Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Die Fraktion der SPD hat unter dem 25. Januar 1955 ihren Antrag betreffend Tarifverträge für Angestellte und Arbeiter der Bundesbehörden - Drucksache 1023 - zurückgezogen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ({0}).
Der Bundesrat verzichtet auf die Begründung. Aussprache ist nicht gewünscht. Ich schlage Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen ({1}).
Wird seitens der Bundesregierung begründet? - Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vor Ihnen liegende Gesetzentwurf ist eine Vorlage, die letzten Endes nur dazu angetan ist, in der gesetzlichen Krankenversicherung Verbände zu schaffen, die Rechtsgeschäfte abschließen können. Sie wissen, daß in der Krankenversicherung eine sehr weitgehende Aufsplitterung in der Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben ist. Die einzelnen Krankenkassen, die einzelnen Krankenkassenarten stehen nebeneinander und haben im kleinsten Kreis die Betreuung der bei ihnen Versicherten vorzunehmen.
({0})
Darüber hinaus gibt es aber in der gesetzlichen Krankenversicherung Aufgaben, die nicht von den einzelnen Krankenkassen allein durchgeführt werden können. Hier braucht man Zusammenfassungen der einzelnen Krankenkassenarten auf der einen Seite und auf der anderen Seite darüber hinausgehend auch Zusammenfassungen aller Arten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denken wir nur allein an den Abschluß der Vereinbarungen mit den Kassenärzten; sie müssen eben auf einer breiten Basis durchgeführt werden. Darüber hinaus sind die großen Fragen der Heilbehandlung, die großen Fragen eines einheitlichen vertrauensärztlichen Dienstes Aufgaben, die rechtswirksam nur von größeren Einheiten getätigt werden können.
Ich bitte deshalb, diesen Gesetzentwurf, der letztlich nur eine Lücke schließen soll, die durch die Folgen des Krieges aufgerissen worden ist, so bald wie möglich verabschieden zu wollen.
Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister ist bei seiner Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht auf die Situation der deutschen Krankenversicherung eingegangen. Das ist im Hinblick auf die lebhafte Kritik, die seit Monaten an der deutschen Krankenversicherung geübt wird, nach meiner Auffassung unbefriedigend, und zwar um so mehr, als die Öffentlichkeit doch durch Aufsätze in Tageszeitungen, Reportagen in Zeitschriften usw. über die Lage der Krankenversicherung beunruhigt ist. Die Krankenversicherung handelt in Erfüllung der ihr vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben. Deshalb hätte wohl bei Vorlage dieses Gesetzentwurfs die Gelegenheit ergriffen werden sollen, zur Kritik an der deutschen Krankenversicherung ein Wort zu sagen. Zwar hat der Bundesarbeitsminister, was ich dankbar anerkennen will, bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß über das Kassenarztrecht seine Auffassung zu dieser Kritik dargelegt; aber die Öffentlichkeit hat davon keine Kenntnis erhalten. Ich darf annehmen, daß der Herr Bundesarbeitsminister in anderem Zusammenhang Gelegenheit nehmen wird, seinen Standpunkt zu diesen Fragen der Öffentlichkeit darzulegen. Im Hinblick auf die Erregung in der Öffentlichkeit würde aber eine zu lange Vertagung nicht zur Beruhigung beitragen. Denn entweder ist die öffentliche Kritik an der Krankenversicherung ganz oder teilweise berechtigt, dann muß das Ministerium die Initiative zur Beseitigung von Mißständen ergreifen; oder die Kritik ist nicht gerechtfertigt, dann muß sich die Regierung vor die Einrichtungen stellen, die mit der Durchführung von gesetzlichen Aufgaben beauftragt sind. Auf jeden Fall sollte hier im Hause dazu Stellung genommen werden. Der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf gibt besondere Veranlassung zur Stellungnahme zu den grundsätzlichen Fragen, und zwar deshalb, weil dieser Gesetzentwurf die Kassenverbände betrifft, d. h. mit den Worten des Volksmundes: die Verbandsbürokratie, wenn wir es einmal deutlich sagen wollen. Die Kritik richtet sich gerade gegen bürokratische Tendenzen - ob berechtigt oder nicht, das sei dahingestellt - im Kassen- und Kassenverbandswesen. Deshalb wäre. ich sehr dankbar, wenn der Herr Bundesarbeitsminister bei nächster Gelegenheit zu dieser öffentlichen Kritik am Krankenkassenwesen Stellung nähme.
Nun zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Meine Fraktion hat bei den Ausschußberatungen über das Kassenarztrecht wiederholt auf die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung auch für das Kassenverbandswesen hingewiesen, weil eine gleichzeitige gesetzliche Regelung über kassenärztliche Verbände und Krankenkassenverbände notwendig ist. Insofern begrüßen wir es, daß die Bundesregierung nunmehr diesen Gesetzentwurf vorlegt, dies insbesondere auch deshalb - und darin stimmen wir mit der Bundesregierung ebenfalls überein -, weil die §§ 414 ff. der Reichsversicherungsordnung der gegenwärtigen Sachlage angepaßt werden müssen.
Bei dieser ersten Beratung dürfen wir aber die Aufmerksamkeit auf eine Frage lenken, die nach Auffassung meiner politischen Freunde grundsätzliche Bedeutung hat. Es handelt sich um das Problem, ob den Kassenverbänden Körperschaftsrechte verliehen - somit Zwangsmitgliedschaften begründet -und hoheitliche Aufgaben übertragen werden sollen. Wenn man die Gesetzgebung der letzten Jahrzehnte überblickt, so ist zweifellos eine Zunahme der juristischen Personen des öffentlichen Rechts festzustellen. Es mag sein, daß die Kritik an der Bürokratisierung des öffentlichen Lebens auch hiermit in einem gewissen Zusammenhang steht. Das sollte Veranlassung geben, auch bei diesem Gesetz sorgfältig zu prüfen, ob ein übergeordnetes öffentliches Interesse daran besteht, den Verbänden Körperschaftsrechte zu verleihen. Das ist gerade im Hinblick auf die öffentliche Kritik an den Grundlagen der Krankenversicherung notwendig. Deshalb sollte bei der Frage: Körperschaften des öffentlichen Rechtes oder nicht? ein besonders strenger Maßstab angelegt werden.
Nun wird in der Begründung zum Gesetzentwurf darauf verwiesen, daß die Krankenkassenverbände zu Körperschaften des öffentlichen Rechtes gemacht werden müssen, weil, wie es wörtlich heißt, dies wegen Art und Umfang der ihnen übertragenen Aufgaben unerläßlich ist. Aus dem vorliegenden - ich betone ausdrücklich: dem vorliegenden - Gesetzentwurf ergibt sich das nicht ohne weiteres; denn nach § 414 e gehören zu den Aufgaben der Verbände beispielsweise: Beratung und Unterrichtung der Mitglieder, Sammlung und Aufbereitung von statistischem Material, Abschluß von Verträgen auf Grund einer Bevollmächtigung von Mitgliedskassen. Zur Erfüllung derartiger Aufgaben bedarf es noch nicht ohne weiteres der Verleihung von Körperschaftsrechten.
Weiter wird darauf hingewiesen - auch der Herr Bundesarbeitsminister hat das in seiner Begründung anklingen lassen -, daß es wegen des Kassenarztrechtes erforderlich ist, den kassenärztlichen Vereinigungen und dementsprechend auch den Kassenverbänden Körperschaftsrechte zu geben. Zwar ist die sozialdemokratische Fraktion grundsätzlich der Auffassung, daß beide Partner der kassenärztlichen Versorgung, die kassenärztlichen Vereinigungen auf der einen Seite und die Krankenkassen auf der anderen Seite, die gleiche Rechtsstellung erhalten sollen. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß das unbedingt Körperschaftsrechte sein müssen.
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Gerade auf Grund der lebhaften Kritik gegen die sogenannte Kassenbürokratie sollten diese Zusammenhänge sorgfältig überlegt werden. Es sollte vor allem geprüft werden, ob durch Verleihung von Körperschaftsrechten und damit Hoheitsrechten die vielleicht unvermeidbaren Tendenzen, volkstümlich gesagt, zur Bürokratisierung noch verstärkt werden, und zwar sowohl bei den Kassen und ihren Verbänden als auch bei den kassenärztlichen Vereinigungen. Bei diesen Überlegungen, die ich im Ausschuß anzustellen bitte, sollten auch die Erfahrungen vor 1933 berücksichtigt werden, als die Verbände bekanntlich noch keine Körperschaftsrechte hatten.
In diesem Zusammenhang ist sicher nicht unbeachtlich, daß die Spitzenverbände in den anderen Zweigen der Versicherung, beispielsweise in der Rentenversicherung, deren Spitzenorganisation den Gesamtausgleich im Gemeinlastverfahren mit einem, wenn man so sagen darf, Umsatz von mehreren Milliarden DM durchzuführen hat, keine Körperschaftsrechte haben. Nach Auffassung meiner Fraktion sollte deshalb bei den Ausschußberatungen noch einmal sachlich überlegt werden, ob durch die Verleihung von Körperschaftsrechten die Aufgabe der Krankenversicherung, den kranken Menschen beizustehen, gefördert wird oder nicht. Darauf allein kommt es an!
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin im Gegensatz zu Herrn Professor Schellenberg der Meinung, daß man bei der Begründung und bei der Behandlung des hier vorliegenden Gesetzes die Fragen, die zur Zeit draußen in der Öffentlichkeit eine gewisse Rolle spielen, nicht behandeln sollte.
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Hier haben wir doch die Aufgabe, den Krankenversicherungsträgern die Möglichkeit zu geben, ihre Aufgaben so zu lösen, daß sie den berechtigten Interessen der Versicherten auch wirklich nachkommen können. Wenn wir hier eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den zum Teil anonymen Kräften führen wollten, die zur Zeit die gesetzliche Krankenversicherung angreifen, dann kämen wir in eine Diskussion, die wir wahrscheinlich heute gar nicht abschließen könnten.
({1})
Dinge, die sich hinter anonymen Bezeichnungen verstecken, sind eben schwer zu greifen. Ich bin gerade der Meinung, daß, wenn wir durch dieses Gesetz eine Spitzenvertretung der Krankenkassen schaffen können, dann auch mit den Spitzenverbänden der ärztlichen Organisationen Vereinbarungen getroffen werden und daß dadurch dieser Maulwurfsarbeit, die wir heute draußen zum Teil erleben, entgegengetreten werden kann.
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Das scheint mir das Entscheidende zu sein. Wir sollten uns in diesem Hause durch gewisse Erscheinungen, die wir heute feststellen müssen, nicht aus der Ruhe bringen lassen.
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Es gibt überhaupt keine Veranlassung, in dieser zum Teil beliebten Form gegen die gesetzliche Krankenversicherung vorzugehen. Wer sich der Erhöhung der Lebenserwartung seit dem Bestehen unserer gesetzlichen Krankenversicherung bewußt ist, der weiß, daß in der Krankenversicherung Eminentes geleistet worden ist.
