Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/15/1955

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung ist auch heute einer traurigen Pflicht zu genügen. Am 9. Juni ist vor der Scheldemündung der schwedische Dampfer Johannishus mit einem panamesischen Frachter zusammengestoßen. Das Schiff geriet in Brand und setzte das Meer ringsum in Flammen. Von den 43 Besatzungsmitgliedern, unter denen viele Deutsche waren, konnten nur 23 gerettet werden. 20 Matrosen, darunter viele deutsche Seeleute, sind vermißt und haben wahrscheinlich den Seemannstod gefunden. Der Bundestag verneigt sich tief vor den Opfern dieser Katastrophe und versichert die Hinterbliebenen seines herzlichen Mitgefühles. Wir sollten nie vergessen - solche Katastrophen bringen es uns immer wieder in Erinnerung -, daß wir nur darum leben können, weil andere für uns ihr Leben einsetzen. Das begründet eine besondere Dankespflicht. Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, zunächst einige Mitteilungen über den Ablauf der heutigen Sitzung. Der Ältestenrat, der heute morgen zusammengetreten ist, hat folgende Vereinbarung getroffen. Es soll heute wie folgt verfahren werden. Zunächst wird die Beratung des Einzelplans 06 fortgesetzt. Dann treten wir ein in die Beratung über Einzelplan 08, Beratung über Einzelplan 11 in Verbindung mit Einzelplan 33 und in die Beratung über Einzelplan 04 - unter Ausklammerung des Kanzlergehalts - in Verbindung mit Einzelplan 35. Was die Abstimmungen betrifft, so hat der Altestenrat seine ursprünglich getroffene Vereinbarung geändert. Es wird also nicht mehr nur zweimal abgestimmt, d. h. am Schluß vormittags und am Ende abends, sondern es soll, insbesondere was die großen Einzelpläne betrifft, nach Schluß der Beratung des jeweiligen Einzelplans abgestimmt werden. Wir werden also heute abstimmen nach Schluß der Beratung über Einzelplan 06, nach Schluß der Beratung über Einzelplan 08, nach Schluß der Beratung über Einzelplan 11 in Verbindung mit Ein({0}) zelplan 33 und nach Schluß der Beratung über Einzelplan 04 in Verbindung mit Einzelplan 35. Zwischen 13 Uhr und 15 Uhr ist Abstimmungsstille; es wird keinerlei Abstimmung vorgenommen, möge die Geschäftslage sein welche auch immer. Ich habe dann noch weiter bekanntzugeben, daß der Ausschuß für innere Verwaltung erst eine halbe Stunde später als ursprünglich vereinbart zusammentreten wird. Damit, meine Damen und Herren, treten wir in die Tagesordnung ein. Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnung auf: Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1955 ({1}) ({2}). ({3}) f) Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({4}). Wir fahren in der Beratung fort, und ich erteile weiter das Wort zur Begründung der Änderungsanträge, zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Bartram. Ich bitte die in Aussicht genommenen Redner, sich bei mir rechtzeitig zu melden, damit ich die Zeiten einigermaßen einteilen kann.

Dr. Walter Bartram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000099, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Umdruck 380*) handelt es sich um einen Antrag des Kreises der Freunde des Sports im Deutschen Bundestag. ({0}) Diesem Kreis gehören sehr viele Mitglieder aller Fraktionen dieses Hohen Hauses an. Um weiteren Mißverständnissen vorzubeugen - es waren schon verschiedentlich Mißverständnisse aufgetreten -, möchte ich bemerken, daß dieser Kreis nicht deshalb gebildet wurde, um hier in Bonn aktiven Sport zu treiben - dies soll jedem einzelnen Bundestagsabgeordneten überlassen bleiben -, sondern um möglichst viele Bundestagsabgeordnete für die Förderung des Sports und der Leibesübungen zu gewinnen, nicht nur in den Belangen hier im Bundestag, sondern vor allem in ihrem Wirkungsbereich in ihrem Heimatkreis, denn dort ist in dieser Beziehung noch sehr viel zu tun. Es wird mit Recht darauf hingewiesen, daß die Leibeserziehung laut Grundgesetz Sache der Länder sei. Dieser Grundsatz soll auch durch den vorliegenden Antrag nicht angetastet werden. Es soll nur an dieser Stelle der Wunsch geäußert werden daß die Länder die großen Totomittel, die ihnen durch die Selbsthilfe des deutschen Sports zufließen, auch in größerem Maße der Leibeserziehung der deutschen Jugend zukommen lassen. ({1}) Hier liegt noch manches im argen. Insbesondere fehlt es an dem nötigen Lehrpersonal in den Schulen, an Turnhallen und an der notwendigen Ausbildung des Junglehrernachwuchses. *) Siehe Anlage 13 zur 86. Sitzung. Der Deutsche Sportbund, der eine vorbildliche Spitzenorganisation aller Sport- und Turnverbände darstellt und mit dessen Auffassung unser Kreis völlig einig ist - er hat sich häufig mit dem Präsidium des Deutschen Sportbundes ausgesprochen -, hat gerade in letzter Zeit mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder Fühlung aufgenommen und mit ihr zusammen Arbeitsgemeinschaften gebildet, um den Kultusministern in Fragen der Leibezerziehung mit seiner Erfahrung und seiner Fachkunde zur Seite zu stehen. Wir wissen uns mit dem Deutschen Sportbund darin einig, daß nicht so sehr die Spitzenleistungen von entscheidender Bedeutung sind, sondern die große Breitenarbeit, die allen jungen Menschen zugute kommen soll, damit sie durch körperliche Übung ihre Gesundheit fördern. Ich möchte an dieser Stelle nicht verfehlen, dem Deutschen Sportbund für seine vorbildliche und selbstlose Arbeit unseren besonderen Dank auszusprechen. ({2}) Wenn auch die Grundlage und Vorsorge für die körperliche Ertüchtigung der Jugend bei den Ländern liegt, so hat doch auch der Bund gewisse zentrale Funktionen zu erfüllen, die ihm die Länder nicht abnehmen können. Dazu gehört die Förderung der großen nationalen und internationalen Veranstaltungen. Ich möchte nur kurz erwähnen, daß z. B. in diesem Jahre in Deutschland allein fünf Weltmeisterschaften stattfinden. Dazu gehört ferner die Förderung des Versehrtensports. Es ist bewundernswert, wie gerade diese vom Schicksal so hart Betroffenen durch Pflege des Sports und der Leibesübung wieder frischen Lebensmut schöpfen. Ferner liegt dem Bund die Förderung der sportmedizinischen Forschung und Wissenschaft am Herzen. Sie ist unbedingt nötig, da gerade bei der sportlichen Leistung die gesundheitlichen Auswirkungen wissenschaftlich zu überprüfen sind, damit nicht eine Überforderung das Gegenteil der Gesundheitsförderung bewirkt. Aber die schönste Aufgabe für uns ist die Förderung der Olympischen Spiele. Wir können gar nicht genug dankbar sein, daß Ende des vorigen Jahrhunderts die Olympischen Spiele der Antike wieder zu neuem Leben erweckt wurden; sie sind trotz der bitteren politischen Erfahrung unseres Jahrhunderts ein nicht mehr wegzudenkendes Symbol des friedlichen Wettkampfes, der Schönheit und der Menschenwürde für die Jugend der ganzen Welt geworden. In diesem Winter beginnen die 16. Olympischen Spiele in Italien und enden im Sommer mit den Wettspielen in Australien. Wir sind froh und stolz, daß unsere deutsche Jugend daran teilnimmt und ein Glied der großen sportlichen Völkerfamilie bildet, für die wohl der Sieg eine schöne Auszeichnung ist, wo aber die wirkliche sportliche Haltung und der ritterliche Kampf die Grundlage der Gemeinschaft bilden. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich bitte, die Unterhaltungen draußen zu führen. Der Redner ist kaum zu verstehen.

Dr. Walter Bartram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000099, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie werden verstehen, daß durch die Erfüllung der genannten Aufgaben vermehrte Mittel beansprucht werden. Alle Frak({0}) tionen des Hohen Hauses haben diesen Antrag unterstützt, und ich bitte Sie, dieser Erhöhung zuzustimmen. Darüber hinaus möchte ich an Sie alle die herzliche Bitte richten, sich in Ihrem gesamten Wirkungsbereich als führende Politiker des deutschen Volkes für die Förderung der Leibesübungen als Grundlage der Gesundheit des Körpers und des Geistes und für eine Verbreitung und Verwirklichung der olympischen Idee im Interesse unseres Volkes und der ganzen sich nach friedlicher Verständigung sehnenden Menschheit persönlich einzusetzen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Koenen ({0}).

Jakob Koenen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001155, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegen mit den Umdrucken 380*) und 401**) zwei beinahe gleichlautende Anträge vor. Namens der sozialdemokratischen Fraktion ziehe ich den unter 401 Ziffer 1 formulierten Antrag hiermit zurück, um zu ermöglichen, daß in diesem Hause ein einstimmiger Beschluß gefaßt werden kann. Meine Damen und Herren! Nur die Tatsache, daß im Haushaltsausschuß statt einer Erhöhung eine Senkung beantragt worden ist, veranlaßt mich, hier heute früh noch einmal das Wort zu ergreifen, nachdem sich fünf Fraktionen in der Drucksache 380 für eine Erhöhung des Ansatzes eingesetzt haben. Es ist unerläßlich, daß in Anbetracht der Tatsache, daß im nächsten Jahr Olympische Spiele stattfinden, im Haushaltsausschuß ein günstigeres Klima geschaffen wird. Der Haushaltsausschuß hat eine Senkung des Ansatzes empfohlen. ({0}) - Um 25 000 Mark, Herr Dr. Vogel, wollte der Haushaltsausschuß unter den Ansatz von 600 000 DM gehen. ({1}) - Ich danke Ihnen für den Hinweis, Herr Dr. Vogel. - Die Tatsache ist darauf zurückzuführen, daß in der Sportpresse 'bedauerlicherweise immer und immer wieder die Großveranstaltungen einen breiten Raum finden, während man sich allzu wenig um die Amateurveranstaltungen kümmert. Im Haushaltsausschuß hat man erklärt, in den Sportverbänden sei keine Solidität vorhanden. Meine Damen und Herren, das ist irrig. Ich habe kürzlich bei der Erarbeitung eines Lizenzvertrags für eine Toto-GmbH mitwirken können. Ein Vertrag ist abgeschlossen und eine Lizenz erteilt worden mit ganz klaren Auflagen und Verpflichtungen. Im Westdeutschen Toto werden 50 % der Wetteinnahmen als Gewinne ausgeschüttet, 16 2/3 % sind Wettsteuer, etwa 15 % sind die Unkosten, die entstehen, 10 % gehen an das Land und 10 % an die Sportverbände. ({2}) Meine Damen und Herren, es wird seitens des Haushaltsausschusses erklärt, die Förderung des *) Siehe Anlage 13 zur 86. Sitzung. **) Siehe Anlage 14 zur 86. Sitzung. Sports sei unter allen Umständen Sache der Länder Auch ich möchte mich dieser Argumentation anschließen. Aber es ist notwendig, hier einmal festzustellen, daß für die Verwendung von Toto-Mitteln Mare Auflagen gegeben sind. Es ist schließlich so, daß die Sportverbände in einer Selbsthilfeorganisation die Sporthilfe aufgebaut haben. Die Sportverbände müssen die Mittel, die die TotoKommission ihnen zuteilt, nach ganz klaren Auflagen verwenden. Ich gebe zu, daß dabei anfangs einiger Mißbrauch getrieben wurde. Nun ist es aber so, daß Toto-Mittel nur gegen Rechnungsvorlage verwendet werden können. Alle Sportverbände müssen genau nachweisen, daß die Mittel zum Bau von Sportplätzen, zum Bau von Leichtathletikbahnen, zum Bau von Hallenbädern oder Freibädern usw. verwendet werden. Wir sollten uns freuen, daß dem so ist. Wir dürfen heute sicher sein, daß es eine andere Verwendungsmöglichkeit nicht mehr gibt. ({3}) - Die hohen Verwaltungskosten erklären sich so, daß man eben an allen Orten, auch in den kleinen und kleinsten Gemeinden, Toto-Stellen unterhalten muß; und diese Toto-Stellen werden mit Vorrang von Kriegsbeschädigten und anderen bedürftigen Menschen besetzt. ({4}) Meine Damen und Herren! Der Kollege Bartram hat eingangs erklärt, daß auch der Bund ein Interesse an der Förderung des Sports zeigen muß. Es gibt da echte Aufgaben des Bundes, denen er nicht ausweichen kann. Herr Kollege Bartram hat besonders auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Versehrtensport zu fördern. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung. Meine Damen und Herren, wir sprechen unserem Kollegen unsere besten Wünsche für eine baldige Genesung aus. Wir fahren in der Sitzung fort. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kühn.

Heinz Kühn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001245, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Etat ides Innenministers gibt es eine Position, die finanziell leicht wiegt - es handelt sich nur um etwa 63 000 DM -; aber der Haushaltsplan ist ja mehr als nur eine finanzpolitische Sache, und das Problem, das sich in Kap. 0631 präsentiert, ist ernst genug, um dazu auch hier ein wenn auch nur kurzes Wort zu sagen. Es handelt sich um die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn. Wir wollen nicht die Diskussion um das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften hier erneut aufrollen. Wir wollen heute auch nicht zu der immer problematischer werdenden Praxis der Buchverbote sprechen, wenigstens nicht ausführlicher; denn dies muß aus besonderem Anlaß in Kürze einmal im notwendigen Umfang geschehen. Ich möchte heute nur einige Bemerkungen machen, soweit sie unmittelbar zudem Etattitel in Beziehung stehen. Es hat unter uns in diesem Hause nie einen Zweifel darüber gegeben, daß unsere Jugend gegen die sittlichen Gefahren ebensosehr geschützt werden ({0}) muß wie gegen die leiblichen Gefahren. Uneins waren wir und sind wir nur in den Methoden, die dabei angewendet werden sollen. Vielleicht besteht die größte Differenz zwischen uns darin, ob man mehr auf die Warnungstafeln und Verbotsdekrete vertrauen solle oder ob man mehr von konstruktiven, vor allen Dingen von sozialen Maßnahmen hält. Gewiß unterstellen wir den Befürwortern dieses Gesetzes nicht, daß sie richterliche Verbote an die Stelle sozialer Leistungen setzen wollen. Auch Sie, die Sie die Befürworter dieses Gesetzes waren, wissen, daß keinerlei gesetzliche Maßnahmen gegen Schmutz und Schund etwas nutzen werden, solange die Familien nicht gesunde Wohnungen bekommen und solange beispielsweise die Kinder nicht über eigene Schlafzimmer verfügen. ({1}) Auch wir wissen, daß gegen den wirklichen Schmutz und Schund und gegen diejenigen, die damit perfiderweise Geschäfte machen, mit rigorosen Maßnahmen vorgegangen werden muß. Es war niemand anders als Ludwig Börne, wenn ich so sagen darf: der Großmeister des deutschen Journalismus, ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Zensur und gegen jede Gesinnungskontrolle, der einmal gesagt hat, daß die reinlichsten Gassen und Städte eben ihre Abzugskanäle haben und daß sie erst die reinlichsten Städte werden durch die Existenz dieser Abzugskanäle. Und so, meint er, „bedarf auch die öffentliche Meinung, um sich lauter zu erhalten, eines freien Abflusses schmutziger Gesinnungen; doch unterirdisch und im Dunkeln sei ihr Weg, und sie sollen in der Nähe menschlicher Wohnungen nicht erscheinen." Nun, das ist ein Zitat, das einem Teil unter Ihnen, wenn er es mißverständlich interpretiert, gewiß Spaß machen wird. Ich darf daran erinnern: Börne war ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen jede Gesinnungskontrolle und gegen jede Zensur. Aber ein gewisser Trieb mancher Leute, aus Schmutz Geschäfte machen zu wollen, bedarf nun einmal der von der Gesellschaft weit wegführenden Abzugskanäle. Das bedeutet nicht Einführung einer Zensur, das bedeutet nicht etwa, daß man das tun solle, was eine in Ihren Kreisen, meine Damen und Herren von der fahrenden Regierungspartei, gewiß sehr verehrte Persönlichkeit einmal gesagt hat: Das todbringende Verderben so vieler schlechter Bücher müsse 'ausgerottet werden; denn niemals würde der Anlaß zum Irrtum aufhören zu bestehen, solange nicht die Verderbtheit in den Flammen ihr Ende gefunden haben würde. Nun, jede Maßnahme steht also zwischen der Aufgabe , Schmutz und Schund abzufiltern, und der Gefahr, mit solchen Maßnahmen zu einer Geschmacksdiktatur und zu einer Gesinnungszensur zu werden. Man sage nicht, das letztere sei heute keine Gefahr. Ein ganz kurzes Wort in diesem Zusammenhang zu den Buchverboten, die mit den Begleiterscheinungen einer, wie ich empfinde, hochgradigen Rechtsunsicherheit verbunden sind. Diese bedenkliche Praxis hat uns bereits veranlaßt, zu dem rechtlichen Verfahren der Beschlagnahmepraxis in diesem Hause eine Initiative zu ergreifen. In der Beurteilung, auch in der rechtlichen, herrscht ein ausgesprochener Wirrwarr. Die umstrittene „Andrea und die rote Nacht" ist von Staatsanwälten und Gerichten dreimal für unbedenklich erklärt worden. In Bonn wurde sie dann verurteilt. Die Maßstäbe gehen so durcheinander, daß der Leiter der Buchprüfstelle, als er noch Staatsanwalt in Köln war, einmal gesagt hat, es könne sehr wohl sein, daß man ein Buch in Köln für den Bereich Kölns verbieten müsse, das in Frankfurt und in Hamburg durchaus gestattet sein könne, ({2}) weil dort die geistige Situation eine andere sei. ({3}) Ich habe dieses Zitat in seiner Substanz nie begriffen, weil ich mir nicht recht vorstellen kann, daß das abendländische Kulturgut in anderen Regionen Deutschlands etwa weniger „schutzbedürftig" sein soll. ({4}) Erst unlängst hat das Amtsgericht in Frankfurt schwedische Autoren verboten, von denen einer sogar den Ehrendoktortitel zweier bedeutender Universitäten trägt und Inhaber eines bedeutenden UNESCO-Literaturpreises ist. Doch darüber zu gegebener Zeit. Nur noch ein kurzes Wort zu einem Spezialproblem, dem Verbot der illustrierten Zeitschriften. Hier liegt unter anderem ein, ich möchte fast sagen, amüsanter, wenn auch etwas antiquarischer Fall vor. Vor einiger Zeit, es war im vorigen Jahre, wurde eine Illustrierte verboten, weil sie auf dem Titelbild eine amerikanische Schauspielerin - ich glaube, Marylin Monroe heißt sie - in einem etwas von den Mäusen angeknabberten oder von den Motten angefressenen Badekostüm zeigte. Die Mäuse oder Motten waren an unbedenklichen Stellen tätig gewesen. Auf jeden Fall war es ein durchbrochener Badeanzug, der auf der Titelseite abgebildet war. Der Herr Innenminister wird sich dieses Bildes vielleicht entsinnen. ({5}) Es war in Überlebensgröße abgebildet auf der Treppe des Hotels Am Zoo, in dem auch er im vorigen Jahr anläßlich der Filmfestspiele in Berlin logiert hat. Nun, mein Verdacht, daß nicht dieses Bild zur Inkriminierung der Illustrierten geführt hat, sondern etwas anderes der eigentliche Grund war, hat sich sehr schnell bestätigt. Der eigentliche Anlaß scheint mir gewesen zu sein, daß auf zwei Innenseiten die Illustrierte eine Photomontage mit begleitendem Text über die Bautätigkeit in der Bundeshauptstadt oder in der Regierungshauptstadt Bonn, wie Herr Kollege Vogel gestern sagte, gebracht hat. ({6}) Ich glaube, hier zeigt sich, wie hinter der Maske der Unzuchtbekämpfung die Pressefreiheit in Gefahr gerät und eine Art politischer Zensur ausgeübt zu werden droht. Ich halte es auch für sehr bedenklich, daß bereits der Griff in die Weltliteratur erfolgt. Man hat uns berichtet, daß man sich nunmehr auch mit Balzac und Flaubert beschäftigen würde. Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat unlängst Zolas Roman „Nana" nur freigegeben, d. h. die Anklage zurückgestellt unter der Voraussetzung, daß - wie es wörtlich heißt - „die Übersetzung eine tragbare Bearbeitung erfährt". ({7}) Hier beginnt die Gefährdung geistiger und künstlerischer Freiheit. Doch zu all diesen Dingen wird zu gegebener Zeit in der gebotenen Ausführlich({8}) keit unter Unterbreitung des gesamten Materials noch umfassend zu sprechen sein. Die Frage, die hier nur behandelt werden muß, heißt: Wo steht nun die Bundesprüfstelle in diesem Wirrwarr der Verbotspraxis? Sie hat eine sehr heikle Aufgabe. Sie hat darüber zu befinden, was „unzüchtig", was „schamlos", was „unsittlich", was „jugendgefährdend" ist. Beim Schund ist das eine relativ einfache Entscheidung, wie ich glaube, und ich möchte anerkennen, daß sich die Prüfstelle vor allen Dingen auch mit jener neuen Literaturgattung beschäftigt hat, mit der unsere Kinder überschwemmt werden, mit den sogenannten Comics. ({9}) Das ist eine Angelegenheit, die gar nicht den Charakter hat, den man oft mit diesem Namen verbindet; das hat nämlich gar nichts mit Komischem zu tun. Es ist nämlich sehr oft eine todtraurige Sorte von Bildstreifengeschichten, die hier auf unsere Kinder losgelassen werden, ({10}) eine erschreckende Primitivität Detailschilderungen von Verbrechen und Quälereien, eine Textierung mit sprachverstümmelten Worten, die die Menschen geradezu zum Analphabetismus zu erziehen in der Lage ist. ({11}) - Ja, damit wird gerade das Geld verdient. Daß gegen die Leute, die in der schäbigsten Weise solche Dinge produzieren, vorgegangen wird, halte ich durchaus für verständlich. Es ist eine Zivilisationsgabe, die über den Ozean zu uns gekommen ist und mit der von Monat zu Monat mehr die Gemüter unserer jungen Menschen, unserer Kinder insbesondere, berieselt werden; denn es ist die Lektüre eines großen Teils der Zehn-, Zwölf- und Dreizehnjährigen geworden. ({12}) - Bitte, ich habe bereits gesagt, ich habe gar nichts dagegen, wenn gegen die Comics mit rigorosen Verbotsmaßnahmen da gearbeitet wird, wo es sich um ausgesprochenen Schund handelt. ({13}) Ich habe dies deutlich gemacht. Hier gibt es keine andere Methode. Anders aber ist das Problem, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, bei der Literatur, insbesondere dann, wenn unter dem Deckmantel des Jugendschutzes der Vertrieb auch an Erwachsene verhindert werden soll. Die Indizierung, die Nominierung eines solchen Buches auf dem Index, auf der Liste des jugendgefährdenden Schrifttums, bedeutet ja doch praktisch auch ein Verbot dieser Literatur für die Erwachsenen. Ich habe hier das Urteil der Vierten Kammer des Landesverwaltungsgerichts Köln, die eine Entscheidung der Bundesprüfstelle für das jugendgefährdende Schrifttum aufgehoben hat. Es heißt in der Begründung: Bis zu einem gewissen Grade kommt die Indizierung einer Schrift nach § 1 des Gesetzes gegen das jugendgefährdende Schrifttum infolge der damit verbundenen Beschränkungsmaßnahmen praktisch einem Verbote nahe. Derartige Verbote sind aber immer eine bedenkliche Sache. So heißt es dann in der Entscheidung des Gerichts weiter: Sie erregen Aufsehen und fördern die Aufmerksamkeit einer großen Publikumsschicht, die interessante Bücher lieber liest als gute Werke. Soweit es sich hierbei um den Kreis der älteren Jugendlichen zwischen 18 und 21 Jahren handelt, entsteht damit die vermehrte Gefahr, daß auch ihre jüngeren Freunde und Bekannten in den Besitz des Buches gelangen: von einem heimlichen Handel unter dem Ladentisch oder in dunklen Winkeln ganz abgesehen. Hier ist das alte Problem, das Voltaire bereits einmal angesprochen hat, als ihm angedroht wurde, daß eins seiner Bücher verbrannt werden sollte. Er reagierte darauf mit den Worten: „Nun schön, geröstete Kastanien schmecken besser als ungeröstete Kastanien." Ich will aber nicht sprechen über diese indirekte Förderung, die mit solchen Verbotspraktiken verbunden ist, sondern ich will nur sagen: Was hier durch Aufnahme in die Liste des jugendgefährdenden Schrifttums getan wird, bedeutet nicht nur, daß diese Literatur nicht mehr an die Jugend herankommt; es ist praktisch ein Verbot. Die einschneidenden Verkaufsbeschränkungen, die mit dieser Aufnahme, mit dieser Indizierung verbunden sind, sind faktisch ein Verbot. Der Verkauf an den Kiosken ist verboten, ebenso die Ausstellung in Schaufenstern und sonstige Werbemethoden. Nun habe ich eine Sorge - ich weiß nicht, ob der Herr Innenminister mich davon befreien kann -: Pressemeldungen der letzten Zeit besagen, daß man auch beabsichtige, die nach den Verkaufsziffern auch in diesem Hause sich allgemeiner Beliebtheit erfreuende satirische Zeitschrift „Simplicissimus" auf diese Liste zu setzen. Offenbar liegt bei der Bundesprüfstelle jedenfalls eine Anzeige vor. Ich glaube zwar nicht, daß die Bundesprüfstelle dafür zuständig ist; ich glaube auch nicht, daß man es im Augenblick bereits wagt, etwas Derartiges zu unternehmen. Aber ich würde doch eine ungewöhnlich bemerkenswerte und ungewöhnlich bedenkliche Maßnahme darin erblicken, wenn es bereits so weit wäre. Ich will nicht auf die Frage der Zweckmäßigkeit und der Notwendigkeit von Literatur-Verboten für die Jugend eingehen. Auch hier lassen Sie mich nur aus der Entscheidung der Vierten Kammer des Landesverwaltungsgerichts Köln zitieren. Hier wird gesagt, daß selbst ein Mann wie Dr. Grenzmann - einer der Gutachter der Bundesprüfstelle, der gewiß gesinnungsmäßig nicht auf unserer Seite steht, sondern dessen sehr scharfe Beurteilung möglicherweise „jugendgefährdender" Schriften man kennt - auf Grund seiner vieljährigen Erfahrung als Jugenderzieher besonders betont habe, unsere Jugend sei viel weniger als die frühere Generation sexuell angreifbar, weil derartige Dinge vielfach an ihr abliefen. Dies hängt fraglos damit zusammen - heißt es weiter -, „daß bereits seit Jahrzehnten die frühere überängstliche Bewahrung der Jugendlichen vor allen geschlechtlichen Dingen in Elternhaus und Schule einer dem Alter der Kinder angepaßten gesunden Aufklärung Platz gemacht hat." ({14}) Die Tatsache, daß die heutige Jugend sehr seismographisch fein empfindet, was wirklich Schmutz ist, und daß sie gar nicht so sehr gefährdet ist, wie man dies darstellt, daß sie sich aus einer inneren seelischen Widerstandskraft sehr wohl dagegen zur Wehr zu setzen weiß, geht auch aus einer der in jüngster Zeit ja so beliebt gewordenen Untersuchungen hervor, einer repräsentativen Querschnittsbefragung. Diese hat ergeben, daß der Bezieherkreis „unzüchtigen Schrift- und Bildtums" gar nicht in den Kreisen der Jugendlichen zu finden ist. Ich will hier, um nicht irgendeiner Altersschicht zu nahe zu treten, nicht sagen, welche Generation es in einem besonderen Maße ist, die sich dieser Dinge zu „erfreuen" sucht. Jedenfalls ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die unter 18jährigen in dieser Statistik mit 0,0 % vertreten sind! Ich glaube, hier zeigt sich wirklich, daß man dieses Ausmaß von Gefährdung, das so oft behauptet wird, tatsächlich nicht behaupten darf. Die Maßnahmen gegen die angeblich so massive Gefährdung der Jugend sind sehr oft gefördert von einer weit darüber hinausgehenden Tendenz, eine Art Zensur über das Schrifttum auszuüben. Nun aber zu einigen konkreten Problemen im Zusammenhang mit der Bundesprüfstelle. Wir halten es nicht für gut, Herr Innenminister, wenn in den jeweils aus 12 Mitgliedern zusammengesetzten entscheidenden Gruppen die Zahl der Beamten zu hoch ist. Es ist behauptet worden - ich kann es im Augenblick nicht untersuchen -, daß unter den 56 Mitgliedern 40 Beamte seien. Das hat der aus dem Kreise der Mitglieder der Bundesprüfstelle ausgetretene Kölner Bahnhofsbuchhändler Ludwig behauptet. Herr Schilling, der Leiter der Bundesprüfstelle, hat daraufhin in einem Artikel, der mir bekannt ist, geantwortet, daß diese Zahl nicht stimme, daß in den jeweils aus 12 Mitgliedern bestehenden Gruppen die Zahl - wenn ich es recht im Kopf habe - der Beamten etwa die Hälfte betrage, also unter den 12 Mitgliedern 5 oder 6 Beamte seien. Aber ich glaube, auch dies ist zuviel. Ich glaube, daß es richtig ist, das Gremium, das darüber entscheidet, was wirklich jugendgefährdend ist, so weisungsungebunden wie möglich aufzubauen, um jeden Anschein einer eventuellen Weisungsgebundenheit, auch wenn sie nicht vorliegen sollte, zu vermeiden. Ich glaube auch, daß es keine glückliche Entscheidung ist, als Leiter dieser Bundesprüfstelle einen Staatsanwalt für den gegeben Typus zu halten und dorthin zu setzen, selbst wenn ein ministerieller Umwandlungsprozeß aus dem Staatsanwalt einen Oberregierungsrat gemacht hat. Dies bezieht sich nicht nur auf den Typus , sondern ich glaube auch, daß der Mann selbst nicht in einem besonderen Maße geeignet ist. Denn ich bin der Auffassung, daß der Leiter einer solchen Prüfstelle, ich möchte sagen, nicht selbst Partei sein darf. Herr Schilling ist Autor im „Volkswachtbund", einer Organisation, die sich insbesondere mit der Verfolgung dieses Schrifttums beschäftigt. Ich will nichts gegen den Aufgabenbereich einer solchen Organisation sagen. Es ist ein im Grundsatz legitimes Anliegen, das hier erfüllt wird. Aber es ist doch, ich möchte sagen, die anklagende Stelle, und die Verbindung des gegenwärtigen Leiters der Bundesprüfstelle mit diesem anklagenden Bund scheint mir zu eng zu sein. So kann beispielsweise über die vorläufige Aufnahme einer inkriminierten Schrift in die Liste des jugendgefährdeten Schrifttums der Vorsitzende, also Herr Schilling, allein mit zwei Beisitzern entscheiden. Einer der Beisitzer ist dabei der Vorsitzende dieses „Volkswachtbundes". Zwar muß dann innerhalb von vier Wochen ein ordnungsgemäßes Verfahren stattfinden; aber ich halte es nicht für gut, daß Kläger und Richter - denn darum handelt es sich hier -, in einer Person fungieren, daß die Klagenden und die Richtenden personell identisch sind. Ich glaube, daß es das beste wäre, wenn die Leitung einer solchen Stelle so sehr entbürokratisiert würde wie möglich, und daß an der Spitze ein Pädagoge und Schriftsteller stehen sollte. Dieser würde mir zweckmäßiger erscheinen als jemand, der aus der staatsanwaltschaftlichen Substanz seines Denkens an die Dinge herangeht. Auch in der Praktizierung gibt es eine Reihe von Dingen - die zum Teil schon Gegenstand der Diskussion in diesem Hause gewesen sind -, die uns mit Bedenken erfüllen. Bedenklich erscheint beispielsweise die geübte Praxis, die zumindest gelegentlich geübte Praxis, ohne vorherige Kenntnis der Schriften zu einer Entscheidung zu kommen. Es gibt eine Reihe von Erklärungen dafür. Die Zahl der zu beurteilenden Schriften sei nicht ausreichend, jedem Beisitzer rechtzeitig ein Exemplar zur Verfügung zu stellen. Außerdem werde in ausreichenden Proben daraus vorgelesen, und es bestehe immerhin für einen Beisitzer, der sich nicht in Kenntnis der entsprechenden Literatur habe setzen können, die Möglichkeit, durch Stimmenthaltung bei der Entscheidung mitzuwirken. Ich halte das nicht für sehr glücklich. Lichtenberg hat einmal gesagt: „Unter die größten Entdeckungen, auf die der menschliche Verstand in den neuesten Zeiten verfallen ist, gehört meiner Meinung nach wohl die Kunst, Bücher zu beurteilen, ohne sie gelesen zu haben." - Ich glaube, daß man von den Beisitzern einer solchen Gruppe von zwölf Menschen, die darüber zu befinden haben und die hier eine sehr ernste Entscheidung zu treffen haben, erwarten muß, daß sie den zu behandelnden Gegenstand in vollem Umfang kennengelernt haben. Wenn uns schon das Gesetz als solches nicht glücklich erscheint, so müssen wir doch mindestens verlangen, daß peinlichste Sorgfalt bei der rechtsstaatlichen Handhabung dieses Gesetzes herrscht. Da es sich hier nicht um eine richterliche Instanz handelt, sondern um Verwaltungsentscheidungen, die getroffen werden, liegt die Dienstaufsicht bei dem Herrn Innenminister. Wir möchten an ihn in diesem Zusammenhang den Appell richten, dafür zu sorgen, daß die Rechtsstaatlichkeit in vollem Umfange bis in die letzte peinliche Konsequenz gewahrt wird. Lassen Sie mich zum Schluß sagen: Ich glaube, man sollte möglichst wenig Zensurierung ausüben. Indem man Bücher einstampft, kann man nicht gleichzeitig die Probleme einstampfen und beseitigen. Es war kein anderer als der Bundespräsident Heuss, der einmal gesagt hat, daß die Geschichte der Zensur eine Geschichte der Grotesken sei. Ich bin der Meinung, die ein Mann ausgesprochen hat, der in der deutschen Literatur einen großen Namen hat: Das einzige Buch, das verboten werden sollte, ist ein Katalog der verbotenen Bücher. ({15})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind gestern schon eine Reihe von Gesichtspunkten zu dem Haushalt des Innenministeriums vorgebracht worden, auf die ich nachher zusammenfassend eingehen möchte. Herr Kollege Kühn hat aber hier ein so kurzes, prägnantes Kapitel vorgetragen, daß ich das vielleicht besser aus meiner Gesamterwiderung herauslasse und zu dem ich zweckmäßigerweise gleich Stellung nehme. Den 63 800 DM, die hier ausgewiesen sind, hat Herr Kollege Kühn ein umfassendes Kapitel gewidmet, das aber weit über das hinausgeht, was von diesen 63 800 DM erfaßt wird. Die Verbote, die er aufgeführt hat, sind, wenn ich es richtig aufgefaßt habe, sämtlich durch Amtsgerichte ausgesprochen, haben also mit der Stelle, mit der ich mich in meinem Haushalt zu befassen habe, nichts zu tun. Um nicht einen Katalog zu liefern, wie er ihn für verbotswürdig hält, nämlich einen Katalog verbotener und inkriminierter Sachen, will ich die Titel nicht wiederholen. Aber es waren sämtlich Titel, die nicht zu meiner Zuständigkeit gehören. Ich bin in einem Punkte angesprochen worden; das ist die Frage, ob ein Verbot oder eine Indizierung des „Simplicissimus" beabsichtigt sei. Der „Simplicissimus" hat mir neulich auf der Basis dieser Vermutung zwei Seiten gewidmet. Aber ich kann nur sagen: Ich fühle mich gar nicht betroffen. Denn ich habe bisher keine Gelegenheit gehabt, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, den „Simplicissimus" zu verbieten. ({0}) - Nun, ich darf mich ja hier darauf beschränken, für mein Ressort etwas zu sagen. Damit aber, Herr Kollege Blachstein, nicht gleich falsche Vermutungen aufkommen, erkläre ich ausdrücklich: mir ist auch nicht bekannt, daß sich irgendwelche anderen Ressorts mit dieser Frage beschäftigt hätten. - Ich habe die Karikaturen über mich mit größtem Vergnügen angesehen, aber wirklich als ein nicht Betroffener. Das kann man ja vielleicht auch mit mehr Unbefangenheit tun, wenn man tatsächlich nicht betroffen ist. Von den Gesichtspunkten, die Herr Kollege Kühn vorgetragen hat, könnte die Frage relevant erscheinen, ob etwa die Bundesprüfstelle unglücklich oder nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt ist. Die Vorwürfe, die hier erhoben worden sind und die Herr Kollege Kühn zitiert hat, gehen tatsächlich auf eine ganz falsche Auffassung von dem zurück, was ein Beamter ist. In der Bundesprüfstelle sind drei Ländervertreter; die können Beamte sein, müssen es nicht sein. Im übrigen sind dort Vertreter der Lehrer, der Wohlfahrtsverbände, der Kunst, der Jugend, des Buchhandels, der Kirchen usw. Wenn Sie z. B. jeden Vertreter der Kirche kurzerhand als Beamten einstufen, wenn Sie dazu Lehrer, Angestellte von Wohlfahrtsverbänden und dergleichen auch mit diesem Etikett versehen, dann gibt das sicherlich ein falsches Bild. Normalerweise würde man wohl, wenn Beamte tätig sein sollten, darunter verstehen, daß sozusagen eine Behörde selbst im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig wird. Das ist also eine falsche Auffassung von der Zusammensetzung, und sie ist denjenigen gegenüber, die sie geäußert hatten, glaube ich, inzwischen auch schon klargestellt. Ich habe auch früher schon Gelegenheit gehabt, mich hier im Hause mit dieser Frage zu befassen. Die Meinung, daß hier, ohne zu lesen, judiziert würde, trifft auch nicht zu. Denn wenn die betreffenden Beisitzer eine zur Erörterung stehende Schrift nicht gelesen haben, wird die Beratung ausgesetzt und vertagt und die Sache später verhandelt. Ich glaube also nicht, Herr Kollege Kühn - und damit möchte ich schließen -, daß hier Anlässe gegeben sind, die etwa unter das Kapitel Dienstaufsicht oder Vernachlässigung der Dienstaufsicht fielen. Wir sind im Gegenteil auf das peinlichste bemüht, die Rechtsstaatlichkeit gerade bei einem so empfindlichen Gegenstand zu wahren. Ich bin sicherlich immer sehr gern bereit, all dem, was an Angriffen oder an vermuteten Irrtümern vorgebracht werden kann, nachzugehen. Wir haben ein großes Interesse daran, daß dieses Gesetz, das in diesem Hause umkämpft war, so ausgeführt wird, daß auch diejenigen, die zu seinen Kritikern gehörten, eher von der Brauchbarkeit und Nützlichkeit des Gesetzes überzeugt werden können. Ich werde mir jedenfalls Mühe geben, die Dienstaufsicht in dieser Weise zu handhaben. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. ({0}) - Ich habe keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. ({1}) - Zu Umdruck 421? ({2}) Zu Umdruck 421*) hat das Wort Herr Abgeordneter Etzenbach. ({3}) - Der kommt nach Umdruck 421! ({4})

Peter Etzenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000499, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt auf Umdruck 421*) ein Antrag von Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hauses vor, der vorschlägt, in Kap. 06 25 - Bundesgrenzschutz - die in Tit, 101 vom Haushaltsausschuß beschlossenen k.w.-Vermerke bei den Stellen des Bundespaßkontrolldienstes zu streichen und insoweit die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich darf zur Begründung dieses Antrags folgendes vortragen. Für die Beurteilung der Frage, ob die Paßkontrolle an den zur Zeit vom Bundespaßkontrolldienst besetzten Übergängen in Zukunft aus Ersparnisgründen von der Zollverwaltung durchgeführt werden sollte, darf ich auf die Abfertigungszahlen, d. h. Paßkontrollen im großen Reiseverkehr 1954 hinweisen, die der Bundesgrenzschutz ausgeführt hat. ({0}) - Das ist eine andere Frage, die hier wohl nicht zur Entscheidung steht. - Sie betrugen bei 59 Grenzübergangsstellen insgesamt 59 Millionen ab- *) Siehe Anlage 15 zur 86. Sitzung. ({1}) gefertigte Reisende, d. h. zirka 80 % des gesamten Reiseverkehrs. Dagegen hat die Zollverwaltung bei 321 Grenzübergangsstellen 14 Millionen Reisende abgefertigt, also zirka 20 % des Reiseverkehrs. Daraus erhellt, daß sich der große Reiseverkehr überwiegend über diejenigen Grenzübergänge abwickelt, an denen der Bundespaßkontrolldienst eingesetzt ist. Daß an diesen Stellen die Paßkontrolle von einem besonderen Paßkontrolldienst ausgeübt werden sollte, hat der Präsident des Bundesrechnungshofes bereits in seinem Gutachten vom 14. Januar 1952 als zweckmäßig bezeichnet. Die Richtigkeit dieses nach eingehenden Untersuchungen abgegebenen Urteils isst durch die Erfahrungen des vergangenen Jahres bestätigt worden. Der Bundesgrenzschutz hat im Jahre 1954 insgesamt rund 40 000 Zuwiderhandlungen und Ordnungswidrigkeiten festgestellt, der Zoll rund 2600. Setzt man diese Zahlen zu der Zahl der vom Bundespaßkontrolldienst und von der Zollverwaltung abgefertigten Reisenden in Beziehung, so zeigt sich eindeutig, daß die Kontrolle durch den Bundespaßkontrolldienst wirksamer ist. Das erklärt sich schon daraus, daß die mit der Paßkontrolle zusammenhängenden Aufgaben den Beamten der Zollverwaltung an sich wesensfremd sind. Auch andere europäische Länder, wie Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, die Schweiz, haben daher die Paßnachschau an den Hauptübergängen einem besonderen Kontrolldienst übertragen und sie nur an den Nebenübergängen ihrer Zollverwaltung überlassen. Die gleichen Gründe haben dazu geführt, daß Bundestag und Bundesrat durch Gesetz vom 16. März 1951 die Ausübung der Paßnachschau dem Bundesgrenzschutz übertragen und es damit nach reiflichen Überlegungen abgelehnt haben, die Zollverwaltung mit der gesamten Paßnachschau zu betrauen. Die Zahl der an den einzelnen Grenzübergängen für eine ordnungsmäßige Paßkontrolle erforderlichen Beamten des Bundespaßkontrolldienstes ist in den vergangenen Jahren ständig überprüft worden. Dabei hat sich ergeben, daß ein Bestand von 850 Beamten nur in den verkehrsarmen Zeiten, also etwa in den Monaten Oktober bis April, ausreicht, wenn die Paßkontrolle sachgemäß durchgeführt werden soll. In der Hauptreisezeit mußten im vergangenen Jahr zusätzlich 300 Verstärkungskräfte aus den Bundesgrenzschutzeinheiten zum Bundespaßkontrolldienst abgeordnet werden. In diesem Jahr wird die Zahl wahrscheinlich noch größer sein müssen mit Rücksicht auf die zu erwartende Steigerung des Reiseverkehrs. Wenn für die Paßkontrolle an den vom Bundespaßkontrolldienst besetzten Übergängen gemäß der Berechnung des Bundesfinanzministers dagegen nur 494 Beamte eingesetzt würden, könnte die Paßkontrolle nicht mehr mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt werden. Die weitere Entwicklung würde zwangsläufig dazu führen, daß der Bundesminister der Finanzen, um die ordnungsmäßige Wahrnehmung der mit der Paßnachschau verbundenen Aufgaben zu gewährleisten, zur Überwachung der fraglichen Übergänge ebensoviel Personal einsetzen müßte wie gegenwärtig der Bundesgrenzschutz. Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Änderungsantrag auf Umdruck 421 seine Zustimmung zu geben und die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Vizeprdsident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen des Herrn Kollegen Etzenbach gehört hat, steht man unter dem Eindruck, daß der Paßkontrolldienst, wenn er nunmehr von (der Zollverwaltung wahrgenommen werden sollte, eine neue Aufgabe für die Zollverwaltung darstellte. Ich darf Herrn Kollegen Etzenbach mal an die historische Entwicklung der Paßnachschau an den Grenzen erinnern. Die Zollverwaltung hat bis zum Jahre 1934 den Paßkontrolldienst als Auftragsverwaltung ausgeübt, und zwar im Auftrage des Reichsinnenministers. ({0}) Nur wenige Polizeivollzugsbeamte waren an großen Grenzübergängen, z. B. zur Begleitung der Expreßzüge, in denen die Abfertigung der Reisenden unterwegs stattfand, eingesetzt. Im Jahre 1934 hat die SS den Paßkontrolldienst in die SS-Grenzpolizei übernommen. Als wir 1945 den Zusammenbruch erlebten, baute die englische Besatzungsmacht einen besonderen Paßkontrolldienst für die britisch besetzte Zone auf, und dieser ist der Vorläufer des heutigen Bundespaßkontrolldienstes. So liegen die Dinge. Die Sache selbst ist derzeit wie folgt geregelt: Nach § 2 Abs. 1 des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz usw. kann der Bundesminister des Innern andere Verwaltungen mit Aufgaben des Bundesgrenzschutzes beauftragen. Davon hat er auch Gebrauch gemacht. Zum Beispiel übt in Bayern nicht der Bundespaßkontrolldienst die Paßkontrolle aus, sondern die bayerische Grenzpolizei, eine Landeseinrichtung. In den Seehäfen Hamburg und Bremen ist es die Wasserschutzpolizei, an 321 Grenzübergangsstellen die Zollverwaltung und nur an 59, allerdings den bedeutendsten Übergangsstellen, der Bundespaßkontrolldienst selbst. Meine Damen und Herren, wenn wir im Haushaltsausschuß an diese Frage herangegangen sind, so nicht um deswillen, festzulegen, wohin ressortmäßig die Dinge gehören, sondern wir haben uns die Frage vorgelegt: Wo wird das wohl am zweckmäßigsten zu verwalten sein? ({1}) Da die Zollverwaltung schon seit je und eh mit der Paßkontrolle zu tun hat und wir der Meinung sind, daß an der Grenze, wenn möglich, ein 'einziger Hoheitsträger den Reisenden entgegentreten soll, haben wir uns gesagt: Wir machen nunmehr den Anfang dazu, daß durch eine Verwaltungsvereinbarung das Nebeneinander beseitigt wird. ({2}) Wenn wir nicht diesen k.w.-Vermerk im Haushaltsausschuß beschlossen hätten, wäre es mit unserem Wunsch so gegangen, wie es schon die ganzen Jahre gelaufen ist, daß nämlich von Verwaltungsseite aus überhaupt nichts in dieser Angelegenheit getan würde. Nun haben wir durch den k.w.-Vermerk die beiden beteiligten Verwaltungen gezwungen, sich zusammenzusetzen, um bis zum nächsten Haushaltsplan zu 'beraten, wie die Dinge im Wege einer Verwaltungsvereinbarung geregelt werden können. In diesem k.w.-Vermerk liegt alles drin. Die Verwaltung hat jederzeit die Möglichkeit, dem ({3}) Haushaltsausschuß vorzutragen: Wir können die Dinge so oder so lösen. Wir werden auch zur dritten Lesung noch eine Entschließung vorlegen, aus der hervorgeht, welchen Weg wir für den richtigen halten. Aus diesem Grunde, um diese Möglichkeit der Verwaltungsvereinfachung nicht zu verbauen, bitte ich, meine Damen und Herren, daß Sie bei dem Beschluß des Haushaltsausschusses bleiben und den Änderungsantrag ablehnen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter erteile, eine Mitteilung: Der Kollege Koenen ({0}), der eben hier auf der Tribüne zusammengebrochen ist, befindet sich offenbar besser. Aber er wird sicher eine Reihe von Tagen unseren Beratungen fernbleiben müssen. Ich nehme an, ,daß das Haus einverstanden ist, daß ihm ein Urlaub von vier Wochen erteilt wird. Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin den Kollegen aus allen Fraktionen dieses Hauses, die den Antrag Umdruck 421*) eingebracht haben, besonders dankbar. Der Beschluß, der im Haushaltsausschuß gefaßt worden ist, hat eine besondere Entstehungsgeschichte, die den Damen und Herren, die nicht Mitglieder des Haushaltsausschusses sind, nicht bekannt sein kann. Ich habe deswegen Gelegenheit genommen, zur Vorbereitung dieser Debatte allen Damen und Herren dieses Hauses eine längere Darstellung des Problems zu schicken, und ich hoffe, daß Sie inzwischen Gelegenheit gehabt haben, sich damit vertraut zu machen. ({0}) - Herr Kollege Mommer, Sie sind mir als Vorkämpfer der Abschaffung aller Grenzbeschränkungen natürlich bestens bekannt, und ich teile manche Ihrer Gedanken darüber. ({1}) - Wenn Sie das noch nicht gemerkt haben, dann tut mir das leid. Aber vielleicht hören Sie eben, was ich dazu sagen will. Ich teile Ihre Wünsche weithin, aber leider bin ich als der für die Sicherheit Verantwortliche nicht in der Lage, in dem Tempo Ihrer Wünsche die Tatsachen mitzugestalten. Deswegen werden Sie in dieser Sache zwangsläufig einen gewissen Vorsprung vor mir behalten müssen. Ich darf eine weitere Bemerkung machen. Hier spielt sich ein Stückchen Bruderkrieg zwischen der Zollverwaltung und dem Ressort des Innern ab. Deren Aufgaben decken sich in der Tat nicht ganz. Herr Kollege Krammig hat vorgetragen, daß diese Aufgabe früher im Auftrag des Reichsministers des Innern in dieser und jener Form gelöst worden ist. Er hat auch gezeigt - ich habe das selbst ja ausführlich dargelegt -, wie die Dinge in anderen Ländern ähnlich behandelt werden. Hier ist zunächst einmal eins zu sagen. Wir haben eine gesetzliche Regelung, und nach dieser *) Siehe Anlage 15 zur 86. Sitzung. gesetzlichen Regelung ist dies eine Aufgabe des Bundesgrenzschutzes, eine Aufgabe, die keineswegs in beliebiger Weise verändert werden kann, es sei denn durch eine Änderung des Gesetzes. Deswegen geht es auch nicht an, daß Sie - wenn ich „Sie" sage, meine ich die betreffenden Antragsteller im Haushaltsausschuß - die gesetzliche Zahl des Bundesgrenzschutzes, die bekanntlich auf 20 000 festgelegt ist, kurzerhand durch k.w.-Vermerk vermindern. Das ist eine Haltung und eine Handlung, die keineswegs mit dem Gesetz übereinstimmt. Das bitte ich hier mit allem Nachdruck sagen zu dürfen. Man kann ja nicht durch Gesetz geschaffene Tatbestände, in dem man die Stellen kurzerhand mit k.w.-Vermerk versieht, einfach aus der Welt räumen. Ich bin verpflichtet - und das ist die ganze Bundesregierung -, einen Haushalt vorzulegen, der dem Gesetz Rechnung trägt. Darin steht das; das ist unsere Verantwortung. Das Hohe Haus hat die Möglichkeit, die Gesetzesinitiative zu ergreifen, aber doch nicht, gesetzlich vorgesehene Aufgaben dadurch einzuschränken, daß man einen k.w.-Vermerk anbringt mit dem Hinzufügen, daß das die beteiligten Ressorts einander näherbringen solle. Meine Damen und Herren, das ist ein unmögliches Verfahren! Erlauben Sie mir, das in aller Klarheit zu sagen. Ich habe soeben gesagt: hier spielt sich ein Stückchen Bruderkrieg ab zwischen der Zollverwaltung und dem Paßkontrolldienst. Nun hat die Zollverwaltung das große Glück - Herr Kollege Krammig wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich das sage -, in Herrn Kollegen Krammig einen nachdrücklichen Vertreter hier im Hause gefunden zu haben. ({2}) Ich habe schon einmal scherzhaft gesagt: ich muß nun dafür sorgen, daß im nächsten Bundestag auch ein Vertreter des Paßkontrolldienstes ist, damit wir wenigstens insoweit wieder auf pari kommen. Einstweilen befinde ich mich in der parlamentarischen Behandlung dieses Problems etwas im Nachteil. ({3}) Dies ist eine teils scherzhafte Anmerkung. Ich bitte aber, nicht den Ernst zu verkennen, der hinter dieser Bemerkung steht. Ich muß dem auch noch etwas Weiteres zufügen. Das Bundesministerium der Finanzen - ich sehe, Herr Kollege Schäffer ist leider gerade in der Kabinettssitzung - hat, wie alle Ressorts der Bundesregierung natürlich die Aufgabe, die Regierungsvorlage zu vertreten. Das Hauptargument für den Haushaltsausschuß in dieser Sache ist eine Arbeit gewesen, die während der Beratungen beim Bundesministerium der Finanzen bestellt worden und die an den Haushaltsausschuß geliefert worden ist ohne meine Beteiligung mit folgendem Ergebnis: daß das Bundesministerium der Finanzen erklärt, es bei kompletter Übernahme dieser Aufgabe sozusagen billiger machen zu können, also nur 500 - genau, glaube ich, 494 - Leute zu benötigen für dieselbe Aufgabe, die ich heute mit den im Haushaltsplan ausgebrachten Stellen erfülle. Dazu kann ich nur sagen, daß in der Hauptreisezeit wir außerdem genötigt sind, noch einige andere hundert Mann vom Bundesgrenzschutz für diese Aufgabe zusätzlich heranzuziehen. Ich kann also die Richtigkeit dieser Zahl des Bundesministeriums der Finanzen keineswegs anerkennen. Im ({4}) übrigen halte ich es nicht für sehr schön, daß ohne meine Beteiligung hier ein niedrigeres Angebot gemacht wird. ({5}) Daß das Hohe Haus eine Neigung verspüren wird, den Zuschlag sozusagen dem Geringstbietenden zu geben, kann ich verstehen. ({6}) Aber, meine Damen und Herren, ich bitte Sie wirklich, zu sehen: dies ist eine durch Gesetz festgelegte Aufgabe. Nach dem Gesetz bin ich mit dem Bundesgrenzschutz für diese Aufgabe zuständig. Man kann nicht einfach sagen, durch k. w.-Vermerke soll das innige Zusammenleben zwischen dem Ressort des Innern und dem der Finanzen verstärkt werden, nachdem das Ressort der Finanzen bereits ein niedrigeres Angebot gemacht hat. Ich glaube, das Hohe Haus wird sehen, daß das nicht die richtige Behandlung dieses Problems ist. Was nun den Paßkontrolldienst und seine bisherige Arbeit angeht, so darf ich eine Bemerkung hinzufügen. Früher haben Ausländer unser Vaterland oft so betrachtet, daß ein besonders rauher Ton an unseren Grenzen herrsche. Ich habe mich immer sehr gefreut, aus vielen ausländischen Berichten lesen zu können, daß die Art der Behandlung an der Grenze, wie sie in den letzten Jahren bei uns eingesetzt hat, sich des Beifalls unserer ausländischen Besucher erfreut. Das scheint mir doch etwas zu sein, was für die Qualität der Organisation und der Menschen spricht, die diese Aufgabe kraft Gesetzes wahrnehmen und die man nicht auf diese Weise aus ihrer Aufgabe verdrängen kann, ohne das Gesetz zu verletzen, bestimmt nicht, ohne es zu ändern. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte das Wort nicht mehr ergriffen - weil ich die Beratung über diesen Gegenstand nicht unnötig ausdehnen wollte -, wenn nicht der Herr Bundesinnenminister hier Ausführungen gemacht hätte, die nicht unwidersprochen bleiben können. Ich möchte es zunächst einmal dahingestellt sein lassen, ob das, was hier ausgeführt worden ist, im Interesse einer wirklich guten und sparsamen Haushaltsberatung nützlich war. Ich könnte mir vorstellen, daß alle Ressorts ein sehr starkes Interesse daran haben sollten, daß eine parlamentarische Instanz da ist, die sich wenigstens einmal auch der organisatorischen Seite der Verwaltung annimmt. Das Hohe Haus sollte dankbar dafür sein, wenn ein solcher Vorstoß unternommen wird mit dem Ziel, in der Organisation der Verwaltung Einsparungen vorzunehmen. Alles andere, was hier zum Teil unterstellt worden ist - ich will einmal diesen kleinen Schlenker mit den Zöllnern und ihren Interessenvertretern hier völlig außer acht lassen, obwohl er mir nicht sehr passend erschien -, muß von einem anderen Standpunkt aus betrachtet werden. Wir sahen uns im Haushaltsausschuß der Existenz von zwei Behörden an den Grenzen gegenüber und haben seit Jahren - ich möchte ausdrücklich betonen, dieses Problem schwebt seit Jahren - darüber nachgedacht, wie wir hier zu einer Vereinfachung und zu einer Verbilligung kommen können, ohne daß die Sicherheit des Bundes dadurch in irgendeiner Weise notleidet. ({0}) Meine Damen und Herren, hier anzunehmen, daß bei der Übertragung der Paßeinsicht an die Zollverwaltung etwa die dann damit beauftragten gleichen Beamten weniger sorgfältig verfahren werden, ist eine Unterstellung, die wir zurückweisen müssen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß die Sicherheit des Bundes darunter in irgendeiner Form leiden kann und daß das Gesetz in Mitleidenschaft gezogen wird. Allein schon die Tatsache, daß an 320 derartigen Übergangsstellen diese Kontrolle von dem Zolldienst bis jetzt einwandfrei ausgeübt worden ist, ({1}) ist wohl die beste Widerlegung aller Argumente, die hier angeführt worden sind. Es handelt sich hier um einen Akt der Verwaltungsvereinfachung. Fast will es mir scheinen, als ob dieser erbitterte Widerstand, der hier einer solchen Maßnahme, die wir vorgeschlagen haben, entgegengesetzt wird, ein sehr lehrreiches Beispiel dafür ist, welchen Widerstand die Legislative überhaupt findet, wenn sie einmal auf die Idee kommt, ordnend einzugreifen und etwas durchzusetzen, was sie aus Ersparnisgründen für vernünftig hält. ({2}) Wir wollen doch hier nichts weiter tun, als der Vernunft eine Bahn zu ebnen. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, alles andere als ganz unbegründet zu betrachten, was hier als Verdacht laut geworden ist, wir hätten irgendwie dem Zolldienst Vorschub leisten und ihn begünstigen wollen. Uns leitet lediglich die Idee: wie kommen wir zu einer vereinfachten, sparsamen und gesetzesmäßigen Verwaltung? Nach diesem Grundsatz haben wir gehandelt. Der k.w.-Vermerk schien uns eine sehr brauchbare Grundlage zu sein, diesem Ziele näherzukommen. Wir konnten uns sehr lange Zeit durchaus der Hoffnung hingeben, daß die beiden Ressorts unter einen Hut kommen würden. Erst in letzter Stunde haben wir dann die Überraschung erlebt, daß ein deus ex machina in Erscheinung trat und dieses hoffnungsvolle Werk der Zusammenarbeit gestört hat. Ich möchte annehmen, daß eine sehr große Mehrheit dieses Hauses uns in dem vielleicht ersten Versuch beipflichten wird, hier zu größerer Sparsamkeit in der Verwaltung zu gelangen, indem wir zwei Behörden zusammenlegen, die an den Grenzen getrennt auftreten und die, in einer Behörde vereinigt, die gleichen Dienste, nur sparsamer und effektiver, leisten können. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Arnholz, eine Zwischenfrage.

