Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich der Abgeordneten Frau Lockmann Glückwünsche zum Geburtstag aussprechen.
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Ich darf bekanntgeben, daß unmittelbar nach Beendigung der Fragestunde der Auswärtige Ausschuß im Zimmer 216 A zusammentritt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 28. April 1955 die Kleine Anfrage 145 der Fraktion der DP betreffend deutsche Forderungen an die amerikanischen Streitkräfte bzw. an die französische Genie-Truppe - Drucksache 1143 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1359 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 26. April 1955 die Kleine Anfrage 165 der Fraktion der DP betreffend ehemalige Preußische Staatsbibliothek in Berlin - Drucksache 1303 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 1360 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 20. April 1955 auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom 23. Februar 1955 einen Bericht über die Maßnahmen, die bis zum 28. Februar 1955 nach dem Gesetz zur Abwicklung und Entflechtung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens vom 5. Juni 1953 getroffen worden sind, übersandt, der als Drucksache 1356 vervielfältigt wird.
Der Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 29. April 1955 den mit Beschluß des Bundestages vom 24. März 1955 geforderten Schriftlichen Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Freigabe der mit Manöverrechten belegten Gebiete in der Lüneburger Heide und Verwendung des Truppenübungsplatzes Munster-Nord für Panzerübungen vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache 1361 vervielfältigt.
Wir kommen zur Tagesordnung. Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem es nicht möglich war, im Ältestenrat eine Verständigung zu erzielen, bitte ich Sie, dem Ersuchen der sozialdemokratischen Fraktion stattzugeben, auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung den Antrag zu setzen, der die Drucksachennummer 1355 trägt und in dem der Bundestag aufgefordert wird, zu beschließen, daß die Bundesregierung ersucht wird, dem Bundestag unverzüglich einen Bericht über die außenpolitische Entwicklung im Hinblick auf die bevorstehenden Viermächteverhandlungen zu geben. Die Morgenzeitungen wußten zwar schon zu berichten, daß dieser Antrag heute hier in einer Geschäftsordnungsdebatte gestellt, und sogar, daß er von Ihnen abgelehnt werden würde. Aber vielleicht darf man noch hoffen, daß sich die Mehrheit nicht so verhält, wie es ihr die Presse in diesem Falle nachsagt.
Die Frage, die wir bei diesem Antrag an Sie zu richten haben, ist: Kann der Bundestag eigentlich eine solche Debatte entbehren? Ist es richtig, daß der Bundeskanzler selbst sich zu wichtigen Gesprächen mit Außenministern anderer Staaten und in Konferenzen begibt und daß auch auf anderen Ebenen, z. B. in London und Paris, vorbereitende Gespräche im Hinblick auf Viermächteverhandlungen stattfinden, ohne daß der Bundestag Gelegenheit nimmt, die großen Linien dieser Vorbereitun({0})
gen und dieses Geschehens zu erörtern? Selbst wenn wir, meine Damen und Herren, hätten, was wir leider nicht haben, nämlich eine gründliche Diskussion und Beratung der für die Vorbereitung von Viermächteverhandlungen notwendigen Pläne und Vorschläge in den Ausschüssen des Bundestages, dürften wir nicht auf einen Bericht der Regierung und auf eine Debatte über diesen Bericht verzichten.
Man hat uns den Einwand gemacht, alles das, was jetzt zu sagen sein könnte, sei ja in den Debatten, die im Zusammenhang mit der Behandlung der Pariser Verträge in diesem Haus stattfanden, gesagt und erörtert worden. Dagegen möchte ich geltend machen: es geht bei dieser Debatte, um die wir hier ersuchen, nicht einfach darum, die Streitfragen von vorgestern aufzurühren, sondern es geht um die Antworten auf die Fragen von heute und von morgen. Denn wir haben die Sorge, die sich in der Frage ausdrücken läßt: Sind wir denn ausreichend vorbereitet? Haben wir ein deutsches Arbeits- und Verhandlungsprogramm? In jüngster Zeit sind bedeutsame Ereignisse auf den Gebieten der auswärtigen Politik eingetreten, und es gibt Anzeichen für andere, kommende bedeutsame Ereignisse.
Die Bundesregierung äußert sich durch mehr oder weniger autorisierte Sprecher an allen möglichen Stellen zu solchen Ereignissen, aber immer außerhalb des Bundestages. Da werden z. B. Bedingungen genannt, die angeblich im Hinblick auf die Wiedervereinigung Deutschlands unter keinen Umständen eingegangen werden dürften, und andere, auf denen unter allen Umständen beharrt werden müßte. Ich denke daran, welche Rolle z. B. die Frage spielte, daß ein wiedervereinigtes Deutschland angeblich nie werde darauf verzichten können, Militärstützpunkte anderer Mächte auf seinem Boden zuzulassen. Es werden sogar frühere Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers einfach geändert. Zum Beispiel ist uns gesagt worden: Unmittelbar nach der Ratifikation der Pariser Verträge wird man auf Viermächteverhandlungen lossteuern und in sie ohne weitere Vorbedingungen eintreten. Während man früher geradezu kunstvoll auseinandergesetzt hat, wie wesentlich die Zeit zwischen der Ratifikation und dem Inkraftsetzen und zwischen der Ratifikation und der Verwirklichung der Verträge für das Nutzbarmachen für Viermächteverhandlungen sei, sagt man jetzt einfach, daß die Verwirklichung der Verträge Viermächteverhandlungen erlauben und möglich machen werde, so als sei das ganz einfach immer dasselbe. Es wird gesagt, daß die Verträge in keiner Weise Verhandlungsgegenstand bei Viermächteverhandlungen sein könnten, sein würden und sein dürften.
Zu den wichtigsten Beschäftigungen mancher Stellen scheint zu gehören, in der Öffentlichkeit Vorbehalte gegen eine nutzbringende Erörterung der Entwicklung zu einer Lösung der so kompliziert gewesenen Österreich-Frage zu produzieren. Wenn es der Bundesregierung zum Trost gereichen sollte, zu erklären, daß das Üsterreich-Ergebnis nur auf dem Hintergrund der von unserer Bunresregierung vertretenen Politik möglich gewesen sei und daß es eine Folge ihrer eigenen Politik sei, so sollte sie andererseits - und das ist das Wesentliche für uns - doch nicht darauf verzichten, für eine Deutschlandlösung den geeigneten Hintergrund zu suchen.
Wir meinen, daß die Debatte, um die wir hier 1 ersuchen, auch erforderlich ist, um der internationalen Öffentlichkeit Klarheit zu geben über den Willen unseres deutschen Volkes, teilzunehmen an Verpflichtungen zur Gewährleistung und Aufrechterhaltung der Sicherheit in Europa im Rahmen von Verpflichtungen der Vereinten Nationen.
Wenn man, um das abschließend zu sagen, zur Zeit auf verschiedenen Ebenen Gespräche im Hinblick auf Viermächteverhandlungen führt, so geht es doch um die große Aufgabe, eine ernsthafte Anstrengung zu machen, damit in den Vorbereitungen solcher Viermächteverhandlungen und in den Verhandlungen selbst zwei Anliegen miteinander verschmolzen werden. Das eine ist das Anliegen der Großmächte, zu einer Entspannung der internationalen Gegensätze zu gelangen. Das andere ist unser deutsches Anliegen, daß diese Entspannung durch eine friedliche Regelung der deutschen Wiedervereinigung wirksam beginnen möge. Nur wenn es uns gelingt, diese beiden Anliegen miteinander zu verschmelzen, werden die Tendenzen, mit denen man es in zunehmendem Maße zu tun hat, nämlich unter Beibehaltung der Teilung Deutschlands über eine Entspannung zu verhandeln, endgültig in den Hintergrund gedrängt werden können.
Damit wir der Lösung dieser Aufgabe einen Schritt näher kommen, brauchen wir den Bericht der Regierung, wie ihn unser Antrag fordert, und die Debatte in diesem Haus. Deswegen ersuche ich Sie abschließend noch einmal darum, unserem Antrag, die Beratung des Antrags Drucksache 1355 auf die Tagesordnung zu setzen, nicht zu widersprechen.
Ich danke Ihnen.
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Der Abgeordnete Kiesinger hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wehner, ich glaube, mit Ihnen einig sein zu können in der Forderung, daß wir nunmehr darauf drängen sollten, bei kommenden Verhandlungen die beiden großen Anliegen, das des Friedens und der internationalen Entspannung - ich würde hinzufügen: der Sicherheit und der Freiheit - und das Anliegen der deutschen Wiedervereinigung, miteinander zu verbinden und, wenn nötig, miteinander auszusöhnen. Die Frage ist nur die, ob wir dieses Anliegen fördern, wenn wir jetzt schon wieder in diesem Hause eine außenpolitische Debatte ansetzen. Meine Freunde glauben, daß das nicht der Fall sein würde.
Wir haben Gelegenheit, die Fragen in den Ausschüssen zu besprechen, besonders im Auswärtigen Ausschuß. Wir hatten gestern eine Sitzung, wir haben heute nachmittag eine in Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers, und wir sind uns einig geworden, nach der sitzungsfreien Woche erneut eine umfangreiche Arbeitssitzung des Auswärtigen Ausschusses anzuberaumen, in der diese Fragen behandelt werden sollen. Bei diesen Verhandlungen wird sich dann zeigen, ob und wann eine außenpolitische Debatte notwendig sein wird, die dieses unser gemeinsames Anliegen fördern könnte. Im Augenblick scheint es uns, daß wir einer gewissen Zeit der ruhigen Sachberatung bedürfen; I diese kann in den Ausschüssen stattfinden. Herr
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Kollege Wehner, am Rande darf ich bemerken: es liegt an uns allen, ob wir diese Sachberatung in den Ausschüssen etwas intensiver gestalten, als es zuweilen geschehen ist.
Die Ereignisse der letzten Zeit sind sicherlich interessant genug gewesen, aber sie können keinen Anlaß bilden, jetzt etwa eine Schwenkung unserer Politik vorzunehmen. Weder kann dies das Ereignis um Österreich noch können es die sonstigen Anlässe sein. Die Standpunkte sind bekannt. Daß wir die Verträge nicht ratifizieren, um sie gleich hinterher als Kaufpreis Sowjetrußland anzubieten, ist doch sonnenklar. Es ist also auch klar, daß wir auch auf die Verwirklichung der Verträge hinarbeiten werden. Wann, an welcher Strecke des Weges, den weiter zu gehen wir fest entschlossen sind, die Frage der deutschen Wiedervereinigung spruchreif wird, so daß wir glauben, die deutsche Frage lösen zu können, kann niemand von uns sagen.
Ich fasse unsere Auffassung zusammen: Gründliche Prüfung in den Ausschüssen! Dabei wird sich zeigen, inwieweit wir zu gemeinsamen Ansichten kommen können oder ob der leidige Gegensatz unserer Auffassungen auch in der Zukunft in eben derselben Schärfe bestehenbleibt wie bisher. Dann erst wird sich auch zeigen, ob es zweckdienlich sein wird, eine außenpolitische Debatte im Bundestag anzusetzen. Ich bitte daher namens meiner Freunde, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, diese Angelegenheit auf die heutige Tagesordnung zu setzen, nicht zuzustimmen.
Ich schließe damit die Debatte zur Geschäftsordnung.
Wir kommen zur Abstimmung darüber, ob der Antrag Drucksache 1355 heute auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu der Tagesordnung in der vorliegenden Form. Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde ({0}).
Das Wort zur Frage 1 hat der Herr Abgeordnete Arnholz.
Wie hoch sind die Beträge, die monatlich seit dem 1. April 1954 über Besatzungskosten
a) in der amerikanisch,
b) in der britisch und
c) in der französisch besetzten Zone
für außerdienstliche Aufwendungen der Besatzungsangehörigen angefordert und verrechnet wurden für
1. Postgebühren,
2. Fernsprechgebühren,
3. Telegramm- und Fernschreibgebühren,
4. Löhne für Hausmädchen, Gärtner und Heizer ({0}),
5. Heizmaterial und
6. Beleuchtung?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Abgeordneter, dem Bundesministerium der Finanzen liegen keine zuverlässigen Unterlagen vor, aus denen sich ergibt, daß in den unter den Punkten 1 bis 6 der Frage genannten Fällen Mittel des alliierten Besatzungskosten-und Auftragsausgabenhaushalts für außerdienstliche, also rein private Zwecke Verwendung finden. Eine Aufgliederung der Aufwendungen in dienstliche und außerdienstliche ist den deutschen Besatzungskostenämtern im allgemeinen deshalb nicht möglich, weil die Besatzungsmächte nach dem alliierten Buchungssystem ihre Aufwendungen global nach Sachgebieten buchen und eine nähere Aufteilung in der Regel nicht erfolgt. Eine Beantwortung der Fragen im einzelnen ist mir daher nicht möglich. Ich will aber nach den mir zur Verfügung stehenden Unterlagen gerne auf folgende Gesichtspunkte hinweisen.
Zu 1 bis 3. Dienstliche Postgebühren, Fernsprechgebühren sowie Telegramm- und Fernschreibgebühren der Besatzungsmächte werden aus Mitteln des alliierten Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts gezahlt und nach einem zwischen dem Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und der Alliierten Hohen Kommission im Jahre 1951 vereinbarten Verfahren teilweise auf pauschaler Grundlage errechnet und erstattet. Soweit Gebühren für außerdienstliche Zwecke anfallen, sind sie von den betreffenden Personen privat zu bezahlen. Die Entscheidung darüber, welche Postsendungen, Telefongespräche, Telegramme und Fernschreiben als dienstlich und welche als privat zu behandeln sind, ist zur Zeit noch ausschließlich Angelegenheit der Besatzungsmächte. Da die Angehörigen der Besatzungsmächte ihre privaten Postsendungen selbst freimachen müssen, läßt sich die Zahl der Sendungen und damit auch die Höhe der Gebühren nicht übersehen. Das ist eher bei den Fernsprechgebühren, Telegramm- und Fernschreibgebühren möglich. Hier haben die Feststellungen ergeben, daß in der amerikanischen Zone der Anteil der privaten, von den ausländischen Teilnehmern selbst bezahlten Fernmeldedienste an den Gesamtfernmeldediensten etwa 35 % beträgt, in der britischen Zone etwa 11 % und in der französischen Zone etwa 12%.
Zu 4. Zur Frage der Löhne für Hausmädchen, Gärtner und Heizer ist grundsätzlich festzustellen, daß die Belastung des alliierten Besatzungskosten-und Auftragsausgabenhaushalts durch interne Anweisungen der Besatzungsmächte in den letzten Jahren erheblich verringert worden ist. Das hat unter anderem dazu geführt, daß Hauspersonal, das bei alliierten Zivilbediensteten tätig ist, in aller Regel aus Privatmitteln des Arbeitgebers entlohnt werden muß. So wird beispielsweise in dem von der britischen Besatzungsmacht Ende 1951 herausgegebenen Handbuch für die britischen Zivilbediensteten ausdrücklich angeordnet, daß diese ihr Hauspersonal selbst entlohnen müssen und die britische Verwaltung nicht zu diesem Zwecke in Anspruch nehmen dürfen. Unter den durchschnittlich 3 Millionen DM, die monatlich im Raum Frankfurt für die amerikanischen Besatzungsbediensteten aufgewendet werden, befinden sich Löhne für kaum mehr als ein Dutzend Hausmädchen.
Soweit feststellbar, läßt die amerikanische Besatzungsmacht in bezug auf die Angehörigen ihrer Streitkräfte nur noch für hohe Offiziere die Erstattung von Lohnkosten für Hausmädchen aus Mitteln des alliierten Haushalts zu.
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Bei der britischen Besatzungsmacht sehen die Dienstvorschriften, wie sich aus der noch beträchtlichen Höhe der Aufwendungen ergibt, für das militärische Personal offenbar die Erstattung der Lohnkosten in größerem Umfange vor, als es in der amerikanischen Zone der Fall ist. So sind in der britischen Zone für das Rechnungsjahr 1954 aus Mitteln des alliierten Haushalts monatlich rund 2,2 Millionen DM für Hausangestellte verausgabt worden.
Für die französische Zone haben sich genaue Zahlen nicht ermitteln lassen; es steht jedoch fest, daß sich die Aufwendungen für Hausangestellte zu Lasten des alliierten Haushalts in einer verhältnismäßig geringen Höhe halten.
Gegenüber den Kosten für Hausmädchen fallen in allen drei Zonen die Kosten für Gärtner und Heizer kaum ins Gewicht.
Zu 5 und 6. Was die Kosten für Heizmaterial und Beleuchtung angeht, so muß grundsätzlich darauf hingewiesen werden, daß die von den Mitgliedern der alliierten Streitkräfte und der alliierten Zivilbehörden zusammen mit ihren Familien genutzten Wohnungen ohne Rücksicht auf den Dienstrang oder die Amtsstellung des jeweiligen Benutzers nach alliierter Auffassung als Dienstwohnungen gelten. Demgemäß werden nicht nur die Nutzungsvergütungen für diese Dienstwohnungen, sondern auch die laufenden Betriebskosten, also auch die Kosten für Beheizung und Beleuchtung, aus dem alliierten Haushalt gezahlt. Das gilt nur, wenn und soweit ein alliierter Staatsangehöriger mit seiner Familie nach den alliierten Vorschriften Anspruch auf Bereitstellung einer Wohnung hat. Andernfalls muß er für diese Kosten selbst aufkommen.
Die Höhe der auf Wohnungen entfallenden Ausgaben für Heizmaterial und Beleuchtung haben sich nicht ermitteln lassen, weil diese Kosten teils zusammen mit den Nutzungsvergütungen, teils zusammen mit den Kosten für die Beheizung und Beleuchtung von Dienstgebäuden gebucht werden.
Ich darf vielleicht noch mit einem Wort auf die nähere Zukunft eingehen. Der Umstand, daß nach dem Inkrafttreten des revidierten Finanzvertrages eine Verpflichtung der Bundesrepublik zur Zahlung von Stationierungskosten nur für das erste deutsche Verteidigungsjahr, also nur für einen Übergangszeitraum, festgelegt ist und die Drei Mächte nach dessen Ablauf in verstärktem Umfange zur Deckung ihrer Bedürfnisse Heimatmittel einsetzen müssen, wird nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen zwangsläufig dazu führen, daß die alliierten Mächte auch ihre Regelungen über die Wohnungsansprüche ihrer Mitglieder mehr und mehr einschränken und den veränderten Verhältnissen anpassen werden.
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage!
Ist dem Herrn Bundesminister der Finanzen die Veröffentlichung des Bundes der Steuerzahler bekanntgeworden, wonach amerikanische Besatzungstruppen in Frankfurt am Main in einem Monat aufgewendet haben sollen für Kohle 1 Million DM, für Post-, Fernsprech- und Telegrammgebühren 2 Millionen DM, für Hausmädchen, Heizer und Gärtner 3 Millionen DM, und zwar für außerdienstliche Zwecke?
Herr Abgeordneter, die Veröffentlichung des Bundes der Steuerzahler ist uns bekannt. Wenn die Zahlen richtig sind, dann beruhen sie offenbar darauf, daß sich in Frankfurt mehrere Zentralbeschaffungs- und Abrechnungsstellen der amerikanischen Streitkräfte befinden, so daß sich diese Zahlen auf große Teile der amerikanischen Zone, wenn nicht sogar auf die ganze amerikanische Zone beziehen und nicht nur auf die Stadt Frankfurt.
Noch eine Zusatzfrage bitte! Was Was ist bisher geschehen, um eine durchsichtige Verbuchung der Ausgaben an Besatzungskosten zu erreichen, woran sind gegebenenfalls solche Bemühungen gescheitert, und wie war es trotz der unübersichtlichen Verbuchung möglich, daß bei früheren Haushaltsberatungen genaue Angaben über Ausgaben für Einzelgegenstände gemacht wurden?
Herr Abgeordneter, das Bundesministerium der Finanzen hat sich seit langem bemüht, eine genaue Verbuchung dieser Ausgaben zu erreichen. Aber Sie wissen, daß bei der bisherigen Rechtsgrundlage unsere Einwirkungsmöglichkeiten gering waren. Wir haben jeweils das Material, das uns zugänglich war, so genau wie möglich veröffentlicht und dem Hohen Hause zur Kenntnis gebracht.
Ich rufe die Frage 2 auf. Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Welche Schritte sind von der Bundesregierung unternommen worden, um die deutschen Originalakten zurückzuerhalten, die sich bei Beendigung des Besatzungsregimes noch im Besitze ausländischer Regierungen befanden, und Originalakten welcher Art bzw. Herkunft sind nicht zurückgegeben worden und aus welchen Gründen?
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen.
Dr. Hallstein. Staatssekretär im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, um genau zu sein, muß ich etwas ausführlicher sein. Auch heute noch befindet sich die Hauptmasse der deutschen Originalakten im Besitze der ehemaligen Alliierten. Es sind das: die Akten des Auswärtigen Amts und seiner Missionen - sie werden in England verwahrt -; ferner die Akten der übrigen zentralen Reichsbehörden und Verwaltungsdienststellen, der Wehrmacht, der NSDAP und ihrer nachgeordneten Organisationen, der Wirtschaft, besonders der Industrie und Landwirtschaft, Akten von Landesbehörden, öffentlichen Körperschaften und Anstalten und von zahlreichen Einzelpersönlichkeiten der Geschichte, der Politik und der Wirtschaft; diese werden zum größten Teil in den Vereinigten Staaten, zu einem kleinen Teil in England und in den alliierten Sammelstellen in Deutschland aufbewahrt.
Die Bundesregierung hat zweimal, bei den Verhandlungen zu den beiden Überleitungsverträgen von 1952 und 1954, versucht, die Rückgabe beider Aktengruppen zum Gegenstand einer vertraglichen
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Regelung zu machen. Leider vergeblich. Über die Rückgabe der Akten des Auswärtigen Amts sind zahlreiche Noten gewechselt worden, ohne daß der Widerstand auf der Gegenseite überwunden werden konnte. Auf die letzte Note der Bundesregierung vom 29. Dezember 1954 steht eine Antwort noch aus.
Die Gründe, die von alliierter Seite gegen die Rückgabe geltend gemacht werden, sind folgende. Was die Akten des Auswärtigen Amts betrifft, so haben die Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten im Jahre 1946 einen Staatsvertrag abgeschlossen, dem auch die französische Regierung beigetreten ist und der mehrere Publikationsreihen von Akten des Auswärtigen Amts aus der Zeit von 1918 bis 1945 vorsieht. Wissenschaftliche Stäbe in England, in den Vereinigten Staaten und in Frankreich sind an diesem gemeinsamen Unternehmen tätig. Es wird vorgebracht, daß eine Gesamtrückgabe nicht erfolgen könne, bevor dieses Unternehmen abgeschlossen sei.
Auch in bezug auf die übrigen, wie ich schon sagte, hauptsächlich in den Vereinigten Staaten verwahrten deutschen Akten wird in erster Linie geltend gemacht, daß diese Akten erst vollständig wissenschaftlich ausgewertet werden müßten, bevor sie zurückgegeben werden könnten.
Die Bundesregierung hat demgegenüber, besonders in der erwähnten Note vom 29. Dezember 1954, zum Ausdruck gebracht, daß sie diesen Zustand als untragbar empfinde und daß sie keine Rechtsgründe, aber auch keine anderen Gründe anerkennen könne, die eine weitere Verzögerung der Rückgabe der Akten zu rechtfertigen vermögen.
Eine Zusatzfrage bitte!
Zusatzfrage!
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß ein Teil der von der britischen Regierung an das Auswärtige Amt zurückgegebenen Original-Personalakten beim Auswärtigen Amt nicht mehr vollständig oder nur als lose Blätter vorhanden ist?
Nein.
Ich rufe die Frage 3 auf. Abgeordneter Platner, bitte!
Ist der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bereit, sich für die Wiedereröffnung der für die Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik sicherlich wertvollen Deutschen Kolonialschule in Witzenhausen einzusetzen?
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die frühere Deutsche Kolonialschule Witzenhausen ist im Besitz der Deutschen Kolonialschule GmbH. Die Schule und ihre Einrichtungen sind zur Zeit an die Landwirtschaftskammer Kurhessen verpachtet, die dort eine Höhere Landbauschule betreibt. Die
Schule hat früher in erheblichem Umfang Nachwuchs für landwirtschaftliche Produktionsstätten aller Art in tropischen und subtropischen Gebieten ausgebildet. Nach Berichten aus Übersee sind für junge deutsche Landwirte mit Spezialausbildung auf dem Gebiete der tropischen und subtropischen Landwirtschaft gute Verwendungsmöglichkeiten vorhanden.
Bei der Bedeutung, die eine solche Schule für die Anknüpfung und Vertiefung der Auslandsbeziehungen der Bundesrepublik haben dürfte, bin ich grundsätzlich bereit, mich für die Wiedererrichtung einzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, daß eine Reihe von Fragen geklärt werden, darunter z. B. eine der vielleicht unwesentlichsten, aber dringlichsten, nämlich daß der Name dieser Schule geändert wird, weil man weder draußen noch drinnen etwas von Kolonien oder von Kolonialschulen hören will. Dazu kämen Fragen der Finanzierung und die Frage des Bedürfnisses. Werden sich tatsächlich für diese Ausbildung heute noch genügend junge Leute melden? Ich möchte das letzte von mir aus bejahen. Für diesen Fall scheint mir eine Wiedererrichtung der Schule gesichert zu sein.
Frage 4 Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Ist die Bundesregierung bereit, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die ehedem nach Marburg ({0}) verlagerten Bestände der früheren Preußischen Staatsbibliothek an Berlin zurückzugeben?
Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Frau Abgeordnete! Die nach Marburg ({0}) verlagerten Bestände der früheren Preußischen Staatsbibliothek in Berlin - es handelt sich dabei um etwa 250 000 Bände - gehören zum Gesamtkomplex „Preußischer Kulturbesitz". Sie teilen dessen rechtliches Schicksal. Das Bundeskabinett hat am 30. März 1955 zur Klärung der mit dem ehemals Preußischen Kulturbesitz zusammenhängenden Fragen den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung der Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung verabschiedet. Der Entwurf wird zur Zeit in den Ausschüssen des Bundesrates beraten. Dieses Gesetz soll die Rechtsgrundlage dafür schaffen, daß die Vermögensrechte an dem ehemals Preußischen Kulturbesitz auf eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts übertragen werden. Diese Stiftung hat den Zweck - ich zitiere aus der Begründung -, „die ihr übertragenen preußischen Kulturgüter für das deutsche Volk zu bewahren, zu pflegen und zu ergänzen, unter Beachtung der Tradition den sinnvollen Zusammenhang der Sammlungen zu erhalten und eine Auswertung dieses Kulturbesitzes für die Interessen der Allgemeinheit in Wissenschaft und Bildung und für den Kulturaustausch zwischen den Völkern zu gewährleisten".
Solange dieses Gesetz nicht in Kraft getreten ist, ist die Bundesregierung rechtlich nicht in der Lage, auf die Verlagerung der zur Zeit in Marburg befindlichen Teilbestände der früheren Preußischen Staatsbibliothek nach Berlin einzuwirken,
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da diese zur Zeit treuhänderisch von dem Land Hessen verwaltet werden. Erst wenn die beabsichtigte gesetzliche Regelung des Preußischen Kulturbesitzes erfolgt ist, kann die Bundesregierung in Verbindung mit den Nachfolgeländern darauf Einfluß nehmen. Die Frage des künftigen Standorts der Bibliotheksbestände wird alsdann im Zusammenhang mit der Gesamtregelung des Preußischen Kulturbesitzes der Entscheidung des Stiftungsrates unterliegen.
Noch eine Zusatzfrage bitte!
Eine Zusatzfrage!
Ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß die Bestände unter die verschiedenen Länder in Deutschland aufgeteilt werden?
Frau Abgeordnete, darüber ist nichts vorgesehen. Es ist Angelegenheit des Stiftungsrates, die Dispositionen über die Kunst- und Bibliotheksbestände zu treffen.
Danke sehr.
Frage 5, Herr Abgeordneter Dr. Hammer!
Welche Anstalten benutzt der Bundesminister für Arbeit zur Zeit zur klinischen Unterbringung jener Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, bei denen Spätschäden, insbesondere Leberschäden, eine klinische Beobachtung oder klinische Behandlung notwendig machen?
Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit.
Die Behandlung chronischer Lebererkrankungen, insbesondere bei Heimkehrern, die in der Mehrzahl der Fälle als Krankenhausbehandlung durchgeführt werden muß, wird nach dem Bundesversorgungsgesetz von den Krankenkassen gewährt: § 14 Abs. 2 dieses Gesetzes. Damit stehen zunächst alle einschlägigen Kliniken und Krankenhäuser, mit denen die Krankenkassen vertragliche Vereinbarungen haben, zur Behandlung Kriegsbeschädigter mit chronischen Lebererkrankungen zur Verfügung.
Bei der Tagung des Ärztlichen Sachverständigenbeirates für Fragen der Kriegsopferversorgung vom 11. bis 13. Oktober 1954, auf der besonders die Heimkehrerkrankheiten besprochen wurden, wurde von fachwissenschaftlicher Seite darauf hingewiesen, daß die übliche Krankenhausbehandlung häufig nicht ausreicht, um den nach ärztlicher Erkenntnis erreichbaren Heilerfolg zu sichern. Es wurden daraufhin, und zwar durch Auslegung und Änderung der Verwaltungsvorschrift Nr. 16 zu § 14, die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen dafür geschaffen, daß die Versorgungsbehörde selbst die Behandlung in diesen Fällen durchführen kann. Diese Übernahme geschieht in allen Fällen, in denen es sich als sachlich notwendig oder wünschenswert erweist.
Zur Behandlung standen vordem bereits die Versorgungskrankenhäuser in Bad Pyrmont und in Bayreuth zur Verfügung. Durch Vergrößerung der Abteilung für Lebererkrankungen in diesen Krankenhäusern wurde allen Ländern die Möglichkeit gegeben, ihre Kranken dorthin einzuweisen. Außerdem wurden die Länder, denen ja die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt, gebeten, soweit sie nicht in versorgungseigenen Einrichtungen entsprechende Abteilungen schaffen können, mit geeigneten Kliniken oder Sanatorien in Verbindung zu treten. Wir haben den Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz solche Krankeneinrichtungen sogar namentlich vorgeschlagen, und zwar das Sanatorium Schorlemer in Bad Godesberg und das Sanatorium zur Behandlung von Leberkrankheiten in Bad Kreuznach, das mit der Medizinischen Universitätsklinik Mainz in Verbindung steht.
Bisher sind Klagen wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten nicht bekanntgeworden. Der Angelegenheit wird aber laufend besondere Beachtung geschenkt.
Ich danke.
Frage 6, Abgeordneter Dr. Stammberger!
Wie weit sind die Vorarbeiten zum Erlaß einer Rechtsverordnung gemäß § 34 Abs. 4 des Kindergeldgesetzes gediehen, und wann ist mit dem Erlaß dieser Verordnung zu rechnen?
Herr Staatssekretär!
Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 des Kindergeldgesetzes hat in erster Linie für Berlin Bedeutung und soll den dortigen besonderen. Verhältnissen Rechnung tragen; aber sie hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf andere Gebiete.
Das Bundesministerium für Arbeit hat den Entwurf einer Rechtsverordnung bereits am 8. Februar 1955 dem Herrn Senator für Arbeit und Sozialwesen in Berlin zur Stellungnahme zugeleitet. Mit Schreiben vom 15. April 1955 hat der Senator einige Abänderungsvorschläge gemacht, über die auf seinen Wunsch morgen eine mündliche Besprechung mit dem Bevollmächtigten von Berlin stattfinden wird. Wir hoffen, daß die Regelung morgen endgültig beschlossen werden kann; dann steht dem Erlaß der Verordnung nichts mehr entgegen.
Frage 7 des Abgeordneten Dr. Schmid ({0}). In Vertretung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Besatzungsmächte zu veranlassen, den Chlorierungszwang des Trinkwassers in den mit Truppen belegten Städten aufzuheben?
Was soll in dieser Richtung nach Aufhebung des Besatzungsstatuts geschehen?
Herr Bundesminister des Innern.
Ich darf die Frage wie folgt beantworten. Nach Aufhebung des Besatzungsstatuts wird die Chlorierung von Wasser aus öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlagen wie früher von der Prüfung der Notwendigkeit im Einzelfall abhängig zu machen sein. Einer Forderung nach grundsätzlicher Aufhebung des Chlorierens wird wegen des Zustandes eines erheblichen Teils der öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlagen auch nach Aufhebung des Besatzungsstatuts nicht zugestimmt werden können. Das Chloren von Trinkwasser wird in Deutschland schon seit 1909 geübt, wenn auch nicht in dem Maße und der Regelmäßigkeit, wie bisher von den Besatzungsmächten angeordnet, sondern nach Maßgabe des örtlichen Erfordernisses.
Danke!
Frage 8, Abgeordneter Dr. Dittrich!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Erhöhung der Pauschalgebühren für die gemeindeöffentlichen Sprechstellen auf 18 DM seit 1. Juli 1954 ein Teil der öffentlichen Fernsprechinhaber nicht mehr in der Lage ist, den Anschluß aufrechtzuerhalten, wodurch in kleinen Gemeinden und Gemeindeteilen bei Unfällen und ähnlichen dringenden Angelegenheiten keine Fernsprechmöglichkeiten mehr bestehen? Kann die Bundespost die Pauschalgebühren für die gemeindeöffentlichen Sprechstellen nicht wieder auf den früheren Betrag herabsetzen oder wenigstens in solchen Einzelfällen, in denen eine Rentabilität der öffentlichen Fernsprechstellen nicht mehr gegeben ist, Ermäßigungen der Pauschalgebühren gewähren?
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewese.
Herr Abgeordneter, die gemeindlichen öffentlichen Sprechstellen werden von der Deutschen Bundespost auf Antrag der Gemeinde bei einem von dieser bestimmten Einwohner eingerichtet. Die Deutsche Bundespost übernimmt dabei auf ihren Haushalt die gesamten, zum Teil sehr hohen Einrichtungskosten. Sie verzichtet außerdem auf die Erhebung einer monatlichen Grundgebühr, die z. B. in Fernsprechortsnetzen bis zu 100 Teilnehmern 6 DM und in solchen von 100 bis 200 Teilnehmern 8 DM beträgt. Es werden also von ,den Sprechstelleninhabern nur die Gesprächsgebühren für die geführten Orts- und Ferngespräche unter Festsetzung einer monatlichen Mindestgebühreneinnahme erhoben.
Diese monatliche Mindestgebühreneinnahme wurde ab 1. Juli 1954 auf 18 DM festgesetzt. Sie betrug bis dahin 9 DM. Die Erhöhung ist begründet, weil zu gleicher Zeit für alle Fernsprechteilnehmer sowohl die monatliche Grundgebühr als auch die Gesprächsgebühr angehoben wurden. Der Betrag von 18 DM im Monat liegt noch immer wesentlich unter dem Durchschnitt der monatlichen Gebühreneinnahmen je Fernsprechhauptanschluß.
Es ist leider nicht möglich, die Höhe der monatlichen Mindestgebühreneinnahme für einzelne Gemeinden auf deren Antrag herabzusetzen. Sie muß für alle Gemeinden gleich sein. Das ist schon deshalb nötig, um dem Gleichheitsgrundsatz zu entsprechen, ganz abgesehen davon, daß es den Dienststellen meiner Verwaltung kaum möglich sein würde, die Berechtigung solcher Einzelanträge nachzuprüfen.
Wenn Sie einverstanden sind, Herr Abgeordneter, werde ich Ihnen Erläuterungen zu dieser Gebührenfrage noch schriftlich nachreichen. Im übrigen werde ich Ihre Anregung aber gern dazu benutzen, die Herabsetzung der monatlichen Gebührenmindesteinnahme zu prüfen.
Ich danke schön!
Frage 9, Herr Abgeordneter Dr. Schranz.
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die französische Luftwaffe unter anderem auf deutschem Boden eine sogenannte „Wetterstation" auf der Hornisgrinde bei Achern ({0}) mit 100 Mann besetzt hält, während gleiche Stationen bei Straßburg, bei Zabern und Weißenburg auf französischem Gebiet nur mit je drei bis acht Mann von der gleichen Stammeinheit beschickt werden, die in Achern kaserniert ist?
Ist ihr gleichfalls bekannt, daß für dieses umfangreiche Sonderkommando auf der Hornisgrinde das dortige Hotel beschlagnahmt und als „militärisches Gelände" ein großes Gebiet und auch der Zugang zum Mummelsee für deutsche Besucher gesperrt ist?
Was gedenkt sie zu tun, um beschleunigt bei den Dienststellen der französischen Besatzungsmacht neben einer Beschränkung des militärischen Sperrgebiets auf ein Mindestmaß auch einen Abbau dieser Außenstellen zu erreichen, da gleichartige Wetterstationen für die ehemalige deutsche Luftwaffe nur mit einem Doppelposten als Personal besetzt waren?
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen!
Blank, Beauftragter des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich auf der Hornisgrinde bei Achern eine militärische Einrichtung der französischen Luftwaffe befindet. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Wetterstation wie bei Straßburg, Zabern und Weißenburg, sondern um eine Radarstation. Entsprechend der militärischen Bedeutung und Größe dieser Anlage ist nach den getroffenen Feststellungen die Besetzung mit etwa 100 Mann erforderlich.
Die Bundesregierung ist bereits im August 1953 bei der Französischen Hohen Kommission wegen weitgehender Aufhebung des militärischen Sperrgebiets an der Hornisgrinde und des Mummelsees vorstellig geworden. Insbesondere wurde angestrebt, die Sicherheitszonen auf einen geringen zu umzäunenden Umkreis um die einzelnen mili({0})
tärischen und technischen Stationen zu beschränken. Im September 1953 fand eine örtliche Besprechung mit Vertretern der dortigen französischen Dienststellen statt, bei der auf Wunsch der Landesregierung Baden-Württemberg die deutschen Interessen vom dortigen Landrat mit Vertretern des Regierungspräsidiums Südbaden, der Forstdirektion Südbaden und des Schwarzwaldvereins wahrgenommen wurden. Bei der Besichtigung des Geländes wurde von den deutschen Vertretern festgestellt, daß die einzelnen französischen Einrichtungen so nahe beieinanderliegen, daß sich die Anlage nicht in einzelne Sicherheitsbereiche abgrenzen läßt. Es wurde aber eine Einigung dahin erzielt, daß einzelne Fuß- und Skiwege und der südwestliche Höhenweg freigegeben und die Sperrzone entsprechend zurückverlegt wurden. Eine Aufhebung der Sperrzone um den Mummelsee wurde nicht erreicht.
Das Hotel am Mummelsee ist noch beschlagnahmt; auch der See selbst liegt noch im Sperrgebiet. Es sind jedoch zwei Ersatzbauten auf Kosten des Besatzungshaushalts abseits vom See im Bau. Nach Fertigstellung, mit der Anfang September 1955 zu rechnen ist, wird nach Mitteilung der Landesregierung das Hotel freigegeben und gemäß den französischen Zusicherungen auch das Sperrgebiet Mummelsee aufgehoben.
Die Bundesregierung sieht daher gegenwärtig keinen Anlaß, bei der Französischen Hohen Kommission wegen weiterer Änderungen vorstellig zu werden.
Frage 10. Herr Abgeordneter Jaksch!
Ist die Bundesregierung bereit, dem Bundestage die internen Weisungen zur Kenntnis zu bringen, welche an die mit der Durchführung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung betrauten Behörden ergangen sind, insbesondere die Weisung über sogenannte Koppelung der Fälle nach § 69 mit jenen nach § 70?
Kann sie auch eine Begründung für diese Koppelung geben?
Der Herr Staatssekretär der Finanzen!
Herr Abgeordneter, die Durchführung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung gehört gemäß Art. 83 des Grundgesetzes zur ausschließlichen Zuständigkeit der Länder der Bundesrepublik. Das Gesetz sieht eine Weisungsbefugnis der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 5 des Grundgesetzes nicht vor. Von seiten der Bundesregierung konnten daher keine internen Weisungen an die mit der Durchführung der Entschädigungsverfahren betrauten Behörden ergehen und sind auch nicht ergangen.
Was den sachlichen Inhalt Ihrer Frage anbetrifft, so darf ich hinzufügen: Es ist uns bekannt, daß der § 70 des Bundesentschädigungsgesetzes zu rechtlichen Zweifeln geführt hat. Im Arbeitskreis des Bundestags und Bundesrats, der sich mit Fragen der Wiedergutmachung befaßt, ist daher auch eine andere Fassung dieser Vorschrift bereits in Erwägung gezogen worden.
Frage 11. Abgeordneter Dr. Arndt!
Verfährt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften so, daß Beisitzer, die keine Gelegenheit hatten, die den Gegenstand der Entscheidung bildenden Schrift zu lesen, dazu keine Stellung nehmen?
Ist nach Auffassung der Bundesregierung die Bundesprüfstelle dem Gesetz entsprechend ordnungsgemäß besetzt, wenn von den zwölf in der Verhandlung gegenwärtigen Mitgliedern einzelne Beisitzer ohne Beteiligung an der Beratung und Abstimmung sich auf die bloße Anwesenheit beschränken?
Der Herr Bundesminister des Innern!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Arndt wie folgt beantworten. Zunächst verweise ich auf die Antwort, die ich dem Hohen Hause und dem Herrn Kollegen Dr. Arndt bereits schriftlich zu der gleichen Frage übermittelt habe, die hier heute wörtlich wiederholt worden ist. Ich habe nun inzwischen Kenntnis genommen sowohl von den Ausführungen des Vorsitzenden der Bundesprüfstelle als auch von ,der Entgegnung des Kollegen Dr. Arndt in der Zeitschrift „Der neue Vertrieb". Danach geht es dem Kollegen Dr. Arndt offenbar um die Frage, ob das Bundesministerium des Innern die gelegentliche Verfahrensweise der Bundesprüfstelle, von der der Vorsitzende im „Neuen Vertrieb" berichtet, akzeptiert oder für gesetzwidrig hält.
Herr Schilling , der genannte Vorsitzende, hat ausgeführt, daß im Falle einer plötzlichen Verhinderung eines Beisitzers der Fall eintreten könne und auch schon eingetreten sei, daß der Stellvertreter nicht mehr von allen zur Verhandlung anstehenden Schriften Kenntnis nehmen könne. Es sei dann selbstverständlich, daß ein solcher Beisitzer sich bei der Abstimmung der Stimme enthalte. Der Vorsitzende der Bundesprüfstelle hat hierzu später noch mitgeteilt, daß die Verhandlung stets vertagt wird, wenn nur ein Beisitzer 'dies verlange oder wenn es sich um ein Werk handele, das in
irgendeiner Weise für die Bundesprüfstelle eine neue Materie bedeute. Wenn es um Reihenbücher gleicher Art gehe, wie etwa bei den Büchern von Mickey Spillane, sei es unerheblich, ob ein Beisitzer das Buch aus irgendeinem Grunde nicht habe lesen können. Dieser enthalte sich dann der Stimme.
Herr Kollege Dr. Arndt hat hiergegen den Standpunkt vertreten, daß die Bundesprüfstelle nicht ordnungsgemäß besetzt sei, wenn einer der Beisitzer sich der Stimme enthalte, weil er von der Schrift keine Kenntnis genommen habe. Wenn er das Buch gekannt hätte, würde er die Möglichkeit gehabt haben, die anderen Beisitzer durch seine Argumente zu beeinflussen.
Meines Erachtens ist bei den bisherigen publizistischen Erörterungen folgender wesentlicher Gesichtspunkt unbeachtet geblieben. Der Gesetzgeber hat der besonderen Stellung der Bundesprüfstelle
({0})
dadurch Rechnung getragen, daß er für ihre Organisation und ihr Verfahren gewisse quasi justizielle Vorschriften geschaffen hat. Das ändert aber nichts daran, daß es sich bei der Bundesprüfstelle nur um eine Verwaltungsbehörde handelt, die keine rechtlichen, sondern Verwaltungsentscheidungen zu treffen hat. Dies ist namentlich bei den eingehenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuß seinerzeit ganz eindeutig festgestellt worden. Die Besonderheit gegenüber dem übrigen Gang von Verwaltungsentscheidungen beruht lediglich darauf, daß sie hier von einem Kollegium getroffen werden. Es kann ,aber nicht zweifelhaft sein, daß bei einer kollegialen Verwaltungsentscheidung jeder daran Beteiligte die Möglichkeit auch der Stimmenthaltung hat.
