratsfassung bestehen. Ich kann Ihnen deshalb Erörterungen über diese Frage ersparen.
Einigkeit bestand zunächst darüber, daß die Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung innerhalb der Bannmeilen auf jeden Fall bei den Innenministern der Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liegt, ganz gleichgültig, welches Bundesorgan für die Erteilung eines Dispenses vom generellen Versammlungs- und Aufzugsverbot des § 16 des Versammlungsgesetzes zuständig ist. Die Länderinnenminister könnten also trotz einer von einem Bundesorgan erteilten Ausnahmegenehmigung Versammlungen und Aufzüge innerhalb der Bannmeilen etwa mit der Begründung verbieten, daß ihre Polizeikräfte Richt ausreichten, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Versammlungen und Aufzüge zu gewährleisten.
Für die Gesichtspunkte, die im Mittelpunkt der Beratungen des Vermittlungsausschusses standen, möchte ich nur auf wenige Überlegungen hinweisen, die im Ausschuß vorgetragen worden sind. Ich möchte damit allerdings nicht den Anspruch darauf erheben, einen absolut erschöpfenden Bericht über das zu geben, was im Vermittlungsausschuß für und wider die eine oder andere Lösung vorgetragen worden ist.
Für die vom Bundestag beschlossene Fassung wurde unter anderem angeführt, daß nach unserer Verfassungsstruktur allein der Bundesinnenminister für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in Frage kommen könne. Wenn es zu Zwischenfällen kommen sollte, so solle der Bundestag nicht darauf angewiesen sein, seinen Präsidenten zur Verantwortung zu ziehen. Es sei vielmehr richtiger, wenn der Bundesinnenminister die parlamentarische Verantwortung trage. Der Bundesinnenminister sei im übrigen auch am besten imstande, auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Nachrichten und in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Landesinnenminister die Lage zu beurteilen und dementsprechend Ausnahmegenehmigungen zu erteilen oder zu verweigern. Weiterhin sei es durchaus möglich, daß es bei Versagung einer Ausnahmegenehmigung zu Prozessen vor den zuständigen Gerichten komme, etwa wenn ein Verstoß gegen das Verbot der Willkür behauptet werde. Derartige Prozesse würden in hohem Maße politischen Charakter haben. Es sei mißlich, wenn der Präsident des Bundestages oder der des Bundesverfassungsgerichts in. solchen Prozessen als Partei auftreten müßten. Im übrigen könne eine Zuständigkeit des Bundestagspräsidenten keinesfalls auf Art. 40 des Grundgesetzes gestützt werden. Mit seinem Hausrecht habe die Erteilung eines Dispenses nach § 3 des Bannmeilengesetzes nichts zu tun. Den Interessen der geschützten Verfassungsorgane sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß der Bundesinnenminister nicht ohne das Einvernehmen mit ihren Präsidenten handeln könne. Nach außen sollte also richtigerweise ein Bundesminister auftreten.
Insgesamt schütze also nur eine Zuständigkeit des Bundesinnenministers das Parlament vor Unzuträglichkeiten. Bundestag, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht sollten sich zu ihrem Schutze der Bundesregierung bedienen.
Demgegenüber wurde zugunsten der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung vor allem darauf hingewiesen, daß die zuständigen Länderinnenminister die beste Übersicht über die polizeiliche Lage in den befriedeten Bannkreisen hätten. Die Präsidenten von Bundestag und Bundesverfassungsgericht könnten sich unmittelbar mit ihnen in Verbindung setzen und sich auf Grund der Informationen dieser Minister darüber schlüssig werden, ob eine Ausnahme zugelassen werden könne oder nicht. Die Verantwortung für Ausnahmegenehmigungen müsse bei einem Organ derjenigen Institution liegen, die durch die Bannmeile geschützt werden solle. Es komme hinzu, daß nach der Bundestagsfassung der Innenminister selbst dann nicht verpflichtet sei, eine Ausnahme zuzulassen, wenn die Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates oder der Präsident des Bundesverfassungsgerichts eine Genehmigung für unbedenklich hielten. Das sei eine nicht zu vertretende Regelung.
Der Vermittlungsausschuß hat das Für und Wider für jede der in Frage kommenden Regelungen sorgfältig abgewogen. Er war schließlich der Ansicht, daß der Vorschlag des Bundesrates aus rein praktischen Gründen den Vorzug verdient. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen deshalb vor, dem Vorschlag des Bundesrates zu folgen. Für die Fassung des § 3 darf ich auf die Ihnen vorliegende Drucksache 1445 verweisen.
Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich Sie, dem Einigungsvorschlag des Ausschusses zu folgen und das Gesetz entsprechend zu ändern.
Das Wort zu einer Erklärung gemäß § 10 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses erteile ich dem Abgeordneten Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich sehen uns nicht in der Lage, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Der Herr Berichterstatter hat in einer sehr anerkennenswerten Deutlichkeit und Ausführlichkeit hier die Erwägungen vorgetragen, die für, und auch die, die gegen den Vorschlag des Vermittlungsausschusses sprechen. Ich kann mich deshalb kurz fassen und mich darauf berufen.
Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß man den Präsidenten des Parlaments, aber erst recht dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts eine ihnen völlig wesensfremde Aufgabe aufbürden würde, wenn man sie zu dieser Entscheidung beriefe. Wir sind vielmehr der Meinung, daß der Bundesinnenminister für die Entscheidung zuständig sein sollte, die er dann nach der Fassung des Bundestages im Einvernehmen mit den hier in Betracht kommenden Präsidenten zu fällen haben würde, und zwar auch deswegen, weil, wenn Mißhelligkeiten vorkommen sollten, das Parlament sich an die Bundesregierung, in dem Fall an den Bundesminister des Innern, halten können muß und wir es nicht für gut halten, daß der Bundestag z. B. seinen eigenen Präsidenten in einer unter Umständen hochpolitischen Frage zur Verantwortung ziehen müßte.
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A) Aus diesen Gründen bitten wir Sie, dem Vorschlage des Vermittlungsausschusses nicht zuzustimmen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 1445 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ({1}).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Senator Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens des Vermittlungsausschusses Ihnen hinsichtlich des Gesetzes zum Schutze deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung folgendes zu berichten.
Der Deutsche Bundestag hat das genannte Gesetz in seiner 83. Sitzung am 26. Mai beschlossen. Der Bundesrat hat hierzu am 10. Juni den Beschluß gefaßt, zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, den Bundestag zu bitten, daß das von ') ihm verabschiedete Gesetz in verschiedenen Punkten geändert wird. Er hält dabei gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung eine gemeinsame Abstimmung im Bundestag über die Änderungen nicht für erforderlich.
Das Gesetz bezweckt bekanntlich, die Abwanderung national wertvollen Kulturgutes zu verhindern. Es soll ein Verzeichnis dieses Kulturgutes geführt werden. Wer derartiges Kulturgut besitzt und nach dem Ausland verbringen will, bedarf hierzu der Genehmigung des Bundesinnenministers. Wird die Genehmigung versagt und befindet sich der Verkäufer in einer Notlage, dann soll das zuständige Land einen billigen Ausgleich herbeiführen. Das ist der Sinn des Gesetzes.
Der Vermittlungsausschuß hat erstens beschlossen, im § 5 die Worte „ein weiterer Sachverständiger" zu ersetzen durch die Worte „zwei weitere Sachverständige". § 5 besagt, daß der Bundesinnenminister die Genehmigung zur Ausfuhr des Kulturgutes erteilen kann. Vor der Genehmigung ist aber ein fünfköpfiger Sachverständigenausschuß zu hören, zu dem der Bundesrat einen Sachverständigen benennt und das Land, in dem sich das Kulturgut befindet, einen weiteren Sachverständigen benennen kann. Der Vermittlungsausschuß glaubt mit dem Bundesrat, daß es billig ist, wenn das Belegenheitsland nicht einen, sondern zwei Sachverständige benennen kann.
Zweitens. § 8 soll in dem Sinne neugefaßt werden, daß die oberste Landesbehörde des Landes, in dem sich das Kulturgut befindet, für den Fall, daß die Genehmigung zur Ausfuhr rechtskräftig versagt wird und der Eigentümer des geschützten
Kulturgutes infolge einer wirtschaftlichen Notlage zum Verkauf gezwungen ist, auf einen billigen Ausgleich unter Berücksichtigung der im § 1 Abs. 3 ausgesprochenen Steuervorteile hinzuwirken habe. Der Bundesrat hatte gegenüber der ursprünglichen gesetzlichen Bestimmung, wonach die oberste Landesbehörde einen billigen Ausgleich herbeizuführen habe, die mildere Formulierung beantragt, daß das in Betracht kommende Land nur einen billigen Ausgleich anzustreben habe. Der Vermittlungsausschuß ist der Ansicht, daß der in § 8 ins Auge gefaßte billige Ausgleich nicht einer Enteignung oder einem ähnlichen Eingriff in das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes gleichkomme, weil es sich bei der Ausfuhrverweigerung lediglich um eine dem Eigentum als solchem immanente Beschränkung handle, wie sie ähnlich auch durch die gesetzlichen Bestimmungen über den Denkmalschutz, den Naturschutz oder auch das Devisenrecht bestehen. Der Vermittlungsausschuß hielt aber eine gesetzliche Formulierung des Inhalts, daß das in Betracht kommende Land nur einen billigen Ausgleich anzustreben habe, für nicht ausreichend und ersetzte das Wort „anzustreben" durch die Formulierung „hinzuwirken", um das Land nun tatsächlich anzuhalten, konkrete Maßnahmen einzuleiten.
Zusätzlich hat der Vermittlungsausschuß noch beschlossen, daß die in Betracht kommende oberste Landesbehörde ihre Maßnahmen im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern herbeizuführen habe. Maßgebend hierfür waren praktische und haushaltsrechtliche Erwägungen. So haben z. B. bisher in zwei Fällen, in denen wertvolles Kulturgut für Deutschland erhalten geblieben ist, nämlich bei der Madonna von Botticelli und dem Echternacher Kodex, Bund und Länder gemeinsam die Kosten für den Ankauf dieser hervorragenden Werke aufgebracht. Aus diesem Grunde ist das Benehmen mit dem Bundesinnenminister erforderlich.
Drittens. Dem Begehren des Bundesrates, in § 11 Abs. 3 das Wort „Preußen" zu streichen, weil die dort vorgesehene Stellungnahme des Bundesarchivs sich lediglich auf solches Archivgut zu beziehen habe, für das das Bundesarchiv als zuständig anzusehen sei, vermochte der Vermittlungsausschuß nicht zu folgen.
Viertens. Die vom Bundesrat gewünschte Neufassung des § 18 wurde vom Vermittlungsausschuß anerkannt. Das Gesetz hatte ursprünglich diejenigen Kulturgüter, für deren Veräußerung ohnehin schon die Genehmigung durch eine aufsichtsführende Stelle der öffentlichen Verwaltung gesetzlich vorgesehen ist, von einer besonderen Genehmigung für die Ausfuhr ausgenommen. Damit wären Kulturgüter im Eigentumsbereich der Kommunalverbände vom Genehmigungsverfahren dieses Gesetzes ausgenommen geblieben, nicht aber Kulturgut, über das oberste Landesbehörden, z. B. bei Landesmuseen, zu entscheiden haben. Der Bundesrat wünschte, diese Lücke zu schließen. Der Vermittlungsausschuß hat dem entsprochen, darüber hinaus aber auch noch dasjenige Kulturgut in die Ausnahmeregelung aufgenommen, zu dessen Veräußerung oberste Bundesbehörden befugt sind.
Zusammenfassend ist zu sagen, daß der Vermittlungsausschuß auf seiner Sitzung vom 23. Juni Änderungen des Gesetzes, und zwar von § 5 Abs. 2 Satz 3, § 8 und § 18 für notwendig gehalten hat. Ich darf das Hohe Haus namens des Vermittlungsausschusses bitten, diese im Mündlichen Bericht des
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Vermittlungsausschusses genannten drei Vorschläge anzuerkennen und hiermit dem Einigungsvorschlag des Ausschusses zu folgen und das Gesetz entsprechend zu ändern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß eine gemeinsame Abstimmung nicht erforderlich ist. Aber trotzdem kann das Haus beschließen, gemeinsam abzustimmen. Ich schlage vor, gemeinsam abzustimmen. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 1491 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes ({1}) ({2}).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Arndgen.
Arndgen ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesrat hat in Sachen des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes den Vermittlungsausschuß angerufen und in 13 Punkten Vorschläge zur Änderung dieses Gesetzes gemacht.
In seiner 13. Sitzung hat sich der Vermittlungsausschuß mit diesen Änderungsvorschlägen des Bundesrates beschäftigt und dabei die Änderungsvorschläge, die gleiche Probleme berühren, zusammen beraten. Bei den Änderungsvorschlägen zu den Punkten 1 und 6, die die §§ 368 b Abs. 6 und 368 h Abs. 2 betreffen, handelt es sich um die Frage, ob in die Berufungsausschüsse und Landesschiedsämter nur Vorsitzende mit der Befähigung zum Richteramt oder auch solche berufen werden können, die auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen zum höheren Verwaltungsdienst befugt sind. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, es bei den Vorschlägen des Bundestags zu belassen. Der Vermittlungsausschuß war nämlich der Meinung, es vorerst bei diesen Beschlüssen zu belassen, da der Rechtsausschuß des Bundestages zur Zeit über den Komplex Befähigung zum Richteramt noch berät.
Unter Punkt 2 wurde zu § 368 f Abs. 3, in dem bestimmt ist, daß in einem Gesamtvertrag über die Gesamtvergütung nach Pauschale oder nach Einzelleistungen oder nach einem anderen System Regelungen getroffen werden sollen, vom Bundesrat vorgeschlagen, einzufügen, daß, wenn eine Partei einer solchen Regelung widerspricht, die Vereinbarung eines anderen Systems nicht durch ein
Schiedsgericht erfolgen könne. Diesen Vorschlag hat der Vermittlungsausschuß abgelehnt, weil er der Meinung war, daß bei dieser wichtigen Aufgabe nicht auf eine verbindliche Entscheidung der Schiedseinrichtung verzichtet werden könne.
Bei den Vorschlägen des Bundesrats zu den Punkten 3, 4, 5, 9 und 11, die die §§ 368 g Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 sowie auch die § 368 g 1 Abs. 1 Satz 3, § 3681 Abs. 2 und § 368 m Abs. 3 betreffen, handelt es sich um Bedenken des Bundesrats verfassungsrechtlicher Natur wegen unzulässiger Mischverwaltungsbestimmungen und gegen Bestimmungen, die die Über- und Unterordnung im Verhältnis zwischen Bundes- und Landesvereinigungen vorsehen. Der Vermittlungsausschuß konnte den Vorschlägen des Bundesrats nicht zustimmen, da er der Meinung war, daß es sich bei diesen Bestimmungen nicht um Mischverwaltungen, sondern vielmehr um Bestimmungen handele, bei deren Paragraphen es sich nicht um Exekutivangelegenheiten, sondern um autonome Rechtsschöpfungen der kassenärztlichen Verbände handle.
Unter Punkt '7 beantragte der Bundesrat, in § 368 h den Abs. 5 zu streichen und den bisherigen Abs. 6 in Abs. 5 mit folgender Fassung umzuwandeln:
Soweit die Schiedsämter nach Absatz 4 zuständig sind, findet ein Vorverfahren nicht statt.
Weiter hat der Bundesrat unter Punkt 7 vorgeschlagen, in § 368 h die Absätze 7 und 8 in die Absätze 6 und 7 umzuwandeln und ferner in Art. 2 Nrn. 3 und 4 jeweiLs das Wort „Bundesschiedsamt" durch das Wort „Schiedsamt" zu ersetzen. Der Vermittlungsausschuß ist diesen Vorschlägen des Bundesrates gefolgt. Er hat dabei mit dem Bundesrat die Meinung vertreten, daß es sich bei diesen Bestimmungen um Gesetzesregelungen handle, die verfassungswidrig sind.
Dem Vorschlag des Bundesrats unter Punkt 10, § 368 1 Abs. 5 zu streichen, hat der Vermittlungsausschuß zugestimmt. Bei diesem Paragraphen handelt es sich um die Möglichkeit, durch die Bundesvereinigung der Kassenärzte eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung zu schaffen. Der Vermittlungsausschuß ist auch in diesem Fall mit dem Bundesrat der Meinung gewesen, daß eine Gesetzeskompetenz des Bundes zur Regelung der Altersversorgung der Kassenärzte nicht gegeben sei. Dazu hat der Vermittlungsausschuß aber beschlossen, in Art. 4 des Gesetzes den § 1 Abs. 2 durch folgenden Satz zu ergänzen:
Landesrechtliche Regelungen über :die Altersversorgung der Kassenärzte bleiben unberührt.
Dabei war der Vermittlungsausschuß allerdings der Meinung, daß diese Ergänzung des § 1 Abs. 2 im Art. 4 lediglich deklaratorische, aber keine konstitutive Bedeutung hat.
Den Vorschlag des Bundesrates unter Punkt 12, dem § 368 o Abs. 2 letzter Halbsatz eine neue Fassung zu geben, hat der Vermittlungsausschuß abgelehnt. Es handelt sich dabei um die Frage, ob, falls die Bundesausschüsse sich über Richtlinien zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung usw. nicht einigen können, vom Bundesminister für Arbeit durch Richtlinien oder durch Rechtsverordnungen gemeinsam mit dem Bundesrat eingegriffen werden soll.
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Dem Vorschlag des Bundesrates unter Punkt 13, den Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 um den Satz:
sowie auf die Dauer von ,drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes für die übrigen Polikliniken
zu ergänzen, hat der Vermittlungsausschuß zugestimmt. Diese Bestimmung ist notwendig, um die ärztliche Versorgung der Versicherten durch Berliner Polikliniken, die nicht mit Aufgaben der Universitätskliniken betraut sind, nicht zu gefährden. Mit dem Bundesrat hielt der Vermittlungsausschuß eine Auslauffrist von drei Jahren für notwendig.
Der Vermittlungsausschuß hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß im Bundestag eine gemeinsame Abstimmung über die Änderungsvorschläge nichterforderlich sei. Namens des Vermittlungsausschusses bitte ich Sie, dem Einigungsvorschlag, der in Drucksache 1492 niedergelegt ist, zu folgen und das Gesetz entsprechend diesen Einigungsvorschlägen zu ändern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zu einer Erklärung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Auch hier hat der Vermittlungsausschuß nicht beschlossen, daß wir gemeinsam abzustimmen hätten - ein solcher Beschluß würde uns nach der Geschäftsordnung binden -, sondern er hat gesagt: es ist nicht erforderlich, gemeinsam abzustimmen. Aber ich schlage dem Haus vor, trotzdem gemeinsam abzustimmen. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses Drucksache 1492 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Ich gebe bekannt, daß nach diesem Punkt der Tagesordnung der Rechtsausschuß seine Sitzung beginnt, und zwar im Sitzungssaal 206 Süd.
Ich rufe Punkt 4 auf:
Beratung der Übersicht 12 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vorn 15. Juni 1955 ({0}).
Ich komme zur Abstimmung. Wer der Drucksache 1458 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 auf:
Wahl des Abgeordneten Dr. Zimmermann
zum Mitglied des Wahlprüfungsausschusses
Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Als beratendes Mitglied der DP-Fraktion wird an Stelle des Abgeordneten Dr. von Merkatz der Abgeordnete Dr. Heinrich Zimmermann entsandt.
Wer der Wahl des Abgeordneten Dr. Zimmermann als beratendes Mitglied des Wahlprüfungsausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig gewählt.
Ich rufe Punkt 6 auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes ({1}).
Auf Begründung und Aussprache in der ersten Lesung wird verzichtet. Ich schlage dem Hause Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes ({2}) ({3});
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Kindergeldgesetzes ({4}) ({5}).
Ich schlage vor, daß wir die beiden Gesetzentwürfe zuerst begründen lassen und sie dann gemeinsam debattieren. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann erteile ich das Wort zuerst dem Herrn Bundesarbeitsminister zur Begründung des Entwurfs Drucksache 1539.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Vorlage des Entwurfs kommt die Bundesregierung der Entschließung des Bundestages vom 14. Oktober 1954 nach, wodurch der Bundesregierung die Aufgabe gestellt wurde, eine Kindergeldregelung für diejenigen Personenkreise mit drei und mehr Kindern zu finden, die vor. den Kindergeldgesetzen nicht erfaßt worden sind. Die Aufgabe der Bundesregierung war somit nur eine beschränkte. Alle Fragen, die durch das Kindergeldgesetz bereits grundsätzlich entschieden worden sind, waren nicht erneut zu erörtern. Wir konnten uns also der Behandlung all dieser Fragen enthalten.
Die Bundesregierung hat sich dieser Aufgabe mit großer Sorgfalt angenommen. Der Gedanke, das Gesetz zur Vermeidung von Komplikationen auf die wesentlichen Restgruppen zu beschränken und das übrige der späteren Entwicklung zu überlassen, wurde verworfen. Die Bundesregierung hat es vielmehr als unbedingtes Gebot der Gerechtigkeit angesehen, daß alle Familien mit drei und mehr Kindern ohne Ausnahme einen Ausgleich für die Mehrbelastung erhalten, die ihnen durch den Unterhalt, die Ernährung und Erziehung der Kinder im Vergleich zu den Ledigen, den kinderlosen Verheirateten und den Familien mit nur ein oder zwei Kindern erwächst. Die Bundesregierung hat es für notwendig erachtet, daß niemand von der Kindergeldregelung ausgelassen wird.
Im Hinblick auf das Prinzip, alle vorhandenen Lücken zu schließen, konnte naturgemäß das Gesetz nicht so einfach gestaltet werden, daß jeder beim Lesen sofort alle Konsequenzen übersehen kann. Es war vielmehr unvermeidlich, daß der Text nicht ganz unkompliziert wurde und auch mit Änderungen anderer Gesetze, Verweisungen und ähnlichem arbeiten mußte. Darüber, daß ein solches Gesetz gesetzestechnisch nicht ideal ist, ist sich die
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Bundesregierung völlig im klaren. Im übrigen werden Sie mir darin zustimmen, wenn ich feststelle, daß noch wichtiger als die leichte Lesbarkeit eines Gesetzes ist, daß es auf alle vorkommenden Fragen eine Antwort gibt und alle Fälle im Ergebnis eindeutig regelt. Diesem Ziel hat sich die Bundesregierung mit besonderer Aufmerksamkeit zugewandt; sie hofft, es so gut wie möglich erreicht zu haben.
Da es sich bei dem Entwurf um ein Ergänzungsgesetz handelt, folgt es den seitherigen Grundsätzen der Gesetze auf demselben Gebiet. Dies gilt vor allem für den Gedanken des Kindergeldgesetzes, daß die Gewährung des Kindergeldes eine Selbstverwaltungsangelegenheit der Berufsgenossenschaften ist. Ich darf bei dieser Gelegenheit feststellen, daß nach den bisherigen Erfahrungen mit dem Kindergeldgesetz die Selbstverwaltung das in sie gesetzte Vertrauen voll gerechtfertigt hat.
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Der Entwurf dehnt die Verpflichtung der Berufsgemeinschaft auf die Sorge für die ehemaligen Berufsangehörigen und ihre Hinterbliebenen aus. Organisatorisch ist, wie im Kindergeldgesetz, die Trägerschaft der Kindergeldzahlungen mit der Trägerschaft der gesetzlichen Unfallversicherung verknüpft.
Die durch den Entwurf erfaßten Personenkreise gliedern sich in zwei Hauptgruppen: erstens in Erwerbstätige, die durch das Kindergeldgesetz nicht erfaßt worden sind, weil sie nicht bei einer Berufsgenossenschaft, sondern bei einem andern Träger der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind; zweitens in Nichterwerbstätige, für deren Kinder kein Anspruch auf Sozialleistungen besteht.
Zu den Erwerbstätigen, die durch den Entwurf erfaßt werden, gehören einmal die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes; jedoch sind, wie es das Kindergeldgesetz bereits im Grundsatz vorsieht, auch nach dem Entwurf diejenigen ausgenommen, die unter die allgemeinen tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes mit ihren Kinderzuschlägen fallen. Dieser Grundsatz ist im Entwurf unter entsprechender Änderung des Kindergeldgesetzes noch näher präzisiert. Für die Kindergeldgewährung nach dem Entwurf werden daher vom öffentlichen Dienst praktisch im wesentlichen die Arbeitnehmer der kleinen Gemeinden und die Forstarbeiter in Frage kommen.
Zu den Erwerbstätigen, die durch den Entwurf neu erfaßt werden, gehören ferner die in Privathaushaltungen Beschäftigten. Für die Beschäftigten bei den Alliierten, die nicht unter das Kindergeldgesetz fallen, ist inzwischen eine Regelung mit den Alliierten getroffen worden. Die sich daraus ergebenden Leistungen für Kinder werden als Leistungen im Sinne des Entwurfs anerkannt. Ebenso wie nach dem Kindergeldgesetz sind die Mittel für die Kindergeldzahlung für die eben genannten Gruppen durch die Arbeitgeber aufzubringen.
Die Nichterwerbstätigen sind zum überwiegenden Teil Empfänger von Sozialleistungen. Als solche erhalten sie schon seit langem Leistungen für Kinder. Im Kindergeldanpassungsgesetz und im Dritten Änderungsgesetz zum Bundesversorgungsgesetz sind diese Leistungen, soweit sie unter 25 DM lagen, angehoben worden und damit dem Kindergeld angepaßt. Als Wille des Gesetzgebers ist hiermit festgestellt, daß das Kindergeld nicht
grundsätzlich und zusätzlich zu anderen Sozialleistungen für Kinder gewährt wird. Dementsprechend erhalten nach dem Entwurf diejenigen Nichterwerbstätigen kein Kindergeld, für deren dritte und weitere Kinder Leistungen in Höhe von 25 DM auf Grund anderer Sozialleistungsgesetze gewährt werden. Dazu gehören auch die Waisenrenten.
Der Entwurf trägt damit gleichzeitg den Erwägungen Rechnung, die im Rahmen der Sozialreform eine Rolle spielen, daß für den gleichen Lebenstatbestand eine soziale Hilfe nur einmal gewährt werden soll. Der Entwurf beschränkt sich daher hinsichtlich der Sozialleistungsempfänger darauf, die unterschiedlichen Kinderbegriffe der verschiedenen Sozialleistungsgesetze mit dem Kinderbegriff des Kindergeldgesetzes in Übereinstimmung zu bringen und vorzusorgen, daß für Waisen, dritte und weitere Kinder entweder eine Waisenrente von 25 DM oder Kindergeld gewährt wird.
Beziehen Nichterwerbstätige keine Sozialleistungen für Kinder - abgesehen von der öffentlichen Fürsorge -, so erhalten sie das Kindergeld von einer Familienausgleichskasse, falls sie oder ihr verstorbener Ernährer früher eine unter den Zuständigkeitsbereich einer Familienausgleichskasse fallende Tätigkeit ausgeübt haben. Die Bundesregierung glaubt jedoch, daß damit verbundene Belastungen den Familienausgleichskassen und damit der Wirtschaft nur zugemutet werden können, wenn während der letzten zehn Jahre mindestens noch drei Jahre lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist. Fehlt es an einer solchen Tätigkeit, so wird das Kindergeld von dem Träger der ,gemeindlichen Unfallversicherung gewährt.
Der zuletzt genannte Personenkreis ist zwar sehr klein, aber es erschien der Bundesregierung doch wichtig, ihn einzubeziehen, damit alle Personen ohne Ausnahme Leistungen für Kinder erhalten. Wo keine Beziehungen zu einer Berufsgruppe bestehen, sind die politischen Gemeinden oder ihre Verbände die gegebenen Stellen für die soziale Hilfe. Da die Träger der gemeindlichen Unfallversicherung nach dem Entwurf ohnedies die Aufgabe der Kindergeldzahlung für die bei ihnen Versicherten, einschließlich der in Privathaushaltungen Beschäftigten, übernehmen sollen, erscheint es zweckmäßig, ihnen auch die Betreuung der kleinen Gruppe Nichterwerbstätiger zu übertragen, bei denen die Verbindung zu einer Berufsgruppe fehlt.