Otto Arnholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie 400 und soundso viel Beamte beim Paßkontrolldienst einsparen wollen, sind Sie dann bereit, um diese Zahl die 20 000 des Grenzschutzes zu vermindern? Denn nur dann sehe ({0}) ich eine Verminderung der Zahl der Beamten, also eine wirkliche Ersparnis.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es handelt sich gar nicht um dieses Problem. ({0}) Ich bin für meine Person und für meine Freunde durchaus bereit, dem Bundesgrenzschutz im Rahmen der 20 000 Mann die Zahl derjenigen zu ersetzen, die auf die andere Seite herübergehen würden. Der Bundesgrenzschutz soll ruhig die Funktionen weiter ausüben, die er bisher ausgeübt hat, und seine Stärkezahl voll und ganz ausnützen. Mir liegt es völlig fern, an den absolut notwendigen Funktionen des Bundesgrenzschutzes irgend etwas zu ändern. Es geht aber hier um ein ganz anderes Problem. Es geht darum, daß in einem bestimmten Verwaltungszweig eine bessere Ordnung herbeigeführt wird, und nicht darum, ob wir den Grenzschutz restlos die 20 000 Mann ausnutzen lassen, von denen er jetzt durch den Weggang dieser Stellen einen Teil verlieren würde. Darum geht es uns nicht. ({1}) - Eine Ersparnis bei dem betreffenden Verwaltungszweig tritt sehr wohl ein. Ob Sie auf der anderen Seite den Bundesgrenzschutz auf die vollen 20 000 Mann bringen, ist ein völlig anderes Problem; das hat ja damit gar nichts zu tun. Ich bitte Sie, diese Dinge doch klar auseinanderzuhalten. ({2}) Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie werden in dem Entschließungsantrag, den wir zur dritten Lesung vorlegen werden, eine Brücke finden, die wir alle gemeinschaftlich ruhig betreten und zu dem von uns erstrebten Ziel gelangen können. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel hat Unterstellungen zurückgewiesen, die ich nicht geäußert habe; damit möchte ich mich nicht beschäftigen. Ich nehme das Wort nur, um eines doch ganz klar zu machen. Herr Kollege Vogel verfährt mit einer gewissen Unbedenklichkeit gegenüber dem Gesetz. Ich muß mit großem Bedauern feststellen, Herr Kollege Vogel, daß Sie es als eine zulässige Methode empfinden, im Gesetz vorgesehene und in bestimmter Zifferngröße ausgestattete Aufgaben dadurch einer Verwaltungsreform zuführen wollen, daß k.w.-Vermerke angebracht werden. Meine Damen und Herren, das Parlament hier hat umfassende Möglichkeiten, die, Dinge, die es als organisatorisch schlecht geregelt ansieht, zu ändern. ({0}) - Sie haben doch das Recht der Gesetzesinitiative. Sie können unseren ganzen staatlichen und behördlichen Aufbau durch Gesetze umgestalten, Herr Kollege Vogel, wenn Sie dafür die entsprechenden Mehrheiten finden, und mit guten Gründen. Aber es wäre außerordentlich bedenklich, wenn Sie Aufgaben, die kraft Gesetzes soundso geordnet sind, dadurch verändern wollen, daß Sie da, wo wir verpflichtet sind, die gesetzlich vorgesehenen Aufgaben mit den gesetzlich vorgesehenen Stellen auszustatten, kurzerhand k.w.-Vermerke anbringen. Das ist eine Scheinoperation, und der Gedanke, dadurcheinen Zwang auf das Bundesfinanzministerium und das Bundesinnenministerium auszuüben, Herr Kollege Vogel-ich glaube, bei näherem Nachdenken darüber kann das schwerlich die richtige Behandlung der Sache sein. Wir können sehr wohl hinsichtlich dieser wie hinsichtlich vieler anderer Aufgaben überlegen, ob wir sie nicht praktischer, einfacher usw. usw. gestalten können. Aber soweit sie gesetzlich in bestimmter Weise gestaltet sind, haben wir uns zunächst und zuvörderst an das Gesetz zu halten, und da, wo uns das Gesetz unzureichend zu sein scheint, haben war das Gesetz zu ändern. Wir können nicht in dieser Weise verfahren, daß wir durch einen Vermerk bei den Stellen einen indirekten Zwang ausüben. Das sollte sicherlich nicht derjenige tun, der über ,die Gesetzesinitiative verfügt. Deswegen habe ich an das Hohe Haus die Bitte, sich diesem Antrag aller Fraktionen doch anzuschließen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sie wollen eine Zwischenfrage an den Herrn Minister stellen? - Herr Minister, darf ich Sie bitten, noch einmal das Wort zu ergreifen, um sich befragen zu lassen? Gestatten Sie die Frage, Herr Minister? - Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zwischenfrage.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eine Frage, Herr Minister: Wollen Sie damit sagen, ,daß in dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz eine bestimmte Zahl über die Abordnung von Angehörigen ides Bundesgrenzschutzes zum Bundespaßkontrolldienst enthalten ist und daß die Anbringung von k.w.-Vermerken bei 425 Stellen des praktisch dorthin dirigierten Bundespaßkontrolldienstes die Änderung bestehender gesetzlicher Bestimmungen zwingend voraussetze?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege Ritzel, ich kann darauf ganz einfach antworten, indem ich Ihnen etwas entgegenhalte, was Herr Kollege Arnholz gerade schon in einer Zwischenfrage angemerkt hat. Die Disposition über die kraft Gesetzes festliegenden 20 000 Mann des Bundesgrenzschutzes hat sich abzuspielen nach dem Gesetz über den Bundesgrenzschutz, und hier wird vom Haushaltsausschuß auch keineswegs etwa eine Operation vorgeschlagen, die etwa die Umwandlung der bisher mit diesen Aufgaben befaßten Grenzschutzbeamten in irgendeine andere Grenzschutzfunktion vorsähe. Deswegen bleibe ich dabei, daß das Anbringen des k.w.-Vermerks mit dem Gesetz nicht in Übereinstimmung steht.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den k.w.-Vermerk des Haushaltsausschusses wird keineswegs eine Verwaltungsreform, eine qualitative Veränderung in der Handhabung der Kontrolle an der Grenze herbeigeführt, sondern es wird nur quantitativ etwas verändert, was bisher schon quantitativ unter zwei Verwaltungszweigen aufgeteilt war. In dem langen Schriftstück mit dem Hohen Lied auf die ({0}) Grenzkontrollen, das der Herr Bundesinnenminister uns zugestellt hat, wird mitgeteilt, daß auch jetzt schon von 380 Grenzstellen, wenn ich es recht im Kopf habe, 320 ausschließlich durch die Beamten des Zolldienstes überwacht werden, und nur an 60 Stellen, allerdings mit größerer Frequenz der Personen, die die Grenze überschreiten, wird die Paßnachschau durch .den Bundesgrenzschutz wahrgenommen. Herr Bundesinnenminister, wenn der k.w.-Vermerk Sie jetzt zu einer Gesetzesverletzung zwingt, wie Sie doch wohl angeben, dann haben Sie dauernd das Gesetz verletzt, indem Sie bisher an 320 von 380 Stellen gesetzwidrig die Paßkontrolle durch den Zolldienst anstatt durch den im Gesetz vorgesehenen Paßkontrolldienst des Bundesgrenzschutzes haben vornehmen lassen. Mir scheint, dahinter steht doch wirklich nur ein Ressortstreit. Es geht um die Hausmacht, ob die hier oder da größer ist, und es geht darum, ob man hier Einfluß hat oder nicht Einfluß hat. Wenn Sie von der Sache, von dem Problem ausgehen, was da überhaupt an der Grenze geleistet werden soll, ob durch Zöllner oder durch Polizeibeamte, dann müßten Sie mit dem Parlament, das hier, glaube ich, einer Meinung ist, zu dem Schluß kommen, daß es nur eine Verwaltungsvereinfachung gibt, nämlich diesen ganzen Kontrolldienst abzuschaffen. Sie kommen dann mit dem Problem der Sicherheit, und in Ihrem Brief an die Mitglieder dieses Hauses schreiben Sie auch von den Agenten, die da gefaßt werden. Nun, meine Damen und Herren, vor solchen Agenten kann doch niemandem mehr bange sein. Will man uns wirklich weismachen, daß dieser ganze Dienst mit 58 Millionen Stempeln im Jahr für die Sicherheit der Bundesrepublik notwendig sei? Wollen Sie uns erzählen, daß Agenten, die wirklich gefährlich sind, an solchen Grenzen gefaßt werden? Wissen Sie nicht, daß wir eine innerdeutsche Grenze haben, über die jeder mit einer deutschen Kennkarte kommen kann, die von kommunistischen Behörden nach Belieben ausgestellt und nach Belieben „echt" gefälscht werden kann? Das Ganze ist doch fauler Zauber. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck! Aber dieser ganze Grenzkontrolldienst ist wirklich fauler Zauber. Natürlich - das erkenne ich an - fassen Sie an der Grenze z. B. auch Kriminelle, die auf der Fahndungsliste stehen. Wollen Sie aber darum die Grenzen aufrechterhalten und sagen, Europa sei in diesem Punkt zumindest nicht möglich, weil man wegen der Fahndung nach Kriminellen bestimmte Kontrollen an den Grenzen aufrechterhalten müsse? Würde dieses Denken, wenn man es konsequent weiterführt, nicht dazu führen, daß man auch die Zonengrenzkontrollen, die wir in den Jahren 1945 bis 1948 etwa gehabt haben, wieder einführen müßte? Denn hätten wir die noch, dann würden wir noch einige Kriminelle erwischen, die wir sonst wahrscheinlich erst später, aber schließlich doch erwischen. Dieses Denken ist rein polizeistaatliches Denken. Herr Innenminister - ich bedaure das sehr -, als Sie hier bei uns waren, so in Reih und Glied, da waren Sie so ein aufgeschlossener Mensch; ({1}) aber seitdem Sie diesem Ministerium vorstehen, sind Sie ein wenig auf die Bürokratie gekommen. Ich habe allen Grund, das zu sagen. Dieses Haus hat gegen Ihren zähen, langen Widerstand, den wir heute hier auch wieder spüren, verschiedene Dinge erzwingen müssen. Wir haben einseitig das Visum abgeschafft und dadurch in ganz Europa diese Stempelschikane zu Fall gebracht. ({2}) Sie haben sich mit aller Verzweiflung dagegen gewehrt, daß das einseitig gemacht würde; Sie wollten die Verwaltungstour, über gegenseitige Verhandlungen usw., gehen. Wir haben auch lange kämpfen müssen, um diese Grenzkontrollkarten, die alle ausfüllen mußten, abzuschaffen. Das ist uns schließlich auch gelungen; aber immer nicht dadurch, daß Sie vorangegangen wären, sondern dadurch, daß wir Sie hier, und zwar einmütig von links bis rechts, gezwungen haben, das zu tun. In diesem Hause wurde vor einem Jahr im Auswärtigen Ausschuß und im Ausschuß für innere Verwaltung ein Antrag meiner Fraktion angenommen, einseitig nunmehr den Paßzwang abzuschaffen. Ich will Ihnen meine ganzen Gedanken sagen: von mir aus müßte man die ganze Personenkontrolle an der Grenze aufgeben. Die ganze Personenkontrolle ist im allgemeinen unsinnig und kann nur sinnvoll sein, wenn sie aus besonderem Anlaß, weil man glaubt, da kommt der und der heute über die und die Grenzstelle, vorgenommen wird. Das Ganze müßte weg. Aber wir wollen Ihnen Zeit lassen, sich Schritt für Schritt an dieses Denken zu gewöhnen. Deshalb der Antrag, zunächst einmal den Paßzwang fallenzulassen. Und als dieser Antrag, der von zwei Ausschüssen des Hauses einstimmig angenommen worden war, hier in Abwesenheit der Hauptvertreter dieser Gedanken zur Debatte stand - wir waren in Straßburg in der Beratenden Versammlung -, da haben Sie die Rückverweisung beantragt und erhalten. Der Antrag liegt noch heute im Auswärtigen Ausschuß. Er wird aber wohl demnächst hier beraten werden, und ich hoffe, daß wir dann auf diesem Gebiet wirklich einen Schritt weiterkommen, indem wir uns nämlich an das System anschließen, das in unseren westlichen Nachbarländern üblich ist. Unter den westlichen Nachbarländern gibt es keinen Paß-zwang. Die Kennkarte genügt. Wie ich selbst vor wenigen Wochen habe feststellen können, wird es praktisch so gehandhabt, daß überhaupt keine Personenkontrolle mehr stattfindet. Ich bin über die belgisch-französische Grenze und über die französisch-luxemburgische Grenze gefahren und an keiner dieser beiden Stellen überhaupt nach meinem Paß gefragt worden, obschon aus dem Wagen hervorging, daß ich Ausländer war und kein Staatsangehöriger der beiden Länder. Herr Bundesinnenminister, es wäre doch schön, wenn Sie etwas von diesem europäischen Geist auch in Ihre Dienste hineinpumpen würden! Aber in Ihrem Dokument stehen - als Ruhmestitel - 58 Millionen Stempel! Ein Wort zu der Höflichkeit der Beamten. Jawohl, die . Beamten des Paßkontrolldienstes sind ausnehmend höflich. Das muß man sagen. Aber sehen Sie, die Beamten an der belgisch-französischen und französisch-luxemburgischen Grenze, die mich überhaupt nicht nach dem Paß fragten, waren noch höflicher. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesinnenminister.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke ({0}) dem Kollegen Mommer dafür, daß er jedenfalls aus meiner Vorgeschichte anerkannt hat, daß ich im Grunde ganz umgänglich sei. Ich glaube aber, er überschätzt die Gefahr meiner Veränderung in einen Bürokraten. ({1}) Dafür bringe ich von Hause aus nichts mit, und dieser Gefahr werde ich nicht unterliegen. Herr Kollege Mommer, wir sind uns sicher mit dem Hohen Hause alle darüber einig: die Zeit wird nicht ausreichen, die ganze Vorgeschichte der Grenzkontrollen zu entwickeln. Aber, um nur einmal einen Punkt hervorzuheben: Wir sind nicht diejenigen gewesen, die am Ausfüllen der Karten einen besonderen Spaß gehabt hätten. Sie wissen, daß das eine alliierte Erfindung eine alliierte Auflage war, die wir inzwischen losgeworden sind. Was Visumzwang und Behandlung der Pässe angeht - ({2}) - Ich habe die Kartenausfüllung bestimmt nie liebgewonnen. Mir ist sie immer außerordentlich lästig gewesen. Vergessen Sie nicht: ich bin zwar an sich ein sehr innerdeutscher Mensch und reise nicht so furchtbar viel; aber dann und wann überschreite ich doch die deutschen Grenzen. Da, war es mir genau so lästig wie Ihnen. Das brauche ich nicht weiter auszuführen. Aber diese Zeit liegt ja hinter uns. In bezug auf Visumzwang und Abschaffung der Pässe überhaupt, Herr Kollege Mommer, kann man in den Forderungen auf diesem Gebiet sicherlich sehr weit gehen. Aber die Verwirklichung - und darin, glaube ich, wird mir das Hohe Haus zustimmen - muß sich etwas pari passu mit dem abspielen, was unsere Nachbarländer auf diesem Gebiet zu tun bereit sind. Es gibt gewisse Dinge, da kann man diese zum Nachziehen bringen; dafür ist die Visumbehandlung vielleicht ein ganz gutes Beispiel. Aber was die Abschaffung der Pässe selbst angeht, wissen wir jedenfalls genau, daß die Nachbarn dazu nicht bereit sind. Diese Dinge werden in den Ausschüssen weiter diskutiert werden. Ich glaube, hier liegen die Argumente eigentlich weniger im Ressort des Innern, sie werden mehr vom Auswärtigen Amt vorgebracht. Die Auseinandersetzung, meine Damen und Herren, die das Hohe Haus zu diesem Punkt beschäftigt, ist sicherlich nicht der Streit um eine Hausmacht, wenn man überhaupt von einer Hausmacht sprechen kann. Das sind ja alles gesetzlich fixierte Größen. Ich habe hier nicht den Versuch gemacht, dieser „Hausmacht" - der Ausdruck ist mir durchaus fremd - auch nur um eines Haares Breite etwas hinzuzulegen. Im Gegenteil, ich bestehe nur darauf, daß das Gesetz beachtet und ausgeführt wird. Der Hinweis darauf, daß wir uns an 320 der 380 Grenzübergangsstellen auftragsweise des Zolles bedienen, Herr Kollege Mommer, geht dann fehl, wenn man weiß, daß sich eben der Hauptreiseverkehr tatsächlich beinahe auf die Punkte konzentriert, die wir mit den Beamten des Paßkontrolldienstes besetzt halten und die wir darüber hinaus in den Zeiten des Hauptverkehrs sogar verstärken müssen. Ich bin Ihnen dankbar für die Anerkennung, daß dieser Dienst jetzt mit besonderer Höflichkeit versehen wird. Allein das ist ja schon ein Ruhmesblatt, wenn man den früheren Tadel am Auftreten der Beamten - ich lasse dahingestellt, ob zu Recht oder zu Unrecht - in Rechnung stellt. Nun aber noch ein anderer Punkt. Daß Sie kurzerhand alle Grenzkontrollen unter das Stichwort „fauler Zauber" - der Ausdruck stammt von Ihnen, nicht von mir - registriert haben, Herr Kollege Mommer, geht sicher zu weit. Ich brauche vor dem Hohen Hause nicht erst zu erörtern, daß wir uns, sowohl international, wie auch mit einer Grenze mitten in unserem eigenen Vaterland, rein sicherheitsmäßig doch in einer schwierigen Lage befinden. ({3}) - Wen fürchten Sie!? Ich will hier nicht mit Bismarck erwidern: „Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt!" Aber wir haben ja auch nun, ohne daß wir uns in ganz großen Ideen bewegen müßten, eine Menge praktischer Tagesarbeit zu leisten. Wenn Sie einen Blick auf die Prozesse werfen, die augenblicklich vor dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe laufen, dann sind Sie sich ohne Zweifel darüber klar, daß es eine ganze Menge Akte im Bereich unseres Vaterlandes gibt, die mit den Gesetzen keineswegs in Übereinstimmung stehen. Den für die Sicherheit Verantwortlichen macht das manche Sorge, von der wir uns nicht kurzerhand durch eine Deklamation befreien können. Ich glaube also, daß man die Gefahren für die innere Sicherheit nicht dadurch vermindert, daß man jede Art von Kontrolle und jede bescheidene Vorkehrung, diese Gefahren eingedämmt zu halten, beseitigt. Deswegen, meine Damen und Herren, nochmals die Bitte, dem Antrag auf Umdruck 421 zu entsprechen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weitergebe, eine Mitteilung: Die respektiven Antragsteller haben sich darauf geeinigt, daß Antrag Umdruck 401 Ziffer 1*) durch den Antrag Umdruck 380 erledigt sein soll. Wir werden also nachher nur noch über den Antrag Umdruck 380 **) abstimmen, wenn sich kein Widerspruch im Hause erheben sollte. Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Niederalt.

Alois Niederalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mommer hat, glaube ich, den Sinn des Beschlusses des Haushaltsausschusses mit Recht so interpretiert: Wir wollen einen Abbau der Aufgaben erreichen. ({0}) - Herr Kollege Menzel, Sie haben vollkommen recht. Ich habe auch im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen, daß es mir lieber gewesen wäre, wenn wir von der Aufgabenseite an dieses Problem herangegangen wären. Aber Sie werden nicht leugnen können, man kann auch von der praktischen Seite durch den k.w.-Vermerk an die Dinge herangehen. Aber - und nun komme ich auf die Gefahr, auf die ich hinweisen will - der k.w.-Vermerk allein birgt die große Gefahr in sich, daß wir nicht zum Ziele kommen, daß wir nicht eine Ersparnis erreichen, daß vielmehr der Abbau der Beamten des *) Siehe Anlage 14 zur 86. Sitzung. **) Siehe Anlage 13 zur 86. Sitzung. ({1}) Bundespaßkontrolldienstes zugunsten der Zöllner erfolgt. Auf diese Gefahr muß hingewiesen werden. Es ist ja schon im Haushaltsausschuß deutlich darauf aufmerksam gemacht worden, daß die 850 Beamten des Bundespaßkontrolidienstes ohne weiteres ersetzt werden könnten durch 494 Zöllner. ({2}) Da liegt also schon die Andeutung drin. Wenn wir etwa den Bundespaßkontrolldienst ganz wegfallen ließen, würde es zu einer Vermehrung der Zollverwaltung kommen. Das wollten wir auch nicht. Wir wollten einen Abbau der Aufgaben an sich, weil wir zum großen Teil der Meinung waren, diese Dinge müssen im heutigen Stadiumendgültig ganz und gar verschwinden. Nur so hat der k.w.-Vermerk einen Sinn, und deshalb habe ich mich zum Worte gemeldet: Erst dann erreichen wir das Ziel, nämlich den Abbau der Aufgaben, wenn wir alle, möglichst interfraktionell, in der dritten Lesung noch eine Entschließung annehmen, die zum Ausdruck bringt, daß die Verhandlungen, die auf Grund des k.w.-Vermerkes zwischen Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium geführt werden müssen, nicht zu einerAusweitung der Zollverwaltung führen dürfen, d. h. also, daß das Personal der Zollverwaltung idurch eine weitere Übernahme des Bundespaßkontrolldienstes um keinen Mann vermehrtwerden darf. Dann hat auch der Herr Bundesinnenminister - was wir ihm fairerweise zugestehen müssen - die gleiche Plattform für die Verhandlungen mit dem Bundesfinanzminister, die er so nicht hätte. Deshalb würde ich Ihnen empfehlen: Stimmen wir jetzt mit gutem Gewissen für den k.w.-Vermerk, d. h. für den Beschluß des Haushaltsausschusses, und nehmen wir in der dritten Lesung noch die Entschließung an, daß der Abbau des Bundespaßkontrolldienstes nicht zu einer Vermehrung der Zollverwaltung führen darf! ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Krammig! ({0}) -Verzichtet. Dann hat das Wort Frau Dr. Lüders. Zu diesem Punkt? ({1}) - Zur allgemeinen Aussprache? ({2}) - Ich werde die allgemeine Aussprache über den Einzelplan 06 eröffnen, wenn die Änderungsanträge begründet sind. Sie kommen also bestimmt noch dran. Dann liegt keine weitere Wortmeldung zu diesem Änderungsantrag vor. Wird zu dem Antrag Umdruck 422 *) das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Weber!

Dr. h. c. Helene Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002435, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 422 wird ein Antrag eingebracht, der von Mitgliedern aller Fraktionen unterschrieben worden ist. Er lautet: *) Siehe Anlage 16 zur 86. Sitzung. Der Bundestag wolle beschließen: In Kap. 06 02 wird folgender neuer Titel eingefügt: „Tit. 959 Einmaliger Zuschuß für die Ausstattung der Heime des Müttergenesungswerkes 1 000 000 DM". Das Deutsche Müttergenesungswerk ist vor einigen Jahren von der Frau unseres Herrn Bundespräsidenten Heuss gegründet worden, und zwar mit den deutschen Frauenverbänden, die schon am Müttergenesungswerk gearbeitet hatten, und mit den Frauengruppen der karitativen Verbände und anderer Verbände, wie Caritasverband, Innere Mission, Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz und ein fünfter Wohlfahrtsverband. Dieses Deutsche Müttergenesungswerk beruht auf der wirklich großartigen Hilfe des deutschen Volkes. Durch Sammlungen, die jedes Jahr veranstaltet werden, werden die Mittel für Genesungskuren der Mütter eingebracht. Ich darf sagen, daß es sich hier um ein in Deutschland fast einzigartig dastehendes Sammlungsergebnis handelt. Im vorigen Jahr sind 3,2 Millionen DM gesammelt worden, die für die Genesungskuren der Mütter verwandt worden sind. Frau Heuss sowie die Vertreterinnen der karitativen Verbände und der Frauenverbände hatten immer den Gedanken: Es soll für die deutsche Mutter etwas getan werden, weil viele deutsche Mütter infolge des Krieges, infolge der Ereignisse des „Dritten Reiches" und infolge des schweren Lebens, das die Frau des Volkes ,auch heute führen muß, eine Genesungskur nötig haben. Ich mache darauf aufmerksam, daß dieses Werk bis jetzt nur mit Mitteln ausgestattet worden ist, die das Ergebnis von Sammlungen im ganzen deutschen Volk waren. Wenn jetzt Mitglieder aller Fraktionen um eine Million bitten, dann geschieht es nur, damit die Müttergenesungsheime einmal so ausgestattet werden, wie es für die Gesundheit und für die Erholung der deutschen Mütter notwendig ist. Es handelt sich also nur um einen einmaligen Zuschuß, und ich bitte das Hohe Haus im Namen von Mitgliedern aller Fraktionen, dem zuzustimmen. Ich bitte vor allem im Interesse der Mütter unseres Volkes darum. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 422 noch das Wort gewünscht? - Frau Lüders bitte!

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause und auch weit über dieses Haus hinaus wird auf den unmöglichen Einfall kommen, irgendwie ein Wort mangelnden Interesses an dem Müttergenesungswerk zu sagen. Aber, meine liebe Kollegin Weber, um so mehr bin ich doch erstaunt - ich habe Ihren Antrag natürlich trotzdem mitunterschrieben; denn ich finde, die Politik ist keine Gelegenheit, sich nun für die eine oder andere Stellungnahme zu rächen und deshalb nicht mitzutun -, daß Sie es gestern nicht fertiggebracht haben, gegen den Widerstand des Herrn Finanzministers für die - Verzeihung - lumpigen zweimal 100 000 DM für UNICEF einzutreten. ({0}) Mir liegen ganz gewiß die deutschen Mütter genau so nahe wie Ihnen; denn sie sind ja die Mütter der Kinder, die uns allen so naheliegen. Aber ich ({1}) glaube, wir hätten doch die selbstverständliche Pflicht erfüllen sollen, auch ein wenig dazu beizutragen, daß auch die Kinder fremder Mütter nicht in so maßloser Not sind, wie sie es sind. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Dr. Weber.

Dr. h. c. Helene Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002435, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich antworte nur ungern ({0}) - warten Sie auf meine Antwort! -, weil ich den Vorwurf, man tue nicht genug für die Mütter oder für die Kinder, immer für einen der schwersten Vorwürfe halte. ({1}) - „Sehr richtig!", ja. Ich darf Ihnen aber sagen, warum ich dagegen gestimmt habe. Wir waren in der Fraktion übereingekommen, daß wir diesem Unternehmen der UNICEF, die ;ich sehr schätze, dreimal 100 000 DM als besonderen Zuschuß zubilligen wollten, nicht mehr. ({2}) - Bitte, warten Sie! Diese neuen zweimal 100 000 DM gingen dann über diese Vereinbarung hinaus. Ich bin gewohnt, ein Wort, das ich meiner Fraktion gegeben habe, auch zu halten. ({3}) Aus diesem Grund habe ich dagegen gestimmt. Auch ich hätte für das Müttergenesungswerk das sage ich Ihnen ganz offen - lieber zwei Millionen als eine Million gehabt, ganz bestimmt. Wir haben 130 Heime. 60 000 Mütter sind das letztemal in Erholung geschickt worden. Ich würde viel lieber 100- oder 200 000 Mütter in Erholung schikken. Das wäre auch sehr wichtig und notwendig. Aber man muß sich nun einmal begrenzen, und weil ich meiner Fraktion - gar nicht dem Herrn Finanzminister, -von dem habe ich gar nicht gesprochen; mit dem habe ich hier und da Krach ({4}) - ja, wenn ich mal etwas anderes wünsche -, mein Wort gegeben habe und weil man sich Grenzen setzen muß, hier wie auch beim Müttergenesungswerk, habe ich mit Nein gestimmt. Ich muß den Vorwurf meiner lieben Kollegin Lüders zurückweisen. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Nunmehr liegen keine weiteren Wortmeldungen zu dem Antrag Umdruck 422 vor. Zur Begründung des neuen Antrags Umdruck 425*) Frau Abgeordnete Dr. Rehling!

Dr. Luise Rehling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der gestrigen Beratung ist mehrfach Kritik geübt worden an der geringen Höhe der Beiträge, welche die Bundesrepublik für internationale Organisationen leistet. Die Kritik erstreckt sich auch auf die im Antrag angeführte Position, Kap. 06 02 Tit. 675 f), wo es *) Siehe Anlage 2. sich um einen Beitrag an die Union Internationale des Organismes Familiaux handelt. Der Beitrag von 2000 DM, den die Bundesrepublik leistet, bleibt weit zurück hinter den Beiträgen von Frankreich, Belgien und der Schweiz. Er entspricht nicht ihrer Größe und Bedeutung. Ich bitte daher das Haus, der im Antrag geforderten Erhöhung dieser Position von 2000 auf 5000 DM zuzustimmen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird zu diesem Antrag das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich, den Antrag Umdruck 401 Ziffer 2 zu begründen. ({0}) - Dann braucht das nicht mehr begründet zu werden. Dann haben wir immer noch den Antrag Umdruck 421 zu begründen, falls er begründet werden sollte, wozu ich nicht die Absicht habe aufzureizen. ({1}) - Ist auch begründet. Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen und keine weiteren Änderungsanträge vor. Es war verabredet, noch eine allgemeine Aussprache stattfinden zu lassen. Hierzu hat das Wort Frau Abgeordnete Lüders. ({2})

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht etwa wieder eine k.w-Debatte eröffnen, sondern nur ganz kurz anfügen: Mir scheint, daß wir im Parlament gar keine andere Möglichkeit haben, auf die Organisation der Behörden Einfluß zu nehmen, als über den Haushalt. ({0}) Ich glaube, dieser eine Satz genügt vollkommen für das Hohe Haus. Nun darf ich anknüpfen an die Ausführungen unseres verehrten Kollegen Maier zum Einzelplan 06. Der Kollege Maier hat bereits auf die riesigen Rückstände - rund 1200 - hingewiesen, die bei der Bearbeitung vor allem beim Bundesverwaltungsgericht vorliegen und die sich von Tag zu Tag mehr anhäufen. Ich weiß nicht und möchte mir auch kein unbedingtes Urteil darüber erlauben, ob es nicht vielleicht ein wenig damit zusammenhängt, daß die Senate im Bundesverwaltungsgericht enschließlich des Herrn Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts mit Persönlichkeiten besetzt sind, die zum allergrößten Teil nicht über eine längere verwaltungsgerichtliche Praxis verfügen und von denen auch ein beträchtlicher Teil keine eigentliche sonstige Verwaltungspraxis, also z. B. als Landräte und ähnliches, hat, sondern nur in Ministerialbehörden als Verwaltungsbeamte tätig gewesen ist, was etwas vollkommen anderes ist und nicht in jeder Hinsicht die Voraussetzungen für eine verwaltungsgerichtliche Praxis vermittelt. Der Herr Bundesverwaltungsgerichtspräsident ist erst kürzlich vor der Altersgrenze neu ernannt worden, so daß er noch bis zum 68. Lebensjahr in der neuen Stellung bleiben kann. Ein zweites möchte ich anknüpfend an das sagen, was der Kollege Maier gestern über die Art der ({1}) Beschäftigung und Einstellung von Frauen in der Verwaltung als Beamte ausgeführt hat. Wir brauchen nur die Übersicht anzusehen, die uns der Herr Arbeitsminister am 14. Dezember 1954 freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, um zu sehen, daß es eine ganze Anzahl von Ämtern, von hohen Behörden gibt, die überhaupt keine einzige Frau im höheren Dienst haben, so z. B. das Bundespräsidialamt, der Bundesrat, das Presse- und Informationsamt, die Bundesministerien für besondere Aufgaben und nachgeordnete Behörden des Bundesarbeitsministeriums. Ich erwähne das nur ganz kurz; Sie werden gewiß die Freundlichkeit haben, sich die Drucksache eines Tages selber einmal anzusehen. Nun wird uns neuerdings gesagt - es ist auch neulich in der Debatte darauf hingewiesen worden, und der Herr Arbeitsminister sagt es auch -, daß eine nennenswerte Besserung für die Frauen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei, da der Behördenaufbau abgeschlossen sei. Ich habe ein bißchen das dunkle Gefühl, daß man mit der Einstellung von Frauen in Beamtenstellen nicht ganz ohne Absicht so lange gewartet hat, bis der Behördenaufbau abgeschlossen war; dann konnte die Einstellung nicht mehr in Frage kommen, und die Ministerien sind durch diesen Tatbestand für ihre Weigerung gedeckt. Sehr peinlich ist die Art, in der man die unter Art. 131 fallenden Frauen behandelt; man behandelt sie vollkommen anders als die Männer. Man rechnet ihnen z. B. auf das Gehalts- und Besoldungsdienstalter nicht die Zeit an, in der sie während der Hitlerära aus dem Dienst herausgesetzt worden waren und während der ihnen natürlich die Möglichkeit genommen war, befördert zu werden und sich besondere Erfahrungen in der Behörde zu erwerben. Es ist meines Erachtens ein unmöglicher Zustand, daß man den Frauen diese Jahre nicht anrechnet; denn sie sind aus denselben Gründen wie die Männer entlassen oder seinerzeit in viel tiefere Dienststellen versetzt worden. Ich möchte noch ein kurzes Wort zu den Ausführungen sagen, die hier der eine Kollege - verzeihen Sie, wenn ich seinen Namen im Augenblick nicht weiß - zur Frage von Schund und Schmutz in der Literatur gemacht hat.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Der Kollege Kühn!

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich danke vielmals. Verbreiten möchte ich mich darüber nicht. Aber darüber, welch verheerenden Einfluß schlechte Lektüre jeder Art auf die Jugend hat, kann, glaube ich, für einen vernünftigen Menschen überhaupt gar kein Zweifel bestehen. ({0}) Es geht meines Erachtens nicht an - und ich glaube, daß ich nicht als nichtliberal verschrien bin -, einfach unter dem Titel „Liberal und deshalb keinerlei Zensur" die Jugend diesem Unheil auszusetzen. ({1}) Wenn wir die Bevölkerung mit Recht mit allen nur möglichen Mitteln davor zu schützen versuchen, daß sie auf der Straße unter die Räder kommt, dann, scheint es mir, sollten wir auch die Verpflichtung fühlen, dafür zu sorgen, daß die heranwachsende Jugend nicht auf sittlichem Gebiet unter die Räder kommt und daß die jungen Menschen nicht nachher die Kosten bezahlen müssen, wenn sie vor den Jugendrichter kommen, einen Makel in ihrem Leben auf sich haben und alles mögliche andere. Ich nehme an, die Männer sind hier wieder ganz mit uns Frauen einig, daß wir alles tun sollten, um ohne Kleinlichkeit und Schnüffelei dafür zu sorgen, daß die Jugend vor diesem gräßlichen Unglück bewahrt wird. ({2}) Meine verehrten Kollegen, bitte, gehen Sie doch einmal in die kleinen Geschäfte in den großen und mittleren Städten, die Schreibmaterialien, Papier, Schreibhefte und ähnliches vertreiben. Dort finden Sie unter der Theke stets einen Stoß von dieser Schmutzliteratur allererster Ordnung. Die Kinder kommen hin und kaufen sich für einen Groschen einen Bleistift, und dann sagen sie: „Nun möchte ich noch was zu lesen haben." Dann wird ihnen eine Serie von 40, 50 'elendester Schriften hingelegt, die keineswegs alle schwer unsittlich sind - davon ist keine Rede-, die aber so viele Möglichkeiten für den Anreiz halbwüchsiger und innerlich noch nicht gefestigter Menschen zu kriminellen und abwegigen Handlungen enthalten, daß einem die Haare zu Berge stehen könnten. Ich habe neulich meinem Papierhändler, der durch meine Vermittlung riesige Aufträge auch von Frauenorganisationen bekommen hat, erklärt: „Entweder Sie hören mit diesem Vertrieb auf, oder ich werde dafür sorgen, daß Ihnen die sämtlichen Aufträge für Papierlieferungen von uns entzogen werden." ({3}) Ich bin jetzt neugierig. Wenn ich nach Berlin komme, werde ich mal unter seine Theke gucken, was da ist. ({4}) - Ja, natürlich, meine lieben Kollegen, es gibt gar kein anderes Mittel, als den Leuten tatsächlich etwas zu Leibe zu rücken. Haben wir denn ein Interesse daran, daß sich eine große Industrie daran gesund und fett macht, Menschen in Gefahren sittlicher Natur zu 'bringen, Menschen, die ihrem Alter und ihrer Einsicht nach noch gar nicht in der Lage sind, sich selber zu schützen? Sehen wir doch nur einmal die Statistik über 'die Jugendkriminalität an. Wenn wir hiergegen nicht vorgehen wollen, sollten wir es uns abgewöhnen, Moralpredigten an die Jugend loszulassen; ({5}) die sind in höchstem Grade unangebracht. Diese Moralpredigten sollten wir uns dann selber halten. Ich möchte in 'diesem Zusammenhang den Herrn Bundesinnenminister herzlich bitten, auch wenn es schon wieder in die Länderzuständigkeit fällt - das ist ja unser ewiges Pech -, seine Aufmerksamkeit intensiv den Bestrebungen zuzuwenden, die in Hamburg von dem neuen Kinderschutzverband verfolgt werden. Wir haben in Deutschland bereits vor 30 und mehr Jahren eine große und blühende Organisation gehabt, den „Verband zum Schutze der Kinder vor Ausnutzung und Mißhandlung". Den haben natürlich die Nazis aufgelöst; denn der Verband hatte Geld und Schutzhäuser, und das war bekanntlich Grund genug, etwas aufzulösen. Jetzt ist wieder eine ähnliche Organisation in Hamburg entstanden, der „Kinderschutzverband". Wir sollten dieser Angelegenheit unsere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir wissen aus den Zeitungen genügend, in welcher bestialischen Weise Kinder mißhandelt werden. Die Vorwürfe werden auf uns Erwachsene zurückfallen, wenn ({6}) wir nicht eingreifen und schützend vorzugehen versuchen. Dasselbe gilt für das Gebiet der Sittlichkeitsattacken gegen Kinder. Aber das wird wohl der Herr Justizminister regeln müssen. Herr Minister, vielleicht sind Sie so freundlich und beschäftigen sich in Ihrem Ressort, in der Abteilung für Gesundheitswesen, einmal mit der Frage einer Rück- oder Wiederrevidierung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten nach dem Vorbild, das wir - hier sitzt meine Kollegin Weber - seinerzeit im Reichstag geschaffen haben und das ebenfalls in der Nazizeit verschandelt worden ist und heute Zustände ermöglicht, die ich hier nicht nochmals schildern will. Vielleicht lesen Sie sich meine Rede von früher einmal durch. Ich weiß, Herr Minister, daß auch da die Länderkompetenz Einfluß hat. Ich kann mir aber nicht denken, daß die Länderkompetenz .geschaffen worden ist, damit die Länder mit Bundesgesetzen machen können, was sie lustig sind: wenn sie sie nicht durchführen wollen, führen sie sie eben nicht durch. Nun dann brauchen wir diese Gesetze meines Erachtens gar nicht erst zu erlassen. Zu einem Punkt kann ich nichts sagen, weil ich leider die Auskunft bis heute nicht bekommen habe. Ich wollte mich noch der Frage der Transportkosten für die vielen Millionen Geschenke annehmen, die die Wohlfahrtsorganisationen aus dem Ausland bekommen. Leider warte ich aber seit fünf Tagen vergebens auf die Unterlage des hochverehrten Bundesministeriums des Innern dazu. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000681, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Nr. 608 steht seit einigen Jahren eine Position im Haushalt, deren Zweckbestimmung lautet: Zuschuß an die Kirchen für die Versorgung der heimatvertriebenen und sonstigen verdrängten versorgungsberechtigten Seelsorger, Kirchenbeamten, Kirchenangestellten sowie ihrer Hinterbliebenen. Der Betrag macht in diesem Jahre 3 500 000 DM aus. Der Haushaltsausschuß hat einem Antrage der evangelischen Freikirchlichen Gemeinden stattgegeben und durch eine Erhöhung dieser Position um 180 000 DM nunmehr auch diesen Kreis mit einbezogen. Ich habe weder etwas gegen den Zuschuß noch gegen die Einbeziehung der evangelischen Freikirchlichen Gemeinden in diese Betreuung. Ich bin mir aber nicht darüber im klaren, ob der Bundestag ganz deutlich sieht, was er mit diesem Zuschuß erreicht hat oder, besser gesagt, was er mit diesem Zuschuß nicht erreicht hat. Ich kann mir vorstellen, daß bei der Bewilligung dieser Summen und auch im Laufe der letzten Jahre der Eindruck entstanden ist - bei mir war er so -, daß damit eine gleichmäßige Altersversorgung innerhalb der Kirchen zwischen den einheimischen und den vertriebenen und verdrängten Kirchenbeamten, Pastoren und Witwen erreicht worden ist. Durch einen Zufall habe ich vor einiger Zeit Kenntnis erhalten, daß dem beileibe nicht so ist, sondern daß beispielsweise die Erhöhungen, die sonst gleichmäßig für alle Beamtensparten in den letzten beiden Jahren erfolgt sind, zwar für die einheimischen, aber nicht für die verdrängten Versorgungsberechtigten der beiden Kirchen ausgezahlt werden. Ich weiß nicht im einzelnen, ob es möglich ist, diesen unbefriedigenden Zustand zu ändern, was nach meiner Auffassung durch die Beschlüsse des Bundestages und durch die Bewilligung der erheblichen Millionenbeträge sicherlich nach Ihrer aller Willen erreicht werden sollte. ({0}) - Ich komme gleich darauf. Ich habe von dem Herrn Bundesinnenminister eine Auskunft bekommen, daß das eine Vereinbarung ist. Aber ich meine, im Zeitpunkt der Vereinbarung - das kann doch nur der Wille des Bundestags gewesen sein - hätte man auf eine gleichmäßige Behandlung drängen sollen. ({1}) Ich weiß, daß ich bezüglich der evangelischen und katholischen Kirche, weil eine Vereinbarung vorliegt, nichts mehr machen kann. Aber jetzt kommt dritter Partner dazu. Ich wollte lediglich den Wunsch zum Ausdruck bringen, daß der Zuschuß von 180 000 DM nur unter der Bedingung gewährt wird, daß dann wirklich eine gleichmäßige Versorgung aller Versorgungsberechtigten innerhalb dieser öffentlichen Körperschaften erreicht wird. Sonst, glaube ich, sollte man doch etwas näher zu fragen berechtigt sein, wie denn die Verhältnisse in der Organisation, in der Körperschaft sind, was aus Eigenem aufgebracht wird und was der Bund aufbringt; denn dazu, etwa nur den Bundeszuschuß zu verteilen, brauchen wir nicht die Körperschaften zu unterstützen. Das ließe sich vielleicht auf einem anderen Weg noch etwas leichter machen. Ich will mich also bei dieser Position nicht etwa gegen die Erhöhung um 180 000 DM wenden, sondern diese Erhöhung und diese Erweiterung auf die dritte Körperschaft zum Anlaß nehmen, zu bitten, zum mindesten bezüglich der dritten Körperschaft eine gleichmäßige Behandlung aller Versorgungsberechtigten damit zu erreichen. Vielleicht ist es auch möglich, uns zum mindesten einmal darüber Auskunft zu geben, wie sich die Zuschüsse des Bundes innerhalb der evangelischen und der katholischen Kirche praktisch auswirken. Wird etwa nur eine Verteilung dieser Zuschüsse vorgenommen - bei der evangelischen Kirche ist es leider so; das habe ich festgestellt -, oder was tun die kirchlichen Körperschaften aus Eigenem hinzu? Denn daß das jetzige Ergebnis mehr als unbefriedigend ist, dem wird, glaube ich, niemand widersprechen, daß also - um ein Beispiel zu nennen - ein evangelischer Pfarrer, der pensioniert ist, wenn er aus dem Osten stammt, nur die Hälfte seiner Versorgungsbezüge bekommt, während sein Kollege, der das Glück hat, seine Heimat hier zu haben, die doppelten, d. h. die vollen Bezüge erhält. Nur auf diesen Mißstand, auf dieses Mißverhältnis wollte ich hinweisen und dem Wunsche Ausdruck geben, daß durch eine Erhöhung dieses Titels sich zumindest bei der dritten Korporation nicht das wiederholt, was bei der Vereinbarung mit der Evangelischen und Katholischen Kirche offenbar nicht hat vermieden werden können. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? Der Herr Bundesminister des Innern!

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde an der dritten Beratung des Haushalts des Ressorts des Innern wahrscheinlich nicht teilnehmen können, weil ich dann in Berlin sein muß. Erlauben Sie mir deswegen, zu einigen Gesichtspunkten, die gestern und heute vorgetragen worden sind, jetzt Stellung zu nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht ist einer der wesentlichen Punkte, die angesprochen worden sind. Es ist bedauert worden, daß das Tempo der Entscheidungen dieses Gerichts so wenig befriedigend sei. Meine Damen und Herren, das sind die Anfangsschwierigkeiten, die wir bei einer Reihe von Gerichten beobachten. Die Gerichte, die später gegründet worden sind als diejenigen, die ihre Belieferer sind, haben es natürlich beträchtlich schwerer, die Anfangsrückstände zu beseitigen. Zur Zeit sind alle Stellen im Bundesverwaltungsgericht besetzt. Es werden auf Grund des hier zu verabschiedenden Haushalts noch zwei weitere Stellen zu besetzen sein. Ich habe den Richterwahlausschuß bereits für Juli eingeladen und hoffe also, daß auch diese beiden Stellen, die dazu beitragen werden, die Arbeit wesentlich schneller zu bewältigen, definitiv besetzt werden können. Ich bedaure sehr, daß die Frau Kollegin Lüders Anlaß zu haben glaubte, die Qualität des Gerichts sowohl in der Spitze wie in der sonstigen Besetzung zu bemängeln. Ich darf der Frau Kollegin Lüders darauf erwidern, daß die Besetzung dieses Gerichts durch Wahl erfolgt und daß die Vorschläge für die Besetzung des Gerichts durch den Richterwahlausschuß gemacht werden, ein Gremium, das sich aus Mitgliedern dieses Hauses und aus Mitgliedern des Bundesrates zusammensetzt. Gäbe es berechtigte Vorwürfe, wären sie an diese Adresse und nicht etwa an die Adresse des Ressorts des Innern zu richten. Ich möchte aber zu einem besonderen Falle doch noch ausdrücklich etwas sagen. Frau Kollegin Lüders hat Anlaß genommen, sich mit dem Herrn Chefpräsidenten des Gerichts zu befassen. Mir scheint, daß das ungewöhnlich ist. ({0}) Ich versuche, es zu vermeiden, daß überhaupt Beamte oder Richter in die Debatte dieses Hauses hineingezogen werden; solche Personalien eignen sich zur Erörterung hier nicht sonderlich. ({1}) Was aber den derzeitigen Chefpräsidenten angeht, Frau Kollegin Lüders, so bin ich nun doch genötigt, ein Wort zu sagen. ({2}) Ich habe Herrn Ministerialdirektor Egidi, den derzeitigen Chefpräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts, mit allergrößtem Bedauern scheiden sehen. Er ist in dieses Amt berufen worden durch Richterwahlausschuß. Entscheidung des Bundeskabinetts und schließlich Berufung durch den Herrn Bundespräsidenten auf der Basis einer Laufbahn, die eine der glänzendsten Laufbahnen im öffentlichen Dienst ist, die wir zu verzeichnen haben. Wenn ich bestrebt war, jemanden für Berlin zu finden, der für dieses Gericht und für die besondere Situation in Berlin geeignet sein sollte, so kann ich nur sagen: dafür ließ sich kein besserer finden als der derzeitige Chefpräsident, und ich hoffe, daß die großen Erwartungen, die in seine Tätigkeit dort gesetzt werden, sich voll realisieren werden. Ich bin sicher, daß das der Fall sein wird. Ich möchte jedenfalls das Bundesverwaltungsgericht, sowohl seinen Präsidenten wie seine Richter, gegen irgendwelche Bezweiflungen ihrer Qualität nachdrücklich in Schutz nehmen. ({3}) Ich bedaure, daß ich- hier genötigt werde, das zu tun. Der Kollege Maier hat gestern zu einem Antrag nur wenige Worte gesagt, nämlich zu dem Wunsche der Opposition, der allerdings jährlich in den Debatten wiederzukehren pflegt, die Mittel, die dem konstruktiven Verfassungsschutz in Tit. 300 dienen, durch eine Parlamentskommission prüfen zu lassen. Ich kann dazu, wie in jedem Jahr, nur sagen, daß die entsprechende Praxis, wie sie jetzt gilt, nämlich die Kontrolle nur durch den Präsidenten des Rechnungshofes, auch in allen deutschen Ländern gilt und daß ich es für zweckmäßig halte, es dabei zu belassen. ({4}) Herr Kollege Maier hat sich dann mit der Sicherungsgruppe beschäftigt, die in der letzten Zeit gelegentlich erwähnt worden ist. Ich möchte dazu folgendes sagen. Eine der Hauptaufgaben der Sicherungsgruppe neben ihrer Tätigkeit, die dem unmittelbaren Schutz gewisser Personen und gewisser Besucher dient, ist die, als ein Ermittlungsorgan des Oberbundesanwalts in Hoch- und Landesverratssachen tätig zu sein. Das macht den Hauptteil ihrer Tätigkeit, einer sehr umfassenden Tätigkeit, aus. Ich sehe auch nicht, wie diese Tätigkeit in anderer Weise wahrgenommen werden könnte, wenn wir nicht zu komplizierten Gesetzesänderungen kommen wollen. Zu einem Punkt muß ich etwas Besonderes sagen. Es ist das Wort „Bespitzelung" gefallen, eine Bespitzelung, die hier im Hause stattgefunden haben soll. Meine Damen und Herren, ich muß mich dagegen verwahren. Ich gehöre bestimmt zu denjenigen, die nichts mehr verabscheuen als das, was man unter das Motto „Bespitzelung" bringen könnte. Die beiden Beamten der Sicherungsgruppe, die sich zur Sicherung des Hauses hier im Hause befunden haben, haben das immer im Einvernehmen mit 'dem Präsidium getan. Das ist nicht eine Erfindung des Ressorts des Innern, sondern das ist eine Abmachung gewesen, die mit dem Präsidenten dieses Hohen Hauses bestanden hat. Wenn diese Abmachung jetzt versuchsweise geändert worden ist, dann ist das etwas, was in der Entscheidungsbefugnis des Hohen Hauses steht. Ich wäre aber 'dankbar, wenn nicht von „Bespitzelung" gesprochen würde. Das ist etwas, was wir nie getan haben und was es, solange ich an dieser Stelle stehe, im Rahmen meiner Zuständigkeit auch nicht geben wird. Ich komme zum Kapitel des Luftschutzes. Hier habe ich zunächst die Aufgabe, an Herrn Kollegen Maier ein Wort des Dankes zu richten. Nun muß ich dabei vorsichtig sein, Herr Kollege Maier. Ich möchte Sie zunächst und in erster Linie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für innere Verwaltung ansprechen. Aber ich möchte ({5}) das auch auf das ausdehnen, was Sie als Vertreter Ihrer Fraktion getan haben. Die Aufgaben, die auf dem Gebiete des Luftschutzes auf uns zukommen, sind so umfassend und so schwierig, daß es für den Bundesminister des Innern eigentlich nichts Befriedigenderes geben kann, als daß er sich in der Behandlung dieser Probleme von vornherein auf eine einmütige Auffassung in diesem Hohen Hause stützen kann. Es ist keine Redensart, wenn ich sage, daß ich dem Kollegen Maier für die Haltung, die er in diesen Fragen eingenommen hat, außerordentlich dankbar bin. Sie wissen - ich rufe das eigentlich nur ins Gedächtnis zurück -, daß die Bundesregierung inzwischen ein Luftschutzprogramm beraten und beschlossen hat, das im Grundzug der Erwägungen in etwa mit dem übereinstimmt, was auch Herr Kollege Maier hier im Namen der Opposition vorgetragen hat. Dieses Programm wird sich hoffentlich recht bald in gesetzliche Maßnahmen umschlagen. Ich will das Hohe Haus heute morgen nicht mehr mit Einzelheiten beschäftigen. Aber ich glaube, daß wir hier in absehbarer Zeit zu einer Regelung kommen können und kommen werden, die auf eine breite Zustimmung gestützt ist. Herr Kollege Maier hat noch ein Wort über das Technische Hilfswerk gesagt, dessen Leistungen vor allen Dingen auch in dem Bericht der Herren Berichterstatter über den Haushalt des Bundesministers des Innern besonders lobend hervorgehoben werden. Ich habe weiter das Bestreben, mit dem DGB die hier noch bestehenden Differenzen auszuräumen. Ich glaube, daß gerade die bisherige Tätigkeit des Technischen Hilfswerks und die Art seines Einsatzes besonders geeignet sind, die Bedenken, die vielleicht bei der Führung des DGB bestanden haben mögen, zu ,beseitigen, und ich hoffe, daß es in absehbarer Zeit möglich ist, auch diese letzte Differenz auszuräumen. ({6}) - Herr Kollege Blachstein, das ist unser Schicksal, daß es Probleme gibt, die langsam reifen. Wir haben dann und wann das Glück, Herr Kollege Blachstein, ein Problem selbst bis zur Reife entwickeln zu können. Ich hoffe - und Sie werden mich vielleicht dabei unterstützen, mindestens mit Ihren guten Wünschen -, daß es mir vergönnt ist, dieses Problem zur Reife zu entwickeln. Ich darf mich abschließend noch einmal mit dem beschäftigen, was Frau Kollegin Lüders vorgetragen hat. Sie hat bemängelt, daß sie einen Brief, der sich auf die Transportkosten für Liebesgaben bezog, aus dem Ressort des Innern noch nicht bekommen habe. Dieser Brief ist, wie ich inzwischen festgestellt habe, seit gestern an die Frau Kollegin unterwegs. Die Beantwortung ihres Briefes, auf die sie, wie sie sagte, seit fünf Tagen wartet, erforderte Rücksprachen mit dem Finanzminister. Ich hoffe, daß die Frau Kollegin nun Gelegenheit hat, bei der dritten Lesung auf dieses Thema zurückzukommen. Sie hat die Anregung gegeben, die Kinderschutzeinrichtung in Hamburg besonders zu unterstützen. Ich darf ihr sagen, daß die zentralen Aufgaben des Hamburger Verbandes bereits durch das Bundesministerium des Innern gefördert werden. Meine Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung. Der Bundesminister des Innern befindet sich bei der Haushaltsberatung in der glücklichen Lage, daß eigentlich von allen Seiten des Hauses Anträge gestellt werden, die die bescheidenen Ansätze seines Haushalts freundlicherweise erhöhen wollen. Wenn ich alles addiere, was in diesem Jahr zusätzlich zu diesem Haushalt beantragt worden ist, komme ich auf Beträge, die - Sie werden es kaum glauben - das Dreifache meines derzeitigen Haushalts ausmachen. - Wenn Sie mich zweifelnd ansehen, Herr Kollege Vogel, dann brauche ich nur den einen großen Antrag der SPD zu nehmen, dann bin ich bereits bei dieser Summe. Den einen Punkt, in dem ich mich mit dem Haushaltsausschuß oder jedenfalls mit der Mehrheit des Haushaltsausschusses nicht ganz einig weiß, haben wir heute morgen eingehend behandelt. Das ist die Frage des Paßkontrolldienstes, wobei ich die Bitte habe, den Antrag, der hier von Vertretern aller Fraktionen des Hauses gestellt worden ist, anzunehmen. Ich benutze diese Gelegenheit, vor allen Dingen den beiden Berichterstattern über den Haushalt des Innern zu danken. Ich habe mit großer Freude und mit einer gewissen Befriedigung vor allen Dingen die lobenden Bemerkungen ihres Berichts zur Kenntnis genommen. Das, was es an kritischen Anregungen hier im Hause gegeben hat, werden wir uns bemühen in der kommenden Zeit vollauf zu berücksichtigen. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar kurze Worte zu den Angriffen der Frau Kollegin Lüders auf den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und zur Verwaltungsgerichtsbarkeit überhaupt. Ich habe mich außerordentlich gefreut, daß der Herr Bundesminister des Innern für Egidi eingetreten ist - man kann ja hier auch Namen nennen, nicht wahr, und nicht nur Institutionen-und daß er überhaupt Worte für seine Verwaltungsrichter in Berlin gefunden hat. Frau Kollegin Lüders, es ist Ihnen bekannt, daß es Laufbahnen nur für die Richter in der ordentlichen Gerichtsbarkeit gibt, aber keine Laufbahnen für Verwaltungsrichter. Die Verwaltungsrichter sind meistens Beamte des höheren Verwaltungsdienstes gewesen. Eines Tages wurden sie zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, na - abkommandiert, oder sie wünschten sich dorthin. Vor allen Dingen aber haben wir ja den Zustand gehabt, daß nach jeder Revolution die politisch unbeliebten Verwaltungsbeamten auf die „Abstellbahnhöfe" Rechnungshöfe und Verwaltungsgerichte gestellt wurden. Manchmal kamen auf diese Weise treffliche Menschen dahin. Ich denke daran, daß ich z. B. im sogenannten Tausendjährigen Reich in der Hardenbergstraße und auch in Potsdam beim Rechnungshof treffliche Menschen getroffen habe, mit denen man sich sehr nett auch über politische Dinge unterhalten konnte. Denn es waren meistens solche, die nicht bei den Nazis standen. Und dazu gehörte auch Herr Egidi. Nun noch etwas zur Laufbahn des Herrn Egidi. Ich weiß nicht: haben Sie eben die Tätigkeit des preußischen Landrats als eine etwas subalterne oder eine prononcierte Sache dargestellt? - Frau Dr. Lüders, haben Sie die Tätigkeit des preußischen Landrats als eine subalterne Angelegenheit dargestellt? ({0}) ({1}) - So, dann habe ich Sie mißverstanden; ({2}) ich würde Ihnen sonst lebhaft widersprochen haben. Egidi ist Landrat gewesen. Er ist dann im „Dritten Reich" an die Bezirksregierung in Erfurt kommandiert worden und ist nach kurzer Tätigkeit, weil er bei dem dortigen Gauleiter mißliebig wurde, ich hätte beinahe gesagt: an die „Oberräucherkammer", an den Rechnungshof des Deutschen Reiches nach Potsdam gekommen. Eine Laufbahn, die sich durchaus sehen lassen kann, wenn sie auch nicht so glanzvoll war wie beispielsweise die des Herrn Drews, des berühmten Präsidenten des preußischen Oberverwaltungsgerichts, der auch einmal preußischer Innenminister gewesen war. Aber ich glaube, Frau Kollegin Lüders, bei der Ausweitung der Verwaltungsgerichtsbarkeit aller Art - zur Verwaltungsgerichtsbarkeit rechnet auch die Finanz- und Steuergerichtsbarkeit - kann man und muß man wohl eines Tages prüfen, ob wir dafür besondere Laufbahnen schaffen müssen, ähnlich wie die Laufbahn der Richter an den ordentlichen Gerichten. Aber das würde zu weit führen. Ich hielt mich aber für berechtigt und auch für verpflichtet, für den gegenwärtigen Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts eine Lanze zu brechen, was hiermit geschehen ist. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich kann die Aussprache schließen und zur Abstimmung kommen. Zuerst ist abzustimmen über den Umdruck 380 *) der Abgeordneten Dr. Bartram, Frau Renger, von Manteuffel, Körner, Matthes und Genossen, in Kap. 06 02 den Ansatz von 575 000 DM auf 900 000 DM zu erhöhen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Hierzu ist ein Ergänzungsantrag der Abgeordneten Dr. Menzel und Fraktion eingereicht, der Ihnen nicht vorliegt und den ich verlesen darf: Wir beantragen, die Erläuterungen zu Kap. 06 02 Tit. 662 wie folgt zu ergänzen: Der Mehrbetrag dient zur Förderung von Maßnahmen, die im Interesse einer sportlichen Betätigung möglichst breiter Volksschichten liegen. Wer diesem Antrag **) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Umdruck 425 ***) der Abgeordneten Frau Dr. Rehling und Genossen, in Kap. 06 02 Tit. 675 unter Buchstaben f den Betrag von 2000 DM auf 5000 DM zu erhöhen. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. *) Siehe Anlage 13 zur 86. Sitzung. **) Umdruck 431. ***) Siehe Anlage 2. Ich komme zum Umdruck 422 *) der Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Blank, Frau Dr. Weber und Genossen, in Kap. 06 02 einen neuen Tit. 959 als einmaligen Zuschuß für die Ausstattung des Müttergenesungswerks mit 1 Million DM zu schaffen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen. Ich rufe auf Umdruck 401 **) Ziffer 2; Ziffer 1 ist zurückgezogen worden. Es handelt sich um einen Änderungsantrag der Fraktion der SPD, in Kap. 06 09 Tit. 300 einen neuen Zweckbestimmungsvermerk einzufügen. Der Antrag liegt Ihnen auf Umdruck 401 vor. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zum Änderungsantrag der Abgeordneten Kunze und Genossen, Umdruck 421, ***) in Kap. 06 25 - Bundesgrenzschutz - die in Tit. 101 vom Haushaltsausschuß beschlossenen k.w.-Vermerke zu streichen und insoweit die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, es ergibt kein klares Bild. Ich darf diejenigen bitten, die dem Antrag auf Umdruck 421 zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Gesamtabstimmung. Wer dem Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern mit den nunmehr getroffenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 08 für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ({0}). Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Ritzel in Vertretung des Abgeordneten Dr. Gülich. Ritzel ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den heute leider erkrankten Herrn Kollegen Gülich habe ich in Ergänzung des Ihnen mit Drucksache 1508 vorliegenden Berichts eine kurze Erläuterung zu geben. Unter Hinweis auf diesen gedruckten Bericht darf ich auf die Tätigkeit des Haushaltsausschusses hinweisen, der bei Kap. 01, Bundesministerium der Finanzen, statt der angeforderten 668 Planstellen deren 671 bewilligte, darunter allerdings 3 Leerstellen. Bei dem Kap. 03, Bundesfinanzhof, wurde die Zahl der Planstellen mit 71 gleich belassen, allerdings wurde die Struktur geändert, nachdem der Haushaltsausschuß sich nicht entscheiden konnte, der geplanten Errichtung eines 6. Senats im Bundesfinanzhof in diesem Jahre zuzustimmen. Bei Kap. 04, das die Finanzpräsidien und vor allem den Zoll "umfaßt, wurde eine Verringerung der Zahl der angeforderten Planstellen von 33 680 *) Siehe Anlage 16 zur 86. Sitzung. **) Siehe Anlage 14 zur 86. Sitzung. ***) Siehe Anlage 15 zur 86. Sitzung. ({2}) auf 33 655 erzielt. Neu ist ein Ansatz von 10 000 DM für die seelsorgerische Betreuung des Zollgrenzdienstes. Im Bereich des Einzelplans 08 05, Bundesausgleichsamt Bad Homburg, lehnte der Haushaltsausschuß 8 neu angeforderte Planstellen ab und beließ es bei den seitherigen 100. Im Bereich des Kap. 06, Bundesbaudirektion Bonn, vollzog sich ein ähnlicher Vorgang. Hier lehnte der Haushaltsausschuß 5 neu angeforderte Planstellen ab und beließ es bei den bisherigen 10. Mit diesen Änderungen empfehle ich namens des Haushaltsausschusses den Etat zur Annahme.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es liegen die Änderungsanträge auf Umdruck 397 *) und Umdruck 383 **) vor. Wer wünscht das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 397, Antrag Kunze und Genossen? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wünscht jemand das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion des GB/BHE, Umdruck 383? -Herr Dr. Keller!