Im übrigen wird diese Frage letztlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geklärt werden können. Ein Verwaltungsgerichtsverfahren, in dem von der Klägerin diese Frage angeschnitten worden ist, ist zur Zeit im Gange.
Eine Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist Ihnen nicht bewußt, daß in den Ausführungen von Herrn Staatsanwalt Schilling nicht nur davon die Rede ist, daß solche Beisitzer sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten, sondern auch davon, daß sie auch bei der Beratung nicht mitzuwirken pflegen? Und glauben Sie, daß eine Verwaltungsbehörde nicht dem Gesetz entsprechend besetzt sein muß?
Herr Kollege Dr. Arndt, ich habe schon gesagt, daß ich meine, daß die hier angeschnittene Frage wohl am besten tatsächlich in dem Verwaltungsgerichtsverfahren weiter geklärt wird, das jetzt läuft. Ich glaube, diese Auseinandersetzung ist zu diffizil, als daß wir sie hier im Rahmen einer Fragestunde führen können.
Wollen Sie damit sagen, Herr Minister - wenn mir diese Zusatzfrage als letzte gestattet ist -, daß Sie im wesentlichen meine Frage unbeantwortet lassen?
Herr Kollege Dr. Arndt, das Haus mag aus dem, was ich schriftlich ausgeführt habe, und dem, was ich hier gesagt habe, entscheiden, ob damit Ihre Frage beantwortet ist oder nicht.
Ich halte sie für unbeantwortet.
Frage 12, Abgeordneter Dr. Lütkens.
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, damit gemäß Nr. 7 des einstimmigen Beschlusses des Bundestages vom 26. Februar 1955 betreffend Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands eine „ständige Kommission, bestehend aus je einem Vertreter der drei Westmächte und der Bundesrepublik Deutschland, gebildet werde, deren Aufgabe es ist, alle zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands sich bietenden Gelegenheiten zu erörtern und Vorschläge auszuarbeiten, um aussichtsreiche Verhandlungen vorzubereiten"?
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hat bei den Regierungen der drei Westmächte die Bildung einer solchen Kommission angeregt. Die drei Westmächte haben in der Tat eine Kommission gebildet, deren Aufgabe es ist, alle Möglichkeiten, die zur friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands führen können, und die Fragen der internationalen Sicherheit zu prüfen. In dieser Kommission ist die Bundesregierung durch eine Delegation vertreten. Die Kommission tagt zur Zeit in London. Sie soll das Ergebnis ihrer Arbeiten den Außenministern der beteiligten Mächte bei der bevorstehenden Tagung in Paris berichten. Auf Grund der Ergebnisse der Aussprache unter den Ministern soll die Kommission ihre Tätigkeit fortsetzen, um aussichtsreiche Verhandlungen über die Wiedervereinigung vorzubereiten.
Eine Zusatzfrage?
Wenn ich bitten darf! - Herr Staatssekretär, hält die Bundesregierung an der Auffassung fest, die sie aus Anlaß eines früheren Antrags meiner Fraktion vor den Londoner Vereinbarungen zum Ausdruck gebracht hat, daß nämlich dieses Gremium , in dem Vertreter der Bundesrepublik und der drei Westmächte vorbereitende Besprechungen über Viermächteverhandlungen über die deutsche Frage führen sollten, ein politisches Gremium zu sein habe und nicht nur ein technisches, und ist die Bundesregierung willens, in Anbetracht der Tatsache, daß dieses Londoner Gremium ja ein Gremium nur auf der technischen Ebene ist, bei den drei Westmächten darauf zu drängen, daß ein politisches Gremium für die vorbereitenden Besprechungen dieser Frage eingesetzt wird?
Herr Staatssekretär!
Ich glaube nicht, daß es zutreffend ist, dieses Gremium in London als technisches Gremium zu qualifizieren. Es ist ein Gremium, dessen Mitglieder unmittelbare Anweisungen von der politischen Spitze erhalten, und ich glaube deshalb, daß die Bedingung, die früher ausgesprochen worden ist, bei der Organisation jenes Gremiums in London erfüllt ist.
Eine letzte Zusatzfrage.
Befinde ich mich infolgedessen, Herr Staatssekretär, mit Ihnen in Übereinstimmung, wenn ich sage, daß die jetzige Haltung zu dem Londoner Gremium in diametralem Gegensatz zu der Auffassung steht, die die Regierung im Auswärtigen Ausschuß bei früherer Erörterung dieser Frage eingenommen hat?
Nein, Herr Abgeordneter, ich bedaure, daß Sie sich nicht in Übereinstimmung mit mir befinden, wenn Sie das sagen.
Auf die Frage 13 wird verzichtet.
Ich rufe auf Frage 14. Herr Abgeordneter Müller ({0})!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die deutsche Zollbehörde außerhalb des Lagers Grafenwöhr die im Lager beschäftigten Arbeiter in der Stadt Grafenwöhr, in den Eisenbahnzügen, im Bahnhofsgebäude und sogar in den Gastwirtschaften kontrolliert?
Ist die Bundesregierung bereit, diese Übergriffe durch Anweisungen abzustellen?
Der Herr Staatssekretär der Finanzen.
Herr Abgeordneter, die Anfrage berührt das Problem des sogenannten „Besatzungsschmuggels". Darunter ist der illegale Übergang von Waren aller Art, die zum Ge- oder Verbrauch durch die Alliierten zoll- und steuerfrei eingeführt wurden, aus dem exemten Bereich auf den deutschen Inlandsmarkt zu verstehen. Dieser ständige illegale Zustrom von unverzollten und unversteuerten ausländischen Waren, der sehr schwer zu erfassen ist, schädigt das deutsche Steueraufkommen auch heute noch ganz wesentlich. Der Gesamtausfall an Zöllen und Verbrauchsteuern durch den Schmuggel überhaupt betrug nach begründeten Schätzungen im Kalenderjahr 1954 rund 195 Millionen DM. Davon entfielen auf den sogenannten Besatzungsschmuggel schätzungsweise rund 178 Millionen DM, das sind 91% des Gesamtschmuggels. Dieser hohe Steuerausfall legt der Bundesfinanzverwaltung die Verpflichtung auf, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen alles nur Mögliche zu tun, um den sogenannten Besatzungsschmuggel einzudämmen und damit auch den ortsansässigen Einzelhandel vor dem unlauteren Wettbewerb durch den Besatzungsschmuggel zu schützen.
Das wirksamste Mittel hierfür ist zweifellos die Herabsetzung der Einkaufsmöglichkeiten der Angehörigen der fremden Streitkräfte an Zigaretten, Kaffee, Tee und anderen Waren, die Gegenstand des Schmuggels sind. Die Alliierten haben sich hierzu in der Vergangenheit nur zu gern und zum Teil leider nur in unzureichendem Maße bereit gefunden. Die von amerikanischer Seite in den letzten Tagen angekündigte weitere Herabsetzung der Rationen an Zigaretten und Kaffee hat sich noch nicht auswirken können; sie läßt aber ein weiteres Absinken des Besatzungsschmuggels erwarten.
Zentren dieses Schmuggels sind die Umgebungen der Truppenunterkünfte und Wohnsiedlungen der Angehörigen der fremden Streitkräfte und insbesondere die großen Übungsplätze, zu denen auch Grafenwöhr gehört. Erfahrungsgemäß sind an der illegalen Verbringung der Waren leider in großem Umfange auch deutsche Staatsbürger beteiligt, die in Diensten der Alliierten stehen. In Grafenwöhr wird die Kontrolle der auf dem Übungsplatz beschäftigten deutschen Angestellten und Arbeiter beim Verlassen des Platzes durch amerikanische Kontrollorgane ausgeübt. Etwa monatlich einmal werden hierzu jeweils auch zwei Zollfahndungsbeamte zugezogen, die jedoch nur eingreifen, wenn ein bestimmter Verdacht eines Steuervergehens besteht. Außerhalb des Lagers findet eine allgemeine Kontrolle der auf dem Übungsplatz beschäftigten deutschen Arbeiter und Angestellten durch deutsche Zollbeamte gegenwärtig nicht statt. Diese beschränken sich darauf, in der Umgebung des Lagers, in der Stadt, auf den Bahnhöfen usw.
verdächtige Personen zu beobachten. Sie greifen im Wege der Verdachtsnachschau nach § 193 der Reichsabgabenordnung oder der Durchsuchung nach §§ 102 ff. der Strafprozeßordnung nur ein, wenn ein begründeter Verdacht solche Maßnahmen rechtfertigt.
Übergriffe von Zollbeamten hierbei sind dem Bundesfinanzministerium und der zuständigen Oberfinanzdirektion bisher nicht bekanntgeworden. Ich darf wohl davon ausgehen, daß Sie die pflichtgemäße Ausübung des Dienstes durch die Zollbeamten nicht als Übergriff bezeichnen wollen.
Frage 15. Herr Abgeordneter Blachstein!
Ist dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen bekannt, daß die Zahl der von der Industrie hergestellten und vom Handel abgesetzten Fernsehapparate erheblich höher liegt als die Zahl der bei der Post gemeldeten Fernsehapparate?
Was gedenkt der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen zu veranlassen, um die offensichtlich nicht erfaßten Fernsehempfänger zur Gebührenzahlung zu veranlassen?
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen!
Herr Abgeordneter! Dem Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen sind die Pressemeldungen bekannt, wonach in der Bundesrepublik eine größere Zahl von FernsehRundfunkempfangsanlagen nicht angemeldet ist. Die Deutsche Bundespost bemüht sich, die Zahl der Gebührenhinterziehungen bei Fernseh-Rundfunkempfängern zu verringern, einerseits durch Werbeaktionen, andererseits durch geeignete technische Maßnahmen.
Um den Funkstörungsmeßdienst in die Lage zu versetzen, nicht angemeldete Fernsehgeräte anzupeilen, rüstet die Deutsche Bundespost ihre kleinen Funkstörungsmeßwagen, die seit langem in der Öffentlichkeit bekannt sind, mit einem neu entwickelten Suchgerät aus. Mit diesem kann man aus größerer Entfernung von der Straße aus das Haus, die Wohnung und das Zimmer anpeilen, in dem ein Fernsehgerät betrieben wird. Mit Hilfe von schon eingesetzten Probesuchgeräten konnten gute Erfolge erzielt werden.
Weil die so festgestellte Nichtanmeldung eines Gerätes strafrechtlich verfolgt werden kann, ist anzunehmen, daß mit der gesteigerten Leistungsfähigkeit der neuen Kontrollgeräte die Zahl der Gebührenhinterziehungen stark absinken wird.
Danke sehr!
Bitte sehr!
Frage 16. Herr Abgeordneter Seidel ({0})!
Ist der Bundesminister der Finanzen bereit, den Altersfreibetrag nach § 32 b des Einkommensteuergesetzes auch den Witwen bzw. Witwern über 70 Jahre zu gewähren, und von wann an könnte das geschehen?
Der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium!
Herr Abgeordneter! Es steht nicht im Ermessen des Bundesministers der Finanzen, den Altersfreibetrag des § 32 b des Einkommensteuergesetzes auch den verwitweten Personen über 70 Jahre zu gewähren. Nach § 32 b und ebenso für Arbeitnehmer nach § 41 Abs. 2 ist ein Altersfreibetrag von 720 DM jährlich nur für Personen vorgesehen, die verheiratet sind oder Kinderermäßigung erhalten. Eine Änderung dieser Vorschriften könnte nur durch eine Änderung des Einkommensteuergesetzes herbeigeführt werden.
Eine solche Änderung erscheint jedoch nicht geboten. Verwitwete Personen erhalten - wie auch alle anderen unverheirateten Personen - eine besondere Steuervergünstigung, indem sie mit der Vollendung des 55. Lebensjahres in jedem Falle nach Steuerklasse II besteuert werden. Wer vor der Vollendung des 55. Lebensjahres verwitwet wurde, wird zunächst in die Steuerklasse I eingereiht und nach der Vollendung des 55. Lebensjahres nach der Steuerklasse II behandelt. Wer nach der Vollendung des 55. Lebensjahres verwitwet wird, müßte an sich als Unverheirateter in die Steuerklasse I eingereiht werden. Auf Grund der Vergünstigungsvorschrift wird er jedoch weiterhin wie ein Verheirateter behandelt und nach der Steuerklasse II besteuert, wobei ich in beiden Fällen davon ausgehe, daß Kinderermäßigung nicht in Betracht kommt.
Hieraus ergibt sich, daß unverheiratete Personen, also auch verwitwete Personen, bereits nach
dem geltenden Einkommensteuerrecht eine Steuervergünstigung im Hinblick auf ihr Alter erhalten. Sie sind sogar in doppelter Hinsicht günstiger gestellt als die verheirateten Personen, denen der Altersfreibetrag zugebilligt wird, denn verwitwete Personen erhalten erstens einen Freibetrag in Höhe von 900 DM - das ist der Unterschied zwischen den Steuerklassen I und II -, während der Altersfreibetrag für Verheiratete nur 720 DM beträgt; sie erhalten zweitens diese Vergünstigung bereits vom 55. Lebensjahr an, während der Altersfreibetrag für Verheiratete erst vom 70. Lebensjahr an gewährt wird.
Die Zubilligung des zur Zeit nur für Verheiratete vorgesehenen Altersfreibetrags in Höhe von 720 DM jährlich an verwitwete Personen würde bedeuten, daß diesen ein doppelter Altersfreibetrag gewährt würde.
Zur Frage 17 Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Welche Pläne hat die Bundesregierung mit der Villa Massimo in Rom?
Wann wird die Villa Massimo, die seit 1910 Sitz der Deutschen Akademie in Rom ist, wieder ihrer Zweckbestimmung zugeführt, Aufenthalts- und Arbeitsstätte für deutsche Maler, Bildhauer, Musiker und Schriftsteller zu sein?
Ich darf dem Herrn Kollegen folgendes antworten. Die Rückgabe der Villa Massimo ist am 20. Januar 1955 von der Interalliierten Kommission für das beschlagnahmte deutsche Vermögen in Italien beschlossen worden. Die offizielle Rückgabe durch den Präfekten von Rom an den deutschen Botschafter wird mit der Verpflichtung verbunden, die Villa an den Eigentumsberechtigten zurückzugeben.
Die Eigentumsfrage der Villa Massimo als ehemals preußischer Besitz ist jedoch noch nicht geklärt. Die parlamentarischen Beratungen über ein Gesetz, das eine Stiftung - Bund und Länder - zur Übernahme des preußischen Kulturbesitzes vorsieht, sind noch nicht abgeschlossen.
Über den Verwendungszweck der Villa Massimo kann dann nur zwischen Bund und Ländern verhandelt werden.
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, glauben Sie, daß es dem Sinn der Fragestunde dient, wenn Sie Fragen von Abgeordneten fast grundsätzlich in Ihren Antworten ausweichen?
Herr Kollege Dr. Arndt, es ist nicht meines Amtes, hier mit Ihnen über den Sinn der Fragestunde zu diskutieren, sondern es ist meine Aufgabe, Ihre Fragen zu beantworten. Ihre Fragen habe ich beantwortet.
Ich rufe auf die Frage - Dr. Arndt ({0}): Nein, ich habe noch eine Zusatzfrage!
Eine letzte Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, ist sich die Bundesregierung im klaren darüber, daß es die deutsch-italienischen Kulturbeziehungen erheblich beeinträchtigen wird, wenn an Stelle der Musen in Zukunft der Amtsschimmel und die Bürokratie in Gestalt der Botschaft in die Villa Massimo einziehen, und daß man italienischerseits erwägt, in diesem Fall das Goethe-Denkmal nach Deutschland zurückzuschicken?
({0})
Herr Kollege Dr. Arndt, es ist mir nicht bekannt,
({0})
daß das beabsichtigt ist. Aber für den Gedanken, den Sie vorgetragen haben, habe ich dieselbe positive Wertung wie Sie.
({1})
Auf Frage 18 wird verzichtet.
Ich rufe auf Frage 19, Herr Abgeordneter Bock!
Was gedenkt der Bundesminister für Arbeit zu tun, damit die Differenzen zwischen den Arbeitsämtern und den Familienausgleichskassen nicht auf dem Rücken der Arbeitslosen ausgetragen werden, wie es im Bezirk des Arbeitsamtes Lübeck vorgekommen ist, wo das Arbeitsamt auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen sich nicht mehr in der Lage sieht, Kindergeld zu zahlen, aber auch die Familienausgleichskassen keine Zahlungen leisten?
Der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit!
Herr Abgeordneter, es trifft zu, daß sich bei der Auszahlung des Kindergeldes verwaltungstechnische Schwierigkeiten in den Fällen ergeben haben, in denen Arbeitslose im Laufe eines Monats vorübergehend Beschäftigung gefunden haben und infolgedessen die Verpflichtung zur Zahlung des Kindergeldes von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auf eine Familienausgleichskasse übergegangen ist. Die Versuche, im Wege der Selbstverwaltung durch eine Vereinbarung zwischen der Bundesanstalt und dem Gesamtverband der Familienausgleichskassen eine befriedigende Regelung zu finden, haben leider bisher nicht zum Erfolg geführt. Es wird jetzt eine gesetzliche Regelung im Zusammenhang mit dem Kindergeld-Ergänzungsgesetz getroffen werden müssen. Die notwendigen Schritte dafür sind eingeleitet worden.
Selbstverständlich darf der Bezugsberechtigte unter dieser verwaltungsmäßigen Schwierigkeit keinen Nachteil erleiden und nicht die Folgen dieser Uneinigkeit tragen. Deshalb hat die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die Zwischenzeit in Würdigung der sozialen Belange der Arbeitslosen die Arbeitsämter ermächtigt, den Arbeitslosen die an sich wegen des Anspruchs auf Kindergeld ruhenden Familienzuschläge zu zahlen, wenn ihnen das Kindergeld wegen der verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten von einer Familienausgleichskasse nicht rechtzeitig ausgezahlt werden kann.
Ich danke für diese Antwort und freue mich, daß diese Kinderkrankheit nun überwunden zu sein scheint.
Eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf Frage 20, Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Wie gedenkt die Bundesregierung bei der Einreise aus der sowjetisch besetzten Zone der Bundesrepublik Deutschland in die Westzone Übergriffe von Zollbeamten - z. B. die Beschlagnahme von Büchern von Puschkin, Marx, Anatole France, Engels ({0}) sowie Büchern über das russische Ballett oder mit russischen Volksliedern - künftig zu vermeiden?
Wie kann sich der an einer Universität tätige Wissenschaftler davor schützen, daß ihm bei einer solchen Einreise Bücher wie die Sowjetische Enzyklopädie oder die Publikation des Staatshaushalts der UdSSR weggenommen werden?
Ist es dem freien Ermessen des Zollbeamten überlassen, jede ihm unbekannte Druckschrift zunächst einmal einzubehalten, oder warum können die Beamten keine gedruckte Dienstanweisung vorweisen, die dem Reisenden eine Prüfung der Befugnisse ermöglicht?
Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen!
Herr Abgeordneter, Ihre Anfrage geht davon aus, daß Zollbeamte bei der Reisendenabfertigung im Interzonenverkehr Übergriffe begangen haben, indem sie Werke der Weltliteratur beschlagnahmt haben. Es war mir bisher nicht möglich, dies im einzelnen nachzuprüfen, da hierüber noch keine ausreichenden Angaben gemacht worden sind. Ich darf mir erlauben, gleich auf den Einzelpunkt zurückzukommen. Zunächst aber ist zur Rechtslage folgendes zu sagen:
Erstens. Nach Art. I Abs. 2 des Militärregierungsgesetzes Nr. 53 dürfen Vermögenswerte, wozu auch Bücher gehören, nur mit einer Bezugsgenehmigung aus der sowjetischen Besatzungszone in das Bundesgebiet eingebracht werden, § 1 der Interzonenhandelsverordnung vom 18. Juli 1951! Fehlt diese Bezugsgenehmigung, so können Bücher zur Durchführung eines Strafverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens beschlagnahmt werden, Art. IV Buchstabe f des Gesetzes Nr. 53.
Zweitens. Ohne Bezugsgenehmigung können Bücher abgefertigt werden, wenn sie in einem Umfang mitgeführt werden, der die übliche persönliche Habe des Reisenden nicht übersteigt. Reiselektüre kann also ohne Bezugsgenehmigung belassen werden. Hierbei soll nicht kleinlich verfahren werden.
Die Zollbeamten sind gehalten, bei der Grenzabfertigung der Einschleusung staatsfeindlichen Propagandamaterials zu begegnen. Insoweit handeln sie auf Grund eines allgemeinen Auftrags des federführenden Herrn Bundesministers des Innern. In diesen Fällen erfolgt jedoch keine Beschlagnahme im Rechtssinne. Es wird lediglich die Abfertigung des beanstandeten Materials versagt. Daneben werden die zuständigen Strafverfolgungsbehörden verständigt, damit sie ihre Maßnahmen treffen können. Soweit Propagandamaterial sich gegen die Sicherheit der alliierten Streitkräfte richtet, ,sind die Zollbeamten nach Art. 3 der dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission verpflichtet, das Material zu beschlagnahmen und augenblicklich noch dem zuständigen Landeskommissar zu übergeben. Wenn Zollbeamte auf Grund dieser Vorschriften Bücher anhalten oder beschlagnahmen, so begehen sie keinen Übergriff, sondern handeln in Erfüllung ihrer Amtspflichten.
Zum zweiten Absatz Ihrer Frage darf ich sagen: Man schützt sich vor ,der Beschlagnahme von Büchem, indem man sich rechtzeitig die für ihre Einbringung erforderliche Bezugsgenehmigung bei den zuständigen Landeswirtschaftsbehörden beschafft und sie bei der Grenzkontrollstelle vorlegt.
Zum dritten Absatz: Für die Kontrolltätigkeit des Zollbeamten ist nach den Vorschriften des Interzonenhandelsrechts der Inhalt der Druckschrif ten ohne Belang. Maßgebend ist allein der objektive Tatbestand, ob die erforderliche Bezugsgenehmigung vorliegt oder nicht. Für ein freies Ermessen des Zollbeamten ist also kein Raum. Soweit es sich jedoch um Druckschriften handelt, die im Sinne der Strafgesetze als staatsgefährdend oder die Sicherheit der Alliierten bedrohend zu bezeichnen sind, hat der Beamte nach pflichtgemäßem Ermessen über ihre Anhaltung bzw. Beschlagnahme zu entscheiden. Die Inhaltsprüfung, die dieser Entscheidung vorausgeht, kann nicht sehr eingehend sein, da sonst die reibungslose Abfertigung ides Grenzverkehrs in Frage gestellt würde. Die Zollbeamten sind auf die
({0})
Rechtsgrundlage für ihre Mitwirkung bei der Bekämpfung der Einfuhr staatsfeindlichen oder die Sicherheit der Alliierten bedrohenden Propagandamaterials bereits im Jahre 1953 hingewiesen worden.
Soweit die Rechtslage, an die die Zollbeamten gehalten sind. Falls nun entgegen dieser Rechtslage die Zollbeamten anders verfahren haben sollten, würde ich bitten, Herr Abgeordneter, mir diese Einzelfälle zur Kenntnis zu geben, damit ich sie nachprüfen kann.
Eine Zusatzfrage bitte!
Eine Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, auch Sie halten also Schriften von Anatole France oder Puschkin - wobei nicht der Botschafter Puschkin gemeint ist, mit dem der Herr Kollege Schwann gesprochen hat, sondern der Lyriker Puschkin - nicht für staatsgefährdend, ebensowenig Karl Marx und Engels?
Herr Abgeordneter, wenn Sie meine persönliche Meinung wissen wollen: ich halte diese Werke der Weltliteratur keineswegs für staatsgefährdend.
Gut. Eine weitere Zusatzfrage!
Eine letzte Zusatzfrage!
Sind Sie bereit, eine Prüfung zu veranlassen, sobald ich Ihnen die genauen Angaben gemacht habe? Es handelt sich um Fälle, die in Bebra tatsächlich vorgekommen sind.
Ich bitte, mir die Angaben zu machen. Ich werde die Prüfung veranlassen.
Zur letzten Frage, Frage 21, Abgeordneter Kramel.
Billigt der Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen, daß am 21. April 1955 in Lörrach ({0}) zwei Postbedienstete in Dienstkleidung vor einem als solchem kenntlichen Dienstkraftwagen der Deutschen Bundespost auf öffentlichem Straßengrund vor dem Eingang zur Festhalle in Lörrach Flugblätter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, der Deutschen Postgewerkschaft, der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft an Straßenpassanten, vor allem an Besucher einer in der Festhalle stattfindenden Kundgebung des Deutschen Beamtenbundes, verteilt haben?
Der Herr Bundespostminister!
Herr Abgeordneter, es ist richtig, daß zwei Postfacharbeiter am 21. April 1955 gegen 19 Uhr unmittelbar nach Dienstschluß mit Dienstrock und -mütze bekleidet vor dem Eingang zu einer Festhalle in Lörrach Handzettel verteilt haben.
Der Badische Beamtenbund, Ortsgruppe Lörrach, hatte für diesen Tag zu einer Großkundgebung aufgerufen, in der Beamtenfragen besprochen werden sollten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, Industriegewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, lud durch die Handzettel zu einer Gegenkundgebung für den 26. April ein. In der Nähe des Eingangs zu der Festhalle war ein Kraftomnibus der Deutschen Bundespost abgestellt, der Teilnehmer an der Kundgebung des Badischen Beamtenbundes gebracht hatte.
Ich kann es nicht billigen, daß Angehörige der Deutschen Bundespost - auch wenn dies außerhalb des Dienstes geschieht - in Dienstkleidung als Handzettelverteiler, selbst bei unpolitischen Kundgebungen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich lenken,
({0})
weil dadurch der Eindruck entstehen könnte, daß sie im Auftrage der Deutschen Bundespost handeln.
({1})
Danke sehr. Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde geschlossen.
Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Wahl des Abgeordneten Sabaß zum Mitglied
der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.
Die CDU/CSU-Fraktion hat dazu mitgeteilt, das für das aus dem Montanparlament ausgeschiedene Fraktionsmitglied Dr. Gerstenmaier Herr Sabaß nominiert werde. Ich frage, ob dazu die Zustimmung des Hauses erteilt wird. Ich bitte diejenigen um ein Handzeichen, die diesem Vorschlag zustimmen. - Gegenprobe! - Einstimmige Zustimmung. Herr Sabaß tritt damit in die Gemeinsame Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ein.
Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landpachtgesetzes ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({1}) ({2}).
({3})
Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte schön!
Dannemann ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Drucksache 697 stellt die Fraktion der SPD den Antrag auf Änderung einiger Paragraphen des im Jahre 1952 verabschiedeten Landpachtgesetzes. Im einzelnen handelt (es sich dabei um folgende Änderungen. Erstens soll im § 8 Abs. 1 das Wort „dringend" gestrichen werden. Dieser § 8 befaßt sich mit der Verlängerung von Landpachtverträgen. Das Gesetz sieht vor, daß langfristige Verträge grundsätzlich nicht verlängert werden sollen, es sei denn, daß dringende Gründe vorliegen, die bei Abwägung der Interessen der Vertragsteile eine Verlängerung geboten erscheinen lassen. Die Antragsteller machen geltend, daß nach Inkrafttreten des Landpachtgesetzes im Jahre
({5})
1952 eine Erstarrung des Pachtmarktes eingetreten sei, daß in großem Umfang, besonders in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, Pachtkündigungen zuungunsten der Pächter stattgefunden hätten und daß die Gerichte Anträge auf Pachtverlängerung durchweg ablehnten. Zweitens wird von der SPD zu § 13 und § 14 des Landpachtgesetzes beantragt, den Endzeitpunkt der Übergangsregelung um weitere zwei Jahre hinauszuschieben.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführender Ausschuß und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als mitberatender Ausschuß haben sich in mehreren Sitzungen eingehend mit dem vorliegenden Gesetzentwurf befaßt. Auch sind die Bundesminister der Justiz und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten um ihre Stellungnahme ersucht worden, insonderheit zu der Frage, ob sich seit der Zeit des Inkrafttretens des Landpachtgesetzes, also seit dem 25. Juni 1952, die Zahl der Kündigungen von Landpachtverträgen erheblich erhöht hat. Nach dem Ergebnis der seitens der zuständigen Oberlandesgerichtspräsidenten angestellten Ermittlungen kann die Behauptung, die Gerichte lehnten Anträge auf Verlängerung der Pachtverträge gemäß § 8 des Landpachtgesetzes ab, als nicht zutreffend angesehen werden. Im Gegenteil wurde nach den Berichten der Oberlandesgerichtspräsidenten festgestellt, daß in den letzten Jahren eine Abnahme der Zahl der bei den Oberlandesgerichten anhängig gewordenen Pachtschutzsachen zu verzeichnen ist. Mit 10 gegen 5 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen lehnte daher der Ausschuß die Streichung des Wortes „dringend" ab.
Nun zu den Änderungsanträgen zu den §§ 13 und 14. Die Übergangsvorschrift in § 13 des Landpachtgesetzes sieht vor, daß 'alle Landpachtverträge, die vor dem 21. Juni 1948 abgeschlossen worden sind, dann als langfristig angesehen werden, wenn sie zwar nicht von vornherein auf 9 bzw. 18 Jahre abgeschlossen waren, inzwischen aber diese Laufzeit erreicht haben. Nach der bisher bestehenden Übergangsvorschrift des § 13 Satz 2 soll ausnahmsweise eine Verlängerung zulässig sein, wenn entweder der Verlängerungsantrag fristgemäß vor dem 1. Januar 1954 gestellt war oder der Vertrag fristgemäß im Jahre 1955 abläuft. Der vorliegende Antrag bezweckt eine Verlängerung um zwei Jahre. Auch für den § 14 ist eine Fristverlängerung um zwei Jahre bis 1959 beantragt.
Die Mehrheit des Ausschusses vertrat die Auffassung, daß eine Ausdehnung schon deswegen nicht tragbar sei, weil dann unter Umständen Verträge, die auf unbestimmte Zeit eingegangen worden seien, tatsächlich eine längere Laufzeit hätten als die langfristigen Verträge nach den §§ 8 und 13 des Gesetzes. Das sei weder erwünscht, noch liege es im Interesse der Rechtsgleichheit.
Im übrigen war die Mehrheit des Ausschusses der Meinung, daß sich seit Inkrafttreten des Landpachtgesetzes die Verhältnisse auf dem allgemeinen Pachtmarkt wesentlich gelockert hätten und daß es nicht zweckmäßig sei und einer stetigen Gesetzgebung widerspreche, wenn derartige Änderungen bereits zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vorgenommen würden. Schwierigkeiten, die sich bei der Unterbringung gekündigter Einheimischer ergäben, würden am besten beseitigt, wenn man dem Vorschlag des Bundesernährungsministers folgte und die durch Einsetzung eines
Heimatvertriebenen in ein Pachtverhältnis existenzlos gewordenen Einheimischen in die 75%-Quote gemäß § 8 des Vertriebenengesetzes einbezöge. Aus all den Gründen lehnte der Ernährungsausschuß den vorliegenden Gesetzentwurf mit Mehrheit ab.
Der Rechtsausschuß teilt in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses mit, daß er gegen den vorliegenden Entwurf im ganzen rechtspolitische Bedenken habe, und empfiehlt ebenfalls die Ablehnung. Insbesondere stellt er sich auf den Standpunkt, daß es aus Gründen der Stetigkeit der Rechtsentwicklung abzulehnen sei, von der dem Landpachtgesetz zugrunde liegenden Konzeption, eine Auflockerung des Pachtverhältnisses herbeizuführen, abzusehen.
Ich darf daher das Hohe Haus im Namen beider Ausschüsse bitten, den Gesetzentwurf Drucksache 697 abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Beratung. Ich rufe zunächst Art. 1 auf.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache 697 ist am 9. Juli des vergangenen Jahres eingebracht worden. Heute haben wir Mai 1955; es ist also zehn Monate später. Ich bedaure, daß ich in Anbetracht der Darlegungen des Herrn Kollegen Dannemann als Berichterstatter noch einmal etwas ausführlicher die Gründe darlegen muß, die uns veranlaßt haben, diesen Gesetzentwurf einzubringen.
Als man in den Jahren 1951 und 1952 bei der Beratung des Landpachtgesetzes war, standen insbesondere zwei Gesichtspunkte im Vordergrund. Der erste war, daß man 'das Pachtrecht dem allgemeinen Recht und dem Grundgesetz angleichen sollte - unid das war auch richtig -, und der zweite wesentliche Gesichtspunkt war, daß man durch die Beseitigung der Kriegsbestimmungen zu einer Belebung des Pachtmarkts kommen wollte und sollte. Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Schriftlichen Bericht ¡des Herrn Kollegen Dannemann in der Drucksache 3188 des 1. Deutschen Bundestages verweisen und darf daraus - wenn Sie es genehmigen, Herr Präsident - einige Bemerkungen vorlesen, weil sie außerordentlich interessant sind. Da sagt Herr Dannemann u. a.:
Solange nicht wieder Treu und Glauben die Grundlagen eines Vertrages werden, so lange ist eine Belebung nicht zu erwarten.
Gleichberechtigung zwischen Pächter und Verpächter ist notwendige Voraussetzung. Pachtschutz und Vertragstreue sind daher zwei Begriffe, die notwendig in Einklang gebracht werden müssen. Nur ein auf Produktions- und Sozialgrundsatz aufgebautes Pachtrecht kann diesen Forderungen gerecht werden.
Zum Schluß seines Berichtes sagt er die Worte: Treu und Glauben und leben und leben lassen sind die Leitsätze des Gesetzes. Möge es dazu beitragen, die Erstarrung des Pachtmarktes zu beseitigen und eine große Zahl neuer Existenzen zu schaffen.
Es sind fast drei Jahre seit dem Inkrafttreten
vergangen, und wir haben uns die Frage vorzulegen: wie sind die Auswirkungen, wie sieht es in
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der Praxis aus? Ich gebe zu, daß die Auswirkungen in ,den einzelnen Landesteilen Deutschlands außerordentlich verschieden sind. Aber in dem Gebiet, in dem das Pachtwesen die dominierende Rolle spielt, in Nordwestdeutschland, hat sich das Landpachtgesetz in einer verheerenden Weise - direkt katastrophal- ausgewirkt, und zwar nicht durch unverschämte und nicht zu akzeptierende Forderungen der Pächter, sondern nach meiner Ansicht durch die Willkür der Verpächter. Wir haben keine Belebung des Pachtmarktes, wir haben keine Vermehrung neuer Existenzen, wir haben auch keine größere Klarheit in den Pachtverhältnissen erreicht, sondern gerade das Gegenteil bewirkt, den Verlust außerordentlich vieler Existenzen.
Dafür sind insbesondere zwei Gründe verantwortlich zu machen. Zum ersten, daß das Gesetz und insbesondere der § 8, der über die Verlängerung der Pachtverträge spricht, eine Auslegung erfahren hat, von der damals niemand hier im Hause - auch wir nicht - gesprochen hat. Zum andern ist der Ermessensbereich für die richterlichen Entscheidungen in dieser sozialen Frage nach unserer Auffassung zu groß. Die Kündigungswelle, die nach dem 1. Juli 1952 im Lande eintrat, ist noch nicht zu Ende. Es erwartet uns eine neue Welle nach dem Jahre 1957, wenn es überhaupt keine Schutzmöglichkeiten mehr gibt.
Die Gründe für die Kündigungen kann man in zwei Gruppen zusammenfassen. Auf der einen Seite suchen die Verpächter höhere Pachtpreise zu erzielen. Das ist begreiflich; dafür könnte man sogar Verständnis haben. Aber wir haben kein Verständnis dafür, daß die Pachtpreisforderungen ein Ausmaß annehmen, das ganz unverständlich ist und eines schönen Tages außerordentlich stark zurückschlagen könnte. Für Boden, der kaum noch bewirtschaftungsfähig ist, der Bodenwertzahlen von 20 bis 25 hat, fordert man Pachtpreise von 60 und 70 DM je Morgen; das läßt man dann durch Kammerbeamte noch sanktionieren. Herr Kollege Dannemann sollte sich einmal überlegen, ob das überhaupt noch mit der Ertragslage dieses Grund und Bodens in Einklang zu bringen ist.
Die andere große Gruppe ,der Kündigungsgründe ist darin zu suchen, daß ein Großteil der Verpächter versucht, insbesondere 'diejenigen, die es nicht nötig haben, mehr Land zu besitzen, um das Land selbst zu bewirtschaften. Die Gerichte, die sich in den meisten Fällen damit befaßt haben, sprechen - das gebe ich auch zu, und ich habe es auch nicht anders behauptet - Verlängerungen aus. Aber diese Verlängerungen erstrecken sich in der Regel doch nur auf ein oder im Höchstfall zwei Jahre. Ich kenne keine Gerichtsentscheidung - mir sind einige Hundert bekannt -, in der einmal von einer Verlängerung von mehr als zwei Jahren die Rede ist. Insoweit ist auch das Schreiben des Herrn Justizministers vom 7. Januar 1955 an den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses nicht ganz richtig, ich hätte behauptet, daß die Gerichte überhaupt keine Verlängerungen mehr aussprächen. Das ist nicht wahr. Die Fragestellung des Bundesjustizministers an die Länder ist nicht ganz in Ordnung, und deshalb können auch die Antworten nicht ganz befriedigend sein.
Also, ich habe den Eindruck, daß hier ein Automatismus Platz gegriffen hat, den man eben nicht mehr ganz verstehen kann. Es scheint mir, als ob die Gerichte das Gesetz nicht ganz kennen. Und was bedeutet das? Stellen Sie sich vor, daß der
Pächter eines Hofes innerhalb eines Jahres verschwinden muß. Glauben Sie, daß über die Siedlung oder Pachtung nun ein neuer Betrieb - und es handelt sich hier um Hunderte - zu bekommen ist? Wir wissen doch alle, daß das zu den Unmöglichkeiten gehört.
Ich habe im Ausschuß Zahlen genannt und darf sie hier wiederholen, weil ich sie dem Plenum nicht vorenthalten möchte. Ich bedauere .die außerordentlich kurze Berichterstattung des Herrn Kollegen Dannemann. Ich möchte Ihnen hier einige Zahlen aus der Praxis nennen, und zwar aus einem Kreis, der gewiß besonders hart betroffen ist, der aber immerhin, nun, sagen wir, ein Beispiel ist und eine Tendenz aufweist, die man überall findet. In einem Kreis im nordwestdeutschen Raum sind in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten des Landpachtgesetzes, also bis zum 1. Juli 1954, 80 Pachtstellen, sprich Existenzen, durch Gerichtsbeschluß aufgelöst worden.
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Zur gleichen Zeit, also am 1. Juli 1954, standen weitere 78 Fälle zur Gerichtsentscheidung an, und in den zwei ersten Jahren sind weitere 83 Stellen einfach eingegangen, weil es die Pächter gar nicht mehr gewagt haben, vor Gericht zu gehen.
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Wir haben also in zwei Jahren in einem Landkreis insgesamt 160 Existenzen eingebüßt.
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Wir haben demgegenüber 51 neue Stellen geschaffen, davon allein 35 für Vertriebene. Es mag mancher Vertriebene in diesem Hause sein, der sich darüber freut, daß nun einige Vertriebene wieder einmal eine Existenz gefunden haben; aber in diese Freude kommt Bitternis, weil man nämlich feststellen muß, daß diese Vertriebenen ihre Existenz nur durch die Vertreibung anderer gefunden haben.
Ich könnte Ihnen Dutzende von Einzelbeispielen anführen, die zeigen würden, wie hier gehandelt worden ist. Ich könnte Ihnen darlegen, wie Pächter, kleine Pächter, die nicht erst seit Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten auf ihren Stellen saßen, innerhalb von ein oder zwei Jahren den Hof verlassen mußten. Und wenn Sie das nicht glauben wollen, meine Damen und Herren, insbesondere von der Koalition, besuchen Sie bitte einmal die Gerichtssäle im nordwestdeutschen Raum und hören Sie sich an, was dort zur Debatte steht. Da wird gewiß Recht nach den vorliegenden Gesetzen gesprochen, aber letzten Endes wird neues Unrecht geschaffen.
Ich möchte insbesondere unseren Herrn Ernährungsminister Lübke darauf aufmerksam machen, daß hier von einer Aufstockung kleiner Betriebe gar keine Rede mehr sein kann. Hier handelt es sich einfach um eine Vernichtung von Betrieben. Es gibt einige Leute, die sogar von einem neuen Bauernlegen sprechen.
Dem Herrn Kollegen Dannemann darf ich noch ein persönliches Wort sagen. Herr Kollege Dannemann, Sie waren ja lange Zeit bis vor kurzem Direktor der Landwirtschaftskammer in Oldenburg. Ich weiß, daß Sie es nicht mehr sind. Deshalb kann ich heute einmal darüber sprechen. Sie hätten es sich als Direktor einer Kammer angelegen sein lassen müssen, die gesamte Landwirtschaft, gerade
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die Masse der Kleinbetriebe, zu vertreten. Wie haben Sie sich persönlich gerade zu diesen Fragen im Ausschuß verhalten? Sie haben sich nie um die Sorgen Ihrer kleinen Landwirte oben im nordwestdeutschen Raum gekümmert! Sie haben bisher immer nur die großen vertreten. Das haben wir auch heute wieder einmal erlebt. Ich muß es Ihnen sagen, weil Sie hier bei der Berichterstattung über das Landpachtgesetz sehr eigenartige Nuancen erwähnen, die mit den Tatsachen nicht in Einklang zu bringen sind.
Es ist eine Entwicklung angebrochen, die wir stoppen müssen. Das ist unser Anliegen. Wir wollen die Härten mildern. Sie müssen doch zugeben, daß wir in unserem Antrag außerordentlich bescheiden gewesen sind. Wir haben beantragt - das haben Sie bereits dargelegt, aber ich darf noch einmal sagen, warum wir das wünschen -, das Wort „dringend" in dem berühmten § 8 zu streichen. Dieses Wort „dringend" ist vielleicht das entscheidende Wort im ganzen Landpachtgesetz, weil es nämlich die Tendenz verschärft, daß die Verlängerung gerade bei den Verträgen auf unbestimmte Zeit selten der Fall ist, und weil es eine Anweisung an die Rechtsprechung ist, den Pachtschutz noch mehr einzuengen, als es der Gesetzgeber an sich wollte.
Sie wissen auch, daß dieses Wort „dringend" ein sehr wechselhaftes Schicksal gehabt hat. Die Regierung hatte es in ihrem Entwurf. Der Bundesrat strich es heraus. Die Regierung brachte es wieder herein, und der Unterausschuß Pacht strich es wieder. Nach langen Debatten hat der Ernährungsausschuß in einer Kampfabstimmung es wieder hereingebracht.
Wir müssen doch erkennen, daß die Befürchtungen, die wir schon damals wegen des Wortes „dringend" hatten, sich nun bewahrheitet haben. Kein anderer als der jetzige Ernährungsminister Lübke hat damals in seiner Eigenschaft als Ernährungsminister von Nordrhein-Westfalen dafür gekämpft, dieses Wort „dringend" herauszunehmen. Das ist insbesondere deshalb notwendig, weil der zweite Satz dieses § 8 Abs. 1 von den Gerichten überhaupt nicht anerkannt wird bzw. von ihm überhaupt keine Notiz genommen wird. Dieser zweite Satz lautet - ich darf das bekanntgeben, damit Sie ein klares Urteil fällen können -:
Das Gericht soll insbesondere in Betracht ziehen, ob die wirtschaftliche Lebensgrundlage eines Vertragsteils von idem Fortbestehen oder von der Beendigung dies Pachtverhältnisses abhängt und ob bei dessen Verlängerung eine bessere Bewirtschaftung der Pachtfläche zu erwarten ist als bei der Auflösung.