Ich darf noch kurz auf zwei Änderungsvorschläge des Bundesrats eingehen, die grundsätzlichen Charakter tragen, während es sich bei den übrigen Änderungsvorschlägen im wesentlichen nur um Klarstellungen handelt.
Erstens. Der Bundesrat schlägt vor, in Abänderung des Kindergeldgesetzes wie in der gewerblichen Wirtschaft auch in der Landwirtschaft Selbständige mit einem Einkommen unter 4800 DM beitragsfrei zu lassen. Die Möglichkeit einer solchen Regelung ist bei den Beratungen des Kindergeldgesetzes bereits eingehend erörtert, jedoch verneint worden. In der Tat würde bei den besonderen Verhältnissen in der Landwirtschaft ein solcher Vorschlag die finanzielle Grundlage der meisten landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen zerstören und einen untragbaren Verwaltungsaufwand zur Folge haben.
Der wirtschaftlichen Lage der Landwirtschaft ist bereits dadurch Rechnung getragen worden, daß
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zwei Drittel des Aufwands an Kindergeld der gewerblichen Wirtschaft übertragen worden sind. Infolgedessen können die Beitrage der landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen entsprechend niedrig gehalten sein. In den Fällen des geringen landwirtschaftlichen Nebenerwerbs, die den Bundesrat im wesentlichen zu seinem Vorschlag veranlaßt haben, belaufen sich die Beiträge nur auf 3 DM im Jahr und liegen jedenfalls unter 12 DM im Jahr. Beiträge in solcher Höhe kommen jedoch auch in der gewerblichen Wirtschaft für Unternehmer mit niedrigem Einkommen in Betracht, da die Satzung die Heranziehung von Unternehmern mit Einkommen unter 4800 DM zu Beiträgen bis zu 12 DM im Jahr vorsehen kann und entsprechende Satzungsvorschriften in zahlreichen Familienausgleichskassen auch tatsächlich beschlossen worden sind.
Die Bundesregierung sieht auch keine Möglichkeit, den Beitragsausfall, der nach den Vorschlägen des Bundesrats entstehen würde - in zahlreichen Kassen würden über 80 % der Beitragspflichtigen ausfallen -, auf den Rest der beitragspflichtig verbleibenden Landwirte oder auf die gewerbliche Wirtschaft umzulegen.
Zweitens. Der Bundesrat schlägt eine Ergänzung des Kindergeldgesetzes und des Kindergeldanpassungsgesetzes vor, durch die verhindert werden soll, daß bei einem Wechsel der Zuständigkeit zwischen der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und den Familienausgleichskassen Verzögerungen in der Auszahlung des Kindergeldes eintreten. In Übereinstimmung mit dem Bundesrat und dem Initiativgesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion hält auch die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung dieser Fragen für erforderlich, nachdem der Plan, sie außergesetzlich zu regeln, auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Die vom Bundesrat beschlossene Regelung würde jedoch die Bundesanstalt zwingen, in jedem einzelnen Fall mit der zuständigen Familienausgleichskasse abzurechnen. Im Interesse einer sparsamen Verwaltung sieht der Entwurf der Bundesregierung nach Fühlungnahme mit dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen und der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung daher vor, daß die Bundesanstalt den Aufwand an Kindergeld, mit dem sie in Vorlage getreten ist, lediglich dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen in Rechnung stellt, der seinerseits den Erstattungsbetrag nach einem Schlüssel pauschal auf die Familienausgleichskassen umzulegen hat.
Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß durch diese Gesetzesvorlage ein Schlußstrich unter die Kindergeldgesetzgebung gezogen werden kann, und wir hoffen, durch dieses Abschlußgesetz mit dazu beizutragen, daß nun in der Zukunft wirklich alle, die mehr als zwei Kinder haben, zu dem Kindergeld kommen.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs Drucksache 1469 erteile ich das Wort dem Abgeordneten Horn.
Horn ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag eigenartig erscheinen, daß auf ein und derselben Tagesordnung des Plenums heute zwei Gesetzentwürfe zu diesem Thema zur Beratung in erster Lesung stehen, zwei Entwürfe, die, von einigen Ausnahmen abgesehen, völlig gleichen Wortlaut haben. Der Initiativantrag der CDU/CSU auf Drucksache 1469 datiert von Mitte Juni dieses Jahres. Er ist eingebracht worden aus dem Bemühen, dieses Kindergeldergänzungsgesetz möglichst noch vor den Parlamentsferien zu verabschieden. Leider ist es, entgegen unserer eigenen Absicht, nicht möglich gewesen, die Vorlage so rechtzeitig auf die Tagesordnung zu bringen, daß der Sozialpolitische Ausschuß seine Beratungen darüber rechtzeitig hätte durchführen und beenden können, so daß die Vorlage vielleicht noch zum letzten Termin vor den Ferien hätte verabschiedet werden können.
Heute haben wir beide Entwürfe in der ersten Lesung. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat die Regierungsvorlage eingehend begründet. Das enthebt mich der Notwendigkeit, auch noch einmal auf den sachlichen Inhalt unseres Initiativentwurfs besonders einzugehen. Wir befinden uns in völliger Meinungsübereinstimmung. Zwei Gedanken aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz aussprechen.
Die Vorlage sieht vor, daß dieses Kindergeldergänzungsgesetz rückwirkend vom 1. Januar dieses Jahres an in Kraft tritt. Meine Fraktion hält unter allen Umständen am 1. Januar 1955 als Termin des Inkrafttretens fest, selbst wenn das Haus die Vorlage erst nach den Parlamentsferien verabschieden wird. Die neu hinzukommenden Anspruchsberechtigten können insofern beruhigt sein; sie werden das Kindergeld mit Wirkung vom 1. Januar 1955 erhalten.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat in seiner Darlegung auch auf das Problem der Arbeitslosen und ihrer Behandlung hingewiesen. Es ist bekannt, daß unter der Wirkung des bisherigen Gesetzes insofern Schwierigkeiten entstanden waren, als die Bundesanstalt sich außerstande gesehen hat, solchen Leuten, die am Monatsende arbeitslos waren, aber im Laufe des Monats eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt hatten, das Kindergeld trotzdem durch das Arbeitsamt zu zahlen. Die Vorlage und insbesondere die Stellungnahme, die die Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats eingenommen hat, bietet auch nach unserem Dafürhalten in dieser Frage die richtige Lösung: daß die Arbeitsämter in diesen Fällen verpflichtet werden, das Kindergeld auszuzahlen, es dann aber - darauf hat ja auch schon der Herr Minister hingewiesen - nach einem festzulegenden Schlüssel mit dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen pauschal verrechnen. Dadurch wird jede Komplizierung des Verfahrens für die Folge ausgeschlossen sein.
Wir sind aber nun der Meinung, meine Damen und Herren, daß gerade dieser Punkt eine Verzögerung bis nach den Parlamentsferien eigentlich nicht verträgt. Wir müssen schon vorher aus diesen Schwierigkeiten herauskommen. Deshalb haben wir den Wunsch, daß sich der Ausschuß für Sozialpolitik, wenn er Anfang nächster Woche mit der Beratung der Entwürfe beginnt, gerade zu diesem Punkt bereits seine feste Meinung bildet, so daß dann die Bundesanstalt auf Grund einer solchen Meinungsfestlegung schon in der Lage sein wird, sofort nach dieser neuen Regelung zu verfahren, wozu sie sich bereit erklärt hat. Wir brauchen dann nach den Parlamentsferien diese im Vorwege erfolgte Meinungsbildung nur noch auch offiziell im Gesetz zu verankern.
Das, meine Damen und Herren, wollte ich zum Thema noch hinzufügen.
Ich eröffne die Aussprache über Punkt 7 a) und b) in der ersten Lesung und erteile das Wort dem Abgeordneten Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute in erster Lesung den Entwurf des Kindergeldergänzungsgesetzes, also des dritten Kindergeldgesetzes, beraten, dann müssen dabei auch die Erfahrungen mit den ersten beiden Kindergeldgesetzen angesprochen werden. In den letzten Wochen haben Damen und Herren der CDU mit besonderem Nachdruck in der Öffentlichkeit erklärt, die beiden bisherigen Kindergeldgesetze hätten sich außerordentlich bewährt.
({0})
- Ich werde darauf eingehen; wir werden das am Schluß der Aussprache feststellen. - So hat beispielsweise Frau Kollegin Rehling - ich sehe sie im Augenblick nicht im Saal ({1})
bei der Beratung des Haushalts des Herrn Bundesfamilienministers wörtlich gesagt:
Wir in der CDU sind mit dem Anlaufen des
Kindergeldgesetzes außerordentlich zufrieden,
({2})
und Frau Kollegin Praetorius schrieb kürzlich in einem Aufsatz sogar von einem „avantgardistischen Versuch" der Kindergeldgesetzgebung.
Nun, meine Damen und Herren, wie sind die Tatsachen? Leider sind der Herr Bundesarbeitsminister und auch Herr Kollege Horn in der Begründung der Vorlagen nicht auf die Erfahrungen mit den beiden bisher vorliegenden Gesetzen eingegangen.
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Wir bedauern das deshalb, weil durch dieses dritte Gesetz die beiden anderen Gesetze geändert werden sollen. Dabei ist es nach unserer Auffassung die Pflicht des Gesetzgebers, Komplikationen, die sich ergeben haben, bei diesem dritten Gesetz nach Möglichkeit zu beseitigen. Deshalb bedaure ich, daß dazu hier bei der Begründung kein Wort gesagt wurde.
Die einzige Kenntnis, die die Öffentlichkeit bisher von den praktischen Erfahrungen mit den beiden ersten Kindergeldgesetzen hat, stammt aus einem Bericht, den die Geschäftsführung der Familienausgleichskassen in einer Pressekonferenz gegeben hat. Der wesentlichste Inhalt dieser Ausführungen der Familienausgleichskassen ist dann im „Bulletin" wiederholt worden. Dabei ist allerdings dem „Bulletin" ein Irrtum in bezug auf die von den Familienausgleichskassen genannten Zahlen unterlaufen; das „Bulletin" hat die Zahl der Kinder, die erfaßt sind, um 100 000 erhöht. Nach dem Bericht der Geschäftsführung der Familienausgleichskassen sind 1 170 000 dritte und weitere Kinder erfaßt. Das Bulletin spricht in Fettschrift von 1 272 000 erfaßten Kindern. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Druckfehler. Aber man hätte dann doch erwarten können, daß das Presse- und Informationsamt diesen Druckfehler berichtigt.
Im übrigen sind unberechtigte Zahlenangaben auch bei anderen Mitteilungen über den Personenkreis dieses Gesetzes vorgekommen. Ich muß in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß vor Verabschiedung der Kindergeldgesetze der Herr Bundesfinanzminister am 29. April 1954 im Rahmen der Bundespressekonferenz erklärt hatte, durch diese Gesetze, die in bezug auf den Personenkreis nicht verändert wurden, würden 2 100 000 dritte und weitere Kinder erfaßt. Diese Zahl ist fast doppelt so hoch wie die Zahl der Kinder, für die nach den Mitteilungen der Familienausgleichs-kassen gegenwärtig Kindergeld gezahlt wird, nämlich 1 100 000. Der Bundesfinanzminister hat zwar - das darf ich im Interesse der Klarheit hier mitteilen - in einem an mich persönlich gerichteten Schreiben diese Zahlen korrigiert; er hat es aber unterlassen, die Öffentlichkeit davon zu unterrichten, daß die ursprünglichen Zahlen überschätzt waren. Gerade deshalb, weil hier im sozialpolitischen Bezirk mit Überschätzungen in den Voranschlägen des Herrn Bundesfinanzministers gerechnet wurde, sind wir kritisch gegenüber Zahlen, die für den sozialen Bereich genannt werden. Wir kommen bei einem anderen Punkt der Tagesordnung, bei den Witwenrenten, noch darauf zu sprechen.
Wenn jetzt nach den Mitteilungen der Familienausgleichskassen für 1 100 000 dritte und weitere Kinder Kindergeld gezahlt wird, so ist das natürlich ein Tatbestand, über den auch wir Sozialdemokraten uns bei aller Kritik der Gesetzgebung freuen, wenn es sich auch leider nur um etwas über 8 % aller Kinder handelt. Wenn jetzt für 1,1 Millionen von 1,6 Millionen dritten und weiteren Kindern, die das Statistische Bundesamt festgestellt hat, Kindergeld gezahlt wird, fehlen zur Zeit noch Angaben über die Zahlung von Kindergeld für fast 500 000 Kinder,
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also etwa die Hälfte der Kinder, die im Augenblick nach dem Bericht der Familienausgleichskassen Kindergeld erhalten. Selbst wenn berücksichtigt wird, daß sich nach diesem Bericht noch 136 000 Anträge in der Bearbeitung befinden, so steht doch immerhin die Berichterstattung für 300 000 dritte und weitere Kinder aus.
({5})
Sicherlich werden für einen Teil dieser Kinder Leistungen nach dem Kindergeldanpassungsgesetz in Frage kommen. Aber bisher hat weder die Bundesregierung noch irgendeine andere Stelle die geringste Mitteilung darüber gemacht, wie es praktisch mit der Gewährung von Kinderzuschüssen nach dem Kindergeldanpassungsgesetz steht. Wir hätten eigentlich von der Bundesregierung erwartet - und ich darf in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung die Bitte richten, uns darüber Auskunft zu erteilen -, daß sie mitteilt, wieviel Kinderzuschläge auf Grund des Kindergeldanpassungsgesetzes die Träger der Unfallversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Kriegsopferversorgung gewähren und wie hoch - das ist nämlich sozialpolitisch der interessante Punkt - die tatsächlichen Mehrleistungen auf Grund des Kindergeldanpassungsgesetzes sind, die nicht 25 DM, sondern erheblich weniger betragen. Das möchten wir im einzelnen wissen. Ohne diese Angaben über die Gewährung von Kindergeld auch nach dem Kindergeldanpassungsgesetz kann man überhaupt nicht übersehen, wieviel Kinder unter dieses dritte Gesetz, das Er({6})
gänzungsgesetz, fallen; denn das Ergänzungsgesetz soll alle übrigen Kinder erfassen. Bei jeder gesetzgeberischen Beratung war es bisher üblich, jedenfalls ungefähr den Umfang des in Frage kommenden Personenkreises zu umreißen. Wir bedauern deshalb sehr, daß uns, bisher jedenfalls, die Unterlagen noch nicht vorgelegt worden sind. Vielleicht ist das im Laufe der Aussprache noch möglich.
Aber noch etwas anderes fällt auf, wenn man das bisher veröffentlichte Zahlenmaterial untersucht. Nach den Unterlagen des Statistischen Bundesamtes kommen für die gewerbliche Wirtschaft ohne die Kinder von Arbeitslosen insgesamt 848 000 Dritt- und weitere Kinder in Betracht. Die gewerblichen Familienausgleichskassen behaupten aber, daß sie am 30. April bereits für 956 000 Kinder tatsächlich Kindergeld gezahlt haben, wobei noch nicht einmal die in Bearbeitung befindlichen 59 000 Anträge berücksichtigt sind. Nach ihren Angaben zahlen also die gewerblichen Familienausgleichskassen Kindergeld bereits an über 100 000 Kinder mehr, als es sich aus den statistischen Unterlagen des Statistischen Bundesamts ergibt.
Meine Damen und Herren, Idas sind Widersprüche, die geklärt werden müssen. Vermutlich liegen in den Zahlenangaben Doppelzahlungen und Doppelzahlungen. Es ist auch möglich, daß infolge dieses, wie ich nicht anders sagen kann, unglücklichen Gesetzes Scheinarbeitsverhältnisse begründet wurden, nur um Kindergeld zu erlangen. Die Dinge sind jedenfalls nach 'dem bisher bekanntgewordenen Zahlenmaterial nicht in Ordnung. Deshalb werden wir Sozialdemokraten darauf bestehen, daß die Sachverständigen, die die Gesetze durchführen, an den Ausschußberatungen hierüber teilnehmen, damit die Widersprüche in persönlicher Aussprache geklärt werden und der Öffentlichkeit Zahlen vorgelegt werden können, die einer Nachprüfung standhalten. Darauf kommt es an.
Um jedes Mißverständnis auszuschalten: wegen der Widersprüche in den bisher veröffentlichten Zahlern erheben wir keine Vorwürfe gegen ,die Mitarbeiter der Familienausgleichskassen, die - das geben wir ohne weiteres zu - in der Durchführung der außerordentlich komplizierten Gesetze eine erfreuliche Beweglichkeit und Tatkraft unter Beweis gestellt haben.
({7})
Dies soll trotz aller Kritik, die wir an den gesetzgeberischen Grundlagen üben, durchaus anerkannt werden. Aber wir erheben Vorwürfe gegen die, die mit den Zahlen in der Öffentlichkeit operieren und sie als Beweis dafür ,anführen wollen, daß die bisherige Gesetzgebung sinnvoll ist.
Wenn wir jetzt das Kindergeldergänzungsgesetz, das dritte Gesetz, beraten, so kann ich nicht umhin, der Regierung den Vorwurf zu machen, daß sie bisher noch nicht einmal die Verpflichtungen aus dem ersten Kindergeldgesetz erfüllt hat.
({8})
In § 34 des Kindergeldgesetzes ist nämlich die Regierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung die Gewährung von Kindergeld an deutsche Staatsangehörige zu regeln, die außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes tätig sind. In den Ausschußberatungen ist seinerzeit insbesondere uns Berliner Abgeordneten erklärt worden, daß mit Wirkung 'vom 1. Januar jedenfalls für Berlin die Durchführungsverordnung kommen werde, damit
für die Berliner Grenzgänger sogleich idas Kindergeld gewährt wird. Bis zur Stunde liegt diese Durchführungsverordnung weder für die Berliner Grenzgänger noch für die Grenzgänger im Bundesgebiet vor. Man sage nicht, meine Damen und Herren, daß der Erlaß dieser Rechtsverordnung umfangreiche zwischenstaatliche Verhandlungen notwendig macht. Dann hätte wenigstens für die Hauptgruppe, die Berliner Grenzgänger, für die solche Verhandlungen nicht erforderlich sind, entsprechend den Zusagen im Ausschuß die Durchführungsverordnung erlassen werden müssen.
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Ungeachtet der grundlegenden Meinungsverschiedenheiten über die Kindergeldgesetzgebung waren wir uns in diesem Hause darüber einig, daß die Lücken der Gesetze baldigst geschlossen werden sollen, damit wenigstens alle Dritt- und weiteren Kinder Kindergeld erhalten. Darauf hat die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stets mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Wir haben bereits am 11. November vergangenen Jahres den Entwurf eines solchen Kindergeldgesetzes eingebracht. Der Gesetzentwurf ist dem Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen worden. Aber die Beratung dieses sozialdemokratischen Gesetzentwurfs, der diese Lücken schließen sollte, ist viele Monate unter dem Hinweis vertagt worden, es käme in den nächsten Tagen oder Wochen die umfassende Regierungsvorlage eines Kindergeldergänzungsgesetzes.
Die Bundesregierung wurde beauftragt, den Entwurf am 1. April vorzulegen; er liegt heute vor. Ich will nicht darauf eingehen, ob das Verfahren, daß die Christlich-Demokratische Union im Interesse der Beschleunigung 'dem Gesetzentwurf der Regierung vorgegriffen hat, eine sehr planmäßige Arbeitsgestaltung zeigt und ob es nicht gerade eine gewisse Doppelgleisigkeit erkennen läßt. Aber der Umstand - und das scheint mir bedeutungsvoll zu sein -, daß die Bundesregierung praktisch fast ein Dreivierteljahr gebraucht hat, um dieses Kindergeldergänzungsgesetz vorzulegen, zeigt die Komplizierung der Materie, gegen die wir uns zusammen mit anderen Fraktionen bei der Beratung der Kindergeldgesetze gewandt haben. Ich zweifle nicht daran, daß die Regierung alle Anstrengungen gemacht hat, um wenigstens dieses Ergänzungsgesetz beschleunigt vorzulegen. Daß das aber ein Dreivierteljahr gedauert hat, ist offenbar eine Folge jener Konzeption, die wir alle im House mit Ausnahme der CDU für unglücklich gehalten haben.
({10})
Infolgedessen stehen wir heute der Tatsache gegenüber - und insofern stimme ich dem Kollegen Horn völlig zu -, daß wir jetzt ein Gesetz beraten müssen und wahrscheinlich erst nach den Ferien verabschieden können, das rückwirkend mit dem 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten soll. Das ist für die gesetzgeberische Arbeit ein nicht gerade erfreulicher Tatbestand, so sozialpolitisch notwendig das natürlich ist.
Durch diesen Gesetzentwurf soll nun - ,der Herr Bundesarbeitsminister hat das dargelegt - für den Rest der dritten und weiteren Kinder Kindergeld gewährt werden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Jedenfalls scheint mir nach Durchsicht des Gesetzentwurfs - ich bitte, mich gegebenenfalls zu berichtigen - .nicht gewährleistet zu sein, daß beispielsweise die deutschen Beschäftigten bei auslän({11})
dischen Missionen Kindergeld erhalten. Dazu gehören z. B. für Berlin die Beschäftigten beim Sender RIAS. Soweit ich den Gesetzestext verstehe, sind auch diese Kinder noch nicht erfaßt; aber das wird im Ausschuß beraten werden müssen.
Im Zusammenhang mit der Gestaltung der bisherigen Gesetze wird darauf hingewiesen, daß die Verwaltungskosten der Familienausgleichskassen mit 3 bis 4 % niedriger sind, als zuerst angenommen wurde. Eine solche Mitteilung scheint mir etwas voreilig zu sein, denn bisher haben die Familienausgleichskassen den zweiten Teil ihrer Aufgabe, nämlich die Aufbringung der Mittel, kaum in Angriff genommen. Sie sind in dieser Hinsicht erst bei den ersten Schritten. Es läßt sich noch nicht übersehen, welche Schwierigkeiten im einzelnen daraus entstehen werden. Hinzu kommt, daß mit der Durchführung der Kindergeldgesetzgebung außer den Familienausgleichskassen die Träger der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung usw. betraut sind. Es ist unmöglich, die Komplizierung und den Verwaltungsaufwand bei diesen Stellen außer acht zu lassen.
Herr Kollege Horn hat mit Recht darauf hingewiesen, daß sich insbesondere bei den Arbeitsämtern durch die bisherige Kindergeldgesetzgebung außerordentliche Komplikationen ergeben haben. Zwei Drittel der Anträge mußten mangels Zuständigkeit abgelehnt werden. Die sozialpolitische Folge war, daß für die betreffenden Arbeitslosen die Zahlung des Familienzuschlags eingestellt wurde und sie an die Familienausgleichskassen verwiesen wurden. Wenn die Arbeitslosen dann endlich zum Kindergeld kamen, mußten sie feststellen, daß das Kindergeld für sie nicht 25 DM zusätzlich betrug, sondern daß nur die Differenz zwischen Familienzuschlag und Kindergeld gezahlt wurde. Es ist sehr unerfreulich, daß die arbeitslosen Familienväter in das Mahlwerk einer unzureichenden Kindergeldgesetzgebung geraten sind.
Aber die verhängnisvollste Folge der Kindergeldgesetzgebung war und ist - darauf weist der Bundesrat in seiner Begründung mit Recht hin -, daß die Komplizierung des Systems dazu führte, daß Arbeitslose wegen der Umständlichkeit und der Mehrkosten bei der Vergebung geringfügiger Beschäftigungen zurückgesetzt wurden. Wie man auf Grund dieser Unterlagen, die von den Ländern stammen, mit Frau Kollegin Rehling behaupten kann, man sei mit der Durchführung des Kindergeldgesetzes außerordentlich zufrieden, ist mir unverständlich. Auf Grund der Vorschläge der Regierung und des Bundesrates soll eine Regelung getroffen werden. Ob der vorgeschlagene Weg richtig ist, werden wir in den Ausschußberatungen feststellen müssen.
Im übrigen werden durch dieses Gesetz - und das scheint uns auch eine bedenkliche Folge der bisherigen Konzeption zu sein - außer den Familienausgleichskassen auch andere Träger der gesetzlichen Unfallversicherung mit den Aufgaben der Kindergeldgewährung betraut. Bisher halben die geistigen Väter und insbesondere Herr Kollege Winkelheide immer betont, daß eine strenge arbeitsmäßige Trennung zwischen Berufsgenossenschaften und Familienausgleichskassen durchgeführt würde und daß die Kindergeldzahlung verwaltungstechnisch nichts mit dem Apparat der Träger der Unfallversicherung zu tun habe. In dem vorliegenden Gesetzentwurf soll aber von dieser
Auffassung abgegangen werden; denn jetzt sollen die Aufgaben der Kindergeldzahlung unmittelbar den sonstigen Trägern der Unfallversicherung übertragen werden. Das bedeutet, daß außer den Gemeindeunfallversicherungsverbänden, den Eigenunfallversicherungsträgern und Ausführungsbehörden des Bundes und der Länder nach meiner Kenntnis sogar die Feuerwehrunfallversicherungskassen Kindergeld zu zahlen haben. Ich glaube, das ist eine sehr unglückliche und unerfreuliche Konstruktion.
({12})
Aber das Entscheidende der bisherigen Gesetze - leider hat der Herr Bundesarbeitsminister gesagt, daß er sich mit den Komplikationen der bisherigen Gesetze nicht beschäftigen würde - ist, daß prinzipiell an der Berufstätigkeit der Eltern als Voraussetzung der Kindergeldzahlung festgehalten wird. Zwar sollen jetzt nach § 2 des Kindergeldergänzungsgesetzes auch Nichterwerbstätige in die Kindergeldregelung einbezogen werden; sozialpolitisch sind aber die Ausnahmevorschriften des nächsten Paragraphen, des § 3 entscheidend. Dadurch werden nämlich die Kinder von Kriegsbeschädigten, die Waisen der Kriegsopferversorgung, die Unterhaltsberechtigten, die Waisen der Rentenversicherung und der Unfallversicherung ausdrücklich wieder aus der Regelung, die man großzügigerweise in § 2 einführt, ausgeschlossen.
({13})
Damit wird das Prinzip beibehalten, das bereits beim Kindergeldgesetz und beim Kindergeldanpassungsgesetz zu den größten Mißständen geführt hat. Denn gerade bei den sozial schwächsten Personenkreisen mit mehr als drei Kindern ergab sich nicht - ich habe das schon bei den Arbeitslosen angedeutet, und das gilt für alle Sozialleistungsempfänger - wie bei den Beschäftigten ein zusätzliches Kindergeld von 25 DM, sondern nur eine Aufstockung, oft nur von 5 DM, für Kriegerwaisen zum Teil überhaupt nichts. In Einzelfällen führte die Anrechnung des Kindergeldes auf die Ausgleichsrenten sogar zu einer Verringerung des Familieneinkommens, was wohl sozialpolitisch wenig sinnvoll ist. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung für Nichterwerbstätige wird praktisch für über 90 % der Nichterwerbstätigen, nämlich für alle Sozialleistungsempfänger, illusorisch und ist deshalb ohne sozialpolitische Bedeutung.
Zu welchen, ich kann nicht anders sagen: absurden Folgerungen die Konstruktion führt, daß die Kindergeldregelung grundsätzlich an die Erwerbstätigkeit der Eltern gebunden wird, zeigt sich bei den Waisen. Kindergeld wird, das geht aus der Begründung insbesondere zu § 3 ausdrücklich hervor, neben der Waisenrente allein der erwerbstätigen Witwe, aber nicht der Witwe, die keine Erwerbstätigkeit ausübt, gewährt. Hierzu gibt der Regierungsentwurf folgende „klassische", muß ich leider sagen, Begründung; ich darf sie vorlesen: Die Besserstellung der erwerbstätigen Witwe gegenüber der nicht erwerbstätigen Witwe erscheint im Hinblick auf das Streben, neben der Erfüllung der Mutteraufgabe durch eigene Erwerbstätigkeit die wirtschaftliche Lage der Familie zu verbessern, gerechtfertigt.
