Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 56. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Jacobi für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordneter Dr. von Buchka für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordnete Frau Nadig für vier Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordneter Kühn ({0}) für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Ich nehme an, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs über eine Woche hinaus einverstanden ist.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Josten, Dr. Wahl, Neumann, Gleisner ({0}), Dr. Weber ({1}), Fassbender, Bauer ({2}) und Euler.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Klingelhöfer, Merten, Müller ({3}) und Unertl.
Ich habe Geburtstagsglückwünsche auszusprechen dem Abgeordneten Dr. Friedensburg, der gestern seinen 68. Geburtstag gefeiert hat.
({0})
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist die heutige Tagesordnung erweitert um die nicht erledigten Punkte der Tagesordnung der 55. Sitzung, d. h. die Punkte 2 bis 5, und um die zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hoogen, Dr. Kihn ({1}), Naegel und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft ({2}).
Meine Damen und Herren, bei der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern ({3}),
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({4}) ({5})
({6}),
sind die Ziffern 11, 14, 19 a, 22 und 22 a des Art. 1 zurückgestellt worden.
Ich rufe daher zunächst auf Art. 1 Ziffer 11 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, Drucksache 961, Seite 25.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treten nunmehr in die Behandlung des Komplexes der Ehegattenbesteuerung ein. Hierzu liegen vor neben der Ausschußvorlage der Umdruck 202*) - Änderungsantrag der Fraktion der SPD -, Umdruck 207*) - Änderungsantrag der Fraktion der DP; Sie gestatten, daß ich die Dinge einzeln anführe, damit wir uns wieder etwas hineinfinden -, dann Umdruck 210*) - das ist der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP -, Umdruck 216*) - Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eckhardt, Raestrup, Dr. Miessner und Genossen -, Umdruck 218*) - Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Frau Dr. Lüders und Genossen-und Umdruck 220*) -Änderungsantrag der Abgeordneten Gräfin Finckenstein, Frau Finselberger und Genossen -. Das sind die Änderungsanträge, die sich mit dieser Materie befassen.
Wir haben heute und morgen noch ein sehr großes Stoffgebiet zu behandeln. Wir müssen heute und morgen fertig werden. Sonst riskieren wir, daß die Steuerreform nicht zum 1. Januar in Kraft treten kann. Deshalb möchte ich die Bitte aussprechen, daß wir mit unserer Zeit doch sehr ökonomisch umgehen.
({0})
- Ich selbst werde mich daran halten,
({1})
dessen können Sie versichert sein. Das Thema, das wir nun ansprechen, ist nicht nur abendfüllend, es ist tagesfüllend.
({2})
*) Siehe Anlagen 2, 3, 5, 7, 9 und 10 zum Stenographischen Bericht der 55. Sitzung.
({3})
Ich möchte mich daher bei der Begründung der Änderungsanträge auf Umdruck 210 auf wenige Sätze beschränken.
({4})
- Ich weiß nicht, warum es so unruhig ist.
({5})
- Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich würde es doch begrüßen, wenn etwas mehr Ruhe eintreten würde.
({6})
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist besser, wir füllen unsere Tage als unsere Abende mit dieser Materie. Ich wäre deshalb dankbar, wenn Sie den Redner weitersprechen ließen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Grundsatz der Gleichheit und der Gerechtigkeit im Steuerrecht würde es erfordern, daß wir entweder zur Haushaltsbesteuerung im alten Sinne zurückkehren - also zur Haushaltsbesteuerung in dem Sinne, daß das gemeinsame Einkommen in der Person des Ehemannes als des im Eherecht allein Steuerpflichtigen besteuert wird - oder daß wir das Einkommen der Ehegatten zusammenzählen, gleichgültig aus welchen Quellen es stammt, ob aus selbständiger Arbeit oder beiderseits aus unselbständiger Arbeit, ob es daraus stammt, daß die Ehefrau im Geschäft, in der Landwirtschaft oder im Gewerbe mithilft oder daß sie als Hausfrau tätig ist, oder ob Einkommen aus Miete oder aus Kapital bezogen wird. In dem letztgenannten Fall würde also das Einkommen zusammengezählt, aber dann vor Anwendung des Tarifs halbiert, und es würden zwei Steuerpflichtige - Ehemann und Ehefrau - mit je der Hälfte des Einkommens geschaffen und auf diese Hälfte jeweils der Tarif angewandt. Das ist das Verfahren, das wir im allgemeinen als Splitting-Verfahren bezeichnen.
Alle Lösungen, die zwischen diesen beiden Polen liegen, widersprechen dem Grundsatz der Steuergleichheit und der Steuergerechtigkeit; der eine mehr, der andere weniger, je nachdem, wie weit man sich von einem dieser Pole entfernt. Deshalb lassen sich auch alle Anträge, die heute hier zur Debatte stehen und die zwischen diesen beiden Polen liegen - ich kann keinen einzigen davon ausnehmen -, mit dem Hinweis darauf begründen, daß andere die gleichen Vorteile hätten und man sie deshalb auch haben müsse, weil sonst eine Steuerungerechtigkeit und ein Verstoß gegen die Steuergleichheit vorliege. Umgekehrt sagen die andern, die diesen Vorteil nicht haben, sie würden höher besteuert.
Sie wissen, daß heute auf Grund der Regierungsvorlage und des Ausschußbeschlusses eine Zäsur mitten durch eine Gruppe von Steuerpflichtigen hindurchgeht, nämlich durch die Gruppe der Ehefrauen, die in unselbständiger Arbeit tätig sind. Die Regierungsvorlage und auch die Ausschußvorlage sehen vor, daß getrennt besteuert werden soll, solange diese Einkommen zusammen unter 9000 DM liegen. Wenn sie darüber liegen, soll gemeinschaftlich besteuert werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute schon nicht zu der einen oder zu der andern grundsätzlichen Lösung kommen können, weil das in dem einen wie in dem andern Fall zur Voraussetzung hätte, daß wir unseren Tarif von Grund auf ändern - und das können wir nicht -, dann wollen wir wenigstens die Zäsur, die Trennungslinie, nicht durch eine Gruppe ziehen. Das ist der Sinn unseres Änderungsantrags Umdruck 210, wonach Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb bei der Zusammenveranlagung ausscheiden. Um aber die dadurch bedingte steuerliche Ungleichheit gegenüber den Zusammenveranlagten nicht zu sehr in Erscheinung treten zu lassen und dieser Ungleichheit nicht eine zu starke Realität zu verschaffen, soll der eine Ehepartner, und zwar derjenige Ehepartner, der weniger verdient, nach Steuerklasse I besteuert werden. Alle anderen Bestimmungen von Ziffer 1 bis Ziffer 7 dieses Umdrucks sind Anpassungsbestimmungen zu diesen beiden Grundvorschlägen, nämlich der getrennten Besteuerung der Ehepartner und der Besteuerung des einen Ehepartners nach Steuerklasse I.
Wie gesagt, es läßt sich zu den anderen Vorschlägen jederzeit soundso viel Positives sagen, es läßt sich aber auch jederzeit soundso viel Negatives sagen. Ich möchte nochmals zum Ausdruck bringen, daß der Vorschlag in Umdruck 210 geradlinig ist, weil er wenigstens in einer Gruppe die Grundsätze der Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit herstellt. Wir wissen, daß wir damit erst einen Schritt zur Bereinigung dieses Problems in dieser Richtung auf Steuergleichheit und Steuergerechtigkeit getan haben und daß wir es spätestens in ein oder zwei Jahren endgültig bereinigen müssen.
Als ersten Schritt in dieser Richtung möchte ich Sie daher bitten, sehr verehrte Damen und Herren, die Vorschläge der CDU/CSU, der FDP und der DP, wie sie Ihnen in Umdruck 210 vorliegen, anzunehmen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war der aufrichtige Wunsch meiner Fraktion, die Frage der Haushaltsbesteuerung oder, wie sie im Volksmund schlechthin genannt wird, die „Ehebesteuerung" bereits in den Ausschußberatungen zu einer allgemein befriedigenden Lösung zu führen. Leider ist dies trotz der intensiven Arbeit, auch des noch gebildeten Unterausschuß vorgeschlagenen Lösungen enthält. grüßen daher den nunmehr vorliegenden Antrag der CDU/CSU, der FDP und der DP in Umdruck 210, der zumindest die wesentlichen im Unterausschuß vorgeschlagenen Lösungen enthält.
Es drängt sich uns aber, bei aller sachlichen Würdigung dieser Situation, die Frage auf: Was wäre eigentlich geworden, wenn wir mit den übrigen Parteien in dieser Frage nicht so standhaft geblieben wären? Wir erlauben uns daher, auch die Frage auszusprechen: Haben hier nicht auch arbeitsmarktpolitische Gründe eine Rolle gespielt? Ich darf in diesem Zusammenhang auf die gerade in den letzten Wochen in fast allen Zeitungen erschienenen Artikel hinweisen, die beinhalten, daß man, wenn man an ein echtes Arbeitskräftereservoir denke, wieder auf die Frauen zurückgreifen
({0})
müsse. Ich möchte in diesem Zusammenhang der Presse besonderen Dank aussprechen, denn ich glaube, daß sie durch ihre objektive Berichterstattung in den zurückliegenden Tagen sehr wesentlich zu dieser Meinungsbildung beigetragen hat.
Wenn ich trotzdem noch einige Bemerkungen mache, dann deshalb, weil wir von der sozialdemokratischen Fraktion der Meinung sind, daß es diesmal nicht wieder bei einer neuen Etappe in der nun bereits über 30 Jahre währenden Diskussion um die Haushaltsbesteuerung bleiben darf, sondern daß wir endlich und endgültig aus dieser Diskussion herauskommen müssen. Die Haushaltsbesteuerung hat nämlich eine sehr wechselvolle Geschichte hinter sich. Wir dürfen - und ich glaube, das ist die Verpflichtung jedes Parlaments - an der heutigen Situation einfach nicht vorbeigehen und müssen erkennen, daß seit der Einführung des preußischen Klassensteuerrechts große wirtschafts- und gesellschaftspolitische Wandlungen zu verzeichnen sind. Es erscheint uns daher wesentlich, auf einige Merkmale hinzuweisen, die im Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Auflage, Seite 117, herausgestellt sind. Dort heißt es über die Beziehung des Steuersubjekts zum steuerbegründenden Tatbestand als Entstehungsgrund des Steuerrechtsverhältnisses:
Am einfachsten gestaltet sie sich da, wo auf Grund der steuerrechtlichen Zugehörigkeit des Individuums zum Gemeinwesen ohne weiteres ein Tatbestandsmerkmal eine Steuerleistung fordert, wobei bestimmte persönliche Eigenschaften ({1}) das Steuerobjekt kennzeichnen ({2}).
Wir erkennen also an dieser Formulierung, daß Haushaltungssteuer im früheren Sinne gleich Kopfsteuer gleich Feuerstättenabgabe gleich Herdsteuer zu setzen war. Das deutsche Einkommensteuergesetz beginnt aber mit dem programmatischen Satz - und den finden wir in Band 2 der 1. Auflage dieses. Handbuches auf Seite 67 -: „Von dem Einkommen der natürlichen Personen wird nach den Vorschriften dieses Gesetzes eine Einkommensteuer erhoben." Wenn wir jedoch von der natürlichen Person ausgehen, dann ist es unmöglich, daß die Arbeit der Frau als eine Nebenbeschäftigung des Mannes betrachtet wird. Wir müssen vielmehr davon ausgehen, daß hinter dem Einkommen der Frau ebenfalls eine echte persönliche Leistung steht, aus der dieses Einkommen resultiert.
Damit hat sich auch Professor Bosch in seiner Zeitschrift „Ehe und Familie", Nr. 2, ausführlich beschäftigt und die Ausführungen von Frau Scheffler und auch von Hübner herausgestellt. Hier heißt es zu den Vorschriften über die Zusammenveranlagung:
Sie sind ein ungerechtfertigter Nachteil für Eheleute gegenüber den zahlreichen anderen Menschen, die einen gemeinsamen Haushalt führen ({3}).
In diesem Zusammenhang müssen wir auch Art. 3 des Grundgesetzes anwenden, und es würde einem Verstoß gegen die Verfassung gleichkommen.
Nun hat Herr Dr. Wuermeling in einem seiner letzten Aufsätze im Bulletin Nr. 10 gesagt, ,daß sich eine Berufstätigkeit der Frau und Mutter nicht familienfördernd auswirken würde. Ich glaube, wir müssen hier das beachten, was die statistischen Untersuchungen nachweisen. Ich möchte die Stadt Frankfurt anführen, deren Statistisches Amt hierzu einmal Feststellungen getroffen hat. Danach waren am 13. September 1950 nur noch 21 v. H. der Ehefrauen erwerbstätig, die 8 Monate zuvor geheiratet hatten, nur noch 16 v. H. derjenigen, die im Jahre 1949 die Ehe geschlossen hatten, und nur noch 10 v. H. derjenigen, die im Jahre 1948 eine Ehe eingegangen waren. Ich glaube, wir müssen hier die umgekehrte Wirkung konstatieren, die Herr Dr. Wuermeling glaubte feststellen zu können. Durch die steuerliche Mehrbelastung würde eine Hinausschiebung der Heirat und damit eine Begünstigung der illegalen Verhältnisse herbeigeführt, und in vielen Ehen wird durch die steuerliche Benachteiligung der letzte Anstoß zu einer sonst vermeidbaren Scheidung gegeben werden.
Meine Damen und Herren, ich führe das an, weil wir glauben, daß in Zukunft noch ein Schritt weiter gegangen werden muß und daß wir zu einer endgültigen Meinungsbildung kommen müssen und nicht wieder nur eine neue Etappe erreichen können. Wenn wir aber zu einer objektiven Meinungsbildung kommen wollen, dann müssen wir uns auch vor Augen halten, warum Frauen arbeiten. Hierzu gibt es eine Fülle von Untersuchungen, die feststellen, daß 85,8 % aller Frauen nur für den eigenen und ,den Lebensunterhalt anderer Personen arbeiten und daß lediglich 14,2 % es aus anderen Gründen tun. Sieht man sich aber einmal die anderen Gründe an, dann stellt man fest, daß es sich in erster Linie um junge Menschen handelt, die ihren Hausstand aufbauen, oder um ältere Menschen, die ihren Hausstand wieder aufbauen.
({4})
- Früher, Herr Pelster, war es nicht in diesem Maße der Fall,
({5})
weil in früheren Jahren die Ehe viel stärker aus der alten Ehe herauswachsen konnte. Das heißt, es konnte auf einen bestimmten Besitz zurückgegriffen werden. Unter den heutigen Verhältnissen
- das stellen Sie überall fest - ist der größte Prozentsatz der Eheleute ,auf die eigene Arbeit angewiesen, und aus der eigenen Arbeit wird erst die Ehe aufgebaut.
({6})
- Das war früher nicht so der Fall.
({7})
Es gibt aber einen weiteren Punkt, der auch in den Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu einer sehr ausgiebigen Diskussion geführt hat, nämlich die Frage: inwieweit trägt die Frau mit ihrer Arbeit sehr wesentlich zum nationalen Wohlstand bei? Ich glaube, in einem anderen Lande würde die Frage der berufstätigen Frau gar nicht eine solche Wirkung in der Öffentlichkeit haben. Wir dürfen doch nicht vergessen, daß die Wirtschaft mit den andersartigen Fabrikationsmethoden, mit der Arbeitsteilung, der Mechanisierung oder Technisierung auf die besonderen Fähigkeiten der Frau gar nicht mehr verzichten
({8})
kann. Es gibt heute weite Kreise der Wirtschaft, die sagen, sie würden zusammenbrechen, sie würden unwirtschaftlich, sie würden unrentabel, wenn sie nicht mehr auf die Frauenarbeit zurückgreifen könnten. Ich brauche nur auf die Eingaben der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und vieler anderer Organisationen hinzuweisen, die ebenfalls sehr deutlich die Notwendigkeit der Mitarbeit der Frau in der heutigen Volkswirtschaft betonen.
Ich meine - und das sollten wir uns zum Grundsatz machen -: wir haben heute alle Veranlassung, eine Frau, die aus der inneren Verantwortung gegenüber ihrer Familie und damit auch gegenüber der Gesellschaft eine solche zusätzliche Belastung auf sich nimmt, zu stützen und ihr diese persönliche Freiheit zuzuerkennen. Ich brauche nur an die Untersuchungen des Statistischen Amtes der Stadt Frankfurt oder der „Welt", die sich auf das westliche Gebiet bezogen, zu erinnern, um deutlich zu machen, daß die Frauen von sich aus in dem Augenblick in ihre Familie zurückkehren, wo die wirtschaftliche Sicherheit gegeben ist. Wir wollen doch die Sicherheit der Frau als Staatsbürger; dann müssen wir auch ihre persönliche Sicherheit im wirtschaftlichen wie im sozialen Leben gewährleisten. Wenn sie aus eigener freier Initiative einen Beruf wählen will, dann sollten wir ihr diesen auch zugestehen.
Worauf es der sozialdemokratischen Fraktion im 'besonderen ankommt, ist, zu einer fortschrittlichen Gesetzgebung zu gelangen. Die Arbeitsgemeinschaft des Bundesvorstandes der selbständig Schaffenden hat z. B. in einem Brief darauf hingewiesen, daß die Haushaltsbesteuerung grundsätzlich im gesamten Steuerrecht beseitigt werden müsse. Wenn wir zu einer fortschrittlichen Gesetzgebung kommen wollen, so müssen wir - und das ist, glaube ich, auch die Auffassung des Ausschusses und weiter Kreise des Finanzministeriums - irgendwann zu einem anderen Steuersystem kommen.
Es gibt heute noch Grenzfälle. Ich denke hier vor allen Dingen an die Gewerbebetriebe, an das Handwerk und an die Zwischenbetriebe, soweit sie keine selbständigen Kräfte haben. Diese sind zu unserem Bedauern nach der Formulierung in den Umdrukken 210 und 202 noch nicht mit einbezogen. Aber wir glauben, daß wir diesen ersten Schritt jetzt tun sollten, um das Ziel aller zu erreichen, nämlich die Haushaltsbesteuerung aus dem Gesetz gänzlich zu beseitigen.
Es ist bereits von Herrn Neuburger auf das Splitting-Verfahren hingewiesen worden. Herr Neuburger führte an, daß es im Augenblick unmöglich ist, das sogenannte Splitting, wie wir es aus dem Amerikanischen kennen, auch auf unsere Verhältnisse anzuwenden. Wir sollten aber heute schon festlegen, daß wir den Gedanken, der dem Splitting zugrunde liegt, auf unser neues Steuersystem anwenden werden. Das amerikanische Splitting wird allgemein in der Welt als das familienfreundlichste Steuersystem anerkannt. Wenn man sich die Mühe macht, es einmal genau anzusehen, dann stellt man fest, daß dem Splitting auch viele andere Vorzüge anhaften. Ich brauche nur einmal auf die Formulierungen hinzuweisen, wie wir sie in den Ergänzungen des Steuergesetzes in Amerika finden. Hier heißt es nämlich:
Wie wählen Sie die für Sie einfachste und billigste Steuererklärung?
Und es heißt weiter:
Das Gesetz erwartet von Ihnen, daß Sie korrekt Ihre Steuern bezahlen, . . . Es wird sich bezahlt machen, einen Augenblick darüber nachzudenken, welches der drei Formulare das für Sie beste und einfachste ist.
An einer weiteren Stelle heißt es dann:
Wenn Sie eine gemeinsame Steuererklärung . . . machen, dann wird der Distriktdirektor Ihre Steuern sowohl auf der Basis der getrennten als auch auf der der gemeinsamen Steuererklärung ausrechnen und wird Ihnen zu Ihren Gunsten den niedrigeren Steuersatz anrechnen.
Schon beim Lesen der Steuererklärung und der Zusätze stellt man fest, wie einfach, jedem verständlich das gesamte Splittingsystem aufgebaut ist und wie auch der einfachste Mensch dieses Steuersystem begreifen und handhaben kann. Ich glaube, Herr Finanzminister Schäffer hat selbst einmal in einem Vortrag in München erklärt, daß Steuerformulare für den normalen Menschen unlesbar geworden sind. Daran sollten wir doch denken und bestrebt sein, die Grundsätze dieses einfachen Splittings in unser kommendes Steuersystem mit aufzunehmen. Wir müssen letzten Endes aus dem Gewirr der vielen Novellen und Verordnungen, die wir heute noch vorfinden, herauskommen. Dem einfachen Menschen ist es unmöglich, sie richtig zu lesen und sich seine Steuern selbst auszurechnen.
Eine letzte Bemerkung möchte ich mir im Hinblick auf das familienfreundliche Steuersystem, das wir erreichen wollen, erlauben. Ich glaube, hier besteht insbesondere für Herrn Familienminister Dr. Wuermeling eine echte Aufgabe. Wir sind in der sozialdemokratischen Fraktion der Meinung, daß die Nur-Hausfrau und auch die mithelfende Ehefrau durch ihre Arbeitsleistung und ihr persönliches Opfer wesentlich zur Haushaltsführung und damit zur Sicherheit der Familie beitragen. Ich brauche nur an die Haushaltsführung einer Hausfrau mit vielen Kindern zu denken, die auch alle übrigen Arbeiten - und das ist heute sehr wesentlich - mit übernimmt. Ich möchte vor allen Dingen an die ländlichen Verhältnisse erinnern, wo die Hausfrau neben Garten und Feld auch das Vieh betreut und damit ja letzten Endes erst die Sicherheit der Familie herbeiführt.
Es wird selten möglich sein, ein System wie z. B. das amerikanische Splitting direkt, d. h. ohne Veränderung auf ein anderes Land zu übertragen. Wir glauben aber, daß in ein neues System grundsätzlich ein fiktives Einkommen für die Hausfrau und für die mithelfende Ehefrau einzubauen wäre. Die Konsequenz muß sein: Kein Zurück in eine überalterte, nicht mehr zeitgemäße Gesetzgebung, sondern hin zu einem vollkommen neuen System, in dem all diese Gesichtspunkte, die ich vorgetragen habe, Berücksichtigung finden.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder die Argumente meines Fraktionsfreundes Neuburger noch die der Frau Kollegin Beyer haben mich persönlich davon überzeugen können, daß man der Ausdehnung der getrennten Veranlagung der Ehefrau das Wort reden kann.
({0})
({1})
Lassen Sie mich hier einmal einige grundsätzliche Dinge ansprechen. In unserem Einkommensteuerrecht ist von Anfang an die Haushaltsbesteuerung als Grundsatz vorgesehen. Wir haben im Einkommensteuerrecht, wie es zur Zeit gilt, vier Fälle zu unterscheiden: Sind Ehemann und Ehefrau selbständig, so findet eine gemeinsame Veranlagung statt. Ist die Ehefrau selbständig und der Ehemann nicht, so findet gleichfalls eine gemeinsame Veranlagung statt. Sind Ehemann und Ehefrau beide unselbständig, so werden sie getrennt veranlagt. Ist der Ehemann selbständig und die Ehefrau nicht selbständig, so werden sie auch getrennt veranlagt.
Nun könnte man der Meinung sein, daß das Splitting nach amerikanischem Muster diese Unterschiedlichkeit im Einkommensteuerrecht beseitigen könnte. Aber wenn Sie sich das Splitting einmal genau ansehen, dann werden Sie feststellen - ({2})
- Ich werde darauf zurückkommen. Hören Sie mich doch genau so an, wie ich Sie angehört habe, Herr Kollege Neuburger! Ich meine, ich habe genau so das Recht, hier meine Auffassung vorzutragen, wie Sie das getan haben.
({3})
- Lassen Sie mich doch erst mal meine Ausführungen machen! Dann können Sie hier heraufkommen und alles kritisieren; ich nehme das entgegen.
Ich habe gesagt: wenn man diese Unterschiede ausgleichen wollte, dann sollte man das Splitting nach amerikanischem Muster nehmen. Wesentlich im Splitting ist aber, daß es eine Vorbelastung der Ledigen mit sich bringt und daß es den Familienstand zunächst einmal nicht berücksichtigt. Will man aber - und das ist zweifelsohne bei deutschen Verhältnissen geboten - Ledige nicht vorbelasten und den Familienstand berücksichtigen, dann muß man sowohl auf der einen als auch auf der anderen Seite sehr hohe Freibeträge einführen, um eben die Wucht des Splitting, das den Ledigen und den Verheirateten mit Kindern treffen würde, auszugleichen.
Wir waren uns im Unterausschuß Haushaltsbesteuerung völlig einig darüber, daß, wenn wir ein solches Splitting wünschten, es einen Steuerausfall von etwa 1,2 Milliarden DM verursachen würde. Wir konnten also bei dieser Steuerreform, wenn wir sonst eine Entlastung durchführen wollen, zur Zeit dieses Splitting gar nicht näher in Erwägung ziehen. Wenn wir das in diesem Zeitpunkt getan hätten, dann hätte sich auch folgende Konsequenz gezeigt. Wenn die zwingende Notwendigkeit vorliegt, 10 oder 12 Milliarden DM aus Einkommen- und Körperschaftsteuer aufzubringen, müßten wir bei Einführung des Splitting die Progressionssätze so stark ansteigen lassen, daß wir dieses Aufkommen auch bei der Versteuerung der geteilten Einkommen behalten. Damit hätten wir doch gegenüber der jetzigen Form der Besteuerung gar keine Erleichterung eingeführt.
Man sollte sich das auch einmal zahlenmäßig durchdenken und vorstellen. Wenn heute z. B. ein
Einkommen von 20 000 DM mit 20 % belastet wäre, dann würde daraus eine Einkommensteuer von 4000 DM im Jahr erzielt werden können. Teilten wir nun diese 20 000 DM auf Mann und Frau in zwei Beträge zu je 10 000 DM auf und belasteten wir sie jeweils mit einer Einkommensteuer von 10 %, so würden wir zweimal 1000 DM gleich 2000 DM Einkommensteuer erzielen, und wir hätten einen Ausfall von 2000 DM zu verzeichnen. Das heißt mit anderen Worten: wenn wir das Splitting wollen, dann müssen wir die Progression bei 10 000 DM schon auf 20 % festlegen, sonst bekommen wir nicht 'die Einkommensteuer, die wir benötigen, um den Staatsaufgaben gerecht werden zu können. Bei gleichem Steueraufkommen stellen wir also fest, daß im Grunde genommen und materiell gesehen gegenüber dem heutigen Zustand überhaupt keine Änderung eintritt, wenn wir nicht die Vorbelastung der Ledigen wollen. Wenn man diese will, kann man aber auch die Haushaltsbesteuerung dazu verwenden, indem man eben eine Zusatzsteuer für Ledige erhebt. Ich möchte nicht erleben, was wir draußen im Lande zu hören bekommen, wenn wir es wagen wollten, hier eine Zusatzsteuer für Ledige zu beantragen. Das ist völlig indiskutabel.
Daß die Steuergerechtigkeit eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes fordert, ist klar. Die Regierungsvorlage hält bekanntlich an der gemeinsamen Veranlagung fest. Dadurch - das muß einmal gesagt werden - wird am besten eine gleichmäßige Besteuerung der Familien herbeigeführt, bei der die Hausfrau und Mutter, die wegen der Zahl ihrer Kinder nicht im Erwerbsprozeß stehen kann, keine Benachteiligung gegenüber der erwerbstätigen Frau erfährt.
Lassen Sie mich einmal einige statistische Zahlen aus Heft Nr. 7 von „Wirtschaft und Statistik" des Jahres 1954 nennen. Wir haben dort eine Aufstellung, aus der sich ergibt, daß sich als Ehefrauen bei Haushaltungsvorständen 9,941 Millionen Frauen deklariert haben. Davon haben sich bezeichnet: als mithelfende Familienangehörige rund 1,5 Millionen Ehefrauen, als in dem Ehemann fremdem Betrieb arbeitende Ehefrauen 774 000 und als Nur-Ehefrauen 7,682 Millionen Ehefrauen. Wenn Sie sich die Verhältnisse mal prozentual vorstellen, dann haben wir Ehefrauen, die unselbständig außerhalb des Betriebes ihres Ehemannes arbeiten, 7,5 % der Gesamtzahl und mithelfende Ehefrauen 16 %; 76,5 % bezeichnen sich nur als Hausfrauen. Das muß man einmal festhalten. Wenn wir nun eine getrennte Besteuerung einführten, dann käme sie zunächst nur diesen 7,5 % der Ehefrauen zugute. Das sind also relativ wenige Frauen. Sie trifft nach den soeben genannten Zahlen nur diese Gruppe. Die im Geschäft oder in der Landwirtschaft mithelfenden Frauen wären damit noch nicht einbezogen. Aber selbst wenn uns das gelänge, hätten wir immer noch die Tatsache zu verzeichnen, daß 76,5 % aller Ehefrauen durch eine solche Regelung - ich sage es ganz offen - benachteiligt wären.
({4})
Die Dinge liegen doch so: wenn man durch einen progressiv ansteigenden Freibetrag diesen 76,5 % Nur-Hausfrauen und Müttern in der Besteuerung Rechnung tragen wollte, dann würden wir das Einkommensteuerrecht noch unübersichtlicher gestalten, als es zur Zeit schon ist. Wenn wir einer({5})
seits die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch das Vorhandensein von Kindern in einer Familie nur mit Minimalsätzen abgelten, dann können wir auf der anderen Seite ihre Steigerung, wie sie im Vorhandensein zweier Verdiener zutage tritt, gegenüber der verbrauchsintensiven kinderreichen Familie nicht unberücksichtigt lassen. Um nicht mißverstanden zu werden, will ich sagen, daß ich unter diesen zwei Verdienern nur Mann und Frau verstehe. Es ist im Unterausschuß auch davon die Rede gewesen, als wir über dieses Problem sprachen, daß auch Kinder in einer Familie seien, die mit verdienten, und daß diese Erhöhung der steuerlichen Leistungskraft der Familie nicht erfaßt werde. Meine Damen und Herren, wenn Sie berücksichtigen, daß wir steuerlich die Vorbelastung der Familie, bis sie die Kinder so weit hat, daß sie durch Selbstverdienen das abgelten können, nur durch Minimalsätze berücksichtigen, dann können wir auf der andern Seite nicht verlangen, daß diese Kinder nachher mit in die steuerliche Leistungskraft der Eltern einbezogen werden, zumal es sehr viele Kinder gibt, die gar nicht daran denken, zum Familieneinkommen beizutragen, weil sie für einen eigenen Hausstand sparen oder vielleicht sehr verbrauchsintensiv leben; ich brauche nur an Motorräder und solche Dinge zu erinnern.
Ich darf noch ein Argument anführen. Soll das Steuerrecht so gestaltet werden - und das ist die Frage, die sich uns stellt -, daß es folgendem Ideal dient: höchster Lebensstandard und höchste Produktivität unter Einschaltung möglichst aller Ehefrauen in den Erwerbsprozeß, dann muß man der getrennten Besteuerung das Wort reden. Will man aber eine gewisse Minderung des Lebensstandards und damit auch eine gewisse niedrigere Produktion in Kauf nehmen, damit eben die Frau und Mutter in der Familie tätig sein kann, dann kann man sich nur für die gemeinsame oder Haushaltsbesteuerung aussprechen.
Wer also eine Ausweitung der getrennten Veranlagung will,
({6})
der entscheidet sich für den ersten Grundsatz. Darüber müssen sich alle Damen und Herren, die diesen Dingen das Wort reden, klar sein. Hat man sich aber im Grundsätzlichen für die gemeinsame Veranlagung entschieden, dann stellt sich nur noch die Frage: Von welchem Betrage an lohnt sich eine gemeinsame Veranlagung von der verwaltungsmäßigen Seite her nicht? Und da hat die Regierungsvorlage auch unter Berücksichtigung sozialer Momente gesagt: wenn Unselbständige da sind, sollte man den Betrag auf 9000 Mark begrenzen.
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Meine Damen und Herren, wenn Sie sich mal diese 9000 Mark vergegenwärtigen und die beiden Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschalen von je 936 Mark hinzuzählen, dann werden Sie feststellen, daß Sie auf ein monatliches Durchschnittseinkommen von 900 Mark für diese beiden Eheleute kommen, das aus der getrennten Veranlagung herausgenommen wird.
Lassen Sie mich zum Schluß nun mal einige Zahlen nennen, wie sich die Dinge nach den uns jetzt vorliegenden Tabellen, und zwar nach der Jahreslohnsteuertabelle, darstellen. Nehmen Sie an, ein
I Familienvater verdient im Monat 600 Mark; er hat drei Kinder. Dann zahlt er 15,60 Mark Lohnsteuer im Monat. Ein Ehepaar, von dem Ehefrau und Ehemann je 300 Mark verdienen, zahlt zusammen 25,30 Mark, wobei einer von den beiden in Steuerklasse I, der andere in Steuerklasse II unter Berücksichtigung des Familienstandes einrangiert ist. Ich stelle fest: ein Unterschied in der steuerlichen Belastung des Familienvaters mit drei Kindern gegenüber dem Ehepaar ohne Kinder, wo zwei Verdiener sind, in Höhe von 10 Mark monatlich. Nehmen Sie den Betrag von 800 Mark, dann sind die Zahlen folgende: 51,40 Mark zahlt der Familienvater mit drei Kindern, und das Ehepaar - Doppelverdiener - ohne Kinder zahlt 58,80 Mark zusammen.
({8})
Das ist ein Unterschied von 7,40 Mark; soviel erfährt der Familienvater mehr an Entlastung.
({9})
Wenn Sie nun bis zu 1000 Mark kommen - meine Damen und Herren, das ist immerhin schon ein schönes Einkommen -, dann stellen Sie fest, daß in beiden Fällen dafür die gleiche Steuer gezahlt wird: vom Familienvater 95,40 Mark und vom Ehepaar 94,10 Mark.
Ich möchte die Beispiele nicht weiter ausdehnen; aber interessant ist folgendes. Wenn man jetzt unterstellt, daß dieses Ehepaar ein Kind hat, dann kommt der eine der beiden Teile in die Steuerklasse III/1, und dann stellen Sie plötzlich fest, daß dieses Ehepaar mit einem Kind weniger Steuer zahlt als der Ernährer einer Familie mit drei Kindern.
Meine Damen und Herren, wenn dies das Ergebnis der Ausdehnung der getrennten Veranlagung ist, dann, glaube ich, kann ein Teil dieses Hauses wirklich nicht mitmachen. Der einzige Antrag, über den hier noch ernstlich, von meinem Standpunkt aus gesehen, diskutiert werden sollte, ist der auf Umdruck 220, der vorschlägt, daß man ein junges Ehepaar fünf Jahre lang, wenn ich es recht verstanden habe, zunächst einmal aus der gemeinsamen Veranlagung herausläßt.
Ich darf für mich und einige Freunde aus meiner Fraktion sagen, daß wir alle vorliegenden Anträge, die einer weiteren Ausdehnung der getrennten Veranlagung das Wort reden, ablehnen werden.
({10})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Krammig, wir haben im Unterausschuß „Ehesteuer" - Verzeihung: „Haushaltsbesteuerung" - ja schon recht heftig miteinander gerungen, allerdings sehr freundschaftlich und mit Humor, und wir sind zu keiner Übereinstimmung gekommen. Ihre Ausführungen haben mich auch jetzt nicht davon überzeugen können, daß das Splitting-Verfahren nicht doch die bessere Lösung ist. Im Gegenteil, Sie haben mich in meiner Meinung, daß das Endziel „Splitting-Verfahren" im Steuersystem das bessere ist, durch Ihre Begründungen nur bestärkt. Wir sollten bei Berücksichtigung Ihrer Argumente nicht gegen das Splitting-Verfahren sein, sondern bei seiner Ein({0})
führung müssen wir eben die Steuertarife ändern und, um einen Ausgleich zwischen den kinderlosen Ehepaaren oder denen mit wenigen Kindern und denen mit vielen zu schaffen, die Freibeträge für die Kinder erhöhen. Sie selber haben doch in dem Antrag Umdruck 225 einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Den sollten wir uns dann noch einmal vornehmen, wenn wir so weit sind, daß wir wirklich zum Splitting-Verfahren kommen.
Nach Lage, der Dinge werden wir heute leider noch nicht zu dem Splitting-Verfahren kommen können, obwohl ich der ketzerischen Meinung bin und ein Teil meiner Freunde mit mir, daß es vielleicht gut gewesen wäre, man hätte gerade auf dem Gebiet der Ehesteuer eine grundsätzliche Reform dadurch durchgeführt, daß man das Splitting eingeführt und dafür vielleicht auf anderen Steuergebieten- da oder dort eine Änderung weggelassen hätte. Dann wäre wenigstens auf einem Teilgebiet eine echte Steuerreform durchgeführt worden, die dem weitaus größten Teil der Bevölkerung zugute gekommen wäre, und es wäre nicht wieder, wie es jetzt der Fall ist, mit einer Teillösung daran herumexperimentiert worden. Es wäre der Betrag von 1,3 oder 1,5 Milliarden DM - die Berechnungen schwanken ja - vielleicht doch einzukalkulieren gewesen, und man hätte durch eine Umgestaltung des Tarifs eine einigermaßen auch für Ledige tragbare Steuergerechtigkeit herbeigeführt. Nun, das ist leider nicht durchzuführen gewesen. Ich bedaure das.
Ich möchte die Gründe, die für eine getrennte Besteuerung sprechen, nicht noch einmal wiederholen. Frau Kollegin Beyer hat in vorzüglichen Ausführungen alles dargelegt. Meine Fraktion hat ja auch bereits in den vorhergehenden Beratungen zur Steuerreform im alten Bundestag durch unsere Kollegen Miessner und Dr. Wellhausen und durch mich des öfteren zu diesem Problem Stellung genommen.
Aber auf einen Punkt lassen Sie mich bitte noch hinweisen, den Frau Kollegin Beyer wohl angeführt hat, der mir aber doch noch einmal der Betrachtung wert ist und herausgehoben werden sollte. Es würde wirklich einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn wir heute - vielleicht aus einer politischen oder weltanschaulichen Einstellung heraus - eine Steuergesetzgebung beibehielten oder förderten, die die Frauen aus den Berufen herausdrängt, weil sich dann ihre Arbeit nicht mehr rentiert, und sie dann vielleicht nach zwei oder drei Jahren, wenn wir die Frauen aus volkswirtschaftlichen Gründen wieder zur Mitarbeit brauchen, anregen müßten, den häuslichen Bereich mit einem Arbeitsplatz zu vertauschen. und wenn wir ihnen dann, um einen Anreiz dazu zu geben, eine Steuerermäßigung zubilligten. Diese Methode aus dem Jahre 1934 bzw. 1943 können und wollen wir nicht mehr durchführen.
Ich bin daher der Meinung, daß wir auf dem Wege zur getrennten Besteuerung fortschreiten müssen und nicht rückschrittlich werden dürfen.
Herr Kollege Krammig, es ist einfach nicht möglich, die Entwicklung aufzuhalten. daß Frauen in verstärktem Maße zur Arbeit außerhalb des Hauses herangezogen werden. Es hieße einfach die Augen und Ohren verschließen, wenn wir an dieser Entwicklung vorbeigingen, wobei es völlig gleichgültig ist, ob wir sie heute billigen oder nicht. Die Entwicklung geht dahin, daß leider die Frauen immer mehr in das Erwerbsleben hineingehen werden und hineingehen müssen.
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- Herr Kollege Krammig, Sie sagen, wir sollten sie steuerlich nicht begünstigen. Ja, sollen wir denn die Frauen, die genötigt sind, außerhalb des Hauses zu arbeiten, und die die doppelte Verpflichtung - nämlich die der Hausfrau und Mutter und die der Erwerbstätigen-haben, noch besonders durch eine erhöhte Steuer bestrafen?
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- Herr Kollege Krammig, wenn Sie die Begrenzung der getrennten Besteuerung auf 9000 DM fordern, werden Sie zwangsläufig dazu kommen, daß Sie die qualifizierten Frauen einfach nicht mehr - wie soll ich sagen? -als begünstigungswürdig betrachten und eine neue steuerliche Ungerechtigkeit einführen.
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- Ach, o b sie gerne die Steuern zahlen! Herr Kollege Krammig, wer zahlt gern Steuern?
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- Der verantwortungsbewußte Staatsbürger? Ich weiß nicht, Herr Kollege Krammig, wie viele denn so verantwortungsbewußt sind, daß sie wirklich gerne Steuern zahlen.
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So weit möchte ich mich in der Betrachtung nicht
ergehen, um daraus eine Diskussion zu entfesseln.
Aber lassen Sie mich bitte auf unseren Antrag zurückkommen. Einige Freunde und ich haben den Änderungsantrag Umdruck 218 gestellt, in dessen Ziffer 1 Nr. 2 das Anliegen des Antrags, der von seiten der Koalitionsparteien und der SPD gestellt wurde, mit enthalten ist. Nur haben wir bei unserem Antrag dem Grundgesetz entsprechend die Regelung auf Mann und Frau abgestellt.
Wir sind aber darüber hinaus der Ansicht, daß die vorgeschlagene Ausdehnung der getrennten Besteuerung nur auf Selbständige und unselbständig Tätige keineswegs ausreicht. Das ist bereits von Frau Beyer ausgeführt worden. Wir erheben daher in Ziffer 1 Nr. 1 unseres Antrags die Forderung, daß Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb, die in einem dem andern Ehegatten fremden Betrieb bezogen werden, in die getrennte Besteuerung einbezogen werden. Auch hier haben wir wieder Mann und Frau gleichgestellt.
Man denke bitte bei der Formulierung dieses Antrages nicht immer nur an die wirklich begüterten Kreise, wo vielleicht aus einem größeren Gewerbeoder Fabrikbetrieb oder aus Forst- und Landwirtschaft hohe Gewinne erzielt werden. Denken Sie doch bitte dabei in erster Linie an die Kleingewerbetreibenden. Nehmen wir einmal an, der Mann ist kleiner Angestellter und die Frau hat ein kleines Geschäft. Beide verdienen relativ wenig. Sie zahlen bisher vielleicht gar keine Steuer oder würden keine Steuer zahlen, wenn sie getrennt besteuert würden. Nun werden sie zusammen veranlagt und müssen Steuer zahlen. Oder nehmen Sie einen anderen Fall: Der Mann ist Angestellter, die Frau arbeitet als Schneiderin in einem Betrieb. Nach den
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Vorschlägen, die in den anderen Anträgen enthalten sind, würden beide getrennt besteuert werden. Jetzt wird ein Kind geboren, und aus dem Pflichtbewußtsein der Frau, dieses Kind zu betreuen, gibt sie ihre Stellung auf, sie arbeitet als selbständige Schneiderin daheim, in eigenem Betrieb. Sie sagt: ich will keine Schwarzarbeit leisten, ich melde mein Gewerbe an. Jetzt wird diese Frau mit ihrem Mann zusammen versteuert. Sie verdient vielleicht weniger als im Betrieb; aber zum Schluß muß sie noch so viel Steuern mehr zahlen, daß ihre Arbeit im Endeffekt wesentlich geringer bewertet wird und sich kaum lohnt. Für diese ihre Haltung, die Sie, Herr Krammig - wenn ich Sie noch einmal ansprechen darf -, begrüßen, nämlich daß die Frau ihre Kinder mitbetreut und in erster Linie betreut, würde dann eine solche Frau noch bestraft werden. Ich glaube, das kann man nicht rechtfertigen.
Um nun die erhöhten Kosten, die durch unseren Vorschlag entstehen, in etwa auszugleichen, haben wir in Ziffer 2 unseres Antrags einen § 32 a eingefügt. Ich möchte ihn verlesen:
In den Fällen des § 26 Abs. 3 und 4 fallen abweichend von § 32 bei Ehegatten, denen Kinderermäßigung zusteht oder auf Antrag gewährt wird, nach Wahl der Ehegatten der eine in die Steuerklasse I, der andere in die nach § 32 Abs. 3 und 4 maßgebende Steuerklasse. In den übrigen Fällen gehören beide Ehegatten in die Steuerklasse I.
Das will besagen, daß, solange diese Ehegatten keine Kinder haben und erwerbstätig sind, beide wie Ledige in Steuerklasse I bleiben. Wenn diese Lösung angenommen würde, würde das bei den heute getrennt Besteuerten insofern eine gewisse Härte bedeuten, als sie jetzt vielleicht mehr Steuern zahlen müssen. Aber sie würden immer noch weniger Steuern zahlen, als wenn sie zusammen veranlagt in Gruppe II kämen.
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Das scheint mir das Wesentliche zu sein. und der von der getrennten Besteuerung erfaßte Personenkreis würde trotzdem größer.
Frau Beyer hat auch darauf hingewiesen, daß es unbillig wäre, die im Betrieb des Mannes mitarbeitende Ehefrau aus der Steuerbegünstigung herauszunehmen. Darum haben wir unter Ziffer 1 unseres Antrags als Abs. 4 folgende Formulierung eingefügt:
Bezieht ein Ehegatte Einkünfte der in Absatz 3 erwähnten Art und ist der andere Ehegatte bei ihm mithelfend tätig, so können für den Mithelfenden 20 vom Hundert der Einkünfte gemäß Absatz 3, höchstens aber 2000 DM abgezogen werden. Der abgesetzte Betrag ist von dem mithelfenden Ehegatten zu versteuern.
Durch diese Formulierung ist der mitarbeitenden Ehefrau - ich denke dabei an die vielen Betriebe in Landwirtschaft und Handwerk - in etwa Gerechtigkeit widerfahren. Wir haben den Betrag deshalb auf 2000 DM begrenzt, weil wir der Überzeugung sind, daß wir damit die Gefahr eines Mißbrauchs, der bei der Begünstigung der mitarbeitenden Ehefrau in vielen Fällen zweifellos naheliegt, etwas ausgeschaltet haben.
Ich bedauere es außerordentlich, daß wir auch bei unserem Vorschlag die wertvolle Mitarbeit der Hausfrau nicht gebührend berücksichtigen konnten.
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Ich würde es begrüßen, wenn der Freibetrag für die Ehefrau, die nicht erwerbstätig ist, erhöht werden könnte.
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- Den Antrag, Herr Kollege Pelster, von Frau Kollegin Gräfin Finckenstein, den auch Sie vorliegen haben, habe ich mit unterzeichnet. Er sieht eine Begünstigung wenigstens der jungen Hausfrauen vor.
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Aber das scheint mir auch nicht ganz ausreichend zu sein; denn wir haben ja in den letzten Jahren genügend Fälle gehabt und haben sie auch heute noch, in denen Frauen, auch wenn sie schon längere Zeit verheiratet sind, genötigt sind, wieder ins Erwerbsleben zurückzutreten, vielleicht weil sie Hab und Gut verloren haben, ihr Mann zu wenig verdient, z. B. wegen Krankheit, die Kinder mehr kosten und was dergleichen Fälle mehr sind. Ich bin also der Meinung, daß dieser Antrag sehr schön ist und wir ihn in jeder Form unterstützen sollten, daß er aber noch nicht ganz ausreichend ist. Herr Kollege Pelster, vielleicht stellen Sie von sich aus noch den Antrag, daß der Herr Finanzminister auch einen erhöhten Freibetrag für die Ehefrau gibt. Glauben Sie mir, Sie werden meine Unterstützung und die vieler meiner Freunde ganz gewiß haben.
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Ich bitte Sie, meine Herren und Damen, unseren Vorschlag einer wirklich ernsten Erwägung zu unterziehen. Der Vorschlag der Koalitionsparteien ist im Grunde genommen der, den ich bereits vor Jahren bei der ersten Steuerreform gestellt und immer wiederholt habe, zum letztenmal im Jahre 1953 hier in diesem Hause. Ich habe ihn dann im Unterausschuß „Haushaltsbesteuerung" als ultima ratio noch einmal wiederholt, als es überhaupt völlig aussichtslos zu sein schien, einen Fortschritt zur getrennten Besteuerung hin zu erreichen. Es ist aber nur ein winzig kleiner Schritt vorwärts, ein fast zu kleiner. Deshalb bitte ich Sie herzlich, doch zu erwägen, ob Sie unserem Antrag nicht wenigstens in etwa noch Folge leisten können. Vielleicht führt die Beratung dazu, daß Sie, wenn Sie nicht den ganzen Antrag akzeptieren, wenigstens einem Teil Ihre Zustimmung geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach unserer Auffassung handelt es sich hier um den Kernpunkt der Debatte, um einen Kernpunkt unseres Steuerrechts überhaupt. Meine Vorredner haben bereits sehr viel Material zu einzelnen Punkten vorgelegt. Ich beabsichtige nicht, diese Einzelheiten zu wiederholen oder auch nur näher darauf einzugehen. Ich will mich vielmehr auf einige grundsätzliche Überlegungen beschränken.