Die Gerichte müssen also an sich auch den Interessen der Pächter Rechnung tragen. Aber sie tun es deshalb nicht, weil das Wort „dringend", das vorher steht, ihnen jede Möglichkeit dazu nimmt.
In den §§ 13 und 14 sind die Übergangsfristen geregelt, insbesondere für die Verträge auf unbestimmte Zeit. Das ist die Mehrheit der Verträge, das sind 90 % aller Pachtverträge. Daß diese Übergangsfristen notwendig waren, haben auch wir anerkannt. Auch wir sind von dem Willen beseelt gewesen, diese Verträge auf unbestimmte Zeit, meistens mündliche Verträge, in schriftliche Verträge auf bestimmte Zeit umzuwandeln.
Aber die Tatsachen sind nun einmal anders. Draußen im Lande will man anscheinend diese schriftlichen Verträge einfach nicht. Das Interessante dabei ist, daß nicht die Pächter, sondern insbesondere die Verpächter sich dagegen sträuben, langfristige Verträge zu schaffen. Die Übergangsfristen werden von uns als zu kurz betrachtet, und zwar schon deswegen, weil danach eine Verlängerung dieser Verträge auf unbestimmte Zeit überhaupt nicht mehr möglich ist und weil nach dem Jahre 1957 eben die ganze Härte spürbar werden wird. Wer einmal an Gerichtssitzungen teilgenommen und dabei die Drohungen der Vertreter der Verpächter gehört hat, die da sagen: Wartet nur das Jahr 1957 ab, dann gibt es für euch überhaupt keine Chance mehr!, der weiß, daß man eigentlich bestrebt sein muß, diese Übergangsfristen zu verlängern, damit die Härten gemildert werden.
Im Jahre 1952 haben uns der Landwirtschaftsminister und der Justizminister damit getröstet, daß man die Pacht- und Mietbestimmungen des BGB ändern werde. Man hat es schon im Jahre 1951 versprochen, wir schreiben heute das Jahr 1955, wir haben diese Bestimmungen noch nicht, und ich glaube, daß wir sie im Jahre 1957 auch noch nicht haben werden. Ich betone noch einmal: Die Gesamtsituation zwingt uns, diese Übergangsfristen zu verlängern, d. h. den möglichen Pachtschutz zu verlängern.
Meine Damen und Herren von der CDU, kriegen Sie doch nur keinen so großen Schreck bei dem Wort „Pachtschutz"! Der Pachtschutz ist kein Hindernis für die Verpachtung. Wir haben doch nach 1918 einen größeren Pachtschutz gehabt als heute. Ich erinnere Sie an die Jahre 1930 bis 1933, in deinen mehr Land zu pachten war, als die Pächter haben wollten. Immer waren in Krisenzeiten die 'Pächter gut genug, das Land zu bewirtschaften. Heute handelt man nach idem Sprichwort: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, jetzt ist die Technik so weit, jetzt kann er gehen!
Ich darf also zusammenfassend feststellen: Das Landpachtgesetz wirkt sich nur zum Nachteil der Pächter aus. Hunderte von Pächtern, Kleinpächter insbesondere, im nordwestdeutschen Raum liegen auf der Straße. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Bundesernährungsminister das nachher einmal bestätigen würde. Er hat nämlich auf seinen Reisen, soweit mir bekannt. ebenfalls feststellen müssen, daß hier ein Unrecht größten Ausmaßes vorliegt. Zweitens möchte ich feststellen, daß wir demzufolge die Pflicht haben, der Rechtsprechung durch Änderung des Landpachtgesetzes den richtigen Weg zu zeigen. Und drittens möchte ich feststellen, daß unser Antrag sich nicht gegen die bestehenden langfristigen Verträge richtet, auch nicht gegen die langfristigen Verträge nach idem neuen Landpachtgesetz, sondern allein den Schutz der Pächter bezweckt, die Verträge auf unbestimmte Zeit haben, also der Dauerpächter. Unser Antrag hat letztlich nur eine Verminderung der Härten zum Ziel und wird damit wesentlich zur Beruhigung des Pachtmarktes beitragen. Wir glaubten, wenn wir Ihnen hier nur das Notwendige und damit Weniges anbieten, würden Sie vielleicht Verständnis dafür haben. Deshalb begründe ich das auch so ausführlich. Vielleicht finde ich hier bei Ihnen im Plenum Verständnis, nachdem man im Ernährungsausschuß des Bundestages dafür kein Verständnis hatte.
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Lassen Sie mich auch über das Verhalten des Ernährungsausschusses dazu einiges sagen; es stimmt nämlich nicht mit dem überein, was Herr Kollege Dannemann in seinem Bericht aufgezeigt hat. Es ist nicht wahr, daß wir das Thema in mehreren Sitzungen behandelt haben. Wir haben diesen Gesetzentwurf nur in einer Sitzung behandelt, und zwar nur eine Dreiviertelstunde lang, Herr Kollege Dannemann! Sie haben es kurz abgetan; Sie hatten es sowieso eilig, insbesondere der Herr Vorsitzende, Kollege Bauknecht, nebenbei noch Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Er hatte es so eilig, das Thema abzuwürgen, daß er nicht einmal dem Ersuchen des eigenen Ministers stattgegeben hat, vor der Abstimmung noch einmal Feststellungen zu treffen, damit man klare und bessere Unterlagen hatte.
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Nicht einmal das hatte man dem Minister gestattet, und es war 'doch auffällig, daß man mit aller Windeseile das Gesetz schnell in den Papierkorb wandern lassen wollte. Mich nimmt das nicht wunder ,meine Damen und Herren!
Gestatten Sie mir auch noch einige Sätze zum Thema „Bauernverband". Im Ernährungsausschuß sitzen sehr viele Präsidenten. Im 1. Bundestag waren es noch weit, weit mehr als jetzt; aber immerhin, wir haben noch einige Präsidenten, und zwar Präsidenten von maßgeblicher Bedeutung, die den ganzen Ernährungsausschuß beherrschen, zumindest auf der Regierungsseite. Ich weiß, daß diese Präsidenten dessen überdrüssig geworden sind und es für unter ihrer Würde halten, sich mit dem Problem des kleinen Mannes, des kleinen Pächters abzugeben.
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- Das ist keine Propaganda! Das wissen Sie genau so gut wie wir, Herr Kollege! Sie kämpfen doch seit Jahr und Tag - das haben Sie auch heute wieder getan, wenigstens einer von Ihnen - für die anderen, für die Größeren.
Es gibt im Bauernverband einen Pächterausschuß. Dieser Pächterausschuß des Bauernverbandes - das dürfte ebenfalls interessant sein - hat sich mit diesem Gesetzentwurf befaßt. Und nun, meine Damen und Herren, staunen Sie: Dieser Pächterausschuß hat den Gesetzentwurf nicht einmal ganz abgelehnt. Ich kenne sogar einige interne Dinge aus den Beratungen des Pächterausschusses. Aber dieser Pächterausschuß ist eben doch nur so ein bißchen Augenauswischerei, damit das Kind einen Namen hat. Im übrigen aber hat man von der Stellungnahme des Pächterausschusses im Deutschen Bauernverband hier im Hause und auch bei den Beratungen des Ernährungsausschusses nichts gehört. Das dürfte insbesondere für die Pächter im Deutschen Bauernverband doch außerordentlich interessant sein.
Wir haben nicht darauf bestanden, daß unser ,Gesetzentwurf hier wortgetreu angenommen wird. Wir hätten mit uns reden lassen, und wir wären bereit gewesen, über den Vorschlag des Pächterausschusses im Bauernverband hier 'und auch im Ernährungsausschuß zu verhandeln. Aber das hat der Herr Präsident des Bauernverbandes, der Herr Vorsitzende des Ernährungsausschusses, mit Windeseile zu verhindern verstanden.
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Die Bauernverbände - das möchte ich und das muß ich abschließend zu diesiem Thema sagen - schreien immer sehr laut, wenn es 'im Gebiet der Landwirtschaft so einige Produktions-. und Absatzschwierigkeiten gibt, und da ist man immer gleich mit dem Wort „Existenzgefährdung" bei der Hand. Das haben wir alle noch im Ohr, das hören wir fast jede Woche. Aber wenn Bauern von Haus und Hof gejagt werden, dann hört man das Wort „Existenzgefährdung" nicht mehr.
Ich bin auch ein Bauer, und ich arbeite noch genau so wie mancher von Ihnen, vielleicht mehr, mit der Hand. Ich muß Ihnen sagen, ich schäme mich manchmal der Solidarität, die die Landwirtschaft so im großen und ganzen aufbringt. Wir sollten uns an manchem Berufsstand, auf den so viele von uns herabschauen, in dieser Sache mal ein Beispiel nehmen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß kommen. Ich habe mich mit allem Ernst bemüht, Ihnen hier die Dinge so vorzutragen, wie sie liegen. Ich wende mich insbesondere an die beiden Parteien rechts von uns, weil ich annehmen könnte, daß da noch einiges Verständnis für die sozialen Belange unserer Kleinbetriebe zu finden ist. Ich möchte hier einmal einen Parallelfall anführen. Ich weiß, daß ein großer Teil der CDU bei der Beratung der Änderung des Geschäftsraummietengesetzes es ermöglicht hat, daß ein ähnlicher Antrag meiner Fraktion hier zumindest mit einem Kompromiß verabschiedet wurde. Ich könnte mir vorstellen und hoffe es sogar, daß auch Sie bereit sind, mit uns über einen solchen Kompromiß zu verhandeln. Denn die Lage in der Geschäftswelt ist bei weitem nicht so schwierig wie die auf dem Lande. Auf dem Lande ist sie viel gefährlicher als in den Städten.
Ich muß Ihnen zum Schluß sagen: Der Kleinbauernstand - glauben Sie mir das! - kämpft um seine Zukunft, und er erwartet eine positive Entscheidung des Bundestages.
Namens meiner Fraktion möchte ich Sie bitten, den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 967 abzulehnen. Weil wir es in dieser Frage so ernst meinen, beantragen wir namentliche Abstimmung.
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Meine Damen und Herren! Ehe ich das Wort weitergebe, korrigiere ich mich selber. Ich habe die Beratung nach den Vorschriften des § 80 als Einzelberatung der zweiten Lesung eröffnet. Ich sehe aus dem Verlauf der Diskussion, daß es sich um eine allgemeine Beratung handelt. Ich setze die Zustimmung des Hauses dabei voraus und fahre in der allgemeinen Beratung nach § 80 Abs. 1 fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Elsner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen meines Herrn Vorredners nicht beitreten. Zweifellos ist durch die frühere Gesetzgebung mit ihrem überspitzten Pachtschutz eine erhebliche Erstarrung im Pachtwesen eingetreten, eine Erstarrung, die den Wunsch und den Willen zur Verpachtung gelähmt hat. Die Erfahrungen der letzten Jahre vor Inkrafttreten des Landpachtgesetzes vom 25. Juni 1952, insbesondere die Erfahrungen mit dem Flüchtlingssiedlungsgesetz, haben erwiesen.
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daß ein wesentliches Hemmnis für den Abschluß der Pachtverträge in der Ungewißheit liegt, ob der Verpächter nach Ablauf der Pachtzeit tatsächlich wieder über seine Pachtgrundstücke verfügen kann.
Das Landpachtgesetz vom 25. Juni 1952 hat zweifellos dem Verpächter diese Gewißheit weitgehend wiedergegeben. Dies gilt insbesondere für langfristige Verträge, die ja grundsätzlich nicht verlängert werden. Der Verpächter weiß also, daß er nach Ablauf der Pacht wieder über seinen Besitz verfügen kann. Nur kurzfristige Verträge können verlängert werden, wenn dies unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dringend geboten erscheint. Doch gibt es auch hier Einschränkungen, nämlich bei vorübergehender Verpachtung von persönlich bewirtschaftetem Besitz. Das Gesetz hat mit Recht den einseitig begünstigten Pachtschutz abgebaut und gibt ihm nur dort Raum, wo es aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen dringend geboten ist. Zweifellos hat das Landpachtgesetz in den zweidreiviertel Jahren seiner Wirksamkeit wesentlich dazu beigetragen, die erstarrten Pachtverhältnisse aufzulockern und den Pachtmarkt zu beleben. Es hat neue und echte Vertrauensgrundlagen geschaffen, indem es gleichmäßig die Interessen der Vertragspartner wahrnimmt.
Um das Vertrauen in die neu gewonnene Rechtssicherheit nicht zu untergraben, sollte man ohne zwingende Gründe und ohne überzeugende Erfahrungsergebnisse Änderungen nicht vornehmen, damit die Stetigkeit in der Entwicklung der Pachtverhältnisse nicht gefährdet und vor allem die Bereitschaft zur Verpachtung nicht gelähmt wird. Nur das Vertrauen in die Rechtssicherheit der Verträge kann die Bereitwilligkeit zur Verpachtung steigern und damit die Voraussetzungen schaffen, auf denen berufstüchtige heimatvertriebene Bauern, nachgeborene Bauernsöhne und Landarbeiter berufsgleiche Eingliederung und Entwicklungsmöglichkeiten finden. Es geht darum, durch wachsende Bereitschaft zur Verpachtung beste aktive bäuerliche Substanz, die sonst berufsfremd wird, dem Bauerntum zu erhalten. Die agrar- und volkswirtschaftliche Bedeutung des landwirtschaftlichen Pachtwesens ermißt man erst dann, wenn man weiß, daß 18 % oder 2,5 Millionen ha der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Bundesrepublik Pachtland sind, und wenn man weiß, daß 53% aller landwirtschaftlichen Betriebe Pachtbetriebe oder Zupachtbetriebe sind. Es sei dann noch darauf hingewiesen, daß der Pächterstand die fortschrittlichsten und aktivsten Landwirte in seinen Reihen hat. Alle diese Erkenntnisse sollten Veranlassung sein, für das Pachtwesen im Pachtrecht sichere Voraussetzungen für seine agrar- und volkswirtschaftliche Aufgabe zu schaffen.
Die beantragten Änderungen würden dazu führen, daß eine Verlängerung von Pachtverträgen auch da ausgesprochen würde, wo dringende Gründe nicht vorliegen. Sie würden die Rechtsprechung auf einen neuen Kurs abdrängen. Eine solche Entwicklung würde zweifellos erneut zur Gefährdung der Rechtssicherheit führen. Sie kann daher aus rechtspolitischen Gründen nicht erwünscht sein. Es muß noch einmal besonders darauf hingewiesen werden, daß die Erfahrungsergebnisse, die die Oberlandesgerichte von Niedersachsen aus einem zweieinhalbjährigen Zeitraum vorlegen, keine Voraussetzungen für die beantragten Änderungen zeigen. Schließlich darf darauf aufmerksam gemacht werden, daß nach den Berichten der Oberlandesgerichtspräsidenten von Celle und Oldenburg in den letzten Jahren, insbesondere nach Inkrafttreten des Landpachtgesetzes, eine wesentliche Abnahme der anhängigen Verfahren eingetreten ist.
Meine Damen und Herren! Die bescheidenen Vorteile, die durch eine solche Änderung erreicht würden, wiegen ganz sicher nicht die Nachteile auf, die durch die Erschütterung des Vertrauens in die Rechtssicherheit der Verträge eintreten müßten. Diese Nachteile aber gingen ausschließlich zu Lasten der berufsfreudigen und tüchtigen Landwirte, die auf dem Pachtwege zu beruflicher Selbständigkeit kommen wollen. Aus diesem Grunde lehnt meine Fraktion die beantragte Änderung ab.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen D r. Schmid t können nicht unwidersprochen bleiben, weil seine Behauptungen in Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehen und in einigen Punkten auch unrichtig sind. Als wir im Jahre 1952 das Landpachtgesetz hier im Bundestag verabschiedet haben, waren monatelange, sehr eingehende Beratungen voraufgegangen, und in diesen Beratungen sind dieselben Punkte behandelt worden, die Herr Kollege Schmidt in dem Antrag ,angesprochen und die er noch einmal wieder vortragen zu müssen geglaubt hat. Der Ernährungsausschuß hat keine Veranlassung gesehen, sachlich nochmals eingehend zu dem Antrag Stellung zu nehmen, da nach Auffassung des Ausschusses, und zwar nach Auffassung der Mehrheit, im Gegensatz zur Auffassung von Herrn Dr. Schmidt keine Erstarrung des Pachtmarktes eingetreten ist, sondern - das wird mir jeder bestätigen können, der draußen die Augen einigermaßen aufgehabt hat - in den letzten Jahren eine wesentliche Lockerung stattgefunden hat. Wir wollten damals, 1952, daß das im Jahre 1940 geschaffene Pachtrecht abgeändert würde. Im Jahre 1940 wurde eine Reichspachtschutzordnung erlassen, zu einer Zeit, als es sich darum handelte, in Anbetracht der damaligen Kriegsverhältnisse die Ernährung des deutschen Volkes sicherzustellen. Es war damals ganz klar, daß bei ,der sehr angespannten Situation der Wechsel in der Betriebsleitung zumindest in sehr vielen Fällen zwangsläufig zu einer Ertragseinbuße führen mußte. Aus diesem Grunde wurde auch in der Pachtschutzordnung, die sogar die Bezeichnung Pachtnotrecht bekommen hat, festgelegt, daß automatisch - so darf ich wohl sagen - Pachtschutzverlängerungen ausgesprochen wurden.
Nach idem Zusammenbruch 1945 änderte sich daran nichts. Wir mußten feststellen, daß eine ganze Reihe von alten Frauen, von Witwen und von alten Bauern nicht mehr bereit waren, ihren Hof oder Teile des Hofes zu verpachten, weil sie befürchteten, daß sie das Land niemals oder jedenfalls nicht in absehbarer Zeit, weder für sich noch für ihre Enkelkinder oder für irgendein Familienmitglied, zurückbekommen würden. Aus diesem Grunde haben wir es für richtig gehalten, hier eine Bestimmung zu treffen, wonach der Besitzer in all den Fällen, in denen er das Land benötigt, weil sein Sohn in({0})
zwischen herangewachsen ist oder aus irgendwelchen anderen Gründen zur Sicherstellung seiner eigenen Existenz, zum mindesten die Möglichkeit hat, das Land wieder zurückzubekommen. Wir haben aber besonders deswegen eine Änderung für notwendig erachtet, weil wir zusätzliches Land für die große Zahl der inzwischen vertriebenen Bauern und ,die herangewachsenen Heuerleute, Landarbeiter und nachgeborenen Bauernsöhne benötigen. Die Ziffern, die inzwischen in den einzelnen Kammerbezirken leicht festzustellen sind, sprechen hier eine sehr deutliche Sprache. Sie brauchen nur einen Blick in die Zeitungen zu werfen. Da werden Sie jeden Tag feststellen, daß eine große Zahl von Pachtbetrieben seit diesem Augenblick zusätzlich in andere Hände übergegangen ist.
Herr Dr. Schmidt, Sie haben absolut recht, wenn Sie betonen, daß ich bei meiner ersten Berichterstattung zum Ausdruck gebracht hätte, ,daß Treu und Glauben die Richtschnur für die zukünftige Bearbeitung aller Pachtverträge sein sollte. Wir wollten aber nicht - und ,das war die Absicht des Gesetzgebers -, daß die Entscheidung über die etwa in Frage kommende Pachtverlängerung dem Gericht überlassen bleiben sollte sondern wir wollten - und zwar seitens des Gesetzgebers - ganz klar formulieren, in welchen Fällen auch ein Pachtschutz noch nötig sein sollte. Die Gesetzgebung sollte durch die Einführung des Wortes „dringend" ganz klar zum Ausdruck bringen: Grundsätzlich ist eine Pachtlockerung erwünscht; nur in ganz dringenden Fällen, und zwar bei Abwägung der einzelnen Interessen, soll dem Richter die Möglichkeit gegeben sein, hier und da eine Pachtverlängerung auszusprechen.
Dann haben Sie Zahlen über Pachterhöhungen genannt. Auch das ist ganz selbstverständlich. Wir waren uns bei ,der ersten Beratung absolut darüber im klaren, daß, wenn wir die Pachtlockerung eintreten ließen, in einer frei aufgelockerten Wirtschaft zunächst eine gewisse Preisangleichung an die inzwischen anders gewordenen tatsächlichen Verhältnisse eintreten würde. Das ist uns nicht überraschend gekommen. Wir wußten es damals, aber wir haben dies in Kauf genommen, weil wir einmal der Auffassung waren, daß 'inzwischen auch eine gewisse Pachtangleichung notwendig war, und weil wir auf diese Weise einen gewissen Anreiz bieten wollten, zusätzliches Land zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie da zum Ausdruck bringen, daß dabei Pachtsätze von 60 bis 70 DM je Morgen gezahlt werden, so will ich das nicht bestreiten. Auch mir sind derartige Fälle bekannt. Aber im großen und ganzen hat sich die Preisstetigerung absolut in erträglichen Grenzen gehalten und ist keineswegs abweichend von den sonst eingetretenen Preisaufbesserungen gewesen.
Aber nun haben Sie, Herr Kollege Dr. Schmidt, von Ihrem Kreis gesprochen und Zahlen von Hunderten von Bauern und von kleinen Besitzern genannt, die alle von Haus und Hof vertrieben worden seien und nun nach Ihrer Auffassung ihre Existenz verloren hätten. Sie haben es in diesem Zusammenhang dann auch für richtig gehalten, mir vorzuwerfen, daß ich in meiner bisherigen Funktion als Direktor der Landwirtschaftskammer nur für die Interessen der Großbetriebe eingetreten sei und wenig Rücksicht auf den Kleinbesitz genommen hätte. Herr Dr. Schmidt, Sie wissen, daß in dem Kammerbezirk Weser-Ems 85 % aller Betriebe unter 20 ha groß sind. Ich wäre sicher ein sehr
schlechter Sachwalter gewesen, wenn ich ausgerechnet in meiner bisherigen Funktion nur für die 15 % der Betriebe über 20 ha Partei ergriffen hätte. Ich halte diese Behauptung nicht für ernst, weil Sie sie auch in keiner Weise beweisen können.
Darüber hinaus möchte ich zu Ihren Zahlen Stellung nehmen. Zunächst, Herr Dr. Schmidt, wissen Sie: als wir damals die Beratung des Pachtgesetzes hatten, ist die Heuerlingsfrage Gegenstand eingehender Beratung gewesen. Sie entsinnen sich, daß wir uns lange darüber unterhalten haben. Es besteht im nordwestdeutschen Raum eine Arbeitsverfassung, die wir sozial als sehr günstig bezeichnet haben, wo gewisse Arbeitnehmer den Bauern Hilfe leisten und dafür Geld und einen gewissen Anteil von Land kriegen; das sind die sogenannten Heuerleute. Wir waren im Ausschuß der Meinung, daß diese Heuerlingsverträge unbedingt beibehalten werden sollten, während gerade von Ihrer Seite aus damals doch mit allen Mitteln versucht worden ist, diese Heuerlingsverträge aus dem Gesetz herauszubringen. Das ist damals nicht geschehen.
Nun will ich Ihnen auch sagen, wie diese Zahl von Hunderten von Betrieben zustande kommt, die Sie glaubten hier vortragen zu müssen. Inzwischen ist die Arbeitslage selbstverständlich wesentlich besser geworden, und viele Heuerleute, die früher, weil sie keine Arbeitsmöglichkeit an anderer Stelle hatten, gern zu den Bauernbetrieben gegangen sind, haben inzwischen feststellen können, daß sie selbstverständlich in einer benachbarten Industrie viel besser und leichter Arbeit finden, und sie haben von sich aus gar keinen Wert darauf gelegt, die alten Heuerlingsverträge weiter aufrechtzuerhalten, sondern der größte Teil der von Ihnen genannten Stellen ist von den Heuerlingen aus freiwilligen Entschlüssen aufgegeben worden, weil auf der anderen Seite eine bessere Lohnbeschäftigung gegeben war. Ich habe hier die Zahlen aus Ihrem eigenen Kreis zur Verfügung, Herr Dr. Schmidt. Ich darf Ihnen sagen, daß im Kreise Bersenbrück an Anträgen bisher bei den vier Amtsgerichten anhängig gemacht worden sind: beim Amtsgericht Bersenbrück sind von den Anträgen 50 verglichen worden, entschieden sind 21, Pachtschutz wurde gewährt auf 15 und der Pachtschutz versagt auf 6 Anträge. Im Amtsgerichtsbezirk Bramsche sind 12 Anträge entschieden, Pachtschutz gewährt wurde auf 11 und Pachtschutz abgelehnt auf einen Antrag. In Fürstenau: Pachtschutz gewährt: 4, Pachtschutz abgelehnt: 3. In Quakenbrück Pachtschutz gewährt: 6, abgelehnt 3. Ich darf Ihnen auch sagen, weswegen die Anträge zum großen Teil abgelehnt worden sind. In drei Fällen handelte es sich darum, daß die Pächter jahrelang den Pachtzins nicht gezahlt haben, und das Gericht sah wirklich keine Veranlassung, hier zu Lasten des Verpächters automatisch den Pachtvertrag zu verlängern. In einem andern Fall war es so, daß der Pächter außer dem Pachtgrundstück noch anderes Land zu bewirtschaften hatte. In zwei anderen Fällen hatte der Pächter, der Heuer-ling, die Arbeit aufgegeben. In einem andern Fall hatte er inzwischen Ersatzland bekommen. In einem dritten Fall, der abgelehnt werden mußte, war offensichtliche Mißwirtschaft festzustellen, so daß auch das Gericht nicht verantworten zu können glaubte, den Vertrag zu verlängern. Sie sehen, daß diese Zahlen in einem direkten Widerspruch zu den Behauptungen stehen, die Sie hier vorgebracht haben.
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Im übrigen, Herr Dr. Schmidt, wissen Sie ja selbst aus Ihrem eigenen Kreise und aus ganz Nordwestdeutschland, daß wir inzwischen schon soviel freie Pachtstellen haben, daß es wirklich etwas anmaßend von Ihnen ist, hier die Behauptung aufzustellen, das Pachtschutzgesetz habe sich derart katastrophal ausgewirkt. Gerade das Gegenteil ist nach 1952 eingetreten. Wenn ich im Bericht gesagt habe, daß wir uns in mehreren Sitzungen mit dieser Materie befaßt haben, dann haben Sie recht, wenn Sie demgegenüber betonen, daß der Ernährungsausschuß das ganze Material nur in einer Sitzung noch einmal durchgearbeitet hat. Aber der Rechtsausschuß hat sich in mehreren Sitzungen - ich habe die Protokolle hier vorliegen - sehr eingehend mit dieser Materie befaßt. Der Ernährungsausschuß brauchte das nicht zu tun, da seit 1952 keine anderen Tatbestände eingetreten sind, die eine Änderung erforderlich machten, und da die Meinung der Mehrheit gegenüber damals sich keineswegs geändert hatte. Es ist aber bezeichnend, daß der Rechtsausschuß, der die Dinge weniger von der rein fachlichen Seite behandelt hat, zu demselben Ergebnis kommt wie wir und auch auf dem Standpunkt steht, daß es unmöglich ist, bereits nach zwei Jahren ein wirklich gut angelaufenes Gesetz abzuändern und Gefahr zu laufen, daß das, was sich gut entwickelt hat, nun wieder ins Gegenteil umgekehrt wird.
Ich darf zum Schluß bitten, die Dinge nüchtern so zu sehen, wie sie sind. Es hat gar keinen Zweck, polemisch herausstellen zu wollen, daß wir im Ernährungsausschuß nur für die größeren Besitzer Partei ergriffen und daß wir kein genügendes soziales Verständnis für die kleineren Besitzer hätten. Wir haben es gerade mit Rücksicht auf die kleinen Besitzer für notwendig gehalten, daß endlich einmal Änderungen des Landpachtgesetzes Platz greifen, damit der großen Zahl nachgeborener Bauernsöhne, Vertriebener, Flüchtlinge und sonstiger Personen, die kein Land haben, endlich einmal eine Existenz gegeben werden kann. Ich darf Sie also nochmals bitten, den Antrag der SPD abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen meiner Vorredner kann ich es mir wohl versagen, nochmals in eine tiefgehende Darstellung des Sachverhalts dieser Dinge einzutreten. Aber eins darf ich hier feststellen: Herr Dr. Schmidt, wenn Sie glauben, in der von Ihnen beliebten Form das Interesse der kleinen Pächter fördern zu können, dann befinden Sie sich auf dem Holzwege.
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Herr Dr. Schmidt. es fehlt mir der parlamentarische Ausdruck dazu, das, was Sie hier vorgetragen haben, richtig zu kennzeichnen. Wenn Sie zum Schluß sagen: „Ich hoffe, daß Sie bereit sind, mit uns übet ein Kompromiß zu verhandeln", und haben ein paar Atemzüge zuvor festgestellt, daß wir es anscheinend für unter unserer Würde hielten, uns mit dem Problem des kleinen Mannes zu beschäftigen, dann, Herr Dr. Schmidt, werden Sie verstehen, wenn wir Ihnen sagen: auf einer solchen Grundlage über Kompromisse zu verhandeln ist ein sinnloses Beginnen.
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Wenn Sie weiterhin hier Zahlen vorführen und verlangen, daß man sie Ihnen glaubt, und Sie setzen dann unsere Stellungnahme, die in dem Ausschuß hinreichend geklärt worden ist, derart herunter, dann - ich bedauere sehr - kann ich Ihnen auch nicht folgen.
Aber eine reizende Sache haben Sie vorgetragen. Sie haben verlangt, daß die Äußerungen des Pachtausschusses des Bauernverbandes in dem Ernährungsausschuß hätten erörtert werden müssen.
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Ich freue mich - Herr Dr. Schmidt, ich habe es mir sofort notiert -, bei Ihnen eine Auffassung von Verfassungsrecht feststellen zu können, die wirklich Ihre ureigenste Erfindung ist. Wenn wir uns in den Ausschüssen fortwährend mit den Beschlüssen von Interessentenverbänden beschäftigen wollten, dann müßten wir noch einen zweiten Bundestag wählen, der dann Regierungsarbeit leistet.
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Wir haben seinerzeit das Pachtgesetz geschaffen, um das Pachtrecht aufzulockern und, wie der Herr Kollege Elsner mit Recht sagt, wieder Treu und Glauben und damit eine größere Freiheit in das Pachtverhältnis zu bringen. Denn es war doch so, daß sehr viele Verpächter überhaupt nicht mehr daran dachten, zu verpachten, weil sie nicht wußten, ob ihr Boden noch einmal zu ihrer Verfügung stehen würde. Wenn wir die Entwicklung seit Inkrafttreten dieses Gesetzes verfolgen, dann dürfen wir feststellen - und das gilt auch für Nordrhein-Westfalen, wo ich die Dinge näher kenne als in Niedersachsen -, daß sich tatsächlich wieder ein Markt für Pachtbetriebe eröffnet hat und daß die Pachtbetriebe auch zu erträglichen Bedingungen übergehen.
Daß sich die Pachtpreise, die künstlich niedrig gehalten worden sind, den gegebenen Verhältnissen anpassen mußten, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber daß sie nicht in den Himmel wachsen, dafür haben wir ja in dem Gesetz in § 5 auch gesorgt, wo es unter 1 b heißt, daß eine Beanstandung zulässig ist, wenn die vertraglichen Leistungen des Pächters nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Ertrag stehen, der bei ordnungsmäßiger Wirtschaft aus dem Betrieb gewonnen werden kann.
Ich bin mit meinen Freunden der Auffassung, daß ein Gesetz von so großer Bedeutung wie das Landpachtgesetz, das jetzt zwei Jahre in Kraft ist, nicht geändert werden soll und nicht geändert werden darf. Vor allem dürfen die in dem Gesetz enthaltenen Termine, von denen der erste am Schluß dieses Jahres liegt, jetzt nicht noch kurz vor Toresschluß geändert werden. Meine Herren, wir machen uns draußen in der Wirtschaft unglaubwürdig, wenn wir solche Termine fortwährend ändern, aufheben oder weiter hinausschieben. Dadurch verwirken wir jedes Vertrauen in die Gesetzgebung. Ich bitte Sie deshalb, diese Anträge abzulehnen.
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Sollten sich im Laufe der Jahre irgendwelche Mißstände zeigen, sind wir gern bereit, mit jedem darüber zu reden.
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- Ach, Herr Dr. Schmidt, es wird nie zu spät im Leben! Aber, Herr Dr. Schmidt, bei der Methode, die Sie hier vorzuführen belieben, werden Sie uns nie bereit finden, mit Ihnen über diese Frage zu verhandeln.
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Das Wort hat der Abgeordnete Varelmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man im Volke über das Landpachtgesetz spricht und diskutiert, dann hört man in der Regel zwei unterschiedliche Meinungen: von seiten der Verpächter in der Regel ein positives Ja, von seiten der Pächter in der Regel erhebliche Bedenken. Die Auswirkungen des Landpachtgesetzes sind in der Bundesrepublik in der Tat von unterschiedlicher Art. In den Flüchtlingsländern, in den Gebieten mit großem Kinderreichtum stellt man im allgemeinen schwerste Bedenken in den Kreisen der Pächter fest. In der Tat sehen die Pächter mit erheblichen Sorgen der Zukunft entgegen. Zum Teil wurde auch die durch das Landpachtgesetz gebotene Freiheit von den Verpächtern mißbraucht, und zwar in der Form des Ausspruchs von Kündigungen und der Anhebung der Pachtpreise. Ich muß anerkennen, ein Teil der Verpächter hat den notwendigen Takt gewahrt; aber ein Teil der Verpächter fordert tatsächlich auf Grund der gebotenen Freiheit Pachtpreise, die ganz erheblich über ein tragbares Maß hinausgehen.
Wenn man ein solches Problem prüft, hat man vor allen Dingen auch zu erwägen: Gefährdet man durch die jetzige Regelung die Existenz von Familien? Dies möchte ich zum Teil behaupten. Man kann wohl nie sagen, daß ein besonders starkes Bedürfnis vorliegt, hier dem Verpächter volle Freiheit zu geben.
Ich halte es für notwendig, daß wir die Sache noch einmal ernsthaft prüfen. Wir müssen einen Weg suchen und finden, der beiden Teilen gerecht wird. Von meiner Warte aus sehe ich jedenfalls in dem Landpachtgesetz, so wie es sich zur Zeit auswirkt, für die Pächter eine Härte, und ich werde meine Stimme entsprechend abgeben.
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. - Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Falle möchte gern einige Worte zu den hier angeschnittenen Fagen sagen, weil mein Name und meine Mitwirkung bei der Erstellung des Landpachtgesetzes mehrfach erwähnt worden sind. Ich muß daher kurz auf das Grundsätzliche und insbesondere auf die Ausführungen von Herrn Kollegen Schmidt eingehen.
Wenn sich zur Zeit im Pacht- und Heuerlingswesen, besonders in Niedersachsen, Schwierigkeiten zeigen, so ist daran im wesentlichen nicht die Neufassung des Landpachtgesetzes von 1952 schuld, sondern es liegen in mancher Hinsicht Sonderverhältnisse vor. Ich denke hier vor allem an die große Zahl der Vertriebenen und auch an die im Zusammenhang mit der Ölgewinnung entstandenen neuen Beschäftigungsmöglichkeiten. Ich habe mich bei Kennern der Verhältnisse, die gar nicht im Verdacht stehen, etwa unsozial zu sein oder diesen Fragen innerlich unbeteiligt gegenüberzustehen, eingehend erkundigt. Man hat mir gesagt, daß durch eine Änderung der Gesetzgebung auf diesem Gebiete kaum eine Besserung erwartet werden könne. Der wesentliche Grund für die Schwierigkeiten liege darin, daß die Zuteilung von Siedlerstellen an die verdrängten Pächter nicht mehr im früheren Umfange möglich sei. Wir haben z. B. zwischen den beiden Weltkriegen allein im dortigen Gebiet rund tausend neue Stellen geschaffen. Alle diejenigen, die aus Pachtverhältnissen oder Heuerlingsverhältnissen kamen, konnten eine eigene Stelle erwerben, so daß damals Kündigungen selten waren, und zwar einfach aus dein Grunde, weil die Verpächter sich nicht mehr einem Andrang von Anwärtern auf Pacht- bzw. Heuerlingstellen gegenübersahen.
Das Heuerlingswesen selbst ist in allen Gebieten, in denen wir es überhaupt noch besitzen - vor allem in Niedersachsen und in Westfalen -, von jeher ein Sorgenkind gewesen. Es ist ein Pacht- und Arbeitsverhältnis, das eigentlich nur dann funktioniert, wenn es von beiden Seiten, von Verpächter und Pächter, menschlich vernünftig aufgefaßt wird. Daß das häufig nicht geschieht, ist klar. Idealmenschen sind ja doch verhältnismäßig selten.
Nun zu den Anträgen der SPD auf Änderung des Landpachtgesetzes, insbesondere zur Streichung des Wortes „dringend". Sie sagen ganz mit Recht, Herr Kollege Schmidt, daß ich mich bei den Verhandlungen über das Landpachtgesetz für die Streichung dieses Wortes eingesetzt habe. Wenn Sie aber meinen, daß wegen dieses Wortes „dringend" sehr viele Anträge auf Verlängerung nicht durchgesetzt werden konnten, dann stimmt Ihr Material mit dem amtlichen Material, das mir vorliegt, nicht überein. Ich habe Sie im übrigen gebeten, mir Ihr Material vorzulegen. Das ist nicht geschehen,
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und Sie haben auch heute nicht einmal den Bezirk genannt, aus dem die Zahlen stammen, die Sie anführten. Wir hätten also zweifellos auf dem Gebiete sicherlich mehr Einblick gewonnen, wenn wir Ihre Zahlen zur Verfügung gehabt hätten. Ihr Material konnte deshalb von uns aus gar nicht nachgeprüft werden.
Die Zahlen, die eben von Herrn Kollegen Dannemann, glaube ich, genannt wurden, habe ich an Hand des mir vorliegenden Materials nachgeprüft. Sie stimmen. Ich darf von mir aus noch sagen, daß auch die Zahlen der Oberlandesgerichtsbezirke Düsseldorf, Hamm und Köln mit den von Herrn Kollegen Schmidt gemachten Angaben nicht übereinstimmen. Zum Beispiel haben wir bei den Amtsgerichten des Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf 874 Anträge vorliegen, wovon 61 abgelehnt sind. Im Bezirk Hamm haben wir bei den Amtsgerichten 1210 Anträge vorliegen; davon sind
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67 abgelehnt. In Köln liegen die Zahlen folgendermaßen: 1080 Anträgen stehen 80 Ablehnungen gegenüber. Die Ablehnungen von Anträgen bewegt sich also in Größenordnungen bis zu 9 %. Das sieht doch wesentlich anders aus als das, was Sie uns in Ihrem Vortrag darlegten.
In Niedersachsen ist es so: Vom Oberlandesgericht Celle sind im zweiten Halbjahr 1952 11 Fälle entschieden worden; davon wurde Pachtschutz in 5 Fällen gewährt, in 6 versagt. 1953 waren die Zahlen schon günstiger. 19 Fälle wurden entschieden, Pachtschutz wurde in 10 Fällen gewährt und in 9 versagt. Im Jahre 1954 waren es insgesamt 10 Fälle; in 9 Fällen wurde Pachtschutz gewährt und in einem versagt.
In Oldenburg liegen die Verhältnisse ähnlich; auch dort wurden im zweiten Halbjahr 1952 zunächst in 7 Fällen Pachtschutz gewährt, in 9 abgelehnt. Im Jahre 1953 wurde in 16 Fällen Pachtschutz gewährt und in 10 abgelehnt, und im Jahre 1954 wurde in 15 Fällen dem Antrag entsprochen und in 4 Fällen dem Antrag nicht entsprochen. Die Zahlen des Oberlandesgerichts Braunschweig sind im einzelnen nicht beweiskräftig, weil sie zuwenig zahlreich sind.
Das vorgebrachte Zahlenmaterial zeigt deutlich, daß der Hauptgrund der Schwierigkeiten also nicht in der Fassung des Gesetzes liegen kann. Die Möglichkeit des Ausweichens muß geschaffen werden. Ich bin seit Beginn dieses Jahres mit dem Herrn Vertriebenenminister darin einig, daß die Stellen, die bisher in Niedersachsen für die Vertriebenen und Einheimischen geschaffen worden sind, so verteilt werden müssen, daß die Schwierigkeiten, die sich aus den Kündigungen von Pächtern und Heuerleuten ergeben, auf beide Schul» tern gelegt werden. Herr Kollege Oberländer und ich sind uns über das Verfahren einig. Eine Einigkeit mit Niedersachsen hat sich bisher nicht ergeben.
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Ich hoffe aber, daß es den kommenden Bemühungen möglich ist, auch hier ein Verfahren zu finden, das es ermöglicht, im Jahre mindestens soviel Pächter und Heuerleute in Siedlerstellen anzusetzen, wie gekündigte landwirtschaftliche Betriebe anfallen. Das ist die einzige Möglichkeit, uns aus dieser Sackgasse herauszuhelfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige Bemerkungen noch zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dannemann und des Herrn Kollegen Müller. Herr Kollege Dann e m a n n , Sie erinnern sich der Beratungen in den Monaten Ende 1951 und Anfang 1952, als wir auch die Heuerlingsfragen im Ausschuß eingehend behandelt haben. Wir haben damals den Antrag gestellt, in das Heuerlingsgebiet um Osnabrück usw. zu reisen, um an Ort und Stelle die Probleme kennenzulernen, damit man eine richtige Entscheidung fällen kann. Sie haben es mit Mehrheit verhindert, daß man das Problem an Ort und Stelle studierte, weil Sie genau wußten: wenn alle Mitglieder des Ausschusses einmal das Problem kennenlernen, dann werden ganz andere Einsichten zutage treten. Ich wünschte mir, Herr Kollege Dannemann, daß der Ernährungsausschuß unter seinem Vorsitzenden
genau so loyal und mit gutem Willen an die Beratung des Antrages herangegangen wäre, wie ich das dem Rechtsausschuß zubilligen muß. Ich war dabei, und ich kann nur sagen, daß im Rechtsausschuß eine vernünftige Atmosphäre geherrscht hat. Man muß es dem Vorsitzenden dieses Ausschusses danken, daß er sich so viel Mühe gemacht hat, um zu einer vernünftigen Beratung zu kommen.
Nun zu dem, was der Herr Kollege Müller gesagt hat. Ich habe hier nicht Ihnen allen im Plenum vorgehalten, daß Sie sich die Meinung des Bauernverbandes zu eigen machen sollten. Sie waren gar nicht bei den Ausschußberatungen dabei, Herr Kollege Müller. Ich habe hier ausgedrückt, daß ich mich nur darüber gewundert habe, daß die Präsidenten der Bauernverbände von dem Votum ihres eigenen Pächterausschusses keinen Gebrauch gemacht haben.
Herr Kollege Müller, Sie sprechen von Treu und Glauben. Sehen Sie, da scheiden sich eben die Geister. Ich bin der Meinung, das Wort von Treu und Glauben ist noch nirgendwo so schlecht behandelt warden wir gerade dort oben bezüglich der Pächter. Wir sollten also nicht allzu laut davon sprechen; das ist eine sehr gefährliche Sache.
Eines darf ich zum Schluß noch feststellen. Die Tatsachen, die ich aufgezeigt hatte, hat niemand widerlegt, auch der Herr Minister nicht. Das Zahlenmaterial, das uns der Herr Justizminister zugeleitet hat, ist, wie ich eingangs gesagt habe, unter einer ganz falschen Fragestellung erarbeitet warden. Meine Damen und Herren, ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß es in dieser Stellungnahme auf Seite 5 am Schluß heißt, die Amtsgerichte im Kreise Bersenbrück - daraus stammte mein Material, Herr Minister - hätten allerdings berichtet, daß die Bauern bestrebt seien, verpachtetes Land wieder an sich zu ziehen, und daß das in der Hauptsache außerhalb eines Verfahrens - vor den Landwirtschaftsgerichten - geschehe, ohne 'daß also eine Entscheidung nach § 8 LPG beantragt werde.