Dr. Wilfried Keller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001080, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 383 bewegt sich auf der gleichen Linie und kommt aus der gleichen Sorge, die auch die Kollegen Kunze und Genossen zu dem Antrag auf Umdruck 397 geführt hat. Bekanntlich wird der Vollzug des Lastenausgleichs, der nicht zuletzt auch im allgemeinen volkswirtschaftlichen Interesse liegt, von den Ländern geleistet unter Zuhilfenahme von Zuschüssen des Bundes, die mit der Hälfte der Verwaltungskosten gesetzlich festgelegt sind. Die Regierungsvorlage hat hier einen Ansatz von 100 Millionen DM ausgewiesen, und zu meinem Bedauern ist im Haushaltsausschuß die Streichung erfolgt, obwohl die Regierung erklärt hat - sie wird dem heute sicherlich nicht widersprechen -, daß der Ansatz von 100 Millionen DM nicht geschätzt, sondern auf Grund von Kalkulationen erstellt worden sei. Ich glaube, daß es schon im Interesse des Ordnungsprinzips des Haushalts im weiteren Sinne, im Interesse der Haushaltsklarheit und -wahrheit richtiger wäre, auf Grund dieser Kalkulation den Betrag einzusetzen, der von der Regierung als notwendig errechnet worden ist, und nicht etwa die Zuflucht dazu zu nehmen, daß dann - was sicher richtig ist - unter Umständen auf Grund der bestehenden Rechtsverpflichtungen zwischen Bund und Ländern überplanmäßig geleistet werden müßte. Die Dinge haben auch nodi eine praktische Seite, die uns, über das Ordnungs- und Wahrheitsprinzip hinaus, dazu führen sollte, hier die Regierungsvorlage wiederherzustellen. In den Länderparlamenten, die über die Mittel, die die Länder zum Vollzug des Lastenausgleichs in ihren Bereichen zur Verfügung stellen, zu beschließen haben, wird man vom Prinzip der gegebenen notwendigen Überplanmäßigkeit dieser Ausgaben nicht unbedingt immer ausgehen wollen oder können. Deswegen besteht die Möglichkeit, daß dann, rein durch das praktische Getriebe des Zusammenspiels zwischen Bund und Ländern, Ausgaben, die nach dem Gutachten der Bundesregierung notwendig sind, um den Lastenausgleich wirklich so, wie es der Gesetzgeber gewollt hat, abzuwickeln, ins Hintertref- *) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 3. fen geraten. Ich glaube, das kann unser aller Wunsch nicht sein. Deshalb bitten wir, die Regierungsvorlage mit dem errechneten Betrag von 100 Millionen DM wiederherzustellen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Haushalt, dem Geschäftsbereich des Herrn Bundesfinanzministers, darf ich mir namens meiner Fraktion einige Bemerkungen erlauben, die sich in diesem Falle nicht an die Adresse des Haushaltsministers richten, sondern an die Adresse des Chefs des Bundesfinanzministeriums. Schon bei den Beratungen im Haushaltsausschuß hat sich gezeigt, daß auch die sozialdemokratische Fraktion des Hohen Hauses den Leistungen des Herrn ,Bundesfinanzministers und seiner Beamten in keiner Weise die Anerkennung versagt. Sie hat vor allem auch im Haushaltsausschuß die sichtbare Zurückhaltung des Bundesfinanzministers in seinem Bereich hei der Forderung neuer Stellen durchaus anerkannt und sie anerkennt auch weiterhin einen unverkennbaren Willen zur Sparsamkeit im Haushalt des Bundesfinanzministeriums. Dieser Wille ist um so wichtiger, als er beispielgebend wirken kann und hoffentlich in Zukunft noch mehr wirken wird in bezug auf die Personalanforderungen und auch in bezug auf die Anforderungen für sachliche Ausgaben ,der anderen Einzelhaushalte. Die Haltung des Herrn Bundesfinanzministers hat es dem Haushaltsausschuß relativ leicht gemacht, in einer Reihe von Fällen Sparanträgen zu folgen, weil der Finanzminister den Weg dazu mit geebnet hat. Ich habe allein bei einer flüchtigen Durchsicht der Unterlagen festgestellt, daß in fünf Fällen bei einzelnen Titeln des Einzelplans 08 ganz wesentliche Einsparungen auf Grund sozialdemokratischer Anträge erzielt werden konnten. Einer dieser Titel, der Titel 215 - Reisekostenvergütungen -, gibt bei dieser Gelegenheit Veranlassung, etwas näher auf .das Problem der Reisekosten im gesamten Bundeshaushalt einzugehen und damit 'dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern eine Aufmunterung zu verschärfter Sparsamkeitstendenz auf dem Gebiet der Reisekostenaufwendungen zu geben. Meine Damen und Herren, was in dem Haushalt 1955 in den einzelnen Plänen an Tendenzen zur Höherentwicklung der Ausgaben für Dienst- reisen im In- und Ausland zu beobachten ist, geht in mancher Hinsicht über 'das erträgliche Maß ganz entschieden hinaus. Eine Situation entwickelt sich, die sich u. a. darin äußert, in einer sich ständig steigernden Repräsentationssucht und in einer sich ständig steigernden Sucht, Dienstautos und andere Autos für alle möglichen Zwecke zu Lasten der Steuerzahler in Rechnung zu stellen. Wir haben im Haushaltsausschuß unsere warnende Stimme gegen diese Entwicklung erhoben und möchten es auch hier tun. Heute ist es ja praktisch so - um einmal die Grenzen dieses Haushalts in einem Satz zu überschreiben -, daß schon beinahe kein Kaninchenzüchterverein mehr sein ,dreijähriges Bestehen zu feiern vermag, ohne daß ein Minister oder ein Bundestagsabgeordneter oder wer sonst als Repräsentativfigur oder, wie Herr Dr. Köhler einmal aus einem anderen Anlaß vor vielen Jahren an dieser Stelle sagte, als ,Staatsfigur in Erscheinung treten soll. ({0}) Die Notwendigkeit einer kritischen Überprüfung auch des Haushalts des Bundesfinanzministers hat zu der von mir vorhin bereits als stellvertretendem Berichterstatter erwähnten Streichung geführt, die u. a. auch die Direktorenstelle beim Bundesmonopolamt erfaßt. Ich bedaure, daß Herr Kollege Professor Dr. Gülich durch seine plötzliche Erkrankung verhindert ist, eine Sache hier zur Sprache zu bringen, die nicht nur eine Lieblingsangelegenheit des Herrn Professor Gülich ist, sondern die eine Lieblingsangelegenheit des ganzen Hauses werden sollte, nämlich die Vorgänge im Bereich der Finanzgebarung des Bundesmonopolamts für Branntwein. Herr Professor Gülich hat angekündigt, daß er im Herbst dieses Jahres das Problem grundsätzlich aufrollen werde. Ich habe mich relativ wenig mit der Sache befaßt. Aber das Wenige, was mir bei dem Studium der Unterlagen klargeworden ist, veranlaßt mich doch, darauf hinzuweisen, was Herr Professor Gülich laut Protokoll des Haushaltsausschusses - ich hoffe, der Herr Präsident ist einverstanden, daß ich einige Sätze daraus verlese - in einer Ausschußsitzung erklärt hat. Er sagte da: § 25 des Branntweinmonopolgesetzes von 1922, der zum Schutz der einheimischen Landwirtschaft gedacht gewesen sei, habe bestimmt, unter welchen Bedingungen die landwirtschaftlichen Brenner ihre Brennereien als landwirtschaftliche Nebenbetriebe zu führen hätten. Sie hätten 90 % des von ihnen verarbeiteten Rohstoffs im eigenen Betriebe gewonnen und müßten die gesamte anfallende Schlempe und den durch den Schlempeanfall vermehrten Dünger im eigenen Betrieb verwenden. Dieser zum Schutz der Landwirtschaft geschaffene Paragraph sei durch eine Verordnung vom 7. Dezember 1944 aufgehoben worden, weil er durch die Entwicklung in der Kriegszeit gegenstandslos geworden sei. Im Brennjahre 1921 bis 1922 seien über 2 Millionen Doppelzentner ausländischer Mais und 6000 Doppelzentner andere mehlige Stoffe verarbeitet worden. Um diesem Gesetz Rechnung zu tragen, inländische Stoffe zu verwerten, die anderwärts nicht verwertet werden konnten, sei die Verarbeitung ausländischen Getreides immer weiter - bis auf Null - zurückgegangen. Infolge Aufhebung des § 25 durch die Naziregierung bestünde jetzt die Verpflichtung nicht mehr. Das Bundesfinanzministerium und die Bundesmonopolverwaltung genehmigten nunmehr am laufenden Band die Verarbeitung ausländischer Rohstoffe. Ein großer Teil dieser Rohstoffe, die als Brotgetreide oder Futtergetreide eingeführt würden, würden außerdem noch vom Steuerzahler subventioniert. ({1}) Im Jahre 1950 bis 1951 seien aus dem Ausland 705 000 Doppelzentner, 1951 bis 1952 712 000 Doppelzentner, 1952 bis 1953 488 000 Doppelzentner, 1953 bis 1954 - vorläufiges Ergebnis - annähernd 400 000 Doppelzentner verarbeitet worden. Es sei unverantwortlich - sagte Herr Gülich weiter -, ausländische Getreidemittel und Futtermittel einzuführen, sie zu subventionieren und in die Brennereien zu leiten, die ebenfalls zum erheblichen Teil wiederum vom Steuerzahler subventioniert würden. ({2}) Ich glaube, diese Zahlen, deren Richtigkeit wohl nicht bestritten werden wird, bieten Anlaß und Grundlage genug, um der Tätigkeit des Branntweinmonopolamts und ,der gesetzgeberischen Grundlage für die Einführung von Auslandsware die gesteigerte Aufmerksamkeit dieses Hauses und seines Fachausschusses zuzuwenden. Wir haben bei den Beratungen - das hat sich heute morgen bei dem Einzelplan 06, Bundesminister des Innern, irgendwie am Rande abgezeichnet - im Bereiche des vorliegenden Einzelplans 08 auch Gelegenheit gehabt, uns mit der Tätigkeit der Zollbeamten zu befassen. Ich möchte dieser Tätigkeit in einem Satze gedenken als Anerkennung dafür, daß unsere Zollbeamten einen oft sehr schweren Dienst zu leisten haben, für den sie auch bei der Gehaltsrevision einmal den Dank des Hauses erwarten dürften. Aber ich habe im Haushaltsausschuß den Herrn Bundesfinanzminister auch gefragt, welche Haltung er in bezug auf die Grußpflicht der Zollbeamten einnehme. Nun, ich taxiere, daß unser Herr Bundesfinanzminister eine derart zivile Gesinnung hat, daß er sich "zu militaristischen Leistungen nur bei der Ausgestaltung des Einzelplans 35 hinreißen läßt. Ich glaube, daß er im übrigen keinen Wert darauf legt, in der ihm unterstellten Beamtenschaft darauf zu bestehen, daß die Zollbeamten, die schließlich doch eine mehr zivile als militärische Aufgabe erfüllen, gezwungen sind, mit zackigem militärischem Gruß eine Tradition aufrechtzuerhalten, von der ja der Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers bereits etwas abgerückt ist. Er hat im Haushaltsausschuß die beruhigende Erklärung abgegeben, daß sie nicht gezwungen sein sollten, sich nun militärischer zu benehmen, als es für diese Uniformträger unbedingt notwendig ist. Einig geht meine Fraktion auch mit der Tendenz, die von dem Herrn Bundesfinanzminister getragen wird, eine steigende, wie das schöne Wort heißt, Verbeamtung im Bereich des Bundeshaushalts zu bekämpfen. Nicht einig sind aber mit dem verehrten Herrn Betreuer unserer Bundesfinanzen in einigen anderen Fragen, so beispielsweise mit seiner Haltung in Angelegenheiten der Wiedergutmachung. Darauf wird bei einem anderen Einzelplan noch näher einzugehen sein. Ich würde mich freuen - und aus dem Grunde sage ich es an dieser Stelle -, wenn der Herr Bundesfinanzminister die Zwischenzeit dazu benutzte, eine das Haus beruhigende Erklärung in bezug auf seine Haltung als Wahrer der Bundesfinanzen in Angelegenheiten der Wiedergutmachung vorzubereiten. Eine andere Frage - und hier sind wir auch reichlich kritisch eingestellt - betrifft die Haltung des Herrn Bundesfinanzministers bei der Fortsetzung des unentwegten Kampfes um den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Ich will hier - es ist eine Angelegenheit des Einzelplans 60 - nicht des näheren darauf eingehen, sondern lediglich zum Ausdruck bringen, daß wir uns sehr freuen würden, wenn der Herr Bundesfinanzminister in den an sich notwendigen Auseinandersetzungen mit den Landesfinanzministern da oder dort einmal eine etwas versöhnlichere Hal({3}) tung einnähme und wenn der Herr Bundesfinanzminister vor allem auch bei seinem verständlichen Bestreben, bei der Ausschüttung der Beträge aus den Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer einen günstigen Abschluß zu erzielen, Wert darauf legte, sich im Rahmen des Gesetzes zu bewegen. Im Haushaltsausschuß ist klipp und klar zum Ausdruck gebracht worden, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht in der Lage sein darf, ein rechtskräftiges Gesetz, das durch dieses Haus und den Bundesrat verabschiedet wurde und in Kraft getreten ist, durch eine Vereinbarung aufzuheben. Er macht mit einer solchen Politik auch die gutwilligen Kräfte, die seiner Politik viel Verständnis entgegenbringen, in mancher Hinsicht stutzig. Nun habe ich noch eine Bemerkung zu machen, die ich für mich und nicht für meine Fraktion mache. Ich hoffe, daß aus dieser Bemerkung eine Diskussion in der Öffentlichkeit entsteht, die eines Tages und hoffentlich eines nicht zu fernen Tages zu einer Änderung verschiedener Ansätze mindestens im kommenden Bundeshaushalt führen wird. Die Damen und Herren wissen um die Not der Gemeinden und auch um die Not mancher - durchaus nicht aller - Länder. Sie wissen darum, daß sehr viele sogenannte vermögenswirksame oder, wie man früher gesagt hat, werbende Ausgaben, beispielsweise vermögenswirksam durch Erhöhung des Vermögens, wenn auch die Ausgabe an sich keine Zinsen bringt - nehmen wir als typisches Beispiel einen Schulneubau -, in steigendem Maße von dem Teil der öffentlichen Hand, der durch die Gemeinden, vor allem aber auch durch Länder repräsentiert wird, in dem außerordentlichen Haushalt untergebracht, also durch Darlehen, durch Anleihen finanziert werden müssen. Die Beschäftigung mit dem vorliegenden Bundeshaushalt zeigt eine merkwürdigerweise umgekehrte Tendenz. Ich darf Ihnen hier ein Beispiel nennen. In dem Einzelplan 08 Kap. 04 wurden in den Rechnungsjahren 1952, 1953 und 1954 15,1 Millionen für Wasserfahrzeuge der Zollverwaltung ausgegeben - damals nicht gerade unter dem Titel 855 -, die bis zum Jahre 1954 restlos im außerordentlichen Haushalt erschienen sind. Dieses Mal sieht der Etat des Herrn Bundesfinanzministers die Belastung des ordentlichen Haushalts mit einem vierten Teilbetrag in Höhe von 1,5 Millionen vor, obwohl weit wichtigere, weit lebenswichtigere Ausgaben von dem Herrn Bundesfinanzminister in den außerordentlichen Haushalt verwiesen wurden. Ich erinnere nur an den bekannten Ansatz für Spätheimkehrer, die zum großen Teil aus dem außerordentlichen Haushalt befriedigt werden sollen, während vermögenswirksame Ausgaben, wenn ich gewisse im Haushaltsplan vorgesehene Darlehen aus Bundesmitteln an andere Vermögensträger hinzurechne, einige hundert Millionen D-Mark und, wenn ich nur die Ausgaben nehme, die sich beziehen auf Neubauten, auf Schiffsbauten, auf Grundstückserwerb und dergleichen mehr, doch kaum weniger als 100 Millionen DM betragen. Ich glaube, daß das, was da oder dort bei öffentlichen Diskussionen und bei Diskussionen von Fachverbänden in Erscheinung tritt, nämlich ein echter Verbund zwischen den Finanzinteressen und damit den Lebensinteressen des Bundes, der Länder und der Gemeinden, auch bei einem solchen Anlaß seinen Ausdruck finden sollte. Ich will heute in dieser Frage lediglich eine Anregung geben, die dazu führen sollte, in der Zukunft nachzuprüfen, ob wir in der Lage sind, auf Bundeskosten direkte Belastungen der Steuerzahler in einem einzigen Rechnungsjahre vorzunehmen in solchen Fällen, beispielsweise bei Grundstückserwerb, wenn auf der anderen Seite noch nicht einmal lebensnotwendige und dringend erforderliche Schulneubauten nicht anders als durch Schuldaufnahme in den Kommunen finanziert werden können. Auf diese wenigen Bemerkungen darf ich meine kritische Betrachtung beschränken. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel. ({0}) - Herr Dr. Vogel verzichtet. Das Wort hat der Abgeordnete Knapp.

Oskar Knapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ritzel hat in Vertretung von Professor Gülich zum Branntweinmonopol gesprochen. Ich muß hier einige Sätze darauf erwidern. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das Branntweinmonopol aufgebaut ist auf der Verwendung inländischen Getreides. Wodurch ist nun diese Bestimmung durchbrochen worden? Doch nur durch das Verbot, Korn in landwirtschaftlichen Brennereien zu verarbeiten. Nachdem nun das Brennverbot für ausländisches Getreide aufgehoben wurde, haben auch die Verbände der Brenner kein Interesse mehr daran. ausländisches Getreide in Brennereien zu verarbeiten. Ich möchte Sie aber um eines bitten: wir sollten uns zu diesem Zeitpunkt nicht dazu hergeben, das Branntweinmonopol aufzuheben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir doch Verhandlungen über die Wiedervereinigung führen und gerade das Branntweinmonopol für die landwirtschaftlichen Gebiete im Osten unseres Vaterlandes sehr wichtig ist. Deshalb möchte ich Sie bitten, in dieser Beziehung noch nichts zu unternehmen. An eine Reform des Branntweinmonopols können wir in späterer Zeit herangehen; aber zu diesem Zeitpunkt sollten wir das nicht tun. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.

Dr. Hermann Conring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000336, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Schriftlichen Berichte, die Ihnen von den Mitgliedern des Haushaltsausschusses vorgelegt sind, einer Durchsicht unterziehen, so werden Sie finden, daß bei den einzelnen Etatspositionen sachlicher und persönlicher Art gegenüber den Ansätzen, die der Regierungsentwurf aufwies, allerhand Kürzungen hei dem Verwaltungsaufwand vorgenommen worden sind, und zwar in fast allen Einzelplänen. Immer wieder haben wir uns im Haushaltsausschuß mit der Frage befaßt, haben gesagt, daß wir etwas tun müßten, um die Ausweitung der Verwaltung auf dasjenige Maß zurückzudrängen, das unbedingt erforderlich ist, damit die sachlichen Aufgaben erfüllt werden. Wir haben uns mit diesen Bemühungen um Einschränkung nicht überall Freunde erworben; das läßt sich ohne weiteres verstehen. Wir haben aber festzustellen, daß wir auf der anderen ({0}) Seite bei diesen unseren Bemühungen nach Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit immer auf die Unterstützung durch unseren Herrn Bundesfinanzminister haben rechnen können. Wir sind während unserer Verhandlungen durch ein reiches Zahlenmaterial in diesem unserem Bemühen unterstützt worden. Dafür dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Vertretern im Haushaltsausschuß den Dank meiner Freunde auszusprechen, ist mir ein lebhaftes Bedürfnis. ({1}) Es liegt nahe, daß die Verwaltung angesichts der Fülle der Aufgaben, die zu erledigen sind, bei der Übernahme neuer Aufgaben auf den Gedanken kommt, daß zunächst einmal ein vermehrter sachlicher und persönlicher Aufwand notwendig sei, um solche zusätzlichen Aufgaben erledigen zu können. Es liegt aber eigentlich noch näher, vorher einmal nachzusehen, ob sich nicht in dem weiten Bereich der Verwaltung Ersparnismöglichkeiten bieten und ob nicht durch etwa vorzunehmende Abstriche die Erledigung neuer Aufgaben ohne neuen Personalaufwand ermöglicht werden könnte. Die Verwaltung ist leicht geneigt - das weiß ich aus der eigenen Erfahrung einer langen Beamtenzeit -, eine neue Aufgabe von einem neuen Aufwand begleiten zu lassen. Wir haben den Eindruck, daß der Haushaltsausschuß, wenn er sich diesem Bestreben entgegensetzt, vielleicht dazu beitragen könnte, daß die einzelnen Verwaltungen ihrerseits mehr als bisher dem Gedanken nachgehen, ob sie nicht in dem Aufgabenbereich, den sie schon zu erfüllen haben, selbst einige Ersparnismöglichkeiten finden könnten. Es ist vielfach so, daß sich das, was einmal an Verwaltungsaufgaben begonnen ist, fortsetzt und daß es einer Verwaltung schwerfällt, eine einmal begonnene Aufgabe wieder aufzugeben. Der einzelne Beamte kann sich vielfach nicht recht vorstellen, daß eine Aufgabe sich hier und da selbst viel besser erledigt, als wenn man mit Verwaltungsmaßnahmen in die Erledigung dieser Aufgaben eingreift. Das ist eine „Verwaltungskrankheit", die wir zur Genüge kennengelernt haben. Es ist wohl nötig, vom Standpunkt des Haushaltsausschusses aus einmal an die Verwaltungen den Appell zu richten, in ihren eigenen Häusern nachzusehen, ob es nicht eine Reihe von Aufgaben gibt, bei denen die persönlichen und sachlichen Unkosten in gar keinem Verhältnis mehr zu dem Arbeitserfolg stehen. Dem Privatmann liegt es nahe, sich diese Frage immer wieder vorzulegen. Er würde es sehr bald an seinem Geldbeutel spüren, wenn er sich nicht dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit - dem Gesichtspunkt eines guten Verhältnisses zwischen dem Einsatz von Mitteln und dem angestrebten Erfolg - unterordnete. Bei der Verwaltung steht dieser Gesichtspunkt nicht immer so sehr im Vordergrund. Die Verwaltung läuft ja auch dann weiter, lange Zeit weiter, wenn der Einsatz an persönlichen und sachlichen Mitteln in gar keinem gesunden Verhältnis mehr zu dem Erfolg steht. Wir glauben, es ist notwendig, die Verwaltung daran zu erinnern, daß sie die einzelnen Positionen ihrer Etats einmal unter diesem Gesichtspunkt überprüft. Ob es dort nicht auch einige Dinge gibt, die man einschränken, zum Teil auch streichen könnte? Zu dem Antrag meines sehr verehrten Freundes Kunze haben wir doch einige Bedenken vorzutragen. Sie wissen, daß dieser Antrag darauf zielt, die Sparmaßnahmen, die wir allgemein in den einzelnen Haushaltsplänen vorgenommen haben, nun in einem begrenzten Teil, und zwar gerade im Bundesfinanzministerium nicht zum Zuge kommen zu lassen. Wir haben die Meinung, daß der Haushaltsausschuß die berufene Instanz ist, auch dem Bundesfinanzministerium in seiner eigenen Verwaltung deutlich zu machen, daß es im Personaletat Grenzen der Ausweitung gibt. Da der Bundesfinanzminister bei aller Sparsamkeit, bei aller Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips, die er bei anderen Ressorts sicher gelten lassen würde, vielleicht einmal in Versuchung kommen könnte, bei sich selbst etwas weitherzig zu sein, haben wir geglaubt, gerade da einen strengen Maßstab anlegen zu müssen, zumal der Bundesrechnungshof bei der Vorbereitung des Etats des Herrn Bundesfinanzministers nicht beteiligt war. Wir glauben, daß man diesen allgemeinen Grundsatz, den wir im Haushaltsausschuß verwirklicht haben, nicht gerade am grünen Holze verlassen sollte und daß es wenig angenehm wäre, wenn die übrigen Ressorts zu dem Ergebnis kommen würden, daß wir zwar in ihrem Personal- und Sachaufwand Streichungen vorgenommen hätten, die ihnen auch nicht angenehm sind, daß wir aber gerade bei dem Etat des Bundesfinanzministeriums dazu übergegangen wären, nun zu sagen: Hier tun wir nicht dasselbe, sondern hier lassen wir den Wünschen der Verwaltung freien Lauf. Wir bitten Sie doch darum, in dieser Beziehung dem Antrag Kunze nicht stattzugeben, damit nicht eine ungleichmäßige Behandlung der verschiedenen Ressorts eintritt, zumal wir die Abstriche erst nach sehr langwierigen und ausgedehnten Beratungen im Haushaltsausschuß vorgenommen haben. Noch ein kurzes Wort zu dem Antrag Umdruck 383, den der Vertreter des BHE soeben begründet hat. Es handelt sich um die Erstattung von Verwaltungskosten an die Länder für die Verwaltung des Lastenausgleichs. Wir sind der Auffassung, daß man die Wiederherstellung der Regierungsvorlage mit dieser Erhöhung nicht vornehmen sollte, und zwar aus ganz sachlichen Überlegungen. Wie jede einzelne, andere Position haben wir auch diese genau unter die Lupe genommen und festgestellt, daß die Ist-Ausgaben des vorangegangenen Jahres rund 73,8 Millionen DM betrugen. Bei Berücksichtigung dieser Ist-Ausgaben bis zum Schluß des soeben abgelaufenen Rechnungsjahres glaubten wir, daß ein Ansatz mit 100 Millionen DM für das neue Rechnungsjahr doch etwas reichlich sein möchte. Wir sind sehr bescheiden gewesen mit der Kürzung. Wir haben geglaubt, daß man den Ansatz von 100 Millionen DM ohne weiteres um 5 Millionen DM kürzen könne; denn dann sind wir noch immer um mehr als 20 Millionen DM über dem Istergebnis des vergangenen Jahres! Wir haben dabei berücksichtigt, daß die Verwaltungskosten voraussichtlich 1955 geringer sein werden, als sie im vergangenen Jahr gewesen sind, so daß wir wirklich glauben durften, vom Haushaltsausschuß aus sachlich und gerecht abwägend gehandelt zu haben. Ich würde deshalb bitten, daß man den Antrag, die Regierungsvorlage wiederherzustellen, in diesem Falle nicht gutheißt. Herr Kollege Ritzel, mit dem wir im Haushaltsausschuß eng und sachlich zusammenarbeiten, hat hier einige persönliche Bemerkungen über die Aufwendungen im ordentlichen und im außerordentlichen Haushalt angeschlossen, auf die ich nicht im einzelnen zurückkommen will. Ich möchte nur daran erinnern, daß der Bundesrechnungshof diese ({2}) Auffassung, die der Herr Kollege Ritzel vorgetragen hat, nicht teilt. Wir meinten, daß der Bundesrechnungshof als Wahrer der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eine Stelle sei, deren Gutachten und Stellungnahme wir nicht überhören sollten. Im übrigen wäre es sehr erfreulich, wenn bei den weiteren Beratungen nicht Anträge gestellt würden, wie sie gerade von Ihrer Fraktion, Herr Kollege Ritzel, gestellt worden sind und deren Ausführung schon jetzt mehr als 1,5 Milliarden DM Mehrausgaben erfordern würde. Sie wissen, wie schwer wir uns im Haushaltsausschuß getan haben, Deckungen zu finden und das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben herzustellen. Ich wäre glücklich, wenn wir dieses ausgewogene Maß unserer Arbeitsart auch in der Haushaltsberatung im Plenum beibehalten würden. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel. Ritzel ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ais Berichterstatter noch etwas nachzutragen. Aus den Unterlagen des eigentlichen Berichterstatters, des erkrankten Herrn Professor Gülich, ist mir jetzt im Moment ein Schreiben in Kopie zugegangen, das der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses an den Herrn Professor Gülich als Berichterstatter gerichtet hat. Es enthällt einen Wunsch des Haushaltsausschusses auf Bekanntgabe des Standpunktes des Haushaltsausschusses in bezug auf die Richtlinien für die Gewährung von Beihilfen bei Notfällen für Beamte, Angestellte und Arbeiter. Ich komme diesem Wunsch nach, indem ich aus dem Protokoll der 70. Sitzung des Haushaltsausschusses vom 24. März folgendes dem Hohen Hause zur Kenntnis bringe: Der Haushaltsausschuß hat an Hand der Ausschußdrucksache 231 festgestellt, daß die Ausgaben von 3,9 Millionen DM im Jahre 1950 auf voraussichtlich 16 Millionen DM im Jahre 1954 angewachsen sind, - es handelt sich also um die Beihilfen bei Notfällen für Beamte, Angestellte und Arbeiter - und dabei mit besonderem Befremden zur Kenntnis genommen, daß die Kopfsätze für Beamte von 40 auf 160 und für Angestellte von 20 auf 80 DM erhöht wurden. Er hält eine derartige Steigerung der Ausgaben für die Bundesbediensteten ohne die ausdrückliche Zustimmung des Haushaltsausschusses für untragbar und fordert sofortige Maßnahmen, um zu einer Begrenzung und Festlegung der Ausgaben zu gelangen. Er erwartet bei den zur Zeit im Gange befindlichen Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände über die Neufassung der Beihilfengrundsätze die Beachtung folgender Grundsätze: 1. Der Haushaltsausschuß wünscht, über den Fortgang der Arbeiten an der Neufassung der Beihilfengrundsätze unterrichtet zu werden; ,er behält sich vor, auf ihre Gestaltung Einfluß zu nehmen, vor der endgültigen Verabschiedung ist daher seine Stellungnahme einzuholen. Die Verabschiedung wird bis zur Verkündung des Haushaltsgesetzes erwartet. 2. Der Haushaltsausschuß erwartet, daß die Neufassung der Beihilfengrundsätze folgende Voraussetzungen erfüllt: a) Das gegenseitige Dienst- und Treueverhältnis, auf Grund dessen ,der Staat die Fürsorgepflicht für das Wohl seiner Bediensteten übernimmt, verpflichtet diese andererseits, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um sich gegen wirtschaftliche Rückschläge zu sichern. Dieser Grundsatz eines gesunden Selbsthilfestrebens muß durch die Neufassung der Beihilfengrundsätze verwirklicht werden. Von den Kann-Leistungen soll in der Regel nur Gebrauch gemacht werden, wenn festgestellt worden ist, daß der Bedienstete die ihm obliegende Sorge für die Zukunft eingehalten hat. b) Die im Rahmen der Beihilfengrundsätze gewährten Leistungen des Staates dürfen keinesfalls dazu führen, daß die Beihilfen-berechtigten mehr erhalten, als ihre tatsächlichen Krankheitsaufwendungen ausmachen. Versicherungsprämien gehören nicht zu den Aufwendungen in diesem Sinne. Es darf von den Beihilfenberechtigten erwartet werden, daß sie selbst einen gewissen Prozentsatz der tatsächlichen Kosten tragen. Um die Inanspruchnahme in Bagatellfällen einzuengen, wird eine entsprechende Staffelung des Selbstbehaltes erwartet. c) Die Vorschriften über die Kann-Leistungen müssen so gestaltet sein, daß der Diensther die Bewirtschaftung der Beihilfenmittel in der Weise zu handhaben in der Lage ist, daß sich die Höhe der Gesamtausgaben im Rahmen der durch den Haushaltsplan zur Verfügung gestellten Mittel halten läßt. Überschreitungen dürfen nicht eintreten. d) Bedienstete, die aus Anlaß von Krankheits- usw. -fällen andere auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Einrichtungen in Anspruch zu nehmen verpflichtet sind, gelten mit den von diesen Stellen gewährten Leistungen als abgefunden und haben daher keinen Anspruch auf zusätzliche Gewährung einer Beihilfe. Und schließlich 3. Sollten sich in den Verhandlungen über die Neufassung der Beihilfengrundsätze die von Bundesseite gestellten Erwartungen nicht erfüllen, so bestehen auch seitens des Haushaltsausschusses keine Bedenken, für den Bund eigene Bestimmungen zu erlassen. Vielleicht ist es möglich, daß der Herr Bundesfinanzminister oder der Herr Staatssekretär eine kurze aufklärende Bemerkung über den heutigen Stand der Verhandlungen über die Beamtenbeihilfen und die für sie maßgebenden Grundsätze macht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ergänzungen. Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.

Johannes Kunze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Antrag Umdruck 397, den ich mit einer großen Zahl meiner Freunde gestellt habe, wird ein Thema angeschnitten, an das sich der Haushaltsausschuß bei seiner ({0}) Überlastung im Moment wahrscheinlich gar nicht mehr erinnern konnte. Darf ich daran erinnern, daß vor wenigen Monaten auf Grund einer Großen Anfrage der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE die mangelnde Fortsetzung der Arbeiten des Bundesausgleichsamtes einer Kritik unterzogen wurde ({1}) und die Kritik, daß man nicht vorwärtskomme, daß die Feststellung hake und nicht vorangehe, von allen Fraktionen dieses Hauses geteilt worden ist. ({2}) Nun muß ich sagen, wenn der Bundesfinanzminister diese Kritik aufnimmt, daraus auch die Konsequenz zieht und einige wenige Etaterhöhungen vornimmt, damit das Bundesausgleichsamt die ihm obliegenden Aufgaben auch wirklich erfüllen kann, dann wäre es eine merkwürdige Konsequenz, wenn das Hohe Haus jetzt sagte: Wir haben dir zwar gesagt, daß du in der Sache schlecht funktionierst, aber wenn du jetzt kommst und erklärst, du möchtest das besser machen, erklären wir: wir haben nicht die Bereitwilligkeit, dazu Mittel zu geben! ({3}) Das ist der einfache Tatbestand. Herr Kollege Conring, ich stimme Ihnen im Grundsatz völlig zu. Aber wir kommen dadurch nicht weiter, daß wir sagen: wir machen aus diesen Ihren Ausführungen nun ein Dogma, und daß wir erklären, es kann grundsätzlich keine Verschiebung nach der Seite erfolgen, ganz gleichgültig, ob sie sachlich notwendig ist. Wir haben doch einfach folgendes. Das Lastenausgleichsgebiet ist wohl mit das komplizierteste und schwierigste Gebiet, das die Verwaltung zu bearbeiten hat. ({4}) Die Verwaltung sitzt pausenlos, weil wir Neuland betreten haben, in der Verantwortung und Verpflichtung, auf dem Wege der Rechtsverordnungen weitere Schritte vorwärts zu tun. In dem Tempo, in dem wir vorwärtskommen, vergrößert sich die Arbeit, wird die Arbeit auch schwieriger. Nun wissen wir nicht, woher wir die qualifizierten Beamten bekommen sollen. Sie kriegen doch keinen Oberregierungsrat zur Wiederverwendung, der qualifiziert ist - wenn er nicht schon irgendwo auf der Bundes- oder Landesebene mit Ministerialzulage wieder eingeschaltet worden ist -, dazu, jetzt als Angestellter nach TO.A III in das Bundesausgleichsamt zu gehen. So stehen wir vor der Schwierigkeit: Es ist für uns alle ein materielles, seelisches und auch politisches Bedürfnis, das Problem der Vertriebenen so schnell wie möglich auch in dem Sektor Lastenausgleich zu lösen. Nun habe ich es mir mit meinen Freunden überlegt, und ich habe mich bemüht, sowohl mit dem Bundesfinanzministerium als auch mit dem Präsidenten des Bundesausgleichsamts zu arbeiten. Das Ergebnis dieser Überarbeitung ist der Antrag Umdruck 397, der, wie ich betonen möchte, keinen Pfennig mehr Geld kostet, sondern der lediglich statt x Angestellten- ganze fünf Beamtenstellen schafft, damit wir in der Lage sind, Beamte zu bekommen, die qualifiziert sind, diese Dinge im einzelnen zu machen. Was nützt uns sonst aller Fleiß und alle Arbeit unten! Bitte, überlegen Sie: Am Anfang hatten wir im Lastenausgleichsfonds bis zu einer Milliarde Bestände, weil sie nicht abfließen konnten. Dann hat die Verwaltung gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Heute sind wir soweit, daß wir bis zu 100 Millionen DM allein an Hausratshilfe verplanen und herausbringen können. Nun müssen wir doch der Spitze der Verwaltung, nämlich dem Bundesausgleichsamt und seinem Präsidenten, die Möglichkeit geben, die Dinge zu steuern. Es handelt sich um drei bis vier Milliarden jährlich, die hier gesteuert werden müssen. Je richtiger und je schneller sie gesteuert werden, um so besser ist auch der politische und wirtschaftspolitische Erfolg. Ich darf Ihnen einmal in Parenthese sagen: ich habe bei der Beratung der 4. Novelle zum Lastenausgleich im Vermittlungsausschuß versucht, den Ländern klarzumachen, daß eine Mehrbewilligung auch im Interesse der Wirtschaft und der Finanzen der Länder liegt; denn jeder Mensch, der aus der Fürsorge irgendwelcher Art .in die aktive Arbeit kommt, wird nicht nur persönlich befriedet, sondern ist zugleich zu einem Aktivum unserer Wirtschaft geworden, nämlich er wird Steuerzahler. Darum habe ich die herzliche Bitte, daß man in diesem Fall trotz der Grundsätze, die ich akzeptiere, um dieser wichtigen Aufgabe willen dem Antrag Umdruck 397 zustimmt. ({5}) Zu den technischen Einzelheiten des Antrags darf ich noch folgende Ausführungen machen. In der Regierungsvorlage waren für das Bundesausgleichsamt bei Tit. 08 05 - 101 ({6}) zusätzlich folgende Planstellen veranschagt: Bes.-Gr. A 1 b 1 Stelle „ A 2 c 2 2 Stellen „ A 3 b 1 Stelle „ A 4 b 1 3 Stellen „ A 4 c 2 1 Stelle 8 Planstellen. Bei Tit. 08 05 - 104 ({7}) waren für das Rechnungsjahr 1955 folgende zusätzliche Angestellte beantragt: Verg.-Gruppe III 3 Stellen „ V b 1 Stelle „ VI b 1 Stelle „ IX 4 Stellen, davon 1 Stelle durch Umwandlung aus Verg.-Gr. VIII 9 Stellen davon ab 1 Stelle, die nur umzuwandeln ist. 8 Stellen. Die Vermehrung der Planstellen bei Tit. 101 und der Angestellten bei Tit. 104 ist wegen der erheblichen Vermehrung der Aufgaben, insbesondere auf den Gebieten der Kriegsschadenrente, der Hausratsentschädigung, der Verwaltung des Ausgleichsfonds und der Prüfungs- und Aufsichtstätigkeit auf Grund der inzwischen erlassenen Rechtsverordnungen auf dem Gebiete des Lastenausgleichs dringend erforderlich. ({8}) Gemäß Beschluß des Haushaltsausschusses vom 26. Januar 1955 wurden die bei Tit. 101 ausgebrachten Planstellen nicht genehmigt. Vielmehr sollten bei Tit. 103 ({9}) und Tit. 104 ({10}) die Ansätze entsprechend erhöht werden. Mit dieser Regelung ist jedoch den Bedürfnissen der Verwaltung nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Verwaltung ist es nicht möglich, zur Erfüllung der dringenden Aufgaben beamtete Hilfskräfte heranzuziehen, da die Beamten der Länder und der Kommunalverwaltungen nicht bereit sind, als beamtete Hilfskräfte in den Bundesdienst einzutreten, ohne die Möglichkeit der Übernahme in Planstellen des Bundesausgleichsamtes zu haben. Da der Verwaltung aus diesem Grunde keine beamteten Hilfskräfte zur Verfügung stehen werden, glaubte sie, unter Rückstellung starker Bedenken in der Erhöhung des Ansatzes bei Tit. 104 - Einstellung von Angestellten - die zweckmäßigere Lösung zu sehen. Infolgedessen ist beim Haushaltsausschuß später eine Änderung seines Beschlusses vom 26. Januar 1955 in der Weise angeregt worden, daß die für Tit. 103 und Tit. 104 zugebilligten Mittel allein bei Tit. 104 veranschlagt werden. Gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage - Anlage zur Bundestagsdrucksache 1100 - ergab sich bei Einsparung von 14 000 DM folgendes Bild: Tit. Bisheriger Betrag Neuer Betrag mehr weniger 101 1 256 300 1 160 000 - 96 300 104 a 751 300 833 600 82 300 somit Verringerung um 14 000 DM Diese Anregung wurde vom Haushaltsausschuß in der Sitzung vom 26. 5. 1955 aufgegriffen. Die Bedenken gegen die Einstellung von Angestellten haben sich jedoch so verstärkt, daß eine Änderung unter Zubilligung von Stellen für planmäßige Beamte, wie sie auch der Regierungsentwurf vorsah, erforderlich wird. Dabei sind unter Anlegung des strengsten Maßstabes Planstellen für Beamte nur für hoheitliche Daueraufgaben vorgesehen. Statt der ursprünglich beantragten 8 Planstellen bei Tit. 101 werden in Zukunft nur 5 Stellen ausgebracht, während sich die Angestelltenstellen um diese 5 Stellen verringern. Das endgültige Ergebnis würde nunmehr folgendes sein: Tit. 101 insgesamt 105 ({11}) Planstellen = 1 256 300 DM Tit. 104 a insgesamt 113 ({12}) Angestellte 737 300 DM Somit erhält der Gesamtansatz der Mittel, wie er in dem Vorschlag des Haushaltsausschusses vom 26. 5. 1955 vorliegt, keine Veränderung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.

Dr. Johannes Helmut Strosche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002276, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Kunze unterstreichen und noch ganz kurz einige Gedankengänge hinzufügen. Es ist eine Erfahrungstatsache und war wohl auch vorher vorauszusehen, daß die organisatorische und verwaltungsmäßige Meisterung des Lastenausgleichsproblems ungeheure Schwierigkeiten in sich birgt. Herr Kollege Kunze hat gesagt, daß ein Neuland betreten wurde, d. h. also eine Aufgabe in Angriff genommen wurde, für die man noch keinerlei verwaltungsmäßige Erfahrungen sammeln konnte. Wenn man bedenkt, wie schwierig es ist, eine so komplizierte Materie zu behandeln, dann muß man sich eigentlich wundern und allen Beamten und Angestellten dafür dankbar sein, daß es so „geklappt" hat, wie es bis jetzt der Fall war. Aber eines ist sicher: Sowohl auf der Länderebene als auch im Bundesausgleichsamt - mit Recht haben wir ja hier einschlägige Mängel dargelegt - sind die Lastenausgleichs-Dinge nicht mit einem gleichwertigen organisatorischen und verwaltungsmäßigen Apparat behandelt worden, wie es der Sinn des Lastenausgleichs gewesen ist und wie es auch politisch sicherlich zwingend notwendig gewesen wäre, um nicht unnütze Reibungen und Verärgerungen auf allen Ebenen im Komplex dieses Gesetzes entstehen zu lassen. Wenn wir der Auffassung sind, daß in den einzelnen Ländern und Verwaltungszweigen bis hinunter zum Ausgleichsamt - bei aller Sorgfalt, Anstrengung und Überarbeit der einzelnen Beamten - die Dinge nicht gut vorangehen, dann ist es richtig, daß wir in der Bundesspitze selbst dafür sorgen müssen, daß zumindest der notwendigste Personalbedarf in dieser Richtung organisatorisch und verwaltungsmäßig gedeckt erscheint. Wenn das Haus vor kurzem anläßlich einer Anfrage meiner Fraktion festgestellt hat, daß hier die Dinge nicht in Ordnung sind und Mißstände beseitigt werden müssen, und wenn der Herr Finanzminister und sein Haus dankenswerterweise dieser Anregung des gesamten Hauses gefolgt sind und uns einige personelle Verbesserungen in bescheidensten Ausmaßen vorgelegt haben, so ist es richtig, daß wir dieser dankenswerten ministeriellen Initiative, die auf eine Anregung des Hauses zurückgeht, nachkommen und die Gedankengänge bzw. den Antrag, den die Herren Kollegen Kunze, Frau Bleyler, Czaja, Götz usw. hier gestellt haben, unterstützen. Es geht nicht an - auch das ist klar gesagt worden -, daß man die Dinge nur nach dem Gesichtspunkt behandelt, überall einsparen zu wollen. Es gibt bei allem lobenswerten Einsparungswillen immer noch neuralgische Punkte, die eben geheilt, d. h. beseitigt werden müssen. Im Endeffekt kommt die Sache nämlich, wenn man immer nur die Worte „Sparen" und „Einsparen" gebraucht, teurer, als wenn man bei wirklich notwendigsten Dingen etwas an Geldmitteln einsetzt. Ich bitte also, dem Wunsch und dem Willen des ganzen Hauses, wie er damals hier geäußert wurde, und dem Folge zu leisten, wozu auf seiten des Bundesfinanzministeriums eine dankenswerte Bereitwilligkeit herrscht, will sagen: dem Änderungsantrag auf Umdruck 397 zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Ohlig.