({14})
Das ist unter sozialpolitischen Gesichtspunkten
höchst bedenklich, wenn nämlich hiermit gewisser({15})
maßen Kindergeld als Belohnung für die Erwerbstätigkeit von Witwen mit drei unid mehr Waisenkindern gewährt wird.
({16})
Hierzu werden die Sozialdemokraten niemals ihre Zustimmung gelben. Ich darf in ,diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Ergänzungsgesetz diese Konstruktion als außerordentlich bedenklich bezeichnet hat.
({17})
Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates erklärt, sie könne bezüglich der erwerbstätigen Witwe keine anderen Maßnahmen treffen, weil die vorgesehene Regelung eine notwendige Folgerung der grundsätzlichen Entscheidungen der Kindergeldgesetzgebung sei. Meine Damen und Herren, insbesondere die Vertreter der Regierung: Anstatt den Erlaß dieses Ergänzungsgesetzes nun zum Anlaß einer Überprüfung der bisherigen Maßnahmen zu nehmen, hält die Bundesregierung - ich kann nicht anders sagen - stur an der bisherigen Konstruktion fest, daß die Erwerbstätigkeit der Witwe die Voraussetzung einer Kindergeldzahlung sein muß.
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Ich muß in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung bei dieser ihrer Stellungnahme offenbar das vom Herrn Bundeskanzler angeregte Gutachten zur Neuordnung der sozialen Leistungen nicht berücksichtigt hat, in dem es heißt: Das Ziel solcher Versorgung muß sein, der Witwe die Erziehung ihrer Kinder zu ermöglichen, ohne daß sie außerhalb des Hauses zur Arbeit gezwungen ist. - Was die Bundesregierung hier durch diesen Gesetzentwurf tut und was sie in der Begründung gewissermaßen zum Prinzip erhebt, ist das Gegenteil davon.
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Trotz der Kritik, der scharfen Kritik, die wir an dem Kindergeldergänzungsgesetz zu üben haben, wollen wir nicht verkennen, daß durch dieses Gesetz eine Reihe von Mißständen der bisherigen Kindergeldgesetze beseitigt wird, z. B. dadurch, daß beim Wechsel von Zuständigkeiten die letzte Stelle grundsätzlich die Leistungen vorläufig weiter zu gewähren hat. Aber gerade bei den Bemühungen zur Beseitigung der Komplikationen und Schließung der Lücken wird besonders deutlich, wie wenig glücklich die Grundkonzeption der bisherigen Kindergeldgesetzgebung war. Jeder Schritt zur Beseitigung von Fehlern der bisherigen Gesetzgebung führt nämlich zwangsläufig zu einer weiteren Komplizierung der Gesetzgebung, so daß dieses Kindergeldgesetz - und das bitte ich mir dadurch zu bestätigen, meine Damen und Herren, daß Sie das Gesetz wirklich mal durcharbeiten! - kaum für Sachverständige verständlich ist. Infolgedessen wird es beispielsweise erforderlich, wegen dieses Kindergeldgesetzes sieben verschiedene Gesetze zu ändern:
({20})
das Kindergeldgesetz, das Kindergeldanpassungsgesetz, das Gesetz über Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung, die Reichsversicherungsordnung, das Bundesversorgungsgesetz, das Lastenausgleichsgesetz und schließlich die Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge. Damit beweist der vorliegende Gesetzentwurf, daß die bisherige Konzeption auch gesetzessystematisch zu unmöglichen Konsequenzen führt.
Das Kindergeldergänzungsgesetz läßt aber nicht nur die Problematik in bezug auf die Leistungsgewährung, sondern auch in bezug auf die Aufbringung der Mittel deutlich werden. In den ersten Monaten wurden die finanziellen Probleme in eleganter Weise dadurch gelöst, daß der Herr Bundesfinanzminister den Familienausgleichskassen ein zinsloses Darlehn in Höhe von 113 Millionen DM gewährt hat. Eine derartige Großzügigkeit des Herrn Bundesfinanzministers im sozialpolitischen Bereich ist bemerkenswert.
({21})
Ich vermag allerdings nicht klar zu übersehen - und ich bitte, mich durch die Sachverständigen des Haushaltsrechts gegebenenfalls zu berichtigen -, ob dieses Verfahren des Herrn Bundesfinanzministers mit Art. 115 des Grundgesetzes im Einklang steht, in dem festgelegt ist, daß derartige Darlehen nur für ein Haushaltsjahr gewährt werden können, während sich nach meiner Kenntnis der Dinge diese Mittelgewährung sowohl im Haushaltsjahr 1954/55 wie im Haushaltsjahr 1955/56 abspielte. Ich möchte das im einzelnen nicht untersuchen. Wir stellen jedenfalls fest, daß der Herr Bundesfinanzminister hier eine Weitherzigkeit gezeigt hat, die wir auch in anderen sozialpolitischen Fragen, die wir heute noch zu beraten haben, von ihm erwarten.
({22})
Meine Damen und Herren, nachdem die Darlehensgewährung jetzt zu Ende geht, ergeben sich für die Aufbringung der Mittel erhebliche Schwierigkeiten. Die Familienausgleichskassen mußten in ihrem Bericht selbst erklären, daß die Beitragsvorschüsse, die erhoben werden, zwischen 0,1 % und 1,6 % des Lohnaufkommens - Herr Kollege Atzenroth, Sie haben in einem Bericht erklärt, sogar 1,8 % des Lohnaufkommens - schwanken. Die Tatsache, daß einzelne Betriebe zu Vorschüssen herangezogen werden, die bei gleicher Lohnsumme das 16fache des Vorschusses anderer Betriebe betragen, hat zu einer starken Beunruhigung der betreffenden Wirtschaftskreise geführt.
({23})
Auch dort, wo Vorschüsse nach der Kopfzahl der Beschäftigten erhoben werden, sind die Unterschiede außerordentlich groß. Die Familienausgleichskassen haben in ihrem Bericht erwähnt, daß die Pro-Kopf-Beträge im Durchschnitt 19,30 DM betragen. Tatsache ist aber, daß die Beitragssätze insbesondere für die wirtschaftlich schwächeren Wirtschaftszweige erheblich höher sind. So betragen sie beispielsweise für kleine Handwerker wie Friseure 30 DM pro Kopf der Beschäftigten.
({24})
- Immerhin gegenüber 19,30 DM, von denen berichtet wurde, eine erhebliche Steigerung.
({25})
Von diesen Unzulänglichkeiten werden vor allem
die kleinen Betriebe, insbesondere auch die des
({26})
Einzelhandels und des Handwerks betroffen. Die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels hat in ihrem Pressedienst vom 3. Juni in diesem Zusammenhang wörtlich erklärt, daß die Befürchtungen, die bei Beratung des Kindergeldgesetzes geäußert wurden, sich jetzt in vollem Umfange bewahrheiten.
({27})
Sollte diese Mitteilung des Einzelhandels nicht auch zur Kenntnis der Damen und Herren gelangt sein, die von einer Bewährung der bisherigen Kindergeldgesetzgebung sprechen?
Meine Damen und Herren, aus diesen Erfahrungen müssen die Folgerungen gezogen werden. Es ist dringend erforderlich, in Anwendung von § 14 des Kindergeldgesetzes die unzumutbaren und unterschiedlichen Belastungen auch bei den Vorschußzahlungen zu beseitigen. § 14 bevollmächtigt die Bundesregierung, hierfür Richtlinien aufzustellen. Meine Fraktion wünscht, daß damit nicht bis Ende 1956, bis zur Schlußabrechnung, gewartet wird, sondern daß diese Richtlinien schon im Zusammenhang mit der Vorschußzahlung, die die Betriebe beunruhigt, erlassen werden.
({28})
Denn, meine Damen und Herren - ich glaube, das kann man offen aussprechen -, die Finanzierung der Kindergeldregelung wird zum Teil in der Wirtschaft zu einem Kampf aller gegen alle. Die gewerbliche Wirtschaft steht auf dem Standpunkt, daß sie einen viel zu hohen Teil der Mittel zugunsten der Landwirtschaft aufzubringen hat. Die Landwirtschaft dagegen vertritt die Auffassung, daß in der Praxis eine Verlagerung auf die Landwirtschaft vorgenommen wird, beispielsweise dadurch, daß Arbeitslose der gewerblichen Wirtschaft, wenn sie sich auch nur für einige Stunden in der Landwirtschaft betätigen, den landwirtschaftlichen Familienausgleichskassen zugewiesen werden. Besonders bedenklich ist, daß die Besitzer kleinster landwirtschaftlicher Nebenbetriebe von einigen Ar selbst dann, wenn sie ihren Lebensbedarf aus einer bescheidenen Rente der Sozialversicherung decken, zur Beitragszahlung für die Familienausgleichskassen herangezogen werden.
({29})
Die Anregung des Bundesrats, hier Abhilfe zu schaffen oder wenigstens die Besitzer von landwirtschaftlichen Nebenbetrieben, die noch nicht einmal das Existenzminimum haben, von einer Beitragszahlung zu befreien, hat, wie auch der Herr Bundesarbeitsminister vorgetragen hat, nicht die Zustimmung der Bundesregierung finden können, weil das die Grundlagen der Gesetzgebung berühre.
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Gerade das scheint uns aber auch bezüglich der Finanzierung ein Beweis dafür zu sein, daß die Konstruktion der Kindergeldgesetze fehlerhaft ist.
({31})
Ich komme zum Schluß. Der Deutschland-UnionDienst hat im Hinblick auf dieses Kindergeldergänzungsgesetz erklärt - auch der Herr Bundesarbeitsminister hat dies anklingen lassen -: Mit diesem Kindergeldergänzungsgesetz wird dann dieses Gesetzgebungswerk seinen Abschluß finden und die gesamte Materie auf eine neue und glückliche Art geregelt sein.
({32})
Ich glaube, auch bei optimistischer Betrachtung - zu der Sie,.. Herr Kollege Winkelheide, selbstverständlich verpflichtet sind - kann doch wirklich davon nicht die Rede sein.
Nach Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion müssen durch das Kindergeldergänzungsgesetz nicht nur die Lücken in der Kindergeldzahlung für die noch nicht erfaßten dritten und weiteren Kinder geschlossen werden, sondern es ist unbedingt notwendig, die Schwierigkeiten - „Komplikationen" hat der Herr Bundesarbeitsminister gesagt; ich muß sogar sagen: die Mißstände -, die sich aus den beiden ersten Kindergeldgesetzen ergeben haben, sowohl auf der Leistungsseite wie bei der Frage der Mittelaufbringung zu bereinigen. Denn es würde verhängnisvoll sein und dem Ansehen dieses Hauses sicher nicht dienen, wenn wir in Kürze vielleicht noch ein viertes Kindergeldgesetz zur Regelung der Komplikationen, von denen ich gesprochen habe, beraten müßten. Das muß in diesem dritten Gesetz geregelt werden.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat schon durch den Entwurf ihres Kindergeldergänzungsgesetzes vom November klargelegt, wie wir uns die Beseitigung der Schwierigkeiten vorstellen. Wir haben beantragt, für alle nicht erfaßten dritten und weiteren Kinder die Finanzämter - unter Berücksichtigung gewisser Erstattungsansprüche - mit der Kindergeldzahlung für diesen Restbestand zu beauftragen. Damit sollte die unglückliche Konstruktion wenigstens teilweise aufgelockert werden, und es sollte vermieden werden, daß, wie es jetzt der Entwurf der Regierung vorsieht, mit der Kindergeldzahlung nun auch noch die Eigenunfallversicherung, die Ausführungsbehörden und die Feuerwehrversicherungskassen betraut werden. Auf Grund der bisherigen Beratungen müssen wir leider befürchten, daß die größte Fraktion dieses Hauses eine solche einfachere Regelung lediglich deshalb ablehnen wird, weil sie nicht mit ihrer Konzeption vereinbar ist. Wir Sozialdemokraten werden aber im Interesse der Familien mit Kindern, aber auch im Interesse der Kreise, die die Mittel für die Kindergeldgewährung - insbesondere die kleinen Betriebe - aufbringen müssen, alles tun, um die vorliegenden Gesetzentwürfe der Bundesregierung und der CDU/CSU zu verbessern. Unsere endgültige Einstellung zu den Gesetzentwürfen wird ausschließlich davon abhängen, ob es in den Ausschußberatungen gelingt, wenigstens die gröbsten Mißstände der bisherigen Kindergeldgesetzgebung zu beseitigen.
({33})
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg hat hier in einer sehr ausführlichen Weise Kritik an der seitherigen Gesetzgebung über die Kindergeldgewährung geübt. Ich persönlich möchte mich dieser Kritik nicht anschließen, aus dem einfachen Grunde, weil, wenn ein Gesetz so jung ist und wenn die Organe, die es durchzuführen ,haben, sich noch im Aufbau befinden. man noch kein abschließendes Urteil darüber abgeben kann, ob die seitherige Gesetzgebung gut oder schlecht gewesen ist.
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({1})
Was mich veranlaßt hat, hier etwas zu sagen, ist die Tatsache, daß Herr Professor Schellenberg hier gesagt hat, es habe sehr lange gedauert, bis die Regierung der Entschließung des Bundestages vom 14. Oktober 1954 nachgekommen sei. Diese Entschließung, die damals gefaßt worden ist, ist Ihnen ja allen bekannt. Sie verpflichtete die Bundesregierung, bis zum 1. April die Prüfung durchzuführen, wie man die seither von den Kindergeldgesetzen nicht erfaßten Kinder ebenfalls in den Genuß des Kindergeldes kommen lassen könnte. Ferner wurde die Bundesregierung ersucht, dem Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
Ich darf Ihnen sagen, daß dieser Gesetzentwurf .am 31. März fertiggestellt war und daß darüber in der Bundesregierung verhandelt worden ist. Am 25. April ist er dem Bundesrat überwiesen worden, und dann kommt eben der Gang der Gesetzgebung, wie wir ihn im allgemeinen haben.
Aber Herr Professor Schellenberg hat selber gesagt, daß dieses Gesetz allein Änderungsbestimmungen für sechs andere Gesetze bringt, und Herr Professor Schellenberg, der auf diesem Gebiet seine eigenen Erfahrungen hat, weiß, wie eminent schwer es ist, einen Gesetzentwurf entstehen zu lassen, der in den Bereich von sechs anderen Gesetzen eingreift. Ich wollte das nur sagen, damit nicht draußen die Meinung entsteht, daß diejenigen, die seither das Kindergeld nicht bekommen haben, es deshalb nicht bekommen hätten, weil die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen wäre.
Ich bin .der Meinung, Herr Professor Schellenberg, wir sollten diese Dinge nun wirklich einmal eine gewisse Zeit lang laufen lassen, dann werden wirauch feststellen können, inwieweit nun alle Berechtigten in den Genuß des Kindergeldes kommen. Wir werden dann genaue Unterlagen über die 'wirklich vorhandene Zahl der Dritt- und weiteren Kinder haben. Wir werden dann eine Übersicht haben, wieviel Leute durch die Kassen oder die Träger ,der Sozialversicherung oder durch das Versorgungsgesetz für die Kriegsbeschädigten erfaßt sind. Dann haben 'wir einen allgemeinen Überblick, und dann sollten wir uns die Frage in aller Ruhe überlegen, ob man all diese Gesetze nicht zu einem späteren Zeitpunkt zu einem einheitlichen Gesetz zusammenfassen kann. Wenn Sie daran mitarbeiten, glaube ich, tun Sie der Sache den größeren Dienst. Denn draußen im Volke kommt es dem einzelnen nur darauf an, daß er das Kindergeld bekommt,
({2})
und das andere, ob die Gesetzgebung in ihrer Anfänglichkeit gewisse Lücken aufweist, ist für den Mann draußen, den es tatsächlich angeht, nicht das Primäre.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß wir uns bei der ersten Beratung dieser beiden Gesetze im wesentlichen mit den Erfahrungen beschäftigen müssen, die mit den beiden vorangegangenen Gesetzen gemacht worden sind. Ich kann dem Herrn Bundesarbeitsminister nicht zustimmen, wenn er sagt: nun wartet doch einmal ab; draußen bekümmert man sich ja nur darum, daß man überhaupt das Kindergeld bekommt! - Unsere Aufgabe als Vertreter des Volkes ist, die Gesetze von Anfang an richtig zu machen.
({0})
Wir dürfen nicht zunächst ein falsches Gesetz voller Schwierigkeiten verabschieden und dann abwarten, um es vielleicht später einmal zu ändern, wenn die Schwierigkeiten sich als unübersteigbar herausgestellt haben.
({1})
- Das ist nicht richtig, sondern: wenn Sie unserem Entwurf zugestimmt hätten, dann hätten wir zur Zeit ein besseres Gesetz.
({2}) Meine Damen und Herren, dann brauchten wir jetzt kein Ergänzungsgesetz.
({3})
- Ja, die Meinung will ich Ihnen hier auch begründen. Es ist ja überhaupt merkwürdig, daß beide Antragseinbringer, sowohl die Fraktion der CDU/CSU als auch die Bundesregierung, ihr Gesetz „Ergänzungsgesetz" und nicht „Schlußgesetz" nennen, was doch eigentlich naheläge, wenn man wirklich davon überzeugt wäre, daß damit nun der ganze Fragenkomplex abschließend geregelt wird.
({4})
Parlamentarisch ist noch etwas anderes merkwürdig: daß die Fraktion, die die ersten Gesetze nur mit ihren Stimmen durchgebracht hat, 14 Tage vor dem Regierungsentwurf, glaube ich, einen Gesetzentwurf vorlegt, der im Wortlaut genau mit dem Regierungsentwurf übereinstimmt. Hat nun die Regierung abgeschrieben, oder haben Sie das vorher von der Regierung bekommen?
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- Aber Herr Horn, das ist doch nicht genügend begründet, was Sie gesagt haben.
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Meine Damen und Herren, obwohl sich die Stimmen derer mehren, die Zweifel daran hegen, ob der Weg, kinderreichen Familien durch Beiträge der Allgemeinheit zu helfen, volkswirtschaftlich richtig ist und ob die Erfahrungen, die man in Frankreich gemacht hat, nicht schrecken, haben wir uns von Anfang an zur Mitarbeit bereit erklärt. Wir haben uns bereit erklärt, dieses Kindergeld vom dritten Kinde an in der Höhe zu gewähren, in der es von allen Parteien gleichmäßig beantragt worden ist. Frau Rehling hat außer der Erklärung, die Herr Schellenberg hier wiedergegeben hat, bei den Haushaltsberatungen noch hinzugefügt: dieses Gesetz hat unserer Partei außerordentlich genützt. Vielleicht ist der Wortlaut etwas anders gewesen.
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Diese Erklärung kann nur darauf zurückzuführen sein, daß draußen in der Propaganda immer erklärt worden ist: dieses Kindergeld verdankt ihr der CDU;
({8})
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die anderen wollten kein Kindergeld. - Nein, Herr Horn, das ist umgekehrt, das ist nicht richtig! Das Kindergeld wollten wir in der gleichen Form und in der gleichen Höhe geben,
({10})
aber an den gesamten in Frage kommenden Personenkreis und nicht an einen kleinen, beschränkten Personenkreis.
({11})
- Nein, wir haben dafür gestimmt, daß 25 DM an jedes dritte und weitere Kind gegeben werden! Das darf in der Öffentlichkeit nicht verfälscht werden und muß hier mit aller Deutlichkeit noch einmal wiederholt werden.
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Im Streit befanden wir uns nur über die Methode, über die Organisation; und die Erfahrungen, die wir in der Zwischenzeit gemacht haben, zeigen, daß unsere Bedenken absolut richtig gewesen sind.
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Ich erinnere daran, daß - ich glaube, Herr Kollege Arndgen, Sie sind es gewesen - Sie mir vorgeworfen haben: Ausgerechnet Sie treten für eine staatliche Lösung ein, wir dagegen wollen eine berufsständische Lösung erzielen; bestimmte Berufszweige sollen sich zusammenschließen und in einer Gemeinschaft für ihre Angehörigen sorgen. - Aber, meine Damen und Herren, was ist denn davon in den Gesetzen übriggeblieben? Doch praktisch gar nichts!
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Das einzige, was von Berufsständischem noch übriggeblieben ist, ist der Ausdruck Berufsgenossenschaft. Sie haben die Berufe schon dadurch vermischt, daß die gewerblichen Berufe den landwirtschaftlichen helfen müssen. Ich bin dafür; aber damit ist das Berufsständische nicht mehr gewahrt! Sie müssen - das haben die Erfahrungen bewiesen - zu einem viel größeren Ausgleich innerhalb der Berufsstände kommen, als es bisher in dem ersten Gesetz vorgesehen ist. Die Unterschiede in der Belastung der einzelnen Berufsstände sind nämlich so gewaltig, daß es niemand von Ihnen - das wage ich zu behaupten - rechtfertigen wird, daß man dort vor einem Ausgleich zurückschreckt. Bei einzelnen Berufszweigen beträgt die Belastung vielleicht 0,5 oder 0,6 % der Lohnsumme, andere Berufszweige aber müssen schon bisher 1,8 % der Lohnsumme bezahlen und haben in dem Augenblick, in dem die Rücklageverpflichtungen nach § 741 RVO, der ja hierfür auch zutrifft, einmal erfüllt werden müssen, noch eine Steigerung zu erwarten. Die meisten Berufsgenossenschaften haben sich davor noch etwas gedrückt. Wenn aber diese Lasten noch hinzukommen, dann wird auch der Höchstsatz von 1,8 %, der mir zur Zeit bekannt ist - vielleicht gibt es noch einen höheren -, noch überschritten werden. Und Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß Sie diesen Zustand als richtig empfinden, zumal gerade die Berufsstände, die höher belastet sind, eine Fülle von kleinen Betrieben umfassen und es sich bei denen, die den niedrigsten Satz zu zahlen haben, um Großunternehmungen handelt. Das ist aus der ganzen Struktur heraus eigentlich selbstverständlich, und auf diese Konsequenz haben wir schon damals hingewiesen. Schon da liegt also die Unmöglichkeit, diese Konstruktion aufrechtzuerhalten.
Die Frage der berufsständischen Selbsthilfe ist eine Theorie, die sich sehr schnell als absurd erwiesen hat.
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Darauf beruht doch Ihre Konstruktion. Wenn aber dieser Gedanke in Wegfall kommt, - ja, meine Damen und Herren, warum haben Sie damals nicht unserem Vorschlag zugestimmt, bei dem Differenzen und Schwierigkeiten, wie sie Herr Schellenberg eben so ausführlich dargestellt hat, nicht aufgetreten wären? Damals hieß es in unserem Gesetzesvorschlag nämlich: a 11 e dritten, vierten und fünften Kinder erhalten das Kindergeld. Dann brauchten wir jetzt nicht herumzusuchen, wem es noch fehlt, wer es jetzt noch nicht bekommt; dann brauchten wir uns nicht Gedanken darüber zu machen, ob wir nach diesem dritten nicht doch noch ein viertes Schlußgesetz machen müssen, weil sich herausstellt, daß soundso viele Kinder jetzt noch nicht zum Zuge kommen. Diese Bedenken, meine Damen und Herren, haben wir damals vorgebracht. Sie haben sie in den Wind geschlagen. Heute müssen Sie die Folgen tragen und es sich gefallen lassen, daß wir darauf bei dieser Gelegenheit noch einmal ganz deutlich hinweisen.
Überhaupt sind die Fragen der Durchführung insbesondere des ersten Gesetzes gerade von offizieller Seite sehr verniedlicht worden. Die Darstellung im Bulletin, leider auch die Hauptgenossenschaft der Familienausgleichskassen hat alles in rosigem Licht erscheinen lassen. Und wenn Sie von Verwaltungskosten sprechen und sie mit 3 bis 4 % als verhältnismäßig niedrig hinstellen, so hat Herr Schellenberg vollkommen recht: die Verwaltungskosten beginnen ja erst! Die Einziehung der Beiträge ist ja noch kaum durchgeführt! Die ersten Vorschußzahlungen in bescheidener Höhe sind angefordert worden. Bisher hat man von dem Vorschuß gelebt, den der Herr Bundesfinanzminister gegeben hat. Jetzt kommt ja erst die Belastung! Meine Damen und Herren, Sie werden aus den Zuschriften, die Ihnen jetzt von allen Kreisen, die nun zahlen müssen, zugehen, ersehen, wie bei diesen Leuten auf einmal die Erkenntnis kommt, insbesondere bei den kleinen Unternehmungen. Bei den großen Unternehmungen - das gebe ich Ihnen ohne weiteres zu - hat sich die Sache sehr leicht und reibungslos abgewickelt, nicht aber bei den vielen kleinen Unternehmungen. Es ist typisch, daß ausgerechnet die Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel mit an der Spitze im Kampf gegen die Konstruktion steht, die Sie im ersten Gesetz beschlossen haben.
Es hat sich auch herausgestellt - Herr Professor Schellenberg hat schon darauf hingewiesen -, daß fast alle Angaben, die uns in der Beratung des ersten Gesetzes gemacht worden sind, sich später als falsch erwiesen haben. Die Belastungen wurden größer, die Zahl der Kinder verteilte sich völlig anders; die Belastung ging nach einer anderen Richtung, als man es in den Angaben, die wir von der Bundesregierung erhalten haben oder die Sie selber gemacht haben, gehört hatte. Dadurch ist zur Zeit eine solche Ungleichheit entstanden, daß sie einfach nicht bleiben kann.
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Wir werden, ob wir wollen oder nicht, gerade auf der Aufbringungsseite des ersten Gesetzes noch Maßnahmen ergreifen müssen, die diese Ungleichheit beseitigen und damit logischerweise zu einer ganz anderen Konstruktion auf dieser Seite des Gesetzes führen müssen.
Meine Damen und Herren! Auch das neue Ergänzungsgesetz bringt weitere Belastungen, und zwar wieder für einen Teil der kleinen Unternehmer, der kleinen Handwerker und Einzelhandelsgeschäfte und Landwirte, Belastungen, die zur Zeit noch unübersehbar sind. Denn das Gesetz soll ja rückwirkende Kraft haben. Wie kann also eine Familienausgleichskasse beispielsweise im Einzelhandel jetzt schon einen Etat aufstellen, wenn sie nicht weiß, welche Belastung auf Grund dieses neuen Gesetzes hinzukommt?
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- Nein, Herr Arbeitsminister, das kann sie nicht wissen. Denn es handelt sich ja um Familien, die jetzt zusätzlich von ihr betreut werden sollen, für die sie gar keine Einnahmen bekommt. Die Betreffenden sind ja nicht mehr bei ihr versichert. Sie waren früher einmal bei der Berufsgenossenschaft versichert, sind aber zur Zeit nicht versichert; die Größenordnung ist also gar nicht erfaßbar und damit auch nicht die Belastung, die für die Familienausgleichskasse - und zwar mit rückwirkender Kraft - eintritt. Das ist unübersehbar. Infolgedessen sind alle Rechnungen, die wir zur Zeit aufmachen, im günstigsten Falle vorläufige Rechnungen, und alle Mittel, die jetzt angefordert werden, sind Vorschüsse. Das sollten Sie all den Kreisen aus dem Handwerk, dem Einzelhandel und der Landwirtschaft, die Ihnen nahestehen, deutlich und ehrlich sagen.