Sehen Sie, so weit sind wir heute bereits abgerutscht. Dais Vertrauen der Pächter draußen in die. Rechtsprechung zum Landpachtgesetz ist derart erschüttert, daß sie es gar nicht mehr wagen, zu den Gerichten zu gehen. Damit sie das Vertrauen wieder gewinnen, stellen wir diesen Antrag.
Ich könnte noch Einzelheiten anführen. Das will ich unterlassen. Die Dinge liegen in der Tat anders. Ich freue mich, daß der Herr Kollege Varelmann den Mut gehabt hat, diese Tatsachen hier klar auszusprechen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit wird auf eine weitere Einzelberatung verzichtet.
Ich komme zur Abstimmung und rufe nach § 83 der Geschäftsordnung zur namentlichen Abstimmung zusammen auf: Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift des Antrags auf Drucksache 697. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({0})
- Meine Damen und Herren, zur Präzisierung wiederhole ich: Ich lasse abstimmen über Art. 1, Art. 2, Art. 3 des Entwurfs eines Gesetzes auf Drucksache 697, also nicht über den Ausschuß({1})
antrag, sondern nach den Grundsätzen der zweiten Lesung über die Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift, Drucksache 697.
({2})
Haben alle Mitglieder dieses Hauses ihre Stimmkarten abgegeben? - Die Abstimmung ist . geschlossen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 374. Mit Ja haben gestimmt 132, mit Nein haben gestimmt 233, enthalten haben sich 9 Abgeordnete. Berliner Abgeordnete: Abgegebene Stimmen insgesamt 16, mit Ja 9, 7 mit Nein. Damit ist der Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren ({4}) ({5}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) ({7}).
({8})
Das Wort zur mündlichen Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Struve.
Struve ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits seit dem Jahre 1950 ist ein Fischgesetzentwurf in Bearbeitung. Eine große Anzahl von Entwürfen wurde seit dieser Zeit erstellt und beraten, und alle wurden verworfen. Der Ernährungsausschuß des 1. Bundestages hat sich bereits eingehend mit dieser Materie befaßt. Der für die Bearbeitung des Fischgesetzentwurfs eingesetzte Unterausschuß des Ernährungsausschusses ist für mehrere Tage an die Küste gereist, hat 'die vier Seefischmärkte besucht und mit Vertretern aller Sparten der Fischwirtschaft die Probleme besprochen. Sein Bericht hat im Ernährungsausschuß nicht mehr behandelt werden können, da die Legislaturperiode auslief. Der vom Unterausschuß Fischwirtschaft des Ernährungsausschusses erarbeitete Entwurf ist, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, von den Koalitionsparteien des 2. Bundestages als Initiativantrag eingebracht worden. Er ist nach erster Lesung an den Ernährungsausschuß und an den mitberatenden Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen worden.
Ein Marktordnungsgesetz für die Fischwirtschaft zu schaffen war deshalb sehr schwierig, weil der Fang, aber auch der Absatz der Fische noch mehr von der Natur, von Wind und Wetter abhängig sind als andere Produkte der Ernährungswirtschaft. Stürme behindern oder beeinträchtigen den Fang, warmes Wetter den Absatz. Die Fischwirtschaft ist außerdem noch verhältnismäßig jung, und die Gegensätzlichkeiten in den einzelnen Sparten sind groß, so daß eine einheitliche Auffassung zu dem Problem in der Fischwirtschaft im allgemeinen nicht vorhanden ist. Es war deshalb notwendig, bei dem Entwurf des Gesetzes den Rahmen nicht zu weit zu ziehen, weil dadurch unter Umständen eine zu starre Regelung geschaffen worden wäre, die es unmöglich gemacht hätte, sich den wechselnden Gegebenheiten anzupassen.
Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 4394.
Der Entwurf des Gesetzes hat sich deshalb bewußt auf die Regelung der wesentlichen Punkte beschränkt. Wir sind uns darüber klar, daß der Entwurf keine Ideallösung darstellt und mit Mängeln behaftet ist. Es ist aber zu hoffen, daß Ergänzungen zu dem Gesetz vorgenommen werden können, wenn Erfahrungen in seiner Anwendung vorliegen.
Mit dem Gesetz sollen folgende Dinge besonders geregelt werden:
1. Die Aufstellung eines Versorgungsplanes.
2. Festsetzung eines Mindestsatzes und Stützungsbetrages.
3. Erhebung eines Beitrages für Förderungszwecke.
4. Anerkennung eines Bundesmarktverbandes.
5. Schaffung einer Rechtsgrundlage zum Erlaß von Bestimmungen zur Steigerung der Erzeugung, der Güte und des Absatzes von Fischen und Fischwaren.
6. Festsetzung von Meldepflichten für Betriebe der Fischwirtschaft.
Zu den 'einzelnen Bestimmung en ist folgendes zu sagen.
§ 1 bringt Begriffsbestimmungen und Geltungsbereich. Hervorzuheben ist hierbei, daß das Gesetz nicht für Fänge aus deutschen Binnengewässern gilt.
§ 2 Abs. 1 bestimmt, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gemeinsam mit den obersten Landesbehörden der Küstenländer für jedes Wirtschaftsjahr einen Versorgungsplan aufstellt und dabei feststellt, welche Mengen von Fischen voraussichtlich aus Eigenanlandungen zur Verfügung stehen und welche Mengen einzuführen sind.
Abs. 2 hat lange Beratungen erfordert. Die Fischwirtschaft wünschte die Möglichkeit zu erhalten, Liefervereinbarungen zwischen den Erzeugern und der ersten und der zweiten Abnehmerstufe zu treffen. Der Ernährungsausschuß glaubte, das im Hinblick auf die Kartellgesetzgebung nicht zubilligen zu können, hielt aber Liefervereinbarungen zwischen Erzeugern und Erstabnehmern im Interesse einer gleichmäßigen Versorgung und besseren Qualität für wünschenswert. - Dem Vorschlag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, daß solche Vereinbarungen in geeigneter Weise bekanntzumachen seien, konnte die Mehrheit des Ernährungsausschusses nicht folgen. Einen so weitgehenden Eingriff in die private Sphäre hielt der Ausschuß nicht für vertretbar. Die Durchführung einer solchen Bestimmung in der Praxis würde obendrein Strafbestimmungen notwendig machen, zu denen sich der Ausschuß nicht entschließen konnte.
Abs. 3 sieht die Möglichkeit vor, die Einfuhr bestimmter Fische und Fischwaren auf bestimmte Zeiten zu beschränken. Das geschieht praktisch heute schon. Die isländischen Frischfischanlandungen liegen in der Regel in der Zeit, in der die deutsche Flotte überwiegend auf Heringsfang ist und deutsche Frischfischanlandungen knapp sind.
§ 3 ist wohl die wichtigste Bestimmung des Gesetzentwurfs. Er gibt dem Bundesminister für Landwirtschaft die Möglichkeit, im Benehmen mit den obersten Landesbehörden der Küstenländer die schon erwähnten Stützungsbeträge für den
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Fisch zu zahlen, der auf den Auktionen nicht für den menschlichen Verzehr zu einem Mindestsatz abgesetzt werden kann und deshalb zu Fischmehl verarbeitet werden muß. Wesentlich ist, daß der Bundesminister die Gewährung der Stützungsbeträge von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen kann. Dadurch, daß er einzelne Fischarten allgemein oder mit Rücksicht auf Größe und Beschaffenheit oder die eine festgesetzte Menge übersteigende Anlandung von der Gewährung von Stützungsbeträgen ausschließen kann, kann er marktregulierend in dem Sinne wirken, daß die Reeder ein den Wünschen der Verbraucher angemessenes Sortiment anlanden.
Stützungsbeträge dürfen nur an die Reeder gezahlt werden, die ihre Schiffe mit Art und Menge des Fanges 48 Stunden vorher an dem Ort der Anlandung angemeldet haben. Diese Bestimmung, die im übrigen einer Anregung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses entspringt, wurde aufgenommen, weil die nachfolgenden Sparten Küstengroßhandel und Fischindustrie ihre Dispositionen nach der Anzahl der am Seefischmarkt gemeldeten Schiffe und der damit zu erwartenden Menge des Fanges treffen und große Verluste erleiden können, wenn ein Reeder das angekündigte Schiff umdisponiert.
Der Bundesmarktverband ist gemäß Abs. 3 bei Festsetzung der Voraussetzungen, unter denen der Stützungsbetrag gewährt werden soll, zu hören.
Die Festsetzung des Mindestsatzes soll nach Abs. 2 durch den Bundesminister für Landwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister erfolgen. Der Mindestsatz soll unter den Gestehungskosten liegen. Damit soll der Reeder keinen Anreiz haben, den Fisch in großen Mengen, aber schlechter Qualität anzulanden, weil er etwa durch den Stützungsbetrag doch auf seine Kosten käme. Fischmehlrohstoffpreis und Stützungsbetrag dürfen zusammen den Mindestsatz nicht überschreiten. Einen Rechtsanspruch auf die Gewährung des Stützungsbetrages hat der Reeder nach diesem Gesetz nicht.
Im § 4 wird die Rechtsgrundlage für die Erhebung der Ausgleichsabgabe geschaffen. Die Fänge der Logger werden meist nicht an den Seefischmärkten angelandet. Die Loggerfischereien werden zu Marktstützungsbeiträgen nur insoweit herangezogen, als sie die Seefischmärkte beschicken. Der Beitrag ist der Höhe nach auf 2 DM je 100 kg Seefische und Fischwaren begrenzt. Ich darf dem Hohen Hause mitteilen, daß im Augenblick 0,90 DM für 100 kg Fische gezahlt werden. Der Bundesminister kann einzelne Fischarten und Fischwaren oder die Anlandungen in einzelnen Küstenbezirken oder Häfen von der Abgabepflicht ausnehmen.
Die Absätze 3, 4 und 5 enthalten Bestimmungen über die Beitreibung und über die Verwendung der Beiträge. Hier ist festgelegt, daß die Beiträge ausschließlich zum Zwecke der Marktstützung verwendet werden dürfen. Eine derartige Bestimmung erscheint notwendig, um sicherzustellen, daß die Mittel, die nur von den Reedern aufgebracht werden, nicht für andere Zwecke der Fischwirtschaft Verwendung finden. Vor Verwendung der Mittel ist der im § 5 geschaffene Beirat zu hören.
Der Beirat nach § 5 hat beschließende und beratende Mitglieder. Beschließende Mitglieder sind je ein Vertreter der obersten Landesbehörden der Küstenländer, zwei Vertreter der obersten Landesbehörden der übrigen Länder, die der Bundesrat bestimmt, sechs Vertreter der Fischerei und zwei Vertreter der Fischdampferbesatzungen. Beratende Stimme haben die Vertreter der Fischindustrie, des Großhandels und des Einzelhandels, die beiden Vertreter der Verbraucher und der Vertreter des Bundesministers für Landwirtschaft und Ernährung, der den Vorsitz in diesem Beirat führt. Der Ernährungsausschuß ist hier der Anregung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik gefolgt und hat den Beirat erweitert. Im Behinderungsfalle sollen Stellvertreter für die Mitglieder des Beirats tätig sein.
Wie eingangs gesagt, werden auch Beiträge zur Förderung des Fischabsatzes erhoben. § 6 bestimmt, daß die Betriebe der Reeder beitragspflichtig sind, und nimmt dabei die Loggerbetriebe aus, soweit sie nicht an den Seefischmärkten anlanden. Die Loggerfischereien haben eine eigene Absatzorganisation und eigene Werbung für den Logger-Salzhering. Der Unterausschuß „Fischwirtschaft" des Ernährungsausschusses des 1. Bundestages hat sich bei seiner bereits erwähnten Reise an die Küste davon überzeugt, daß den Loggerbetrieben ihre Eigenwerbung belassen werden sollte. Beitragspflichtig sind ferner die Erstabnehmer und die Importeure. Der Beitrag darf 0,20 DM je 100 kg Fische und Fischwaren nicht übersteigen.
Durch Verweisung auf § 4 Abs. 2 ist sichergestellt, daß der Bundesminister einzelne Fischarten und Fischwaren von der Erhebung der Beiträge ausnehmen kann. Vor Erlaß einer Rechtsverordnung ist der Bundesmarktverband zu hören. Die Mittel sollen zur Förderung des Fischabsatzes im weiteren Sinne verwandt werden. Gedacht ist nicht nur an Werbemaßnahmen, sondern auch je nach der Höhe des Beitragsaufkommens an Kredite, wie Kredithilfen für die Errichtung neuer Fischfachgeschäfte oder für den ambulanten Fischhandel. Die obersten Landesbehörden der Küstenländer bestimmen gemeinsam mit dem Bundeslandwirtschaftsminister die Verwendung der Mittel. Der Bundesmarktverband ist auch hier vorher zu hören.
Der im § 7 behandelte Marktverband besteht, wie bereits gesagt, seit geraumer Zeit. Abs. 1 Ziffer 1 enthält die Voraussetzungen, unter denen der Verband anerkannt werden kann. Abs. 2 spricht von weiteren Aufgaben, die der Verband sich satzungsgemäß geben kann. Hoheitliche Aufgaben dürfen dem Marktverband nicht übertragen werden. Im Abs. 4 ist festgelegt, worauf die Aufsicht des Bundesministers sich erstrecken soll.
§ 8 war Gegenstand langwieriger Beratungen. An der Krabbenfischerei sind lediglich die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein interessiert. Es handelt sich hier aber um eine Gruppe von zahlreichen kleinen Existenzen. Der Ausschuß glaubte deshalb, die abschließende Regelung den Küstenländern überlassen zu können. Er hat daher in dem Entwurf des Fischgesetzes lediglich eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen aufgenommen. Er hofft, mit der vorliegenden Fassung den Ländern die notwendige Handhabe gegeben zu haben, um Rechtsverordnungen zur Marktregelung der Krabben zu erlassen, die dem Bedürfnis der Krabbenfischer gerecht werden.
Eine wichtige Bestimmung, die zur Verbesserung der Qualität von Fischen und Fischwaren erforderlich ist, enthält der § 9. Hiernach hat der
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Bundesminister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern die Pflicht, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen über die Be- und Verarbeitung, die Art und Dauer der Lagerung und Beförderung von Fischen und Fischwaren sowie die Beschaffenheit und Ausstattung von Räumen und Einrichtungen, in denen Fische aufbewahrt oder be- und verarbeitet werden. Es hat sich herausgestellt, daß das Handelsklassengesetz als Rechtsgrundlage für die Verbesserung der Qualität des frischen Fisches nicht geeignet ist. Das Handelsklassengesetz geht von bestimmten Eigenschaften aus, die die Ware besitzen muß. Für den frischen Fisch gibt es bisher keinen objektiven Beurteilungsmaßstab. Selbst wenn ein solcher Maßstab gefunden wäre und der Fisch in eine bestimmte Handelsstufe eingruppiert werden könnte, wäre damit nicht sichergestellt, daß der Fisch in dieser Handelsstufe den Verbraucher erreicht. Das leichtverderbliche Lebensmittel Fisch kann bereits nach kurzer Zeit nicht mehr die Eigenschaften aufwe sen, in der es beim Verkauf auf den Auktionen eingestuft war. Eine Verbesserung der Qualität läßt sich nach Auffassung des Ausschusses aber dann erreichen, wenn Bestimmungen darüber getroffen werden, wie der Fisch nach dem Fang zu behandeln und zu lagern ist. Diesem Ziel dient die Bestimmung des § 9.
Im zweiten Abschnitt des Entwurfs ist der § 10 wichtig, der die Rechtsgrundlage für den Erlaß von Meldebestimmungen gibt. Für die Aufstellung des Versorgungsplanes und andere marktregelnde Maßnahmen sind gewisse Unterlagen notwendig.
Bei § 11 ist der Ernährungsausschuß den Anregungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses wiederum gefolgt. Er hat für die Auskunftspflicht das Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke zugrunde gelegt.
Die §§ 12, 13, 14 und 15 entsprechen den Bestimmungen der übrigen Marktordnungsgesetze. Sie sind zwischen den beteiligten Ministerien abgestimmt.
Zusammenfassend ist zu sagen: Die Fischwirtschaft benötigt zur Verbesserung ihrer Lage eine Steigerung des Verbrauchs. Diese ist nur zu erreichen durch erstens bessere Qualität, zweitens gleichmäßigere Marktbeschickung und drittens gleichmäßigere Preise. Der Ausschuß hat sich bemüht, diesen Erfordernissen im vorliegenden Entwurf gerecht zu werden. Bessere Qualität soll einmal durch marktregelnde Maßnahmen auf Grund des § 3 auf dem Wege über die Festsetzung von Voraussetzungen für die Gewährung von Stützungsbeträgen, zum andern durch eine Rechtsverordnung auf Grund des § 9 erreicht werden. Auch die Förderungsbeiträge auf Grund des § 6 können zur Qualitätsverbesserung eingesetzt werden. Die gleichmäßigere Marktbeschickung soll mit Hilfe der Liefervereinbarungen auf Grund des § 2 Abs. 2 durch den Versorgungsplan und gleichfalls durch marktregelnde Maßnahmen auf Grund des § 2 erreicht werden. Dem Ziel, gleichmäßigere Preise zu erhalten, gelten die Marktstützung des § 3 und ebenfalls die Aufstellung eines Versorgungsplanes.
Abschließend darf ich nochmals betonen, daß das Fischgesetz nicht vollkommen ist und nicht vollkommen sein kann. Es bedarf einmal der Ausfüllung durch die vorgesehenen Rechtsverordnungen.
Es bedarf zum anderen einer engen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Fischwirtschaft und denen der Bundes- und Landesdienststellen. Die Praxis muß ergeben, ob und inwieweit später Ergänzungen notwendig sind. Der Ausschuß glaubt, bei den in der Fischwirtschaft bestehenden Verhältnissen für den gegenwärtigen Zeitpunkt mit diesem Entwurf das Bestmögliche getan zu haben. Namens des Ernährungsausschusses darf ich das Hohe Haus bitten, dem vorliegenden Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen Bericht.
Ich eröffne damit die Einzelberatung der zweiten Lesung. Ich rufe auf § 1. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 1 in der vorliegenden Fassung auf Drucksache 1306 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 2 eröffne ich die Einzelberatung und mache auf den Änderungsantrag, der auf Umdruck 350*) vorliegt, aufmerksam. Wird das Wort zur Einzelberatung des § 2 gewünscht? - Zur Begründung des Änderungsantrags Frau Abgeordnete Keilhack!
Meine Herren und Damen! § 2 Abs. 2, den wir sehr begrüßen, bewirkt in seiner jetzigen Formulierung nur einen besseren und schnelleren Umschlag des Fangs, weil dieser nicht erst an den Markt kommt, sondern direkt an den Empfänger, an denjenigen, dem der Fang verkauft ist, weitergeleitet werden kann. Das ist also sehr gut. Aber es fehlt für die Marktübersicht, die damit zugleich erreicht werden soll, noch ein weiterer Zusatz. Außer der Bekanntgabe der eintreffenden Fänge am Markt müssen die Vereinbarungen über Vorverkäufe angezeigt werden, damit die Käufer auf den Seefisch-Märkten genau wissen, wieviel Anlandungen zu erwarten sind. Deshalb stellen wir den Antrag, den § 2 Abs. 2 wie folgt zu ergänzen: „Solche Vereinbarungen sind an den Seefischmärkten in geeigneter Weise bekanntzugeben."
Ich bitte Sie, diesen Antrag aus den bereits erwähnten Gründen anzunehmen. Er liegt im Interesse der besseren Disponierung der Anlandungen und Verkäufe der Fänge, also der Marktklarheit, die, wie auch in der Begründung und im Mündlichen Bericht gesagt worden ist, für den bestmöglichen und gleichmäßigen Absatz der Fische und vor allen Dingen auch für eine reelle Preisentwicklung die notwendige Grundlage bildet.
Herr Abgeordneter Struve!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, diesem Antrag nicht stattzugeben. Ich habe bereits in der Begründung darauf hingewiesen, daß einzelne Sparten der Fischwirtschaft sehr viel weitergehende Befugnisse haben möchten, daß der Ausschuß aber mit Rücksicht auf die Kartellgesetzgebung diesem Wunsch nicht stattgeben konnte. Auf der anderen Seite kam der Ausschuß zu dem Ergebnis, daß es sehr zweckmäßig ist und dem
*) Siehe Anlage 2.
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ganzen Marktablauf und der Stabilität dient, wenn zwischen Reedern und Erstabnehmern Liefervereinbarungen getroffen werden. Nun müssen wir uns völlig darüber klar sein: Wenn wir den gewünschten Zusatz annehmen, dann kann es praktisch nicht zu diesen Vereinbarungen kommen. Wie soll die Sache vonstatten gehen? Es heißt „in geeigneter Weise an den Seefischmärkten". Wenn nun gewisse Vereinbarungen zwischen Reedern und der Fischindustrie, die meinetwegen über ein halbes Jahr oder über eine kürzere oder längere Zeit abgeschlossen werden, zu gleicher Zeit am Seefischmarkt bekanntgegeben werden, dann können gerade nach unserem Dafürhalten auf diese Art und Weise Unsicherheiten in den Marktablauf hineingetragen werden.
Wir meinen aber, daß es auch aus einem anderen Grund nicht gut möglich ist. Wenn ein Vertrag vereinbart wird, können die beiden vertragschließenden Teile nicht gezwungen werden, diesen Vertrag bekanntzugeben. Ich glaube deshalb, daß bei Annahme eines solchen Antrags der ganze Abs. 2, mit dem wir immerhin glaubten, zum mindesten zum Teil den Wünschen der Fischwirtschaft gerecht zu werden, illusorisch werden würde. Ich darf das Hohe Haus deshalb um Ablehnung dieses Änderungsantrags bitten.
Wird zu diesem Änderungsantrag auf Umdruck 350 Ziffer 1 weiter das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Keilhack.
Gestatten Sie, daß ich noch einmal das Wort nehme. Daß unser Antrag in der vorgeschlagenen Formulierung durchkommt, ist für die Wirkung des Fischgesetzes von außerordentlich großer Bedeutung. Wirwollen doch gerade das spekulative Element aus dem Fischmarkt ausschalten, eine der Ursachen der Klagen der gesamten Fischwirtschaft. Wenn wir das nicht fertigbringen, haben wir das Gesetz bereits in seiner wesentlichen Wirkungsweise unterhöhlt, und es hat nicht mehr viel Sinn, darauf zu bauen.
Es ist doch ganz klar, daß man auch die Vereinbarungen - wenn man die Anlandungen bekanntgibt - mit anzeigen muß, weil es ja gar nichts nützt, daß der Reeder meldet, daß der und der Dampfer mit soundso viel tausend Korb ankommt, wenn der Käufer nicht weiß, wieviel Korb durch Vorverkäufe schon weggehen. Die Marktklarheit wird also, wenn unser Antrag nicht durchgeht, nicht erreicht, so wie wir sie als Voraussetzung für das Funktionieren dieses Gesetzes wünschen und wie sie auch anderweitig als dringend erkannt ist, unter anderem auch vom Wirtschaftspolitischen Ausschuß. Ich bitte deshalb, unserem Antrag stattzugeben.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 350 Ziffer 1 betreffend Ergänzung von § 2 Abs. 2. Wer diesem Änderungantrag zustimmen will, den bitte ich urn ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich frage, ob zu § 2 weiter das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Einzelberatung zu § 2 und komme zur Abstimmung. Wer dem Paragraphen in der vorliegenden
Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Ich eröffne die Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der vorliegenden Fassung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Wiederum gegen wenige Stimmen angenommen.
§ 4. Ich eröffne die Einzelberatung. Hier liegt ein Änderungsantrag vor auf Umdruck 353*), Änderungsantrag der Abgeordneten Struve, Kriedemann, Dannemann, Elsner, Müller ({0}) und Genossen zu § 4 Abs. 2 Satz 2. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve!
Ich möchte bitten, daß unter Ziffer 2 das Komma hinter „Deutsche Mark" gestrichen wird. Durch dieses Komma 'bekommt der Änderungsantrag eine sinnentstellende Bedeutung. Im übrigen mache ich. darauf aufmerksam, daß durch diesen Änderungsantrag gewisse Zuständigkeiten vom Bundesminister in die Zuständigkeit der jeweiligen Minister der Küstenländer verlagert werden und auf diese Art und Weise eine einfachere Handhabe ides Gesetzes gewährleistet ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 353 Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ein weiterer Änderungsantrag liegt auf Umdruck 353 Ziffer 2 zu § 4 Abs. 3 vor. Wird dazu das Wort zur Begründung gewünscht?
({0})
- Komma streichen; richtig, Sie haben es schon begründet! - Dazu wird weiter das Wort nicht gewünscht. Ich lasse darüber abstimmen. Wer idem Antrag Umdruck 353 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einer Gegenstimme angenommen.
Ich frage, ob zur Einzelberatung des § 4 noch das Wort gewünscht wird? -Das ist nicht der Fall. Wer dem § 4 in der durch die Annahme der Änderungsanträge Umdruck 353 Ziffern 1 und 2 veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe auf § 5. Hier liegt wiederum ein Änderungsantrag vor, Umdruck 353 Ziffer 3. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? Das list nicht der Fall; es wird auf Begründung verzichtet.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 353 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wird weiter das Wort zu § 5 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab über § 5 in der durch die Annahme des Änderungsantrages veränderten Fassung. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 5 ist gegen 1 Stimme angenommen.
*) Siehe Anlage 3.
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Ich rufe auf § 6. Hier liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor. Ich rufe zunächst auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 350 Ziffer 2. Hier ist gewünscht, daß der letzte Satz in Abs. 1 Nr. 1 gestrichen wird. Wird dazu ums Wort gebeten? -Frau Abgeordnete Keilhack!
Meine Herren und Damen! Über den Satz 2 in § 6 Abs. 1 Nr. 1 waren schon im Ausschuß Meinungsverschiedenheiten entstanden. Es handelt sich um die Herausnahme der Großen Herings- oder Loggerfischerei aus der Verpflichtung zu Förderungsbeiträgen. Es ist ganz unzweifelhaft, daß die Loggerfischerei schon ein sehr gut durchdachtes und wirksames Werbesystem hat. Aber die Förderungsbeiträge nach § 6 sind nicht nur für die Werbung durch Wort und Schrift da, sondern sie sollen die Absatzwerbung auch dadurch untermauern, daß z. B. Kochlehrgänge eingerichtet werden, die Beratung und Finanzierung von Fischeinzelhandelsgeschäften, Fischbratküchen und ähnlichem betrieben wird, für den ambulanten Fischhandel Verbesserungen erreicht werden, die Schließung der Kühlkette vervollkommnet wird, in der letzten Handelsstufe Kredite und Finanzierungsmöglichkeiten bereitgestellt werden und ähnliche Dinge mehr.
Es ist nach unserer Meinung nicht richtig, daß man schon im Gesetz eine Ausnahme für eine Sparte oder für eine Fachgruppe der Fischwirtschaft vorsieht, zumal dann auch andere Sparten - wir haben das schon vorliegen -- ähnliche Forderungen mit mehr oder minder gleichem Recht an den Gesetzgeber stellen könnten. Wir sind der Meinung, daß man solche Ausnahmen in Iden Verordnungen machen sollte, die nach Abs. 3 des § 6 vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erlassen werden können.
Wir bitten also unseren Antrag - die CDU hat ja einen gleichlautenden Antrag gestellt -, in § 6 Abs. 1 Nr. 1 den letzten Satz zu streichen, anzunehmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zusatz, der hier zur Debatte steht, ist meines Wissens auf Wunsch des Landes Bremen hereingekommen, weil gerade in diesem Lande die Loggerfischerei eine sehr große Rolle spielt. Der Unterausschuß für Fischwirtschaft, der während ,der ersten Legislaturperiode mit diesem Gesetz befaßt war, hat sich an Ort und Stelle davon überzeugt, daß die Loggerfischerei tatsächlich von sich aus in vier Jahrzehnten eine ausgezeichnete Absatzorganisation aufgebaut hat. Die Eigenart der Herstellung des Loggersalzherings bedingt auch eine eigene, man kann sagen, gediegene Werbung. Der Unterausschuß hat deshalb zugunsten der Loggerfischerei diesem Wunsch des Landes Bremen folgen können und diesen Grundsatz aufgenommen, d. h. die Freistellung der Loggerfischerei von der Erhebung des Beitrages beschlossen.
Wenn wir nunmehr gleichlautend mit dem Antrag der SPD beantragen, diese Freistellung zu beseitigen, so gehen wir von der Tatsache aus, wie Frau Kollegin Keilhack schon begründet hat, daß dieser Werbefonds tatsächlich zusätzliche Aufgaben bekommen hat, eben dadurch, daß Darlehen gewährt werden können. Aber es sind auch aus Kreisen der Fischwirtschaft kritische Stimmen laut
geworden. Man vertritt die Auffassung, daß die in der Vorlage enthaltene Regelung im Gegensatz zu gewissen Bestimmungen des Grundgesetzes steht. Wir konnten natürlich in dieser kurzen Zeit die Richtigkeit solcher Einwände nicht prüfen. Aber wir gehen bei der Antragstellung davon aus, daß der Herr Bundesminister der großen Heringsfischerei aus diesem Fonds ausreichende Mittel zur Verfügung stellt, damit sie die bisherige ierfolgreiche Werbung ungestört fortsetzen kann. Wir sind der Auffassung, daß die Loggerfischerei tatsächlich auch für die Zukunft darauf iangewiesen sein wird, eine Spezialwerbung rdurchzufiihren, und wir wünschen, daß der Bundesminister von den Ermächtigungen, die in dem Paragraphen enthalten sind, in dem Sinne Gebrauch macht, idaß die derzeitige gute Werbung der Loggerfischerei auch für die Zukunft uneingeschränkt idurchgeführt werden kann.
Wird zu § 6 weiter das Wort gewünscht? - Herr Dr. Conring!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderungsanträge, die von beiden Seiten des Hauses vorgelegt sind, beinhalten auch, daß die Große Heringsfischerei verpflichtet werden soll, Beiträge zu den allgemeinen Kosten des Absatzes und der Werbung zu leisten. Von dem Herrn Berichterstatter ist schon hervorgehoben worden, das solle praktisch nicht zu dem Ergebnis führen, daß die Sonderwerbung, die die Große Heringsfischerei und die Loggerfischerei bisher durchgeführt haben, zum Erliegen gebracht wird.
Ich kann nicht leugnen, daß ich es lieber gesehen hätte, wenn die Ausschußvorlage so, wie sie uns vorgelegt worden ist, ohne diesen Änderungsantrag zur Beschlußfassung gestellt worden wäre. Denn es bleibt die Tatsache ,bestehen, daß die Große Heringsfischerei eine eigene Werbe- und Absatzorganisation hat, die mit den modernsten Marktforschungs- und Werbemethoden ihre Aufgabe glänzend erfüllt, und zwar seit etwa 40 Jahren. Es ist 'sicher nicht der Wunsch des Gesetzgebers, diese gute, zur Förderung des Absatzes der Salzheringe geschaffene Organisation in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. Auch der Reichsfischwerbungsverein e. V. hat ja früher die Große Heringsfischerei nicht zu den allgemeinen Werbungsunkosten herangezogen, vielmehr erklärt: Die Große Heringsfischerei hat ihre eigene Organisation, diese hat Erfolge gehabt und wird auch weiterhin Erfolge haben, und wir lassen sie außerhalb der allgemeinen Beiträge, die sonst für die Fischwerbung erhoben werden.
Man muß dabei auch berücksichtigen, daß die Werbung für den ,Salzhering immer besondere Wege gehen wird, u. a. weil das Publikum, das den Salzhering essen soll, anders angesprochen werden muß als das Publikum, das den Frischfisch essen soll. Es zeigt sich auch, daß der besondere Weg, der seit 40 Jahren beschritten worden ist, zu guten Erfolgen geführt hat.
Wenn nun der Herr Berichterstatter selbst hervorhebt, daß die Werbeorganisation der Großen Heringsfischerei und der Loggerfischerei nicht beeinträchtigt werden soll, so darf ich daraus wohl schließen, daß der letzte Absatz des § 6 so ausgelegt werden wird, daß bei etwaiger Heranziehung der Großen Heringsfischerei zur Leistung von allgemeinen Beiträgen diejenigen Beträge, die die Heringsfischerei
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für ihre eigene Werbeorganisation aufwendet und weiterhin aufwenden muß, von dem allgemeinen Beitrag ,abgesetzt werden dürfen. Das liegt auch im Rahmen der Ermächtigung, Idle der Herr Bundesernährungsminister bekommen hat.
Ich möchte meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß, wenn nun schon nicht die Ausschußvorlage in ihrer alten Fassung hier zur Beschlußfassung gestellt worden ist, doch wenigstens eine klare und eindeutige Erklärung dahin abgegeben ist, daß die Große Heringsfischerei nicht zu Mehrlasten herangezogen werden und daß ihre besondere Werbe- und Absatzorganisation bestehenbleiben soll; denn das ist eine dringende volkswirtschaftliche Notwendigkeit.
Ich darf Sie zum Schluß auf folgendes aufmerksam machen. Die Große Heringsfischerei ist finanziell nicht in der Lage, etwa doppelte Beiträge zu zahlen - einerseits zur Aufrechterhaltung ihrer eigenen Werbe- und Absatzorganisation und andererseits für die Werbe- und Absatzorganisation der allgemeinen Fischwirtschaft. Ich glaube nicht, daß es nötig ist, dem Hohen Hause vorzutragen, daß die finanzielle Lage der Heringsfischereien in Niedersachsen, in Bremen und in Schleswig-Holstein so ist, daß die Belastung mit doppelten Werbungskosten einfach nicht getragen werden könnte.
Weitere Wortmeldungen zu dem Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 350 - gleichlautend mit Ziffer 4 des Umdrucks 353 - liegen nicht vor. Ich lasse über diese beiden Änderungsanträge, die wortgleich sind, abstimmen. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Änderungsanträge Umdrucke 350 Ziffer 2 und 353 Ziffer 4 sind gegen wenige Stimmen angenommen.
Ein weiterer Änderungsantrag zu § 6 liegt unter Ziffer 5 des Umdrucks 353 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 a auf Umdruck 353 Ziffer 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ein weiterer Änderungsantrag zu § 6 liegt unter Ziffer 6 des Umdrucks 353 vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrags das Wort gewünscht ?- Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 353 Ziffer 6 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen eine Stimme angenommen.
Damit sind die Änderungsanträge zu § 6 angenommen. Ich frage, ob in der Einzelberatung zu § 6 weiter das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über § 6 in der durch die angenommenen Änderungsanträge veränderten Fassung abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der § 6 ist angenommen.
Ich rufe § 7 auf. Dazu ist mir soeben noch ein Änderungsantrag übergeben worden. Zur Begründung Frau Abgeordnete Keilhack!
Meine Damen und Herren! Obwohl wir diesen Änderungsantrag noch nicht schriftlich vorgelegt haben - was wir zu entschuldigen bitten -, möchten wir ihn doch zur Diskussion stellen. Wir glauben, daß es sehr wichtig ist,
daß § 7 Abs. 2 in der von uns vorgeschlagenen Weise ergänzt wird. Wir werden in unserer Auffassung dadurch bestärkt, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß auch heute morgen noch einmal diese Anregung, die er bereits in einem früheren Beschluß niedergelegt hat, aufgenommen und auch zum Teil davon seine Zustimmung zu diesem Fischgesetz abhängig gemacht hat.
Nach unserem Antrag soll es in Abs. 2 nach dem letzten Satz heißen:
Zu diesen Aufgaben gehört nicht die Festsetzung von Preisen und preisbestimmenden Faktoren.
Der Ernährungsausschuß hatte diesen Vorschlag des Wirtschaftsausschusses unter der Voraussetzung gestrichen, daß das Kartellgesetz die nötige gesetzliche Bestimmung enthält. Das Kartellgesetz ist jedoch noch in der Bearbeitung, und es ist nicht abzusehen, wann es dem Bundestag vorgelegt werden wird. Wir glauben aber, daß dieses Fischgesetz nicht ohne eine solche Bestimmung verkündet werden kann, weil sonst Schwierigkeiten entstehen könnten.
Wir sind auch der Meinung, daß man draußen nicht das Gefühl haben darf, daß der Marktverband vielleicht eine kartellähnliche Vereinigung sein könnte und Preisabreden und Preismanipulierungen zu Lasten der Handelsstufen und des Verbrauchers vornehmen könnte.
Wir bitten also, um der Klarheit willen - in der Sache wird sich wahrscheinlich wenig ändern - diesen von uns vorgeschlagenen Satz noch einzufügen.
Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, von dieser Änderung abzusehen. Frau Kollegin Keilhack hat von dem Abs. 2 gesprochen. Sie meint wohl den Buchstaben c) in Abs. 1 Ziffer 1. In Ziffer 1 heißt es:
Zu seinen
- d. h. des Marktverbandes -
satzungsgemäßen Aufgaben müssen gehören ...
Dann kommt die Aufzählung unter a) bis c). Wir haben im Ausschuß diese Sache beraten und waren dort zu folgendem Ergebnis gekommen. Wenn zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Marktverbandes die Förderung des lauteren Wettbewerbs gehört, ist es nicht zweckmäßig, hinterher zu sagen: aber nicht Festsetzung von Preisen und ähnlichen Bestimmungen. Der Bundesminister hat die Aufsicht. Der Marktverband hat keine hoheitlichen Aufgaben; er darf sie nicht haben. Würde der Marktverband etwa auf den Gedanken kommen, Preise festzusetzen, so würde der Bundesminister, der nach § 7 Abs. 4 eindeutig die Aufsicht bekommen hat, sofort sagen: Die Sache verstößt gegen das Gesetz und gegen die Satzung; der Beschluß wird damit aufgehoben.
Ich glaube, die im Ernährungsausschuß nach langen Beratungen getroffenen Feststellungen sollten das Hohe Haus veranlassen, hier keine zusätzlichen Formulierungen aufzunehmen, die ohne Zweifel einen unschönen Text geben und auf der anderen Seite, wie Frau Kollegin Keilhack zugibt, der Sache als solcher nicht helfen können. Es ist
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sichergestellt, daß der Marktverband unter keinen Umständen die hier befürchteten Preisabsprachen treffen kann. Tut er das, so wird der Bundesminister die Sache durch eine einfache Anordnung aufheben können.
Herr Abgeordneter, ich haben den Eindruck, daß Frau Abgeordnete Keilhack ihren Änderungsantrag nicht als Ergänzung zu § 7 Abs. 1 Ziffer 1 Buchstabe c, sondern als Satz 2 zu § 7 Abs. 2 eingebracht hat. Er soll also hinter dem mit den Worten „Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Marktverbandes können weitere Aufgaben gehören" beginnenden Satz als zweiter Satz angefügt werden.
Wird dazu noch weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen. Wer dem von Frau Abgeordneten Keilhack begründeten, noch nicht verteilten Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Einschub dieses zweiten Satzes in § 7 Abs. 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Das letzte ist nach der übereinstimmenden Auffassung des Vorstandes die Mehrheit.
Ich frage, ob das Wort zu § 7 weiter gewünscht wird. Das ist nicht der Fall. Ich lasse über § 7 in der vorliegenden Fassung abstimmen. Wer dem § 7 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe? - Wiederum gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe § 8 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 353 Ziffer 7 vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrags das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über diesen Änderungsantrag abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ich frage, ob zu § 8 das Wort weiter gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über § 8 in der durch die Annahme des Änderungsantrages beschlossenen Fassung abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Der § 8 ist angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 350 Ziffer 3 vor. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Frau Keilhack!
Meine Damen und Herren! Darf ich Sie bitten, unseren Änderungsantrag Umdruck 350 in der Ziffer 3 zu berichtigen. In der viertletzten Zeile muß vor „Fischwaren" stehen: „Fischen und". Diese zwei Worte sind vergessen worden.
Wir haben den § 9, den wir für einen der wichtigsten Paragraphen des Fischgesetzes halten, ein bißchen ergänzt, und zwar möchten wir in die siebte Zeile des Abs. 1 Idas Wort „Qualitätsüberwachung" als eine zusätzliche Verpflichtung, die in Verordnungen entwickelt werden muß, gesetzt haben. In der drittletzten Zeile des gleichen Absatzes wünschen wir den Wortlaut: „Ausstattung von Behaltnissen, Räumen usw.", und in der zweitletzten Zeile sinngemäß die Formulierung: „aufbewahrt, befördert, oder be- und verarbeitet werden."
Unser Anliegen ist, daß der Begriff „Qualitätsüberwachung" noch einmal ausdrücklich in den § 9 hineinkommt, damit der Herr Bundesminister in seinen Verordnungen eine strenge Beurteilung in
bezug auf die Marktfähigkeit der angelandeten Fische anlegen kann. Der Sinn dieses Zusatzes, wie eigentlich der Sinn des ganzen Gesetzes ist, daß durch die absolute Gewähr der Bereitstellung einer wirklich einwandfreien und guten Fischqualität, also eines hochwertigen und preiswürdigen Nahrungsmittels, der Anreiz zum Fischverzehr, entsprechend der . Leistungsfähigkeit unserer Fischwirtschaft, erhöht werden soll.
Unabhängig davon möchten wir zum § 9 an den Herrn Bundesminister noch einmal 'die aufrichtige Bitte richten, bei den zu diesem Paragraphen zu erlassenden Verordnungen unbedingt zu berücksichtigen, daß für den Fisch eine Mindestlagerfähigkeit festgelegt werden muß. Nur im Vertrauen darauf haben wir darauf verzichtet, einen entsprechenden Antrag für das Gesetz zu stellen.
Wir meinen, daß die Qualitätssicherung - und der § 9 mit den künftigen Verordnungen kann hier die Grundlage bieten - das A und das O eines wirklich funktionierenden Fischgesetzes und, wie gesagt, auch einer Steigerung ,des Fischkonsums ist. Wir brauchen Qualitätsverordnungen, wie sie in anderen Ländern mit den detailliertebereits Bestimmungen bereits erlassen sind, z. B. in Dänemark, und wo sie auch eine entsprechende Nachfrage, einen entsprechenden Konsum zur Folge haben.
Der Herr Bundesminister hat in einer Konferenz erklären lassen, daß die veterinärpolizeilichen Untersuchungen jetzt auch so vorgenommen werden sollen, daß auf den Zeitpunkt des voraussichtlichen Verzehrs Rücksicht genommen und nicht nur der Befund des Fisches auf dem Markt beachtet wird. Das wäre schon ein großer Fortschritt. Wir möchten, daß in dieser Richtung weitergearbeitet wird.
Wir begrüßen es, daß § 9 eine Muß-Vorschrift zum Erlaß von Verordnungen Ides Bundesministers enthält. Wir wünschen auch, daß recht schnell nach der Verabschiedung 'dieses Gesetzes vom Ernährungs- und Landwirtschaftsministerium die Sonderbestimmungen für Fische und Fischwaren nach idem bereits lange vorliegenden Handelsklassengesetz erlassen werden. Der § 9 enthält, wenn er wirksam gemacht wird, unserer Meinung nach den Kern der Maßnahmen für die Versbesserung des Fischabsatzes. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den ganzen Beratungen über das Fischgesetz ist der Ausschuß immer übereinstimmend der Meinung gewesen, daß alles, was möglich ist, geschehen muß, um sicherzustellen, daß die Qualität der angebotenen Ware die denkbar beste ist. Der § 9 hat den Ausschuß sehr lange beschäftigt. Wir waren einmütig der Auffassung, daß wir mit § 9 eine Muß-Vorschrift schaffen müssen. Der Herr Bundesminister hat danach zusammen mit dem Bundesminister des Innern die Rechtsverordnung zu erlassen.