Fritz Ohlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001643, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag Umdruck 397, dem Antrag ({0}) des Herrn Kollegen Kunze, werden ich und ein Teil meiner Freunde zustimmen. Ich möchte ganz kurz folgendes noch ergänzend sagen. Bei den hier angeforderten Planstellen handelt es sich um Beamte, die bestimmte Fachkenntnisse mitbringen müssen. Sie sollen vor allen Dingen die sehr schwierigen Fragen der Bewertung bearbeiten. Diese Fachkräfte sind in der Regel nur von den Ländern zu bekommen, sitzen aber dort bereits in Planstellen. Wenn wir die notwendigen Arbeiten, die jetzt mit der Erledigung des Feststellungsgesetzes auf uns zukommen, bewältigen wollen, ist es einfach unumgänglich notwendig, daß zum mindesten im Bundesausgleichsamt diese Fachkräfte vorhanden sind. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion haben zwar gegen das Feststellungsgesetz gestimmt. Nachdem es aber angenommen worden ist, erscheint es mir und einem Teil meiner Freunde einfach nicht möglich, die zur Durchführung des Gesetzes benötigten Kräfte nicht zu bewilligen. Meine Damen und Herren, wir haben bis zum Jahre 1957 das sogenannte Schlußgesetz zum Lastenausgleich zu erledigen. Wenn wir in diesem Schlußgesetz eine vernünftige Arbeit leisten wollen, brauchen wir zu den Beratungen bereits das abgeschlossene Feststellungsergebnis; ({1}) sonst werden wir in vielen Fragen einfach im unklaren sein. Deshalb werden ein Teil meiner Freunde und ich dem Antrag des Kollegen Kunze zustimmen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Bundesfinanzministers, der noch in der Kabinettssitzung festgehalten ist, darf ich mich zunächst bei dem Herrn Abgeordneten Ritzel für die anerkennenden Worte bedanken, die er für das Bundesfinanzministerium gesprochen hat wegen der Bestrebungen auf Sparsamkeit und Vereinfachung der Verwaltung, die wir selbstverständlich verfolgt halben und immer weiter verfolgen. Ich darf meinerseits für das Bundesministerium der Finanzen insbesondere dem Haushaltsausschuß des Hohen Hauses danken, daß es diese unsere Bestrebungen in solchem Maße unterstützt hat und gerade bei der Beratung des jetzt vorliegenden Haushaltsplans in einer Reihe sehr wichtiger Punkte durchgesetzt hat. Herr Abgeordneter Ritzel hat dann eine Reihe von Punkten erwähnt, die er heute nicht im einzelnen berühren wollte. Er hat angekündigt, daß sie bei den weiteren Einzelplänen noch ausführlicher zur Sprache kommen sollen bzw. die Frage des Monopolamtes nach der Wiederherstellung des Herrn Abgeordneten Professor Gülich im Herbst. Wir haben das vorgemerkt. Ich darf aber heute kurz zu zwei Punkten Stellung nehmen, die er berührt hat. Was zunächst die Beihilfengrundsätze betrifft, so sind die Verhandlungen noch im Gange. Sie sind schwierig. Der Haushaltsausschuß wird von .uns weiter unterrichtet gehalten werden. Die bisherige Stellungnahme des Haushaltsausschusses ist für das Bundesfinanzministerium bei den Verhandlungen mit den Vertragspartnern sehr wertvoll gewesen. Zweitens hat er persönlich Bedenken gegen die Einsetzung bestimmter Ausgaben in den ordentlichen Haushalt erhoben. Ich darf dazu sagen, daß der Bundesrechnungshof über ,die finanzwirtschaftliche Vertretbarkeit der Veranschlagung von Bauten und Wasserfahrzeugen im ordentlichen Haushalt befragt worden ist und sich eindeutig für die Ansetzung im ordentlichen Haushalt ausgesprochen hat. Im übrigen möchte ich sagen, daß die Frage vielleicht ein finanzwissenschaftliches, aber jedenfalls kein Rechtsproblem, sondern eine praktische Frage ist. Der außerordentliche Haushalt ist bereits bereits weit über das Maß hinaus überlastet, das durch Anleiheaufnahme - ich möchte auch das nur theoretisch bemerken - gedeckt werden könnte. Es ist also wirklich eine Frage, die in diesem Jahre zugunsten des ordentlichen Haushalts entschieden worden ist. Man wird dann ein andermal weiter darüber sprechen können. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das ist offensichtlich nicht mehr der Fall. Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die beiden vorliegenden Änderungsanträge, zuerst über den Änderungsantrag Umdruck 397*) der Abgeordneten Kunze, Frau Dr. Bleyler, Dr. Czaja, Dr. Götz, Dr. Hesberg, Leonhard und Genossen. Wer diesem Antrag Umdruck 397 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 383**). Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Haushaltsplan mit der nunmehr beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; er ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr auf: k) Einzelplan 11 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit ({0}) zusammen mit: x) Einzelplan 33: Versorgung ({1}). ({2}) - Bitte, zur Geschäftsordnung!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder der Herr Bundesarbeitsminister noch der Herr Staatssekretär sind anwesend. Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß über den Haushalt des Bundesarbeitsministeriums nur in Anwesenheit des Herrn Ministers oder mindestens des Herrn Staatssekretärs beraten werden kann. ({0}) *) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 3.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, daß seitens des Arbeitsministeriums bei mir angefragt wurde, zu welchem Zeitpunkt die Beratung beginnen würde. Ich hatte auf einen Zeitpunkt geschätzt, der in 10 Minuten liegt. Ich nehme daher an, daß der Herr Bundesarbeitsminister bereits auf dem Wege von der Kabinettssitzung hierher ist. Es ist ja nie genau abzuschätzen, wie lange die einzelnen Redner sprechen werden. Ich möchte Ihnen vorschlagen, daß der Herr Berichterstatter jetzt zunächst einmal berichtet. Bis zum Ende des Berichtes wird der Herr Arbeitsminister wohl eingetroffen sein. - Dann darf ich Herrn Abgeordneten Arndgen als Berichterstatter das Wort erteilen. Arndgen ({0}), Berichterstatter: Ich verzichte auf die Berichterstattung und verweise auf meinen Schriftlichen Bericht*), der dem Hause vorliegt. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das lag in diesem Fall nicht ganz im Sinne des Erfinders, ({0}) ist aber an sich eine dankenswerte Haltung. Dann käme noch die Berichterstattung zum Einzelplan 33. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Traub. Traub ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir erlaubt, Ihnen zum Einzelplan 33 einen Schriftlichen Bericht**) vorzulegen, auf den ich besonders hinweisen möchte. In diesem Bericht habe ich mich mit den zahlenmäßigen Veränderungen beschäftigt, die der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen vorgenommen hat. Nun habe ich aber als Berichterstatter im Haushaltsausschuß auch Ausführungen zu dem Stand der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen gemacht. Ich konnte diese Zahlen in meinem Schriftlichen Bericht gestern nicht unterbringen, weil ich über den Stand der neuesten Zahlen erst jetzt Bescheid bekommen habe. Deshalb möchte ich heute nicht versäumen, als Ergänzung zu meinem Schriftlichen Bericht dem Hohen Hause einige Zahlen bekanntzugeben, die ich seinerzeit auch im Haushaltsausschuß vorgetragen habe. Ich weiß nicht, ob Sie den Einzelplan 33, der ja neu ist, einmal in seiner Zahlenzusammensetzung beachtet haben. Hier stehen den beiden Kapiteln Versorgung der Bundesbeamten mit 26,5 Millionen DM und Versorgungsausgaben, die durch das Zweite Überleitungsgesetz vom 21. August 1951 vom Bund übernommen worden sind, mit 84,8 Millionen DM Ausgaben für die Versorgung von verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit 751,8 Millionen DM und für die Versorgung der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und der berufsmäßigen Angehörigen des früheren RAD mit 420,9 Millionen DM gegenüber. Sie sehen also, es handelt sich hier um ganz gewaltige Zahlen, und es ist im Interesse der Haushaltsklarheit erfreulich, daß für die Versorgung ein eigener Haushaltsplan geschaffen wurde. Nun darf ich Ihnen über den Stand der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen einige Zahlen bekanntgeben. *) Siehe Anlage 16. **) Siehe Anlage 17. Nach dem neuesten Stand haben Anträge bei den Meldestellen gestellt 451 000 Personen, Anträge bei den Versorgungsregelungsbehörden 277 000 Personen. Am 31. Dezember 1953 waren bereits 90 000 Personen entsprechend untergebracht, so daß insgesamt 818 000 Personen unter das Gesetz zu Art. 131 fallen. ({2}) In dieser Zahl von 818 000 sind nicht die Beamten und Angestellten bei der Bahn und bei der Post enthalten. Wenn Sie einmal bedenken, daß unter dieses Gesetz ungefähr 2 1/2 Millionen Menschen, also der betroffene Personenkreis mit den Angehörigen, fallen, dann können Sie ungefähr die Bedeutung dieses Gesetzes ermessen. Wenn ich diesen Zahlen die Beschäftigten, die Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst mit 1,038 Millionen gegenüberstelle und die Bahn und die Post zu den vorherigen Zahlen rechne, dann können Sie ungefähr sehen, daß fast die gleiche Zahl auch unter das Gesetz zu Art. 131 fällt, wobei allerdings zu bedenken ist, daß ein Teil dieser Personen bereits wieder im öffentlichen Dienst beschäftigt ist. Zum Stand der Unterbringung darf ich noch sagen, daß zur Zeit ungefähr 98 000 Personen nicht oder nicht entsprechend untergebracht sind. Davon sind 50 000 Personen nicht entsprechend untergebracht - sie sind also bereits im öffentlichen Dienst beschäftigt -, und 48 000 Personen stehen noch außerhalb des öffentlichen Dienstes. Diese 48 000 Personen gliedern sich in 23 400 Personen, die in den Bereich der Länder-, der kommunalen und der Forstverwaltung fallen, in 13 700 Wehrmachtsbeamte und in 10 900 ehemalige Berufsunteroffiziere und RAD-Führer. Ich habe in meinem Schriftlichen Bericht darauf hingewiesen, daß der Haushaltsausschuß mit Bedauern davon Kenntnis genommen hat, daß die Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen in den letzten Vierteljahren ständig zurückgegangen ist. Es wurden in dem Vierteljahr, das am 30. September 1952 endete, noch 10 871 Personen untergebracht. Die Unterbringung ist so zurückgegangen, daß am 30. September 1954 nur noch 1033 Personen im Vierteljahr untergebracht wurden. Sie sehen also, hier ist eine solch rückläufige Tendenz zu verzeichnen, daß sich der Haushaltsausschuß einmal mit diesen Dingen beschäftigen mußte. Insgesamt sind an Ausgleichsbeiträgen von den Länder- und von den Kommunalverwaltungen vom 15. August 1951 bis 30. September 1954 169 Millionen DM aufzubringen gewesen. Meine Damen und Herren, der 1. Deutsche Bundestag hat das Gesetz zur Regelung der Verhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen mit großer Mehrheit beschlossen. Ich glaube deshalb, daß das Hohe Haus allen Grund und alle Veranlassung hat, sich mit den finanziellen Auswirkungen und der Abwicklung dieses Gesetzes zu beschäftigen und zu überwachen, wie dieses Gesetz ausgeführt wird und zum Abschluß kommt. Das ist notwendig einmal im Interesse des betroffenen Personenkreises, aber auch im Interesse einer gesunden und klaren Personalpolitik in der öffentlichen Verwaltung. Deshalb werden Sie verstehen, daß der Haushaltsausschuß den Wunsch geäußert hat, mit dem zuständigen Fachausschuß, dem Ausschuß für Beamtenrecht, recht bald einmal ins Gespräch zu kommen und Mittel ({3}) und Wege zu suchen, wie die Abwicklung dieses Gesetzes beschleunigt werden kann. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Nachdem inzwischen der Herr Staatssekretär im Arbeitsministerium eingetroffen ist, steht einer Aussprache nichts im Wege. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im Tätigkeitsbericht der Bundesregierung für das Jahr 1953 hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt, daß der seinerzeit in Vorbereitung befindliche Haushaltsplan die von der Bundesregierung angestrebte umfassende Sozialreform eingefügt worden ist. Dieses Kapitel des Haushaltsplans 1954 hat der Herr Bundesfinanzminister hier im Hause von dem Etat als einem Ausgangspunkt für die Sozialreform gesprochen. Nunmehr stehen wir vor der abschließenden Beratung des Haushaltsplans für 1955. Aber nur schwerlich wird man behaupten können, daß der jetzige Haushaltsplaneinen ernsthaften Schritt in Richtung auf die seit Jahren angekündigte Sozialreform darstellt. Es könnte darauf hingewiesen werden - ich werde Ihr Argument vorwegnehmen, Herr Kollege Horn -, daß in dem Haushaltsplan des Bundesarbeitsministeriums erstmalig ein Kap. 1109 Sozialreform, eingefügt worden ist. Dieses Kapitel weist Mittel für die Beamten und Hilfskräfte aus, die mit den Vorarbeiten zur Sozialreform beschäftigt werden sollen, und enthält die erforderlichen Sachausgaben für Einrichtungsgegenstände, Dienstreisen usw. Der Umstand, 'daß die Bundesregierung erstmalig im April oder Mai dieses Jahres durch eine zweite Ergänzung zum Entwurf des Haushaltsgesetzes Mittel anfordert, um erst die Fachkräfte für die Vorarbeiten zur Sozialreform gewinnen zu können, zeigt deutlicher als alle bisherigen Ankündigungen, wie tatsächlich die Lage in bezug auf die Sozialreform ist. Insofern ist 'der Haushaltsplan in seinem Kap. 11 09 höchst aufschlußreich. Es ist in diesem Zusammenhang unbedingt notwendig, kurz auf den Ausgangspunkt zurückzugehen. Vor über drei Jahren, am 21. Februar 1952, wurde unter Ablehnung des damaligen SPD-Antrags ,auf Einsetzung einer unabhängigen Studienkommission der Beirat beim BAM eingesetzt. Diese Einsetzung des Beirates erfolgte - daran muß immer wieder erinnert werden -, nachdem der Herr Bundesarbeitsminister hier wörtlich 'erklärt hatte: Wir haben unsere Arbeit im Ministerium so eingestellt, daß wir in der zweiten Hälfte dieses Jahres --- 1952! die Gesetzesvorlage über die Neuordnung der Sozialversicherung vorlegen wollen. Ich will nicht'auf die weiteren Anfragen und Anträge meiner Fraktion zur Sozialreform eingehen, die bezweckten, 'endlich die Arbeiten zu fördern. Ich nehme auch davon Abstand, mich mit den Kompetenzstreitigkeiten zu befassen, die zwischen den einzelnen an der Sozialreform interessierten Ressorts offenbar ausgebrochen sind und die, wie wir aus Pressemitteilungen entnehmen, wohl formell, aber nicht in der Sache beigelegt worden sind. Ende vergangenen Jahres hat nun die Bundesregierung neben dem Beirat zur Sozialreform und seinen Ausschüssen nach Pressemitteilungen einen sogenannten Ministerausschuß gebildet und einige Wochen später ein sogenanntes Generalsekretariat eingerichtet. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Schaffung dieser beiden neuen Gremien, Ministerausschuß und Generalsekretariat, neben dem Beirat zur Förderung der Sozialreform dringend erforderlich war oder nicht. Aber eins muß doch nachdrücklich festgestellt werden: wenn zur Vorbereitung der Sozialreform ein solcher Ministerausschuß und ein Generalsekretariat tatsächlich erforderlich sein sollten, dann hätten diese Gremien bereits vor Jahren gebildet werden müssen. ({0}) Denn schließlich waren doch die komplizierten Probleme, die mit der Sozialreform zusammenhängen - darüber sind wir uns doch einig -, schon damals durchaus bekannt. Unbedingt hätten die erforderlichen Fachkräfte zur Vorbereitung der Sozialreform 'bereits in dem Zeitpunkt gewonnen werden müssen, in dem die Bundesregierung eine Sozialreform angekündigt hat. Erst jetzt, also über drei Jahre nach Beschluß dies Bundestages über die Errichtung eines Beirates, fordert die Bundesregierung die Mittel für solche Fachkräfte an, und aus der Ergänzungsvorlage ist ersichtlich, daß jetzt erst bei den Ländern, den Kommunen und den Sozialversicherungsträgern die Fachkräfte für diese Aufgabe gesucht werden sollen. ({1}) Das ist nach unserer Auffassung ein sehr schlechtes Zeichen. Deshalb macht unseres Erachtens der Etatansatz Kap. 11 09, Sozialreform, die schweren Versäumnisse der Bundesregierung und insbesondere des Bundesarbeitsministeriums in bezug auf die Sozialreform 'deutlich. ({2}) Wenn im Zusammenhang mit ,dem Haushalt des Bundesarbeitsministeriums der Stand der Sozialreform zu erörtern ist, dann soll durchaus anerkannt werden, daß in den letzten Wochen von offizieller Seite oder auf offizielle Anregung Gutachten und Denkschriften zur Neuordnung der sozialen Leistungen vorgelegt worden sind. Das legt vielleicht die Ansicht nahe, man solle nicht so sehr die früheren Fehler kritisieren, sondern sich über die in den Gutachten und Denkschriften zum Ausdruck kommende nunmehrige Aktivität auch etwas freuen. In dieser Hinsicht kurz zur Sachlage. Soweit mir bekannt ist, liegen bisher vier offizielle Denkschriften bzw. Gutachten vor. Mit dem Inhalt dieser Unterlagen will ich mich in diesem Zusammenhang nicht beschäftigen. Das werden wir bei anderer Gelegenheit ausreichend tun. Aber im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen sind doch einige Bemerkungen erforderlich. Erstens. Der Herr Bundesarbeitsminister hat nach Pressemitteilungen der Bundesregierung eine Denkschrift „Grundgedanken zur Gesamtreform der sozialen Leistungen" vorgelegt. Der Herr Bundesarbeitsminister hat in einer Pressekonferenz am 23. März dieses Jahres erklärt, diese seine Denkschrift würde in der Woche nach Ostern vom Bundeskabinett beraten werden, und daraufhin werde das Kabinett die Grundsätze für die weitere Sozialgesetzgebung festlegen. Inzwischen ({3}) ist Pfingsten vergangen, und das Kabinett hat sieh, soweit wir aus der Presse informiert sind, noch nicht mit dieser Denkschrift des Herrn Bundesarbeitsministers befaßt. Jedenfalls ist der Öffentlichkeit darüber nichts bekannt. Daher besteht heute noch keine Klarheit darüber, ob die Auffassungen der Denkschrift des Bundesarbeitsministers von der Regierung geteilt werden. Nach Pressemitteilungen werden wesentliche Abschnitte dieser Denkschrift von Teilen des Kabinetts oder vom Gesamtkabinett abgelehnt. ({4}) Diese Unklarheit ist außerordentlich unbefriedigend. ({5}) Die sozialdemokratische Fraktion hält es wirklich für eine schlechte Sache, wenn im Bundeskabinett entgegen den verschiedensten Zusagen immer noch keine Klärung über einige Grundsätze der Sozialreform - denn diese Denkschrift umfaßt keineswegs das, was man allgemein als Sozialreform bezeichnet, sondern nur gewisse Teilbereiche - erfolgt ist und die Kabinettsberatungen über die Sozialreform nun schon viele Monate immer wieder aus diesem oder jenem Grunde vertagt werden. ({6}) Noch ein zweiter Tatbestand. Nach Pressemitteilungen hat der Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen in der Zeit vom 2. bis 4. Juni getagt und eine Zwischenbilanz der bisherigen Arbeit gezogen. In einer Pressekonferenz wurden gewisse Arbeitsergebnisse mitgeteilt. Meine Fraktion begrüßt das, aber wir bedauern, daß diese Zwischenergebnisse des Beirates dem Hause oder auch nur dem Sozialpolitischen Ausschuß bisher nicht zur Kenntnis gebracht wurden. ({7}) Durch die Veröffentlichung des genauen Textes dieser Zwischenbilanz, auf die wir großen Wert legen, sollte nach Auffassung meiner politischen Freunde Schluß mit der übertriebenen Geheimniskrämerei um die Arbeiten dieses Beirates gemacht werden. ({8}) Die Öffentlichkeit nimmt an den Fragen der Sozialleistungen und der sozialen Neuordnung ein so lebhaftes Interesse, daß auch in bezug auf die Arbeiten des Beirates die Karten einmal offen auf den Tisch gelegt werden sollten. ({9}) Schließlich handelt es sich bei der Neuordnung der sozialen Leistungen nicht um Dinge, die einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegen, wie sie für andere Dinge - berechtigt oder nicht - gefordert wird. Die Veröffentlichung gerade dieser Zwischenbilanz über die Arbeiten des Beirates ist nach meiner Auffassung auch deshalb erforderlich, weil, soweit wir unterrichtet sind, noch weitere Denkschriften einzelner Mitglieder dieses Beirates vorliegen, die im offiziellen Auftrag verfaßt wurden. Diese Denkschriften sind besonders deshalb bemerkenswert, weil sie in einer Reihe von Punkten von dem, was uns bezüglich der Denkschrift des Herrn Bundesarbeitsministers bzw. dieser Zwischenbilanz bekanntgeworden ist, abweichen. Es besteht beispielsweise ein Interesse daran, daß die im Auftrag des Herrn Bundesarbeitsministers verfaßte Denkschrift des Herrn Senatspräsidenten Professor Bogs, von der die Presse in den letzten Wochen auszugsweise berichtet hat, im vollen Wortlaut dem Hause und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. ({10}) Das ist um so wichtiger, als es sich bei dieser Denkschrift um die Arbeit eines prominenten Mitgliedes des Beirates handelt, die sich, jedenfalls nach den Pressemitteilungen, von dem, was wir über die sogenannte Zwischenbilanz wissen, sehr erheblich unterscheidet. In den letzten Tagen ist nun - und auch darüber sind wir erfreut - den Mitgliedern des Hauses eine weitere Denkschrift, also, soweit ich übersehen kann, die vierte Denkschrift, über die Neuordnung der sozialen Leistungen, zugegangen, die von vier Mitgliedern dieses Beirates verfaßt warden ist. Es fällt auf, daß diese Denkschrift nicht etwa im Auftrag des Beirates oder Auftrag des Herrn Bundesarbeitsministers angefertigt wurde, sondern auf eine Anregung des Herrn Bundeskanzlers zurückgeht. ({11}) Es ist doch immerhin etwas eigenartig, daß außerhalb der Arbeiten des Beirates von Mitgliedern dieses Beirates - und diese vier Herren sind, wie man mir mitgeteilt hat, besonders aktive und prominente Mitglieder des Beirates - eine Denkschrift über die gleichen Probleme vorgelegt wird, die in den praktischen Auswirkungen von dem, was wir. aus der Zwischenbilanz des Beirates, aus der Denkschrift Bogs und aus der Denkschrift des BAM wissen, abweicht. Diese Dinge bedürfen unseres Erachtens im Interesse der Weiterentwicklung einer baldigen Klärung, die nur erreicht werden kann, wenn auch alle früheren Unterlagen dem Plenum und insbesondere den Ausschußmitgliedern zugänglich gemacht werden. Ich darf daran eine persönliche Bemerkung knüpfen. Ich habe versucht, alles zugängliche Material dieser vier Denkschriften ganz oder in Auszügen genau zu studieren. Nach Durcharbeitung dieser Unterlagen hat sich für mich das Bild von den Gedanken und Plänen der kommenden Sozialreform ({12}) - Auszüge, es gibt die verschiedensten, sehr interessanten Pressemitteilungen und Abhandlungen in Zeitschriften - nach .all dem, was man sich daraus zusammenreimen kann, als noch verworrener gestaltet, als es ohnehin schon war. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren - ich hoffe, daß die Mitglieder des Hauses bald Gelegenheit haben werden, alle Unterlagen zu studieren -, daß es immer noch an einer Konzeption fehlt, und zwar nicht nur für die sogenannte umfassende Sozialreform, sondern auch für die der Teilbereiche: Reform der Sozialversicherung oder nur Reform der Rentenleistungen. Deshalb sprechen wir Sozialdemokraten bei den Beratungen zum Haushalt des Bundesarbeitsministeriums die Erwartung aus, daß nunmehr eindeutig von der Regierung gesagt wird: welche gesetzgeberischen Maßnahmen zur Sozialreform im einzelnen vorbereitet werden und wann terminmäßig diese Gesetzentwürfe dem Hause vorgelegt werden. ({13}) ({14}) Eine solche Klarstellung ist um so dringender, als gerade in letzter Zeit gewisse Tendenzen in bezug auf die sozialpolitische Gesetzgebung festzustellen sind, die wir als recht bedenklich bezeichnen müssen. Ich will an dieser Stelle nicht wieder auf die Rentnerkrankenversicherung eingehen. Aber es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, daß der Sprecher der größten Regierungspartei bei Beratung dieses Gesetzentwurfs davon sprach, daß es sich um einen ersten konstruktiven Teil der Sozialreform handele. Das stimmt uns sehr nachdenklich. In den letzten Tagen sind nun weitere Pläne bekanntgeworden - auch aus der Tagespresse; einen Gesetzentwurf haben wir noch nicht gesehen - über eine Einschränkung der freiwilligen Rentenversicherung. Das scheint uns sozialpolitisch sehr bedenklich zu sein, weil dadurch die Möglichkeit, beispielsweise für Hausfrauen, aber auch für gewisse Gruppen von Gewerbetreibenden, genommen wird, von der freiwiligen Rentenversicherung Gebrauch zu machen. Zu den bedenklichen Tendenzen der weiteren sozialpolitischen Gestaltung gehört auch der Gesetzentwurf zur Aufhebung des Teuerungszulagengesetzes, den die Bundesregierung in diesen Tagen dem Bundesrat zugeleitet hat. Wenn der Gesetzentwurf Wirklichkeit werden sollte, dann wird der Voranschlag über Teuerungszulagen - im gegenwärtigen Haushaltsplan 20 Millionen DM - zum letztenmal in einem Haushaltsplan zu finden sein. Praktisch bedeutet dies, daß für 600 000 Bezieher von Teuerungszulagen die Renten um monatlich 2,50 DM bis 3 DM gekürzt werden. Das ist insbesondere im Hinblick auf das gestern verabschiedete Gesetz über die Mietenerhöhung sozialpolitisch außerordentlich bedenklich. ({15}) Die sozialdemokratische Fraktion wird hierauf noch zu sprechen kommen, wenn der Gesetzentwurf dem Bundestag zugeht. Aber heute ist darauf hinzuweisen, daß die Einbringung dieses Gesetzentwurfs nicht geeignet ist, die Hoffnung auf eine baldige Reform der sozialen Leistungen oder wenigstens der Rentenversicherung zu stärken. Wenn, wie seitens der Regierung immer behauptet wird - und, Herr Kollege Arndgen, ich darf Sie erinnern, Sie haben vor einigen Monaten im Sozialpolitischen Ausschuß erklärt, daß noch in diesem Jahre die Gesetze über die Sozialreform vorgelegt werden -, dem so ist, dann ist es doch sinnlos, vorab ein einzelnes Gesetz, das Teuerungszulagengesetz, aufzuheben. Vielmehr würde die Neuregelung der Zulagen im Zusammenhang mit einer Neugestaltung der Rentenleistung zu erfolgen haben. ({16}) Die Vorlage des Gesetzes zur Aufhebung der Teuerungszulagen ist, abgesehen von den damit verbundenen Verschlechterungen sozialer Leistungen, gegen die wir uns schon an dieser Stelle mit allem Nachdruck verwahren, ein unfreiwilliges Eingeständnis, daß die praktischen Arbeiten auch nur zur Reform der Rentenversicherung noch erheblich im Rückstand sind. Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums bringt in vielfacher Weise die Komplizierung unseres Sozialrechtes, zu dessen Vereinfachung bisher nichts Konkretes geschehen ist, zum Ausdruck. Ich möchte das an einigen Positionen des Haushalts verdeutlichen. In Kap. 11 13 Tit. 600 werden für Nachzahlungen von Grundbeträgen bei Neubewilligung von Renten in der Invalidenversicherung 30 Millionen DM veranschlagt. Setzt man diesen Betrag in Beziehung zu dem durchschnittlichen Rentenzugang eines Jahres, so ergibt sich, daß für jede neu bewilligte Rente eine Nachzahlung für durchschnittlich acht bis neun Monate geleistet werden muß. So bestätigt, sofern dieser Ansatz im Haushalt richtig ist, der Voranschlag gewissermaßen amtlich die von der sozialdemokratischen Fraktion immer wieder kritisierte Tatsache, daß die Rentenbearbeitung im Durchschnitt fast ein Dreivierteljahr dauert. Ein so unerfreulicher Tatbestand allein hätte schon die Bundesregierung veranlassen müssen, die Vereinfachung des Sozialrechts nachdrücklicher voranzubringen. Aus dem Voranschlag ist nicht ersichtlich, welches Ausmaß die erforderlichen Nachzahlungen in der Angestelltenversicherung haben. Es ist aber den Mitgliedern des Hauses aus Zuschriften, die die Damen und Herren sicher erhalten haben, bekannt, daß die Festsetzung von Renten in der Angestelltenversicherung noch erheblich längere Zeit als in der Invalidenversicherung dauert. ({17}) Der Herr Bundesarbeitsminister hat das vor kurzer Zeit im Rahmen der Fragestunde mit Schwierigkeiten der Übergangszeit begründet. Aber bisher ist praktisch ein Wandel vorwiegend nur bei Rentenanträgen erkennbar, in die sich Abgeordnete einschalten. Im Zusammenhang mit dem Haushalt noch eine weitere Bemerkung zu Position 11 13 Tit. 605, Fremdrentengesetz. Nach § 17 Abs. 6 des Fremdrentengesetzes ist auf Antrag des Berechtigten die Rente neu festzustellen, sofern es für ihn günstiger ist. Das Gesetz hat seinerzeit eine Ausschlußfrist von einem Jahr festgelegt. Die Erste Durchführungsverordnung ist aber erst am 11. August 1954, d. h. ein Jahr nach Verkündung des Fremdrentengesetzes, in Kraft getreten. ({18}) Infolgedessen war es, da bei Erlaß der Ersten Durchführungsverordnung die Ausschlußfrist von einem Jahr bereits abgelaufen war - die Verzögerung hat die Bundesregierung, d. h. das Bundesarbeitsministerium zu vertreten -, den Berechtigten, zu denen insbesondere die Vertriebenen gehören, nicht möglich, den vollen Nutzen aus diesem Fremdrentengesetz zu ziehen, den der Gesetzgeber beabsichtigt hat. Noch eine andere Bemerkung. Durch das Rentenmehrbetragsgesetz sollen den Altrentnern mit Wirkung vom 1. Dezember vergangenen Jahres Rentenmehrbeträge gewährt werden. Im Haushaltsvoranschlag ist für die knappschaftliche Rentenversicherung der erforderliche Erstattungsbetrag eingesetzt. Aber praktisch müssen wir feststellen, daß noch heute für einen nicht unerheblichen Teil der Knappschaftsrentner diese Rentenmehrbeträge seit dem 1. Dezember vergangenen Jahres im Rückstand sind. Daran trägt nach unserer Auffassung nicht die Selbstverwaltung die Schuld, sondern unseres Erachtens der Bundesarbeitsminister, der in dieser Hinsicht nicht für eine Vereinfachung des Sozialrechts oder eine ({19}) Überwindung der Anlaufschwierigkeiten gesorgt hat. Die Komplizierung des Sozialrechtes kommt auch im Etatansatz bezüglich des Kindergeldes - Kap. 11 11 Tit. 304 - zum Ausdruck. Ich möchte an dieser Stelle keineswegs eine Diskussion über die Kindergeldregelung aufnehmen. Wir werden hierzu hoffentlich bald die Gelegenheit haben, wenn endlich das Kindergeldergänzungsgesetz, wie zu erwarten steht, vorgelegt wird. Aber bei der Beratung des Etats - diese Position steht im Kapitel Arbeitslosenhilfe - muß auf die Schwierigkeiten hingewiesen werden, die sich gerade bei der Arbeitslosenversicherung für die Zahlung von Kindergeld ergeben. Dabei spreche ich nicht von den sozialpolitischen Ungerechtigkeiten, die nach unserer Ansicht in der Gesetzgebung liegen, nämlich darin, daß nicht 25 DM Kindergeld zusätzlich gewährt werden, sondern der Betrag nur aufgestockt wird. Das Entscheidende im heutigen Zusammenhang ist, daß arbeitslose Familienväter unter den Zuständigkeitsschwierigkeiten bezüglich des Kindergeldgesetzes stark leiden. Das ist darin begründet, daß die Arbeitsämter das Kindergeld nur subsidiär zahlen dürfen. Herr Kollege Winkelheide - der Gedanke der Subsidiarität war Ihr Lieblingsgedanke bei der Kindergeldregelung -, dieser Subsidiaritätsgedanke bedeutet in der Praxis, daß für einen Arbeitslosen, der während eines Monats nur wenige Stunden eine Gelegenheitsarbeit verrichtet oder nur einen Tag arbeitet, die Familienausgleichskasse jenes Betriebes, in dem er gearbeitet hat, zuständig ist und nicht das Arbeitsamt. Dadurch ergeben sich eine Fülle von Zuständigkeitsregelungen, unter denen der Arbeitslose mit zahlreichen Kindern leidet. ({20}) - Wir haben gegen diese Regelung im Kindergeldgesetz gestimmt, Herr Kollege Horn! Die Verantwortung in dieser Hinsicht wollen wir klarstellen. Wenn allein für den Bereich eines einzigen Landesarbeitsamtes in einem Monat von rund 10 000 Anträgen 6300 Anträge wegen mangelnder Zuständigkeit zurückgewiesen wurden, ({21}) ist das ein sehr betrüblicher Zustand. Dies hätte für die Bundesregierung wirklich Veranlassung sein müssen, einem derartigen Mißstand irgendwie zu begegnen. Während somit auf sozialpolitischem Gebiet in verschiedenster Weise die mangelnde Initiative des Bundesarbeitsministeriums beklagt werden muß, fällt es auf - damit komme ich zum Schluß -, daß das Bundesarbeitsministerium mit besonderem Nachdruck an dem Haushaltsvoranschlag für das Bundesversicherungsamt festhält. ({22}) Ein derartiger Ansatz findet sich nun schon seit drei Jahren im Haushaltsplan. Es ist in diesem Zusammenhang beachtenswert - und das werden auch die Vertreter der Regierungsparteien nicht leugnen können -, daß bei den Ausschußberatungen die Sachverständigen aller Richtungen übereinstimmend schwere Bedenken gegen die Errichtungdieser neuen Bundesoberbehörde geäußert haben. Es ist wirklich nicht einzusehen, weshalb das Bundesarbeitsministerium ,auf Grund der Ausschußberatungen nicht auf dieses Kapitel des Haushaltsplans - Bundesversicherungsamt - verzichtet hat. ({23}) Meine Damen und Herren, der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums spiegelt in vielfacher Weise die unzulängliche und unbefriedigende Sozialpolitik des Bundes wider. Die sozialdemokratische Fraktion ist deshalb nicht in der Lage, diesem Haushalt ihre Zustimmung zu geben. ({24}) Wenn wir den Haushalt nicht ablehnen, sondern uns der Stimme enthalten, ({25}) so lediglich deshalb, weil wir nicht die Mittel für soziale Leistungen verweigern wollen. Wir können aber der Bundesregierung und insbesondere dem Bundesarbeitsminister nicht den Vorwurf ersparen, daß bei der sozialpolitischen Neugestaltung keine befriedigende Tatkraft bewiesen wurde. ({26})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter zur Begründung des Antrags Umdruck 418.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte kurz unseren Antrag Umdruck 418 begründen. In der 83. Sitzung des Bundestages am 26. Mai 1955 wurden zwei von der SPD-Fraktion und der CDU/CSU-Fraktion eingereichte Anträge behandelt, die die Benachteiligung der Witwen von Invalidenversicherten durch den bekannten Stichtag vom 1. Juni 1949 im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz beseitigen sollen. Die Anträge, von denen der Antrag der SPD der weitergehende ist, weil er allen Witwen die unbedingte Witwenrente gewähren will, während der Antrag der CDU/CSU nur den Witwen vom 65. Lebensjahr ab die unbedingte Witwenrente geben will, wurden dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Beratung überwiesen. Es ist selbstverständlich, daß über die herbeizuführende Regelung noch im Ausschuß zu beraten sein wird. Wir meinen es mit unseren Anträgen ernst. Wenn wir sie verwirklichen wollen, muß auch die Finanzierung besonders der Grundbeträge zu jeder einzelnen Rente sichergestellt sein, die vom Bund gezahlt werden muß. Diesem Zweck dient die Erhöhung des Tit. 600 um 25 Millionen. Es handelt sich dabei um eine grundsätzliche Regelung. Nachdem diese sozialpolitische Ungerechtigkeit für die Witwen so lange bestanden hat, bitten wir - ich will in der Sache nicht weiter sprechen -, diesen unseren Antrag anzunehmen, um sicherzugehen, daß die Durchführung nicht an finanziellen Schwierigkeiten scheitert. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat Herr Staatssekretär Sauerborn.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Punkte aufgreifen und vor Ihnen behandeln, über die insbesondere Herr Abgeordneter Professor Schellenberg gesprochen hat. ({0}) Er begann damit, daß er es als unangebracht empfand, daß erst jetzt in einem Nachtragshaushalt Verstärkungen eingebracht werden, die für die Reform der Sozialversicherung von großer Bedeutung sind. Auch mein Herr Minister und ich bedauern es außerordentlich, daß wir erst jetzt so weit sind, daß wir eine haushaltsrechtliche Grundlage dafür schaffen können. Sie werden verstehen, daß wir vielleicht sehr viel Arbeit hätten auf breitere Schultern verteilen können, wenn wir diese Kräfte schon früher gehabt hätten. Aber Sie wissen ja selbst, wie ernst dieses Hohe Haus die Frage der Schaffung neuer Stellen behandelt und wie sorgfältig im einzelnen geprüft wird, ob diese Stellen wirklich notwendig sind. ({1}) - Sie sind schon vor sehr langer Zeit von uns beantragt worden, Herr Abgeordneter. ({2}) Aber ich will Ihnen dazu noch folgendes sagen. In dieser Sache ist es natürlich notwendig, daß wir im einzelnen darlegen, welche Kräfte wir brauchen und weshalb. Da ist es nicht mit Pauschalanforderungen getan, sondern für die einzelnen Aufgabengebiete muß genau dargelegt werden, weshalb dort eine neue Kraft erforderlich ist. Sie wissen, daß unser Haus in seinen Anforderungen immer sehr sparsam war. ({3}) - Vielleicht zu sparsam! Herr Abgeordneter Horn, Sie haben vielleicht sehr recht. Wir haben eine Stelle immer erst dann beantragt, wenn sie für die Dauer als unabweisbar notwendig gewesen ist. Ich glaube, für diese Haltung würden wir gerade bei den Gesichtspunkten, die gegenwärtig im Haushaltsausschuß bestimmend sind, vielleicht, ich will nicht sagen: ein Lob - so kühn sind wir nicht, das zu fordern -, aber doch eine gewisse Anerkennung fordern können. Nun ist es aber doch so, daß verwaltungsmäßig Aushilfen möglich sind, und diese Aushilfen sind uns vom Finanzministerium gegeben worden. Wir haben bereits jetzt eine Reihe der Kräfte, die auf Grund dieser Etatbestimmung einberufen werden sollen, vorläufig einberufen, und sie arbeiten teilweise schon seit Monaten bei uns. Die Zahlung geschieht aus dem 'allgemeinen Gehaltsfonds in der Annahme, daß auf Grund des Beschlusses dieses Hohen Hauses die Gelder zum Ausgleich wieder zur Verfügung stehen. Meine Damen und Herren, wir haben lange Jahre, ich möchte genauer sagen: zwei Jahre lang, andauernd Prügel einstecken müssen, weil in punkto Sozialreform nichts vorangehe. Dabei haben wir im Schweiße unseres Angesichts gearbeitet. ({4}) Wir haben eine große versicherungstechnische Bilanz aufgestellt. Wer von Ihnen weiß, welche Arbeit das beansprucht, der wird anerkennen, daß das möglich gewesen ist. Darüber hinaus haben wir unsere Pläne ausgearbeitet und haben sie im Beirat wieder und wieder durchberaten. Wir haben Gutachten - die Gutachten werden ja eines Tages veröffentlicht werden -, die heute schon Stöße und Bände darstellen, zu den einzelnen Punkten gefunden, haben sie überarbeitet, haben sie miteinander verglichen und haben daraus das Positive und das Förderungswürdige herausgesucht. Das alles sind Arbeiten gewesen, die unser Haus auf das stärkste in Anspruch genommen haben und die wir gemacht haben, während wir draußen angegriffen wurden, daß nichts geschehe. Warum haben wir nichts gesagt? Bei den ersten Beratungen des Beirats war festgelegt worden, daß die Ergebnisse und Protokolle vorläufig nicht veröffentlicht werden sollten, damit nicht, wenn Gedanken ausgesprochen werden, die vielleicht nicht bis zu Ende überlegt werden, sofort eine Festlegung der einzelnen Person erfolgt. Das geht nur bis zu einem gewissen Zeitpunkt. ({5}) Wir haben uns dann entschlossen, den Beirat einzuberufen. Er hat vor einiger Zeit - das ist 'bereits erwähnt worden - getagt, um in einer viertägigen Arbeitssitzung alles das, was inzwischen in den Ausschüssen 'erarbeitet worden war, zusammenzufassen und die Stellungnahme des Gesamtbeirats zu erarbeiten. Das ist geschehen. Der Beschluß liegt vor, und Sie werden im ersten Juli-Heft des Bundesarbeitsblattes diesen Bericht lesen können. Es ist ferner verschickt worden die sogenannte Osterdenkschrift, die von uns nicht, wie der Herr Abgeordnete Schellenberg meint, nach Ostern, sondern schon vor Ostern vorgelegt worden ist. Es ist weiter das Gutachten der vier Sachverständigen vorgelegt worden, die dem Herrn Bundeskanzler ein Gutachten erstattet haben. Ich muß schon wirklich sagen: In einer Frage von einer solchen enormen Bedeutung muß es doch dem Herrn Bundeskanzler freistehen, sich auch von Personen seines Vertrauens, und zwar von den verschiedensten Stellen, Gutachten erarbeiten zu lassen. Denn er legt schließlich die Richtlinien der Politik fest und muß dabei doch das Für und Wider genau kennen. Auch dieses Gutachten ist veröffentlicht worden. Ich habe nun nicht erwartet, daß Herr Abgeordneter Schellenberg uns eine günstige Kritik über diese Pläne geben würde. ({6}) Das habe ich nicht erwartet, und das mute ich ihm auch nicht zu. Aber daß er sagt: „Es steht nichts darin!" - - Herr Abgeordneter Schellenberg, ich will nur einen einzigen Punkt nennen. Das ist der Punkt, daß man bei der Rente von dem heutigen System, einen Zuschuß zu den Kosten der Lebensführung im Alter zu gewähren - so wie es nach der Bismarckschen These ,war und wie es, wenn auch mit gewissen Verbesserungen, noch heute ist -, übergehen will zur Lebensgrundlage. Wenn Sie das nicht anerkennen, kann ich das verstehen. Aber ich darf Ihnen folgendes sagen: Ich bin gerade heute morgen von Genf gekommen, wo zur Zeit die Internationale Arbeitskonferenz stattfindet. Die Veröffentlichungen in der deutschen Presse haben im Ausland ein außerordentlich reges Interesse gefunden, und 'ich bin von vielen Seiten, sogar von Engländern und gerade von ihnen, und von sachverständigen Engländern, die jahrelang hier bei uns gelebt haben und auf diesem Gebiet tätig waren, auf diese Sache angesprochen worden, und sie haben mir gesagt: Wenn euch das gelingt, dann habt ihr wieder die Spitze in allen Ländern der Erde. Bei einem so gewaltigen Problem, das unsere ganze Sozialstruktur auf das erheblichste beein({7}) flussen wird, Herr Abgeordneter Schellenberg, kann man natürlich sehr schnell vorgehen und kann sagen: Das ist wünschenswert, das machen wir! Wir aber legen Gewicht darauf, daß das, was wir dem Parlament vorschlagen, um es Gesetz werden zu lassen, in einer Form und einer Gestaltung geschieht, daß nicht nach 'einer gewissen Zeit wieder Notverordnungen notwendig werden, sondern daß diese Dinge gesichert sind und jeder Mensch auf die Verwirklichung in seinem Alter rechnen kann. Und wie notwendig es ist, die Sicherheit unter allen Umständen zu gewährleisten, Herr Professor Schellenberg, das brauche ich ausgerechnet Ihnen nicht zu sagen; denn Sie haben ja Erfahrungen auf dem Gebiet. Meine Damen und Heren! Ich habe Ihnen gesagt, daß all diese Dinge veröffentlicht werden. Wir erwarten und wünschen, daß sie sehr stark unter die Lupe genommen werden und man sich mit ihnen beschäftigt in allen Kreisen, die es angeht - und das ist letzten Endes unser ganzes Volk -, daß wir sehr viel Meinungen zu hören bekommen und daß die Aussprache eine fruchtbare sein wird. Wir werden für jede mögliche Verbesserung ,dankbar sein und werden unvoreingenommen alle Dinge prüfen. Aber eines möchte ich hier auch einmal sagen, meine Herren. Seinerzeit, als die Reichsversicherungsordnung geschaffen wurde, begann man mit den Vorarbeiten um die Jahrhundertwende. Im Jahre 1905 war der erste Entwurf fertiggestellt. Er wurde in den Ausschüssen des Reichstags von 1907 bis 1911 beraten, und erst im Jahre 1911 wurde die Reichsversicherungsordnung vom Parlament verabschiedet. Dann hat man noch eine Frist bis zum 1. Januar 1914 eingelegt, um sicherzustellen, daß die Durchführung reibungslos vonstatten gehe. Meine Herren, so arbeitete man damals! Wir können solche Fristen unmöglich fordern und unmöglich in Anspruch nehmen. Mein Herr Minister hat ganz klar ausgesprochen, daß in diesem Jahre die Beiratsberatungen zu Ende geführt werden sollen, daß gleichzeitig die Gesetzentwürfe fertiggestellt werden und daß wir bereits nach den Ferien beginnen wollen, einzelne dieser Gesetzentwürfe unter Vorlegung eines Gesamtplans dem Parlament zur Beratung zur Verfügung zu stellen, damit wir mit Bestimmtheit im Jahre 1956 die Reform abschließen können. Herr Abgeordneter Schellenberg sagte, es sei nichts zur Entwirrung geschehen. Deshalb möchte ich nochmals folgendes betonen: Die Vorarbeiten dazu laufen. Alles, was dann noch geltendes Recht ist, inklusive des neuen Rechts, wird in einer neuen Fassung der Reichsversicherungsordnung als (einzigem Gesetz zusammengefaßt, um damit die Übersichtlichkeit und die Brauchbarkeit für die Versicherten und diejenigen, (die mit der Anwendung der Versicherungsordnung zu tun haben, sicherzustellen. Die letzte Neufassung der Reichsversicherungsordnung hat 1924 stattgefunden. Wir werden dann alles in dieses Gesetz hineinbringen, so daß man auf diesem Gebiet nur noch mit einem einzigen Gesetz zu tun hat. ({8}) - Ende 1956, habe ich gesagt, soweit wir in Frage kommen. Jedenfalls werden wir dann wieder ein Gesetzbuch haben. Natürlich werden auch nach der Reform weitere Änderungen erforderlich sein; denn das Leben fließt, entwickelt neue Bedürfnisse und stellt neue Ansprüche. Auch dann wird die soziale Gesetzgebung nicht für die Ewigkeit sein, sondern laufend der Anpassung bedürfen, so wie sie seit 1911 trotz der Reichsversicherungsordnung auch dauernder Anpassung bedurft hat. Die einzige Frage ist für mich - aber das interessiert hier vielleicht nicht -, ob es zur Übersichtlichkeit zweckmäßig ist, den heutigen Stoff der Reichsversicherungsordnung, so wie es im bürgerlichen Recht mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch und der Zivilprozeßordnung ist und wie es im Strafrecht mit dem Strafgesetzbuch und der Strafprozeßordnung ist, in zwei Teile zu teilen. Aber das sind technische Fragen, über die wir nicht weiter zu sprechen brauchen. Meine Herren, ich habe noch zwei Sachen, die ich Ihnen vortragen möchte. Die Rentenfestsetzung, sagten Sie, geht zu langsam. Dem stimme ich zu. Wir sind hier nicht etwa schweigsam, sondern auf das emsigste und dauernd bemüht, und ich könnte Ihnen eine Reihe von Erlassen und Schreiben des Bundesarbeitsministeriums vorlegen, in denen wir immer und immer wieder darauf gedrungen haben, daß die Rentenfestsetzung beschleunigt wird. Ich darf Sie aber auf eins aufmerksam machen. Wir haben eine große Anzahl von Rentenfällen, in denen die Feststellung der geleisteten Beiträge und der Leistungsvoraussetzungen ungewöhnlichen Schwierigkeiten begegnet. Denken Sie allein an die 10 Millionen Flüchtlinge, von denen wir entweder keine Unterlagen haben, so daß wir sie durch eidesstattliche Erklärungen usw. ersetzen müssen, oder sie erst nach Monaten aus den fremden Gebieten bekommen. Was die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte angeht, die ja allein unserer Aufsicht untersteht - die Landesversicherungsanstalten unterstehen nicht unserer Aufsicht; wir können also nur an die Landesregierungen schreiben und unseren Wunsch und unsere Bitte vortragen -, so hat dort zu Beginn dieses Jahres auf unser Betreiben eine Umorganisation stattgefunden, die, wenn einmal der Stau überwunden ist, zu einer außerordentlichen Beschleunigung führen wird. Noch ein letztes Wort zum Bundesversicherungsamt! Herr Abgeordneter Schellenberg hat es in Grund und Boden verdammt. Wir halten daran fest und freuen uns, daß dieser Entwurf im Parlament zur Verhandlung steht. Ich möchte an dieser Stelle - das muß dann ausgeführt werden, wenn wir das Gesetz hier beraten - nur eines sagen. Ich glaube, gerade eine organische Aufteilung der Aufgaben zwingt dazu, Aufgaben verwaltungsmäßiger Natur, die ihrer ganzen Natur nach nicht zum Aufgabenbereich eines Ministeriums gehören, aus diesem Ministerium auszugliedern und das Ministerium für die Aufgaben frei zu machen, die es als Ministerium hat, und das ist in erster Linie die Legislative. Ich möchte mich mit diesen Ausführungen begnügen. ({9})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht auf die Ausführungen des Herrn Professors Schellenberg eingehen, weil derjenige geantwortet hat, der angesprochen worden ist. ({0}) ({1}) Aber eines möchte ich doch feststellen. Hier ist darüber geklagt worden, daß die Arbeiten und Vorbereitungen für die Durchführung der Sozialreform nicht schnell genug vonstatten gehen. Demgegenüber möchte ich doch darauf verweisen, daß, wenn Angehörige Ihrer Fraktion in Fachzeitschriften über diese Dinge schreiben, sie mit uns genau derselben Auffassung sind, daß es sehr langer und gründlicher Vorbereitungen bedarf, wenn diese Reform ordentlich werden und dem Interesse der Versicherten dienen soll. Das möchte ich doch in dem Zusammenhang gesagt haben. Ich habe mich aber zum Wort gemeldet, um zu dem Antrag der Kollegin Korspeter Stellung zu nehmen, der im Umdruck 418*) niedergelegt ist. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag überflüssig ist, auch dann überflüssig ist, wenn die beiden Gesetzentwürfe, die a) von der SPD-Fraktion und b) von der CDU-Fraktion vorgelegt worden sind, noch in den nächsten Monaten Tatsache werden. Ich bin der Meinung, daß wir uns im Ausschuß für Sozialpolitik bemühen werden, dieses Gesetz recht bald zum Tragen zu bringen. Aber es ist nicht notwendig, deswegen die Haushaltsansätze zu ändern. Denn der Haushaltsansatz für ein Haushaltsjahr wird nach dem Stand der Notwendigkeiten zur Zeit der Aufstellung des Haushalts veranschlagt, und wenn im Verlaufe des Haushaltsjahres von diesem Hause Gesetze verabschiedet werden, die Finanzmittel benötigen, dann werden diese durch einen Nachtragshaushalt eingeplant werden. ({2}) - Es haben mit dem Herrn Finanzminister Verhandlungen stattgefunden, und der Herr Finanzminister ist mit uns der Meinung, daß dieses Gesetz zur Änderung des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes geschaffen werden soll. Er ist auch bereit, die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Dafür steht der Herr Finanzminister uns gegenüber schon im Wort. ({3}) Wenn wir das Gesetz verabschiedet haben, dann werden auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen. Es ist aber haushaltsrechtlich kaum möglich, für kommende Gesetze, die also noch gar nicht Rechtens sind, in dem fraglichen Einzelplan entsprechende Ziffern einzusetzen. Ich möchte daher bitten, den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 418 abzulehnen, weil die Durchführung des Gesetzes, das noch geschaffen werden wird, auch ohne diese Ansätze gesichert sein wird. ({4})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Abgeordneter Schellenberg! Sonst wollte ich gerade Schluß machen. Es lagen nämlich keine Wortmeldungen mehr vor.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, nur ganz wenige Bemerkungen. Der Herr Staatssekretär und Herr Kollege Arndgen haben darauf hingewiesen, daß die Sozialreform einer gründlichen Vorarbeit bedarf. Einer solchen Erkenntnis haben wir uns nie verschlossen. Ich habe an dieser Stelle lediglich auf die Ausführungen hingewiesen, die der Herr Bundesarbeitsminister *) Siehe Anlage 5. vor drei Jahren in diesem Hause gemacht hat. Diese Zitate könnte ich noch um viele andere erweitern. Wir beanstanden aber, daß die bisherigen Ankündigungen in einem erstaunlichen Gegensatz zu den konkreten Ergebnissen stehen. Mit großem Interesse haben wir heute aus dem Munde des Herrn Staatssekretärs wieder neue Ankündigungen vernommen, und wir hoffen sehr, daß diesmal diese Ankündigungen Wirklichkeit werden und dem Hause die entsprechenden Gesetze tatsächlich fristgerecht vorgelegt werden. Nun noch eine Bemerkung. Herr Staatssekretär, ich glaube, in einem Punkte haben Sie mich mißverstanden. Ich habe nicht gesagt, daß das, was in den Denkschriften zum Ausdruck kommt, nichts sei. Ich habe nur auf die Widersprüche zwischen den einzelnen Denkschriften hingewiesen. Das kann ich an dieser Stelle nicht in aller Breite darlegen; dann müßten wir eine große, ganztägige sozialpolitische Debatte führen. Nur einen einzigen Punkt möchte ich erwähnen, weil Sie hierauf hingewiesen haben. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es sei ein fundamentaler Wandel, wenn in der Denkschrift des Herrn Bundesarbeitsministers - die nach meiner Kenntnis vom Kabinett aber noch nicht gebilligt worden ist - angekündigt werde, daß durch die Rente der Lebensunterhalt des alten Menschen wirklich sichergestellt werden solle. Ich verweise - mir scheint hier ein Widerspruch zu liegen - auf die Denkschrift der vier Herren Sachverständigen, die auf Anregung des Herrn Bundeskanzlers erstattet wurde. Auf Seite 111 wird unter „Aufgaben der Gemeinden" - die sich auch mit der Altersfürsorge beschäftigen sollen, also nicht Leistungen, die wir als Leistungen der Sozialversicherung bezeichnen - die Altersfürsorge der Gemeinden folgendermaßen umrissen: Die Altersfürsorge für diejenigen Menschen, die ohne Rentenanspruch oder mit ungenügenden Rentenansprüchen dastehen. ({0}) Meine Damen und Herren, eine solche Formulierung ist uns verdächtig. Das ist ein Tatbestand, den wir heute schon kennen, und es ist sehr unbefriedigend, daß zu den Renten noch zusätzliche Altersfürsorgeleistungen erbracht werden müssen. Ich kann in diesem Zusammenhang nicht auf Details eingehen, muß aber bemerken, daß nach dem, was wir aus den Denkschriften wissen, bisher nicht konkret gewährleistet ist, daß die Rente den Lebensbedarf deckt. Soll das gesichert sein, dann müßte uns die Regierung eine Vorlage über die Rentenformel, über die tatsächliche Berechnung der Rente machen; dann erst kann die Öffentlichkeit beurteilen, ob diese Rente den Lebensbedarf sichert. Das ist in diesem Zusammenhang entscheidend. ({1}) - Ich habe mich nicht mit den Ausführungen von Herrn Bogs identifiziert; ich kenne das Gutachten nur in Auszügen. Gerade deshalb wünschen wir dieses Gutachten zu erhalten. Nun noch eine Bemerkung zu dem, was Kollege Arndgen gesagt hat. Herr Kollege Arndgen, ({2}) Ihre Auffassung steht im Gegensatz zu dem, was Sie in früherer Zeit bei sozialpolitischen Anträgen hier im Hause als das Mitglied des Haushaltsausschusses, das gleichzeitig im Sozialpolitischen Ausschuß mitwirkt, gesagt haben. Sie haben uns bei früheren Anträgen immer wieder entgegengehalten, im Haushalt sei keine Deckung vorhanden. Wenn Sie jetzt argumentieren, es sei unmöglich, für ein Gesetz, das noch nicht erlassen ist, Ansätze im Haushaltsvoranschlag festzusetzen, so muß ich Sie auf die Position „Bundesversicherungsamt" hinweisen. Der Gesetzentwurf ist noch nicht beschlossen, und schon seit drei Jahren bringen Sie im Haushaltsplan einen Ansatz dafür. ({3})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird, liegen Wortmeldungen zu diesem Einzelplan nicht mehr vor. Ich schließe daher die Beratung. Nach der Vereinbarung im Ältestenrat von heute morgen müßte ich jetzt den Einzelplan 04 in Verbindung mit Einzelplan 35 aufrufen. Es wurde mir aber eben gesagt, daß das wohl sehr unzweckmäßig sei, weil die Damen und Herren des Hauses, die gerade für dieses Thema entscheidend in Frage kämen, durch dienstliche Besprechungen im Augenblick verhindert sind, hier zu sein, und auch vor 3 Uhr nicht zurück sein werden, und zwar in gleicher Weise Regierungsvertreter und Vertreter der Opposition. Unter diesen Umständen fragt es sich, ob es dann einen Sinn hat, die Einzelpläne 04 und 35 aufzurufen. Wenn wir sagen, es hat keinen Sinn, dann gibt es die Möglichkeit, daß ich einiges andere vorziehe. Aber die großen Pläne kann ich auch nicht vorziehen, weil die Minister nicht darauf vorbereitet und nicht da sind, auch nicht da zu sein brauchen, denn der Ältestenrat ging ja davon aus, daß diese vier Materien, die wir heute morgen zur Beratung vorgesehen haben, den ganzen Tag ausfüllen würden. Das ist nun nicht so. Oder wollen wir die Sitzung unterbrechen? ({0}) - Bitte, zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt eine ganze Reihe von Einzelplänen, zu denen es keine große Diskussion geben wird: Europarat, Bundesrechnungshof, Bundesverfassungsgericht etc. Es sind also 5 bis 6 Einzelpläne, die wir hier ruhig erledigen und für die Abstimmung vorbereiten können, so daß das Haus beschäftigt ist, bis die Herren herbeigerufen sind. Ich bin allerdings dafür, daß sie herbeigerufen werden; denn allzulange sollten wir es nicht hinausschieben, es sei denn, daß es uns in der Zwischenzeit gelingt, den Herrn Bundeswirtschaftsminister herbeizurufen, so daß wir den Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministeriums vorziehen könnten. Aber ich würde vorschlagen, zunächst einmal diese 5 oder 6 kleinen Einzelhaushalte zu behandeln. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ist das Haus einverstanden? - Dann werde ich so verfahren. Ich rufe auf: n) Einzelplan 19: Bundesverfassungsgericht ({0}). Die Berichterstatterin Frau Abgeordnete Dr. Hubert wird noch nicht da sein. Es liegt ein Schriftlicher Bericht *) vor. Begnügt sich das Haus mit diesem Schriftlichen Bericht? ({1}) - Gut, dann treten wir in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? - Das 'ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache zu Einzelplan 19 in der zweiten Beratung und stelle die Abstimmung zurück. Ich rufe auf: o) Einzelplan 20: Bundesrechnungshof ({2}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Conring. Dr. Conring ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Einzelplan 20 ist ein Schriftlicher Bericht **) vorgelegt worden, der im Hause verteilt wurde. Ich darf mich wohl auf den Schriftlichen Bericht beziehen, dessen Inhalt nicht erneut vorgetragen zu werdenbraucht. Ich bitte Sie, entsprechend dem dort gestellten Antrag zu verfahren.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung in der zweiten Lesung des Einzelplans 20. Ich stelle auch hier vereinbarungsgemäß die Abstimmung bis nach 15 Uhr zurück. Ist das Haus der Meinung, daß wir Einzelplan 32, Bundesschuld, behandeln könnten? ({0}) Ich rufe auf: w) Einzelplan 32: Bundesschuld ({1}). Berichterstatter ist Abgeordneter Wacker. ({2}) - Schriftlicher Bericht***) liegt vor. Begnügt sich das Haus damit? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Ausprache. - Abgeordnete Vogel!

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf bei diesem Einzelplan Bundesschuld Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken, daß auch hier eine Debatte über einzelne Wünsche der Verwaltung, ihren Personalapparat zu vergrößern, stattgefunden hat, daß wir uns diesen Wünschen gegenüber sehr kritisch verhalten haben und dabei zu einigen Streichungen gekommen sind. Ich nehme aber an, daß die Bundesschuldenverwaltung die ihr bevorstehende sehr große Aufgabe, vor allen Dingen die Ausgabe der neuen Schuldurkunden, mit dem Personal bewältigen kann, das wir ihr bewilligt haben. Gerade die Beratung dieses Einzelhaushalts hat eine ganze Reihe von sehr interessanten Problemen zur Diskussion gebracht, so hinsichtlich der Manipulationen, die häufig genug vorgenommen *) Siehe Anlage 18. **) Siehe Anlage 19. ***) Siehe Anlage 20. ({0}) worden sind, um alte Schuldurkunden, die in den Besitz von früheren Feindmächten geraten waren, illegal zu verwerten. Ich nehme an, daß die sehr eingehenden und gründlichen Kontrollmaßnahmen, die gerade die Schuldenverwaltung eingeleitet hat, dazu führen werden, die Bundesrepublik und das deutsche Volk vor Schaden zu bewahren. Wir haben uns in eingehenden Beratungen früher bereits mit den notwendigen baulichen Maßnahmen in Bad Homburg befaßt. Wir nehmen an, daß das Geld, das dort investiert worden ist, nützlich angewandt wird, daß in absehbarer Zeit auch dort mit der Fertigstellung der gewaltigen großen Tresoranlagen zu rechnen ist und daß die Bundesschuldenverwaltung bald im Besitze der Ausstattung sein wird, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötig hat. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu Einzelplan 32 in der zweiten Lesung. Ich stelle auch diesen Einzelplan bezüglich der Abstimmung zurück. Ich rufe auf Einzelplan 49: Deutsche Vertretung in der Beratenden Versammlung des Europarates und der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({0}). Ist der Herr Berichterstatter zufällig anwesend? Es ist Abgeordneter Graf Henckel. ({1}) - Ist erkrankt. - Es liegt ja ein Bericht vor. Das Haus verzichtet auf mündliche Berichterstattung? - Ich höre keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich auch hier die Beratung der zweiten Lesung. Die Abstimmung zu Einzelplan 49 stellen wir ebenfalls zurück. Ich rufe auf bb) Einzelplan 50: Angelegenheiten des Europarats und verwandte Gebiete ({2}). Auch hier liegt ein Bericht vor. Das Haus verzichtet auf einen weiteren Bericht? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache in der zweiten Lesung. Auch hier stellen wir die Abstimmung zurück. ({3}) Ich rufe auf Einzelplan 45. ({4}) Ich rufe auf p) Einzelplan 24 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit ({5}). An Stelle des Berichterstatters Abgeordneten Heiland wird Herr Abgeordneter Ritzel Bericht erstatten. Ritzel ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Haushaltsausschuß wurde dieser Plan in Gegenwart des Herrn Ministers einer gründlichen Prüfung und Diskussion unterzogen. Im Rahmen der dem Hause unterbreiteten allgemeinen Ergänzungsvorlage hat sich der Haushaltsausschuß mit den Personalmehranforderungen nach Drucksache 1260 auseinandergesetzt und kam zur Ablehnung der darin geforderten neuen Planstellen. ({7}) Dann wurde eine lebhafte Diskussion geführt wegen des Tit. 302, Förderung des Erfahrungsaustausches im Rahmen der amerikanischen Wirtschaftshilfe. Hier wurde der Ansatz von bisher 650 000 DM auf 600 000 DM herabgesetzt. Im übrigen entstand eine Aussprache über die Frage der Bewilligung dieses Etats überhaupt. Die Mehrheit hat dem Etat dieses Hauses - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit - zugestimmt. Die Minderheit ist gegen die Bewilligung von Mitteln für diesen Haushalt.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Ich eröffne die Aussprache. ({0}) - Abgeordneter Schoettle!

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat auf Umdruck 404 den Antrag eingereicht: Der Bundestag wolle beschließen: Einzelplan 24 wird :gestrichen. Ich habe dazu folgendes zu bemerken. Wenn man bei der Schaffung des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit beim Zusammentritt des 1. Deutschen Bundestages und bei der Bildung der ersten Bundesregierung noch ein gewisses Verständnis dafür haben konnte, weil damals die Dinge noch in Fluß waren und das Problem der Einschleusung der ERP-Mittel, der Marshallplanhilfe in die Wirtschaft der Bundesrepublik nicht ohne weiteres zu übersehen war, so kann man das doch heute nicht mehr sagen. Inzwischen haben sich die Verhältnisse weitgehend normalisiert. Die Ressorts, die sich mit der eigentlichen Wirtschaftspolitik in der Bundesregierung, mit der Finanzpolitik, mit der Verwendung der für Investitionen zur Verfügung stehenden Mittel zu beschäftigen haben, sind ausreichend organisiert und besetzt. Die ERP-Mittel sind in einem Sondervermögen zusammengefaßt, das ohne jede Schwierigkeit jedem anderen auf diesem Gebiete tätigen Ressort angegliedert werden kann. Es ist aus sachlichen Gründen nicht einzusehen, warum dieses Ministerium fortbestehen soll. Das hat gar nichts mit unserer Haltung gegenüber dem Ressortminister zu tun; das steht auf einem ganz anderen Blatt. Es ist klar, daß der Ursprung dieses Ministeriums im wesentlichen eine Frage der Koalitionsarithmetik war. Darüber wird noch an anderer Stelle etwas zu sagen sein. Wir möchten jedenfalls klarstellen, daß wir dieses Ministerium unter den heutigen Umständen nicht mehr für nötig halten. Im Zeichen des allgemeinen ({0}) Gesprächs von der Verwaltungsvereinfachung möchten wir ohne eine Spitze gegen irgend jemand das Haus in diesem Punkte vor die Frage stellen, ob es mit der Verwaltungsvereinfachung einen Anfang machen will, indem es die Aufgaben dieses Ministeriums, das wir für überflüssig halten, auf diejenigen Ministerien überträgt, die der Sache nach seine Aufgaben wahrnehmen können. Meine Fraktion beantragt namentliche Abstimmung über diesen Antrag. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.

Robert Margulies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001420, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Ich bedauere, dem Herrn Kollegen Schoettle widersprechen zu müssen. Zunächst einmal ist schon allein die Auffassung, daß ein Ministerium die Ausgaben verursache, bei näherer Nachprüfung nicht haltbar. Das Ganze ist doch nur eine Frage der Organisation der Aufgaben. Herr Kollege Schoettle hat dargelegt und uns zu überzeugen versucht, daß die Aufgaben in anderer Organisationsform in gleicher Weise durchgeführt werden könnten. Ich möchte an das anknüpfen, was ich gestern hier von dieser Stelle aus gesagt habe. Die wirtschaftlichen Beziehungen innerhalb Europas machen mehr als die Hälfte des deutschen Außenhandels aus. Sie werden speziell durch die OEEC und die EZU, die Europäische Zahlungsunion, organisiert. Es ist unbedingt erforderlich, daß ein enger Kontakt mit diesen beiden Behörden stattfindet. Die Beziehungen, die sich doch nicht nur im Wirtschaftlichen erschöpfen - letztlich dienen die engen wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb Europas auch dem Ziel, der Einigung Europas näherzukommen -, sind besonders wichtig. Deshalb glaube ich auch für meine Fraktion sprechen zu können, wenn ich bitte, den Streichungsantrag abzulehnen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Herr Abgeordneter Schoettle!

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, daß der Kollege Margulies den Streichungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion bekämpft; dafür gibt es politische Gründe, dafür gibt es Gründe in den persönlichen Beziehungen und ich weiß nicht was noch alles, meinetwegen auch sachliche Gründe. Aber lieber Herr Kollege Margulies, machen Sie mir :als einem alten Fuhrmann auf dem Gebiete des Haushaltswesens doch nicht weiß, daß die Existenz eines Ministeriums nicht schon an sich Verwaltungsaufwand verursacht, der überflüssig ist. ({0}) Das haben wir ja erlebt! Meine Damen und Herren, setzen Sie einen Minister ohne Portefeuille irgendwo hin, und er wird zwangsläufig einen Verwaltungsapparat um sich herumbauen. Fragen Sie Ihre Kollegen aus idem Haushaltsausschuß, wie das bei den einzelnen Fällen gewesen ist, auf die ich noch zu sprechen komme. Da beginnt‘s ganz langsam und sachte, und jeder sagt: Es wird ja nicht so schlimm werden. Beim zweiten Haushalt, den man zu beraten hat, wird aus dem Regierungsrat schon ein Regierungsdirektor oder ein Ministerialrat, und sofort ist es notwendig, eine ganze Beamtenpyramide aufzubauen. Auch das ist eine Konsequenz der Schaffung solcher Ministerien. Ich möchte also unter allen Umständen den Eindruck bekämpfen, als ob die Schaffung von Ministerien für bestimmte Aufgaben so völlig harmlos sei und als ob man nicht echte Einsparungen machen könnte, wenn man Aufgaben, die man einem Sonderministerium zugeteilt hat, einem ordentlichen Ministerium zuweist. Dort muß man noch nicht gleich wieder alle Personalstellen bewilligen, die im alten Ministerium vorhanden waren. Da kann man sehr wohl etwas einsparen und konzentrieren. Ich bin nicht so töricht, zu behaupten, daß die Verwaltungsvereinfachung nur auf dem Wege des Abbaus von Ministerien zu erreichen sein wird. Da sind noch ganz andere Dinge notwendig. Darüber werden wir zu reden haben. Man wird ja auch einmal den Versuch machen müssen, das Haus bezüglich des so groß angekündigten Projekts der Einsparung in der Bundesverwaltung auf die Probe zu stellen. Was ist denn daran echt? Was ist nur Propagandagetöse? Was ist nur zur Beeindruckung der Öffentlichkeit gemacht? Das muß hier geklärt werden. Die Gelegenheit werden wir Ihnen geben. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, ist der Abgeordnete Bergmeyer da? Er hat nämlich zu diesem Plan einen Änderungsantrag eingereicht. - Es scheint nicht der Fall zu sein. Er brauchte nach der Vereinbarung im Ältestenrat ja auch nicht damit zu rechnen. ({0}) - Bitte, lassen Sie mich aussprechen. Ich unterbreche jetzt die Beratung, weil ich es nicht für fair halte, in Abwesenheit der Damen und Herren weiter zu verhandeln, zumal die betreffenden Herren nicht damit zu rechnen brauchten, daß die Dinge jetzt aufgerufen würden. Ich halte mich auch für verpflichtet, dem Herrn Minister Blücher Mitteilung zu machen, damit er noch zu dem Streichungsantrag Stellung nehmen kann. Auch das halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube, das Haus ist meiner Meinung. Ich unterbreche also jetzt die Beratung über Einzelplan 24. Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 30. ({1}) Die Sitzung wird um 14 Uhr 33 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Ich hatte zuletzt Einzelplan 24, Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, aufgerufen. Der Antrag Umdruck 404 der sozialdemokratischen Fraktion, der die Streichung dieses ganzen Etats wünscht, wurde bereits begründet. Daraufhin haben wir die Sitzung unterbrochen, weil wir alle der Meinung waren, daß dem Herrn Minister immerhin Gelegenheit gegeben werden sollte, zu einem solchen Antrag .etwas zu sagen. Ich erteile das Wort dem Herrn Vizekanzler.

Dr. h. c. Franz Blücher (Minister:in)

Politiker ID: 11000202

Herr Präsident! Ich darf mich bei meiner Stellungnahme zu diesem Antrage zunächst einer Pflicht entledigen, an die ich nicht geglaubt hatte: Ich wäre selbstverständlich sofort bei der Beratung meines Haushaltes anwesend gewesen. Aber die Nachrichten über die Arbeitseinteilung des heutigen Tages ließen nicht voraussehen, daß in den Mittagstunden über meinen Haushalt beraten werden würde. ({0}) Ich bitte ,gleichwohl das Haus um Nachsicht. Ich glaube, es ist eine Selbstverständlichkeit, daß ich keine Versicherung über das Bemühen auszusprechen brauche, dem Hause in jeder Weise die notwendige Achtung zu erweisen. Was nun den Antrag betrifft, so darf ich auf Ausführungen in der Vergangenheit hinweisen. Wenn auch die Marshallplanhilfe, deren Verwaltung ursprünglich eine der wesentlichen Aufgaben meines Hauses war, in ihrer Bedeutung zurückgegangen ist, so darf ich auf der anderen Seite darauf hinweisen, daß die Verwaltung eines mehr als 6 Milliarden DM betragenden Sondervermögens des Bundeseine Aufgabe eigener Art ist. Von dem Umfang der Arbeiten im einzelnen haben z. B. die Herren Kollegen aus Berlin eine besondens deutliche Vorstellung, sowohl was den ständigen Umfang der Arbeiten wie auch was die dauernd geänderte Aufgabenstellung betrifft. Wenn ich sage, daß dieses Sondervermögen in meinem Hause von insgesamt 24 Beamten, Angestellten und Arbeitern betreut wird, so tue ich das mit einem gewissen Stolz; denn es it nicht gut möglich, noch übersichtlicher und besser organisiert zu arbeiten. Auf der anderen Seite ist es aber völlig verkehrt, hierin die Hauptaufgabe des Hauses zu sehen. Die ganze Entwicklung in dem letzten Jahr hat immer eindeutiger gezeigt, daß eine Integration der europäischen Wirtschaft über einen gesunden, durchdachten, auf der Erfahrung beruhenden Funktionalismus der Weg ist, der am ehesten zum Erfolge führt. Meine Damen und Herren, Sie haben alle erst in den letzten Tagen die Berichte über die Ministerratssitzung der vorigen Woche gelesen, über die Weite der dort behandelten Probleme, über den Fortschritt auf dem Weg zur Befreiung des Zahlungsverkehrs, der nur ertragen werden kann, wenn gleichzeitig der bisher erreichte Fortschritt auf dem Wege der Freiheit des Warenverkehrs in Europaerhalten bleibt, und der ferner zur Voraussetzung hat, daß auch in der Zukunft Vorsorge für den Fortbestand gewisser vielseitiger Verrechnungssysteme getroffen wird. Sie kennen zu einem guten Teile den Umfang der hier laufend anfallenden Arbeiten und die Notwendigkeit, immer wieder eine einheitliche Meinung der Regierung durch Zusammenfassung der Ressorts auf diesen Gebieten durch mein Haus zu erzielen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch sagen, daß aus der Bezeichnung meines 'Ministeriums und aus meinem Organisationsplan selbstverständlich nicht der ganze Umfang meiner Arbeiten sichtbar wird. Es ist nicht zu vergessen, daß die fortschreitende Koordinierung der Gesetzgebung, der Verordnungen, der Beschlüsse auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik und daß auch die Vertretung des Herrn Bundeskanzlers eine bestimmte, wenn auch bescheidene organisatorische Untermauerung verlangen. Nehmen Sie das alles zusammen, dann möchte ich Sie sehr bitten, den Antrag doch zu überdenken und zu seiner Ablehnung zu kommen. Schließlich spricht, was den Haushaltsplan meines Ministeriums im einzelnen betrifft, noch etwas anderes mit. Wenn Sie sich die Zahlen dieses Haushaltsplanes für 1951, für 1952, für 1953, für 1954 und für 1955 ansehen, dann können Sie aus diesen Zahlen mühelos entnehmen, wie ich laufend von mir aus bemüht gewesen bin, die Ausgaben den veränderten und, was das rein Verwaltungsmäßige betrifft, verringerten Aufgaben anzupassen und im Laufe der eben genannten Jahre zu einer Senkung meines gesamten Haushaltes von mehr als 3 Millionen DM zu gelangen. Ich glaube, auch das dürfte eine ausreichende Gewähr dafür geben, daß ich dauernd die Aufgabenstellung überwache und daß ich mich den öffentlichen Finanzen gegenüber so benehme, wie das von jedem erwartet werden kann. Ich halte den Ihnen vorgelegten Haushaltsplan für ein Minimum, das zur Bewältigung der gestellten Aufgaben notwendig ist. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort zu Einzelplan 24 weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu Einzelplan 24. Ich rufe jetzt auf, wie vereinbart, Einzelplan 04 unter Ausklammerung des Kanzlergehalts in Verbindung mit Einzelplan 35. Also: Einzelplan 04 für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts ({0}) und Einzelplan 35: Verteidigungslasten ({1}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Blank ({2}). Dr. Blank ({3}) ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bezüglich der Kapitel 01 und 03 des Einzelplans 04 darf ich nach dem Vorbild meiner Kollegen aus dem Haushaltsausschuß auf den erstatteten Schriftlichen Bericht verweisen. Ich bin aber dem Hohen Hause eine Erklärung darüber schuldig, warum die Kapitel 04 und 05, die sich mit der Dienststelle Blank in Bonn und ihrer Außenstelle in Koblenz befassen, in dem Schriftlichen Bericht überhaupt nicht erwähnt sind. Das ist deshalb geschehen, weil schon im vorhinein vereinbart war, daß diese beiden Kapitel in der zweiten Beratung des Haushalts 1955 mit dem Einzelplan 35, dem Haushalt für die Verteidigungslasten, zusammen beraten werden sollten. Außerdem wurden diese beiden Kapitel wegen der Unklarheit über das zukünftige Schicksal im Augenblick der Aufstellung des Haushaltsplans 1955 unverändert aus dem Vorjahre übernommen, und in dieser Weise sind sie auch vom Haushaltsausschuß verabschiedet worden. Wir wissen alle, daß die Dinge sich im Laufe dieses Haushaltsjahres noch wesentlich ändern werden und ändern müssen. Aber es wäre falsch, wenn ich darüber jetzt etwas sagen wollte. Ich wollte hier nur die Erklärung geben, warum die Kapitel 04 und 05 in meinem Schriftlichen Bericht*) nicht erwähnt sind. *) Siehe Anlage 21

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Bevor ich die allgemeine Aussprache eröffne, rufe ich noch, unserer Arbeitstechnik entsprechend, die Anträge auf: Umdruck 399 *) zu Einzelplan 04 und die Umdrucke 408 **) und 413 ***) zu Einzelplan 35. Wer begründet? - Es sind alles Anträge der SPD. - Herr Abgeordneter Erler!