Dieses Gesetz hat eine Reihe von Mängeln. Einem Teil der Ausführungen, die Herr Professor Schellenberg gemacht hat, schließe ich mich an; bei einem anderen Teil sind wir anderer Meinung. Ich darf z. B. noch auf eines hinweisen. Wie wollen Sie der kleinen Hausfrau, die eine Hausangestellte beschäftigt, klarmachen, daß sie nunmehr jährlich 6 DM Beitrag für Kindergeld für Hausangestellte bezahlen soll? Es mag für einen wohlsituierten Haushalt eine Bagatelle sein; aber es gibt auch Haushalte, in denen man mit den 6 Mark rechnet. Aber der Gedanke überhaupt! Überlegen Sie einmal: die Hausfrau soll 6 Mark als Kindergeld für Hausangestellte zahlen,
({18})
und sie soll diesen Betrag noch nicht einmal vom steuerpflichtigen Einkommen abziehen dürfen. Auch das ist eine merkwürdige Bestimmung in diesem Gesetz. Der Beitrag soll keine Betriebsausgabe, keine abzugsfähige Ausgabe darstellen.
({19})
Aber das sind Kleinigkeiten. Ich will mich damit jetzt nicht befassen. Mit den Einzelheiten dieses Gesetzes werden wir uns ja im Ausschuß beschäftigen müssen.
Wir sind nach wie vor der Meinung, daß es heute noch an der Zeit wäre, statt dieser drei Gesetze e i n einheitliches Gesetz zu schaffen und zu verabschieden, das übersichtlich, klar und einfach ist. Wir wissen, daß wir mit dieser Forderung nicht
durchdringen. Wir sehen andererseits ein, daß noch einem großen Kreis von Menschen geholfen werden muß. Deshalb werden wir bei der Beratung der vorliegenden Gesetzentwürfe im Ausschuß unsere Mithilfe nicht versagen.
({20})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Frau Finselberger ({0}): Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe nicht die Absicht, heute längere Ausführungen zu machen, sondern möchte nur für meine politischen Freunde erklären, daß wir in den Ausschußberatungen ganz besonders jene Lösung unterstützen werden, die unter allen Umständen das doch sehr komplizierte Kindergeldgesetzgebungswerk vereinfacht und dabei verbessert. Aber ich glaube, es ist notwendig, nach dem, was sich in den letzten Debatten hier abgespielt hat, daß ich noch einmal auf eine Behauptung zurückkomme. Es ist auch heute wieder angedeutet worden, daß diejenigen Fraktionen, die dem Kindergeldgesetz und auch dem Kindergeldanpassungsgesetz nicht zugestimmt haben, nicht familienfreundlich seien. Wir glauben, wir können es in der Familienfreundlichkeit mit Ihnen, meine Herren und Damen, aufnehmen; denn uns ging es ja darum, ein wirklich sozial gerechtes Gesetz zu schaffen, und alle Beanstandungen, die heute hier zum Ausdruck gekommen sind, zeigen uns doch, daß wir davon noch sehr weit entfernt sind.
Da wir heute von einem Kindergeldergänzungsgesetz sprechen, möchte ich daran erinnern, daß wir in den Ausschußsitzungen immer gehört haben - Herr Dr. Atzenroth hat das schon gesagt -: Es kommt ja noch ein Kindergeldabschlußgesetz oder Kindergeldschlußgesetz. Dieser Ausdruck „Kindergeldergänzungsgesetz" ist uns jetzt erst bekanntgeworden, da dieser Antrag vorliegt. Ich bin auch nach all den Erfahrungen, nach den Zuschriften und nach den Besuchen, die jeder von uns bekommen hat, nachdem die Ausführung des Kindergeldgesetzes angelaufen ist, skeptisch geworden. Man muß wohl befürchten, daß das Kindergeldergänzungsgesetz immer noch nicht alle Familien erfaßt und daß vielleicht auf dieses Kindergeldergänzungsgesetz ein weiteres Gesetz folgt.
Herr Bundesarbeitsminister, ich weiß nicht, ob ich Ihre Bemerkung -- daß wir erst einmal die Erfahrungen abwarten sollten, um dann vielleicht doch zu einer Vereinheitlichung dieser Gesetzgebung zu kommen - mit einer gewissen Genugtuung hinnehmen soll. Ich möchte fast annehmen, auch Sie sind schon zu der Erkenntnis gelangt, daß die Kindergeldgesetzgebung eine sehr komplizierte und schwierige Angelegenheit geworden ist.
Meine politischen Freunde haben damals durch mich eine sicherlich sehr eindeutige und klare Kritik ausgesprochen. Ich muß daran erinnern, daß dieser Kritik mit dem Vorwurf begegnet wurde, meine Überheblichkeit sei nicht mehr zu übertreffen. Ich glaube, das, was heute von den verschiedensten Seiten ausgesprochen worden ist, beweist, daß die Kritik, die ich im Namen meiner politischen Freunde vorgebracht habe, durchaus berechtigt gewesen ist.
Wir werden uns im Ausschuß wie immer zu überlegen haben, wo die bessere Lösung zu suchen ist. Uns kommt es nicht auf irgendein Prestige oder
({1})
derartiges an; uns kommt es vielmehr darauf an, zu einer möglichst glücklichen Lösung zu kommen, nachdem wir nun schon zwei Gesetze verabschiedet haben. Aber es wird auch zu überlegen sein - von Herrn Professor Schellenberg wie auch von Herrn Dr. Atzenroth ist das schon ausgesprochen worden -, ob es nicht doch an der Zeit wäre, jene Vereinheitlichung der Kindergeldgesetzgebung anzustreben, von der auch Sie, Herr Bundesarbeitsminister, gesprochen haben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem man mit der Gesetzgebung Neuland betreten hat, und das haben wir in Deutschland zweifellos
({0})
- es war echtes Neuland! - ist der Erfolg - und dafür, daß er das anerkannt hat, . bin ich Herrn Professor Schellenberg dankbar - immerhin einzig dastehend, daß bereits heute für über eine Million Kinder Kindergeld gezahlt wird.
({1})
Nun ist eben ein Streit darüber ausgebrochen, wer für das Gesetz verantwortlich sei. Aber es steht doch außer jeder Diskussion
({2})
- Herr Atzenroth, das gilt für Sie genau so gut -: wenn wir damals in der entscheidenden Stunde nicht ja gesagt hätten, dann hätten die Kinder heute noch kein Kindergeld, dann würden wir heute noch streiten.
({3})
- Nein, ich sage: dann hätten sie es heute noch nicht, denn wir würden noch im Streit miteinander liegen.
({4})
Herr Abgeordneter Winkelheide, gestatten Sie eine Frage?
Bitte schön!
Herr Winkelheide, darf ich an Sie eine Frage stellen? Sie haben eben gemeint, daß, wenn dieses Gesetz nicht mit Ihren Stimmen verabschiedet worden wäre, dann überhaupt soundso viele Kinder heute kein Kindergeld bekämen. Haben Sie vielleicht vergessen, daß auch zwei andere Anträge, nämlich der SPD und der FDP, vorgelegen haben? Wenn sie angenommen worden wären, hätten wir heute nicht solche Schwierigkeiten.
({0})
Frau Abgeordnete Finselberger, ich darf Ihnen sagen: das Entscheidende bei einem Gesetz ist immer die Durchführbarkeit und die Deckung, d. h. es müssen auch die Mittel zur Verfügung stehen.
({0})
Gleich, ob wir das Kindergeldgesetz so oder so verabschiedet hätten, die Schwierigkeiten, die heute hier angesprochen worden sind, wären bei den Finanzämtern auf jeden Fall auch aufgekommen.
({1})
- Ganz klar! Meine Damen und Herren, Sie müssen sich doch davon überzeugen lassen, daß das Kindergeldgesetz in eine bestehende Gesetzgebung eingebaut werden mußte, und wenn man Doppelleistungen vermeiden will, dann müssen doch einige Dinge geändert werden. Das wäre so oder so möglich gewesen.
Ich darf dann noch einige Tatsachen herausstellen. Alle Prophezeiungen, Herr Professor Schellenberg, die Sie im Oktober hier verkündet haben, sind nicht eingetroffen, und damals hat mancher manche Zahl genannt. Ich will mich auf dieses Zahlenspiel nicht einlassen; denn das echte Zahlenspiel, Herr Professor Schellenberg, kann man erst vorlegen, wenn alle Kinder durch diese neue Einrichtung erfaßt sind. Das sind dann echte Zahlen. Ich glaube, daß die Zahlen, die uns der Gesamtverband der Familienausgleichskassen gegeben hat, echte Zahlen sind, weil sie auf den Feststellungen beruhen, die die einzelnen Familienausgleichskassen getroffen haben.
Ihnen, Herr Kollege Dr. Atzenroth, möchte ich sagen, daß der Bericht, der uns vom Gesamtverband gegeben worden ist, doch keine Verniedlichung darstellt, sondern daß das harte Tatsachen sind. Betrachten Sie einmal die Verwaltungsgebühren. Sie sind gegenüber anderen wirklich gering, etwa 3 bis 4 %. Wenn das Ganze eingespielt ist, kann auch noch ein Abbau erfolgen.
({2})
Sie haben uns damals prophezeit, daß mindestens 2500 Angestellte beschäftigt werden müßten. Es sind bei den verschiedenen Familienausgleichskassen insgesamt etwas über 700 notwendig geworden, die die Gesetze durchzuführen haben.
({3})
- Ja, auf die Dauer wird sich aus diesem Gesetz eine echte Verwaltungsvereinfachung ergeben, weil alles dort eingebaut worden ist, wo die Sozialverwaltungen stehen. Wir sind nun einmal Gegner einer großen Einheitsanstalt. Das hat uns doch veranlaßt, zu dieser Konzeption ja zu sagen. Wir wollten kein Modell einer großen Einheitsversicherung haben, und die Tatsachen haben gezeigt, daß sich das auch so gut durchführen läßt.
Herr Dr. Atzenroth, Sie wenden sich gegen das Beitragsaufkommen. Ohne Beiträge, ohne eine Einnahme hätte auch das Finanzamt kein Kindergeld zahlen können. Ich muß doch einen Gedanken in Ihre Erinnerung zurückrufen. Damals stellten Sie einen Antrag, nach dem Kindergeld erhalten sollte, wer nur bis 400 DM im Monat verdient. Dagegen haben wir uns damals scharf gewandt. Kindergeld ist keine Angelegenheit irgendeiner Armenunterstützung, sondern Familien mit mehreren Kindern sollten einen Rechtsanspruch darauf haben. Ich muß Ihnen alle diese Dinge in die Erinnerung zurückrufen, lieber Herr Dr. Atzenroth.
Die Wirtschaft hat zehn Jahre Zeit gehabt, diese Dinge freiwillig zu tun und Einrichtungen innerhalb ihrer Bereiche zu schaffen. Sie hat es aber
({4})
nur teilweise getan, und deswegen haben wir die Sonderbestimmung im Kindergeldgesetz geschaffen, Herr Dr. Atzenroth. Sie wissen ganz genau, daß im Kindergeldgesetz ein § 14 vorhanden ist, der besagt, daß ein Ausgleich durchgeführt werden kann, wenn unzumutbare Belastungen irgendeiner Berufsgruppe oder irgendeines Wirtschaftszweiges eintreten. Nun muß man doch - das kennen Sie als Wirtschaftler sicher besser noch als ich -, wenn man einen Ausgleich errechnen will, zunächst einmal die echten Zahlenunterlagen haben, wie die Belastung hier und wie sie dort ist. Wenn nun heute die Belastungen schwanken zwischen 0,4 % der Lohnsumme und 1,8 % der Lohnsumme, dann wird sich der Gesamtverband der Familienausgleichskassen zusammensetzen und - die Befugnisse hat er - einen Schnitt ziehen, um eine angleichende einheitliche Belastung der Lohnsumme unserer gesamten Wirtschaft herbeizuführen: Wenn Sie sagen „30 Mark", müssen Sie immer betonen: im Jahr; das bedeutet 2,50 Mark im Monat. Ich kenne Familienausgleichskassen, die im Jahr nur 20 Mark Beitrag pro Kopf verlangen. Wir haben auch die Grenze von 4800 Mark vorgesehen.
Ich bin der Überzeugung, daß, nachdem die Durchführung des Gesetzes so gut angelaufen ist, der Gesamtverband der Familienausgleichskassen auch die Schwierigkeiten beim Ausgleich der Belastungen in den einzelnen Wirtschaftszweigen bewältigen und dabei gerecht und sozial verfahren wird. Diese Schwierigkeiten wären auch aufgetaucht, wenn wir eine andere Lösung gefunden hätten.
Nun haben Sie, Herr Professor Schellenberg, gesagt, daß Sie bereits früher einen Antrag gestellt haben. Jawohl, den kennen wir, er liegt auch im Ausschuß für Sozialpolitik vor. Aber der Antrag ist zuwenig substantiiert und es besteht auch gar keine Deckungsmöglichkeit. Wir haben aber hier ein Gesetz vorgelegt, Idas sich unserer Grundkonstruktion anschließt, die Verantwortung wieder auf die Berufsgemeinschaft überträgt, dieser Berufsgemeinschaft die Verantwortung auflastet. Sie haben dann weiter - und darauf hat der Herr Arbeitsminister dankenswerterweise geantwortet - bemängelt, daß die Rechtsverordnungen noch nicht vorliegen. Einiges ist ja in der Zwischenzeit schon geschehen, einiges wird noch geschehen. Zunächst müssen wir dieses Gesetz verabschieden; dann kann auch der Gedanke des ersten Gesetzes erfüllt, dann kann die Kindergeldkarte eingeführt werden, und Doppelzahlungen werden dann ganz bestimmt vermieden.
Über den Inhalt des Gesetzentwurfs, wie er nunmehr vorliegt, können wir im Ausschuß reden. Wir werden bestrebt sein - und werden nicht stur sein, wie Sie das vermuten -, die beste, eleganteste Form zu finden, um dieses Gesetz leicht an unsere bisherigen Gesetze anzuschließen. Wir werden dafür eintreten - das hat Kollege Horn bereits erklärt -, daß die Zahlungen auch rückwirkend ab 1. Januar 1955 geleistet werden.
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- Ich möchte diesen Zwischenruf überhört haben. Er ist bei disem ernsten Anliegen wirklick nicht angebracht, Herr Kollege, und als so schlecht hat sich das Gesetz nicht erwiesen, wie es damals in der gesamten Presse und auch sonst hingestellt worden ist.
Wir sind erfreut darüber, daß die Frage der Arbeitslosen geregelt wird. Aber hier darf ich einmal eine Betrachtung anknüpfen. Wie haben sich die beiden Institutionen bewährt? Der Gesamtverband der Familienausgleichskassen war sehr elastisch in der Anpassung und hat auch damals mit der Bundesanstalt verhandelt. Zwar lagen die gesetzlichen Bestimmungen in dieser Richtung vor, man hätte aber auch zu einer freien Vereinbarung kommen können, wie es jetzt geschehen ist. Damit wäre der Streit um die Zuständigkeit nicht auf dem Rücken der Kindergeld-Empfänger ausgetragen worden. Aber die Dinge sind jetzt ausgestanden und für die Zukunft bereinigt.
Im übrigen hoffe ich, daß wir im Ausschuß noch einiges hineinbauen können. Wir sind selber daran interessiert - :darum möchte ich das Wort „Schlußgesetz" und die ironische Bemerkung, daß noch ein viertes Schlußgesetz und was weiß ich kommen sollte, nicht hören -, diese Regelung, Herr Dr. Atzenroth, immer weiter und fortschrittlicher zu entwickeln.
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Wir wollen sie so anpassungsfähig entwickeln, daß sie sowohl für die Aufbringenden wie für die Empfänger sozial gerecht ist. Da kann man auch noch einige Verbesserungen einbauen. Wir möchten auch gerne die Krüppelkinder in der Familie den Kindern bis zu 25 Jahren gleichstellen, die noch in der Berufsausbildung sind. Man muß auch darüber reden, auf die Dauer eine Einheitlichkeit für die Witwen zu erzielen; die Gewährung von Kindergeld darf nicht an die Voraussetzung der Erwerbstätigkeit gebunden bleiben. Das ist, Herr Professor Schellenberg, wirklich eine Frage der Belastung.
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- Ja, Herr Kollege Richter, wir haben gehandelt und haben das Gesetz geschaffen.
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Deswegen dürfen Sie nicht immer den Zwischenruf „handeln" machen. Wir haben gehandelt und werden auch in Zukunft handeln.
Wir lassen mit uns darüber reden, wie die beste Lösung zu finden ist, um eine gerechte Regelung zu treffen. Darum betrachten wir das nicht als ein Schlußgesetz, sondern als ein Ergänzungsgesetz. Wenn dieses Ergänzungsgesetz verabschiedet ist, wären wir dem Arbeitsministerium dankbar, wenn alle drei Gesetze in einem Gesetzgebungswerk zusammen veröffentlicht werden könnten. Dann ist auch für 'denjenigen, der von der Gesetzessprache nicht sehr viel Ahnung hat, verständlich und klar, woher er sein Kindergeld bekommt. Bis dahin hat sich das Ganze wunderbar eingespielt. Ich erinnere nur daran, daß das Auszahlungsverfahren eine wirklich elegante Sache ist. Das Scheckverfahren ist ein so gutes Hilfsmittel geworden, daß damit die Verwaltungskosten gesenkt werden konnten.
Alles zusammengenommen glaube ich sagen zu können, daß wir uns im Ausschuß bemühen sollten, ein gutes Gesetz zu schaffen, das sich an das frühere Gesetzgebungswerk anschließt. Tatsachen können Sie nicht aus der Welt diskutieren.
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Weitere Wortmeldungen? - Herr Professor Schellenberg!
Herr Kollege Winkelheide, Sie haben gesagt, daß Sie über die Rege({0})
lang für das Kindergeld von Witwen mit Waisen mit sich reden lassen wollen. Sie stellen sich damit in Gegensatz zur Bundesregierung; denn die Bundesregierung hat in einer ausführlichen Begründung gesagt, daß das wider die Konzeption, wider den Geist ihrer bisherigen Kindergeldgesetzgebung verstößt.
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Wir nehmen mit Interesse davon Kenntnis, daß Sie offenbar bereit sind, Ihre Konzeption zu ändern. Das würde die Trennung der Kindergeldgewährung von der unfallversicherungspflichtigen Tätigkeit und eine Auflockerung der gesamten Konstruktion bedeuten. Darüber werden wir noch ausführlich zu sprechen haben.
Sie haben weiter gesagt, Herr Kollege Winkelheide, der Entwurf eines Kindergeldergänzungsgesetzes der SPD vom November vergangenen Jahres, den Sie mit Ihrer Mehrheit jetzt 7 oder 8 Monate im Ausschuß auf Eis gelegt haben,
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gebe keine Deckungsmöglichkeit an. Herr Kollege Winkelheide, ich nehme doch an, daß Sie die Gesetzentwürfe, die sich mit dem Kindergeld befassen, lesen. Ich hoffe auch, daß Sie die Details des Entwurfs des Ergänzungsgesetzes studiert haben. Die SPD hat eine klare Regelung für die Deckung vorgeschlagen. Wir haben nämlich gesagt: Die Mittel gibt der Bund; dazu haben wir Möglichkeiten der Erstattung durch die Länder vorgesehen. Was aber machen Sie jetzt in Ihrem Ergänzungsgesetz? Durch Ihre Regelung übertragen Sie die Ausgaben für den noch offenen Personenkreis auf die Gemeindeunfallversicherungsverbände. Das heißt also: Sie überlassen die Last des Restes den wirtschaftlich Schwächsten, nämlich den Gemeinden, und nicht dem Bund.
({3})
Das ist eine sehr fragwürdige Konzeption.
Im übrigen, Herr Kollege Winkelheide, haben Sie da ein großes Wort ausgesprochen, von wunderbarer Gestaltung der Zukunft. Wir glauben in dieser Hinsicht nicht an Wunder, denn die Ergebnisse der bisherigen Gesetzgebung sind sehr unerfreulich.
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Herr Abgeordneter Arndgen! - Ich bin der Meinung, wir könnten doch bald mit der Aussprache in der ersten Beratung Schluß machen.
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben damit gerechnet, daß alle diejenigen, die gegen das erste Kindergeldgesetz gestimmt haben, sich bei dieser Debatte wieder zusammenfinden würden, und wir können feststellen, daß diese unsere Erwartung Tatsache geworden ist.
({0})
Wir haben weiter damit gerechnet, daß Sie es
nicht anerkennen würden, daß die Schwierigkeiten,
die Sie bei der Verabschiedung des ersten Gesetzes prophezeit haben, nicht eingetroffen sind.
({1})
Wir haben weiter damit gerechnet, daß Sie die Schwierigkeiten, die bei jedem Gesetz, das Neuland betritt, auftauchen, vergröbern würden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit all diesen Redereien, die Sie heute morgen hier in der Diskussion gemacht haben,
({2})
werden Sie das eine nicht abstreiten können, daß
dieses Gesetz in der Bevölkerung angekommen ist
({3})
und daß dieses Gesetz von dem größten Teil der Bevölkerung anerkannt worden ist.
({4})
Wenn Herr Kollege Winkelheide davon gesprochen hat, daß man über weitere Verbesserungen usw. reden wird, dann bin ich der Meinung, daß wir wie auf allen Gebieten auch auf dem Gebiete des Kindergeldgesetzes eine fortschreitende Politik nach und nach erarbeiten müssen.
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Ich bin der Meinung, daß, wenn dieses Gesetz einmal ein, zwei Jahre in Kraft gewesen ist und wenn dann Erfahrungen vorliegen, die heute nicht vorliegen können, Herr Kollege Schellenberg, wir in der Lage sein werden, auf Grund dieser Erfahrungen weitere fortschreitende Arbeiten in diesen Kindergeldangelegenheiten zu erledigen.
({6})
Herr Abgeordneter Petersen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Arndgen haben mich doch noch bewogen, einige Worte an das Hohe Haus zu richten. Herr Kollege Arndgen hat den Verneinern des Kindergeldgesetzes den Vorwurf gemacht, daß sie heute wieder in einer geschlossenen Front gegen das Kindergeldergänzungsgesetz Stellung nehmen. Nun, wir hatten gehofft, daß die sozialen Unzulänglichkeiten in diesem Kindergeldergänzungsgesetz ausgeräumt sein würden. Sie sind aber nicht ausgeräumt, sondern es sind zum Teil noch größere Schwierigkeiten hinzugekommen.
({0})
Deshalb, meine Damen und Herren, werden Sie schon gestatten müssen, daß insbesondere auch meine Fraktion den ablehnenden Standpunkt zu diesen sozialen Unzulänglichkeiten betont und nachdrücklich unterstreicht, daß diese Schwierigkeiten in der Ausschußarbeit ausgeräumt werden müssen. Wir haben gar keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir es entschieden ablehnen, für die Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen die Koppelung des Kindergeldanspruchs mit der Kinderzulage in der Ausgleichsrente widerspruchslos hinzunehmen, denn - ich will das nicht im einzelnen wiederholen - die Kinderzulagen sind kein Kindergeld. Wenn man jetzt 5 DM zugelegt hat, dann hat man damit nicht das Kindergeld für die Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen geschaffen, sondern man hat ihnen nur eine Ratenzahlung auf das echte Kindergeld gewährt.
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Nun hören wir heute, daß die erwerbstätigen Kriegerwitwen für das dritte Kind das Kindergeld in Zukunft erhalten sollen. Die nicht erwerbstätigen Kriegerwitwen dagegen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, ganz der Familie, insbesondere den Kindern, widmen müssen, sollen das Kindergeld nicht erhalten. Nun, ich muß schon sagen, das schlägt doch den programmatischen Verkündungen des Herrn Bundesfamilienministers geradezu schärfstens ins Gesicht,
({3})
der einmal im Oktober auf einer großen Kriegsopferkundgebung in Godesberg verkündete, es sei einfach unerträglich, daß die Kriegerwitwen, die ihren Mann verloren haben, heute noch für den Lebensunterhalt arbeiten gehen müßten und damit der Erziehung ihrer Kinder entzogen würden.
Meine Damen und Herren, das wollen wir doch einmal ganz klar erkennen: Wenn die Kriegerwitwen nicht arbeiten gehen können - aus welchen Gründen immer, z. B. weil die Familie zu groß ist -, dann soll man sie doch nicht dadurch bestrafen, daß man ihnen jetzt noch das echte Kindergeld vorenthält! Das Kindergeldergänzungsgesetz bringt also keine Belohnung der erwerbstätigen Kriegerwitwen für ihre Kinder, sondern eine Bestrafung der Kriegerwitwen, die nicht erwerbstätig sein können. Das ist doch eine Diskrepanz zwischen Wort und Tat, Herr Bundesfamilienminister.
({4})
Wir hätten uns sehr gefreut, wenn Sie schon bei der Einbringung dieser Vorlage einmal entschieden das Wort ergriffen hätten; aber wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß zunächst einmal in den Ausschußberatungen ein veränderter Standpunkt erreicht werden kann und daß Sie dort nachträglich Ihren Einfluß geltend machen.
({5})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die erste Beratung zu Punkt 7 a und b der heutigen Tagesordnung.
Es ist beantragt, beide Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. - Erhebt sich Widerspruch?
({0})
- Der Ausschuß für Sozialpolitik soll die Federführung haben, und mitberatend wird der Kriegsopferausschuß tätig.
({1})
Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Bevor ich weitergehe, habe ich noch nachzutragen, daß heute ein Geburtstagskind in unserer Mitte ist. Der Abgeordnete Ziegler feiert heute seinen 60. Geburtstag. Ich spreche ihm die besten Wünsche des ganzen Hauses aus.
({2})
Ich darf dann noch bekanntgeben, daß der Unterausschuß für Bundesbeteiligung um 15 Uhr 30 im Zimmer 117 A eine Sitzung abhält.
Ich rufe nunmehr Punkt 8 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 29. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Arbeitslosenversicherung ({3}).
Auf Begründung und Beratung in der ersten Lesung soll verzichtet werden. Ich schlage dem Hause die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. Ist das Haus damit einverstanden?
({4})
- Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen ({5});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({6}) ({7}).
({8})
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abgeordneten Bals.
Bals ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zum Entwurf eines Gesetzes über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen gefaßten Beschlüsse stellen im großen und ganzen eine einmütige Arbeit des Ausschusses für Sozialpolitik dar. Eine unterschiedliche Beurteilung entstand im wesentlichen nur bei § 414 Abs. 4. Hier sieht die Regierungsvorlage die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Verbände vor, was eine Zwangsmitgliedschaft der Träger ,der Krankenversicherung bei den Verbänden begründet.
Im Ausschuß haben die Vertreter der SPD-Fraktion die Streichung des Satzes 1 beantragt, der die Verbände zu Körperschaften des öffentlichen Rechts macht. Der Antrag wurde mit Mehrheit abgelehnt. Somit verblieb es bei der Regierungsvorlage.
Ich darf zu § 414 Abs. 4 noch erwähnen, daß sich die Sachverständigen zum Teil für die Verleihung der Körperschaftsrechte an die Verbände und zum Teil dagegen ausgesprochen haben. Bei der Beratung dieser Gesetzesvorlage wurden alle Änderungsvorschläge des Bundesrates vom Ausschuß berücksichtigt.
Nachdem die Neuordnung des Kassenarztrechtes von diesem Hohen Hause bereits beschlossen worden ist, erfordert das Verbänderecht eine den gegenwärtigen staatsrechtlichen Verhältnissen angepaßte Neuordnung. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich bemüht, dieses Gesetz, ,das eine Lücke schließen sollte, die durch den Krieg aufgerissen worden ist, schnellstens zu beraten, und bittet Sie durch mich um Annahme des Entwurfs in der Fassung des Ausschusses.
({10})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich trete in die zweite Beratung, die Einzellesung ein und rufe Art. 1 auf. Dazu liegen zwei Ande({0})
rungsanträge vor, der eine auf Umdruck 466 *), der andere auf Umdruck 467 **).