Frau Kollegin Keilhack hat darauf hingewiesen, daß mit dem Änderungsantrag nur die Einfügung der Worte „Qualitätsüberwachung", „Behältnissen", „befördert" gewünscht werde. Ich nehme gern zur Kenntnis, daß die beiden Worte „von
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Fischen und" wieder eingefügt werden sollen. Auch das war mir als ein ausgesprochener Mangel aufgefallen.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Antrag in der vorliegenden Form abzulehnen. Es sind einmal rechtspolitische Bedenken, die wir bei dem Begriff „Qualitätsüberwachung" haben. Es gibt nämlich schon jetzt eine Überwachung, und zwar in gesundheitspolizeilicher Hinsicht auf Grund des Lebensmittelrechts. Soweit nun eine Ware hygienisch nicht in Ordnung ist, besteht für den Käufer einer Ware ohne Zweifel die Möglichkeit des zivilrechtlichen Prozesses und der zivilrechtlichen Beanstandung, der Rückgängigmachung des Geschäfts bzw. der Entschädigung. Wir möchten nicht dafür eintreten, daß dieser zivilrechtliche Akt durch zusätzliche behördliche Überprüfungen erschwert wird. Eine Qualitätsüberwachung über die hygienischen Anforderungen hinaus entspricht nicht unseren Vorstellungen.
Auch vom wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt her haben wir Bedenken, daß auf diese Art und Weise eine zusätzliche Überwachung einer solchen Sparte einsetzt. Ohne Zweifel sind es Überwachungsbefugnisse des Staates. Wir meinen, daß die nun einmal mit dem Fischabsatz verbundenen Schwierigkeiten mit solchen Gewaltmaßnahmen nicht bereinigt werden können.
Deshalb würde ich dem Hohen Hause vorschlagen, den vorliegenden Antrag abzulehnen, wäreallerdings in der Lage, dem Hohen Hause die Annahme vorzuschlagen, wenn das eine Wort „Qualitätsüberwachung" aus dem Änderungsantrag gestrichen würde.
Daß die Behältnisse, in denen Fische aufbewahrt
werden sollen, wieder besonders überwacht werden sollen, ist eine Sache, der wir durchaus zustimmen können.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag würde seinen ganzen Sinn verlieren, wenn wir Ihrem Vorschlag, Herr Struve, auf das Wort „Qualitätsüberwachung" zu verzichten, zustimmten. Wir haben uns im Ausschuß - das haben Sie selbst gesagt - sehr lange und sehr ausgiebig damit beschäftigt, daß die Qualitätsvorschriften in Deutschland den Vergleich mit den anderen Ländern nicht aushalten, und wir waren übereinstimmend der Meinung, daß die Steigerung des Fischabsatzes in allererster Linie eine Qualitätsfrage ist. Wir waren gemeinsam ein bißchen enttäuscht darüber, daß gegen eine Verschärfung der Vorschriften hier so schwerwiegende Bedenken erhoben wurden und Einwendungen auch seitens der Verwaltung gemacht wurden. Wir sind uns alle klar darüber, daß höhere Anforderungen an ein Produkt dem Produzenten natürlich unbequem sind. Wir wissen auch und verschweigen das keinen Augenblick, daß höhere Anforderungen an ein Produkt auch höhere Anforderungen an die Besatzungen stellen würden.
Um hier etwas Nachdruck aufzuwenden, um hier auch der Bundesregierung, ich möchte einmal sagen, den Rücken zu stärken gegenüber den Einwendungen, die zum großen Teil sehr an den Haaren herbeigezogen sind - warum soll bei uns nicht möglich sein, was in anderen Ländern, mit denen
unsere Fischwirtschaft schließlich konkurrieren ( muß, möglich ist! -, haben wir versucht, den § 9 auf diese, wie mir scheint, sehr bescheidene Weise zu ergänzen. Wir können nichts davon zurücknehmen. Wir müssen es Ihnen anheimstellen, ob Sie dem zustimmen oder ob Sie es ablehnen wollen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Struve, habe ich Sie recht verstanden: Sie bringen nicht förmlich den Antrag ein, in dem Änderungsantrag Umdruck 350 Ziffer 3 die drei Worte „über die Qualitätsüberwachung" zu streichen?
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- Die Anregung, gut. Meine Damen und Herren, wenn dazu weiter das Wort nicht gewünscht wird, lasse ich abstimmen über diesen Antrag auf Umdruck 350 Ziffer 3. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, und zwar in der Fassung der Ziffer 3 des Umdrucks 350, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen.? - Meine Damen und Herren, im Vorstand besteht keine Einmütigkeit. Wir kommen zum Hammelsprung.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal schneller zu räumen; wir haben noch eine sehr lange Tagesordnung.
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Abstimmung beginnt.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich mit der Abstimmung zu beeilen. Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Änderungsantrag auf Umdruck 350 zu § 9 Abs. 1, begründet von Frau Abgeordneter Keilhack, haben mit Ja gestimmt 193 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 119 Mitglieder des Hauses. Enthalten haben sich 9 Mitglieder. Der Änderungsantrag zu § 9 ist angenommen.
({3})
- Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch bitte wieder Platz!
Ich frage, ob zu § 9 weiter das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen über den § 9 in der durch die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 350 veränderten Fassung. Wer dem § 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Gegen einige Stimmen angenommen.
Zum Zweiten Abschnitt liegen keine Änderungsanträge vor. Ich setze Ihre Zustimmung voraus und rufe - nach § 83 der Geschäftsordnung verbindend - auf §§ 10, - 11, - 12. - Wer dem Zweiten Abschnitt, also diesen drei Paragraphen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen!
- Gegenprobe! - Die drei Paragraphen sind in der vorliegenden Fassung angenommen..
Ich komme zu § 13. Hier liegt ein Änderungsantrag vor.
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- Ist erledigt; das wollte ich eben sagen. Der Änderungsantrag zu § 13 ist sinngemäß zu § 2 Abs. 2 gestellt und wird deshalb fallengelassen.
({5})
Ich eröffne die Aussprache zu § 13 in der vorliegenden Fassung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 13 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen 2 Stimmen angenommen.
Ich komme zu § 14 und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Wiederum gegen die gleiche Minderheit angenommen.
§ 15, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer dem § 15, Einleitung und Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- § 15, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren abgeschlossen. Ich frage, ob sich Widerspruch gegen die unmittelbar anschließende dritte Beratung erhebt.
- Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz, das nun in dritter Lesung hier ansteht, hat den Bundestag Jahre beschäftigt. Wenn man die wenigen Vorschriften dieses Gesetzes übersieht, versteht man zunächst nicht, warum die beteiligten Ausschüsse so lange Zeit gebraucht haben, um diese Materie entsprechend zu kodifizieren. Und doch ist in dem, was die Ausschüsse in fleißiger Beratung erarbeitet haben, nicht alles enthalten, was notwendig gewesen wäre, um auf dem Fischmarkt die Ordnung zu schaffen, die unbedingt erforderlich ist. Ich befürchte, daß wir in Kürze vor der Notwendigkeit stehen werden, eine Novelle zu diesem Gesetz zu verabschieden, damit wir das Ziel, das sich dieses Gesetz an sich setzen mußte, erreichen.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch auf einen weiteren Gesichtspunkt hinweisen: die Frage des Beitrags zur Fischwerbung. Der Änderungsantrag zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 hat die Große Heringsfischerei beitragspflichtig gemacht. Ich möchte an dieser Stelle zum Ausdruck bringen, daß, wenn - wie der Herr Berichterstatter und der Herr Kollege Dr. Conring zum Ausdruck gebracht haben - die Beiträge der Großen Heringsfischerei in ihrem eigenen Werbeunternehmen nicht angerechnet werden, wir dann mit einer Novelle vor das Haus treten müssen, weil es einfach unzumutbar ist, der Großen Heringsfischerei aufzutragen, daß sie zu allgemeinen Fischwerbungsmaßnahmen noch einen Sonderbeitrag leistet.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache der dritten Lesung und komme zur Abstimmung. Wer dem Gesetz in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Gegen 3 Stimmen und ohne Enthaltungen ist das Gesetz angenommen.
Ich komme zu Punkt 5 der Tagesordnung und rufe auf:
a) Mündliche Berichterstattung des Ausschusses für Petitionen ({0}) gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung, Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Stammberger;
b) Beratung der Ubersicht 11 über Anträge
von Ausschüssen des Deutschen Bundestages
betreffend Petitionen nach dem Stand vom
15. April 1955 ({1}).
Der Herr Berichterstatter Dr. Stammberger ha t das Wort.
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Dr. Stammberger ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, Ihnen im Namen des Petitionsausschusses entsprechend der Bestimmung des § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages über die bisherige Tätigkeit dieses Ausschusses zu berichten. Die Ihnen vorliegenden statistischen Übersichten schließen mit dem ersten Kalendervierteljahr dieses Jahres ab. Da inzwischen ein Monat vergangen ist, bitte ich Sie, zu berücksichtigen, daß augenblicklich die Endsumme der beim Bundestag in der zweiten Wahlperiode eingegangenen Petitionen 12 600 beträgt.
Nach der bisherigen Übung hat der Petitionsausschuß in seinen vierteljährlichen Berichten auch allgemeine und grundsätzliche Fragen des Petitionsrechts erörtert. Eine solche Grundsatzfrage, mit der sich der Ausschuß nach der letzten Berichterstattung befaßt hat, ist das Informationsrecht des Petitionsausschusses gegenüber der Exekutive; denn beim Petitionsausschuß handelt es sich um einen sogenannten exekutiven Ausschuß, d. h. um einen Ausschuß, der sich primär und in der Regel mit Fragen der Kontrolle der Exekutive befaßt.
Das Informationsrecht der Bundesregierung gegenüber den Ländern ist zwar in Art. 84 des Grundgesetzes neben der Entsendung eines Beauftragten, der Mängelrüge, dei Anrufung des Bundesverfassungsgerichts und der Erteilung von Weisungen nicht ausdrücklich aufgeführt. In Art. 85 Abs. 4 Satz 2 des Grundgesetzes ist aber ausdrücklich ein Recht auf Berichterstattung eingeräumt. In der Literatur wird dabei überwiegend die Auffassung vertreten, daß auch eine informatorische schriftliche Befragung und Berichterstattung auf Grund des Art. 84 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes für zulässig erachtet werden müsse. Im übrigen ergibt sich aber das Informationsrecht des Parlaments gegenüber der Exekutive schlechthin aus Art. 43 Abs. 1 des Grundgesetzes; es ergibt sich auch aus der Überlegung, daß zu einer Kontrolle eine Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse unentbehrlich ist. Zum Informationsrecht gehört schließlich selbstverständlich auch ein Diskussionsrecht, um etwa zu erörtern, warum man eine Information im Einzelfall für wichtig hält.
Die Bitten des Petitionsausschusses um Unterrichtung über das Ergebnis von Nachprüfungen von Einzeleingaben bezwecken neben der praktischen Hilfe für den einzelnen Staatsbürger als Petenten, vor allem die Auswirkungen der der({4})
zeitigen Gesetze auf die Praxis kennenzulernen. Daß das Parlament einer derartigen Unterrichtung durch die Bundesregierung und durch die Länder bedarf, um die Erfahrungen der Praxis bei der Entscheidung über die künftige Gestaltung des Bundesrechts berücksichtigen zu können, kann nicht bestritten werden. Von Bund und Ländern wird und muß dem Petitionsausschuß zugestanden werden, daß sie aus den genannten Gründen Auskunft darüber erteilen, wie Einzelfälle erledigt worden sind.
Bei der Frage der Überweisung von Eingaben zur Behandlung in eigener Zuständigkeit an die zuständigen Stellen der Länder ist davon auszugehen, daß dann eine Überweisung erfolgt, wenn sich die Ausführungen des Petenten auf den Vollzug von Bundesgesetzen in landeseigener Verwaltung beziehen. Handelt es sich allerdings bei solchen Petitionen um Dinge, die Veranlassung zur Inanspruchnahme des Informationsrechts des Petitionsausschusses nach näherer Maßgabe der von mir gemachten Ausführungen geben, so werden sie zur Stellungnahme an die Bundesregierung geleitet.
Zur Klarstellung möchte ich folgendes Beispiel anführen. Ein Petent hatte sich wegen einer Entschädigung für einen nach dem Reichsleistungsgesetz erhaltenen und bezahlten Personenkraftwagen, der im Jahre 1952 mit einer Abnutzungssumme von 1100 DM an den Eigentümer zurückgegeben werden mußte, an den Petitionsausschuß gewandt. Der Petent machte mit dieser Eingabe geltend, daß seinem Vater im Zusammenhang mit der Zuweisung eines Personenkraftwagens durch die Straßenverkehrsdirektion in Fürth ein Schaden entstanden sei. Die Petition hätte nur dann an das Land Bayern abgegeben werden müssen, wenn sie im Hinblick auf die darin gemachten Ausführungen allein dahin zu verstehen gewesen wäre, daß der Petent sich nur gegen den Schaden wenden wollte, der seinem Vater auf Grund der Anwendung des bayerischen Landesgesetzes über die Bereinigung von Kraftfahrzeugzuweisungen vom 28. Januar 1950 entstanden sei. Die Petition hätte jedoch über die Bundesregierung an das bayerische Staatsministerium des Innern zur Stellungnahme geleitet werden müssen, wenn in der Eingabe eine unrichtige Anwendung des Reichsleistungsgesetzes durch die zuständige bayerische Verkehrsbehörde anläßlich der Zuweisung des in Rede stehenden Personenkraftwagens im Jahre 1946 gerügt werden sollte. Das bayerische Staatsministerium des Innern wäre alsdann verpflichtet gewesen, zu berichten und den Ausschuß über die Bundesregierung zu informieren. Es hätte sich gegenüber der Bundesregierung nicht darauf berufen können, daß das Land Bayern ein Bundesgesetz als eigene Angelegenheit oder ein Landesgesetz ausführe.
Mit einer besonders wichtigen Frage befaßte sich der Ausschuß in Zusammenhang mit der Petition eines Unfallbeschädigten. Er hatte sich nach Erhalt eines ablehnenden Rentenbescheides nicht mit dem vorgeschriebenen Rechtsmittel an das Oberversicherungsamt, sondern mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt. Obgleich diese Petition noch innerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist beim Bundestag einging, verneinte das Landessozialgericht, daß dadurch das zulässige Rechtsmittel in Lauf gesetzt wurde, da der Petitionsausschuß keine Behörde im Sinne des § 129 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung und des
§ 91 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes sei. Nach der Ansicht des Ausschusses stellt aber das Petitionsbüro eine Behörde im Sinne dieser eben zitierten Vorschriften dar. Das Büro ist als Bestandteil eines Ongans der Legislative eine Einrichtung, 'die mit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung betraut ist. In ihm sind Beamte mit dein Rechten und Pflichten von Bundesbeamten beschäftigt. Es vermittelt den amtlichen Verkehr zwischen dem Bundestag, Behörden und Privatpersonen. Diese Feststellung ist deshalb von Bedeutung, weil dadurch Eingaben, die inhaltlich als Rechtsmittelschrift gewertet werden können und innerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist an den Bundestag gerichtet werden, ein Rechtsmittel in Lauf setzen.
Die gleiche Frage wurde auch vom Reichsversicherungsamt in einem Urteil vorn 27. März 1929 so entschieden. Dort wurde festgestellt, daß Eingaben an den Präsidenten des Reichstags, die innerhalb der Rechtsmittelfrist dort eingingen, als rechtzeitig eingelegte Beschwerde anzusehen seien. Nach einem Schreiben des Herrn Bundesministers für Arbeit vom 5. November 1952 bestehen keine Bedenken, diesen Grundsatz auch auf eine Eingabe an den Petitionsausschuß bzw. das Petitionsbüro des Deutschen Bundestages anzuwenden. In einem Beschluß des Petitionsausschusses in der Sitzung vom 3. Dezember 1952 wurde die gleiche Auffassung vertreten. Es wäre erfreulich, wenn das Bundessozialgericht, das sich auf Grund der vom Antragsteller eingelegten Revision nunmehr mit dieser Frage zu befassen hat, in gleichem Sinne entscheiden würde.
Der Ausschuß hat sich außerdem mit der Frage befaßt, ob ihm bei 'besonders qualifizierten Petitionen das Recht eingeräumt werden sollte, den Petenten persönlich zu hören. In diesem Zusammenhang darf einmal auf die Entwicklung des Petitionsrechts in Amerika hingewiesen werden. Die amerikanische Demokratie hat nämlich das Petitionsrecht in sehr fruchtbarer Weise zu den „public hearings" weiterentwickelt. Diese in Deutschland unbekannte Einrichtung, die man am besten als „Bürgerbefragung in öffentlichen Ausschußsitzungen" bezeichnet, ist ein ausgezeichnetes Mittel, um zwischen Wählern und Gewählten eine ständige Verbindung zu gewährleisten. Sie ermöglicht dem einzelnen, an einer Ausschußsitzung teilzunehmen und dort sein Anliegen selber vorzutragen. Will der Interessierte in einer bestimmten Sitzung gehört werden, dann schreibt er an den Ausschuß und teilt mit, was er vorzutragen beabsichtigt. Der Ausschuß entscheidet dann, ob er den Betreffenden anhören will oder nicht. Diese „public hearings" vor dem Kongreß oder den Ausschüssen seines Hauses geschehen meistens auf Initiative der Ausschüsse selbst, die geeignete Persönlichkeiten zur Teilnahme an ihren Sitzungen einladen. Während in Deutschland nur idle Plenarsitzung öffentlich ist, die Ausschüsse aber nicht öffentlich tagen - mit Ausnahme der in § 73 Abs. 2 der Geschäftsordnung vorgesehenen öffentlichen Informationssitzung, die der nichtöffentlichen Sitzung vorausgehen kann -, tagen in Amerika also auch die Ausschüsse der Volksvertretung sehr häufig in aller Öffentlichkeit. Die Vorteile dieser Einrichtungen für den einzelnen und für das Parlament sind offenkundig. Der einzelne bekommt durch die Teilnahme an den Ausschußsitzungen einen Einblick in die tatsächliche Parlamentsarbeit und durch die Beobachtung dieser Arbeit größeres Verständnis für die Tätigkeit der Volksvertretung. Allen interessierten und be({5})
fähigten Einzelpersonen und Gruppen würde man dadurch den Anreiz geben, ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in den Ausschüssen vorzutragen.
Gegen die Einrichtung öffentlicher Ausschußsitzungen bringt man bei uns immer wieder vor, daß die sach- und termingemäße Arbeit der Ausschüsse darunter leiden würde. Schließlich sieht man in der Zulassung der Öffentlichkeit ein unüberwindbares technisches Problem durch die Raumfrage usw. Diese möglichen Nachteile und technischen Schwierigkeiten sind durchaus zu beheben. Das beste Beispiel liefert die amerikanische Demokratie, wo die Einrichtung der public hearings" das Petitionsrecht zu einem verantwortungsvollen Mitwirkungsrecht, zu einem staatsbürgerlichen Mitbestimmungsrecht gestaltet hat. Diese Aufgabe sollte das Petitionsrecht auch bei uns erfüllen. Die Geschäftsordnung des Bundestages sollte daher für die Sitzungen des Petitionsausschusses die Öffentlichkeit zulassen. Dem Ausschuß sollte sie die Möglichkeit einräumen, den Petenten selber zu hören.
In wie starkem Maße der Staatsbürger von dem Petionsrecht Gebrauch macht, ergibt sich aus den Ihnen vorliegenden Übersichten. Aus der statistischen Übersicht über die den Ausschüssen des Deutschen Bundestages zugewiesenen und erledigten Petitionen bitte ich Sie zu entnehmen, daß in den anderthalb Jahren der 2. Wahlperiode 12 000 Petitionen eingegangen sind. Das ist eine wesentlich höhere Zahl als in der gleichen Zeit der 1. Wahlperiode. Von diesen 12 000 Eingaben konnten bisher 92 % erledigt werden. Der Petitionsausschuß war in der genannten Zeit mit 40,47 % aller Eingaben beteiligt, während die übrigen 36 Fachausschüsse lediglich mit 6,04 %, die Bundesregierung und andere Behörden mit 33,02 %, die Landtage mit 18,80 % beteiligt waren. Von den Fachausschüssen waren in der Hauptsache der Ausschuß für Sozialpolitik, der Ausschuß für Besatzungsfolgen und der Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen beteiligt. Zusammen mit den 27 200 Eingaben der 1. Wahlperiode ist die Gesamtzahl der beim Deutschen Bundestag eingegangenen Petitionen nunmehr 39 200.
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Auf welchen Gebieten das Petitionsrecht besonders in Anspruch genommen wurde und auf welchen Sachgebieten besondere Unzufriedenheit in der Bevölkerung herrscht, zeigt die Ihnen vorliegende Struktur. Hier sind die in der 2. Wahlperiode eingegangenen Petitionen nach ihrem wesentlichen Inhalt festgehalten. In dieser Aufstellung kommt die öffentliche Meinung besonders deutlich zum Ausdruck, sie muß hier als ein soziologisches Faktum gewürdigt werden. An erster Stelle stehen die Ansprüche aus den Sozial-, Privat- und sonstigen Versicherungen. Dann folgen die Ansprüche aus dem Lastenausgleich, an dritter Stelle die des Bau- und Wohnungswesens, dann die der Kriegsopferversorgung und des öffentlichen Dienstes. Den wesentlichen Inhalt ,der übrigen Petitionen bitte ich Sie aus der Struktur entnehmen zu wollen. Darüber hinaus hat der Ausschuß die im letzten Halbjahr, seit Oktober 1954, eingegangenen 3500 Petitionen dahin überprüft, aus welchen Ländern sie jeweils zugegangen sind, und festgestellt, daß 1052 aus dem Land Nordrhein-Westfalen stammen. Dann folgt das Land Niedersachsen mit 531, Bayern mit 457, Baden-Württemberg mit 406. Es folgen schließlich in der Reihenfolge: Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Hessen, Berlin, Bremen, das Ausland und die sowjetisch besetzte Zone.
Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen noch einige Ausführungen darüber mache, was bei der Durchsicht der Vielzahl von Petitionen besonders auffiel. In der letzten Zeit haben sich leider die Eingaben gehäuft, in denen sich Petenten dagegen wenden, daß sie auf ihre Eingaben an oberste Bundesbehörden keinerlei Antwort erhalten.
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In einem Fall wurde festgestellt, daß der betreffende Sachbearbeiter seit längerer Zeit erkrankt war. Die Ausschußmitglieder waren der Auffassung, daß in solchen Fällen eigentlich sichergestellt sein müßte, daß ein Vertreter unverzüglich 'die Bearbeitung vornimmt.
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Außerdem hat der Ausschuß in mehreren Fällen die Beobachtung gemacht, daß Entscheidungen über Rentenbezüge von alten Leuten so schleppend vorgenommen wurden, daß letzten Endes eine Entscheidung nicht mehr getroffen werden konnte, weil der Betreffende bereits verstorben war.
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In einem Fall war es so, daß eine 81jährige Petentin nach der Kapitulation um eine Elternrente von 15 DM kämpfte. Der Petentin war 20 Jahre lang diese Rente für ihren im ersten Weltkrieg gefallenen Sohn gezahlt worden. Als sie 1948 wieder einen Antrag auf Elternrente stellte, wurde dieser 1951, nach rund drei Jahren, abgelehnt. Es wurde zwar die Bedürftigkeit, aber nicht die Ernährereigenschaft des Sohnes anerkannt. Im Rechtsmittelverfahren kam es endlich im September 1954, also sechs Jahre nach ihrer Antragstellung, zu einer Entscheidung des zuständigen Sozialgerichts. Das Sozialgericht hat zwar eindeutig festgestellt, daß die Petentin einen Anspruch auf Elternrente hat und daß das Versicherungsamt bei Bedürftigkeit der Petentin nicht erneut in die Prüfung der Ernährereigenschaft des Sohnes eintreten durfte. Es hat im übrigen die von dem Versicherungsamt geltend gemachten Einwendungen sehr klar und unmißverständlich abgelehnt. Aber 20 Tage nach der Entscheidung starb die Petentin. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hätte es überhaupt nicht zu einem Rechtsmittelverfahren kommen dürfen. Dieser Fall ist ein Beispiel dafür, daß das Versicherungsamt versagt hat. Der Ausschuß hat seine Meinung dem Herrn Bundesminister für Arbeit gegenüber zum Ausdruck gebracht und verlangt, daß über Ansprüche von älteren Leuten beschleunigt entschieden wird.
In einem anderen Fall handelte es sich um die Behandlung von aus dem Ausland übergetretenen Hilfsbedürftigen in der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Der Petent hatte sich in der Zeit von 1945 bis 1947 als Diplomingenieur vergeblich in der Bundesrepublik um eine Anstellung beworben. Darauf schloß er einen Spezialistenvertrag ab und arbeitete von 1947 bis 1951 als deutscher Fachingenieur in Jugoslawien. 1951 verließ er Jugoslawien, da er dem dortigen System ablehnend gegenüberstand. Darauf wurde er in der Bundesrepublik als „aus dem Ausland übergetretener Hilfsbedürftiger" registriert, weil er im Bezirk des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen ansässig wurde. In diesem Bezirk wurde aber noch ein Er({10})
laß des Reichsministers des Innern und des Reichsministers für Arbeit vom 23. Dezember 1939 beachtet. Danach hätten aus dem Ausland übergetretene Deutsche, obwohl sie vorher bei ihrem Aufenthalt in Deutschland Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hatten, keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Dieser Fall hatte bei den Bundesministern für Arbeit, des Innern und der Justiz einen regen Schriftwechsel hervorgerufen. Im Ergebnis wurden sich die Minister darüber einig, daß die Erlasse der NS- Minister als hinfällig angesehen werden müßten. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen wurde durch Erlaß vom 18. Januar 1955 angewiesen, den Petenten beschleunigt klaglos zu stellen - wörtlich hieß es dann weiter: -, „und zwar ohne Rücksicht auf das laufende Sozialgerichtsverfahren, dessen Weiterführung nur unnötige Kosten verursachen würde." Der Ausschuß war über eine solche Einsicht des Bundesministeriums sehr erfreut.
({11}) - Ich nehme das gern zur Kenntnis.
Die Liste der Fälle, in denen durch das Eingreifen des Ausschusses eine positive Erledigung erreicht wurde, ließe sich beliebig fortsetzen. In vielen Fällen ist die Bundesregierung durch die Diskussion im Ausschuß zu einer anderen, für den Petenten günstigen Regelung veranlaßt worden. Vielfach haben diese Diskussionen, vor allen Dingen die Diskussionen mit den Regierungsvertretern, zu einem Niederschlag in Gesetzen oder Verordnungen, zur Abfassung von Rundschreiben und zu Erlassen ,an die Länder geführt. Die Resonanz, die das tatkräftige Eingreifen des Ausschusses in die Verwaltung gefunden hat, ist beachtlich. Gerade in der letzten Zeit häufen sich die Zuschriften, in denen das große Vertrauen zu der sachlichen und objektiven Arbeit des Ausschusses zum Ausdruck kommt. Ich möchte darauf verzichten, Ihnen hierzu einige Beispiele wörtlich zu zitieren. Jedenfalls bin ich der Ansicht, daß die Tätigkeit des Ausschusses in ständig steigendem Maße 'dazu beiträgt, eine unmittelbare Fühlungnahme mit unserem Volk und eine echte Verbindung zwischen Staatsbürger und Parlament zu schaffen.
Zum Schluß erlauben Sie mir noch eine persönliche Bemerkung. Es ist bedauerlich, daß die Arbeit des Petitionsausschusses im Hause selbst nicht genügend gewürdigt wird. In meiner anderthalbjährigen Tätigkeit im Petitionsausschuß habe ich jedenfalls die Erfahrung gemacht, daß es für mich ein Gewinn ist, im Petitionsausschuß mitarbeiten zu können. In keinem anderen Ausschuß kann man die Auswirkungen der Parlamentsarbeit in der Praxis so gut verfolgen wie im Petitionsausschuß. Die Bereicherungen des persönlichen Wissens durch die fundierten und zum Teil ausgezeichneten Berichte, die durch die Fachreferenten der Bundesregierung im Ausschuß vorgelegt werden, sind für mich von unschätzbarem Wert gewesen. In weiten Kreisen des Volkes ist der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages zu einem feststehenden Begriff geworden, weil man weiß, daß die Eingaben sehr oft zu einem befriedigenden Erfolg geführt haben. In der breitesten Öffentlichkeit haben sich Erfolge, von denen Eingaben an den Petitionsausschuß begleitet waren, herumgesprochen. Im Bundestag und bei der Bundesregierung ist diese Meinung noch nicht genügend vertreten; denn sonst würde seiner Arbeit mehr Aufmerksamkeit geschenkt und seinen Anregungen in größerem Umfang entsprochen werden.
Meine Damen und Herren, entsprechend der Drucksache 1338 beantrage ich, den Anträgen des Petitionsausschusses, die Sie in der Übersicht 11 aufgezeichnet finden, zuzustimmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Herr Abgeordneter Arnholz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat uns unter den Beispielen eines angeführt, bei dem einer alten Frau die positive Entscheidung über die Gewährung der Elternrente erst vier Wochen vor ihrem Tode übermittelt worden ist. Er hat betont, daß die Gewährung der Rente auf Grund einer offenbar unrichtigen Auslegung des Gesetzes so lange hinausgezögert warden ist. Mich interessiert die Frage, was mit denjenigen geschehen ist, die an dieser unrichtigen Auslegung des Gesetzes schuldig sind und die damit daran schuld sind, daß einer alten Frau so lange ihre Bezüge vorenthalten warden sind. Es wäre wichtig, das einmal klarzustellen; denn diejenigen, die Gesetze auszulegen und anzuwenden haben, Sind dafür verantwortlich, daß sie sie so auslegen, daß nicht Unrecht geschieht.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 1338 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Geiger ({1}), Elsner und Genossen betreffend Vorschriften über die Düngung von Obst und Gemüse ({2}),
und teile dem Hause mit, daß durch interfraktionelle Vereinbarung die Drucksache 702 zusammen mit dem Ausschußbericht an den zuständigen Ausschuß, nämlich an den Gesundheitsausschuß, zurückverwiesen wenden soll. Das Haus ist damit einverstanden? - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Dr. Bartram, Geiger ({3}), Elsner, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst ({4}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Geiger zur Begründung.
Geiger ({5}) ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Begründung des vorliegenden Antrages habe ich heute zu einer Materie zu sprechen, mit der sich der Bundestag bisher ,gesetzgeberisch noch nicht befaßt hat. Beinahe für alle von uns stellt dieser
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Fragenkomplex etwas vollkommen Neues dar. Das ist auch der Grund, warum die Antragsteller eine Begründung ihres Antrags gewünscht haben.
Ich darf vorausschicken, daß der Antrag von Mitgliedern der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaft gestellt worden ist. Diese Arbeitsgemeinschaft hat zwar schon seit längerem die Unterlagen zu diesem ganzen Komplex gesammelt, aber der eigentliche Anlaß des vorliegenden Antrags war ein Presseinterview, das unser verehrter Kollege Fritz Erler vor einiger Zeit gegeben hat und das am ausführlichsten in der „Welt" unid im „Münchner Merkur" wiedergegeben wurde. Kollege Erler verlangte einen möglichst sicheren Schutz vor Folgen der Strahlung radioaktiver Substanzen. Er hat von Anfang an den Standpunkt vertreten, daß es sich hier um eine ernste Frage handele, die man auf jeden Fall interfraktionell behandeln sollte und keinesfalls parteipolitisch sehen dürfe.
Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft hat im Anschluß an diese Presseverlautbarungen eine Besprechung in engstem Kreise im Bundeshaus angesetzt, bei der Herr Kollege Dr. Schuberth wertvolle Anregungen gab. Direkt im Anschluß an diese Besprechung Ist der vorliegende Gesetzentwurf ausgearbeitet worden. Mit ihm soll erreicht werden, daß es in Zukunft zu den Aufgaben des Deutschen Wetterdienstes gehört, die Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen und deren Verfrachtung zu überwachen. Der vorliegende Antrag ist nicht nur von Abgeordneten aller Fraktionen, sondern auch von den Fraktionen insgesamt unterschrieben worden. Die Presse hat diese Tatsache besonders herausgestellt.
Im Namen der Antragsteller will ich nun nicht auf die Fragen der Nutzung der Atomkraft für Energiezwecke, nicht auf die schädlichen Folgen der radioaktiven Strahlungen ganz allgemein und nicht auf die Bedeutung der Forschung in dieser Hinsicht eingehen, sondern mich bewußt auf die radioaktiven Beimengungen in der Atmosphäre und die Notwendigkeit der Überwachung beschränken.
Es Ist auch nicht meine Aufgabe, hier zu untersuchen, welche Staaten und welche Ursachen die Veranlassung geben, daß die Atmosphäre in steigendem Maße mit radioaktiver Substanz belastet wird. Es ist der 'deutschen Bundesrepublik nicht möglich, diese äußeren Einflüsse abzustellen oder einzuschränken. Wir müssen immer wieder damit rechnen, daß solche radioaktiven Ausbruchswolken in den Bereich der Bundesrepublik einziehen. Deshalb besteht nach Ansicht der Antragsteller auch für den Gesetzgeber die Verpflichtung, hier Vorkehrungen zu treffen.
Die zahlreichen Veröffentlichungen in der Presse, die eine gewisse Beunruhigungswelle ausgelöst haben, wurden nicht durch unseren Antrag verursacht, sondern durch die allgemeine Unruhe auf der ganzen Welt. Wir dürfen uns deshalb nicht scheuen, hier ganz offen über diese Fragen zu sprechen. Das Volk will wissen, daß das Parlament etwas tut, und es will wissen, was besonders in dieser Frage getan werden kann.
Bei dem vorliegenden Entwurf handelt es sich nur um eine Teilmaßnahme, die ergriffen werden muß. Wir sind der Ansicht, daß dieser Schritt sofort getan werden kann. Gemeinsam mit der Wissenschaft werden wir dadurch Erfahrungen sammeln, um auch die Aufgaben auf den anderen Teilgebieten dieses sehr schwierigen Problems einer Lösung näherzubringen. Die in der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Mitglieder dieses Hauses vertreten die Ansicht, daß wir durch eine offene Aussprache eine Beruhigung im Volk herbeiführen. Die Bevölkerung sieht dann, daß der Gesetzgeber tut, was er tun kann.
Der vorliegende Antrag wurde nun nicht gestellt, weil wir meinen, das Wetter würde durch Atomexplosionen beeinflußt. Die Wissenschaft ist ziemlich klar zu dem Ergebnis gekommen, daß nicht durch die Radioaktivität an sich, sondern lediglich über die M die Atmosphäre geschleuderten kleinsten Teilchen eine Beeinflussung überhaupt denkbar wäre. Ähnliche Vorgänge sind uns ja schon durch den großen Vulkanausbruch des Krakatau um Jahre 1883 bekannt; aber direkte Folgeerscheinungen in dieser Hinsicht sind bisher noch nicht wissenschaftlich bewiesen worden. Von einer Beeinflussung des Großklimas, von der vielfach gesprochen wird, kann bestimmt nicht die Rede sein.
Einwandfrei steht fest, daß radioaktive Produkte in mehr oder weniger fein verteilter Form in die Atmosphäre gelangen, wobei die leichten Teile als Schwebestoffe mit den Luftströmungen auf weite Strecken weggeführt werden können. Die Radioaktivität solcher Schwaden vermindert sich allmählich durch Absinken der Teilchen, durch Zerreißung der Schwaden infolge Windströmungen und durch den Aktivitätsabfall. Eine solche Wolke, von der am 12. März 1955 in der Presse berichtet wurde, hatte in 3000 m Höhe eine Ausdehnung von etwa 1500 km in der Länge und 300 km in der Breite. Sie zog, wie das Wetteramt in Washington bekanntgab, von der amerikanischen Atlantikküste in Richtung Europa und Nordafrika. Nach drei Tagen meldete der Leiter der Forschungsabteilung der schwedischen Streitkräfte, Dr. Magnusson, daß Wolkenteile nach Schweden getrieben worden seien. In Freiburg im Breisgau, in Heidelberg und auch hier in Bonn hat man nach 6 bis 12 Tagen, wenn auch nur relativ schwache, so doch immerhin meßbare künstliche Radioaktivität festgestellt, also Radioaktivität, die nicht von der kosmischen Strahlung herrührt. Es hängt ganz von den Strömungs-
und Niederschlagsverhältnissen in der Atmosphäre ab, wann, wo und mit welcher Intensität diese radioaktiven Stoffe wieder zur Erdoberfläche zurückgelangen. Der Wissenschaftliche Beirat des Deutschen Wetterdienstes ist überzeugt, daß alle Orte der Erdoberfläche von radioaktiven Zerfallsprodukten hoher Konzentration verseucht werden können. Daß diese Auffassung zu Recht besteht, zeigen bereits eingetretene Schädigungen in Japan, da ganz offensichtlich die verantwortlichen Wissenschaftler über den räumlichen Umfang der radioaktiven Verseuchung keine zutreffende Vorstellung hatten. Die Gefährlichkeit dieser radioaktiven Verseuchung der Luft ergibt sich auch daraus, daß der Beginn der letzten Versuchsreihe nach Pressemeldungen mehrfach wegen ungünstiger Windrichtung verschoben werden mußte. Die Meteorologische Gesellschaft Japans hat mit großer Eindringlichkeit auf die Gefahr der radioaktiven Verseuchung der Atmosphäre und die dadurch eintretenden biologischen Schäden hingewiesen.
Bei der Langlebigkeit wichtiger Zerfallsprodukte werden die Menschen nicht nur durch die radioaktive Verseuchung der Luft selbst bedroht, sondern auch durch die Vergiftung gefährdet, die
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der Boden, die Wasserflächen, die Vegetation und damit die landwirtschaftlichen und die Fischereierzeugnisse infolge der Ablagerung der radioaktiven Stoffe erfahren. Ich glaube, ich muß auf die Schäden, die infolge dieser Vorkommnisse eintreten können, nicht im einzelnen eingehen. Maßgebliche Wissenschaftler haben die Auswirkungen auf die Atmungsorgane, auf das Blutbild und auf den gefährdeten Nachwuchs usw. in zahlreichen Presseveröffentlichungen klar und deutlich genug dargelegt. Es ist eine Tatsache, daß gewisse Schädigungen an Erbanlagen beim Menschen erst nach mehreren Generationen, d. h. nach 100 bis 200 Jahren auftreten.
Wir sind nicht das erste Parlament, das sich mit diesen Fragen befaßt. Ich möchte nur an die diesbezügliche Debatte im britischen Unterhaus im vergangenen Jahr erinnern. Der kanadische Gesundheitsminister Martin hat erklärt, in letzter Zeit sei ein leichtes, aber durchaus wahrnehmbares Ansteigen der Radioaktivität der Atmosphäre festzustellen gewesen. Allerdings sei es nach den wissenschaftlichen Unterlagen noch äußerst unwahrscheinlich, daß diese gestiegene Radioaktivität zu irgendwelchen biologischen Schädigungen führen könne. Eine offiziöse amerikanische Zeitschrift schrieb am 25. März 1955 beschwichtigend, noch nirgendwo hätten die radioaktiven Ausbruchswolken bisher Strahlungsdosen von 0,01 Röntgeneinheiten überschritten. Der internationale Ausschuß für Strahlenschutz hat festgelegt, daß 0,25 Röntgeneinheiten die höchste zulässige Dosis bei ständiger Bestrahlung ist; allerdings dürften die Geschlechts- und Fortpflanzungsorgane nur einem Zehntel dieser Strahlungsmengen ausgesetzt sein, das sind 0,025 Röntgeneinheiten, also nur das zweieinhalbfache der Menge, die bisher in radioaktiven Ausbruchswolken gemessen wurde. Das zeigt, daß die an den entfernten Punkten der Erdhülle gemessene Radioaktivität in die Nähe der höchstzulässigen Dosen für die Dauerbestrahlung kommt. Nach bisherigen Schätzungen sind erst etwa 65 Atomversuche unternommen worden, die eine Beeinflussung der Radioaktivität der Atmosphäre darstellen.
Die beste Voraussetzung für einen Schutz vor diesen Gefahren ist die Errichtung eines sicher und schnell arbeitenden Warndienstes. Was haben nun andere Länder in dieser Hinsicht getan? Ich darf es hier aufführen.
In den Vereinigten Staaten wurde ein weitmaschiges Stationsnetz zur Überwachung der Radioaktivität der Niederschläge und der bodennahen Luft eingerichtet. Es wurden einige Ergebnisse veröffentlicht. Die bei diesen Versuchen entstehenden Staubwolken werden mit speziell ausgerüsteten Flugzeugen und motorisierten Einheiten am Boden verfolgt. Nähere Einzelheiten sind nicht bekannt.
Auch in Frankreich werden Spezialflugzeuge zur Verfolgung dieser Wolken eingesetzt. Die Einrichtung eines Stationsnetzes zur Überwachung der Atmosphäre wird zur Zeit diskutiert.
In Belgien und in Holland werden Pläne zur Überwachung der radioaktiven Zerfallsprodukte in der Luft vorbereitet.
Über die sicher umfangreichen japanischen Untersuchungen sind nur wenige Einzelangaben erhältlich. Ähnliches gilt hinsichtlich der einschlägigen britischen Veröffentlichungen. Über die russischen Untersuchungen ist bisher nichts bekannt.
Bei Diskussion über den Bau eines Reaktors in der Schweiz wurde beachtenswerterweise geltend gemacht, in erster Linie solle es sich in der Schweiz darum handeln, die Möglichkeiten des Schutzes gegen eine Verseuchung der Luft zu erforschen.
Auch die Weltgesundheitsorganisation hat sich mit dieser Angelegenheit schon befaßt und ihre Mitgliedstaaten gebeten, dieser Frage ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Vom Deutschen Wetterdienst werden die zugänglichen Veröffentlichungen der letzten Jahre systematisch verfolgt und studiert. Ebenso wurde in letzter Zeit vom Deutschen Wetterdienst Verbindung mit ausländischen Experten, insbesondere mit den Wetterdienstbüros der Vereinigten Staaten, aufgenommen.
Die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft hat sich, bevor wir diesen Antrag eingereicht haben, eingehend darüber informieren lassen, was nun in dieser Richtung bei uns getan werden müßte. Eine Überwachung ist durch folgende Messungen möglich: a) durch die Messurg der Radioaktivität der Niederschläge, b) durch Messung der Radioaktivität der Lauf dem Erdboden abgelagerten Teilchen, c) durch Messung der Radioaktivität der bodennahen Luft Lund d) durch Messung der Radioaktivität der freien Atmosphäre. Die Messungen zu a bis c lassen sich in einem Netz von Beobachtungsstationen durchführen, an denen die Niederschlags-, Ablagerungs- und Luftproben sofort mit Hilfe von Geigerzählrohren untersucht werden können.
Ich darf hier, damit keine Verwechselung eintritt, bemerken, daß ich in keiner Weise an der Erfindung des Geigerzählrohrs beteiligt gewesen bin.
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Die Ergebnisse könnten auf dem wetterdiensteigenen Fernschreibernetz schnellstens einer Zentralstelle zugeleitet werden.
Für die Messungen der Radioaktivität der freien Atmosphäre werden in den verschiedenen Staaten bisher Flugzeuge mit spezieller Ausrüstung verwendet. Nach Lage der Dinge wird man für diesen Zweck bei uns frei fliegende Ballone verwenden müssen. Die Fachleute sind sich darüber einig, daß für diese Kontrolle der hohen Atmosphärenschichten ein verhältnismäßig weitmaschiges Netz ausreichend ist.
Die genannten Messungen über dem Bundesgebiet werden zweckmäßig vom Deutschen Wetterdienst und den bereits bestehenden Beobachtungsstationen der Bundespost durchgeführt, während mit der organisatorischen Seite und mit der Auswertung am besten der Deutsche Wetterdienst allein beauftragt wird. Für diesen Vorschlag sprechen vor allem folgende Gründe: Erstens: Der Wetterdienst besitzt ein Netz von Beobachtungsstationen, das in ziemlicher Dichte das gesamte Gebiet der Bundesrepublik überzieht. Zweitens: Der Deutsche Wetterdienst unterhält im Bundesgebiet einschließlich Berlin 7 aerologische Stationen, die mit Hilfe frei fliegender Ballone die Wind-, Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse der freien Atmosphäre überwachen.
Drittens: Das Personal des Wetterdienstes, das in der physikalisch-meteorologischen Meßtechnik geschult ist, kann verhältnismäßig leicht auch mit den
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radioaktiven Meßmethoden vertraut gemacht werden.