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anläßlich der Beratung dieses Haushalts möchte ich mich nicht darauf beschränken, zu dem Hauptantrag Stellung zu nehmen, den die sozialdemokratische Fraktion Ihnen hiermit vorlegt, sondern ich möchte darüber hinaus auch - es handelt sich um ein neu geschaffenes Ministerium - einige Bemerkungen über die Organisation des Ministeriums und über die Art und Weise seiner ersten öffentlichen Lebensäußerungen machen. Wir finden, daß der Herr Minister einen schlechten Start gehabt hat, und das wäre eigentlich gar nicht nötig gewesen. Wir finden, daß - auch durch Handlungen bis in die letzten Tage hinein - das Verhältnis zwischen dem Bundestag und gerade diesem Ministerium, das eigentlich besonders gut sein sollte, über Gebühr strapaziert worden ist. Wir haben zu unserem Erstaunen gelesen, daß gerade einen Tag vor der Aufnahme der Haushaltsberatungen, von denen man wissen konnte, daß natürlich auch über dieses Ministerium beraten wird, der Herr Verteidigungsminister zu einem dreitägigen Besuch nach Paris gereist ist. Es freut uns, daß er immerhin heute hier zu den Beratungen erschienen ist. Aber es scheint eines leisen Winkes der Erinnerung an die parlamentarische Selbstverständlichkeit bedurft zu haben, daß gerade dieser Haushalt nicht ohne den Minister beraten werden kann. ({0}) Vermutlich hätten wir ihn sonst gestern und nicht erst heute beraten. Aber es handelt sich ja nicht nur darum. In der vergangenen Zeit ist noch mehr passiert. Etwas, was die ganze Öffentlichkeit mit, das darf ich sagen, überwiegend großem Befremden aufgenommen hat, war die erste Vorlage, die im Zeichen des neuen Ministeriums den parlamentarischen Körperschaften zugeleitet worden ist: das Freiwilligengesetz. Gestatten Sie mir hier ein ganz offenes Wort über das Verhältnis zwischen dem Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit und dem damaligen Leiter der Dienststelle des Bundeskanzlers für alle diese Fragen. Wir waren in diesem Ausschuß von der Überzeugung ausgegangen, daß all das, was die Dienststelle an gesetzgeberischen Vorarbeiten beabsichtigt, zur Erleichterung der künftigen Arbeiten dieses Hauses in der Planung einmal vorbereitend mit dem Ausschuß besprochen werde, einfach um die gegenseitigen Meinungen auch zu den Details kennenzulernen. Von einem solchen Gesetz, wie es uns hier vorgelegt worden ist, von dem Freiwilligengesetz, war im Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit nie die Rede. *) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 10. Nun, sicher, die Bundesregierung kann sich hinter dem Einwand verschanzen: „Das Parlament hat ja Zeit genug, sich mit allen Gesetzen zu befassen, die ihm normal auf dem Wege über den Bundesrat zugehen." Das ist völlig richtig. Aber bei dieser Materie zeigt doch diese Art des Vorgehens, noch dazu mit dem Zeitdruck, unter den man den Bundesrat gesetzt hat und über den sich der Bundesrat mit Recht empört hat, wie wenig Gewicht man der ganzen bisherigen Arbeit und den eigenen Erfahrungen in diesem Ausschuß zumißt, und zwar bei der Regierung selbst. ({1}) Meine Damen und Herren, so kann doch nicht das aufkeimen, was gerade dann so bitter notwendig ist, wenn man in einem demokratischen Staatswesen etwas schafft, was ihm bisher noch nicht zugewachsen war, nämlich ein Stück bewaffneter Macht. Wenn sich das in diesem Klima vollzieht, dann ist für die innenpolitische Entwicklung unseres demokratischen Staatswesens gleich im Beginn eine gefährliche Situation gegeben. Deshalb muß dass Par lament - auch wenn uns diese Vorlage glücklicherweise noch gar nicht erreicht hat, und ich hoffe, sie erreicht uns nie, Herr Minister ({2}) zu den Fragen, die mit dieser Vorlage im Zusammenhang stehen, und vor allem zur Methode des Vorgehens hier an dieser Stelle einiges sagen. Man kann nicht gegebene Worte, Erklärungen der Regierung gleich beim ersten gesetzgeberischen Ansatz einfach über Bord gehen lassen. Wir haben früher immer gehört - nicht nur in dem Ausschuß, sondern in der gesamten Öffentlichkeit -, daß, wenn es je an die Aufstellung bewaffneter Verbände gehen sollte, man drei wesentliche Prinzipien einzuhalten fest entschlossen sei. Das erste: die zivile Leitung, damit nicht wieder die bewaffnete Macht zum Staat im Staate wird und unter Umständen einmal die politischen Entscheidungen durch ihr Schwergewicht beeinflußt und überwuchert. Zum zweiten: die parlamentarische Kontrolle, damit auch und gerade bei den bewaffneten Streitkräften, wo es vielleicht noch nötiger ist als bei der übrigen Exekutive, das Parlament seine Aufgaben der Gestaltung durch die Gesetzgebung und durch den Haushaltsplan und der Kontrolle der Einhaltung der von ihm gegebenen Richtlinien auch tatsächlich ausüben kann. Zum dritten war von einer sorgfältigen Personalauslese die Rede, damit nicht durch eine allzu einseitige Personalauswahl die Gefahr entsteht, daß das, was man aufbaut, die Armee der Regierung oder der Regierungsparteien oder einer Regierungspartei wird, sondern wenn schon, dann ein Instrument der Nation und niemandes anderen. Das war der eine Grundsatz, und der andere war, daß man durch eine sorgfältige Personalauslese zu verhindern entschlossen gewesen war, daß allzuviel an nicht immer guten Traditionen einfach durch das Schwergewicht der Personen in das neu zu Schaffende hineinfließen würde. Das waren alles Grundsätze, die unsere volle Unterstützung gefunden haben, und Sie würden bei Einhaltung dieser Prinzipien in jedem einzelnen Falle darauf rechnen können, daß gerade wir entschlossen sind, auf ihre gesetzliche Sicherung ({3}) und auf die Überwachung der Einhaltung dieser Sicherungen durch das Parlament mit zu achten. ({4}) Das ist die Aufgabe der Opposition. Aber was ist geschehen? Statt dessen wurde der Torso eines Gesetzes vorgelegt, von dem ein Parteifreund der größten Partei dieses Hauses, Minister Sträter von Nordrhein-Westfalen, in der Bundesratssitzung nackt und bloß festgestellt hat: Es handelt sich um ein Drei-Paragraphen-Blitzgesetz. Das war nicht nur eine Überschrift, sondern auch eine Wertung. Der Bundesrat hat sich über den fast unwürdigen Zeitdruck beklagt, unter den man ihn dadurch gesetzt hat, daß man ihm einige wertvolle Beratungstage einfach durch das Dazwischenschalten der Pfingstfeiertage genommen hat. Alle wesentlichen Dinge, die man eigentlich hätte regeln müssen, bevor man an 'die Einberufung auch nur des ersten Freiwilligen denkt, sind in diesem Gesetzentwurf praktisch ungeregelt geblieben. Der Bundestag weiß nichts über die Organisation, die im Zusammenhang mit der Einberufung dieser Freiwilligen beabsichtigt ist; denn diese werden doch wahrscheinlich nicht alle als Individuen auftreten, sondern in irgendeiner Form - das gehört nun einmal zu diesem Instrument - gruppiert und organisiert werden. Der Bundestag weiß nichts über die Spitzengliederung, aus der allein man ersehen kann, ob es mit der zivilen Leitung auch der bewaffneten Macht ernst gemeint ist, und der Bundestag weiß nicht, wie man das verkündete Prinzip ieiner guten Personalauslese auch durch die Schaffung gesetzlich begründeter Institutionen zu sichern gedenkt. Auf all diesen Gebieten sind praktisch nur Ermächtigungen gegeben worden. Glaubt man, mit der Organisationsgewalt der Bundesregierung weitgehend auszukommen? Man hat es erlebt, daß man - ,um nur ein weiteres Beispiel zu nennen - die Mittel, die man für die ersten Organisationen über die bisherige Dienststelle hinaus braucht, vom Haushaltsausschuß schon zu verlangen gewagt hat, bevor die dem Haushaltsausschuß zugedachte Ermächtigung, die auch dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit zugedacht war, in diesem Hause überhaupt beschlossen und Gesetz geworden ist. ({5}) Mit diesem Verfahren, meine Damen und Herren, sind tatsächlich alle Zusagen, die man einmal gemacht hat, entwertet worden. Meint man wirklich, daß auf diese Weise ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit von Erklärungen von Mitgliedern dieser Regierung geleistet wird? Ich glaube es nicht. Auf alle Fälle: was man mit diesem Gesetzentwurf auch beabsichtigt haben mag, gegen eine Vorstellung müssen wir uns gleich wehren: Terminbefristungen nützen nichts. Es gibt einen alten französischen Satz: Rien n'est plus durable que le provisoire, nichts ist 'dauerhafter als das Provisorium, und wir sind ja alle ein wenig Zeugen für die Richtigkeit dieses Satzes in diesem Hause, in dieser Stadt. ({6}) Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat sich zu den Gefahren, die aus einem solchen Provisorium entstehen, das eine Bundestagsmehrheit jederzeit verlängern kann, wenn sie sich erst einmal entschlossen hat, zu Anfang schon den falschen Weg zu gehen - da kann man sich nicht einfach auf Zusagen für die Zukunft verlassen; da müssen wir selber handeln -, klar und unmißverständlich geäußert. In dem Protokoll über seine Sitzung vom 10. Juni 1955 heißt es in den Ausführungen des Berichterstatters Dr. Sträter auf Seite 136 zu diesem Thema: Immer wieder wurde der Befürchtung Ausdruck verliehen, daß dieses Gesetz und seine Verwirklichung zwar nur etwas Vorläufiges schaffen wolle, zugleich aber das Endgültige präjudiziere. Es bestehe die Gefahr, daß das als vorläufig Gewollte das gewollte Endgültige vorwegnehme. Deshalb wurde im Ausschuß ein rechtlich und politisch klarer Start der Wehrgesetzgebung verlangt. Man könne Verantwortung nur mit übernehmen, wenn klar sei, wohin die Reise gehe. Am Anfang würden die Weichen gestellt. Die deutsche Wehrpolitik müsse aus politischer Entscheidung und nicht aus der Heimlichkeit der Macht der Tatsachen entstehen. Es werde mit der Aufstellung der Streitkräfte begonnen, ohne daß vorher die wehrpolitischen und verfassungspolitischen Grundsatzfragen geklärt seien. Man schaffe die ersten Kader einer Truppe, ohne Klarheit zu haben über die Einordnung der Streitkräfte in unseren Staat und in unsere Gesellschaft. Und das in einer Situation, wo alles darauf ankomme, die wehrpolitischen Fragen in ihrer Gesamtheit zu sehen und so zu lösen, daß die Streitkräfte reibungslos in unseren Rechtsstaat eingefügt werden, der auf Demokratie und föderativer Ordnung beruhe. Meine Damen und Herren, soweit der Bundesrat. Dieser vernichtenden Kritik ist eigentlich nichts hinzuzusetzen. Ich bin davon leider überzeugt, daß, wenn wir nicht, bevor es Streitkräfte gibt, die entscheidenden Bestimmungen über die Einordnung der Streitkräfte und ihren Platz im demokratischen Staate in diesem Hause schaffen, sich das nachher von selber regelt, und zwar nach den Bedürfnissen der Streitkräfte und nicht nach den Bedürfnissen der parlamentarischen Demokratie. ({7}) Sind da nicht vielleicht auf manchen Gebieten sogar schon vollendete Tatsachen geschaffen worden? Ich hatte schon einmal das Vergnügen, dem Hohen Hause eine der Regierung etwas unbequeme eigene Äußerung vorzulegen, die sie an einer Stelle abgegeben hat, die nicht für die deutsche, sondern für die ausländische Öffentlichkeit bestimmt ist. Ich empfehle Ihrer Aufmerksamkeit, als sehr schätzenswerte Quelle das Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung auch einmal in englischer Sprache zu lesen. Da stehen mitunter ganz erstaunliche Dinge drin. So heißt es auf Seite 2 am 9. Juni - also ganz frisch -: Diese Freiwilligen-Streitmacht, die künftige Berufsarmee, Flotte und Luftwaffe, soll eventuell 150 000 Mann zählen. Zur gegenwärtigen Zeit ist es geplant, so um 10 000 Mann einzustellen. Diese werden 22 Generale einschließen, die als Kommandeure für die geplanten 12 Divisionen und andere Schlüsselpositionen in den Streitkräften ausersehen sind. Da es angesichts ihres vorgeschrittenen Alters nicht möglich war, auf die Generale der früheren Wehrmacht zurückzugreifen - 1945 gab es rund 1400 -, ({8}) ist auf frühere Obersten zurückgegriffen worden, ({9}) die in der Zwischenzeit das Alter erreicht haben, das nach Meinung des deutschen Verteidigungsministeriums für wünschenswert gehalten wird: 50 bis 55 Jahre. Und einige Zeilen weiter heißt es: Eine erste Gruppe von 200 deutschen Fliegern ist für die Teilnahme an NATO-Ausbildungskursen ausgewählt worden. Ich bin begierig, vom Herrn Minister einmal zu erfahren, was es mit diesen Bekundungen auf sich hat. Entweder ist das Bundespresse- und Informationsamt über das Ziel hinausgeschossen - dann ist das nicht gerade ein überwältigendes Zeichen für seine Wahrheitsliebe unseren Bundesgenossen gegenüber -, oder aber diese Äußerungen sind wirklich wahr - dann ist es noch schlimmer; denn dann zeigt das, daß man schon personelle Vorbereitungen getroffen hat, bevor überhaupt irgendeine Grundlage für das so lange angekündigte Personalausleseverfahren geschaffen worden ist. ({10}) Meine Damen und Herren, wir werden uns zu späterer Zeit über die Prinzipien der Annahme von Freiwilligen und ihrer Auslese anläßlich der eingebrachten und Ihnen bekannten Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei noch unterhalten. Die Bundesregierung wird dann Gelegenheit haben, diesen ganzen Fragenkomplex in aller wünschenswerten Breite vor dem Hohen Hause zu behandeln. Aber es versteht eigentlich niemand, warum das so schrecklich eilt. Muß man denn unbedingt durch ein solches Blitzgesetz etwas schaffen, von dem man sich einbildet, es sei ein Fait accompli für die Viermächtekonferenz am 18. Juli? Bis dahin gibt es mit und ohne Blitzgesetz noch keine Streitkräfte; also der außenpolitische Nutzen, den sich der Herr Bundeskanzler vielleicht von diesem Gesetz verspricht - ich möchte zugunsten des Ministers und Kollegen Blank annehmen, daß die Verantwortung des Kanzlers an diesem Gesetz wahrscheinlich wesentlich größer ist als seine eigene, ({11}) auch wenn er sich mutig vor den Herrn Bundeskanzler stellt -, tritt gar nicht ein. Das kann man Ihnen unbesehen glauben, daß niemand Zweifel daran hat, daß der Herr Bundeskanzler entschlossen ist, die von ihm selbst durchgesetzten Verträge loyal auszuführen. Zu diesem Beweis brauchte es des Freiwilligengesetzes wahrhaftig nicht. Aber lohnt es, um eines so fragwürdigen Zieles willen unser gesamtes innenpolitisches Leben dieser schweren Belastungsprobe auszusetzen? Lohnt es, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die vielleicht uns alle einmal wieder unter sich begraben kann? Ich meine: nein! Lohnt es, außer dieser Gefahr für die Demokratie, auch noch denen, um die man sich dabei bemüht, einen Bärendienst zu erweisen? Denn die Soldaten, die man einstellen will, auf deren treue Pflichterfüllung man rechnen muß - sonst hat die ganze Sache überhaupt keinen Sinn -, kommen doch durch ein solches Verfahren auch nur ins Zwielicht. Was soll denn das heißen, daß man ihnen den Status des Beamten auf Probe verleiht? Es ist schon in der Öffentlichkeit darüber eine solche Reihe bissiger Bemerkungen gemacht worden, daß ich es mir ersparen kann, zu dieser Idee hier weitere Ausführungen zu machen. Aber eines wollen wir festhalten: Den unbestreitbaren Konflikt zwischen den Notwendigkeiten eines militärischen Befehls- und Gehorsamsverhältnisses auf der einen und den Grundrechten unserer Verfassung auf der anderen Seite können Sie doch nicht so, wie das jetzt mit diesem Gesetz eintreten würde, absolut auf dem Rücken der Soldaten austragen, denen Sie das zumuten; das geht nun schon ganz und gar nicht. Diese Dinge müssen um der Demokratie und auch um der Menschen willen, um die es dabei geht, sauber und ordentlich geregelt werden. ({12}) Noch ein Wort zu jener Vorlage des Bundesfinanzministers, die in den Bundesratsberatungen eine so große Rolle gespielt hat und von der ich schon kurz gesprochen habe. Auch bei dem Verwaltungsaufbau, der in dieser Vorlage plötzlich in manchen Einzelheiten geschildert wird, weicht man erheblich von allem ab, was bisher darüber von der Regierung selbst verlautete. Bisher hat es geheißen, daß man möglichst wenig an eigenen Wehrmachtsdienststellen haben soll, daß möglichst viel allein im Bereich des Zivilen zu bleiben hat. Jetzt müssen wir dem Wortlaut des Anforderungsplans entnehmen, daß eine sehr umfassende Bundesdienstverwaltung geplant ist. Es ist die Rede von Wehrbereichsverwaltungen, Bereichsgebührnisstellen, Standortverwaltungen, Wehrersatzämtern für Bereiche, Bezirke und Kreise, dann von Aufstellungsgruppen und Annahmestellen, einem technischen und einem zentralen Beschaffungsamt. Das letztere ist weniger schlimm. Aber dann ist zur Abwechslung auch einmal wieder die Rede von militärischen Bischofsämtern. Das nur zur Vervollständigung dieser Skala. Was die Länder und auch uns besonders unruhig gemacht hat, das ist diese ganze Skala von Wehrersatzämtern von den Kreisen bis hinauf zur Zentrale, womit klar wird, daß dieser ganze Bereich praktisch in die militärische und nicht in die zivile Ordnung einbezogen wird, ({13}) auch wenn die Beteiligten Zivilisten sind. Entscheidend ist doch hier, bei welchem Verwaltungszweig diese Aufgaben angepackt werden. Zusammenfassend möchten wir zu diesem Fehlstart auf dem Gebiete der Gesetzgebung meinen, daß der Bundestag dafür zu sorgen hat, daß nicht ein einziger Mann einberufen wird - auch als Freiwilliger nicht -, bevor der Mann weiß und bevor wir wissen, wem dieser Mann zu gehorchen hat. ({14}) Die Fragen des Oberbefehls, die Fragen des Notstands, die beim Bundesleistungsgesetz, das ja schon in Gang gesetzt worden ist, auch eine große Rolle spielen, der Verhinderung eines innenpolitischen Mißbrauchs dieser Organisation müssen klar sein, bevor an die Schaffung der Organisation gegangen wird; denn hinterher ist es zu spät. Es darf keinen Mann geben, bevor man weiß, wie die Organisation aussieht, in die er eingebaut wird, wie es mit der zivilen Leitung, der parlamentarischen ({15}) Kontrolle, dem inneren Aufbau und der Verwaltung des Ganzen aussieht. Es hat im Bundesrat einen Trostpreis gegeben. Man hat im Bundesrat gesagt, die Streitkräfte würden nach der Regelung unseres Grundgesetzes dem Verteidigungsminister als Befehlshaber unterstellt. Wir finden, daß damit im Prinzip durchaus schon der richtige Weg beschritten ist. Aber Sie kennen doch alle das Grundgesetz, Sie wissen doch, daß nach unserem Grundgesetz die Herren Minister, auch wenn sie Minister heißen, doch nur Erfüllungsgehilfen des Herrn Bundeskanzlers sind. ({16}) - Doch, sie sind Staatssekretäre. ({17}) - Wir wollen uns jetzt nicht darüber einlassen, Herr Minister, wer auf diesem Gebiet mehr oder weniger studiert hat. Aber das hier ist eine politische Frage! ({18})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Ich nehme an, daß Sie mit dem Ausdruck „Erfüllungsgehilfe" nichts Unziemliches oder Nachteiliges gemeint haben.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Um Himmels willen!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das war nicht Ihre Absicht. Ich stelle das fest.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerade bei einem Juristen - der Herr Innenminister ist ein Jurist - habe ich vorausgesetzt, daß er an dem Begriff „Erfüllungsgehilfe" im Rechtssinne keinen sittlichen Anstand nimmt. ({0}) Meine Damen und Herren, Sie haben keinen Einfluß auf die Auswahl der Minister. Sie kennen den Ministern nicht einmal ein Mißtrauensvotum aussprechen. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik. Das ist unsere Verfassungswirklichkeit. ({1}) - Darum geht es doch gar nicht, wer das Grundgesetz beschlossen hat. Ich schildere, wie es aussieht. Ich klage auch das Grundgesetz gar nicht an, sondern ich meine, daß ,angesichts dieser Gestaltung des Grundgesetzes, wenn Sie das so lassen, wie es jetzt dasteht, der tatsächliche Oberbefehlshaber - so wollen Sie es ja auch, und deshalb regen Sie sich so auf - nicht der Verteidigungsminister, sondern der Bundeskanzler selber ist. Das ist doch der Sachverhalt. ({2}) - Na, meine Damen und Herren, ich habe im Vergleich zu manchen heißen Redeschlachten hier ziemlich milde gesprochen, und ich glaubte dem Hohen Hause einen Dienst erwiesen zu haben, indem ich dafür sorgte, daß es bei den Haushaltsberatungen nicht immer ganz so müde zugeht. ({3}) Haben Sie doch Verständnis dafür! Schließlich sind ja dann auch Zwischenrufe gekommen, auf die einzugehen doch wohl das Privileg eines jeden Redners ist. Das gehört nun einmal als Salz zu den Debatten im parlamentarischen Leben. Darüber wollen wir uns nicht gleich empören. Doch nun zurück zum Oberbefehl! Wenn Sie es ernst meinen mit der Idee, die der Herr Bundeskanzler dort niedergeschrieben hat, daß tatsächlich der Verteidigungsminister den Oberbefehl ausüben soll, dann müssen Sie dafür sorgen, daß dem Herrn Verteidigungsminister auch etwas mehr an Macht und Rückgrat gegenüber dem jeweiligen Bundeskanzler zuwächst - gerade die Geschichte dieses verunglückten Gesetzentwurfs zeigt es nämlich, wie bitter nötig er das hat -, ({4}) so ähnlich, wie wir im Grundgesetz ganz bewußt einem anderen Minister auch etwas das Rückgrat gestärkt haben - und er nützt das auch in Ihrem Interesse erfolgreich aus -, das ist der Herr Bundesminister der Finanzen, der im Kabinett auch eine andere Stellung hat als die übrigen Minister. Da meinen wir, daß es die logische Konsequenz wäre - und das muß man eben regeln, bevor es Verbände bewaffneter Art gibt -, die Stellung des Verteidigungsministers so auszugestalten, daß er das Vertrauen des Parlaments genau so hat wie der Bundeskanzler. ({5}) Meine Damen und Herren, wir haben uns nun heute nicht mit der gesamten künftigen Wehrverfassung zu befassen - ich habe nur die Lücken aufgezählt, die dieses Gesetz jetzt zwangsläufig sichtbar werden läßt -, ({6}) sondern wir wollen uns jetzt einmal dem Haushaltsplan im engeren Sinne zuwenden. Da gibt es einen interessanten nachrichtlichen Vermerk zu Kap. 04 04, der besagt, daß bei diesem Kapitel die Ansätze von 1954 ohne Erläuterungen unverändert aufgenommen worden sind. Das hat auch der Herr Berichterstatter ausgeführt. Ein Voranschlag, so heißt es in dem Vermerk, wird nachgereicht werden, sobald die politische Entwicklung das rechtfertigt. Meine Damen und Herren, das Blitzgesetz, die Blitzvorlage des Herrn Bundesfinanzministers lassen uns fragen: Wo ist eigentlich dieser richtige Voranschlag? Ist denn eigentlich in dem Ministerium, in der früheren Dienststelle, auf gar keinem Gebiete irgend etwas so ordentlich vorbereitet worden, daß sich an dem Tag, den Sie sich nach Ihrer eigenen Politik doch ungefähr ausrechnen konnten, an dem Tag, an dem die politische Entwicklung das rechtfertigt, das Parlament mit ordentlichen und nicht mit provisorischen Vorlagen hätte befassen können? ({7}) Der Haushalt enthält eine Reihe von sehr globalen Summen, und dann soll eine Ermächtigung erteilt werden. Davor möchten wir Sie warnen. Es heißt nämlich, daß dieser einen Summe von 5,2 Milliarden DM, die also nach Abzug der Stationie({8}) rungskosten, für die eigentlichen Aufwendungen in deutscher Zuständigkeit übrigbleibt, entnommen werden a) die Kosten für den Aufbau und die Unterhaltung der deutschen Streitkräfte und b) die Kasten für die Verteidigungsverwaltung mit ihren nachgeordneten Dienststellen. Die Mittel sind in Nachträgen zum Haushaltsplan 1955 im Rahmen eines neuen Einzelplanes 14 einzeln zu veranschlagen. Das war ein lobenswerter Grundsatz. Wenn man sich an diesen Grundsatz hält, dann könnte das Parlament in jeder Einzelheit mit Hilfe seiner Haushaltsrechte verfolgen und auch beeinflussen, was nun mit den Männern geschieht, wie sie ausgerüstet werden, welche Organisation das Ganze hat. Sie wissen, ,die Beschlußfassung über ,den Haushaltsplan und die Überwachung der Einhaltung dieser Beschlüsse bilden eine der wesentlichsten Grundlagen der parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten überhaupt. Aber es geht jetzt weiter. Ihnen schlägt der Haushaltsausschuß weiter vor, zu beschließen: Mit Zustimmung des Haushaltsausschusses und des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit des Deutschen Bundestages dürfen Mittel für besonders dringliche Maßnahmen vor der Verkündung der Haushaltsnachträge bereitgestellt werden. Meine Damen und Herren, vor dieser Ermächtigung an Ausschüsse des Hauses möchte ich warnen. Das ist gar kein Mißtrauen gegen diese Ausschüsse; das ist einfach keine ordentliche Gesetzgebung. Beschlüsse über den Haushaltsplan, über die Kapitel und Titel des Haushaltsplans sind Gesetze, die wir alle mit unserer Verantwortung dekken müssen. Da sollten wir keine Blankoschecks ausstellen. Daher beantragen wir mit Umdruck 413 - das ist der Antrag, den zu vertreten ich hier die Ehre habe -, daß wir diesen Satz über die Ermächtigung der Ausschüsse streichen und ihn ersetzen durch den Satz: Vor der Verabschiedung der Haushaltsnachträge dürfen Mittel nicht verwendet werden. Nur so kann sich das Parlament dagegen sichern, vor Tatsachen gestellt zu werden, von denen es nichts weiß. ({9}) Wir haben die Aufgabe doch auch sonst gelöst, bei jeder neuen Behörde zunächst einmal das Organisationsgesetz zu beschließen und die Mittel bereitzustellen, selbst in Zeiten, in denen die Haushaltsberatungen nicht so relativ weit gediehen waren wie in diesem Jahre, wenn wir von der allerersten Aufbauzeit des Haushaltsjahres 1949/1950 absehen. Ich glaube, daß gerade hier auf diesem lebenswichtigen und für unser innerpolitisches Leben entscheidenden Gebiet das Parlament sich gar nichts aus der Hand nehmen lassen darf. ({10}) Wie solche Ermächtigungen mißbraucht werden können, was damit unter Umständen beabsichtigt ist, an weitgehenden Regelungen durchzuführen, ohne es überhaupt zu fragen, dafür bietet ja die Vorlage des Herrn Bundesfinanzministers vom 6. Juni, von der ich vorhin sprach, einen einleuchtenden Beweis. Wir meinen, daß alle Einzelpläne vom Parlament ordentlich, mit Stellenplan und Organisationsübersicht, verabschiedet werden müssen. Seien Sie doch nicht so ängstlich! Nirgendwo in der Welt gibt es so viele „Geheime .Kommandosachen" wie bei uns. ({11}) Nirgendwo wird ein solcher Unfug mit der Geheimniskrämerei getrieben wie in Deutschland. ({12}) Das hat überhaupt nichts mit der Sicherheit der Nation, sondern fast alles mit der Bequemlichkeit der Behörden und der Scheu vor öffentlicher Kritik zu tun. ({13}) Diese Dinge gehören in die öffentliche Beratung. Auch die Wehrhaushalte .anderer Länder - ich habe schon zu Weihnachten als Weihnachtsglückwunsch dem Herrn Bundeskanzler einen Ausschnitt aus Verhandlungen im Schweizer Parlament geschickt, wo sie beraten haben, wieviel und welche Sorte Panzer sie anschaffen wollen für die Schweizer Armee - werden weitgehend in den Einzelheiten öffentlich beraten. Dort, wo wirklich einmal ein Problem der nationalen Sicherheit und eines echten Geheimnisschutzes auf dem Spiele steht, da würde auch der Bundestag wie bisher jedes Parlament Mittel und Wege finden, um das zu sichern. ({14}) Das ist doch gar keine Frage. Aber wir müssen den Grundsatz verlassen, daß alles, was auch nur von fern an dieses Thema rührt, geheim wird. Meine Damen und Herren, die Gestellungsbefehle, die unter Umständen auf Grund eines Wehrpflichtgesetzes verschickt werden, bleiben .den Betroffenen doch auch nicht geheim! ({15}) - Na ja, bitte; ich will Sie nur ermuntern, ermutigen, im guten Sinne ermutigen, von Ihren Rechten auch als Parlamentsmehrheit sich nichts nehmen zu lassen. ({16}) Meine Damen und Herren, ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit gehört auch in einem Staate mit strenger Gewaltenteilung, jawohl, eine Portion Wachsamkeit, wenn Sie so sagen wollen, von mir aus auch Mißtrauen, ({17}) der staatlichen Apparatur, der Exekutive gegenüber zu den Tugenden und nicht zu den Lastern der Demokratie. ({18}) Was jedenfalls nicht angängig ist, ist, daß man uns immer damit abspeist, die Sowjetunion würde sich dafür interessieren. Meine Damen und Herren, Hand aufs Herz: Die Einzelheiten über 6- oder 10 000 Freiwillige, die jetzt aufgestellt werden, interessieren die Sowjetunion vermutlich erheblich weniger als die ganz offen diskutierten Zahlen über die veränderte Stärke der amerikanischen Streitkräfte, die Sie - bis auf den letzten Mann - in den Veröffentlichungen des amerikanischen Parlaments nachlesen können. Das ist für die Russen viel wichtiger. Hier sollen wir also nicht so kleinlich sein und sollen den Mut zu öffentlicher Aus({19}) sprache haben, und zwar vom ganzen Parlament her. Das ist wirklich eine gemeinsame Aufgabe. Damit lassen Sie mich auch noch die Frage des Verhältnisses dieses Hauses zu seinen Ausschüssen anschneiden. Wir haben uns ja schon öfter einmal in den Ausschüssen selbst, und zwar in den theoretisch durch die Vertraulichkeit geschützten Ausschüssen, die sich in dieser Rolle gar nicht wohlfühlen, darüber unterhalten. Ich glaube, wir müßten die Regel umdrehen. Nicht: alles ist vertraulich, und man darf gelegentlich einmal einen Seufzer tun, wenn es ausdrücklich beschlossen wird, sondern: im Prinzip sind die Ausschüsse normale Ausschüsse des Bundestages, und wenn es wirklich einmal an vertraulich zu haltende Materien herangeht, dann muß das im Einzelfall beschlossen werden. So sollten wir die Regel umdrehen. ({20}) Die geheime Kommandosache war noch nie ein Symbol der Demokratie, sondern immer nur das Symbol undemokratischer Staaten, und deshalb sollten wir sie so schnell wie möglich abschaffen. Oder sind Sie wirklich der Meinung - wenn ich mal so einiges aus den streng vertraulichen Tagesordnungen des Sicherheitsausschusses hier sage; das nehme ich mir heraus, Herr Kollege Jaeger -, daß die Fragen der Wehrverfassung, die Fragen der Rechtsstellung der Soldaten, möglicherweise ihres Wahlrechts, die Frage, ob es Vertrauensmänner gibt oder nicht, die Fragen ihrer Besoldung einer Geheimhaltung bedürfen? ({21}) Wir wollen uns gar nicht über die Gründe unterhalten, weshalb in der, Vergangenheit, und zwar schon im 1. Deutschen Bundestag, bei manchen Ausschüssen Geheimhaltung beschlossen worden ist. Sie wissen genau wie ich, diese Gründe sind weitgehend weggefallen. Ich meine, daß das Haus denen, die die Gestaltung dieser Arbeiten für uns alle mit verantworten, auf den Weg geben sollte, so schnell wie möglich nach den Prinzipien zu verfahren, von denen ich hier eben sprach. Aber es gibt nicht nur die Frage: Geheimnisschutz oder nicht, hier im Hause. Wie geradezu kindlich wir nach wie vor Geheimniskrämerei betreiben, dafür ein entzückendes Beispiel. Neulich wurden ganz streng vertraulich und streng geheim auf einem Flugplatz in der Nähe von Düren Schulflugzeuge vorgeführt, und ein paar Journalisten wurden festgehalten, weil sie es gewagt hatten, sich den Flugzeugen zu nähern. Das war Mitte Mai. Alle Flugzeuge, die dort vorgeführt wurden, können Sie 'dadurch genau kennenlernen, daß die Firmen, die sie zu verkaufen haben, Ihnen den Prospekt per Drucksache frei ins Haus schicken, wenn Sie ihn bestellen. ({22}) Die Flugzeuge waren so wenig aufregend, daß einige der deutschen Sachverständigen, die dabei gewesen sind, sich über diese „müden Vögel" erbittert beklagt haben. ({23}) Meine Damen und Herren! Wenn man schon im Bundestag Beschlüsse faßt, die zu bestimmten politischen und organisatorisch en Konsequenzen beim Aufbau von Streitkräften führen, - dann stehen Sie doch auch zu Ihren Taten; das gehört dann doch mit dazu! ({24}) Dann dürfen Sie diese Dinge nicht geheimhalten; das ist einfach lächerlich. Ich mache weiß Gott nicht die Bundestagsmehrheit dafür verantwortlich - Sie haben gar nichts damit zu tun -, sondern ich hoffe nur, daß Sie mit uns zusammen dafür sorgen werden, daß dieser Unfug, der von den beteiligten Dienststellen getrieben worden ist, so schnell wie möglich abgestellt wird. Denn wie wollen Sie sonst auch in diesem Fragenkomplex die Mitarbeit eines Faktors gewinnen, der in allen Demokratien von viel größerer Bedeutung ist, als man gerade in Deutschland mitunter glaubt, die kritische, wache und schöpferische Mitarbeit der öffentlichen Meinung, die eine entscheidende Aufgabe bei der Sicherung der Demokratie in allen Ländern hat, in denen es Streitkräfte gibt, ({25}) weil gerade mit Hilfe der öffentlichen Meinung vermieden werden kann, daß sich Fehlentwicklungen erst anbahnen?! Gerade die Kollegen, die in den Vereinigten Staaten gewesen sind, haben mit Befriedigung festgestellt, in welch großem Umfang die in diesen gewachsenen Demokratien mit ihren alten Traditionen wachsame öffentliche Meinung beobachtet, welche Veränderungen sich in ihrer eigenen Gesellschaft durch die Aufrechterhaltung großer Streitkräfte auch in Friedenszeiten - ein Novum in der amerikanischen Geschichte - vollziehen. Diese Probleme diskutieren, diese Probleme überwachen, das ist schon ein Stück positiver Abwehr möglicher Gefahren. Daher heraus aus der Dunkelkammer und hinein in das volle Rampenlicht der Öffentlichkeit! ({26}) Mit diesem Prinzip verträgt es sich schlecht, wenn der Minister ein so erstaunlich getrübtes Verhältnis zur Presse hat. ({27}) Seit Wochen wird ja hier in Bonn überall davon berichtet, wie sich die Dienststelle irgendwelchen Nachfragen der dazu berufenen Bundespressekonferenz verschließt. Aber der wohl schmerzlichste Zwischenfall war doch der, daß eine seit langem angesetzte Pressekonferenz abgesagt werden mußte, weil der Herr Minister nach Paris reise. In Wirklichkeit fand die Pressekonferenz zu einer Zeit statt, als der Minister noch gar nicht abgereist war. ({28}) Meine Damen und Herren, ich weiß, daß Minister nicht nur Pressekonferenzen abzuhalten haben. Mir ist völlig klar, daß es eine Fülle von dringenden Verpflichtungen, die mit der Leitung einer jeden Behörde verbunden sind, gibt. Aber dann soll man eben eine solche Konferenz nicht erst ansetzen. Das weiß man ungefähr vorher. In dieser Situation - und das ist beklagenswert - wird damit der öffentlichen Meinung einfach ein Schock versetzt, noch dazu von derselben Stelle, die in ihren eigenen publizistischen Verlautbarungen mitunter gar nicht so geschickt ist. Wenn ich nur an die strategischen Überlegungen des Herrn Zenker im Bulletin der Bundesregierung über die mögliche Seekriegführung in der Ostsee denke: das war kein politisches Meisterstück. Aber die Akten darüber sind geschlossen; da wollen wir heute nicht wieder darauf zurückkommen. Das ist eine Weile her. Wir ({29}) hoffen also, daß die Lehre von damals genügt hat. Aber umgekehrt sind einige sehr wesentliche, wenn auch bittere Wahrheiten von der Dienststelle trotz aller Zahlen, die sie gelegentlich zum besten gibt, bisher immer noch nicht mit Nachdruck in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gebracht worden, schon um vielerorten gehegte Illusionen zu zerstören, z. B. die Wahrheit, wie wenig Aussichten auf Wiederverwendung das Gros der früheren Offiziere und Unteroffiziere hat, einfach schon aus Altersgründen. Das muß man doch einmal sagen, und zwar ganz offen, damit man nicht glaubt, hier Propagandisten für die eigene Sache zu haben, die man nachher bitter enttäuschen muß, wenn die Wirkung, die sie sich von ihrem Eintreten für die Sache erhofft haben, nämlich die eigene Wiederverwendung, ausbleibt. Hier muß tatsächlich um der Betroffenen willen, um sie nicht davon abzuhalten, sich andere Wirkungsmöglichkeiten zu erschließen, dafür gesorgt werden, daß Klarheit über die Zahlen auch auf diesem Gebiet geschaffen wird. Das hängt mit der Frage zusammen, über die sich Herr von Manteuffel in der Pressekonferenz schon einmal geäußert hat, nämlich mit der Frage der Altersgrenzen. Sobald da einmal Klarheit geschaffen wird, sehen sie, was los ist. Es gibt eine andere Nachricht, die uns und wahrscheinlich auch die meisten unter Ihnen im Zusammenhang mit dem Aufbau dieses Ministeriums mit großer Sorge erfüllt. Am 8. Juni lasen wir in der „Deutschen Zeitung": Wann der geplante Verteidigungsrat gebildet wird, ist noch offen. Die Frage ist in erster Linie deshalb aktuell, weil am 1. Juli die Abwehrorganisation Gehlen in München aus amerikanischer Regie vom Bund übernommen werden wird. Sie soll zunächst dem Bundeskanzleramt unmittelbar unterstellt werden, dem damit neue, parlamentarisch unkontrollierte Macht zuwächst. Die alten Pläne eines über die Nachrichtendienste die Ressorts und Politiker kontrollierenden Überministeriums scheinen neue Aktualität zu gewinnen. In diesem Zusammenhang ist es nicht ganz unwichtig, daß der zweite Mann des Kölner Verfassungsschutzamtes, Oberst a. D. Radtke, aus der Organisation Gehlen hervorgegangen ist. Soweit diese Zeitungsmeldung. Ich hätte sie nicht zitiert, wenn sie nicht fast wörtlich, nur ohne die Organisation zu nennen, am 13. Juni von einem Sprecher der Bundesregierung bestätigt worden wäre. Hierzu muß der Bundestag einige Fragen stellen. Hier ist ein Termin genannt. Selbst wenn er um ein paar Monate verschoben würde, würde das im Prinzip nichts ändern. Glaubt man wirklich einen solchen Schritt tun zu können, ohne das Parlament zu fragen? Wo ist die Ermächtigung durch Gesetz und Haushaltsplan für die Übernahme oder Schaffung einer solchen Organisation? Wo befinden sich die Mittel dafür? Wie soll diese Organisation arbeiten? Welchem Minister soll sie verantwortlich sein? Denn worauf wir alle achten müssen, auch und gerade nach den schmerzlichen Erfahrungen einer sehr jungen deutschen Vergangenheit, das ist die Gefahr des innenpolitischen Mißbrauchs. Was wir beim Verfassungsschutz - damit meine ich nicht die Desertion von Herrn John, sondern damit meine ich die Vulkan-Debatte - erlebt haben, das sollte uns allen ein mahnendes Beispiel sein. Ich glaube nicht, daß es angängig ist, Gedanken zu verfolgen, die darauf hinauslaufen, im ganzen eine Einrichtung, die unter fremder Hoheit entstanden, nach fremden Richtlinien gebildet worden ist, einfach als einen Bestandteil der Bundesorganisation zu übernehmen. Meine Damen und Herren, wo kommen wir da hin? Diese Frage will ich hier ganz nüchtern stellen, ohne mich über den Aufgabenbereich zu äußern. Aber Sie werden verstehen, daß diese Fragen beantwortet werden müssen, bevor die Regierung irgendwelche Entschlüsse auf diesem Gebiete faßt und an die Verwirklichung herangeht. ({30}) Damit bin ich, da hier auch von der Übernahme von Personen die Rede ist, bei einem weiteren Kapitel, das bei allen Haushaltsberatungen eine Rolle spielt und hier keine Ausnahme machen soll, nämlich bei den Personalfragen. Wir werden bei der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion demnächst Gelegenheit haben, uns über die Grundsätze der Personalauslese ausführlich zu unterhalten. Aber es wäre doch für den ganzen Bundestag eigentlich heute schon interessant, einmal von der Regierung zu hören: Was ist denn mit den vielen Namen, die ununterbrochen in der Öffentlichkeit genannt werden und bei denen niemand Klarheit gewinnen kann? Handelt es sich um Vorschläge, um Berufungen, um Ernennungen? Was ist da bisher geschehen oder beabsichtigt? Wie steht die Bundesregierung zu der Aufgabe, Sicherheit für eine gute Personalauslese dadurch zu schaffen, daß man den dafür zu berufenden Ausschuß mit einer klaren Rechtsgrundlage ausstattet, die sowohl sein Zustandekommen als auch seine Befugnisse eindeutig regelt? Warum sagen wir das? Ich glaube, wir müssen alle begreifen, daß es von der Auslese der ersten Männer abhängt, welchen Geist die Einrichtung im ganzen einmal haben wird. ({31}) Wir können uns noch so viel an Institutionen und verfassungspolitischen Sicherungen einfallen lassen - wir werden auch da das Unsere zu tun haben -, von den Männern hängt das Wichtigste ab. Da müssen wir sicher sein, daß diese Männer nicht nur nach dem Prinzip der gegenseitigen Beziehungen zu den schon Vorhandenen und Tätigen ausgelesen werden. ({32}) Da müssen wir sicher sein, daß die gewissermaßen als Filter eingeschalteten Körperschaften unabhängig sind von dem Willen des Ministeriums und von dem Willen der neu geschaffenen Militärapparatur. Sie müssen ein eigenes Urteil haben und dürfen sich nicht auf fremdes Urteil verlassen. Vor allem aber müssen wir sicher sein, daß dieser Ausschuß nicht kurzerhand grundsätzlich verändert oder abgeschafft werden kann, wenn er unbequem wird. ({33}) Dazu brauchen wir ein Gesetz, im wesentlichen nur deshalb. weil die Vorfälle auch der letzten Monate uns und wahrscheinlich auch Ihnen einfach kein Vertrauen mehr einflößen, daß das gegebene Wort auch gehalten wird. ({34}) ({35}) Deshalb müssen wir uns das erzwingen, daß es gehalten wird' Wenn die Regierung durch die Zustimmung zu einem solchen Gesetz und dadurch, daß sie es selber vorlegt, beweist, daß es ihr mit diesem Anliegen ernst ist, dann hat sie einen sehr wichtigen Schritt getan, um verlorengegangenes Vertrauen wenigstens teilweise wiederherzustellen. ({36}) Zu diesen Fragen gehört natürlich auch, daß man sich frei macht von dem schweren Gewicht etwa der einseitigen Verwendung früherer Generalstabsoffiziere in der künftigen Apparatur, ({37}) daß man auch einmal daran denkt, daß das, was man da schafft, auf die Erfahrungen auch derer zurückgreifen muß, die im wesentlichen ihre Haut zu Markte getragen haben dort, wo es bitter war. ({38}) Noch ein Punkt, meine Damen und Herren. Es hat ein paar Diskussionen über das Personal der Dienststelle gegeben. Sicher werden wir jetzt nicht eine Personalakten-Diskussion anfangen. Aber ich finde, das sollte uns Anlaß sein zu der Forderung - und ich glaube, daß der Minister selbst dieser Forderung gar nicht so ablehnend gegenübersteht; es wäre aber gut, wenn das ausdrücklich versichert würde -, auch das Personal der Dienststelle selbst nach den gleichen Richtlinien wie etwa neu zu Berufende zu überprüfen. ({39}) - Sie sagen, das ist selbstverständlich. Um so besser, wenn wir das schwarz auf weiß kriegen! ({40}) In diesem Zusammenhang ein paar Worte über das Betriebsklima - um einmal einen Ausdruck aus dem Wirtschaftsleben zu gebrauchen. Für mich ist da symbolisch die Behandlung_ des Falles Bonin. Wir wollen hier gar nicht erörtern, welche strategische Konzeption die bessere oder die schlechtere gewesen ist. Das steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Aber was zur Debatte steht, ist die Frage, ob es in einem solchen Ministerium nicht um der Sache willen möglich sein muß, mit dem verantwortlichen Chef selbst, nicht auf dem Wege von Denkschriften, sondern auf dem Wege einer Aussprache die verschiedensten Meinungen miteinander abzustimmen, ohne daß das Abweichen einer Meinung sich nun in der Sache gleich so zugespitzt äußern muß, daß es zu einem Bruch kommt. Das muß doch möglich gemacht werden können, wobei es eine offene Frage ist, bei wem das Verschulden liegt. Fragen des Betriebsklimas hängen nicht immer nur mit dem Chef zusammen. Aber für uns ist es wichtig, zu wissen, daß das Klima im ganzen dort offenbar nicht so ist, wie es sein müßte. Wir sollten also die Verantwortlichen ermahnen, dafür zu sorgen, daß es anders wird. Es geht doch nicht an, daß Leute, die ganz verwandte Fragen bearbeiten, sich nicht in der Dienststelle über ihre Probleme unterhalten, sondern sich vor dem Sicherheitsausschuß des Bundestages gewissermaßen erst kennenlernen und dort merken, daß sie auf den gleichen Gebieten Überlegungen anstellen. ({41}) Auch das gehört in diese Debatte hinein. Ich schätze, Herr Kollege Dr. Jaeger, das war kein militärisches Geheimnis, sondern eine Frage der politischen Organisation. ({42}) Noch ein weiterer Punkt muß hier warnend ausgesprochen werden. Wir haben uns vor längerer Zeit einmal über die Fragebogen unterhalten, die die Dienststelle verschickt. In zunehmendem Umfang treten jetzt Wünsche bestimmter Gruppen, konfessioneller Gruppen, verschiedener Organisationen auf, auch personell gestaltend recht massiv eingeschaltet zu werden. Ich möchte vor einem solchen Schritte warnen. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, daß das unglückselige Wort von der Konfessionalisierung des öffentlichen Lebens Nahrung findet durch ein falsches Verhalten bei den Streitkräften. Deswegen hat die Frage nach der Konfessionszugehörigkeit im Fragebogen nicht nur so dazustehen, daß man es dem Beteiligten freistellt, ob er sie zu beantworten gedenkt, sondern deshalb hat sie aus den Fragebogen einfach zu verschwinden; sie ist grundgesetzwidrig. ({43}) Man komme uns nicht mit der kümmerlichen Ausrede, daß man doch wissen müsse, wieviel Gesangbücher man für die künftigen Kontingente rechtzeitig zu drucken habe. ({44}) Das richtet sich nämlich nicht nach der Zahl. ({45}) - Entschuldigen Sie! Ich stelle mit Befriedigung fest, daß Sie das als kümmerliche Ausrede empfinden. Diese Ausrede ist uns im Sicherheitsausschuß gegeben worden. ({46}) - Meine Damen und Herren, ich bin bereit, gelegentlich das Protokoll vorzulesen. Es ist ganz nützlich, daß wir hier einmal sehen, wohin die übertriebene Geheimniskrämerei führt; sonst hätten wir vielleicht mit diesem Unfug schon längst aufgeräumt. Jetzt merken Sie erst, was da so vor sich gegangen ist! ({47}) Meine Damen und Herren, zusammenfassend: Wir sind der Meinung, die Neubildung dieses Ministeriums stand unter einem schlechten Stern. Was wir wünschen müssen, ist. daß das Ministerium sich von Beginn seiner Tätigkeit an darum bemüht, auf das Parlament als die gewählte Volksvertretung zu hören. Das beste und am meisten in die Augen fallende Beispiel wäre, wenn der Minister dafür sorgen würde, daß der Entwurf des Freiwilligengesetzes zurückgezogen wird. Dadurch hätte er die Chance zu einem neuen Start, und die sollte er sich nicht entgehen lassen. ({48}) Meine Damen und Herren, gerade nach den Zwischenrufen, die gegen Schluß dieser Rede etwas bekümmert schienen, möchte ich Ihnen hier noch einen Satz sagen, den ein Mann, der sehr verschie({49}) denartige Verehrung in diesem Hause genießt, gesprochen hat. Es mag die Bayern trösten, daß ich Bismarck zitiere, denn er sprach den Satz in Kissingen im Jahre 1892 in einer Ansprache an eine Anzahl gelehrter Herren aus Schwaben. Es heißt dort: Wir brauchen die frische Luft der öffentlichen Kritik. Unser ganzes Verfassungsleben beruht darauf. Wenn die Volksvertretung kraftlos wird und nur zum Organ des höheren Willens, so kommen wir, wenn das so weitergeht, zum aufgeklärten Absolutismus zurück. ({50}) Meine Damen und Herren, ich freue mich über diesen Satz von Bismarck. Aber wer weiß, daß es im Kaiserreich nicht einmal eine parlamentarisch verantwortliche Regierung gegeben hat, der sieht auch, wie gefährlich der Zeitpunkt ist, in dem wir jetzt leben. Und ich bitte Sie alle sehr eindringlich: Auf diesem Gebiet wollen wir doch wenigstens nicht hinter Bismarck zurück! ({51})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Erler hat seine Rede zum Schluß noch einmal in der Aufforderung gipfeln lassen, ich möchte meinen schlechten Start - den nach seiner Meinung schlechten Start - verbessern. ({0}) - Aber Herr Professor, ich habe Sie ja noch gar nicht angesprochen! Ich hoffe, wir werden uns noch sehr nett unterhalten. Ich weiß, Sie billigten das Wort nicht. Ich danke Ihnen dafür. Der Herr Kollege Erler sagte, ich möchte dafür sorgen, daß das Freiwilligengesetz zurückgezogen werde. Herr Kollege Erler, diesen Gefallen kann ich Ihnen gar nicht tun, ({1}) - nein, ich tue es auch nicht -, ({2}) weil wir noch vor wenigen Tagen in diesem Hause durch Ihren eigenen Antrag erlebt haben, was Sie wollen. Sie beantragten nämlich damals, die Bundesregierung dürfe weder in Gesetzgebung noch in Verwaltung irgendwelche Maßnahmen ergreifen, aus denen militärische Folgerungen der Pariser Verträge sich ergäben. ({3}) Wir allerdings stehen ,auf dem Standpunkt, daß wir Verträge, die wir abgeschlossen haben, denen dieses Parlament seine Zustimmung gegeben hat, auch loyal erfüllen. ({4}) Zur loyalen Erfüllung eines Vertrages gehört auch, - -({5}) - Sie bringen mich nicht aus dem Konzept! ({6}) Zur loyalen Erfüllung ,eines Vertrages gehört auch, daß man ihn nach den Zeitabläufen erfüllt, wie man das seinem Vertragspartner zugesichert hat. ({7}) - Ob ein Gesetz schlecht oder gut ist, entscheidet dieses Parlament; denn es gibt ihm das Gesicht. Sie haben gesagt, ich hätte einen schlechten Start gehabt, und haben dabei meine Reise nach Paris angesprochen. ({8}) - Wenn Sie etwas gegen meine Begleitung einzuwenden haben, wollen Sie mir das bitte einmal mitteilen. ({9}) Diese Reise war seit Wochen mit der französischen Regierung abgesprochen. Ich bin sogar froh darum gewesen, daß die erste Reise, die ich in meiner amtlichen Stellung machen konnte, einen Besuch beim französischen Verteidigungsminister in Paris zum Ziele hatte, ({10}) weil ich der Meinung bin, daß es immer ein Anliegen für uns bleiben wird, gerade mit Frankreich zu einem immer tieferen Verständnis und zu einem Ausgleich zu kommen. ({11}) Die französische Regierung hatte umfangreiche Vorbereitungen für meine Reise getroffen. Sie hatte in sehr konzilianter Art und Weise mir Möglichkeiten geboten, Einblick in viele Dinge der militärischen Entwicklung zu tun. Es hat nicht eines „leisen Winkes" bedurft, daß ich heute hier stehe, sondern nur eines besonders kameradschaftlichen Aktes der französischen Regierung, indem sie mir damit ich jetzt und heute hier stehen kann, heute morgen ein Flugzeug zur Verfügung stellte, mit dem ich hierher fliegen konnte und mit dem ich, wenn die Debatte hier über diesen Punkt beendet ist, heute noch zurückfliegen werde, um meine Besprechungen mit der französischen Regierung fortzusetzen. ({12}) - Meine Damen und Herren, hören Sie sich bitte das, was ich sage, so ruhig an, wie ich Ihre Ausführungen angehört habe. ({13}) Ich glaube, es hätte der Erwähnung meiner Reise nach Paris in diesem Zusammenhang nicht bedurft. ({14}) Nun sagt Herr Abgeordneter Erler, eine Vorlage, das Freiwilligengesetz, werde dieses Parlament hoffentlich nicht erreichen. Ich muß Sie enttäuschen. Ich bedauere das, weil wir sonst so gut zusammenarbeiten. Diese Gesetzesvorlage wird Sie erreichen. ({15}) - Diese Gesetzesvorlage wird Sie erreichen, ({16}) und wir werden bei der Einbringung dieser Gesetzesvorlage Gelegenheit nehmen, uns namens der ({17}) Regierung über die Grundprinzipien der deutschen Verteidigungspolitik in der Breite zu äußern, wie Sie es wünschen, und Sie werden Gelegenheit haben, darauf in der Breite zu antworten, die Ihnen erwünscht erscheint. Herr Abgeordneter Erler meinte, eine zivile Leitung, parlamentarische Kontrolle und sorgfältige Personalauslese seien zugesagt worden. Nun, es ist mir nicht bekannt, daß ich, seitdem ich zum Bundesminister für Verteidigung ernannt worden bin, mich aus einem Zivilisten in einen Militär verwandelt hätte. ({18}) - Ich würde an Ihrer Stelle mit dem Zwischenruf etwas vorsichtig sein! ({19}) - Ich würde da sehr vorsichtig sein! ({20}) - Sehr vorsichtig würde ich sein, meine Damen und Herren! ({21}) - „ ... nicht verwandelt habe" sage ich noch einmal, wenn Sie es wollen, an Ihre Adresse, und so scheint mir die zivile Leitung dieses Ministeriums zunächst einmal sichergestellt. ({22}) Was die parlamentarische Kontrolle betrifft, meine sehr verehrten Damen und Herren, so hat die Bundesregierung weder die Möglichkeit noch die Absicht, dieses Parlament seiner Kontrollbefugnisse zu entkleiden. Der dritte Punkt betrifft eine sorgfältige Personalauswahl. Hier allerdings bin ich Herrn Abgeordneten Erler dankbar. Er hat nämlich in epischer Breite all das auseinandergesetzt, was ich bezüglich der Personalauswahl urbi et orbi seit über viereinhalb Jahren bekanntgemacht habe und was wir im Parlament, nämlich in dem dazu berufenen Parlamentsausschuß, seit Jahren besprochen haben. ({23}) - Aber ich bin ja im Begriff, es zu tun. Warten Sie ab, Herr Professor Schmid! ({24}) - Nein, nicht ein wenig spät! ({25}) - Gerade Ihre Partei hat sehr früh Gelegenheit gehabt, hier sehr praktisch mitzuwirken und ihre Vorschläge sehr früh einzubringen. Das können einige meiner Koalitionsfreunde hier leider nicht von sich behaupten. ({26}) - Ich habe meinen Fehler gutzumachen versucht, Herr Kollege. ({27}) - Der Kanzler wird darüber so denken, wie ich darüber denke. ({28}) Denn die Bundesregierung betrachtet sich hier als im Worte stehend, ({29}) und Sie können mich damit gar nicht beeindrucken, wenn Sie versuchen, hier den schwarzen Mann an die Wand zu malen. ({30}) Ich habe Ihnen hier noch einiges zu sagen. Hier kriegen nämlich Leute plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage; das ist nämlich das Entscheidende. Meine Damen und Herren, ich bin in der letzten und vorletzten Woche bei den einzelnen Fraktionen vorbeigegangen, habe den Fraktionen die Liste des gedachten Personalausschusses auf den Tisch gelegt und habe sie gebeten, mich nun möglichst bald wissen zu lassen, ob der gedachte Personalausschuß in seiner personellen Zusammensetzung ihre Billigung finde. Wenn er die Billigung aller Fraktionen finden würde, würde ich vor dem Sicherheitsausschuß des Bundestags den Personalausschuß behandeln, und wenn auch dort die Billigung herbeigeführt wäre, würde ich der Bundesregierung vorschlagen, durch einen Kabinettsbeschluß einen solchen Personalausschuß ins Leben treten zu lassen und die Befugnisse dieses Personalausschusses zu umreißen. Nun meinte der Herr Abgeordnete Erler - ich habe das sehr sorgfältig aufgeschrieben, und er bekam Beifall -, daß nicht etwa Personen ausgewählt werden dürften, die schon Beziehungen zu den bereits vorhandenen hätten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, über dieses Problem habe ich oft genug gesprochen, und ich habe mehr als einmal erklärt, daß es weder einen ehemaligen deutschen Leutnant noch einen ehemaligen deutschen General gebe, der von sich behaupten könne, daß er eine wie auch immer geartete Zusage zur Verwendung in den Streitkräften oder sogar zur Verwendung in einer bestimmten Stelle in den Streitkräften habe. Denn wenn ich die Absicht habe, einen Personalausschuß zu bilden und ihm zur Aufgabe zu machen, die Bewerber und diejenigen, die wir zur Bewerbung auffordern werden, zu überprüfen, mich also diesem Votum zu unterwerfen, dann kann ich billigerweise, bevor das nicht stattgefunden hat, niemandem eine Zusage machen, daß er eine bestimmte Funktion bekommen oder überhaupt in den Streitkräften verwendet würde. ({31}) Zweitens ist gesagt worden, es müsse auch dafür Sorge getragen werden, daß die bereits bei mir Tätigen dieser Prozedur unterworfen würden. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen - und ich glaube, man kann auch sehr leicht mit einigem Nachdenken sogar darauf kommen -, daß der Per({32}) sonalausschuß die Aufgabe haben soll, zu überprüfen, ob die Bewerber als geeignet erscheinen nach ihrer menschlichen, charakterlichen Seite, nach ihrer Grundeinstellung zum Staat, - nicht was ihre fachliche Qualifikation betrifft; die hat einzig und allein der zukünftige Dienstherr zu prüfen. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, daß es von dem Votum dieses Ausschusses abhängt. Nun 'st mir aber gar nicht bekannt, daß es bisher bei mir Streitkräfte oder schon Soldaten gibt. Bisher gibt es nur Beamte, Angestellte und Arbeiter in meinem Ministerium. Wer von denen Soldat werden will, muß den Weg gehen, den jeder geht, der die Absicht hat, Soldat zu werden. ({33}) Ich glaube, das war leicht durch eigenes Nachdenken zu finden. Der Kollege Erler hat noch einen Satz zu dem Freiwilligengesetz gesagt: Warum es uns denn nun auf einmal so schrecklich eile. Uns eilt es gar nicht, sondern wir stellen nur fest, daß, wenn wir die Verträge loyal erfüllen wollen, wir mit gewissen Maßnahmen jetzt beginnen müssen, Maßnahmen, die eine militärische Effizienz natürlich erst in einer längeren Zeit haben können, die uns aber, wenn wir sie jetzt nicht ergriffen, in die Zwangslage versetzen würden, daß wir erst im kommenden Frühjahr beginnen könnten. Das ist aber nicht unser politischer Wille, wie wir ihn ja bei der Behandlung dieses Ihres Antrages anläßlich der außenpolitischen Debatte in diesem Hause dargetan haben. Es handelt sich also jetzt nicht um eine Übereilung, sondern es handelt sich um die wenigen notwendigen Schritte, die getan werden müssen, um nicht eine schuldhafte Verzögerung in der Erfüllung der Verträge eintreten zu lassen. So ist die Situation. ({34}) Und was den Mut zur offenen Aussprache - ({35}) - Nein, ich werde diese meine Rede zu Ende halten, Herr Professor Carlo Schmid, wie ich auch den Herrn Abgeordneten Erler habe zu Ende reden lassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Aber Herr Bundesminister, Sie erlauben dem Präsidenten, wenigtens zu fragen. ({0})

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Den Zwischenruf „Das hat der nicht mehr nötig!" hätten Sie sich sparen dürfen. Wir werden uns noch sehr oft miteinander hier über die Probleme unterhalten. Ich hoffe, nicht zum letztenmal hier gestanden zu haben, und wir kennen uns ja auch aus der Ausschußarbeit. Mut zur offenen Aussprache: Die Regierung hat eine offene Aussprache gar nicht zu fürchten. Ich habe Ihnen soeben erklärt, daß die Bundesregierung bei der Behandlung des Freiwilligengesetzes sich in einer Regierungserklärung zu den gesamten Fragen der Wehrpolitik äußern wird. Herr Abgeordneter Erler hat noch einen Punkt angeschnitten, der mich besonders interessiert, nämlich mein Verhältnis zur Presse. Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber äußere ich mich gern. Ich stehe nämlich einmal in der Situation, daß mir aus Abgeordnetenkreisen kritisierend erklärt wird, sie hätten wiederum irgendeine Tatsache, eine Absicht oder eine Meinung von mir aus der Presse erfahren müssen, und sie hätten ein Recht darauf, dieses zunächst von mir zu erfahren. Über diesen Punkt haben wir uns im Ausschuß und auch hier im Plenum schon einmal unterhalten. Auf der ersten Pressekonferenz sei ich nicht erschienen, obwohl ich doch nicht nach Paris abgereist gewesen sei. Mir ist nicht in Erinnerung, daß ich eine Pressekonferenz angesetzt habe. Mir ist auch nicht in Erinnerung, daß ich meine Anwesenheit bei einer Pressekonferenz zugesagt habe. Aber mir ist in Erinnerung, daß zu dem Augenblick, als eine Pressekonferenz hier abzulaufen begann, ich aus den Beratungen des Bundesrates kam, der Ausschuß für europäische Sicherheitsfragen dieses Parlaments seine Sitzung begann und von seinem Recht Gebrauch machte, meine Anwesenheit zu wünschen; und ich habe diesem Recht Folge geleistet. Ich glaube, Herr Kollege Erler, diese Dinge muß man klar - ({0}) - O nein, kein anderer Tag! Ich habe auch niemals nachträglich - wie ich soeben sagte - eine Pressekonferenz angesetzt. Herr Kollege Erler, der Fragebogen ist schon einmal Gegenstand von Unterhaltungen gewesen. Allerdings haben Sie sich damals für meinen Geschmack mit der Frage eine Note ernster beschäftigt. Ich weiß, warum im Fragebogen diese Fragen gestellt werden müssen. Wir haben nämlich die Absicht - das kann ich Ihnen vorweg schon sagen, und Sie werden es auch im Soldatengesetz, das Sie wahrscheinlich in kurzer Zeit in der Hand haben werden, lesen -, für diejenigen, die sich zu einer Religion bekennen, in den Streitkräften eine entsprechende Seelsorge einzurichten. ({1}) Hierfür brauche ich allerdings die Unterlagen, und zu keinem anderen Zweck. Wer mir den Vorwurf machen wollte, ich hätte die Absicht, die kommenden Streitkräfte zu konfessionalisieren oder, wie dunklere Andeutungen einmal lauteten, katholisch zu machen, dem empfehle ich nur, einmal mein Haus nach der konfessionellen Zusammensetzung zu überprüfen; der katholische Volksteil kommt sehr schlecht dabei weg. ({2}) Ich habe nie einen Mann danach gefragt, ob er katholisch oder evangelisch ist, aber ich lasse mir derartige Vorwürfe, auch in versteckter Form, nicht machen. ({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist keine Geheimniskrämerei. Auch die sogenannte geheime Flugzeugvorführung war keine Geheimniskrämerei. Ich weiß sehr wohl, daß die Flugzeugtypen, die dort vorgeführt wurden, in der Welt allgemein bekannt sind. Wenn Sie, Herr Kollege Erler, meiner freundlichen Einladung, an dieser Vorführung teilzunehmen, gefolgt wären ({4}) ({5}) - ich weiß ja, daß Sie nicht konnten -, hätten Sie ebenso wie einige andere Abgeordnete des Hauses das Vergnügen gehabt, in einem dieser Flugzeuge oder auch in allen, je nach Wunsch und Laune, einige Übungsflüge über dem Flugplatz machen zu können. Was ich aber nicht wollte, ist folgendes. Ich trage die Verantwortung für das, was sich auf dem Flugplatz abspielt. Wir haben dabei schon einen Unfall erlebt. Es ist meine Aufgabe, solche Dinge zu verhüten. Solche Vorführungen, die darin bestehen, daß wir uns das Material vorführen lassen, das wir überprüfen müssen, um es recht auswählen zu können, kann ich nicht damit verbinden, etwa feststellen zu lassen, ob sich auch ein bestimmter Herr dabei befindet, weil momentan ein Rätselraten darum geht, welche Kommandostelle er in der Luftwaffe bekommen wird. Darüber werden wir uns noch rechtzeitig unterhalten. Ich habe Ihnen, weil ich sagte, daß ich nur sehr kurze Ausführungen machen wollte, und weil mein Kollege Schäffer sich noch mit dem Haushaltsrechtlichen beschäftigen will, nur noch eins zu sagen. ({6}) - Sie werden schon noch einiges hören; immer eins nach dem andern! Dann werde ich in Zukunft etwas von Ihrem Vorbringen lernen, und ich verspreche Ihnen, ein sehr gelehriger Schüler zu sein. ({7}) Bei der ersten Lesung des sogenannten Freiwilligengesetzes wird die Bundesregierung, weil sie sich sehr wohl darüber klar ist, daß es nicht mit dem Einbringen dieses einen Gesetzes getan ist, sondern daß noch eine ganze Reihe anderer Gesetze einzubringen sind, in einer Regierungserklärung zu den Fragen der Wehrpolitik, zu den Grundsätzen ihrer Wehrpolitik Stellung nehmen. Sie wird diese Grundsätze bekanntgeben, und ich hoffe, daß auch die Opposition darin so vieles auch nach ihrer Ansicht Verwertbares finden wird, daß die enge Zusammenarbeit, die sich schon bisher vorbereitend und planend in dem Ausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit abgespielt hat - allerdings nicht so sehr im Lichte der Öffentlichkeit; den vertraulichen Charakter dieses Ausschusses hat ja dieses Parlament beschlossen -, sich wie in diesem Ausschuß so in Zukunft auch in diesem ganzen Parlament zum Nutzen der Sache demonstriert. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker. ({0}) - Ach, verzeihen Sie! Eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Ich hatte die Absicht kundgetan, an den Herrn Minister eine Zwischenfrage zu stellen. Der Herr Minister hat mich auf den Schluß seiner Rede verwiesen. Ich bitte den Herrn Minister fragen zu dürfen, ob er mir jetzt eine Frage beantworten will.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Bundesminister, wollen Sie eine Frage beantworten? ({0}) - Nicht. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Antwort genügt mir.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Eschmann, ich werde mir noch überlegen, ob der Ausdruck „kneifen" parlamentarisch zulässig ist.

Dr. Max Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000130, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf Kleinigkeiten einzugehen, sondern ich habe nur die Absicht, einiges Grundsätzliche zu den heute hier angeschnittenen Fragen zu sagen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Sekunde, Herr Abgeordneter. - Meine Damen und Herren, so können die Beratungen nicht fortgesetzt werden. Es muß unbedingt mehr Ruhe im Hause sein.