Wer begründet? - Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt auf Umdruck 467 **), in Art. 1 § 414 Abs. 4 den ersten Satz zu streichen. Dieser erste Satz besagt:
Die Verbände der Krankenkassen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Die Verbände der Krankenkassen bestanden schon Jahrzehnte, als die Nationalsozialisten 1934 die Bestimmung einführten, nach der die Verbände der Krankenkassen Körperschaften des öffentlichen Rechts wurden. Es handelt sich also um ein typisches Nazirecht, das man damals geschaffen hat, das man schaffen mußte, weil man die Selbstverwaltung beseitigt hat, weil man die Bürokratie, die dann die Führung der Krankenkassen und auch die Verbände der Krankenkassen aller Art in den Händen hatte, wiederum unter Aufsicht haben wollte und weil man das Führersystem auch auf diesem Gebiet realisieren wollte. Die Verbände der Krankenkassen sind auch seit 1945 nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts gewesen; sie haben ihre Aufgabe bis 1955 erfüllt, und sie erfüllen sie zur Zeit noch.
Welche Argumente sind also durchschlagend, um diese Verbände zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zu machen? Man sagt: Wenn sie nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, dann kann eine Krankenkasse Mitglied sein, sie kann es auch nicht sein. Man sagt weiter: Es kann sich dann ein zweiter Verband in dem Land Bayern, Hessen oder sonstwo neben dem einen Verband bilden, der für die Kassenart bereits besteht. Man will also mit anderen Worten die Zwangsmitgliedschaft haben. Gerade Sie, meine Damen und Herren, ,die Sie gegen die Zwangsmitgliedschaft bei den Gewerkschaften und bei vielen anderen Institutionen sind, wollen die Zwangsmitgliedschaft bei den Kassenverbänden haben. Wir sind der Auffassung, daß es auch seither gut gegangen ist, als keine Zwangsmitgliedschaft bestand, als die Kasse nach ihrem Willen nach Überprüfung aller Verhältnisse und nach Entscheidung der Organe der Selbstverwaltung bestimmen konnte, ob sie Mitglied bei dem Verband sein wollte oder nicht.
Es wird weiter gesagt: Man braucht diese Körperschaftsrechte bei den Verbänden, weil auch der Verhandlungspartner der Krankenkassen, die Ärztevereinigung, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Das trifft zu, aber das ist doch nicht entscheidend; denn wie viele Gewerkschaften verhandeln mit öffentlich-rechtlichen Körperschaften und schließen mit ihnen Tarifverträge für die Arbeitnehmer ab! Warum soll es nicht möglich sein, daß ein Vertrag zwischen dem Verband der Ärzte und dem Verband der Krankenkassen abgeschlossen wird? Welchen Rechtscharakter der Verband hat, ist doch dabei wirklich ganz unbedeutend.
Interessant ist, daß die als Sachverständige gehörten Vertreter der einzelnen Verbände der verschiedenen Krankenkassenarten unterschiedliche Auffassungen hatten. Interessant ist, daß der Verband der Innungskrankenkassen die Körperschaftsrechte rundweg abgelehnt und erklärt hat, er sei
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3. seither zurechtgekommen, und er werde sich auch in Zukunft ordnungsgemäß durchschlagen. Der Verband der Ersatzkrankenkassen fällt nicht unter das Gesetz, aber der Vertreter des Verbandes der Angestellten-Ersatzkassen e. V. ist gehört worden und hat auf eine Frage erklärt - laut Stenographischem Protokoll -: Wenn wir gefragt werden, ob wir das Körperschaftsrecht haben wollen oder nicht, dann sagen wir: wir wollen es nicht; wir fühlen uns bei der jetzigen Regelung sehr wohl; es liegt kein sachlicher Grund vor, die Rechtsverhältnisse zu ändern. - Der Verband der Angestellten-Ersatzkassen hat die Rechte eines eingetragenen Vereins. Er hat seine Aufgaben, seine Rechte und Pflichten ordnungsgemäß erfüllt. Warum wollen wir jetzt alle anderen Kassenverbände wie die der Ortskrankenkassen, der Landkrankenkassen, der Innungskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen durch Gesetz zu der Regelung zwingen, daß ihre Landesverbände und der Bundesverband Körperschaften ides öffentlichen Rechts werden?
Der Verband der Rentenversicherungsträger, der alle Landesversicherungsanstalten und die Bundesanstalt für Angestellte umfaßt, hat keinen Körperschaftscharakter und legt meines Wissens auch keinen Wert darauf. Auch die Organe der Selbstverwaltung, also die Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sind gegen die Zuerkennung des Charakters einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Verbände der Berufsgenossenschaften - meines Wissens sowohl der gewerblichen wie der landwirtschaftlichen - haben ohne Körperschaftscharakter ihre Pflichten erfüllt, ihre Rechte wahrgenommen und und die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Bei Punkt 7 der Tagesordnung haben wir über den Gesamtverband für Familienausgleichskassen gesprochen. Das ist doch praktisch der Verband der gewerblichen Berufsgenossenschaften; das sind praktisch ein und dieselben Institutionen und Personen und Selbstverwaltungsorgane, und sie haben nicht den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft. Warum sollen gerade die Verbände der 'Ortskrankenkassen, der Innungs-, Betriebs- und Landkrankenkassen den Charakter einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erhalten? Wir sind der Auffassung, daß idas nicht erforderlich ist, daß es zu einem Abbau der Rechte der Selbstverwaltungsorgane und zu einer weiteren Bürokratisierung in der gesamten Sozialversicherung führen wird. Wir bitten Sie aus diesen rein sachlichen Erwägungen, unserem Antrag auf Streichung des Satzes 1 in § 414 Abs. 4, Art. 1, zuzustimmen.
({0})
Abgeordneter Horn!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Sätze zu dem eben hier begründeten Antrag der SPD auf Umdruck 467 sagen. Über dieses Thema ist, wie Kollege Richter schon zutreffend ausgeführt hat, im Sozialpolitischen Ausschuß sowohl bei der Anhörung der Sachverständigen, als auch später bei den Beratungen selber eingehend gesprochen worden. Das Für und Wider, all die Gründe, die Herr Kollege Richter hier angeführt hat, sind zur Sprache gekommen. Es war keine Rede davon und es kann auch hier jetzt keine Rde davon sein, daß etwa die Verbände in den Jahren seit 1945 ihre Aufgabe nicht erfüllt hätten. Sie haben sie durchaus erfüllt. Aber das ist nicht allein entscheidend für die Beurteilung dieser Frage.
({0})
Meine politischen Freunde und ich jedenfalls haben uns im Ausschuß für die Zuerkennung des Körperschaftscharakters ausgesprochen, und wenn ich mich recht erinnere, haben auch die übrigen Koalitionsparteien so votiert. Das, was durch das Gesetz über die Regelung der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Ärzten an Neuordnung gekommen ist, gehört auch in den Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage. Die Verbände sind die Partner zu den kassenärztlichen Vereinigungen, die das Beziehungsgesetz in der Praxis zu handhaben haben. Wir sind der Auffassung, daß wir, wenn wir mit dieser neuen Gesetzgebung insofern auch die nationalsozialistischen Gesetzesvorschriften aufheben, dann auch bezüglich des Charakters dieser Krankenkassenverbände wieder an das anknüpfen sollen, was vordem war. Sie waren früher auch Körperschaften des öffentlichen Rechts; wenn sie es jetzt wieder werden, dann haben wir auch in dieser Beziehung die beiden Partner, kassenärztliche Vereinigungen und Verbände, auf der gleichen Rechtsgrundlage.
Ich kann jedenfalls auch nicht zugeben, daß das richtig ist, was der Kollege Richter ausgeführt hat; daß wir, wenn wir so beschließen, wie die Vorlage jetzt lautet, damit eine Einschränkung, eine Drosselung oder eine Gefährdung der Rechte der Selbstverwaltungsorgane beschließen würden. Die Selbstverwaltungsorgane bei den Krankenkassen selbst werden dadurch in ihrer Selbstverwaltung nicht berührt; die Verbände nach meiner Auffassung auch nicht; denn die Aufsichtsbehörde dieser Körperschaften kann in ihren Funktionen über eine Aufsicht in bezug auf die Einhaltung von Gesetz und Recht nicht hinausgehen.
Ich habe also zu erklären, daß wir den sozialdemokratischen Antrag ablehnen werden. Ich bitte das Hohe Haus, in seiner Mehrheit dasselbe zu tun und auch in diesem Punkte der Ausschußvorlage zuzustimmen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung in zweiter Lesung zu § 414.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 467*), in Art. 1 in § 414 der RVO den ersten Satz des Abs. 4 zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. - Der Änderungsantrag auf Umdruck 467 ist damit abgelehnt.
Ich komme nun zur Abstimmung über § 414 in der Ausschußfassung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 414 ist in der Fassung der Ausschußvorlage bei einer großen Anzahl von Stimmenthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf in Art. 1 § 414 a. Dazu liegt der Umdruck 466**) vor. Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 414 a heißt es:
Die Mitglieder der Vertreterversammlung werden von den Mitgliedern der Vorstände der Verbandsmitglieder aus deren Reihen gewählt.
*) Siehe Anlage 3.
**) Siehe Anlage 2.
Wenn das nun so stehenbleibt, dann bestimmt die Satzung, wer in dieser Vertreterversammlung letztlich vertreten ist. Alle Kassen können dann wahrscheinlich nicht vertreten sein. Darum haben wir den Änderungsantrag eingebracht. Es erscheint uns gerechtfertigt und auch dem konsequenten Selbstverwaltungsgedanken entsprechend, daß in den Landesverbänden der Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen alle Mitgliedskassen vertreten sein müssen.
Um nun aber dieses Gremium arbeitsfähig zu erhalten, haben wir auch eine Grenze eingebaut: Wenn mehr als 50 Mitgliedskassen vorhanden sind, kann die Satzung Abweichendes bestimmen. Ich glaube, das ist sinnvoll und entspricht der Gerechtigkeit, weil die Interessen der Mitgliedskassen ja auch auf Grund verschiedener Größe, Lage usw. verschieden sind. Darum bitte ich das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird diesem Antrag zustimmen. Ich glaube nur, Herr Kollege Winkelheide, daß eine kleine redaktionelle Ergänzung erfolgen muß. Sie haben hier gesagt: „in den Landesverbänden der Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen." Ich glaube, es müßte heißen: „in den Organen der Landesverbände", denn nur da sollen doch die Mitgliedskassen vertreten sein.
({0})
- In der Vertreterversammlung. - Das sollte man zum Ausdruck bringen, damit es keine Zweifelsfragen gibt.
Ich würde weiter vorschlagen, daß Sie diese Sätze nicht hinter Satz 4, sondern hinter Satz 1 einfügen, weil sie ja die Grundsätze enthalten.
({1})
Dann kann ich also den Text abändern, so daß er nunmehr lautet: „In der Vertreterversammlung der Landesverbände . . .". Und wo soll er nun systematisch hin?
({0})
- Nach Satz 1. Der Änderungsantrag lautet nunmehr also:
In Artikel 1 werden in § 414 a der Reichsversicherungsordnung nach Satz 1 die folgenden Sätze eingefügt:
In der Vertreterversammlung der Landesverbände der Orts-, Land-, Betriebs- und Innungskrankenkassen müssen alle Mitgliedskassen vertreten sein. Umfaßt der Landesverband mehr als 50 Mitgliedskassen, so kann die Satzung Abweichendes bestimmen.
Ist er so richtig formuliert?
({1})
- Dann lasse ich über diese eben verlesene Formulierung abstimmen. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wer nunmehr in der zweiten Lesung dem so geänderten § 414 a zuzustimmen wünscht, den
({2})
bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe weiter auf die restlichen Vorschriften des Art. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs: §§ 414 b, - 414 c, - 414 d, - 414 e, - 414 f, -414 g, - 414 h, - alles in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung.
Ich trete ein in die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Da Änderungsanträge nicht vorliegen, bitte ich diejenigen Damen und Herren, die dem Gesetz, wie wir es eben in der zweiten Lesung verabschiedet haben, im ganzen zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({4}) ({5}).
({6})
Ich erteile das Wort der Berichterstatterin, der Frau Abgeordneten Finselberger.
Frau Finselberger ({7}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Ausschuß für Sozialpolitik hat über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Drucksache 1418 und den Antrag -der Fraktion der SPD auf Drucksache 1247 beraten. Nach § 3 Abs. 1 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes wird in der Rentenversicherung der Arbeiter Witwenrente nach dem Tode des versicherten Ehemannes gewährt, wenn für den Versicherten zur Zeit des Todes die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten ist. Die Erfüllung von besonderen in der Person der Witwe liegenden Voraussetzungen ist nicht erforderlich. Im Hinblick auf die erhebliche finanzielle Belastung konnten dabei Ehefrauen von Arbeitern, die vor dem 1. Juni 1949 Witwe geworden sind, in diese Regelung nicht einbezogen werden.
Nach § 1256 RVO erhält Witwenrente nach dem Tode des versicherten Ehemannes, wenn der Tod vor dem 1. Juni 1949 eingetreten ist, die Witwe, die
entweder dauernd invalide ist, oder vorübergehend invalide ist, wenn die Invalidität ununterbrochen 26 Wochen gedauert hat oder nach Wegfall des Krankengeldes noch besteht, oder das 60. Lebensjahr vollendet hat, oder das 55. Lebensjahr vollendet hat und mindestens vier lebende Kinder geboren hat, oder zur Zeit des Todes ihres Ehemannes mindestens vier waisenrentenberechtigte Kinder erzieht. Witwenrente wird weiter gewährt, sofern die Witwe mindestens zwei waisenrentenberechtigte Kinder unter sechs Jahren erzieht.
Der Ausschuß für Sozialpolitik war einhellig der Auffassung, daß diese unterschiedliche Regelung hinsichtlich der Gewährung von Witwenrenten in der Invalidenversicherung nicht länger tragbar ist. Der Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 1247 -, der vorsah, diese unterschiedliche Regelung völlig aufzugeben, wurde im Ausschuß abgelehnt mit der Begründung, daß damit sehr hohe finanzielle Belastungen der Versicherungsträger und des Bundes verbunden seien.
Ein weiterer Antrag der SPD-Vertreter im Ausschuß, § 21 Abs. 5 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes dahin zu mildern, daß eine Einbeziehung der Witwenrente von der Erreichung des 40. Lebensjahres der Witwen an möglich sein sollte - mit Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. Oktober 1955 - fand ebenfalls keine Mehrheit.
Angenommen wurde dagegen der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP - Drucksache 1418 -, der vorsieht, daß für Ehefrauen von Versicherten, die vor dem 1. Juni 1949 Witwe geworden sind, die Einschränkungen des § 3 Abs. 1 SVAG nicht gelten, sobald diese Witwen das 45. Lebensjahr vollendet haben.
Um Härten bei der Durchführung des Gesetzes zu vermeiden, wurde in § 2 vorgesehen, daß Rentenansprüche nach § 1 frühestens mit dem 1. August 1955 entstehen, sofern der Antrag bis spätestens zum 31. Juli 1956 gestellt wird.
Zu erwähnen wäre noch, daß sich der Ausschuß bei seinen Beratungen mit dem aus diesem Gesetz erwachsenden Kostenaufwand befaßt hat. Nach Angaben eines Regierungsvertreters beträgt er 119,5 Millionen DM im Jahr. Im Ausschuß wurde erwogen, ob und inwieweit Einsparungen für den Bund an anderer Stelle erfolgen können. Dieser Betrag von 119,5 Millionen verteilt sich auf die Versicherungsträger und den Bund mit 40,2 und 79,3 Millionen DM im Jahr.
Der Ausschuß beschloß weiter, Ihnen vorzuschlagen, das Inkrafttreten des Gesetzes für den 1. August 1955 vorzusehen.
Die Berlin-Klausel konnte fortfallen, da Berlin eine eigene Regelung hat.
Der Beschluß des Ausschusses wird nunmehr dem Hause zur Annahme empfohlen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf § 1 in der zweiten Beratung. Hierzu liegt auf Umdruck 468 *) ein Änderungsantrag vor, den ich mit aufrufe, ferner ein Änderungsantrag auf Umdruck 469 **), der noch nicht verteilt ist; bevor wir über ihn abstimmen, werde ich ihn vorlesen. Sollen die Anträge begründet werden? - Frau Abgeordnete Döhring!
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Bericht des Sozialpolitischen Ausschusses und sein Antrag, der heute hier zur Abstimmung steht, gehen auf zwei Gesetzentwürfe zurück. Einer dieser Gesetzentwürfe, und zwar der ersteingebrachte, stammt von meiner Fraktion, der Sozialdemokratischen Partei, der andere von den Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der Deutschen Partei.
Der Gesetzentwurf, der von meiner Fraktion am 9. März 1955 auf Drucksache 1247 im Bundestag eingebracht worden ist, fordert die ausnahmslose Gleichstellung der Arbeiter- und Angestelltenwitwen. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß um der sozialpolitischen und auch um der menschlichen Gerechtigkeit willen heute hier nur eine Entscheidung getroffen werden sollte: die völlige Beseitigung des unrühmlich bekannten und nur allzu kummervollen Stichtages im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, von dem wir doch alle wissen, daß in der Öffentlichkeit niemals verstanden worden ist, warum er dort eingesetzt worden ist.
Ihr Antrag, meine Herren und Damen von der Koalition, auf Drucksache 1418 ging davon aus, nur jenen Witwen die Hinterbliebenenrente zu gewähren, die inzwischen das 45. Lebensjahr erreicht haben.
Das heute zur Entscheidung stehende Problem kennen wir alle zur Genüge, denn auf Grund wiederholter Anträge der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion haben wir es hier bereits des öfteren eingehend diskutiert. Nur sind wir eben leider mit unseren Vorstellungen niemals zum Zuge gekommen. Sie haben zwar, meine Herren und Damen von der Regierungsmehrheit, die Forderung nach Aufhebung des Stichtages im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz als aus sozialpolitischen Gründen berechtigt anerkannt, aber wegen der finanziellen Auswirkungen eine Regelung in unserem Sinne bisher stets abgelehnt.
Wir haben es immer zutiefst bedauert und die Bevölkerung draußen hat es niemals verstanden - sie wir es auch in Zukunft nicht verstehen können, wenn die Entscheidung hier entsprechend ausfällt -, daß Sie sich in dieser Frage immer nur von fiskalischen Gesichtspunkten haben leiten lassen und dabei den menschlichen und politischen Schaden, der durch das Fortbestehen dieses Unrechts entstanden ist und weiter entstehen wird, unberücksichtigt gelassen haben und lassen.
Wir sind nun endlich einen Schritt weitergekommen, und wir freuen uns sehr darüber, daß unser immerwährendes Drängen Sie zu dem Entschluß gebracht hat, ebenfalls einen "Antrag auf Gewährung von Witwenrente zu stellen, wobei Sie allerdings wiederum beim 45. Lebensjahr eine Grenze setzen wollen.
Meine Herren und Damen von den Regierungsparteien, ich glaube nicht, daß Sie mit diesem Antrag draußen auf Verständnis stoßen werden, nach welchem es weiterhin zweierlei Witwen in unserem Staate geben würde, nämlich solche, die ihre Witwenrente sofort nach dem Tode des Mannes bekommen - und das ist richtig, wir begrüßen, daß es beim Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz damals wenigstens für einen Teil der Arbeiterwitwen gelungen ist, dieses Recht zu erlangen -, und solche, die nun schon seit Jahren auf die Rente warten müssen, obwohl auch für sie die Beitragsleistung voll und ganz erfüllt worden ist.
({0})
Wir bedauern sehr, daß Sie sich bei den Beratungen im Ausschuß den Gedanken in unserem Gesetzentwurf nicht angeschlossen haben. Denn es wäre wirklich an der Zeit gewesen, in dieser Frage einmal reinen Tisch zu machen und endlich die Gleichstellung herbeizuführen.
Ich kann mir denken, daß bei Ihnen in der Regierungskoalition auf Grund der Schätzungen der Bundesregierung die Meinung besteht, daß bei der generellen Beseitigung des Stichtages im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, wie sie meine Fraktion wünscht. ein erheblicher Kostenaufwand erforderlich sei. Nun, ich muß Ihnen hierzu sagen, daß wir Sozialdemokraten die Schätzungen, die im Ausschuß vorgetragen wurden, nicht im vollen Umfange anzuerkennen vermögen. Wir sind vielmehr der Meinung, daß sie in ihrem Ansatz, wie schon so oft, überhöht sind. Allein schon die Tatsache, daß die Bundesregierung Einsparungen, die sich aus anderen Sozialleistungen ergeben, nicht einkalkuliert hat, wie der Herr Regierungsvertreter im Ausschuß zugeben mußte, bestärkt uns in unserer Ansicht. Es sind doch keine unerheblichen Einsparungen, die gemacht werden. Sie liegen darin, daß bekanntlich auf Grund der Vorschriften des § 1273 der Reichsversicherungsordnung für Witwen mit zwei oder mehr Kindern nicht die volle Witwenrente zur Auszahlung kommt. Ferner ergibt sich eine Entlastung für den Bund auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung. Eine erhebliche Anzahl der Witwen, die jetzt Witwenrente erhalten sollen, sind Kriegerwitwen. Sofern diese Kriegerwitwen Ausgleichsrente erhalten - und das dürfte wohl in erheblichem Umfange der Fall sein -, ergibt sich bei Gewährung einer Witwenrente aus der Sozialversicherung ein ganzer oder ein teilweiser Wegfall dieser Ausgleichsrente und damit eine Entlastung für den Bundeshaushalt.
Diese Ersparnisse sind bei der Berechnung durch die Bundesregierung nicht mit angesetzt worden, so daß die tatsächliche Belastung geringer ist, als der Regierungsvertreter im Ausschuß vorgerechnet hat. Wir sind deshalb der Auffassung, daß es sich sehr wohl verantworten läßt, die Witwenrente nunmehr für alle Witwen zu gewähren. Wir wiederholen daher hiermit unsern Antrag, den unberechtigten Stichtag des 1. Juni 1949 im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz ganz zu streichen und damit die Gleichstellung jener Hunderttausende von Arbeiterwitwen herbeizuführen, die seit sechs Jahren auf eine gerechte Entscheidung des Bundestages warten. Ich bitte Sie namens meiner Fraktion, unserem Antrag auf Umdruck 468 Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1949 gilt in der Sozialpolitik der Bundesrepublik der Grundsatz, daß die Witwe des in der Invalidenversicherung Versicherten so gestellt wird wie die Witwe des Angestellten, der in der Angestelltenversicherung versichert ist. Wir denken nicht daran, davon abzuweichen. Zu den Überlegungen über die Grundleistungen einer
({0})
staatlichen Sozialpolitik gehört unter allen Umständen die, daß das vitalste Anliegen eines Versicherten die Versorgung seiner Witwe ist.
Mit der finanziellen Durchführung des 1949 ausgesprochenen Grundsatzes ist es anders gegangen, als unsere Vorgänger im Frankfurter Rumpfparlament sich das vorgestellt hatten. Sie selbst haben diesen Grundsatz doch erst von dem Termin der Verkündung des Gesetzes an angewandt und sind nicht in der Lage gewesen, für die Witwen früher verstorbener Versicherten dieselbe Leistung noch nachträglich zu erreichen. Diese Hypothek lastet auf uns, und um diese Hypothek zu tilgen, haben wir zusammen mit unseren Koalitionspartnern unseren Änderungsantrag eingebracht.
Die verehrlichen Kollegen von der Fraktion der SPD werfen uns vor, daß wir nicht bereit seien, finanziell noch weiterzugehen und alle Wünsche zu erfüllen. Meine Damen und Herren von der SPD, da, wo Sie bei der Verteilung der politischen Karten den schwarzen Buben in Gestalt des Finanzministers bekommen haben, spielen Sie auch nach einer andern Spielregel als in diesem Augenblick!
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Es ist nicht möglich, in der Politik die zweite, die fiskalische Verantwortung abzulehnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen und den Antrag der Koalition anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Gesetzentwurf und auch die Fassung des Ausschusses enthalten eine Lücke, die, wenn sie nicht geschlossen wird, für die Verwaltung die Undurchführbarkeit des Gesetzes zur Folge haben wird. Der vorliegende Antrag der CDU/CSU und der FDP soll diese Lücke schließen.
Zur Klarstellung möchte ich einiges sagen, was ein besseres Verständnis für diesen Antrag vermitteln wird. Am 23. November 1954 wurde das Renten-Mehrbetrags-Gesetz in diesem Hause beschlossen. Dieses Gesetz sieht vor, daß die alten Beitragsleistungen einmal bis 1924 und sodann von 1924 bis 1938 für alle Rentner einer Aufwertung unterzogen werden. Das ist geschehen. Dabei hat man festgestellt, daß man bei den schon laufenden Renten für die Zeiträume, in denen die einzelnen Beiträge geleistet worden sind, keine Unterlagen mehr hat. Weil diese nicht zu ermitteln waren, beschloß man durch Gesetz eine Pauschalleistung für alle diese Beiträge, die nur der Höhe nach feststanden, um so erstens das Gesetz schneller durchzuführen und zweitens dem einzelnen Rentner überhaupt zu dem Mehrbetrag zu verhelfen.
Nun stoßen wir bei der Witwenrente auf die gleiche Erscheinung wie damals, daß auch bei allen denjenigen Witwen, deren Männer bereits Invalide oder Rentner waren, die Unterlagen vernichtet worden sind und daß nur noch pauschal abgegolten werden kann, weil man nicht mehr feststellen kann, in welchen Zeitabschnitten die einzelnen Beiträge geleistet wurden. Das trifft also bei all denjenigen zu, bei denen damals schon eine Rente für den Versicherten selbst lief. Es trifft weiter da zu, wo der Versicherte Waisen hinterließ; und wenn es nur ein Kind war, mußte die Waisenrente errechnet werden. Die Unterlagen verfielen ebenfalls. Somit ist auch in diesen Fällen, wo die Waisenrente bereits lief, keine Möglichkeit mehr vorhanden, die einzelnen Daten der Beitragsleistungen festzustellen. Es trifft also auch hier - ich möchte annehmen: für zwei Drittel dieser Witwen - zu, daß ihre Renten nach dem Mehrleistungsgesetz nicht berechnet werden können und daß man sich hier nun der gleichen Maßnahme bedienen muß wie im Mehrleistungsgesetz, d. h. man muß auch für diese Witwen die Mehrleistungsbeträge zu den Renten pauschal errechnen.
Daher ist zwingend geboten, das Gesetz durch den von uns vorgelegten Antrag zu ergänzen, wenn wir überhaupt die ausführenden Organe in die Lage versetzen wollen, die Rente zu berechnen. Ich glaube, dem kann sich niemand verschließen. Unsere Vorlage besagt auch, daß überall dort, wo die Beitragsleistung noch festzustellen ist, wo also die Unterlagen noch nicht der Vernichtung anheimfielen, genau nach dem Mehrleistungsgesetz auch die Mehrleistung nach der einzelnen Beitragsleistung berechnet werden soll. Das liegt im Interesse der praktischen Durchführung des Gesetzes, und die Verwaltungsorgane sind dann in der Lage, eine konseqente Berechnung durchzuführen.
({0})
Aber nun zu dem Antrag. Wir haben heute erneut den Antrag der Opposition vorliegen, das gesamte Problem bezüglich der Witwen mit der Streichung des einschränkenden § 21 aus dem An-passungsgesetz zu beseitigen. Wir wiederholen noch einmal die Ausführungen, die wir zur ersten Beratung gemacht haben. Wir haben heute das gleiche Anliegen. Unser Koalitionskollege Dr. Hammer hat eben die gleiche Begründung vorgetragen und gesagt, auch für seine Fraktion bestehe das Anliegen der Gleichstellung aller Witwen. Es handelt sich also wohl um ein gemeinsames Anliegen in diesem Hause. Gemeinsam aber ist nicht die Ansicht, daß das jetzt durchführbar sei.