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Wenn da ein Roman geschrieben wird mit der Überschrift „Weil du arm bist, mußt du früher sterben!", dann interessiert mich das gar nicht. Wäre in diesem Roman in irgendeiner Form gesagt warden, daß der Nichtversicherte, also der frei vom Arzt Behandelte, eine höhere Lebenserwartung habe als der Pflichtversicherte, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätte das Ganze einen Sinn.
Also, Herr Professor 'Schellenberg, wir wollen diese Gesetzgebung nicht durch die Kritik an der Gesetzgebung überhaupt beeinflussen lassen, sondern wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen. daß unserem Volk und den Versicherten geholfen wird!
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Das Wort hat der Abgeordnete Becker ({0}).
Meine Damen und Herren! Den Vorwurf, den der Herr Abgeordnete Professor Schellenberg eben gegenüber dem Herrn Bundesarbeitsminister erhoben hat, halte ich an dieser Stelle und in dieser Stunde nicht für berechtigt. Es gibt für die Öffentlichkeit doch keinen besseren Beweis dafür, daß die Bundesregierung und die Koalitionsparteien hinter der gewachsenen Form der sozialen Krankenversicherung stehen, als gerade die Vorlage dieses Gesetzes jetzt. Denn diese Vorlage bestätigt und befestigt gerade die Einrichtung der sozialen Krankenversicherung und setzt den Schlußstein, d. h. sie will einheitliche Rechtsverhältnisse für die Spitzenverbände der Krankenkassen dort schaffen, wo diese Einheitlichkeit der Rechtsverhältnisse durch die Ereignisse der Nachkriegszeit durchbrochen warden ist. Es gibt also kein stärkeres Bekenntnis zur sozialen Krankenversicherung als gerade die Vorlage dieses Gesetzes und seine Begründung.
Auf der anderen Seite fügt dieses Gesetz das Prinzip der Selbstverwaltung in die neue Form der zu schaffenden Spitzenverbände ein und schafft dadurch die Voraussetzung, daß die Unstimmigkeiten, die zwischen den Beteiligten, den Ärzten und den Krankenkassen, 'aufgetreten sind, auf dem Wege der Selbstverwaltung in Zukunft vielleicht besser als bisher beseitigt werden können.
Ich darf an dieser Stelle, wie es auch Herr Professor Schellenberg schon getan hat, noch einmal auf folgendes hinweisen. Bei den Beratungen im Gesundheitsausschuß und im Sozialpolitischen Ausschuß sind sich sämtliche Fraktionen darüber einig gewesen, daß es gar nichts anderes gibt, als die gesetzliche Krankenversicherung in der Form, wie sie bisher bestanden hat, weiterhin zu verteidigen und zu erhalten. Die Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den einzelnen Fraktionen bestehen, beziehen sich nur darauf, ob die Sozialversicherungspflicht in der Krankenversicherung ausgedehnt werden soll oder ob sie auf den Kreis der
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bisher Sozialversicherten beschränkt bleiben soll. Hierüber bestehen Meinungsverschiedenheiten, nicht aber darüber, daß die Einrichtung der sozialen Krankenversicherung weiterhin erhalten bleiben soll.
Ich wünsche für meine Fraktion, für die Deutsche Partei, gleichfalls, daß diese 'Gesetzesvorlage möglichst bald verabschiedet wird, weil auch sie eine Voraussetzung dafür bildet, daß gewisse Mißverständnisse und Mißhelligkeiten, die in den letzten Monaten aufgetreten sind, in Zukunft besser bereinigt werden können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Ansicht, daß der Herr Bundesarbeitsminister heute bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs keinen Anlaß hatte, zu der öffentlichen Kritik an der sozialen Krankenversicherung Stellung zu nehmen. Wir stehen auf dem Standpunkt: alles zu seiner Zeit! Das Parlament kann an dieser Kritik selbstverständlich nicht vorbeigehen, und wir werden uns mit ihr zu befassen haben, aber vielleicht bei der Beratung des Gesetzes über die Neuordnung der Rentnerkrankenversicherung oder bei der endgültigen Verabschiedung des Kassenarztrechts.
Auch wir begrüßen es, daß die Regierung diesen Entwurf rechtzeitig eingebracht hat, damit das Verbänderrecht gleichzeitig mit dem Kassenarztrecht verabschiedet werden kann.
Was nun die Frage angeht, ob diese Verbände die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen sollen oder nicht, so sind wir allerdings der Ansicht, daß man diesen Verbänden unbedingt wie früher wieder diese Eigenschaft geben sollte. Wir wundern uns darüber, Herr Professor Schellenberg: Bei den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß über das Kassenarztrecht wurde von keiner Seite bemängelt. .daß die Partner der Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen. diese Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen. Herr Professor Schellenberg, wir übertragen doch - das wissen Sie genau - durch das Kassenarztrecht die ärztliche Versorgung weitgehend der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen. Dieses, ich gebe zu, etwas sehr weit verzweigte Selbstverwaltungssystem kann aber nur dann richtig funktionieren, wenn wir die Selbstverwaltungsträger mit gewissen Hoheitsbefugnissen gegenüber ihren Mitgliedern ausstatten, damit sie eine gewisse Autorität verkörpern. Wir sind der Ansicht, daß sie mehr Autorität haben, wenn sie die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts haben, als wenn sie nur eingetragene Vereine sind.
Wenn Sie von der Gefahr eine Bürokratisierung unseres Kassenwesens sprechen, so möchte ich dazu sagen, daß man von einer solchen Gefahr auch dann sprechen kann, wenn diese Verbände eingetragene Vereine sind; das macht keinen Unterschied. Und bitte, denken Sie daran, daß eben gerade diese Verbände eine ganze Reihe von Auf gaben, von Funktionen haben und daß unsere soziale Krankenversicherung ein solches Ausmaß angenommen hat, daß der Staat diese Verbände unbedingt im Interesse der Versicherten mit diesen Hoheitsrechten ausstatten muß.
Wir beantragen, den Entwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige Worte. Allein bei dem Kassenarztrecht, wie der Herr Kollege Ruf es hier hervorgehoben hat, die Frage der Körperschaften des öffentlichen Rechts zu erörtern, hätte sehr leicht zu Mißverständnissen geführt. Das werden mir insbesondere die Damen und Herren Ärzte bestätigen. Deshalb muß diese Frage - und darauf kommt es meiner Fraktion an - gemeinsam für Kassenärztliche Vereinigungen u n d für Verbände erörtert werden. Nur das habe ich gesagt.
Was nun die Fragen der Bürokratisierung betrifft, Herr Kollege Ruf, so ist Ihnen grundsätzlich zuzustimmen. Die Bürokratisierung hängt natürlich nicht allein von der juristischen Form ab; aber sie steht auch damit in einem gewissen Zusammenhang. Das sollten wir nicht verkennen. Es hat durchaus gute Gründe, daß gewisse Verbände der Sozialversicherung keine Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und sich dagegen wehren, während hier durch den Gesetzgeber einigen Verbänden Körperschaftsrechte verliehen werden sollen. Wir sind der Meinung, daß diese Zusammenhänge, wie ich schon ausgeführt habe, unter dem Gesichtspunkt der Aufgaben der Krankenversicherung rein sachlich erörtert werden sollten.
({0})
Und nun noch eine Bemerkung zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister erklärt hat. Der Herr Bundesarbeitsminister hat mit Recht ausgeführt, daß die Spitzenverbände, die nun geschaffen werden sollten, die Gelegenheit und die Aufgabe hätten, Meinungsverschiedenheiten auf sachlicher Ebene zu beseitigen. Gerade das, was der Herr Bundesarbeitsminister ausgeführt hat, scheint mir die Notwendigkeit zu bestätigen, daß dies hier vor diesem Hause bei Vorlage dieses Gesetzes ausgesprochen wird. Der Herr Bundesarbeitsminister hat das jetzt getan. Wir stimmen in dieser Hinsicht seinen Auffassungen zu. Und nun kann es an die praktische Arbeit gehen.
({1})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist Überweisung an den Auschuß für Sozialpolitik beantragt. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen ({1}) ({2}).
({3})
Es liegt Ihnen der Schriftliche Bericht der Frau Abgeordneten Dr. Probst vor. Er wird mündlich ergänzt durch Herrn Abgeordneten Gengler. Ich erteile ihm das Wort.
I Gengler ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An Stelle der leider erkrankten Berichterstatterin Frau Abgeordneten Dr. Probst darf ich, wie es eben der Herr Präsident schon getan hat, auf den Schriftlichen Bericht *) - Drucksache 1128 - hinweisen.
Die zum Entwurf eines Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung im Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen gefaßten Beschlüsse stellen im großen und ganzen eine einmütige Arbeit des Ausschusses dar. Eine unterschiedliche Beurteilung entstand im wesentlichen nur bei § 47, dies auch weniger in der Sache selbst als der Form der Zuständigkeit wegen. Entgegen dem Mehrheitsbeschluß im Kriegsopferausschuß hat sich der Haushaltsausschuß auf den Standpunkt gestellt, daß die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden solle. Ich verweise hier auf die Seiten 3 und 4 des Schriftlichen Berichts, wo die beiderseitigen Standpunkte klar hervorgehoben werden.
Der Kriegsopferausschuß hat sich bemüht, ein zwischen verwaltungsmäßigen Notwendigkeiten und verpflichtenden menschlichen Rücksichten auf die Kriegsopfer abgewogenes Ergebnis herzustellen. Hier hat es im Hinblick auf die Notwendigkeit menschlicher Rücksichtnahme erfreulicherweise einen weitestgehenden Ausgleich zwischen Juristen, Ärzten und Verwaltung gegeben. Man weiß, daß es hier eine vom Schicksal des Krieges besonders schwer getroffene Menschengruppe zu betreuen gilt. In diesem Sinne kann ich auch namens des Ausschusses die Zustimmung zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf beantragen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1, - 2,
- 3, - 4, - und 5. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 6, - 7, - 8, - 9, - 10 entfällt -, 11, - 12. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 13, - 13 a, - 14, - 15, - 16,
- 17, - 18,-19. Wird das Wort gewünscht?-Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 20, - 21, - 22, - 23, - 24,
- 25, - 26, - 27, - 28, - 29. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 30, - 31, - 32, - 33, - 34, 35,-36,-37,-38,-39,-40,-41,-42,43, - 44, - 45 - und 46. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 47, zugleich mit dem Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 285**). Das Wort zur Begründung des Antrages Umdruck 285 hat der Abgeordnete Stammberger.