Dr. Max Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000130, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Als der Bundesrat in der vergangenen Woche zu dem Freiwilligengesetz Stellung nahm, hat er an die Spitze seiner Resolution den Satz gestellt: Der Bundesrat billigt die Absicht der Bundesregierung, unverzüglich die Voraussetzungen für die Verwirklichung des Verteidigungsbeitrags gemäß den Pariser Verträgen zu schaffen. Wir teilen diese Auffassung. Wir sind der Meinung, daß Verträge zu halten sind. Aber, meine Damen und Herren, es sind nicht nur Verträge zu halten, sondern es sind auch die Grundsätze der Verfassung einzuhalten! ({0}) Ich darf in diesem Zusammenhang, um so kurz wie möglich zu sein, auf eine Feststellung verweisen, die in diesem Hause von diesem Platze aus von dem jetzigen Herrn Bundesminister von Merkatz am 26. Februar 1954 getroffen worden ist, auf eine Feststellung, auf die sich auch der Berichterstatter des Bundesrats in der vergangenen Woche in seinem Bericht bezogen hat. Ich darf um die Erlaubnis bitten, diese Stelle aus dem Bericht von damals vorzulesen. Herr von Merkatz hat als Berichterstatter damals am 26. Februar 1954 folgende Erklärung abgegeben: Die Koalitionsparteien, d. h. die Mehrheit auch des Ausschusses, sind sich darüber einig, daß folgende drei Problemkreise bei der Schaffung einer später auszuarbeitenden Wehrverfassung einer ausdrücklichen Regelung in der Verfassung bedürfen. - Einer ausdrücklichen Regelung bedürfen! Die Koalitionsparteien stimmen darin überein, daß die künftige Wehrverfassung eindeutig klarstellen muß, daß die Wehrverwaltung eine Bundesverwaltung sein muß, daß ferner die erforderliche Regelung des Oberbefehls gemäß der deutschen Verfassungstradition ausdrücklich im Grundgesetz erfolgen muß ({1}) - ausdrücklich im Grundgesetz erfolgen muß! - und daß außerdem die in der Drucksache 124 unter Ziffer 1 angesprochene Frage der landsmannschaftlichen Gliederung im Rahmen der Wehrverfassung eine verfassungsrechtliche Entscheidung finden muß. An diese Absprachen halten wir uns gebunden, und an sie halten wir auch die anderen Absprachepartner gebunden. ({2}) Die Erledigung dieser Fragen ist verfassungsrechtlich gesehen ein Vorentscheid, ehe andere gesetzliche Regelungen auf dieser Grundlage erfolgen können. ({3}) Der Herr Präsident des Bundesrates hat in der vergangenen Woche mit dem Herrn Bundeskanzler einen Briefwechsel über diese Fragen gehabt, und in einem Brief, den der Herr Bundeskanzler am 7. Juni an den Präsidenten des Bundesrates gerichtet hat und den Sie wörtlich abgedruckt finden im Sitzungsbericht des Bundesrats vom 14. Juni 1955, hat der Herr Bundeskanzler ausgeführt: In Übereinstimmung mit der geltenden Verfassungsordnung wird der neu zu ernennende Verteidigungsminister den Befehl über die Freiwilligen haben. Damit ist die volle parlamentarische Kontrolle gegeben. Eine Änderung dieser Rechtslage wird nur durch Gesetz möglich sein. Ich kann mich dieser Rechtsauffassung nicht anschließen, meine Freunde auch nicht; denn in dem, was ich zuvor verlesen habe, ist klipp und klar gesagt, daß die Regelung des Oberbefehls nur durch die Verfassung erfolgen kann. Diese Absprache geht also von der unbestrittenen Tatsache aus, daß die Frage des Oberbefehls im Grundgesetz bis jetzt überhaupt noch nicht geregelt ist. Ich darf hier einschalten, daß selbstverständlich für uns keine andere Regelung als die bundesrechtliche für den Oberbefehl in Frage kommt. Aber auch die weitere Frage, wer nun im Rahmen der Instanzen des Bundes den Oberbefehl auszuüben hat, muß dann noch in der Verfassung geklärt werden. Ich bedauere, anschließend sagen zu müssen, daß all diese Verfassungsfragen schon längst hätten erledigt sein können; denn speziell ein Antrag unserer Fraktion, der alle diese Fragen anspricht, liegt schon seit Januar 1954 in den zuständigen Ausschüssen. Wir haben damals - es ging um die Bermuda-Konferenz - nur einige Punkte herausgeholt und daraus eine Änderung des Grundgesetzes geschaffen. Aber im übrigen liegt er als unerledigte Materie noch im Ausschuß und hätte eigentlich schon längst behandelt sein können. Diese Verfassungsfragen sind also vorab zu klären. Ich habe noch die Frage zu stellen, ob uns nicht die Pariser Verträge die Schaffung einer Notstandsklausel auch im Grundgesetz irgendwie vorschreiben und mit welchem Inhalt, ob an diese Frage heranzutreten ist und gegebenenfalls wann, ob es nicht vielleicht zweckmäßig ist, wenn wir nun schon einmal an die eben erwähnten Fragen der Bundesverwaltung, des landsmannschaftlichen Gefüges und des Oberbefehls herangehen, nicht auch diese Frage gleich mit zu erledigen. Wir haben den Wunsch - und haben mit Befriedigung soeben vernommen -, daß der Herr Verteidigungsminister bei Einbringung des Freiwilligengesetzes eine Gesamtkonzeption der Bundesregierung darüber, wie die Wehrverfassung gedacht ist, hier vorträgt. Es ist allerdings klarzustellen und festzustellen, daß natürlich erst die Gesamtkonzeption vorausgehen muß und an die Spitze gestellt werden und bekanntsein muß, ehe man in Ausführung dieser Konzeption an einzelne Gesetze herangeht. Die parlamentarische Kontrolle wollen auch wir sichergestellt sehen. Die Frage der Abwehrorganisation muß z. B. so geregelt werden, daß sie nicht nur einer Exekutivstelle unterstellt wird, sondern auch der parlamentarischen Kontrolle unterliegt, weil wir wollen, daß sie nur zu den militärischen Zwecken, zu denen sie da ist, verwendet wird und nicht etwa auch zu anderen Zwecken. Wir wünschen, daß in einer Art Verteidigungsrat, der auch mit leitenden Personen aus der Zivilverwaltung besetzt sein muß, dafür gesorgt wird, daß die Koordinierung zwischen strategischer Planung und Außenpolitik gewährleistet ist, mit anderen Worten, daß nicht, wie es stellenweise im ersten Weltkrieg war, von der militärischen Seite praktisch die Außenpolitik gemacht wird, sondern daß umgekehrt die Militärs nur die Experten, die, wenn ich so sagen darf, Gehilfen der auswärtigen Politik sind und ihr zur Seite stehen. Wir wünschen, daß auch der Personalausschuß, von dem die Rede gewesen ist, gesetzlich geregelt wird. Sowohl die Zusammensetzung muß gesetzlich geregelt sein als auch die Rechte, die er auszuüben hat. Ich möchte es so formulieren: die Rechte müssen durch Gesetz für ihn begründet, aber auch begrenzt werden. Die Begrenzung betone ich deshalb, weil wir wünschen, daß nur der Grundsatz der Tüchtigkeit und der Geeignetheit auf die Auswahl Einfluß hat, und weil wir nicht wünschen, daß etwa auf dem Umweg über die parlamentarische Kontrolle parteipolitische Einflüsse sich geltend machen; also Begründung und Begrenzung der Rechte in einem. In § 2 des vorgelegten Freiwilligengesetzes ist vorgesehen, daß durch Rechtsverordnungen die persönliche Stellung, die Entschädigung usw. für die Freiwilligen geregelt werden. Der Bundesrat hat bereits den Wunsch angekündigt, daß eine solche Rechtsverordnung nur mit Zustimmung des Bundesrats erlassen wird. Ich bin der Meinung - und mit mir meine Freunde -, daß die Herausarbeitung der Stellung des künftigen Soldaten, auch wenn er zunächst nur in der Form des Freiwilligen erscheint, doch etwas so Besonderes ist, daß dies in einem Gesetz, d. h. unter Mitwirkung des Parlaments, geschehen sollte. ({4}) Ich möchte mich auf diese kurzen allgemeinen grundsätzlichen Bemerkungen heute beschränken und möchte am Schluß meiner Ausführungen dem Herrn Bundesminister für Verteidigung für seine neue Aufgabe, die eine recht schwierige Aufgabe, eine dornenvolle Aufgabe ist, alle guten Wünsche mit auf den Weg geben. ({5}) Er wird uns nicht übel nehmen, wenn ich damit einen Wunsch verbinde, nämlich den Wunsch aus einem hessisch-thüringischen Wort: „Landgraf werde hart!", werde hart nach verschiedenen Seiten. ({6}) ({7}) Werde hart, wenn in Ihrem Hause, im Ministerium, diese oder jene Richtung die andere zu überwinden versucht; bleibe hart, wenn es sich darum handelt, die Eigenposition im Kabinett auf Grund eigenen Wissens und eigenen Könnens zu halten; bleibe hart, auch wenn irgendwelche Schichten - auch Schichten aus dem Parlament - einen Einfluß gewinnen wollen, der über das Maß der parlamentarischen Kontrolle hinausgeht! - Aber auch eine Mahnung an uns, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Gerade diese Etatdebatten zeigen uns, wie schwierig für uns der Einblick in die Geheimnisse der Exekutive ist, wie schwierig für uns die Kontrolle ist, und sie zeigen uns deshalb auch, wie wichtig und notwendig bei der Schaffung der Wehrverwaltung - damit das Parlament nicht wieder zur Seite gedrängt wird - die Einhaltung derjenigen Grundsätze ist, die im Namen meiner Fraktion Ihnen vorzutragen ich die Ehre hatte. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Rednern dieser Debatte ist es gelungen, die etwas müde Stimmung, die nicht nur die Mittagszeit, sondern auch die lange Ziffernreihe von milliardenhohen Beträgen des Haushalts hervorgerufen hatte, zu verscheuchen. Dies war um so leichter möglich, als auf dem Gebiet der Verteidigung durch die Ratifizierung der Verträge und durch die Schaffung des Verteidigungsministeriums, dessen Haushalt wir - hier noch einmal unter der Firma der Dienststelle Blank -zum erstenmal zu behandeln haben, eine neue Situation geschaffen worden ist. Es ist zweifellos legitim, bei der Haushaltsberatung eine grundsätzliche Debatte, eine Wehrdebatte heraufzubeschwören, wie es Herr Kollege Erler hier getan hat. Ich glaube allerdings, es ist nicht sonderlich opportun, wenn wir sowieso in 8 oder 14 Tagen uns über ein erstes Wehrgesetz hier zu unterhalten haben werden oder wenn eine große Fraktion sowieso eine Anfrage in dieser Hinsicht vorbereitet hat. Wenn der Herr Verteidigungsminister uns in Aussicht stellt, daß er seine Grundsätze in einem großen Zusammenhang hier enthüllen will, und wenn wir Gelegenheit haben werden, unsere Grundsätze ebenso deutlich auszusprechen, dann kann die heutige Debatte eigentlich nur eine Art Vorgeplänkel jener großen und wichtigen geistigen und politischen Auseinandersetzung sein. Es kann darum, wie es auch bisher so war, nur darum gehen, zu einigen Einzelfragen des Augenblicks Stellung zu nehmen. Der Sprecher der Opposition, Herr Kollege Erler, hat mit einer Kritik am Verteidigungsminister begonnen. Nach dessen Antwort erübrigt es sich für mich, zu erörtern, ob und inwieweit diese Kritik berechtigt ist. Aber ich glaube, das erste, was wir vor aller, meinethalben berechtigten, Kritik hier aussprechen sollten, ist doch ein Wort des Dankes. Wenn man einen Minister, der gerade ernannt ist, lobt, nennt man das Vorschußlorbeeren, und diese sind unberechtigt. Ich wende mich gar nicht dem Verteidigungsminister zu, aber ich wende mich dem Leiter der Dienststelle Blank zu, ({0}) der in langen Jahren, ohne die Ehren eines Ministers, in entsagungsvoller Hingabe gearbeitet und geschafft hat. Damit hat er unsere Achtung und unseren Dank verdient. ({1}) Mit diesem Dank für die Leitung der Dienststelle und für mühevolle und erfolgreiche internationale Verhandlungen darf ich die Glückwünsche meiner politischen Freunde und, wie ich aus der Rede meines Vorredners, des Herrn Kollegen Dr. Becker, ersehe, einer großen Mehrheit, ja, ich hoffe, des ganzen Hohen Hauses, hier aussprechen. Denn das Werk, das der Verteidigungsminister zu vollbringen hat, ist schicksalhaft für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik, aber auch für die Festigung ihres freiheitlichen, ihres demokratischen Charakters. ({2}) Wir alle in diesem Hause, die wir die Freiheit lieben, die wir die Freiheit nach außen und innen vertreten und erhalten wollen, müssen ihm wahrhaftig unsere guten Wünsche mitgeben. Mit den guten Wünschen darf ich Bitten verbinden. Als Vorsitzender des Ausschusses, der mit den Verteidigungsfragen befaßt ist, habe ich vor allem die Bitte, daß der Verteidigungsminister in gleicher Weise wie der Leiter der Dienststelle Blank in diesem Ausschuß Mitarbeiter und nicht Gegner sieht und daß er es in gleicher Weise in Zukunft für das ganze Hohe Haus tut. ({3}) - Es mag sein. Aber ich glaube, in diesem Hohen Hause zu regieren, ohne in Ihren Reihen Gegner zu finden, ist ein Kunststück, das nicht jeder, vielleicht niemand fertigbringt. Nicht ganz ohne Anlaß ist die Bemerkung, der Minister möge sein Verhältnis zur Presse einer genauen Prüfung unterziehen. Ich behaupte beileibe nicht, daß er pressefeindlich ist. Ich will nicht einmal sagen, daß er presseflüchtig ist. Der Umfang seiner Arbeit machte es ihm vielleicht nicht immer möglich, diesen Fragen jene Aufmerksamkeit zu widmen, die notwendig ist. Aber nachdem er Minister ist, muß er, glaube ich, nun diesen Fragen doch mehr Bedeutung schenken als in den Zeiten, in denen er nur der Leiter einer Dienststelle war, die unmittelbar dem Regierungschef unterstand. Soweit eine Kritik an seinem Amte etwa deshalb geübt wurde, weil Beamte keine oder zu wenig Erklärungen abgeben, möchte ich diese Kritik allerdings zurückweisen; denn ich glaube, die Fragen, die hiermit zusammenhängen, sind so wichtig, daß dazu nicht ein einzelner Beamter, sondern eben nur der verantwortliche Minister oder in Zukunft sein Staatssekretär Erklärungen abgeben kann. Außerdem könnte eine Kritik in dieser Hinsicht aus den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion schlecht vorgebracht werden, nachdem in dem Maulkorberlaß des bayerischen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Hoegner an seine Beamten zweifellos die pressefeindlichste Haltung zum Ausdruck gekommen ist. ({4}) ({5}) Soweit an dem Herrn Minister selbst Kritik geübt worden ist, kann ich ihm für die Zukunft nur wünschen, er, der zweifellos ein Zivilist ist - das hat er gesagt, und das wissen wir -, möge sich daran erinnern, daß zwischen einem Soldaten und einem Minister jedenfalls in einem Punkt eine Ähnlichkeit besteht: der Soldat braucht Mut vor dem Feind, und der Minister braucht Mut vor der Presse, ({6}) gleichgültig ob die einen mit Kugeln schießen und dei andern mit Tinte. ({7}) - Nun, meine Damen und Herren, ich brauche ja nicht die Fragen zu beantworten, die Sie an den Herrn Minister stellen. ({8}) - Er hat von seinem parlamentarischen Recht, nicht zu antworten, Gebrauch gemacht. Das brauche ich hier nicht zu vertreten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, meine Damen und Herren. Ich habe vorhin keinen Ordnungsruf erteilt, als der Ruf „kneifen" kam. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß der Ältestenrat mit Zustimmung dieses Hauses beschlossen hat, die Stellung von Fragen von der Zustimmung des Redners abhängig zu machen. Ich möchte also bitten, daß insofern dem Herrn Bundesminister keine Vorwürfe gemacht werden. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die erste und wichtigste Frage, die hier erörtert wurde, ist die, mit welchem Tempo die Wehrgesetzgebung in Angriff genommen werden soll. Bei einer sehr interessanten Aussprache in Amerika hat mein Freund Dr. Kliesing in sehr leidenschaftlichen Worten darauf hingewiesen, daß man sich bei der Wehrgesetzgebung Zeit lassen müsse. ({0}) - Moment, lassen Sie mich doch aussprechen. Ich bin doch nicht der Mann, der heute nicht wahrhaben will, was er gestern gesagt hat. Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen. ({1}) - Ach, Sie waren dabei, Sie wissen es ja aus erster Hand. Aber ich würde es auch einem andern gegenüber zugeben. Ich habe die Worte des Herrn Dr. Kliesing meinerseits unterstrichen und mich zu ihnen bekannt. Ich habe dies, Herr Kollege Eschmann, natürlich in Amerika in erster Linie getan, weil ich Grund zu der Annahme hatte, daß es dort gewisse Kreise gibt, die glauben, wir müßten allzu rasch arbeiten, und die meinten, die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete seien nur gering. Ich habe mich gefreut, daß unser aller Argumente, die von Herrn Dr. Kliesing, von Herrn Erler und von mir, bei unseren amerikanischen Gesprächspartnern ein vielleicht unerwartet gutes Echo gefunden haben. Ich möchte das Wort, daß wir uns Zeit lassen sollen, aber nicht nur unter diesem taktischen Gesichtspunkt sehen. Ich möchte es auch hier wiederholen: wir müssen die Gesetzgebung und noch viel mehr den personellen und sachlichen Aufbau in Ruhe Schritt für Schritt vornehmen. Aber zwischen der Meinung, in Ruhe zu arbeiten, und der anderen Meinung, überhaupt nicht anzufangen, die Sie in der letzten außenpolitischen Debatte geäußert haben, klafft ein grundsätzlicher Widerspruch. ({2}) Wenn ich auch der Meinung bin, daß wir das Schritt für Schritt tun sollen und daß nichts überstürzt werden soll, weil es sich weder militärisch noch politisch auszahlt, so bin ich doch der Auffassung, daß wir mit dieser zielbewußten Arbeit sofort beginnen sollen. Geruhsam oder sachlich und ruhig Schritt für Schritt zu arbeiten, heißt nicht, auf den ersten Schritt eine uferlos lange Zeit zu warten, sondern heißt, den ersten Schritt und die nächsten Schritte in Ruhe der Reihe nach zu tun. Deshalb sind wir der Meinung: nachdem Europa mehr als drei Jahre verschwätzt hat, bis die Verträge endlich Gestalt wurden, ist es nunmehr Zeit, den ersten Schritt auf dem Gebiete der Gesetzgebung zu tun. Eine andere Frage ist es, ob das Vorschaltgesetz, das Kurzgesetz eine besonders glückliche Lösung ist. Wir wissen noch nicht, in welcher Form es uns endgültig von der Bundesregierung vorgelegt werden wird. Wie diese Form auch sei ({3}) - meinetwegen auch unverändert; denn ich bin ja für die Bundesregierung nicht verantwortlich -, das Hohe Haus und der Ausschuß, dem Sie, Herr Eschmann, und ich und etliche andere Kollegen angehören, werden das Recht und die Pflicht haben, sich dieses Gesetzes genauestens anzunehmen. Ich halte die Formulierung „Blitzgesetz", obwohl sie von meinem sehr verehrten Parteifreund Dr. Sträter stammt, nicht für übermäßig glücklich; denn das Wort Blitzgesetz ist in diesem Hause einmal angewendet worden, als wir bei der zweifellos übereilten Schaffung des Südweststaates in drei Lesungen ohne Ausschußberatung das erste Neugliederungsgesetz beschlossen haben, das dann in Karlsruhe auch noch aufgehoben worden ist. Unter einem Blitzgesetz verstehen wir also ein Gesetz, das als Initiativgesetz aus diesem Hause unter Umgehung des Bundesrates und unter Vermeidung von Ausschußsitzungen in drei Lesungen an einem Tage durchgepeitscht wird. Das ist hier gar nicht der Fall. Das Gesetz läuft über den Bundesrat, der die verfassungsmäßige Frist hat und der außerdem beim zweiten Durchgang noch einmal endgültig Stellung nehmen kann. Das Gesetz wird hier in erster Lesung ausführlich beraten werden, und wir werden die Grundsätze der Regierung und die Grundsätze der Parteien hören. Wir werden es dann im Ausschuß für Verteidigungsfragen und in den anderen Ausschüssen behandeln. Es ist Sache dieser Ausschüsse, wie lange sie glauben dazu zu brauchen. Es wird erst zustande kommen, wenn die Ausschüsse die Beratungen beendet haben. Von einem Blitzgesetz kann also hier nicht gesprochen werden. Trotzdem habe ich Bedenken gegen diese Form des Kurzgesetzes und glaube, daß es in dieser Form nicht verabschiedet werden wird, daß es in dieser Form jedenfalls nicht die Zustimmung meiner politischen Freunde findet. Wir wünschen einiges daran modifiziert und etliches hinzugesetzt. ({4}) Wir wollen aber doch daran erinnern, daß dieses Gesetz von Anfang an, so wie es im Bundesrat bereits eingebracht wurde, ein zeitlich begrenztes Gesetz ist, also nur ein Vorschaltgesetz, das die Vorbereitung dafür bieten soll, daß wir nach den Parlamentsferien in Ruhe die grundsätzliche, die dauernde, die weiterreichende Gesetzgebung in diesem Hause verabschieden und daß sich der Aufbau der Wehrmacht in Ruhe vollziehen kann. Das wollen wir doch betonen, und wir können es vielleicht in der Fassung des Gesetzes noch etwas deutlicher zum Ausdruck bringen. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß es für uns auch wichtig ist, zu wissen, wie die Spitzengliederung der kommenden Bundeswehr und des kommenden Verteidigungsministeriums aussehen wird. Zwar kann die Bundesregierung nach dem Art. 86 des Grundgesetzes diese Fragen auf Grund ihrer Organisationsgewalt regeln, aber sie können auch durch Gesetz geregelt werden. Wenn das auch nicht in ein Vorschaltgesetz wird hineingeschrieben werden können, so bin ich doch der Meinung, daß diese Fragen so wichtig sind, daß wir sie wohl besser auf gesetzlichem Wege als auf dem Wege einer Verordnung regeln. Wenn das schon in , der Präsidialdemokratie Amerika so gehandhabt wurde, wird es in der parlamentarischen Demokratie Deutschland wohl erst recht so behandelt werden müssen. Ich möchte mich dann der Frage des Personalausschusses, die hier von Herrn Erler besprochen wurde, zuwenden und möchte zunächst einmal festhalten, daß dieser Personalausschuß, so gut diese Idee ist, keine Erfindung der Sozialdemokratischen Partei ist, sondern daß sie in Gesprächen des Amtes Blank mit dem Ausschuß, seinem Vorsitzenden und den übrigen Mitgliedern geboren wurde. Wir begrüßen diesen Personalausschuß. Wir haben uns von Anfang an für diese Idee ausgesprochen. Eine Lücke von zehn Jahren klafft in der Beurteilung verantwortlicher Offiziere. Die Schatten der Vergangenheit liegen zwangsläufig auf allen, ganz gleich, wo sie gestanden sind, die in dieser Vergangenheit gelebt haben. Sie müssen aufgehellt werden. Zu diesem Zweck ist ein solcher Ausschuß aus unabhängigen Persönlichkeiten eine unabdingbare Notwendigkeit. Wir freuen uns, daß Minister Blank sich schon lange verpflichtet hat, diesen Ausschuß einzuberufen. Die sozialdemokratische Opposition hat erst vor wenigen Tagen und heute wieder den neuen Gedanken aufgebracht, diesen Ausschuß im Gesetz selbst zu verankern. Es genügt ihr jetzt nicht mehr, daß er von der Bundesregierung berufen wird auf Grund der getroffenen Absprache, die ein Benehmen, ja ein Einvernehmen mit dem Verteidigungsausschuß vorsieht. Meine Damen und Herren, ich will mich diesem Gedanken nicht grundsätzlich versperren. Ich darf für mich und meine politischen Freunde sagen, daß wir diesen Gedanken einer Verankerung des Ausschusses in einem Wehrgesetz grundsätzlich und ernsthaft prüfen werden. Wir sind allerdings der Meinung, daß dieser Ausschuß, der mit dazu beitragen soll, daß die leitenden Offiziere der kommenden Bundeswehr Diener des demokratischen Staates sind, dafür Sorge tragen muß, daß es auf der anderen Seite nicht zu einer Politisierung der Wehrmacht im parteipolitischen Sinne kommt. Wir würden es deshalb nicht für gut halten, wenn er als ein parteilicher Ausschuß aus der Mitte dieses Hauses gewählt würde. Er sollte vielmehr von der Bundesregierung berufen werden, nachdem das Einverständnis mit dem Ausschuß sichergestellt ist, der vom Hohen Hause nun einmal mit diesen Fragen betraut worden ist und auch in Zukunft betraut werden wird. Wir wenden uns gerade im Hinblick auf das Kurzgesetz mit besonderer Sorgfalt der Frage der Wehrverwaltung zu. Wir möchten ausdrücklich bemerken, daß der Grundsatz des Art. 87 Abs. 3 der verfassungsmäßig einzig mögliche ist, mit dem eine Bundesverwaltung auf dem Gebiete des Wehrwesens geschaffen werden kann. Wir versagen uns einer solchen Forderung nicht, aber wir verweisen mit Betonung auf diese Bestimmung des Grundgesetzes. Wir halten es außerdem für unbedingt notwendig, daß die Frage der parlamentarischen Kontrolle schon bald ihre entsprechende gesetzliche Regelung findet. Den Vorschlag, der hier gemacht wurde, lehnen wir allerdings ab. Nach der Konstruktion unseres Grundgesetzes ist es nicht möglich, daß ein einziger Minister unmittelbar vom Parlament abberufen werden kann, während das bei den übrigen Ministern nicht der Fall ist. Sie mögen sich überlegen, ob man die ganze Konstruktion des Grundgesetzes ändern soll oder nicht; darüber kann man einmal diskutieren. Ich persönlich neige dieser Meinung nicht zu. Aber es würde gegen das System des Grundgesetzes verstoßen, wenn ein einziger Minister abberufbar wäre und die anderen Minister nicht. Man würde außerdem diesen Minister dadurch im Vergleich zu seinen Kollegen erheblich schwächen und damit die zivile Führung der Bundeswehr sogar gefährden. Diesen Gesichtspunkt muß man, glaube ich, auch in die Debatte werfen. ({5}) Ich möchte mich nicht vertiefen in Erörterungen über den Primat des Zivilen über das Militärische und über die Stellung der Armee zum Staat. Denn darüber wollen wir uns grundsätzlich in der Debatte über das erste Wehrgesetz - es wird wohl das Freiwilligengesetz sein - unterhalten. Aber ich darf doch betonen, daß von allen Bürokratien seit jeher die Militärbürokratie für das Parlament und für die Öffentlichkeit die mit der größten Vorsicht zu behandelnde war und sicher auch in Zukunft sein wird. Diese Sorgfalt in der Behandlung der Militärbürokratie, in der Behandlung ihres Etats und in der Behandlung ihrer Personalpolitik werden wir alle miteinander an den Tag legen müssen. Es wurde vom Mißtrauen gesprochen, das man gegenüber jeder Bürokratie, gegenüber jedem Ministerium haben dürfe und müsse. Ich will das keineswegs bestreiten. Ein institutionelles Mißtrauen des Parlaments gegenüber der Regierung ist in allen Demokratien verankert und wird nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Regierungsparteien getragen. Aber ich möchte doch hinzufügen, so berechtigt dieses institutionelle Mißtrauen ist, so werden wir ohne ein persönliches Vertrauen die große Aufgabe der Wiederbewaffnung nicht in Angriff nehmen können. ({6}) Die Männer, die als Beamte und als Offiziere die neue deutsche Bundeswehr leiten sollen, bedürfen unseres persönlichen Vertrauens. ({7}) ({8}) - Über den Minister habe ich bereits gesprochen. Ich will doch nicht hoffen, daß Sie es verschlafen haben! Was nun die Offiziere und Beamten angeht, so meine ich, die Herren, die im Amt Blank nun jahrelang gearbeitet haben und mit denen wir im Ausschuß doch in eine sehr enge persönliche Berührung gekommen sind, haben, soweit wir sie kennengelernt haben, dieses Vertrauen auch verdient, und wir wollen es ihnen in der Zukunft nicht vorenthalten. Nachdem die Opposition sich so gern an die Regierung und die Mehrheit des Hauses wendet, darf ich mich auch einmal an die Opposition wenden und darf noch einmal die alte Forderung, nein, den alten Wunsch unterstreichen, daß diese Wehrgesetzgebung, unabhängig von unserer außenpolitischen Meinungsverschiedenheit, in der Zusammenarbeit zwischen der Mehrheit und der Minderheit, zwischen der Regierung und der Opposition erfolgt, jener Zusammenarbeit, die wir im Ausschuß bereits seit Jahren fruchtbar praktiziert haben. ({9}) Ich muß allerdings bemerken, wenn die Opposition wünscht, daß wir ihre Anregungen, Vorschläge und Anträge im Ausschuß vor allem, aber auch im Plenum mit Ernst behandeln, so hat sie recht. Aber die Opposition soll nun natürlich nicht meinen, daß sie bis zum letzten I-Tüpfelchen Gesetze kriegt, die sie wünscht, und dann am Ende die Möglichkeit hat, gegen diese Gesetze zu stimmen; wenn wir vielmehr im gegenseitigen Einvernehmen Gesetze schaffen, müssen diese Gesetze auch die gegenseitige Zustimmung, mindestens keinen offenen Widerspruch mehr finden. Das ist, glaube ich, ein fair play, das wir so von der Opposition erwarten können, wie wir es von der Mehrheit gegenüber der Opposition halten wollen. ({10})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Erler.

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist soeben ein Grundsattz für Zusammenarbeit entwickelt worden, der aber auch in den Ausführungen ides Herrn Bundesministers aufklang, der so ungewöhnlich ist, daß ich mich dazu ganz unmißverständlich, damit kein Zweifel übrigbleibt, äußern werde. Wir haben auch im Ausschuß - das sei hier laut gesagt, damit keine Legendenbildung einsetzt - zu keiner Stunde unsere Auffassung preisgegeben, daß wir die Gesamtheit derjenigen Gesetze, die in Wahrheit Ausführungsgesetze einer von uns bekämpften Außenpolitik sind, ablehnen werden. ({0}) Das stand fest. Wir haben zum zweiten aber ebenso zu keiner Stunde unsere Erklärung von dieser Tribüne des Bundestages widerrufen, die dahin ging, daß Sie bei der praktischen Ausgestaltung der Gesetze die Sozialdemokraten immer dort finden werden, wo um jeden Zentimeter ziviler Führung, parlamentarischer Kontrolle und Menschenwürde und demokratischer Zuverlässigkeit in diesen Streitkräften gerungen wird. ({1}) Was Sie nicht von uns erwarten können und was auch normalerweise in parlamentarischen Demokratien von der Opposition gar nicht erwartet wird, ist, daß sie der Regierung für ihre Vorlagen die Mehrheiten verschafft. ({2}) - Bitte, das war doch eben die Aufforderung! Was Sie aber jederzeit von uns haben können und haben werden, das sind unsere Vorstellungen über die Abwehr von Gefahren, unsere Vorstellungen über die Verbesserung von Gesetzen, unsere Vorstellungen von all dem, was nun einmal, auch wenn das Ganze gegen unseren Willen entsteht, an unerläßlichen Voraussetzungen mit eingebaut werden muß, damit diese unsere junge Demokratie keinen Schaden leidet. So haben wir uns bisher im Ausschuß verhalten, so werden wir uns auch künftig verhalten. Aber wenn Sie glauben, irgendwelche Anregungen der Opposition, und seien sie noch so gut, einfach deshalb in den Wind schlagen zu können, weil Sie sagen: „Ihr müßt entweder das Ganze fressen, oder ihr kriegt gar nichts!" - dann allerdings ist natürlich die Grenze dessen erreicht, was Zusammenarbeit zwischen Regierungsund Oppositionsparteien in einem Parlament mit divergierenden Meinungen und Mehrheiten nun einmal mit sich bringt. Das wollte ich hier in aller Deutlichkeit sagen, damit sich gar nicht erst irgendwelche Illusionen auf irgendwelchen Bänken des Hauses einschleichen. ({3}) Meine Damen und Herren, was Sie, wie die Geschichte seit 1949 bewiesen hat, unter „Zusammenarbeit" verstehen - daß der Bundeskanzler die Entschlüsse faßt und wir uns hinten anzuschließen haben -, das wissen wir auch. Das verstehen wir nicht darunter. ({4}) Nun ein Zweites zu dem Start der Wehrgesetzgebung. Ich habe in meiner Rede ausdrücklich darauf hingewiesen, daß niemand bezweifelt, weder im Inland noch im Ausland, daß der Herr Bundeskanzler in loyaler Weise mit seiner Parlamentsmehrheit darangehen wird, die von ihm gewünschten und durchgesetzten Verträge auch auf diesem Gebiet durchzuführen. Um das zu beweisen, dazu brauchen Sie diese überhastete Gesetzgebung nicht, denn daß Sie dazu entschlossen sind, glaubt man Ihnen unbesehens sowieso. ({5}) Diesen Beweis brauchten Sie nicht durch die Vorlage eines Gesetzes anzutreten - das nicht Sie, sondern die Regierung vorgelegt hat -, von dem es im Bundesrat in einleuchtender Prägnanz hieß, es sei so kurz wie schlecht. Was ich bedaure, aufrichtig bedaure, weil es zeigt, was diese Regierung unter Zusammenarbeit versteht, das ist die Tatsache, daß man sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, sich der vielfältigen Einwendungen des Bundesrates, dessen Regierungsmehrheiten doch nicht im wesentlichen aus der Sozialdemokratie kommen, ({6}) ({7}) und der Einwendungen Ihrer eigenen Freunde in diesem Hause auch nur im geringsten zu bedienen, um nun das Gesetz noch einmal zu überarbeiten, sondern daß - so ist mir eben die Mitteilung zuteil geworden - das Gesetz unverändert dem Bundestag zugeleitet werden wird. ({8}) Die Regierung will sich lediglich ausführlich zum Gesetz und zu den Einwänden des Bundesrates äußern. Meine Damen und Herren! Natürlich hat der Verteidigungsminister recht, wenn er sagt, wir könnten das Gesetz ja ändern. Aber ich finde, es wäre ein Zeichen, ein gutes Zeichen der Bereitschaft der Bundesregierung zu loyaler Auseinandersetzung mit Gegenargumenten, wenn sie angesichts des Empfanges, den dieses Gesetz bei den Fachleuten wie in der öffentlichen Meinung gefunden hat, sich mindestens hätte entschließen können, es zu überarbeiten, ({9}) nachdem selbst unser Kollege Dr. Jaeger angekündigt hat, daß die alte Fassung ihm nicht akzeptabel erscheint und das Gesetz wesentlich überarbeitet werden muß. Selbst von Ihrem Standpunkt aus wäre es zu begrüßen gewesen, wenn eine Reihe von Reibungsflächen von der Regierung beseitigt worden wären und wenn man nicht buchstäblich - na, Sie kennen den Ausdruck, er paßt ja zu dieser Materie - stur wie ein Panzer auf diesem Gesetz bestehen bliebe. ({10}) Meine Damen und Herren, noch etwas zu den Ausführungen des Herrn Ministers zum Personalausschuß. Daß dieser Ausschuß in seiner gesamten Konzeption den verschiedenartigsten Anregungen und Gedanken entspringt, ist bekannt; es hat nie jemand etwas anderes behauptet. Ich begrüße es als einen Erfolg dieser Debatte, daß jedenfalls einige Absichten der Bundesregierung über die Kompetenzen dieses Ausschusses so unmißverständlich klar liegen, daß man einmal prüfen kann, wieweit sie zu diesen Worten steht. Dieser Personalausschuß soll par ordre de mufti, durch Kabinettsbeschluß geschaffen werden. Meine Damen und Herren da Wesentliche. Was par ordre de mufti entstanden ist, kann par ordre de mufti auch wieder abgeschafft werden, ({11}) und davor müssen wir uns hüten, alle miteinander. ({12}) Dann eine Kleinigkeit, mehr humoristischer Art: die Fragebogen für die Seelsorge. Das Problem der Truppenseelsorge ist ein ernstes Problem. Aber den Ausbau der Seelsorge und die Zahl der dazu benötigten Seelsorger können Sie nicht aus den Fragebogen entnehmen, weil Sie gar nicht wissen, wen Sie nachher verwenden, und wenn Sie die Leute verwenden, dann steht es in der Steuerkarte, dann brauchen Sie keinen Fragebogen v o r der Einstellung. ({13}) Dadurch entstehen doch erst alle diese auch die Öffentlichkeit beunruhigenden Gedanken. Schaffen Sie die doch von sich aus freiwillig aus der Welt! ({14}) Wenn man angesichts der großen Menschenzahl, um die es sich handelt, ungefähr wissen will, wie sich eine Truppe zusammensetzt, dann können Sie das im Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland für die betreffenden Bevölkerungsjahrgänge ungefähr nachlesen. Der Unterschied im Verhältnis zu dem Material, das Ihnen mit den Fragebogen ungeprüft zufließt, ist nicht sehr groß. Sie wissen weder von den einen noch von den anderen, ob Sie sie verwenden werden oder nicht, bevor das in der Sache geprüft ist. Schließlich - ich bedauere, daß ich das hier doch noch einmal sagen muß - möchte ich nicht gern den Vorwurf auf mir sitzen lassen, daß ich dem Bundestag fahrlässigerweise irgendeine Behauptung unterbreitet hätte. Als ich von der Pressekonferenz des Herrn Ministers sprach, der sich nicht stellte, meinte ich natürlich keine Pressekonferenz an dem Freitag, an dem wir die Sitzung des Sicherheitsausschusses hatten; denn daß der Minister mit Vorrang - das ergab sich ja auch aus meinen Ausführungen vorhin ganz klar - das Parlament zu bedienen hat, trotz allem Respekt vor der öffentlichen Meinung, das ist logisch. Das steht auch im Grundgesetz, daß er jederzeit zu erscheinen hat, wenn wir das wünschen. Aber an diesem Freitag, als er auf der Pressekonferenz nicht erscheinen konnte, da ist Herrn Forschbach zugesichert worden, daß der Herr Verteidigungsminister an der Pressekonferenz am letzten Montag - und um die handelt es sich - um 12 Uhr telnehmen würde, und dort wurde den Journalisten mitgeteilt, der Herr Verteidigungsminister könne wegen seiner Reise nach Paris nicht anwesend sein, die er dann am Abend angetreten hat. Das lediglich zur Klärung des Sachverhalts, damit uns die Tatsachen in Erinnerung bleiben und man nicht etwa glaubt, daß ein sozialdemokratischer Sprecher hier leichtfertig Behauptungen in die Welt gesetzt habe. ({15})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu den letzten Sätzen des Herrn Erler noch einmal zu erklären: Ich habe niemand eine Zusicherung gegeben, auf einer bestimmten Pressekonferenz zu erscheinen. Dies, damit hier nicht eine ,Behauptung - die doch implicite darin liegt - im Raum stehenbleibt, daß ich zugesagt hätte, aber nicht gekommen sei.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Damit ist die Rednerliste erschöpft. Ich schließe damit die Beratung zu dem Einzelplan 35. Wir kommen zu den Abstimmungen. Ich beginne mit dem Einzelplan 35 und komme zunächst zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Der Änderungsantrag Umdruck 413 ist begründet. Der Änderungsantrag Umdruck 408 ist im Zusammenhang mit der Beratung des Einzelplans 06 begründet, - ist das richtig, Herr Kollege Maier? ({0}) Zunächst also Umdruck 413 *), Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Wer diesem Änderungs- *) Siehe Anlage 10. ({1}) antrag auf Umdruck 413 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich komme zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 408*). Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag auf Umdruck 408 ist abgelehnt. ({2}) Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 35. Wer dem Einzelplan 35 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; der Einzelplan 35 ist angenommen. Meine Damen und Herren, ich hole nunmehr Abstimmungen nach, und zwar rufe ich zunächst den Einzelplan 11 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag auf Umdruck 418") vor. Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 418 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer dem Einzelplan 11 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit. ({3}) - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Einzelplan 11 angenommen. Ich rufe auf den Einzelplan 19. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dem Einzelplan 19 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen. Ich komme zu dem Einzelplan 20. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer dem Einzelplan 20 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist einstimmig angenommen. Ich komme zu dem Einzelplan 24. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge - Umdruck 394 und Umdruck 404 - vor. Zu Umdruck 404 ist namentliche Abstimmung beantragt; ist das richtig? ({4}) - Ich sage: zu dem Antrag auf Umdruck 404, Herr Kollege Schoettle, ist namentliche Abstimmung beantragt. Über den Antrag auf Umdruck 394***) lasse ich zunächst abstimmen, es ist der Änderungsantrag des Abgeordneten Bergmeyer. - Ich kann dem Herrn Abgeordneten Bergmeyer das Wort nicht mehr geben, weil er sich erst nach Schluß der allgemeinen Beratung zum Wort gemeldet hat. Der Antrag kommt in der dritten Lesung wieder. Ich bringe ihn jetzt zur Abstimmung: Umdruck 394, Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Bergmeyer zu Einzelplan 24. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- *) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 6. zeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, es ist fast unmöglich, die Situation zu beurteilen. Nehmen Sie bitte erst Platz, und dann werde ich Sie bitten, sich zu erheben. Nehmen Sie bitte erst Platz, und dann werde ich Sie bitten, sich zu erheben. Ich wiederhole die Abstimmung über den Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Bergmeyer, Umdruck 394. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Danke, die Situation ist klar: der Änderungsantrag ist abgelehnt. ({5}) - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Nun kommen wir zu der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 404*). Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({6}) Meine Damen und Herren, ich frage, ob alle Stimmkarten abgegeben sind. - Ich schließe die Abstimmung. ({7}) Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 404 bekannt: Abgegebene Stimmen insgesamt 393, mit Ja haben gestimmt 127, mit Nein haben gestimmt 258 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 8. Berliner Abgeordnete: Abgegebene Stimmen 19, mit Ja haben gestimmt 8, mit Nein haben gestimmt 10 Mitglieder, und enthalten hat sich 1 Mitglied des Hauses. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 404 abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 24. Wer diesem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 24 ist angenommen. Ich komme zu dem Einzelplan 32. Änderungsanträge zu dem Einzelplan 32 liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 32 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Einzelplan 32 angenommen. Ich komme zu dem Einzelplan 33. Änderungsanträge zum Einzelplan 33 liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 33 scheint einstimmig angenommen zu sein. Ich komme zu dem Einzelplan 49. Wer diesem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist der Einzelplan 49 angenommen. Ich komme zu dem Einzelplan 50. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 50 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 50 ist einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, damit sind wir mit den Abstimmungen und dem Gang der Debatte wieder auf gleich und gleich. Siehe Anlage 7. **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 4917. ({8}) Ich rufe nunmehr, einer interfraktionellen Vereinbarung folgend, zunächst in zweiter Lesung auf den s) Einzelplan 27 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({9}). Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat gebeten, heute noch zur Behandlung seines Etats zu kommen, weil er morgen in Berlin dringend erwartet wird. Wir kämen dann zu Einzelplan 26, dann zu Einzelplan 28, und ich hoffe, daß wir dann wieder in der Reihenfolge fortfahren können, wie sie auf der Tagesordnung aufgeführt ist. Also zunächst Einzelplan 27. - Das Wort hat als Berichterstatter der Abgeordnete Blachstein. Blachstein ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf ein Versehen in dem Ihnen vorliegenden Mündlichen Bericht auf Drucksache 1519 aufmerksam machen. Nach Punkt 2 dieses Ausschußantrags sollen die Anträge Drucksache 742 und Umdruck 113 durch die Verabschiedung dieses Haushaltsplans für erledigt erklärt werden. Nach den Beschlüssen, die der Ausschuß bei seinen Beratungen gefaßt hat, muß außer diesen beiden Anträgen noch der Antrag Umdruck 197 für erledigt erklärt werden. Darf ich Sie bitten, Herr Präsident, den Antrag Umdruck 197 unter Punkt 2 mit aufzuführen. ({11}) Zum Einzelplan selbst möchte ich nur zwei Bemerkungen machen. Im allgemeinen sind die Zahlen dieses Haushalts und der Personalbestand unverändert geblieben. Es gibt zwei wesentliche Erhöhungen, nämlich erstens unter den Allgemeinen Ausgaben unter Tit. 300, Zuschüsse an Forschungsinstitute für kultur- und volkspolitische Zwecke und ähnliche Einrichtungen sowie für allgemeine kulturelle Zwecke. Dieser Titel ist von 20 auf 21,2 Millionen erhöht worden. Zweitens ist der Tit. 302 unter den Allgemeinen Ausgaben von 4,3 auf 9,3 Millionen erhöht worden mit einer neuen Aufteilung, indem für Schulbauten in den gefährdeten Grenzgebieten 7,3 Millionen und für allgemeine kulturelle Maßnahmen 2 Millionen in diesem Haushalt eingesetzt worden sind. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme dieses Haushalts in der vorgelegten Form.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung zu Einzelplan 27 in der zweiten Lesung und komme zur Abstimmung. Wer dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses auf Drucksache 1519 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 26 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({0}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Abgeordneten Dr. Keller. Dr. Keller ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu diesem Ressort kann ein kurzer Bericht abgegeben werden. Über die Wichtigkeit der Probleme zu reden, die noch in der Tiefe schlummern, ist nicht Aufgabe des Berichterstatters; bei anderen Gelegenheiten wird dazu Raum gegeben sein. Die personellen Titel des Ministeriums, das sich ja in den ganzen Jahren durch eine bescheidene Haushaltung in diesen Fragen ausgezeichnet hat, wie ich sagen möchte, weisen wenig Änderungen auf. Einige wenige Schreibkräfte sind auf Grund des nachweislich sehr stark gestiegenen Anfalls aus den Reihen derer, die sich hilfesuchend an das Ministerium wenden, zusätzlich bewilligt worden. Im übrigen sind nennenswerte Änderungen nicht eingetreten. Bei den Allgemeinen Ausgaben wäre hervorzuheben, daß in diesem Jahre der Ansatz für Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial von 500 000 auf 660 000 DM erhöht worden ist. Bei den Maßnahmen zur Betreuung von Organisationen und Verbänden, die der Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten dienen, ist der Regierungsansatz von 300 000 DM vom Ausschuß auf 250 000 DM ermäßigt worden. Hingegen sind die Ansätze unter Tit. 301 b, die der Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebenen dienen sollen vom Ausschuß von 750 000 DM, wie sie in diesem Jahr wie im Vorjahr veranschlagt waren, auf 800 000 DM erhöht worden. Die Mittel für die Erfüllung von Suchdienstaufgaben, in die das Deutsche Rote Kreuz und andere, vor allem kirchliche Suchdienststellen eingeschaltet sind, die bisher mit einem Sperrvermerk versehen waren, sind nun restlos entsperrt worden, weil das Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit ergeben hat, daß diese so viele Tausende und noch mehr Menschen in Deutschland heute noch bedrückenden Fragen nicht ohne diese Mittel bewältigt werden können. Der Ausschuß hat den Titel 309 - Gesamterhebung zur Klärung des Schicksals der ehemaligen deutschen Bevölkerung in den Vertreibungsgebieten - mit einem neu ausgebrachten Betrag von 1 500 000 DM aus systematischen Gründen in einen weiteren Titel, nämlich den Tit. 950 verwiesen und umgesetzt. Für die Betreuung der heimatlosen Ausländer, für die im Regierungsvorschlag der Betrag von 100 000 DM vorgesehen war, hat der Ausschuß geglaubt, eine Bewilligung nicht treffen zu sollen. Im Kap. 26 03, das sich mit dem Notaufnahmeverfahren befaßt, hat die Regierung eine Ergänzungsvorlage unterbreitet, in der sie beantragt, die Leiter des Notaufnahmeverfahrens und die leitenden Bürobeamten in den Notaufnahmelagern aus Gründen ihrer dienstlichen Stellung und all der Zusammenhänge, die diese betrifft, in das Beamtenverhältnis zu übernehmen. Der Ausschuß hat geglaubt, dieser Anregung nicht folgen zu sollen. Ich darf Sie namens des Ausschusses bitten, dem Einzelplan 26 in der Ausschußvorlage zuzustimmen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Haushaltsdebatte ist es notwendig, zu den noch immer viel({0}) seitigen Problemen der Sowjetzonenflüchtlinge Stellung zu nehmen, um sie auch im Zusammenhang mit dieser Debatte in das Blickfeld des Parlaments zu rücken. Dabei sind wir uns, wie wir das auch im vergangenen Jahr bei der Haushaltsdebatte gesagt haben, durchaus bewußt, daß die Lösung dieser Fragen schwierig und kompliziert ist. Wir erkennen selbstverständlich an, daß durch die Neuregelung des Härtefonds im Lastenausgleich eine Verbesserung für die Sowjetzonenflüchtlinge erfolgte, weil die Ermessensfragen, unter denen dieser Personenkreis bislang immer ganz besonders zu leiden hatte, dadurch eingeschränkt werden und der Flüchtling nicht mehr in dem Maße wie früher von Ermessensentscheiden abhängig ist. Wenn wir aber die Sicherheit haben wollen, daß sich diese Neuregelung auch wirklich positiv für den Flüchtling auswirkt, so ist es notwendig, daß die vorgesehene Erhöhung des Härtefonds auf 150 Millionen DM, von denen 50 Millionen DM aus Bundesmitteln gegeben werden sollen, wirklich realisiert wird. Diese 50 Millionen DM stehen leider nur im außerordentlichen Etat, und das Bundesausgleichsamt kann über diese Summe noch nicht verfügen. Wir erwarten deshalb von der Bundesregierung, daß sie die Erhöhung des Härtefonds als vordringlich ansieht und diese Summe unter allen Umständen zur Verfügung stellt. Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang nochmals darauf hinweisen, daß wir nach wie vor der Ansicht sind, daß für die Sowjetzonenflüchtlinge eine Gleichstellung und eine Gleichberechtigung mit den anderen Geschädigtengruppen erreicht werden muß. Deshalb können wir die neue Regelung durch die Vierte Novelle zum Lastenausgleichsgesetz nicht als letzten Schritt betrachten, sondern wir erwarten Vorschläge, die dem Verlangen nach einer besseren und gleichberechtigten Regelung Rechnung tragen. Die Sowjetzonenflüchtlinge würden es sehr 'dankbar begrüßen, wenn Sie, Herr Minister Oberländer, auf diesem Gebiet endlich einmal initiativ werden würden, nachdem Sie draußen in Ihren Versammlungen und in Ihren Kundgebungen immer wieder davon gesprochen und bei den Sowjetzonenflüchtlingen Hoffnungen erweckt haben. Seien wir uns darüber klar, daß es politisch nicht klug ist, den Sowjetzonenflüchtlingen, die zu uns gekommen sind und sich für die Freiheit entschieden haben, das Gefühl zu geben und es ihnen immer weiter zu belassen, allen anderen Geschädigtengruppen gegenüber minderberechtigt zu sein. Wir stellen weiterhin mit Bedauern fest, daß sich besonders in der Frage der Unterbringung der Flüchtlinge und vor allen Dingen in der Verkürzung des Lageraufenthalts die Situation noch nicht gebessert hat. Herr Minister Oberländer, Sie haben im September 1954 erklärt, Sie würden es nicht dulden, daß ein Flüchtling länger als sechs Monate im Lager zubringt. Nun, damit wären wir und auch die Sowjetzonenflüchtlinge einverstanden. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Wir haben 'beispielsweise in Nordrhein-Westfalen ca. 950 zum Teil menschenunwürdige Notunterkünfte, in denen es Flüchtlinge gibt, die zwei Jahre Lagerleben hinter sich haben. Dabei ist es für uns vor allen Dingen beschämend, daß sich darunter noch immer Kämpfer des 17. Juni sowie politische Sowjetzonenhäftlinge befinden, die mit Recht hofften, für ihre Opfer, die sie Gesamtdeutschland gebracht haben, eine andere Aufnahme zu finden. Hinzu kommt jetzt die weitere Schwierigkeit, .daß infolge der Beschlagnahme der Kasernen durch das Amt Blank viele Flüchtlinge anderweitig untergebracht werden müssen. Es besteht die Gefahr, daß diese neuen Unterkünfte nicht besser, sondern eher schlechter sein werden. Sehen Sie, es hat sich teilweise die groteske Situation ergeben, daß durch das Notaufnahmeverfahren abgelehnte Flüchtlinge oder Zuwanderer, die das Aufnahmelager gar nicht aufgesucht haben, schneller in geordnete Verhältnisse gekommen sind als die Flüchtlinge, die den von den Bundesbehörden vorgeschriebenen Weg gegangen sind, die also in der Betreuung des Bundes stehen; und daß manche Flüchtlinge, die mit Hoffnungen zu uns gekommen sind, in die Zone zurückgehen, weil sie keine Möglichkeit fanden, bei uns festen Fuß zu fassen, spricht ganz sicher gegen uns. Wir wären deshalb dem Herrn Minister Oberländer dankbar, wenn er uns seine Pläne über die Eingliederung und damit gleichzeitig über die Lagerverkürzung der Sowjetzonenflüchtlinge bekanntgäbe und uns sagte, wie er das Dilemma, das anscheinend zwischen Bund und Ländern im Hinblick auf die Mittel für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge besteht, 'beseitigen will. In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, daß wir es für absolut notwendig halten, den Flüchtlingen die Möglichkeit zu geben, bereits während ihres Lageraufenthalts, auch in allen Gastlagern, ihre Anträge auf Ausstellung des Flüchtlingsausweises C zu stellen, um keine Zeit zu verlieren, wie wir auch wünschen, daß wegen der vielen Klagen und der vielen Beschwerden der Flüchtlinge über das Anerkennungsverfahren bei der Ausstellung des Flüchtlingsausweises C das Ministerium laufend Beobachtungen anstellt und die Länder immer wieder darauf aufmerksam macht, daß die Beamten, die mit diesen Aufgaben betraut sind, wirklich in der Lage sein müssen, die politischen Umstände, die die Flucht auslösten, richtig und sachgemäß zu beurteilen. Eine weitere große Aufgabe ist die Fürsorge für die Jugendlichen aus der SBZ, die im Augenblick einen hohen Prozentsatz der Flüchtlinge ausmachen und die herübergekommen sind, um sich der Rekrutierung zur kasernierten Volkspolizei zu entziehen. Da wir damit rechnen müssen, daß die Aufstellung von militärischen Verbänden hier bei uns auch eine verstärkte Rekrutierung für die kasernierte Volkspolizei auslöst und damit eine verstärkte Flucht der Jugendlichen nach sich zieht, ergeben sich für uns 'daraus Konsequenzen, denen wir uns nicht entziehen können. Ich meine damit, daß wir uns in ganz besonderem Maße um diese Jugendlichen zu bemühen und uns um sie zu kümmern haben, sowohl in der beruflichen Fürsorge als auch in der seelischen Betreuung. Ein kurzes Wort noch zu der Flüchtlingssituation in Berlin. Ich will diese Frage keineswegs dramatisieren. Aber wir sehen doch mit großer Sorge, daß Berlin durch die im Notaufnahmeverfahren abgelehnten Zuwanderer außerordentlich stark belastet ist. Im Augenblick befinden sich in Berlin zirka 40 000 nicht anerkannte Flüchtlinge, und jeden Monat kommen noch ungefähr 2500 bis 3000 abgelehnte Flüchtlinge dazu, die in Berlin bleiben. Ich glaube, ich brauche über die Situation dieser nicht anerkannten Flüchtlinge 'in Berlin nichts zu sagen. Darüber 'ist in diesem Hause schon des öfteren ({1}) gesprochen worden. Ihre Lage ist denkbar ungünstig. Aber auch für die Stadt Berlin ist eine solche Zumutung auf die Dauer nicht tragbar. Herr Minister Oberländer, Sie sollen zwar nach einer Sitzung mit den Vertretern der Länderflüchtlingsstellen im September 1954 die Anweisung erteilt haben, die nicht anerkannten Flüchtlinge im Wege des Ermessens aufzunehmen und aus Berlin auszufliegen; da sich aber ,die Zahl der 40 000 nicht anerkannten Flüchtlinge nicht verringert hat, scheint diese Anweisung ohne Erfolg geblieben zu sein. Wir hätten gern von Ihnen gehört, wie man sich die weitere Entwicklung vorstellt. Es gäbe, meine Herren und Damen, zu dem Problem der Sowjetzonenflüchtlinge noch vieles zu sagen. Aber wir wissen alle, daß die Zeit im Rahmen dieser Haushaltsdebatte beschränkt ist. Lassen Sie mich zum Schluß noch auf eins hinweisen. Wir werden übermorgen, am 17. Juni, erneut unser Bekenntnis zur Zone bekräftigen. Ich möchte wünschen und hoffen, daß den Worten, die übermorgen gesprochen werden, die auch von der Bundesregierung übermorgen gesprochen werden, für die Flüchtlinge die Tat folgt. Was wir für die Sowjetzonenflüchtlinge hier tun, ist Prüfstein unseres gesamtdeutschen Willens. Wir sind der Ansicht, sie haben als Opfer des Regimes jenseits der Zonengrenze Anspruch auf unsere Hilfe. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.

Peter Blachstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe an den Herrn Minister Oberländer einige Fragen im Zusammenhang mit den 10 Millionen DM, die in diesem Jahr als einmalige Beihilfe für ehemalige politische Sowjetzonenhäftlinge, die sich in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befinden und unterstützungswürdig sind, im Haushalt für Kriegsfolgenhilfe, Kap. 40 03 Tit. 953, ausgebracht sind. Es heißt in den Erläuterungen, daß es sich um solche ehemalige politische Gefangene handeln muß, die sich in einer besonderen wirtschaftlichen Notlage befinden. Wir haben uns auch in diesem Hause erst vor wenigen Wochen, aber auch bei früheren Anlässen mit diesem Personenkreis beschäftigt. Wir bedauern, daß es so lange gedauert hat, bis diese 10 Millionen DM in diesem Haushalt erschienen sind. Es heißt in der Erläuterung zu Tit. 953 weiter, daß die Mittel nach Richtlinien bewirtschaftet werden, die der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen erläßt. Wir fragen Sie, Herr Minister: Wann ist mit dem Erlaß dieser Richtlinien zu rechnen? Wann werden endlich mit diesen Mitteln konkrete Hilfsmaßnahmen für diese Menschen eingeleitet? Wir haben gehört, daß die Hilfe - wenn ich richtig unterrichtet bin - damit beginnt, daß zwei verschiedene Fragebogen ausgegeben werden. Wir meinen, daß es mit den Fragebogen, daß das Warten und das Vertrösten schon allzu lange gedauert hat und daß diese Mittel den Menschen, für die sie bestimmt sind, nun wirklich so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden sollten. Früher hat man in diesem Hause bezweifelt, daß überhaupt gesetzliche Regelungen für diesen Personenkreis notwendig seien, und hat dann auf diesen Fonds vertröstet. Nun heißt es, erst müsse das Gesetz über die Hilfsmaßnahmen verabschiedet sein, durch das festgestellt werde, welche Personen anspruchsberechtigt seien, dann erst könne man die 10 Millionen geben. Die 10 Millionen waren doch als eine erste Hilfe gedacht! Man wollte so einmal feststellen, wie groß das Bedürfnis überhaupt ist. Hier geraten wir in einen Kreis, aus dem es anscheinend von seiten der Bürokratie keinen Ausweg gibt. Wir möchten deshalb den Herrn Minister für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten sehr dringlich bitten, diese Dinge nun so effektiv in Gang zu setzen, daß die Menschen, die auf die Hilfe warten und sie bitter nötig haben, auch wirklich in den Genuß der Hilfe kommen. Wir wären dankbar, wenn wir heute anläßlich der Haushaltsberatung erfahren könnten, wie das Verfahren gedacht ist und welche echten Hilfsmaßnahmen der Herr Bundesminister wirklich einzuleiten bereit ist.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dewald.

Georg Dewald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem hier eine Lanze für die Sowjetzonenflüchtlinge gebrochen worden ist, halte ich es für notwendig, auch einige Worte über eine andere Gruppe zu sagen, die ebenfalls auf Hilfe wartet und die Hilfe verdient und die der Meinung ist, daß ihr Anliegen bis jetzt leider vernachlässigt worden sei. Das sind die Evakuierten. Ich weiß, daß man bisher diese Frage immer und immer wieder als nicht spruchreif bezeichnet hat, weil die in Gang befindliche Registrierung der Evakuierten noch nicht abgeschlossen war. Das hat sich aber inzwischen geändert. Am 31. März dieses Jahres ist die Registrierung zu Ende gegangen, und es hat sich gezeigt, daß die Schätzungen, die vom Wohnungsbauministerium und vom Vertriebenenministerium angestellt worden waren, Unterschätzungen gewesen sind und daß die Zahl der rückkehrwilligen Evakuierten größer ist, als man angenommen hat. Nun ist es, glaube ich, an der Zeit, daß man sich der einhelligen Meinung erinnert, die seinerzeit bei der Verabschiedung des Evakuiertengesetzes, einer der letzten Gesetzgebungsarbeiten des 1. Bundestages, bei allen Mitgliedern des damaligen Beratungskörpers zutage trat, nämlich, daß das ganze Evakuiertengesetz eine Deklamation bleiben wird, wenn nicht Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den notwendigen Wohnraum für die rückkehrwilligen Evakuierten zu sichern. Nun wäre es sehr interessant, auf das Ergebnis einzugehen, das bei der nunmehr vollzogenen Erhebung zutage trat. Es wäre außerordentlich interessant, darauf einzugehen, wie die Altersschichtung, wie die Berufsschichtung ist und welche ganz besonderen Probleme uns bei der Bewältigung der Wohnraumbeschaffung für die rückkehrwilligen Evakuierten gestellt sind. Aber ich will Ihre Zeit heute nicht in Anspruch nehmen. Vielleicht haben wir später einmal Gelegenheit - das hoffe ich ganz sicher -, das in aller Ausführlichkeit zu tun und die entsprechenden Mittel und Wege zu finden, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Heute möchte ich Sie nur darauf aufmerksam machen, daß bei der vor uns liegenden Beratung des Etats des Wohnungsbauministeriums ein Antrag meiner Fraktion vorliegt, der vorsieht, daß in Kap. 25 01 dieses Ministeriums ein neuer Tit. 531 „Darlehen ({0}) für Wohnungsbau für die innere Umsiedlung" - also für die Umsiedlung innerhalb der Länder, für die Umsiedlung aus den Zufluchtsorten in die Ausgangsorte - eingefügt und die Summe von 50 Millionen DM bereitgestellt wird, damit wir diese innere Umsiedlung vollenden oder wenigstens anpacken können. ({1}) - Eine Deckung ist im außerordentlichen Etat gegeben. Im außerordentlichen Etat sind die sämtlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau enthalten. Dort sind 500 Millionen DM eingesetzt. Wir halten es für vertretbar, daß angesichts der besonderen Not dieser Erstvertriebenen, angesichts der besonderen Not dieser Ärmsten der Armen, wie ich sie einmal bezeichnen möchte, zu diesen 500 Millionen hier noch mit 50 Millionen DM aufgestockt wird. Bei diesem Anlaß habe ich auch noch eine Frage an den Herrn Minister für Vertriebene und Kriegssachgeschädigte zu stellen. Der Nürnberger Stadtrat hat sich in einem Sehreiben an den Herrn Wohnungsbauminister gewandt mit dem Vorschlag, ein Sonderbauprogramm für die Evakuierten einzuleiten. Nach den mir bekannt gewordenen Tatsachen soll sich der Herr Wohnungsbauminister in seinem Antwortschreiben auf den Standpunkt gestellt haben, die innere Rückführung der Evakuierten von den Zufluchtsorten zu den Ausgangsorten sei nicht Sache des Bundes, sondern Sache der Länder und der Gemeinden. Nach meiner Ansicht ist diese Auffassung des Bundeswohnungsbauministeriums unhaltbar. Die Evakuierten sind ebenfalls echte Vetriebene; es ist eine Kriegsfolgeerscheinung und nichts anderes. Daher muß es die Aufgabe des Bundes sein, hier helfend einzugreifen und Wohnraum für diejenigen zu schaffen, die in ihre Vaterstadt zurückwollen, wo sie ihre Jugend verlebt haben und wo sie einmal hoffen, den ewigen Frieden zu finden. Ich wäre also dankbar, wenn der Herr Bundesminister für Kriegssachgeschädigte mir seine Ansicht über diese Auffassung des Wohnungsbauministeriums mitteilen würde. Ich möchte Sie bitten, dem Antrag Umdruck 424, wenn er zur Beratung und zur Abstimmung steht, Ihre Zustimmung zu geben. Dann möchte ich noch darauf verweisen, daß seinerzeit die Verabschiedung des Bundesevakuiertengesetzes überhastet geschehen ist, eine Eigenschaft, die es gemeinsam hat mit dem in den gleichen Tagen damals erlassenen Gesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts. Es haben sich Mängel herausgestellt, und die Beseitigung dieser Mängel ist Aufgabe des im Gesetz vorgesehenen Erlasses einer Rechtsverordnung. Ich habe bereits im November des vergangenen Jahres die Anfrage gestellt, wann denn nun diese Rechtsverordnung erscheint, auf die die Vollzugsbehörden außerordentlich dringlich warten. Mir ist damals die Auskunft gegeben worden, die Verordnung werde im Januar des kommenden Jahres erscheinen. Nun haben wir Juni dieses Jahres, und die Rechtsverordnung ist immer noch nicht erschienen, weil angeblich außerordentlich große juristische Schwierigkeiten dem entgegenstehen. Ich möchte bitten, vielleicht heute einmal zu sagen, wann die Vollzugsbehörden den Erlaß der Rechtsverordnung nunmehr erwarten können, weil sie sie zum Vollzug ihrer Arbeit außerordentlich notwendig brauchen. Ich will Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen. Ich meine - und ich bin davon überzeugt, daß auf allen Bänken dieses Hauses diese Meinung vorhanden ist -, daß gerade diese Schicht von Menschen, die draußen in ihren Zufluchtsorten wohnen und in die Heimat zurückverlangen, unser aller Unterstützung wert ist. Und darum möchte ich Sie bitten. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Strosche zur Begründung des Antrags Umdruck 384*).