Wir haben uns ernstlich bemüht, nunmehr nach sechs Jahren einen wesentlichen Schritt voran zu tun, um dem größten Teil der Witwen, die bisher nach dem Anpassungsgesetz von der Rente ausgeschlossen waren, zu dieser Rente zu verhelfen. Wir haben auch damals schon klargelegt, daß die Gesamtlösung nahezu 200 Millionen DM und für den Bundesfinanzminister allein 140 Millionen DM kosten würde. Die große Schwierigkeit liegt eben darin, daß der Finanzminister schon diese erste Deckung mit den 79 oder 80 Millionen sehr schwer beschaffen kann und daß kaum noch eine Möglichkeit besteht, in dem jetzt verabschiedeten Haushalt die weiteren 60 Millionen unterzubringen. Wenn wir heute diesen Beschluß fassen wollten, meine Damen und Herren von der Opposition, dann würde die Situation eintreten, daß das ganze Gesetz wahrscheinlich an der Aufbringung der Mittel scheitern würde. Damit würden wir unseren Witwen bis zum 45. Lebensjahr wirklich einen schlechten Dienst erweisen. Wir sollten also mit Rücksicht auf das große Anliegen, das Sie vorgetragen haben, jetzt - wegen der Undurchführbarkeit im Augenblick, da die Mittel nicht vorhanden sind - nicht den Witwen auch noch über den 1. August hinaus
({1})
die Rente vorenthalten, weil dann der Streit weiter darum gehen würde, wo die weiteren 60, 70, 80 Millionen herkommen sollen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ich nehme Ihnen nicht übel, daß Sie jetzt das ganze Problem mit einem Schlage lösen wollen. Wir möchten es auch lösen. Wir möchten in dem neuen großen Sozialleistungsreformgesetz dahinkommen, daß alle Witwen, ob nach der Angestellten- oder Invalidenversicherung, gleichgewertet werden. Wie diese Regelung aussehen wird, darüber kann heute noch nichts gesagt werden. Aber wir sind nicht der Überzeugung, daß im jetzigen Augenblick noch ein Schritt über das hinausgegangen werden kann und sollte, was der Ausschuß beschlossen hat. Damit würden wir das gesamte Gesetz in Gefahr bringen.
Die von Ihnen vorgebrachten Argumente bezüglich der Einsparung sind von uns auch in Erwägung gezogen worden. Sie stehen aber in gar keinem Verhältnis zu den weiteren 80 Millionen, die notwendig würden. Die Garantie der Deckung ist damit nicht gegeben. Sie haben es sehr viel leichter. Wenn ich an Ihrer Stelle säße, hätte ich den gleichen Antrag gestellt. Wir haben aber die Verantwortung für die Mittelaufbringung, und da wir sie haben, müssen wir sie auch ernst nehmen. Wir bitten inständig darum, jetzt nicht die Zustimmung zu dem weitergehenden Antrag zu geben, damit wir das Ganze nicht in Gefahr bringen. Wir alle freuen uns, daß nun endlich - ab 1. August - auch die 200 000 Witwen in den Genuß der Rente kommen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
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- Ich stelle fest, Sie werden freudig begrüßt, Frau Kalinke.
Ich bedanke mich. - Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz und seine Probleme könnten dazu verleiten, über eine vorhandene oder fehlende Konzeption zur Reform der sozialen Leistungen sehr grundsätzliche Ausführungen zu machen und vielleicht eine temperamentvolle Diskussion zu führen. Ich werde mich aber zurückhalten, um bei dieser Debatte nicht alle jene großen Grundsatzfragen anzusprechen, die der Herr Kollege Schellenberg anläßlich der Haushaltsdebatte angesprochen hat.
Darf ich darauf aufmerksam machen, Frau Abgeordnete: Wir sind in der Einzelberatung des Gesetzes in der zweiten Lesung; da gibt es keine allgemeine Aussprache.
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Ich weiß; ich bedanke mich, Herr Präsident. Ich sage das auch nur zur Erklärung, weshalb ich auf die allgemeine Aussprache zu dem Problem verzichten muß, das aber nicht getrennt von anderen Problemen der Sozialreform gesehen werden kann; in gar keinem Fall aber ohne Zusammenhang mit dem Problem der Rentenversicherungsreform! Insofern bitte ich Sie, Herr Präsident, zu gestatten, daß ich in den Punkten, in denen die Reform der Rentenversicherung als solche angesprochen ist, der Gründlichkeit wegen darauf eingehe.
Zum Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz habe ich in diesem Hause schon im September 1949 bei ,dem ersten Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Grundsätzliches gesagt. Ich habe sehr bedauert, daß damals unsere Koalitionspartner zusammen mit der Opposition der Auffassung waren, die Probleme des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes müßten bis zur Reform zurückgestellt werden. Auch zu Beginn des 2. Bundestages hat man bei der Ablehnung unserer Anträge diese Auffassung leider wieder vertreten, und zwar sowohl seitens der Opposition wie unserer Koalitionspartner. Es ist gar kein Zweifel, daß das Unrecht, das durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz geschaffen ist, indem zweierlei Recht gesetzt wurde - ich unterstreiche hier das, was Frau Döhring gesagt hat -, ein soziales Unrecht ist. Hier handelt es sich um die Folge einer sozialen Versprechung, die bei ihrer Verwirklichung zu sozialer Unzufriedenheit geführt hat. Das sollte uns so bedenklich machen, daß wir ,das SVAG als Schulbeispiel immer vor Augen haben müßten, wenn wir in die Verlockung kommen, etwa anläßlich von Wahlkämpfen oder bei irgendwelchen sozialen Forderungen in der Öffentlichkeit unüberlegte Versprechungen zu machen und Zusagen zu geben, deren finanzielle Auswirkungen wir im Augenblick nicht voll übersehen.
Der Herr Kollege Schüttler hat in seinen Ausführungen gerade auf die finanziellen Auswirkungen der Leistungen abgehoben. Ich möchte im Augenblick nicht über die finanziellen Auswirkungen sprechen, sondern mich dem Grundsätzlichen dieser Novelle zuwenden. Der Herr Kollege Hammer hat den schwarzen Buben „Finanzminister" an die Wand gemalt. Ich bin der Auffassung, daß er das nicht hätte tun sollen. Es ist in dieser Frage im Augenblick wirklich ganz unwichtig, ob der Herr Finanzminister das Geld aus den Mitteln des Haushalts für die Kriegsopferversorgung, aus der Kasse der Soforthilfeleistungen oder aus dem Zuschuß gibt, den er laut Gesetz den Rentenversicherungsträgern für die Witwenrenten geben muß, daß heißt für die 80 % der JV-Witwen, die Kriegerwitwen sind. Hier handelt es sich vor allem um Kriegsfolgeleistungen für die den Rentenversicherungsträgern Erstattungen gegeben werden. Deshalb könnte ich mir denken, daß der Herr Bundesfinanzminister den Kräften seiner Fraktion nachgegeben hat, die diese Rechnung nicht so ganz klar aufgemacht haben,
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da er ohnehin für Kriegsfolgelasten leisten muß. Der Kriegerwitwe, Herr Kollege Arndgen, ist es vollkommen uninteressant, ob sie ihre Rente aus dem Versorgungstopf, aus dem Versicherungstopf oder aus der Soforthilfe bekommt. Aber sehr wichtig ist, daß sie eine Rentenleistung erhält.
Es ist, glaube ich, auch notwendig, die Frage zu stellen - ich war bei den Beratungen im Ausschuß noch nicht dabei und muß mich unter Umständen bei den Kollegen, die diese Frage im Ausschuß schon gestellt haben, entschuldigen -, wieviele dieser 80 % Witwen, die Kriegerwitwen sind, nun wirklich mehr bekommen werden und wieviel sie mehr bekommen werden. Es ist fraglich, ob Sie nicht tatsächlich nur eine soziale Versprechung
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machen, die nicht mehr als ein kleines Zugeständnis für Einzelfälle bringen wird und andere ausschließt.
Deshalb, meine Freunde aus der Koalition, bitte ich auch Sie, ernsthaft zu überlegen, ob Sie bei der doch auch von Ihnen gewollten Forderung, die Reform der Rentenversicherung als erstes Stück der Reform der sozialen Leistungen vorzuziehen, hier um finanzielle Auswirkungen streiten wollen oder ob wir nicht doch das Grundsätzliche dieser Frage gemeinsam überlegen sollten. Die Kollegin Döhring hat mit Recht auf die Konsequenzen hingewiesen, daß Sie mit Ihrem Antrag nun wieder zweierlei Recht schaffen wollen. Nach den von Ihnen geschätzten Zahlen wollen Sie 200 000 Wit: wen einen Rentenanspruch geben, 200 000 Witwen wollen Sie ohne Anspruch lassen; Sie können darüber jetzt schon in einigen Zeitungen lesen. Der Reichsbund und andere Ihnen nahestehende Organisationen haben der Opposition schon indirekt den Auftrag gegeben, in wenigen Wochen mit dem zweiten Antrag zu kommen. Ich frage diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, ob sie dann bereit sein werden, einen neuen Antrag erneut abzulehnen.
Es ist u. a. darüber diskutiert worden, daß man die Leistungen rückwirkend geben sollte. Von anderer Seite wurde gesagt, daß man sie erst zu einem späteren Termin gewähren sollte. Eine solche rückwirkende Auszahlung ist von Gesetzes wegen nicht möglich, weil die interne Verrechnung zwischen Rentenversicherungsträgern und Versorgungsverwaltung das einfach ausschließt. Die Auszahlung könnte erst erfolgen, nachdem die Verrechnung der Ersatzansprüche abgeschlossen ist.
Daß Sie bei 45 Jahren eine Grenze ziehen, kann ich nicht billigen. Ich habe mir sagen lassen - und Sie haben sich das wohl überlegt -, daß diese Grenze im Zusammenhang mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt gesehen werden soll. In den nächsten Monaten wird die Frau als Arbeitskraft mal wieder unerhört interessant sein. Sie wird jenen Berechnungen ausgesetzt sein, die man unter der Überschrift „Arbeitskräftereservoir der Frauen" zusammenfaßt. Unter einem solchen Gesichtspunkt sollte man soziale Leistungen nicht beschließen, und unter einem solchen Gesichtspunkt sollte man auch keine Grenzziehungen vornehmen.
Herr Kollege Schüttler hat im 1. Bundestag die Ansicht vertreten, daß das Recht der Invaliden- und der Angestelltenversicherung weiter angeglichen werden soll. Auch der hier vorliegende Antrag zur Änderung des § 21 verfolgt zweifelsohne dieses Ziel. Meine Herren, ich bin damit einverstanden. Wenn Sie das Recht der Arbeiter an das der Angestellten angleichen wollen, dann haben Sie aber heute wiederum nicht den vollen, sondern nur einen sehr zaghaften Schritt nach vorn getan. Sie sollten den Mut haben, mir noch heute die Antwort auf die Frage zu geben, ob Sie etwa auch die Absicht haben, nun in der Angestelltenversicherung, wo wir die unbedingte Witwenrente haben, in Zukunft auch die Leistung der Witwenrente erst mit 45 Jahren zu gewähren. Nach dem Grundsatz vom gleichen Recht für alle Staatsbürger und Versicherten ist das eine sehr ernst zu prüfende Frage!
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- Sie haben mir das eben schon aufgeschrieben. Es trifft zu, daß meine Fraktion bereit war, die Probleme des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes erneut aufzugreifen, mit allen Konsequenzen, und es trifft zu, daß meine Fraktion den Antrag auf Änderungen in diesem Gesetz unterschrieben hat, allerdings, das muß ich dazu sagen, in der Hoffnung, daß in der Ausschußberatung etwas anderes herauskommen würde als diese Lösung.
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Da aber Sie, meine Herren, die Vorentscheidung
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vermutlich schon getroffen und, wie Sie bei der Verteidigung Ihres Antrags gesagt haben, vor allem finanzielle Überlegungen angestellt hatten, war es meiner Fraktion - das ist kein Geheimnis -, selbst wenn sie wie ein Löwe gekämpft hätte, nicht möglich, nun die Mehrheitsentschließungen des Sozialpolitischen Arbeitskreises der CDU oder der Fraktion der CDU umzuwerfen.
Wissenschaftliche Untersuchungen sind nicht immer sehr beliebt bei sozialpolitischen Entscheidungen, aber wir haben doch alle gemeinsam beschlossen, daß, damit wir eine Grundlage für sozialpolitische Entscheidungen haben, die soziale Wirklichkeit erforscht werden soll. Wir haben inzwischen erfreulicherweise eine Statistik vorliegen, das ist die L-Statistik.
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Sie bestätigt nicht ganz, was Professor Mackenroth vermutet hat, daß nämlich nicht überall die Kumulation der Renten ein solches Ausmaß annimmt, wie man es befürchtete. Die Hauptproblematik liegt in der Frage doch bei den Witwenrenten: Kann man eine so wichtige Frage wie die Gestaltung der Witwenrente in der Rentenversicherung vorab lösen, ohne sich ganz klar zu sein, was diese Kumulierung von Leistungen bedeutet? Darf man als verantwortungsvoller Sozialpolitiker hier einfach nach finanziellen Grundsätzen sagen: Wenn ich es nicht 400 000 Witwen geben kann, dann gebe ich es einfach nur 200 000 Witwen? Ich gehöre nicht zu den Personen, die etwa die Auffassung vertreten, Witwen oder Rentner wären eine homogene Gruppe. Unter den Witwen gibt es genau so wie unter den Rentnern die unterschiedlichsten sozialen Verhältnisse. Sie können kurze oder lange Zeit verheiratet gewesen sein, sie können jung oder alt, sie können reich oder arm, sie können eine selbständige oder abhängige Existenz haben, sie mögen arbeitsfähig sein oder nicht. Das alles kann doch dem Gesetzgeber, der eine Altersrente oder eine Witwenrente beschließt, nicht Anlaß zur Prüfung sein, sondern Anlaß zur Untersuchung kann doch nur die grundsätzliche Frage sein, ob die Witwenrente bedingt oder unbedingt gezahlt werden soll und wie Beiträge und Leistungen gestaltet werden.
Deshalb muß ich vor allen Versuchen warnen, in dieser Frage zu einem schlechten Kompromiß zu kommen. Und, Herr Kollege Horn, ich habe auch den Mut, Ihren Antrag entschieden abzulehnen. ja, ich habe sogar den Mut, wenn Sie nicht belehrbar sein sollten, mit der sozialdemokratischen Fraktion zu stimmen und dann zu erklären: Wenn Sie A sagen, dann sagen Sie auch B und zur Not das ganze Abc! Haben Sie den Mut, eine solche Frage
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anzupacken! Haben Sie aber auch den Mut, einzusehen, daß Sie die Reform präjudizieren, ja, eine sinnvolle Reform geradezu verhindern!
Draußen stellt man sich vor: Reform heißt: „Mehrleistungen für alle." Reform kann aber nicht heißen, „allen" mehr zu geben, ohne Prüfung des Bedarfs und ohne überlegt gezielte Leistungen. Sie haben sich zum Versicherungsprinzip bekannt. Eine Versicherung kann nur Leistungen geben, für die sie von den Versicherten oder der Versichertengemeinschaft Beiträge erhalten hat. Mit Ihrem Zusatzantrag, der natürlich eine Konsequenz Ihres Entschlusses ist, haben Sie praktisch vor, den Weg des Rentenmehrbetragsgesetzes nun fortzusetzen, indem Sie weitere Pauschalerhöhungen geben, ohne daß Sie in der Lage sein werden, einen Anspruch der Witwen etwa nach dem Grundsatz des Versicherungsprinzips in der Invalidenversicherung wirklich nachzuweisen.
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Frau Kollegin Korspeter hat im Ausschuß die Frage gestellt, wie sich das auswirken wird. Natürlich wird es sich so auswirken, wie sich pauschale Leistungen immer auswirken: Die eine Witwe wird nach dem Versicherungsprinzip zu Unrecht etwas bekommen, und die andere, deren Mann ausreichende Beiträge gezahlt hat, wird vielleicht zu wenig bekommen. Aber ich weiß, daß der Herr Bundesminister für Arbeit im Frankfurter Wirtschaftsrat andere Grundsätze angewendet sehen wollte, daß nämlich die Witwen derjenigen, die nun höhere Beiträge bezahlen, auch eine Rente bekommen. Ein solcher Grundsatz auf der Grundlage der Beitragserhöhung, nach dem SVAG für die Zukunft nun auch eine unbedingte Witwenrente in die Invalidenversicherung einzuführen, scheint mir sozialpolitisch sinnvoll und notwendig. Diese Frage kann aber nach meiner Auffassung nicht vorweg gelöst werden. Zuvor müssen all die großen Fragen angeschnitten werden, die sich im Zusammenhang mit der Reform der Rentenversicherung, mit der Gestaltung der Rente überhaupt, mit der Gestaltung des Invaliditätsbegriffs und vieler Probleme mehr ergeben werden.
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- Meine Herren, wir brauchen nicht lange zu warten. Es steht bei uns, gemeinsam den Arbeitsminister heute noch aufzufordern, uns wenigstens eine Gesetzesvorlage für die Reform der Rentenversicherung vorzulegen.
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Herr Professor Schellenberg hat große Klage geführt. Nun, auch den Antrag Schellenberg - ich sage das ehrlich - sehe ich als einen Kompromißvorschlag an, zunächst etwas zu tun. Aber es ist insofern ein gefährlicher Kompromißvorschlag, als er die künftige Gestaltung der Rentenversicherung, die künftige Gestaltung der Rentenformel, die künftige Gestaltung des Invaliditätsbegriffs und die Lösung all der Probleme, die von Ihnen überhaupt noch nicht überlegt worden sind, präjudiziert. Ungelöst ist auch die Frage: Was wird mit der großen Zahl der beschäftigten Witwen werden, die nun wieder versicherungspflichtig werden und die auch selber Beiträge bezahlen müssen? Das sind doch Fragen, die man nicht leichtfertig oder nebenbei behandeln kann,
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sondern die man nur hineingestellt sehen kann in das große Problem, die Rentenversicherung von Grund auf zu reformieren.
Alle Parlamente der Welt, meine Herren und Damen, nicht nur dieses Parlament, haben sich in den letzten Jahrzehnten das Vergnügen gemacht, soziale Leistungen zu versprechen und sie unter Mißbrauch und Überstrapazierung einer doppelten Solidarität zu geben, einmal der Solidaritat der Versicherten, die Sie einfach, ohne sie zu befragen, mit dem Anpassungsgesetz gezwungen haben, doppelte Beiträge zu entrichten, dann aber der Solidarität der Steuerzahler, die Sie jetzt zwingen, mit den festen Bestandteilen der Renten aus Staatszuschüssen weiteren Personenkreisen aus Steuermitteln Zuschüsse zu geben, ohne daß Sie je die ernste Frage prüfen, wo der Bedarf ist und wie sozial gezielt denn alle diese Leistungen aus der Solidaritätshaftung der Versicherten einerseits und der Gemeinschaft der Steuerzahler andererseits sind.
Das sind die ganz großen Fragen von morgen, in denen wir den Mut zur Entscheidung haben müssen. Man kann, glaube ich, diese Frage nicht allein als ein finanzielles Problem bezeichnen, mit dem Hintergedanken: Es ist ja nicht ganz so schlimm, ob der Finanzminister das aus dem Töpfchen Versorgung oder aus dem Töpfchen Versicherung mit Staatszuschuß nimmt oder ob die Fürsorge sich wieder einmal, wie so oft seit dem Inkrafttreten des Anpassungsgesetzes, auf Kosten der Versicherung und derjenigen, die die Beiträge aufbringen müssen, nämlich der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, entlastet.
Nun, meine Herren, daß ich auch über das Rentenmehrbetragsgesetz etwas sagen muß, ist nur deshalb nötig, weil seine Formel nun erneut übertragen werden soll. Ich gebe Ihnen zu: Wer dieses Gesetz so will, wie Sie es im Ausschuß beschlossen haben, der muß auch dem Zusatzantrag der CDU zustimmen; denn ohne diesen Zusatzantrag ist es nicht durchführbar. Aber eine soziale Konsequenz möchte ich Ihnen, ohne Prophet zu sein, schon heute voraussagen: Bei den Empfängern kleiner Renten, die heute ebenfalls zusätzliche Fürsorgeleistungen erhalten, wird weiter eine Anrechnung erfolgen. Diese Anrechnung wird wiederum zu sozialen Enttäuschungen führen. Hier wird die Politik der allgemeinen pauschalen Rentenzulagen wieder aufgenommen, mit der man den Armsten nicht hilft, sondern ihnen nur soziale Versprechungen macht, die keine soziale Befriedung zur Folge haben. Alle seit des SVAG gewährten Rentenzulagen mit Ausnahme der Erhöhung nach dem Grundbetragsgesetz sind bei der Fürsorge wieder angerechnet worden und haben gerade bei den Ärmsten der Armen, die Sie doch immer gemeinsam zitieren, zu einer Entlastung der Fürsorge auf Kosten der Versicherung, aber nicht etwa zur sozialen Gerechtigkeit geführt, wie Sie das sozialethisch so oft und, ich muß sagen, sehr oft in absoluter Übereinstimmung auch mit meiner Auffassung begründen. Dieses Modell des Rentenmehrbetragsgesetzes hätte ich, wenn ich in diesem Hause gewesen wäre, mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Von ihm hat ja auch Herr Professor Preller neulich beim Reichsbund gesagt, „daß heute niemand der Auffassung sein wird, diese Fragen seien nur mit dem Rentenmehrbetragsgesetz gelöst".
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Ich wäre sehr dankbar, meine Herren, wenn Sie mir vor der Abstimmung noch sagen könnten, wie Sie mit den übrigen Problemen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes verfahren wollen, ob Sie die unbedingte Witwenrente der Angestelltenversicherung und die Fehler des Anpassungsgesetzes, die so nivellierend auf die Leistungen in der Angestelltenversicherung wirken, nun endlich revidieren wollen - der Arbeitsminister hat es schon 1950 versprochen - oder ob Sie wiederum nur ein Teilgebiet vorwegnehmen werden und damit das große Ganze verhindern.
Meine Herren und Damen, ersparen Sie mir, Ihnen zu beweisen, wie das Verhältnis der Beiträge zu den Renten, das Sie so oft zitieren, verzerrt ist und durch Ihren heutigen Beschluß weiter verzerrt wird. Der ungleichen sozialen Wirkung ungezielter Staatszuschüsse aus Steuermitteln und der ungleichen Leistung, die Sie jetzt damit geben wollen, daß Sie Witwen zweierlei Rechts schaffen, kann niemand zustimmen, dem es nach seinem Verantwortungsbewußtsein um die wahre soziale Gerechtigkeit geht.
Meine Herren und Damen, ich habe 1949 und 1953 bei der Begründung unserer Anträge das gesagt, was ich heute wiederholen kann, ohne davon ein Wort oder eine Silbe oder ein Komma wegzulassen. Ich habe damals zum Ausdruck gebracht, daß ich es für die schlechteste Sozialpolitik halte, aus politischen Gründen oder aus Wahlagitation zweierlei Recht zu schaffen, echte Versicherungsansprüche mit Fürsorgeunterstützungen zu verquicken oder nun in der Auseinandersetzung um die Reform nicht den Mut zu Konsequenzen zu haben, selbst wenn sie unpopulär sind. Meine Herren und Damen, ich habe diesen Mut!
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Aus diesem Grunde werde ich, wenn Sie den Antrag nicht zurücküberweisen und sich überlegen, ob wir nicht doch noch heute den Herrn Arbeitsminister gemeinsam bitten, wenigstens die Reform der Rentenversicherung vorzuziehen, statt durch einen weiteren Flicken auf ein unvollkommenes Gesetz alles zu präjudizieren, um des Grundsatzes willen mit meinen Freunden dem Antrag der SPD zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Hohen Hause befinden sich noch eine ganze Anzahl von Abgeordneten, die im Wirtschaftsrat das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz mit beschlossen haben. Damals waren wir uns völlig darüber klar, daß man aus der Sozialversicherung nicht Leistungen gewähren kann, für die niemals Beiträge geleistet worden sind. Das war die einheitliche Auffassung des Wirtschaftsrats. Wir haben deshalb die neue Ordnung geschaffen, wonach auch die Witwe des gewerblichen Arbeiters eine Witwenrente bekommen soll, wenn die Anwartschaft des Versicherten erreicht ist, ohne daß sie selber nachweisen muß, daß sie invalide ist. Wir sind damals dazu übergegangen, diese neue Ordnung mit dem Tag eintreten zu lassen, von dem an auch für dieses Risiko Beiträge gezahlt wurden. Wir haben nämlich damals die Beiträge von 5,6 % der Lohnsumme auf 10 % erhöht.
Bei dem Problem, das heute zu behandeln ist, kommt noch folgendes hinzu. Die Witwen, die wir heute haben, sind zu 80 % Kriegerwitwen, und eine große Anzahl dieser Kriegerwitwen hätten nach der Reichsversicherungsordnung, wie sie vor dem 17. Januar 1941 bestanden hat, nie einen Rechtsanspruch auf eine Witwenrente gehabt. Denn bis dahin galt die gesetzliche Ordnung, nach der Witwenrenten auch in der Angestelltenversicherung nur gezahlt wurden, wenn die Anwartschaft des Versicherten erworben war. Der Nationalsozialismus ist es gewesen, der am 17. Januar 1941 bestimmt hat, daß für alle Kriegsteilnehmer, für alle diejenigen, die als Kriegsbeschädigte nachher Rechtsansprüche geltend machen wollten, oder für deren Hinterbliebene die Anwartschaft als erfüllt galt, wenn auch nur ein Beitrag gezahlt war. Sie sehen hier das klare Wollen der damaligen Staatsleitung, Leistungen und Verpflichtungen der Staatsführung von sich abzuwälzen und sie den Sozial-. versicherungsträgern zu übertragen, einzig und allein weil man dort in den Deckungskapitalien Vermögen sah, das man ebenfalls für die Kriegführung einsetzen wollte.
Sehen wir doch die Dinge so, wie sie tatsächlich sind; dann werden Sie dem Problem, das heute vor Ihnen steht, ganz anders gegenübertreten. Wir haben bereits für die Frauen, die vor dem Inkrafttreten des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes ihren Mann verloren hatten, die Altersgrenze von 65 auf 60 Jahre herabgesetzt. Die Witwen in diesem Alter von 60 bis 65 Jahren brauchten also nicht mehr nachzuweisen, daß sie selber invalide waren. Jetzt liegt der Antrag und auch der Beschluß des Ausschusses vor, nach dem diese Altersgrenze auf 45 Jahre herabgesetzt werden soll. Dadurch tritt meines Erachtens eine Erweiterung der Verpflichtung der Sozialversicherungsträger in einer Größenordnung von 40 Millionen DM im Jahr ein, für die keine Beiträge gezahlt worden sind. Wir wollen uns doch immer und immer wieder des Grundsatzes erinnern, der im Wirtschaftsrat noch allgemein anerkannt wurde: In einer Versicherung keine Leistungen, für die nicht Beiträge gezahlt worden sind! Aber wir finden uns damit ab, und auch die Leute aus den Versicherungsträgern würden sich damit abfinden, weil es ja eine vorübergehende Maßnahme ist. In einigen Jahren werden wir den Zustand haben, daß alle die Witwen, die damals noch nicht bedacht worden sind, in den Kreis der Berechtigten eingeführt sind. Aber die Belastungen, die hier nun eintreten, müssen klar gesehen werden.
Soweit die Kriegerwitwen in Frage kommen, haben wir die Vergütung an die Versicherungsträger über § 90 des Versorgungsgesetzes. Auf diese Art kommt für den Finanzminister durch dieses Gesetz eine zusätzliche Leistung von über 79 Millionen DM in Frage. Diese wesensfremden Verpflichtungen, die man den Sozialversicherungsträgern übertragen hat - ich möchte Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen, daß man sie nicht allein durch das Gesetz aus dem Jahre 1941 mit besonderen Verpflichtungen belastet hat, sondern auch noch einmal mit der Rentner-Krankenversicherung, die heute eine Leistung von ungefähr einer halben Milliarde DM ausmacht -, sie hindern uns doch daran, eine wirklich ausreichende Rente für die({0})
jenigen festzulegen, die von der Rente zu leben gezwungen sind.