Viertens: Der Wetterdienst besitzt in dem wetterdiensteigenen Fernschreibernetz ein sicher und schnell arbeitendes Nachrichtenmittel.
Fünftens: Die wichtige Frage nach der Verfrachtung der radioaktiven Beimengungen der Atmosphäre kann nur vom Wetterdienst beantwortet werden.
Es ist uns bekannt, daß bereits der Vorschlag gemacht worden ist, die Überwachung der Atmosphäre doch irgendeiner internationalen Organisation zu übergeben. Die Antragsteller sind aber der Ansicht, daß dies nicht zweckmäßig und nicht möglich ist, weil dann eben diese internationale Organisation im deutschen Bundesgebiet eine Reihe solcher Stationen, wie sie der Deutsche Wetterdienst bereits hat, einrichten müßte.
Die Kosten für die erstmalige Einrichtung und für den laufenden Betrieb der Überwachungsstationen sind aller Voraussicht nach erheblich. Diese Mittel müssen jedoch aufgebracht werden als ein unumgänglicher Tribut an das heraufziehende Atomzeitalter. Für die an den festen Bodenstationen anzustellenden Messungen gibt es bereits eine Meßapparatur zum Preise von etwa 35 000 eine Kraft für die Messungen erfordert. Da sich die Messungen täglich über 24 Stunden erstrecken Messungen täglich über 24 Stunden erstrecken müßten, wären für jede Station zusätzlich mindestens drei Kräfte notwendig. Urlaub, Sonn- und Feiertage sowie Krankheitszeiten werden dabei von dem bereits vorhandenen Personal der Wetterwarten überbrückt werden können.
Für eine hinreichende Überwachung der bodennahen Luftschichten im Bundesgebiet dürften eigentlich etwa 50 Stationen erforderlich sein. Für ein solches Netz ergäbe sich nach dem eben Gesagten ein erheblicher Personalbedarf. Dieser Bedarf wird wesentlich gesenkt werden können, wenn es gelingt, die bisher angewandten Meßmethoden durch vollkommen selbsttätige fortlaufende Registrierungen der Radioaktivität zu ersetzen. Hierfür sind jedoch entsprechende Forschungs- und Entwicklungsarbeiten notwendig. Eine geeignete Apparatur für die Radioaktivitätsmessungen in der freien Atmosphäre mittels freifliegender Ballone gibt es noch nicht. Sie muß ebenfalls erst entwickelt werden. Für die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist zusätzliches Personal notwendig, ebenso für die Überwachung der eingesetzten Meßgeräte durch die beiden Instrumentenämter des Deutschen Wetterdienstes.
Nach Lage der Dinge kann der Aufbau des Überwachungsdienstes nur schrittweise erfolgen. Zunächst wird man sich zweckmäßig auf etwa zehn Meßstationen am Boden beschränken und daneben die Radioaktivitätsmessungen in der freien Atmosphäre in Gang bringen. Hierfür wären dann laufend für neu einzustellendes Personal, nämlich für einen wissenschaftlichen Angestellten der Vergütungsgruppe II TO. A, für drei wissenschaftliche Angestellte der Vergütungsgruppe III TO. A und für 37 Angestellte der Vergütungsgruppe VII TO .A, zusammen 240 000 DM und an jährlichen Betriebskosten dazu noch schätzungsweise 210 000 DM, also insgesamt an laufenden personellen und Betriebskosten 450 000 DM jährlich erforderlich. Das wären also die jährlichen Kosten.
Nun die einmaligen Kosten. Die Gerätebeschaffung für die Bodienmeßstationen erfordert rund 350 000 DM. Die Entwicklung und Beschaffung der Geräte zu Messungen in der freien Atmosphäre erfordern einmalig Mittel in Höhe von 150 000 DM. Zusammen also 500 000 DM einmalig. Diese genannten Beträge müßten noch in den Haushalt 1955 eingestellt werden, und zwar unter Kap. 14 des Einzelplans XII, nämlich des Bundesverkehrsministeriums.
({11})
Ich komme nunmehr zum Schluß meiner Ausführungen. Ich glaube doch betonen zu können, daß ein Betrag von 450 000 DM jährlich und ein einmaliger Betrag von 500 000 DM für diesen Zweck gar nicht zu hoch sind, wenn man sich vor Augen hält, was gegebenenfalls geschehen könnte. Die Antragsteller haben ursprünglich eigentlich damit gerechnet, Ihnen einen noch wesentlich höheren Kostenbetrag nennen zu müssen. Die Beträge sind nur deshalb so relativ niedrig, weil, wie ich schon ausführte, der Deutsche Wetterdienst eine große Anzahl von Einrichtungen bereits besitzt, die man auch für diese neue Aufgabe mitverwenden kann.
Mit dem Fortschreiten der Entwicklung der Menschheit muß nun auch der Gesetzgeber die Aufgaben der bestehenden Einrichtungen erweitern. Hier ist ein typischer Fall einer solchen zwangsweisen Entwicklung. Ich möchte daher im Namen der Antragsteller die Mitglieder des Hohen Hauses bitten, sich dem vorliegenden Antrag nicht zu verschließen. Es geht doch hier um die Sicherheit, um die Gesundheit der Bevölkerung, aber iauch um die Wirtschaft, die Landwirtschaft und das Gewerbe, die Industrie ganz allgemein. Der Bundestag muß ' die ernste Mahnung der Wissenschaft aufgreifen. Wir, die Antragsteller, glauben, daß man in diesem Fall möglichst schnell vorgehen sollte. Der Staatsbürger verlangt von einer gut funktionierenden demokratischen Staatsführung, daß sie sich schnell den neuen Gegebenheiten anpaßt.
Daß wir das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst entsprechend unserem Antrag Drucksache 1223 ändern müssen, ist wohl unbestritten. Darüber dürfte es eigentlich keine Meinungsverschiedenheiten geben. Anderer Ansicht kann man natürlich darüber sein, inwiefern unsere Berechnungen hinsichtlich der Kasten zutreffen. Aber die Kostenfrage wird mit diesem Antrag nicht geregelt. Man wird sie bei der Behandlung des Haushaltsplans des Deutschen Wetterdienstes mitbesprechen müssen. Die Antragsteller sind dementsprechend der Ansicht, man sollte, wenn es über idle Tatsache, daß man den Deutschen Wetterdienst mit dieser Aufgabe betrauen muß, keinen Zweifel gibt, dafür Sorge tragen, daß der Entwurf schnellstens verabschiedet wird; sonst kann der Haushaltsausschuß bei den Etatberatungen diese neuen Dinge wieder nicht mitbesprechen.
Es handelt sich hier um einen Antrag, der von allen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben ist. Sicherlich wäre es ein gutes Zeichen für das Funktionieren unseres parlamentarischen Apparates, wenn wir dieser ersten Lesung in möglichst kurzer Zeit die zweite und die dritte Lesung folgen ließen. Ich möchte das Hohe Haus bitten, sich dieser Ansicht anzuschließen und den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen..
({12})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Herrn Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der für den zivilen 'Bevölkerungsschutz zuständige Minister darf ich mir erlauben, einige Anmerkungen und Ergänzungen vorzutragen.
Das Bundesministerium des Innern steht schon seit dem Jahre 1953 mit Kernphysikern in engster Verbindung, um Untersuchungen der radioaktiven Wirkung nach Atombombenversuchen des Auslandes innerhalb des deutschen Raums durchzuführen. Es liegen bereits eine Reihe von Meßergebnissen vor, aus denen hervorgeht, daß die in der Bundesrepublik festgestellten Mengen an radioaktiven Niederschlagsteilchen bislang im Bereich der biologischen Toleranzen liegen.
Die in den Vereinigten Staaten festgestellten Mengen an radioaktiven Niederschlagsteilchen liegen nach den bisherigen Messungen ebenfalls unterhalb der biologischen Toleranzgrenze. Trotz der bisher noch günstigen Ergebnisse der Untersuchungen erweist es sich aber als unbedingt notwendig, die Arbeiten über die Kontrolle der in Deutschland nach ausländischen Atombombendetonationen anfallenden radioaktiven Niederschläge fortzusetzen und zu intensivieren.
Das Bundesministerium des Innern hat daher der Forschungsstätte der Universität Freiburg auf dem Schauinsland zur weiteren Durchführung der Beobachtungen und Forschungen Mittel zur Verfügung gestellt. Neuerdings wurden auch für den Ausbau der für den gleichen Zweck durchzuführenden Untersuchungsverfahren bei den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Bonn Mittel in Aussicht gestellt.
Das Bundesministerium des Innern steht außerdem mit dem für den Deutschen Wetterdienst zuständigen Bundesminister für Verkehr und der Bundesanstalt Deutscher Wetterdienst in enger Verbindung, um die bisherigen Verfahren, die Atmosphäre auf radioaktive Beimengungen und deren Verfrachtung zu überwachen, und deren Ergebnisse mit den vom Deutschen Wetterdienst auszuführenden Arbeiten auf einen Nenner zu bringen.
Abgesehen von einer ständigen' Überwachung aus Gründen der Volksgesundheit ist die weitere Kontrolle für den Ausbau technischer und organisatorischer Luftschutzmaßnahmen, d. h. für die radiologische Verteidigung, unbedingt notwendig. Vielleicht darf ich mir aus diesen Gründen die Anregung erlauben, bei den Beratungen über diesen Gesetzentwurf zu prüfen, ob man die dort vorgesehenen Aufgaben nicht von vornherein in Verbindung mit der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz bringen sollte.
Im übrigen darf ich den Entwurf sehr befürworten.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruhnke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt den Gesetzentwurf und begrüßt die Initiative, die er enthält. Die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers haben uns sehr interessiert. Auch wir sind der Auffassung, daß hier etwas geschehen muß. In dieser Frage arbeiten nämlich wieder, wie uns bekannt ist, drei Ministerien nebeneinander, und zwar idas Innenministerium, das Wirtschaftsministerium und das Verkehrsministerium. Es ist, glaube ich, dringend notwendig, daß hier eine Koordination erfolgt, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß es so ähnlich geht wie mit dem Wasser.
({0}) Darauf möchte ich besonders hinweisen.
Bei den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers taucht auch eine andere Frage auf, die ich sowieso behandeln wollte. Ich muß da zunächst etwas ausholen. Dies ist ja nicht das erste Gesetz dieser Art, das wir hier im Bundestag behandeln. Wir haben hier schon einmal ein Gesetz behandelt, das sehr still und ruhig über die Bühne gegangen ist, das aber eine sehr große Bedeutung hatte, nämlich das Gesetz betreffend das Abkommen vom 1. Juli 1953 über die Errichtung einer Europäischen Organisation für kernphysikalische Forschung. Ich glaube, das war der Anfang; denn diese Organisation hat die Zusammenarbeit bestimmter Staaten, allerdings mit Ausnahme von Amerika und Rußland, bei der rein wissenschaftlichen Forschung und Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Kernphysik sowie der hiermit wesentlich zusammenhängenden Fragen zum Ziele. Wir haben bisher noch nichts über die Ergebnisse hören können und glauben auch, daß das bei der außerordentlich schwierigen wissenschaftlichen Arbeit, die hier zu leisten ist, noch gar nicht möglich war. Aber diese Organisation befaßt sich nicht mit den Arbeiten für militärische Zwecke, sondern nur für den zivilen Bedarf, und sie hat auch ein internationales Laboratorium für Forschung errichtet. Interessant ist, daß ein Austausch von wissenschaftlichen und technischen Informationen stattfindet. Ich glaube, es wäre sehr von Interesse, wenn wir später hören könnten, wie weit diese Dinge dort angelaufen sind.
Nun, meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der Vortrag von Professor Hahn, der vor nicht langer Zeit gehalten worden ist, außerordentliches Aufsehen erregt hat. Ich stimme dem Herrn Vorredner völlig zu, daß man diese Fragen ja nicht unterdrücken, sondern in aller Offenheit behandeln soll, damit Beruhigung in der Bevölkerung eintritt. Bei diesem Vortrag hatte man den Eindruck und erkannte, daß in der wissenschaftlichen Erforschung der radioaktiven Rückstände noch eine ungeheure Lücke besteht, die unbedingt geschlossen werden muß.
Nun hat ja seit der berühmten Erfindung Professor Hahns im Jahre 1938, der Kernspaltung, die Atomfrage eine geradezu rasante Entwicklung genommen, eine Entwicklung, die wohl kein Mensch und auch kein Wissenschaftler ahnen konnte. Es ist hier etwas geschehen, was die Frage doch in eine sehr ernste Richtung hineingedrängt hat: daß, ich möchte sagen, die Technik diesen wunderbaren und gewaltigen Brocken der Wissenschaft weggenommen und nun angefangen hat zu bauen, zu produzieren, ohne daß die Grundlagenforschung beendet war. Das sind die Dinge, um die es sich im Augenblick dreht. Es gibt nämlich radioaktive Rückstände, die völlig ungeklärt sind, es gibt sogenannte Spaltungsabfälle oder Kernschlacken oder Atom-Müll, mit dem man nichts anzufangen weiß. Hier ist die gewaltige Lücke, die die Wissenschaft noch füllen muß. Wenn wir von all den Ver({1})
suchen in Amerika hören, von dem Aschenregen, von der Vergiftung des Wassers und dem radioaktiven Regen und von der Beeinflussung des Wetters - nun, meine Damen und Herren, diese Dinge sind wissenschaftlich einfach noch nicht bis zum letzten geklärt. Es ist auch einfach nicht wahr, daß diese Dinge in bezug auf die Wirkung auf den Menschen, auf das Individuum, auf die Pflanzen usw. usw. geklärt wären. Daß erbliche Veränderungen eintreten, hat der Herr Vorredner schon erwähnt, genetische Schäden ebenfalls. Aber es ist doch sehr interessant, daß eine Atomwolke ja nicht Tausende, sondern vielleicht Millionen von Menschen bestrahlt und daß bisher wissenschaftlich noch nicht erwiesen ist, wieweit diese Bestrahlung für das Individuum schädlich ist. Denn die Höhe der schädlichen Dosierung ist überhaupt nicht bekannt. Und es ist ja ganz klar, daß die Menschheit sich an die Strahlenumwelt seit ewigen Zeiten gewöhnt hat und daß wir gerade seit ungefähr 50 bis 60 Jahren eine neue Strahlenumwelt haben, die sich verstärkt hat und deren Wirkung überhaupt noch nicht abzusehen ist. Hier hat die Wissenschaft also noch eine erhebliche Arbeit zu leisten, um die Dinge überhaupt zu klären. Es ist erfreulich, daß es schon einzelne Institute, Korporationen und Institutionen gibt, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Wenn z. B. beim Verein Deutscher Ingenieure ein Ausschuß für Atomtechnik unter Beteiligung zahlreicher Verbände gegründet ist, nun, so kann man sich darüber freuen. Um eine Forschungsstelle allerdings handelt es sich hier nicht. Wir haben auch einmal gehört, daß die Industrie eine Forschungsstelle gründen will oder daß dort eine besteht. Uns fehlen aber die Unterlagen dafür.
Aber wir haben eine Forschungsstelle, und ich habe mich gewundert, daß der Herr Bundesinnenminister davon nicht gesprochen hat: eine Forschungsstelle bei der Max-Planck-Gesellschaft. Ich glaube, daß da die Heimstätte der großen Forschung in dieser Frage ist. Bei allen diesen Problemen, die wir hier sehen, müssen wir bedenken, daß die Atomenergie eine neue, natürliche Hilfsquelle der Erde geworden ist und daß hier noch eine ganz intensive wissenschaftliche Forschung betrieben werden muß, um große Schäden zu vermeiden. Also es muß eine umfassende Prüfung der Strahlenauswirkung auf den pflanzlichen und auch den tierischen Organismus unter besonderer Berücksichtigung der in der lebenden Zelle hervorgerufenen Veränderungen und der Beeinflussung der erbbiologischen Mechanismen erfolgen. Darüber besteht gar kein Zweifel.
Nun kommt die große Frage: wie soll das geschehen? Wir haben von dem Herrn Innenminister gehört, daß bestimmte Beträge bestimmten Universitäten oder Instituten zur Verfügung gestellt worden sind, um dort für diese wissenschaftliche Arbeit die entsprechenden finanziellen Grundlagen zu schaffen. Ich weiß nicht, ob das genügt. Am 8. August dieses Jahres wird in Genf eine internationale Tagung - die erste Tagung in der Geschichte der Menschheit - über die Nutzung der Atomkraft für friedliche Zwecke stattfinden. Wir sehen also, daß die Welt daran ist, sich um diese Probleme besonders zu kümmern und sie zu erörtern. Deshalb glaube ich, daß auch wir in Deutschland unter allen Umständen ein einheitliches Forschungsinstitut schaffen müssen, das sich mit diesen wissenschaftlichen Fragen beschäftigt. Eine Zersplitterung auf diesem Gebiete würde ungünstig wirken, weil dadurch die wenigen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, noch zersplittert werden.
Sie wissen, daß die deutschen Wissenschaftler in dieser Frage einmal führend in der Welt gewesen sind, und Sie wissen, daß wir uns vor der Arbeit, die damals geleistet worden ist, verneigen müssen, weil sie die Grundlage für die jetzigen Fortschritte überhaupt erst geschaffen hat. Der Krieg und die Nachkriegszeit haben eine Lücke aufklaffen lassen, die noch nicht wieder geschlossen werden konnte. Aber ich bin sicher, daß sie geschlossen wird, wenn die Bundesregierung ein entsprechendes Institut schafft, die unsere deutsche Wissenschaft in die Lage versetzt, auf diesem Gebiet wieder führende Arbeit zu leisten.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Beratung.
({0})
- Bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, 'die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß es falsch wäre, nur den Verkehrsausschuß mit dieser Materie zu beschäftigen. Ich erlaube mir daher, den Antrag zu stellen, auch den Ausschuß für innere Angelegenheiten und wegen der finanziellen Fragen ferner den Haushaltsausschuß zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Anträge gehört. An dem ursprünglich gestellten Antrag, wonach der Ausschuß für Verkehrswesen federführend sein soll, ändert sich wohl nichts. - Das Haus ist damit einverstanden. Weiter ist der Antrag gestellt, den Entwurf zur Mitberatung an den Ausschuß für Inneres und den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bannmeilengesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({1}) ({2}). ({3})
Ich erteile das Wort anstatt dem Abgeordneten Dr. Friedensburg, der noch nicht da ist, dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für innere Verwaltung, der stellvertretend für ihn berichten wird.
Maier ({4}) ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Bannmeilengesetzes - Drucksache 1049 -wurde in der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages am 17. Dezember 1954 federführend an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und mitberatend an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen. Der Ausschuß hat sich in zwei Sitzungen unter Hinzuziehung der Stellungnahme des mitbeteiligten Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit der Vorlage befaßt und ist dabei übereingekommen, den § 16 des Versammlungsgesetzes vom 24. Juli 1953, der bestimmt, daß öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge
({6})
innerhalb des befriedeten Bannkreises der Gesetzgebungsorgane des Bundes sowie des Bundesverfassungsgerichts verboten sind, aufzunehmen. Die befriedeten Bannkreise sind durch Bundesgesetz zu bestimmen.
Während die Regierungsvorlage den befriedeten Bannkreis für den Bundestag auch auf ein bestimmtes Gebiet des östlichen Rheinufers erstreckt wissen will, schlägt der Ausschuß vor, die Grenze an dem Ostufer des Rheins verlaufen zu lassen. Er ist dabei der Auffassung, daß vom Ostufer des Rheins keinerlei Störungen der Arbeiten des Bundestags hervorgerufen werden können. In der weiteren Abgrenzung hat sich der Ausschuß der Vorlage angeschlossen.
Der Ausschuß hat es weiterhin für zweckmäßig gehalten, eine Bestimmung einzufügen, die zwar dem § 16 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes entspricht, aber verdeutlichen soll, daß öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel innerhalb des befriedeten Bannkreises verboten sind.
Eine längere Diskussion ergab sich bei der Beschlußfassung zu § 3. Während eine Minderheit, den Empfehlungen des Bundesrats folgend, vorschlug, daß die Ausnahmegenehmigung von dem Präsidenten des Bundestags im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Bundesrats sowie dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts zu erteilen sei, beschloß der Ausschuß mit Mehrheit, die Ausnahmegenehmigung dem Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Bundestags und des Bundesrats und für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts zu übertragen.
Weiterhin soll der Hinweis auf die §§ 14 und 15 des Versammlungsgesetzes zur Klarstellung dienen. Der § 4, der das Inkrafttreten 14 Tage nach der Verkündung bestimmt, wurde für überflüssig erachtet, da das Inkrafttreten 14 Tage nach Ausgabe des Bundesgesetzblattes bereits im Art. 82 Abs. 2 des Grundgesetzes geregelt wird.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, dem Gesetzentwurf entsprechend den Beschlüssen des 8. Ausschusses, wie sie in der Drucksache 1310 auf der rechten Seite vermerkt sind, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Einzelberatung des Gesetzes ein.
Ich rufe auf § 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 352 *) vor. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kortmann zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen den Änderungsantrag, der Ihnen mit Umdruck 352 vorliegt, zu begründen. Meine Fraktion ist der Meinung, daß die von dem Ausschuß beschlossene Begrenzung der Bannmeilenonez unzweckmäßig ist.
({0})
Wir sind der Meinung, daß diese Zone zu eng gefaßt ist.
({1})
Die dem Bundeshaus gegenüberliegende Rheinseite muß in die Abgrenzung soeinbezogen werden, wie sie der Regierungsentwurf vorsieht,
*) Siehe Anlage 4. weil es da durchaus möglich ist, daß durch Volksversammlungen und durch entschlossene Störtrupps die Arbeit im Bundeshaus auch von der gegenüberliegenden Rheinseite wirksam beeinträchtigt wird.
({2})
Wir dürfen nicht von der Erwartung ausgehen,
daß der heutige Zustand eines relativen inneren
Friedens absolut dauerhaft ist und dauerhaft bleibt.
({3})
Es kann auch durchaus sein, daß sich Vorgänge aus der Zeit der Weimarer Republik in der Bundesrepublik einmal wiederholen. Dem muß von vornherein wirksam entgegengetreten werden können. In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, daß die Bannmeilenzone um das alte Berliner Reichstagsgebäude räumlich viel weiter gezogen war, als es beim Bundeshaus nach der neuen Vorlage der Fall ist.
({4})
Ich möchte dem Hohen Hause also empfehlen, § 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich vielleicht auch die anderen Punkte gleich begründen. Zu § 2 hat der Ausschuß unter § 2 a einen Zusatz beschlossen. Wir sind der Meinung, daß dieser Zusatz entbehrlich ist, weil es sich bei dem Bannmeilengesetz lediglich um ein Ergänzungsgesetz handelt, und zwar um ein Ergänzungsgesetz zum Versammlungsgesetz von 1953, und weil der Wortlaut dieses § 2 a in § 16 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes schon enthalten ist. Eine Wiederholung dieses Absatzes in idem neuen Gesetz könnte in Zweifelsfällen zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Außerdem darf darauf hingewiesen werden, daß es in der Gesetzgebung allgemein üblich ist, Gesetzesbestimmungen, die bereits in einem Gesetz ausgesprochen worden sind, in anderen Gesetzen, die damit in Beziehung stehen, nicht zu wiederholen. Aus diesem Grunde bitten wir, die Einfügung des § 2 a wieder zu streichen.
Drittens. Auch der Hinweis, daß die §§ 14 und 15 des Versammlungsgesetzes vom 24. Juli 1953 unberührt bleiben - wie es in § 3 vorgesehen ist -, ist entbehrlich, und zwar aus dem gleichen Grunde, weil das Bannmeilengesetz nur eine Ergänzung des Versammlungsgesetzes ist. Die Bestimmungen des Versammlungsgesetzes sind vollinhaltlich auch auf das Bannmeilengesetz anwendbar.
Schließlich beantragen wir unter Ziffer 4, daß auch in § 4 die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird, und zwar 'aus dem einfachen Grunde, weil in Art. 82 des Grundgesetzes ausdrücklich darauf hingewiesen ist, daß jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung den Tag des Inkrafttretens bestimmen soll. Ich bitte das Hohe Haus, unserem Änderungsantrag aus diesen Gründen zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Begründung des Herrn
({0})
Kollegen Kortmann für die Änderung des § 1 der Ausschußfassung will uns nicht recht einleuchten. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Beschluß auf Verkleinerung der Bannmeilenzone im Ausschuß für innere Verwaltung einstimmig gefaßt worden ist und daß Ihr Kollege Herr Dr. Friedensburg ganz im Gegensatz zu Ihren Ausführungen sich damals damit einverstanden erklärt hat. Ich kann auch nicht finden, das beispielsweise die wesentlich größere Zone des alten Reichstags in Berlin hier als Vergleich herangezogen werden kann. Denn der Rhein ist ja eine ziemlich schwer zu überschreitende natürliche Grenze. Ich glaube nicht, daß man Befürchtungen haben kann, daß das, was man in Beuel einbeziehen will, vielleicht als Vorbereitungsgebiet für amphibische Aktionen gegen den Bundestag benutzt werden könnte.
Im übrigen ist es ja auch eine Zweckmäßigkeitsfrage. Ich glaube, daß es den Polizeistreitkräften wesentlich einfacher sein wird, etwa ein kurzes Stück Rheinufer gegen mögliche Störversuche zu schützen, als ein Gebiet östlich des Rheins, das fast ebenso groß ist wie das westlich des Rheins in die Bannmeile um den Bundestag einbezogene. Wir haben ja ,auch einen ausgezeichneten Seegrenzschutz. Vielleicht kann man bei der nächsten Manöveranordnung für den Seegrenzschutz den Ernstfall als Manövergrundlage nehmen: etwaige Aktionen der „sehr gefährlichen Störtrupps" von der anderen Rheinseite abzuwehren, mit Unterstützung der Wasserpolizei der Stadt Bonn.
({1})
Ich halte die Begründungen, die der Herr Kollege Kortmann dazu gegeben hat, daß die Zone so groß gemacht wird, wie das in dem Regierungsentwurf vorgesehen war, nicht für überzeugend. Die Bannmeile ist sicherlich in der Form besser zu schützen, wie sie vom Ausschuß beschlossen worden ist. Ich bitte Sie, die Nr. 1 des Änderungsantrags der CDU/CSU Umdruck 352abzulehnen und den § 1 in der Fassung des Ausschusses anzunehmen.
Den anderen Anträgen können wir zustimmen.
Wird weiter das Wart gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung zu § 1.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse 'abstimmen über den Antrag unter Nr. 1 des Umdrucks 352*), § 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht. den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, das Präsidium kann beim besten Willen nicht feststellen, welches die Mehrheit war. Ich bitte auszuzählen.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte doch, den Saal zu räumen, denn wir haben, ich glaube, noch beinahe 20 Punkte zu erledigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({1})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Auszählung ist beendet.
*) Siehe Anlage 4.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 159, mit Nein 122, eine Enthaltung. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 352 Ziffer 1 angenommen. Eine Abstimmung über die Fassung des § 1 in der Ausschußvorlage erübrigt sich.
Ich rufe auf § 2. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 2 ist verabschiedet.
Ich rufe auf § 2 a. Hierzu liegt auf Umdruck 352 unter Ziffer 2 der Antrag vor, den § 2 a der Ausschußfassung zu streichen. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 352 Ziffer 2: „§ 2 a wird gestrichen", zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 3. Auch hierzu liegt auf Umdruck 352 unter Ziffer 3 ein Änderungsvorschlag vor, der da lautet: „In § 3 wird Satz 2 gestrichen". Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe auf § 3 a; das ist die Berlin-Klausel. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Mit Mehrheit verabschiedet.
Ich rufe § 4 auf, der nach der Ausschußvorlage entfallen sollte, aber nach Ziffer 4 des Umdrucks 352 wiederherzustellen ist. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Änderungsantrag, wonach § 4 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen ist, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Wir sind damit am Ende der zweiten Lesung dieses Gesetzes.
Ich trete in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Da Änderungsanträge zur dritten Lesung nicht vorliegen, komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der soeben beschlossenen Fassung der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen und verabschiedet.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Arndt, Merten, Dr. Preller und Genossen betreffend Kurhessische KupferschieferBergbau GmbH in Sontra ({2}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 18. Mai 1950 hat der Bundesminister für Wirtschaft, Herr Professor Dr. Erhard, in der Drucksache Nr. 977 auf die von meiner Fraktion gestellte Anfrage Nr. 69
({4})
mitgeteilt, daß die Belegschaft des bundeseigenen Kupferbergwerks in Sontra auf 1500 Mann erhöht werden solle. Wörtlich hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft damals erklärt - wenn ich das zitieren darf -:
Der Plan ist darauf abgestellt, daß die allmähliche, nicht nur vorübergehende, sondern d a u -e r n d e Wiedereinstellung der Arbeiter durchgeführt wird.
Es liegt also eine ausdrückliche Zusage durch die Regierungserklärung vor, daß es sich bei dem Betrieb des Kupferbergwerks um Dauerarbeitsplätze handeln solle. Mit dieser Regierungserklärung, die der Herr Bundesminister für Wirtschaft abgab, steht in Widerspruch, daß der Herr Bundesfinanzminister im Februar dieses Jahres den Beschluß faßte, die bundeseigene Bergwerksgesellschaft zu liquidieren und eine „Stillegungs- und Kündigungsaktion" einzuleiten. Zwischen diesen beiden Entschlüssen, einerseits dem Entschluß des Bundeswirtschaftsministers, in Sontra Dauerarbeitsplätze zu schaffen, andererseits dem Beschluß des Bundesfinanzministers, den Bergbaubetrieb einzustellen, liegen allerdings eine Reihe von Ereignissen und vielfache parlamentarische Verhandlungen, da ja die Frage dieses Kupferbergwerks schon in der 75., 163. und 259. Sitzung des 1. Bundestages, am
14. Juli 1950, am 18. September 1951 und am
15. April 1953 Gegenstand der Erörterungen gewesen ist.
In diesem Zusammenhange darf ich darauf hinweisen, daß ich für meine Person insbesondere am 15. April 1953 in der 259. Sitzung des 1. Bundestages mich dazu bekannte, daß es sich bei diesem Bergwerk aus staatspolitischen und gesamtdeutsehen Gründen um einen ständigen Betrieb handeln müsse, woran ich stets festgehalten habe. Aber ich verkenne nicht, daß niemals die Stimmen verstummt sind, die aus wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten den hohen Zuschußbedarf dieses Bergwerks beanstandeten und darauf drängten, an Stelle des Bergwerks andere, rentablere Industriebetriebe in jenem Notstandsgebiet am nordhessischen Zonenrand anzusiedeln. Auch die Kräfte jedoch, die dafür eintraten, daß der Betrieb des Kupferbergwerks keine Dauerlösung darstelle. sondern durch die Neusiedlung anderer, wirtschaftlich produktiverer Industrien ersetzt werden müsse, haben stets beteuert, daß jede soziale Härte zu vermeiden sei und eine endgültige Entscheidung über das Schicksal des Bergwerks erst dann und nur dann getroffen werden dürfe, wenn andere Arbeitsplätze an Ort und Stelle, insbesondere in Sontra selbst gesichert seien.
Die Frage, ob sich hierzu eine Aussicht biete, stellte sich, als es der hessischen Landesregierung nach vierjährigen Verhandlungen gelungen war, für das benachbarte Notstandsgebiet des Landkreises Eschwege eine kanadische Landmaschinenfabrik zu gewinnen, die sich entschloß, dort eine Betriebsstätte mit zunächst 1200 Arbeitsplätzen zu errichten, wenn der Bund den erforderlichen Kredit zu besonders günstigen Bedingungen zur Verfügung stelle. Ich muß Gewicht auf ,die Feststellung legen, daß jene hessischen Bemühungen um eine Industrialisierung des Kreises Eschwege ursprünglich nicht im geringsten Zusammenhang mit dem Problem des bundeseigenen Kupferbergwerks in Sontra standen. Eine Verkoppelung der Industrieansiedlung in Eschwege mit einer Entscheidung über den Fortbestand des Kupferbergwerks in Son-tra ist vielmehr erst von der Bundesregierung herbeigeführt worden.
Bevor die Bundesregierung diesen verhängnisvollen Weg 'beschritt, holte sie eine Stellungnahme des Bundestagsausschusses für Wirtschaftspolitik ein, weil sich in den ersten Januartagen dieses Jahres keine Einigung im Wirtschaftskabinett der Bundesregierung hatte erzielen lassen. Der Bundestagsausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich auf Wunsch der Bundesregierung mit diesen Fragen am 14. Januar 1955 beschäftigt. Hierbei hat er, wie ich glaube, den Fehler begangen, mit den Stimmen der Bonner Regierungskoalition sich zu weigern, dem Antrag der sozialdemokratischen Mitglieder zu entsprechen 'und sich von den damals anwesenden Sachverständigen vorerst einmal über den Stand des Kupferbergwerks und seine Aussichten ins Bild setzen zu lassen. Gleichwohl ist festzuhalten, was ich 'besonders unterstreichen muß, daß in jener Sitzung des Bundestagsausschusses für Wirtschaftspolitik am 14. Januar 1955 einhellig die Auffassung bestand, die Kreditgewährung des Bundes für die Industrialisierung des Kreises Eschwege durch Ansiedlung einer Landmaschinenfabrik dürfe unter keinen Umständen mit einer Entscheidung über das Kupferbergwerk in Sontra verkoppelt werden und biete auch für eine solche Entscheidung keine hinreichende Grundlage. Es ist daher nicht wahr, wenn draußen im Lande jetzt verbreitet wird, die späteren Maßnahmen der Bundesregierung hätten die Zustimmung aller Parteien gefunden.
Eine weitere Tatsache ist die, daß die Bundesregierung diese einhellige Empfehlung des Bundestagsausschusses für Wirtschaftspolitik leider in den Wind schlug und durch ihr Wirtschaftskabinett am 21. Januar 1955 den Beschluß fassen ließ, zur Sanierung der Lage im Raum Sontra sei - wörtlich - „Zug um Zug mit der in Aussicht genommenen Ansiedlung neuer Betriebe eine Umsetzung der Arbeitskräfte des Bergbaubetriebs Sontra als Vorbereitung einer stufenweisen Stillegung des Betriebs der Kurhessischen Kupferschiefer-Bergbau G.m.b.H. in Sontra durchzuführen".
Offenbar hat nicht einmal im Schoße der Bundesregierung selbst Klarheit und Einigkeit darüber bestanden, was dieser Beschluß bedeuten sollte; denn noch am 9. Februar haben mir die Herren Bundesminister Blücher und Preusker mit der Ermächtigung zur Bekanntgabe versichert, daß dieser Beschluß noch keineswegs das Schicksal des Bergwerks besiegeln solle und jedenfalls keine Vollmacht für eine „Kündigungs- und Stillegungsaktion" enthalte.
Das Bundesfinanzministerium hat sich gleichwohl durchgesetzt und unverzüglich die Liquidation der bundeseigenen Bergwerksgesellschaft beschlossen und Maßnahmen getroffen, um eine Abwanderung der Arbeitskräfte aus dem Bergwerk herbeizuführen. Das Bundesfinanzministerium hat also seine Kreditgewährung für Eschwege mit der Stillegung des Bergwerks in Sontra verkoppelt, obgleich der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestags aus einer Reihe sachlich zutreffender Gründe gerade dies für unmöglich erklärt hatte.
Wie wenig diese Verkoppelung im Sinne des Bundestags lag, geht daraus hervor, daß noch nach der am 21. Januar vom Wirtschaftskabinett der Bundesregierung getroffenen rätselhaften Entscheidung der Herr Kollege Dr. Löhr am 28. Januar vor einer Betriebsversammlung der Bergarbeiter in
({5})
Sontra folgendes ausführte. Ich darf das mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren. Der Herr Kollege Löhr ist anwesend. Was ich jetzt sage, ist die Übertragung einer Tonbandaufnahme. Herr Kollege Dr. Löhr hat vor der Arbeiterschaft ausgeführt:
Wenn nun gesagt worden ist, wir legen diesen Betrieb still, dann habe ich mich mit meinen politischen Freunden immer wieder gegen die Verwirklichung dieser Absichten eingesetzt und gesagt, daß dieses Problem nicht nur vom ökonomischen Standpunkt aus zu betrachten und zu entscheiden ist, sondern es geht hier um Menschen. Und der Sinn unserer heutigen politischen Ordnung ist es, die menschlichen Belange zu achten und zu berücksichtigen. Das ist unsere Betrachtungsweise, keine rein politisch-ökonomische, sondern eine menschenwürdige. Wir als Deutscher Bundestag,
- sagte Herr Kollege Dr. Löhr als Vertreter des deutschen Volkes haben die Pflicht, die Probleme nicht durch eine Brille, sondern so zu sehen, wie sie tatsächlich sind und wie auch Ihr sie seht. Was soll nun werden mit dem Kupferschieferbergbau in Sontra?
Und nun kommt es:
Eine Auflassung der Arbeit? Sie wird nicht in Frage kommen, solange nicht absolute Sicherheit gegeben ist, daß hier in S o n t r a neue Industrien angesiedelt sind. Wenn diese Industrie nicht hier ist und nicht ihre Arbeitsstätten geschaffen und ihre Maschinen montiert hat und dem Landrat und dem Arbeitsamt sagt: „Wir können in vier Wochen beginnen", wird
bis zum Tage des Arbeitsbeginns keine Auflassung der Produktion erfolgen und keine Förderstunde gekürzt werden.
- Sie nicken. Das sind Ihre wörtlichen Ausführungen, Herr Kollege Löhr.
Mit dieser Äußerung stand der CDU-Kollege
Herr Dr. Löhr nicht allein. In der 4. Sitzung des
Hessischen Landtags hat vielmehr noch am 9. Februar 1955 der CDU-Landtagsabgeordnete Dr.
Schnell ausgeführt, wenn ich auch das - es ist
ganz kurz - mit der freundlichen Genehmigung
des Herrn Präsidenten wörtlich verlesen darf: Zwei Forderungen müssen wir als vordringlich stellen. Die erste ist die, daß kein Angehöriger der Sontraer Belegschaft auch nur einen Tag seinen Arbeitsplatz verlieren darf. Und die zweite ist die, daß die Industrialisierung des Kreises Eschwege, für die vom Bund ein sehr erheblicher Betrag von 15 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden ist, in keiner Weise mit dem Problem Sontra gekoppelt werden darf.
So der CDU-Landtagsabgeordnete Herr Dr. Schnell.
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- Ja sicher, Herr Euler, es ist auch sehr dankenswert von der hessischen Regierung, daß sie das getan hat.
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- Sie können ja, Herr Euler, nach mir sprechen, wenn Sie anderer Meinung sind. - So Herr Dr. Schnell im Hessischen Landtage.
Auf Grund dieser Äußerungen muß ich mich nun allerdings mit zwei tief bedauerlichen Erscheinungen befassen. Die eine Erscheinung ist die, daß die Reden von Angehörigen der CDU im Lande genau das Gegenteil der Handlungen der von ihr hier getragenen Bundesregierung sind,
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die andere Erscheinung, daß in einer unzulässigen Weise versucht wird, der hessischen Landesregierung die Verantwortung für Entscheidungen zuzuschieben, die allein von der Bundesregierung zu treffen waren und auch von ihr allein getroffen sind.
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Ich glaube, zu dem ersten Punkt ist zu sagen, daß der Widerspruch zwischen den Beteuerungen der CDU-Abgeordneten Herrn Dr. Löhr und Herrn Dr. Schnell im Lande draußen zu den Maßnahmen des ihrer Partei angehörigen Bundesfinanzministers, Herrn Dr. Schäffer, für jedermann offen zutage liegt. Während Abgeordnete der CDU draußen im Lande fortgesetzt noch Versprechungen machten und Herr Dr. Schnell im Hessischen Landtage sich sogar zu der Behauptung verstieg, der Bundeskanzler selbst werde sich dafür einsetzen, daß auch noch in diesem Rechnungsjahre der Bund für Sontra wieder Zuschüsse in Höhe von 8 Millionen DM bewilligen werde, erwies sich im Haushaltsausschuß des Bundestages der CDU-Bundestagsabgeordnete Herr Dr. Vogel als alterbitterter Feind dieses Bergwerks und setzte es die Bonner Kolition durch, daß der sozialdemokratische Antrag auf Hergabe der notwendigen Zuschüsse auf den unzureichenden Betrag von nur 3,85 Millionen DM beschränkt werden soll.
Meine Damen und Herren, den Schaden solcher Verhaltungsweise trägt der demokratische Gedanke. Die Bevölkerung im Raum Sontra fühlt sich getäuscht und hat weitgehend den Glauben an die parlamentarische Demokratie dadurch entweder verloren oder ist mindestens in ihm erschüttert worden, und das ist in einem unmittelbar am Zonenrand gelegenen Gebiet von besonderer Bedenklichkeit.
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Zum zweiten Punkt ist noch zu sagen, daß die Bergwerksgesellschaft ausschließlich im Bundeseigentum steht und der Betrieb dieses Bergwerks eine gesamtdeutsche Angelegenheit ist. Infolgedessen handelt es sich bei der Entscheidung, das Bergwerk stillzulegen, um einen Entschluß des Bundesfinanzministers. Die hessische Regierung hat weder je erklärt noch je erklären können, daß sie dafür die politische Verantwortung übernehme, sondern hat sich mit den Maßnahmen des Bundes lediglich abfinden müssen. Es ist keine gute Sache, daß eine Bundesregierung sich scheut, öffentlich die Verantwortung für die von ihr allein getroffenen Maßnahmen zu tragen, sondern statt dessen durch ihre Parteigänger draußen im Lande im Wege der Flüsterpropaganda eine daran unbeteiligte Landesregierung zum Sündenbock machen will.
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l Wie man auch immer über diesen gewiß schwierigen Bergwerksbetrieb denkt, so war doch bisher das eine gewiß, daß gerade auch dann soziale Härten vermieden werden müßten, falls man dazu übergehen sollte, den Bergwerksbetrieb durch die Ansiedlung neuer Industrien abzulösen. Diese sozialen Härten sind jedoch in einem bedrohlichen Ausmaß eingetreten. Auf den Betriebsanlagen ist es, wie mir einer der Arbeiter schrieb - ich zitiere diesen harten Ausdruck -, jetzt wie auf einem „Sklavenmarkt" zugegangen. Die Anwerber von Arbeitskräften haben Kopfprämien für jeden Mann bekommen, den sie für einen anderen Betrieb gewinnen konnten ({13})
- Herr Sabel, regen Sie sich nicht auf! -, so daß sich der Landrat, Herr Dr. Seraphim, der sicherlich Ihnen parteipolitisch wesentlich näher steht als mir, zu einem öffentlichen Protest gegen diese Werbemethoden hat veranlaßt gesehen. Der Belegschaft bemächtigte sich eine Panikstimmung, da sie nun überhaupt nichts mehr glaubte und j eden-falls das Vertrauen zu einer Sicherheit ihrer Arbeitsplätze verlor.
Unter diesem „freiwilligen" Zwang haben sich bisher von den etwa 1300 Arbeitskräften über 500 Belegschaftsmitglieder eine andere Arbeitsstelle gesucht, darunter fast alle Führungskräfte und technischen Aufsichtspersonen. Rund 225 Mann sind zur Landmaschinenfabrik nach Eschwege gegangen, etwa 150 in westliche Bergbaureviere, während der Rest anderweit ein Unterkommen gefunden hat. Die nach Eschwege abgewanderten Arbeitskräfte müssen mit einer starken Verschlechterung ihrer sozialen Lage rechnen. Während in Son-tra der Bergmann unter Tage 15,74 DM und der Hauer 17,05 DM täglich verdienen, wird nach den Lohntarifen der Eisenmetallindustrie für Nordhessen in Eschwege kaum ein höherer Tageslohn als von 9 bis 11 DM zu erwarten sein. Dazu treten die Verluste an Fahrgeld, die zwischen 20 und 40 Mark monatlich betragen, ganz zu schweigen von den zusätzlichen Fahrzeiten von ein bis zwei Stunden. Mit welchen Mitteln, auf welche Dauer und auf welche Weise die Rechte aus der Knappschaftsversicherung gerettet werden können, ist bisher noch nicht geklärt.