Dr. Johannes Helmut Strosche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002276, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden es mir vorweg zugestehen, daß es für uns alle und insbesondere für meine politischen Freunde und mich zweifellos jetzt verlockend wäre, über die bloße Begründung des Antrags hinaus ein wenig auf die Gesamtprobleme dieses Ministeriums und noch offene einschlägige Fragen hinzuweisen. Aber ich glaube, daß wir im Laufe vergangener parlamentarischer Diskussionen unsere Meinung zu diesen Dingen oftmals klarlegten und daß insbesondere bei der dritten Lesung des Haushalts noch Gelegenheit sein wird, diese oder jene Frage iallgemeineren Charakters zu beleuchten. Es wird bei dieser Gelegenheit auch notwendig sein, darauf hinzuweisen, daß wir viele Anliegen - Herzensanliegen. möchte ich sagen - gerade im Rahmen dieses Hauses und Etats bislang nicht verwirklicht sehen. Wir wollen aber nicht verkennen, daß gewisse Ansätze zu einer günstigen und in unserem Sinne richtigen politischen Entwicklung da sind, und möchten sowohl dem zuständigen Minister wie allen Angehörigen seines Hauses dafür, daß sie in dieser Weise gearbeitet und gewirkt haben, unseren Dank sagen. Heute aber und gerade jetzt soil vor allem unser Anliegen begründet werden, das in dem Antrag Umdruck 384 zum Ausdruck kommt. Wir bitten, in Kap. 26 01 Tit. 301 unter Buchstabe a die Regierungsvorlage wiederherzustellen, d. h. statt nach dem Ausschußbeschluß Mittel im Betrage von 250 000 DM auszuwerfen, 300 000 DM einzusetzen. Sie wissen, daß dieser Titel geführt wird, um die Betreuung von Organisationen und Verbänden zu stützen, die der Eingliederung der Vertriebenen, der Flüchtlinge und der Kriegsgeschädigten gedient haben und weiterhin dienen müssen. Es sei kurz in die Erinnerung zurückgerufen, daß ein neuer Betreuungskreis zu dieser Verbändetätigkeit hinzugekommen ist, nämlich der der Kriegssachgeschädigten und der Flüchtlinge aus der sowjetisch besetzten Zone. Ich möchte jetzt nicht alle haushaltstechnischen Fragen der Dotierung in der einen oder anderen Position aufwerfen, sondern möchte ganz allgemein sagen, daß wir die Erhöhung dieses Ansatzes aus verschiedenen sozialpolitischen. aber auch gesamt- und staatsnolitischen Gründen für richtig und notwendig erachten. Ich habe bereits bei einer anderen Gelegenheit einmal auf die Aufgabe und den Wert von Verbänden hingewiesen, die es sich nach dem größten Zusammenbruch, ja nach der größten Katastrophe unserer Geschichte, die wir je erlebt haben, zur Aufgabe gemacht haben, diejenigen besonders zu *) Siehe Anlage 11. ({0}) betreuen und zu beraten, die durch diesen Schicksalsschlag sozusagen hundertprozentig unter die Räder gekommen sind. Ich habe bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß man bei der Beurteilung der Aufgaben und damit auch bei der Unterstützung derartiger Verbände genau zwischen den Verbänden, die sich sozusagen ein friedensmäßiges Anliegen zum Ziele gesetzt haben, und jenen Verbänden unterscheiden sollte, die über die bloß karitative, beratende, helfende und unterstützende Art hinaus zumeist ehrenamtlich und in einer vorbildlichen Weise auch wichtige staatspolitische Aufgaben erfüllt haben, Aufgaben, die schon darin liegen, daß sie einen Beunruhigungsfaktor, der für den gesamten Aufbau unserer jungen Demokratie ein gefährliches Ausmaß hatte, weitestmöglich abgeschirmt haben. Manche Menschen glauben heute schon im Zeichen des deutschen Wirtschaftswunders, über das wir uns auch freuen und das wir gar nicht ableugnen wollen, in bezug auf die Eingliederung sei schon alles getan, daß Millionen Menschen bereits krisenfest eingegliedert seien. Wir glauben, daß auch in diesem Zeitpunkt die Eingliederung zwar große Fortschritte gemacht hat, aber noch immer nicht so weit gediehen ist, daß sie der Hilfe, der Beratung und Unterstützung gerade solcher Verbände von diesem staatspolitischen Wert zu entbehren vermag. Die erste Phase unserer Eingliederung war doch - das wird jeder bestätigen müssen, der sich dessen erinnert - mehr oder weniger, sagen wir, karitativer, menschlicher, kameradschaftlicher und aus dem Augenblick geborener Art. Man hat ja auch die Frage aufgeworfen, ob es nicht überhaupt beschämend ist, daß wir einer Fülle solcher Interessenverbände - im guten Sinne des Wortes - der Kriegsopfer, der Kriegsgeschädigten und der Kriegsbeschädigten bedürfen. Das wollen wir heute nicht beantworten. Wir wollen aber dankbar sein, daß sich unabhängig von der Hilfe des Staates, der Behörden und aller derjenigen Menschen, die sich in diesen Notzeiten angesprochen fühlten, auch Verbände gebildet hatten, die hier menschlich, karitativ und zuallererst geholfen haben, wo Not am Mann war. Die zweite Phase, die wir vielleicht jetzt schon hinter uns haben, hatte zum Inhalt, auf Grund von Sozialgesetzen, die dieses Hohe Haus beschlossen hat - mögen sie da und dort Mängel haben; das sei jetzt nicht erörtert -, die Eingliederung weitestmöglich voranzutreiben. Ich möchte hier ganz deutlich und ganz klar sagen, daß dieses Werk, das halbwegs gelungen erscheint, gar nicht durchzuführen gewesen wäre, wenn es nicht diese Verbände gegeben hätte, die dem Staat eine Hilfe geleistet haben, die gar nicht bezahlbar ist. Vor allem wurde sie nie den kleinsten und kleinen Helfern in den Dörfern und Orten draußen bezahlt, die zumeist aus reinem Idealismus und ehrenamtlich eine unsagbare Hilfe geleistet haben. Wenn Sie daran denken, welche Fülle von Fragebogen und Formularen oft alten, unbeholfenen Menschen vorgelegt wurde und wie alle diese Dinge nicht vorangegangen wären, wenn diese Helfer nicht dagewesen wären, werden Sie mir billigerweise wohl zustimmen müssen. Vor der dritten Phase stehen wir nun, nämlich der Fortsetzung der Eingliederung, die - auch das muß bei diesem Anlaß einmal gesagt werden - dem Umfang nach jetzt vielleicht geringer und gegenüber früher recht gering ist, die aber hinsichtlich der Notwendigkeit des Einsatzes der Kräfte vielleicht noch schwieriger erscheint als in der Phase vorher. Denn es ist eine altbekannte Tatsache, daß es immer schwerer ist, den letzten Rest sozial, menschlich und kulturell einzugliedern als den ersten großen Schub, die erste große Masse. Diese Eingliederungsbemühungen und die notwendige individuelle Sicherung der Eingliederung überhaupt und des Eingliederungsresultats können und dürfen der Verbände ebenfalls nicht entbehren, wobei in Zukunft vielleicht manchmal der sozialpolitische Charakter gegenüber Notwendigkeiten heimatpolitischer und sogar staatspolitischer Art zurücktreten wird. Denken Sie nur daran, daß das Feststellungsgesetz und auch das Lastenausgleichs-Schlußgesetz den Apparat auch dieser Verbände in Bewegung setzen müssen! Denken Sie an die Kreisstellen und Heimatstellen und Betreuungsstellen, die diese Verbände sich in vielen Städten geschaffen haben! Jeder Einsichtige wird zugeben müssen, daß hier eine Aufgabe in gleichem Umfang, wenn nicht vielleicht manchmal auch in schwierigerer Art, offenbleibt wie in der Vergangenheit. Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf eines hinweisen. In der letzten Zeit haben wir im Banne der außenpolitischen Auseinandersetzungen sehr oft erlebt, daß ferngesteuerte Kräfte ganz besonders die Heimatvertriebenen, Kriegsgeschädigten und Kriegsbeschädigten anzusprechen versuchten. Wir haben erlebt, daß Kräfte, die ihre finanziellen Mittel offensichtlich von einer Stelle beziehen, die uns und unserer Demokratie keineswegs freundlich gesinnt ist, sehr gut finanziell ausgerüstet und ausgestattet, hier im Trüben zu fischen versuchten. Wir sollten gerade auch unter diesen gesamtdeutschen und gesamtpolitischen Gesichtspunkten alles tun, um diejenigen Verbände und Organisationen zu unterstützen, die in der Vergangenheit bewiesen haben, daß sie in der Betreuung und auch in der menschlich-politischen Beeinflussung ihrer Mitglieder aufbauende demokratische Elemente gewesen sind. ({1}) Man soll nicht sagen, ein solcher Verband bedürfe vielleicht nur im Augenblick einer gewissen Einrichtungssumme für seine Spitze oder seine Büros oder seine Zentralstelle und dann müsse der Laden sozusagen von selber laufen, - immer mit dem Hinblick darauf, daß man die Dinge ja durch Mitgliedsbeiträge und sonstige Dotationen im Fluß halten könne; im übrigen sei mit dem Startschuß des Staates, mit der Initialzündung alles getan. Man weiß doch, daß eine solche Helferschaft, daß ein solches Helfertum zumeist ehrenamtlich, ja zu 90 % ehrenamtlich ist und daß diese Tätigkeit überhaupt nur aufrechterhalten werden kann, wenn diese kleinen Helfer aus Städten und Dörfern und Marktflecken auch von der Spitze eines Verbandes her genau instruiert, genau informiert werden. Denken Sie einmal, wie schwierig es z. B. heute ist, sich in dem Wirrwarr schon unserer Lastenausgleichsgesetzgebung auszukennen. Selbst manche Beamte und Angestellte erklären, das nicht mehr vollauf zu können und nicht auf dem laufenden bleiben zu können. Wieviel mehr muß dann der Helfer und Betreuer, zu dem man zu allererst läuft, über die Dinge zumindest informiert sein. Das kann das Ausgleichsamt, das kann das Flüchtlingsamt im Generellen gar nicht tun. Hier ist diese ({2}) Helferschaft unentbehrlich; sie muß von oben her instruiert und informiert werden, d. h. die Spitze bedarf gewisser Mittel, um diese Dinge meistern zu können. Sie wissen ja, daß es gerade Aufgaben der heimatvertriebenen Wirtschaft und damit auch gewisse mittelständische Probleme sind, daß es vor allem Fragen der heimatvertriebenen Bauernschaft sind, daß es Fragen der heimatvertriebenen Jugend sind, die nicht genug unterstrichen werden können, die aus der Vergangenheitsschau, aber auch einer notwendigen Zukunftsschau gesamteuropäischer Art in eigener Art verbandsmäßig geführt, geleitet, unterrichtet und gelehrt werden müssen. Es sind die Flüchtlinge der sowjetisch besetzten Zone, es sind auch Westvertriebenengruppen; alle diese Gruppen bedürfen dieser - wie mir scheinen will - recht kärglichen Mittel. Ich möchte Sie also herzlich bitten, dieser Erhöhung im Titel 301 a zuzustimmen. Meine Damen und Herren - hier richte ich besonders meine eindringliche Bitte auch an unsere Koalitionsfreunde -, da und dort gibt es Anträge, wo einige hunderttausend und sogar mehr denn hunderttausend D-Mark bewilligt und gewährt werden. Lassen Sie diese unsere Bitte nicht vergeblich an Ihr Ohr klingen; es geht hier um Dinge, die uns besonders am Herzen liegen, die aber nicht bloße Interessentenfragen darstellen, sondern die - wie ich glaube, kurz dargelegt zu haben - in unser aller Interesse liegen. Wenn die Dinge gut gelenkt und gut gesteuert werden, auch von der Verbandsspitze aus, so ist uns allen gedient! Ein zweites, worum wir bitten, ist die Erhöhung des Ansatzes b im gleichen Kapitel und Titel, u. zw. auf 900 000 DM. Wie Sie wissen, war die Regierungsvorlage mit 750 000 DM und ist der Ausschußbeschluß mit 800 000 DM ausgewiesen. Ich glaube, daß dem zweiten Abschnitt dieser meiner Bitte eine gleich große Bedeutung zukommt. Ich habe schon einmal von dieser Stelle aus folgendes gesagt: Man glaubt oft, daß wir uns nur um materiell-existentielle Dinge besorgt zeigten, um das liebe money und um all die Fragen, die im Materiell-Existentiellen wurzeln. Aber seien Sie überzeugt, daß es für all diese Kriegsopfer und insbesondere die Heimatvertriebenen ein ganz besonderes Anliegen ist und bleibt, nicht nur in der sozialen, beruflichen und ständischen Struktur intakt zu bleiben, sondern insbesondere im kulturpolitischen und kulturellen Bereich das bleiben zu können, was sie einst, als sie noch in der Heimat wurzeln konnten, gewesen sind. Das kulturelle Interesse ist also genau so groß. Die Erhaltung, die Auswertung des Heimaterbes und neue kulturelle Bestrebungen sind ebenso bedeutsam! Wer Gelegenheit hatte, zu Pfingsten die Kundgebungen der Heimatvertriebenen und. ihrer Organisationen zu erleben, etwa den Sudetendeutschen Tag in Nürnberg, der hat gesehen, daß sich die Heimatvertriebenen jetzt, da die ersten und dringendsten Nöte - möchte ich mal sagen - beseitigt sind, mehr denn je auf ihre kulturellen Werte, ihr kulturelles Erbe und ihre kulturelle Aufgabe besinnen können. Wer z. B. die Ausstellung im Germanischen Museum in Nürnberg gesehen hat, der hat diesen Willen zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes, glaube ich, beglückend gespürt. Es war doch in der Vergangenheit - seien wir einmal ganz ehrlich - oft beschämend, wenn eine Landsmannschaft oder eine andere Organisation mit dem Teller in der Hand bei irgendeiner Veranstaltung, die da, ich möchte sagen, geradezu erst erfunden werden mußte, dann abschließend sammeln mußte, etwa zur Beschaffung von Trachten, zur Beschaffung irgendwelchen Kulturguts, von Liedern und sonstigen in der Heimat gepflegten Gütern. Man hat diese Gelder Menschen aus der Tasche gezogen, die selber in sehr bedrängten und bedrückten finanziellen Verhältnissen waren. Ich habe es immer für äußerst beschämend gehalten, daß man mit diesen Tellersammlungen im Kleinen wie im Großen - auch Volksgruppenabgaben sind nichts anderes als Tellersammlungen im Großen -, im Kulturellen Aufgaben voranzutreiben versuchen mußte. In der Gegenwart und in der Zukunft wird auf diesem Sektor noch vieles zu tun sein, ob es sich nun um Erstellung statistischer Unterlagen über die Besitzstände der vertriebenen Volksgruppen im deutschen Osten oder Südosten handelt, ob es sich darum handelt, zu untersuchen, inwieweit die Volksgruppen sich nach ihrer Vertreibung in ihrem sozialen Gefüge und ihrer sozialen Struktur bereits verändert haben, ob es notwendig sein wird, in solchen Untersuchungen darzulegen, wie groß die Vermögens- und Wertverluste der einzelnen Volksgruppen gewesen sind, und somit gewisse Wiedergutmachungsansprüche in dieser Richtung festzustellen. Das sind alles Dinge, die werden nicht von selbst; sie bedürfen der Mithilfe und Mitwirkung der Wissenschaftler, der Soziologen, der Statistiker usw., die in der alten Heimat mit diesen Dingen vertraut waren. Diese Untersuchungen brauchen wir nicht nur, um die Eingliederung sinnvoll voranzutreiben, sondern wir brauchen sie auch, um sie gegebenenfalls, wenn einmal im außenpolitischen Spiel diese Fragen interessant werden sollten, als Material in unserer Außenpolitik zur Hand zu haben. Das sind also alles Anliegen, die einer staatlichen Förderung bedürfen. Wenn Sie so das Ganze überlegen und all die Volksgruppen und die vielen Mililonen Menschen ansehen, die davon kulturell und in ihrer Zukunft betroffen sind, dann werden Sie mir zugestehen müssen, daß neunmal 100 000 DM für diese Dinge eine recht bescheidene Summe sind, z. B. für eine zentrale Sammlung ostdeutschen Schrifttums, für die Herausgabe von Kunstwerken aus der alten Heimat, für die Sammlung von Archiven, Volksgut, zur Unterstützung dieser oder jener Schriftsteller, Künstler, Musiker und Orchester, Wissenschaftler und, was wir nicht vergessen wollen, zur Förderung schöpferischer Neukräfte. Denn wir wollen ja nicht geistig auf unserem Flüchtlingsgepäck sitzenbleiben, sondern wir wollen das Schicksal, das wir erfahren haben, sinnvoll, schöpferisch verarbeiten zum Wohl unserer Menschen, aber auch des gesamten deutschen Volkes. Zu diesen Dingen, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, mit einem kleinen Scherflein beizutragen. Die Ziffer 3 unseres Antrags bezieht sich auf die Neueinfügung eines Tit. 101, der die Ansätze für die Dienstbezüge der planmäßigen Beamten in den Notaufnahmelagern Berlin, Uelzen und Gießen enthält, und soll insbesondere dann auch eine Veränderung der übrigen Ansätze für tarifliche Angestellte im Haushaltsplan nach sich ziehen. Dieser Antrag gründet sich erstens auf die Tatsache, daß die Lager und insbesondere die Leiter des Notaufnahmeverfahrens in Berlin, Uelzen und Gießen zweifellos eine Aufgabe zu erfüllen haben, die kei({3}) neswegs eines staatspolitischen Charakters entbehrt. Und ein Zweites. Die Menschen, die in den Lagern in der Spitze das Aufnahmeverfahren durchzuführen haben, müssen auch im Hinblick auf die Geheimhaltung gewisser Dinge und ähnliche Forderungen ein besonderes Fingerspitzengefühl haben, damit eine gewisse Konstanz des Verfahrens, also der Bewertungsgrundlagen, der Organisation und der Durchführung des Verfahrens, gewährleistet ist und bleibt. Eine letzte Bitte, die in Ziffer 2 unseres Änderungsantrags enthalten ist, geht dahin - hier begegnen wir uns, wie ich gesehen habe, mit den sehr verehrten Kollegen Kuntscher, Dr. Czaja, Dr. Götz und Genossen -, im Kap. 2601 Tit. 310 die 100 000 DM für die Betreuung der Ausländer durch das Bundesvertriebenenministerium sicherzustellen. Sie werden fragen: Was soll das? Hat das auch eine größere Bedeutung, als es auf den ersten Blick scheint? Das hat es. Sie wissen, daß diese Ausländer, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, zum großen Teil aus den Gebieten stammen, aus denen wir selbst vertrieben wurden. Sie sind zumeist Opfer der dortigen Regime, Menschen, die erst später zur Einsicht kamen, daß Heimatvertriebene und sie selbst Opfer gleicher Gewalt sind. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß gerade zwischen diesen Menschen im Exil und den heimatverjagten Deutschen nun auch ein gewisser Kontakt entsteht. Diese Menschen, ob es sich nun um heimatlose Künstler oder um andere Menschen handelt, die im Kleinen soziale oder kulturelle Aufgaben erfüllen wollen, wenden sich nun einmal automatisch an das Vertriebenenministerium, weil sie als Vertriebene nur dieses Ministerium als für sie zuständig erachten, vielleicht oft auch infolge geringerer Kenntnis unserer staatlichen Struktur. Diesen Leuten muß dann leider immer wieder gesagt werden: Wir haben nichts für euch, wir können euch nicht mit dieser oder jener kleinen Summe einmal rasch unter die Arme greifen. Das hat menschliche und darüber hinaus politische Auswirkungen, die gerade uns in der Heimatvertriebenen-Politik tätigen Menschen im Hinblick auf unsere heimatpolitischen und gesamtpolitischen Interessen sehr gewichtig erscheinen. Diese unsere Interessen erstrecken sich ja auf eine neue friedliche Ordnung im Osten Mitteleuropas. Es handelt sich bei diesen Beträgen um Kleinigkeiten. Ich bin aber der Auffassung, wenn wir für den Empfang ausländischer Delegationen und sonstige repräsentative Zwecke so hohe Beträge einsetzen, sollten wir auch auf diesem scheinbar unwesentlichen kleinen Sektor zur Förderung des politisch-menschlichen Kontakts die erforderlichen Mittel bereitstellen. Was den Antrag der sehr verehrten Kollegen Dr. Graf, Niederalt und Genossen anlangt, bereits eine Summe für einen bestimmten Verband, nämlich den Zentralverband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten, festzulegen - siehe Umdruck 426 -, so möchten wir - bitte kein Mißverständnis, wir wissen genau um die vorhin geschilderten Aufgaben auch dieses Verbandes! - widerraten, hier schon jetzt Festlegungen hinsichtlich einzelner Verbände durchzuführen. Abgesehen davon, daß man darin einen unzulässigen Eingriff in die Exekutive sehen könnte, möchten wir verhindern, daß in Zukunft jeder Verband seine Anteile und Zuschüsse schon auf der Ebene der Legislative festgelegt wissen möchte. Ich glaube und Sie werden mir recht geben, daß, wenn man diesen Brauch einreißen ließe, wir dadurch bei all jenen das Mißtrauen gegen die Notwendigkeit, diese Mittel den Verbänden hinüberzureichen, eher stärken als verringern würden. ({4}) - Das könnten wir auch machen. Ich wollte nur sagen, daß dieser Weg uns zumindest nicht sehr ratsam erscheint. Wir können ihm nicht vorweg begeisterungsvoll zustimmen. Im übrigen darf ich Sie noch einmal bitten, diese kleinen Erhöhungen im Zusammenhang größerer Gedankengänge zu sehen, die, glaube ich, in der Vergangenheit wirksam geworden sind und die wir in der Zukunft noch bitter nötig haben werden. ({5})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige meiner politischen Freunde haben bereits zu Einzelfragen des Einzelplans 26 gesprochen. Ich möchte einige wenige Bemerkungen zum Gesamtproblem machen. Haushaltskritik ist Ministerkritik, ist Kritik an der Politik des betreffenden Ministers. Sie erinnern sich, Herr Minister Dr. Oberländer, als wir vor einem Jahr über Ihren Etat sprachen, haben meine Freunde und ich zum Ausdruck gebracht, daß wir bereit sind, Sie in allen sachlich begründeten Fragen mit unserem ganzen Gewicht zu unterstützen. Andererseits haben wir auch eindringlich davor gewarnt, mit einem falschen Publikationsfeuer von Zwei- oder Mehrjahresplänen neue Hoffnungen in dem Kreis der betroffenen Menschengruppen zu erwecken, die Sie mit Ihren Haushaltsmitteln allein nicht befriedigen könnten. Wir haben darauf hingewiesen, daß es uns angezeigt erscheint, die Popularisierung weniger auf die eigene Person als auf die Sache und das Problem abzustellen. Wenn wir heute nach einem Jahr wieder über Ihren Etat sprechen und nun Bilanz ziehen, dann müssen meine Freunde und ich jedenfalls feststellen, daß unsere damaligen Befürchtungen in einem Umfange begründet gewesen sind, den wir selbst damals noch nicht vorausgesehen und angenommen haben. Das Gesamtproblem ist in der Folgezeit, weil wir aus gewissen Anzeichen und Vorgängen erneut Anlaß zu großer Sorge hatten, von uns durch eine Große Anfrage wiederum an das Hohe Haus gebracht worden. Mit dieser Großen Anfrage haben wir Ihnen, Herr Minister, Gelegenheit gegeben, darzulegen, wie Sie die Ihrem Ministerium anvertrauten Aufgaben weiter lösen wollen. Wir, insbesondere mein Fraktionsfreund Wenzel Jaksch, haben in einer großzügig angelegten Konzeption die Gedanken entwickelt, die nach unserer Auffassung verfolgt werden müssen, wenn das Gesamtproblem in absehbarer Zeit einmal abgeschlossen werden soll. Wenn wir heute die Auswirkungen der damaligen Diskussion überblicken, dann müssen wir das Fazit ziehen, daß auch Ihre eigenen Erklärungen in der Folgezeit praktisch keinen Niederschlag gefunden haben. Das Wort „Eingliederung der Vertriebenen und Kriegsgeschädigten" ist ein unbequemes Wort, und es ist inopportun, darüber zu sprechen. Ein Mini({0}) sterium, das so wenig Fach- und Verwaltungsministerium ist wie das Ministerium für die Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten, hat in erster Linie die Aufgabe, die hierfür notwendigen Ideen und Energien zu entwickeln. Der Weg zur Erfüllung der berechtigten Forderungen kann praktisch nur über die anderen Ministerien und über die Behörden, auch die der Länder, führen. Es ist so, daß der Begriff „Eingliederung" in der öffentlichen Diskussion heute praktisch nicht mehr besteht. Das aktuelle Problem der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten ist in der westdeutschen Öffentlichkeit völlig an den Rand gedrängt worden. Wir sind der Meinung, Herr Minister Dr. Oberländer, daß sich hierin ein schweres Versagen Ihrer Person und Ihres Ministeriums ausdrückt. ({1}) Es war Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die politischen Gruppen und die allgemeine Öffentlichkeit in der Bundesrepublik erkannten, daß es nicht damit getan ist, daß 50 oder 600/o dieser Personenkreise nun schon eine einigermaßen erträgliche Lebensgrundlage haben Es ist in erster Linie Ihre Aufgabe, einmal festzustellen, was für den Rest dieser Menschengruppen geschehen muß, und sowohl nach der technischen wie nach der soziologischen und auch nach der finanziellen Seite hin die sachlichen Voraussetzungen zu klären. Wir müssen zu unserem Bedauern feststellen, daß über die Größenordnung dieses Problems bis heute bei uns in der Bundesrepublik und in diesem Hohen Hause überhaupt keine klaren Vorstellungen bestehen. ({2}) - Die Folge davon ist, Herr Haasler, daß die Spannungen zwischen den einheimischen und den anderen, zugewanderten Bürgern wieder im Steigen begriffen sind, ({3}) so daß mein Freund Wenzel Jaksch durchaus mit Recht von einer Eingliederungskrise und von einer Solidaritätskrise sprechen konnte. Sie wollen konkrete Zahlen haben, Herr Haasler. ({4}) - Es ist sehr interessant, daß Sie diese Feststellungen als Redensarten bezeichnen. ({5}) - Das ist sehr bemerkenswert. ({6}) - Ich weiß nicht, ob die Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten und diejenigen, die noch nicht zu den Arrivierten gehören, zu denjenigen, die eine neue Lebensbasis bekommen haben, mit dieser Kenn zeichnung einverstanden sein werden. ({7}) Mir liegt das Ergebnis einer Repräsentativerhebung vor, die Ende 1953 in Schleswig-Holstein vorgenommen worden ist. Da ist festgestellt worden, daß in der Altersgruppe von 52 bis 60 Jahren insgesamt 54,7 % und in der Altersgruppe von 32 bis 40 Jahren 48,3 % der Vertriebenen noch nicht eingegliedert worden sind. Das ist ein Faktum, Herr Haasler, ebenso wie es ein Faktum ist, daß allein 38,1 % der Arbeitslosen in Schleswig-Holstein Vertriebene sind. Wenn Sie also glauben, sich über diese Tatsachen einfach hinwegsetzen, sie leugnen zu können, ({8}) also den entscheidenden harten Kern, der aus allem bisherigen Eingliederungsbemühen zurückgeblieben ist, einfach nicht mehr existent haben wollen, - ({9}) - Meine sehr geehrten Damen und Herren vom BHE, die Sie diese Zwischenrufe machen, der Minister, der diese Aufgabe im Rahmen der Regierung während dieser Legislaturperiode zu lösen übernommen hat, stammt aus Ihren Reihen. Wenn Sie die Tatsachen also nicht bestreiten können, die ich hier festgestellt habe, müssen Sie die Verantwortung nicht bei mir, sondern bei Ihrem Fraktionsfreund und Minister suchen. ({10}) - Das ist eine völlig andere Sache, Herr Haasler. Ich möchte jedenfalls, Herr Minister, darauf hinweisen, daß die entscheidende Aufgabe Ihres Ministeriums darin zu sehen ist, Mittel und Wege zu finden, um diesen verbliebenen harten Kern aus dem gesamten Eingliederungsproblem aufzuweichen. Wir haben bisher vermißt, daß aus Ihrem Hause und von Ihnen selbst klare Vorschläge und Konzeptionen hierüber vorgelegt worden sind. Sie haben seinerzeit ein Vier-Punkte-Programm entworfen, haben einen Zweijahresplan vorgelegt. Darin haben Sie unter anderem davon gesprochen, daß in den nächsten beiden Jahren 40 000 heimatvertriebene Bauern angesiedelt werden sollen. Sie werden nachher Gelegenheit haben, darzulegen, inwieweit dieses Zwei-Jahres-Programm, das vom 3. November 1953 datiert, bereits erfüllt ist oder wie Sie es zu erfüllen gedenken. Meine Damen und Herren, Sie brauchen sich ja doch nur in Ihre eigene Presse zu versenken, brauchen nur zu lesen, was in der Vertriebenenpresse jeder Art über all diese Fragen steht, dann können Sie, wenn Sie aufrichtig sein wollen, doch nur erklären: Jawohl, in dem Punkte hat der Rehs recht. Ob die Schuld beim Minister liegt, ({11}) bliebe das einzige, worüber zu sprechen Ihnen dann offenbliebe. Wir sind der Meinung, daß die Popularisierung, die am Anfang dieser Ministerlaufbahn gestanden hat, wesentlich abgeebbt ist, daß damit aber auch das Sachproblem nicht mehr populär ist, daß weithin Schweigen in der gesamten politischen Öffentlichkeit darüber herrscht. Es ist mein Anliegen gewesen, mit diesen wenigen kritischen Bemerkungen darauf hinzuweisen, daß wir auch vor uns selbst, meine Damen und Herren auch aus dem BHE, aufrichtig sein müssen, ({12}) wenn wir vor unseren vertriebenen Landsleuten das Gesicht behalten wollen. ({13})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Graf zur Begründung des Antrags Umdruck 426*).

Dr. Benno Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000718, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 426 betrifft ebenfalls den Tit. 301 in Kap. 26 01. Ich möchte nun nicht die Betrachtungen des Herrn Kollegen Strosche, die sehr gemüthaft waren, fortsetzen. ({0}) - Nein, nein, Herr Kollege Strosche! Ich möchte nur versuchen, einige zahlenmäßige Relationen aufzuzeigen, damit der Antrag verständlich wird. Der Antrag läuft darauf hinaus, von den Mitteln dieses Tit. 301 Buchstabe a auf die Organisation der einheimischen Geschädigten, den Zentralverband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten, die Summe von 50 000 DM entfallen zu lassen. Es darf in Erinnerung gebracht werden, daß die Titelsumme bei Tit. 301 insgesamt 1 050 000 DM ausmacht, und zwar unter Buchstabe b zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebenen und zur Förderung der kulturellen Bestrebungen der Flüchtlinge 800 000 DM - der Buchstabe b betrifft also den einheimischen Bevölkerungskreis überhaupt nicht - und unter Buchstabe a zur Betreuung von Organisationen und Verbänden, die der Eingliederung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten dienen, 250 000 DM. Der Antrag Umdruck 426 bezweckt also, von diesen 250 000 DM, die der Ausschuß angesetzt hat, 20 % dem Geschädigtenkreis der einheimischen Bevölkerung sicherzustellen. Daraus spricht kein Mißtrauen, sondern nur die Einsicht in eine politische Notwendigkeit, die sich aus der psychologischen Situation in Deutschland heute ergibt. Ich darf daran erinnern, daß laut der Statistik über die Feststellungsanträge 58 % der Anträge von Heimatvertriebenen gestellt wurden, 42 % dagegen auf einheimische Ausgebombte entfallen. Dazu kommen nach den Erhebungen auf Grund des Evakuiertengesetzes noch 370 000 einheimische Evakuierte. Ich glaube, wenn wir schon den Vorschlag des Ausschusses akzeptieren, unseren Heimatvertriebenen für ihre gewiß unbestreitbaren und überaus wesentlichen Zwecke und Zielsetzungen - ich stimme dem völlig zu, was Herr Kollege Strosche darüber ausgeführt hat - unter Buchstabe b 800 000 DM zur Verfügung zu stellen, und wenn wir weiter bereit sind, von den 250 000 DM unter Buchstabe a rund 80 % ebenfalls für den Vertriebenenkreis zur Verfügung zu stellen, dann ist es keine Unbescheidenheit, für die 42 % Ausgebombten 20 °/o zu veranschlagen. Warum stellen wir diesen Antrag? Meine Damen und Herren, es geht mir hier nicht darum, Elend der Vergangenheit und gemeinsame Leistung des deutschen Volkes in den letzten zehn Jahren mit statistischen Zahlen messen zu wollen. Aber ganz ohne Beachtung zahlenmäßiger Relationen und bestimmter statistischer Grundbegriffe kommen wir in der Politik eben auch nicht aus. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. *) Siehe Anlage 13. Ich darf in einem Schlußsatz nur noch anfügen, daß nach meiner Information die Organisation der einheimischen Geschädigten erstmals im Jahre 1953 überhaupt eine Zuwendung aus Bundesmitteln erhalten hat, und zwar 10 000 DM, und 1954 zum zweitenmal eine Zuwendung in Höhe von 28 800 DM. Würden wir heute wiederum 28 800 Mark ansetzen, dann würden auf die Organisation der einheimischen Geschädigten nicht einmal 15 % der insgesamt ausgeworfenen Mittel entfallen. Ich glaube, diese Relation würde nicht zur Entspannung der Verhältnisse und zur Entspannung der psychologischen Lage beitragen. Deswegen appelliere ich insbesondere an unsere heimatvertriebenen Kollegen, den einheimischen Geschädigten kameradschaftlich die Hand zu reichen und durch eine großzügige Geste, nämlich durch Zustimmung zu diesem Antrag, zu verhindern, daß ein Keil zwischen einheimische Geschädigten und Heimatvertriebene getrieben wird.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuntscher zur Begründung des Antrags Umdruck 395*).

Ernst Kuntscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl wir Haushaltsdebatte haben und damit die Gelegenheit geboten ist, zu allen Problemen, die uns in den verschiedenen Gruppen beschäftigen, Stellung zu nehmen, will ich heute nicht, wie meine Kollegen, das große Problem der Vertriebenen aufrollen, sondern will mich darauf beschränken, zu den Anträgen Stellung zu nehmen, die uns im Rahmen des Einzelplans 26 zur Beschlußfassung vorliegen. Zunächst einige Worte zu dem Antrag Umdruck 395, der das Anliegen enthält, in Tit. 310 - Betreuung der heimatlosen Ausländer - die Ansatzsumme in der Höhe der Regierungsvorlage, d. h. in Höhe von 100 000 DM, wiederherzustellen. Dieser in der Regierungsvorlage vorgesehene Etatposten von 100 000 DM ist im Haushaltsausschuß gestrichen worden. Wenn die Regierung bzw. das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegssachgeschädigte diese Position verlangte, so hatte sie dafür einen bestimmten Grund. ({0}) Wir sind internationale Verpflichtungen eingegangen, Verpflichtungen, die uns auferlegen, daß wir uns um die heimatlosen Ausländer hier in der Bundesrepublik kümmern. Gerade wir Vertriebene haben dafür volles Verständnis; denn letzten Endes haben auch diese Menschen, auch wenn sie keine deutschen Volksgenossen sind, ihre Heimat verlassen müssen, weil sie das unfreie System, das in ihrer Heimat herrscht, nicht ertragen konnten. Wir als Deutsche, die aus dem Osten kommen, wissen, daß wir mit den slawischen Völkern - ob in kurzer oder längerer Zeit - wieder einmal Nachbarn sein werden und daß wir auch hier bereits durch unsere Hilfsbereitschaft ({1}) Vorarbeit leisten wollen und Vorarbeit leisten müssen, daß der Boden vorbereitet werden muß, damit ein besseres nachbarschaftliches Verhältnis gewährleistet ist, als es vordem bestanden hat. ({2}) *) Siehe Anlage 12. ({3}) Das Ausland sieht in dieser Frage ,auf uns. Wir haben erst vor kurzer Zeit unsere Souveränität zurückerhalten. Ich nehme an, es wäre kein guter Start, wollten wir hier im Plenum dem Beschluß des Haushaltsausschusses, der die Streichung der 100 000 DM für die Betreuung der heimatlosen Ausländer verfügte, folgen. Denn die Regierung und das zuständige Ministerium wußten ganz genau, daß sie dem Auslandgegenüber durch die Einsetzung einer Etatposition für diese Angelegenheit eine bestimmte Verpflichtung haben. Deshalb bitte ich Sie, daß wir in Tit. 310 die Regierungsvorlage wiederherstellen. ({4}) Als nächstes möchte ich noch ganz kurz zu dem Antrag des GB/BHE Umdruck 384 Ziffer 1 Buchstabe b Stellung nehmen. In diesem Umdruck wird beantragt, im Tit. 301 b die Mittel von 800 000 DM, wie sie jetzt angesetzt sind, auf 900 000 DM zu erhöhen. Dieser Titel betrifft die Mittel, die zur kulturellen Betreuung der Heimatvertriebenen aufgewendet werden. Auch wir hatten bereits in den Beratungen im Heimatvertriebenenausschuß, in unserem Arbeitskreis der Heimatvertriebenen der CDU und dann durch Fühlungnahme mit unseren Kollegen, die im Haushaltsausschuß sind, die Absicht, diese Etatposition von 800 000 auf 900 000 zu erhöhen. Wir hatten uns mit dem Gedanken getragen, daß diese Erhöhung um 100 000 DM aus der Position Tit. 309, die zum erstenmal im Einzelplan 26 erscheint, genommen werden könnte. Leider haben wir diesen Antrag im Haushaltsausschuß nicht durchsetzen können. Der verehrte Herr Vorsitzende hatte Verständnis für unser Anliegen, aber er sagte, aus haushaltsrechtlichen Gründen sei eine derartige Umstellung dieser Posten nicht möglich. Wir mußten ihm glauben, denn er ist ja der Fachmann. ({5}) - Aber Herr Kollege Schoettle, das ist kein Abwälzen. Ich stelle nur fest, wie es tatsächlich war. Sie waren der Stimmführer, und, ich gebe Ihnen recht, auch eine Reihe unserer Kollegen sind Ihnen gefolgt, ({6}) und so sind wir mit unserem Anliegen durchgefallen. Nun tauchen diese 100 000 DM im Antrag des BHE wieder auf. Ich für meine Person und für meine engeren Freunde - ich kann hier nicht im Namen meiner Fraktion sprechen - kann Ihnen sagen, daß wir für den Antrag Umdruck 384 Ziffer 1 b stimmen werden. ({7}) - Kommt noch!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rinke.

Dr. Walter Rinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001854, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat sich längere Zeit mit dem Vorschlag des Bundesvertriebenenministers, den Tit. 301 a um 50 000 DM zu erhöhen, beschäftigt. Er ist dann, und zwar mit überwiegender Mehrheit, zu dem Entschluß gekommen, nicht für diese Erhöhung einzutreten, dafür aber den Tit. 301 b, der sich mit den kulturellen Belangen der Heimatvertriebenen befaßt, um 50 000 DM zu erhöhen. Die überwiegende Mehrheit des Ausschusses stand auf dem Standpunkt, daß die Begründung, die der Bundesvertriebenenminister für die Erhöhung um 50 000 DM anführte, einfach nicht stichhaltig ist. Der Bundesvertriebenenminister schreibt, daß ihn zu dieser Erhöhung die „immer schwieriger werdende Eingliederung der Vertriebenen" veranlaßt. ({0}) Daß die Eingliederung noch nicht vollendet ist und daß noch vieles zu tun ist. das wissen wir alle. Aber angesichts dessen, was bisher geschehen ist, angesichts der annähernd 30 Milliarden DM, die von Bund und Ländern für die Eingliederung der Vertriebenen ausgegeben worden sind, kann man doch heute nicht mehr sagen, daß die Eingliederung schwieriger geworden ist. ({1}) - Sie ist gewiß nicht einfacher geworden, aber auch nicht schwieriger. ({2}) - Nein, meine Herren, schwieriger ist sie nicht geworden. Wir wollen doch nicht aus weiß schwarz machen, wir wollen hier doch bei der Wahrheit bleiben! Der überwiegende Teil des Ausschusses hat sich daher entschlossen, nicht für diese Erhöhung zu stimmen, dafür aber den Tit. 301 b um 50 000 DM zu erhöhen. Man ging dabei von der Erwägung aus, daß für die ostdeutsche Kultur gar nicht genug getan werden kann, weil sie ja ein gesamtdeutsches Anliegen ist. Den Kampf um Ostdeutschland können wir überhaupt nicht führen, wenn nicht die Waffe, die uns in die Hand gegeben ist - und das ist der ständige Hinweis auf die echte deutsche Kultur dieser Länder -, ständig weiter geschärft wird. Ich freue mich daher, daß der BHE noch zu einer weiteren Erhöhung kommt und 100 000 DM hierfür beantragt. Ich glaube, auch diese Erhöhung ist noch nicht genug; wir werden uns beim nächsten Haushaltsplan sehr ernsthaft und sehr eingehend gerade mit diesem Titel befassen müssen, weil ich glaube, daß die ostdeutsche Kultur für das ganze Haus einen weit höheren Betrag wert ist, als er hier eingesetzt ist. Meine Damen und Herren, deshalb werden ich und die Freunde, die mir nahestehen, ebenfalls der Erhöhung um 100 000 DM beim Tit. 301 b zustimmen. Wir bedauern nur, daß der BHE diesen Antrag so spät gestellt hat, daß er nicht schon vorher mit diesem Antrag herausgekommen ist; ({3}) und wir wollen hoffen, daß dieser Antrag nicht dazu dient, nun wieder von den kulturellen Mitteln einen Teil abzuzweigen für wirtschaftliche Institutionen, weil diese sich plötzlich ein kulturelles Anhängsel geleistet haben. Aber sei es, wie es sei, wir werden dieser Erhöhung zustimmen. Wir werden aber nicht dem Antrage auf Umdruck 384 zustimmen, den Tit. 301 a um weitere 50 000 DM zu erhöhen, sondern stehen auf dem Standpunkt, daß die Ausschußvorlage Richtschnur sein muß.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bemüht sein, jetzt zu versuchen, die Sache von den Personen zu trennen, Herr Kollege Haasler. ({0}) Aber schließlich muß ich doch den Herrn Bundesminister für Vertriebene bei seinem Namen nennen; es ist Professor Dr. Oberländer, und es ist nicht meine Verantwortung, daß er Mitglied des BHE ist. Bitte, in aller österreichischen Freundlichkeit, Herr Kollege Haasler, zu Ihnen; genau so, wie ich den Kollegen Rinke jetzt vor mir sehe mit seinem Antrag, den ich nicht begreife, nicht unterstützen kann und für dessen Begründung mir jedes sachliche Verständnis fehlt, Herr Kollege Rinke. ({1}) Wie war es denn in der Vergangenheit? In der Vergangenheit habe ich diese Lieder von dieser Seite und von Herrn Kollegen Rinke nicht gehört. In der Vergangenheit habe ich mit Recht gehört, daß die meisten Verbände - ich nenne sie jetzt nicht beim Namen - sozialpolitisch und staatspolitisch wertvoll wirksam waren. Das ist doch die Wahrheit. ({2}) - Nun, es gibt ja Dinge, die man nicht ausspricht, die aber auf einen zukommen können und die man begreift, ohne daß sehr viel Intelligenz dazu gehört, zu begreifen, was gemeint ist. Also ich habe sie verstanden. ({3}) Also, Herr Kollege Rinke, ich muß schon sagen, ich habe kein Verständnis dafür. Entweder ist es wahr, daß diese Verbände diese nützliche Arbeit geleistet haben - und sie haben sie geleistet -, oder es ist nicht wahr, und wenn es nicht wahr ist, dann weg mit dem ganzen Tit. 301 a. ({4}) Schauen Sie, was sind denn in der Relation diese Beträge, die hier genannt werden! Wir wissen ja, was, wenn sie aufgeteilt werden, in der Breitenwirkung noch übrigbleibt. ({5}) Nicht sehr viel! Ich finde, es ist nicht sehr generös - vom politischen Standpunkt gar nicht zu reden -, wenn jetzt hier beantragt wird, 50 000 DM abzuknabbern. Herr Kollege Rinke, in allen anderen Relationen haben Sie ein viel weiteres Herz. ({6}) Da denken Sie in größeren Zahlen. ({7}) Ich kann es nicht verstehen. Ich bin persönlich mit keinem Verband betroffen, Herr Kollege Rinke. Ich weiß auch nicht, wem es ({8}) - an den Kragen gehen soll, jawohl, oder wissen Sie es, Herr Kollege Rinke? - Er weiß es auch nicht. Nun, dem können wir doch nicht zustimmen. Ich bin nicht dafür, und meine Freunde sind auch nicht dafür. Nun möchte ich noch etwas zum Antrag des BHE zu Kap. 26 01 Tit. 301 Buchstaben b betreffend die kulturelle Betreuung sagen. Ich bedauere, daß nicht bereits in der Regierungsvorlage eine Erhöhung vorgeschlagen worden ist. Das Haus und der Herr Minister - entschuldigen Sie, wenn ich ihn jetzt nennen muß - sollten wissen - er weiß es j a wahrscheinlich auch -, wie groß und wie bedeutend die Aufgaben auf kulturpolitischem Gebiet sind und wie notwendig jede Mark ist. Herr Kollege Haasler - jetzt ist er nicht da -, ich bin dem Herrn Minister heute gar nicht übelgesinnt, gerade heute nicht. ({9}) Ich werde es auch sagen, warum: weil ich heute in der Post lese - man versucht schon jahrelang, mich moralisch aufzurüsten; ich habe es bisher jedoch abgelehnt, nach Caux zu fahren -, daß der Herr Minister bei der Moralischen Aufrüstung gewesen ist und daß er dort gute Dinge gesagt hat, die ich unterschreibe. Er hat auch gesagt: es gibt so viele Politiker, die zuviel regieren und zuwenig denken. Ich möchte sagen: manche Politiker reden auch zuviel. ({10}) Er hat hier auch gesagt - ich möchte das mit aller Anerkennung erwähnen -: Man muß sich jeden Tag wieder fragen oder Gott anrufen: was soll ich denn tun? Ja, schön, Herr Minister, ich hoffe, daß es gelingt, daß wir uns immer wieder zu einer, sagen wir, Selbstkritik aufraffen. Das ist es ja! Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, warum Sie es uns übelnehmen, wenn wir den Herrn Minister fragen ({11}) - ich muß jetzt sehr vorsichtig fragen -: Was ist denn mit deinem Zweijahresplan, was ist denn mit deinem Vierpunkteplan gewesen? Wo sind denn deine Fanfarenstöße geblieben? ({12}) - Es ist doch die Wahrheit! ({13}) - Es ist doch die Wahrheit, meine Kollegen vom BHE, daß sich viele Vertriebene nach dem, sagen wir, Personalwechsel vieles erhofft haben. Dazu hat nicht zuletzt die ausgezeichnete rhetorische Begabung des Herrn Ministers beigetragen. Das ist eine Feststellung, ohne daß ich ein Werturteil abgebe. Ich möchte diese Gelegenheit benützen, um den Vorgänger des Herrn Ministers Oberländer im Geiste wegen des bösen Namens um Verzeihung zu bitten, den ich ihm angehängt habe: Bettelmusikant oder Bettelmann. Herr Minister Oberländer hat eine andere Sprache gesprochen. Damals haben die Vertriebenen entweder die Ohren gespitzt, oder das Herz hat ihnen schneller geschlagen. Manche haben Zweifel gehabt; aber, meine Kollegen vom BHE, die SPD hat hier durch mich folgendes erklären lassen: Wir werden den Herrn Minister nach seinen Leistungen und nach seinen Ergebnissen beurteilen; wir werden ihm gegenüber fair play walten lassen und ihm Zeit lassen, seinen Zweijahresplan zu erfüllen. Ich frage jetzt: Wieviel hat er erfüllt? Wieviel Prozent sind erfüllt worden? Was ist in der Regierung geschehen? Dürfen wir das im Zusammenhang mit der Haushalts({14}) debatte nicht fragen? Ich sage nicht einmal, daß es die formale Aufgabe der Opposition ist; es ist meine Aufgabe als Vertriebener, ihn hier zu fragen, und diese Frage wiederhole ich auch dann, wenn es nicht gern gehört wird. Ich bitte um eine Antwort darauf. Schließlich ist man nicht ungestraft Minister! ({15}) Nun zu dem Antrag des BHE bezüglich der Erhöhung des Kap. 301 b. Meine Freunde und ich sind dafür. Wir haben uns schon vor zwei Jahren hier für die Förderung echter kultureller Leistungen ausgesprochen. Der Herr Minister ist ja auch dafür, und ich wage wieder zu fragen: Was ist denn aus einigen dieser Forderungen auf diesem Gebiete geworden? Die Wahrheit ist, daß wir Ansätze eines neuen kulturellen Aktivismus bei den Heimatvertriebenen sehen. ({16}) - Jeder lobt seine Ware! - Aber die großen Kundgebungen der Vertriebenen der letzten Wochen heben sich sehr wohltuend von anderen Kundgebungen ab. ({17}) Das möchte ich sagen, ohne hier eigener Geschichtsschreiber sein zu wollen. Es war ein sittlicher, politischer und kultureller Inhalt in diesen Kundgebungen. ({18}) Es ist notwendig, daß wir diesen Ansatz eines neuen kulturpolitischen Aktivismus fördern, nicht nur daß wir konservieren; aus dem Konservieren soll ja etwas Neues entstehen, auch mit der Blickrichtung - und da frage ich wieder den Herrn Minister - nach der Sowjetunion. Dort sehen wir ja die Früchte dieser Ideologie. Ich habe vor ein paar Tagen die Deutsche Lehrerzeitung gelesen - das ist das Organ in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik -, in der man Komensky, Comenius als Kronzeugen für die Richtigkeit der leninistischen und marxistischen Ideologie anruft, an ihn anknüpft und sagt: Das also ist der Weg! Die Ideologie ist da. Was haben wir dem entgegenzusetzen? Das ist doch die Frage. Eine andere Ideologie? Nein, etwas ganz anderes! Eine neue Lebensauffassung, die von den kulturellen Bedürfnissen getragen werden soll. Daher erscheint mir der Betrag von 900 000 DM sehr gering, gemessen an der Größe der Aufgabe. Es ist nämlich so: viele Binnendeutsche, die doch jetzt ein sehr bequemes Leben führen, glauben, weil es auf diesem Sektor so glatt gegangen ist, wird es weiter so glatt gehen. Hoffen wir es! Aber wir können das doch nicht einfach so laufen lassen. Daher möchte ich den Herrn Minister fragen: was ist denn selbst aus seinen eigenen Worten geworden, wo er gesagt hat - richtig! -, er kann keine Kultur schaffen? Wirwollen auch nicht, daß er Kultur schafft. Wir wollen auch nicht, daß er reglementiert und gängelt. Der Herr Minister hat ja eine Zeitlang versucht, auf die Gleichschaltung der Verbände Einfluß zu nehmen. Aber das hat er dann selber aufgegeben. Er ist ja ein kluger Mann. Er sagt, er möchte Kulturprobleme mit behutsamer Hand fördern. Ich frage: was ist also aus diesem Problem der Ermunterung praktisch geworden, und was ist aus der Forderung der Vereinfachung und der Zusammenlegung, sagen wir, des Ostdeutschen Kulturrats und des Kulturwerks und aus allen diesen Dingen geworden? Diese Frage ist doch berechtigt. Diese Lesung ist doch auch ein Ausgangspunkt für Fragen und für Antworten. Nichts mehr möchte ich mit diesen wenigen Worten bezweckt haben, um einmal eine Klarstellung zu bekommen. Es wissen vielleicht manche viel zuwenig von dem, was geschehen ist. Ich lasse mich gern von dem Herrn Minister nachher überzeugen. ({19})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.

Dr. Linus Kather (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001072, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu dem Antrag von Herrn Dr. Graf und anderen auf Umdruck 426 Stellung nehmen. Ich bin der Meinung, daß wir mit der Annahme dieses Antrags einen gefährlichen Weg beschreiten und ein unangenehmes Präjudiz schaffen würden. Wenn ich mich gegen diesen Antrag wende, Herr Kollege Graf, dann hat das nichts damit zu tun, ob die Kriegsgeschädigten die 50 000 DM oder einen anderen Betrag bekommen. Nein, das ist es nicht! Sie haben selber vorgetragen, daß die Kriegsgeschädigten, die früher beim Bundesinnenministerium ressortierten, im letzten Jahr 30 000 DM bekommen haben. Es war eine Summe, die durch irgendwelche Abzüge etwas kleiner geworden war, wie das bei allen diesen Zuwendungen der Fall ist; und diesen Betrag haben sie mitgebracht. Nun überlegen Sie mal - dabei komme ich auch auf unseren Antrag zu Tit. 301 a -, wenn es bei ,dem Betrag von 250 000 DM bleibt, so bedeutet das nicht, daß der bisherige Betrag für die bisher daraus versorgten Organisationen gegeben wird, sondern daß 30 000 DM an sie weniger gegeben werden; denn diese 30 000 DM sind ja in den 250 000 DM drin, so daß sich für die anderen ohne weiteres dadurch schon ein erhebliches Minus ergibt. Wenn Sie den Betrag für die Kriegssachgeschädigten nun auf 50 000 DM erhöhen, dann hat das die Folge, daß durch die Hereinnahme der Kriegsgeschädigten Vertriebenenorganisationen ganz empfindlich geschädigt werden. Ich glaube, das ist nicht der Sinn Ihres Antrags; das wollen Sie sicher selber nicht, und das will vor allem auch der Verband nicht. Ich kann etwas Tatsächliches dazu mitteilen. Wir haben zufällig gerade gestern im Bundesvertriebenenministerium sämtliche beteiligte Organisationen zusammengehabt. Es waren da der BVD, die Landsmannschaften, die heimatvertriebene Wirtschaft, der Bauernverband der Vertriebenen, die Sowjetzonenflüchtlinge, die Deutsche Jugend des Ostens, die Westvertriebenen und die Kriegssachgeschädigten; es waren da Herr Professor Ziegler und Herr Gernand. Dort haben sich alle Organisationen .auf einen Schlüssel geeinigt, mit Ausnahme des BVD. Das war der einzige Verband, der dieser Lösung widersprochen hat, weil es im wesentlichen auf seine Kosten ging. Gerade der Verband, für den Sie sich hier einsetzen, hat sich gestern mit großer Entschiedenheit - der Herr Minister wird das sicher nachher noch unterstreichen - mit dem Schlüssel, der gestern gefunden wurde, einverstanden erklärt. Es waren Herr Professor Ziegler und Herr Gernand, die mir wie einem kranken Schim({0}) mel zugeredet haben, ich solle doch auch ja sagen. Deshalb bin ich sehr überrascht über diesen Antrag, der an der gestrigen Situation völlig vorbeigeht. Aber, Herr Graf, das haben Sie sicherlich nicht gewußt. ({1}) - Richtig, aber wenn ich schon für einen Verband einen Antrag stelle, dann soll ich es doch wenigstens in seinem Einverständnis tun. ({2}) - Verzeihung, der Antrag geht ausdrücklich auf einen Verband, der mit Namen genannt ist. Nun noch etwas Wichtigeres. Ich habe Ihnen soeben das Grundsätzliche dargelegt. Wir haben uns manchmal schon früher im Vertriebenenausschuß - die Herren wissen das - mit dieser Frage beschäftigt. Dias letztemal war es Herr Kollege Reitzner, der sagte: Wir wollen uns nicht in die Exekutive einmischen; wir bewilligen hier für eine bestimmte Organisationsgruppe einen bestimmten Betrag, die Verteilung ist Sache des Ministeriums. Das ist eine Sache, die wir schon viele Jahre behandelt haben. Wir haben sogar mal einen besonderen Ausschuß gehabt, der den Minister beriet. Aber ich halte es für völlig unmöglich und zu unerträglichen Ergebnissen führend, wenn wir damit anfangen, die Verteilung auf die Verbände im Plenum vorzunehmen. Ich habe hier acht oder neun Verbände genannt, Herr Kollege Graf, die an diesem Fonds beteiligt sind. Sollen wir nun wirklich in Zukunft hier darüber Diskussionen haben, ob der Verband der Westvertriebenen 3000 oder 5000 DM bekommt? Ich glaube nicht, daß das der Sinn - ({3}) - Trotzdem, Herr Schoettle, glaube ich doch, Sie stimmen mir zu, daß wir einen solchen Antrag nicht annehmen und damit ein sehr gefährliches Präjudiz schaffen sollten. Herr Kollege Graf, ich habe die herzliche Bitte an Sie, den Antrag zurückzuziehen, nachdem der Verband sich gestern, und zwar nicht nur für den Fall, daß die 250 000 DM bewilligt werden, auch für den Fall, daß die 50 000 DM zusätzlich kommen, mit dem Schlüssel einverstanden erklärt hat; es kommt dabei für ihn ein Betrag heraus, der zwar nicht 50 000 DM erreicht - das ist auch nicht möglich, da wir sowieso alle Kürzungen in Kauf nehmen müssen -, aber nicht weit darunter bleibt. ({4}) - Dann wäre ich dankbar, wenn Herr von Manteuffel oder Herr Oberländer kurz dazu Stellung nähmen. Ich betone nochmals, daß Herr Professor Ziegler und Herr Gernand gerade an mich appelliert haben, auch ich solle dieser Regelung zustimmen. Daran knüpfe ich die Bitte an Sie, Herr Graf, und auch an das ganze Haus, dem Antrag auf Erhöhung des Tit. 301 a um 50 000 DM durch Wiederherstellung der Regierungsvorlage zuzustimmen. Herr Dr. Rinke tut gerade so, als ob die Tit. 301 a 'und 301 b zwei kommunizierende Röhren wären und als ob man aus dem einen das wegnehmen müßte, was man dem andern gibt. Davon kann ja gar keine Rede sein. Dann muß man noch etwas mit Befremden feststellen: daß gerade ein Vertriebener die nicht reichlich bemessenen Zuwendungen für die Vertriebenenorganisationen kürzen will, während er auf der andern Seite selber sagt, nichts sei hoch genug. Ich behaupte nicht, daß es so ist, aber dann könnte fast der Eindruck entstehen, daß hier nicht die sachlichen Argumente maßgebend sind, sondern daß es bei dieser verschiedenartigen Behandlung der beiden Beträge mehr auf den Kreis der Empfänger ankommt. ({5}) - Verzeihen Sie, Herr Dr. Rinke, dann sind Sie nicht im Bilde. Wir bekommen diese Kürzungen. Darf ich Ihnen das kurz vorrechnen. Bisher bekamen alle zusammen 250 000 DM. Nun gehen 30 000 DM schon einmal ab. Dann kommen neu hinzu die Verbände der Sowjetzonenflüchtlinge. Für meinen Verband macht das also eine Kürzung von einer sehr, sehr großen Summe, die fast so hoch ist, wie sie in diesem Antrag enthalten ist. Also es kann gar keine Rede davon sein, daß man diesen Betrag kürzen muß, um die kulturellen Mittel zu erhöhen. Wir wollen doch nicht den politischen Effekt dieser Sache übersehen. Es wurde hier die Frage aufgeworfen: wem geht es an den Kragen? Nun, an den Kragen geht es keinem. Die Welt geht immer weiter. Aber Sie werden sich zu überlegen haben, ob es richtig ist, daß man, während auf der einen Seite auch von öffentlichen Stellen immer wieder bekanntgegeben wird, die Vertriebenen und ihre Verbände hätten sich als ein Serum gegen den Bolschewismus erwiesen, auf der anderen Seite so kleinlich sein will, diesen Organisationen insgesamt 50 000 DM zu entziehen. Der BVD allein hat fast 500 Kreisvereinigungen und über 15 000 Ortsvereinigungen. Wenn Sie sich überlegen, welche Behördenarbeit durch diese Betreuung der Geschädigten und Vertriebenen erspart wird, ({6}) und wenn Sie dem die Summe gegenüberstellen, um die es sich hier handelt, dann werden Sie wohl sagen müssen: es kann gar keine Rede davon sein, daß hier der eine Teil dem anderen etwas schenkt. Es ist umgekehrt, der Empfangende ist hier in Wirklichkeit der Gebende. ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nicht für meine Fraktion, aber ich nehme an, daß ich für eine Reihe von meinen eigenen Freunden spreche, wenn ich zu den vorliegenden Anträgen Stellung nehme. Eine Bemerkung vorweg sei mir als Vorsitzendem des Haushaltsausschusses gestattet. Ich habe bei diesen Beratungen manchmal das Gefühl, daß das Haus aus Gründen, die ich gar nicht beurteilen will, einen Teil der Arbeit wieder negiert, die der Ausschuß in vielen, vielen Sitzungen geleistet hat. Vielleicht liegt das daran, daß hier im Hause eben die politische Richtung entscheiden ({0}) muß. Hier wird dann nicht nach Gesichtspunkten entschieden, wie sie der Haushaltsausschuß aus pflichtgemäßem Ermessen anwenden muß, manchmal gegen den Willen der bei Gelegenheit in den Ausschuß einströmenden Damen und Herren aus den Fachausschüssen, die wir dann im Zaume halten müssen, damit sie nicht unsere eigenen Dispositionen über den Haufen werfen. Aber es tut einem manchmal eigentlich leid, wenn so mit einer Handbewegung über monatelange Arbeit hinweggegangen wird. Ich spreche hier jetzt nicht als Vorsitzender dieses Ausschusses und möchte den Herrn Kollegen Kuntscher bitten, mich in Zukunft hier im Plenum, wenn es um die Vertretung von Anträgen geht, nicht zu zitieren. Ich möchte hier meiner politischen Auffassung folgen und möchte etwas unterschieden wissen zwischen der Funktion eines Ausschußvorsitzenden und der politischen Aufgabe, der man hier im Plenum als Mitglied einer Fraktion dient. Nun zu den Anträgen selber. Ich bin kein Heimatvertriebener, und ich sage: Gott sei Dank! Das ist ein Schicksal, das man nicht unbedingt erlebt haben muß Aber manchmal habe ich doch das Gefühl, daß die Einheimischen, die ja im Kriege zu einem erheblichen Teil auch unter die Räder gekommen sind, sich heute nicht ganz ohne Grund beklagen. Ich muß sagen, ich persönlich und, ich glaube, manche meiner Freunde haben Sympathien für den Antrag, den der Herr Kollege Dr. Graf hier vertreten hat. Ich habe vor allem auch deshalb Sympathie für ihn, weil er nicht mehr kosten soll und weil diese ganze Sache innerhalb eines Haushaltstitels abgemacht werden kann, den der Haushaltsausschuß nach sorgfältigen Überlegungen auf 250 000 DM festgesetzt hat. Nehmen Sie es mir nicht übel, meine Damen und Herren, die Sie hier gesprochen haben: Manchmal kann man den Eindruck nicht ganz loswerden, daß hier oben auch ein Kampf der Verbände stattgefunden hat. Da sage ich mir: was dem einen recht ist, ist dem anderen billig. Ich gehöre dem Verband nicht an, der in dem Antrag hier genannt worden ist, aber ich finde, daß seine Anliegen nicht ohne guten Grund sind. Einige meiner Freunde und ich werden diesem Antrag sicher zustimmen. Aber nun ein Wort zu dem gleichlautenden Antrag unter Ziffer 2 auf Umdruck 384 - Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE - und auf Umdruck 395 - Änderungsantrag der Abgeordneten Kuntscher und Genossen -, den Tit. 310 wiederherzustellen, den der Ausschuß gestrichen hat. Es handelt sich da um einen Titel „Betreuung der heimatlosen Ausländer" in Höhe von 100 000 DM. Ganz offen: es handelt sich hier nicht um die Unterstützung und die Hilfe für heimatlose Ausländer. Diese werden aus anderen Mitteln unterstützt, z. B. Wohnungsfürsorge usw., und da stehen beträchtliche Mittel im Haushalt. Lieber Herr Kollege Kuntscher, das Ausland mag auf uns schauen und mag finden, daß die Deutschen auch auf diesem Gebiet einiges wiedergutmachen, was ein verbrecherisches Regime an Menschen gesündigt hat, die im Zuge des Krieges und der deutschen Angriffe aus ihrer sozialen Umwelt herausgerissen worden sind. Das halte ich für eine Verpflichtung der Deutschen. Aber ich halte es nicht für eine Verpflichtung der Bundesrepublik, Organisationen von heimatlosen Ausländern zu unterstützen. Das möchte ich nicht. Und es ist leider so, Kollege Kuntscher, daß der Herr Bundesvertriebenenminister - er hat das im Haushaltsausschuß ausdrücklich gesagt - diese Mittel zur Unterstützung von Verbänden will. Das möchte ich nicht mitmachen. Deshalb werde ich gegen diese Anträge stimmen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.

Alois Niederalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich nur noch ein paar Worte zu dem Antrag Dr. Graf und Genossen auf Umdruck 426 *) sagen. Sachlich habe ich der Begründung nichts mehr anzufügen. Herr Kollege Dr. Graf hat alles gesagt, was zu sagen war, und Herr Kollege Schoettle war eben auch so freundlich, in sachlicher Weise nach unserer Ansicht richtig darauf einzugehen. Ich wollte nur auf die Bemerkungen von Herrn Kollegen Strosche und Herrn Kollegen Kather zurückkommen. Beide haben ausgeführt, wir würden da einen völlig neuen Weg gehen, wir würden gefährlich präjudizieren usw., wenn wir hier vom Plenum des Bundestages aus in den Erläuterungen eine feste Summe für einen bestimmten Verband festlegten. Nun, so etwas ist nicht ein- oder zweimal vorgekommen, so etwas erleben wir nicht Dutzende, sondern Hunderte Male im Haushaltsplan. Wenn Sie den Haushaltsplan aufmerksam durchgehen, werden Sie das immer wieder feststellen, Herr Kollege Kather. Weil Sie es mir vielleicht noch nicht glauben, darf ich Ihnen die Reichswirtschaftsbestimmungen zitieren, und zwar den § 6 Abs. 13. ({0}) Dort heißt es wörtlich: In den Erläuterungen werden Zahlenangaben, die für die Verwaltung nach § 34 der Reichshaushaltsordnung bindend sein sollen, durch die Worte „es entfallen auf", nicht bindende Zahlenangaben durch die Worte „es sind veranschlagt" gekennzeichnet. Sie sehen also, daß dieser Fall sogar in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen ist; also kein Präjudiz. Nur das wollte ich zur Rechtslage gesagt haben. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.