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 2.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag bezweckt die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, d. h. die Wiedereinsetzung des Abs. 2, den die Mehrheit des Kriegsopferausschusses gestrichen hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich zunächst auf die Begründung der Regierungsvorlage und die Erwiderung der Regierung auf den Streichungsantrag des Bundesrates in Drucksache 68 sowie auf die vom Herrn Berichterstatter erwähnte Stellungnahme des Haushaltsausschusses, die im Schriftlichen Bericht wiedergegeben ist. Grundsätzlich möchte ich jedoch darauf hinweisen, daß diese Frage nicht nur im vorliegenden Zusammenhang, sondern für das Prinzip des parlamentarischen Bewilligungsrechtes schlechthin von entscheidender Bedeutung ist. Diesem Recht entspricht als notwendiges Gegenstück die Etatverantwortung der Regierung, welche wiederum Grundlage ist für das Recht und die gegenüber der steuerzahlenden Bevölkerung bestehende Verantwortung des Parlaments, die Regierung je nach ihrer Etatgebarung zu entlasten oder zur Verantwortung zu ziehen. Diese allgemein anerkannten Prinzipien verlieren ihre Wirksamkeit, wenn die Regierung gar nicht die Möglichkeit hat, auf die rechtmäßige und wirtschaftliche Verwaltung der ihr vom Parlament bewilligen Mittel Einfluß zu nehmen. Das muß natürlich grundsätzlich auch dann gelten, wenn Bundesmittel nicht vom Bund selbst, sondern von den Ländern verwaltet werden.
Das Grundgesetz steht dem nicht entgegen, auch nicht der Art. 84 des Grundgesetzes, wie das die Auffassung des Bundesrats und der Mehrheit des Kriegsopferausschusses ist; denn die parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung in Art. 65 des Grundgesetzes, insbesondere ihre Verantwortung für den Bundeshaushalt in den Artikeln 112 und 114 des Grundgesetzes, die Verankerung der selbständigen und von den Ländern unabhängigen Haushaltswirtschaft des Bundes in den Artikeln 109 und 110 des Grundgesetzes und schließlich im vorliegenden Fall die Finanzverantwortung des Bundes für die Kriegsopferversorgung in Art. 120 des Grundgesetzes rechtfertigen nicht die Annahme des Bundesrats und der Mehrheit des Kriegsopferausschusses, daß eine auf andere Weise nicht zu schließende Lücke im Grundgesetz besteht. Würde den jeweils zuständigen Bundesbehörden jedes haushaltswirtschaftliche Einwirkungsrecht genommen, würden sie damit auch jeglicher Etatverantwortung entzogen. Das dadurch entstehende Vakuum in der Etatkontrolle würde zu untragbaren Konsequenzen führen. Die Länder hätten volle Verfügungsmacht über Bundesmittel, ohne für die Ausgabengebarung gegenüber dem Bundesparlament verantwortlich zu sein, während die parlamentarische Verantwortlichkeit der Bundesregierung inhaltlos würde, da die Regierung gar nicht mehr die Handhabe besäße, ihr überhaupt noch gerecht werden zu können.
Was die praktische Bedeutung dieser Frage im vorliegenden Fall betrifft, so darf ich Sie daran erinnern, daß die nach diesem Gesetz zu verwaltenden Mittel des Bundes mehr als 3 Milliarden DM betragen, d. i. nach den Verteidigungslasten der höchste Ansatz unseres Haushalts überhaupt. Wir bitten Sie daher, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
({0})
1
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger hat eben ausführlich die jetzt zur Debatte stehende besonders wichtige Frage dargelegt. Ich beziehe mich ferner auf die Ausführungen des Herrn Berichterstatters, der auf den gedruckten Bericht Seite 3 bis 4 hingewiesen hat, und darf nur unterstreichen, daß die Bundesregierung, insbesondere der Bundesarbeitsminister und der Bundesfinanzminister den Wunsch haben, ihrer parlamentarischen Verantwortlichkeit gegenüber dem Hohen Hause auch tatsächlich nachkommen zu können. Sie können das aber nicht. Wenn ein Posten von weit über 3 Milliarden DM lediglich von den Ländern bewirtschaftet wird, können die beiden Bundesminister dem Hohen Hause keine Rechenschaft über die Einzelheiten geben. Es ist also keine Frage der Sozialpolitik oder der Kriegsopferversorgung, sondern die grundsätzliche Frage, ob das Hohe Haus von den ihm zustehenden Befugnissen und von seinem Recht der Haushaltskontrolle gegenüber den Bundesministern, die diese Dinge ausführen, nunmehr Gebrauch machen will.
({0})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei Umdruck 285. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Wir stimmen damit ab über den § 47 in der nunmehr beschlossenen Form. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 48, - 49, - 50, - 51, - 52, -53, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Da eine Änderung beschlossen ist, frage ich das Hohe Haus, ob Bedenken bestehen, daß wir in die dritte Beratung . eintreten. - Bedenken werden nicht angemeldet. Wir treten ein in die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt, da keine Änderungsanträge gestellt sind.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich nehme an, daß die Damen und Herren, die noch stehen, damit nicht ein Nein zu dem Gesetzentwurf zum Ausdruck bringen wollen.
({0})
Die Damen und Herren haben sich inzwischen gesetzt. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Abkommen vom 7. November 1952 zur Erleichterung der Einfuhr von Warenmustern und Werbematerial ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
- Widerspruch erfolgt nicht. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 81 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 11. Juli 1947 über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel ({2});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({3}) ({4}).
({5})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Kutschera.
({6})
- Befindet sich der Herr Abgeordnete Kutschera nicht im Saale? - Meine Damen und Herren, es wird auf den Schriftlichen Bericht des Abgeordneten Kutschera Bezug genommen.*) Das Haus verzichtet auf einen weitergehenden mündlichen Bericht.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung Art. 1, - 2, -3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/ BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abschluß der Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft ({7}) ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({9}) ({10}).
({11})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Starke.**)
({12})
- Herr Abgeordneter Naegel!
*) Siehe Anlage 5.
**) Vgl. Schriftlichen Bericht Anlage 6.
Naegel ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß mit dem Initiativantrag, der von allen Parteien des Hauses gestellt worden ist, eingehend beschäftigt und sind zu der Vorlage gekommen, die Ihnen unter Drucksache 1072 ({14}) vorliegt. Der Termin für die zweite und dritte Beratung war bereits auf Weihnachten festgesetzt. Mit Rücksicht auf einige Rechtsbedenken wurde damals aber eine nochmalige Überprüfung vereinbart und die zweite und dritte Lesung auf den heutigen Tag verschoben. Inzwischen sind die Rechtsbedenken beseitigt worden; es sind auch einige redaktionelle Änderungen vereinbart worden, die ihren Niederschlag in der jetzigen Vorlage gefunden haben.
Ich darf namens aller Fraktionen des Hauses bitten, diesem Antrag zuzustimmen und das Gesetz in zweiter und dritter Lesung anzunehmen.
Ich danke dem Abgeordneten Naegel, der für den verhinderten Berichterstatter eingesprungen ist.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf § 1 und erteile zum Änderungsantrag auf Umdruck 288*) das Wort dem Herrn Abgeordneten Kirchhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Berichterstatter ist ja eigentlich Herr Dr. Starke; aber ich habe ihn nicht gesehen. Herr Naegel hat gebeten, den vorliegenden Gesetzentwurf anzunehmen. Ich muß aber noch eine Reihe wichtiger offener Fragen behandeln und einige wesentliche Zusammenhänge aufdecken. Herr Naegel hat nicht gesagt, daß ich im Wirtschaftspolitischen Ausschuß gegen das Gesetz gestimmt habe. Ich möchte hier noch einmal meine Gründe vortragen, und dann mag das ganze Haus sich selber ein Urteil bilden.
Um es gleich zu sagen: ich bin für Barrückzahlung der Beträge der Investitionshilfe, die 1 Milliarde DM übersteigen. Das Gesetz sagt ganz klar und deutlich, daß die deutsche Wirtschaft 1 Milliarde DM aufbringen soll, um der Grundstoffindustrie durch diese Mittel die dringend erwünschte Produktionserhöhung zu ermöglichen. In § 7 Abs. 3 des Investitionshilfegesetzes heißt es:
Der in Absatz 1 bestimmte Aufbringungssatz ist bis zum 31. Dezember 1952 durch Rechtsverordnung in dem Ausmaß zu erhöhen oder zu ermäßigen, in dem eine Abänderung notwendig erscheint, damit bis zum 30. April 1953 der in § 1 vorgesehene Betrag von einer Milliarde Deutsche Mark 'erreicht wird.
Am 30. August 1954 war laut Angabe der Regierung die Milliarde erreicht. Warum ist an diesem Tage nicht gestoppt warden? Warum läuft der staatliche Zwangsapparat stur weiter? 1 Milliarde sollte aufgebracht werden, kein Pfennig mehr. Dafür mußte die Regierung durch rechtzeitige Herabsetzung des Aufbringungssatzes sorgen. Jede darüber hinausgehende Einziehung dieser Zwangsanleihe ist gesetzwidrig; der Betrag der Überzahlung muß zurückerstattet werden. Denn es handelt sich ja nicht um eine Steuer, auch nicht um eine öffentliche Abgabe, sondern um einen privaten Kredit, der unter staatlichem Zwang gegeben wurde. Das ist die einfache und klare Situation.
*) Siehe Anlage 3.
Am 30. August vorigen Jahres, wie gesagt, war die 1 Milliarde erfüllt, der Omnibus war voll. Wenn der Krieg aus ist, werden auch keine Drückeberger mehr eingezogen,
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keine Kranken, auch keine finanziell Kranken werden mehr eingezogen. Wenn sie eingezogen werden, müssen sie wieder entlassen wenden. Die Regierung meint, das seien Simulanten gewesen; aber das waren sie nicht, sie waren wirklich krank.
Von den Finanzämtern wurde beigetrieben, und das Geld einer Privatbank, der Induustriekreditbank in Düsseldorf, zugeführt. Schon jetzt sind über 100 Millionen DM überzahlt, und wenn das Aufbringungssoll erreicht ist, wird die Überzahlung 168 Millionen DM betragen. Nur diese Sachlage hat dazu geführt, daß überhaupt ein Schlußgesetz nötig ist und das Parlament sich damit beschäftigen muß.
In der 49. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages am 15. Oktober 1954 wurde die Große Anfrage der FDP betreffend Investitionshilfe behandelt. Ein Antrag des Abgeordneten Raestrup, der auch meine Unterschriftträgt, lag ebenfalls vor. Dieser Antrag verlangte auch eine Rückzahlung. Auch der Abgeordnete Dr. Atzenroth und seine Freunde sind für Rückzahlung eingetreten. Herr Dr. Atzenroth war bei den Verhandlungen im Wirtschaftsausschuß nicht zugegen; er war, glaube ich, krank. Er hat mir aber jetzt erklärt, daß er ,auch heute noch für Barrückzahlung ist. So ganz ohne Unterstützung bin ich also doch nicht. Immerhin ist Dr. Atzenroth ein selbständiger Unternehmer, ein erfahrener Parlamentarier, und er ist einer von den wenigen, die von vornherein gegen das Investitionshilfegesetz gestimmt haben. Er wird auch verstehen, warum ein großer Teil der Wirtschaft diese Hilfe abgelehnt hat.
Der Widerstand gegen die Investitionshilfe ist in meinem Wahlkreis besonders hart gewesen.