Wir sind der Meinung, daß die bisherige und auch die vorgeschlagene Lösung in keiner Weise ideal oder vollkommen sind. Man könnte bei gründlicher Prüfung der einzelnen Punkte durchaus auch zu der Meinung gelangen, daß es vielleicht eine wirklich vollkommene Lösung auf diesem Gebiet ebenso wenig wie auf anderen gibt. Den Gedankengängen, die hier insbesondere von den Damen bisher vorgetra-
Dr. Eckhardt)
gen sind und die auch in den Anträgen von Frau Kollegin Ilk und von Frau Gräfin Finckenstein enthalten sind, stehen wir sehr sympathisch gegenüber, weil sie nach unserer Auffassung ehefreundlich sind.
Man kann alle diese Fragen, insbesondere diesen Punkt, im Steuerrecht unter drei Gesichtspunkten betrachten, nämlich einmal unter dem fiskalischen, zweitens unter dem wirtschafts- und sozialpolitischen und drittens im Blick auf die Grundsätze, unter denen ein Rechtsgebiet eigentlich in erster Linie stehen sollte, d. h. im Blick auf die Idee des Rechts überhaupt. Der fiskalische Gesichtspunkt wird heute voraussichtlich die Oberhand behalten. Das ist leider so. Es ist bedauerlich, aber mit Rücksicht auf unsere Situation und den gegenwärtigen Standpunkt des Wiederaufbaus vielleicht in gewissem Umfang verständlich. Ob das Steuerrecht arbeitsmarktpolitische und wirtschaftspolitische Gedankengänge in die Tat umsetzen soll, ist zweifelhaft. Man hat verschiedentlich mit Recht erklärt, das Steuerrecht solle keine Zielsetzungen wirtschaftspolitischer Art unmittelbar beinhalten; es solle sich neutral verhalten, d. h. es solle nicht dirigistisch sein. Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß das Steuerrecht, gerade ein so wichtiges Rechtsgebiet, nicht in erster Linie soziale und wirtschaftliche Gegebenheiten zu beachten habe. Es fragt sich nur, ob das Steuerrecht das richtige Mittel ist, sie durchzusetzen.
Man hat bekanntlich im Dritten Reich mit der Haushalts- oder Ehebesteuerung bzw. mit der getrennten Besteuerung rein arbeitsmarktpolitische Tendenzen verfolgt. 1934 hat man die getrennte Besteuerung aufgehoben, weil man die Frau in der Volkswirtschaft nicht mehr zu brauchen glaubte, und man hat sie 1941 wieder eingeführt, als man sie nötig hatte.
Solche Überlegungen mögen natürlich immer einmal eine gewisse Rolle spielen, aber sie berühren hier nicht den Kern des Problems, und es gibt andere, die wichtiger sind. Zu diesen wichtigeren Überlegungen zähle ich diejenigen, die sich mit dem Rechtsgedanken beschäftigen. Dieser läßt sich im Steuerrecht und in der Steuerpolitik konzentriert dahin ausdrücken, daß das Steuerrecht unter der Idee der gleichmäßigen Besteuerung zu stehen hat. Die gleichmäßige Besteuerung wird allerdings im gegenwärtigen Steuerrecht verletzt, und sie wird auch in dem künftigen Steuerrecht nicht genügend beachtet. Gerade in der Frage der Ehe- oder Haushaltsbesteuerung handelt es sich um ein ganz besonders schwerwiegendes Problem, bei dem solche Gesichtspunkte der Gleichmäßigkeit bisher nicht in genügendem Maße zum Ausdruck gekommen sind.
Es ist doch so, daß zwei junge Leute, die bisher in Steuerklasse I jeder für sich soundso viel D-Mark Steuer gezahlt haben, nun allein auf Grund der Tatsache, daß sie heiraten, erheblich mehr Steuern zu zahlen haben. Aber diesem Tatbestand ziehe ich etwas andere Schlüsse als Herr Kollege Krammig. Ich möchte Ihnen ein Beispiel bringen. Wenn zwei junge Leute vor der Ehe ein Einkommen von je 6000 DM haben, dann werden sie nach der neuen Tabelle, über die wir beschließen sollen, mit je 845 DM zur Einkommensteuer herangezogen, also im ganzen mit 1690 DM. Wenn sie heiraten, dann müssen sie statt 1690 DM 2114 DM Steuer zahlen. Wenn sie dann zwei Kinder haben, dann müssen sie 1728 DM Steuern zahlen, also immer noch mehr, als sie vor der Ehe getrennt haben versteuern müssen.
Das ist eine sehr unerfreuliche Tatsache. Sie zeigt, daß alle Lobpreisung von mathematischen Tabellen hier nichts hilft. Die Mathematik gewährleistet keine soziale Gerechtigkeit.
Der Zustand, den ich eben geschildert habe, muß aus vielen Gründen beseitigt werden, insbesondere natürlich auch deshalb, weil das Steuerrecht Eheschließungen oder Ehescheidungen nicht in dieser Weise beeinflussen darf. Ich bin gerade im Anschluß an meine Ausführungen von vorhin der Meinung, daß das Steuerrecht sich auf diesem Gebiet neutral zu verhalten hat; das heißt, es hat weder den Ledigen noch das Ehepaar ungebührlich zu begünstigen und auch nicht ungebührlich zu belasten. Es darf also weder eine Ledigenstrafsteuer geben, wie wir sie früher schon einmal gehabt haben, noch darf es eine Strafsteuer auf die Eheschließung geben. Das kann durch eine entsprechende vernünftige Gestaltung des Tarifs verhindert werden.
Ich möchte hier ausdrücklich betonen - Frau Gräfin Finckenstein wird nachher noch einige Ausführungen zu diesem Punkt machen -, daß wir der Meinung sind, nicht etwa nur Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit dürften hier getrennt behandelt und damit in gewissem Umfange begünstigt werden, sondern selbstverständlich auch die Tätigkeit der mithelfenden Ehefrau und darüber hinaus die Tätigkeit der Hausfrau, die doch eine wertvolle volkswirtschaftliche Arbeit zu leisten hat.
Das Problem ist nicht das: auf der einen Seite hoher Lebensstandard und auf der anderen Seite Einschränkung, sondern das Problem heißt eben: Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Das aber ist durch den jetzigen Tarif und durch die Gestaltung unseres Einkommensteuerrechts nicht erreicht.
Wir werden allen Anträgen zustimmen, die nach unserer Meinung eine Verbesserung des gegenwärtigen Zustandes beinhalten. Wir stehen insbesondere dem von uns ja nicht unterschriebenen Antrag in Umdruck 210 freundlich gegenüber. Wir sind allerdings der Auffassung, daß auch hier sich ein Fehler eingeschlichen hat, den wir als ernst betrachten. Nach dem Vorschlag in Umdruck 210 werden nämlich nur Einkünfte der Ehefrau aus einem dem Ehemann fremden Betrieb begünstigt. Nun, ich bin der Meinung, daß es heißen müßte: „Einkünfte des einen Ehegatten aus einem dem anderen Ehegatt en fremden Betrieb". Mindestens so, wenn ich von der Fassung des Umdrucks 210 ausgehe. Denn nach dieser Fassung ergibt sich folgendes: Wenn beispielsweise die Ehefrau Sekretärin oder Ärztin ist und der Ehemann Kaufmann, dann werden die Einkünfte der Ehefrau gesondert behandelt; wenn aber die Ehefrau einen kaufmännischen Beruf ausübt, also Gewerbetreibende ist, und der Mann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat, dann werden sie zusammen veranlagt und müssen erheblich mehr Steuern zahlen als im anderen Fall. Ich bin zwar durchaus geneigt, Ihnen zuzugeben, daß die Frage der Haushaltsbesteuerung verfassungsrechtlich nicht ganz so einfach ist, wie sie gelegentlich hingestellt wird. Aber dies er Punkt, dieses eben geschilderte Mißverhältnis verstößt meiner Meinung nach nun doch offensichtlich gegen den Art. 3 des Grundgesetzes.
Ich weiß aber, daß das Bundesfinanzministerium die Meinung vertritt, die kleine, aus verfassungsrechtlichen Gründen in diesem Punkte notwendige Korrektur werde den Haushalt des Bundes und
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der Länder viel Geld kosten. Während man nämlich die finanzielle Auswirkung der Vorschläge in Umdruck 210 auf den Haushalt mit ungefähr 50 Millionen DM einsetzt, glaubt man, daß die Korrektur, die ich vorgeschlagen habe und die gewissermaßen weniger der Gleichberechtigung des Mannes als der gleichen Rücksichtnahme auf die Interessen der Frau u n d des Mannes dient, allein 200 Millionen DM kosten würde. Ich selbst möchte das nicht annehmen; es wird behauptet.
Ich bin bereit, den Änderungsantrag, den ich selbst in Umdruck 216 gestellt habe, bis zur dritten Lesung zurückzustellen, damit wir heute nachmittag oder heute abend in der Sitzung des Finanzausschusses Gelegenheit haben, uns gerade über diese Frage, auch über die haushaltsmäßigen Auswirkungen, noch einmal zu unterhalten. Ich habe von vornherein betont, daß die haushaltsmäßigen Auswirkungen von großer Bedeutung sind und immer, man mag das bedauern oder nicht, im Steuerrecht eine gewisse Rolle spielen. Aber sie sollten nicht ausschlaggebend sein. Ausschlaggebend darf im Steuerrecht wie in jedem anderen Rechtsgebiet nur der Rechtsgedanke sein, und der erfordert Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Diese ist weder im bisherigen Recht gewährleistet, noch ist sie durch die Vorschläge in Umdruck 210 oder selbst in Umdruck 202 und anderen Drucksachen garantiert; der Verwirklichung dieses Grundsatzes müssen wir im Rahmen unserer künftigen Arbeit näherzukommen versuchen.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Alles, was im Steuerrecht sich ehefeindlich oder ehewidrig oder ehehemmend auswirken kann, das wünschen wir zu eliminieren und bekämpfen wir. Was sich aber ehefreundlich und ehefördernd auswirkt, das unterstützen wir.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich ohne Rücksicht auf die Rednerliste - es sind noch eine Menge Namen darauf - einmal versuche, die Dinge auf die Pfennige - leider sind es keine Pfennige, sondern viele Mark - zurückzuführen. Denn das ist ja bei einer Finanz- und Steuerreform ein Gesichtspunkt, den wir nicht außer acht lassen wollen. Im Gegensatz zu meinem verehrten Herrn Minister Schäffer bin ich nicht der Meinung, daß dieser Gedankengang so prävaliert, wie es bei ihm meistens den Anschein hat, sage ich einmal vorsichtig. Aber wir dürfen ihn ja schließlich auch nicht außer acht lassen. Ich bin deswegen sehr glücklich, daß wir heute morgen auf Antrag meines Freundes Neuburger damit angefangen haben, nun die Redeschlacht hier ruhig einmal über die Bühne gehen zu lassen. Denn alle Artikel in der „Welt", die mir besonders gewogen zu sein scheinen, nützen nichts, wenn wir hier nicht eine richtige Entscheidung fällen. Ich darf meinen Kollegen aus Bremen, unseren Freund Krammig, bitten, in diesem Zusammenhang auch den Umdruck 225 ({0}) in den Kreis der Betrachtungen einzubeziehen und vielleicht nachher noch zu begründen. Ich nehme an, der Herr Präsident hat nichts dagegen. Dann haben wir einen gesamten Überblick.
Meine Damen und Herren, die Regierungsvorlage, von der erstaunlich wenig gesprochen wird - ich nehme an, aus Liebenswürdigkeit gegen Herrn Schäffer -, bringt in der Ehesteuer, in der Haushaltsbesteuerung einen Mehrertrag von 100 Millionen. Das ist das, was alle interessierten Kreise mit Recht auf die Palme gebracht hat; denn unter dem Schutz der Dunkelheit, wie ich das immer zu nennen pflege, hat man darüber in der Begründung wenig oder gar nichts gesagt. Es handelt sich ja nach Ansicht von einfachen, schlichten Wanderern um eine Steuersenkungsvorlage und nicht um eine Steuererhöhungsvorlage. Aber in diesem Punkte der 100 Millionen ist es eine Steuererhöhungsvorlage.
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In diesem Sinne haben meine politischen Freunde und auch ich es als besonders notwendig und dringend empfunden, die Öffentlichkeit immer wieder darauf hinzuweisen.
Nun bin ich vollständig auf der Linie von Herrn Neuburger, indem ich sage: wir wollen den Antrag Umdruck 210 annehmen. Damit geben wir der ganzen Angelegenheit zunächst schon einmal einen Schuß vor den Bug, und das ist in diesem Falle nötig. Aber wie wirkt sich dieser Antrag Umdruck 210 aus? Er wirkt sich finanziell so aus, daß der Mehrertrag, den die Regierung bekommt, immer noch nicht verschwunden, sondern nur von 100 auf 50 Millionen heruntergegangen ist. Ich habe mir das durch ein Gespräch mit dem Herrn Staatssekretär, um ihn nicht auf die Bühne zu ziehen, bestätigen lassen; er ist ja da und nickt, wie ich hoffe.
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Bitte merken Sie sich das sehr genau; denn langsam tritt natürlich, wenn man so viele Damen und Herren reden hört, eine gewisse Verwirrung ein, nicht nur bei Minderbegabten, sondern auch bei durchschnittlich Begabten.
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Es ist also auch nach dem Umdruck 210 immer noch so, daß die Regierung einen Mehrbetrag von praeter propter 50 Millionen DM in ihre Scheuern bringt.
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Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich nun den schönen Ausdruck gebrauche: Nur die Lumpen sind bescheiden. Dabei möchte ich im Anfang denn doch nicht stehenbleiben, und diesen Schuß auf den Bug, ich meine, vor den Bug, nicht auf den Bug,
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den möchte ich mindestens verdoppeln. Aber das ist bei der Fülle der Anträge nicht so ganz einfach. Ich habe das durch meine Unterschrift zum Ausdruck gebracht, die ich diesmal im vollen Bewußtsein meiner Verantwortung und auch meiner Zurechnungsfähigkeit gegeben habe.
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- Frau Beyer, ich habe Ihnen ja vorhin Beifall gespendet. Tun Sie das doch auch, wenn Sie können! Das ist doch die Gleichberechtigung der Geschlechter, wie ich annehme.
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Ich möchte Sie also bitten, mir zu gestatten, daß ich
Ihre Aufmerksamkeit auf den Antrag 216 lenke.
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Wir haben uns in Vorbesprechungen mit der Opposition am Dienstagmittag in einem ganz kleinen Kreise darüber verständigt, daß die Regierung ausrechnen soll - ich komme wieder auf die Pfennige; entschuldigen Sie, wenn ich so materialistisch bin; aber es handelt sich ja um eine gute Sache, und da kann man dann auch ruhig mal materialistisch sein! -, was dieser Antrag kostet. Vorläufig - vorläufig! -- ist sie noch bei einem Betrag von 200 Millionen DM. Das würde bedeuten, daß das Plus von 50, bei dem sie wäre, bei Annahme des Antrags Umdruck 210 in ein Minus von 150 umschlagen würde. Kundige Thebaner sind der Meinung, daß die Regierung bei näherem Durchrechnen zu einem niedrigeren Betrag als 200 Millionen DM kommen müßte. Zu den kundigen Thebanern zähle ich in hervorragender Weise meinen Freund Eckhardt, der sich sagt: das kann ja gar nicht stimmen. Nun, das werden wir heute nachmittag hören.
Ich möchte Ihnen, um die Dinge ein wenig zu vereinfachen, folgendes Verfahren vorschlagen. Nehmen wir heute morgen den Antrag Umdruck 210, auf den sich - ich darf das sagen, Herr Seuffert! - Regierung und Opposition geeinigt haben, an, und überlassen wir das Weitere bei der sachlichen Betrachtung, die wir uns in solchen Dingen ja Gott sei Dank ein wenig angewöhnt haben, der dritten Lesung. Das Leitmotiv muß jedenfalls sein: Wir müssen zu einem Zustand kommen, der die völlig falsche, einseitige, unmoderne, auch unaktuelle Lösung der Regierungsvorlage beseitigt.
Herr Schäffer hat uns bescheinigt, wir hätten selbst schuld, daß die Steuerreform jetzt so spät in Kraft tritt. Das hat er von seinem Krankenbett aus vernehmen lassen. Daß er uns so etwas wissen läßt, ist natürlich besonders wichtig; das wissen wir alle. Aber in diesem Punkte, meine Damen und Herren, ist es vielleicht gar nicht schlecht, daß wir ein bißchen länger herumgetan haben, wenn Sie sich so ausdrücken wollen; denn die Arbeitsmarktlage und die Folgen der Pariser Beschlüsse waren ja im Juli noch nicht zu übersehen. Die Schlüsse sollten wir jetzt ziehen im Wege der Annahme des Antrags Umdruck 216, für den ich mich in diesem Zusammenhang durchaus einsetzen möchte. Ich glaube nicht, daß uns der gutgemeinte Antrag. der Gräfin Finckenstein, Umdruck 220, weiterbringt. Ich meine, die Gräfin Finckenstein ziert dieser Antrag; daran ist gar kein Zweifel. Es gibt aber auch noch ältere Frauen, die schließlich in eine solche Situation mit Komplikationen der Ehesteuer kommen können, und die werden von dieser fünfjährigen Grenze, Frau Gräfin, nicht mehr erfaßt. Infolgedessen muß ich Ihnen vorschlagen, den Antrag der Gräfin Finckenstein aus Ihrer Betrachtung herauszulassen. Wir konzentrieren uns - das ist ein Kommersausdruck; entschuldigen Sie! -,
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ich möchte Sie bitten, sich auf den Antrag Umdruck 216 zu konzentrieren, und sehr hoffen und wünschen, daß wir uns darüber morgen früh, vielleicht sogar - ich bin ein berufsmäßiger Optimist, nicht so sehr wie Herr Erhard, aber ich bin auch ein berufsmäßiger Optimist -, vielleicht sogar, Herr Hartmann, heute nachmittag verständigen.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Gräfin Finckenstein.
Herr Präsident! Meine Herren und besonders meine Damen! Die Begründung zu unserem Änderungsantrag Umdruck 220 ist mit wenigen Worten gegeben. Er entspringt dem Bemühen, die Ungerechtigkeit der verschiedenartigen Besteuerung der Arbeit der Ehefrau wenigstens zu einem Teil auszugleichen. Es gibt vier verschiedene Arten von mitarbeitenden Ehefrauen; wir haben es heute morgen schon mehrfach gehört; es sind vier ganz einfache Zahlen. Erste Kategorie: Die Ehefrau arbeitet in einem fremden Betrieb, z. B. als Sekretärin. Das sind nur 7 % aller mitarbeitenden Ehefrauen. Nur diese begünstigt die Regierungsvorlage, und auch nur zu einem Teil. Zweite Kategorie: Sie arbeitet als Selbständige. Das sind überhaupt nur 1/2 % aller mitarbeitenden Ehefrauen. Dritte Kategorie: Sie arbeitet mit ihrem Mann, beispielshalber als Bauersfrau. Das sind schon 15 %. Diese beiden Kategorien sollen durch den Antrag auf Umdruck 210 steuerlich auch begünstigt werden. Die vierte Kategorie umfaßt diejenigen, die „nur" im Haushalt arbeiten, wobei ich das „nur" bewußt in Anführungsstriche setze. Diese vierte Kategorie von 77 % ist überhaupt nicht in unsere Betrachtungen einbezogen und wird steuerlich nicht begünstigt. Das sind die Hausfrauen, die nur im Haushalt arbeiten.
Haushaltsarbeit ist echte Arbeit. Hausfrau sein ist ein Beruf. Hausarbeit ist in den angelsächsischen und in den skandinavischen Ländern längst zu einer hockbezahlten, ja zu einer höchstbezahlten oder sogar zu einer unbezahlbaren Arbeit geworden. Bei uns in Deutschland ist dies nur durch das Überangebot von Vertriebenen-Kräften bisher überdeckt gewesen. Hausfrauenarbeit ist schwere Arbeit und immer Überstundenarbeit.
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Wir haben in unserem Antrag versucht, die Hausfrauenarbeit dadurch zu ehren, daß wir - leider nur für fünf Jahre, Herr Kollege Wellhausen - einen Freibetrag eingebaut haben. Die Begrenzung auf die ersten fünf Jahre ist lediglich deshalb erfolgt, weil wir nicht in eine Größenordnung geraten wollten, welche das Steuergefüge hätte in Unordnung bringen können. Wir haben damit aber zugleich eine ausgesprochen ehefördernde Maßnahme eingebaut.
Wir bitten das Hohe Haus, 'um die Arbeit der Hausfrau zu würdigen, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache hat gezeigt, daß es nicht ganz einfach ist, hier eine halbwegs gerechte Lösung zu finden. Ich glaube, der Kollege Dr. Eckhardt hat es richtig getroffen, wenn er sagte: Es ist zwar nicht gerecht, aber es scheint mir noch einigermaßen billig zu sein. Der Herr Kollege Wellhausen hat einmal eine Rechnung aufgestellt und gemeint, daß er durch die Verbindung der Anträge auf den Umdrucken 210 und 216 ohne Zweifel zu einer entschieden stärkeren Berücksichtigung der Frauen kommt und daß dann auch - wenn ich ihn richtig verstanden habe - mindestens die 100 Millionen weggehen, die der Herr Bundesfinanzminister vorher eingespart hat.
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Nun glaube ich nicht, daß durch die Verbindung beider Regelungen etwa auch die Gerechtigkeit entsprechend zunimmt. Der Herr Kollege Neuburger hat die Sache vielleicht richtig gesehen, wenn er von einem ersten Schritt sprach. Dieser erste Schritt wäre auch gut und schön, wenn ihm möglichst schnell weitere folgten. Aber da hat er schon gleich sehr vorsichtig von ein bis zwei Jahren gesprochen. Ich möchte das Hohe Haus bitten, sich doch sehr sorgfältig zu überlegen, ob wir bei den arbeitenden und mithelfenden Ehefrauen so große Unterschiede machen dürfen.
Im möchte vor allen Dingen die mitarbeitende Ehefrau noch einmal in den Mittelpunkt dieser Betrachtungen stellen. Ihr Lohn erscheint nicht ohne weiteres in barer Münze. Aber einerlei, ob es die Frau in der Landwirtschaft ist, ob es die Frau hinter dem Ladentisch beim Einzelhandel ist oder ob es sich um die Frau handelt, die den langen Tag in einem Schlachterladen stehen muß, - alle diese Frauen werden ohne Zweifel durch die Anträge. auf den Umdrucken 210 und 216 nicht berücksichtigt. Wir müssen deshalb, bevor das Hohe Haus hierüber entscheidet, von unseren Experten, die an den Ausschußberatungen teilgenommen haben, etwas darüber hören, wie man denn nun dieses Problem zu lösen gedenkt.
({1})
Hier muß unter allen Umständen etwas geschehen. Denn ohne Zweifel ist die in der Diskussion geäußerte Bezeichnung richtig, wenn man - ich glaube, der Herr Kollege Dr. Eckhardt war es - von der Notwendigkeit einer ehefreundlichen, einer ehefördernden Lösung sprach.
Herr Kollege Dr. Eckhardt, ich möchte hinzufügen, es muß gleichzeitig ein familienförderndes und ein familienfreundliches Gesetz sein. Da darf ich darauf hinweisen, daß wir vor allen Dingen auch über die Einkommensteuerrichtlinien großen Ungerechtigkeiten ausgesetzt sind. Viele Dinge, die wir im Gesetz gar nicht genau umschreiben können, werden ja später durch die Einkommensteuerrichtlinien geregelt, und zwar nach meinem Dafürhalten oftmals der mutmaßlichen Meinung dieses Hohen Hauses entgegengesetzt. Ich darf ein Beispiel aus meinem eigenen Bereich bringen. Bei buchführungspflichtigen Betrieben werden für die mitarbeitenden Kinder, sofern sie das 17. Lebensjahr nicht vollendet haben, zu dem Einkommen des Betriebsinhabers 750 bzw. 850 DM hinzugeschlagen. Sie können aber für diese Kinder von ihrem Einkommen keinen Pfennig wieder absetzen, sondern müssen Taschengeld oder einen Anzug für die Kinder über Privatkonto verbuchen und sind so einer besonderen Belastung ausgesetzt.
Ich habe den Wunsch, daß das Hohe Haus in einer Entschließung diesen Dingen Rechnung trägt und die Bundesregierung auffordert, diesen Zustand zu ändern. Weiter muß bei diesen selben Betrieben eine bessere Berücksichtigung für die über 17 Jahre alten Kinder erfolgen. Hierfür dürfen nämlich die Betriebsinhaber von ihrem Gesamteinkommen nur einen halben ortsüblichen Lohn absetzen. Auch das halte ich für eine große Ungerechtigkeit und für eine familienhemmende, um nicht zu sagen familienfeindliche Regelung.
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Ich möchte das Hohe Haus nicht mit Einzelheiten behelligen, wäre aber sehr dankbar, wenn Sie in einer Entschließung meinen Anregungen folgen könnten: das Bundesfinanzministerium aufzufordern, die Richtlinien in diesen Punkten zu berichtigen. Ich habe mir erlaubt, einen Entschließungsantrag zu entwerfen. Er sieht einmal vor, daß die Zuwendungen - freier Unterhalt, Taschengeld usw. - auch bei den bis zu 17 Jahre alten Kindern voll abzugsfähig sind, und darüber hinaus, daß für die über 17 Jahre alten Kinder, die im eigenen Betrieb mitarbeiten, ein voller Lohn abgezogen werden kann. Die Einkommensteuerrichtlinie 103 ist speziell auf die Landwirtschaft zugeschnitten. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich genau dieselben Grundsätze auch verwirklicht wissen möchte für die Familienbetriebe, hier vor allen Dingen für die Zwei-, Drei- und Viermannbetriebe, die auch in Handel, Handwerk und anderen Berufen eine große Rolle spielen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Vietje.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu einigen Bemerkungen ganz kurz Stellung nehmen, die hier gemacht worden sind, besonders zu dem, was von meinen beiden Kolleginnen gesagt wurde.
Zunächst möchte ich zu dem Wort „Ehesteuer" etwas sagen. Frau Beyer hatte gemeint, daß dieser Ausdruck in der Bevölkerung allgemein Anklang gefunden habe. Ich glaube, daß sie sich da irrt. Es gibt sehr viele Frauen, die diesen Ausdruck nicht gerade als gut und richtig empfinden. Ich möchte hierbei auch auf die Worte von Frau Dr. Ilk hinweisen, die, als sie hier aufs Pult stieg und den Ausdruck „Ehesteuer" gebraucht hatte, sofort anfügte: „Verzeihung, Haushaltsteuer". Ich nehme an, es ist wohl nicht so ganz von ungefähr geschehen, daß dieser Ausdruck geändert wurde.
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Ich jedenfalls weiß, daß es Frauen gibt, die wünschen, daß man den Ausdruck „Ehesteuer" - er ist sogar noch in „Ehestrafsteuer" umgeformt worden; so hat man es von einigen lesen und hören können ({1})
doch nicht gebrauchen möchte. In der heutigen Zeit, bei der ehezerstörenden Tendenz der Gegenwart auf allen Gebieten sollte man alles tun, um auch in der Ausdrucksweise alles zu vermeiden, was Ehe und Familie gefährden könnte. Es ist eine sehr herzliche Bitte, die ich ausspreche.
Ich möchte weiterhin auf einen Gedanken von Frau Dr. Ilk eingehen. Sie hat davon gesprochen, daß die Tätigkeit einer geistig hochstehenden Frau für das Allgemeinwohl notwendig sein könnte oder daß die Frau glaubt, ihre Tätigkeit sei notwendig, um das allgemeine Staatswohl zu fördern. Ich bin der Überzeugung, diese Frau besitzt auch die allgemeine geistige und seelische Größe, daß sie gern bereit ist, eine stärkere steuerliche Belastung zu ertragen.
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Ich glaube, es gibt auch Frauen, die so denken; ich glaube es nicht nur, ich weiß es, ich gehe dabei nicht nur von mir aus.
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Nun zu dem, was zu der Regierungsvorlage bzw. zu den Anträgen gesagt worden ist. Es ist in den Anträgen, die speziell die Zusammenveranlagung oder die Getrenntbesteuerung bezwecken, immer wieder betont worden, daß es ehefreundlich sei, wenn man die Getrenntveranlagung durchführe. Ich bin der Meinung und ich spreche das nicht nur für mich allein, sondern auch für sehr viele Frauen aus, daß eine Steuergesetzgebung dann familienfreundlich ist, wenn sie die Familie in ihrem Bestand stärkt, wenn sie Frauen und Mütter möglichst in der Familie läßt und nicht durch steuerliche Maßnahmen veranlaßt, aus der Familie in einen Fremdberuf - ich gebrauche diesen Ausdruck, um den Gegensatz zu ihrem eigentlichen Beruf und ihrer Berufung als Frau und Mutter auszusprechen - hineinzugehen. Die Steuergesetzgebung sollte um der Familie willen und um ehe- und familienfreundlich zu sein, nichts tun, was der Frau einen diesbezüglichen Anreiz gibt.
Man könnte mir entgegenhalten: Wie würde es aber in einer Zeit sein, wenn es das allgemeine Wohl, das Staatswohl verlangt, daß die Frau und Mutter berufstätig ist? Ich sehe die Frage und will sie auch beantworten. Wenn das allgemeine Wohl es verlangt, dann ist die Not des Volkes so groß, daß die Frau nicht rechten dürfte: habe ich - ich! - dabei so viel Vorteil, daß es sich lohnt, sondern dann müßte eine Frau fragen: Lohnt es sich, für das allgemeine Wohl mit berufstätig zu sein? Und das ist die erste Frage und nicht das andere. Wenn man sagen würde, das allgemeine Wohl ist nicht so maßgebend, sondern das Familienwohl, dann würde ich sagen: in Notzeiten würde die Schädigung des Allgemeinwohls auch das Familienwohl treffen. Es geht nicht an, alles nur unter dem Blickpunkt der Gleichberechtigung der Frau zu sehen. Ich will dieses Problem hier nicht aufreißen; es würde zu lange dauern.
Es lag mir daran, diese Dinge einmal auszusprechen im Namen von Frauen, die die Frau und Mutter zunächst als die Heimschaffende und als diejenige sehen, die damit die Volkskraft stärkt. Ich darf hinzufügen, daß die Zusammenveranlagung auch die Steuerkraft des Staates stärkt.
Ein kurzes Wort zu der 9000-Mark-Grenze. Leider sehe ich mich veranlaßt, zu dieser Grenze ja zu sagen, um soziale Härten gegenüber jungen Eheleuten zu vermeiden, die Verbindlichkeiten eingegangen sind, um einen eigenen Hausstand gründen zu können. Ich füge aber hinzu: Ich bedauere es, daß die Lage so ist. Ich sehe die Notwendigkeit ein. Ich sehe aber nicht die Notwendigkeit ein, grundsätzlich die Getrenntbesteuerung vorzusehen.
Ich möchte darum bitten, mit Ausnahme des Umdrucks 225 ({4}) - der ist es, glaube ich -, der die Erhöhung des Kinderfreibetrags betrifft, alle Anträge abzulehnen und der Regierungsvorlage zuzustimmen.
({5})
Das Wort zu einer kurzen Stellungnahme hat Frau Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich muß eine Sache richtigstellen, die die Frau Kollegin falsch aufgefaßt hat. Wenn ich zuerst von dem Ausschuß für Ehesteuer sprach, mich dann berichtigte und Ausschuß für Haushaltbesteuerung sagte, so tat ich das dem Tonfall nach wohl ein bißchen ironisch. Wenn es sich nämlich wirklich um eine Beratung der Haushaltsteuer gehandelt hätte, Frau Kollegin, dann hätten wir auch die Fälle behandeln müssen, daß Geschwister miteinander wohnen,
({0})
daß Freundinnen miteinander wohnen, daß Eltern und verdienende Kinder miteinander wohnen, kurz, wo ein Haushalt mit mehreren Verdienenden besteht. Dann würde wahrscheinlich auch mehr der Idealismus der Leute, den Sie so hervorgehoben haben, zutage treten. Aber in dem Ausschuß, der da getagt hat, wurde eben wirklich nur die „Ehesteuer" und nicht die echte Haushaltsteuer behandelt; darum mußte ich ursprünglich sagen „Ehesteuer" und habe mich, weil die formale Bezeichnung Ausschuß für „Haushaltbesteuerung" war, berichtigt.
Ich wollte das noch sagen, damit nicht dieser Irrtum weiter bestehenbleibt.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist von dem Sprecher der Regierung angeregt worden, noch den Antrag Umdruck 225 ({0}) zu begründen, damit die Antwort der Regierung auch diesen gleich umfassen kann. In diesem Antrag ist folgendes verlangt:
In den Anlagen 1 ({1}) und 2 ({2}) wird der Freibetrag für das dritte und jedes weitere Kind auf 1680 DM erhöht.
Das gehört ja nicht unmittelbar zur Sache, aber doch einigermaßen in den ganzen Komplex hinein. Ich schlage Ihnen vor, daß wir insoweit nun nicht nach der Bezifferung der Vorlage, sondern nach der sachlichen Zusammengehörigkeit verfahren
({3})
und daß dieser Antrag nunmehr begründet wird.
Dann erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Krammig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich es sehr lang mache. Der Antrag auf Umdruck 225 ({0}) steht in einem inneren Zusammenhang mit der Ausdehnung der getrennten Veranlagung. Wenn wir auf der einen Seite, wie sich aus den von mir vorhin genannten Zahlenbeispielen ergibt, nur Ehegatten, die beide in einem dem Ehemann fremden Betrieb arbeiten, getrennt veranlagen und dann zu einer steuerlichen Begünstigung kommen - sehen wir uns die Tabelle an -, dann müssen wir auf der anderen Seite auch etwas dafür tun, daß die Familien mit Kindern nicht benachteiligt werden. Ich darf - um einmal das Argument der Damen aufzugreifen, die hier für die Ausdehnung der getrennten Veranlagung gesprochen haben - vielleicht so sagen: wenn wir bei unseren Anträgen ehefreundlich sein wollen, dann dürfen wir auf der anderen Seite nicht familienfeindlich werden.
Ich darf die Zahlenbeispiele wiederholen. Bei 600 Mark zahlt der Familienvater mit drei Kindern 15,60 DM Steuer nach der neuen Vorlage, das Ehepaar ohne Kinder bei gleichem Einkommen, wenn beide zu diesem gemeinsamen Einkommen beitragen, 25,30 DM. Das ist ein Unterschied von rund 10 Mark. Bei 800 Mark waren die Zahlen: 51,40 DM beim Familienvater mit drei Kindern und 58,80 DM bei dem Ehepaar, bei 1000 Mark: 95,40 DIVI beim
({1})
Familienvater und 94,10 DM beim Ehepaar. Schon aus diesen wenigen Zahlen ergibt sich, daß wir, wenn wir versuchen wollen, ein Mindestmaß an Gerechtigkeit in der Besteuerung herbeizuführen, dann den Familienvater mit drei Kindern dadurch entlasten müssen, daß wir den Freibetrag für das dritte und jedes folgende Kind erhöhen, wobei dieser Unterschied auch so erheblich sein muß, daß der Familie mit Kindern nach Abzug der Steuern eine größere Leistungskraft verbleibt.
Sie werden mich nach der finanziellen Auswirkung fragen. Ich bin in der angenehmen Lage, Ihnen zu sagen, daß die finanzielle Auswirkung auf den Haushalt verhältnismäßig gering ist. Wir haben etwa 1 Million dritte und mehr Kinder. Das würde bei 240 DM Freibetrag mehr im Jahr einen Gesamtbetrag von 240 Millionen DM ausmachen, die nicht zur Versteuerung kämen. Nun bedenken Sie aber bitte, meine Damen und Herren, daß ein Großteil derjenigen, denen dieser erhöhte Freibetrag zugute kommt, sowieso schon steuerfrei ist, so daß vielleicht mit einem Progressionssatz von 2 bis 3 % in der Steuer gerechnet werden könnte. Das würde bedeuten, daß der Antrag, wie er jetzt vorliegt, den Haushalt mit zwischen 5 und 10 Millionen DM belasten würde.
Wenn wir schon über eine Steuerreform beraten, die in ihrer Gesamtauswirkung eine Entlastung des Steuerzahlers von 3,2 Milliarden DM herbeiführt, dann sollten wir diese 5 bis 10 Millionen DM für die kinderreichen Familien auch noch zugestehen. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag auf Umdruck 225 ({2}) Ihre Zustimmung zu geben.
({3})
Meine Damen und 1 Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir auch gleich den Antrag Umdruck Nr. 207, eine Änderung des § 26 betreffend, begründen lassen; der Antrag bezieht sich an sich auf 19 a, gehört aber in den ganzen Komplex mit hinein.
Das Wort hierzu hat Herr Abgeordneter Elbrächter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich den Antrag auf Umdruck 207 begründe, möchte ich ganz kurz auf eine Bemerkung eingehen, die unsere Kollegin Ilk nebenbei gemacht hat. Sie hat nämlich behauptet - und mit dieser Behauptung eine allgemeine Meinung wiedergegeben -, daß keiner gerne Steuern zahlt. Darf ich dahingehend berichtigen, daß das doch der Fall ist. Zumindest manche zahlen mit Vergnügen Steuern, nämlich alle diejenigen, die rauchen oder Wein trinken.
({0})
Herr Kollege Dresbach, der neulich bei der Getränkesteuerdebatte sehr richtig bemerkt hat, daß er über jeden Verdacht erhaben sei, etwa mit den Wirten nicht auf gutem Fuß zu stehen, wird das sicher auch bestätigen.
({1})
Aber nun zur Begründung! Das ganze Problem dieser Ehesteuer oder, ich darf ruhig sagen, Ehestrafsteuer - denn ich bin der Auffassung, daß es gewissermaßen doch eine Bestrafung ist - ist dadurch entstanden, daß wir notwendigerweise aus sozialen Gründen schon seit langem eine Progression der Einkommensteuer haben vorsehen müssen. Man kann sich über die Progressionssätze streiten, aber daß die Progression notwendig ist, wird niemand bestreiten. Die Ehesteuer als solche, die gemeinsame Veranlagung als solche, ist ja eine alte Institution. Selbst das alte preußische Klassensteuergesetz von 1820 sieht schon die gemeinsame Veranlagung vor.
Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat durchaus recht, wenn er als einen der Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes kürzlich anführte, daß der Staat nicht das Recht habe, in die Einkommensverhältnisse der Familie einzudringen. Aber Sie werden mit mir alle der Auffassung sein, daß diese Begründung im Zeitalter der Finanzprüfungen nicht mehr sehr stichhaltig ist; denn dieses Eindringen in die Familie durch den Staat findet leider doch statt. Dieses Argument scheint mir also nicht mehr durchgreifend zu, sein.
Ich darf mich den ausgezeichneten Ausführungen sowohl des Herrn Kollegen Eckhardt als auch des Herrn Kollegen Dr. Wellhausen anschließen. Herr Dr. Eckhardt hat gesagt, daß notwendigerweise bei allen Überlegungen der Rechtsstandpunkt ausschlaggebend sein sollte. Namentlich aus diesen Überlegungen, daß das Recht auch beim Einkommensteuergesetz berücksichtigt werden muß, hat meine Fraktion - die Fraktion der Deutschen Partei - in Umdruck 207 den vielleicht weitestgehenden Änderungsantrag zu § 26 eingebracht. Wir glauben, daß mit dem, was wir dort beantragen, sowohl dem Grundsatz der Gerechtigkeit als auch dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung am besten Rechnung getragen wird. Grundsätzlich bejahen wir also die gemeinsame Veranlagung; aber die Ehegatten sollen das Recht haben, die getrennte Veranlagung in jedem Fall zu beantragen, und diesem Antrag ist, so will es unser Vorschlag, stattzugeben.
Diese Lösung scheint mir aus folgenden Gründen geboten zu sein:
Erstens. Die bisherige Regelung verstößt sicherlich gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Die oben geschilderte Progressionswirkung, die den einzelnen Ehegatten trifft, stellt den Ehegatten ungerechtfertigterweise schlechter als einen nicht Verheirateten, einen getrennt lebenden Ehegatten oder einen Geschiedenen mit Kindern. Durch eine gemeinsame Haushaltsführung erzielte Ersparnisse dürfen nicht zum Gegenstand einer besonderen Besteuerung gemacht werden. Ich glaube, daß dieser Grundsatz allgemein anerkannt wird. Im übrigen wäre darauf hinzuweisen, daß solche Ersparnisse durch gemeinsame Haushaltsführung auch von nicht Verheirateten erzielt werden.
Zweitens. Die bisherige Regelung, die die Verheirateten gegenüber den nicht Verheirateten schlechter stellt, ist eine Verletzung auch des Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz des Staates stehen. Ich glaube, das ist ein Anliegen, das unser verehrter Herr Familienminister besonders berücksichtigen sollte.
Drittens. Die Berufung auf sozial-ethische Gesichtspunkte für eine Beibehaltung des bisherigen Zustandes, etwa auch auf das Erfordernis der Behandlung einer Ehe als Einheit auch im Steuerrecht, liegt außerhalb der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung. Sie verliert ihre Berechtigung jedenfalls da, wo die Ehegatten diese einheitliche Behandlung als Härte empfinden müssen und deshalb die Möglichkeit haben wollen, einen Antrag auf getrennte Veranlagung zu stellen.
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Viertens. Die nach dem geltenden Recht vorzunehmende getrennte Besteuerung von Einkünften der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit - § 43 der Durchführungsverordnung zum Einkommensteuergesetz - wird nach den Ergebnissen der Diskussion nicht zu beseitigen sein. Eine unterschiedliche Behandlung von Einkommen aus selbständiger und solchen aus unselbständiger Arbeit der Ehefrau ist aber nicht gerechtfertigt. Warum zum Beispiel soll das Einkommen einer frei praktizierenden Ärztin mit dem ihres Mannes gemeinsam zur Einkommensteuer herangezogen werden, während das Gehalt der beamteten Ärztin getrennt vom Einkommen ihres Mannes behandelt wird? Das ist eines der vielen Beispiele; im Laufe der Diskussion sind schon zahlreiche andere angeführt worden.
Die Berechtigung einer getrennten Einkommensbesteuerung wird vom Bundesfinanzminister nur für die niederen Einkommensgruppen anerkannt. Für diese will er eine Sonderlösung finden. In der Bundestagssitzung vom 31. Mai 1951 führte er wörtlich aus:
Ich halte es für notwendig, daß wir den § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ... einer Revision unterwerfen. Die Bundesregierung würde dabei daran denken, für die in nichtselbständiger Arbeit Stehenden unter einer bestimmten Einkommensgrenze. insbesondere soweit sie nicht veranlagungspflichtig sind, die getrennte Veranlagung beizubehalten, aber über eine gewisse Grenze hinaus besteht keine Veranlassung dazu.
Nach der Ansicht des Bundesfinanzministers würde also der allgemeine Wegfall der Haushaltsbesteuerung im wesentlichen nur den höheren Einkommen zugute kommen. Diese Argumentation zeigt, daß die doppelte Progression vom Bundesfinanzminister gewollt ist. Sie ist aber aus den zu Ziffer 1 und 2 dargelegten Gründen verfassungswidrig.
Gänzlich abwegig und rechtlich nicht haltbar erscheint es auch, gewisse Einkünfte von der getrennten Veranlagung ausnehmen zu wollen, wie in der Regierungsvorlage erwähnt, z. B. Einkünfte aus Vermietung, Verpachtung und Kapitalvermögen.
Der Gesichtspunkt einer Mehrbelastung der Finanzverwaltung durch getrennte Veranlagung darf nach den vorstehenden Ausführungen für eine Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes nicht ausschlaggebend sein. Die Verwaltungsvereinfachung war gerechtfertigt, als sie sich noch nicht derart belastend auswirkte. Heute jedoch gebietet die Rücksicht auf Ehe und Familie, die früher einmal dazu geführt hat, daß die Haushaltsbesteuerung eingeführt wurde, die Härten der gemeinsamen Besteuerung ohne Rücksicht auf eine Mehrbelastung der Verwaltung zu beseitigen. Die Schwierigkeiten werden nicht so groß sein, wie es von der Finanzverwaltung befürchtet wird.
Die Berücksichtigung verschiedener Güterstände wird im Anschluß an die in Kraft getretene Gleichberechtigung von Mann und Frau keine übermäßige Belastung herbeiführen. Bei getrennt lebenden Ehegatten sind sie außerdem heute schon zu beachten. Im übrigen dürfte es, da der Gesetzgeber einmal Güterstände eingeführt hat, selbstverständlich sein, daß diese wie von jeder anderen Stelle so auch von den Finanzbehörden zu berücksichtigen sind.
Der vorliegende Änderungsvorschlag ist, wie ich einleitend schon bemerkte, wahrscheinlich der weitestgehende. Mir scheint es aber gerade unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit notwendig zu sein, daß er deswegen in der für heute nachmittag anberaumten Sitzung auch sehr eingehend geprüft wird. Ich weiß genau, daß wir unter Umständen verpflichtet sind, zwischen den finanziellen Möglichkeiten und dem Erfordernis der Gerechtigkeit einen Kompromiß zu schließen. Nach meiner Meinung ist aber der Gesichtspunkt der Gerechtigkeit übergeordnet.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß dieses Verfahren dem Ideal des Splitting am nächsten kommt. Ich spreche hier im Namen meiner Freunde; sie bekennen sich zu der Auffassung, daß das SplittingVerfahren eine ideale Lösung wäre, sofern die Steuertarife dementsprechend angepaßt würden. Andererseits läßt die jetzt vorgeschlagene Möglichkeit aber offen, daß die Ehegatten unterschiedlich entsprechend dem Familienstand besteuert werden, so daß der eine Ehepartner - es braucht nicht immer die Frau zu sein - nach Familienstand 1, der andere nach Familienstand 3, 4, 5 usw. besteuert werden kann.
Infolgedessen sind die finanziellen Auswirkungen unseres Antrags keineswegs so erheblich wie etwa die des Splitting-Verfahrens. Wir alle hier im Hause sind uns darüber einig, daß dieser Ausfall - ich will mit Herrn Minister Schäffer wegen seiner Zahlen nicht rechten - im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu tragen ist. Ich habe aber die herzliche Bitte an den Ausschuß, der heute nachmittag tagt, er möge sich besonders über die finanzielle Auswirkung dieses Antrags unterhalten.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich vorhin meiner Freude über die lebhafte Debatte Ausdruck gegeben habe, hoffe ich, nicht Ihr Mißfallen zu erregen, wenn ich mir die Anregung erlaube, die Rednerliste zu diesem Punkt nunmehr zu schließen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe Bedenken gegen den Antrag. Die Geschäftsordnung sieht nur vor, daß die Beratung geschlossen werden kann, nicht aber, daß die Rednerliste geschlossen werden kann. Dann müßten wir ein Gentleman's Agreement treffen.
({0})
Das ist jederzeit möglich. Wenn die Fraktionen - ich werde die Rednerliste verlesen -, d. h. die gentlemen, aus denen sie bestehen, sich darüber einigen sollten, nun keine Redner mehr - ({1})
- Natürlich! Wenn ein Vertreter der Regierung gesprochen hat, wird dadurch die Debatte wieder eröffnet. Also könnte das Gentleman's Agreement nur gelten bis zur Rede des Herrn Staatssekretärs. Aber ich rege an, ein solches Agreement zu treffen. Es haben sich noch gemeldet Frau Pitz, Herr Dr. Miessner, Herr Günther, Herr Dr. Lindrath und Frau Beyer, d. h. statt Frau Beyer Herr Seuffert.
({2})
Darf ich davon ausgehen, daß, wenn nicht, nachdem der letzte Redner, Herr Seuffert, gesprochen hat, die Regierung noch sprechen sollte, kein Mitglied des Hauses sich bemüßigt fühlen wird, sich noch zum Wort zu melden? - Dann erteile ich das Wort dem Herrn Staatssekretär.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich der Anregung anschließen, die Herr Abgeordneter Neuburger zu Beginn dieser ausführlichen Debatte gegeben hat, nämlich sich möglichst kurz zu fassen und sich auf das Grundsätzliche zu beschränken. Das kann ich um so mehr tun, als ja, wie der Herr Vorsitzende des Finanz- und Steuerausschusses eben ausgeführt hat, heute nachmittag oder heute abend eine Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses stattfinden soll, in der gerade diese Fragen ausführlicher besprochen werden sollen, insbesondere auch nach der technischen Seite hin. Ich werde daher auf technische Einzelheiten der Dinge jetzt nicht eingehen.
Ich kann mich auch darauf beschränken, zur Regierungsvorlage nur wenige Worte zu sagen, nachdem sich Herr Abgeordneter Krammig und Frau Abgeordnete Vietje ausführlich und nachdrücklich dazu geäußert haben.