({1})
Mir wird doch niemand sagen wollen, daß sich die jüngeren Witwen, also die, die vor über 7 Jahren ihren Mann verloren und heute noch nicht das 45. Lebensjahr erreicht haben, nicht wieder in der einen oder anderen Form in das wirtschaftliche Leben eingegliedert haben.
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- Ja, bei der Angestelltenversicherung hat man die ganze Beitragsleistung und die Rentenberechtigungen ganz anders gestaltet. Es ist doch heute so, daß die sogenannten Steigerungsbeträge, die in der Invalidenversicherung 1,2 % betragen, in der Angestelltenversicherung nur 0,7 % ausmachen. Mit anderen Worten: die Gestaltung der Dinge dort war von vornherein eine andere. Das Risiko der Witwenrente war in der Angestelltenversicherung seit ihrem Bestehen eine Tatsache; dafür sind andere Beiträge geleistet worden.
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- Ja, aber die Leistungen sind heute in der Invalidenversicherung - in der wir diese Leistungen früher nicht hatten - andere als in der Angestelltenversicherung. Wir wissen doch aus den Beratungen des Beirats, daß diese Dinge in eine Ordnung gebracht werden sollen.
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- Das wissen Sie nicht? Nun, Frau Korspeter, ich bin der Überzeugung, daß Ihre persönlichen Freunde, oder einer von denen, die im Beirat mitarbeiten, auch Sie darüber etwas informiert hat. Ganz so geheim sind diese Dinge ja nicht. Ich bin überzeugt, daß Sie schon etwas wissen.
Deshalb bin ich der Meinung, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten dem Gesetz in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen und dazu den von der CDU gestellten Änderungsantrag annehmen, der letzten Endes nichts anderes will, als eine reibungslose Durchführung dieses Gesetzes zu ermöglichen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich jetzt noch weiter in eine Sachdebatte einzulassen, aber die Ausführungen meiner sonst so sehr geschätzten Frau Kollegin Kalinke
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zwingen doch zu einigen Feststellungen.
Ich muß mit Nachdruck darauf hinweisen, daß dieser Initiativantrag auch die Unterschrift der Deutschen Partei trägt.
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Frau Kalinke hat es im übrigen trotz der freundlichen Ermahnung des Herrn Präsidenten sehr geschickt verstanden, eine ausgedehnte Grundsatzdebatte mit diesen Änderungsanträgen zu verbinden. Aber zu einer solchen Grundsatzdebatte über die Sozialreform sind wir heute bei diesem Gegenstand der Tagesordnung nicht hier.
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Frau Kalinke hat uns einige Male angesprochen und am Schluß bei ihrem Abgang noch einmal sehr pointiert zum Ausdruck gebracht, daß sie eventuell mit ihren Freunden entschlossen sei, für den Antrag der SPD zu stimmen.
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Darauf ist zu erwidern: im Sozialpolitischen Ausschuß war bei der Beratung dieser Vorlage nach meiner Erinnerung die Deutsche Partei überhaupt nicht vertreten. Jedenfalls sind die Gedanken der Frau Kollegin Kalinke bei diesen Beratungen mit keiner Silbe angedeutet worden.
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Der Antrag trägt die Unterschrift der Deutschen Partei. Man muß daher nach den Ausführungen, die wir hier gehört haben, entweder zu der Auffassung kommen, daß die Unterschrift unter die Vorlage gesetzt wurde, weil außer der Frau Kollegin Kalinke kein sozialpolitischer Experte vorhanden war,
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oder man muß annehmen, daß man durch die Unterschrift wenigstens bei dieser Gabe an einen Teil der Witwen dabeisein wollte.
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Sollte dieser Erklärung der Frau Kalinke jetzt die Tat folgen - ich bitte die Damen und Herren der Deutschen Partei, sich das sehr genau zu überlegen -, dann würde man damit praktisch die Unterschrift „Dr. von Merkatz und Fraktion" unwahrhaftig machen, auch wenn man sie nicht formell zurückzieht, sondern das durch die Abstimmung deutlich macht. Ich glaube, so kann man, wenn man Anträge gemeinsam einreicht, in diesem Hause eigentlich nicht verfahren.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu § 1.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 468*). Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei vielen Enthaltungen angenommen.
Ich komme dann, weil ich annehme, daß dazu das Wort nicht mehr gewünscht wird, gleich zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 465**) -der ja schon begründet ist -, hinter § 1 den dort formulierten § 1 a einzuschieben. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzen-
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 4.
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chen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit sind die aufgerufenen Paragraphen, die Einleitung und die Überschrift angenommen, und wir sind am Ende der zweiten Beratung dieses Gesetzentwurfs.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache, möchte aber meinen, daß wir sie soeben schon erledigt haben.
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Das Haus ist dieser Auffassung. Ich schließe die allgemeine Aussprache der dritten Beratung.
Ich habe zur dritten Beratung den Umdruck 469*) vorliegen: Änderungsantrag der SPD-Fraktion. Ich weiß nicht, ob dieser Antrag schon im Umdruck verteilt ist. - Dann bitte ich die Frau Abgeordnete Döhring, den Antrag zu begründen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit Bedauern haben wir hinnehmen müssen, daß Sie unseren Änderungsantrag zur zweiten Lesung, die Witwenrente von jetzt an allen Witwen zu gewähren, abgelehnt haben. Damit bleibt das große Unrecht gegenüber einem erheblichen Kreis von Arbeiterwitwen bestehen, die nun schon seit dem 1. Juni 1949 auf ihre Gleichstellung warten.
Wie ich schon sagte, müssen wir das eben hinnehmen; die Mehrheit hat gegen uns entschieden. Aus sozialpolitischen und menschlichen Gründen ist es aber nach Auffassung meiner Freunde und nach meiner Auffassung unbedingt erforderlich, daß wenigstens die Witwen mit Kindern jetzt endlich die Witwenrente erhalten, und zwar die Mütter sowohl von noch vorschulpflichtigen als auch von schulpflichtigen oder in Berufsausbildung befindlichen Kindern.
Ich weiß, daß jene Witwen mit Kindern, die aus rein wirtschaftlichen Gründen erwerbstätig sein müssen, damit sie für sich und ihre Kinder das tägliche Brot verdienen, nicht etwa gleich ihre Beschäftigung aufgeben können, wenn sie die Witwenrente erhalten. Aber wer von uns weiß, wie groß die wirtschaftlichen Sorgen und die seelischen Nöte in jenen Familien sind, in denen der Familienvater nicht mehr da ist, der weiß auch, wie notwendig die Gewährung der Witwenrente gerade für diese Halbfamilien ist, damit die heranwachsenden Kinder in Erziehung und Ausbildung sowie in der gesamten Lebenshaltung eine kleine Besserstellung erfahren können. Ich möchte annehmen, meine Herren und Damen, daß es das gemeinsame Ziel aller Mitglieder des Hauses ist, diesen Müttern den harten Existenzkampf wenigstens etwas zu erleichtern, damit sie sich der Erziehung ihrer vaterlosen Kinder mehr als bisher und etwas besser als bisher widmen können.
*) Siehe Anlage 6.
Ich bitte Sie deshalb namens der sozialdemokratischen Fraktion, unserem Antrag zuzustimmen und in § 1 vor dem letzten Wort einzufügen: „oder vorschul-, schulpflichtige oder in Berufsausbildung befindliche Kinder". Da es sich um eine sozialpolitische Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, beantrage ich namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
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Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich halte es für zweckmäßig, das Gesetz noch vor der Pause zu verabschieden; wir haben noch ein wenig Zeit.
Wir schreiten zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln. Damit kein Irrtum entsteht: es wird namentlich abgestimmt über Umdruck 469*), Änderungsantrag der SPD zur dritten Lesung des § 1 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes.
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Meine Damen und Herren, ich frage, ob noch Abstimmungskarten abzugeben sind. - Ich bitte, sich zu beeilen.
Ich frage noch einmal, ob Damen und Herren da sind, die ihre Karte in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgegeben haben. - Bitte!
Ich frage zum letztenmal: Sind noch Damen und Herren da, die in der namentlichen Abstimmung noch nicht abgestimmt haben? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die namentliche Abstimmung.
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Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis **) der namentlichen Abstimmung bekannt: Stimmberechtigte Abgeordnete: abgegebene Stimmen 355, Ja 199, Nein 152, Enthaltungen 4; Berliner Abgeordnete: abgegebene Stimmen 18, Ja 12, Nein 6. Damit ist der Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 469 in der dritten Lesung angenommen.
Wer nunmehr dem § 1 in der so veränderten Fassung in der dritten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Bevor ich zur Schlußabstimmung komme, erteile ich das Wort zur Abstimmung dem Abgeordneten Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Großteil meiner Freunde wie auch ich haben gegen den Antrag der SPD gestimmt, das Gesetz nach dieser Seite hin auszuweiten. Ich glaube, wir sind eine Begründung dafür schuldig.
Im Ausschuß war diese Frage mit keinem Wort angeschnitten worden, und ich glaube, es war doch etwas viel von uns verlangt, daß wir diesen Antrag annehmen sollten, ohne zu wissen, welche Auswirkungen er auch nach der finanziellen Seite hat. Dies war eine Zumutung für uns. Nachdem der Antrag angenommen worden ist, werden wir prüfen müs-
*) Siehe Anlage 6.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 5412.
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sen, wie die Deckung möglich sein wird. Wir hoffen, daß bei der Durchführung des Gesetzes und bei der Finanzierung keine zu großen Schwierigkeiten entstehen werden.
Wir empfinden das gleiche, das auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in bezug auf die Witwen unter 45 Jahren, die Kinder haben, empfinden.
({1})
Aber im Ausschuß ist mit keinem Wort von dieser Ausweitung gesprochen worden. Es ist eine Frage der Fairneß, wenn man nun schon unter den größten Anstrengungen diese 120 Millionen aufgebracht hat und wir keine weiteren Mittel mehr zur Verfügung haben, uns jetzt ad hoc vor eine solche Entscheidung zu stellen. Ich muß hier erklären: der gute Wille ist bei allen im Hause vorhanden, aber wir sind doch an die Linie der Finanzierung gebunden. Wir hoffen, daß dadurch keine Katastrophe entsteht und werden dem Gesetz zustimmen.
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Herr Professor Schellenberg - aber bitte kurz! - zur Abstimmung. Ich handle eigentlich schon wieder gegen die Geschäftsordnung.
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Die finanziellen Auswirkungen werden zu keiner Katastrophe führen, Herr Kollege Schüttler. Der Herr Bundesarbeitsminister hat selbst erklärt, daß 80 % dieser Witwen Kriegerwitwen sind. Es entstehen also auf der anderen Seite Entlastungen, und deshalb brauchen Sie keine Sorge zu haben, wenn Sie sich zu einer sozialpolitischen Tat entschließen, indem Sie wenigstens den Witwen mit Kindern die Witwenrente gewähren.
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Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem laufgerufenen Gesetz in der Fassung, wie es eben durch die Annahme des Änderungsantrages zu § 1 gestaltet worden ist, im übrigen nach der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen mit großer Mehrheit ,angenommen.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr 30.
({0})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf Punkt 11 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins ({0}) in Gewahrsam genommen wurden ({1}).
Ich erteile Herrn .Bundesminister Oberländer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 14. Juli 1954 einen Antrag der Koalitionsparteien auf Drucksache 700 angenommen, in dem die Bundesregierung ersucht wird,
zu prüfen, durch welche Maßnahmen gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Art den aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone Inhaftierten, die nach ihrer Entlassung oder Flucht in das Bundesgebiet gelangt sind, zusätzlich zu den bisher für diesen Personenkreis bereits getroffenen Betreuungsund Entschädigungsmaßnahmen Hilfen zuteil werden können.
Ein weitengehender Antrag der SPD-Fraktion in der gleichen Sache, Drucksache 701, wurde dem Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen und dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen überwiesen.
Die Bundesregierung legt ,als Ergebnis der auf Grund der Beschlüsse des Bundestages vorgenommenen Prüfung nunmehr einen Gesetzentwurf betreffend Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins ({0}) in Gewahrsam genommen wurden, vor. Das Gesetz hat vor allem den Zweck, politischen Häftlingen aus der sowjetischen Besatzungszone und anderen Gebieten hinter dem Eisernen Vorhang, die nach der Entlassung nach West-Berlin oder in die Bundesrepublik gekommen sind und in Zukunft noch kommen, Versorgung für Gesundheitsschäden zu gewähren, die sich die Häftlinge im Gewahrsam zugezogen haben. Wie die durch den Gewahrsam in ihrer Gesundheit geschädigten Personen selbst sollen auch ihre Hinterbliebenen Versorgung erhalten, wenn der Beschädigte an den Folgen seiner Schädigung verstorben ist. Beschädigte und Hinterbliebene erhalten grundsätzlich die gleichen Leistungen wie Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, d. h. die Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes. Die Bundesregierung hat sich damit auf den Standpunkt gestellt, daß die Opfer des Kalten Krieges nicht schlechter gestellt werden können als die Opfer ides 2. Weltkrieges.
Der Entwurf bezweckt darüber hinaus aber noch ein Weiteres, nämlich ,die Hilfe für den Personenkreis der politischen Häftlinge in einem einheitlichen Gesetz zusammenzufassen. Hierzu war es erforderlich, die politischen Häftlinge aus dem Heimkehrergesetz und dem Unterihaltsbeihilfegesetz für die Angehörigen von Kriegsgefangenen herauszulösen. Diese Neuregelung bringt keine Änderung der materiellen Leistungen mit sich, jedoch wird in Zukunft der Personenkreis, der Leistungen nach dem Unterhaltsbeihilfengesetz und nach dem Heimkehrergesetz erhalten kann, durch die §§ 1 und 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs bestimmt.
Der vorliegende Gesetzentwurf erfaßt als Hauptkomplex die Sowjetzonenhäftlinge. Nach Angaben von Sachverständigen, die allerdings nur Schätzungen darstellen, wurden in der sowjetischen Besatzungszone seit Ende 1949 etwa 25 000 Personen aus politischen Gründen zu Freiheitsstrafen verurteilt. In sowjetzonalen Strafanstalten befinden
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sich zur Zeit etwa 23 000 politische Häftlinge. Die Zahl der bis jetzt in die sowjetische Besatzungszone entlassenen ehemaligen politischen Häftlinge beträgt etwa 35 000, während die Zahl der jetzt im Bundesgebiet oder in West-Berlin lebenden ehemaligen politischen Gefangenen etwa 25 000 beträgt. Es ist nur natürlich, daß ein erheblicher Teil der entlassenen politischen Häftlinge unmittelbar im Anschluß an die Entlassung den Weg in die Bundesrepublik findet. Sie werden hier in der Regel als Sowjetzonenflüchtlinge gemäß § 3 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt.
Über den Kreis der Sowjetzonenhäftlinge hinaus bezieht der Entwurf auch die in den unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten und darüber hinaus in den weiteren Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs aus politischen Gründen in Gewahrsam genommenen Deutschen ein. In diesen Gebieten sind die im Zuge der Vertreibung erfolgten Internierungen von deutsen Staatsangehörigen und deutschen Volkszugehörigen inzwischen durch Verhaftungen abgelöst worden, die ebenso wie in der sowjetischen Besatzungszone unter dem Gesichtspunkt der Brechung des politischen Widerstandes gegen die Sowjetisierung dieser Gebiete zu sehen sind. Es besteht daher kein Grund, die Opfer der gleichen politischen Entwicklung in den Gebieten außerhalb der sowjetischen Besatzungszone anders zu behandeln als die politischen Häftlinge aus der sowjetischen Besatzungszone. Der Personenkreis, der hier in Frage kommt, ist deswegen verhältnismäßig klein, weil nur ein geringer Teil der Inhaftierten in das Bundesgebiet gelangt. Immerhin besteht die Möglichkeit, daß sich im Zuge einer wiederaufgenommenen Aussiedlung unter den Ausgesiedelten auch aus politischen Gründen in Haft genommene Deutsche befinden, die ohne die hier vorgesehene Regelung nicht mehr unter die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes fallen würden.
Der Entwurf enthält keine Bestimmungen über die Gewährung einer Haftentschädigung. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es aus den verschiedensten Gründen geboten ist, von einer gesetzlichen Regelung dieser Frage bis auf weiteres abzusehen. Hierfür sprechen bestimmte politische Gründe, die zweckmäßigerweise einer Erörterung im Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen vorbehalten bleiben sollten. Darüber hinaus kann aber auch an dieser Stelle noch auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen werden:
Erstens. Es bestehen im Gegensatz zu der klaren Materie des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes noch keine Unterlagen, auf die sich eine gesetzliche Regelung aufbauen ließe. Der Personenkreis steht nicht fest; eine klare Definition der Haftgründe macht Schwierigkeiten; der finanzielle Bedarf ist weder für den Augenblick, noch für die Zukunft errechenbar.
Zweitens. Bei der Frage der Gewährung zusätzlicher Leistungen für ehemalige politische Häftlinge aus der sowjetischen Besatzungszone und aus Gebieten hinter dem Eisernen Vorhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß diesen Personen als Sowjetzonenflüchtlingen oder Vertriebenen Leistungen auf Grund bereits bestehender gesetzlicher Bestimmungen - nach dem Lastenausgleichsgesetz, dem Bundesvertriebenengesetz und anderen Betreuungsgesetzen - gewährt werden können.
Drittens. Wie Ihnen bekannt ist, sieht der Bundeshaushalt für das Jahr 1955 einen Fonds in Höhe von 10 Millionen DM vor, aus dem der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte Beihilfen an würdige und bedürftige ehemalige politische Häftlinge gewähren kann. Die Vorbereitungen für den Beginn der Auszahlung der Beihilfen dürften in Kürze zum Abschluß kommen. Wesentlich hierbei ist vor allen Dingen eine Mithilfe der Länderbehörden bei der zentralen Verwaltung des Fonds, über die zur Zeit noch Erörterungen im Gange sind. Durch die Einrichtungen des 10-Millionen-Fonds wird es der Bundesregierung ermöglicht, in den Fällen sozialer Bedürftigkeit Beihilfen in ähnlicher Höhe zu zahlen wie nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz. Sie wird darüber hinaus in die Lage versetzt, Erfahrungen bezüglich des Umfanges des Personenkreises, der Haftdauer, der Haftgründe und der finanziellen Anforderungen zu sammeln. Auf Grund dieser Erfahrungen könnte zu einem späteren Zeitpunkt geprüft werden, ob an Stelle einer lediglich durch das Haushaltsgesetz eingeräumten Ermächtigung eine materiell-gesetzliche Regelung etwa durch Ergänzung des vorliegenden Gesetzes erfolgen müßte.
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Wenn auch der Gesetzentwurf vielleicht manche Wünsche der ehemaligen politischen Häftlinge offenläßt, wenn er insbesondere die von den Verbänden der Sowjetzonenhäftlinge erstrebte Gleichstellung mit den Verfolgten des Nationalsozialismus, was die Leistungen anbetrifft, nicht bringen kann, so schließt er zusammen mit der vorgesehenen Fondsregelung doch eine empfindliche Lücke, die die bisherigen, lediglich auf die unmittelbaren Kriegsschäden abgestellten gesetzlichen Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes und des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes für die ehemaligen politischen Häftlinge offengelassen haben.
Mit diesem Gesetz und der Einrichtung des Hilfsfonds realisiert die Bundesrepublik ein Stück gesamtdeutscher Verpflichtung gegenüber denjenigen Deutschen, die für ihre freiheitliche Überzeugung persönliche Opfer gebracht haben.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das
Wort hat die Frau Abgeordnete Korspeter.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Der Gesetzentwurf, mit dem wir uns heute hier zu beschäftigen haben, befaßt sich mit einem verhältnismäßig kleinen Personenkreis, der aber um seiner politischen Bedeutung willen unserer ganzen Fürsorge bedarf. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit, sich um die Opfer eines Terrorregimes, einer Diktatur, zu kümmern und ihnen Hilfe angedeihen zu lassen. Da es sich hierbei um unsere deutschen Brüder und Schwestern handelt, die zu uns gekommen sind, ist es zusätzlich eine besondere nationale Verpflichtung.
Um so peinlicher und um so befremdender wirkt deshalb der Satz in der Begründung dieses Gesetzentwurfes der Bundesregierung, daß es zweifelhaft sein kann, „ob eine rechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik besteht, über kriegsursächliche oder vertreibungsursächliche Schäden hinaus auch Personen Leistungen einzuräumen, die durch die politische Entwicklung in der Nachkriegszeit außerhalb des Bundesgebietes geschädigt worden sind".
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Meine Herren und Damen, wir bedauern außerordentlich, daß ein solcher Satz in die Begründung des Gesetzes seinen Eingang hat finden können; denn es ist nicht nur vom gesamtdeutschen Aspekt her geradezu unbegreiflich, es muß auch aufs tiefste die Menschen verletzen, die um der gesamtdeutschen Sache willen ihr Leben oder ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben.
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Wir haben in dieser Frage völlig unabhängig von formalen Paragraphen zu entscheiden
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und allein auf das Opfer zu sehen und den Opfern des Kalten Krieges nicht nur schöne Worte zu sagen, sondern echte Hilfe angedeihen zu lassen.
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Wir fragen uns dabei auch, wie dieser Satz in Einklang mit der Präambel des Grundgesetzes gebracht werden kann, in der es heißt, daß das deutsche Volk auch für jene Deutschen handelt, denen an der Schaffung des Grundgesetzes mitzuwirken versagt war. Das heißt also, daß wir, die wir in der Freiheit leben, uns selbst die Verpflichtung auferlegt haben, stellvertretend für sie zu wirken, uns der Menschen, die in ihrer Not zu uns gekommen sind, weitestgehend anzunehmen haben. Bei diesem Personenkreis liegt ein Notstand vor; das ist von niemandem bestritten.
Das Gesetz selbst ist - meine Fraktion ist gerne bereit, diese Tatsache anzuerkennen - mit Sorgfalt vorbereitet worden, ganz besonders im Hinblick auf die Frage: Wer ist Sowjetzonenhäftling? Ich glaube daher, daß wir in den Ausschußberatungen wahrscheinlich ohne größere, ohne nennenswerte Änderungen zum Abschluß kommen können.
Aber diese sicher anerkennenswerte Sorgfalt, mit der der Gesetzentwurf vorbereitet wurde, rechtfertigt in keiner Weise die so späte Einbringung dieses Gesetzentwurfs von seiten der Bundesregierung. Ich muß darauf hinweisen - Herr Minister Oberländer hat es ja auch schon gesagt -, daß dieser Entwurf auf Anträge der SPD und der Regierungskoalition zurückgeht und daß diese beiden Anträge bereits am 14. Juli 1954, beinahe vor einem Jahr, hier im Hause behandelt worden sind. Wir haben bereits damals zum Ausdruck gebracht, daß so schnell wie möglich etwas geschehen müsse, um diese Menschen nicht in ihrer bitteren Enttäuschung über unsere mangelnde Hilfe zu belassen und auch um in ihnen nicht den Eindruck zu erwecken, daß durch eine weitere Verzögerung unserer Hilfe ihre Opfer in unseren Augen weniger wert seien, als in den Reden des Feiertages immer wieder zum Ausdruck gebracht wird. Darum verlangten wir in unserem Antrag einen sofortigen Auftrag an die Bundesregierung, uns einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, während Sie, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, erst eine Prüfung forderten, welche Maßnahmen gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Art notwendig seien, um dem betroffenen Personenkreis die versprochene Hilfe angedeihen zu lassen. Sie waren der Meinung, daß wir mit einem solchen Auftrag schnell zum Zuge kommen würden. Wir sahen darin eine Verzögerung. Auch Herr Minister Oberländer erklärte bei 'der Debatte am 14. Juli 1954 wörtlich - ich darf mit der Genehmigung der Frau Präsidentin vorlesen -:
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind alle einig, daß hier schnell geholfen werden muß . . . Wenn es sich um schnelle Hilfe handelt, ist es nicht notwendig, ein neues Gesetz zu machen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Dinge schnellstens geklärt werden. Das geschieht noch in dieser Woche. Ich glaube für die Bundesregierung erklären zu können, daß nichts verzögert wird, sondern daß wir alles tun werden, um noch in dieser Woche die Dinge zu entscheiden.
Meine Herren und Damen, das war am 14. Juli 1954!
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Heute, fast auf den Tag ein Jahr später, behandeln wir in erster Lesung diesen uns vorgelegten Gesetzentwurf. Ich meine, die Bundesregierung hat sich durch diese Verzögerung selbst auf die Anklagebank gesetzt. Ich glaube nicht, daß auch nur ein Abgeordneter im Hause aufstehen kann, um die Bundesregierung von dieser Anklage freizusprechen. Ich glaube auch nicht, daß das der Bundesregierung selber gelingen kann. Niemand wird ihr eine Entschuldigung wegen dieser Verzögerung abnehmen, auch nicht der davon betroffene Personenkreis. Herr Minister Oberländer - gestatten Sie mir, daß ich Ihnen das sage -, wenn Sie versucht hätten, Ihre außerministerielle Tätigkeit ein wenig einzuschränken, und wenn Sie sich um die eventuell aufgetauchten Ressortschwierigkeiten mehr gekümmert hätten, wären wir mit der Lösung dieser Frage vielleicht doch schon einen Schritt weitergekommen.
Die Regierung selber hat nun das Parlament eigentlich in eine peinliche Lage gebracht. Ich nehme an, daß wir alle hier im Hause davon überzeugt sind, daß dieses Gesetz so schnell wie möglich verabschiedet werden soll. Das Parlament geht nächste Woche in Urlaub, und es hat nur noch sehr wenig Gelegenheit, den Gesetzentwurf in seinen Ausschüssen zu beraten und ihn in der nächsten Woche auf die Tagesordnung des Plenums zu bringen.
Dabei ist mir eines besonders unverständlich: Der Bundesrat hat das Gesetz im ersten Durchgang mit verhältnismäßig geringfügigen Änderungen am 6. Mai dieses Jahres an die Bundesregierung zurückgegeben. Ich frage mich: warum ist es nicht möglich gewesen, diesen Gesetzentwurf dem Parlament ein paar Wochen früher zuzuleiten, damit es noch vor den Ferien Gelegenheit gehabt hätte, ihn wirklich gründlich zu beraten? Beinahe hat es - ich muß das sagen - den Anschein, als wolle man nun dem Parlament den Schwarzen Peter und damit die Verantwortung für diese Verzögerung zuschieben. Wir müssen alles tun - sowohl hinsichtlich der Beratungen im Ausschuß als auch, um die zweite und dritte Lesung in der nächsten Woche noch auf die Tagesordnung zu setzen-, um die Verabschiedung dieses Gesetzes herbeizuführen, weil es eine unerträgliche Sache ist, noch länger zu warten.
In diesem Zusammenhang noch etwas anderes! Herr Minister Oberländer hat auch von dem 10-Millionen-Fonds gesprochen. Wir hatten in unserem Antrag Drucksache 701 auch einen Rechtsanspruch auf die Haftentschädigung gefordert, weil wir der Meinung sind, daß die Menschen, die für uns ihre Freiheit und ihre Gesundheit geopfert haben, an uns einen Anspruch auf Wiedergut({5})
machung haben. Die Bundesregierung hat im Gegensatz zu unserer Forderung den sogenannten 10-Millionen-Fonds geschaffen, der den Betroffenen keinen Rechtsanspruch auf die Haftentschädigung sichert, sondern aus dem nach den Erläuterungen und auch nach Besprechungen Mittel an solche ehemaligen politischen Sowjetzonenhäftlinge gegeben werden sollen, die sich in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befinden. Ich möchte dazu betonen, daß wir diesen 10-Millionen-Fonds nur als einen ersten Schritt betrachten und wünschen, daß das menschliche und das politische Opfer, das diese Menschen für uns gebracht haben, dabei weitgehend berücksichtigt wird. Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß wir die Auswirkungen dieser Maßnahme sehr sorgfältig beobachten werden und daß wir es uns vorbehalten, bei unbefriedigender Handhabung dieses Fonds eine gesetzliche Regelung zu fordern. Wir werden in dieser Frage, meine Herren und Damen, nicht aufhören, zu drängen und zu mahnen, um die Menschen, die für uns gelitten haben und die zu uns gekommen sind, nicht zu enttäuschen und um diejenigen, die noch drüben sind, in ihrem Widerstandswillen zu stärken.