({1})
Von hier aus ist auch die Verfassungsbeschwerde gekommen. Im ganzen haben sich daran 1000 Firmen aus der gesamten Bundesrepublik beteiligt, repräsentiert durch 78 Beschwerdeführer.
Nach Angaben des Herrn Staatssekretärs Hartmann haben 30 000 Firmen zur Selbsthilfe gegriffen, sie haben weder auf die Aufforderung noch auf die Mahnung der Finanzämter geantwortet. Für diese hat die Finanzverwaltung den Ausdruck ,;die Taubstummen" geprägt. Wenn der Mann, der einen solchen Ausdruck gefunden hat, bessere Antennen gehabt hätte, würde er sicher gemerkt haben, daß diese Leute weder taub noch stumm sind. Man versetze sich nur einmal in die Lage einer Firma, die so einen vierseitigen Fragebogen mit allen möglichen Angaben ausfüllen muß. Die wird natürlich, darauf können Sie sich verlassen, einiges von sich geben. Es handelt sich ja nicht um Steuern, sondern um einen für andere Firmen, womöglich noch Konkurrenzfirmen zu leistenden Zwangskredit. Der Mann sagt sich: „Ich habe meine Steuern pünktlich bezahlt und soll nun für Zwecke und Zusammenhänge, die ich nicht durchschauen kann, weitere Tausende bezahlen." Die Äußerungen des Mannes sind ,also sehr deutlich, und er ist nicht taub und ganz sicher nicht stumm gewesen. Es handelt sich
({2})
ja nicht um Querulanten, es handelt sich auch nicht um einen Michael-Kohlhaas-Komplex. Es handelt sich um die Reaktion eines freien Bürgers, der seine Rechte gegenüber dem Staat wahrt, der an das Grundgesetz geglaubt hat und der nicht glauben kann, daß bei einer Proklamierung der Marktwirtschaft die Regierung einen Zwangskredit vorschreibt.
Meine Damen und Herren, mein Wahlkreis ist das märkische Sauerland, das zu keiner Zeit eine besondere Bezugsquelle für Untertanen gewesen ist.
({3})
Ich spreche für die zahlreichen mittleren und kleineren Unternehmen. Diese haben die Last der Investitionshilfe getragen. Die meisten wissen nicht, daß diese Unternehmen mehr Arbeiter beschäftigen als die Großunternehmen. Diese volkswirtschaftlich und sozial überaus wichtige Gruppe der selbständigen Unternehmer ist im Deutschen Bundestag sehr schwach vertreten. Als es darauf ankam, ihnen Steuergerechtigkeit zu erweisen, begnügte man sich mit allgemeinen Sympathien und platonischer Liebe. Sie werden sich entsinnen, daß Herr Kollege Raestrup und ich einen Antrag eingebracht hatten, den Tarif um 5 °/o zu ermäßigen. Aber Steuergerechtigkeit konnten wir nicht erreichen. Dieser Satz wurde abgelehnt. Die Aktiengesellschaften behielten ihren gespaltenen Körperschaftsteuertarif, eine Regelung, der auch ich zugestimmt habe. Aber sie bekamen obendrein noch eine Verlängerung der Geltungsdauer des § 36 um ein Jahr. Das bedeutet einen Steuererlaß von 150 bis 200 Millionen DM. So erhielt die Grundstoffindustrie zweimal einen besonderen Segen. Wer alles diesem Segen zugestimmt hat, das wollen wir hier nicht erörtern; vielleicht darüber ein anderes Mal.
Gestatten Sie mir noch einen Blick auf die Zukunft. Die Verlängerung der Geltungsdauer des § 36 soll ja nur einmal - für ein Jahr - stattfinden. Darüber war man sich also klar. Ich nehme an, daß man die 150 bis 200 Millionen DM, die im kommenden Jahr frei werden, dann dazu benutzt, den freien Unernehmern eine Steuerermäßigung zu gewähren.
Meine Damen und Herren, das Investitionshilfegesetz hat eine Lawine unproduktiver Verwaltungskosten ausgelöst. Darüber hat Herr Dr. Hans Helmut Kuhnke, der ja selbst von den Klöckner-Werken etwas bekommen hat, eine vorzügliche Glosse in der Wochenzeitschrift „Die Zeit" geschrieben. Er sagt: Die Umstellung von einer Milliarde Zwangskredite hat Zehntausende von Menschen damit beschäftigt, in Millionen von Arbeitsstunden Hunderttausende von Akten herzustellen. Herr Staatsminister a. D. Prof. Dr. Strickrodt, ehemaliger Finanzminister von Niedersachsen, hat das Gesamte als eine Liquiditätsenteignung sehr richtig charakterisiert. Der Gesetzgeber hat sich als fürchterlicher complificateur erwiesen. Vor einer Wiederholung eines solchen Schlußgesetzes müssen wir uns hüten. Wir sind aber auf dem besten Wege, es wieder so zu machen.
Im Wirtschaftspolitischen Ausschuß war bei Abgeordneten und Regierung die Tendenz, das Schlußgesetz möglichst schnell und geräuschlos zu verabschieden. Aber täuschen wir uns nicht, meine Damen und Herren: Die Aufbringungspflichtigen, die Tausende Beschwerdeführer, die 30 000 „Taubstummen", von denen man das Geld beigetrieben
hat, passen genau auf, was hier im Parlament geschieht. Die Regierung hat entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes angeblich aus rechtspolitischen Gründen und im Interesse der Gerechtigkeit 168 Millionen mehr eingetrieben, als das Gesetz gestattet. Sie hat gegen die Barrückzahlung erhebliche Bedenken, weil es angeblich der Ratio, der Vernunft, entbehre, erst beizutreiben und dann zurückzuzahlen. Dafür kann ich leider nicht. Sie will statt dessen Erstattung durch „Änderung des Verwendungszweckes", ein höchst zweifelhaftes Surrogat.
Das Aufkommen aus der Investitionshilfe bildet jetzt ein Sondervermögen in Höhe von einer Milliarde, und dann noch 168 Millionen. Dieses Sondervermögen hat eine besondere Rechtspersönlichkeit. Eine Milliarde wurde der Grundstoffindustrie zugewiesen. Dafür hat die wieder Kredite gegeben, die an die Leute weitergegeben wurden, die ihrer Zahlungspflicht genügt haben. Aber jetzt ist von einem Sondervermögen nicht mehr die Rede, sondern die 168 Millionen kriegt die Industriekreditbank,
({4})
die davon ihrerseits wieder Wertpapiere gibt, und nach allgemeinen Grundsätzen soll das Geld nachher in kommerzieller Form bankmäßig verwendet werden.
Die Änderung des Verwendungszwecks wird bestimmt nicht ohne Widerspruch und ohne Folgen bleiben. Nach allem, was geschehen ist - Verkauf der Wertpapiere usw. usw.-,ist eine quotale Rückzahlung nicht möglich. Diese Aufbringungspflichtigen sind ja befriedigt; sie haben ja Wertpapiere bekommen. Sie haben sie wieder verkauft. Sie sind also aus dem Gesetz ausgeschieden. Aber wenn ich wirklich ernsthaft über die Verwendung dieser 168 Millionen nachdenke, so muß ich mir sagen - ich hoffe, Sie werden mir zustimmen, meine Damen und Herren -, daß nur wirkliche Rückzahlung ein wirkliches Schlußgesetz bedeutet. Alles andere gibt neue Komplikationen.
Die Änderung des Verwendungszweckes hat wahrscheinlich eine Verfassungsklage im Gefolge. Der ursprüngliche Gedanke war doch, der Grundstoffindustrie zu helfen. Der Bergbau hat z. B. 228 Millionen bekommen. Jetzt kriegt eine Privatbank - eine Privatbank, wiederhole ich -168 Millionen, beinahe denselben Betrag, und zwar ohne Konkurrenz, als eine Kapitalerhöhung. Das ist ein merkwürdiger Kapitalmarkt! Die Privatbank macht sicher ein glänzendes Geschäft dabei. Die Aufbringungspflichtigen müssen auch jetzt wieder jahrelang warten. Sie kriegen also eine Verzinsung von 4%, die am Ende des Jahres ausgezahlt wird. Ich weiß nicht, es wäre ganz interessant, einmal durch einen parlamentarischen Ausschuß untersuchen zu lassen, wieso und was für ein Geschäft die Industriekreditbank gemacht hat. Aber die Industriekreditbank wurde so ungefähr als eine Regierungsstelle behandelt und ohne Bedenken zu den Beratungen hinzugezogen.
Die 168 Millionen also liegen da bei der Industriekreditbank. Wertpapiere werden erst ab 30. September 1955 geliefert, und so sind die Dummen die Leute, die jetzt noch bezahlt haben. Technische Schwierigkeiten können bei der Rückzahlung nicht unüberwindlich sein. Das Bundesfinanzministerium muß den Zeitpunkt des Erreichens der einen Milliarde genau feststellen. Was eingezahlt
({5})
worden ist, muß auch wieder in irgendeiner Form herauskommen, entweder in bar oder als Wertpapier. Weitergegeben an die Grundstoffindustrie kann nur eine Milliarde sein. Ich bin überzeugt, wenn man will, kann man in vier Wochen alles wieder zurückgezahlt haben, was mehr eingezahlt ist als eine Milliarde bzw. was nicht mit Wertpapieren versorgt ist. Die Industriekreditbank könnte nur wenigen Kredite geben, ganz wenigen. Die anderen werden sich beschweren und Prozesse anstrengen, weil sie sich weigern, ihrer Konkurrenz Kredite zu liefern.
Im übrigen wissen wir, daß der Geldmarkt recht flüssig ist. Wenn die Industriekreditbank von 7 bis 8% spricht, so ist das eigentlich ohne Interesse.
Herr Staatssekretär Hartmann hat davon gesprochen, daß 55 Millionen von den Finanzämtern gestundet worden sind. Das sind sicher so an die 20 000 Fälle. Hier könnte man sofort das Verfahren einstellen. Das Parlament beschwert sich bei jeder Gelegenheit, daß der Beamtenkörper wächst. Das kommt zum Teil daher, daß der Bundestag komplizierte Gesetze macht. Jetzt könnte man sofort aufhören. Damit hätte man Gelegenheit, Tausende von Arbeitsstunden zu sparen und überflüssigen Aktenanfall zu vermeiden. Hören wir nicht auf die Bürokratie, die von Staatsraison spricht! Denken wir auch selber nicht autoritär, indem wir sagen: wir haben das Gesetz gemacht, und jetzt muß es durchgeführt werden, sondern lassen wir den gesunden Menschenverstand sprechen!
({6})
Ich bitte auch meine Kollegen aus dem Wirtschaftsausschuß-Herr Samwer, Sie gehören auch dazu
um eine neue Überprüfung der Sachlage.
({7})
- Ich muß ja mutig sein, ich bin der einzige, der es vertritt. Ich möchte bitten, daß wir uns die Sache noch einmal ansehen und dann ein wirkliches Schlußgesetz machen.