({0})
Ich darf nur einige Zahlen als Grundlagen noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen - Herr Abgeordneter Krammig hat sie schon genannt -: Von den 9,9 Millionen Ehefrauen von Haushaltungsvorständen, die insgesamt in Frage kommen, sind nur 744 000 unselbständig erwerbstätige Ehefrauen. Ich bin Frau Gräfin Finckenstein dankbar, daß sie hier einmal auch den Prozentsatz genannt hat. Es sind etwa 71/2 % der Ehefrauen, die von der jetzigen Regelung zunächst betroffen würden. Man muß diesen Frauen das Kompliment machen - man soll Damen immer Komplimente machen. -,
({1})
also man muß hier das besondere Kompliment machen, daß es diese 71/2 % Frauen in bemerkenswertem Maße verstanden haben, das Interesse der Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, so daß das steuerliche Schicksal der übrigen 92 % Ehefrauen nach meiner Ansicht demgegenüber unverhältnismäßig stark in den Hintergrund gerückt ist.
({2})
Von diesen 92 % anderen Ehefrauen sind 1,5 Millionen mithelfend im Betrieb des Ehemannes tätig - in der Landwirtschaft, im Einzelhandel, im Handwerk. Das sind also 15 %. Die heutigen Anträge erstrecken sich nunmehr zum Teil auch auf diese mithelfenden Ehefrauen. Wenn Sie diese auch noch abziehen, bleiben mehr als 75 % Ehefrauen, die in der Statistik als Ehefrauen ohne Beruf bezeichnet werden. Das sind nämlich. die Hausfrauen, die dem Beruf der Frau im eigentlichen Sinne als Hausfrau, Mutter, Erzieherin ihrer Kinder und Führerin des Haushalts nachkommen. Von diesen wird leider allzuwenig gesprochen.
({3})
Außerdem ist heute - und das fand ich ein besonders interessantes Detail dieser Debatte - zum erstenmal von den Ehemännern gesprochen worden. Es gibt ja auch Ehemänner, die in einem der Ehefrau fremden Betrieb unselbständig tätig sind.
Herr Staatssekretär, Frau Abgeordnete Dr. Ilk möchte Sie offensichtlich etwas fragen.
Herr Staatssekretär, ich möchte darauf hinweisen, daß Ihre Behauptung nicht ganz richtig ist.
({0})
Denn alle, die wir hier über diese Dinge gesprochen haben, haben es außerordentlich bedauert, daß das Splitting-Verfahren nicht durchgeführt wurde, damit auch diese Personenkreise, vor allem die Hausfrauen in den Genuß einer Steuervergünstigung kommen.
({1})
Wenn Sie unseren Antrag Umdruck 218 gelesen haben, dann haben Sie ja gesehen, daß wir durchaus den Vorschlag gemacht haben, dem Grundgesetz entsprechend auch die Männer in die Betrachtung einzubeziehen. Die Ehesteuer ist nämlich nicht nur eine Frauensache, sondern sie berührt beide Ehegatten gleichmäßig.
Frau Abgeordnete, ich habe ja gerade gesagt, daß in der öffentlichen Erörterung seit Monaten von diesen Dingen nicht die Rede gewesen ist -({0})
man hat immer nur von den unselbständigen im Erwerbsleben tätigen Frauen gehört - und daß jetzt in dieser Debatte und auch im Finanzausschuß die Anträge auch auf die anderen Frauen erstreckt worden sind. Ich komme gleich auf das Splitting zurück.
Nun ist hier sehr viel von der steuerlichen Gerechtigkeit gesprochen worden. Ich glaube, daß man Gerechtigkeit auch nur im Rahmen des Möglichen verwirklichen kann.
({1})
Als absolutes Ziel der Gerechtigkeit - das ist hier schon gesagt worden - gibt es nur zwei Lösungen: entweder die ausnahmslose Zusammenveranlagung, die nach meiner Ansicht dem Art. 6 des Grundgesetzes und dem Charakter der Ehe entspricht, oder das ausnahmslose Splitting nach amerikanischem Muster. Das sind die beiden Grenzpole, die zu einer jeweils für sich befriedigenden Lösung führen können.
({2})
Was das Splitting betrifft, so gibt es - das werden die Sachkenner Ihnen zugestehen - natürlich Manipulationsmöglichkeiten, indem dann irgendwie dafür gesorgt wird, daß die Ehefrau ein gewisses Einkommen hat, damit man zum Splitting kommen kann.
Eines aber ist schon vom Herrn Abgeordneten Krammig dargelegt worden: Das Splitting würde entweder haushaltswirtschaftlich zu einem Ausfall von über einer Milliarde DM führen, oder dieser Ausfall müßte auf einem anderen Wege wettgemacht werden, und zwar entweder durch eine allgemeine Tariferhöhung, was ja nicht der Sinn
({3})
einer Steuersenkungsaktion sein kann, oder durch eine spezielle Tariferhöhung nur für die Ledigen, und das wäre wirklich eine Ledigenstrafsteuer, die ja auch niemand will. Wenn diese beiden Methoden der partiellen oder vollkommenen Tariferhöhung nicht erreichbar sind - und sie sind ja ganz indiskutabel -, so würde eben ein Ausfall, entstehen, der mindestens derzeit und wohl auch noch auf Jahre hinaus nicht vertretbar erscheint. Die Regierungsvorlage geht den andern Weg; sie will zur möglichst ausnahmslosen Zusammenveranlagung zurückkommen.
Nun weiß die Regierung auch, daß dem Tatsachen gegenüberstehen, die seit 1941 geschaffen worden sind, und daß man über diesen Zustand, auch wenn er eine Ungleichmäßigkeit gegenüber den anderen Frauen schafft, nicht ohne weiteres hinwegkommen kann. Wir hatten daher vorgeschlagen, bis zu einer Grenze von 9 000 DM in dieser Frage entgegenzukommen. Es ist in der Erörterung zwischendurch auch einmal eine Grenze von 12 000 DM genannt worden. Das hätte die Dinge vielleicht noch etwas mehr erleichtert. Aber man ist nicht wieder darauf zurückgekommen.
Zwischen der Regierungsvorlage einerseits und dem Splitting andererseits stehen nun eine ganze Reihe von Anträgen, die heute vorliegen. Ich glaube aber, man kann zu keinem dieser Anträge sagen, daß er dem Prinzip der Gerechtigkeit voll entspricht. Für jeden dieser Anträge sind eine Reihe von Gründen geltend gemacht worden, gegen jeden dieser Anträge kann man ebenso eine ganze Reihe von Gründen geltend machen.
Ich möchte mich daher zunächst dafür aussprechen, daß das Hohe Haus der Regierungsvorlage beitritt. Sollte das nicht zu erreichen sein, dann würde ich, entsprechend der Anregung, die der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen gegeben hat, empfehlen, heute dem Antrag in der Fassung des Umdrucks 210 zuzustimmen. Gewisse technische Dinge könnten heute nachmittag im Finanzausschuß noch weiter erörtert werden.
Ich darf aber noch eine Bemerkung zu der Ausfallsberechnung machen. Herr Dr. Wellhausen hat gesagt: Die Regierung hatte ein Mehraufkommen aus ihrer Vorlage von 100 Millionen DM einkalkuliert, der Antrag Umdruck 210 kostet 50 Millionen DM, also macht die Regierung immer noch ein Plus von 50 Millionen DM. Ich glaube, das behagte ihm nicht besonders; ich weiß nicht, ob ich das so richtig ausdrücke. - Ich darf doch darauf hinweisen, daß auch ein kleines Plus, das sich bei einer gesetzlichen Regelung ergibt, in die Gesamtkalkulation einbezogen ist, erst recht, nachdem die Beschlüsse des Finanzausschusses ja zu erheblichen weiteren Einnahmeausfällen geführt haben. Also ist es doch kein echtes Plus; das Mehraufkommen aus der Regelung soll ja überhaupt nur die Möglichkeit geben, an anderen Punkten gewisse Steuererleichterungen zu geben.
Ich darf dann doch vielleicht einmal kurz sagen - ohne auf technische Einzelheiten einzugehen -, welche Beträge nach unserer Schätzung - die wir heute nachmittag ausführlicher darlegen könnten - die verschiedenen Anträge kosten würden.
Zu dem Antrag Umdruck 216, der in diesem Augenblick zurückgestellt ist, brauche ich nichts zu sagen.
Der Antrag Umdruck 202 will die Ausnahmeregelung auf die Ehemänner erstrecken. Der Ehemann als typischer Hauptverdiener würde erhebliche steuerliche Vorteile haben, wenn er ein Arbeitseinkommen und daneben anderes, nicht fundiertes Einkommen hat. Wir schätzen den Ausfall nach dem Antrag Umdruck 202 auf etwa 200 Millionen DM.
Der Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Ilk - Umdruck 218 - will darüber hinaus den landwirtschaftlichen oder gewerblichen Gewinn der Ehefrau hineinnehmen. Er enthält außerdem Abzüge für die mithelfende Ehefrau. Andererseits will er die Steuerklasse I anwenden. Wir glauben, daß der Ausfall etwa 300 Millionen DM betragen würde.
Der Antrag Umdruck 220 der Frau Abgeordneten Gräfin Finckenstein, der für die jungen Ehen für fünf Jahre Steuererleichterungen vorsieht, kostet nach unserer Ansicht 250 Millionen DM.
Der zuletzt begründete Antrag Umdruck 207, der sich am meisten dem Splitting nähert, wird mindestens 300 Millionen DM kosten, wenn nicht noch mehr.
Nun hat der Herr Abgeordnete Krammig zum Schluß auch noch den Antrag Umdruck 225 begründet, der sozusagen als Gegenwirkung gegen weitere steuerliche Erleichterungen für die mitarbeitende Ehefrau eine Erhöhung des Freibetrages vom dritten Kind ab auf 1680 DM vorsieht. Er hat richtig gesagt, daß der Ausfall unerheblich ist -5 bis 10 Millionen DM. Aber, meine Damen und Herren, Sie sehen daraus, wie jede Erweiterung auf irgendeinem Gebiet sogleich auf anderen Gebieten zu weiteren Anträgen mit Steuerausfällen führt. Ich würde doch bitten, diesen Antrag heute nachmittag im Finanzausschuß zu erörtern und dort bei der Einzelberatung möglichst zu einer zusammenfassenden Beschlußfassung zu kommen, die dieses Kapitel so abschließt, daß im Rahmen des Möglichen, auch des finanzwirtschaftlich Möglichen, dem Prinzip der Gerechtigkeit Genüge getan werden kann.
Herr Staatssekretär, Sie werden noch etwas gefragt werden. Frau Dr. Ilk möchte Sie fragen. Ich erteile ihr das Wort.
Herr Staatssekretär, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dem Hause einmal auseinandersetzten, was Sie unter Splitting-Verfahren verstehen. Sie haben nämlich erklärt, daß beim Splitting-Verfahren ein Sondereinkommen der Ehefrau konstruiert werden müsse, wenn ich Sie richtig verstanden habe.
Könnte!
Könnte. Auch das wäre beim Splitting-Verfahren ja völlig gleichgültig, Herr Staatssekretär. Darum wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie einmal sagen wollten, was Sie darunter verstehen.
Vielleicht sagen Sie auch, was Sie unter Haushaltsteuer verstehen!
Haushaltsbesteuerung ist das, was seit 35 Jahren im Einkommensteuergesetz steht,
({0})
daß Mann und Frau, die einen Haushalt gemeinsam führen, gemeinsam veranlagt werden, auch
({1})
wenn nicht beide, sondern nur einer - und das ist bisher meist der Mann gewesen - Einkünfte erzielt.
Wenn Sie nicht verheiratet sind?
({0})
Ich glaube, wir sollten nicht in Abrede stellen, daß ein gemeinsamer Haushalt geführt werden kann, auch wenn man nicht verheiratet ist. Aber der Begriff Haushaltsbesteuerung geht ja von der gesetzlichen geregelten Ehe aus.
Ja.
Das Splitting-Verfahren ermöglicht nach Wahl der Ehegatten getrennte Veranlagung.
Beim Splitting ist aber gleichgültig, Herr Staatssekretär, ob die Frau ein eigenes Einkommen hat oder nicht; denn dann wird, auch wenn nur der Mann erwerbstätig ist und ein Einkommen hat, das Einkommen gesplittet.
Frau Abgeordnete, wir brauchen ja nicht unbedingt auf jede Einzelheit des amerikanischen Verfahrens zu kommen. Ich glaube, es ließe sich auch wohl eine Lösung in der Weise finden - und daran habe ich gedacht -, daß ein Splitting nur dann stattfindet, wenn beide Eheteile verdienen, und nicht dann, wenn einer verdient und der andere Teil im Haushalt arbeitet.
({0})
Herr Staatssekretär, dann gehen allerdings unsere Ansichten auseinander.
({0})
Meine Damen und Herren, wir haben uns zur Belebung der Debatten geeinigt, Zwischenfragen zuzulassen.
({0})
Wenn wir Fragen zulassen, muß man auch Zusatzfragen zulassen.
({1}) Ich bitte Sie, weiter zu fragen.
Ich möchte den Herren Kollegen sagen, daß es durchaus im Interesse des ganzen Hauses und der Bevölkerung liegt, wenn wir uns über den Begriff des Splittings einig werden.
({0})
Meiner Meinung nach ist die Unterstellung des Herrn Staatssekretär, oder besser gesagt, die Annahme des Herrn Staatssekretärs, daß wir, die wir auf das Splitting-Verfahren hinaus wollen, der Ansicht seien, daß das die nicht mitarbeitende Ehefrau nicht betreffen solle, irrig. Wir gehen ja gerade davon aus, daß auch die nicht erwerbstätige Ehefrau einen Vorteil von dem Splitting-Verfahren
haben soll, in dem das alleinige Einkommen des Mannes zugunsten der Frau gesplittet wird.
Frau Abgeordnete Ilk, ich glaube, Sie sind jetzt am Ende.
({0})
- Danke schön.
Herr Präsident, darf ich noch ein Wort sagen. Im allgemeinen werden dann natürlich die Ausfälle, die durch das Splitting eintreten, noch größer, als ich vorhin angedeutet habe. Ich bin der Frau Abgeordneten Ilk dankbar dafür, daß sie mir Gelegenheit zu diesen Bemerkungen gegeben hat.
Ich glaube, das ganze Haus ist dankbar, daß Frau Dr. Ilk uns eine so ausgiebige Möglichkeit, uns belehren zu lassen, gegeben hat.
({0})
- Ich wollte eben sagen: könnte man nicht statt Splitting sagen: gespaltenes Einkommen?
({1})
Wenn die Engländer und Amerikaner sich am Wort to split, d. h. spalten, nicht stoßen, warum sollten wir uns an dem entsprechenden deutschen Wort stoßen?
({2})
Ich glaube, mit dieser Bemerkung etwas von der Auffassung zerstört zu haben, daß ich mich bevorzugt in Fremdworten ausdrücke.
({3})
Das Wort hat Frau Pitz.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich muß das Wort von der Steuergerechtigkeit, obwohl es schon mehrmals gefallen ist, noch einmal verwenden. Aber erschrekken Sie nicht, ich werde mich ganz kurz fassen. Ob Splitting oder nicht, auf jeden Fall müssen wir, wenn wir eine gerechte Steuer haben wollen, bedenken, daß jedes Einkommen in der Familie von zwei Kräften aufgebracht wird und daß die mithelfende Familienangehörige vor allem in der Landwirtschaft und im selbständigen Betrieb am Zustandekommen dieses Einkommens beteiligt ist, auch die Hausfrau, deren Leistung in Zahlen nicht meßbar ist; denn sie schafft die Voraussetzungen dafür, daß der Mann ein Einkommen erarbeiten kann. Der Verlauf der Debatte zeigt eindeutig, daß der Regierungsentwurf und die angebotenen Lösungen nicht im Sinne dieser Steuergerechtigkeit empfunden werden. Der Antrag Umdruck 210, auf den man sich weitgehend geeinigt hat, deutet den Weg des Ausgleichs an, der auf einem Gebiet geschaffen werden soll, das gegenüber einem anderen steuerlich benachteiligt worden ist. Wir wollen also den Vorteil, der mit der Getrenntbesteuerung für einen Personenkreis geschaffen worden ist, auf den jetzt benachteiligten Kreis ausdehnen.
Der Antrag von Frau Dr. Ilk, der die Einfügung einer Ziffer 19 a wünscht, ist, wie ich ihn lese:
2. Einkünfte dieses Ehegatten aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb,
({0})
im Inhalt ähnlich dem Antrag Umdruck 210 Ziffer 3. Man könnte sich einigen. Der von Herrn Dr. Eckhardt vorgelegte Vorschlag Umdruck 216, der soeben auch von seiten der FDP bestätigt worden ist, sollte uns veranlassen, vor der dritten Lesung diesen mit dem Antrag Umdruck 210 zusammen noch einmal zu beraten.
({1})
Die anderen Vorschläge, die zur Erreichung eines Ausgleichs gemacht wurden, z. B. hinsichtlich der Kinderermäßigung, die Erleichterungen, die Frau Gräfin Finckenstein mit ihrem Antrag fordert, und auch die von Frau Ilk vorgeschlagene neue Ziffer 19 a Ziffer 1 bieten aber im Moment viele Unsicherheitsfaktoren. Wir können uns in dieser Phase vor der dritten Lesung nicht auf ein Gebiet begeben, das wir vielleicht in seinen Auswirkungen nicht ganz übersehen. Warum sind denn diese Dinge, die schon im Unterausschuß als Problem aufgetaucht sind, dort nicht zu Ende beraten und formuliert worden? Weil sie eben sehr schwierig waren. Ich glaube, wir können im Augenblick nichts anderes tun, als den Weg beschreiten, den der Antrag Umdruck 210 in Verbindung mit dem Antrag Umdruck 216 weist. Es ist müßig, hier und heute noch über die weiteren Anträge zu beraten, die Ausweitungen bringen, die wir nicht übersehen, obschon jeder Antrag für sich etwas Gutes bringt und eine Erleichterung bietet, aber doch unzulänglich ist.
Ich glaube deshalb, daß es nicht nötig ist, die Materie noch länger zu debattieren, sondern daß wir es auf eine Einigung hinsichtlich der Anträge Umdrucke 210 und 216 vor der dritten Lesung ankommen lassen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die überwältigende Mehrheit des Hauses ist sich darüber einig, daß als Idealziel der gespaltene Tarif angestrebt wird. Wir stehen aber leider vor der Tatsache - und das durchzog ja immer die Beratungen im Ausschuß -, daß das im Augenblick aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht möglich ist. Ein solch weitgehender Antrag liegt ja auch nicht vor. Der weitestgehende Antrag ist der auf Umdruck 218, durch den also - abgesehen von der getrennten Veranlagung der mitverdienenden Frau - auch der mithelfenden Ehefrau, also sagen wir: der Gastwirtsfrau, die im Betrieb ihres Ehemannes ohne Bezahlung mitarbeitet, gewissermaßen fiktiv ein Lohnteil zuerkannt werden soll, der dann vom Verdienst des Ehemannes getrennt der Lohnsteuer unterworfen wird. Darauf wollte Kollege Struve wohl hinaus, als er heute früh von der Landwirtschaft her eine Entschließung in dieser Richtung vorschlug. Dieser Antrag ist ja von meinen Fraktionskolleginnen Frau Dr. Ilk und Frau Dr. Lüders gestellt worden. Ich glaube aber - und damit schließe ich mich den Ausführungen der Kollegen Neuburger und Dr. Wellhausen an -, daß es eben leider bei dieser Steuerreform noch nicht möglich sein wird, bereits so weit in dieses Gebiet vorzustoßen. daß wir heute den Antrag auf Umdruck 218 annehmen können, so gern wir das an sich sicher alle täten; denn als Ziel bleibt dieser Antrag weiter bestehen!
Wir werden also auf den Antrag auf Umdruck 210 zurückkommen müssen, der uns wenigstens hinsichtlich der selbständigen Arbeit, also der freien Berufe, und hinsichtlich der nichtselbständigen Arbeit in einem dem Ehemann fremden Betrieb der getrennten Veranlagung einen Schritt näher bringt.
Die Debatte hat aber nun gezeigt, daß der Antrag auf Umdruck 210 - das zog sich gewissermaßen wie ein roter Faden durch die Beratungen -, auf den sich die Koalitionsparteien zunächst einmal in der Vorbesprechung geeinigt haben, einen wesentlichen Mangel hat, nämlich den, daß nach ihm nur die mitarbeitende Frau und nicht auch der mitarbeitende Mann begünstigt wird. Wenn z. B. die Frau einen Gewerbebetrieb hat und der Mann im Lohnverhältnis steht, dann zieht der Umdruck 210, also die getrennte Veranlagung, nicht. Wir müssen aber dahin kommen, daß auch in diesem Fall getrennt veranlagt wird. Wir müssen dahin kommen, daß die beiden Fälle gleich behandelt werden, daß also sowohl dann, wenn der Mann den Gewerbebetrieb hat und die Frau Angestellte ist, wie dann, wenn die Frau den Gewerbebetrieb hat und der Mann Angestellter ist, eine getrennte Veranlagung stattfindet.
({0})
Wir müssen, wenn ich das einmal sagen darf, den Antrag auf Umdruck 210 im Interesse der Gleichberechtigung der Männer logischerweise so verbessern, daß wir zu dem Antrag auf Umdruck 216 kommen. Das ist der Antrag, der vom Kollegen Dr. Eckhardt eingebracht worden ist, der aber auch von einer ganzen Reihe anderer Kollegen, so z. B. von Dr. Wellhausen, Dr. Lindrath, Raestrup, Dr. Sornick usw. und auch von mir, unterschrieben ist. Ich darf also zusammenfassen: Der Antrag auf Umdruck 210 ist die Grundlage. Es ist aber im Sinne des Antrags auf Umdruck 216 zu verbessern. Im Text der beiden Anträge drückt sich das folgendermaßen aus. Im Antrag auf Umdruck 210 heißt es: „Einkünfte . . . der Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb . . .". Das Wort „Ehefrau" soll ersetzt werden durch das Wort „Ehegatten", so daß es dann heißt: „Einkünfte . . . der Ehegatten in einem dem anderen Ehegatten fremden Betrieb . . .". Dann ist die absolute Parallelität hergestellt. Ich glaube, dies dürfte das einzig Logische sein.
Wenn wir nun aber zu einem solchen Beschluß kommen, dann hat das für die kinderreichen Familien eine Konsequenz. Ich bin der Auffassung, daß eine logische Konsequenz der Annahme dieses Antrags auf Umdruck 210 bzw. 216 der Antrag auf Umdruck 225 ({1}) ist, den Herr Krammig vorhin begründet hat. Denn sosehr wir die Ehe fördern wollen, so dürfen unsere ehefördernden Maßnahmen natürlich nicht gleichzeitig familienfeindliche Maßnahmen sein. Das aber wäre der Fall, wenn wir diese Unebenheit, die sich nunmehr durch die getrennte Veranlagung in diesen Fällen gegenüber der Familie mit drei oder mehr Kindern ergibt, bestehen ließen. Ich darf noch einmal auf das Beispiel zurückkommen, das Kollege Krammig vorhin vorgetragen hat: Wenn wir den Antrag Umdruck 210 oder 216 annehmen, was ich ja glaube, dann ist bei einem Einkommen von 1000 DM künftig eine Steuer von 83 DM zu zahlen, während ein Ehepaar mit drei Kindern, bei dem der Mann oder die Frau alleine verdient, eine Steuer von 95,40 DM, also 12,40 DM mehr zu zahlen hat als die Familie mit einem Kind bei getrennter Veranlagung.
({2})
Man kann aber meines Erachtens sehr wohl den Gedanken einer Erweiterung der getrennten Veranlagung, für die ja eine breite Mehrheit vorhanden sein wird, verbinden mit dem Antrag des Kollegen Krammig, wenn man in Konsequenz dieser Beschlüsse die Freibeträge für die Kinder vom dritten Kind an etwas erhöht. Die fiskalischen Auswirkungen dieses Antrags dürften sich nur um etwa 5 bis 7 Millionen DM bewegen.
Wenn wir also bei der Abstimmung hauptsächlich die drei Anträge Umdrucke 210, 216 und 225 ({3}) ins Auge fassen, dann tun wir einerseits einen Schritt in Richtung eines später einmal zu beschließenden gespaltenen Tarifs und vermeiden andererseits die Benachteiligung der kinderreichen Familie. Also bitte nehmen Sie von allen Vorschlägen diese Anträge an!
Das Wort hat - es ist der letzte Name auf der Rednerliste - der Abgeordnete Günther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich kurz fassen, um dem Willen des Antragstellers, der Schluß der Rednerliste verlangt hat, entgegenzukommen. Ich würde überhaupt für meine Kreise nicht sprechen, wenn es bei der Regierungsvorlage geblieben wäre und wenn vor allen Dingen nicht die Gefahr entstanden wäre, daß die Ausschußvorlage durch eine Reihe von Anträgen geändert wird.
Zu behaupten, daß es eine absolute Gerechtigkeit in puncto Steuerangelegenheiten geben wird, so vermessen wird wohl keiner von uns sein. Aber dadurch, daß die ursprünglich bei 9000 DM liegende ) Grenze der getrennten Veranlagung weiter gezogen werden soll, wird das Unrecht noch vergrößert, indem man hier die Selbständigen nicht entsprechend behandelt. Auf das, was zu dem Problem im einzelnen gesagt worden ist, brauche ich nicht besonders einzugehen. Ich bekenne mich voll und ganz zu dem, was Dr. Eckhardt und Dr. Elbrächter gesagt haben. Am nächsten liegt mir der Antrag Umdruck 207, der von der DP gestellt worden ist. Aber weil ich weiß, daß auch dieser Antrag zuviel kosten würde, spreche ich mich für einen Kompromiß aus. Ich möchte nur im Namen meiner Freunde noch ankündigen, daß morgen, je nachdem, wie das Ergebnis der Ausschußberatung heute mittag ausfällt, von unseren Kreisen noch ein interfraktioneller Antrag in dem Sinne gestellt wird.
Noch weitere Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge, die auf Umdruck 210 namens der Fraktionen der Koalition gestellt worden sind, und die Anträge, die zu diesem Punkte auf unserem Umdruck 202 gestellt worden sind, stimmen in den Hauptpunkten sachlich überein. Es ist bereits zu erkennen, daß sie eine breite Mehrheit im Hause finden werden. Die Lösung, die hier vorgeschlagen worden ist, ist sicherlich nicht ideal. Es ist über eine Reihe von anderen Lösungsmöglichkeiten gesprochen worden. Insbesondere ist das Splitting - ich möchte einstweilen bei dem eingefahrenen Ausdruck bleiben - stark in den Vordergrund gestellt worden. Ich selbst halte das Splitting nicht für eine mögliche richtige Lösung. Wenn es nicht - unter Verzicht auf alle Grundsätze - nur die Möglichkeit eröffnen soll, in einigen Fällen weniger Steuern zu zahlen, läuft es auf eine recht exzessive Ledigenbesteuerung hinaus, und dahin wollen wir doch nicht kommen.
({0})
Nicht diskutiert worden sind hier, und zwar deswegen, weil die Mehrheit es .schon öfters abgelehnt hat, sie ernsthaft zu diskutieren, diejenigen Vorschläge von unserer Seite, die unseres Erachtens eine wirkliche Lösung in diesen Dingen bringen könnten, nämlich erstens die Anwendung eines Proportionalsatzes in der Einkommensteuer im Gebiete des Durchschnittseinkommens, womit 99 % der Fälle überhaupt wegfallen würden, und zweitens die Ersetzung des heutigen Steuerklassensystems durch ein wirkliches Kinderbeihilfensystem.
({1})
Die Lösung, die in den Umdrucken 210 und 202 vorgeschlagen wird, hat auch sonst ihr Mängel. Sie bringt in einigen Fällen eine Mehrbesteuerung - das ist nicht zu bestreiten -, die auch durch die Tarifermäßigung nicht wettgemacht wird. Diese Mehrbesteuerung - darauf möchte ich aufmerksam machen - würde nicht eintreten, wenn Sie vorgestern nicht unseren Antrag auf einen Freibetrag für das Arbeitseinkommen abgelehnt hätten. Bei dieser Stellungnahme wollen Sie es ja offenbar leider belassen. Aber die Lösung, die hier vorgeschlagen ist, hat auch ihre Vorzüge. Sie befaßt sich - und das scheint mir richtig zu sein - mit dem Arbeitseinkommen, d. h. mit dem Einkommen, das an die Person dessen, der es verdient, gebunden ist, und nicht mit Einkommen, das nicht nur durch die Eheschließung, sondern auch durch andere Manipulationen hin und her geschoben werden kann und keine persönliche Beziehung hat. Sie stellt also den Grundsatz in den Vordergrund, daß das Einkommen, das jeder durch seine Arbeit verdient, von ihm selbst ohne Benachteiligung durch seinen Familienstand versteuert werden soll. Das scheint uns ein richtiger Grundsatz zu sein. Sie führt vor allen Dingen ein, daß es künftig nicht mehr vorkommen kann, daß zwei Leute, die arbeiten und in Arbeit bleiben - und sie müssen bei den heutigen Verhältnissen sehr oft in Arbeit bleiben, wenn sie die Ehe schließen und ihren Hausstand aufbauen wollen -, wegen des Umstandes, daß sie zum Standesamt gegangen sind, mehr Steuern zahlen als vorher. Das sind die Vorzüge dieser Lösung. Herr Staatssekretär Hartmann, ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, bei den Fragen der steuerlichen Klarheit und der steuerlichen Gerechtigkeit, um die es sich hier handelt, spielt es gar keine Rolle, wieviel Prozent der Ehefrauen von der einen oder anderen Regelung betroffen werden.
({2})
Ich will auf die Zahlen, die Sie genannt haben, nicht weiter eingehen. Soviel ich erkennen kann, stammen sie aus Statistiken, die auf die steuerliche Betrachtung überhaupt keine Anwendung finden können, und sind in diesem Zusammenhang falsch.
Wenn ich Ihnen also in der Sache die Annahme der Grundsätze der Umdrucke 210 und 202 empfehle, so heißt das, daß die anderen Anträge abgelehnt werden sollen, soweit sie heute von den Antragstellern zur Abstimmung gestellt werden. Ich kann diese Konsequenz nicht erwähnen, ohne diesen Anträgen einige Worte des Bedauerns zu wid({3})
men, und zwar eines echten und nicht nur formalen Bedauerns. Diese Anträge versuchen einige Probleme zu lösen oder anzugehen, die jetzt noch nicht zur Lösung kommen.
Da ist z. B. das Problem des Arbeitseinkommens bei handwerklicher Tätigkeit der Ehefrau oder eines Ehegatten. Es ist gar nicht zu leugnen, daß hier in vielen Fällen Einkommen vorliegt, das dem Arbeitseinkommen, welches wir unter dem Einkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit begreifen, durchaus naheliegt. Es mag sogar in einigen Fällen bei der Landwirtschaft dasselbe vorliegen. Der Tatbestand ist aber einfach der, daß wir bei den Begriffen, die wir im Steuerrecht anwenden, das handwerkliche Einkommen von dem übrigen gewerblichen Einkommen, das durchaus nicht an die Person gebunden zu sein braucht, nicht klar abtrennen können. Es bedarf einer vollständigen Neudurchdenkung dieser Begriffe, um hier zu einer Grundlage zu kommen, auf der auch dieses Problem - und das ist unser Wunsch - recht bald gelöst werden kann. Wir stellen mit Bedauern fest, daß es nach den Anträgen, die vermutlich die Mehrheit finden werden, heute noch nicht zur Lösung kommt.
Ein anderes Problem ist das der mithelfenden Ehefrau. Auch das ist ein sehr schwieriges Problem. Die Schwierigkeit besteht vor allen Dingen darin, daß es keine klare Definition gibt, was Mithilfe der Ehefrau im Betrieb und mit der Tätigkeit des Ehemannes zusammen bedeutet. Es sind schon viele Erwägungen darüber angestellt worden, wie man hier Unterscheidungen treffen könnte. Aber ich glaube, es wird sehr schwer sein, sie zu einem Ziele zu führen. Denn die steuerliche Ermittlung der Tatbestände, die hier festgestellt werden müssen, würde so tief in das Familienleben eingreifen, daß der Weg kaum beschreitbar sein dürfte. Auf der anderen Seite sind alle Erwägungen über Freibeträge für mithelfende Ehefrauen durch die Gegenüberlegung gehemmt: Was wird dann mit der Frau, die aus allen möglichen Gründen, aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie eben zu viele Kinder hat, nicht mehr mithelfen kann? Ich glaube, hier können wir die Unterscheidungen innerhalb des Familienlebens auch nicht machen. Es ist ein Problem, das immer wieder Beachtung finden muß, das aber bei dem heutigen Stand der Dinge zu unserem Bedauern nicht gelöst werden kann.
Den Antrag Umdruck 207 bitte ich, weil er in der Tat diejenigen Unterscheidungen, die hier zu treffen sind, überhaupt nicht zu treffen versucht, ebenfalls abzulehnen.
Die Stellungnahme zu dem Umdruck 218 geht aus dem hervor, was ich gesagt habe.
Auch der Umdruck 220 scheint uns nicht zu genügen. Es scheint uns nicht notwendig zu sein, nur für eine Schonfrist von den Grundsätzen abzugehen, die hier allgemein angewandt werden müssen.
Der Antrag Umdruck 216 - Antrag Dr. Eckhardt und Genossen - ist in der Sache ein Änderungsoder Verbesserungsantrag zu den beiden Anträgen der anderen Fraktionen. Es ist gar nicht zu leugnen, daß er logisch und systematisch den Vorzug verdienen würde. Es bestehen Bedenken über die fiskalische Auswirkung. Sicherlich würden wir es begrüßen, wenn entweder in dieser Woche oder sonst in einem recht baldigen Zeitpunkt die Dinge so geklärt werden könnten, daß wir die Verbesserung, die hierin liegt,
({4})
annehmen könnten.
Nun, meine Damen und Herren, ich hoffe, den Herrn Präsidenten von schwierigen Entscheidungen über weitergehende Anträge zu entbinden, wenn ich vorschlage, ,daß wir zunächst über die Einzelanträge, über die abweichenden Anträge auf den eben erwähnten Umdrucken abstimmen und sodann den Umdruck 210 der Abstimmung zugrunde legen.
Zu den Ziffern i und 2 dieses Umdrucks würde ich Ihnen allerdings Ablehnung empfehlen. Hier handelt es sich um Bestimmungen, die für den Fall der Zusammenveranlagung von Ehegatten, wenn beide Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, getroffen sind. Diese Bestimmungen sollen sicherstellen, daß die Abrechnung der Sonderausgaben, der Werbungskosten und der Pauschbeträge für Sonderausgaben und Werbungskosten bei jedem dieser Arbeitseinkommen gesondert stattfindet. Es soll also nicht infolge der Zusammenveranlagung eine Schmälerung der Anrechnung von Sonderausgaben und Werbungskosten auf das Arbeitseinkommen, zu dem sie gehören, dadurch entstehen, daß auf der anderen Seite vielleicht ein Pauschbetrag nicht ganz ausgeschöpft worden ist. Die Regierung selbst hatte diese Bestimmung für die Fälle vorgesehen, in denen nach ihrer Vorlage die Zusammenveranlagung zwangsweise erfolgen sollte. Sie ist und bleibt nötig für die Fälle, die nach den Anträgen auf Umdruck 210 und 202 bestehen bleiben, die Fälle, in denen ,die Zusammenveranlagung auf Antrag erfolgt.
Das Bundesfinanzministerium vertritt die Auffassung, daß man, wenn man den Leuten schon den Vorteil der Möglichkeit einer Antragstellung gebe, sie sozusagen ruhigen Gewissens dafür, daß sie den Antrag stellen, bestrafen könne, und zwar dadurch, daß man ihnen die Möglichkeit der normalen und richtigen Abrechnung der Sonderausgaben und Werbungskosten nimmt. Ich glaube, wir sollten anderer Ansicht sein, und ich glaube auch, daß diese Anträge auf seiten der Koalition ebenfalls einer Überprüfung bedürfen. Wir sollten bei dem Grundsatz, den das Finanzministerium für den Fall der Zusammenveranlagung selber für notwendig gehalten hat, bleiben, gleichgültig, ob diese Zusammenveranlagung zwangsweise oder auf Antrag erfolgt. Wir sollten vor allen Dingen nicht auch noch in diesem Punkte das Arbeitseinkommen hinsichtlich der normalen Abrechnung seiner Werbungskosten und Sonderausgaben durch denjenigen, der es verdient, beschneiden. Die Ziffern 1 und 2 bitte ich deswegen abzulehnen.
Den Ziffern 3, 4, 5, 6 und 7 werden wir zustimmen, weil sie in anderer Formulierung dasselbe enthalten, was wir beantragt haben. Es ist schön, daß Sie uns in diese Lage gebracht haben. Es ist angenehm, daß Sie, nachdem Sie - aus welchen Gründen auch immer - dieselben Anträge, als sie von unserer Seite im Ausschuß kamen, abgelehnt haben, sie nunmehr - aus welchen Gründen auch immer - heute annehmen wollen. Dann können wir ja auch Ihre Formulierung übernehmen. Durch eine solche Abstimmung würden die Ziffern 7, 8, 12, 13 und 14 des Umdrucks 202 sachlich erledigt sein.
Ich bemerke nur noch, daß die Neuformulierung, die in Ziffer 6 des Umdrucks 210 vorgeschlagen ist,
({5})
mir nicht ausreichend zu sein scheint. Ich glaube, daß auch in Ziffer 2 des Abs. 2 von § 39 a Umformulierungen notwendig sind. Ich möchte hier keine besonderen Anträge stellen, aber diese Frage der Nachprüfung bis zur dritten Lesung empfehlen.
Andererseits möchte ich den Antrag unter Ziffer 14 unseres Umdrucks 202, auch die Ziffer 5 in Abs. 1 des § 46 des Einkommensteuergesetzes zu streichen, aufrechterhalten. Sie haben in Ihrer Ziffer 7 nur die Ziffer 4 streichen wollen, aber ich glaube, auch Ziffer 5 ist überflüssig. Vielleicht bedarf auch die Neufassung des Abs. 2, den wir zu streichen beantragt haben, bis zur dritten Lesung noch einer Überprüfung.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur ein Wort! Herr Abgeordneter Seuffert hat angeregt, die Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 210 abzulehnen. Ich möchte dazu folgendes sagen. Ich bitte, wenn der Antrag Umdruck 210 angenommen wird, ihn als Ganzes anzunehmen, auch die Ziffern 1 und 2. Die Regierungsvorlage ging von einer anderen Konzeption aus. Wenn nun bezüglich der Zusammenveranlagung von der Regierungsvorlage abgewichen wird, müssen auch die Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 210 notwendigerweise in dieser Form angenommen werden. Auf die technischen Einzelheiten - wenn es gewünscht wird - können wir heute nachmittag im Finanzausschuß noch eingehen. Ich glaube, ich sollte das Hohe Haus damit jetzt nicht belasten.
Meine Damen und Herren, wir sind alle den Ausführungen sehr aufmerksam gefolgt und wissen über die Änderungsanträge vollkommen Bescheid.
({0})
Trotzdem wird es schwierig sein, diese Abstimmung so durchzuführen, daß nachher wirklich ein Gesetz dabei herauskommt
({1})
und nicht nur ein Mosaik von Anträgen.
({2})
Ich habe mir überlegt, wie man am besten verfahren könnte. Ich glaube, daß der Schlüsselpunkt dieser ganzen Anträge die Ziffer 3 des Umdrucks 210 ist. Darüber sollte man zunächst abstimmen. Wenn darüber abgestimmt ist, entfallen, glaube ich, eine ganze Reihe anderer Änderungsanträge als gegenstandslos,
({3})
weil sie durch diesen Antrag gedeckt sind.
({4})
- Bitte!
Herr Präsident, ich glaube, das geht nicht; denn z. B. der Antrag auf Umdruck 216 ist ja der verbesserte Antrag von Umdruck 210. Ich meine, wir müßten von rückwärts her abstimmen. Der Antrag auf Umdruck 207 trägt im Grunde der getrennten Veranlagung am weitesten Rechnung.
({0}) Dann käme meines Erachtens der Antrag auf Umdruck 218, der bei getrennter Veranlagung noch die mithelfende Ehefrau berücksichtigen will. Dann käme der Antrag auf Umdruck 216 und dann Umdruck 210. Denn wenn der Antrag auf Umdruck 216 etwa angenommen werden sollte, dann ist der Umdruck 210 Ziffer 3 damit ja erledigt. Wenn wir aber Umdruck 210 Ziffer 3 annehmen, können wir nachher nicht noch über Umdruck 216 abstimmen.
Ich möchte also bitten, vom weitesten Änderungsantrag her gewissermaßen die Dinge nach innen einzuengen.
Das hat die Logik für sich; das läßt sich nicht bestreiten. Aber ich glaube, das andere Verfahren wäre wohl praktischer gewesen.
({0})
- Aber die Logik als die erste der Künste sollte auch hier den Vorzug haben. Ich nehme meinen Vorschlag zurück und werde zunächst in der Weise abstimmen lassen, die Herr Miessner vorgeschlagen hat. Dann wollen wir zurückblättern und die einzelnen Ziffern durchsehen.. Vielleicht können die Antragsteller, die der Meinung sind, daß die inzwischen angenommenen Änderungsanträge ihren Antrag gegenstandslos gemacht haben, das dann sagen. Dann wird keine Verwirrung entstehen oder weniger an Verwirrung als andernfalls.
Wir stimmen also zunächst ab über den Antrag auf Umdruck 207. - Ich bitte, die Drucksachen vorzunehmen. - Ich will, damit kein Mißverständnis entsteht, feststellen, daß es sich um einen Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei handelt, der folgenden Wortlaut hat:
Ehegatten werden, sofern sie nicht getrennte Veranlagung beantragen, zusammen veranlagt, solange beide unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht getrennt leben.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun der Antrag auf Umdruck 218 Ziffer 1. Es ist ein Antrag der Frau Dr. Ilk und Genossen. Ich brauche ihn wohl nicht zu verlesen; es ist ein sehr umfangreicher Antrag. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Das erste war die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun Umdruck 216. Es handelt sich um einen Antrag der CDU/CSU, FDP und DP. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. ({1})
- 216 habe ich aufgerufen. Wenn Sie wollen, kann ich den Antrag verlesen.
({2})
- Nicht notwendig. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; abgelehnt.
Nun Umdruck 210 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Nun wollen wir zu Ziffer 11 zurückblättern. Zu Ziffer 11 ist ein Antrag Umdruck 210 Ziffer 1 angemeldet. Ich lasse darüber abstimmen. Wer für die Annahme von Umdruck 210 Ziffer 1 ist, den
({3})
bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann zu Ziffer 12! Zunächst Umdruck 202 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. ({4})
- Entschuldigung, Ziffer 14 kommt noch.
({5})
- Umdruck 210 Ziffer 2 zu Ziffer 14. Über die Anträge zu Ziffer 12 haben wir schon abgestimmt. Wer für den Antrag Umdruck 210 Ziffer 2 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr kommen die Ziffern 15, 16, 17 und 18.
({6})
- Darüber ist schon abgestimmt.
Nun kommt Ziffer 19 a.
({7})
- Den Antrag haben wir bei der Abstimmung über Umdruck 210 Ziffer 3 angenommen.
({8})
Die Frage ist, ob Anträge zurückgezogen werden.
({9})
- Umdruck 210 Ziffern 7, 8, 12, 13!
({10})
Über Ziffer 14 wollen Sie noch abgestimmt wissen?
({11})
- Wegen eines Punktes, ja! Ziffern 7, 8, 12 und 13 werden also zurückgezogen?
({12})
- Sind sachlich erledigt und werden darum zurückgezogen.
Über Ziffer 14 soll noch abgestimmt werden.
({13})
- Dann stimmen wir ab über - - ({14})
- Nein, das kommt noch nicht, das kommt erst später.
Wir haben also nunmehr bis Ziffer 19 a abgestimmt. Zu den Ziffern 20 und 21 sind keine Anträge gestellt. Antrag Umdruck 202 Ziffer 8 zu Ziffer 22 ist zurückgezogen.
({15})
- Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rest des Umdrucks 210 betrifft lauter Punkte, die mit den bereits erfolgten Abstimmungen in sachlichem Zusammenhang stehen. Ich würde vorschlagen, den Rest des Umdrucks 210 und aus Ziffer 14 unseres Umdrucks 202 den Antrag auf Streichung der Ziffer 5 jetzt zur Abstimmung zu bringen. Damit ist dann der ganze Komplex erledigt.
Frau Dr. Ilk!
Nachdem der erste Teil unseres Antrags auf Umdruck 218 abgelehnt worden ist und da die Ziffer 2 auch in einem ursächlichem Zusammenhang mit dem ersten Teil steht, ziehen wir den Antrag zu § 32 a auf Umdruck 218 Ziffer 2 zurück.
Wir werden so verfahren. Ich schlage aber vor, daß wir, damit keine Verwirrung entsteht und alle Paragraphen durch die Abstimmung gedeckt sind, nunmehr abstimmen bis einschließlich Ziffer 22. Dabei ist auch die neue 19 a mit inbegriffen. Wer für die Annahme dieser Ziffern ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Enthaltungen angenommen.
Nunmehr stimmen wir unter Durchbrechung der ziffernmäßigen Reihenfolge über den Rest von Umdruck 210 und über Umdruck 202 Ziffer 14 ab. Wer für die Annahme des Antrags Umdruck 210 Ziffer 4 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
210 Ziffer 5! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen.- Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann Umdruck 220, Antrag der Gräfin Finckenstein und Genossen zu § 32 b. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun Umdruck 202 Ziffer 14 betreffend Streichung einer weiteren Nummer. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. ({0})
- Meine Damen und Herren, wir stimmen ab! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Jetzt kann man das Ergebnis sehen! - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr können wir in der ziffernmäßigen Reihenfolge fortfahren. Die Anträge zu Ziffer 22 sind beschieden. Wer für die Annahme von Ziffer 22 und Ziffer 23 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die übergroße Mehrheit; angenommen.
Nun zu 24. Das ist Umdruck 202 Ziffer 9. Wer begründet diesen Antrag?
({1})
- Ist schon erledigt, gut!
Dann 24 und 25.
({2})
- Nach Nr. 25 soll eine Nr. 25 a kommen. - Wir stimmen also ab über Nr. 23 und Nr. 24. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Angenommen.
Nun Umdruck 202 Ziffer 10. Danach soll eine neue Nr. 25 a eingefügt werden. Wer begründet?
Das Wort hat der Abgeordnete Corterier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem bisherigen § 34 a des Einkommensteuergesetzes sind die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit sowie für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit steuerfrei, wenn der Arbeitslohn insgesamt 7200 Deutsche
({0})
Mark im Kalenderjahr nicht übersteigt. Die Regierungsvorlage sieht eine Streichung dieser steuerlichen Vergünstigung vor, und der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich dem angeschlossen. Meine Fraktion beantragt nun auf Umdruck 202 Ziffer 10, den bisherigen Zustand beizubehalten. Ich darf zur Begründung kurz folgendes ausführen.
An sich muß man von dem Gedanken ausgehen, daß Entgelte und Zuschläge für Überstunden genau so wie der normale Arbeitslohn lohnsteuerpflichtig sind. Es wäre nicht gut, wenn die Steuergesetzgebung den Arbeitnehmer anreizte, Überstunden zu leisten. Tatsächlich gibt es aber Fälle, in denen sich Überstunden einfach nicht vermeiden lassen. Ich brauche einzelne Beispiele nicht anzuführen. Diese Überstunden außerhalb der normalen Arbeitszeit müssen einfach auf Grund der zwingenden Erfordernisse des Wirtschaftsprozesses oder zur Aufrechterhaltung öffentlicher Leistungen ausgeführt werden. Es ist durchaus angemessen, daß in diesen Fällen auch in steuerlicher Hinsicht ein gewisser Ausgleich geschaffen wird. Sollte es bei der vom Ausschuß vorgeschlagenen Regelung verbleiben, würden sich z. B. für eine ganze Reihe von Arbeitnehmern jetzt erhebliche steuerliche Verschlechterungen ergeben. Ich glaube, das sollte nicht das Ergebnis der Reform sein.
Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der sich ganz entschieden für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes einsetzt, gibt es sehr viele Unternehmer, die das gleiche Ziel verfolgen. So ist uns z. B. vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ein Schreiben zugegangen, das sich eingehend dafür einsetzt, daß diese Regelung beibehalten wird. Ich darf annehmen, daß das Hohe Haus sich diesen Argumenten nicht verschließen wird. Diese Annahme wird noch bestätigt durch den Umdruck 211. Dieser Änderungsantrag der Fraktionen der Koalition geht etwa in der gleichen Richtung und ist sogar fast derselbe wie der Antrag meiner Fraktion, nur mit dem Unterschied, daß der Antrag Umdruck 211 eine Befristung auf zwei Jahre vorsieht. Ich darf hier erklären, daß die Frage der Befristung oder Nichtbefristung für uns keine Grundsatzfrage ist, und glaube, daß wir uns auf einer gemeinsamen Linie treffen können.
Ich darf Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Der Unterschied scheint mir lediglich der zu sein, daß Umdruck 211 eine Ziffer 26 a vorsieht und der soeben begründete Antrag eine Ziffer 25 a. Aber inhaltlich scheinen mir die Anträge ziemlich gleich zu sein.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wissen alle, daß wir bestrebt sind, die Steuervergünstigungen allmählich aus unserem Einkommensteuergesetz herauszubringen.
({0})
Hier handelt es sich noch um eine typische Steuervergünstigung. Wir wissen, daß wir dieses Ziel nicht sofort erreichen können; wir wollen es aber erreichen, und deshalb unser Nachsatz:
Diese Vorschrift gilt für den Arbeitslohn, der für Lohnzahlungszeiträume gezahlt wird, die vor dem 31. Dezember 1956 enden.
Die Fristsetzung wird also begründet und steht im wesentlichen Zusammenhang mit unserm Bestreben, Steuervergünstigungen aus unserem Einkommensteuerrecht allmählich auszumerzen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung erhebt keine Bedenken gegen die hier vorgeschlagenen Regelungen. Ich würde aber empfehlen, dem Antrag, den Herr Abgeordneter Neuburger eben begründet hat, den Vorzug zu geben, weil er eine Befristung enthält. Man kann dann in dem dort dargelegten Zeitraum die Frage erneut prüfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, Herr Staatssekretär, daß ich da anderer Meinung bin. Ich möchte mich dafür aussprechen, daß wir die Begrenzung wirklich fallenlassen, wenn auch einige Damen und Herren des Hauses den Kopf schütteln.
Ich stimme dem zu, was Herr Neuburger eben glaubte hier ausführen zu müssen, und ich hätte mich gefreut, wenn man sich von Anfang an ein klein wenig an diesen Grundsatz gehalten hätte. Wir wollen eine Bereinigung - weg mit den Vergünstigungen!-; und wir haben im vorigen Jahr damit begonnen. Was wir aber im vorigen Jahr an Vergünstigungen abgeschafft haben, das haben wir in diesem Jahr treu und brav wieder eingeführt. Man sollte also dann auf der ganzen Linie bei diesem Grundsatz bleiben und nicht nur hier bei einer relativ nicht bedeutenden Sache darauf fußen und sagen, es müsse langsam dahin gedrängt werden, daß diese Vergünstigungen abgebaut werden. Ich möchte das dann auch für Anträge gelten lassen, die vielleicht am heutigen Tage noch kommen und in denen man in bezug auf Bestimmungen, deren Auslaufen schon festgelegt war, eventuell glaubt, zur Gewöhnung an den neuen Zustand noch wieder eine Schonfrist einfügen zu können. Ich glaube richtig verstanden zu haben, daß es bei der steuerlichen Begünstigung nur der Nachtzuschläge und der Sonn- und Feiertagszuschläge bleiben soll und nicht das, was schon vorher weggefallen ist, die Begünstigung der Zuschläge für Mehrarbeit, für Überstunden, wieder eingeführt werden soll. - Dann bin ich mit Ihnen einverstanden und bitte, die Begrenzung abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Problematik liegt darin, daß natürlich auch andere Berufsschichten Nachtarbeit und Feiertags- und Sonntagsarbeit leisten und dafür auch Zuschläge erhalten. Ich darf daran erinnern, daß, wenn der Arzt nachts oder sonntags kommt, ihm ein höheres Honorar gebührt, als wenn er am Tage, zu den normalen Dienststunden, kommt. Es ist aber nicht bekannt, daß der Arzt
({0})
etwa zwei Steuererklärungen abgeben könnte, eine für sein Einkommen aus Nachtarbeit und Sonntagsarbeit und eine für sein Einkommen aus Tagesarbeit. Ich darf auch daran erinnern, daß z. B. die Apotheke, die einen Nachtzuschlag erhält, in dieser Hinsicht nicht steuerlich begünstigt ist. Oder denken Sie daran, daß, wenn Sie abends mit der Autotaxe vom Bahnhof nach Hause fahren, die Taxe teurer ist als am Tage, aber auch der Taxeninhaber nicht zwei Steuererklärungen abgeben kann. Es handelt sich hier also in der Tat um einen alten Zopf einer Begünstigung für eine bestimmte Gruppe. Diese Zöpfe müssen nun einmal abgeschnitten werden. Ich stimme Herrn Neuburger voll zu, daß es aus den Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit allenfalls möglich ist, die Dinge auslaufen zu lassen, und insofern bitte auch ich, dem Antrag Umdruck 211 mit der zeitlichen Begrenzung den Vorzug zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gegen die Begrenzung aussprechen. Sonntagsarbeit und Nachtarbeit sind keine Tätigkeiten, die aus der Leidenschaft. für Sonntagsarbeit entstehen, sondern entspringen in aller Regel beruflichen Notwendigkeiten.
({0})
In den Gewerben, in denen Sonntags- und Nachtarbeit geleistet wird, ist damit auch für die Beteiligten ein höherer Aufwand verbunden. Es ist nicht einzusehen, warum die Begrenzung auf einen bestimmten Zeitraum eingeführt werden soll, denn die Notwendigkeiten werden auch in Zukunft, nach dem Ablauf dieses Termins, fortbestehen. Man sollte also im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit an einer Befreiung dieser Zuschläge von der Steuer festhalten.
({1})
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag Umdruck 202 Ziffer 10. - Es besteht doch kein Zweifel darüber, daß wir über Umdruck 211 jetzt nicht abstimmen, sondern erst nach dem nächsten Paragraphen. Wer für die Annahme von Umdruck 202 Ziffer 10 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
Darf ich bitten, die Abstimmung durch Erheben von den Sitzen zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe vorhin vergessen, Nr. 22 a besonders aufzurufen. Darf ich bitten, darüber abzustimmen. Wer für die Annahme von Nr. 22 a in der neuen Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die übergroße Mehrheit. - Ich danke Ihnen.
Nun eine Frage zur weiteren Prozedur. Wenn wir die Mittagspause eintreten lassen, sehe ich keine große Wahrscheinlichkeit, daß wir dieses Gesetz und die Anfrage betreffend die Werbung für Fremdenlegionen noch bei einigermaßen besetztem Hause behandeln. Eine Reihe von Mitgliedern des Hauses haben heute abend Verpflichtungen Wahlkampf in Hessen und Bayern! -, werden also spätestens um 5 oder 6 Uhr wegfahren müssen. Ich schlage darum vor, daß wir auf die Mittagspause verzichten und durchverhandeln.
({0})
- Herr Dr. Wellhausen!
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, die Mittagspause auf eine Stunde zu verkürzen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, an der Regelung, wie sie im Ältestenrat vereinbart war, festzuhalten. Die sozialdemokratische Fraktion hat ab 14 Uhr eine Fraktionssitzung an-beraumt,
({0})
und wir können unsere Dispositionen jetzt nicht mehr ändern. Nachdem der Tagungsplan vom Ältestenrat unter Kenntnis der Tatsache, daß in Hessen und Bayern Wahlkampf ist, festgelegt worden ist, sollte man nicht in letzter Minute noch eine Änderung eintreten lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Albers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis für den Wunsch der SPD; aber hier sind außerordentlich wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Ich meine, die Wünsche der SPD können mit einer Pause von einer Stunde erfüllt werden. Ich möchte vorschlagen, daß wir uns auf eine Mittagspause von einer Stunde beschränken.
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis für die Anforderungen des Wahlkampfes. Aber die Bundestagsabgeordneten sind dazu gewählt, die politischen Entscheidungen zunächst einmal in diesem Hause zu fällen.
({0})
Meine Damen und Herren! Die Anregung, die ich gegeben habe, stößt auf den Widerspruch nicht nur einer Fraktion. Ich glaube, daß wir bei der Übung bleiben sollten, daß, wenn eine große Fraktion einer Anregung widerspricht, man sie nicht weiter verfolgen soll. Wir werden also von 13 bis 15 Uhr eine Mittagspause machen.
Ziffer 26!
({0})
- Umdruck 211*). Wollen Sie dazu sprechen? Wir müssen abstimmen.
({1})
- 26 ist ohne Antrag. Umdruck 211 bringt den Antrag, eine Nr. 26 a einzufügen.
({2})
*) Siehe Anlage 3.
({3})
Der Antrag Umdruck 202 Ziffer 11 ist zu 26 gestellt; Ihr Antrag Umdruck 211 betrifft 26 a. Wir
stimmen zunächst über Umdruck 202 Ziffer 11 ab.
({4})
- Das ist mir nicht bekannt. Wir haben über Umdruck 202 Ziffer 10 abgestimmt. Jetzt kommt Umdruck 202 Ziffer 11. Ich werde ihn verlesen. Er lautet:
In Nr. 26 erhalten Eingangssätze und Überschrift folgende Fassung:
„Es wird der folgende § 34 b eingefügt:
34 b"
Also stimmen wir darüber ab. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Der Antrag Umdruck 211, eine Nr. 26 a einzufügen, scheint mir nach der Annahme von 202 Ziffer 10 gegenstandslos geworden zu sein.
({5})
Er wird zurückgezogen.
({6})
Dann kommt 27. Da ist 202 Ziffer 12 angekündigt. Wer begründet?
({7})
- Ist erledigt, wird zurückgezogen, ebenfalls 13 zu 28.
({8})
210 Ziffer 6 ist schon abgestimmt?
({9})
Noch nicht, richtig! Wir stimmen also über 210 Ziffer 6 ab. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Nunmehr stimmen wir über die bisher aufgerufenen, aber noch nicht zur Abstimmung gestellten Ziffern ab; das sind 27 und 28. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Dann haben wir noch über 26 abzustimmen. - Herr Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu dem neuen § 34 a, um den es sich in Ziffer 26 handelt, von uns aus keine Anträge gestellt. Diese Neuordnung der Besteuerung der sogenannten außerordentlichen Waldnutzungen ist durch einen Interessentenantrag im Ausschuß in eine völlig unbrauchbare Fassung gebracht worden.
({0})
Wir halten es nicht für die Aufgabe der Opposition, hier die Straßenkehrer zu spielen. Aber wir möchten die Mehrheit und auch das Ministerium doch einmal darauf aufmerksam machen, wie der Paragraph jetzt aussieht. Wir werden gegen den Paragraphen stimmen.
Herr Abgeordneter Wellhausen!
Nach den Ausführungen des Kollegen Seuffert stelle ich den Antrag, den § 34 a erneut an den Finanz- und Steuerausschuß zu verweisen. Es geschieht kein Unglück, wenn damit die zweite Lesung ausgespart wird. Wir werden uns mit Ihren Bedenken heute nachmittag auseinandersetzen und das in der dritten Lesung wieder vorbringen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß bei der Abstimmung ein gewisser Wirrwarr eingetreten ist. Ich selber fühle mich jedenfalls nicht mehr ganz sicher. Ich muß, um ganz sicher zu sein, einige Abstimmungen wiederholen lassen.
Wir müssen zunächst abstimmen über Ziffer 25. Wer für Ziffer 25 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 25 a! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 26! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 27! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
({0}) - Herr Abgeordneter Wellhausen!
Ich will bestimmt keine neue Verwirrung schaffen, aber ich habe einen Verweisungsantrag gestellt, und der geht dem Antrag über die Sache selbst vor. Ich bitte deshalb, über den Verweisungsantrag zu § 34 a zuerst abstimmen zu lassen.
Herr Abgeordneter Wellhausen, es ist leider in der zweiten Beratung nicht möglich, einen Antrag an den Ausschuß zu verweisen. Es ist möglich, einen Änderungsantrag zurückzuziehen und sich ihn für die dritte Lesung aufzubewahren. Wir können aber in die dritte Lesung erst eintreten, nachdem über sämtliche Einzelbestimmungen der Vorlage abgestimmt ist.
({0})
Das gehört zu den Komplikationen der zweiten Beratung.
Wir haben vorhin den schönen Ausdruck des Gentleman's Agreement eingeführt.
Die Geschäftsordnung ist stärker!
({0})
„Eingeführt" ist vielleicht ein falscher Ausdruck, aber ich beuge mich vor der Geschäftsordnung. Es gibt ja noch eine dritte Lesung.
({0})
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon gestern festgestellt, daß dieses Verfahren einer nochmaligen Ausschußberatung bedeutet, daß die Anträge nicht jetzt gestellt, sondern der dritten Lesung vorbehalten werden. Aber ich glaube den Ausführungen des Herrn Kollegen Wellhausen entnehmen zu sollen,
({0})
daß er im Augenblick diesem Paragraphen in der jetzigen Form nicht zustimmen will, und ich frage mich, ob man die Abstimmung über diesen Paragraphen deswegen nicht wiederholen sollte.
Das scheint mir nicht möglich zu sein.
({0})
Wir haben noch die dritte Lesung. Es ist in der zweiten Lesung regulär abgestimmt worden. Die Ziffer ist aufgerufen worden; jeder, der seine Vorlage vor sich hatte, wußte, worüber er abstimmt.
({1})
Wir haben für diese Ziffer eine Mehrheit bekommen, also ist sie in zweiter Lesung angenommen. Irrtum im Motiv gilt bei Abstimmungen nicht.
Ziffer 27! Wer für Ziffer 27 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 28 in der abgeänderten Form! Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Auch das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Ziffer 29 - kein Änderungsantrag -, Ziffern 29 a und 29 b - keine Änderungsanträge -. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Auch das ist die übergroße Mehrheit; angenommen.
Nun Ziffer 30. Die Anträge auf Umdruck 202 Ziffer 14 und auf Umdruck 210 Ziffer 7 sind beschieden, also bereits erledigt. Wir können also wohl auch über Ziffer 30 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
({2})
- In der abgeänderten Form, natürlich. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu den Ziffern 30 a und 31 liegen keine Anträge vor. Wer für die Annahme dieser Ziffern ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Auch das ist die überwiegende Mehrheit; sie sind angenommen.
Nun zu Ziffer 32. Hier liegen Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 202 Ziffer 15 und auf Umdruck 215. Diese beiden Bezifferungen geben Anlaß zur Verwirrung. Zunächst wird der Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 15 begründet. Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag befaßt sich mit den Privatkrankenanstalten. Der Tatbestand, der schon oft im Steuerausschuß erörtert worden ist, ist der, daß Privatkrankenanstalten, die der Natur der Sache nach mit der Person eines Arztes oder der mehrerer Ärzte untrennbar zusammengehören, im Steuerrecht und im Wirtschaftsleben in der Regel als Einzelfirmen, als Personenfirmen auftreten. Da eine Person aber nicht gemeinnützig sein kann, ist es ihnen nicht möglich, diejenigen Bestimmungen über Gemeinnützigkeit in Anspruch zu nehmen, die für Verbände, Gesellschaften, Vereine usw. gelten, obwohl sie sich als Privatkrankenanstalten in vielen Fällen genau so verhalten wie gemeinnützige Anstalten dieser Art. Wir haben deswegen beantragt, der Regierung eine Ermächtigung zu geben, damit sie diesem Tatbestand wenigstens annähernd gerecht werden kann. Es ist nicht ganz so viel, wie wir ursprünglich im Ausschuß vorgesehen und grundsätzlich schon gebilligt haben, aber es ist die entscheidende Hälfte. Die Bedenken der Regierung, die zur Zurückstellung der Angelegenheit im Ausschuß geführt haben, scheinen uns doch nicht so durchschlagend zu sein, als daß sich für diesen Antrag nicht die gleiche Mehrheit finden könnte, die schon im Ausschuß vorhanden war.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Es handelt sich um Privatkrankenanstalten, die an sich wie jedes andere Unternehmen dazu bestimmt sind, dem Betriebsinhaber eine Existenzgrundlage zu geben. Sie werden im allgemeinen von Fachärzten unterhalten, die sich davon sicher auch einen Nutzen für ihre ärztliche Praxis versprechen. Es ist hier auf das Wirken mancher dieser Privatkrankenanstalten für das allgemeine Wohl, für Minderbemittelte hingewiesen worden. In diesen Fällen wäre es das Gegebene, daraus die Konsequenz zu ziehen und die Anstalt in die Form einer gemeinnützigen Körperschaft überzuführen. Dann sind die Steuervergünstigungen ohne weiteres gegeben. Wenn das nicht der Fall ist, muß man doch wohl davon ausgehen, daß die Absicht der Gewinnerzielung im Vordergrund steht. Eine Rundfrage bei den Länderministerien hat auch ergeben, daß es nicht so ist, daß die Privatkrankenanstalten sich allgemein wirtschaftlich sehr schlecht stehen. Die Lage ist unterschiedlich. In einer erheblichen Zahl von Fällen werden durchaus angemessene Gewinne erzielt. Ich würde also bitten, idem Antrag im Interesse der Gleichmäßigkeit nicht zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben im Ausschuß bereits einem gleichlautenden Antrag, wie ihn jetzt die Sozialdemokratie auf Umdruck 202 Ziffer 15 eingebracht hat, zugestimmt. Sie sind damals überstimmt worden. Sie werden auch heute dem Antrag der SPD zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve zur Begründung des Antrags Umdruck 215*). Ich bitte Sie aber, Herr Abgeordneter Struve, Ihren Antrag dahin zu ändern, daß für den Fall der Annahme des Antrags Umdruck 202 Ziffer 15 ein Buchstabe „i" angefügt werden soll. Beide Anträge sehen nämlich „h" vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hatte bislang die Möglichkeit, über eine Rechtsverordnung den Bau von Landarbeiterwohnungen, Werkwohnungen und Wohnungen für Heuerlingsleute steuerlich zu begünstigen. Die Möglichkeit dieser Rechtsverordnung läuft am 30. Juni 1955 aus. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat eine Verlängerung dieser Frist leider abgelehnt. Der Antrag auf Umdruck 215 sieht nun vor, daß dem Herrn Bundesfinanzminister weiterhin die Möglichkeit gegeben wird, über den Weg einer Rechtsverordnung den Bau von Landarbeiterwohnungen steuerlich zu begünstigen. Ich möchte das Hohe Haus bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
*) Siehe Anlage 6.
({0})
Dieser Antrag findet vor allen Dingen deshalb die Unterstützung meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen, weil wir der Auffassung sind, daß in zunehmendem Maß auch auf dem Land ein Zug weg von der ledigen Hilfskraft hin zum Verheirateten erkennbar ist. Wir haben auf dem Lande wegen der ungünstigeren Lebensbedingungen und auch der vielleicht nicht immer gegebenen Verdienstmöglichkeiten Schwierigkeiten, einen Arbeiterstamm zu halten. Wir müssen deshalb erkennen, daß diese Fragen für die Zukunft nur dann geordnet werden können, wenn wir über den steuerbegünstigten Bau von Landarbeiterwohnungen die Voraussetzungen dafür schaffen.
Darüber hinaus haben wir in. dem Antrag Umdruck 215 den Gedanken aufgegriffen, auch den nichtbuchführenden Bauern die Bereitstellung von landwirtschaftlich-technischen Hilfsmitteln zu erleichtern. Wir stellen in zunehmendem Maße fest, daß auch in den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben der Schlepper nicht etwa ein Luxusartikel ist, sondern er wird zu einer zwingenden Notwendigkeit. Vielfach muß in diesen kleinen und mittleren Betrieben der Mann oder die Frau auf sich allein gestellt mit den Arbeiten fertig werden. Wir sehen zunehmend eine weitere Abschaffung der Kuhbespannung, und auch in diesen kleinen Betrieben geht man sehr oft vom Pferdegespann zum Schlepper über. Aber in diesem Zusammenhang ist nicht nur der Schlepper, und es sind nicht nur die notwendigen Anbau- und Anhängergeräte für den Schlepper, es ist vor allen Dingen in der Hauswirtschaft alles, was mit der Wasserversorgung. zu tun hat, zu nennen. Insbesondere ist die Melkmaschine hier anzuführen. Darüber hinaus kommen weitere Anlagen in Betracht, die in Haus und Hof und auf dem Feld die Arbeit erleichtern.
Mein Vorschlag geht deshalb dahin, den Antrag Umdruck 215 aufzugliedern; ich verweise auf Umdruck 215 ({1}), den ich gleich verteilen lassen werde. Danach wiederholt ein Buchstabe i zunächst die bisher auf Umdruck 215 beantragte Fassung bis zum Wort „Arbeiter". Es heißt also. in dem Antrag Umdruck 215 ({2}):
Der Bundestag wolle beschließen:
Zu Abschnitt I - Einkommensteuer - Artikel 1
In Nr. 32 Buchstabe b werden dem § 51 Abs. 1 Ziff. 2 die folgenden neuen Buchstaben i und k angefügt:
i) über die Abschreibungsfreiheit zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen und über eine Steuerermäßigung beim Bau von Heuerlings- und Werkwohnungen für ländliche Arbeiter; . . .
In einem dann folgenden neuen Buchstaben k soll ferner sichergestellt sein, daß der Herr Bundesminister der Finanzen ebenfalls die Möglichkeit bekommt, über eine Rechtsverordnung auf folgende Art und Weise Steuerermäßigung zu gewähren; es soll unter dem neuen Buchstaben k heißen:
Über Steuerermäßigung bei der baulichen Umgestaltung von Betriebsgebäuden und bei der Anschaffung von bestimmten beweglichen Gütern des Anlagevermögens einschließlich Betriebsvorrichtungen in nichtbuchführenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.
Es kommt uns also darauf an, daß vor allem auch
in diesen nichtbuchführenden Betrieben die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden können, damit der veraltete Kuhstall entsprechend den hygienischen Anforderungen mit größeren Fenstern und mit anderen zweckmäßigen Einrichtungen einschließlich Geräten zur Herausschaffung von Stalldung und ähnlichen Dingen versehen werden kann.
Über die anderen Maßnahmen, die sich vor allen Dingen in der Technisierung im Haushalt und auf dem Feld abzeichnen, hatte ich schon Gelegenheit, einleitend ,etwas auszuführen. Wir müssen diesen Weg gehen, weil die derzeitige Besteuerung nach der VOL für die nichtbuchführenden Landwirte dankenswerterweise weiter fortzusetzen ist. Aber wir müssen großen Wert auf diese Bedürfnisse legen, weil wir eine Gruppe von sogenannten Schätzungslandwirten haben, und hier sind diese Dinge von entscheidender Bedeutung.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die engen Verflechtungen hinweisen, die hier vor allen Dingen zwischen Landwirtschaft und bodenständigem Handwerk auf dem Dorf gegeben sind, und darf das Hohe Haus bitten, dem von mir verlesenen Umdruck 215 ({3}) die Zustimmung zu geben. Inhaltlich will er dasselbe wie das, was Ihnen in Umdruck 215 vorliegt, bringt aber eine Aufgliederung, indem er den Wohnungsbau und die technischen Maßnahmen, die vor allen Dingen in den Nichtbuchführungsbetrieben notwendig geworden sind,. für sich behandelt.
({4})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umdruck 215 ({0}) liegt mir noch nicht vor. Ich kann daher keine Stellung dazu nehmen. Die Angelegenheit hängt aber mit dem Antrag zusammen, der zu § 7 gestellt worden ist und der vorgestern, am Dienstag, geschäftsordnungsmäßig so behandelt worden ist, daß er für die zweite Lesung zurückgestellt wurde und heute nachmittag im Finanz- und Steuerausschuß beraten werden soll. Ich glaube, man kann diese Dinge nicht auseinanderreißen. Es steckt sicher ein Kern von Berechtigtem in diesem Antrag. Wir möchten also, um zu einer positiven Lösung des Möglichen beizutragen, empfehlen, geschäftsordnungsmäßig so zu verfahren, daß auch der Antrag Umdruck 215 ({1}) heute nachmittag im Finanzausschuß im einzelnen beraten wird. Es sind erhebliche technische Schwierigkeiten in der Sache, mit denen man wohl die Plenarberatung nicht belasten sollte.
Das würde bedeuten, daß Sie Ihren Antrag für die zweite Beratung zurückziehen.
({0})
- Dann können wir so nicht verfahren.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem ersten Teil dieses Umdrucks 215 oder, wie wir gehört haben, dem Buchstaben i des Umdrucks 215 ({0}), die Landarbeiter- und Heuerlingswohnungen betreffend, könnten wir gern zustimmen. Was den zweiten Teil anlangt, so betrifft er denselben Komplex wie der Antrag Gibbert
({1})
und Genossen vom Dienstag. Er befaßt sich allgemein mit Abschreibungen bei nichtbuchführenden Landwirten. Wir sollten aus denselben Gründen, aus denen wir den Antrag Gibbert nicht zur Abstimmung gebracht haben und aus denen die Unterschriften unter dem Antrag Gibbert im Laufe der Debatte überprüft worden sind, diesen zweiten Teil hier nicht annehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Zunächst stimmen wir ab über 202 Ziffer 15, also den Antrag über die Krankenanstalten. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Nunmehr über den Antrag Struve, und zwar stimmen wir hier nach Buchstaben ab,
({0})
zunächst über Litera i. Bei Ihnen steht h; wir müssen i und k nehmen statt h und i. Wer für i ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Litera k! Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, nunmehr über Ziffer 32 insgesamt abzustimmen. Wer für Ziffer 32 in der nunmehrigen Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Ich schlage vor, meine Damen und Herren, daß
wir Ziffer 33 vor der Pause nicht mehr behandeln.
({1})
- Doch, es stehen hier Anträge: 202 Ziffer 16, 208 und 225. Bitte, das sind recht bedeutende Anträge. Ich glaube, daß einige Mitglieder des Hauses die Absicht haben, diesen Beratungen mit vollen Kräften beiwohnen zu können. Aber vielleicht können wir inzwischen etwas anderes erledigen, das, glaube ich, rasch geht und auch dringend ist. Der Kollege Rümmele hat gebeten, man möge im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Verabschiedung des Punktes 5 der ursprünglich für heute vorgesehenen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der Rheinschiffahrtpolizeiverordnung ({2}),
bezüglich deren der Ältestenrat sich einig war, ohne Debatte die Sache an den Ausschuß zu geben, jetzt schon darüber beschließen. Ich glaube, daß er recht hat. Ich bitte um Ihr Einverständnis und rufe diesen Punkt 5 auf. Ich bitte Sie um ein Handzeichen, wenn Sie der Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der Rheinschifffahrtpolizeiverordnung an den Ausschuß zustimmen. - Einstimmige Annahme. Ich danke.
Dann schlage ich vor, daß wir jetzt aussetzen und uns um 15 Uhr wieder versammeln.
({3})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf Art. 1 Nr. 33, dazu Änderungsanträge Umdruck 202 Ziffer 16, Umdruck 208 und Umdruck 225 ({0}). Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kirchhoff!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 208 liegt Ihnen ein Änderungsantrag vor, der eine Tarifsenkung betrifft. In dieser Beziehung haben wir also die Mahnung des Herrn Dr. Wellhausen beachtet, daß wir uns nur noch mit ,dem Tarif beschäftigen und keine anderen Sondervergünstigungen mehr anmelden sollten.
Offenbar ist der Neuburger-Tarif nicht mehr umstritten. Er ist in der Debatte mehrfach als selbstverständlich erwähnt worden und wird anscheinend auch vom Finanzministerium akzeptiert. Unser Vorschlag schließt sich an den NeuburgerTarif an, überdeckt ihn zum Teil und will erreichen, daß der Einkommensteuertarif aufsteigend gleichbleibend um 5 % gesenkt wird und in der Spitze mit 52,25 % endet. Dieser Gedanke ist im Steuerausschuß angeklungen, er wurde nicht klar ausgesprochen, es kam auch zu keiner Abstimmung; aber der Gedanke stand im Raum wie der Geist im „Hamlet" von Shakespeare und wartete auf Anruf.
({0})
Er ist dann nicht mehr erwähnt worden, als im Steuerausschuß der gespaltene Körperschaftsteuertarif abgelehnt wurde. Jetzt hört und liest man, der gespaltene Körperschaftsteuertarif werde wiederkommen und beschlossen werden, er sei nötig für den Kapitalmarkt, für Aktienemission, für weitere Investitionen. Niemand wird das bestreiten wollen. Aber die Steuergerechtigkeit verlangt, daß die richtige Relation zwischen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer hergestellt wird. Das hat der Finanzminister immer wieder erklärt. Die Gerechtigkeit kann nur dadurch erreicht werden, daß man den Einkommensteuertarif um 5 % senkt. Außerdem ist die Überschuldung der Offenen Handelsgesellschaften, d. h. der Personengesellschaften infolge der ungeheueren Besteuerung der letzten Jahre sehr hoch, gefährlich hoch geworden. Diese Firmen können nicht auf den Kapitalmarkt gehen. Jeder Inhaber haftet mit dem, was er hat. Verliert seine Firma, so ist er arm. Für Investitionen bleibt nur die Selbstfinanzierung, d. h. der Gewinn im eigenen Betrieb. Deswegen muß der Tarif gesenkt werden.
Wenn man von Investieren spricht, so hat das doch niemand nötiger als die weiterverarbeitende Industrie; denn sie muß durch gute, vielfach Präzisionsware im In- und Ausland bestehen können. Sie schafft doch die Devisen. Jeder Fachmann weiß, wie sehr unser Maschinenpark überaltert ist. Man erschrickt, wenn man die Statistiken liest. Wir können an die Leistungsfähigkeit der Amerikaner nicht herankommen, weil unsere Maschinen zu alt sind. Es ist doch nur unseren tüchtigen Maschinen- und Werkzeugschlossern zu verdanken, wenn sie die alten Schlitten wieder einigermaßen hinschaukeln, so daß unsere tüchtigen und fleißigen Facharbeiter noch gute Ware liefern.
Der Zwang, erstklassige Maschinen zu kaufen, wird dann noch größer, wenn wir ausgelernte Facharbeiter an die Wehrmacht abgeben müssen
({1})
und wegen der zahlenmäßig schwachen Jahrgänge in Zukunft nicht genügend Lehrlinge ausbilden können.
Es kommt dem Unternehmer nicht darauf an, ob einige tausend Mark mehr gewonnen werden. Das interessiert nicht. Er kann und will sie ja nicht aufzehren. Es interessiert aber, daß der Betrieb leistungsfähig ist, und das sollte auch den Staat und auch den Gesetzgeber interessieren.
Die große Unzufriedenheit der Personengesellschaften über die Steuerreform spiegelt sich in der Presse wider. Natürlich kann man sich auf den Standpunkt stellen: Abzustimmen hat der Bundestag, aber schließlich sind die Kenntnis der Wirtschaft und die Einsicht in die Wirtschaft ja nicht das Privileg des Bundestags und auch nicht der Bundesregierung. Es gibt auch andere Kreise, die darüber nachdenken und ihren begründeten Standpunkt haben. Das sollte der Bundestag prüfen und sollte sich nicht auf den Standpunkt stellen: Da spricht der bloße Eigennutz. Die Quittung könnte bei den nächsten Wahlen erteilt werden.
Ich stelle fest, daß der Bundesfinanzminister für Steuergerechtigkeit und für die richtige Relation ist. Er wird sicher die letzten Reserven mobil machen. Der Vorsitzende des Steuerausschusses ist auch für diese Relation. Er hat es in den Zeitungen manchmal anklingen lassen. Außer den vielen Antragstellern - es haben ja gar nicht alle unterschrieben, die das Anliegen dieses Antrags vertreten; es sind noch viel mehr, die dafür sind - sind, soviel ich weiß, auch die Herren Dr. Eckhardt und Dr. Starke für diesen Antrag.
Aber jetzt muß abgestimmt werden. Jetzt gibt es kein Ausweichen mehr. Wie der Geist im „Hamlet" muß der Bundestag jetzt Rede und Antwort stehen. Ich will den Satz „Etwas ist faul im Staate Dänemark" nicht strapazieren. Aber man sollte doch gut und sorgfältig überlegen; dann wird man, davon bin ich überzeugt, diesen Änderungsantrag annehmen. Ich bitte darum.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der wesentliche Inhalt unseres neuen Tarifvorschlages, den Sie in der Anlage zu Umdruck 202*) finden, läßt sich in einigen Sätzen zusammenfassen. Der Vorschlag beinhaltet erstens eine Erhöhung der Grenzen der Steuerpflicht für alle Steuerklassen um 600 DM. Die praktische Folge dieses Vorschlages ist, daß etwa 2 Millionen Lohn- und Einkommensteuerpflichtige in Zukunft aus der Einkommensteuerpflicht entlassen werden. Die Beträge, um die sie erleichtert werden, bewegen sich in der Größenordnung von 1 bis 48 DM pro Jahr. Schon allein vom Standpunkt der Entlastung der Finanzverwaltung von solchen unergiebigen Steuerfällen sollte man diesen Vorschlag begrüßen.
Zweitens bringt der Vorschlag für die ersten 1000 DM oberhalb der Grenze der Steuerpflicht für alle Klassen weitere Steuererleichterungen, die sich ebenfalls in ungefähr 'derselben Größenordnung bewegen, nämlich auch herauf bis zu 57 DM pro Jahr. Darüber hinaus schließt sich unser Vorschlag an den Tarifvorschlag des Finanzausschusses an.
*) Vgl. Stenographischen Bericht der 55. Sitzung Seite 2701.
Es ist also ein echter Tarifvorschlag. Da sich am vergangenen Dienstag einige Kollegen von den Koalitionsparteien ausdrücklich dafür ausgesprochen haben, die gerechte Belastung des Steuerpflichtigen bevorzugt durch eine entsprechende Gestaltung des Steuertarifes zu erreichen, hoffe ich, daß mir diese Kollegen auch bezüglich meines Vorschlages zustimmen werden.
Ich habe weiter die Hoffnung, daß gewürdigt wird, daß sich die SPD bei diesem Vorschlag zur Tarifgestaltung außerordentliche Beschränkung und Mäßigung auferlegt hat. Sie werden sich erinnern, daß wir bei früheren Diskussionen zum Einkommensteuergesetz stets den Standpunkt vertreten haben, daß der Steuerfreibetrag für die Ledigen und für jeden Ehegatten auf 1500 DM pro Jahr heraufgesetzt werden muß. Wir haben zumindest für die heutige Auseinandersetzung auf eine Wiederholung dieser Forderung verzichtet, weil wir uns darüber klar sind, daß der Steuerausfall bei Verwirklichung dieser Forderung im Augenblick außerordentlich groß sein würde, und weil uns zur Zeit andere sozialpolitische Anliegen noch mehr am Herzen liegen als die Verwirklichung dieser Forderung.
Eben wegen dieser Beschränkung, die wir uns bei unserem Antrag auferlegt haben, ist auch der Steuerausfall, der bei Annahme unseres Antrages eintreten würde, verhältnismäßig gering. Er kann auf etwa 170 Millionen DM geschätzt werden, wobei allerdings von uns berücksichtigt worden ist, ,daß durch die erhöhten kleinen Einkommen, die dann für den Konsum zur Verfügung stehen, auch eine entsprechende Steigerung des Umsatzsteueraufkommens eintreten wird.
Ich bin also der Meinung, daß es ein sehr bescheidener Vorschlag ist. Ich möchte ihn einmal mit dem vergleichen, was der neue Tarif den Einkommen über 15 000 DM pro Jahr bringt. Er bringt nach unwidersprochenen Schätzungen den Einkommen über 15 000 DM im Jahr - das sind überhaupt nur etwa 150 000 Steuerfälle - eine Steuererleichterung in der Größenordnung von 500 Millionen DM pro Jahr. Diese bitte ich Sie mit den 170 Millionen DM, die gemäß unserem Vorschlag 7 Millionen Steuerpflichtigen zugute kommen, zu vergleichen. Unser Tarifvorschlag zeigt also in der Tat den Weg, wie man die kleinen Einkommen mit einer geringstmöglichen Belastung des Bundeshaushaltes wirksam entlasten kann.
Deshalb fällt es uns auch nicht schwer, einen Deckungsvorschlag dafür zu machen, insbesondere wenn berücksichtigt wird, welche Anträge aus den Reihen der Koalitionsparteien noch vorliegen. Der Antrag zur Wiederherstellung der Spaltung des Körperschaftsteuersatzes und der Antrag zur Wiedererhöhung der Leistungen aus der Ausfuhrförderung z. B. machen zusammen nahezu ebensoviel aus wie das, was bei Annahme unseres Antrages notwendig werden würde.
Für die Dringlichkeit und Notwendigkeit der Erleichterung der Steuerlasten für die kleinen Einkommen sprechen aber nun eine ganze Reihe sehr gewichtiger Gesichtspunkte. Erstens betrug der steuerfreie Betrag für den Ledigen vor dem Kriege schon 750 Mark. Dieser Betrag würde durch den Vorschlag des Ausschusses lediglich auf 900 DM erhöht werden. Vergleichen Sie einmal, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, diese sehr bescheidene Erhöhung um ungefähr
({0})
20 % mit der Steigerung der Lebenshaltungskosten seit der Vorkriegszeit! Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die steuerfreien Beträge der Verdopplung der Lebenshaltungskosten angepaßt werden müssen.
Das zweite, was zum Vergleich herangezogen werden muß, sind die steuerfreien Beträge in anderen westeuropäischen Ländern. Da müssen wir feststellen, daß z. B. in Großbritannien und Italien der steuerfreie Betrag 1600 DM beträgt, in Frankreich 1425 DM und sogar in Österreich 1225 DM. Wir würden uns mit einem steuerfreien Betrag von 900 DM in Westeuropa nur noch in der Nachbarschaft von Griechenland mit einem steuerfreien Betrag von 850 DM befinden.
({1})
Ich glaube, auf diese Nachbarschaft können wir wirklich nicht besonders stolz sein.
Wie steht es nun drittens mit dem Verhältnis der Tarifsenkung bei den großen und kleinen Einkommen gemäß den Vorschlägen des Finanzausschusses, die in dieser Beziehung sogar noch eine wesentliche Verbesserung bringen gegenüber dem, was die Regierungsvorlage enthält? Für die ersten 1000 DM oberhalb der Grenze der Steuerpflicht von 900 DM beträgt die Erleichterung etwa 15 % des bisherigen Steuerbetrags, für die nächsten 1000 DM sogar nur 7 % und für die dritten 1000 DM dann etwa 10 %, also über den Daumen gepeilt ungefähr 10 % für die ersten dreimal 1000 DM zu versteuerndes Einkommen.
Wie sieht es nun mit der prozentualen Reduzierung der Steuerbeträge für die großen Einkommen aus? Bei 50 000 DM im Jahr, bei 200 000 DM im Jahr und bei 600 000 DM im Jahr beträgt die Reduzierung der Steuerbeträge gemäß dem Vorschlag des Finanzausschusses 22 oder 23 %.
({2})
Vergleichen Sie das bitte mit den etwa 10 %
Steuererleichterungen für die kleinen Einkommen!
({3})
- Das kommt noch mit dazu, sehr richtig, Herr Raestrup! - Ich muß also folgendes feststellen: Eine Steuersenkung, die die Steuersätze für die großen Einkommen um wesentlich höhere Prozentsätze herabsetzt als die für die kleinen Einkommen, muß unter allen Umständen als unsozial bezeichnet werden, gerade auch im Hinblick darauf, daß unsere steuerfreien Beträge in einem überhaupt nicht zu verantwortenden Verhältnis zu dem Existenzminimum stehen. Weiter müssen Sie beachten, daß diese kleinen Einkommen indirekt durch unsere Umsatz- und Verbrauchsteuer sogar noch in einer Größenordnung von etwa 15 % des Brutto-Einkommens belastet sind. Diesen eindeutigen Notstand für die Bezieher kleiner Einkommen versucht unser Antrag wenigstens teilweise auf einem sehr ökonomischen Wege zu beseitigen.
Lassen Sie mich aber noch für diejenigen, für die die Gesichtspunkte der sozialen Gerechtigkeit nicht so ausschlaggebend sind wie wirtschaftspolitische Gesichtspunkte, auch einiges von der wirtschaftspolitischen und insbesondere von der konjunkturpolitischen Seite zu diesen Dingen sagen. Dazu sagt die Begründung des Regierungsentwurfs einige Sätze, die auch wir von der SPD hundertprozentig unterschreiben können. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten diese beiden Sätze vorlesen:
Die Aufbauphasen, in denen die Kapitalbildung unter allen Umständen und in jeder Form eindeutig den Vorrang besaß, gehen jetzt zu Ende.
Dem können wir nur zustimmen. Die Begründung der Bundesregierung sagt weiter:
Alle Produktion findet ihren Sinn nur in der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse.
Das sind einige sehr gute Grundsätze. Um so erstaunlicher ist es, daß die Regierungsvorlage und auch die Ausschußbeschlüsse wieder an der einseitigen und bevorzugten Entlastung gerade derjenigen Einkommen festhalten, die in erster Linie für die Investitionen in Frage kommen. Und dabei - das wissen Sie ja auch, meine Damen und Herren - läuft seit Anfang dieses Jahres wieder einmal die Investitionsgüterproduktion der stagnierenden Konsumgüterproduktion weg. Wir alle wissen, daß im Ablauf der Konjunktur mit Gleichgewichtsstörungen gerechnet werden kann und vielleicht sogar gerechnet werden muß, wenn es nicht gelingt, hier ein gesundes Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Jeder, der in der Wirtschaft steht, weiß auch, daß auf die Dauer der Anreiz zur Investition nicht gegeben ist, wenn nicht auch die Aussicht besteht, daß der Konsum laufend gesteigert wird.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Es sprechen nicht nur entscheidende wirtschaftspolitische und konjunkturpolitische Gesichtspunkte für eine stärkere Entlastung der kleinen Einkommen, sondern für eine solche fühlbare Entlastung sprechen auch elementare Gesichtspunkte der sozialen Gerechtigkeit. Die Annahme unseres Antrags würde wenigstens in diesem Punkt in die Vorlage ein soziales Element hineinbringen. Es ist dringend erforderlich, daß gerade die Belange der großen Menge der kleinen Einkommensbezieher endlich einmal in angemessenem Umfang bei den Steuerreformen berücksichtigt werden.
Nun ein kurzes Wort zum Antrag der Kollegen Raestrup, Kirchhoff und Genossen auf Umdruck 208, der vorhin vom Kollegen Kirchhoff begründet worden ist. Herr Kollege Kirchhoff hat bei seiner Begründung leider nicht erwähnt, was das kostet. tine überschlägliche Schätzung ergibt, daß sein Antrag einen Steuerausfall von ungefähr 130 Millionen DM pro Jahr bedeuten würde. Diese 130 Millionen DM verteilen sich nur etwa auf 120 000 Steuerfälle. Ich glaube, daß damit die Stellungnahme der SPD zu diesem Antrag klar ist: Wir lehnen den Antrag ab und bitten Sie, dafür unseren Antrag anzunehmen, der nicht 120 000 Steuerpflichtigen eine Entlastung um 130 Millionen DM bringt, sondern 7 Millionen Steuerpflichtigen eine Entlastung um 170 Millionen DM.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche in diesem Augenblick nicht für meine Fraktion, sondern persönlich. Man kann zu den Angelegenheiten, die mit dem Umdruck 208 zusammenhängen, nicht gut Stellung nehmen, ohne sich gleichzeitig mit dem gespaltenen Körperschaftsteuertarif zu beschäftigen. Da das aber
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nach der gottgewollten Reihenfolge der Paragraphen bzw. Vorlagen jetzt im Augenblick nicht geht - -({1})
- Ich weiß, das ist euch vorbehalten, aber ich kann es ja auch einmal tun! Jedenfalls war es gut gemeint. Lieber Kollege Dresbach, mit Ihren 60 Jahren wollen Sie da in Zukunft vielleicht doch ein bißchen milder werden; ich bin es jedenfalls geworden.
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Ja, meine verehrten Damen und Herren, ich glaube, wenn man dem gespaltenen Körperschaftsteuertarif zustimmt - und ich tue das und habe wahrscheinlich nachher noch Gelegenheit, das zu begründen, nachdem kluge Leute auf den Gedanken gekommen sind, ihn wieder zu beseitigen; er soll ja nicht eingeführt werden, ein Denkfehler, der an vielen Stellen ohnehin gemacht wird, sondern beibehalten werden -,
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wäre es nur logisch, dem Antrag Umdruck 208 zuzustimmen. Diese Logik hat mir neulich der verehrte Herr Vertreter des Finanzministeriums, Herr Staatssekretär Hartmann, bescheinigt. Und das will viel bedeuten, wenn einem vom Finanzministerium aus Logik bescheinigt wird;
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darauf bin ich also gelegentlich stolz. Und nun bin ich trotzdem dafür, meine Damen und Herren, daß wir die Logik nicht übertreiben, sondern unlogisch sind. Ja, ich sage das ganz roh und lieblos. Ich glaube, wir können unseren verehrten Bundesfinanzminister auf dem Krankenbett - ich sehe ihn unentwegt vor mir, so ungefähr in der Karikatur, die heute morgen in der Zeitung war, Sie haben sie ja alle gesehen - nun auch nicht strapazieren. Denn Herr Kollege Kurlbaum hat recht, wenn er gesagt hat, es kostet 130 Millionen DM - ich bin sogar noch etwas teurer; ich glaube, es werden beinahe 150 Millionen DM -, und wir stehen vor der Frage - vor der stehen wir morgen noch unmittelbarer, aber wir müssen uns die ganze Lesung hindurch als vor diese Frage gestellt betrachten -: Was können wir verlangen? Was können wir dem Bundesfinanzminister im Augenblick zumuten? Im Augenblick; es ist ja noch nicht aller Tage Abend, Herr Hartmann, es kommt der Abend, wo wir noch üppiger werden, und der dauert sogar gar nicht mehr lange, der dauert vielleicht noch ein Jahr. In d e m Augenblick also werde ich mich auch für den Umdruck 208 aussprechen, aber im Moment bin ich nicht dazu in der Lage, sosehr er meinen persönlichen Anschauungen entspricht. Die menschliche Unvollkommenheit, unter die wir alle gestellt sind - ich will versuchen, den lieben Gott beiseite zu lassen, Herr Dresbach -, hindert uns, alles auf einmal zu tun.
Wenn ich Sie daher bitte, meine Damen und Herren - jetzt spreche ich für meine Fraktion; man muß versuchen, den Übergang zu finden -,
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allen Tarifänderungsanträgen bei der Einkommensteuer Ihre Zustimmung im Augenblick zu versagen, dann tue ich das deshalb, weil ich glaube, wir haben mit dem Antrag, den wir im Ausschuß
angenommen haben und der infolgedessen im Schriftlichen Bericht schon enthalten ist, mit dem Antrag unseres Kollegen Neuburger, dasjenige getan, womit man sich im Augenblick beruhigen kann. Wir haben in diesem Antrag, Herr Kollege Kurlbaum, weitgehend auch den Gedanken Rechnung getragen, von denen Sie gesprochen haben. Sie müssen nicht immer an die reichen Leute denken, an die Einzelpersonen, die es ja gibt, sondern Sie müssen an diejenigen Wirtschaftler denken, die aus sehr beachtlichen Gründen es für richtig befunden haben, die Form der Personengesellschaft, von der wir ja alle herkommen, beizubehalten. Dafür sollten wir diese Leute, wenn ich mich so ausdrücken darf, in Gold fassen
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und sollten sie nicht beschimpfen. Denn: bilden Sie sich doch bloß nicht ein - ich weiß es doch! -, daß das Heil der Welt in der anonymen Gesellschaft liegt! Ich bin 25 Jahre Vorstandsmitglied einer anonymen Gesellschaft; ein wenig also verstehe ich davon.
Ich bin also der Meinung, wir müssen berücksichtigen, was wir bisher für die höheren Einkommen, sprich Personengesellschaften, bei der Einkommensteuer getan haben. Ich wiederhole: längst nicht das, was wir für die mittleren und kleinen Einkommen getan haben, selbstverständlich, wenn man die Dinge sine ira et studio einfach an Hand der Zahlen seit den Tagen des Wirtschaftsrats betrachtet und von dem Fundament ausgeht: von der Kontrollratsgesetzgebung, einem sehr mäßigen Fundament, nebenbei gesagt.
Was ist weiter geschehen? Es ist doch in unserem Gesetz und schon in der Kleinen Steuerreform ein sehr beachtlicher Schritt - nach Ansicht meines Freundes Pelster immer noch nicht völlig folgerichtig, aber doch schon mit sehr großen lichten Zwischenräumen - getan worden, indem man den Vergünstigungen den Garaus gemacht hat. Ich habe mich vorgestern sehr intensiv und temperamentvoll dafür eingesetzt, daß wir auf diesem Wege fortschreiten.