Adolf Franz Samwer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001916, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß wir so lange über diesen Punkt reden müssen. ({0}) Aber es ist auch nicht damit abzutun, daß man von „Interessentenangelegenheiten" spricht. Diese Angelegenheit ist leider durch das Schicksal der Vertreibung ein sehr akut gebliebenes Problem innerhalb der Bundesrepublik. Ich gehöre nicht zu den Vertriebenen, sondern ich bin Einheimischer und rede völlig objektiv. Ich wünsche für den Zentralverband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten eine angemessene Beteiligung; aber daß man hier den an sich nicht großen Kuchen - es ist wohl kein Zweifel, daß er nicht *) Siehe Anlage 13. ({1}) sehr groß ist - einseitig, nicht nur dem Grunde, sondern auch der Höhe nach, verteilen will, scheint mir nicht richtig zu sein. Entweder für alle dem Grunde und der Höhe nach oder für alle nur dem Grunde nach, und wir überlassen es dann denjenigen, die für die Exekutive verantwortlich sind, die Dinge gerecht und anständig zu regeln. Soviel Vertrauen muß man schon haben. ({2}) - Nein, das ist nicht richtig, was Sie sagen. Ich bin selbst informiert, daß nicht etwa sämtliche Personen, die jemals irgendeinen Bombenschaden gehabt haben - ich bin übrigens selbst totalgeschädigt gewesen, ich kenne die Sachen also einigermaßen -, in dem Zentralverband vereinigt sind. Das ist falsch, das sind nicht 80 %. ({3}) - Ja, bitte, aber deshalb dürfen Sie eben nicht 80 % annehmen. Von den Heimatvertriebenen sind solche Zahlen nicht genannt worden, wie Sie sie falsch sagten. Ich meine also, man sollte nun endlich die Sache beenden. Als Einheimischer wäre ich dafür, um die Objektivität zu wahren, daß wir dem Grunde nach sagen: Organisationen ja, möglichst erhöht um die 50 000 DM, die gerechtfertigt sind, nachdem man weiß, daß z. B. gerade der Zentralverband und die Sowjetzonenflüchtlinge nun noch in die Verteilung hineinkommen, und auf der anderen Seite der Höhe nach die Exekutive gerecht und fair bestimmen lassen. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich der Reihe nach auf die Fragen antworte, die an mich gestellt worden sind. Ich darf einen Redner vorwegnehmen: den Abgeordneten R e h s. Ich kann die Behauptungen, die hier aufgestellt worden sind, nicht unbeantwortet lassen. Es ist Ihnen ungefähr gesagt worden, die Aufgabe der Eingliederung müßte man eigentlich in den vier Jahren lösen. Ich habe nie behauptet, daß das geht. Ich muß einmal kurz zurückgreifen. Als man die Vertreibung vor allen Dingen vom Osten aus in Szene setzte - gewiß hat der Westen viel schuld daran -, hat man gewußt und gewollt, daß eigentlich ein übervölkertes Gebiet wie die Bundesrepublik diese Aufgabe gar nicht ganz lösen kann. Das Ziel war doch, unser soziales Gefüge zu vernichten, das verhältnismäßig gesund geblieben war. Sie wissen ja selbst, daß wir 1945/46 in der Bundesrepublik immerhin etwa 18 Millionen Menschen hatten - heute 20 Millionen -, die mehr oder weniger ganz ihr Vermögen verloren hatten, nämlich die 81/2 Millionen Heimatvertriebenen, die 2,36 Millionen Flüchtlinge und die über 10 Millionen Bombengeschädigten, also zwei Fünftel der Bevölkerung der Bundesrepublik. Es konnte keine größere und schwierigere Aufgabe geben, als hier wieder ein breit gestreutes Eigentum zu schaffen und ein gesundes soziales Gefüge herzustellen, eine allerdings ungeheuerliche Aufgabe, die man auch nicht in einer Saison von vier Jahren durchführen kann. ({0}) Das war wohl die größte Aufgabe, die uns gestellt wurde. Denn von der Gesundheit der Bundesrepublik hängt, glaube ich, auch jede künftige Außenpolitik, jeder Kampf um Freiheit und vor allen Dingen auch die Wiedervereinigung in Freiheit selbst ab. Nun machen Sie mir und meinem Hause den Vorwurf, wir hätten keine Grundsätze aufgestellt, wir hätten den Ländern und den anderen keine Anregungen gegeben, wir hätten vollkommen versagt. Das haben Sie mit dürren Worten gesagt. Darauf möchte ich eines erwidern. Sie sagen, es sei unbequem und inopportun, von Eingliederung zu sprechen. Ich muß Ihnen das Gegenteil sagen: Es ist sehr opportun, von Eingliederung zu reden, und vor allen Dingen opportun, einmal zu erklären, was Eingliederung ist; denn das scheinen Sie nicht ganz verstanden zu haben. ({1}) - Ja, gut, ich weiß, daß Sie den Militarismus nicht wünschen; ich auch nicht. Wir haben uns schon einmal vor einem Jahr 'darüber unterhalten. ({2}) Aber wenn Sie einem Minister Dinge vorwerfen, wie sie hier gesagt worden sind, dann müssen Sie auch erlauben, daß man offen spricht. Sie können ja nachher wieder antworten, und zwar ganz offen. ({3}) Ich habe immer gesagt: unter Eingliederung verstehe ich nicht, daß man nur Arbeit oder irgendeinen Wohnraum beschafft, sondern Eingliederung bedeutet breit gestreutes Eigentum, sozialen Aufstieg. In diesem Sinne habe ich auch immer gesagt, daß ein großer Teil der Aufgaben noch vor uns liegt. Heute beträgt unter den Vertriebenen der Anteil der Selbständigen erst etwa 9 % gegenüber dem allgemeinen Durchschnitt von 26 %. Daran sehen wir, wie schlecht die Dinge liegen. Ich habe daraus nie ein Hehl gemacht. Sie können nicht sagen, daß wir uns nicht bemüht haben, gerade auf diesem Gebiet draußen die Dinge eindeutig klarzulegen. Daß wir darunter nicht allein die Arbeitsplatzbeschaffung verstehen, sondern ein breit gestreutes Eigentum, das klarzumachen war ich immer bestrebt. Nun sagen Sie, man hätte den Zweijahresplan nicht aufstellen, man hätte ihn überhaupt nicht veröffentlichen sollen. ({4}) - Es ist gesagt worden, daß Sie das schon vor einem Jahr kritisiert haben. ({5}) - Ich will Ihnen gern beantworten, wie ich zum Zweijahresplan stehe, wie er gemacht worden ist. Ich habe gar keine Sorge, ich beantworte Ihnen das mit aller Genauigkeit. Aber zunächst muß ich sagen, warum ich den Plan gemacht habe. Die These, die heute noch so ({6}) viel vertreten wird, ist, es löst sich alles von selbst. Diese Auffassung wurde vor eindreiviertel Jahren, als ich mein Amt antrat, in weiten Kreisen geteilt. Ich darf auf die Diskussion verweisen, die bei der Beratung des Haushaltes vor einem Jahr stattfand. Für mich galt es, einmal die Schwere und Größe der Aufgabe darzustellen, zu zeigen, was noch zu tun ist. Dabei mußten auch die finanziellen Notwendigkeiten dargelegt werden, für die noch die Mittel in irgendeiner Form beschafft werden müssen. Das war für mich ,der Grund, warum ich alle diese Aufgaben - siehe Bauerneingliederung, Lagerauflösung - zusammenfaßte und sagte: das muß 'erreicht werden. Natürlich war das ein Optimum, das ich zu erreichen versuchte. Ich werde gleich darauf zurückkommen, wieweit das gelungen ist. Sie sagen heute einfach, Sie seien gegen den Plan. Das wundert mich; denn Sie sind sonst etwas planfreudiger. Wenn ich einmal einen Plan mache, sagen Sie, ich hätte den Plan nicht machen sollen. Das erstaunt mich etwas. Sie haben auch auf die Presse hingewiesen. In der Presse kommt zum Ausdruck, daß der Rest, der schwer eingliederbar ist, etwas unzufrieden ist. Das ist ganz klar. Es ist doch auch sehr schwer, die Größenordnungen genau darzustellen; das haben Sie mit Recht gesagt. Ich kann sie nur schätzen. Wenn Sie die 120 000 nicht eingegliederten Bauern, die 430 000 Evakuierten nehmen, oder wenn Sie unter Abzug der im letzten Jahr Umgesiedelten auch nur 403 000 Evakuierte annehmen und die anderen Lagerinsassen mit rund 300 000 ansetzen, immer bleibt die Frage für die ganze künftige Eingliederung entscheidend, ob wir die restlichen 2 Millionen Menschen echt eingliedern können. Das ist die Aufgabe, die der Kollege Strosche als dritte Phase bezeichnet hat, das ist die ungemein schwierige Aufgabe. Sie ist nicht allein durch eine Wirtschaftskonjunktur zu lösen, sondern durch Einzelarbeit, die dauernd vor uns liegt und die ich weiterzutreiben versuche. Die großen Schwierigkeiten, die ich hier habe, liegen nicht allein beim Finanzminister, sondern leider nicht weniger auch bei den Ländern. Der Bundesminister darf die Länder bitten. Er darf auch versuchen, zu überzeugen. Daß er auch Weisungen geben darf, habe ich noch nicht feststellen können. Daraus ergibt sich bei ernsten sozialen Aufgaben wie der Verteilung der Sowjetzonenflüchtlinge und anderen eine sehr schwierige Situation, vor der man dauernd steht. Man muß überall herumfahren und überzeugen. Aber es gelingt nicht immer; denn es gibt einen beträchtlichen Gruppenegoismus, den man nicht ohne weiteres überwindet. Dafür gibt es Beweise genug. Da sagen Sie, wir hätten diese Aufgaben nach außen nicht genug vertreten. Ich bin mir nicht ganz klar: Auf der einen Seite wird mir gesagt, ich solle nicht soviel reden, auf der anderen Seite ist es, glaube ich, manchmal notwendig, darüber zu reden und die Grundsätze bekanntzugeben. Wenn Sie einfach sagen, daß das Haus heute auf diesem Gebiet versagt habe, so muß ich das zurückweisen. Was nun den Zweijahresplan anbelangt, so lassen Sie mich noch kurz einige Fragen herausnehmen, z. B. die Eingliederung der Bauern. Das ist ein Thema, das mir vom Bundestag vorgeschrieben war. Denn der Bundestag 'bzw. ein Ausschuß hatte damals beschlossen, daß fünf Jahre lang 20 000 Bauern angesiedelt werden sollten. Die Eingliederung der Bauern stellt unter den Vertriebenen die tragischste dar. Wir haben noch etwa 120 000 nicht angesetzte Bauern, und die Zahl derer, die aus der Sowjetzone hinzukommen, ist größer, als wir beim besten Willen jährlich werden eingliedern können. Das ist die größte Tragik dabei. Nun ist von 1953 auf 1954 die Zahl der Stellen um 52,2 %, die besiedelte Fläche um 18,7 % gestiegen. Wenn Sie das Regierungsprogramm für 1954/55 nehmen, so sehen Sie, daß von den 18 853 Stellen, die geplant waren, immerhin 17 900 für die Ansiedlung bereitgestellt wurden. Sie können mir vorhalten, die Zahl von 20 000 hätte ich nicht ganz erreicht. Das ist richtig. Aber im ersten Jahr, wo ja auch erst einmal alle Verordnungen und Finanzvorschriften hinausgehen mußten, konnte man nicht erwarten, daß alles sofort erfüllt wird. Ich darf Ihnen aber etwas sagen, was vielleicht wichtig ist: daß die Zahl der Anträge um 100 0/0 gestiegen ist und daß es jetzt daran liegt, ob die Länder die Dinge schneller abzuwickeln vermögen. Gelingt das, dann wäre das damals vom Bundestag vorgesehene Programm von jährlich 20 000 tatsächlich zu erfüllen. Übrigens obliegt das ja auch nicht mir, wie Sie wissen, sondern dem Bundesernährungsministerium. Der Zweijahresplan war ja so gedacht, daß 'die anderen Dienststellen, die die Hauptverantwortung tragen, gebunden werden. Meine Aufgabe besteht heute darin, daß ich bei den Landwirtschaftsministern der Länder herumfahre und versuche, die Siedlung gegen viele Widerstände einheimischer und anderer Kreise weiterzutreiben, über die ich hier wohl nicht zu reden brauche. Auf diesem Gebiet habe ich bisher alles versucht und werde es weiter versuchen, weil ich der Ansicht bin, daß hier eine entscheidende Aufgabe liegt, eine von vielen! Bezüglich der Lagerauflösung ist es im letzten Jahr gelungen, ein Stück weiterzukommen, wenngleich ich zugebe, daß sich diese Aufgabe als sehr schwierig erwiesen hat. Bisher sind 376 Lager mit 29 000 Menschen aufgelöst worden. Die Zahl der Kfh-Lager ist also wesentlich vermindert worden. Daß nun die Gemeinden zum Teil wieder Menschen neu einweisen und nicht gerne abreißen wollen, wissen Sie. Was ich da für Schwierigkeiten habe, können Sie selbst ermessen. Ich verkenne auch nicht, daß sich durch den Strom der Sowjetzonenflüchtlinge überall neue Lager bilden, allerdings in einer ganz anderen Form als die aufgelösten. Ich gebe Ihnen zu jedem einzelnen Punkt Auskunft, aber ich kann ja nicht einen langen Bericht über den Zweijahresplan geben. Man kann heute doch nicht einfach sagen, ich hätte keinen Zweijahresplan machen sollen. Ich hätte dann mal sehen wollen, ob es mir, wenn die anderen Ressorts nicht dauernd mit diesem Plan hätten rechnen müssen und gesehen hätten, was laut Regierungsprogramm erfüllt werden mußte, überhaupt gelungen wäre, so weit zu kommen. Ich bleibe also voll auf dem Standpunkt stehen, daß es richtig war, damals diesen Plan aufzustellen. Nun darf ich auf die übrigen Fragen eingehen, die hier an mich gerichtet worden sind. Zunächst zur Erhöhung des Härtefonds. Es ist gefragt worden, ob diese 50 Millionen DM gezahlt werden oder nicht. Ich darf hierzu darauf verweisen, daß diese 50 Millionen DM im Kabinett beschlossen worden sind und heute im Haushalt des Lastenausgleichs stehen. Dieser Haushalt unterliegt der Aufsicht des ({7}) Herrn Bundesfinanzministers. Ich kann nicht glauben, daß eine Summe, die in einem Haushalt steht, der der Aufsicht des Bundesfinanzministers untersteht, nicht auch gezahlt wird. Ich glaube, ich habe damit diese Ihre Frage beantwortet. Was nun den Strom der Sowjetzonenflüchtlinge anlangt, so ist es richtig, daß, während wir in den ersten Jahren durchschnittlich 300 000 Flüchtlinge hatten, die Zahl im Jahre 1954 auf 182 000 zurückgegangen ist. Wenn der Strom weiter so ansteigt wie jetzt und wenn wir der Berechnung die Monate April mit 18 000 und Mai mit 19 500 zugrunde legen, werden wir im Jahre 1955 wieder 225 000 Flüchtlinge haben. Daher kommt auch die Schwierigkeit, die Lager leer zu bekommen. Wer heute beruflich geeignet ist, der wird in 14 Tagen geholt. Die Bauern allerdings sitzen heute zum großen Teil über sechs Monate in Lagern. Das ist mir bekannt. Es hängt mit der Schwierigkeit zusammen, sie anzusiedeln. Beruflich gesehen ist die Lage die: Über 50 % der Sowjetzonenflüchtlinge sind Jugendliche unter 25 Jahren. Von den Erwerbspersonen unter den Flüchtlingen - das sind 60 % - entfallen 40 % auf Industrie und Handwerk, 10 % auf Landwirtschaft; 12 % sind Hausfrauen. Sie sind arbeitsmäßig im allgemeinen sehr leicht unterzubringen; wohnungsmäßig ist das sehr schwierig. Wir haben im Haushalt 150 Millionen DM dafür eingesetzt; die Länder haben soeben 81,4 Millionen bekommen. Daß nun zwischen der Fertigstellung der Bauten und der Einweisung in die Wohnungen immer ein größerer Zwischenraum klafft, ist nicht zu vermeiden. Ich bin viel in den Lagern, und immer werden mir sehr viele Klagen vorgetragen. Man mag sich noch so anstrengen, diese Probleme sind eben nicht einfach zu lösen. Denken Sie an die Kasernenauflösung! Da stehen wir noch vor ganz anderen Problemen. Wir werden in einem Jahr zirka 60 000 Menschen aus den Kasernen herausholen müssen und auch neuem Wohnraum bauen müssen. Eine ähnliche Aktion haben wir schon einmal vor etwa drei Jahren durchgeführt. Das sind alles Entwicklungen, die sich aus der Natur der Dinge ergeben. Ich wollte nur andeuten, wie groß diese Schwierigkeiten sind. Was die Frage angeht, wie viele in die Sowjetzone zurückgehen, so ist eins bekannt: Nicht ein Zehntel jener, die von drüben kommen, kehren zurück; die Zahl ist also ganz gering. Leider fehlt mir eine konkrete Statistik. Es ist dann auf Berlin verwiesen worden. Hier muß ich einmal offen sagen, daß die Zahl von 40 000 Flüchtlingen in Berlin nicht ganz stimmt. Sie müssen dabei diejenigen zugrunde legen, die wirklich ausflugswillig sind. Der Vorschlag von Berlin geht dahin, einen größeren Teil, sagen wir mal zunächst 6000, mit Familien vielleicht 12 000, auszufliegen. Die Schwierigkeiten bestanden nicht zwischen Berlin und dem Vertriebenenministerium, sondern zwischen Berlin und den Ländern; denn die Länder waren nicht gewillt, zusätzlich noch Menschen aus Berlin aufzunehmen. Wir haben am 23. dieses Monats auf Einladung von Berlin eine Besprechung mit den Ländern, um zu sehen, wie wir dieses Berlin zweifellos sehr schwer belastende Problem lösen können. Mit der Zahl 40 000 sollten wir jedenfalls etwas vorsichtig sein; ich habe von Berlin schon ganz andere Zahlen gehört. Als es dann an das Ausfliegen ging und wir sagten: Bitte schön!, waren viele nicht bereit. Ichhabe damals immer noch einmal einen Teil durch das Notaufnahmeverfahren gehen lassen. Nun ist das bei dem Anwachsen des Flüchtlingsstroms allerdings kaum zu bemerken. Was ich damals gesagt habe, ist durchgeführt worden, hat sich aber, wie Sie mit Recht sagen, nach außen sichtbar wenig ausgewirkt. Hier haben wir also gewisse Schwierigkeiten. Wie gesagt, das ganze Problem der Sowjetzonenflüchtlinge ist, wenn der Strom weiter so steigt wie jetzt - wir müssen im Juni wieder mit einer Zunahme von 2000 rechnen -, außerordentlich schwierig. Damit komme ich zur Frage des Fonds der Häftlinge. Da darf ich Ihnen nur sagen: Wir hatten gerade heute eine Sitzung der Länderflüchtlingsverwaltungen im Hause. Die Besprechungen zwischen uns und dem Finanzministerium sind abgeschlossen. Aber jetzt entsteht die Frage, wie dieser Fonds verwaltet werden soll. Dieser Fonds soll ja dem Ermessen unterliegen. Die Ermessensfrage zwingt uns dazu, ihn zentral zu verwalten. Nun sagen die Länder: Ja, das ist schon schön und gut, aber dann wollen wir die Sache auch allein machen! - Wenn Sie in zehn Ländern die Dinge geteilt durchführen wollen, ist das unendlich schwierig. Wir haben bezüglich der Richtlinien gesagt: Wir wollen, wenn wir mit den Ländern erst einmal klar sind, 500 Anträge hereinbekommen; dann erst wird man ungefähr beurteilen können, wie man gerecht vorgeht. Ich habe die Belastung, daß wir das nach dem Ermessen machen sollen, nie sehr geschätzt, weil ich weiß, welche ungeheure Verantwortung uns dabei trifft. Das ist auch der Grund, warum die Dinge so lange gedauert haben. Ich habe das selbst bedauert. Aber das Problem des 10-Millionen-Fonds war aus diesem Grunde einfach nicht anders zu lösen. Letzten Endes sind auch die Fragen der Notlage, also die Fragen des doppelten Richtsatzes der Soforthilfe oder der 200 Mark, alle diese Dinge endgültig erst zu klären, wenn wir eine entsprechende Anzahl von Anträgen hier haben. Es ist dann das Problem der Evakuierten angesprochen worden, auf das ich nur ganz kurz eingehen kann. Wir wissen heute, daß rund 354 000 Rückkehrwillige da sind; das ist das Ergebnis der Statistik bis zum 31. März. Wenn Sie noch den Betreuungskreis nach § 3 des Bundesevakuiertengesetzes hinzunehmen, kommen noch etwa 75 000 hinzu. Wir haben also die Gesamtzahl der Rückzuführenden mit 445 000 angegeben und haben davon 42 000 bisher Rückgeführte abgezogen, so daß noch 403 000 übrigbleiben. Ich glaube, die Durchführungsverordnung, nach der gefragt wurde, wäre lange da, wenn wir nicht die Schwierigkeiten mit den Mitteln hätten, wenn wir die Mittel aus dem Wohnungsbau, nämlich 45 Millionen aus dem Bundeshaushalt und 45 Millionen Wohnraumhilfemittel, ohne weiteres geben könnten. Wir haben, wie Sie wissen, Evakuierte in die äußere Umsiedlung mit hineingenommen, um das Evakuiertenproblem schneller zu lösen. Was heute fehlt, ist die innere Umsiedlung. Dafür steht vom Bund aus kein Geld zur Verfügung. Die äußere Umsiedlung ist im wesentlichen abgeschlossen mit Ausnahme der Familienzusammenführung, die aber noch im Laufe dieses Jahres im großen und ganzen beendet sein wird. Die innere Umsiedlung wäre heute die für die Evakuierten wichtige Maßnahme, um auch die Arbeitslosen unter den Vertriebenen - die Zahl der Arbeitslosen ist unter den Vertriebenen immer ({8}) noch wesentlich höher als unter den Einheimischen - unterzubringen. Aber hier besteht eben auch die Schwierigkeit, daß die Länder nicht genug Mittel haben und daß der Bund heute die innere Umsiedlung nur sehr schwer durchführen kann. Nun lassen Sie mich noch ein Wort sagen zu den Verbänden. Ich möchte auf die Anträge im einzelnen nicht eingehen, sondern nur eines ganz kurz feststellen. Wenn heute jemand den Verbänden für ihre Arbeit dankbar sein müß, so bin ich es. Ohne Zweifel haben die Verbände bei der Durchführung der Eingliederung, bei der Beratung des einzelnen draußen auf dem Dorf, weit abgelegen von jeder Amtsstelle auch in der Hilfe bei der Ausfüllung der vielen Formulare für den Lastenausgleich und bei dem ganzen Schreibkram Außerordentliches geleistet und damit dem Staat aller Voraussicht nach Millionen erspart. Das muß einmal klar gesagt werden. ({9}) Abgesehen davon haben sie auch psychologisch hervorragend gewirkt ({10}) und den Kampf gegen die ferngesteuerten Tarnorganisationen geführt. Das kann ich bezeugen, weil ich gerade in letzter Zeit bei diesen Organisationen eine verdächtige Aktivität festgestellt habe, ({11}) die in jeder Weise, in der geschicktesten Ausnutzung nationaler, sozialer Thesen usw. versuchen, Menschen, die nicht unbedingt zufrieden sind, für sich zu gewinnen oder gegen den Staat zu erziehen. Auch hier sind die Verbände gewissermaßen der verlängerte Arm der Regierung, ganz gleich, welcher. Ich will damit nur sagen, daß mit dem Apparat, den wir heute haben, die Breitenarbeit ohne die Verbände nicht möglich wäre. Das ist auch der Grund, weshalb ich 'damals für einen höheren Betrag gewesen bin. Wenn ich nun ganz kurz auf die Frage der Verteilung eingehen darf, so kann ich als Minister gar nichts Besseres tun, als alle Verbände an einen Tisch zu bitten und zu sagen: hier ist die Sache, hier ist der Kuchen, den wollen wir jetzt zerschneiden. Als wir gestern an die Verteilung gingen, haben, wie ich erwähnen darf, immerhin zwei Vertriebenenverbände von sich aus zugunsten der Sachgeschädigten auf gewisse Mittel verzichtet, so daß die Sachgeschädigten immerhin, wenn die Reserve verteilt wird, auf etwa 35 000 DM kommen. Wenn Sie mir allerdings heute die Chance geben, 50 000 oder 100 000 DM mehr zu verteilen, dann bin ich ohne weiteres in der Lage, ihnen 40 000 oder 45 000, und, wenn es gut geht, auch 50 000 DM zu geben. ({12}) - Ich habe gestern verteilt, weil ich geglaubt habe, daß unsere Debatte hier eher sein würde - nämlich acht Tage eher, so war es mir gesagt worden-, und weil ich mir bei der Verantwortung, die die Verbände draußen ihren Angestellten gegenüber haben, gesagt habe: Nicht länger warten, damit sie nicht mit mehr rechnen, als da ist! Hier war ja eine Kürzung vorgenommen worden. Wenn man vorsichtig ist, sagt man besser gleich, daß gekürzt worden ist, und macht nicht erst Versprechungen, die man nachher nicht halten kann. ({13}) - Die 250 000 DM minus 10 °/o, nämlich 225 000 DM sind gestern verteilt worden, und zwar in zwei Sparten. Einmal ohne eine Reserve von 25 000 DM, die ich mir vorbehalten habe und auf die dann die Verbände einen gewissen festen Anspruch haben; einmal mit 25 000 DM; das ist etwas freibleibend gewesen. Darüber haben wir uns im wesentlichen gestern geeinigt. Im übrigen ist die Verteilung recht friedlich vor sich gegangen, und auch das Verhältnis zwischen Vertriebenen und Sachgeschädigten ist dabei recht gut gewesen. ({14}) - Es sind keine neuen Verbände hinzugekommen. Aber bei den kleineren Verbänden, wie z. B. dem Bauernverband der Vertriebenen oder vor allen Dingen auch der „Heimatvertriebenen Wirtschaft" usw., haben wir nicht gekürzt; dafür haben wir bei den größeren Verbänden etwas kürzen müssen. Es Ist also eine gewisse Veränderung der Verteilung eingetreten. Das ist mit allen Beteiligten am runden Tisch besprochen worden. ({15})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Bitte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Dr. Graf!

Dr. Benno Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000718, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminster, wie groß ist der Prozentsatz der auf die einheimischen Geschädigten entfallenden Summe im Vergleich zur Gesamtsumme nach Ihrem gestrigen Schlüssel?

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Die Gesamtsumme ist 225 000 DM. Auf die Sachgeschädigten entfallen nach den Zuteilungen der beiden Verbände 32 200 DM.

Dr. Benno Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000718, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also das sind etwa 15 %?

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Ja, das stimmt.

Dr. Benno Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000718, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich Sie fragen: Halten Sie diesen Prozentanteil angesichts der Relation Sachgeschädigte zu Vertriebenen wie 2 : 3 für gerecht?

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Dazu muß ich Ihnen sagen, daß hier insofern ein Unterschied besteht, als die Vertriebenenverbände ganz konkrete Aufgaben haben. Auf der einen Seite handelt es sich um einen Zentralverband. Auf der anderen Seite handelt es sich z. B. beim Bauernverband der Vertriebenen um einen Verband, der sehr konkrete Eingliederungsarbeit leistet, ebenso bei der „Heimatvertriebenen Wirtschaft". Es ist einfach bisher so gewesen. Was ich vorgefunden habe, war, daß hier bereits ein ganz bestimmter Kreis in seiner Arbeit unterstützt wurde, die man nicht einfach streichen kann. Wie Sie wissen, ist der Verband der Sachgeschädigten nachträglich zu mir 'gekommen. Er hatte zuletzt im Innenministerium 30 000 DM bekommen, ({0}) und da habe ich versucht, ihn wieder auf 30 000 DM zu bringen, indem ich ihn nämlich bei der Gesamtkürzung, die ich vornehmen mußte, möglichst wenig gekürzt habe. Weil dieser Verband gestern sagte, er sei zu schlecht gefahren, haben zwei Vertriebenenorganisationen freiwillig etwas gegeben, damit dieser Betrag erhöht werden konnte. Das ist die Situation. ({1}) - Bitte schön!

Dr. Benno Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000718, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen eine feste Relation, die hier von der Legislative aufgestellt wird, für Ihre Arbeit willkommen oder unwillkommen?

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Sie ist mir unwillkommen, und zwar aus dem einfachen Grunde, wen ich mich im andern Falle mit den Verbänden vertrauensvoll zusammensetzen und mit ihnen arbeiten kann. Wenn die Legislative aber so weit geht, daß sie mir bis auf 500 oder 1000 DM die Dinge vorschreibt, dann brauchen Sie keinen Minister mehr; dann können Sie das durch einen Oberinspektor machen lassen! Entschuldigen Sie, wenn ich das in aller Offenheit sage. ({0}) - Das habe ich auch nicht gesagt. Aber ich glaube, daß es dazu gehört, die Dinge in dem Sinne zu verteilen, wie es im Ausschuß besprochen worden ist. Das ist eine der Aufgaben; daß es meine alleinige ist, habe ich nicht gesagt. Ich darf ganz kurz auf eine zweite Sache eingehen, die Frage des Notaufnahmeverfahrens und den Antrag, der hier gestellt worden ist. Es ist kein Zweifel: wenn heute eine Aufgabe wirklich verantwortungsvoll ist - sagen wir einmal, eine Hoheitsaufgabe -, dann ist es die, heute ein Notaufnahmeverfahren zu führen. Ich bitte einmal zu bedenken, welche Verantwortung heute der Leiter eines solchen Notaufnahmeverfahrens hat, welche Bedeutung heute seine Entscheidung oder die Entscheidung der Ausschüsse hat, gerade für die Ausgabe der C-Ausweise. Mir wird doch gesagt, ich solle darauf achten, daß sie richtig ausgegeben werden. Ich möchte also von dem Gesichtspunkt aus, daß es um Menschen geht, um eine ganz schwierige Auslese- und Auswahlaufgabe, doch darum bitten, daß man diesem Antrag entgegenkommt. Dann darf ich noch etwas zum Thema „heimatlose Ausländer" sagen. Ich bedaure, daß Herr Kollege Schoettle nicht hier ist. Ich habe vor dem Ausschuß nicht gesagt, daß diese Mittel für Verbände sind; sondern ich habe vor dem Ausschuß gesagt, daß häufig Verbände an mich herantreten und für irgendeine Aufgabe eine Kleinigkeit haben wollen, und daß ich nicht einmal 100 Mark habe, um sie ihnen zu geben. Die Mittel nämlich, die vom Staat ausgegeben werden, gehen über Fürsorge und über andere Dinge, darauf habe ich keinen Einfluß. Ich habe aber damals im Ausschuß ausgeführt, daß es für diese Verbände wichtig ist - und das gehört auch zu unseren Aufgaben -, wenn wir diesen heimatlosen Ausländern hier jetzt eine Art Zwischenheimat sein wollen, wenn wir hier gewissermaßen ein kleines Europa aufbauen wollen, wenn wir ihnen bei der Eingliederung helfen wollen, daß wir ihnen auch behilflich sind, ihre eigene Kultur zu erhalten, was in der Zerstreuung ohnehin sehr schwierig ist, genau so, wie es für die Heimatvertriebenen schwierig ist, und daß diese oft zu mir kommen und sagen: „Wir wollen ein kleines Heimatfest machen" oder „Wir wollen das und das Buch haben." Es sind Kleinigkeiten. Ich sage: die „Aufgaben" der Verbände! Es ist doch ein großer Unterschied, ob ich Verbände in ihrer Verwaltung finanziere, oder ob ich Aufgaben finanziere, die die Verbände an mich heranbringen. Das sind doch zwei verschiedene Dinge. ({1}) Wenn Sie heute die Frage der heimatlosen Ausländer lediglich von der Fürsorge her behandeln oder von einigen Krediten, die die Lastenausgleichsbank gibt, dann muß ich Ihnen sagen: Das Wesentliche daran ist ihre kulturelle Erhaltung. Darauf legen sie Wert. Wir sind doch für die Freiheit des Volkstums, also auch dieser aus dem Osten oder Südosten vertriebenen Völker, mit denen wir vielleicht einmal engstens zusammenarbeiten müssen. Dia kommt einmal ein Student zu mir oder es kommt irgendein Mann zu mir und möchte 50 Mark haben, und ich muß ihm sagen: „Ich habe nichts; gar nichts habe ich." Ich möchte ganz dringend bitten, gerade aus unserer europäischen Verantwortung heraus, diesen Ansatz nicht zu streichen. Die Regierung hat ihn nicht ohne stichhaltigen Grund in ihre Vorlage mit hineingebracht. ({2}) Ich habe in meiner Tätigkeit in Bayern, in Valka und Föhrenwald das Unglück dieser heimatlosen Ausländer gesehen. Es ist oft ein kleiner Akt, der sie heute sehr befriedigt. Sie verlangen nicht viel, keine großen Mittel. Aber wenn wir heute einen Mäzen fänden, der uns unterstützt, - diese Menschen finden ihn nicht. Sie finden gar niemanden, der ihnen für ihre kulturelle oder sonstige Unterstützung einige Pfennige gibt. Das war der Grund, warum ich diesen Fonds hineingebracht habe. Leider hat man mich damals im Ausschuß gründlich mißverstanden. ({3}) Zur Kulturpolitik darf ich ganz kurz noch Herrn Kollegen Reitzner sagen, daß allerdings der ganze Fonds nie ausreicht, die Aufgaben zu erfüllen, die heute zu erfüllen sind, daß es heute im wesentlichen doch darum geht, den Verbänden die Mittel zu geben, die sie für ihre Arbeit brauchen, daß das Kulturwerk und der Ostdeutsche Kulturrat heute an Anregungen sehr viel geleistet haben, und daß wir vor allen Dingen in dem Augenblick, in dem wir etwas mehr eingegliedert haben, auch mehr Wert auf die kulturellen Dinge legen können, was bisher nicht genügend geschehen konnte. Ich möchte im übrigen noch sagen: Wenn wir immer von den 26 oder 30 Milliarden reden, die für die Vertriebenen ausgegeben worden sind, so muß ich hier doch einmal etwas zur Vorsicht mahnen. ({4}) Es sind zwar große Beträge ausgegeben worden, es ist Ungeheures geleistet worden; das Ausland bewundert das. Aber die 26 oder 30 Milliarden sind doch nicht nur für Vertriebene ausgegeben ({5}) warden, und es sind doch keine Ausgaben, die nicht von Staats wegen an Bürger überhaupt als Fürsorge- oder sonst Personen ausgegeben werden müssen. ({6}) - Ach, sie ist soviel verwandt worden. Es ist vieles für das Ausland errechnet worden. ({7}) - Ja, ich kann Ihnen sogar sagen, wie sie errechnet worden ist. Die Amerikaner wollten einmal wissen, was überhaupt für Vertriebene ausgegeben worden ist. Ich bin aber der Ansicht, daß wir uns hier auf die Eingliederungsdinge aus unserer Arbeit beschränken müßten, und da kommen Sie auf eine völlig andere Zahl. Ich kann sie Ihnen hier nicht errechnen. Ich möchte nur darum bitten, daß wir all diese Fragen sehr ernst nehmen und mit den Zahlen vorsichtig sind. Denn mit Statistik läßt sich viel Gutes, aber auch viel Unglück anrichten. ({8}) - Auch mit ministeriellen Statistiken, das sei nicht bestritten. Wenn ich zusammenfassen darf: Es ist heute sehr leicht, zu sagen, ein Ministerium habe versagt. Das ist heute hier gesagt worden. Ich möchte vor allem auf eins hinweisen. Ich habe überall - und das glaube ich ehrlich sagen zu können - auf den Ernst der Situation hingewiesen, daß nämlich immer - so habe ich gesagt - die nächsten Jahre entscheiden. Ich habe immer gesagt, daß der Zeitfaktor so wesentlich ist und daß wir nicht mehr warten können. Deswegen war ich für den Vorgriff im Lastenausgleich. Daß wir dauernd mit Geldschwierigkeiten kämpfen müssen, das wissen Sie ja selbst; das gehört zum guten Ton, wenn man eine solche Aufgabe hat, und es ist eine selbstverständliche Pflicht, um die nötigen Mittel zu kämpfen. Wenn man heute einfach sagt: Das Ministerium - ich muß mich hier auch vor meine Mitarbeiter stellen - hat versagt und hat keine Richtlinien herausgegeben, dann möchte ich allgemein sagen: Bitte helfen Sie alle mit, damit die Erkenntnisse, die wir aus zehn Jahren Vertreibung und Eingliederung gewonnen haben, heute Allgemeingut werden. Bitte helfen Sie alle mit, daß das getan wird, was für uns alle geschehen muß, daß kein Rest bleibt, daß es zu einer vollständigen Eingliederung kommt, daß es zu einer echten sozialen Gliederung aller Geschädigten kommt. Ich bitte alle miteinander, ich mache gar keinen Unterschied; denn es gibt meines Erachtens keinen besseren Weg, ,die Wiedervereinigung vorzubereiten, und es gibt keinen besseren Weg, die soziale Gesundheit der Bundesrepublik wiederherzustellen, als zu einer echten Eingliederung der gesamten Geschädigten zu kommen, und da kann jeder mitarbeiten. Ich versuche mit meinem Hause das Äußerste zu tun. Da nützt eine derartige Globalkritik nichts. Ich bin für jede Anregung dankbar; aber global zu sagen, es sei nichts geschehen, das ist, glaube ich, etwas einfach. ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.

Dr. Elinor Hubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000969, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier feststellen, daß wir den Herrn Minister im Ausschuß keineswegs mißverstanden haben, sondern der Herr Minister hat, wie er hier ja auch bestätigt hat, gesagt, daß diese Gelder im wesentlichen für Aufgaben der Verbände, also für die Verbände zur Verfügung stehen sollen. In einem anderen Sinne ist das auch von meinem Kollegen Schoettle gar nicht ausgeführt worden; denn ob es nun für einzelne Betätigungen der Verbände oder für irgendeine Verwaltungsaufgabe ist, ist kein großer Unterschied. ({0}) Es sind jedenfalls Mittel für die Verbände der heimatlosen Ausländer, und aus diesem Grunde sind sie mit der Begründung, die mein Kollege Schoettle hier angeführt hat, im Haushaltsausschuß gestrichen worden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Oberländer.

Prof. Dr. Dr. Theodor Oberländer (Minister:in)

Politiker ID: 11001631

Meine Damen und Herren! Was eben gesagt wurde, beweist wirklich, daß der Ausschuß mich mißverstanden hat. Jetzt habe ich den Beleg dafür. ({0}) Darf ich klar sagen: das Geld ist nicht für Verbände, d. h. nicht für die Verwaltung der Verbände, sondern für Aufgaben, die von Verbänden an mich herangetragen werden, ({1}) - vor allen Dingen kulturelle Zwecke. Ich habe auch bewiesen, wieviel Wert ich darauf legen muß, daß wir keine glatte Einschmelzungspolitik, sprich Germanisierungspolitik, treiben wollen, sondern daß wir all denen, die heute nicht mehr die Möglichkeit haben, ihre Schulen aufrechtzuerhalten, denen, die heute sämtlich auf deutsche Schulen verstreut sind und ohnehin sehr schwer um ihre Kultur ringen, gewisse Möglichkeiten geben. Ich bitte klar zu unterscheiden: nicht Unkosten der Organisationen, sondern konkrete Aufgaben. Ich bin gern bereit, bei jedem einzelnen Fall zu beweisen, daß es um Aufgaben geht und nicht um Organisationsdinge. Ich glaube, daß man mich hier mißverstehen könnte oder mißverstanden hat. Aber ich glaube, so wie ich es jetzt klargelegt habe, weiß jeder, was ich mit den hunderttausend Mark machen wollte. Ich gebe gern jeden Beleg dafür. ({2}) - Es ist kein Zweifel, daß die heimatlosen Ausländer natürlich vom Arbeitsministerium und vom Innenministerium - siehe Fürsorge und andere Dinge - eine rein materielle Unterstützung bekommen. Aber diese materielle Unterstützung gibt keine Möglichkeit, ihnen kulturell oder sonstwie unter die Arme zu greifen. Und wie weit die Länder das tun, - nun, ich darf Ihnen sagen, daß ich auf einer Kultusministerkonferenz der Länder über diese Aufgabe sehr eingehend gesprochen habe. Ich möchte hier nicht im einzelnen sagen, wie schwer es ist, diese Dinge heute den Ländern nahezulegen. ({3}) ({4}) - Das sind Dutzende. Soll ich sie aufzählen? Jede Organisation hat natürlich ihren Verband, und noch immer einen kulturellen dazu, wie das meistens ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, liegen noch Wortmeldungen vor? - Das ist offenbar nicht der Fall. Dann kann ich die Aussprache schließen. Ich komme zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst ab über den Umdruck 384 *), den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE, zunächst über Ziffer 1, wobei über die Buchstaben a und b gemeinsam abgestimmt werden kann. ({0}) - Es wird Einzelabstimmung über die Buchstaben a und b gewünscht. ({1}) Also stimmen wir ab über den Umdruck 384 Ziffer 1 Buchstabe a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme dann zu Ziffer 1 Buchstabe b des gleichen Umdrucks 384. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist nicht ganz festzustellen; ich bitte diejenigen, die zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme dann zu Umdruck 426**), Änderungsantrag Dr. Graf und Genossen. Wer dem Umdruck 426 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich komme dann zu den Anträgen auf Umdruck 384 Ziffer 2 und auf Umdruck 395***). Die Anträge sind im Inhalt völlig gleich. Ich kann also gemeinsam abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Ich komme nunmehr zu dem Antrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 384 Ziffer 3 und darf über die Buchstaben a und b gemeinsam abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist über alle Änderungsanträge befunden. Ich darf dann über den Einzelplan 26 abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen. *) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 13. ***) Siehe Anlage 12. Ich rufe nunmehr auf den Einzelplan 28 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates ({2}) Berichterstatter ist der Abgeordnete Frühwald. Ich erteile ihm das Wort. Frühwald ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise auf meinen Schriftlichen Bericht*). Ich möchte hier aber eine Berichtigung geben. In der letzten Zeile der ersten Spalte kann es natürlich nicht heißen „Haushalt 1954", sondern ich bitte, die Worte zu setzen: „Haushalt 1955". ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich sehe in dem Beifall des Hauses das Zeichen dafür, daß sich das Haus freut, daß die Verhandlungen vorankommen dadurch, daß sich Berichterstatter und Redner kurz fassen. ({0}) Meine Damen und Herren, zum Einzelplan 28 liegt, glaube ich, nur der Änderungsantrag Umdruck 405 44) der Fraktion der SPD vor. Zur Begründung der Abgeordnete Schoettle!

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Ihnen den Schmerz bereiten, den Streichungsantrag meiner Fraktion zu Einzelplan 28 zu begründen; aber ich werde den Schmerz kurz machen. Im Ausschuß ist immer wieder das Hohelied dieses Ministeriums und seiner Leistungen für die Beziehungen zwischen dem Bund, der Bundesregierung, dem Bundesrat und den Ländern gesungen worden. Wir haben allerdings von der Wirksamkeit dieses Ministeriums nicht immer etwas gemerkt. Sonst wäre es nicht notwendig gewesen, daß der Herr Bundesfinanzminister mit den Länderfinanzministern außerhalb aller Verfassungsregeln über den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu verhandeln gehabt hätte. Es scheint also doch die Wirksamkeit dieses Ministeriums recht begrenzt zu sein. Das ist übrigens ein offenes Geheimnis. Man kann natürlich auch nach dem Grundsatz verfahren: Preisend mit viel schönen Reden. Schließlich nimmt's einem doch jemand ab. Aber ich meine, das Haus sollte sehr nüchtern und vor allem auch sehr entschlossen den Stimmen der Reformer in diesem Hause folgen, die bei vielen Gelegenheiten ihren Willen zur Bekämpfung der Aufblähung der Verwaltung bekundet haben. Wir möchten Ihnen Gelegenheit dazu geben. 151 Abgeordnete aus den Reihen der Regierungskoalition sollen ihre Namen dafür hergegeben haben. ({0}) Hier ist also die Gelegenheit. Hic Rhodus, hic salta! Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß Sie alle bereit sind, diesem Antrag zuzustimmen. Denn merken Sie sich eins, es geht auch bei der Bundesregierung mit aller Koalitionsarithmetik so: *) Siehe Anlage 22. **) Siehe Anlage 14. ({1}) „Schaffen wir erst ein Ministerium, und dann werden wir sehen, daß sich dieses Ministerium selber Beschäftigung sucht!" Die Konsequenz ist ein Aufwand von über 600 000 DM für dieses nach unserer Meinung völlig überflüssige Ministerium. Wir beantragen die Streichung und namentliche Abstimmung über diesen Antrag. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({0}) - Ich glaube, es dient dem Fortgang der Verhandlungen, wenn auf Wortmeldungen weitgehend verzichtet wird. Ich habe den Eindruck, daß das Hohe Haus das mit Dank honoriert. ({1}) Es ist namentliche Abstimmung beantragt zum Streichungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 405. Wir treten in die namentliche Abstimmung ein. Wer dem Antrag Umdruck 405 zuzustimmen wünscht, der möge die blaue Karte, wer dagegen ist, die rote, und wer sich enthalten will, die weiße abgeben. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({2}) Sind noch Damen und Herren da, die in der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 405 ihre Stimme nicht abgegeben haben? Dann bitte ich Sie, dies zu tun. - Offenbar niemand mehr. Ich schließe die Abstimmung. ({3}) Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 405 bekannt: Abgegebene Stimmen 395, Ja 143, Nein 242, Enthalten 10. Berliner Abgeordnete: Abgegebene Stimmen 17, Ja 10, Nein 7, Enthalten keine. Der Antrag ist abgelehnt. Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 28 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 28 ist angenommen. Ich rufe auf den Einzelplan 25 für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau ({4}). Der Berichterstatter, der Abgeordnete Hilbert, ist nicht im Saale. Für ihn springt als Berichterstatter der Abgeordnete Dr. Vogel ein. Ich erteile ihm das Wort. Dr. Vogel ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem Einzelplan 25 sehen Sie in diesem Jahr eine wesentliche Verminderung des Zuschusses von 252 Millionen DM 1954 auf 201 Millionen DM. Die Zahl der Beamten und Angestellten ist fast unverändert geblieben. Sie hat sich nur um einen einzigen Posten erhöht. Es handelt sich um 100 Beamte sowie 147 Angestellte und 32 Arbeiter, zusammen 179 Angestellte und Arbeiter. Die Ver- *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 4917. änderungen, die sich unter den Einnahmen ergeben, finden Sie in der Gegenüberstellung auf Drucksache 1517. Dabei handelt es sich zum Teil um nicht unbeachtliche Posten, vor allem den Tit. 535, den Tit. 600 sowie den Tit. 602. Der Haushaltsausschuß hat sich vor allen Dingen mit einem neuen Tit. 603, „Zuschüsse zur Verbilligung der nachstelligen Finanzierung gewerblicher Räume des Mittelstandes bei Baumaßnahmen des Sozialen Wohnungsbaues, befaßt; Sie finden ihn in der Drucksache 1517 auch besonders hervorgehoben. Ich bitte Sie, diesen neuen Titel in Höhe von 4 Millionen im Zusammenhang mit dem Tit. 895, Erwerb von Beteiligungen an wohnungswirtschaftlichen Unternehmen des privaten Rechts, zu lesen, wo der ursprüngliche Ansatz von 8 Millionen auf 6,5 Millionen herabgesetzt worden ist. Die hier zutage tretende Ersparnis von 1,5 Millionen bildet einen Teil der neu ausgebrachten Mittel bei Tit. 603. Der Rest ist aus Rückflüssen gedeckt worden, die dem Wohnungsbauministerium zufließen. Von außerordentlicher Bedeutung ist ferner, daß in diesem Jahr die 500 Millionen für den mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialen Wohnungsbau nicht im ordentlichen, sondern im außerordentlichen Haushalt ausgebracht sind, und zwar unter dem Tit. 530. Da der Bundesfinanzminister die sofortige Bedienung dieses Titels sichergestellt hat, besteht, glaube ich, hier kein Grund zur Beunruhigung. Ich darf zum Tit. 603 vielleicht noch folgendes ausführen. Es kam dabei zu längeren Erwägungen über die Wichtigkeit des Tit. 895 und des Tit. 603. Aus dem Ausschuß heraus wurden Bedenken dagegen geltend gemacht, daß der Bund den Erwerb von Beteiligungen an wohnungswirtschaftlichen Unternehmungen, für den im Vorjahr bereits 9 Millionen ausgesetzt waren, auch in diesem Jahr mit 8 Millionen weiter fortsetzen sollte. Es handelt sich hier um die Beteiligungen an Heimstättengesellschaften, mit denen man bereits vor zwei Jahren systematisch begonnen hatte. Die Schaffung des Tit. 603 stellt eine Kompromißlösung dar, die vor allen Dingen dazu dienen soll, in den neu errichteten Wohnblocks auch den Mittelstand zum Zuge kommen zu lassen, d. h. den Handwerkern, Zahnärzten, Rechtsanwälten usw. die Möglichkeit zu bieten, mit Hilfe dieser Darlehen Existenzen auch in diesen neu errichteten Bauvierteln zu gründen. Ich bitte Sie im Namen des Haushaltsausschusses, dem Einzelplan 25 in der Fassung der Drucksache 1517 mit den dort enthaltenen Änderungen Ihre Zustimmung zu geben. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich darf dem Herrn Berichterstatter, der für einen abwesenden Kollegen eingesprungen ist, besonders danken. Es liegt nur ein Änderungsantrag auf Umdruck 424 *) vor. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorhin ist hier der Geist von Caux beschworen worden. Außerdem fand ein Redner Beifall, der darauf hinwies, daß es angebracht sei, sich auf kurze Ausführungen zu beschränken. ({0}) *) Siehe Anlage 15. ({1}) Ich will dem entsprechen und nach der gestrigen Debatte darauf verzichten, in der zweiten Beratung grundsätzliche wohnungspolitische Ausführungen zu machen, zumal im Augenblick in Verbindung mit dem Antrag, den wir Ihnen vorlegen, kein Anlaß zu Streit besteht. Diesen Antrag habe ich gestern mit dem Herrn Bundeswohnungsbauminister durchgesprochen, und er hat von sich aus sein Einverständnis und seine Bereitschaft erklärt, diese Mittel entgegenzunehmen, wenn sie ihm bewilligt werden, um dem zu verfolgenden Zweck zu dienen. ({2}) Es handelt sich um das schon von dem Kollegen Dewald berührte Kapitel, nämlich um die Notwendigkeit, für die innere Umsiedlung der Evakuierten etwas zu tun, die bisher fraglos zu kurz gekommen sind. ({3}) Ich glaube, dieser Antrag spricht für sich selbst. Ich darf Sie - ich erinnere an meine Einleitungsbemerkungen -, mich beschränkend, darum bitten, unserem Antrag zuzustimmen. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der vorgeschrittenen Zeit und der Notwendigkeit, sich kurz zu fassen, möchte ich zu drei Dingen, die weniger das Wohnungsbauvolumen als die Baupolitik im ganzen angehen, noch einiges sagen. ({0}) - Was ich zu sagen habe, Herr Jacobi, ist sehr kurz. Zunächst möchte ich dem Herrn Bundeswohnungsbauminister und den beteiligten Ministerien danken, daß es möglich war, in diesem Haushaltsplan erstmalig einen Betrag als Zinszuschuß für die Finanzierung von gewerblichen Räumen und Läden einzusetzen, und zwar für die nachstellige Finanzierung, die heute kaum möglich ist. Wenn sie möglich ist, kann sie nur aus kurzfristigen Bankdarlehen zu verhältnismäßig hohen Zins- und Tilgungsbelastungen geschaffen werden. Wir sind der Überzeugung, daß nunmehr die Länder, wenn diese Position bewilligt ist, hinsichtlich der Bereitstellung der Bürgschaften das Wort haben, die außerdem erforderlich sind, um derartige nachstellige Mittel auch zu verbürgen. Ich bin überzeugt, daß der größte Teil der Länder diese Bürgschaften in einer Rangordnung zwischen 60 und 90 % des Beleihungswertes bereitstellen wird, der überhaupt möglich ist. Immerhin ist mit diesen Mitteln der Anfang gemacht, die Entschließung des Hohen Hauses, die im Dezember vorigen Jahres bei der Verabschiedung des Gewerberaummietengesetzes gefaßt wurde, zu realisieren, worin das Hohe Haus die Bundesregierung aufgefordert hat, bis etwa Juni, Juli dieses Jahres Maßnahmen zu treffen, die auch den Markt an mittelständischen Gewerberäumen, Werkstätten, Läden und Praxisräumen erweitern. Es gehören noch wesentlich andere Maßnahmen dazu. Aber mit dieser Bewilligung von 4 Millionen DM Zinsverbilligungszuschössen zieht der gewerbliche Mittelstand dem landwirtschaftlichen Mittelstand zumindest nach; denn im landwirtschaftlichen Mittelstand war es bis jetzt schon möglich, derartige Sachen zu finanzieren. Es war immer eine Crux, daß der Landhandwerker in diesen Finanzierungsfragen nicht mit den Bauern gleichrangig behandelt wurde. Ich möchte ferner darauf hinweisen, daß mit dieser Wohnungspolitik eine gewisse Baupolitik gekoppelt ist und daß sich in den letzten Zeiten noch eine verhältnismäßig unverantwortliche Zahl von sogenannten Baulöwen wieder auf dem Baumarkt und Wohnungsmarkt breitgemacht hat. Ich gehe mit dem Abgeordneten Lücke, mit dem ich diese Angelegenheit sehr ernst erörtert habe, darin einig, daß auch seitens des Bundeswohnungsbauministeriums in Verbindung mit den Länderministerien für Wohnungs- und Wiederaufbau Maßnahmen getroffen werden müssen, um derartige Baulöwen, die zum Teil noch nicht einmal das notwendige Eigenkapital haben und trotzdem Werte von insgesamt 50, 60 und 70 Millionen DM auf sich vereinigen, im Sozialen Wohnungsbau nicht zum Zuge kommen zu lassen, die anderthalb Jahre nach dem sogenannten Schneeballfinanzierungssystem gearbeitet und dann die Zahlungen eingestellt haben, so daß Hunderte von Handwerkern sehen können, wie sie nun zu ihrem Gelde kommen. Das ist kein Einzelfall in den letzten drei, vier Monaten, sondern das sind mehrere Fälle, die einmal in aller Öffentlichkeit dargestellt werden müssen. Der einzige Weg, diese Dinge zu beseitigen, ist folgender. Entweder man hat eine klare Übersicht über die Bonität dieser Bauherren; dann sollte man sie, damit sie zumindest die öffentlichen Gelder nicht anders verwenden, betreuen lassen. Man sollte also das Betreuungssystem ausdehnen, damit derartig unverantwortliche Bauherren gezwungen sind, die Gelder auch in Bauprojekte hineinzustecken. Oder man sollte von vornherein bei den Bewilligungsbehörden, die die öffentlichen Darlehen gewähren, durch eine Prüfung ermitteln, ob tatsächlich ein echtes Eigenkapital vorhanden ist. Man sollte sich nicht nur auf Banknachweise oder auf Bonitätsberichte von Wirtschaftsprüfern verlassen, die sich nachher als nicht stichhaltig herausstellen. Dieses Risiko muß unter allen Umständen gemindert werden, zumal wenn es sich um Bauvorhaben mit öffentlichen Mitteln handelt. Es darf auf der andern Seite, wenn ein Fiasko eintritt, nicht aus Steuermitteln saniert werden, denn der Steuerzahler ist ja nicht dazu da, diesen Verlust gewissermaßen zu sozialisieren. Natürlich ist es sehr schwierig, wenn die Dinge über die Bühne gegangen, wenn die Zahlungen eingestellt sind, eine echte Sanierung durchzuführen. Es müssen eben Mittel und Wege privatwirtschaftlicher Art gefunden werden, dieses Risiko zu mindern und, wenn ein Verlust dennoch eintritt, die rechte Hilfestellung zu leisten. Das Dritte, was ich anschneiden möchte: Der Wohnungsbau dieses und des kommenden Jahres fällt in eine Baukonjunktur, die nicht nur durch den Wohnungsbau, sondern durch alle möglichen auf uns zukommenden Bauvorhaben, auch durch Wehrmacht- mid Rüstungsbauten bedingt ist. Wir laufen dabei Gefahr, daß die Baukapazität überspannt wird, wenn nicht an zentraler Stelle die beteiligten Ressorts hinsichtlich der Planung und Vergabe der Aufträge zusammenarbeiten. Wir können unter keinen Umständen in das sogenannte ({1}) Prioritäts- und Lenkungssystem zurückfallen. Derartige Erörterungen finden in den Ländern, wo die Baukapazität bereits die Höchstgrenze erreicht hat, statt. Damit würde praktisch diese soziale Wettbewerbs- und Leistungswirtschaft wieder aufgehoben; den wo Prioritäten eingeführt werden, hört die Konkurrenz, hört der Leistungswettbewerb im wesentlichen auf. Ich bitte gerade im Interesse der mittelständischen Bauwirtschaft ernstlich darum, daß dieser Leistungswettbewerb erhalten wird und auf dem Markt keine Kapazitäten geschaffen werden, die die mittelständische Bauwirtschaft nicht vertragen kann. Da ist eine Zusammenarbeit erforderlich zwischen dem Verteidigungsminister, dem Wohnungsbauminister und der Bundesbaudirektion in Verbindung mit den Ländern, die ja auch von sich aus sehr viele Aufträge finanzieren und vergeben. Ich komme zum letzten, was ich dazu zu sagen habe. Bei der zu erwartenden Entwicklung der Bauwirtschaft ist es möglich - und ich möchte vor den daraus entstehenden Gefahren warnen -, daß auf die Bundesbaudirektion sehr viele neue Aufträge zukommen über Bauvorhaben, die alle mit der Verteidigungswirtschaft zusammenhängen. Ich habe den dringenden Wunsch, daß sich die Baudirektion - das ist bis jetzt noch nicht im Haushaltsausschuß besprochen worden - nun nicht durch eigene untere Baubehörden sehr stark ausweitet und ausbaut, sondern daß man sich für die Bewältigung all dieser Bauvorhaben sowohl in der Planung wie auch in der Durchführung der Privatwirtschaft, der privaten Architekten, der baugewerblichen Architekten und der Ingenieurbüros bedient, die baubehördliche Dienststellen in vielen Arbeiten entlasten können, so daß es nicht notwendig ist, einen neuen Apparat für diese Dinge, sei es beim Verteidigungsministerium, sei es bei der Bundesbaudirektion, aufzuziehen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir als früherer langjähriger Wohnungspflegerin in der Großstadt Charlottenburg, einige Bemerkungen zu drei kleinen Punkten zu machen, die ich allerdings nur in der Form von Bitten an den Herrn Wohnungsbauminister vorbringen kann. Ich möchte Sie, Herr Wohnungsbauminister, bitten, zu erwägen, ob mehr Einraumwohnungen für ledige Personen gebaut werden können, damit die Zweiraumwohnungen den Ehepaaren vorbehalten werden. Wir haben jetzt den Zustand, daß Ledige, die oft ein größeres Einkommen beziehen, den Ehepaaren die Zweiraumwohnungen fortnehmen, weil sie keine Einraumwohnungen zur Verfügung gestellt bekommen, die sie dringend benötigen. Ich habe jetzt einen höchst unangenehmen Fall in Bonn. Da hat das Wohnungsamt einem Ehepaar seit drei, vier Jahren die Möglichkeit vorenthalten, eine Zweiraumwohnung zu bekommen, weil es an das Ehepaar fortgesetzt die Forderung stellt: Sie müssen erst Kinder haben, ehe wir Ihnen eine Zweiraumwohnung geben können. Wie ein Ehepaar, das in der skandalösesten Weise zusammengedrängt schlafen muß, in einer Einraumwohnung Kinder haben soll, hat das Wohnungsamt von Bonn uns noch nicht klargemacht. ({0}) Dann möchte ich gerne den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, - ({1}) - Warum lachen Sie eigentlich? ({2}) - Ich habe Sie nicht verstanden. ({3}) Zum anderen möchte ich den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, doch, wenn möglich, darauf hinzuwirken, daß Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gebaut sind, also sogenannte Sozialwohnungen, nicht wahllos von jedem gemietet werden können. Ich weiß aus meiner Berliner Erfahrung, daß hochgestellte Beamte mit einem ganz erheblichen Gehalt - manchmal sind sie sogar ledig, und eine alte Tante führt den Haushalt - sich in einer solchen Sozialwohnung für 50, 60 DM niedergelassen, eingenistet haben, während andere Leute, die eine ganze Familie bildeten, diese Wohnungen nicht bekommen konnten. ({4}) - Ja, ich will jetzt gar nichts mehr über Bonn sagen; sonst werde ich noch aus Bonn exmittiert. ({5}) Das wäre doch ein enormer Verlust für den Bundestag, wenn das passierte. ({6}) Meine verehrten Kollegen, ich halte es für eine unmögliche Sache, daß sich Menschen, die es in keiner Weise nötig haben, in Wohnungen, die aus den Steuergeldern aller Einwohner Deutschlands erstellt werden, festnisten und auf keine Weise herauszubekommen sind. Ich habe seinerzeit, als ich in Berlin noch die Abteilung Sozialwesen leitete, diese Sache bei dem Ausschuß des Städtetages zur Sprache gebracht. Dieser Ausschuß des Städtetages stimmte meiner Meinung einstimmig zu. Mir sind zwei Oberbürgermeister in Deutschland bekannt, die inzwischen den Mut aufgebracht haben, solche Leute einfach par ordre de mufti aus diesen Wohnungen herauszusetzen und in andere Wohnungen einzuweisen. Ich bin der Meinung, wenn man immer und überall so vorginge, würde z. B. auch die Frage der Trennung der Geschlechter, die von großer Bedeutung für die heranwachsende Jugend ist, aber auch für die Eltern den Kindern gegenüber notwendig ist, leichter zu lösen sein. Dann möchte ich noch bitten - ich weiß, es wird schwer sein, weil es sich schon wieder mal um die beliebte Länderkompetenz handelt, die mir bald ganz grauenhaft ist -, daß der Herr Bundeswohnungsminister die Freundlichkeit hat, zu versuchen, ob er nicht die Länder dazu bewegen kann, wieder eine vernünftige Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege einzuführen. Ich weiß sehr genau, worum es sich handelt, weil ich es selber jahrelang in Berlin praktiziert habe. Ich glaube, Herr Minister, daß mit einer solchen Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege auch große materielle Werte geschützt werden können - von den ideellen, seelischen und kulturellen Werten will ich gar nicht erst sprechen; die Menschen interessiert ja meistens leider nur das Geld -, weil dann nämlich die Leute ({7}) endlich wieder angehalten werden könnten, das mit öffentlichen Geldern erbaute Gut, das ihnen gar nicht gehört, in ordentlicher und anständiger Weise zu schonen. Es gehen Millionen damit verloren, daß die Leute glauben, mit dem durch öffentliche Gelder erbauten Gut des Staates umgehen zu können, wie sie lustig sind. Ich bin der Meinung; das können sie nicht! ({8})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.

Dr. Victor Emanuel Preusker (Minister:in)

Politiker ID: 11001749

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist etwas schwierig für mich, jetzt noch, in dieser vorgerückten Stunde, das Interesse des Hauses für sachliche Ausführungen zu erbitten, die ich zu den Darlegungen des Herrn Kollegen Schild und auch der Frau Kollegin Lüders gern gemacht hätte. Wenn das Haus damit einverstanden ist - möchte ich jetzt fast einmal den Herrn Präsidenten kopieren -, bin ich aber gern bereit, in der dritten Lesung, wenn die Stunde günstiger ist, diese Ausführungen nachzuholen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich glaube, Herr Bundesminister, daß das Haus damit sehr einverstanden ist.

Dr. Victor Emanuel Preusker (Minister:in)

Politiker ID: 11001749

Ich möchte jetzt nur zu dem Antrag, der von der Fraktion der SPD vorgelegt und von Herrn Kollegen Jacobi begründet worden ist, kurz etwas ausführen, zu dem ich gestern um Formulierungshilfe und um Auskunft darüber gebeten wurde, wie die Dinge, um die es der SPD hier ging, denn genau hießen. Sie können es mir als Bundesminister für Wohnungsbau in keiner Weise verübeln, daß ich immer bereit bin, freundliche Gaben zugunsten des Wohnungsbaus entgegenzunehmen, zumal ich - nun ein sachliches Wort - der Meinung bin, daß zugunsten dieser inneren Umsiedlung, der inneren Evakuiertenrückführung, noch eine ganze Menge zu tun ist, daß hier noch ein brennendes Problem ansteht, obwohl wir noch nicht einmal das Problem der äußeren Umsiedlung, der sogenannten Umsiedlung von Land zu Land, und der Evakuiertenrückführung über die Landesgrenzen hinweg vollständig haben lösen können. Bei den gesamten Haushaltsberatungen innerhalb der Bundesregierung hat natürlich im Vordergrund stehen müssen, daß jetzt als Bundesaufgabe in erster Linie einmal diese Evakuiertenrückführung über die Landesgrenzen hinweg und der Abschluß der sogenannten äußeren Umsiedlung, d. h. der Umsiedlung über die Landesgrenzen hinweg, restlos finanziert und durchgeführt werden müssen. Dahinter müssen leider entsprechende weitere Wünsche und Notwendigkeiten zurücktreten. Das ist die Situation, vor der wir immer stehen in einer Zeit, in der binnen unwahrscheinlich weniger Jahre die Zerstörung eines Volksvermögens wieder aus der Welt geschafft werden soll, zu dessen Erarbeitung frühere Generationen mindestens 50 oder 60 Jahre gebraucht haben. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, seien Sie unbesorgt; nur ein Wort der Richtigstellung. Beim Umdruck 424*) ist vergessen worden, hervorzuheben, daß es sich um einen Betrag handelt, der im außerordentlichen Haushalt erscheint. Es muß heißen Kap. A 25 01. Infolgedessen ist der Anleiheplafond für ,den Fall der Annahme entsprechend zu erhöhen. Ich bitte nur noch einmal sehr dringend, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Anliegen auch zu dem Ihren zu machen. Wir können hinsichtlich der nachhaltigen Förderung der inneren Umsiedlung nicht warten, bis die äußere Umsiedlung erledigt ist. Der Bund hat hier die Pflicht - als Kriegsfolgelast -, auch für diesen Zweck des Wohnungsbaus, ohne daß die allgemeinen Wohnungsbaumittel angeknabbert werden, etwas zu tun. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur mit einem Satz dem Herrn Vorredner erwidern. Die Umstellung von dem ordentlichen auf den außerordentlichen Haushalt erleichtert die Situation in keiner Weise. Der außerordentliche Haushalt ist bereits so überlastet, daß es nicht wahrscheinlich, ja, ich möchte sagen: völlig unwahrscheinlich ist, daß diese Mittel noch aufgebracht werden können. Wir würden Hoffnungen erwekken, die sich nicht erfüllen lassen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung über den Umdruck 424*), Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Wer dem Antrag auf Umdruck 424 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es besteht keine Einigkeit. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, das Präsidium ist sich nicht einig; ich muß bitten, auszuzählen. Ich bitte Sie, den Saal zu verlassen, und die Schriftführer, sich an die Türen zu begeben. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal beschleunigt zu räumen. Zur Vermeidung von Mißverständnissen darf ich die Herren aus Berlin bitten, im Saal zu bleiben. Ich bitte, den Saal beschleunigt zu verlassen und die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist eröffnet. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 424 der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zuzustimmen wünscht, den bitte ich, durch die Ja-Türe zu gehen, wer dagegen ist, durch die Nein-Türe, die übrigen durch die Enthaltungs-Tür. ({1}) Ich darf nochmals bitten, die Abstimmung zu beschleunigen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Es haben gestimmt mit Ja 151 Mitglieder des Hauses, mit Nein 189; enthalten hat sich niemand. Der Antrag ist abgelehnt. *) Siehe Anlage 15. ({2}) Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 25. Wer ihm in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der vorgesehenen Zeit. Ich berufe die nächste, die 88. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 16. Juni, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.