Nach den Angaben des Herrn Kollegen Kurlbaum sind 87 000 Aufbringungspflichtige da, die nur eine geringe Summe aufzubringen hatten; die haben aber trotzdem ihr Geld blutnötig. Denken wir an die Zonenrandgebiete, denken wir auch an die vielen Ostvertriebenen. Sie alle bekommen keine Kredite von der Industriekreditbank. Sie sind froh, wenn sie ihr Geld wieder haben.
({8})
- Ja, soweit es gestundet worden ist; aber es ist sehr wenigen gestundet worden.
Ein Teil der Empfangsberechtigten, die Grundstoffindustrie, liegt noch mit der Ausgabe von Wertpapieren im Rückstand. Das wissen wir. Darüber ist in der 49. Plenarsitzung lang und ausführlich Beschwerde geführt worden. Herr Staatssekretär Hartmann wollte sich für eine schnelle Regelung einsetzen. Jetzt sollte man diesen Leuten einen Termin setzen: Wer bis zum 31. März die Wertpapiere der ersten Milliarde nicht geliefert hat, muß in bar zurückzahlen.
Ich stelle also den Änderungsantrag, der Ihnen in Umdruck 288 vorliegt. Ich möchte noch folgendes feststellen - ({9})
Zu dem Verlangen auf Zahlung nach Erreichung einer Milliarde möchte ich sagen, daß dafür die gesetzliche Grundlage fehlt.
({10})
Denn es heißt im Gesetz: eine Milliarde soll eingezahlt werden. Wenn wir heute sagen, daß wir über einer Milliarde liegen, dann ist das ein Gesetz mit rückwirkender Kraft.
({11}) Auch das können sie nicht machen.
Meine Damen und Herren! Damit habe ich Ihnen meine großen Bedenken vorgetragen. Ich hoffe, daß Sie nun nach dem Ihnen vorliegenden Antrag beschließen. In Umdruck 288 heißt es:
({12})
Der Umdruck ist den Mitgliedern des Hohen Hauses bereits bekannt.
({0})
Schön. Dann darf ich abschließen, und ich hoffe, daß ich Sie alle überzeugt habe.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Raestrup.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß meinen lieben Freund Kirchhoff enttäuschen. Wenn wir, lieber Freund Kirchhoff, auch Berufskollegen sind und wenn wir in manchen Fragen zusammenarbeiten und auch ein gemeinsames Arbeitszimmer haben,
({0})
so muß ich doch die geistige Verwandtschaft mit Ihrem Antrag in aller Höflichkeit und Deutlichkeit ablehnen.
({1})
Denn so geht es nicht. Was wollen Sie mit Ihrem Antrag? Sie wollen damit erreichen, daß diejenigen, die absichtlich dem Gesetz Widerstand geleistet und nicht gezahlt haben, dafür belohnt werden. Das ist die Folge Ihres Antrags.
Meine Damen und Herren, daß ich dem Gesetz über die Investitionshilfe kritisch gegenüberstehe, wissen Sie ja; das habe ich häufig genug zum Ausdruck gebracht. Wenn einige Gruppen glauben, das Gesetz sei nicht mit unserem Grundgesetz zu vereinbaren, und nach Karlsruhe gehen, können sie daraus nicht ein Recht für sich folgern, dem Gesetz einfach den Gehorsam zu verweigern.
({2})
Gerade wir, lieber Freund Kirchhoff, als Unternehmer haben in den heutigen turbulenten Zeiten genügend Veranlassung, alles zu vermeiden, was praktisch so aussieht, als wollten wir die Autorität des Bundestages als Gesetzgeber irgendwie heruntersetzen.
({3})
Darum, mein lieber Herr Kirchhoff, geht die Auseinandersetzung.
Ich will im übrigen die ganze Leidensgeschichte dieses Gesetzes hier nicht wiederholen. Das Investitionshilfe-Schlußgesetz sollte auf meinen Vor({4})
schlag als Präambel den Satz haben: Einmal und nicht wieder! Damit habe ich gesagt, wie ich zu der Sache stehe.
Nun haben wir uns, die Vertreter aller Fraktionen, im Wirtschaftspolitischen Ausschuß abgemüht, einen gangbaren Weg zu finden. Und di es er Weg ist gangbar. Wir müssen endlich fertig werden. Wir wollen ja, lieber Freund Kirchhoff, heute nicht das Investitionshilfegesetz schaffen - dann hätte ich für Ihre Ausführungen Verständnis -, sondern wir wollen es heute b e g r a b en, und am Grabe soll man über einen Verstorbenen immer nur Gutes sagen.
Meine Damen und Herren, ich will Ihre Geduld nicht weiter in Anspruch nehmen. Bitte, tun Sie uns den Gefallen. Ich kenne die Dinge aus eigenem Erleben auf das allergenaueste. Wir haben hier etwas geschaffen, was gut, gesund und vernünftig ist und dem alle Mitglieder des Wirtschaftspolitischen Ausschusses mit Ausnahme von Herrn Kirchhoff zugestimmt haben.
Nun bitte ich das Hohe Haus herzlich, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
({5})
Meine Damen und Herren! Zu dem bereits aufgerufenen § 1 rufe ich noch die §§ 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9 auf, auf die sich der Änderungsantrag Umdruck 288 bezieht. Da Wortmeldungen nicht mehr vorliegen, darf ich, über den Änderungsantrag des Abgeordneten Kirchhoff, Umdruck 288, als Ganzes abstimmen lassen, da sämtliche Bestimmungen miteinander zusammenhängen. Wer dem Antrag Kirchhoff zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist auch „einstimmig", Herr Abgeordneter Kirchhoff! ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine Stimme abgelehnt.
({1})
Wer den aufgerufenen §§ 1 bis 9 in der Fassung der Ausschußvorlage zuzustimmen wünscht, den bitte 'ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe §§ 9 a und 10 auf.-Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Wer Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platze zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - In diesem Falle, Herr Abgeordneter Kirchhoff, hätten Sie sich eigentlich vom Platz erheben müssen;
({2})
ich will aber davon absehen. Bei einer Stimmenthaltung ist das Gesetz im übrigen einstimmig angenommen worden.
Ich habe jetzt noch über Ziffer 2 der Drucksache 1072 ({3}) abstimmen zu lassen, den Antrag Drucksache 676 für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen; ist ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das am 6. September 1952 unterzeichnete Welturheberrechtsabkommen ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ({5}) ({6}).
({7})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Furler.
Dr. Furler ({8}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht muß ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf wegen der allgemeinen und internationalen Bedeutung der Materie einige Erklärungen abgeben. Zum Verständnis des Welturheberrechtsabkommens, das am 6. September 1952 in Genf von 40 Staaten, darunter auch von Deutschland, unterschrieben wurde, ist folgendes vorauszuschicken. Es ist einleuchtend, daß der Schutz der geistigen Leistung auf dem Gebiet der Literatur und der Kunst, der national begründet ist, gewisser internationaler Regelungen bedarf. Dies folgt einmal aus der Materie selbst, weil die Bücher und die Kunstwerke über die ganze Erde verbreitet werden, es folgt aber auch aus der Tatsache, daß die nationalen Regelungen in den Staaten der Welt sehr unterschiedlich sind. Es gibt Staaten mit einem zurückgebliebenen Urheberrecht, mit Vorstellungen, die bei uns seit Jahrzehnten überwunden sind. Es gibt aber auch Staaten, die ein außerordentlich fein entwickeltes Urheberrecht haben.
Sie wissen, daß wir in der Bundesrepublik zwei Gesetze haben, eines für die Werke der Literatur und ein anderes für die Werke der bildenden Kunst, und daß gegenwärtig eine große Urheberrechtsreform im Gange ist, die auch im Zusammenhang mit den internationalen Regelungen steht.
Diese internationalen Regelungen konnten einmal zwischen zwei Staaten getroffen werden, die sich tin Rahmen anderer Abkommen auch über urheberrechtliche Dinge einigten. So haben wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika schon seit 1892 ein Abkommen, das auch heute noch in Kraft ist. Es gibt aber auch Regelungen, die sehr viele Staaten umfassen, so die berühmte und seit 1886 bestehende Berner Union, die Berner Übereinkunft, in der nun über 40 Staaten der Welt in bezug auf den Schutz des Urheberrechts zusammengeschlossen sind. .
Nun ist die Frage: Warum hat man nicht einfach die Berner Union erweitert, warum ein Welturheberrechtsabkommen? Das ist eigentlich die Grundfrage des Ganzen, worum es heute geht. Die Welt, ich muß es sagen, zerfällt auf dem Gebiet ides Schutzes des Urheberrechts ein drei große Gruppen. Zunächst einmal - das ist auch ganz klar - sind Länder wie Sowjetrußland und China an diesem Welturheberrechtsabkommen so wenig wie an der Berner Übereinkunft beteiligt. Trotz des Namens „Welturheberrechtsabkommen" scheidet
({9})
also der große Block dieser Länder aus. Aber auch innerhalb der übrigen Länder in der westlichen Welt war eine Spaltung vorhanden. Die eine Gruppe - das waren im wesentlichen west- und mitteleuropäische Staaten, die Staaten des Commonwealth wie Australien, Indien, Pakistan, Südafrika und andere wie Japan, Siam oder die Türkei - stand der Gruppe der nord-, mittel- und südamerikanischen Staaten gegenüber. Vom ganzen amerikanischen Kontinent waren der Berner Union nur Brasilien und Kanada angeschlossen. Die Vereinigten Staaten konnten sich nicht dazu entschließen, beizutreten, und die Staaten Mittel- und Südamerikas haben sich ebenfalls ferngehalten. In dieser Situation hat man versucht, die Vereinigten Staaten in die Berner Konvention zu bringen. Das war im Jahre 1935 fast geglückt. Der Senat der USA hatte dem Beitritt schon zugestimmt, aber die Vollendung scheiterte wieder.
Nach dem Kriege hat die UNESCO den Versuch wiederaufgenommen, diese Rechte im Interesse der Urheber auf der ganzen westlichen Welt zu vereinigen. Das Ergebnis ,dieses Versuchs ist die Welturheberrechtskonvention. Zu ihr ist zu sagen, daß sie inhaltlich erheblich hinter dem liegt, was wir in der Berner Übereinkunft längst haben. Sie verpflichtet die Staaten, ein ausreichendes Urheberrecht zu schaffen, ohne zu sagen, 'wo die Grenzen des Ausreichenden liegen. Was aber wichtig ist: sie setzt auch den Grundsatz der Inländerbehandlung durch, der für uns schon ein alter Grundsatz ist, den Grundsatz der Berner Konvention nämlich, daß kein Staat sagen darf: wir behandeln ein Werk der Literatur, ein Werk der Kunst deshalb schlechter, weil es von einem Ausländer stammt, sondern daß jeder Staat nach dieser Konvention allen Urhebern der Welt die Rechte gewährt, die er selbst seinen eigenen Staatsangehörigen gibt. Das ist auch in dem Welturheberrechtsabkommen festgelegt.