Wir sind der Meinung, daß die Sätze zu hoch sind. Damit komme ich zu Ihrem Vergleich mit Griechenland, lieber Herr Kurlbaum. Ich war auf dem humanistischen Gymnasium. Ich fühle mich infolgedessen in der Nachbarschaft von Griechenland gar nicht so schlecht, wie Sie sich da anscheinend fühlen.
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- Nein, die möchte ich auch nicht kennenlernen, vor allen Dingen möchte ich sie nicht mit den unsrigen vergleichen.
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Ich bin selbstverständlich der Auffassung, daß die griechischen Verhältnisse - das wissen wir ja alle - mit den unsrigen Gott sei Dank gar nicht vergleichbar sind, vielmehr umgekehrt die unsrigen mit den griechischen Verhältnissen!
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Ich komme zum Schluß. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir des Guten genug sein lassen müs({10})
sen, Herr Raestrup, nicht wollen oder sollen, sondern müssen, wenn wir uns auf den NeuburgerTarif konzentrieren, und ich beantrage, sowohl den Antrag Umdruck 202 Ziffer 16 als auch den Antrag Umdruck 208 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Raestrup.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst grundsätzlich eins: Der Antrag, den meine Freunde und ich gestellt haben, will in keiner Weise direkt oder indirekt die Besteuerung der kleinen Einkommen beeinflussen. Sie können so niedrig sein, wie sie wollen; ich werde niemals widersprechen. Aber ich möchte doch folgendes sagen. Wenn man hier von hohen Einkommen spricht - und ich spreche jetzt einmal vom Standpunkt der großen Personengesellschaften aus -, dann leiden wir darunter, daß man hier das steuerlich erfaßte Betriebsergebnis einer großen Personengesellschaft mit dem Begriff Einkommen gleichstellt, und dann gewinnen die wenigen Inhaber der großen Personengesellschaften sehr wenig Verständnis dafür, wenn sie auch um eine Steuerermäßigung bei den großen Einkommen bitten. Solange man diese Begriffe nicht auseinanderhält: den Begriff des konsumfähigen Einkommens und den Begriff des steuerlich ermittelten Betriebsergebnisses eines großen Personenunternehmens, werden wir immer Schwierigkeiten haben, eine gerechte Besteuerung der Personengesellschaft durchzusetzen.
Ich darf die Geduld oder meinetwegen auch die Ungeduld dieses Hohen Hauses in Anspruch nehmen, wenn ich mit einigen kurzen Sätzen auf die Behandlung der großen Einkommen der Personengesellschaften seit 1949 zurückkomme. Herr Kollege Kurlbaum, Sie sprechen davon, daß die Steuer bei den großen Einkommen, absolut gesehen, sehr stark gesenkt worden ist. Das ist richtig. Aber Sie sind von einem Einkommensteuersatz ausgegangen, dessen Höhe untragbar war. Wir hatten in den Jahren 1949 und 1950 eine derart hohe Besteuerung, daß von dem Gewinn überhaupt nichts übrigblieb. Da die Hohen Kommissare 'die Ermäßigung für die hohen Einkommen nicht wollten, haben wir uns damit geholfen, daß wir gesagt haben: Wenn in einem Personenbetrieb im Jahre 1949 nur 15 000 DM und im Jahre 1950 18 000 DM entnommen werden, dann kann der stehengebliebene Gewinn bevorzugt versteuert werden. Diese Bevorzugung ist im Jahre 1951 fortgefallen, und man kam statt dessen zu einem Plafond von 80 %. Wenn ich einen Plafond von 80 % nehme zuzüglich 4 % Notopfer Berlin und zuzüglich des Überhangs aus Kirchensteuer und Vermögensteuer, komme ich zu einer Belastung des Einkommens von 90 %. Rechne ich dazu noch das Aufkommen aus dem Lastenausgleich, so wurde tatsächlich der gesamte Gewinn weggesteuert. Deshalb ist man dazu übergegangen - das habe ich damals mit meinem leider verstorbenen Freunde Povel erreicht -, den § 32 b einzuführen. Der § 32 b besagte nichts weiter, als daß der Inhaber einer großen Personengesellschaft das Recht hatte, auf Antrag wie eine Kapitalgesellschaft versteuert zu werden. Das war ein außerordentlich entgegenkommender und vernünftiger gesetzgeberischer Akt. Aber die hohe
Ministerialbürokratie hat aus diesem ganz klaren Gedanken, wie er gesunder gar nicht sein kann, ein derartiges Gemisch von Rechtsverordnungen, Durchführungsverordnungen usw. gemacht, daß kein Mensch sich mehr in der Sache zurechtfinden konnte.
Im Jahre 1953 wurde beschlossen, alle Vergünstigungen abzubauen. Unter dem Abbau der Vergünstigungen verstand man auch die Aufhebung des Rechts eines Personengesellschafters, sich wie eine Kapitalgesellschaft versteuern zu lassen, weil das damals in den Augen des Steuerausschusses eine besondere Vergünstigung war. Das wäre noch nicht einmal so schlimm gewesen, obwohl noch ein Satz von 70 % im Plafond blieb, der in der Progression praktisch noch 95 % und in der tatsächlich zu zahlenden Steuer immer noch 85 % betrug. Aber dann hat man etwas gemacht - und darauf ist zum Teil auch mein Antrag zurückzuführen -, das sich geradezu katastrophal für die Personengesellschaften ausgewirkt hat. Man hat gesagt: Weil der § 32 b nicht mehr besteht, sind sämtliche stehengelassenen Gewinne nunmehr mit 100% ausgeschüttet, und ihr müßt diese mit 10 % nachversteuern - ein Vorgang, mit dem ich mich niemals einverstanden erklären kann. Man kann nicht im Jahre 1953 ein Gesetz mit rückwirkender Kraft von 1951 ab beschließen, so daß die Voraussetzungen, unter denen man damals optiert hat, als Kapitalgesellschaft Steuern zu zahlen, einfach über Bord geworfen werden. Es ist ein alter Grundsatz, daß Gesetze mit rückwirkender Kraft nicht beschlossen werden dürfen, und das hat man leider getan. Ich muß das in aller Deutlichkeit und Schärfe hier sagen.
Man ist dann aber großmütig gewesen und hat gesagt: Wir wollen bei der Versteuerung des nunmehr entnommenen Gewinns großzügig sein und nur 10% verlangen. Aber, meine Damen und Herren, nun haben die Personengesellschaften ganz plötzlich den stehengelassenen Gewinn aus den Jahren 1950, 1951, 1952 und 1953 mit je 10% zu versteuern. Da ist eine derartig gewaltige Steuerbelastung entstanden, daß selbst der Finanzminister ein menschliches Rühren bekommen hat. Er hat gesagt, er sei damit einverstanden, daß dieser Betrag auf drei oder vier Jahre verteilt werde, weil er begreife, daß er in einem Jahr gar nicht aufgebracht werden könne.
Sie sehen aus diesen kurzen Erklärungen, die ich Ihnen gegeben habe, daß man bei der Behandlung der großen Personengesellschaften keinen sehr glücklichen Weg gefunden hat. Das ist auch erklärlich; denn der einfache Steuerzahler sagt sich, wenn er etwas von einem Einkommen von 200-, 300- oder meinetwegen 400- oder 500 000 Mark hört: Laßt diese „Dickbälge" ruhig Steuern zahlen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, so geht es nicht. Denn eine große Personengesellschaft muß auch ein ihrer Größe und ihrer Entwicklung entsprechendes hohes Betriebsergebnis haben. Wir müssen genau so gut wie die Kapitalgesellschaften in der Lage sein, Reserven zu bilden, gerade wir, die wir mit unserem gesamten Vermögen für die Verbindlichkeiten unseres Unternehmens haften im Gegensatz zur Kapitalgesellschaft, bei der nur eine beschränkte, fixierte Haftung besteht. Wie sicher auch heute die Wirtschaftslage beurteilt werden mag, wir kommen auch einmal zu Krisenjahren. Daß dem Inhaber einer Personengesellschaft für den Fall des Eintritts einer Krise die Bildung einer möglichst großen Reserve ermöglicht wird, das ist
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ein ganz selbstverständliches Verlangen. Denn es ist ein ganz gewaltiger Unterschied, ob ich in Krisenzeiten mit meinem gesamten Vermögen oder nur mit dem in einer Kapitalgesellschaft fixierten Betrag hafte. Herr Kollege Wellhausen, es ist nicht notwendig - ich kenne Ihr Wohlwollen als Vorsitzender des Finanz- und Steuerausschusses -, augenblicklich so etwas durchzusetzen. Das ist ja nicht die letzte Steuerreform, die wir machen. Wir bekommen die „permanente Steuerreform". Ich sage: Solange wir über Steuern sprechen, werde ich von dieser Stelle aus in aller Öffentlichkeit Gerechtigkeit für die Personengesellschaften verlangen.
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Denn diejenigen, die den Mut besitzen, mit ihrem gesamten Vermögen für ihre geschäftlichen Maßnahmen zu haften, sollen steuerlich nicht bestraft, sondern eher belohnt werden.
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Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon mehrfach über die steuerliche Gerechtigkeit und über die Wahrung der finanzwirtschaftlichen Ordnung gesprochen worden. Ich habe es begrüßt, daß der Herr Abgeordnete Kurlbaum eben auch seinerseits auf diesen Zusammenhang gekommen ist und betont hat, daß es notwendig ist, auch wenn Anträge noch so wünschenswert sind, dabei nicht zu vergessen, daß der 1 Bundeshaushalt in der Lage bleiben muß, auf seiner Ausgabenseite die notwendigen sozialen Aufgaben zu erfüllen. Das bedeutet eben eine Beschränkung auch in dem, was wünschenswert sein mag. Schließlich ist ja heute noch nicht aller Tage Abend. Das hat Herr Dr. Wellhausen eben angedeutet.
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Ich darf hier noch einmal Bezug nehmen auf den Bericht, den der Herr Abgeordnete Lindrath vorgestern zu Beginn der Sitzung gegeben hat. Die Steuerermäßigungen, die die Regierung vorgeschlagen hatte, machten 2 400 000 000 DM aus, die Beschlüsse des Finanzausschusses mehr als 700 weitere Millionen. Dann sind allerdings einige Rückrechnungen erfolgt. Man hatte damals angenommen, daß von diesen Beträgen eine Reihe von Hunderten von Millionen nicht zur Entstehung kommen würden. Es ist aber heute schon die Steuerfreiheit der Mehrarbeitszuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit beschlossen worden. Hinsichtlich der Haushaltsbesteuerung ist der Antrag auf Umdruck 210 angenommen worden. Von den Beschlüssen des Finanzausschusses bleiben dann also noch übrig einmal der gespaltene Körperschaftsteuersatz und andererseits die Rücklage für die Exportförderung, über die gleich zu sprechen sein wird. Ich möchte hier nun nicht pathetisch werden, mag soeben auch der Geist von Hamlets Vater beschworen worden sein - wenn ich Herrn Kirchhoff recht verstanden habe -, damit die mittleren und größeren Unternehmer ihre alten Schlitten wieder in Ordnung bringen können. So hatten Sie gesagt, nicht? Ich darf nun auf folgendes hinweisen: Ich glaube, Herr Dr. Wellhausen hatte recht, als er sagte, daß alle diese Dinge miteinander im Zusammenhang stehen, insbesondere auch mit der Frage des gespaltenen
Körperschaftsteuersatzes. Ich glaube, daß wir hier vor einer der finanzwirtschaftlich entscheidenden Abstimmungen stehen. Was bisher beschlossen worden ist, betrifft teils die Systematik, teils gewisse Ausgleiche und hat finanzwirtschaftlich nicht so erhebliche Bedeutung. Hier aber müssen die Konsequenzen ganz ernst ins Auge gefaßt werden. Nach unserer Ausrechnung würde der Antrag der SPD mehr als 170 Millionen DM kosten, etwa 200 Millionen DM, vielleicht noch mehr.
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- Ja, das ist zurückgerechnet; das ist natürlich richtig. - Der Antrag Raestrup würde 150 bis 200 Millionen DM kosten. Ich darf darauf hinweisen, daß ein Durchschnittseinkommensteuersatz von 50 % nach dem Tarif, wie er jetzt dem Hohen Haus vorliegt, erst bei 350 000 DM Einkommen erreicht wird.
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Diesen psychologisch so wichtigen Satz der Besteuerung von nicht mehr als 50 % erreicht man also erst bei 350 000 DM Einkommen.
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Dazu kommt noch, daß die degressive Abschreibung in der Praxis weitgehend erleichtert worden ist, außerhalb des Tarifs, so daß dadurch gerade für mittlere und größere Unternehmer ein ganz erheblicher Spielraum für Investitionen geschaffen worden ist.
Nun ist Herr Dr. Wellhausen auf die steuerliche Logik zu sprechen gekommen. Ich möchte ihm da auf dem Pfad der Unlogik nicht gern folgen, sondern möchte sagen, daß auch die steuerliche Logik in bezug auf die Notwendigkeiten der Volkswirtschaft dann am besten gewahrt ist, wenn das Hohe Haus dem Vorschlag des Finanzausschusses folgt, sowohl was den Tarif Neuburger wie den gespaltenen Körperschaftsteuersatz betrifft. Wir müssen doch alle diese Dinge im Zusammenhang sehen.
Ich hatte mir am Dienstag erlaubt, auf die mutmaßliche Stellungnahme des Bundesrats hinzuweisen. Ich werde das später nochmals tun, muß das auch in diesem Augenblick tun. Die Länder werden zu 60, vielleicht zu 70 % an diesen Steuern beteiligt sein. Es sollte doch alles versucht werden, um zu vermeiden, daß der Bundesrat wegen der Steuervorlagen den Vermittlungsausschuß anruft. Die Anträge, die jetzt zur Abstimmung stehen, haben einen solchen Umfang, daß die Gefahr einer Anrufung des Vermittlungsausschusses besteht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär hat eben die Worte gebraucht, daß wir hier vor entscheidenden Abstimmungen stehen. Ich glaube, er hat darin recht. Wir haben hier über ein entscheidendes wirtschaftspolitisches Problem zu beschließen. Die Entscheidung dürfte eigentlich schon seit langem getroffen sein. In verschiedenen Regierungserklärungen hat die Bundesregierung immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß sie in der Wirtschaft in erster Linie den privaten Unternehmer zu fördern gedenkt
({0})
({1})
und daß der verantwortungsbewußte und selbstverantwortliche Unternehmer den Vorzug vor der anonymen Kapitalgesellschaft verdient.
({2})
Unsere Steuergesetzgebung ist vorläufig nach dem Gegenteil ausgerichtet.
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Wenn wir hier die Anträge, die Herr Kollege Raestrup gestellt hat, verteidigen, dann verteidigen wir nur das Wirtschaftsprinzip, das sich die Bundesregierung selbst aufgestellt hat. Ich vermisse leider unsern Herrn Wirtschaftsminister; er hätte uns hierbei helfen und unterstützen müssen, denn seine Wirtschaftspolitik könnte durch diese Maßnahmen doch nur gefördert werden.
Wir werden allerdings - und insofern muß ich Herrn Staatssekretär recht geben - diese Fragen nur im großen Zusammenhang behandeln können, und den Zusammenhang werden wir erst später bei der Körperschaftsteuer finden. Aus diesem Grunde werden wir vielleicht jetzt nicht zu der endgültigen Entscheidung kommen können. Aber ich möchte auf einige Äußerungen zurückkommen, die der Herr Staatssekretär eben gemacht hat. Wenn er sagt, daß die Forderung von Herrn Raestrup 150 Millionen kosten würde, dann darf ich auch darauf hinweisen: wieviel Kredite gibt der Bund aus Mitteln des Steuerzahlers irgendwie an andere Unternehmungen, und zwar sicherlich nicht an die Unternehmungen, die am meisten kreditbedürftig sind?!
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Schon bei den letzten Steuerreformen haben wir immer wieder - Herr Staatssekretär Hartmann, Sie werden sich daran erinnern - auf die Wiederherstellung des § 10 a gedrängt. Immer wurde dieser sicherlich gerechte Paragraph abgelehnt. Es handelt sich nicht darum, hohe Einkommen zu begünstigen, sondern es handelt sich darum, hier eine wirtschaftliche Form zu finden, die für den Privatunternehmer einen Ausgleich gegenüber der Kapitalgesellschaft darstellt. Wir sollten dahin kommen, daß im Grunde nur selbstverantwortliche Unternehmer in Deutschland vorhanden sind. Nur dort, wo das wegen der Größe des Betriebes oder wegen anderer Umstände nicht möglich ist, sollte man zur Kapitalgesellschaft kommen. Diese Kapitalgesellschaft sollte aber soviel Nachteile erfahren, daß sie nur unter den äußersten Umständen gegründet wird; sie sollte nicht das Primäre in unserer Wirtschaftsordnung sein.
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- Wenn wir diesen Standpunkt verlassen, Herr Kollege Dresbach, dann setzen wir uns in Gegensatz zu der Wirtschaftspolitik des Herrn Wirtschaftsminister Erhard.
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Der Herr Staatssekretär hat noch darauf hingewiesen, daß die 'degressive Abschreibung auch eine Möglichkeit der Eigenkapitalbildung schaffe.
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- Ja, bei der Körperschaftsteuer ist das in viel größerem Umfange der Fall. Aber das ist doch hier bei der Gegenüberstellung kein Argument.
Es ist der Einwand, daß die Länder dagegen Einspruch erheben könnten, geltend gemacht worden.
Ich glaube, daß die Parlamente der Länder ihren Ministerien in diesem Falle aber ganz gehörig die Meinung sagen werden und daß sie auch darauf drängen werden, hier einer wirtschaftlich gerechten Form die Zustimmung zu geben.
Ich wiederhole: wir können diesen Punkt nicht abschließend behandeln, bevor wir uns nicht über die Frage des Körperschaftsteuersatzes einig geworden sind. Aus diesem Grunde stelle ich den Antrag, die Beschlußfassung über diesen Paragraphen zurückzustellen, bis wir Beschluß fassen über die Höhe des Körperschafsteuertarifes und die Frage des gespaltenen oder nicht gespaltenen Tarifes. Davon hängt auch diese Entscheidung hier ab. Es muß eine Gleichmäßigkeit für beide Teile der Wirtschaft erreicht werden. Man kann nicht für die eine Gruppe die Steuer senken und für die andere nicht.
({8})
Wird noch das Wort gewünscht? - Es steht also der Antrag des Abgeordneten Dr. Atzenroth zur Abstimmung, die ganze Ziffer 33 zurückzustellen.
({0})
- Ja, der Antrag ist aber gestellt; ob Sie ihm stattgeben wollen oder nicht, ist Ihre Angelegenheit.
({1})
- Zur Geschäftsordnung?
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Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Antrag meines Fraktionsfreundes Atzenroth abzulehnen. Ich glaube, Ihnen vorhin hinreichend auseinandergesetzt zu haben, wie die Dinge sich ineinander verzahnen. Das hat Herr Kollege Atzenroth nochmals getan. Aber ich hatte gedacht, Sie hätten es schon vorher verstanden. Immerhin geht daraus hervor, daß wir nicht beides machen können. Die Entscheidung, ob wir beides machen können oder nur eines, können wir sowohl jetzt wie später treffen. Da wir vorankommen müssen, möchte ich Sie sehr herzlich bitten, den Antrag Raestrup jetzt schon zu bescheiden, und zwar ihn aus den von mir vorhin dargelegten Gründen abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Es ist für und gegen den Antrag auf Zurückstellung der Abstimmung über Ziffer 33 gesprochen worden. Wer dem Antrag des Abgeordneten Dr. Atzenroth, die Abstimmung zurückzustellen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit treten wir in die sachlichen Abstimmungen ein. Ich rufe zur Abstimmung den Antrag Umdruck 202 Ziffer 16 auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe zur Abstimmung den Änderungsantrag auf Umdruck 208 auf. Wer ihm zuzustimmen
({0})
wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe zur Abstimmung den Antrag Umdruck 225 ({1}) *) auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer der Ziffer 33 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Art. 2, und zwar die Absätze 1,-2,-2a,-2b,-2c,-3,-3a,4, - 4 a, - 5 und 6. - Soweit liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Abs. 6 a mit dem Umdruck 236 und darf darauf aufmerksam machen, daß dieser Umdruck den bisherigen Umdruck 219, der zurückgezogen ist, ersetzt.
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 236**) hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei diesem Umdruck um den alten § 33 a, um den Pauschalabzug für Beschaffungen von Hausrat für Vertriebene und die ihnen gleichgestellten Gruppen. Die Ausschußfassung lautet dahin, daß diese Vorschriften mit der Maßgabe erhalten bleiben, „daß sie bei einem Steuerpflichtigen jeweils nur für das Kalenderjahr, in dem bei ihm die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrages nach diesen Vorschriften eingetreten sind, und für die beiden folgenden Kalenderjahre anzuwenden sind".
Über die Auslegung dieser Ausschußbestimmung sind Zweifel entstanden. Es ist zweifelhaft geworden, ob unter den Voraussetzungen nur die Merkmale zu verstehen sind, nach denen sich die Zugehörigkeit eines Steuerpflichtigen zu dieser Gruppe bestimmt, oder ob auch der Umstand, daß jemand neu in die Einkommensteuerpflicht hineinkommt, zu diesen Voraussetzungen gehört. Ich will ein Beispiel bilden, um das völlig klarzumachen. Es ist fraglich, ob ein Vertriebener oder anderer Geschädigter, der jahrelang in der Bundesrepublik ansässig war und meinetwegen erst im Jahre 1953 in die Steuerpflicht 'gekommen ist, für 1953, 1954 und 1955 diese Steuervergünstigung in Anspruch nehmen darf oder nicht. Diese Zweifel wollten wir mit dem Umdruck 219 ausräumen.
Ich habe Gelegenheit genommen, die Frage mit dem Herrn Staatssekretär Hartmann und dem Herrn Vorsitzenden ides zuständigen Ausschusses zu besprechen. Beide haben mir übereinstimmend gesagt, daß unsere Zweifel unbegründet sind, daß auch das Hineinwachsen in die Steuerpflicht zu diesen Voraussetzungen gehört. Nachdem diese Klarstellung erfolgt war, ist der Antrag in dieser Form nicht mehr erforderlich. Wir haben ihn zurückgezogen und statt dessen den Antrag nach dem Umdruck 236**) gestellt, der Ihnen vorliegt.
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 13.
Dieser Antrag verlangt lediglich die Änderung eines einzigen Wortes der Ausschußfassung, nämlich daß es jetzt nicht mehr heißen soll „für die beiden folgenden Kalenderjahre", sondern: „für die vier folgenden Kalenderjahre". An die Stelle des Wortes „beiden" soll das Wort „vier" treten. Das bedeutet, daß die Steuervergünstigung nicht, wie es die Ausschußfassung vorschlägt, nur noch für drei Jahre oder insgesamt für drei Jahre, sondern insgesamt für 5 Jahre gegeben werden soll.
Ich darf darauf hinweisen, daß der Anspruch, den wir erheben, nur der Höhe nach streitig ist, dem Grunde nach aber unbestritten ist, einmal weil diese Regelung schon im fünften Jahre besteht - ({0})
- Ja, das ist vielleicht mißverständlich; ich meine: der Zeit nach, wobei ich sie gleich „Höhe" setze. Während diese Regelung nach der Ausschußfassung drei Jahre bestehenbleiben soll, bitten wir also, sie auf fünf Jahre zu verlängern. Ich sage das deshalb, damit nicht wieder neue Grundsatzerörterungen aufkommen.
Nun möchte ich diesen Antrag noch ganz kurz nach dieser Richtung hin begründen. Es sind zwei Erwägungen, die hier maßgebend sein müssen. Erstens ist der Betrag, der in diesen drei Jahren zum Abzug kommen kann, zu gering. Wenn man einen Durchschnittsbetrag nehmen muß man wohl etwa 2000 DM nehmen; es kann etwas mehr, auch etwas weniger sein. Diese Summe reicht keinesfalls aus, den Totalverlust an Hausrat bzw. den dadurch entstandenen Nachholbedarf auszugleichen.
Der zweite Grund ist der, daß diese Regelung jetzt im fünften Jahr in Kraft ist und daß also die Geschädigten, die rechtzeitig, vielmehr: frühzeitig dawaren - „rechtzeitig" kann man in diesem Fall wirklich nicht sagen - und auch frühzeitig in Arbeit gekommen sind, fünf Jahre lang davon Gebrauch machen konnten. Hinzu kommt, daß in diesen fünf Jahren mindestens zwei oder vielleicht drei Jahre lang die Möglichkeit bestand, einen doppelten Abzug in dieser Höhe zu machen. So konnte man auf eine Gesamtsumme von vielleicht dem Doppelten dessen kommen, was wir jetzt freigeben wollen. Ich frage mich: ist das gerechtfertigt, wenn man sich vor Augen hält, daß es hier doch gerade um die zu spät Gekommenen geht, auch um die zu spät in Arbeit Gekommenen geht, deren Nachholbedarf in diesen Jahren, wo sie etwa in der Sowjetzone oder im Vertreibungsgebiet lebten oder arbeitslos waren, doch keineswegs geringer geworden ist? Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, auch ihnen diese Vergünstigung für denselben Zeitraum zu geben.
Wiederholt ist heute darauf hingewiesen worden, das System verlange einen Abbau der Steuervergünstigungen. Meine Damen und Herren, darum geht es hier nicht. In beiden Fällen - nach unserem Antrag und auch nach dem des Ausschusses - erfolgt ein Abbau der Vergünstigungen. Bei uns erfolgt er etwas langsamer. Aber selbst wenn das System noch sosehr recht hat, bin ich doch der Meinung, daß das Tempo des Abbaus sich nicht nach solchen Forderungen richten darf, sondern sich allein nach der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Betroffenen richten muß. Niemand wird
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sagen können, daß diese einen schnelleren Abbau zuläßt. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag stattzugeben.
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Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß eine Vorschrift dieses Inhalts in der Regierungsvorlage überhaupt nicht enthalten war.
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Die Vorschrift in der jetzigen Fassung hat der Ausschuß hineingebracht, und wir haben nicht die Absicht, dagegen irgendwelche Bedenken zu erheben. Ich darf aber dann doch bitten, es bei der Frist von drei Jahren, die der Ausschuß beschlossen hat, zu belassen und nicht über drei Jahre hinauszugehen.
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Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Dann kommen wir jetzt zur Abstimmung über den Umdruck 236. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich darf die Abstimmung wiederholen: wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Abs. 6 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die Absätze 7, 8 und 9. Änderungsanträge sind nicht gestellt; Wortmeldungen liegen. nicht vor. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben.-Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 3. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Art. 3 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Art. 4 auf, und zwar die Ziffern 1, -1 a, - 2 und 3. - Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe Ziffer 4 mit Umdruck 233*) auf. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag, der lautet: „Die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gilt nicht als Ausschüttung", hat unter Umständen nur eine deklaratorische Bedeutung, nämlich dann, wenn Ziffer 7 a der vorliegenden Vorlage angenommen wird. Wenn die Vorschrift über die Mindestbesteuerung entfällt, wird im Rahmen der Körperschaftsteuer eine Ergänzung des § 6 in dieser Form nicht nötig sein.
*) Siehe Anlage 12.
Ich möchte Ihnen kurz den Zweck dieses Antrages erläutern, der dann noch in der dritten Lesung im Rahmen der Einkommensteuer Bedeutung erlangen wird. Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bedeutet nur eine Umschichtung auf der Passivseite der Bilanz, nicht mehr. Das heißt, aus versteuerten Reserven wird Nennkapital gebildet. Das dient dem Gedanken der Bilanzwahrheit. Es führt auch dazu, daß in der Öffentlichkeit nicht Dividendenziffern genannt werden, die Erträgen oder Kapitalien entsprechen, die eben unrichtig sind, die nicht stimmen. Ich bin deshalb der Meinung, man sollte eine solche Umschichtung im Interesse der Bilanzwahrheit und -klarheit zulassen und es damit auch ermöglichen, daß Reservenbildungen, die in jüngster Zeit, namentlich in den Jahren nach 1948, erfolgt sind, nun tatsächlich dem Zweck zugeführt werden, den sie haben, nämlich Kapital zu bilden.
Im ausländischen Recht ist diese Frage gerade in den letzten Jahren mehrfach akut geworden. Die Züricher Oberrekurskommission hat sich nun entschlossen - im Gegensatz zu ihrer früheren Rechtsprechung -, die steuerfreie Umschichtung von Betriebsvermögen auf der Passivseite der Bilanz zuzulassen. Sie hat das aus betriebswirtschaftlichen, auch aus volkswirtschaftlichen Gründen getan. Irgendein Steuerausfall entsteht durch diese Umschichtung deshalb nicht, weil nämlich die bisherige Besteuerung, die auf einer reinen Fiktion beruht hat - nämlich der Fiktion einer Ausschüttung und einer Wiederzuleitung zu Nennkapital -, ja prohibitiv gewirkt hat. Diese prohibitive Wirkung bedeutet eben, daß tatsächlich bereits der Körperschaftsteuer unterworfene Reserven nicht in Kapital, in echtes Nennkapital übergeführt werden konnten.
Ich meine deshalb, wir sollten diese Möglichkeit jetzt im Rahmen der Körperschaftsteuer und, wenn die Ziffer 7 a angenommen wird, im Rahmen der Einkommensteuer schaffen. Ich bitte Sie um Annahme dieses Antrags.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, den Antrag nicht anzunehmen. Die Einfügung dieses Satzes hätte für die Gewinnermittlung bei Körperschaften keine sachliche Bedeutung. Wenn solche Ausschüttungen nicht berücksichtigungsfähig sein sollen, dann müßte das
in § 19 des Körperschaftsteuergesetzes gesagt werden. Vielleicht ist beabsichtigt, die Einkommensteuerpflicht solcher Ausschüttungen zu beseitigen. Das müßte dann aber im Einkommensteuergesetz geschehen
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und nicht im Körperschaftsteuergesetz.
Ich glaube aber, ,die ganze Sache ist nicht begründet. Mit demselben Recht könnte man auch andere Ausschüttungen beim Empfänger freistellen. Eine Begünstigung nur der Ausschüttungen für Zwecke der Kapitalerhöhung könnte zu Umgehungen Anlaß bieten; denn die Gratisaktien, die hier ausgeschüttet werden können, können vom Empfänger natürlich veräußert werden. Auf diese Weise käme man im Ergebnis zu einer echten Geldausschüttung, die aber nicht der Besteuerung un({1})
terworfen werden soll. Die Bestimmung würde es insbesondere ermöglichen, daß bei GmbHs unversteuerte Beträge aus der DM-Eröffnungsbilanz als Gratisanteile ausgeschüttet würden und dadurch einkommensteuerfrei blieben. Ich glaube, wegen dieser Möglichkeiten ist doch mit einem nicht unbeträchtlichen Ausfall zu rechnen. Vor allem ist aber hier einwenden, daß durch eine solche Vorschrift die Körperschaften einen neuen und entscheidenden Vorsprung vor den offenen Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften bekämen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag geht offensichtlich auf Überlegungen zurück, die Herr Rechtsanwalt Dr. Friedrich, München, ein mir wohlbekannter und von mir sehr geschätzter Kollege, neulich im „Betriebsberater" angestellt hat. Es ist ja auf die schweizerische Rechtsprechung, auf die dort Bezug genommen worden ist, hier schon angespielt worden. Es ist deswegen vielleicht nötig, einige Worte vom rein steuerlichen und, ich möchte sagen, wissenschaftlichen Standpunkt dazu zu sagen.
Ich teile zunächst die Bedenken, die Herr Staatssekretär Hartmann zu der Frage ausgesprochen hat, ob der Antrag hier am richtigen Ort angebracht ist.
Was die Sache anlangt, so möge folgendes bedacht werden. Es ist zweifelsfrei und es will offenbar von diesem Antrag nicht in Zweifel gezogen werden, daß Ausschüttungen aus Reserven - ich unterstelle ohne weiteres: versteuerten Reserven - weiter echte Ausschüttungen sind. Die Ausschüttung ist ein wirtschaftlicher Begriff, der bedeutet, daß der Übergang von Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen in das Vermögen des Gesellschafters erfolgt, ohne daß eine Rückzahlung von Kapital vorliegt. Wenn das nicht in Zweifel gezogen wird, so scheint es mir unmöglich, solche Ausschüttungen aus Reserven, die in Form einer Kapitalerhöhung vor sich gehen, anders zu behandeln als Ausschüttungen aus Reserven, die ohne Kapitalerhöhung vor sich gehen; denn beides ist möglich. Beides ist aber wirtschaftlich ein und dasselbe.
Etwas anderes ist das, was in dem Aufsatz des Kollegen Dr. Friedrich, München, ausführlich behandelt worden ist und worauf sich diese schweizerische Rechtsprechung bezieht, nämlich die Erhöhung des Nennbetrages des Kapitals aus Reserven, ohne daß sonst eine Auschüttung vorliegt. Wenn ich eine Gesellschaft mit einem Nennkapital von 1 Million DM und Reserven von 1 Million DM habe und die Reserven dazu verwende, das Nennkapital auf 2 Millionen DM und den Nennbetrag der einzelnen Aktie auch etwa von 1000 DM auf 2000 DM hinaufzuschreiben, so kann man allerdings der Ansicht sein, daß hier keine Ausschüttung vorliegt; denn es erfolgt kein Übergang von Mitteln aus dem Gesellschaftsvermögen in die freie Hand des Gesellschafters, über die er verfügen könnte, ohne sich von seinem Kapitalrecht, von seinem Stammrecht zu trennen. Er hat lediglich eine Aktie statt von bisher 1000 DM jetzt von 2000 DM Nennwert in der Hand. Es dürfte sich auch am Kurswert wenig geändert haben; denn die Börse wird eine Aktie mit entsprechenden stillen oder offenen Reserven in der Bilanz unabhängig vom Nennwert bewerten.
Durch solche Nennkapitalerhöhungen wird auch der Zweck, der angestrebt wird, nämlich ein echtes Stammkapital auszuweisen und auch den Prozentsatz der Dividende angemessen zum Ausdruck bringen zu können, durchaus erreicht. Die Frage, ob, wenn nachher Teilungen von solchen aufgewerteten Aktien erfolgen, noch nachträglich eine Ausschüttung angenommen werden kann, kann jetzt ganz dahingestellt bleiben. Ich bin der Ansicht, daß echte bloße Nennkapitalerhöhungen - aber das ist meiner Ansicht nach eine Frage der Rechtsprechung - nicht unter den Begriff der Ausschüttung fallen.
Daß aber, wie es hier beabsichtigt ist, echte Ausschüttungen aus versteuerten Reserven, die über den Weg der Kapitalerhöhung erfolgen, steuerlich zu trennen sind von ebenso echten Ausschüttungen, die ohne Kapitalerhöhung aus Reserven erfolgen. das, glaube ich, geht nicht an. Das ist den Überlegungen, die Herr Dr. Friedrich und die vielleicht auch die Unterzeichner dieses Antrags angestellt haben, entgegenzuhalten. Ich möchte empfehlen, den Antrag abzulehnen.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Eckhardt.
mir. Eckhardt ({0}): Ich bitte, den Antrag zurückzustellen, d. h. ich ziehe ihn zurück mit der Maßgabe, daß er in der ,dritten Lesung noch einmal gestellt werden kann. Er könnte dann heute abend im Finanzausschuß behandelt werden.
Sie ziehen Ihren Antrag zurück. Natürlich steht es Ihnen frei, ihn mit 15 Unterschriften in der dritten Lesung erneut zu stellen. Im Finanzausschuß kann er nach der Geschäftsordnung offiziell nur behandelt werden, wenn er dorthin überwiesen wird. Aber einer interfraktionellen Besprechung steht nichts im Wege.
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- Sie haben ihn doch eben zurückziehen wollen! Ziehen Sie ihn zurück?
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- Gut, der Antrag ist zurückgezogen.
Wir kommen damit zur Abstimmung über Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die Nr. 5 des Antrags Umdruck 212 Ziffer 1. Das Wort hat Herr Abgeordneter Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Minuten ist an dieser Stelle ,der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, die Wirtschaft solle möglichst nur mit Personalgesellschaften geführt werden. Man mag es bedauern oder man mag es nicht bedauern, daß Kapitalgesellschaften in unserer Wirtschaft vorhanden sind. Sie sind es nun einmal, das ist ein Faktum, und ich glaube, die Kapitalgesellschaften haben auch außerordentlich wichtige volkswirtschaftliche Funktionen zu erfüllen.
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Das bringt uns zum Problem des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes. Was die Steuer als solche anlangt, so kann ich für die Notwendigkeit der Steuersenkung bei den Personalgesellschaften auf das verweisen, was meine Freunde Raestrup und Kirchhoff hier zur Begründung ihres Antrags, der auch der meinige war, ausgeführt haben. Es geht uns nicht um die Steuersenkung für einige hochbesteuerte Einkommen. Unser Anliegen ist vielmehr ausschließlich die Frage: Wie gestalten wir steuerlich unsere Unternehmen in einer Form - ich spreche jetzt in bezug auf die gespaltene Körperschaftsteuer namentlich für die Kapitalgesellschaften -, daß sie in der Lage sind, die notwendigen Investitionen vorzunehmen und damit die erforderlichen Rationalisierungen durch Modernisierung zur Hebung der Produktivität durchzuführen? Das bedeutet wiederum mehr Arbeitsplätze und Erhaltung der vorhandenen. Diesem Zweck dient letzten Endes auch die Beibehaltung des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes und der Antrag Umdruck 212, der darauf abzielt, den gespaltenen Körperschaftsteuersatz wieder einzuführen, der durch die Beschlüsse des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zunächst aufgehoben worden ist.
Der gespaltene Satz ist bekanntlich durch die Kleine Steuerreform eingeführt worden. Er hat knapp ein Jahr bestanden. Die Unternehmen haben sich allgemein auf diesen Satz eingerichtet. Ich glaube, es wäre falsch, ihn nunmehr von heute auf morgen wieder aufzuheben, nachdem die Vorteile dieses Satzes eben gerade anzulaufen beginnen. Das würde den Kredit des Gesetzgebers sicherlich nicht heben.
Außerdem muß man berücksichtigen, daß bei den Kapitalgesellschaften die Frage der Doppelbesteuerung auftritt. Man kann nicht einwenden: die Kapitalgesellschaften haben bisher 60 % Körperschaftsteuer zu zahlen gehabt und bei Ausschüttungen einen Satz von 30 %; künftig sollen sie nur 45 % bezahlen; infolgedessen bekommen sie eine Entlastung. Ich glaube, diese Rechnung ist falsch. Nach meinen Überlegungen ergibt sich bei der geltenden Regelung, nämlich bei dem Körperschaftsteuersatz von 60 % und bei einem Ausschüttungssatz von 30 % für den Fall, daß der gesamte, nach Abzug der Körperschaftsteuer und des Notopfers Berlin übrigbleibende Gewinn ausgeschüttet wird, ein Durchschnittssteuersatz von 48,21 %. Würden wir einen allgemeinen Körperschaftsteuersatz von 45 % einführen ohne Ermäßigung für Gewinnausschüttungen, d. h. den gespaltenen Satz verschwinden lassen, so würde die Belastungsquote einschließlich des Notopfers Berlin 48,75% betragen, d. h. für die betroffenen Unternehmen gegenüber dem bestehenden Zustand nicht nur keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung mit sich bringen.
Entscheidend für die Beibehaltung des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes ist aber der Gesichtspunkt der Kapitalmarktpflege, ist der Gesichtspunkt, daß wir dringend Eigenkapital schaffen müssen. Die Verschuldung der gewerblichen Wirtschaft durch lang-, mittel- und kurzfristige Kredite beträgt 48 Milliarden DM. Während sich das Sozialprodukt seit 1949, rund gerechnet, verdoppelt hat, hat sich die Verschuldung seit 1949 vervierfacht. Es kommt also darauf an, das Schuldkapital umzuwandeln in Eigenkapital, in haftendes Kapital. Die Schaffung dieses Eigenkapitals wird aber bei den Kapitalgesellschaften nur möglich sein, wenn ein Anreiz für neue Emissionen gegeben wird. Das heißt, es müssen zwei Gesichtspunkte erfüllt werden: einmal muß die Aktie durch Dividendenzahlungen für Aktionäre attraktiv ausgestattet werden, und zum zweiten muß die Dividendenzahlung auch für die Gesellschaft attraktiv sein. Voraussetzung für neue Emissionen ist, daß die Gesellschaften Dividenden zahlen.
Da beide Gesichtspunkte zusammentreffen müssen, bringen uns meines Erachtens die Vorschläge, die auch in den Ausschüssen erörtert worden sind, die Doppelbesteuerung nicht bei der Gesellschaft, sondern beim Aktionär zu bekämpfen, nicht weiter. Wir müssen die Doppelbesteuerung da anfassen, wo beide Gesichtspunkte zum Zuge kommen, und das ist bei den Kapitalgesellschaften selbst.
Nur durch die Ermäßigung -des Satzes für die Ausschüttungen können wir diesen beiden Zwekken dienen, jedenfalls solange der Körperschaftsteuersatz auf 45 % stehenbleibt. Nur dann werden die Unternehmen in der Lage sein, Dividenden in ausreichendem Maße zu geben. Mit einer Ermäßigung des Steuerbetrages, den die Aktionäre auf die Dividenden zu zahlen haben, allein ist es nicht getan. Man muß berücksichtigen, daß die Unternehmen, wenn sie Dividenden ausschütten wollen, ein Vielfaches des Dividendenbetrages verdienen müssen. Die Erträge müssen erst einmal verdient werden.
Will ein Unternehmen bei einem einmaligen Kapitalumsatz nur 5 % Dividenden ausschütten, dann muß es bei einer 60%igen Körperschaftsteuer 32% verdienen, d. h. sechsmal soviel, wie es Dividenden ausschüttet. Bei dem bisherigen gespaltenen Körperschaftsteuersatz von 60 zu 30 muß es immer noch 27,3 % verdienen, bei dem einheitlichen Körperschaftsteuersatz von 45 % immer noch 25%, also fünfmal soviel, und erst bei einem gespaltenen Körperschaftsteuersatz auf der Basis der Regierungsvorlage mit 45 zu 30 sind es 22,5%, d. h. immer noch viereinhalbmal soviel, wie es Dividenden an den Aktionär ausschüttet.
Die Kleine Steuerreform hat diesem Gesichtspunkt durch Einführung des gespaltenen Satzes Rechnung getragen. Das, was die Kleine Steuerreform bezweckt hat, hat sich erfüllt und hat sich bewährt. Die Dividenden sind von rund 5 % auf 7 % hinaufgegangen. Würden wir jetzt den gespaltenen Körperschaftsteuersatz abschaffen, so würde hier sicherlich eine rückläufige Bewegung einsetzen, und damit würden dem Kapitalmarkt wirklich schwere Schäden zugefügt.
Auf der andern Seite ist nicht zu befürchten, daß die Dividenden etwa ins Uferlose steigen. Schon aus optischen Gründen werden die Unternehmen niemals Dividenden auszahlen, die, sagen wir, die Höhe von 10 % erreichen oder überschreiten. Außerdem bitte ich Sie, zu berücksichtigen, daß Deutschland weit zurückliegt, wenn man den Anteil der Dividenden am Reingewinn betrachtet. Der Anteil der Dividenden am Reingewinn beträgt in den Vereinigten Staaten 22%, in Belgien gar 26 %; in England und Frankreich macht er 14% aus, in Schweden 12 %, in Holland 11% und in der Bundesrepublik sage und schreibe 4,5 %. Daraus bitte ich zu ersehen, wie weit wir gerade gegenüber den Konkurrenzländern zurückliegen.
Von manchen Seiten ist eingewandt worden, daß gerade der Aktionär keine besondere Vergünstigung durch die Beibehaltung des gespaltenen Kör({2}))
perschaftsteuersatzes verdiene, weil er ja durch seine Aktien im wesentlichen seine Substanz erhalten habe. Meine Damen und Herren, das mag richtig sein. Auf der anderen Seite haben aber gerade die Namensaktien bei vielen Gesellschaften gezeigt - man mag über die Namensaktien sonst denken, wie man will -, welche ;soziologische Schichtung die Aktionäre, jedenfalls der Gesellschaften mit großem Streubesitz, aufweisen. Hier sind doch sehr überraschende Erkenntnisse zutage getreten. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß bei großen Kapitalgesellschaften mit Streubesitz fast 50 %, sogar 50 bis 60 % sich im Besitz von Rentnern, Pensionären, Angehörigen freier Berufe, Hausfrauen, Angestellten, Beamten und Behördenangestellten befinden.
Aber das, meine Damen und Herren, nur am Rande. Entscheidend ist nicht dieser Gesichtspunkt, entscheidend ist allein der Gesichtspunkt der Kapitalmarktpflege. Und hier bitte ich namens meiner Freunde um Zustimmung zu dem Änderungsantrag, den Sie in Umdruck 212 finden. Soweit dort von Schachtelgesellschaften die Rede ist, soll dieser gespaltene Körperschaftsteuersatz auch auf Schachtelgesellschaften ausgedehnt, zugleich aber durch ein System, das ich hier nicht näher auszuführen brauche, Vorsorge getroffen werden, daß eine Nachversteuerung eintritt, wenn die Obergesellschaft ihrerseits die Gewinne nicht ausschüttet, sondern thesauriert.
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Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns an sich bei der Ziffer 5 des Art. 4. Sachlich liegt aber der Schwerpunkt des Antrags, der eben im Zusammenhang ,des Umdrucks 212 begründet worden ist, bei der Abstimmung zu Ziffer 8 dieses Artikels. Es wird auf jeden Fall zweckmäßig sein, die Abstimmung zu Ziffer 1 des Umdrucks 212 nicht vor der Abstimmung über Ziffer 2 vorzunehmen; denn die Änderung des § 9 des Körperschaftsteuergesetzes, die in Ziffer 1 vorgesehen ist, hat ja nur Sinn, wenn zu Ziffer 2 im Sinne der Antragsteller entschieden werden sollte. Ich beschränke mich dazu auf die Bemerkung, daß diese Änderung an und für sich abzulehnen wäre, auch für den Fall, daß § 19 antragsgemäß geändert würde, und die weitere Bemerkung, daß man, wenn schon eine Neugestaltung des § 9, der das Schachtelprivileg behandelt, in Betracht gezogen wird, einige andere Fragen aufwerfen müßte, z. B. die, warum jetzt zwar neu die steuerpflichtigen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, warum aber nicht endlich einmal die Genossenschaften und warum nicht endlich auch einmal die Kommunen mit ihren Beteiligungen in das Schachtelprivileg einbezogen werden. Das sind, glaube ich, Gedanken, die viel mehr Berechtigung hätten als das, was hier verlangt wird.
Nun zu dem Kern des ganzen Antrags, dem sogenannten gespaltenen Körperschaftsteuersatz. Wir haben heute mehrfach wieder gehört, welch außerordentliche Bedeutung dieser Frage beigemessen wird, obwohl die Angelegenheit in Wirklichkeit höchstens ein paar hundert Aktiengesellschaften oder nur einen Teil davon betrifft. Die Wirtschaft als Ganzes kann von diesen paar hundert Gesellschaften ja doch kaum repräsentiert werden. Es ist mehrfach gesagt worden, der gespaltene Körperschaftsteuersatz, d. h. die Ausschüttungsbegünstigung, bestehe nun einmal, sei nun einmal eingeführt worden, und man solle ihn weiter bestehen lassen. Das ist nicht richtig. Die Ausschüttungsbegünstigung, der gespaltene Körperschaftsteuersatz, ist vor kurzem eingeführt worden, zu einem Zeitpunkt, als die Körperschaftsteuer 60% betrug,
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in einem Zeitpunkt, wo der Dividendenbezieher wesentlich mehr Einkommensteuer zu zahlen hatte, als er nach der jetzt vorgeschlagenen Tarifsenkung zu zahlen haben wird. Ich glaube, man kann mit sehr viel Recht der Ansicht sein, daß eine Senkung der Körperschaftsteuer von 60 auf 45% und eine gleichzeitige massive Senkung der Tarifsätze der Einkommensteuer, auch der Einkommensteuer für Dividenden, sehr wohl Grund ist, diese Übergangsmaßnahme, wenn sie überhaupt jemals berechtigt war und etwas Gutes getan hat, fallenzulassen. Diese Ansicht hat das Bundesfinanzministerium ja in praxi eigentlich immer vertreten wollen, nur hat es sie nicht immer ganz vertreten können.
So ist es also nicht - ich wiederhole das -, daß etwas, was bisher bestanden hat, weitergeführt werden soll. In dieser Steuervorlage sind sehr wesentliche Veränderungen an den früheren Voraussetzungen vorgenommen: eine Senkung der Körperschaftsteuer um ganze 25% der Steuer.