Am meisten bedroht aber ist das weitere Schicksal der gegenwärtig noch verbliebenen etwa 750 Belegschaftsmitglieder. Unter ihnen sind 561 Arbeitskräfte überaltert, da sie das 40., das 50., ja sogar teilweise das 60. Lebensjahr überschritten haben und auf eine Wiederverwendung, jedenfalls in einem Bergbaubetrieb, nicht mehr hoffen können. Unter diesen Arbeitskräften befinden sich 91 Kriegsversehrte und 60 wegen Teilinvalidität nicht mehr voll einsatzfähige Arbeiter. Man wird bedauerlicherweise wahrhaftig nicht sagen können, daß dieser Zustand als ein „stufenweiser Abbau" bezeichnet werden kann, der ohne soziale Härten vor sich geht. Es ist völlig ungewiß, was aus den verbliebenen noch über 700 Arbeitskräften werden soll, nachdem fast alle Führungskräfte, die technischen Aufsichtspersonen und insbesondere die jüngeren Arbeiter abgewandert sind und verständlicherweise jede sich ihnen bietende Gelegenheit genutzt haben.
Ebenso bedroht ist das Schicksal der Stadt Sontra selbst und der umliegenden Bergbausiedlungsgemeinden. Sie werden nicht nur durch Steuerausfälle hart betroffen, sondern auch in ihrer Existenz durch den Verlust der arbeitsfähigen Verdiener in Frage gestellt. So wird esdaher nicht weitergehen können, weshalb unverzüglich Beratungen darüber erforderlich sind, was jetzt werden soll. Der technische Ausschuß des Aufsichtsrats der Kurhessischen Kupferschiefer-Bergbau GmbH hat hierzu am 26. April dieses Jahres verschiedene Vorschläge gemacht, die in unserem Wirtschaftspolitischen Ausschuß alsbald zu prüfen sein werden.
Das einzige Erfreuliche und Dankenswerte in diesem düsteren Bild ist die Tatsache, daß bisher noch keine Kündigung ausgesprochen wurde.
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Ich möchte das ausdrücklich hervorheben und ausdrücklich als eine dankenswerte Tatsache bezeichnen.
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Es ist die Pflicht des Bundes, durch eine soziale Haltung bei einem bundeseigenen Betrieb ein Vorbild zu geben. Daher muß die Zukunft des Bergwerks so geregelt werden, daß es zu keiner Kündigung kommt.
Aber das genügt nicht. Man muß berücksichtigen, daß es sich um einen Betrieb in einem staatspolitisch höchst gefährdeten Gebiet am Zonenrand handelt und jede Planung den gesamtdeutschen Zusammenhang mit dem entsprechenden Unternehmen in Eisleben nicht außer acht lassen darf. Dort drüben im Mansfeldschen sind in den Betrieben gegenwärtig im Bergbau (und in den Hütten 17 000 Menschen sowie weitere 7000 Menschen in der Weiterverarbeitung beschäftigt, für die das 1 Kupfervorkommen in Sontra mit noch 30 Millionen Tonnen Erz die einzige Reserve bildet.
Auch das Wirtschaftskabinett der Bundesregierung hat im Schlußsatz seines problematischen Beschlusses vom 21. Januar erklärt, daß Maßnahmen zu treffen sind, die einer Erhaltung der Betriebsanlagen dienen. Im gesamtdeutschen Interesse darf es daher zu einem völligen Absaufen der Anlage in Sontra nicht kommen.
Damit ist ,die Frage 'verknüpft, was aus der maschinellen Einrichtung werden soll. Die Arbeiterschaft hegt die Sorge, daß diese Einrichtung verschleudert wird und daß es dabei nicht immer - wie sie meint - mit rechten Dingen zugeht. Unser wirtschaftspolitischer Ausschuß - ich nehme an, das ist sicherlich auch im Sinne des Herrn Bundesministers der Finanzen - wird deshalb darauf dringen müssen, daß sofort der Bundesrechnungshof zu beteiligen ist und sich gutachtlich darüber zu äußern hat, ob die hohen Bundeszuschüsse bisher schon eine wirklich sinnvolle Verwendung fanden und ob der gegenwärtige Ausverkauf zu keinen Beanstandungen Veranlassung gibt. Schließlich sind so oder so Sofortmaßnahmen zu treffen, um die Lebensfähigkeit der Stadt Sontra und der Bergbausiedlungsgemeinden zu erhalten, zu steigern und zu sichern.
Im Bundestagsausschuß für Wirtschaftspolitik war es am 14. Januar 1955 die einhellige Meinung, daß der Bund sich so billig von den hohen Zuschüssen nicht lossagen kann, daß er für eine damit gar nicht zu verkoppelnde Industrialisierung des Zonenrandkreises Eschwege Kredite von insgesamt 15 Millionen DM zur Verfügung stellt. Der
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Ausschuß war vielmehr seinerzeit der Auffassung - es sind ja zahlreiche Ausschußmitglieder hier anwesend -, daß mindestens der gleiche Betrag, wenn nicht unter Umständen mehr, auch noch unmittelbar für eine Industrieansiedlung in Sontra selbst hergegeben werden müsse. Man sagt, daß der Herr Bundesminister der Finanzen über die Eschweger Kredite hinaus ¡auch für Sontra selbst noch weitere 5 Millionen DM Kredite bereitstellen wolle. Ein solcher Betrag wird voraussichtlich nicht ausreichen. Es ist mir bekannt, daß Verhandlungen im Gange sind, um eine leistungsfähige Industrie unmittelbar in der Stadt Sontra anzusiedeln. Diese Verhandlungen sind zu begrüßen, zumal ich stets darum gebeten habe, daß unabhängig von der Bergwerksfrage jedenfalls Industrie nach Sontra zu ziehen ist, um dieses Notstandsgebiet zu sanieren.
Aus diesen Gründen bitte ich, den Antrag, der von meinen Freunden und mir in der Drucksache 1212 gestellt ist, federführend dem Ausschuß für Wirtchaftspolitik und zur Mitberatung dem Gesamtdeutschen Ausschuß zu überweisen.
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Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Staatssekretär Westrick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Arndt hat eingangs seiner Erläuterungen bemerkt, daß der Bundeswirtschaftsminister vor geraumer ) Zeit eine Zusage gemacht habe. Ich habe leider versäumt, mir das Datum dieser Zusage zu. notieren. Ich wäre dankbar, wenn ich diese Angabe noch einmal nachbekommen könnte. Ich werde der Sache nachgehen und darf mir vorbehalten, darauf noch einmal zurückzukommen.
Eines ist jedenfalls sicher: daß in den Jahren 1950, 1951 und 1952 ein sehr harter Druck auf die Bundesregierung ausgeübt wurde, die Zahl der Belegschaft in Sontra auf etwa 1500 zu erhöhen.
({0})
Das Problem Sontra ist seit geraumer Zeit Gegenstand ausführlicher Beratungen und Prüfungen gewesen. Wir haben auch bereits - da kann ich gleich Herrn Abgeordneten Arndt antworten - den Rechnungshof mit dieser Sache bemüht. Der Rechnungshof hat ein Gutachten abgegeben und ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen - das auch für die Entscheidung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses mitbestimmend war -, daß es nicht vertretbar sei, die Subventionen in der bisherigen Höhe weiterzuzahlen. Ich muß Ihnen sagen, daß in den Jahren 1949 bis einschließlich 1954 an Subventionsbeträgen insgesamt bisher 32,5 Millionen DM gezahlt worden sind.
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In der letzten Zeit wurden je Kopf 7000 DM im Jahr gezahlt.
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Wir zahlen im Jahr einen Zuschuß von rund 9 Millionen DM. Wir hätten die gesamte Belegschaft, ohne sie einen Strich Arbeit leisten zu lassen, spazierengehen lassen können, hätten sie
voll bezahlen können und hätten dann etwa 4 bis 5 Millionen DM Subventionen gespart.
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Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Arndt hat die alleinige Verantwortung der Bundesregierung herauszustellen sich bemüht. Ich muß demgegenüber darauf hinweisen, daß der Herr Staatssekretär Lauffer von der hessischen Regierung selber erklärt hat, daß die hessische Regierung die volle Mitverantwortung für diese Entscheidung trage, die sie selber für eindeutig und richtig und unausweichlich halte.
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Der Herr Staatssekretär Lauffer hat selbst die Worte - ({5})
Meine Damen und Herren! Darüber hinaus hat der Herr Finanzminister des Landes Hessen, Troeger, sich in sehr dankenswerter Weise und in sehr erfolgreicher Weise mit darum bemüht, daß Verhandlungen mit der Firma Massey Harris geführt und daß sie zum Erfolge geführt werden konnten. Ich glaube, daß die Übereinstimmung zwischen der hessischen Regierung und der Bundesregierung ganz außer jedem Zweifel steht.
Herr Abgeordneter Arndt hat uns aber auch vorgeworfen, daß wir nicht Phantasie genug entwickelt hätten; wir hätten doch auch in das Gebiet Sontra gehen können. Ich war sehr verwundert, soeben zu hören, daß nun auf einmal diese entwickelte Phantasie gerade wieder die Kritik des Herrn Abgeordneten hervorruft. Ich kann daher nicht unterlassen, ein Protokoll von der Sitzung am 18. Juli 1954 zu zitieren:
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Dem wiederholt von der Regierung vorgebrachten Einwand, daß die Schwierigkeiten in Sontra zum Teil aus dem ungünstigen Standort - Zonengrenznähe, ungünstige Eisenbahnverbindungen, schlechte Frachtlage - herrührten, wird von Abg. Arndt entgegengehalten, es sei nicht erforderlich, neue Unternehmen unmittelbar in Sontra selbst anzusiedeln. Ansiedlung in Bebra, 17 km von Sontra, Eisenbahnknotenpunkt, Autobahn, gegenüge.
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Meine Damen und Herren! Ich glaube sicher sagen zu dürfen und hoffe auf Ihre Zustimmung, daß die Beurteilung der Entscheidung in dem Falle Sontra aus dem Wirtschaftlichen und Sozialpolitischen heraus sicher eindeutig und unausweichlich war. Die Stillegung des kurhessischen Kupferschieferbergbaus, die eben auf Grund des Beschlusses des Wirtschaftspolitischen Ausschusses und des Kabinetts erfolgte, ist in der Zwischenzeit auch bereits so gefördert worden, daß ein großer Teil der dort ansässigen Arbeitskräfte anderweitig untergebracht werden konnte. Bis zum 30. April dieses Jahres sind 493 Arbeiter und 27 Lehrlinge, also insgesamt 520 Menschen, anderweitig untergebracht worden, davon 255 Kräfte in anderen Bergbaurevieren. Zur Zeit sind noch 762 Arbeitskräfte in der Kurhessischen Kupferschieferbergbau GmbH tätig.
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Im Hinblick auf diese schnellen Fortschritte, die in der Umsetzung der Arbeitskräfte erzielt wurden, sind per 31. März die Hütte und der Schnepfenbusch-Schacht stillgelegt worden. Der Förderbetrieb wird seit 1. April nur noch in der Schachtanlage Wolfsberg mit einer Schicht aufrechterhalten. Für den Endzustand der stufenweisen Stillegung sind in genauer Durchführung des Beschlusses Maßnahmen getroffen, um die Anlagen des Betriebes zu erhalten. Diese Anlagenerhaltung wird für eine Restbelegschaft dort eine ständige Beschäftigung sicherstellen.
Zu der Ansiedlung der Firma Massey Harris muß anerkannt werden, daß diese sich in einer ungewöhnlich großzügigen Weise dort betätigt, und zwar großzügiger, als wir erwartet hatten. Insbesondere ist hervorzuheben, daß die Gesellschaft sehr bereit war, gerade ältere Angestellte zu übernehmen. Es ist daher nach unserer Meinung mit Sicherheit anzunehmen, daß bis zum Ende des Jahres, und zwar so, wie es vorgesehen war, die Unterbringung von weiteren 500 Leuten an Ort und Stelle möglich ist, so daß dann der größte Teil der Belegschaft in der Tat an neuen Arbeitsplätzen Unterkunft gefunden hat.
Damit glaube ich, die Punkte 1 und 2 der Anfrage beantwortet zu haben, und möchte zum Punkt 3 etwas sagen. Die Bundesregierung und die Landesregierung Hessen sind sich darüber einig, daß zu den in Eschwege geschaffenen Arbeitsplätzen natürlich auch in der Stadt Sontra selbst Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden sollten, insbesondere für diejenigen Kräfte des Kupferschieferbergbaues, denen der Pendelverkehr, der ja zugegebenermaßen eine beschwerliche Sache ist, schwerlich zugemutet werden könnte. Ich möchte übrigens nicht unerwähnt lassen, daß für die Bestreitung der Kosten des Pendelverkehrs von der Gesellschaft ein Zuschuß gewährt wird, zumindest zunächst für das Jahr 1955.
Die hessische Landesregierung steht nun seit geraumer Zeit in Verhandlungen mit mehreren Firmen, die eine Bereitschaft geäußert haben, sich in der Stadt Sontra selbst anzusiedeln, und zwar handelt es sich um drei, vier Gesellschaften, deren Namen hier zweckmäßigerweise vielleicht noch nicht genannt werden, um deren Chancen nicht zu verschlechtern. Es besteht aber durchaus die Möglichkeit, in kurzer Zeit zu einem positiven Abschluß zu kommen, und sollte das nicht der Fall sein, dann werden sich Bund und Land gemeinsam intensiv um neue Ansiedlungsprojekte für Sontra bemühen.
Kredite hierfür sind bereits zur Verfügung gestellt. Zwischen dem Bund und dem Land Hessen ist ein Kreditvertrag in Höhe von 15 Millionen DM abgeschlossen. Der Betrag ist aber durch die bisherigen Ansiedlungsvorhaben noch nicht ausgeschöpft. Trotzdem hat sich der Bundesfinanzminister schon bereit erklärt, erforderlichenfalls weitere 5 Millionen DM zu den gleich günstigen Bedingungen, und zwar ausschließlich zur Ansiedlung in der Stadt Sontra, zur Verfügung zu stellen.
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Zu dem Punkt 4 der Anfrage. Die Frage, ob der Subventionsbedarf für den Kupferschieferbergbaubetrieb durch Rationalisierung bzw. Steigerung der Förderung auf ein erträgliches und zu vertretendes Maß verringert werden kann, ist im Laufe der letzten Zeit Gegenstand so ausführlicher und so zahlreicher Erörterungen und Prüfungen gewesen, daß eigentlich keine Chance besteht, durch weitere Prüfungen ein anderes Ergebnis zu erzielen. Dabei wurde auch die Frage geprüft, ob nicht etwa durch Installierung einer Weiterverarbeitung über Tage eine Wirtschaftlichkeit des Betriebes erreicht werden könnte. Alle gutachtlichen Äußerungen aber und alle Prüfungen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß bei einem außerordentlichen Investitionsbedarf, der die Voraussetzung für solche Entwicklungen wäre, letzten Endes der Subventionsbedarf nicht in Fortfall gebracht und auch nicht wesentlich gesenkt werden könnte. Im Gegenteil, die größere Menge Erz, die ja gefördert werden müßte, um die Rentabilität einer Weiterverarbeitungsanlage über Tage überhaupt zu rechtfertigen, würde diese Entwicklung unmöglich machen. Alle Fachleute kommen zu dem gleichen Ergebnis, und die Bundesregierung ist nicht imstande, vorzuschlagen oder zu empfehlen, nochmals in die Beratung solcher Pläne einzutreten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte geglaubt, daß der Herr Kollege Dr. Arndt für seine Fraktion heute zu den Ziffern 1, 2 und 4 die Erledigung des Antrags feststellen würde; denn wenn man weiß, daß inzwischen der Kupferschieferbergbau bereits zur Hälfte stillgelegt ist und die ganze Stillegungsaktion dazu geführt hat, daß nur noch etwa die Hälfte der Belegschaft beschäftigt ist und nur noch die Hälfte der früheren Ausbeute im Bergwerk gewonnen wird, dann hätte man doch annehmen sollen, daß wenigstens der Antrag, die Liquidation nicht durchzuführen und die eingeleitete Stilllegungs- und Kündigungsaktion einzustellen - der vielleicht am 16. Februar 1955 noch verständlich gewesen wäre -, infolge des inzwischen erreichten Stadiums für erledigt erklärt werden würde.
Was an dem Antrag der SPD jetzt überhaupt noch interessant sein kann, ist die Ziffer 3, nämlich Vorschläge über eine zusätzliche Industrieansiedlung in der Stadt Sontra zu machen und dafür die erforderlichen Kredite bereitzustellen. Das ist aber insofern falsch formuliert, als es nicht Angelegenheit der Bundesregierung, sondern Angelegenheit der hessischen Landesregierung ist, diesbezügliche Vorschläge hinsichtlich der auszuwählenden Firmen zu machen. Wenn man darin anders dächte, würde es überhaupt nicht mehr ein einigermaßen sachgemäßes Zusammenarbeiten zwischen Bundesregierung und Landesregierung geben können.
Herr Staatssekretär Westrick hat eben die für die wirtschaftliche Beurteilung der Angelegenheit entscheidenden Zahlen genannt. Ich möchte sie noch durch einige ergänzen, weil die Zahlen zu eindrucksvoll sind, als daß man, wenn man sie kennt, überhaupt noch darüber im Zweifel sein kann, ob der Beschluß des Wirtschaftskabinetts und der Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses richtig sind. Die sachliche Richtigkeit steht völlig außer Zweifel. Man muß wissen, daß der Weltmarktpreis für 100 kg Kupfer im Sommer 1954 bei 350 bis 400 DM lag, daß aber
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damals die Selbstkosten von Sontra bei 880 bis 900 DM lagen. Im Januar 1955 - zur Zeit der Beschlußfassung im Wirtschaftspolitischen Ausschuß und eine Woche später im Wirtschaftskabinett - war der Weltmarktpreis vorübergehend auf 430 DM gestiegen; die Selbstkosten von 880 DM hatten sich aber nicht verändert. Die Selbstkosten bestehen auch heute noch in dieser Höhe, während inzwischen der Weltmarktpreis auf 350 DM abgesunken ist. Was bedeuten diese Zahlen? Sie bedeuten, daß der Weltmarktpreis im Januar, zur Zeit der Beschlußfassung im Wirtschaftskabinett bei knapp 50% der Selbstkosten lag, während der Weltmarktpreis heute auf weniger als 40 % der Selbstkosten von Sontra gesunken ist. Die Ursachen für dieses geradezu groteske Mißverhältnis liegen darin, daß die nationalsozialistische Regierung es in dem doppelten Wahne ihrer Planwirtschaft und ihrer Autarkiewirtschaft für richtig hielt, ein bereits in der Mitte des vorigen Jahrhunderts stillgelegtes Kupferschiefervorkommen wieder auszubeuten, obwohl dieses Vorkommen einen sehr geringen Kupfergehalt von nur 0,8 bis 1 % hatte, obwohl die äußerst geringe Mächtigkeit der Erzadern keinen Zweifel darüber lassen konnte, daß die Kosten der Ausbeute in keinem Verhältnis zu den erzielbaren Preisen stehen würden, und obwohl das Fehlen einer eigenen Weiterverarbeitungsstätte naturgemäß auch in dieser Richtung von vornherein besondere Aufwendungen erforderlich gemacht hätte, wenn man damals eine Weiterverarbeitungsstätte in Sontra hätte errichten wollen. Aber wir wissen ja, daß Fragen einer vernünftigen Relation von Kosten und Preisen für das nationalsozialistische Regime völlig gleichgültig waren. Es galt in den Jahren nur der Gesichtspunkt der Autarkie, gleichgültig, wie hoch die Kosten sein mochten. Das Geld und die Währung konnten ja ruiniert werden, und wir haben auch die entsprechende Zeche dafür bezahlen müssen, daß man eben keine Kosten scheute, wenn man nur die entsprechenden Materialien zur Ausbeute bringen konnte.
Insofern - das muß man doch der Bevölkerung vor allen Dingen immer wieder sagen - handelt es sich doch um die Liquidation eines Wirtschaftsunternehmens aus nationalsozialistischer Zeit, das nur unter dem Gesichtspunkt der Autarkie entstanden war und nun endlich abgebaut werden mußte. Wohin wollten wir eigentlich kommen, wenn wir statt des einen oder anderen dieser Betriebe vielleicht Dutzende hätten, etwa noch in größeren Dimensionen, und dann aus menschlichen Gründen überall so argumentieren würden, wie es der Herr Kollege Arndt hier getan hat? Was wäre das unvermeidliche Ergebnis? - Daß wir in eine völlig unproduktive Wirtschaftsführung hineinkommen könnten! Und das weitere unvermeidliche Ergebnis: daß wir dann allerdings eine allgemeine Senkung des Lebensstandards erfahren würden. Das ist ja auch überall die unvermeidliche Folge, wo nach sozialistischen Prinzipien gewirtschaftet wird. Sie tritt da am krassesten ein, wo diese Prinzipien am reinsten und radikalsten angewandt werden.
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- Nein, das ist gar nicht billig, sondern das sind Tatsachen und Zusammenhänge, die Ihnen allerdings unbequem sind, auf die man aber bei solchen Gelegenheiten immer wieder hinweisen muß.
Es ist Tatsache, daß bei diesem grotesken Mißverhältnis von Weltmarktpreis und Förderkosten in Sontra - gesteigert dadurch, daß nach 1945 auch die ursprüngliche Weiterverarbeitungsstätte Eisleben weggefallen ist, so daß also jetzt die Erze nach Hamburg transportiert werden müssen, was zu einer weiteren außerordentlichen Steigerung der Kosten beiträgt -, daß bei diesem grotesken Mißverhältnis zwischen Kosten und Weltmarktpreis die Zahlen völlig zutreffend sind - das kann in keiner Weise überraschend sein -, die uns Herr Staatssekretär Westrick hier genannt hat: ein Unterstützungsbetrag von 7000 DM pro beschäftigten Arbeiter und die andere Tatsache, daß wir erheblich weniger Subventionen hätten zu zahlen brauchen, wenn wir das Bergwerk gar nicht mehr in Betrieb gehalten hätten, sondern jedem Arbeiter seinen vollen Lohn ohne Gegenleistungen gegeben hätten.
Diese Tatsachen sind doch für jedermann sprechend genug. Deswegen ist es kein Wunder, daß die hessische Regierung - die von der SPD getragene hessische Regierung - völlig damit einverstanden war, daß der Kupferschieferbergbau eingestellt würde. Sie war keiner anderen Meinung als die Bundesregierung, und auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß bestand ja völlige Übereinstimmung, wenigstens bei der Beschlußfassung im vorigen Sommer über - ({2})
- Es gibt aber zuverlässige Kollegen, die dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß damals angehört haben. Sie haben uns niemals gesagt, daß bei dieser Beschlußfassung die SPD dagegen gestimmt hätte. Bei diesen ökonomischen Tatsachen kann es ja auch gar nicht anders sein, als daß jeder halbwegs vernünftig und billig Denkende dem Entschluß, den Kupferschieferbergbau stillzulegen, zustimmen muß.
Allerdings ist eine völlig andere Frage, was dann zu geschehen hatte, um diese Stillegung auf eine Weise durchzuführen, daß alle sozialen Härten vermieden wurden. Da hat Herr Kollege Arndt immerhin schon eine sehr bemerkenswerte Tatsache festgestellt, daß nämlich bisher der ganze Stillegungsvorgang so angefaßt wurde, daß bisher nicht eine einzige Kündigung ausgesprochen zu werden brauchte. Von den unmittelbar Beteiligten hat also bis jetzt noch niemand einen Nachteil durch die Stillegung gehabt, abgesehen davon, daß nun natürlich Umsetzungen zu anderen Arbeitsplätzen und Arbeitsorten notwendig werden. Aber wenn man darauf verzichten und jedem in Arbeit Stehenden eine absolute Garantie für die Aufrechterhaltung seines Arbeitsplatzes geben wollte, dann könnte es ein vernünftiges Wirtschaften überhaupt nicht mehr geben, dann wäre nur noch ein Wirtschaften möglich, in dem der Wahnwitz regiert, nicht aber die wirtschaftliche Vernunft. Die sozialen Folgen eines solchen Wirtschaftens - wenn man es sich allgemein vorstellt - müßten ja so sein, daß sie die Gemeinschaft durch Ausgleichsleistungen überhaupt nicht mehr in Ordnung bringen könnte.
Was nun die Auswahl der Firmen anlangt, so konnte es gar nicht anders sein, als daß man sich, wenn die Bundesregierung und die hessische Landesregierung über die Art der Stillegung und andererseits über die Art der Ersatzindustrien und
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über den Standort der Ersatzindustrien verhandelten, völlig darüber im klaren war, daß die Bearbeitung der Ersatzprojekte in concreto nur Angelegenheit der hessischen Landesregierung sein konnte. Die hessische Landesregierung hat Vorschläge unterbreitet. Die Bundesregierung sah keinen Anlaß, diesen Vorschlägen nicht zu folgen.
Wenn nun eine Verkoppelung zwischen Sontra und Eschwege eingetreten ist, zwei Städten, die 18 km auseinanderliegen, dann ist es nicht die Schuld der Bundesregierung, sondern es ist die Folge des Verhaltens der hessischen Regierung. Die hessische Landesregierung hat zwei Ersatzprojekte vorgeschlagen, erstens das Anliegen der kanadischen Landmaschinenfabrik Harris und zweitens die Betriebserrichtung der Tochtergesellschaft von Voigt und Haeffner, der „Prometheus". Beide sind von der hessischen Regierung für Eschwege vorgeschlagen worden, nicht für Sontra. Dabei hat notabene die hessische Landesregierung noch übersehen oder nicht wissen wollen, obwohl es ihr mehrfach gesagt worden ist - sie ist den Einladungen, das Gelände zu besichtigen, überhaupt nicht gefolgt -, daß in Sontra hinreichendes Ansiedlungsgelände zur Verfügung stand und vielleicht bei entsprechender Einflußnahme der hessisehen Landesregierung die beiden Firmen auch für Sontra zu gewinnen gewesen wären.
Nun ist die Entscheidung für Eschwege insofern an sich kein Unglück - wir begrüßen auch die Entscheidung für Eschwege -, weil nämlich Eschwege in einem Grenzgebiet mit sehr hoher struktureller Arbeitslosigkeit liegt, so daß wir die Stadt Eschwege durchaus beglückwünschen, daß die beiden Betriebe dorthin gekommen sind. Aber wie sind sie dahin gekommen? Dadurch, daß die hessische Landesregierung diese beiden Betriebe der Bundesregierung als diejenigen Betriebe benannt hat, die die vom Bunde zur Verfügung gestellten 15 Millionen Kreditmittel bekommen sollten, damit die Arbeitskräfte von Sontra eine neue Beschäftigung gewinnen könnten. Dieser Zusammenhang ist nicht von der Bundesregierung böswillig ersonnen worden, sondern er beruht auf Vorschlägen, die die hessische Landesregierung gemacht hat. Sehr geehrter Herr Kollege Arndt, wenn irgend etwas auf die Dauer die Demokratie gefährdet, dann sind es diese Methoden einer Unterrichtung der Bevölkerung, die darauf beruhen, daß man der Bevölkerung etwas ganz anderes sagt, als den Tatsachen entspricht, nur um sich den Erfolg für bestimmte Maßnahmen zuzuschanzen, andere ins Unrecht setzt. Ich glaube, diese Methoden sind nicht fair. Sie können nicht dazu dienen, das Ansehen der Demokratie in der Bevölkerung zu heben.
Es bleiben jetzt natürlich einige Probleme zu lösen, wenn auch im Laufe der nächsten Monate - und das ist ja Herrn Dr. Arndt auch bekannt - die Unterbringung der Arbeitskräfte weiterhin so gute Fortschritte macht, wie das in den vergangenen Monaten der Fall war, nämlich so, daß Ihr Antrag, der im Februar eingebracht worden ist, heute in den Hauptpunkten gegenstandslos ist und man sich eigentlich genieren sollte, ihn heute noch aufrechtzuerhalten.
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Von den 50 % der ursprünglichen Belegschaft, die
heute noch tätig sind - rund 750 Arbeitskräfte -,
sollen ja nach den Entwicklungsplänen von Harris, die jetzt in der Ausführung begriffen sind, bis zum Juli weitere 50, bis zum September weitere 150, bis zum Oktober weitere 200, insgesamt 400 untergebracht sein. Es wären dann von den heute noch beschäftigten 750 - genau 762 - noch rund 350 übrig. Da 100 auf den Anlagen bleiben sollen, nur damit diese einen gewissen Erhaltungswert für die Zeit der Wiedervereinigung behalten, wären an und für sich aus dem Bestand der Belegschaft noch 250 Kräfte unterzubringen.
Nun darf man allerdings eines nicht unterschätzen: von den Arbeitskräften aus Sontra und aus den rund 50 Gemeinden um Sontra herum, die inzwischen in Tätigkeit nach Eschwege gekommen sind, wird ein großer Teil wahrscheinlich nicht auf die Dauer in Eschwege bleiben, wenn er nicht das mühselige und kostspielige Pendlerdasein auf sich nehmen wird. Da bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder die Arbeitskräfte werden zu einem Teil zurückwandern, oder aber sie werden in dem Maße nach Eschwege hineinziehen, wie da neue Wohnungen gebaut werden, und wenn das geschieht, dann wird die Not in Sontra für mittelbar Beteiligte insofern größer, als dann folgendes eintritt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, darauf möchte ich insbesondere die Aufmerksamkeit gelenkt haben. Wir haben in diesem ja auch noch obendrein von Flüchtlingen außerordentlich stark belegten Gebiete eine große Anzahl von Kleingewerbetreibenden und Handwerkern, die sich auf einen bestimmten Standard ihres Geschäfts eingerichtet haben, weil eben der Betrieb der Kupferhütte Jahr für Jahr unterhalten wurde und die politischen Parteien fast allesamt darin wetteiferten, die Fortdauer dieses Zustandes der Bevölkerung immer wieder erneut zu versprechen. Daraufhin sind Investitionen gemacht worden, und heute würde ein erheblicher Teil dieser Handwerker und Kleingewerbetreibenden in empfindliche Not gebracht, wenn infolge der Arbeitsbeschaffung in Eschwege und der nachfolgenden Abwanderung der Familien die Kundschaft dieser Gewerbetreibenden, dieser Handwerker noch weiter zurückginge. Deswegen und weil darüber hinaus auch unabhängig vom Kupferschieferbergbau in diesem Gebiet noch eine sehr erhebliche Arbeitslosigkeit struktureller Art besteht, ist es erforderlich, über die bisherigen Industrieansiedlungsmaßnahmen hinaus weitere Maßnahmen zu treffen, und zwar nun nicht auf den Ratschlag der hessischen Regierung in Eschwege oder sonst irgendwo, sondern unmittelbar in Sontra selbst.
Wir haben sehr dankbar gehört, daß die Bundesregierung von sich aus bereits über die bisher gewährten Kredite von 15 Millionen DM zur Ansiedlung der Betriebe von Harris und Voigt & Haeffner in Eschwege hinaus weitere 5 Millionen DM Kredite bereitstellt. Ob dieser Betrag ausreichen wird, ist jetzt noch nicht zu sagen, da ja auch diese Arbeiterwohngemeinden des Kupferschieferbergbaus in Sontra außerordentliche kommunale Belastungen zu tragen haben, von denen man noch nicht weiß, wie diese Gemeinden mit ihnen fertig werden sollen, wenn ihre finanzielle Leistungskraft weiter zurückgeht. Diese Probleme sollten doch noch geprüft werden. Damit hierzu die Gelegenheit gegeben wird, werden wir einen Antrag einbringen, der besagt:
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Die Bundesregierung wird ersucht,
a) zur wirksamen Durchführung des Beschlusses des Wirtschaftskabinetts vom 21. Januar 1955 über die Sanierung der Lage im Raum Sontra weitere Kredite für die Ansiedlung neuer Betriebe oder die Erweiterung bestehender Betriebe zum Ausgleich der in Gang befindlichen Stillegung des Betriebes der Kurhessischen Kupferschieferbergbau GmbH Sontra bereitzuhalten,
b) durch Verhandlungen mit der hessischen Regierung sicherzustellen, daß diese weiteren Bundeskredite ausschließlich für die Gemeinde Sontra und andere für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Betracht kommende Arbeiterwohngemeinden des Sontraer Kupferschiefer-Bergbaus verwandt werden.
Wir bitten, die Ziffern 1, 2 und 4 des Antrags der Sozialdemokratie für erledigt zu erklären, nur die Ziffer 3 des Antrags der Sozialdemokratie den Ausschüssen zu überweisen und unseren Antrag dem SPD-Antrag in die Ausschüsse folgen zu lassen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Sabaß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin kein Hesse. Ich will mich daher der Kürze befleißigen und zunächst an die Ausführungen anschließen, die der Herr Staatssekretär Dr. Westrick gemacht hat, und dann darauf eingehen, was im Grundton in den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Arndt richtigzustellen ist.
Seit dem 16. Februar dieses Jahres, als Herr Kollege Dr. Arndt mit seinen Freunden den Antrag stellte, hat die Bundesregierung in Ausführung eines Beschlusses des Wirtschaftspolitischen Ausschusses vom 14. Januar dieses Jahres und eines weiteren Beschlusses des Wirtschaftskabinetts vom 21. Januar dieses Jahres im Raume Sontra schon sehr erfolgreiche Arbeit geleistet. Wir in diesem Hohen Hause sollten uns bemühen, diese Arbeit nicht durch abändernde Beschlüsse oder durch Ausführungen, wie sie vorhin gemacht worden sind, zu stören und so das Ergebnis unserer Beschlüsse in Frage zu stellen.
({0})
Ich bin daher auch nicht in der Lage, Ihnen zu empfehlen, den Änderungsantrag anzunehmen, den Herr Kollege Euler zu Ziffer 3 des Antrags Bundestagsdrucksache 1212 gemacht hat. Wir müssen doch das erste Interesse daran haben, die Maßnahmen im Raum Sontra-Eschwege in Ruhe abzuwickeln
({1})
und nicht durch Beschlüsse weitere Unruhe in die Bevölkerung dieses Gebiets und die Belegschaft der Werke zu bringen.
Der Herr Staatssekretär hat zu der Ziffer 3 des sozialdemokratischen Antrags, zu dem Herr Euler seinen Zusatzantrag gestellt hat, ja schon ausgeführt, daß der Herr Bundesfinanzminister zu den vorher genehmigten 15 Millionen einen weiteren Betrag von 5 Millionen DM zu den gleichen Kreditbedingungen zur Verfügung gestellt hat. Ich kann
ergänzend dazu sagen, daß sehr aussichtsreiche Verhandlungen schweben, um einen dritten Betrieb in Sontra selbst - denn darauf kommt es an! - anzusiedeln, damit der restliche Teil der Belegschaft von Sontra dort wieder Arbeit und Brot findet. Insofern empfiehlt es sich also nicht, diesem Zusatzantrag zu folgen.
Nun hat einleitend der Herr Kollege Dr. Arndt seinen Antrag vom 16. Februar aber in einer Weise begründet, die ich, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Arndt, sehr bedaure.
({2})
Wenn man die Beratungen des Haushaltsausschusses und des Wirtschaftspolitischen Auschusses mitgemacht hat, so kann man überhaupt nicht bezweifeln, daß das ganze Problem unter dem Gesichtspunkt einer kommenden Stillegung des Betriebs in Sontra angefaßt worden ist. Es ist durchaus richtig - ich bin damals nicht im Bundestag gewesen, aber es wird sicher so gewesen sein -, daß Herr Minister Erhard am 18. Mai 1950 -wir standen damals kurz vor dem Koreaboom-erklärt hat, es werden weitere Bergleute in Sontra angelegt. Aber wer den Bergbau und besonders den Erzbergbau kennt, weiß, daß man eine solche Zusage nicht ad infinitum abgibt. Denn jede Lagerstätte erschöpft sich einmal, die Erzpreise sind von der internationalen Metallbörse abhängig, und die Voraussetzungen können - das haben schon die beiden letzten Generationen erlebt - sich so grundlegend ändern, daß eine solche Zusage praktisch nicht erfüllt werden kann.
Der Bund, in dessen Eigentum nun die Kurhessische Kupferschiefer-Bergbau GmbH in Sontra übergegangen ist, hat sich aber, obwohl nach Aufhören des Koreabooms eine solche Entwicklung eintrat, weiterhin bemüht, den Betrieb durch Zuschüsse aufrechtzuerhalten. Aber diese ewige Subventionierung, die, wie wir eben gehört haben, vom Währungsstichtag bis zum 31. März 1955 35 Millionen DM betragen hat, muß nun einmal - das sagen wir vom Standpunkt des Haushaltsausschusses - ein Ende haben. Man kann doch nicht zu den schon aufgebrachten 26 Millionen des Bundes und den etwa 9 Millionen des Landes Hessen in diesen unwirtschaftlichen Betrieb noch weitere Millionen hineinstecken, ohne je ein Ende abzusehen. Das war der Grund, Herr Kollege Dr. Arndt, weshalb der Haushaltsausschuß bei Beratungen des Haushalts 1954/55 im ersten Vierteljahr des vergangenen Jahres erklärt hat, jetzt sollte einmal der Wirtschaftspolitische Ausschuß prüfen, ob hier nicht entscheidende Änderungen getroffen werden können, die eine Weiterführung der erheblichen Subventionen unnötig machen.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 1. April 1954 mit dieser Frage nach dem Auftrag des Haushaltsausschusses dann beschäftigt, hat aber damals noch keine Entschließung gefaßt. Erst am 18. Juni 1954 hat dieser Ausschuß, an dessen Sitzung Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, teilgenommen haben, erklärt, daß man durch Errichtung von Ersatzbetrieben erst die Voraussetzung schaffen müßte, um dem Gedanken der Stillegung von Sontra nähertreten zu können. Es ist ganz bestimmt nicht so gewesen, wie Sie, Herr Kollege, eben ausgeführt haben, daß eine Koppelung nicht beabsichtigt war. Im Gegenteil: man muß sagen, die Ansetzung von Ersatzbetrieben sollte die Voraussetzung für die Stillegung von
({3})
Sontra sein. Nachdem die Bundesregierung mit Unterstützung der hessischen Landesregierung Ersatzbetriebe gefunden hatte - Herr Ministerpräsident Zinn und Herr Finanzminister Traeger haben sich dabei außerordentliche Verdienste erworben -, hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß in seiner Sitzung vom 14. Januar dieses Jahres seinen Grundsatzbeschluß vom 18. Januar 1954 bestätigt und - das war der Zeitpunkt, wo er zum erstenmal weitere Kredite gefordert hat - darüber hinaus festgestellt, daß die neu angesiedelten Betriebe in Eschwege die Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllen. Herr Kollege Dr. Arndt, wir haben in dieser Sitzung beide - Sie haben es getan, und ich habe mir erlaubt, den gleichen Standpunkt zu vertreten - darauf hingewiesen, daß sich für die Belegschaft von Sontra eine Verlängerung des Arbeitswegs in den Raum Eschwege ergeben wird, weil der größte Teil der Sontrabelegschaft südlich von Sontra in ungefähr 50 Gemeinden ansässig ist und Eschwege bekanntlich 20 km nördlich von Sontra liegt.
Der längere Weg zum Arbeitsplatz und zurück sollte aber und muß ja auch in Kauf genommen werden. Der Aufsichtsrat von Sontra hat inzwischen beschlossen, daß wenigstens für das erste Jahr die Mehrkosten für die An- und Abfahrt noch von Sontra getragen werden. Das ist wirtschaftlich eine ganz verständliche Übergangsmaßnahme, aber man soll nicht annehmen, daß sie in den folgenden Jahren fortgeführt wird. Die Belegschaft, die jetzt neu bei Massey-Harris ist und aus dem Raume südlich von Sontra kommt, ist ja noch nichteingearbeitet und beim endgültigen Lohn angekommen, so daß sie die zusätzlichen Kosten der Fahrt zum Arbeitsplatz tragen könnte. Wenn sie in den endgültigen Lohn eingestuft sein wird, wird man diese Zuschüsse abbauen können.
Nun haben Sie, Herr Kollege Dr. Arndt, noch betont und erklärt, Sie legten auf diese Feststellung Wert, daß im Bergwerk Sontra keine einzige Kündigung ausgesprochen worden ist. Ich verstehe dann nicht, wie Sie in dem Antrag vom 16. Februar dieses Jahres von einer Stillegungs- und Kündigungsaktion sprechen können. Eine solche ist niemals vorgenommen worden, sondern die Hauptversammlung von Sontra hat Ende Januar 1955 die Liquidation beschlossen. Das ist bekanntgeworden. Auf das Angebot von Massey-Harris und von Voigt und Haeffner bzw. Prometheus sind eben die schon mehrmals genannten 540 Belegschaftsmitglieder von Sontra in diese Betriebe abgewandert. Die Behauptung ist völlig abwegig, daß dabei Kopfprämien gezahlt. worden sind. So wird heute nirgends mehr ein Arbeitsplatzwechsel vorgenommen.
Sie haben dann aber auch von einer sozialen Schlechterstellung der umgesiedelten Belegschaft gesprochen und Zahlen genannt. Herr Kollege Dr. Arndt, mit der Statistik kann man bekanntlich alles beweisen. Wenn man hier Zahlen nennt, muß man aber auch die entsprechenden Ziffern in dien anderen Betrieben nennen. Es geht nicht an, daß Sie den Spitzenlohn in Sontra unter Tage, der etwa bei 16 Mark je Schicht liegt, mit dem Durchschnittslohn des Anlernlings bzw. des angelernten Arbeiters bei Massey-Harris bzw. Prometheus von 12 bis 13 Mark je Schicht ins Verhältnis setzen. Sie müssen so sagen: Der Spitzenlohn des Erzbergmanns unter Tage in Sontra hat 16 Mark betragen. Diesen Spitzenlohn haben im günstigsten Falle 50 bis 60 von 1300 Belegschaftsmitgliedern erreicht. Und von den jetzt 560 umgesiedelten Arbeitern
von Sontra sind, wie wir gehört haben, mehr als die Hälfte nach Aachen, an die Ruhr und nach Salzgitter gegangen, wo überall viel höhere Löhne gezahlt werden. Der korrespondierende Spitzenlohn des Erzbergmanns rin Sontra zu dem im Ruhrgebiet liegt daher jetzt etwa wie 16 Mark zu - nach der 9,5%igen Lohnerhöhung - reichlich 20 Mark pro Schicht. Da von den 540 etwa 250 an die Ruhr und nach Aachen abgewandert sind, haben sich diese bestimmt nicht verschlechtert. Sie werden sich verbessert haben. Die übrigen sind meist Belegschaftsmitglieder, die in irgendeiner Form, durch ein eigenes Haus oder sonst ein kleines Grundstück, an den Raum Sontra gebunden sind und eine etwaige anfängliche Verschlechterung - nicht auf die Dauer - gern in Kauf nehmen.
Ich will dann noch folgendes sagen. Ich habe eben im Laufe dieser Sitzung gehört, daß sich um die in Sontra verbleibenden 760 Belegschaftsmitglieder schon so viele Betriebe bemühen, daß diese praktisch wählen können. Der Aachener Bergbau ist bereit, die gesamte Restbelegschaft von Sontra, die also bis auf die Belegschaft, die die stillgelegte Anlage betreuen wird, etwa 660 Personen beträgt, zu übernehmen, auch Massey-Harris ist bereit - Herr Euler hat vorhin Einzelzahlen genannt -, etwa 500 Mann Belegschaft bis Herbst 1956 zu übernehmen. Wenn man das weiß, könnte man glauben, daß die Ansetzung eines dritten Betriebs im Raum Sontra mangels Arbeitskräften nicht ganz durchführbar sein wird. Ich möchte das aber nicht annehmen, weil ja der Zustrom der Flüchtlinge aus dem Mansfeldischen über die Zonengrenze auch in Sontra wieder zusätzliche Arbeitkräfte schafft.
({4}) - Ja, das ist bekannt.