Nun aber zur Hauptdifferenz. Warum konnten die großen Mächte Amerikas sich dem europäischen System - so will ich es einmal nennen - nicht nähern? Weil eine Grunddifferenz bestand, die Differenz nämlich in der Behandlung der Entstehung dieser Urheberrechte. Während wir seit Jahrzehnten auf dem Standpunkt stehen: in dem Augenblick, in dem ein Schriftsteller seine Novelle, ein Maler sein Bild vollendet hat, 'entsteht kraft Gesetzes und ohne Bürokratie, ohne Gebühren und ohne irgendwelche Formalitäten sein absolutes, sein ganzes Leben und noch eine lange Zeit danach dauerndes Recht, stehen andere Staaten, darunter auch die Vereinigten Staaten, auf dem Standpunkt, daß hier gewisse Formalitäten eingehalten werden müssen. Über diese grundsätzliche Frage konnte man sich nicht einigen.
Man hat nun im Welturheberrechtsabkommen ein Kompromiß geschlossen. Man hat folgendes gemacht. Die Staaten, die den formellen Standpunkt vertreten, behalten für ihre Staatsangehörigen und für die Werke, die in ihrem Gebiet veröffentlicht sind, ihr 'bisheriges Recht bei. Aber sie erkennen die frei entstandenen Rechte dann an, wenn eine Mindestformalität ,eingehalten wird, wenn wenigstens in dem Buch - das ist der Kompromiß - ein großes C in einem Kreis - der Copyright-Vermerk -, der Name des Inhabers des Urheberrechts und die Jahreszahl der ersten Veröffentlichung stehen. Diese drei Bedingungen müssen eingehalten werden. Werden sie auf Grund dieses Welturheberrechtsabkommens eingehalten, dann besteht auch I für ein deutsches, für ein französisches Buch in den Vereinigten Staaten der dortige Schutz.
Ich will nun auf den weiteren Inhalt dieser Konvention nicht eingehen. Sie befaßt sich auch mit der Dauer des Urheberrechts, auch hier nicht so fortschrittlich wie die Berner Übereinkunft, was Sie schon daran sehen, daß als Mindestfrist die Lebenszeit des Urhebers und 25 Jahre danach verlangt werden, während nach der Berner Übereinkunft die Lebenszeit und 50 Jahre danach als Mindestschutzdauer des Urheberrechts verlangt werden.
Man hat auch mit dem Übersetzungsrecht noch einige Schwierigkeiten. Hier wurde eine Art Zwangslizenz eingeführt. Es kann also vorkommen, daß in einem südamerikanischen Staat, wenn dort sieben Jahre lang keine spanische Übersetzung eines Werkes erschienen ist, der Staat eine Zwangslizenz erteilt, allerdings unter scharfen Kautelen. Es müssen gewisse Bedingungen eingehalten werden. Der Urheber muß seine Lizenz verweigert haben, es muß eine angemessene Vergütung geleistet werden, die Zahlung der Vergütung muß gesichert werden, es muß garantiert sein, daß eine gute Übersetzung erfolgt, daß der Name und der Titel unverändert bleiben und ähnliches mehr.
Die Frage ist nun: Warum befürworten wir den Beitritt zu dieser Welturheberrechtskonvention, wenn wir schon seit Jahren eine viel weitergehende Konvention besitzen? Der tiefere Grund liegt darin: Wir wollen, daß die Welt, auch die Vereinigten Staaten und die südamerikanischen Staaten, auf diesem Gebiet zusammenwächst, und wir hoffen, daß durch die Entwicklungsmöglichkeit in der Welturheberrechtskonvention auch dieses Konventionsrecht im Sinne eines geläuterten, großen, weitgehenden Urheberrechts fortgebildet wird, daß also die Konvention schließlich dahin kommt, wo die Berner Übereinkunft heute schon ist. Die mehr technischen Vorteile, die in der Ihnen vorliegenden Denkschrift der Regierung noch aufgeführt sind, wiegen demgegenüber nicht so schwer; ich brauche daher auf sie nur zu verweisen. Das ist also der tiefere Grund: das Zusammenwachsen wenigstens der westlichen Welt auf dem Gebiet des internationalen Urheberrechts.
Um nun dieses Zusammenwachsen zu erreichen, hat man - eine recht 'eigentümliche Situation - ein Zusatzprotokoll geschaffen, in dem ausdrücklich gesagt wird: Die einzelnen Länder können ihre Ratifikation davon abhängig machen, daß ein anderer, ganz bestimmt genannter Staat ebenfalls ratifiziert. Hier sind natürlich vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika gemeint. Auch wir haben sowohl im Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz wie auch im Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films die Meinung vertreten, man solle unsere Ratifikationsurkunde erst hinterlegen, wenn klargestellt ist, daß auch die Vereinigten Staaten ratifiziert haben. Wie ich höre, ist dies inzwischen erfolgt. Wir sind aber der Auffassung, daß es richtig ist, diese Frage der Ratifizierung durch die Vereinigten Staaten der Prüfung durch die Regierung zu überlassen, weshalb Ihnen der Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht vorschlägt, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen, außerdem jedoch eine Entschließung zu fassen, die lautet:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Ratifikationsurkunde gemäß Artikel VIII Ziffer 3
({10})
des Abkommens erst dann zu hinterlegen,
wenn die USA ihrerseits hinterlegt haben.
Ich bitte Sie, diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
({11})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die Artikel 1, -2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die allgemeine Aussprache. Einzelberatung entfällt, nachdem Änderungsanträge nicht gestellt sind. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich bitte, dann noch über Ziffer 2 der Drucksache 1032 abzustimmen, nach der die Bundesregierung ersucht wird, die Ratifikationsurkunde erst dann zu hinterlegen, wenn die USA ihrerseits hinterlegt haben. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die patentamtlichen Gebühren ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Dr. Bucher ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf wohl Ihr Einverständnis damit unterstellen, daß ich Sie auf den schriftlich vorliegenden Bericht*) verweise. Ich möchte nur noch einige Bemerkungen dazu machen, die ich zunächst namens meiner Fraktion machen sollte, aber wohl im Auftrage des ganzen Ausschusses machen darf.
Aus Kreisen der Wirtschaft wurden Besorgnisse geäußert, daß die vorgenommene Gebührenerhöhung zu einem Überschuß des Patentamtes führen werde und daß diese Gebührenerhöhung dann trotzdem bestehenbleiben solle. Es ist wohl verständlich, daß wir darauf hinweisen: Wenn eine solche Entwicklung einträte, würde selbstverständlich die Gebührenerhöhung wieder rückgängig gemacht werden; denn es soll bei dem Prinzip bleiben, daß das Patentamt sich selber trägt.
Ich darf noch ein Zweites dazu bemerken. Der Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz hat Gelegenheit genommen, die Beratung des Haushalts des Patentamts mit einer Besichtigung des Patentamts in München zu verbinden. Der Ausschuß konnte sich dabei wirklich davon überzeugen, daß
*) Siehe Anlage 7.
die verlangten Gebührenerhöhungen notwendig sind und daß es sich hier nicht um eine Behörde handelt, die etwa einen unsachlichen Drang hätte, sich auszudehnen, sondern daß hier wirkliche Bedürfnisse vorliegen.
In diesem Sinne kann ich namens des Ausschusses die Annahme der Vorlage empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur zweiten Lesung Art. 1, - 2, -3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte das Wort zu diesem Punkt nicht ergriffen, wenn der Herr Kollege D r. Bucher nicht soeben erklärt hätte, er könne wohl auch für den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht die Erklärung abgeben, daß, wenn es sich herausstelle, daß beim Patentamt ein Überschuß vorhanden sei, die Gebühren wieder abgebaut werden würden. Ich lege Wert darauf, sehr korrekt zu sein und zu sagen, daß sich der Ausschuß mit dieser Frage nicht beschäftigt hat. Das ist der mutmaßliche Wille, wie Herr Kollege Dr. Bucher ihn auslegt. Es könnte aber ein Zeitpunkt kommen, an dem sowohl der Ausschuß wie der Bundestag beim Wort genommen würden. Ich erkläre also als Vorsitzender des Ausschusses, daß bei unseren Beratungen die Fragestellung nicht geherrscht hat, ob die Gebühr wieder herabgesetzt wird, wenn sich nach dieser Gebührenerhöhung beim Patentamt ein Überschuß ergeben sollte.
Im übrigen ist das eine rein theoretische Frage. So, wie die Dinge heute liegen - bei unserer Besichtigung des Patentamts am vergangenen Montag konnten wir uns davon überzeugen -, ist ja gar keine Chance dafür vorhanden, daß die Erhöhungen, wie sie jetzt vorgenommen worden sind, irgendwie zu einem beträchtlichen Überschuß führen. Ich habe sogar - und ich glaube, mit den anderen Mitgliedern des Ausschusses - die Befürchtung, daß die Erhöhung, die wir jetzt vornehmen, kaum ausreichen wird, eine Balancierung in Einnahmen und Ausgaben zu gewährleisten. Diese Erhöhung ist so vorsichtig, daß wirklich alle Betrachtungen um den Punkt, den der Herr Kollege Dr. Bucher hier angeschnitten hat, theoretisch bleiben. Ich wollte nur als vorsichtiger Mann - und um ganz korrekt zu sein - feststellen, was der Ausschuß nun wirklich beschlossen hat und was er nicht beschlossen hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß der Ausschuß das nicht beschlossen hat, und ich muß mich insofern entschuldigen, als ich nicht vorher mit dem Herrn Vorsitzenden gesprochen habe. Ich habe ihn im Saale nicht gesehen-das mag mein Fehler sein -; ich habe deshalb nur mit dem Herrn Stellvertretenden Vorsitzenden gesprochen, und wir waren uns in dieser Hinsicht einig. Ich gebe dem Herrn Vorsitzenden auch darin völlig recht, daß das, was ich ausgedrückt habe, auf absehbare Zeit Theorie bleiben wird. Ich stimme seinen Ausführungen durchaus zu und wollte das ja auch zum Ausdruck bringen, daß die Gebührenerhöhungen nicht zu einem Überschuß führen werden. Ich beschränke
({0})
mich also darauf, die Erwartungen, die ich ausgesprochen habe, nur im eigenen Namen und im Namen meiner Fraktion, nicht im Namen des Ausschusses, auszusprechen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer den Artikeln 1, 2 und 3, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere Ergänzungen und Änderungen des D-Markbilanzgesetzes sowie über Ergänzungen des Altbanken-Bilanz-Gesetzes ({0}) ({1}).
Auf Begründung wird verzichtet. Aussprache ist nicht gewünscht. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung zu überweisen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags ,der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Bereinigung des Reichs- und Bundesrechts ({2}) ({3}).
Zur Begründung des Antrages hat das Wort der Abgeordnete Hoogen.
Hoogen ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache 908 möchte die antragstellende Fraktion der CDU/CSU einen ersten Schritt tun, um den Staatsbürger von solchen Gesetzesbestimmungen zu befreien, die durch Zeitablauf, durch nachfolgende Vorschriften, durch grundlegende Änderungen der Verhältnisse oder auf eine sonstige Art und Weise gegenstandslos geworden sind. Es soll nach der Meinung der antragstellenden Fraktion ein Gesetzentwurf ausgearbeitet werden, der die Herausgabe einer bereinigten Sammlung des heute geltenden Bundesrechts zum Gegenstand hat.