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- 25% der Steuer! 15 von 60 sind ein Viertel. ({2})
- Eine Senkung der Körperschaftsteuer von 60 auf 45 % macht 25 % der Steuer, Herr Kollege Neuburger. Davon habe ich gesprochen. Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen wollen; aber davon spreche ich.
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Damit wir uns recht verstehen, Herr Kollege Neuburger: Eine Senkung der Körperschaftsteuer von 60 auf 45% und eine gleichmäßige Senkung der Einkommensteuer auf die Dividenden scheint mir Grund genug, nunmehr auf die Ausschüttungsbegünstigung zu verzichten.
Zum zweiten ist die Ausschüttungsbegünstigung in einem Zeitpunkt vorgesehen worden, in dem das Kapitalmarktförderungsgesetz, das wir heute zu Grabe tragen, noch gegolten hat, das nunmehr endlich aufgegeben worden ist, selbst von Herrn Scharnberg, und das sich, so gut es vielleicht gemeint gewesen sein mag, Herr Kollege Scharnberg,
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von einem Kapitalmarktförderungsgesetz sehr stark zu einem Kapitalmarkt beunruhigungsgesetz ausgewachsen hatte.
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Man sollte nun auch die Konsequenz ziehen und auf diesem Gebiet die künstlichen Maßnahmen unterlassen.
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Man soll doch endlich - soeben ist von der Notwendigkeit der Kapitalmarktpflege gesprochen
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worden - von solchen Mitteln auch auf diesem Gebiet abgehen. Die Ausschüttungsbegünstigung war in der Existenz des Kapitalmarktförderungsgesetzes und zweitens i.n der Höhe der Körperschaftsteuer begründet. Wir sind bestimmt nicht schuld daran, wenn sie auf 60% erhöht worden ist. Beide Begründungen sind weggefallen. Man kann deswegen nicht davon sprechen, daß man etwas beibehalten sollte, sondern muß die Konsequenzen ziehen.
Im übrigen besteht, was die Kapitalmarktpflege anlangt, gar kein Zweifel: Aktien wären, wenn man sie hätte ausgeben wollen, schon lange auch ohne Ausschüttungsbegünstigung gern genommen worden. Es besteht gar kein Zweifel, daß es sehr leicht möglich ist, Aktien auch ohne Ausschüttungsbegünstigung auf dem Markt unterzubringen. Das ist ja nicht nur eine Frage der Dividenden; das ist auch eine Frage der Sachwerte und des Wertes, den Aktien überhaupt haben.
Nun darf ich noch einige Worte über die vielen Unstimmigkeiten sagen, die sich ergeben werden, wenn eine derartige Bestimmung, wie sie hier vorgesehen ist, entgegen der Ausschußvorlage wieder eingeführt werden sollte. Da ist zunächst die Frage der Institute mit dem begünstigten Steuersatz. Wenn man aus investitionspolitischen, aus kapitalmarktpolitischen Gründen eine Ausschüttungsbegünstigung für richtig hält, warum dann nicht bei den Instituten mit 22,5% Körperschaftsteuer? Warum soll bei denen die Ausschüttung nicht begünstigt werden? Warum reicht eine Senkung von 60 auf 45% nicht aus, um die Ausschüttungsbegünstigung wegfallen zu lassen, und warum reicht hier die Senkung der Körperschaftsteuer aus? Haben z. B. Hypothekenbanken nicht auch ein Interesse daran, neue Aktien auszugeben und Dividenden darauf zu zahlen? Das scheint mir reichlich unlogisch zu sein. Unlogisch ist weiter, daß hier nur Kapitalgesellschaften und nicht Genossenschaften begünstigt werden. Unlogisch ist, daß die Wettbewerbslage zwischen den öffentlichen Unternehmen, die nicht von der Ausschüttungsbegünstigung Gebrauch machen können, und den privaten Unternehmungen entscheidend verschoben wird. Alle öffentlichen Unternehmen und kommunalen Verbände haben, wie Sie wissen, mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß, wenn man eine Spaltung des Körperschaftsteuersatzes vorsehen wollte, man sie auch den kommunalen Unternehmen zugänglich machen müßte, um sie nicht schlechter zu stellen.
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- Ich darf es mir versagen, Herr Kollege Dresbach, auf die Dinge hier im einzelnen einzugehen. Es ist eine Frage, welche Ausschüttungen eine Kommune aus ihrem Unternehmen nicht ziehen kann, die ein privater Aktienbesitzer aus seinem Unternehmen hier steuerbegünstigt ziehen könnte.
Es besteht weiter - auch hierüber liegen Ihnen die Eingaben vor - eine Unlogik gegenüber den Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Warum sollen diese Gesellschaften durch einen Höchstdividendensatz beschränkt werden? Ich wiederhole: diese ganze Angelegenheit betrifft ein paar hundert börsengängige Aktien. Das ist nicht die Wirtschaft, und das wirft so viel Ungerechtigkeiten gegenüber anderen auf, daß man schon aus diesem Grunde den Versuch, so etwas einzuführen, unterlassen sollte.
Ein weiterer Punkt. Sie wissen, daß eine ganze Reihe von Unternehmen, nicht nur Banken, sondern auch andere Großunternehmen, durchaus in der Lage sind, ihre Dividenden aus Erträgen zu zahlen, die sie gar nicht versteuert haben. Viele Leute waren durchaus in der Lage, sich so viel steuerfreie Anleihen ins Portefeuille zu legen, daß für Jahre hinaus eine normale Dividende allein aus diesen Zinsen gezahlt werden kann. Wollen Sie - und das wäre nach Ihrem Antrag der Fall - es nun wirklich zulassen, daß durch die Auszahlung von Dividenden aus Erträgen, die gar nicht versteuert werden und die auch künftighin steuerfrei bleiben, bei den bisher ausgegebenen steuerfreien Papieren zusätzlich auch noch der Steuersatz für die übrigen Gewinne herabgesetzt wird? Mindestens wäre hier eine Bestimmung vonnöten, daß Dividenden, die aus steuerfreien Erträgen gezahlt werden - und es gibt noch eine ganze Reihe von anderen steuerfreien Erträgen -, nicht zur Ermäßigung der Steuer auf die anderen Gewinne, die gar nicht ausgeschüttet werden, führen dürfen.
Die weitere Folge einer Bestimmung, wie sie hier vorgesehen ist, ist bereits in der Debatte in Erscheinung getreten. Das vorgesehene Gleichgewicht gegenüber den Personengesellschaften, so hat man - und nicht ganz ohne Berechtigung - gesagt, wird erneut gestört. Wir haben es heute bereits wieder erlebt, daß man erklärt hat: Wenn die Körperschaften das bekommen, so muß natürlich der Tarif für die hohen Personaleinkommen auch noch gesenkt werden. Sie sehen auch hier wieder Folgerungen, die untragbar sind.
Dies alles ist erstens sachlich falsch und zweitens bei Beobachtung einiger Gerechtigkeit nicht durchführbar. Zudem kostet es noch 120 Millionen DM. Die Mehrheit dieses Hauses hat in Abstimmungen wiederholt bei finanziellen Auswirkungen große Vorsicht gezeigt. Man sollte aber doch nicht entgegen den Warnungen des Bundesfinanzministers, der diesen Punkt sehr ausdrücklich zum Gegenstand seiner Einigung mit den Mehrheitsparteien und dem Ausschuß gemacht hat, auch noch diese 120 Millionen DM für eine falsche und nicht richtig durchführbare Maßnahme aus dem Steuersäckel ausgeben. Diese 120 Millionen können wahrlich besser angewandt werden. Fraglos fallen diese 120 Millionen in der Verteilung der Steuersenkungen und Steuererleichterungen zwischen den oberen und den unteren Einkommensschichten eindeutig in die Waagschale der oberen Einkommensschichten, denen hier das zukommt, was anderen verweigert worden ist.
Ich bitte Sie deswegen: Folgen Sie den Warnungen des Bundesfinanzministers! Folgen Sie der in diesem Falle von Anfang an eindeutigen Stellungnahme des Bundesrats, der 'auch bisher gar keinen Zweifel darüber gelassen hat, daß er wegen dieses Punktes am 'ehesten den Vermittlungsausschuß einberufen wird. Folgen Sie unserem Antrag und lehnen Sie den Antrag auf Umdruck 212 ab!
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Meine Damen und Herren, im Hinblick auf den Sachzusammenhang rufe ich gleichzeitig auf Ziffer 8 und verbinde die Beratung der Ziffern 5 und 8 mit der Beratung des gesamten Umdrucks 212. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich vorhin Veranlassung gehabt habe, mich zugunsten der Personengesellschaften einzusetzen, glaube ich, mir damit auch einen Anspruch darauf erworben zu haben, nunmehr hier für den in diesem Zusammenhang vorhin schon erörterten gespaltenen Körperschaftsteuersatz einzutreten. Herr Pohle hat eine ganze Menge von Argumenten vorgebracht, ich brauche darauf nicht mehr einzugehen. Aber mein verehrter Kollege Seuffert hat am Schluß ein Wort gesagt, das ist doch - wie sage ich das jetzt vorsichtig, das ist gar nicht so einfach - im Interesse der Gradlinigkeit unserer Regierungspolitik entschieden zurückweisen möchte. Er hat nämlich gesagt: „Folgen Sie den Warnungen des Herrn Bundesfinanzministers!" Meine Damen und Herren, wo kommen wir denn da hin!?
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- Ja, nehmen Sie einmal an, Sie wären Regierung, lieber Herr Seuffert, was Sie manchmal gar nicht für so unmöglich halten! Was würden Sie denn dann dazu sagen, daß ein Finanzminister hingeht und - entschuldigen Sie, aber Sie haben mich zu diesem Ausdruck gezwungen - die Regierungsvorlage desavouiert? Das ist ein schlechter, ein miserabler Stil. Darüber ist überhaupt kein Streit.
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- Ach, lieber Herr Höcherl, Sie sind zwar ein engerer Landsmann von Herrn Schäffer, aber ich bin auch ein Landsmann, und ich bin ganz bestimmt ein Koalitionsfreund. Deshalb habe ich das eben gesagt.
Lassen Sie mich zu zwei Gesichtspunkten noch etwas sagen. Herr Seuffert ist recht säuberlich mit dem Freunde Scharnberg verfahren, und ich will das selbstverständlich auch tun. Ich meine damit das Kapitalmarktförderungsgesetz. Aber für mich ist in der Kleinen Steuerreform der Hauptgesichtspunkt für die gespaltene Körperschaftsteuer gewesen - und ist es auch heute noch - die Verbesserung des Kapitalmarktes. Ich würde Sie bitten, sich darauf zu konzentrieren und nicht allzusehr an andere Dinge zu denken.
Ganz kurz möchte ich mich noch zu den Ausführungen des Herrn Seuffert über die Akzessorien äußern, die unlogisch sein sollen. Das ist richtig, über Logik und Erkenntnistheorie haben wir ja heute schon mehrfach in unserer schlichten Art gesprochen. Ich will auch weiter schlicht und verständlich bleiben. Ich möchte Ihnen aber doch sagen, daß wir durchaus im Rahmen der Kleinen Steuerreform geblieben sind, wenn wir die Dinge, die Sie bezüglich der Genossenschaften usw. erwähnt haben, hier nicht zusätzlich eingeführt haben. Wir wollten Sie ja nicht mit Dingen beunruhigen, die über die Kleine Steuerreform hinausgehen, sondern wir wollten in diesem Rahmen bleiben.
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- Herr Seuffert, ich muß Ihnen ganz offen sagen, das Wortspiel darüber, ob man etwas neu einführen oder beibehalten will, kann man natürlich mit einer gewissen Akrobatik bis zum Tezett treiben. Für meine Begriffe und für einfache schlichte Wanderer liegen die Dinge so, daß die Regelung beibehalten werden soll und nichts weiter.
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist an sich etwas schwer, zu diesem Problem hier Stellung zu nehmen. Denn das, was wir in den letzten Wochen an Angriffen auf Abgeordnete, an Angriffen auf das Parlament erlebt haben, das reicht fürs nächste Jahr; das kann ich Ihnen sagen! Wenigstens ist mein Bedarf weit darüber hinaus gedeckt. Der Finanzausschuß mußte sich in der Presse als Feigling bezeichnen lassen. An einer anderen Stelle heißt es: „Wer hemmt in Westdeutschland die Entwicklung der Rationalisierung?", und wir beschließen in 'diesem Haus, daß 1 Milliarde DM aus den Mitteln der kleinen und mittleren Wirtschaft für Rationalisierung zur Verfügung gestellt wird! „Wer verhindert das Anwachsen der Produktivität?", und wir stellen dann fest, daß wir auf 180, 200, 230 % der Produktion von 1936 gekommen sind! Wenn wir weiter lesen müssen „Wer verhindert die unbedingt dringende Investierung?" usw., dann reicht das wirklich, .dann trifft das zu, was ich eben sagte. „Wer verhindert Preissenkungen?" - ich möchte wissen, was das damit zu tun hat! Die könnten schließlich aus einer ganz anderen Quelle kommen. Wenn ich dann höre „Wer behindert den Kapitalmarkt?" und muß es schwarz auf weiß lesen, dann weise ich nur darauf hin, daß wir im vorigen Jahr das Kapitalmarktförderungsgesetz beschlossen haben. Jeder der Damen und Herren hier im Hohen Hause ist in der Lage, in den Feststellungen in den Statistischen Monatsheften usw. nachzusehen, wie weit die Kapitalbildung vorangeschritten ist. Wenn es heißt:,, Wer verhindert die Steigerung der Kaufkraft der breiten Massen?", dann will man darauf hinaus, daß die Kaufkraft unter Umständen aus der Steuerquelle gesteigert werden könnte. Das kommt aber nicht den Leuten zugute, die die Lohn- und Gehaltstüte in die Hand nehmen.
Im großen und ganzen haben doch die Abgeordneten Kirchhoff und Raestrup mit ihren Ausführungen durchaus recht. Es trifft nicht zu, daß die Regierungsvorlage von vornherein 45 % Körperschaftsteuer und 30 % für Ausschüttungen vorgesehen hätte. Die Vorlage des Finanzministers an die Regierung - das hat sich inzwischen herumgesprochen - sah vor 55 % Einkommensteuerhöchstsatz und 45 % Höchstsatz der Körperschaftsteuer. Das war die richtige Relation. Wenn man nun im gespaltenen Körperschaftsteuersatz auf 30 % heruntergeht, dann muß das notwendig zur Folge haben, daß auch für die Einkommensteuerpflichtigen eine Ermäßigung auf der ganzen Linie eintritt. Wenn das aber eben abgelehnt worden ist, weil es im Rahmen des Ganzen nicht tragbar ist, dann müssen wir folgerichtig auch hier sagen: es ist nicht möglich, weil die Relation gestört worden ist und der Ausfall von 120 Millionen DM nicht tragbar ist.
Gewiß, Logik ist uns bescheinigt. Ich hätte diese Logik - ich habe das vorhin schon gesagt - gerne auch bei diesen Fragen gesehen, die wir jetzt behandeln. Ich bin schon der Meinung, daß das, was der Herr Kollege Seuffert sagt, viel, sehr viel für sich hat. Ich möchte mich der Bitte des Kollegen Seuffert anschließen, den Antrag auf Umdruck 212 abzulehnen. Es ist auch einmal wichtig und notwendig, der Öffentlichkeit zu sagen, was sich auf dem Gebiete getan hat. Es ist hier eben schon gesagt worden, daß manche Firmen ihr Portefeuille
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sehr stark mit steuerfreien Pfandbriefen gespickt haben. Mir ist eine Firma bekannt, die „nur" 70 Millionen davon gekauft hat. Das bedeutet bei 5,5 % Zinsen eine Zinssumme von 3 850 000 DM, die steuerfrei ist, und bei dem jetzigen Satz von 60 % eine Steuerersparnis von 2 300 000 DM. Wenn ich dazunehme, daß diese 70 Millionen DM, die eigentlich zur Bereicherung des Kapitalmarktes hingegeben werden sollten, vorher aus dem Kapitalmarkt meinetwegen zu 8 oder 10 %, je nachdem, wie damals die Zinssätze noch waren, herausgenommen worden sind, dann sind das bei 70 Millionen DM 7 Millionen DM Zinsen, die als Unkosten in die Erscheinung treten und abgesetzt werden und damit nochmals 60 % Körperschaftsteuerersparnis bringen. Das sind „nur" 4,2 Millionen DM. Dann hat man mit der „Anreicherung" des Kapitalmarktes immerhin einen Betrag von nahezu 8 Millionen DM verdient. Ich bin der Meinung, daß das nun keineswegs geht. Wir sollten da ein bißchen kurztreten.
Richtig ist - und da beißt keine Maus einen Faden ab -, daß wir voriges Jahr nach der Kleinen Steuerreform, als wir die Kapitalmarktförderungsgesetze geschaffen haben, nachdem die Gesetze beschlossen waren, festgestellt haben, daß jetzt die Aktie zu kurz kommt. Um die Aktie nicht einer Diffamierung anheimfallen zu lassen, haben wir gesagt: Nun müssen wir auch etwas für die Aktie tun.
({1})
- Nur deshalb ist das geschehen. Herr Dr. Wellhausen, so ist es gewesen. Darauf sind wir zu allerletzt gestoßen. Wenn aber jetzt die Ursache für die Einführung des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes fortfällt, dann meine ich, sollte auch die Folgerung, die sich daraus ergibt, schließlich fortfallen.
Ich bitte auch eines zu beachten. Heute sitzen wir hier und beschließen über Steuerermäßigungen. Ich bin der letzte, der nicht bis ans äußerste Ende geben will, bis zum äußersten dessen, was möglich ist. Aber es dauert nicht mehr lange, nur noch wenige Wochen, dann sitzen wir hier und haben über den Haushalt zu beschließen. Dieser Haushalt muß ausgeglichen werden. Das ist die Voraussetzung dafür, ,daß die Finanzwirtschaft des Bundes in Ordnung bleibt. Wenn nun von vornherein ein Ausfall von 2,3 bis 2,4 Milliarden DM durch die Steuersenkung da ist, wenn 160 Millionen DM, die die Erhöhung der Großhandelsumsatzsteuer bringen sollte, abgestrichen wurden und wir gar nicht mehr darüber verhandelt haben, sondern sie sofort verschwunden ist, wenn dann zu der Belastung von 2,3 Milliarden DM noch dazukommt, was wir so nebenher, so Punkt um Punkt beschlossen haben und was sich so ungefähr auf 700 Millionen DM beläuft, wie eben gesagt wurde, dann darf ich Ihnen sagen, daß damit die Grenze von 3 Milliarden überschritten und 3,3 Milliarden DM erreicht sind. Wenn wir aber daneben das halten, was in den nächsten Wochen an Ausgabenerhöhungen auf uns zukommt, z. B. die Beträge für die Erhöhung der Grundrenten der Kriegsbeschädigten mit ungefähr 400 Millionen DM im Minimum, weiter die Gehaltserhöhung für die Beamten und Angestellten des Staates in Höhe von 200 Millionen DM - auch die Erhöhungen bei der Bundesbahn kommen dazu, Herr Wellhausen; denn sie wird nicht in der Lage sein, diese Erhöhungen aus eigenem zu erwirtschaften -, dann werden wir feststellen, daß diese neuen Aufgaben, die auf uns zukommen, wie von den Personen, die im Größeren verantwortlich sind, festgestellt worden ist, ungefähr 1 Milliarde DM erfordern. Wenn die Dinge so stehen, meine Damen und Herren, dann sollten wir uns überlegen, ob wir über das, was der Ausschuß beschlossen hat, noch hinausgehen wollen. Ich bitte ebenfalls, den Antrag, den gespaltenen Körperschaftsteuersatz wieder einzuführen, abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zur Ehrenrettung des Herrn Bundesfinanzministers
({0})
gegenüber der Bemerkung des Kollegen Dr. Wellhausen, da der Bundesfinanzminister selber nicht darauf antworten kann - und ich bitte um Entschuldigung, wenn ich seinen engeren Freunden hiermit vorgegriffen haben sollte; aber es ist ja ebenso gut, wenn es der eine, wie wenn es der andere sagt -, erklären, daß mir von einer Desavouierung der Regierungsvorlage durch den Bundesfinanzminister nichts bekannt ist, Herr Dr. Wellhausen.
({1})
Mir ist lediglich bekannt, Herr Dr. Wellhausen, daß in der entscheidenden Sitzung des Finanz- und Steuerausschusses, in der der Ausschuß die Regierungsvorlage in sehr massiver Weise verändert hat, der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, er werde den Widerstand gegen die Ausschußbeschlüsse, die Ihnen heute vorliegen - und wir wissen alle, welchen Widerstand der Herr Bundesfinanzminister aufzubringen in der Lage ist -, nur dann nicht durchführen, wenn unter anderem dieser Punkt so geregelt werde, wie der Ausschuß es beschlossen habe. Das ist der Tatbestand.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nichts hat die Öffentlichkeit im Rahmen der Beratung der Steuerreform so beschäftigt wie die gespaltene Körperschaftsteuer. Gestatten Sie, daß ich als Nichtmitglied des Steuer- und Finanzausschusses auch einiges zu diesen Auseinandersetzungen beitrage.
Ich bin sehr stutzig geworden, als ich den Ausschußbericht las, daß der Ausschuß zu einer Ablehnung des gespaltenen Körperschaftsteuertarifes mit der Begründung kam, daß dadurch 120 Millionen DM ausfallen und damit der Ausgleich des Haushalts erschwert wird. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, spricht der Bundesrat zu diesem Fragenkomplex von einem Privileg für einen kleinen Kreis.
Wenn man von den Ausschußberatungen absieht, muß man sagen, daß man bei der heutigen Antragstellung anscheinend davon ausgeht, daß das Sozialprodukt nicht, wie der Bundesfinanzminister behauptet hat, um 4 oder 5 Prozent, sondern wesentlich mehr gestiegen ist. In diese Auseinandersetzungen hat ja auch die Presse sehr stark ein({0})
gegriffen. Ich persönlich neige zu der Auffassung, daß sich unser Minister Schäffer schrecklich arm stellen kann und daß er tatsächlich etwas mehr hat, als er zugibt. Dabei ist die Frage zu stellen: Wenn diese 120 Millionen da sind, wer soll sie denn nun haben? Das scheint mir bei diesen Auseinandersetzungen die Kernfrage zu sein.
Wenn man einen Blick in die besonders geachtete „Die Zeit" wirft und den mehrfachen Schriftsätzen folgt, vor allen Dingen auch dem von Erwin Topf geschriebenen Artikel in der Nr. 46, kommt man zu dem Ergebnis, daß unter der Überschrift „Aktie" gewisse Spekulationen angestellt werden, deren Früchte nur einem Teil` der Wirtschaft zugute kommen sollen. Das scheint mir das Problematische an dieser gespaltenen Körperschaftsteuer zu sein.
Wenn hier auf erforderliche Investitionen hingewiesen wird, so kann man mit der Notwendigkeit von Investitionen selbstverständlich alles begründen. Aber ich glaube - auch Herr Kollege Pelster hat schon darauf hingewiesen -, der Bundestag braucht, was die Wahrnehmung von Möglichkeiten der Investitionen für die gewerbliche Wirtschaft anlangt, Vorwürfe bestimmt nicht hinzunehmen. Mir scheint, hier haben wir allerhand geschafft. Wenn man die Siebener-Paragraphen mit dem Investitionshilfegesetz in Verbindung bringt und in diesem Zusammenhang auch einen Blick in die auf der heutigen Tagesordnung stehende Drucksache 988 wirft, wenn man weiter die interessanten Abschreibungssätze betrachtet, scheint mir die Frage berechtigt, ob es möglich ist, eine gespaltene Körperschaftsteuer mit dem Hinweis zu fordern: Wir müssen weitere Investitionen schaffen!
In diesem Zusammenhang möchte ich mir den Vorschlag erlauben, daß wir diese 120 Millionen DM - ich weiß immer noch nicht recht, ob sie da sind - als Erntehilfe in Form von Krediten zinslos und mit entsprechenden Tilgungsmöglichkeiten in die Landwirtschaft geben. Denn wenn von den Schwierigkeiten des Kapitalmarkts gesprochen wird, dann möchte ich Ihnen sagen, daß in meinem Heimatland Schleswig-Holstein im Vergleich zum vergangenen Herbst die Wechselschulden um über 40 Millionen DM zugenommen haben, das sind über 50 % Zunahme. Sie sehen an dieser einen Zahl, Sie sehen vor allen Dingen bei der jetzt notwendigen Kreditierung, wie schwierig es ist, an sich intakte Betriebe mit dem nötigen Kapital zu versorgen, damit sie über die Runde kommen. Ich glaube deshalb, daß von der Wirtschaft her die Begründung schwer zu geben ist.
Ich möchte Sie an die Debatte von heute nachmittag erinnern. Die Anträge zur Frage der mitarbeitenden Ehefrau wurden abgelehnt, nicht etwa deshalb, weil kein Verständnis dafür bestand, sondern weil es eben schwierig ist, das Geld dafür aufzubringen. Ich erinnere auch an die Frage der mitarbeitenden Kinder; ich habe dieses Problem heute schon behandelt. Sollten wir da nicht die Frage prüfen, ob nicht der Neuburger-Tarif eine weitere Verbesserung erfahren kann? Wenn man sich auf Körperschaften konzentrieren will, wäre auch die Frage zu stellen, ob es nicht zweckmäßig ist, von 45 °/o etwas herunterzugehen. Bei diesem Problem drängt sich doch die Frage auf - die ich auch an den Herrn Vorsitzenden, den Kollegen Wellhausen, stellen möchte -, ob hier nicht ein echter Anlaß gegeben ist, diese Probleme im Ausschuß zu beraten. Jedenfalls scheint es mir angesichts der jetzt vorgebrachten Argumente im Augenblick sehr schwer zu sein, dieser Vorlage so, wie sie zur Beratung steht, die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Klarstellung! Ich habe den Eindruck, hier besteht vielfach die Auffassung, daß die Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes von 60 auf 45 % bereits eine effektive Steuersenkung für die Aktien-Gesellschaften, die darunter fallen, darstelle. Das ist nicht der Fall. Es ist von einer 25 %igen Herabsetzung des Satzes die Rede und kann nur die Rede davon sein, aber nicht, von einer 25 %igen Senkung der bisherigen Steuer der Kapitalgesellschaft. Denn für die Aktiengesellschaft, die für den nicht ausgeschütteten Gewinn mit 60 % und für die Ausschüttung mit 30% Steuersatz zu rechnen hat, ergibt sich je nach dem Verhältnis, in welchem sie den Gewinn zur Ausschüttung bringt, ein effektiver Steuersatz, der erheblich niedriger als 60 % ist und nach den uns vorliegenden Zahlen sogar unter dem Satz von 45 % Gesamtbesteuerung liegt. Wir haben durchaus Fälle, in denen im Schnitt nur ein Steuersatz von 42,5 % der Besteuerung des nicht ausgeschütteten und des ausgeschütteten Gewinnes vorliegt. Wenn Sie nun den gespaltenen Körperschaftsteuersatz überhaupt streichen, dann bedeutet das für sehr viele Aktiengesellschaften, gerade für diejenigen, die der Kurspflege am Aktienmarkt wegen ausschütten müssen, eine Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Steuersatz.
Wenn hier nun ganz breit von „Steuersenkung" die Rede ist, dann, meine ich doch, sollte man gerade diese Gruppe von Körperschaften nicht ausschließen, sondern dann wäre parallel zur Tarifsenkung auf der Seite der Einkommensteuer die Herabsetzung der Körperschaftsteuer entweder un-gespalten auf einen Satz erheblich unter 45 % oder aber unter Beibehaltung des gespaltenen Satzes von 30 % für den ausgeschütteten Gewinn bei einem normalen Satz von 45 % angebracht.
Ich glaube, daß man mit dem Problem auch nicht fertigwird, wenn man sagt: Es sind nur ein paar hundert Aktiengesellschaften. Es kommt uns an dieser Stelle nicht darauf an, irgendwie einem Sektor der Wirtschaft etwas zukommen zu lassen oder ihm eine Erleichterung zu verschaffen, sondern wir stehen doch vor der Frage, ob wir das Instrument der Aktie weiterhin als ernst zu nehmendes Finanzierungsinstrument in unserer wirtschaftlichen Gesamtsituation bejahen und entwikkeln wollen oder ob wir es absterben lassen wollen. Der entscheidende Punkt ist doch, daß die Fremdfinanzierung über Anleihen usw. einen viel größeren Raum einnimmt - auch in den Kapitalgesellschaften - als die Finanzierung durch risikotragendes Eigenkapital. Wenn wir uns nicht dazu entschließen, dieses risikotragende Eigenkapital - nämlich in der Form von Aktien - über den Kapitalmarkt wieder stärker zum Einsatz zu bringen, dann wird allerdings die Aktie ihre Rolle als Finanzierungsinstrument für große Finanzierungsaufgaben in der Volkswirtschaft bald ausgespielt haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ja nicht gerne, daß wir - um mich studentisch auszudrücken - zu einem umgekehrten Bierdorf kommen, und dahin kommen wir, wenn ich nicht auf die Ausführungen meines Kollegen Seuffert antworte. Ich habe mich gegen Ihren Ausdruck gewandt. Sie haben das sehr geschickt aufgefangen; das gebe ich Ihnen zu. Daß Sie ein geschickter Mann sind, habe ich auch sonst schon festgestellt, z. B. schon in Frankfurt.
({0})
Aber Sie haben es aufgegriffen, und ich habe mich an den Ausdruck „Warnungen des Bundesfinanzministers" gehalten. Meine verehrten Damen und Herren, nur das, und so bitte ich es auch dem Herrn Bundesfinanzminister zu übermitteln. Denn es liegt mir - wiewohl er es mir manchmal nicht glaubt - vollkommen fern, ihn systematisch anzugreifen.
({1})
Wenn man in Nürnberg - nun, wie drückt man sich in Bayern aus -, sagen wir mal, mit Lehmkluten beworfen wird, dann muß man halt mit Lehmkluten antworten, besonders im Wahlkampf. Das habe aber nicht ich angefangen, sondern der Herr Bundesfinanzminister.
({2})
Wenn Sie also sagen „die Warnungen des Bundesfinanzministers vor der Annahme des Passus der Regierungsvorlage", dann ist das, Herr Seuffert, ganz bestimmt ein schlechter Zungenschlag.
Ich möchte aber gerne noch ein paar Worte über den Haushalt hinzufügen. Ich halte es nicht für richtig - damit wende ich mich an Herrn Pelster und auch an Herrn Seuffert -, jetzt die Dinge des Haushalts mit der Steuerreform zu verquicken.
({3})
- Erlauben Sie mal, ich rede ja augenblicklich vom gespaltenen Körperschaftsteuertarif, und ich will ja anders als der Kollege Struve zur Sache reden
({4})
und nicht zu Dingen, die gar nicht zur Sache gehören.
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Ich kehre also zurück zum Haushalt und sage Ihnen, daß Sie, wenn wir demnächst den Haushalt verabschieden, natürlich im Kopf behalten müssen - und zwar sogar sehr energisch -, was wir in bezug auf die Steuerreform getan haben. Wir müssen das nicht nur beim Haushalt, sondern bei unserer ganzen Arbeit im Kopf behalten.
Das gibt mir Veranlassung, hier eine Angelegenheit ganz offen zu erörtern, die zwar dem Gehege der Zähne der CDU noch nicht entfleucht ist - um mit Homer zu sprechen -,
({6})
von der ich aber weiß, daß sie das demnächst tun wird: Es ist die Änderung unserer Geschäftsordnung.
({7})
Wir sind im Begriff, Ihnen eine Änderung der Geschäftsordnung vorzuschlagen ich glaube, es hat sich weitgehend herumgesprochen -, in der steht, daß Anträge aus dem Hause, die Geld kosten - und welche Anträge aus dem Hause kosten kein Geld? ! -, zunächst dem Haushaltsausschuß und dem zuständigen Fachausschuß zu überweisen sind. Wenn einer dieser beiden Ausschüsse Bedenken gegen diesen Antrag hat, dann kann dieser Antrag nicht vor der nächsten Haushaltsberatung, sondern erst in dieser angenommen werden. Ich glaube, daß meine Freunde von der CDU mit dieser Formulierung eine sehr große Weisheit gefunden haben. Wir sollten ihnen zustimmen, und zwar, wenn es geht, so schnell wie möglich, Herr Scharnberg. Ich habe mich überhaupt gewundert, warum wir das heute nicht schon - ({8})
- Doch, so weit sind wir schon,
({9})
wenn meine Agenten mich nicht falsch unterrichtet haben.
({10})
- Ja, meine Damen und Herren, ich kann ja nur das sagen, was ich weiß. Und Agenten stehen bei mir sehr hoch im Kurs - und werden nicht bezahlt.
({11})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch im vollen Bewußtsein der Wichtigkeit dieser Dinge das jetzt in die Debatte werfen, damit Sie nicht unnötigerweise die Angelegenheit des Haushalts, oder was 'uns sonst der liebe Gott noch alles schickt - entschuldigen Sie, Herr Dresbach; aber es ist ja doch wohl der liebe Gott, wenigstens nach meiner Weltanschauung -, hier hineinziehen. Mit dem, was uns der liebe Gott noch alles schickt, müssen wir irgendwie fertig werden, und dazu wird uns diese Änderung der Geschäftsordnung in einem sehr großen Maße behilflich sein.
Zu den Äußerungen der Herren, die sich jetzt gegen den gespaltenen Steuertarif ausgesprochen haben, möchte ich infolgedessen zusammenfassend sagen: Die Dinge sind nicht von der Wichtigkeit und Tragweite, die Sie annehmen. Vielmehr handelt es sich darum, eine Erkenntnis in die Tat umzusetzen, die wir vor einem Jahr gewonnen haben und die wir doch jetzt nicht nach der berühmten Methode des Verfluchens, was man angebetet hat, wieder auf den Misthaufen werfen wollen.
({12})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dient der Klärung, wenn ich mir erlaube, mit zwei Bemerkungen auf den historischen Ablauf dieser Angelegenheit einzugehen.
Erstens. Das Bundeskabinett hat den gespaltenen Körperschaftsteuersatz in die Regierungsvorlage aufgenommen. Die volkswirtschaftlichen Gründe, die dafür sprachen, sind in der Begründung zur Regierungsvorlage ausdrücklich dargelegt.
({0})
Zweitens. Die Beschlüsse des Finanzausschusses, über die Sie heute zu beschließen haben, haben finanzwirtschaftlich eine neue Situation geschaffen. Es ist mehrfach betont worden, daß die Beschlüsse des Finanzausschusses einen Ausfall zur Folge haben, der mehr als 700 Millionen DM über die Regierungsvorlage hinaus ausmacht. Durch die Beschlüsse von Dienstag und von heute früh sind einige weitere Beträge hinzugekommen. Im Finanzausschuß ist eine Gegenrechnung aufgemacht worden, zu der insbesondere der gespaltene Steuersatz und die Exportförderungsrücklage gehören. Herr Minister Schäffer war nur in der Lage, trotz schwerer Bedenken diesem Kompromiß im Finanzausschuß mit Rücksicht auf diese Gegenrechnung insbesondere bezüglich des gespaltenen Steuersatzes und der Exportförderungsrücklage zuzustimmen. Ich glaube, es ist bekannt, daß diese beiden Punkte Herrn Minister Schäffer schließlich veranlaßt haben, seine Bedenken gegen die Ausweitung der Vorlage um über 700 Millionen DM zurückzustellen. Ich darf bitten, bei Ihrer Beschlußfassung über diesen entscheidenden Punkt die finanzwirtschaftlichen Gesamtzusammenhänge entsprechend zu würdigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will anschließen an das, was der Herr Staatssekretär soeben sagte. Er wies darauf hin, daß wir die Auseinandersetzungen über die Höhe des Ausfalls hatten. Als ich seinerzeit den Antrag stellte, im Interesse einer stärkeren Berücksichtigung der unteren und mittleren Einkommen den Tarif um weitere rund 500 Millionen zu senken, ging ich davon aus, daß das Steueraufkommen in der nächsten Zeit mindestens um diesen Betrag höher sein werde. Wenn ich nicht davon überzeugt gewesen wäre, und zwar auf Grund der zusätzlichen Steigerung unseres Sozialprodukts, so hätte ich einen solchen Antrag nicht gestellt. Denn Anträge auf Steuersenkung zu stellen mit dem Ziel, diese Steuersenkung dadurch wieder wettzumachen, daß ich andere Steuerpflichtige belaste, dafür bin ich mir zu gut.
({0})
Das ist eine unfaire Handlungsweise.
({1})
- Ich habe hier meinen Standpunkt vertreten, und ich betone nochmals, ich hätte einen solchen Antrag nicht gestellt,
({2})
wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, daß dieser mein Antrag substantiiert wird durch das an sich höhere Steueraufkommen.
({3})
- Die tut mir nicht leid. Ich bin nach wie vor noch dieser Überzeugung, und weil ich dieser Überzeugung bin, spreche ich mich auch dagegen aus, daß wir hier eine Deckungsquelle suchen, die keine ist. Ich bestreite, daß bei Wegfall des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes der Fiskus auf die Dauer eine niedrigere Einnahme erzielt.
({4})
Ich bestreite das. Unsere Wirtschaft hat seit 1949 bis zur Stunde das Sozialprodukt verdoppelt. Wenn wir andererseits sehen, was mit den Schulden in dieser Wirtschaft geworden ist, dann müssen wir feststellen, daß laut Ausweis der Bank deutscher Länder vom Juni dieses Jahres die Schulden der Wirtschaft in dieser Zeit vervierfacht worden sind.
({5})
Wir haben heute 48 Milliarden Schulden in unserer Wirtschaft. Diese 48 Milliarden Schulden bedingen allein einen Zinsendienst von durchschnittlich 8 °/o, die der Konsument bezahlt
({6})
und die allein den Fiskus mindestens 1,5 Milliarden kosten.
({7})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Umschuldung von einer Milliarde Schuldenkapital in haftendes Kapital bringt bei unseren heutigen Zinssätzen dem Fiskus eine Entlastung von 70 Millionen.
({8})
Wenn die Wirtschaft nur 2 Milliarden von den 48 Milliarden umschuldet, dann hat der Fiskus mehr, als er sich jetzt an Steuerausfall errechnet. Daß Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, für die Aufhebung des gespaltenen Satzes sind, ist mir klar.
({9})
Sie vertreten ein anderes Wirtschaftssystem, Sie bekennen sich zu einer anderen Wirtschaftsordnung. Aber daß meine Freunde, die Anhänger der sozialen Marktwirtschaft, dagegen sind, das verstehe ich nicht, und das kann ich nur bedauern.
({10})
Ich habe mich im 1. Bundestag von dieser Stelle aus, gegen die Doppelbesteuerung und damit gegen die Diskriminierung der Aktie gewandt. Ich tue es nicht wegen der steuerlichen Belastung der Betriebe, sondern eben wegen der Doppelbesteuerung. Ich habe damals gesagt: Wenn wir uns zur sozialen Marktwirtschaft bekennen und es gäbe die Aktie noch nicht, dann wäre das erste, was wir schaffen müßten, die Aktie; denn die Aktie ist ein wesentliches soziales Element, um uns Anteil nehmen zu lassen
({11})
an dem Produktionsapparat und an den Zinsen und den Gewinnen dieses Produktionsapparates. Ich verstehe Sie nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition. Bis zur Stunde verkörpert doch die Aktie einen Eigentumsanteil am Produktionsapparat. Wenn wir die Aktie diskriminieren, dann ist es doch klar, daß wir damit
({12})
den Drang diskriminieren, daß möglichst jedermann Anteil an diesem Produktionsapparat hat bzw. zu erwerben sucht.
Daß Sie ({13}) dagegen sind, weiß ich, weil Sie, wie gesagt, andere wirtschaftliche Vorstellungen haben und andere wirtschaftliche Ziele verfolgen. Aber Sie, meine Freunde aus der Koalition, Sie wollen Anteil an unserem Produktionsapparat; das höre ich jeden Tag. Die Aktie ist ein hervorragendes Mittel dazu, nicht das Allheilmittel, aber eines der wesentlichsten Mittel, um Anteil zu haben am Produktionsapparat, an seinem ständig sich steigernden Wachstum, an dem täglich sich bildenden Eigentum im Rahmen dieses Produktionsapparates. Die Aktie bietet andererseits über die Dividende die Möglichkeit, an dem Ergebnis unserer Wirtschaft Anteil zu nehmen, und das wollen Sie doch auch! Wenn Sie das aber wollen, dann müssen Sie der Doppelbesteuerung den Kampf ansagen. Das war es doch, was wir im vorigen Jahr gemacht haben. Daß die Kapitalmarktförderung und all das andere, die Senkung des überhöhten Körperschaftsteuersatzes usw. mitbedingt waren, das war nur nebenbei. Wesentlich aber war, die Diskriminierung der Aktie, die Doppelbesteuerung zu beseitigen, um den Weg frei zu machen, daß jeder von uns sich am Aktienmarkt und damit an unserer Wirtschaft und ihrem Produktionsergebnis beteiligt.
Wir haben heute 9 Milliarden DM Sparkapital. Was würde es ausmachen, wenn wir statt 9 Milliarden Sparkapital 8 Milliarden hätten, wenn wir nun mit einer Milliarde DM die frei werdenden Aktienpakete auf unsere Gemeinschaft hätten verteilen können, statt daß jetzt die Ausländer kommen und sich auf billige Weise das Eigentum an unserem 1 Produktionsapparat verschaffen!
({14})
So sehen doch die Dinge aus!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht weiter sprechen. Wer einsichtig ist, der hat mich verstanden. Wer aber ein Interesse hat, daß unsere Wirtschaft weiter sich verschuldet und wir mit Riesenschritten auf eine Sozialisierung in Ihrem Sinne zustreben,
({15})
daß wir uns zwar mit den Lippen zur sozialen Marktwirtschaft bekennen, aber nicht die Courage haben, dafür einzutreten, der sei für den Antrag, daß der gespaltene Körperschaftsteuersatz fällt.
({16})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. - Herr Abgeordneter Neuburger!
Ich beantrage namens
meiner Fraktion namentliche Abstimmung. ({0})
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Neuburger zum drittenmal.
Ich ziehe den Antrag zurück.
({0})
Meine Damen und Herren, nach diesem Zwischenspiel können wir wohl zur Abstimmung kommen. Nach dem Sachzusammenhang erscheint es mir notwendig, zuerst über Ziffer 2 des Antrags Umdruck 212 *) und dann erst über Ziffer 1 abzustimmen. Besteht darüber Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, die der Ziffer 2 des Antrags Umdruck 212 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
Ich darf die Abstimmung wiederholen und diejenigen, die der Ziffer 2 des Antrags Umdruck 212 zuzustimmen wünschen, bitten, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, es ist nicht festzustellen, auf welcher Seite die Mehrheit ist; ich muß die Stimmen auszählen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, den Saal zu verlassen.
({0}) Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich eröffne die Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 212 zustimmen, durch die Ja-Tür, die, die dagegen sind, durch die Nein-Tür, die übrigen, durch die Enthaltungs-Tür den Saal zu betreten.
({1})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags Umdruck 212 bekannt: Es haben gestimmt mit Ja 217, mit Nein 169, mit Enthaltung 15 Mitglieder des Hauses. Der Antrag ist damit angenommen. Ziffer 8 der Ausschußfassung ist also durch die Fassung des Antrags Umdruck 212 ersetzt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 1 des Antrags Umdruck 212 und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Damit ist Ziffer 5 der Ausschußvorlage durch die Fassung des Antrags Umdruck 212 ersetzt.
Ich rufe auf die Ziffern 5 a, - 6, - 7 - und 7 a. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben.
({2})
- Ich habe aufgerufen 5 a, 6, 7 und 7 a. 7 entfällt j a.
({3})
- Sie wünschen zu 6 das Wort? - Ich bitte um Entschuldigung. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Ziffer 6 handelt es sich um dieselbe Angelegenheit, über die wir gestern bei der Einkommensteuer gesprochen haben: die Mög-
*) Siehe Anlage 4.
({0})
lichkeit, Parteispenden bei der Steuer abzuziehen. Ich will die Debatte nicht wieder aufgreifen. Der Antrag, den wir zu stellen haben, ist, diese Ziffer 6 abzulehnen. Ich bitte also, über Ziffer 6 gesondert abzustimmen.
Wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich zuerst einmal abstimmen lassen über die Ziffern 5 a, 7 und 7 a. Wer hier zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir stimmen dann gesondert ab über Ziffer 6. Wer Ziffer 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die Ziffern 9,-10-und 11. - Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Ziffern zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 5. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Artikel 5 zuzustimmen wünscht,. den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 6 mit den Absätzen 1, 2, 3 und 4.
({0})
- Herr Abgeordneter Seuffert.
Meine Damen und Herren! Zu Ziffer 1 ist eine Bemerkung zu machen und ein Antrag zu stellen. Im Wohnungsbau-Prämiengesetz fehlt bisher eine Bestimmung, die sicherstellt, daß die begünstigten Einzahlungen bei Bausparkassen wirklich dem Wohnungsbau zugeführt werden, widrigenfalls sie die Begünstigung verlieren müßten.
({0})
Nach Ansicht des Bundesfinanzministeriums - ich glaube, auch der Kollege Neuburger wird mir das bestätigen - sollte diese Bestimmung eingefügt werden. Ich stelle deswegen folgenden Antrag:
In Art. 6 Ziffer 1 erhält Buchstabe a folgende Fassung:
a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:
aa) Ziffer 1 erhält folgende Fassung:
1. Beiträge an Bausparkassen zur Erlangung von Baudarlehen, wenn die Bausparsumme oder, falls es zur Zuteilung der Bausparsumme nicht kommt, die eingezahlten Beiträge sowie die Prämien zum Wohnungsbau verwendet werden;
bb) Die Ziffern 3 und 4 erhalten folgende Fassung: . . .,
dann ist wie in der Regierungsvorlage fortzufahren. Ich übergebe den Antrag dem Herrn Präsidenten und darf zur Beruhigung des Hauses sagen, daß die Fassung vom Bundesfinanzministerium stammt und daß auch der Kollege Neuburger und andere Kollegen sich von der Richtigkeit überzeugt haben.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen zwei Anträge vor, einmal der Antrag der Abgeordneten Dr. Brönner, Stierle, Wirths und Genossen auf Umdruck 199 Ziffer 2 und dann der soeben überreichte Antrag des Kollegen Seuffert.
({0})
- Dann wollen wir das zurückstellen. Ich kann im Augenblick nicht übersehen, welcher der beiden Anträge der weitergehende ist.
({1})
Herr Abgeordneter Neuburger, Sie wollen erst abstimmen, wenn Sie den Wortlaut des Antrags Seuffert haben?
({2})
- Dann stellen wir die Abstimmung zurück. Oder genügt es, wenn ich den Antrag verlese?
({3})
- Gut, die Zurückstellung ist ein durchaus billiges Begehren.
Ziffern 2, - 3, - 4. - Wir stimmen ab bis einschließlich Ziffer 4. Wer einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 5 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 199 Ziffer 1 vor. Wer begründet ihn? -Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Brönner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus § 7 der Regierungsvorlage geht hervor, daß der Bundesfinanzminister bereit ist, bis zu 60 Millionen DM Prämienzahlungen an die Prämiensparer auszuwerfen. Aber er verlangt dabei, daß die Hälfte der fälligen Prämienzahlungen von den Ländern aufgebracht wird. Die Länder wiederum nehmen diese Gelder aus den Zuweisungen des Bundes in Höhe von 500 Millionen DM. Nun steht der Wohnungsbauausschuß auf dem Standpunkt, daß diese 60 Millionen DM, die der Bundesfinanzminister in seinem Haushalt 1955/56 vorsieht, zunächst einmal voll ausgeschüttet und daß die Länder erst dann in Anspruch genommen werden sollen, wenn Prämien über diese 60 Millionen DM hinaus an die Prämiensparer zu zahlen sind. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die 60 Millionen DM zunächst unter allen Umständen ausgeschüttet werden sollen und daß die Länder erst für den Betrag, der über die 60 Millionen DM hinausgeht, aus ihren Zuteilungen in Höhe von 500 Millionen DM in Anspruch genommen werden sollen. Der Bundesfinanzminister verliert also nichts dabei, er braucht nichts zu opfern. Die 60 Millionen DM, die er vorgesehen hat, sollen nur tatsächlich im Interesse des Wohnungsbaus aufgewendet werden.