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Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das Wort hat der Herr Minister Oberländer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Satz „Es ist zweifelhaft, ob eine rechtliche Verpflichtung besteht" nur eine Floskel ist. Sie wissen genau, daß wir die moralische und politische Verpflichtung immer anerkannt haben; sonst hätten wir dieses Gesetz nicht vorgelegt. Im übrigen ist eine ähnliche Formel auch in anderen Gesetzen vorhanden, die Sowjetzonenflüchtlinge betreffen, weil die Frage des rechtlichen Anspruchs im Grunde genommen eine endgültige Regelung eigentlich erst nach der Wiedervereinigung findet. Es ist eine, ich möchte sagen, Klausel, die in verschiedenen Gesetzen drin ist.
Nun darf ich ganz kurz auf den Zeitpunkt eingehen. Ich gebe Ihnen vollkommen zu, daß ich damals diese Außerung getan habe und daß in der gleichen Woche, nämlich 2 Tage darauf - ich habe hier am 14. Juli gesprochen -, am 16. Juli, die Verhandlungen begonnen haben. Da habe ich allerdings gehofft! Hier möchte ich Ihnen sagen: ich bin mit Ihnen damals wie heute einig gewesen, daß die Sache drängt. Ich habe aber den Fehler gemacht, damals noch Optimist zu sein. Diesen Optimismus habe ich nicht mehr ganz. In dieser Beziehung habe ich zweifellos etwas zugelernt.
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- Bitte, ich will Ihnen gleich begründen, wie die Dinge gelaufen sind. Sie werden von mir nicht erwarten, daß ich meine Kollegen hier irgendwie belaste. Das habe ich gar nicht vor; denn ich bin immer der Ansicht gewesen, daß eine Regierung eine Einheit ist und auch die Dinge gemeinsam tragen muß. Ich möchte Ihnen aber sagen, daß immerhin am 16. Juli begonnen wurde, daß dann noch - das wissen Sie aus der Ausschußarbeit, glaube ich, selbst - sehr ernste Schwierigkeiten aufkamen bei der Formulierung der Abgrenzung des Personenkreises und ebenso bei der Entscheidung über die Frage: Haftentschädigung oder nicht?
Darüber ist sehr lange debattiert worden. Das hat sich eben bis zum 3. März hingezogen. Das Kabinett hat sich im Dezember mit der Angelegenheit befaßt. Der endgültige Kabinettsbeschluß kam am 16. März. Am 14. April ging dann die Angelegenheit an den Bundesrat, und im Bundesrat ist sie am 6. Mai behandelt worden. Am 17. Mai hat das Kabinett zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrats im Umlaufverfahren Stellung genommen, und die Weiterleitung an den Bundestag ist erst am 11. Juni erfolgt.
Ich betone aber: Ihre Kritik, daß das zu langsam gegangen sei, ist völlig richtig. Sie erinnern sich vielleicht einer Unterredung, die wir hier im Hause hatten, bei der ich selbst drängte und gesagt habe, es müsse schnell gehen. Es ist leider wesentlich langsamer gegangen. Im übrigen sind ja, wie Sie wissen, das Arbeitsministerium, das Innenministerium, das Finanzministerium, das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen usw., insgesamt fünf Ministerien daran beteiligt, und sie haben alle etwas zu der Verzögerung beigetragen.
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- Zweifellos! Aber immerhin ist eines wichtig: Ich glaube, daß Frau Korspeter die Qualität des Gesetzes doch anerkannt hat. Sie hat nämlich anerkannt, daß wir sehr gründlich gearbeitet haben, und das hat mindestens den Vorzug, daß nun mit diesem Gesetz gearbeitet werden kann; denn auch der Bundesrat hat keine wesentlichen Änderungen vorgeschlagen. Daraus glaube ich entnehmen zu können, daß auch er mit der sachlichen Seite einverstanden war. Ich glaube, daß das wichtig ist. - Von daher - das wollte ich nur sagen - kommt also die Verzögerung.
Was nun den 10-Millionen-Fonds anbelangt, so habe ich nur die eine Hoffnung, daß die Länder schnell mitarbeiten und daß sie einer zentralen Regelung schnell zustimmen; denn daran wird es liegen, ob wir jetzt auf diesem Gebiete schnell vorwärtskommen oder ob wir nicht vorwärtskommen.
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- Da bin ich nicht Optimist! Das bin ich bei den Ländern nie gewesen. Das habe ich auch immer ganz offen zum Ausdruck gebracht. Ich darf offen sagen: Je größer soziale Aufgaben sind, die geregelt werden müßten, um so schlechter hat sich auf diesem Gebiet der Föderalismus ausgewirkt. Ich glaube, daß wir uns hierin einig sind.
Zum Schluß erlauben Sie mir noch eines zu sagen: Ich darf Ihre Kritik - ich solle meine außerministerielle Tätigkeit einschränken - doch so auffassen, daß Sie mir sicherlich nicht verwehren wollen, die mir im Grundgesetz gewährten Freiheiten auch als Abgeordneter wahrzunehmen. Das ist mir übrigens noch nicht gesagt worden. Immerhin glaube ich, Ihnen sagen zu können, daß ich mich sehr ernsthaft bemüht habe, das auch so zu tun. Aber ich bin deswegen nicht gewillt, zu sagen, wer alles Schuld hat; ich nehme es gern auf mich. Das Entscheidende ist jetzt: Wir wollen gemeinsam daran arbeiten, und hoffentlich gelingt es, die Länder schnell dazu zu bekommen, damit das Vorhaben bald in die Tat umgesetzt werden kann.
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Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu der Frage, daß so lange Zeit vergangen ist, bis dieses Gesetz entsprechend dem gemeinsamen Beschluß des Bundestages vorgelegt wurde, will ich nur eine kurze Bemerkung machen. Der Herr Bundesminister Oberländer hat in nach meiner Auffassung etwas sehr großzügiger Weise alles das auf sich genommen, was eigentlich im Rahmen aller Ressorts zu verantworten gewesen ist. Aber wenn, wie ich höre, nicht weniger als fünf Ministerien daran beteiligt sind, dann ist es beinahe eine Blitzleistung, daß es nur ein Jahr gedauert hat, bis da etwas herausgekommen ist. Bedauerlich ist die Geschichte zweifellos, meine Damen und Herren. Wir sollten daraus vielleicht die Folgerung ziehen, nun wenigstens für den letzten Teil des Weges, den zu gehen notwendig ist, damit wirklich das Geld an die Stelle kommt, wo es hingehört und wo es nötig gebraucht wird, von unserer Seite aus alles zu tun, daß dieser Teil des Weges kurz wird.
Frau Abgeordnete Korspeter, ich glaube richtig orientiert zu sein, daß die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes bereits auf die Tagesordnung gesetzt ist. Ich glaube, daß niemand in diesem Hause - keine Fraktion - die Verantwortung dafür wird übernehmen wollen, etwa von diesem Beschluß des Altestenrates noch abzuweichen.
Zum Gesetz selbst noch folgende Bemerkungen. Die Formulierung des § 1 erfüllt mich mit einiger Besorgnis, und zwar deshalb, weil eine ähnliche Formulierung in den Betreuungsgesetzen für Sowjetzonenflüchtlinge eine Praxis ausgelöst hat, die keineswegs immer befriedigend ist. Wahrscheinlich wird es eine Überforderung der Verwaltungsjuristen sein, eine gesetzliche Formulierung zu finden, an Hand deren und mit deren Hilfe man wirklich die Unzahl der möglichen Fälle genau entscheiden kann. Ich möchte nur im Namen meiner politischen Freunde die sehr herzliche und dringende Bitte aussprechen, gerade bei diesem Gesetz unter allen Umständen zu vermeiden, daß der Ausdruck „ein Vorgang, den der Betroffene zu vertreten hat" so ausgelegt wird, daß eine Zugehörigkeit zur NSDAP als formales Mitglied alles das, was der Mann wegen durchaus anerkennenswerter Widerstandsleistung dort in der Sowjetzone später hat erdulden müssen, nunmehr .aufhebt, so daß der Betroffene jeden Anspruch auf Hilfe verwirkt hat. Ich mußte so hart formulieren, meine Damen und Herren, weil die Praxis bei der Aufnahme der Sowjetzonenflüchtlinge mehr als genug Anlaß gibt, die Verwaltung zu warnen, einen solchen Weg auch in der Praxis dieses Gesetzes anzutreten.
Im Namen meiner politischen Freunde begrüße ich sehr, daß die Möglichkeit vorgesehen worden ist, den Personenkreis im Wege der Rechtsverordnung zu erweitern. Das sollte man bei Gesetzen, die eine derart unübersichtliche Materie regeln, immer machen. Ohne eine solche Regelung wird man nicht auskommen. Ich möchte meinen, Herr Bundesminister, daß damit auch ein Fall - nur als typischer Fall - seine befriedigende Regelung finden kann, der vor einigen Monaten einmal auf Grund einer Anfrage der SPD uns in diesem Hause beschäftigt hat. Es war der Fall einer ostpreußischen Frau, die im russisch besetzen Teil Ostpreußens zu einer mehrjährigen Gefängnisoder gar Zuchthausstrafe verurteilt worden war, weil sie einige Kartoffeln auf dem Feld an sich genommen hatte, um die hungrigen Münder ihrer Kinder zu stopfen. Dieser Fall war nach den formellen Bestimmungen des Heimkehrergesetzes und der anderen Betreuungsgesetze einfach nicht zu regeln, und ich besinne mich, daß der Herr Bundesminister Oberländer wiederum die unangenehme Aufgabe hatte - er hat ja den Vorzug, nicht Jurist zu sein -, das hier vortragen zu müssen, was auf Grund der formaljuristischen Überlegungen in seinem Hause zu diesem Fall zu sagen war. Ich besinne mich noch genau, mit welcher menschlichen Empörung diese Erklärung des Ministeriums damals aufgenommen wurde.
Ich möchte also meinen, daß die Ermächtigung, die jetzt in diesem Gesetz enthalten ist, dazu führt, daß solche Härtefälle - es handelt sich ja tatsächlich um Fälle, die zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen - in einer Weise geregelt werden können, bei der in der Öffentlichkeit nicht mit Recht der Eindruck entstehen kann, die Bundesregierung und die zuständigen Ministerien hätten für diese menschlichen Notfälle überhaupt kein Herz und könnten dafür kein Verständnis aufbringen.
Genau so sehe ich die Bestimmung über den Härtefonds an. Es ist vielleicht kein Nachteil, Frau Kollegin, daß wir uns im Augenblick noch nicht auf eine gesetzliche Formulierung und einen rechtlich umrissenen Anspruch festzulegen brauchen. Ich stimme Ihnen aber im Namen meiner Freunde vollinhaltlich darin zu. Wir sprechen die Erwartung aus, daß bei der Betreuung aus diesem Fonds nun wirklich nicht formal, sondern unter Beachtung aller menschlichen und politischen Überlegungen gehandelt wird.
Ebenso betrachten auch wir die Begrenzung auf 10 Millionen DM - ich möchte es so sagen wie Sie - als einen Beginn. Sollte sich herausstellen, daß der Betrag weit unterschätzt ist, wird sich der Bundestag, der Meinung sind auch wir, in Einmütigkeit nicht der Notwendigkeit verschließen, die erforderlichen Mittel zu bewilligen, denn hier handelt es sich tatsächlich um Verpflichtungen, denen auszuweichen der Deutsche Bundestag einfach nicht in der Lage ist.
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Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Das Wort hat die Frau Abgeordnete Brökelschen.
Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Aus den Ausführungen meiner beiden Vorredner hat sich mit erfreulicher Deutlichkeit ergeben, wie einheitlich die Auffassung des Hohen Hauses in bezug auf die Frage der politischen Häftlinge ist. Diese Einheitlichkeit der Auffassung, Frau Korspeter, berechtigt, nachdem sachlich bei dem Gesetz gar keine Schwierigkeiten mehr bestehen, zu der Hoffnung, daß wir in der nächsten Woche die zweite und dritte Lesung erledigen. Wir wollen auf jeden Fall versuchen, das Gesetz nächste Woche auf die Tagesordnung zu bringen, damit wir das Haus vor den Ferien nicht mit dem Schwarzen Peter belastet verlassen.
Es ist einhellige Auffassung, daß es sich den politischen Häftlingen gegenüber um eine menschliche und darüber hinaus um eine nationale Verpflichtung handelt. Darin stimme ich Frau Kors({0})
peter vollkommen zu. Ich stimme ihr auch darin zu und möchte das noch einmal ausdrücklich sagen, daß es nicht darauf ankommt, nur schöne Worte zu machen, sondern darauf, echte Hilfe zu leisten. Ich bin der Meinung, wenn das Gesetz in Kraft ist, ist diese Hilfeleistung da.
Auch ich bedaure - ich glaube, wir alle, die wir im Ausschuß mitgearbeitet haben, bedauern es -, daß die Realisierung des Gesetzes so lange Zeit in Anspruch genommen hat. Ich bin aber nicht der Meinung, Frau Korspeter, daß es die Dinge irgendwie beschleunigt hätte, wenn man Ihrem Vorschlag gefolgt wäre und direkt das Gesetz verlangt hätte. Ich will gar nicht von den Ressortschwierigkeiten sprechen; die Schwierigkeit in der Sache aber liegt doch darin - und darin sehe ich immer wieder eine Tragik in unserer ganzen politischen Arbeit -, daß wir uns laufend mit Neuland befassen müssen. Dieser Begriff des politischen Häftlings ist etwas vollkommen Neues, und wenn man wirklich an die Dinge nun wieder ohne unangenehme Konsequenzen heranwollte, mußte man leider mit Verzögerungen rechnen.
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- Herr Blachstein, es handelt sich jetzt nicht um die zehn Jahre, sondern um die Aufforderung, den Begriff des politischen Häftlings ganz genau zu umreißen. Im Ausschuß waren wir uns immer alle darüber einig, daß in dem Begriff selbst sehr große Schwierigkeiten stecken und wir das Recht für den einen nicht zum Unrecht am anderen werden lassen dürfen.
Ich möchte jetzt von mir aus nur noch einen Appell an die Länder richten. Es liegt jetzt in der Macht der Länder, die Quelle des Hilfsfonds so schnell wie möglich zum Fließen kommen zu lassen. Deswegen möchte ich von hier aus darum bitten, daß nun nicht die Länder verfassungsrechtliche oder irgendwelche sonstigen bürokratischen Gesichtspunkte in den Vordergrund rücken. Vielmehr sollte man dem Beispiel ein es Landes folgen und sich bereiterklären, nun so schnell wie möglich dem Bund die Hilfe zu leisten, die geleistet werden muß, damit die Dinge anlaufen können.
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Auch ich bin der Meinung: gerade weil wir mit dem Gesetz und mit dem Fonds Neuland betreten, ist es gut, Erfahrungen zu sammeln. Frau Korspeter, es ist nicht nur ein Nachteil, daß wir den Fonds nicht gesetzlich verankert haben. Aber ich möchte auch für meine Fraktion sagen, daß wir den 10-Millionen-Fonds nur als Anfang sehen. Unbedingt werden wir dafür sorgen müssen, daß weitere Mittel fließen, wenn der Fonds nicht ausreicht. Wir werden uns auch für eine gesetzliche Regelung einsetzen, wenn sich erweisen sollte, daß die Regelung, wie sie jetzt da ist, nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führt.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen - federführend - und dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen - mitberatend - zu überweisen.
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Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist der Antrag gestellt worden auf Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und
Berliner Fragen, an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, und von anderer Seite ist der Antrag auf Überweisung auch an den Haushaltsausschuß gestellt worden.
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- Dieser Antrag ist zurückgezogen. Es bleiben also nur die beiden genannten Ausschüsse übrig; der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen soll federführend sein. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer dagegen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Stimmenthaltungen? - Liegen nicht vor; die Überweisung ist also einstimmig beschlossen.
Wir kommen nun zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes ({5}).
Wortmeldungen liegen nicht vor. Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Im Ältestenrat ist die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgeschlagen worden. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine.
- Damit ist die erste Beratung erledigt und die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 13:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der Artikel 33, 34 und 35 des in Bonn am 26. Mai 1952 unterzeichneten Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland ({6}) und des Artikels 3 des am gleichen Tage unterzeichneten Abkommens über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Fassung des in Paris am 23. Oktober 1954 unterzeichneten Protokolls über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland ({7}) ({8}).
Uns wurde gesagt, daß die Regierung auf eine Begründung des Entwurfs verzichtet. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Im Ältestenrat wurde vorgeschlagen, den Entwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? - Ebenfalls nicht. Der Antrag auf Überweisung ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes ({9}).
Auf Begründung und Aussprache ist auch hier verzichtet worden. Wir können also gleich über den Vorschlag abstimmen, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Wer für die Überweisung an den genann({10})
ten Ausschuß ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen ist einstimmig beschlossen.
Zu Punkt 15 ist von dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Kunze, gebeten worden, die Beratung zurückzustellen, bis er aus der Sitzung des Vermittlungsausschusses hier wieder anwesend sein kann. Wenn ich keine gegenteilige Meinung höre, nehme ich an, daß Sie der Bitte des Berichterstatters gern entsprechen.
Wir kommen dann zu Punkt 16:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Oktober 1954 über die von der Bundesrepublik zu gewährenden Abgabenvergünstigungen für die von den Vereinigten Staaten im Interesse der gemeinsamen Verteidigung geleisteten Ausgaben ({11}) ({12});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({13}) ({14}).
({15})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Krammig.
Krammig ({16}), Berichterstatter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Schriftlicher Bericht *) vor. Da das Hohe Haus auf Mündliche Berichterstattung verzichtet, darf ich nur darauf hinweisen, daß in Drucksache 1473, in der der Ausschußbeschluß wiedergegeben ist, hinter das Wörtchen „wie" noch das Wörtchen „die" hinzugesetzt werden muß. Aus dem Schriftlichen Bericht ergibt sich der genaue Wortlaut der geänderten Bestimmungen. Ich bitte, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Weitere Wortmeldungen liegen, soviel ich sehen kann, nicht vor.
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Gesetzentwurf in der zweiten Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Einzelberatung entfällt. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer ist gegen das Gesetz? - Ich sehe niemanden. Das Gesetz ist angenommen.
Wir kommen zu Punkt 17:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 4. Oktober 1954 über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen ({17});
*) Siehe Anlage 8. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({18}) ({19}).
({20})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schlick.
Schlick ({21}), Berichterstatter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch für dieses Abkommen liegt ein Schriftlicher Bericht auf Drucksache 1474 vor*). Der Gesetzentwurf auf Drucksache 1301, der in der 78. Sitzung des Plenums dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wurde, betrifft den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen. Es handelt sich hier um den gleichen Problemkreis wie bei den Abkommen, die bereits mit Schweden und Finnland bestehen und die wir auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika sowie mit England abgeschlossen und in den letzten Sitzungen des Plenums verabschiedet haben.
Ich darf Sie bitten, dem vorgelegten Bericht mit der gleichen Einstimmigkeit zuzustimmen, mit der der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen dem Entwurf der Regierung zugestimmt hat.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe :die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Lesung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich ieröffne die Aussprache. Das Wort wind nicht gewünscht; ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({22});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({23}) ({24}).
({25})
Der Berichterstatter, Abgeordneter Seuffert, ist nichtanwesend. Es ist wohl anzunehmen, daß er auf die Berichterstattung verzichtet, da uns der Schriftliche Bericht auf Drucksache 1481 **) vorliegt.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Abgeordneten, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 10.
({26}) Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Abgeordneten, die dem Gesetz in der vorliegenden Fassung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 19:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({27}) ({28});
b) Beratung des Entwurfs einer Fünfunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({29}) ({30}).
Auf Begründung wird verzichtet. Es ist vorgeschlagen worden, die Entwürfe an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - mitberatend - zu überweisen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 20:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({31}) über den Entwurf einer Vierunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({32}) ({33}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Löhr. - Auf Berichterstattung wird verzichtet.
Dazu liegt folgender Ausschußantrag vor:
Der Bundestag wolle beschließen,
zu dem Verordnungsentwurf Drucksache 1392 den Änderungsvorschlag anzunehmen, daß in § 1 Nr. 2 Tarifnr. 38 26 das Wort „Nickeloxyd" zu ändern ist in „Nickelhydroxyd", und der entsprechend neu gefaßten Vierunddreißigsten Zollsatzänderung ({34}) zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Bender.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es handelt sich weder um ,ein politisches noch um ein wirtschaftliches, sondern lediglich um ein chemisches Problem, und zwar darum, daß die verschiedenen Ressorts, Finanz- und Wirtschaftsministerium, sich über die Nomenklatur nicht einig waren. Der Ausschuß hat dank der tiefschürfenden Fachkenntnisse eines seiner Mitglieder den Fehler entdeckt und dem Ministerium vorgeschlagen, den Ausdruck zu ändern. Die Ministerien sind damit einverstanden. Es ist also eine reine Formalität, daß das Nickeloxyd in ein anderes Oxyd umgetauft wird. Ich bitte auch Sie, mit dieser Änderung einverstanden zu sein.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Sie haben die Begründung zu dem Antrag gehört. Wortmeldungen liegen nicht vor; wir können zur Abstimmung kommen.
Wir stimmen also ab über die Verordnung mit der soeben begründeten Änderung des Textes, den
*) Siehe Anlage 11.
ich verlesen habe. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 21:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Einundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({0}) ({1}).
Berichterstatter: Abgeordneter Brand ({2}).
Der Herr Berichterstatter hat verzichtet. Das Haus verzichtet ebenfalls auf mündliche Berichterstattung. Wir kommen also zur Abstimmung. Der Ausschuß beantragt, dem Entwurf Drucksache 1483 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Der Ausschußantrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 22:
Beratung des Schriftlichen Berichts**) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({3}) über den Entwurf einer Dreiundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({4}) ({5}).
Berichterstatter: Abgeordneter Müser.
Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet. - Der Ausschuß beantragt, dem Verordnungsentwurf unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 23:
Beratung des Zweiten Schriftlichen Berichts***) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({6}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Aufhebung des Zollsatzes für Zitronen ({7}).
Berichterstatter: Abgeordneter Unertl. Verzichtet das Haus auf eine mündliche Berichterstattung?
({8})
- Einverstanden.
Der Antrag des Ausschusses lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht,
dem Bundestag folgende Verordnung über Zollsatzänderungen vorzulegen,
wie Sie sie im Ausschußbericht finden. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Punkt 24:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({9}) über den Entwurf einer Dreiunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({10}).
*) Siehe Anlage 12. **) Siehe Anlage 13. ***) Siehe Anlage 14.
({11}) Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Serres.
({12})
- Verzichtet auch das Haus auf Berichterstattung?
({13})
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es wird vorgeschlagen, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1388 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?- Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 25:
Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({14}) über den Entwurf einer Sechsunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({15}) ({16}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Löhr.
({17})
- Auf mündliche Berichterstattung wird verzichtet. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es wird vorgeschlagen, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1393 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine; einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 26:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({18}) über den Entwurf einer Siebenunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({19}) ({20}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Frenzel.
({21})
- Verzichtet auch das Haus auf Berichterstattung?
({22})
Dann kommen wir zur Abstimmung.
Der Ausschuß beantragt, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1394 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine; einstimmig angenommen.
Punkt 27:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({23}) über den Entwurf einer Achtunddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({24}) ({25}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Thieme.
({26})
- Auf Berichterstattung wird verzichtet; wir kommen zur Beschlußfassung.
Vom Ausschuß wird beantragt, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1395 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstim-
*) Siehe Anlage 15.
men? - Enthaltungen? - Keine; der Antrag ist einstimmig angenommen.
Punkt 28:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({27}) über den Entwurf einer Neununddreißigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({28}) ({29}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Frenzel. ({30})
- Der Abgeordnete Frenzel verzichtet auf die Fensterputzleder.
({31})
Der Antrag des Ausschusses geht dahin, dem Verordnungsentwurf Drucksache 1409 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer einverstanden isst, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine; der Antrag ist einstimmig angenommen.
Punkt 29:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({32}).*)
Hier ist nachzutragen, daß mit der Angelegenheit unter Ziffer 1 des interfraktionellen Antrags außer den vorgeschlagenen Ausschüssen auch noch der Ausschuß für Besatzungsfolgen befaßt werden soll. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Wie ich sehe, nicht.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Gesamtantrag Umdruck 464 ({33}). Wer einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen; damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Da der Abgeordnete Kunze inzwischen erschienen ist, rufe ich noch einmal Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({34}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({35}) ({36}).
({37})
Ich bitte den Berichterstatter, das Wort zu ergreifen.
Kunze ({38}) ({39}), Berichterstatter: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte. Mit der Drucksache 1537 ist von allen Fraktionen der Antrag eingebracht worden, das Fünfte Änderungsgesetz zum Lastenausgleich, das auf dieser Drucksache enthalten ist, zu beschließen. Der Ausschuß hat beschlossen, dem Antrag unverändert nach der Drucksache zuzustimmen und das Hohe Haus zu bitten, jetzt auch die Zustimmung in zweiter und dritter Lesung zu vollziehen.
Damit Sie wissen, worum es sich im einzelnen handelt, habe ich für diejenigen, die daran inter-
*) Siehe Anlage 7.
({40})
essiert sind, die Begründung auf den Antrag Drucksache 1537 druckweise gesetzt. Im übrigen möchte ich sagen, daß es sich um folgenden Punkt dreht. Wir haben seinerzeit im Gesetz über den Lastenausgleich - zu einer Zeit, als die Gesetze noch der Genehmigung und Zustimmung der drei Hohen Kommissare bedurften - Bestimmungen über bevorzugte Behandlung von Auslandsvermögen, von Vermögen von Angehörigen der Vereinten Nationen aufnehmen müssen. Damals waren gleichzeitig die Verhandlungen über den sogenannten Deutschlandvertrag im Gange. Wir hatten eine Novelle vorbereitet, die nach Inkrafttreten des Deutschlandvertrags auch interfraktionell eingebracht werden sollte. Der Deutschlandvertrag ist nicht zustande gekommen. An seine Stelle ist zu einem späteren Termin das Vertragswerk der Pariser Verträge getreten. Nun sind im Lastenausgleichsgesetz die uns seinerzeit auferlegten Vergünstigungsbestimmungen enthalten. In den Pariser Verträgen haben wir ebenfalls Vergünstigungen in anderer Ordnung akzeptieren müssen, und wir haben sie akzeptiert. Sinn dieser Novelle ist, festzustellen, daß die Angehörigen der Vereinten Nationen nur von einer der beiden Vergünstigungen Vorteile haben dürfen. Sie müssen also wählen, ob sie die Vergünstigung nach dem Lastenausgleichsgesetz oder die Vergünstigung nach den Pariser Verträgen in Anspruch nehmen wollen, damit sie nur einmal begünstigt werden.
Nach der Prüfung, die er gestern vorgenommen hat, bittet der Ausschuß das Hohe Haus einstimmig, dieser Vorlage die Zustimmung zu geben.
Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders: Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort zu dem Bericht und zur zweiten Beratung verlangt? - Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift des Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes - Drucksache 1537 - auf. - Die Abgeordneten, die einverstanden sind, bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen?
- Ohne Enthaltungen angenommen. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Die Abgeordneten, die dem Gesetzentwurf in der dritten Beratung zustimmen wollen, bitte ich, sich von den Sitzen zu erheben.
- Gegenstimmen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt und die ganze Tagesordnung abgewickelt.
({41})
- Ich habe als Präsidentin nicht das Recht, mich zu persönlichen Dingen zu äußern.
({42})
Ich berufe die nächste, die 96. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 8. Juli 1955, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.