Meine Damen und Herren! Sie wissen, daß mit dem ersten Weltkriege und in der ihm folgenden Inflation die Gesetzgebungsmaschine auf immer höheren Touren zu laufen begann. An die Stelle unserer klassischen Gesetzgebung traten die Notgesetze. In nahezu unzähligen Vorschriften versuchte man, für alle Gebiete des menschlichen Lebens ein engmaschiges Netz von Vorschriften zu flechten, durch das möglichst keiner mehr entschlüpfen sollte. Hiermit war die Fesselung der
Freiheit des Bürgers nahezu vollendet. Ein großer Teil der aus den vergangenen Jahrzehnten stammenden Vorschriften ist formell leider bestehengeblieben, weil nach Rückkehr geordneter Verhältnisse niemand sich mit der Beseitigung dieser unzeitgemäß gewordenen Vorschriften befaßte. Dadurch ist das formell geltende Recht derart unübersichtlich geworden, daß die Beachtung des geltenden Rechts für den Staatsbürger geradezu unzumutbar geworden ist.
Eine Bereinigung des gesamten Rechtes auf Bundesebene darf deshalb nach unserer Meinung nicht mehr länger hinausgeschoben werden. Während sich der Bundestag bisher nur dann mit der Aufhebung überalterter Vorschriften befaßt hat, wenn ihm neue Gesetzentwürfe zur Beschlußfassung vorgelegt worden sind, soll der nunmehr von der Fraktion der CDU/CSU beantragte Untersuchungsausschuß an Hand einer in Kürze möglichen Vorlage einer Übersicht über den gesamten Rechtsbestand der vergangenen 87 Jahre, d. h. seit dem Jahre 1867, eine Entscheidung treffen, welche unzeitgemäßen Vorschriften heute zur Aufhebung vorgeschlagen werden sollen. Der Untersuchungsausschuß kann in vielen Fällen durch die materielle Anregung Zweifel beheben. Das dem Untersuchungsausschuß vorzulegende Material wird ferner Anlaß geben, die zur Zuständigkeit des Bundes gehörende Gesetzgebung zu vereinheitlichen, nachdem sie durch Zersplitterung leider sehr uneinheitlich geworden ist.
Bei dieser Gelegenheit, d. h. bei der Aufhebung überholter Vorschriften, muß auch daran gedacht werden, solche Vorschriften zu beseitigen, die einen unnötigen Verwaltungsaufwand oder einen solchen Verwaltungsaufwand erfordern, der mit dem Erfolg der gesetzgeberischen Arbeiten nicht mehr in Einklang zu bringen ist.
({5})
Diese Bereinigung und die Befreiung von überalterten Vorschriften tragen mit zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit bei, und Sie wissen, meine Damen und Herren, daß das unser aller Anliegen ist und daß es uns darauf sehr entscheidend ankommt.
Durch eine systematische Darstellung des bereinigten Bestandes etwa nach der Methode, wie sie im Jahre 1948 in der Schweizerischen Eidgenossenschaft durchgeführt worden ist, könnte die nahezu unmögliche Auffindung des heute geltenden Rechtes wesentlich vereinfacht und erleichtert werden. Diese Vereinfachung und Befreiung des Rechtsbestandes von überflüssigem Ballast macht auch erst eine wirklich durchgreifende Vereinfachung der Verwaltung und eine Verringerung der Behörden und behördenähnlichen Stellen sowie des Beamtenkörpers möglich. Deshalb soll der Untersuchungsausschuß nach dem Antrag auch prüfen, ob und in welchem Umfange durch die Gesetzesbereinigung Verwaltungsvereinfachungen und Einsparungen erzielt werden können. Er soll ferner prüfen, ob auf Grund überholter Vorschriften noch Behörden oder behördenähnliche Stellen irgendwo bestehen und demgemäß wegfallen könnten.
Die Arbeiten des Untersuchungsausschusses bieten aber auch eine willkommene Gelegenheit, sich mit einem Anliegen zu befassen, welches Regierung und Parlament nicht ernst genug nehmen können, nämlich die zukünftige Gesetzgebung einfacher, klarer, übersichtlicher und sprachlich besser zu gestalten, um so letzten Endes eine Überanstrengung
({6})
des Rechtes für die Zukunft zu vermeiden und die alten Fehler nicht zu wiederholen.
Noch einige wenige Worte zur Frage der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit des Parlaments zur Durchführung dieser Untersuchung. Weder die Bestimmungen der Weimarer Verfassung noch die des Grundgesetzes befassen sich mit dem Gegenstand der Untersuchung, die das Parlament durchzuführen berechtigt ist. Sowohl Art. 34 der Weimarer Verfassung wie Art. 44 des Grundgesetzes enthalten lediglich eine Verfahrens-, nicht auch eine Zuständigkeitsnorm. Gegenstand von Untersuchungen, also auch von Gesetzgebungsenqueten, können alle diejenigen Gebiete sein, auf denen das Parlament eine Kompetenz zur Gesetzgebung hat. Auf allen diesen Gebieten kann es auch eine Gesetzgebungsenquete veranstalten, und diese hat im vorliegenden Fall 'die Aufgabe, wie sich aus dem Antrag Drucksache 908 ergibt, durch Vornahme der für nötig gehaltenen Vorarbeiten in Form der Sammlung und Sichtung des Materials ein Gesetzgebungswerk, nämlich das der Bereinigung des geltenden Rechtes, v Or zubereiten.
Meine Damen und Herren, ich bin bei der Vorbereitung dieses Antrags mehrfach gefragt warden, ob d am i t nicht der Ausschuß eines Parlaments überanstrengt würde und überfragt ware. Ich bin nicht dieser Meinung; denn vielen von Ihnen und auch mir persönlich ist durchaus bekannt, daß auf Grund eines Beschlusses des Hohen Hauses aus dem Jahre 1952 die Vorarbeiten für diese Arbeit im Bundesministerium der Justiz sehr weitgehend gediehen sind, daß aber auf der anderen Seite die Weitertreibung dieses unbedingt notwendigen und zweifellos sehr guten Vorhabens sowohl an der Frage der Bereitstellung von Mitteln in sehr bescheidenem Umfang wie auch an der Frage der Entscheidung von Ressortstreitigkeiten an manchen Stellen zu scheitern droht und daß unserer Meinung nach das Parlament sich mit dieser Sache, die eine Angelegenheit weitester, ich darf wohl sagen: aller Volkskreise ist, selbst zu befassen hat.
In Ergänzung des Ihnen vorliegenden Antrags Drucksache 908 erlaube ich mir, dem Hohen Hause vorzuschlagen, mit der Durchführung der Untersuchung den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - 16. Ausschuß - zu beauftragen, und zwar deshalb, well aller Voraussicht nach mit Rücksicht auf die Materie Mitglieder dieses Ausschusses dem Untersuchungsausschuß angehören werden und es mir im Interesse einer Zeitplanung zwischen diesen beiden Ausschüssen richtig und ratsam erscheint, eine alsbaldige Inangriffnahme der Materie und eine beschleunigte Durchführung dieser uns sehr am Herzen liegenden Bereinigung sicherzustellen. Ich habe mir infolgedessen erlaubt, dem Herrn Präsidenten insoweit einen Ergänzungsvorschlag zu unterbreiten, der das zum Inhalt hat, was ich Ihnen eben vortragen durfte. Ich bitte Sie, sowohl den Antrag Drucksache 908 wie auch den Ergänzungsantrag anzunehmen .
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesministerium der Justiz begrüßt die Anregungen, die der Herr Vorsitzende des Rechtsausschusses soeben dem Hohen Hause gegeben hat. Ich darf dazu folgendes bemerken. Schon das Rechtsamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hat sehr bedeutsame Vorarbeiten getroffen, eine Gesetzgebungsenquete durchzuführen. Als dann das Bundesjustizministerium gegründet wurde, hat mein Vorgänger, Herr Kollege Dr. Dehler, es als eine vordringliche Aufgabe betrachtet, diese vom Rechtsamt der Verwaltung dies Vereinigten Wirtschaftsgebietes begonnenen Arbeiten fortzuführen. Seitdem beschäftigt sich das Bundesjustizministerium mit dieser Gesetzgebungsenquete. Zum Teil mußten die Arbeiten wegen Personalmangels unterbrochen werden, sie wurden aber auf ein Ersuchen des Hohen Hauses vom 6. Februar 1952 wieder aufgenommen und sind nun zu einem gewissen Abschluß gekommen. Nunmehr sind rand 40 000 Karteikarten aller Rechtsvorschriften aus etwa 300 Jahresbänden von 42 Verkündungsblättern verschiedener örtlicher Geltungsbereiche einschließlich des Besatzungsrechts und der das Reichsrecht ändernden Landesgesetzgebung erfaßt. Die modern eingerichtete Kartei gibt zur Zeit nur Auskunft über die Frage, ob eine Rechtsvorschrift durch eine spätere Rechtsvorschrift ausdrücklich geändert oder aufgehoben worden ist. Offen bleibt natürlich jetzt noch die Frage, welche früheren, seit dem Jahre 1867 erlassenen Rechtsvorschriften durch ein Gesetz des Bundestages geändert bzw. aufgehoben werden müssen. Diese Frage wird zur Zeit geprüft, und das Material wird dem Hohen Hause nach Abschluß der Arbeiten vorgelegt werden.
Zunächst war es Ziel dieser Vorarbeiten, eine Übersicht über den gesamten formell noch gültigen Rechtsstoff zu gewinnen und die Unterlagen für eine Neubekanntmachung dies noch geltenden Rechts - was ich eben bereits sagte - zu schaffen, wie das mit diem Ersuchen des Hohen Hauses vom 6. Februar 1952 verlangt worden war. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es noch einer näheren Untersuchung, welches Recht durch späteres widersprechendes Recht aufgehoben wurde, ohne daß die aufgehobenen und geänderten Vorschriften einzeln genau bezeichnet waren. Um diese in unserer Gesetzgebung leider häufigen Fälle hinsichtlich ihrer sachlichen Auswirkung genau abgrenzen und bestimmen zu können, wurde im Benehmen mit den Ressorts eine systematische Gliederung erarbeitet, die eine möglichst überschneidungsfreie Einordnung aller Rechtsvorschriften nach Sachgebieten erlaubt. Die Gliederung soll auch die Grundlage der Systematik einer künftigen Gesetzessammlung bilden.
Weiterhin sind geeignete Vorkehrungen getroffen worden, daß bei der Sichtung des gesamten Rechtsstoffes und bei Aufstellung einer systematischen Sammlung keine Vorschrift vergessen wird.