Ich darf dazu ein paar Erläuterungen geben. Wir haben das Wohnungsbau-Prämiengesetz vor 21/2 Jahren beschlossen. Es hat sich in einer Weise bewährt, wie es niemand erwartet hat. Im Jahre 1953 sind 9 Millionen DM für die Prämiensparer ausgeworfen worden. Das bedeutet, daß viermal soviel Spargelder angesammelt werden mußten, wie Prämien fällig geworden sind. Denn nach dem Gesetz bekommt jemand, der für den Wohnungsbau 1600 DM im Jahr spart, 400 DM als Belohnung.
({0})
In diesem Jahr, 1954, werden voraussichtlich etwa 30 Millionen DM Prämienzahlungen fällig. Das setzt voraus, daß viermal soviel von den Prämiensparern für den Wohnungsbau gespart worden ist. Das Gesetz hat sich wider . Erwarten bewährt. Daher werden wir daran festhalten und wünschen, daß der Bundesfinanzminister die 60 Millionen DM zunächst auswirft, so wie es hier im Antrag Umdruck 199 Ziffer 1 gesagt ist.
Unter Ziffer 2 desselben Antrags heißt es:
In Abschnitt III - Wohnungsbau-Prämiengesetz - Artikel 7 wird dem Absatz 1 . . . folgender Halbsatz angefügt:
§ 7 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes ist vom 1. April 1955 an anzuwenden.
Dabei handelt es sich um folgendes. Die Prämienleistungen vom Jahre 1954 werden erst zu Anfang des Jahres 1955 ausbezahlt, weil die Prämien nach 'dem Kalenderjahr berechnet werden, während die Prämienzahlungen sich nach dem Haushaltsjahr richten. Nun sagen wir: schon für die Leistungen aus dem Jahre 1954 soll der Bundesfinanzminister vom 1. April 1955 an die 60 Millionen DM aufwenden. Das ist der Sinn dieser Bestimmung. Die Zahlungen des Finanzministers an Prämien aus dem Haushalt 1955 sollen also schon mit dem 1. April 1955 beginnen, und zwar als Belohnung für das Sparen im Kalenderjahr 1954.
Die 42 Abgeordneten, die diesen Antrag unterschrieben haben, bitten, daß diese beiden Punkte vom Plenum beschlossen werden.
({1})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Herr Staatssekretär, wollen Sie sprechen? - Dann erteile ich Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage entspricht dem, was vorher verabredet und in Aussicht genommen war. Sie geht sogar schon darüber hinaus. Im Gesamtrahmen der hier gefaßten Beschlüsse möchte ich doch bitten, es bei der Regierungsvorlage zu belassen.
Wir' stimmen ab. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 199 *) Ziffer 1 ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich brauche dann nicht weiter abstimmen zu lassen, denn damit ist Art. 6 Nr. 5 neu gefaßt.
Ich rufe auf Art. 6 Nrn. 6, - 7, - 8. - Wer für diese Bestimmungen ist, der möge ein Handzeichen geben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Art. 7. - Hier ist ein Änderungsantrag angekündigt, Umdruck 199 Ziffer 2. Wer begründet ihn?
({0}) Herr Abgeordneter Brönner?
({1})
- Ihre Begründung umfaßt diesen Antrag mit.
Dann lasse ich abstimmen. Wer für diesen Änderungsantrag Umdruck 199 Ziffer 2 ist, der möge
*) Siehe Anlage 1.
die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr Art. 7! Wer für Art. 7 Nrn. 1 und z ist, der gebe ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nrn. 3, - 4, - 5. - Wer dafür ist, der gebe ein Handzeichen.
({2})
- Es ist nicht ganz klar? Dann wollen wir wiederholen. Wir sind bei Abschnitt IV, Gewerbesteuer, Art. 8.
({3})
Wir waren bei Art. 7 Nrn. 1 und 2. Nun geht es in der Ausschußvorlage weiter: Ziffer 3, Ziffer 4, Ziffer 5, dann Ziffer 5 a und 6.
({4})
- Dann ist meine Vorlage falsch. ({5})
- Ich bin etwas durcheinandergekommen, ich bitte um Entschuldigung. Wir haben Ziffer 1 und 2 des Art. 7 angenommen.
Nunmehr stimmen wir ab über Abschnitt IV
- Gewerbesteuer - Art. 8, Ziffern 1, - 2, - 3,
- 4, - 5. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nun wird beantragt, eine Ziffer 5 a einzufügen
- Umdruck 226 *) Ziffer 1 -. Wer begründet?
Das Wort hat der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt einen Lebenserfahrungssatz, der besagt: Man kann alle für einige Zeit, einige für alle Zeit, aber nicht alle für alle Zeit ausnützen. Daß dieser Lebenserfahrungssatz seine Gültigkeit hat, beweist die Tatsache, daß wir innerhalb der letzten zwei Jahre zwei Steuerreformen durchzuführen hatten. Wenn wir mit unserem Vorsitzenden aus dem Finanz- und Steuerausschuß, unserem Kollegen Herrn Dr. Wellhausen, einiggehen, dann befinden wir uns in einer laufenden Steuerreform. Wenn man nun der Auffassung ist, daß man nicht alle für alle Zeit ausnutzen kann, aber einige für alle Zeit, dann, meine Damen und Herren, müssen wir uns dazu entschließen, uns zu bemühen, daß auch nicht einige für alle Zeit ausgenützt werden.
Das trifft hier für die Kleingewerbetreibenden zu, die nur geringe gewerbliche Erträge haben. Seit mehr als zwei Jahrzehnten sind die Gewerbeerträge bis zu 1200 DM steuerfrei, d. h. gewerbesteuerfrei. Wenn nun der Gesetzgeber schon vor mehr als zwei Jahrzehnten die Auffassung vertreten hat, daß gewerbliche Einkünfte bis zu 1200 DM steuerfrei bleiben sollen und bleiben müssen, dann bin ich der Meinung - und mit mir meine Freunde -, daß man diesen Freibetrag den Geldwertverhältnissen anpassen muß. Wenn meine Freunde und ich dafür die Verdoppelung dieses Betrages - also von 1200 DM auf 2400 DM - vorgeschlagen haben, so entspricht das noch nicht den veränderten Geldwertverhältnissen. Aber mit Rücksicht darauf, daß auch für die Gemeinden das gilt, was der Herr Finanzminister immer sagt, nämlich daß man die Sache haushaltswirtschaftlich
*) Siehe Anlage 11.
({0})
sehen muß, glaubten meine Freunde und ich, daß zunächst damit den Kleingewerbetreibenden gedient wäre, wenn der Betrag von 1200 DM auf 2400 DM heraufgesetzt würde.
Was bezüglich des Gewerbeertrages gilt, gilt sinngemäß auch für das Gewerbekapital. Ursprünglich waren 3000 DM Gewerbekapital steuerfrei. Anläßlich der Verabschiedung der Kleinen Steuerreform wurde dieser Freibetrag von 3000 DM auf 6000 DM heraufgesetzt. Das entspricht aber auch nicht der Relation der Geldwertverhältnisse von vor 20 Jahren zu heute. Aus diesem Grunde wird in dem Antrag zum Ausdruck gebracht, daß man diesen Freibetrag von bis jetzt 6000 DM auf 9000 DM heraufsetzen soll. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, weil die Investitionen für die technischen Fortschritte gewaltige Summen erfordern und gerade auf dem Sektor der Investitionsgüter eine Preissteigerung eingetreten ist, die 280 bis 300 % beträgt. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache bitte ich Sie namens meiner Freunde, dem Antrag, der Ihnen in Umdruck 226 vorliegt, zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß bitten, den Antrag abzulehnen. Ich bin nicht sicher, ob die Herren Antragsteller ganz die Tragweite würdigen, die sich hier nicht für die Bundesfinanzen, aber für die Gemeindefinanzen ergibt. Die Gewerbesteuer ist nun einmal das Rückgrat der Gemeindefinanzen. Das Gewerbesteueraufkommen wird zur Zeit 3,300 Milliarden DM betragen. Der Ausfall, der durch diese beiden Punkte entsteht, ist eher auf 10 als auf 5 % des Gewerbesteueraufkommens zu schätzen, d. h. also wohl auf 200 Millionen DM, vielleicht noch mehr. Wenn dieser Antrag angenommen würde, fehlte den Gemeinden alljährlich an Gewerbesteuer dieser Betrag, und zwar ersatzlos. Es ist ja wohl auch nicht geprüft worden, ob die Länder nach dieser Steuerreform in der Lage sind, durch Finanzausgleichszuweisungen den Gemeinden diesen Betrag zu ersetzen.
Ich glaube daher, der Antrag ist von einer solchen Tragweite, daß man ihn hier nicht einfach beschließen kann. Ich fühle mich verpflichtet, im Interesse der Gemeinden und Gemeindeverbände zu bitten, den Antrag nicht anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie wissen, sind wir an sich gern bereit, Freibeträge zu erhöhen. Deswegen ist uns der Antrag an und für sich nicht unsympathisch. Es ist aber um so bedauerlicher, daß er nicht rechtzeitig im Ausschuß gestellt worden ist, so daß man sich seine Auswirkungen hätte ansehen können. Die Zahlen, die der Herr Staatssekretär genannt hat, klingen sehr bedrohlich. Es handelt sich hier um öffentliche Kassen, die nicht unsere sind, für die wir nicht einmal verantwortlich sind, deren prekäre Lage uns aber in vielen Fällen durchaus bekannt ist. Abgesehen davon haben die Antragsteller, glaube ich, auch nicht in Betracht gezogen, was in den Gemeinden - und das sind sehr viele - geschehen soll, die die Mindestbesteuerung beschlossen haben, wo sich ja ein derartiger Antrag kaum auswirken dürfte. Ich bedauere deswegen, daß meine Fraktion keine Möglichkeit sieht, dem Antrag jetzt zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auswirkungen dieses Antrags sind, wie der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums gesagt hat, mehr als beachtlich. Ich darf bei dieser Gelegenheit überhaupt zum Ausdruck bringen, daß bisher sehr wenig dem Wohl der Gemeinden und Gemeindeverbände Rechnung getragen worden ist. Es wäre um so bedauerlicher, wenn durch die Annahme 'dieses Antrags nun auch noch eine absolute, im Augenblick noch nicht einmal ganz zu übersehende Schädigung der Gemeinden und Gemeindeverbände auf einem Sektor einträte, der doch immer als ureigene Quelle der Gemeinden von uns anerkannt worden ist: auf dem Gebiete der Realsteuern. Ich möchte annehmen, daß die CDU/CSU-Fraktion mit den anderen Fraktionen, die sich schon gemeldet haben, den Antrag ablehnt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach. - Herr Abgeordneter Dresbach, Sie haben sich zum Wort gemeldet.
({0})
- Sie verzichten. Dann hat das Wort der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Staatssekretär insoweit zu, als er gesagt hat, daß es für den Bund keinen Ausfall bedeutet. Wie weit es einen solchen für die Kommunen darstellt, entzieht sich meiner Kenntnis. Aber auf eines darf ich hinweisen, daß der § 17 des Gewerbesteuergesetzes den Gemeinden ja die Möglichkeit gibt, die Mindestbesteuerung einzuführen. Damit sind die Gemeinden, die die Mindestbesteuerung eingeführt haben, eigentlich nicht oder nur unwesentlich, wenn ich mich so ausdrücken darf, geschädigt. Nicht geschädigt sind aber die Gemeinden, die seither von der Mindestbesteuerungsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben. Ich sehe nicht ein, warum nun ausgerechnet die Gemeinden, die bisher von der Gelegenheit zur Mindestbesteuerung nach § 17 des Gewerbesteuergesetzes keinen Gebrauch gemacht haben, die Möglichkeit haben sollen, ausgerechnet die kleinsten der Kleingewerbetreibenden mit einem gewerblichen Ertrag von 1200 DM steuerlich auch noch zu erfassen. Das ist ein Unding. Wir dürfen die Sache nicht nur vom rein rechnerischen Standpunkt aus überdenken, sondern müssen hier auch unser soziales Herz sprechen lassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag Umdruck 226 Ziffer 1 ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ziffer 6! Wer für die Annahme von Ziffer 6 ist, der gebe ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Nunmehr haben wir einen Antrag auf Umdruck 226 Ziffer 2 vorliegen, eine Nr. 6 a einzufügen. Wer begründet diesen Antrag?
({0})
({1})
- Herr Dr. Eberhard, haben Sie ihn mitbegründet?
({2})
Dann stimmen wir ab über Umdruck 226 Ziffer 2. Wer für diesen Antrag ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nr. 6a, - Nr. 6b, - Nr. 7; - Art. 9 Abs. 1 ({3})
- Wollen Sie zu Art. 9 noch sprechen?
({4})
Wir stimmen also nur ab über die aufgerufenen Nummern, die zu Art. 8 gehören. Wer für die Annahme ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit.
Art. 9! Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Art. 9 enthält die Ausdehnung des Verlustvortrags, die wir bei der Einkommensteuer abgelehnt haben und auch hier ablehnen müssen. Wir stimmen deswegen gegen den Art. 9.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Wer für Art. 9 in der Ausschußfassung ist, der gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; ¡der Artikel ist angenommen.
Abschnitt V, Erbschaftsteuer, Art. 10! Hierzu ist auf Umdruck 202 Ziffer 17 ein Änderungsantrag angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Königswarter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 202 Ziffer 17 bitten wir Sie, in Abschnitt V, Art. 10 die Ziffern 1 und 1 a zu streichen. Das bedeutet, es hinsichtlich des Erbschaftsteuertarifs bei der bisherigen Regelung zu belassen, aber die Freibeträge entsprechend der Vorlage zu erhöhen. Der Erbanfall stellt einen mühelosen, unverdienten, manchmal sogar unerwarteten Vermögenszuwachs dar.
({0})
Popitz dachte sogar daran, ihn als Einkommensanfall im Anfallsjahr zu behandeln. Dann wäre er steuerlich noch stärker belastet gewesen. Der berechtigten Familienfürsorge tragen aber die erheblichen Freibeträge und die niedrigen Stufungen bei Abkömmlingen und bei der Ehefrau Rechnung. Die Freibeträge betragen bei einem Abkömmling und bei der Ehefrau 30 000 DM. Je nach dem Verwandtschaftsgrad ist der Tarif abgestuft und trägt der Familienfürsorge wirklich ausreichend Rechnung, so daß kein Erblasser gehindert ist, seiner Ehefrau eine anständige Versorgung und seinen Kindern einen anständigen Lebensstart zu sichern. Wenn jemand aber seinen Kindern je 500 000 DM hinterlassen kann und diese dann 12 % Steuern zahlen müssen, so muß ich sagen, dann ist mein Mitleid mit ihnen nicht übermäßig groß, und ich glaube, daß das gezahlt werden kann.
In dieser Hinsicht weise ich auch noch auf die besondere Steuerfreiheit des Ehegatten, der mit Kindern zurückbleibt, hin. Der Erblasser kann unter
Umständen sogar diesen Erbschaftsteuer ersparenden Verwandtschaftsgrad durch Adoption herstellen, und er kann größere Vermögen auf mehrere Personen verteilen. Das scheint mir - denn es handelt sich ja nicht um eine Nachlaßsteuer, sondern um eine Erbanfallsteuer - doch ein soziologisch wünschenswerter Vorgang zu sein. Gerade eine solche Verteilung scheint uns aus soziologischen Gründen erwünscht und rechtfertigt deshalb eine nicht zu niedrige Progression der Erbschaftsteuer. Wir wollen keine Konzentration von Kapitalien in wenigen Händen, die dann zu unkontrollierten Machtpositionen führt, von deren Mißbrauch wir ja bis in die letzte Zeit hervorragende Beispiele gesehen haben.
Auch das Ärgernis erregende Bild des lachenden Erben oder der umsorgten Erbtante scheint mir soziologisch eine solche Herabsetzung zu rechtfertigen. Ich darf auf die Länder hinweisen, die eine weitgehende Erbschaftsbesteuerung haben und in denen die Lebenshaltung der Bevölkerung nicht so krasse Gegensätze und krasse Unterschiede zeigt, wie es bei so manchen Leuten in der Bundesrepublik auffällt.
Bei großen Vermögen, die in den nächsten Jahren anfallen, besteht auch eine gewisse Vermutung, daß sie der übermäßigen Ausnutzung von Konjunkturlagen ihren Ursprung verdanken, die unserem Volke nicht gerade zum Segen gereicht haben.
Ich möchte Sie also bitten, es beim bisherigen Tarif zu belassen, die Freibeträgeaber entsprechend zu erhöhen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind dem Herrn Vorredner für diese Ausführungen sehr dankbar;
({0})
denn aus ihnen können wir doch allerhand entnehmen. Ich möchte Ihnen sagen, daß Ihre Ausführungen wirklich doch in sehr krassem Gegensatz zu vielen anderen Verlautbarungen gerade zur Mittelstandspolitik stehen, die wir aus Ihren Reihen - in den letzten Wochen verstärkt - bekommen haben.
Meine Damen und Herren, wo liegt denn das eigentliche Problem? Das liegt bei den kleinen und mittleren Betrieben gerade im Erbgang, dort, wo zunächst einmal gleichzeitig zwei, manchmal drei Generationen aus einem kleinen Unternehmen unterhalten werden müssen und wo nachher, wenn vererbt wird, die Abfindungen gezahlt werden müssen. Dazu kommen dann noch die Steuern. Die kleinen Betriebe werden doch gerade in diesen Jahren empfindlich getroffen, und wenn wir uns darum Mühe geben, kleine und mittlere Betriebe zu erhalten, dann dürfen wir sie in diesen schwierigsten Jahren ihrer Existenz nicht noch von der steuerlichen Seite her besonders erfassen.
({1})
Ich möchte Sie also dringend bitten, den Antrag der SPD abzulehnen und mindestens - so möchte ich mich ausdrücken - der Ausschußvorlage zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Kollege Schmücker, nachdem Sie unseren Anträgen diese Färbung zu geben versucht haben, darf ich Sie doch darauf aufmerksam machen, daß das, was mit Fug und Recht als Mittelstand betrachtet werden kann, an der Erhöhung der Freibeträge interessiert sein dürfte.
({0})
Und dafür treten wir durchaus ein.
An dem, was hier im Ausschuß gemacht worden ist, ist der Mittelstand, Herr Kollege Schmücker, nicht interessiert. Der Freibetrag bei beerbter Ehe geht bei uns sowieso bis 250 000 DM, wie Sie wissen. Wenn wir jetzt Freibeträge von 30 000 DM - Grundfreibeträge - einführen, dann, glaube ich sagen zu dürfen, ist der Mittelstand aus dieser Kontroverse heraus.
({1})
Es fragt sich nur, was man unter Mittelstand versteht.
({2})
Aber sehen Sie sich einmal die Steuerstatistiken und die Vermögensstatistiken an! Wenn Sie natürlich 6- und 7stellige Vermögen als Mittelstand betrachten, dann sind wir anderer Meinung, Herr Kollege Schmücker.
({3})
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht einige Zahlen zur Debatte beitragen. Die Bundesregierung hatte eine mäßige Senkung der Tarife neben der Erhöhung der Freibeträge vorgeschlagen. Der Bundesrat hat sich gegen die Senkung des Tarifs gewendet. Der Finanzausschuß ist erheblich über die von der Regierung vorgeschlagene Tarifsenkung hinausgegangen. Der Beschluß des Finanzausschusses würde bedeuten, daß das Aufkommen an Erbschaftsteuer, das für das nächste Jahr etwa mit 80 Millionen DM zu veranschlagen wäre, einen Steuerausfall von etwa 48 Millionen DM erleiden würde,
({0})
während die Regierungsvorlage zu einem Ausfall von nur 20 Millionen DM führen würde. Ich glaube doch, diese Zahlen Ihrer Beachtung empfehlen zu dürfen, und möchte meinerseits vorschlagen, ganz gleich, ob dieser Ausfall nun den Bund oder die Länder trifft - das wird ja bei dem endgültigen Schicksal des Finanzreformgesetzes zu entscheiden sein, aber darauf kommt es nicht an -, hier den goldenen Mittelweg zu gehen und es bei der Regierungsvorlage zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die der Herr Staatssekretär gemacht hat, hat er oder der
Herr Minister - ich weiß es nicht mehr genau - auch im Finanz- und Steuerausschuß schon gemacht. Es ist ihm darauf erwidert worden, es sei damit zu rechnen, daß die Zahlen infolge der Neubewertung der Vermögen ganz anders sein würden, daß sie nämlich erheblich steigen würden. Das hätte er eigentlich seinen Ausführungen hinzufügen müssen. Da er es nicht tat, so habe ich mir erlaubt, es zu tun.
({0})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hole das gerne nach. Ich hätte dann aber vielleicht erwarten können, daß der Herr Dr. Wellhausen seinen Ausführungen auch hinzugesetzt hätte, daß die neuen Einheitswerte, die ja in einigen Jahren kommen wenden, auch ein sehr viel höheres Aufkommen der Erbschaftsteuer zur Folge haben werden, so daß dann der Ausfall noch größer sein wird, als ich ihn eben genannt habe.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hole das sehr gerne nach, was der Herr Staatssekretär gesagt hat. Aber ich finde, daß wir unsere Steuergesetze vom heutigen Rechtsstandpunkt aus machen, und vom heutigen Rechtsstandpunkt aus ist die Schau in die Zukunft so, wie ich es gesagt habe. Dabei bleibe ich auch. Ich finde nicht, daß meine Ausführungen unvollständig waren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmücker.
Ich lege nur Wert auf die Feststellung, daß die Angaben des Kollegen Seuffert nicht richtig sein können. Von Hunderttausenderzahlen kann überhaupt nicht die Rede sein; denn hier steht doch ausdrücklich: 10 000 DM und 20 000 DM. Wenn Sie natürlich so tun, als ob der kinderlose Erbgang oder der Erbgang bei entfernten Verwandten als maßgebliche Beispiele zu wählen wären, dann mögen Sie recht haben. Aber im Normalfall ist es so, wie ich es Ihnen dargelegt habe.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 202 Ziffer 17 ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für Ziffer 1 und Ziffer 1a ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; angenommen.
Auf Umdruck 224 *) ist ein Antrag angekündigt, nach Ziffer 1 a eine neue Ziffer 1 b einzufügen. Wer begründet?
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
*) Siehe Anlage 9.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den vielen Umdrucken finden Sie auch den Umdruck 224, der sich mit dem § 17 a des Erbschaftsteuergesetzes befaßt. Der Änderungsantrag unserer Fraktion sieht vor, daß die Steuerfreiheit des Abs. 1 bei 250 000 DM auch dann eintritt, wenn Kinder im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld zwar nicht mehr leben, im letzten Weltkrieg aber durch unmittelbare Kriegseinwirkungen verstorben sind. Nach dem zur Zeit geltenden Erbschaftsteuergesetz, also nach der Fassung vom 30. Juni 1951, bleibt ein gleicher Betrag steuerfrei, wenn im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld Kinder des Ehegatten aus seiner Ehe mit dem Erblasser noch leben. Es ist also eine sehr große Härte gegenüber dem überlebenden Ehegatten, dessen Kinder im letzten Weltkrieg ihr Leben eingebüßt haben. Es ist wohl nicht einzusehen, daß gerade die überlebende Ehefrau, die schon den Verlust ihrer Kinder zu beklagen hat, für diesen Verlust auch noch, steuerrechtlich gesehen, bestraft wird. Auch nach dem ersten Weltkrieg hat man dem Rechnung getragen. In § 9 des Erbschaftsteuergesetzes vom 22. August 1925 heißt es, daß der Erwerb des überlebenden Ehegatten auch dann steuerfrei ist, wenn Kinder „im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld zwar nicht mehr leben, aber im Weltkriege gefallen . . . sind". Meine Damen und Herren, ich glaube, in Würdigung dieser wirklich großen Härte werden Sie alle gern unserem Änderungsantrag zustimmen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß nach dem ersten Weltkrieg eine ähnliche Regelung getroffen worden ist. Ich darf aber doch auf die Bedenken hinweisen. Wenn der Antrag angenommen würde, würde praktisch diese Vergünstigung nach dem Tode des Letztversterbenden, also hier der Ehefrau, auch ganz entfernten Verwandten zugute kommen. Das kann doch wohl nicht der Sinn der Regelung sein. Im Gesetz ist auch dann, wenn überhaupt keine gemeinsamen Abkömmlinge vorhanden sind, sondern nur Abkömmlinge von einem Ehegatten, die Vergünstigung nicht gewährt. So traurig auch der Anlaß sein mag, um den es sich handelt, ich glaube nicht, daß es der Systematik entsprechen würde, aus diesem Anlaß schließlich ganz entfernten Verwandten eine weitgehende Vergünstigung zugute kommen zu lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Überlegen Sie sich den praktischen Fall: Eine Mutter, die ihre Kinder im Kriege verloren hat, verliert auch ihren Ehegatten. In diesem Fall muß die arme Frau Erbschaftsteuer bezahlen. Wenn ihre Kinder im Kriege nicht gefallen wären, brauchte sie keine Erbschaftsteuer zu zahlen. Wenn jetzt die Erbschaftsteuer nicht gezahlt wird - und das möchte ich dem Herrn Staatssekretär Hartmann sagen -, dann fällt sie in erhöhtem Maße an, wenn die Frau später ohne Kinder stirbt.
({0})
Ich glaube, Sie sollten unserem Antrag zustimmen.
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Vipräsident Dr. Schmid: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer für den Antrag Umdruck 224 ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann stimmen wir ab über die Ziffern 2, 3 und 4 des Art. 11. Wer für diese Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, zurückzublättern bis zu Seite 59 der Vorlage. Der Änderungsantrag des Kollegen Seuffert ist nunmehr verteilt. Es ist der Antrag, über den wir die Abstimmung vertagt haben. Kann ich jetzt darüber abstimmen lassen? - Herr Abgeordneter Hellwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Herrn Kollegen Seuffert zielt auf eine Zweckbindung der Sparleistungen nach dem Wohnungsbauprämiengesetz ab. Die Mindestliegezeit für diese Sparleistungen ist bereits von 3 auf 5 Jahre erhöht.
({0})
Ich glaube, daß damit einem Mißbrauch bereits ein Riegel vorgeschoben ist. Man muß aber diesen Antrag auch sehen im Verhältnis zum Wettbewerb mit den Sparkassen. Bei ihnen ist die Mindestliegezeit bei 3 Jahren geblieben, während sie bei den Bausparkassen auf 5 Jahre erhöht worden ist. Damit sind hinsichtlich der Mindestliegezeit die Bausparkassen schlechter dran als die Sparkassen. Eine Gleichstellung ist, glaube ich, nur denkbar, wenn die Liegezeit bei den Sparkassen für Vertragssparen ebenfalls auf fünf Jahre verlängert oder aber von einer Zweckbindung bei den Bausparkassen abgesehen wird. t
Daher darf ich wohl darum bitten, diesen Antrag abzulehnen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Brönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in unser Wohnungsbau-Prämiengesetz eingearbeitet, daß idas Geld für den Wohnungsbau verwendet werden muß, und wir haben durch dieses Prämiengesetz Millionen und Millionen D-Mark neu in den Wohnungsbau hineingebracht. Wenn heute jemand einen Bausparvertrag abschließt, fließt das Geld sofort in den Wohnungsbau und nicht in andere Unternehmungen. Wenn er fünf Jahre lang gespart hat, dann bleibt dieses Geld also fünf Jahre im Wohnungsbau, indem es bei den Zuteilungen an die Bausparer immer wieder im Wohnungsbau verwendet wird. Auch wenn die fünf Jahre vorbei sind, wird nicht jede Bausparkasse bei Kündigung eines Vertrages das Sparguthaben voll auszahlen können, sondern nach den Geschäftsordnungen der Bausparkassen ist die Bausparkasse nur verpflichtet, im Rentenverfahren das Sparguthaben an den Bausparer zurückzuzahlen. Also wird es in den meisten Fällen so werden, daß der Bausparer, selbst wenn er nach fünf Jahren seinen Vertrag kündigen will, noch lange warten muß, bis er sein Guthaben zurückbekommt, und in diesen weiteren Jahren bleibt das Geld wiederum im Wohnungsbau. Dieses Spargeld kann also in einem Bausparvertrag dort nicht bloß fünf Jahre wirken, sondern
({0})
es kann unter Umständen acht, neun oder zehn Jahre im Bausparvertrag für den Wohnungsbau tätig sein.
Meine Damen und Herren, wir haben den § 7 c praktisch verloren. Wir haben eine Verschlechterung der Sonderausgaben für diejenigen, die über die Höchstbeträge hinaus Sonderausgaben machen. Unser sozialer Wohnungsbau ist gefährdet. Gerade die Bausparer sind die kleinen Leute, Arbeiter und Angestellte. 50 % der Bausparer gehören zu diesen Gruppen. Wir haben also allen Grund, das Sparen für den Wohnungsbau zu fördern. Wenn wir aber sagen, nach fünf Jahren müsse unter allen Umständen das Geld vom Bausparer noch für den Wohnungsbau verwendet werden, dann kann man noch nicht einmal ein Haus damit kaufen, und wir legen doch großen Wert darauf, daß Eigenheime erstellt werden, daß Gesellschaften Häuser „auf der Stange" bauen und daß der Sparer imstande ist, ein solches Haus auch mit einem Bausparvertrag zu kaufen.
Wenn wir überlegen, wie wichtig das Bausparen für den Wohnungsbau ist und daß das Geld lange Jahre im Wohnungsbau arbeitet, dann sollten wir diese Hemmung und Beschränkung nicht einschalten; es wäre ein Schlag gegen den Wohnungsbau.
({1})
Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist möglich, daß die Sache nicht von allzu großer Bedeutung ist. Ich glaube allerdings nicht, daß es sich um einen „Schlag gegen den Wohnungsbau" handeln kann, wenn man dafür sorgen will, daß die Gelder, die mit Wohnungsbauprämien begünstigt werden, auch im Wohnungsbau bleiben. Ich kann mich jedenfalls nur darauf beziehen, daß das Bundesfinanzministerium mir bestätigt hat, daß hier eine Lücke im Gesetz ist, die den Ablauf der verschiedenen begünstigten Sparmaßnahmen im Einkommensteuer- und im Wohnungsbauprämiengesetz empfindlich stören könnte, und ich wäre dankbar, wenn das Ministerium sich hierzu äußerte.
Herr Staatssekretär Hartmann!
Ich kann die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Seuffert bestätigen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für die Annahme von Umdruck 241**) ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr bitte wieder Seite 71 Abschnitt VI Reichsabgabenordnung Art. 12, - Art. 13. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Conring, Mensing und Genossen auf Umdruck 223 *) vor. Wer begründet den Antrag?
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
*) Siehe Anlage 8.
**) Siehe Anlage 14.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerechtigkeit und Gleichheit muß oberstes Gesetz sein. Aus diesem Gesichtspunkt haben wir folgenden Antrag gestellt:
Folgender neuer Artikel 13 a wird eingefügt:
Die Reichsabgabenordnung vom 22. Mai 1931 ({0}) in der zur Zeit geltenden Fassung wird wie folgt geändert:
In § 162 wird folgender Absatz 11 hinzugefügt: Prüfungen nach den Absätzen 9 und 10 dürfen nicht mehr für einen Veranlagungszeitraum erfolgen, der länger als drei Jahre zurückliegt.
Bei Großbetrieben ist nach der Abgabenordnung ein dreijähriger Turnus der Betriebsprüfung vorgeschrieben. Ich glaube, das Verlangen der Klein-und Mittelbetriebe des Mittelstandes nach Gleichheit auf diesem Gebiete ist berechtigt. Diese Betriebe dürfen nicht anders behandelt werden als die Großbetriebe. Wir wünschen eine Angleichung, eine grundsätzlich gleiche Behandlung der Klein-und Mittelbetriebe.
Weiter muß der Steuerpflichtige wissen, daß seine Steuerangelegenheiten geklärt sind und nicht unerwartete hohe Nachzahlungen über einen Zeitraum von vier oder fünf Jahren verlangt werden. Die Buchführung der mittleren und kleineren Betriebe wird 'in sehr vielen Fällen verworfen. Die Begründung dafür will ich Ihnen geben. Die Inhaber dieser Betriebe können sich zum großen Teil keinen Buchhalter leisten, zum Teil beherrschen sie auch die Buchführung nicht. Die Folge davon ist, daß oft auf Grund von Prüfungen unerhört hohe Nachzahlungen geleistet werden müssen, die sich aus dem sogenannten Unterwerfungsverfahren ergeben. Diese Klein- und Mittelbetriebe müssen, da sie über Barmittel nicht verfügen, zu den Banken gehen; zum Teil bleiben sie mit ihren Mietzahlungen im Rückstand oder machen Warenschulden. Wir erwarten und verlangen, daß diese Menschen die gleiche Behandlung erfahren wie die Großbetriebe. Sie dürfen nicht durch eine Ausnahmebehandlung in wirtschaftliche Bedrängnis gebracht werden. Wir haben die Verpflichtung, für den Schutz der Klein- und Mittelbetriebe einzutreten. Sie dürfen durch die Steuergesetzgebung oder durch die Art der Eintreibung der Steuern nicht vernichtet werden. Wir Antragsteller legen Wert darauf, daß der Antrag, den wir gestellt haben, gesetzlich verankert wird. Falls von dem Herrn Staatssekretär ein Einspruch kommen sollte, wir sollten uns damit begnügen, daß vom Finanzministerium Richtlinien ergehen, daß die Länder unserm Wunsch entsprechen sollen, so muß ich sagen, Herr Staatssekretär: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Es ist besser, wenn ein solcher Antrag gesetzlich verankert wird. Ich bitte daher, unserem Wunsche zu entsprechen und den Klein- und Mittelbetrieben den beantragten Schutz angedeihen zu lassen.
({1})
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis für die Wünsche, die Herr Abgeordneter Mensing eben hinsichtlich der Klein- und Mittelbetriebe zum Ausdruck gebracht hat, und ich bedaure deshalb, daß der Antrag erst
({0})
jetzt kommt. Wenn wir ihn vorher im Finanzausschuß gehabt hätten, hätte man vielleicht die Gründe für und wider dort ausführlicher erörtern können. Der Antrag bezieht sich nach seinem Wortlaut nicht nur auf § 162 Abs. 9 der Abgabenordnung, sondern auch auf Abs. 10, d. h. auf die Großbetriebe. Er geht also weit über den Rahmen hinaus, der eben in der Begründung umrissen worden ist. Ich glaube, daß es jetzt noch zu früh ist, auf eine derartige Limitierung der Befugnisse der Betriebsprüfung zuzukommen. Die Betriebsprüfung muß noch in sehr vielen Fällen auf die D-Markeröffnungsbilanzen zugehen. Die D-Markeröffnungsbilanzen konnten ja nach der gesetzlichen Lage erst Jahre nach dem Stichtag im Jahre 1948 aufgestellt und noch viel später geprüft werden. Wenn dieser Antrag angenommen würde, würde die Betriebsprüfung überhaupt nicht mehr in der Lage sein, die Grundlage der heutigen Bilanzen, nämlich die D-Markeröffnungsbilanz, zu erörtern.
Wenn Herr Abgeordneter Mensing eben darauf hingewiesen hat, daß sich ungeheuerliche Nachzahlungen ergäben, die die Betriebe ruinieren könnten, dann muß ich sagen, daß die Betriebsprüfung nicht mehr fordern kann, als nach dem Gesetz geschuldet ist. Das Ergebnis des Antrages würde aber sein, daß der steuerlichen Gerechtigkeit nicht mehr Genüge getan würde. Wenn die Konkurrenten eines Steuerpflichtigen ihre Steuern laufend und korrekt bezahlt haben, auch wenn sie sehr hoch waren, dann darf man jetzt nicht davon absehen, bei den anderen Steuerpflichtigen nur die gesetzlich gestundeten Steuern festzusetzen. Ob sie nach der wirtschaftlichen Lage des Betreffenden jetzt noch gezahlt werden können, wenn sie eine große Höhe erreichen, ist vom Finanzamt festzustellen. Dabei kann eine Stundung oder ein Billigkeitserlaß in Frage kommen. Aber ich glaube, daß wir allein schon wegen des Zusammenhanges mit der D-Markeröffnungsbilanz diese Beschränkung der Betriebsprüfungen hier nicht gesetzlich festlegen können. Vielleicht kann 'die Frage zurückgestellt und nach Abschluß dieses Komplexes demnächst einmal im Finanzausschuß im Zusammenhang erörtert werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Mensing hat bereits ausgeführt, daß der Sinn dieses Antrags dahin geht, diejenigen Betriebe zu schützen, die nicht in der Lage sind, durch das schwer zu übersehende Gebiet der Steuergesetzgebung und Steuerdurchführungsbestimmungen hindurchzufinden, die auch nicht in der Lage sind, sich einen Steuerberater nehmen zu können, die also mehr oder weniger darauf angewiesen sind, dasjenige in ihrer Buchführung und in ihren Steuererklärungen zum Ausdruck zu bringen, wovon sie meinen, daß es richtig sei. Sie wissen sehr gut, daß dabei leicht Fehler und Irrtümer unterlaufen können, ohne daß dabei irgendeine böse Absicht vorliegt. Es ist bei der später folgenden „Betriebsprüfung" leicht, die Buchführung, die der Betriebsprüfung zugrunde liegt, zu verwerfen und zu sagen: Hier sind Fehler vorgekommen, infolgedessen können wir die Suchführung nicht anerkennen. Bei dieser Gelegenheit fallen dann aber auch alle Steuervergünstigungen fort, die bisher bestanden haben, obwohl diese gerade auch die kleinen und mittelständlerischen Betriebe schützen sollten. Denn mit der Verwerfung der Buchführung fällt - nach der Auffassung der Finanzverwaltung - auch ,das Recht fort, derartige Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Das praktische Ergebnis ist dann folgendes: Die Buchführung wird wegen irgendwelcher Irrtümer oder Unzulänglichkeiten verworfen. Es wird anschließend von der Finanzverwaltung jedes Jahr neu nachgerechnet - das pflegt mit dem Jahre 1948, dem Jahre des Währungsschnitts, zu beginnen -, und dann werden Jahr für Jahr die Steuern errechnet, die nach der Auffassung der Beamten der Steuerverwaltung zu zahlen sein würden, ohne daß dabei von den Vergünstigungen Gebrauch gemacht werden kann. Das wird summiert. Der Steuerzahler ist dann in der unglücklichen Lage, nun seinerseits einen Betrag nachzahlen zu müssen. Er hat ihn nicht. Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig - ich könnte Ihnen eine große Zahl von praktischen Beispielen dafür vorführen -, als den Betrag anzuleinen. Oder er muß versuchen, die Laufzeit seiner Schulden zu verlängern, meistens auf Kosten anderer Menschen, denen auch sehr daran liegt, die Verpflichtungen, die andere eingegangen sind, von diesen eingelöst zu sehen. Wir haben in der breiten Schicht des Mittelstandes, sowohl des Handwerks als auch des Einzelkaufmanns und der Landwirtschaft, eine 'ganze Reihe von Fällen, wo diese Betriebsprüfungen zu den allergrößten wirtschaftlichen Unzuträglichkeiten geführt haben. Wir glauben daher, Betriebsprüfungen für eine beliebig lang zurückliegende Zeit diesen Betrieben nicht länger zumuten zu dürfen.
Den Antrag auf Einbeziehung der Großbetriebe möchte ich als Antragsteller mit meinen Freunden zurücknehmen, so daß sich der Antrag auf die Klein- und mittelständischen Betriebe beschränkt. Der Antrag würde dann verändert lauten:
Prüfungen nach dem Abs. 9
- der Abs. 10 umfaßt die Großbetriebe dürfen nicht mehr für einen Veranlagungszeitraum erfolgen, der länger als drei Jahre zurückliegt.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie auch darauf aufmerksam machen, daß jeder mittelständische Betrieb bei der Unübersichtlichkeit der Steuergesetzgebung praktisch damit rechnen muß, daß seine Buchführung und damit seine Steuerberechnungen verworfen werden. Er befindet sich in einer dauernden Unsicherheit, bis eine Betriebsprüfung stattgefunden hat, weil er eben nicht übersehen kann, ob er die Steuererklärungen richtig abgegeben hat, nach bestem Wissen und Gewissen zwar, aber vielleicht doch nicht ganz in Übereinstimmung mit den vielen Gesetzen und den zahlreichen Durchführungsbestimmungen. Dadurch wird eine Unsicherheit in das mittelständische Wirtschaftsleben hineingebracht, die wir unter allen Umständen vermieden wissen möchten.
Ich bitte Sie deshalb, dem veränderten Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen vorigen Ausführungen
({0})
noch nachzutragen, daß die Prüfung auch besonders wichtig ist wegen des Lastenausgleichs. Wir haben hier die Stichtage, an die die Vermögensabgabe, die Kreditgewinnabrgabe usw. geknüpft sind. Ich glaube, wir können im Jahre 1954 doch nicht allgemein auf diese Prüfung verzichten, gerade auch mit Rücksicht auf die Kompliziertheit dieser Abgaben. Wenn der Herr Antragsteller jetzt den Antrag auf die Betriebe, die - ich will es so ausdrücken - nicht Großbetriebe im Sinne des Abs. 10 sind, beschränkt, so darf ich auch hier nochmals auf das, was ich eben über D-Mark-Bilanz und Lastenausgleich sagte, Bezug nehmen: ich glaube, die Sache ist wirklich noch nicht reif für eine überstürzte gesetzliche Regelung. Auch wir haben den Wunsch, ,wenn es soweit ist, die Betriebsprüfung, wie man wohl sagte, zeitnahe zu machen und nicht so weit in die Vergangenheit zurückzugehen. Aber dann müssen wir erst mit den D-Mark-Bilanzen fertig sein. Wir sind gern bereit - das wurde vorhin von Herrn Abgeordneten Mensing schonvorweggenommen -, mit den Länderfinanzministerien über eine vernünftige Verwaltungspraxis zu sprechen. Ich möchte aber bitten, das nicht im Gesetzeswege zu beschränken.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man konnte, wenn man von den Dingen etwas versteht, wirklich sehr überrascht sein über die Begründung des Herrn Kollegen Mensing, der bei der Betriebsprüfung einen Gegensatz in der Behandlung von Groß- und Mittelbetrieben konstruieren wollte. Es ist doch einfach eine Frage der Arbeitstechnik der Behörden oder, ich möchte einmal sagen, der Arbeitsbelastung nach dem Ereignis der Währungsreform und der damit notwendigen Umstellung der Bilanzen, daß die turnusmäßige Betriebsprüfung jeweils nach drei Jahren, ganz gleich, ob beim Mittel- oder beim Großbetrieb, etwas ins Nachhinken gekommen ist. Wenn das nach Ihrer Meinung in ganz kurzer Zeit behoben werden soll, dann hätten Sie, Kollege Mensing, beantragen müssen, daß gleich noch tausend Steuerbeamte eingestellt werden. Natürlich ist es nicht gut, wenn die Betriebsprüfungen allzu sehr nachhinken. Im Augenblick müssen sie nun einmal aus Gründen der Steuergerechtigkeit bis in die D-Mark-Eröffnungsbilanz zurückgehen, und zwar bei jedem Betrieb. Es ist doch im Sinne der gleichmäßigen steuerlichen Behandlung geradezu undenkbar, daß wir durch den vorliegenden Antrag mitten dazwischenhauen. Bei denjenigen, die schon geprüft sind, sind die Steuern bis zur D-Mark-Eröffnungsbilanz ordnungsmäßig festgestellt, und bei den anderen fängt es jetzt mitten im Raume dazwischen an. Wenn es sich um erhebliche Steuernachzahlungen für eine größere Zahl von Jahren handelt, so ist das natürlich bedauerlich. Sollte der Steuerpflichtige dann zur Nachzahlung nicht in der Lage sein, so wird ihm die Verwaltung durch Stundung oder Erlaß nach § 131 der Reichsabgabenordnung selbstverständlich entgegenkommen müssen.
Im übrigen könnte der Antrag ein Anliegen für eine künftige Neuordnung der Reichsabgabenordnung sein, die ohnehin noch vor uns steht. Wenn die Behörden die Arbeitsüberlastung, die durch die Währungsreform eingetreten ist, überwunden haben und - vielleicht ist das ohnehin in absehbarer Zeit schon der Fall - bei einem normalen
Dreijahresturnus angelangt sind, dann könnte man dem Antrag des Kollegen Mensing vielleicht nähertreten. Für den Augenblick bitte ich, ihn abzulehnen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs und des Herrn Kollegen Miessner durchaus zu. Ich möchte darüber hinaus mit Nachdruck bitten, diesen Antrag abzulehnen. Wie ist denn die Angelegenheit? Steuerprüfungen mit steuerlicher Wirkung können innerhalb der Verjährungsfrist erfolgen. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre und bei hinterzogenen Beträgen zehn Jahre. Wollen Sie es denn nun wieder für eine bestimmte Klasse von Steuerpflichtigen so weit treiben, daß Sie für diese auch noch eine kürzere Verjährungsfrist einrichten, indem Sie dem Finanzamt bereits nach drei Jahren verbieten wollen, überhaupt festzustellen, ob die Steuern richtig bezahlt worden sind? Ich bitte doch die Herren, zur Kenntnis zu nehmen - wenn sie das nicht ohnehin wissen sollten -, daß auf Grund einer Lohnsteuerprüfung jeder Arbeitnehmer noch nach fünf Jahren selbstverständlich Lohnsteuer nachzahlen muß. Wo bleibt denn der? Ich verstehe auch die Trennung zwischen Abs. 9 und Abs. 10 nicht. Abs. 9 bezieht sich genau so gut auf die Großbetriebe wie Abs. 10. Das gilt für alle Betriebe, da ist kein Unterschied. Ich glaube, so weit sollte man den mangelnden Willen, Steuern zu zahlen, doch nicht unterstützen, daß man nun auch hier eine weitere Ungerechtigkeit im angeblichen Interesse einer ganz bestimmten kleinen Gruppe eintreten lassen will.
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich bin kein Experte der Finanzverwaltung wie der Herr Kollege Miessner, und daher trifft mich sein Tadel nicht. Aber ich möchte dem Kollegen Miessner sagen: ich verfüge über einen gesunden Menschenverstand,
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und von diesem gesunden Menschenverstand haben meine Freunde und ich mich leiten lassen.
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- Ja, das hätten Sie dann vorsorglich tun müssen, Herr Miessner.
({2})
- Herr Miessner, die Dinge liegen doch wie folgt. Es handelt sich um Klein- und Mittelbetriebe, die durch den Währungsschnitt um ihre Substanz gebracht worden sind und die durch die einseitige Steuergesetzgebung auch keine Möglichkeit hatten, Kapital neu zu bilden. Wenn man diesen Menschen zumutet, - - Herr Kollege Seuffert, Sie lachen! Vielleicht kennen Sie die Seele und die Bedrängnis dieser Menschen nicht und wissen nicht, wie es darin aussieht.
({3})
({4})
Ich will Ihnen das an einem Fall demonstrieren, hören Sie genau zu! Ich kann Ihnen viele Fälle zur Kenntnis bringen. Dies ist ein Fall, der sich in meinem eigenen Haus abspielt. Herr Miessner und Sie haben mich herausgefordert, darum bringe ich Ihnen diesen Fall als Beweismaterial zur Kenntnis. In meinem Haus wohnt eine Frau, die, als mein Haus ausgebombt wurde, alles verloren hat und der ich nach dem Wiederaufbau ihren Laden zur Hälfte des normalen Mietpreises zurückgegeben habe. Diese Frau, die allein steht - ihren einzigen Sohn hat sie im Kriege verloren -, erlebt, daß man ihr bei einer Prüfung zumutet, rund 6000 DM nachzuzahlen. Sie hat diese Summe aufgebracht. Die Frau hat gespart und sich in den letzten Jahren nichts leisten können, geschweige sich eine anständige Ladeneinrichtung kaufen können. Ich, der ich nicht Behörde bin, besitze soziales Verständnis und habe der Frau eine Mietstundung von 3000 DM eingeräumt,
({5})
damit die Finanzverwaltung ihr Geld bekommt. Wenn Sie für die Ablehnung unseres Antrages sind, beweisen Sie Ihr „soziales Verständnis", das Sie dem Mittelstand in der Steuergesetzgebung entgegenbringen. Dann allerdings sind Sie ein schöner Mittelstandsvertreter, Herr Miessner!
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Weitere Wortmeldungen liegen offenbar nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar stimmen wir ab über den Antrag Umdruck 223 *).
({0})
- In der abgeänderten Form. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; angenommen.