({5})
Wenn wir den Betrieb in Sontra als dritten Ansiedlungsbetrieb haben, haben wir die dortige Bevölkerung vermutlich wieder vollkommen untergebracht.
Der Herr Kollege Euler hat schon gesagt, daß mit einer Darstellung, wie sie Herr Kollege Dr. Arndt hier gegeben hat, und mit der unrichtigen Anführung der Reden, die zwei Fraktionsfreunde von mir im Raum Sontra-Eschwege gehalten haben, sicher nicht dem demokratischen Gedanken gedient ist. Ich möchte das nur unterstreichen. Ich glaube, wir dienen dem demokratischen Gedanken auch im Raum Eschwege-Sontra am allerbesten, wenn wir Ruhe halten und die Maßnahmen, die Bundesregierung und Bundestag beschlossen haben, weiterlaufen lassen, da sie bisher erfolgreich waren und in Kürze zum vollen Erfolg führen werden. Ich bitte daher, den Antrag, den Herr Kollege Dr. Arndt auf Drucksache 1212 gestellt hat, für erledigt zu erklären und demgemäß abzulehnen.
Ich bitte das Hohe Haus aus den gleichen Gründen, auch den Ergänzungsantrag des Herrn Kollegen Euler abzulehnen, weil seine Bearbeitung und Bekanntgabe im Raum Sontra uns sicher unsere Maßnahmen nicht erleichtern wird.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß die
({0})
Wirtschaftssachverständigen der einzelnen Fraktionen Stellung nehmen müssen, nachdem der Herr Kollege Dr. Arndt vor allem auf die Entscheidungen und Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses abgehoben hat. So müssen wir uns schon leider mit diesen Dingen näher befassen, als es vielleicht einigen der Zeit wegen erwünscht ist.
Meine Damen und Herren, es ist interessant, daß in der Öffentlichkeit, gerade in dem hessischen Raum, sehr viel davon gesprochen worden ist, daß es doch eigentlich unglaublich sei, Sontra stillzulegen, nur weil die „Rentabilität maßgeblich" sei. Wenn Sie die Ziffern, die bereits vorgetragen worden sind - ich sehe den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, der diese Ziffern dem Gewicht nach genau kennt -, gehört haben, wenn Sie erkannt haben, was hier schon von Staats wegen, und zwar nicht nur vom Bunde, auch vom Lande Hessen, geleistet worden ist, dann kann doch jeder nur froh sein, wenn man diese Sache nicht etwa weitermacht, sondern eine vernünftige wirtschaftliche und gleichwertig soziale Lösung herbeiführt.
Meine Damen und Herren, es ist doch so, daß bei einer Belastung der Tonne des dort gewonnenen Kupfers mit Produktionskosten von 9000 DM nicht weniger als 7700 DM Zuschußbedarf sind. Das sind ja über 85 % der Produktionskosten! Wer so arbeiten will und glaubt, das auf die Dauer dem Volk und der Volkswirtschaft gegenüber verantworten zu können, der ist entweder ein Dilettant, oder er ist ein Mann, der wirklich nur noch in Demagogie machen kann.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist Herrn Kollegen Dr. Arndt seit dem 1. April 1954 aus der Sitzung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses bekannt, daß im Zuge der Stillegung des Bergwerks an Mitteln für produktive Ansiedlungen im Gebiet von Sontra, nicht in der Stadt Sontra allein, verbilligte Kredite bis zu 15 Millionen bereitgestellt werden sollten. Ich darf aus dem Kurzprotokoll Nr. 9 des Wirtschaftspolitischen Ausschusses vom 1. April 1954 zitieren. Dort heißt es u. a.:
Abg. Dr. Arndt ({2}) teilt ergänzend mit, nach Ausführungen von Ministerialrat Dr. Vialon ({3}) im Haushaltsausschuß sei der Bundesfinanzminister bereit, für produktive Ansiedlungen im Gebiet von Sontra verbilligte Kredite bis zu 15 Millionen DM bereitzustellen.
Daraufhin, Herr Kollege Arndt, ist in Ihrer Gegenwart im Wirtschaftspolitischen Ausschuß einstimmig beschlossen worden - ich betone nochmals: einstimmig -, daß in den Erläuterungen, die zu dem Haushalt notwendig waren, nach den Worten „zur Deckung des Fehlbetrags" folgende Worte einzufügen sind: „und für die wirtschaftliche Aufschließung des Gebietes und zur Ansiedlung von neuen gewerblichen und industriellen Unternehmungen". Dann geht es weiter in dem Protokoll:
Auf diese Weise soll zum Ausdruck kommen, daß der Zuschußbedarf nur insoweit für das Werk Sontra verwandt werden darf, als es für die Fortführung des Betriebes ohne Planung weiterer Aufschließung notwendig ist.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist außerdem durch den Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ersucht worden, innerhalb von 4 Wochen über die bisherigen Maßnahmen zur Ansiedlung neuer Industrien und innerhalb von 3 Monaten über die Planung für die Ansiedlung neuer Industrien zu berichten.
Wenn man diesen ganzen Tatbestand, der protokollarisch festliegt, kennt, Herr Dr. Arndt, dann ist doch jeder hier im Hause geradezu bestürzt, wie Sie hier so tun können, als ob diese Frage der Stillegung von Sontra mit der Ansiedlung neuer Industrien im Gebiet Sontra gar nichts zu tun habe. So geht es doch nicht, meine Damen und Herren!
({4})
- Nein, aber die Wahrheit muß man schon sagen, und man muß sie dann auch ertragen können.
({5})
- Entschuldigen Sie, ich habe ganz deutlich gesagt, daß ich hier lediglich das Protokoll des Wirtschaftspolitischen Ausschusses verlese. Sie haben vorhin Behauptungen aufgestellt, die der Wahrheit widersprechen.
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- Natürlich, daß Sie das nicht gern hören und tarnen wollen, kann ich gut verstehen.
Es sind sicher erst seit einem Jahre ernsthafte Versuche gemacht worden, dieses Problem zu lösen. Daß innerhalb dieses einen Jahres ein Abschluß mit der kanadischen Firma für Landwirtschaftsmaschinen und mit einer anderen Firma für elektrische Hausartikel schon geglückt ist, im Raum Eschwege wenigstens, ist erfreulich. Wir wissen aber, daß auch noch weitere Planungen vorliegen, um deren Durchführung ich doch dringend bitten möchte. Da kann ich nicht mit dem Herrn Kollegen Sabaß übereinstimmen. Denn sicher sind in Sontra auch dann noch Arbeitskräfte anzusetzen, wenn diese beiden Firmen richtig zur Wirkung gekommen sind, und zwar ganz einfach deshalb, weil z. B. die zweite Firma, die einen Bedarf von 500 Arbeitskräften hat, darunter allein 400 Frauen benötigt, und das sind doch keine Bergarbeiter.
Ichbitte also, nicht jetzt wieder vorzeitig aufzuhören in dem falschen Optimismus, die Lage sei bereits gemeistert, sondern nun gerade das durchzuführen, was mit viel Mühe nun - Gott sei Dank - in Bewegung gekommen ist. Vielleicht sollte man auch überlegen, ob man noch den einen oder anderen mittleren Betrieb dort mit ansetzen sollte. Erstens ist dadurch die Verteilung des Risikos besser, und zweitens meine ich, daß man auch mit bescheideneren Mitteln doch recht viel leisten könnte.
Ich komme zum Schluß.
({7})
- Ich wünschte, wir wären schon mit Sontra am Schluß, nämlich daß dort alles sozial mustergültig geregelt wäre. Solange das nicht der Fall ist, müssen wir uns im Bundestag schon damit befassen.
Die soziale Sicherung war ,das erste, was auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gefordert wurde und in allen Beschlüssen zum Ausdruck gekommen
({8})
ist. Es wäre jetzt falsch, das Rad etwa wieder herumzudrehen und durch die Annahme des Antrags Drucksache 1212 des Herrn Kollegen Dr. Arndt und Genossen wieder von vorn anzufangen. Wir sind der Ansicht, daß die Bundesregierung auf Grund der Beschlüsse des Wirtschaftspolitischen Ausschusses ihre Pflicht getan hat und die Dinge schon weitestmöglich gefördert hat, so daß wir gar keinen Grund haben, in diesem Augenblick einzugreifen. Erst sollten wir die eingeleiteten Maßnahmen einmal richtig auslaufen lassen. Wenn uns die Situation dann noch nicht voll befriedigen sollte, haben wir die Möglichkeit, aufs neue zu handeln.
Es ist kein Zweifel, daß, wenn so gehandelt wird, wie ich es nochmals dargestellt habe - da befinde ich mich mit den Herren Vorrednern der Regierungskoalition durchaus im Einvernehmen -, dann sowohl die Arbeiter als auch die Stadt Sontra und die anderen Gemeinden des Gebietes und, was auch noch wichtig ist, der Einzelhandel und der Mittelstand dort durchaus wieder in Ordnung kommen und damit eine große Sorge von uns allen hier im Bundestag genommen sein wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Soweit die Herren noch zu diesem Punkt sprechen wollen, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es jetzt noch 7 Minuten bis 21 Uhr sind und wir doch wenigstens diesen Punkt heute noch abschließen sollten.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um ein sehr ernstes Problem, das wir nicht zum erstenmal, sondern zum wiederholten Male diskutieren. Ich bedaure es außerordentlich, daß der Kollege Arndt in diese Diskussion die Schärfe dadurch hineingebracht hat, daß er hier nicht das echte Bild, sondern ein Zerrbild aufgezeigt hat; das darf ich einmal ganz deutlich sagen. Die Dinge sind doch zum Teil wesentlich anders, als Kollege Arndt es hier dargetan hat. Einige der Vorredner haben mit Recht schon darauf hingewiesen, daß das, was er heute gesagt hat, nicht ganz in Übereinstimmung steht mit dem, was er bei anderen Gelegenheiten zu diesem Problem gesagt hat.
Wir wissen um das Schicksal der Menschen, die damals dort angesiedelt wurden. Wir wissen darum, wie die wirtschaftliche Entwicklung dieses Bezirks und insbesondere des Kupferschieferbergbaus gelaufen ist. Ich darf zu den Zahlen, die Herr Staatssekretär Westrick und Kollege Euler angeführt haben, nur noch darauf hinweisen, daß, vom Wirtschaftlichen her gesehen, die Produktion in Sontra nie eine entscheidende Bedeutung gehabt hat. Sontra hat zur besten Zeit etwa 1 % unseres Kupferbedarfs erzeugt. Daraus mögen Sie die wirtschaftliche Bedeutung ermessen. Man darf bei Erhaltungsmaßnahmen diese Tatsache nicht übersehen.
Kollege Arndt glaubte hier darauf hinweisen zu müssen, daß die Vertreter der CDU in dieser Frage eine sehr zwiespältige Haltung gezeigt hätten. Ich muß den Kollegen Arndt daran erinnern, daß ich in dem Sontra-Bereich seit Jahren die Ansicht vertreten habe, daß sich dieser Kupferschieferbergbau auf die Dauer nicht halten läßt, weil er eben nicht
wirtschaftlich zu machen ist. Ich bedaure, daß einzelne Personen, die sich als Experten bezeichnen, hier zu gewissen Zeiten noch Illusionen erweckt haben, die nie erfüllt werden konnten. Es ist von dem Verhältnis zwischen den Erzeugungskosten und dem Weltmarktpreis gesprochen worden. Ich brauche da nichts hinzuzufügen. Jedenfalls war es lange Zeit so, daß die Erzeugungskosten auf der dreifachen Höhe des Weltmarktpreises lagen. Und wenn uns gesagt wird, daß eine Subvention gegeben wird, die weit die Lohnsumme übersteigt, dann muß man sich, glaube ich, Gedanken dahingehend machen, nun diesen Zustand zu ändern.
Ich darf Sie darauf hinweisen, daß bereits in der Sitzung des Haushaltsausschusses vom 22. Mai 1953 der Kollege Blachstein von der sozialdemokratischen Fraktion den Antrag gestellt hat, das Bundeswirtschaftsministerium aufzufordern, durch Schaffung dauernder Arbeitsplätze diesen verlorenen Zuschüssen ein Ende zu setzen. Entsprechende Vorschläge sollen bis zur ,nächsten Haushaltsberatung dem Ausschuß vorgelegt werden,
({0})
weil eben weithin die Übereinstimmung besteht, daß diese Dinge auf die Dauer wirtschaftlich nicht tragbar sind. In der gleichen Sitzung hat der Kollege Arndt gesagt, das Unterstützungsprogramm muß so lange fortgeführt werden, bis neue Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen werden können. Er hat gesagt, einziger Ausweg scheine die Industrieansiedlung im Raum um Bebra zu sein. Jeder, der die Dinge kennt, der die Lage kennt, weiß, daß die Entfernung zwischen Sontra und Bebra ungefähr dieselbe ist wie die Entfernung zwischen Sontra und Eschwege. Nun hat man in Eschwege Industrie angesiedelt, und Herr Arndt sagt nein. Ich muß mir jetzt die Frage vorlegen, warum. Viele von unseren Freunden werden das nicht verstehen. Aber die darf ich aufklären. Eschwege gehört nicht zum Wahlkreis des Herrn Kollegen Arndt, wohl aber Bebra.
({1})
Vielleicht hängt das damit zusammen. Ich habe Verständnis dafür, daß jemand uni seinen Wahlkreis besorgt ist. Das tue ich auch. Aber das muß in vernünftigen Grenzen bleiben, und ich möchte meinen Kollegen nichts zumuten, was ihnen nicht zugemutet werden kann.
({2})
Es ist auf den Gesamtaufwand der Bundesregierung für Sontra hingewiesen worden. Ich darf einmal sagen: wenn in jedem Wahlkreis eine solche Summe für unwirtschaftliche Betriebe aufgewandt worden wäre, hätte der Bund schon Pleite gemacht.
({3})
Ich darf aber den Kollegen Arndt noch auf folgendes hinweisen. Herr Staatssekretär Westrick hat bereits gesagt, daß der Staatssekretär Lauffer von der hessischen Regierung diesen Maßnahmen zugestimmt hat. Ich darf weiter darauf verweisen, daß auch der Informationsdienst der hessischen Regierung sich für diese Maßnahmen ausgesprochen und eine besondere Reklame für Hessen gemacht hat, das durch die Industrieansiedlung dort etwas Hervorragendes geschaffen habe. Ich möchte also sagen, daß auch dort die Dinge anders gesehen werden.
Ich habe nun, als ich den Antrag des Kollegen Arndt sah, einen Kollegen bei den Unterschriften
({4})
gesucht. Der zuständige Abgeordnete für den Bezirk Eschwege, unser lieber Kollege Freidhof, hat den Antrag nicht unterschrieben. Ich vermute, daß es nicht nur deshalb nicht geschehen ist, weil er zufällig nicht da war, sondern wahrscheinlich, weil er sich darüber freut, daß in Eschwege etwas geschehen ist. Also man muß all die Details kennen, wenn man zu einer richtigen Beurteilung kommen will.
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- Nein! Da müssen Sie mir das zeigen! Es haben unterschrieben Arndt, Merten, Preller, Altmaier, Banse, Frau Beyer, Birkelbach, Heiland, Stierle, Schmitt ({6}), Ritzel, Reitz, Mommer, Metzger, Maier, Lange. Also ich finde hier auf der Drucksache 1212 - Sie alle können es nachsehen
- unsern lieben Kollegen Freidhof nicht. Ich babe daraus wieder einmal die Schlußfolgerung gezogen, daß hier, eben weil es zwei verschiedene Wahlkreise sind, die Interessen etwas verschieden liegen.
({7})
Zwei Dinge müssen wir uns hier noch angelegen sein lassen. Es ist erstens das Problem. wie der Gemeinde Sontra und dem unmittelbaren Bereich um Sontra geholfen werden kann. Wir glauben, daß für einen erheblichen Teil der Arbeitskräfte in diesem Bereich Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden sollten. Herr Staatssekretär Westrick hat darauf hingewiesen, daß bestimmte Maßnahmen eingeleitet worden sind, und ich möchte wirklich darum bitten, daß man sich ernsthaft bemüht, zu dem, was in Eschwege geschehen ist, im Raum Sontra noch ein Beachtliches hinzukommen zu lassen. Eine Reihe meiner Freunde wird deswegen dem vom Kollegen Euler vorgelegten Antrag zustimmen, der sich gerade damit beschäftigt, daß diesem engeren Bereich noch eine besondere Sorge gewidmet werden sollte.
Darüber muß man sich überall klar sein, daß ein bestimmter Kreis der Arbeitnehmer
- er wird nicht allzu groß sein - nicht allgemein arbeitsverwendungsfähig sein wird. Hier wird man sich ernsthaft bemühen müssen, gerade den Personenkreis der älteren oder der behinderten Arbeiter wiederum in eine Arbeitsstelle einzugliedern. Ich darf deshalb darum bitten, dem Antrag, den der Kollege Euler gestellt hat, zuzustimmen. Er besagt, daß die Ziffern 1, 2 und 4 der Drucksache 1212 als erledigt betrachtet bzw. abgelehnt werden sollen, daß aber analog der Ziffer 3 des Antrags eine andere Formulierung akzeptiert werden soll. Ich sage noch einmal, es geht darum, daß zu dem bisher Eingeleiteten zusätzliche Bemühungen gemacht werden, diesem engen Raum in Sontra, wo die Situation kritisch ist, noch eine besondere Hilfe angedeihen zu lassen.
({8})
Das Schlußwort als Antragsteller hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({0}), Antragsteller: Der Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Herr Dr. Westrick, hat eine Reihe von Behauptungen aufgestellt, die ich zu meinem Bedauern nicht unwidersprochen lassen kann, weil sie nicht zutreffen. Es ist zunächst in den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Westrick die mir ja sehr wohlbekannte Behauptung vorgekommen, der hessische Ministerialdirektor Herr Dr. Lauf f er habe erklärt, daß die hessische Regierung die volle politische Verantwortung für die Maßnahme der Bundesregierung zu tragen bereit sei. Nun, das ist an und für sich schon unglaubwürdig. Ich möchte den Ministerialdirektor des Bundes sehen, der es unternehmen würde, zu äußern, daß er für den Bund erkläre, der Bund sei bereit, die volle politische Verantwortung für die Maßnahme eines Landes zu tragen, und ich möchte nicht sehen, wie es diesem Ministerialdirektor dann nachher im Bunde, wenn er in sein Haus zurückkehrt, ergehen würde. Das ist also an und für sich schon unglaubhaft.
Aber Herr Dr. Lauffer hat jede Gelegenheit benutzt, eine so unsinnige Behauptung zurückzuweisen. Ich zitiere hier nunmehr aus dem Protokoll .des Ausschusses für Wirtschaft und Verkehr des Hessischen Landtags, Sitzung vom 16. Februar 1955. Da hat Herr Ministerialdirektor Dr. Lauffer gesagt,
man habe niemals erklärt, wie behauptet worden sei, daß Hessen die politische Verantwortung für den Stillegungsbeschluß übernehme. Hessen habe lediglich erklärt, daß es sich mit dem Beschluß abfinden müsse - das sei etwas anderes als zustimmen - und daß es bereit sei, mitzuwirken, wenn es sich darum handle, die Folgen des von der Bundesregierung gefaßten und von ihr politisch zu verantwortenden Beschlusses abzumildern.
Eine entsprechende Erklärung hat dann auch Herr Ministerpräsident Zinn in einer Pressekonferenz abgegeben.
({1})
- Sie sagen: „Eine sehr mutige Erklärung?" Was ist das für ein Mut der Bundesregierung, daß sie sich hinter einen hessischen Beamten verkriechen muß?! Das ist doch der wahre Sachverhalt. Denn wenn es so wäre, wie Sie es hier erzählen, dann könnte die Bundesregierung vor das Haus und vor die Öffentlichkeit treten und sagen: Jawohl, wir halten die Dinge dort nicht mehr für verantwortbar; wir haben die Entscheidung gefaßt,
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daß stillgelegt und zugemacht wird, - soundso. Sehen Sie, Herr Naegel, so verfährt man, wenn man etwas verantworten will, was man als Eigentümer und als die Regierung in einer Bundesangelegenheit zu tun hat! Dann verkriecht man sich nicht hinter den Ministerialdirektor eines Landes! Das ist schon ein schlechter Eindruck, den Sie damit erwecken, daß Sie etwas Derartiges erzählen.
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Das zweite, Herr Staatssekretär, gehört dazu. Da haben Sie also erzählt - das sind so berühmte Bonbons, möchte ich beinahe sagen; Herr Sabel hat ja die ganze Geschichte auf die Wahlkreisebene heruntergebracht; darauf komme ich auch noch gleich -, ich selbst hätte gesagt, es sei gar nicht erforderlich, die neuen Betriebe in Sontra anzusiedeln, der Raum Bebra genüge auch. Sie waren in jener Sitzung nicht anwesend. Ich weiß nicht, wie weit das Protokoll wörtlich ist; aber es gibt ja genügend Zeugen, die in jener Sitzung gewesen sind. Ich habe selbstverständlich niemals gesagt, daß Betriebe in Sontra gar nicht, sondern statt dessen im Raum Bebra angesiedelt werden sollten. Was ich
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gesagt habe, ist vielmehr folgendes: wenn sich in Sontra spezielle Schwierigkeiten ergeben - mid dort sind bestimmte Schwierigkeiten -, dann ist es nötig, neue Betriebe nicht nur, sondern sowohl in Sontra anzusetzen, als auch in dem Raum herum noch weitere Betriebe anzusiedeln. Das habe ich - Herr Naegel, Sie waren der Vorsitzende - gesagt. Und, Herr Staatssekretär, wenn Sie Ihre Akten nachsehen, dann werden Sie darin sogar eine Eingabe des Abgeordneten Arndt finden. Darüber steht: „Sontra-Plan". Da habe ich eine Reihe von Betrieben genannt, die nach Sontra kommen sollten und, soweit sie nicht nach Sontra können, nur dann auch in die Gegend herum.
Nun kommt Herr Sabel und sagt: Ja, das ist eben die Geschichte, Sontra-Eschwege und SontraBebra, das ist dieselbe Entfernung, aber das ist eben ein Unterschied im Wahlkreis. Herr Sabel, es ist doch lachhaft, so etwas zu sagen.
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Der Unterschied ist vielmehr der - das hat ganz bestimmte historische Gründe, und Sie wissen ja, wie alte historische Gründe sich dort bei unseren Landkreisen auswirken -, daß die gesamte Belegschaft des Kupferbergwerks von Sontra, das in der Nordostecke des Landkreises Rotenburg liegt, südlich wohnt, unid zwar in 44 Ortschaften des Landkreises Rotenburg zentriert um Bebra herum. Das ist auch der Grund, warum Ihr Kollege Herr Dr. Schnell, der dort keinen Wahlkreis zu vertreten hat, und die gesamte CDU des hessischen Landtags gesagt haben: Ja, es ist diskutabel, es in diesen Raum Sontra-Bebra hineinzunehmen, aber es ist nicht diskutabel, aus verschiedenen, auch bahnverkehrstechnischen Gründen, es nach Eschwege zu bringen. Das hat sachliche Gründe. Ich habe es den Herren im Bundeswirtschaftsministerium, ich habe es im Ausschuß an Hand der Landkartengezeigt, warum das nicht anders geht. Jeder, der die Dinge nicht vom grünen Tisch ansieht, sondern von den lebenden Menschen, der die Dörfer kennt, der weiß, wie sehr anders das ist, wenn ich es in den Gesamtraum Rotenburg hineinstelle -so heißt nämlich der Landkreis -, als wenn ich es nach Eschwege bringe. Dias ist auch der Grund, warum Ihre hessischen CDU-Parteifreunde sich so aufgeregt und gesagt haben: Das geht nicht! Also mit Wahlkreisgeschichten hat das gar nichts zu tun. Im übrigen kann ich Sie beruhigen: Herr Freidhof hat unterschrieben. Auf der Drucksache stehen ja die Originalunterschriften nicht. Wir haben nach seiner Abreise den Antrag noch etwas geändert, und da wir sehr korrekte Leute sind, haben wir den Antrag dann ohne seine Unterschrift nochmals eingereicht. Aber es muß wahrscheinlich sogar beim Präsidialbüro auch noch der ursprüngliche Antrag mit der Originalunterschrift des Herrn Kollegen Freidhof liegen. Also auf ein solches Niveau ,dürfen wir doch eine ernsthafte Sache - Sie haben selbst gesagt, das sei ernsthaft - nicht bringen; denn es handelt sich um das Schicksal eines sehr gefährdeten Zonengrenzbezirks!
Nun komme ich noch einmal zu Herrn Staatssekretär Westrick. Herr Staatssekretär Westrick hat versucht, hier durch die Höhe der Subventionen großen Eindruck zu machen; er hat damit viel Anklang gefunden. Das wissen wir alle. Das haben wir ja wiederholt durchexiziert. Sie haben diese Subventionen nicht anders bewilligt als wir. Die Subventionen sind vollkommen klar, und infolgedessen hat niemals ein denkender Mensch bezweifelt, daß hier irgendeine Änderung eintreten muß. Gerade das nur, was in Wirklichkeit geschah, ein Betrieb, der nicht leben und nicht sterben konnte, das durfte nicht sein.
Es gab infolgedessen zwei Möglichkeiten: entweder die Produktion zu steigern, insbesondere auch die Förderleistung zu erhöhen, dann, wie Sie wissen, die Erzeugung von Pflastersteinen anzuschließen und vor allen Dingen nach Art des Eislebener Betriebs die Weiterverarbeitung anzuschließen; das war die eine Möglichkeit.
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- Dies kostet ja auch viel! - Die andere Möglichkeit war die, daß man Ersatzindustrien brachte, um den Betrieb als solchen abzulösen, wobei ich hervorhebe, daß alle, auch ich, stets erklärt haben, daß außer dem Bergwerk die Gegend ja ohnehin doch noch industrialisiert werden müsse. Diese beiden Möglichkeiten bestanden. Herr Sabel, es ist völlig richtig, daß es im Bundestag von vornherein eine sehr starke Strömung gegeben hat, zu der Herr Kollege Blachstein und auch Herr Ritzel gehört haben, die gesagt haben: Ersatzbetriebe aufziehen! Ich gebe Ihnen gern zu, daß Sie stets ehrlich gewesen sind und stets gesagt haben: Sontra ist keine Dauerlösung. Das haben Sie erklärt. Ich habe mich auch nicht gegen sie gewandt, sondern gegen andere Ihrer Freunde, die hier unehrlich verfahren sind. Sie haben stets gesagt: Sontra ist keine Dauerlösung, es muß etwas anderes geschehen. - Laufen Sie man nicht weg, Herr Samwer, jetzt bekommen Sie etwas zu hören! - Soweit sich nun aber diese zweite Richtung durchsetzte, die sagte: Wir müssen das Bergwerk auflassen dadurch, daß wir Ersatzindustrien ansetzen, war im Wirtschaftspolitischen Ausschuß - und übrigens auch im Haushaltsausschuß - stets Einigkeit darüber, daß die Ersatzindustrien erst dasein müssen, unid zwar dort, wo sie hingehören. So hat es Herr Dr. Löhr auch vor der Belegschaft gesagt. Nur daran halte ich fest, und nur insoweit sage ich: hier ist nicht geschehen, was man versprochen hat.
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- Ja, der Beschluß des Ausschusses ist doch ganz eindeutig, Herr Samwer, und Sie sollten besser nicht anderen Leuten Unwahrheit vorwerfen, wenn Sie die Dinge nicht richtig verstehen oder wenn Sie nicht dabei waren!
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- Nun, arrogant? Der Vorwurf der Unwahrheit verdient ein anderes Beiwort, Herr Samwer, zumal da er unbegründet ist. Denn ich habe niemals gesagt, daß jene Richtung, die das Bergwerk ablösen wollte durch Ersatzindustrien, hier nicht zu Wort gekommen ist und daß nicht entsprechende Beschlüsse vorliegen. Ich habe mich in meiner Rede - wenn Sie sie nachlesen, wahrscheinlich müssen Sie sie erst lesen, um das zu sehen - nur dagegen gewandt, daß man die Sache mit Massey-Harris in Eschwege koppelt. - Da ist gar nichts zu lachen! Wenn Sie einem Menschen den Vorwurf der Unwahrheit machen, müssen Sie sich erst einmal überlegen, was Sie tun, und da sind Sie sich offenbar nicht klar darüber!
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({10})
Nur dagegen habe ich mich gewandt.
({11})
- Sie haben sich gar nichts zu verbitten, nachdem Sie zuerst unverschämt gewesen sind!
({12})
Nur dagegen habe ich mich gewandt, daß hier eine vom Bundestagsausschuß für Wirtschaftspolitik und vom hessischen Landtagsausschuß für Wirtschaftspolitik abgelehnte Verkopplung mit der Betriebserrichtung Massey-Harris in Eschwege von der Bundesregierung hergestellt wurde.
Herr Kollege Euler, jetzt komme ich zu Ihnen!
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- Jawohl, da Sie Zwischenrufe machen, ich komme jetzt gern zu Ihnen insoweit; denn auch Sie sind keineswegs über die Dinge unterrichtet. Ich möchte Sie doch über folgendes aufklären.
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Der Betrieb von Massey-Harris sitzt in Eschwege bereits mindestens ebenso lange, wie das Kupferbergwerk Sontra wieder aufgemacht worden ist, und die Verhandlungen über die Erweiterung durch Aufnahme einer bestimmten Produktion und Schaffung von 1200 Arbeitsplätzen - Frage: ob nach Westhoven bei Köln oder nach Eschwege - wurden von der hessischen Landesregierung im Jahre 1951 begonnen, als gerade auch Ihre Fraktion durch Herrn Kollegen Dr. Becker hier im Hause gefordert hat, daß das Kupferschieferbergwerk ausgebaut wird. Also es ist in keiner Weise richtig, daß die Sache mit Massey-Harris als ein Ersatzbetrieb für das Kupferschieferbergwerk angefangen habe und als solche vorgeschlagen worden sei.
Herr Samwer hat bereits mit Recht gesagt: es ist ebenfalls vollkommen abwegig, die Prometheus GmbH, Tochtergesellschaft von Voigt und Haeffner, heranzuziehen. Denn die Prometheus GmbH braucht 100 elektrotechnische Werkmeister und 400 Frauen. Solange Sie nicht nach dem System von Christine Sörensen verfahren, daß Sie die Bergarbeiter in Frauen umwandeln, können Sie die freiwerdenden Arbeitskräfte nicht in diesem Betrieb unterbringen.
Sie können also hier nicht erzählen, daß die hessische Landesregierung diese beiden Betriebe als Ersatzindustrien für Sontra vorgeschlagen habe. Das ist einfach nicht wahr. Die Dinge sind vielmehr vollkommen anders gelaufen. Als man den Kreis Eschwege von Hessen aus industrialisieren wollte - und natürlich, Herr Sabel, hat man das im Hessendienst als einen Erfolg unterstrichen, und es ist doch sicher auch einer -, ist man an die Bundesregierung herangetreten und hat gesagt: Wir haben nicht genug Geld und kommen mit dem Zonenrandgeld nicht aus; kannst du uns nicht zusätzlich Geld als Kredit geben, daß die Betriebe dahin gehen. Dann hat die Bundesregierung diese Sache mit der Stillegung von Sontra verkoppelt, und zwar in einer Weise, die nicht mit dem übereinstimmt, was der Wirtschaftspolitische Ausschuß gesagt hat. Herr Kollege Löhr hätte nicht acht Tage nach unserer Ausschußsitzung so vor der Belegschaft sprechen können, wie er es getan hat, wenn die Maßnahme der Bundesregierung mit unserem Ausschußbeschluß übereinstimmte. Also diskutieren Sie das doch nicht hinweg!
Jetzt natürlich ist das Kind in den Brunnen gefallen. Aber die Sachen sind trotzdem nicht so, wie Sie es dargestellt haben. Sie haben gesagt, es sei für einen vernünftigen Menschen unmöglich, gegen den Beschluß der Bundesregierung zu protestieren. Ich muß Ihnen sagen, dann schließen Sie aus den vernünftigen Menschen Ihren Fraktionsfreund Heinrich F ass b e n der aus. Denn Herr Kollege Heinrich Fassbender aus Ihrer Fraktion ist, wie Sie wissen, im Landkreis Rotenburg ansässig, ist erster Beigeordneter in Rotenburg und ist Mitglied des Kreistags. Er hat nach dem Beschluß des Wirtschaftskabinetts im Kreistag mit die geharnischtste Protestresolution gefaßt, die es überhaupt gibt. Er vertritt sie leider nur nicht hier im Hause. Das ist immer diese zwiespältige Haltung, daß man draußen im Wahlkreis etwas anderes erzählt, als man hier sagt. Wenn man es für so vernünftig hält, warum wälzt man es auf Herrn Lauffer und auf die hessische Landesregierung ab?
Nun sagten Sie, es sei ja keine Kündigung erfolgt. Ich habe es selbst betont, Herr Sabaß und Herr Euler haben es unterstrichen: Ja, warum? Weil keine Kündigung zu erfolgen brauchte, nachdem die Leute nach der öffentlichen Zusammenkunft, wo ihnen gesagt werden mußte: Das und das ist von der Bundesregierung beschlossen worden, eine Panik ergriffen hatte. Da hat doch jeder gedacht „Rette sich wer kann"! Da brauchte man nicht zu kündigen. Die jungen Arbeiter, die Hauer, das technische Personal und die Führungskrafte gingen weg. Die finden natürlich auch im Westen oder im Rhein-Main-Gebiet oder sonstwo Arbeitsplätze, unter Umständen sogar solche, die höher bezahlt sind. Da haben Sie vollkommen recht. Aber das Gebiet verelendet und die Familien gehen darunter zugrunde. Es bleibt ein Haufen von 700 Mann, dem die technischen Kräfte, die Führungskräfte und die jungen Kräfte entzogen sind, und für den spreche ich hier und habe ich diese Dinge vorgebracht.
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- Ja, „Übergangszeit"! Was soll denn mit den Leuten werden? Sie, Herr Euler, haben dann noch gesagt, es sei ja alles längst erledigt, es sei ja unsinnig. Wenn das so unsinnig wäre, warum hat vor wenigen Tagen, am 26. April, der Technische Ausschuß des Aufsichtsrats dann noch drei verschiedene Vorschläge für die Zukunft gemacht? Ich will nicht, daß jetzt noch Kündigungen kommen. Übrigens, das Wort „Kündigungs- und Stilllegungsaktion" stammt von Herrn Ministerialdirektor Professor Dr. Oeftering. Dem verdanke ich das Wort. - Warum hat der Technische Ausschuß des Aufsichtsrats der bundeseigenen Kurhessischen Kupferschieferbergbau GmbH am 26. April, also vor noch nicht einmal einer Woche, ein Exposé mit drei Möglichkeiten der Betriebsfortführung und den verschiedenen Kosten, die dadurch entstehen, gemacht, wenn das alles so vollkommen unsinnig wäre? Niemand verlangt, daß die 500 Menschen, die weg sind, wieder zurückgeholt werden und daß der alte Zustand wiederhergestellt wird. Aber diese 700 Menschen zittern doch jetzt um ihren Arbeitsplatz! Darum geht es. Es geht auch darum, daß das Abziehen in die anderen Gebiete eine Verelendung der Gemeinden herbeiführt. Wir haben doch das Experiment im Bayerischen Wald gehabt. Da hat man Leute abgezogen und gedacht, die Arbeitslosigkeit würde sinken. Statt dessen ist sie gestiegen. Herr Sabaß,
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Sie sagen, man dürfe nicht den Spitzenlohn unter Tage vergleichen mit dem Durchschnittslohn des angelernten Arbeiters, man müsse sehen, was die Arbeiter, die weggegangen sind, jetzt beim Eschweger Bergwerksverein verdienen. Das ist ja doch nicht das Problem! Das Problem sind doch die Leute, die jetzt aus dem Kreise Rotenburg nach Eschwege fahren und als Metallarbeiter nichts anderes sind und nie etwas anderes werden als angelernte Arbeiter. Sie können doch nicht „Arbeiter gleich Arbeiter", ganz gleich welcher Art, setzen. Wenn Sie wissen - Sie wissen es -, daß der Bergarbeiter etwas anderes ist als der Metallarbeiter und daß Sie aus diesen Menschen, die Sie kennen müssen, aus diesen Erzbergarbeitern niemals Werkmeister der Metallindustrie machen können, wissen Sie auch, daß die Leute zwar im Bergwerk unter Tage den Spitzenlohn erreichen, daß sie ihn aber in der Maschinenfabrik in Eschwege nicht erreichen und daß sie praktisch etwa 50 % ihres bisherigen Einkommens einbüßen und dazu noch den Verlust der Knappschaftsversicherung sowie die zusätzlichen Fahrtkosten haben. Denn, Herr Staatssekretär Westrick, wenn die Firma Massey-Harris für ein Jahr einen Zuschuß zu den Fahrtkosten gibt, - auf die Dauer gibt sie diesen Zuschuß bestimmt nicht.
Also die Dinge sind wesentlich anders, Punkt für Punkt - ich könnte noch sehr viel darüber sprechen, aber ich will Sie nicht allzusehr damit aufhalten -, als sie hier von den Herren Vorrednern dargestellt worden sind. Niemand bestreitet, daß die Sache sehr schwierig ist und daß es eine ungeheure Verantwortung ist, ob man diese hohen Zuschüsse gibt. Aber so, wie es gehandhabt worden ist, entspricht es nicht den Beschlüssen des Bundestages und ist es nicht sozial. So kann es nicht bleiben. Auch genügt es nicht, die weiteren 5 Millionen zur Verfügung zu stellen. Denn damit kann man in Sontra selbst nichts auf die Beine bringen, was hinreicht, dort eine Industrialisierung zu schaffen, wie sie notwendig ist.
Darum bitte ich doch, daß Sie meinen Antrag im Ausschuß, und zwar im Wirtschaftspolitischen Ausschuß unter Beteiligung des Gesamtdeutschen Ausschusses, sorgsam behandeln. Da halten Sie dann keine Wahlreden und erzählen Sie nicht diese Geschichten von verschiedenen Wahlkreisen, wie Sie es hier gemacht haben, sondern dann sprechen wir über die Sache selbst; denn das ist dringend notwendig. Es ist dies ein staatspolitisch hochgefährdetes Gebiet!
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Herr Abgeordneter Euler!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur einen kurzen Hinweis! Ehe dieser Einstellungsbeschluß gefaßt wurde, sind ja zahlreiche Sachverständigengutachten von den verschiedenen interessierten Instanzen der Bundesregierung eingeholt worden. Diese Expertisen haben ergeben, daß, wenn die Produktion durch Einstellung neuer Arbeitskräfte um 30 % erhöht wird, die Selbstkosten bei einem Weltmarktpreis von jetzt 350 DM von 880 auf 820 DM gesenkt werden. Mehr ist nicht zu sagen, um auch die
übrigen Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt zu beleuchten.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe jetzt die Beratung zu diesem Punkt.
Bevor ich zur Abstimmung komme, möchte ich die FDP fragen, ob ihr Antrag dahin geht, die Ziffern 1, 2 und 4 der Drucksache 1212 abzulehnen?
({0})
- Dann kann ich das so abändern.
Dann liegt vor der Antrag der antragstellenden Fraktion auf Überweisung der Drucksache 1212 an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß als federführenden Ausschuß und an den Gesamtdeutschen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß, wenn ich richtig gehört habe. Es liegt weiter der Antrag der CDU/CSU-Fraktion vor, den ganzen Antrag abzulehnen. Dann liegt noch ein gemischter Antrag der FDP vor, der sich teilweise mit den anderen Anträgen überschneidet.
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- Herr Sabel, ich bin jetzt in der Abstimmung.
Der Antrag auf Überweisung ist der weitergehende; über ihn muß nach der Geschäftsordnung zuerst abgestimmt werden. Ich komme deshalb zur Abstimmung über den Antrag der antragstellenden Fraktion, die Drucksache 1212 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und zur Mitberatung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Antrag auf Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letztere war die Mehrheit; der Antrag auf Überweisung ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu den beiden anderen Anträgen. Da sie sich teilweise überschneiden, lasse ich jetzt - ({2})
- Zur Abstimmung Herr Kollege Sabel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur feststellen, daß es sich hier nicht um einen Antrag der CDU-Fraktion handelt, den der Kollege Sabaß gestellt hat. Die Meinungen sind geteilt. Wir sind zum Teil der Meinung, wir sollten dem Antrag der FDP zustimmen.
({0})
Ich darf jetzt mal selbst etwas sagen. Ich bitte, mir nicht zu unterstellen, daß ich etwas Falsches gesagt habe. Ich habe den Antrag vorliegen. Seine Überschrift lautet: „Antrag der CDU/CSU-Fraktion", folgt Inhalt, Unterschrift: „Kunze und Fraktion". Also muß ich als Präsident annehmen, daß das ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist und daß ich hier nicht etwas Falsches gesagt habe. Aber ich glaube, das können die Herren dann vielleicht nachher privat unter sich ausmachen.
({0})
({1})
Ich habe jedenfalls diesen Antrag vorliegen.
Da 'die Anträge sich überschneiden - ich bitte jetzt etwas um Aufmerksamkeit, sonst geht es schief, meine Damen und Herren -,
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lasse ich über jede 'einzelne Ziffer abstimmen. Beide Anträge sind insofern gleich, als dort beantragt wird, daß Ziffer 1 der Drucksache 1212 abgelehnt wird. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit, die gleiche Mehrheit wie vorhin. Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Antrag, der Ziffer 2 der Drucksache 1212 das gleiche Schicksal zu bereiten und sie abzulehnen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nun noch vorerst über Ziffer 4 abstimmen, weil insofern die Anträge auch noch identisch sind. Wer Ziffer 4 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Nun teilen sich die Anträge. Die FDP will eine andere Fassung des Antrages der SPD, während die CDU nach ihrem Antrag auch diese Ziffer 3 gänzlich abgelehnt haben will. Das ist der weitergehende Antrag. Deshalb komme ich zuerst über ihn zur Abstimmung. Wer also dem weitergehenden Antrag, auch die Ziffer 3 ,der Drucksache 1212 abzulehnen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, seien Sie mir nicht böse, aber ich muß die Abstimmung wiederholen. Wer dem Antrag, auch die Ziffer 3 abzulehnen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 3 des Antrags der FDP-Fraktion*), der Antrag ist nicht verteilt. Ich muß das Haus bitten, mir zu gestatten, daß ich ihn noch vorlese, auch wenn es noch einige Minuten dauert. Der Antrag lautet:
*) Umdruck 360. Ziffer 3 wird wie folgt geändert:
a) zur wirksamen Durchführung des Beschlusses des Wirtschafts-Kabinetts vom 21. Januar 1955 über die Sanierung der Lage im Raume Sontra weitere Kredite für die Ansiedlung neuer Betriebe oder die Erweiterung bestehender Betriebe zum Ausgleich der in Gang befindlichen Stillegung des Betriebes der Kurhessischen Kupferschiefer-Bergbau GmbH., Sontra, bereitzustellen,
b) durch Verhandlungen mit der Hessischen Regierung sicherzustellen, daß diese weiteren Bundeskredite ausschließlich an die Gemeinde Sontra und andere für die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Betracht kommende Arbeiterwohngemeinden des Sontraer Kupferschiefer-Bergbaues verwandt werden.
Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - -Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist Punkt 9 der heutigen Tagesordnung auch erledigt.
Ich schlage dem Haus vor, die nicht erledig- ten Tagesordnungspunkte von heute auf die morgige Tagesordnung zu übernehmen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Ich bitte, die Drucksachen morgen mitzubringen, da sie nicht neu verteilt werden können.
Ich darf noch bekanntgeben: Der Unterausschuß „Familienrechtsgesetz" des Rechtsausschusses tagt morgen früh auch während des Plenums, beginnend 9 Uhr 30, Sitzungszimmer 204 Süd.
Ich gebe weiter bekannt, daß die Fraktionssitzung der CDU/CSU-Fraktion, die für heute abend angesetzt war, ausfällt und morgen um 14 Uhr stattfinden soll.
Ich berufe die nächste, die 80. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Donnerstag, den 5. Mai 1955, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.