Als nächste Arbeit ist nun geplant, diese 40 000 Karten der Vorschriften entsprechend der Gliederung systematisch zu ordnen. Aus der ständigen Beobachtung der Bundesgesetzgebung und ihrer systematischen Einordnung in den Fundstellennachweis über die Bundesgesetzgebung besteht für diese Arbeit bereits mehrjährige Erfahrung.
Als weitere Maßnahme ist die Aufstellung eines systematischen Registers unter gleichzeitiger Festlegung des Wortlauts der noch geltenden Rechtsvorschriften geplant. Das systematische Register, das alle Rechtsvorschriften eines Sachgebietes der Gliederung zusammenfaßt und das die Aussage
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über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Vorschriften enthält, bildet die Unterlage für eine mögliche Bereinigung unseres Rechts durch Aufhebung überholter und veralteter Rechtsvorschriften.
Um diese Arbeit, für die sonst alle Vorbereitungen getroffen sind, in einem Zuge möglichst bald durchführen zu können, ist eine vorübergehende Verstärkung des zuständigen Referats um einige geeignete Hilfskräfte des höheren und gehobenen Dienstes erforderlich. Ich möchte Ihnen doch einmal einige Zahlen bekanntgeben, damit Sie erkennen, wie umfangreich diese Arbeiten sind, die hier durchgeführt werden müssen. Wir haben festgestellt, daß seit 1867 rund 42 545 Rechtsvorschriften erlassen worden sind. Hiervon sind ungültig, d. h. also bereits aufgehoben oder geändert, 16 282, so daß formell noch 26 263 gültig sind. Wir sind aber der Überzeugung, daß von diesen 26 000 Vorschriften - was nachgeprüft werden muß - ebenfalls noch eine große Anzahl als ungültig bezeichnet bzw. aufgehoben werden muß. Wir rechnen damit, daß von den insgesamt 42 545 Vorschriften schließlich noch ungefähr ein Fünftel übrigbleiben wird. Wie schwierig die Sache ist, ergibt sich auch daraus: Wir haben im Reichsgesetzblatt von 1914 bis 1945 insgesamt 15 590 Rechtsvorschriften festgestellt. Hiervon sind nur 1159 Gesetze des Parlaments. 11 497 sind Notmaßnahmen und Verordnungen auf Grund besonderer Ermächtigungen.
Bei den Erwägungen, wie eine Sammlung des fortgeltenden Rechts angelegt, mit welcher Rechtskraft sie ausgestattet und in welcher Art vorgegangen werden soll, wurden, wie ja schon Herr Abgeordneter Hoogen ausgeführt hat, die Erfahrungen
ausgewertet, die in der Schweiz gesammelt worden sind. In der Schweiz ist in den letzten Jahren auf der Basis der Erfahrung von mehr als 40 kantonalen Gesetzessammlungen eine bereinigte Sammlung des Schweizer Bundesrechts durchgeführt worden. Diese mit der Schweiz gezogenen Vergleiche haben ergeben, daß nahezu in allen Punkten des bereits geübten wie auch des beabsichtigten Vorgehens Übereinstimmung herrscht. Die Probleme sind in beiden Fällen etwa die gleichen. Allerdings sind bei der Schweiz die Verhältnisse infolge ruhiger politischer und staatsrechtlicher Entwicklung wesentlich einfacher als bei uns. Ich habe ja bereits darauf hingewiesen - und Ihnen die Zahlen bekanntgegeben -, wie bei unserer Gesetzgebung seit 1914 die außergewöhnlichen Maßnahmen gegenüber der normalen Entwicklung und dem normalen Gang der Gesetzgebung eine ganz besondere Stellung, einen ganz besonders großen Raum einnehmen. Es wird hier nicht genügen, dem Schweizer Vorbild zu folgen und lediglich das gültige Recht aus der Summe der ergangenen Rechtsvorschriften abzuleiten. Es bedarf in vielen Fällen der formellen Aufhebung von Vorschriften, deren Gültigkeit zweifelhaft ist oder die den heutigen Verhältnissen aus anderen Gründen nicht mehr entsprechen.
An sich ist ja der Gedanke der Bereinigung unseres Rechts nicht neu. Ich darf daran erinnern, daß das Hohe Haus bereits eine Reihe von Gesetzen verabschiedet hat, die sich mit der Bereinigung unübersichtlicher oder unzulänglich gewordener Verhältnisse befaßt haben. Ich begrüße es aber besonders, daß durch die Anregung des Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf diese bereits geleisteten Arbeiten gelenkt wird, das gesamte seit 1867 entstandene Reichs- und Bundesrecht auf seinen gültigen Bestand zu untersuchen, das Veraltete auszumerzen und den noch geltenden Rechtsbestand in übersichtlicher Form darzustellen.
Die Vorteile für die Rechtssicherheit und für die Vereinfachung der Verwaltung, die sich aus einem solchen Vorhaben ergeben, brauche ich nicht besonders hervorzuheben.
Ich darf nur die Hoffnung aussprechen, daß diesem Werk im Gegensatz zu einem bereits im Jahre 1926 im Reichstag eingebrachten Entwurf, der das gleiche Ziel verfolgte, möglichst bald ein Erfolg beschieden sein möge. Ich begrüße auch besonders die Anregung, die der Herr Abgeordnete Hoogen vorhin gegeben hat, daß der Untersuchungsausschuß auch prüfen möge, inwieweit es durch diese Gesetzesenquete möglich sein wird, Einsparungen in der Verwaltung und sonstwie vorzunehmen.
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Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, zuerst über den Änderungsantrag*) des Abgeordneten Hoogen, hinter der Ziffer 3 b des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 908 als neuen Absatz folgendes anzufügen:
Mit der Durchführung der Untersuchung wird
der 16. Ausschuß beauftragt, dem insoweit die
Rechte aus Art. 44 des Grundgesetzes zustehen.
Wer diesem Antrag des Abgeordneten Hoogen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über den Gesamtantrag Drucksache 908. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0})
über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller ({1}), Mühlenberg und Genossen betreffend Nutzungsentschädigung für Bauern im Gebiet an der holländischen Grenze;
über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet;
über den Antrag der Abgeordneten Wacher ({2}), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar und Genossen betreffend Beihilfen für Grenzbauern ({3}).
An Stelle des Berichterstatters, des Abgeordneten Frühwald, spricht der Abgeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Frühwald, der soeben zur Grünen Woche nach Berlin abreisen mußte, hat mich gebeten, an seiner Stelle den Bericht des Haushaltsausschusses zu erstatten.
Es handelt sich, wie eben vom Herrn Präsidenten schon aufgerufen wurde, um die Anträge Drucksachen 253, 434 und 529.
Im Antrag Drucksache Nr. 253 wird gefordert, aus dem Grenzlandfonds jährlich den Betrag vorab
*) Umdruck 289.
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zur Verfügung zu stellen, der notwendig ist, um die Eigentümer landwirtschaftlich genutzter Grundstücke, die jenseits der deutschen Landesgrenzen liegen und deren Nutznießung ihnen entzogen ist, zu entschädigen. Dieser Antrag löste eingehende Erörterungen im Ernährungsausschuß aus. Er brachte als Folgewirkung eine Zusammenstellung des Bundesernährungsministeriums über die Zahl der Betriebe und die Flächeneinheiten, die jenseits der Landes- und Zonengrenzen liegen und der Nutznießung durch die Eigentümer entzogen sind.
Nun der Antrag Drucksache 434. Die Antragsteller verlangen, daß Pachtaufwendungen für verlorengegangene Eigenflächen vergütet und Wirtschaftsbeihilfen an Betriebe, die keine Ersatzpachtfläche erhielten, gewährt werden.
Der Antrag Drucksache 529 geht dahin, eine angemessene Beihilfe zu gewähren, wenn die Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sind.
Neben dem Ernährungsausschuß hat sich auch der Grenzlandausschuß eingehend mit diesen Anträgen befaßt und die Einbeziehung des Landes Berlin gefordert. Laut Nachweis des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sind im Lande Berlin 37 Betriebe mit 166 ha betroffen.
Noch bevor der Haushaltsausschuß sich am 7. September 1954 endgültig mit den Anträgen befaßt hat, haben das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Wirtschaft am 12. Juni und am 8. Juli 1954 Grundsätze für die Gewährung von Wirtschaftsbeihilfen zur Erhaltung der Existenz von grenzdurchschnittenen Betrieben an die Landesregierungen herausgegeben. Die Mittel für die Gewährung werden dem Einzelplan 60, Kap. 6002, Tit. 950, entnommen, der einen Gesamtbetrag von 115,2 Millionen DM aufweist. Nach Mitteilung der Bundesregierung ist für diesen Zweck ein Betrag von rund 1 Million DM notwendig.
Diese Entschädigungen sind als eine Vorleistung auf Rechtsansprüche anzusehen, die im Kriegsfolgenschlußgesetz endgültig geregelt werden müssen. Nach den Grundsätzen vom 12. Juni und 8. Juli 1954 ist also im besonderen dem Antrag Dr. Müller, diese Mittel dem Grenzlandfonds zu entnehmen, als auch dem Antrag Drucksache 434 und dem Antrag Drucksache 529 Rechnung getragen. Dem Antrag des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, Berlin in diese Entschädigung einzubeziehen, konnte nicht stattgegeben
werden. Die dort zu entschädigende Fläche ist nicht so bedeutend, als daß sie nicht aus der Berlin-Hilfe vom Land Berlin selbst abgegolten werden könnte.
Da das Land Nordrhein-Westfalen nicht in die Grenzlandhilfe nach Einzelplan 6002 Tit. 950 einbezogen ist, wurde von der Bundesregierung mit diesem Lande vereinbart, daß es diese Beihilfen im Bereich seiner Westgrenze aus dem eigenen Haushalt aufbringt.
Nach den Grundsätzen, die an die Länder herausgegeben worden sind, können weder öffentliches Eigentum noch abgetrennte Waldflächen in diese Vergütung einbezogen werden. Die Vergütungsbeiträge bis zu 140 DM je Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche je nach prozentualem Anteil am vorher bestehenden Gesamtbetrieb wurden vom Ausschuß gutgeheißen. Die Wirtschaftsbeihilfen dürfen auch nur an b e s t e h en de Betriebe gezahlt werden und sind nicht dazu bestimmt, den Eigentümer für die erlittenen Verluste zu entschädigen; das ist Sache der endgültigen Regelung durch das Kriegsfolgenschlußgesetz. Auch soweit es dem Betriebsinhaber gelungen ist, Ersatzflächen zu pachten, kann keine Vergütung gewährt werden.
Der Haushaltsausschuß billigte die in diesen Richtlinien festgelegten Grundsätze und beschloß, die Anträge Drucksachen 253, 434 und 529 durch die im Rahmen der Grundsätze für die Gewährung von Wirtschaftsbeihilfen zur Erhaltung der Existenz von durchschnittenen landwirtschaftlichen Betrieben vom 2. September 1954 zu treffende Regelung als erledigt zu erklären.
Namens des Ausschusses darf ich das Hohe Haus bitten, diesem Beschluß seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Damen und Herren, die dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses auf Drucksache 1052 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 66. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 17. Februar 1955, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.