Abschnitt VI a, Ertragsteuerliche Ausfuhrförderung, Art. 13 a. Dazu liegt ein Antrag auf Umdruck 213 vor. Wer begründet diesen Antrag? - Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage, die im Finanzausschuß beschlossen worden sind, um einem Verlangen des Bundesfinanzministers, ihm gewisse Deckungen zur Verfügung zu stellen, Rechnung zu tragen, ist wohl die Streichung der Exportbegünstigung durch die Bildung steuerfreier Rücklagen und der Steuerbegünstigung von Gewinnen draußen im Lande auf die stärksten Bedenken gestoßen. Diese Förderung des Exports war ausdrücklich bis zum Ende des Jahres 1955 vorgesehen. Sie würde in Abweichung von dieser ganz klaren Rechtslage nunmehr durch den Beschluß des Finanz- und Steuerausschusses geändert werden. Ich glaube, der Bundestag sollte sich hier einmal grundsätzlich darüber klar sein, daß es einen Grundsatz von Treu und Glauben gibt, nach dem nicht nur der Kaufmann seine Verträge zu machen hat, sondern nach dem auch der Gesetzgeber einmal gültige Bestimmungen in ihrer Befristung bestehen lassen sollte. Das Exportgeschäft ist eine Angelegenheit, die nicht nur mit einem sehr kurzfristigen Verkauf vom Lager aus zu machen ist. Vielmehr beobachten wir gerade in den letzten Jahren, daß sich ein Strukturwandel im Export der
*)Siehe Anlage 8. deutschen Industrie vollzieht, daß gewissermaßen nicht mehr vom Lager geliefert und auf Bestellung gearbeitet wird, sondern daß an die Stelle dieser Art von Export die Exportierung von Werkanlagen, Maschinenaggregaten usw. auf Grund langfristiger Investitionen tritt. Das bedeutet aber, daß der Exportindustrielle und der Exportkaufmann mit langen Lieferfristen zu rechnen haben. Bei der Abgabe von deutschen Angeboten mit diesen langen Lieferfristen werden selbstverständlich im internationalen Wettbewerb auch die steuerlichen Vergünstigungen, die der Gesetzgeber in Aussicht gestellt hat, einkalkuliert. Für wesentliche Teile des deutschen Industrieexports, die im Jahre 1955 in die Welt hinausgehen, ist in der deutschen Preisstellung bereits die steuerliche Exportbegünstigung nach den bisher gültigen Bestimmungen einkalkuliert worden. Würden diese Begünstigungen gestrichen werden, so würde das eine ganz erhebliche Verschlechterung für unsere Exporteure bedeuten, da sie ihre Preisangebote in ihren Verträgen kaum noch revidieren könnten.
Um wenigstens einen teilweisen Ausgleich für den Fortfall dieser Art der Steuerbegünstigung zu schaffen, haben die Fraktionen der CDU/CSU, FDP. GB/BHE und DP in Umdruck 213 eine bescheidene Bonusgewährung beantragt.
Ich darf namens meiner Fraktion und der an diesem Antrag beteiligten Fraktionen bitten, dem Umdruck 213 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme allen Ausführungen meines Kollegen Hellwig nach der sachlichen Seite hin zu. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß die Einkehr des Bußtages, die wir gestern hatten, eine Reihe von Freunden, und zwar die FDP, die DP und den BHE, zu der Ansicht gebracht hat, daß man, wenn man die Ansicht vertritt, eine Änderung eines befristeten Gesetzes verstoße wider Treu und Glauben - und die vertreten wir und Sie, Herr Dr. Hellwig -, nicht Kompromisse machen, sondern sagen sollte: Bitte, lassen Sie den Termin auslaufen, wozu Sie sich entschlossen haben, am 31. Dezember 1955.
Ich stelle infolgedessen den Antrag, den Abschnitt VI a zu streichen und demgemäß, da ja die Grundlage fehlt, auch den Umdruck 213 abzulehnen. Ich stelle diesen Antrag wiederholt im Namen der FDP, der DP und des GB/BHE.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier schon mehrfach über das Kompromiß gesprochen, das im Finanzausschuß zustande gekommen war, insbesondere über die verschiedenen Punkte, die zur Gegenrechnung gegen die erhebliche Senkung des Einkommensteuertarifs um 500 Millionen DM bestimmt waren. Alle diese Punkte sind heute nicht beschlossen worden. Es handelt sich hier um den vierten Punkt, um einen besonders erheblichen Punkt im Ausmaß von 170 Millionen DM.
Ich bin dem Herrn Abgeordneten Dr. Hellwig dankbar dafür, daß er sich diesen im Finanzaus({0})
schuß getroffenen Kompromiß hier, wenn auch unter starken Bedenken, zu eigen gemacht hat. Wenn nun der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen bean-. tragt, auch in diesem vierten Punkte von der Grundlage der Beschlüsse des Finanzausschusses abzugehen, dann darf ich nur sagen, daß sich haushaltswirtschaftlich allerdings eine ganz gefährliche Situation ergibt, eine Situation, die wahrscheinlich auch den Bundesrat dazu zwingen wird, den Vermittlungsausschuß anzurufen. Es würde dann eine Verzögerung der Verabschiedung dieses Gesetzes bevorstehen, die doch kaum noch verantwortet werden kann.
Ich möchte daher dringend bitten, wenigstens in diesem einen Punkte an den Beschlüssen des Finanzausschusses festzuhalten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Wir stimmen ab über den Umdruck 213.*)
({0})
- Ja, Änderungsanträge gehen vor.
({1})
Wer für den Antrag auf Umdruck 213 ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Es ist nicht möglich festzustellen, wo die Mehrheit ist. Wir müssen leider durch Hammelsprung entscheiden.
({2})
Ich bitte die Türen zu schließen. - Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
({3})
Ich bitte, die Auszählung zu beschleunigen. - Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, dies ist das Ergebnis der Auszählung: an der Abstimmung beteiligt haben sich 387 Mitglieder des Hauses; mit Ja haben gestimmt 187, mit Nein 200, Enthaltungen keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Es ist noch über den Antrag Wellhausen zu entscheiden, den ganzen Abschnitt VI a zu streichen. Ich wiederhole, der Antrag lautet: Abschnitt VI a ist zu streichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu 'erheben. - Meine Damen und Herren, ich bitte Platz zu nehmen; es ist unmöglich, so festzustellen, wo die Mehrheit ist. Ich bitte, das Handzeichen zu wiederholen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über Abschnitt VI a, Abschnitt VII, Art. 14 und 15, Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit, angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung, die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern, erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung.
({4})
*) Siehe Anlage 5. - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit und der Tatsache, daß wir zwei wichtige Punkte auf der eigentlichen heutigen Tagesordnung haben, mit der wir jetzt erst beginnen, beantrage ich, daß die Punkte 19 und 20 zuerst beraten werden. Der Punkt 19 könnte durch einfache Überweisung an die Ausschüsse erledigt werden. Bei dem Gegenstand zu Punkt 20 der Tagesordnung handelt es sich um ein Problem, das der Erledigung noch heute bedarf, wenn die Dinge noch zum 1. Januar zum Zug kommen sollen. Es handelt sich um die drei Vorlagen betreffend Kindergeld.
Ich stelle (also den Antrag, die beiden Tagesordnungspunkte 19 und 20 vorzuziehen und zuerst zu beraten.
Herr Abgeordneter Atzenroth, ist Ihnen entgangen, daß die drei letzten auf der Tagesordnung von Dienstag stehenden Gesetzentwürfe noch zur Steuerreform gehören?
({0})
Die wollen wir doch noch behandeln. Wir wollen
uns also erst nach Erledigung der Tagesordnung
von Dienstag mit dieser anderen Frage befassen.
Ich rufe dann Punkt 3 der Tagesordnung von Dienstag auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer
Berlin" ({1}) ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Eberhard. Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung. - Liegt ein Schriftlicher Bericht vor, auf den Sie verweisen könnten?
({6})
- Dann muß ich Sie bitten, den Bericht mündlich zu erstatten.
Eberhard ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den ehrenvollen Auftrag vom Finanz- und Steuerausschuß, Ihnen über den Gesetzentwurf zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" zu berichten. Im allgemeinen habe ich zu sagen: Der 19. Ausschuß also der Finanz- und Steuerausschuß - schlägt Ihnen vor, die Abgabe „Notopfer Berlin" auch für die Zukunft beizubehalten, damit der Bund den im Dritten Überleitungsgesetz übernommenen Verpflichtungen gegenüber Berlin, die sich nach Art und Umfang von den Verpflichtungen des Bundes gegenüber den anderen Ländern wesentlich unterscheiden, nachkommen kann.
Einem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, das Notopfer Berlin in einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer umzuwandeln, ist der Ausschuß nicht gefolgt.
Der Entwurf des Notopfergesetzes 1955 schließt sich hinsichtlich der Abgabe der natürlichen Personen und der Abgabe der Körperschaften soweit wie möglich der Einkommensteuer- und der Körperschaftsteuer an, so daß die Bemessungsgrundlage
({8})
der Einkommensbetrag ist, der der Veranlagung zur Einkommensteuer zugrunde gelegt wird. Die Verwaltungsvereinfachung, die beim Notopfer Berlin hierdurch erreicht wird, ist ganz erheblich.
Gleichzeitig werden aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit eine Anzahl von Vorschriften geändert oder neu eingeführt. Hierbei handelt es sich im besonderen um die Einführung des Notopferjahresausgleichs und um die allgemeine Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen im Sinne der §§ 33 und 33 a des Einkommensteuergesetzes.
Im speziellen habe ich Ihnen zu berichten: Der 19. Ausschuß schlägt Ihnen vor, der Ansicht des Bundesrates, daß das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedürfe, nicht zu folgen. Der Ausschuß kam zu dieser Auffassung insbesondere mit Rücksicht auf Art. 105 Abs. 3 des Grundgesetzes, nach dem nur Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden ganz oder zum Teil zufließen, der Zustimmung des Bundesrates bedürfen.
Zu § 1 des Gesetzes hat der Ausschuß weder die Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung noch den Vorschlag des Bundesrates angenommen, sondern eine später vorgeschlagene Fassung für richtig gehalten im Hinblick auf die Entschließung, die dieses Hohe Haus anläßlich der dritten Lesung des Bundeshaushaltsplans, Einzelplan 45, betreffend finanzielle Hilfe für Berlin, am 6. Mai 1954 angenommen hat. Damit sollen jedoch haushaltsrechtliche Entscheidungen nicht getroffen sein.
§ 2 des Gesetzes betreffend Abgabepflicht wurde durch den Ausschuß ohne Änderung angenommen.
Das gleiche gilt bezüglich des § 3 betreffend Umfang der Abgabepflicht.
Zu § 4, Bemessungsgrundlage, hat der Ausschuß die vom Bundesrat vorgeschlagene geänderte Fassung abgelehnt, da sie dem Umstand nicht genügend Rechnung trägt, daß bei beschränkt einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen nicht das Einkommen, sondern die Summe der Einkünfte im Sinne des § 49 des Einkommensteuergesetzes die Grundlage der Besteuerung bilden.
§ 5 des Gesetzes, Höhe der Abgabe der natürlichen Personen: Hier bezieht sich Abs. 1 nur auf die Anwendung der Notopfertabelle. Er wurde angenommen.
In bezug auf den Abs. 2 des § 5 wurde der Vorschlag des Bundesrates angenommen, nach dem Grundsatz der beschränkten Abgabepflicht die beschränkt Einkommensteuerpflichtigen nach Steuerklasse II der Tabelle heranzuziehen. Die bei der Einkommensteuer festgelegte Mindestgrenze von 25 vom Hundert der Summe der inländischen Einkünfte wurde für die Abgabe Notopfer Berlin auf 2,5 vom Hundert der Summe der inländischen Einkünfte festgelegt. Dieser Vomhundertsatz entspricht beim Notopfer Berlin dem Vomhundertsatz, in dem der Tarif des Notopfers Berlin zu dem des Einkommensteuergesetzes steht.
Der Bundesrat hatte beantragt, den Abs. 3 des § 5 zu streichen, weil er nach der von ihm vorgeschlagenen Fassung des § 4 nicht erforderlich sei. Da aber die Regierungsvorlage zu § 4 durch den Ausschuß unverändert angenommen wurde, mußte auch die Vorschrift des § 5 Abs. 3 im Sinne der §§ 33 und 33 a bei der Festsetzung der Abgabe Notopfer Berlin bestehen bleiben.
Zu § 6 betreffend Veranlagung und Entrichtung N der Abgabe der natürlichen Personen ist zu sagen, daß Abs. 1 bestimmt, welche Vorschriften des Einkommensteuergesetzes für das Verfahren bei der Abgabe Notopfer Berlin Anwendung zu finden haben.
Abs. 2 des § 6: Hier wurde die Regierungsvorlage mit der Maßgabe angenommen, daß dem Vorschlag des Bundesrates entsprechend die Worte „Abgabe vom Arbeitslohn" durch die Worte „Abzug vom Arbeitslohn" ersetzt wurden.
Zu § 7 „Persönliche Befreiung": Hier wurde die Regierungsvorlage unverändert angenommen.
Zu § 8 „Umfang der Abgabepflicht": Hier folgte ,der Ausschuß dem Vorschlag des Bundesrates, die Abgabe der Körperschaften von allen zu erheben, die für das Kalenderjahr Körperschaftsteuer zu entrichten haben. Der Grund hierfür ist die Vereinfachung beim Veranlagungsverfahren, die dadurch eintritt, daß Körperschaftsteuer und Abgabe der Körperschaften gleichgeschaltet werden.
Zu § 9 „Bemessungsgrundlage": Hier stimmte der Ausschuß der Regierungsvorlage zu. Dagegen wurde der Vorschlag des Bundesrates abgelehnt, eine andere Fassung anzunehmen.
Zu § 10 „Höhe der Abgabe der Körperschaften": Hier wurde die Regierungsvorlage ebenfalls angenommen.
Zu § 11 „Veranlagung und Entrichtung der Abgabe der Körperschaften": Hier erfolgte ebenfalls Annahme des Regierungsvorschlags.
Zu § 12 „Umfang der Abgabepflicht bei Postsendungen": Hier wurde der Text ebenfalls unverändert übernommen.
Zu § 13 „Höhe und Entrichtung der Abgabe auf Postsendungen": Die Abgabe auf Postsendungen wird durch Aufkleben einer Steuermarke auf die abgabepflichtige Postsendung entrichtet. Da aber ein Bedürfnis besteht, gewisse Erleichterungen bei Selbstfrankierung und ähnlichen Fällen zuzulassen, schlägt Ihnen der 19. Ausschuß vor, durch Rechtsverordnung andere Formen der Entrichtung zu ermöglichen.
Zu § 14 „Ausschluß des Abzugs der Abgabe der natürlichen Personen und der Abgabe der Körperschaften" : Hier wurde ebenfalls die Regierungsvorlage angenommen.
Zu § 15 „Anwendung der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes": Hier wurde der Vorschlag der Regierung angenommen.
Zu § 15 a „Zuständigkeit": Hier wurde der Vorschlag des Bundesrats, dem auch die Bundesregierung zugestimmt hat, angenommen. Die Frage der Erstattung der Herstellungs- und Vertriebskosten für die Steuermarken an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen wurde ebenfalls erörtert. Der Ausschuß verzichtete auf eine gesetzliche Regelung dieser Frage, nachdem die Regierungsvertreter erklärt hatten, daß die bisherige Regelung der Kostenerstattung beibehalten werden soll.
Zu § 16 „Ermächtigungen": Hier wurde der Vorschlag der Bundesregierung mit einer Änderung angenommen. In Abs. 1 ist eine Ziffer 3 vorgesehen, nach der die Bundesregierung ermächtigt wird, die in § 13 Satz 3 vorgesehene Rechtsverordnung über Erleichterungen bei der Entrichtung der Abgabe auf Postsendungen zu erlassen.
({9})
§ 17 „Anwendungsbereich" wurde mit einer redaktionellen Änderung in Abs. 1 in der Fassung der Bundesregierung ebenfalls angenommen.
Zu § 18 und § 19 „Geltung im Land Berlin" und „Inkrafttreten": Hier lagen keine Vorschläge des Bundesrates vor. Der Vorschlag der Bundesregierung wurde deshalb angenommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie nun im Auftrage des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, 'den Beschlüssen dieses Ausschusses in der von mir vorgetragenen Form zuzustimmen.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung. Es sind eine Reihe von Änderungsanträgen angekündigt, alle von der Fraktion der SPD, und zwar auf Umdruck 204*) in vier Ziffern. Ich schlage vor, daß diese vier Ziffern gemeinsam begründet werden. Ist das Haus einverstanden? - Dann hat das Wort der Abgeordnete Königswarter zur Begründung der Änderungsanträge Umdruck 204 Ziffern 1 bis 4.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon im Ausschuß eine wesentliche Vereinfachung der Erhebung des Notopfers Berlin vorgeschlagen. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja in seiner Einführungsrede zu den uns vorliegenden Steueränderungsgesetzen die Aufrechterhaltung des Notopfers Berlin für notwendig erklärt, und er hat auf die Zweckbestimmung hingewiesen, die jetzt wieder so schön in § 1 zum Ausdruck kommt und die auch wir übernommen haben. Immerhin müssen wir feststellen, daß bis jetzt ein Drittel dieses Notopfers nicht Berlin zugute gekommen ist, sondern den allgemeinen Zwecken des Bundes diente. Der Bundesfinanzminister scheint aber den Namen der Abgabe „Notopfer Berlin" geradezu als eine Ehrung der Stadt Berlin angesehen zu haben. Ich kann ihm da nicht ganz folgen, wenn ich hier im Bundesgebiet merke, daß das Berliner Notopfer als recht lästige Abgabe empfunden wird, insbesondere dann, wenn man eine Zwei-Pfennig-Marke auf die Postsendung kleben muß, zumal die Post nicht genügend Phantasie entwickelt hat, um diese Zwei-Pfennig-Marke in ihre Frankatur einzubeziehen oder ihr anzufügen.
Nun ist aber doch das Notopfer Berlin eigentlich eine Ergänzungsabgabe und hat insofern die Erfindung der Finanzreform bereits in seiner Natur vorweggenommen. Daher wäre es doch wesentlich einfacher und auch sozialer, wenn wir diese Abgabe durch einen prozentualen Zuschlag zur Einkommensteuer entrichten ließen, da wir doch den Tarif der Einkommensteuer nach der Annahme des Hohen Hauses für einen sozial gerechtfertigten oder, sagen wir besser: zu rechtfertigenden Tarif halten.
Meine Freunde haben Ihnen deshalb mit dem Änderungsantrag Umdruck 204 diese wesentlich einfachere Handhabung vorgeschlagen und Ihnen damit einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich den Berliner Wirtschaftsverhältnissen und der Änderung dieser Verhältnisse anpassen kann, indem durch ein einfaches Gesetz jährlich bestimmt wird, welcher Zuschlag zu erheben ist.
Zu diesem Antrag haben wir auf Umdruck 203 einen Entschließungsantrag gestellt, mit idem wir die Bundesregierung beauftragen wollen, rechtzeitig ein Gesetz vorzulegen, das die Höhe des prozentualen Zuschlags so abwägt, daß das nach den bis-
*) Siehe Anlage 15, herigen Bestimmungen erzielte Aufkommen wieder erreicht wird. Das wäre eine große Vereinfachung, und gleichzeitig würde auch die Zwei-PfennigMarke wegfallen.
Ich mache allerdings darauf aufmerksam, daß das Gesetz, wie wir es Ihnen vorschlagen, keine Berlin-Klausel enthält. Das heißt, daß das Notopfer Berlin nicht mehr im Lande Berlin erhoben werden soll. Das entspricht der Zusage, die sowohl der Herr Bundeskanzler -als auch der Herr Bundesfinanzminister mehrfach der Berliner Bevölkerung gemacht haben. Ein Gesetzentwurf, der das vorsieht, liegt ja auf Grund eines gemeinschaftlichen Initiativantrags der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 688 nach der ersten Lesung bereits dem Ausschuß vor. Er ist allerdings insofern sehr viel komplizierter gefaßt, als er die Steuerpflichtigen zu einer Aussonderung der Einnahmen verpflichtet, die ihnen aus dem Bundesgebiet zufallen. Ich meine aber, man sollte da großzügig verfahren und jemandem, der in Berlin bleibt, diese Vergünstigung belassen als einen kleinen Ausgleich für die Beschränkungen, die nun einmal das Leben in Berlin mit sich bringt. Vielleicht würde sogar dann der Widerstand mancher höheren Beamten gegen die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin ein wenig gedämpft und abgemildert werden, und vielleicht würden, was im Interesse des Berliner Gewerbes dringend wünschenswert wäre, einige wohlhabende Mitbürger veranlaßt, ihren Wohnsitz nach Berlin zu verlegen. Aber ich will Ihnen in dieser Richtung keine Illusionen machen.
Ich bitte Sie, unseren Antrag anzunehmen. Er geht auch in der Richtung, in der eine wirkliche Steuerreform gehen sollte, nämlich einer wesentlichen Vereinfachung der Gesetzgebung. Den von uns vorgeschlagenen drei Paragraphen muß noch ein § 4 angefügt werden, den ich verlesen darf:
Die Abgabe „Notopfer Berlin" nach dem Gesetz in der Fassung vom 26. Oktober 1953 wird von danach Abgabepflichtigen in Berlin ({0}) vom 1. Juli 1954 an nicht mehr erhoben.
In einem weiteren Paragraphen müßte gesagt werden:
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Ich überreiche diese Ergänzung schriftlich dem Herrn Präsidenten.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD ist bereits im Finanzausschuß gestellt und abgelehnt worden. Ich darf bitten, bei dieser Ablehnung zu verbleiben.
Ich darf wohl annehmen, daß die Fraktion der SPD für ihre neu gestaltete Abgabe dasselbe Aufkommen wünscht, wie es das Notopfer Berlin erbracht hat und im nächsten Jahre erbringen wird. Wenn das die Absicht ist, müßte diese neue Ergänzungsabgabe etwa 11 % von der Einkommen- und Körperschaftsteuer betragen. Das bedeutet aber, daß dann ganz erhebliche Verschiebungen in der Belastung auftreten. Es ist bekannt, daß die Einkommensteuer und das Notopfer Berlin hinsichtlich des Tarifabbaus wesentlich voneinander abweichen.
({0})
({1})
Die Einkommensteuer hat eine wesentlich steilere Progression als die Abgabe Notopfer Berlin. Der Notopfer-Tarif gibt aber vielen kinderreichen Familien eine verhältnismäßig größere Ermäßigung als die Einkommensteuer.
Der Vorschlag der SPD würde sich also insbesondere in zwei Richtungen auswirken. Erstens: etwa von Einkommen ab 24 000 DM würde die vorgeschlagene Ergänzungsabgabe Notopfer Berlin das bisherige Notopfer Berlin übersteigen und würde in höheren Einkommensstufen etwa das Eineinviertelfache der bisherigen Belastung ausmachen. Zweitens: Familien mit Kindern etwa von einem Einkommen von 10 000 DM würden nicht unwesentlich mehr als bisher zu zahlen haben,
({2})
wobei es besonders wichtig ist, daß in diesen Stufen Ledige und Verheiratete ohne Kinder entweder weniger als bisher zahlen oder die bisherigen Sätze geringfügig überschreiten. Ich darf hier noch ein Beispiel anführen. In der Stufe von 10 000 DM würde bei der Steuerklasse II weniger gezahlt werden als bisher, während z. B. Verheiratete mit zwei und vier Kindern mehr als bisher zahlen müssen. Ähnlich ist es bei der Stufe von 15 000 DM.
Ich glaube, die Beispiele, die ich gebracht habe, zeigen, daß durch den Antrag der SPD erhebliche Belastungsverschiebungen eintreten, und zwar auch zu Lasten von Familien mit mehreren Kindern. Ich bitte also dringend, es bei den Beschlüssen des Finanzausschusses zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Herrn Staatssekretär mit einem Satz erwidern. Unser Antrag ist in der Tat in erster Linie im Interesse der Steuerzahler mit Einkommen unter 10 000 DM gestellt. Das ist der Sinn der Sache. Das sind 90 % der Steuerzahler. Daß diese nach dem vorgelegten Antrag erheblich weniger zahlen werden, bestätigen Ihre eigenen Ausführungen.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Königswarter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Zahlen des Herrn Staatssekretärs nur einige andere bezeichnende Zahlen entgegenhalten. Ein Steuerpflichtiger, der 100 000 DM Einkommen hat, würde nach dem geltenden Tarif 3500 und müßte nach unserm Tarif - horribile dictu - 4000 DM zahlen. Bei 200 000 DM wären es statt 7300 - ich runde ab -8 800 DM, und bei 600 000 DM müßte er statt 22 000 nach dem jetzigen Tarif 32 000 DM zahlen. Ich glaube, auch das sind Zahlen, die einiges bedeuten. Ich glaube weiter, daß wir in dem Einkommensteuertarif nach Ihrer Meinung einen sozial zu rechtfertigenden Tarif angenommen haben, und dann müßte ein prozentualer Zuschlag zu diesem Tarif auch sozial zu rechtfertigen sein.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Ich schlage Ihnen vor, da dieser Änderungsantrag ein Ganzes ist, gleich über den ganzen Umdruck 204 und nicht paragraphenweise abzustimmen. Wer für den Umdruck 204 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; ist abgelehnt.
Nunmehr zu §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, -7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13, - 14, -15, - 15 a, - 16, - 17, - 18, - 19, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! - Enthaltungen? -Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung - der Tagesordnung von vorgestern, wie ich betonen möchte - erledigt.
Wir kommen zu Punkt 4:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({1}) ({2}).
({3})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Eckhardt. Ich erteile ihm das Wort.
Dr. Eckhardt ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen Bericht zu erstatten über den Entwurf eines Vierten bzw. nach einer Änderung des Gesetzes Fünften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Drucksache 483. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung in seiner Gesamtheit abgelehnt. Die Bundesregierung hat diese ablehnende Stellungnahme dem Ausschuß vorgelegt. Der Ausschuß hat in seiner Sitzung vom 29. Juni 1954 über dieses Gesetz beraten. Er hat einen Unterausschuß eingesetzt, der in drei Sitzungen, und zwar am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag, dem 6. bis 8. Juli 1954, getagt hat. Die Beschlüsse des Ausschusses ergeben sich aus der Drucksache 963. Ich bitte Sie, die Zusammenstellung zu beachten.
Die Regierungsvorlage hatte im wesentlichen zwei Punkte umfaßt. Der erste Punkt betrifft die Lieferung von Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme durch zusammenhängende Leitungen mehrerer Unternehmer mit Ausnahme der ersten Lieferung im Inland. Bisher waren die Gebietskörperschaften mit diesen Lieferungen nach geltendem Umsatzsteuerrecht steuerfrei. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, diese Steuerfreiheit aufzuheben und dadurch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zwischen privaten und öffentlichen Betrieben zu erreichen. Hiergegen hat der Kommunalpolitische Ausschuß des Bundestages in einer Sitzung Stellung genommen. Ferner hat im Finanzausschuß eine Minderheit gegen die Aufhebung der Steuerfreiheit der Gebietskörperschaften gestimmt. Die Mehrheit des Ausschusses war jedoch der Meinung, daß im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und insbesondere der gleichen Behandlung von Unternehmungen, einerlei, ob sie sich in öffentlicher oder in privater Hand oder ob sie sich in beiden Händen befinden, d. h. sogenannte gemischte Betriebe darstellen, alle diese Unternehmungen gleichmäßig besteuert werden müßten und daß es sich nur um die Frage handeln könne, ob nun alle befreit oder alle besteuert würden. Der Ausschuß hat sich dafür entschieden, daß Gebietskörperschaften und private Betriebe künftig der Besteuerung unterliegen,
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Im Kommunalpolitischen Ausschuß und auch im Finanzausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß dies für die Ortsgaswerke eine besondere Härte darstellen könne. Der Ausschuß hat daher geglaubt, zugunsten der Ortsgaswerke, die sich zu 95 % in kommunalem Besitz befinden, dann aber auch für alle diese Betriebe, einerlei, ob privat oder öffentlich, eine Sondervorschrift einfügen zu sollen, die in gewissem Umfang die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Verbraucher verhindern soll. Diese Sondervorschrift finden Sie in Ziffer 3 b der Beschlüsse des 19. Ausschusses, wonach sich die Umsatzsteuer für diese Werke folgendermaßen beläuft:
2. auf zwei vom Hundert für die Lieferungen von Gas durch Erzeuger an Abnehmer, die nach § 6 des Gesetzes zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13. Dezember 1935 auf Grund öffentlich bekanntgegebener allgemeiner Bedingungen und zu öffentlich bekanntgegebenen allgemeinen Tarifpreisen versorgt werden.
Der zweite Punkt der Regierungsvorlage betraf die Erhöhung des sogenannten Großhandelssatzes nach § 7 Abs. 3 des Gesetzes für den Großhandel. Der Ausschuß hat diese Vorlage der Regierung einstimmig abgelehnt.
Es lagen dem Ausschuß eine große Fülle von Anregungen, Anträgen, Wünschen und Schreiben aller Art auf Änderung des Umsatzsteuerrechts vor. Insbesondere haben diese Wünsche - und nach Ansicht des Ausschusses mit Recht - die Stellung der freien Berufe, besonders d e Behandlung von geistig-schöpferischen Leistungen betroffen. Sie haben sich mit dem Freibetrag nach § 4 Ziffer 17 des Gesetzes beschäftigt. Sie haben die verschiedene Behandlung der Unternehmungen in der Frage der Zusatzsteuer betroffen. Sie haben sich ferner bezogen auf Krankenanstalten, Sportverbände, auf Jugendverbände und ihre umsatzsteuerliche Behandlung. Der Ausschuß hat auf Vorschlag seines Unterausschusses eine Milderung beschlossen, die die Umsätze aus der Tätigkeit als Schriftsteller, Journalist oder Bildberichterstatter, auch soweit sie für den Rundfunk oder Fernsehfunk ausgeübt wird, und die Umsätze aus der Tätigkeit als Privatgelehrter, Künstler, Handelsvertreter oder Makler betrifft. Die Steuerfreiheit tritt hier nur ein, wenn der Gesamtumsatz im Kalenderjahr 12 000 DM nicht übersteigt. Beträgt er im Kalenderjahr mehr als 12 000 DM, so wird die Steuer für die genannten Umsätze nur insoweit erhoben, als sie aus 10 v. H. des 12 000 DM übersteigenden Betrages gedeckt werden kann.
Im übrigen hat der Ausschuß geglaubt, die zahlreichen Anträge mit Rücksicht auf den Gang der Steuerreform und die Verabschiedung insbesondere des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern jetzt nicht behandeln sollen, weil die Behandlung aller dieser Anträge und Wünsche im Zusammenhang mit dem System des deutschen Umsatzsteuerrechts eine sehr lange Zeit, insbesondere auch eine gründliche Vorbereitung, nicht nur von seiten der Bundesregierung her, erfordert hätte. Er hat daher einstimmig eine Entschließung gefaßt, die ich Ihnen zum Vortrag bringen möchte.
Ich bin vom Ausschuß gebeten worden, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die Umsatzsteuer einer Bereinigung, einer Durchsicht, einer gründlichen Reform bedürfe und daß das besonders für die Fälle gelte, die in der Entschließung ausdrücklich genannt worden sind. Diese Entschließung lautet:
Um das rechtzeitige Zustandekommen der Steuerreform nicht in Frage zu stellen, sieht der Bundestag davon ab, über die große Zahl der ihm vorliegenden Anregungen und Vorschläge auf Änderung und Aufhebung umsatzsteuerlicher Vorschriften im gegenwärtigen Zeitpunkt zu beschließen.
Er hält jedoch eine Prüfung der Bestimmungen des Umsatzsteuerrechts für unerläßlich.
Dies gilt namentlich für die Stellung der freien und ihnen verwandten Berufe, für die Behandlung sozialer oder der Jugendpflege gewidmeter Einrichtungen und für die Fragen der Zusatzbesteuerung.
Die Bundesregierung wird ersucht, nach Verabschiedung der Steuerreform 1954 Untersuchungen darüber anzustellen, ob und in welcher Weise eine Änderung des derzeitigen Umsatzsteuerrechts erforderlich ist, und das Ergebnis dieser Untersuchungen dem Bundestag vorzulegen.
Der Ausschuß ist sich bewußt, daß mit den entsprechenden Arbeiten sobald wie möglich, und zwar unter Beteiligung des Finanzausschusses, begonnen werden sollte.
Ich darf Sie namens und im Auftrage des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen bitten, erstens dem Gesetzentwurf Drucksache 483 mit den sich aus der Drucksache 963 durch die Beschlüsse des 19. Ausschusses ergebenden Änderungen und mit der Überschrift „Entwurf eines Fünf ten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes" zuzustimmen und zweitens die in Drucksache 963 als Ziffer 2 abgedruckte Entschließung anzunehmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter für diesen Bericht.
Wir kommen zur Einzelberatung in zweiter Lesung.
Ich rufe auf Art. 1 Ziffer 1. Hier ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 205*) Ziffer 1 angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Heiland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Belastung der kommunalen Unternehmen, soweit sie Gas und Elektrizität erzeugen, mit Umsatzsteuer ist vom Bundesfinanzministerium mit der Begründung vorgeschlagen worden, die bisherige Umsatzsteuerbefreiung müsse fallen; den Gemeinden sei damit ein Sonderrecht eingeräumt worden, und aus Wettbewerbsgründen müßten sie die gleiche steuerliche Behandlung wie bei den anderen Unternehmen erfahren. Bei genauer Untersuchung stellt man aber fest, daß mit dieser neuen Besteuerung der kommunalen Unternehmen auf keinen Fall eine gleiche Besteuerung erreicht wird; im Gegenteil, die Ungleichheit, die bisher bestanden hat, wird noch viel, viel größer. Aus vielen Untersuchungen, die angestellt worden sind, ergibt sich eindeutig, ,daß die Vorlage das Ziel, nämlich vollständige wettbewerbsmäßige Gleichheit und gleiche
*) Siehe Anlage 16.
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Umsatzsteuerbelastung für alle Unternehmen, nicht erreicht.
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- Vielleicht hören Sie einmal zu! Vielleicht stellen Sie dann mit mir fest, daß z. B. beim Gas die Unternehmen der privaten Hand, soweit sie zur Großindustrie gehören, eine Belastung von 0,24 Pf je Einheit haben, während die kommunalen Unternehmen, wenn Ihr Vorschlag angenommen wird, mit 1,34 Pf Umsatzsteuer pro Einheit belastet werden. Das ist gegenüber den Unternehmen privater Hand eine 500%ige Umsatzsteuerbelastung. - Na, mit Kopfschütteln allein schaffen Sie Tatsachen nicht aus der Welt, sehr geehrter Herr Kollege! Aber vielleicht melden Sie sich zum Wort und widerlegen mich. Das wäre sehr angenehm.
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- Es wäre angenehm für Ihren Herrn Kollegen Eckhardt, wenn er den Beweis führen könnte.
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- Ich werde zu der Frage, die Sie jetzt anschneiden, ob man auf die Struktur Rücksicht nimmt, anschließend noch einiges sehr deutlich sagen. Sie müssen die Sache aber auch unter dem Gesichtswinkel sehen, daß z. B. die Kohle bei den gaserzeugenden Werken, soweit sie der Industrie angehören, nicht umsatzsteuerbelastet ist, daß aber die Unternehmen der kommunalen Werke - die Gaswerke liegen zum Teil sehr weit von der Kohle weg - z. B. ihre Umsatzsteuer auf die Kohle zahlen und auch noch die hohe Frachtrate auf der Kohle haben. Damit sind sie einer ganz anderen Belastung ausgesetzt.
Bisher waren - das haben Sie vorhin schon gesagt - .95 % der Ortsgaswerke von der Umsatzsteuer befreit und nur 5 % umsatzsteuerpflichtig. Gerade die Ortsgaswirtschaft in zechenfernen Gebieten aber wird durch die Umsatzsteuer schwer getroffen werden. Sie wird zu Tariferhöhungen schreiten müssen, wenn sie nicht unwirtschaftlich werden will, zumal auch der Koks und die Nebenprodukte besteuert werden sollen, auf deren Preise die Steuer nicht abgewälzt werden kann. Die Herabsetzung des Steuersatzes von 4 % auf 2 % ist nicht ausreichend, um diese Folgen zu verhüten.
In der Elektrizitätswirtschaft werden die jetzt schon bestehenden Ungleichmäßigkeiten in der Umsatzbesteuerung noch vermehrt, vor allem deshalb, weil bei den neu erfaßten kommunalen Elektrizitätswerken der Anteil der Tarifabnehmer ganz erheblich über dem Durchschnitt der Elektrizitätswirtschaft liegt.
Die Energiewirtschaft nimmt in der Volkswirtschaft eine zentrale Stellung ein. Energie sollte so billig wie irgend möglich an den Verbraucher gelangen, weil jeder volkswirtschaftliche Fortschritt wachsenden Energieeinsatz bedeutet und wenige Maßnahmen diesen Fortschritt so zu fördern vermögen wie die Bereitstellung billiger Energiequellen für Haushalt und Gewerbe. Eine vollständige umsatzsteuerliche Gleichbehandlung aller Energieversorgungsunternehmen läßt sich auf dem vom Finanzminister bisher aufgezeigten Weg nicht erreichen. Im Interesse der gesamten Volkswirtschaft sollte man daher die Besteuerung auf die bisher befreiten Unternehmen ausdehnen, zumal diese, wie ich bereits erwähnte, dadurch ungewöhnlich stark betroffen werden, sondern die Gleichstellung dadurch herbeiführen, daß man die bisher besteuerten Unternehmen von der Umsatzsteuer freistellt. Diese Unternehmen sollten verpflichtet werden, die Kostensenkung ihren Abnehmern durch Preisermäßigung zugute kommen zu lassen. Damit wäre den Bedürfnissen der Volkswirtschaft wie den Forderungen der Wettbewerbsgleichheit am besten entsprochen.
Jetzt möchte ich Sie, Herr Kollege Neuburger, ganz persönlich ansprechen. Sie haben uns vorhin das Argument geliefert, um die Debatte bestreiten zu können. Sie haben vorhin ausgeführt, Sie seien nicht bereit, Steuersenkungen zuzustimmen, die zur steuerlichen Belastung anderer führen müßten. Ich bin der Meinung, wir sollten keine Steuersenkung, die eine Belastung der Kommunen zugunsten des Bundes darstellt, durchführen, wobei die Kommunen nur ausweichen können, indem sie die Preise erhöhen. Mit einer solchen Erhöhung der Umsatzsteuer nehmen Sie mit der einen Hand, was Sie mit der anderen im geringen Maße in Gestalt der Einkommensteuersenkung zu geben bereit sind. Die Steuerersparnisse aus der Einkommensteuersenkung nehmen Sie durch Preiserhöhungen auf einem Gebiet, auf dem keiner durch Konsumverzicht ausweichen kann, wieder herein. - Sehr verehrter Herr Kollege Eckhardt, da nützt Kopfschütteln gar nichts, da muß man einfach zu den Dingen Stellung nehmen.
Aber es liegt noch ein anderes Problem hierin begründet, das Problem der Auswirkung auf den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Hier möchte ich den Herrn Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers ansprechen. Die Bundesbetriebe, insbesondere die Post und die Bahn, tragen zu den öffentlichen Lasten, die in den Gemeinden entstehen, nicht durch Zahlung der Gewerbesteuer bei, sondern nehmen Gewerbesteuerfreiheit in Anspruch, nach dem Grundsatz, daß man sich auf den verschiedenen Ebenen der Verwaltung steuerlich nicht gegenseitig belastet. Aber hier durchbricht der Bund diesen Grundsatz. Er belastet die Gemeinden einseitig zu seinen Gunsten und bringt so den Finanzausgleich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden an einem wesentlichen Punkt und mit einem erheblichen Betrag ins Wanken. Diese Frage kann gar nicht ernst genug betrachtet werden. Hierzu sollte sich der Herr Finanzminister endlich einmal äußern. Denn die Einführung der Umsatzsteuerpflicht für Unternehmen der öffentlichen Hand stellt einen Einbruch in das Prinzip der Vermeidung der gegenseitigen Besteuerung dar, und zwar einseitig zuungunsten der Gemeinden. Hier wird das System einer Politik, wie die Gemeinden sie seit 1949 zu beklagen haben, mit einem neuen Akt gekrönt. Würde man z. B. die Grund- und Gewerbesteuerbefreiung von Bundesbahn und Bundespost aufheben, so würde nach vorsichtiger Berechnung den Gemeinden aus den genannten Steuern ein Mehr von rund 150 Millionen DM zufließen. Der Herr Finanzminister sollte zu dieser Frage einmal Stellung nehmen. Die Praxis zeigt doch, daß die Gemeinden einige dieser Lasten auf den Preis allein nicht ,abwälzen können. Sie wissen - und das möchte ich an Ihre Adresse sagen, sehr geschätzter Herr Kollege Eckhardt - genau so gut wie ich, daß private Wirtschaft und Wirtschaft der
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öffentlichen Hand nicht unbedingt vergleichbar ist. Sie wissen, daß die private Wirtschaft zu keiner Zeit nach 1948 auf die Gewinnquote verzichtet hat. Sie wissen aber genau so gut wie ich, daß die öffentliche Wirtschaft bei der Versorgung mit Energie sehr oft auf eine Gewinnquote verzichtet und die Kosten in sich aufgefangen hat. Dadurch ist sie bei mancher notwendigen Investierung in die. Hinterhand geraten
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und kann ihre Vorhaben schon nicht mehr so klar durchführen. Wenn Sie das aber wissen und nicht abstreiten, dann können Sie nicht sagen, daß es gleich sei, wo gewirtschaftet wird, dann müssen Sie anerkennen, daß gerade die öffentliche Energiewirtschaft in den letzten Jahren dadurch manches an Lasten aufgefangen hat, daß sie keine Konzessionsabgabe gezahlt hat - was zum Teil auch auf die Verkehrsbetriebe zutrifft -, und dadurch, daß sie ihre Zinsen, die sie eigentlich auch erwirtschaften müßte, nicht erwirtschaftet hat.
Ich bin der Meinung, Sie sollten sehr ernst prüfen, ob Sie diese neue Belastung durch die Umsatzsteuer vornehmen wollen. Es ist die einzige; beim Großhandel haben Sie Gott sei Dank von einer neuen Umsatzsteuerbelastung abgesehen.
Aber es muß noch ein letztes Wort gesagt werden. Wir machen seit 1949 auf dem Steuersektor eine sehr gefährliche politische Entwicklung durch. Wir senken die direkten Steuern laufend, die wir progressiv gestalten können, und erhöhen laufend die Umsatzsteuer prozentual zum Gesamtsteueraufkommen. Die Umsatzsteuer wird aber von allen Staatsbürgern, vom ärmsten wie vom reichsten, auf der untersten Stufe mitgetragen.
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Ich hoffe nicht, daß Sie mit dieser neuen Steuererhöhung den Leuten, denen wir schon durch Brotpreiserhöhungen den Brotkorb höher hängen mußten, auch noch den Bezug von Licht erschweren wollen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Willeke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre trotz der späten Stunde noch reizvoll, dieses Thema extensiv und intensiv zu vertiefen. Ich will mich aber sehr kurz fassen und möchte zunächst dem Herrn Berichterstatter Dr. Eckhardt danken, daß er auch die Argumente, die im Kommunalpolitischen Ausschuß vorgetragen wurden, hier deutlich und klar angeführt hat.
Ich muß mich in weitem Umfang den Begründungen meines Vorredners, des Kollegen Heiland, anschließen. Ich habe im Kommunalpolitischen Ausschuß in mehrfachen Beratungen doch klare und gewichtige Argumente gehört, die uns Veranlassung geben sollten, die Lage der Gemeinden und Gemeindeverbände steuerlich nicht zu verschlechtern. Auf allen anderen Gebieten wird ängstlich darüber gewacht, daß möglichst keine steuerlichen Anhebungen erfolgen. Da kann ich eigentlich nicht verstehen, warum bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden, die in der Versorgung mit Gas und Elektrizität ein großes historisches Verdienst haben, nun auf einmal die Befreiung von der Umsatzsteuer aufgehoben werden soll. Zweifelsohne ist auch im Ausschuß für Steuern und Finanzen die Feststellung nicht ohne Eindruck geblieben, daß die Gasversorgung zu 95 % in den Händen der Kommunen liegt, weil sich sonst niemand hier betätigen wollte. Beim Gas würde eine Tariferhöhung unausbleiblich sein. Man hat den Kompromißvorschlag gemacht, hier nicht 4, sondern nur 2 % zu erheben. Die im Kommunalpolitischen Ausschuß und sonst vorgetragenen Argumente und Begründungen erscheinen mir aber so schwerwiegend, daß man den Gas- und Elt-Werken der Kommunen zumindest vorläufig die Steuerfreiheit belassen sollte. Verkennen Sie doch nicht, daß z. B. die Energieversorgungsunternehmen vor allen Dingen im Süden unseres Vaterlandes eine erhebliche Umsatzbesteuerung spüren würden, denn dort kommt ja auf die Kohle die lange Fracht, die den Preis belastet, und darauf kommt dann die Umsatzsteuer von 4%.
Ich bin überhaupt der Meinung, daß Bund, Länder und Gemeinden bei der Gegenseitigkeitsbesteuerung sehr vorsichtig sein sollten. Man sollte die Frage, wieweit sich die Gebietskörperschaften gegenseitig besteuern sollten, gelegentlich noch einmal gründlich durchdenken und bis dahin zumindest die Steuerfreiheit der Versorgungsunternehmungen für Gas und Energie der Kommunen belassen.
Es wird nun immer gesagt, private und kommunale Wirtschaft müssen gleiche Startbedingungen haben. Die Startbedingungen werden nicht dadurch angeglichen, daß man die Kommunen auch noch mit 4 % Umsatzsteuer für Gas und Elektrizität belastet. Es sind Ihnen dazu eingehende Darlegungen zugegangen. Es ist Tatsache, daß z. B. private Energieversorgungsunternehmen fast ausschließlich Unternehmungen sind, die ihre Lieferungen zu einem Satz von 5 bis 6 Pf vollziehen können, während die kommunalen Unternehmungen, die gleichzeitig Verteiler- und Erzeugerbetriebe sind, ihren Verkaufspreis doch bei 12 oder 13 Pf liegen haben, fast dem Dreifachen. Es müßte dann von den Kommunalunternehmungen auch die Umsatzsteuer in fast dreifacher Höhe gezahlt werden.
Ich mache auch darauf aufmerksam, daß das Ganze ein Fangballspiel ist, wo die Bälle zwischen den Gebietskörperschaften hin und her gehen. Wenn z. B. ein kommunales Unternehmen jetzt neuerdings 284 000 Mark Umsatzsteuer zahlen sollte, würde, so hat ein pfiffiger Kopf ausgerechnet, dadurch das Land 154 000 Mark Körperschaftsteuer, die Gemeinde 40 000 Mark Gewerbesteuer weniger bekommen.
Die Umsatzbesteuerung greift also tief in das Verhältnis des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ein. Ich bin der Meinung, man sollte, einmal um Tariferhöhungen zu vermeiden, zweitens aber auch, um nicht so brutal in den Finanzausgleich der öffentlichen Gebietskörperschaften einzugreifen, bei dieser Gelegenheit zu der Vorlage der Regierung nein sagen, zumal ja auch der Ausfall gegenüber den Größenordnungen, die wir in diesen Tagen gehört haben, tatsächlich keine allzu große Rolle, spielt.
Ich bitte also, dem Antrag Ollenhauer Umdruck 205 zu Art. 1 Nr. 1 zuzustimmen.
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Weitere Wortmeldungen? - Aus dem Hause nicht. Dann hat das Wort Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der vorgerückten Stunde möchte ich keine langen Ausführungen mehr machen. Ich habe aber den Eindruck, daß bei den bisherigen Erörterungen ein Grundsatz gar nicht zum Zuge gekommen ist, der mir ein fundamentaler wirtschaftspolitischer Grundsatz zu sein scheint, nämlich daß öffentliche Betriebe in derselben Weise besteuert werden wie private Betriebe.
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Wenn diesem Grundsatz hier endlich zum Recht verholfen werden soll, sollte man sich nicht dagegen wenden. Es gibt gar keine Ursache, gesetzlich zu bestimmen, daß öffentliche Betriebe, die genau dasselbe tun, genau dieselbe Ware liefern, steuerfrei sind, während die privaten Betriebe mit 4 % zur Umsatzsteuer herangezogen werden. Das ist das erste, was ich in aller Kürze habe sagen wollen.
Das zweite ist folgendes. Es wurde eben vom Herrn Abgeordneten Heiland bemängelt, daß die Bundesbetriebe, insbesondere die Bahn und die Post, keine Gewerbesteuer zahlen. Ich weiß nicht, ob die Gemeinden an einer Gewerbesteuer der Bundesbahn sehr viel Freude hätten. Die Bundesbahn hat keinen Ertrag und wird auch noch auf Jahre hinaus gar keinen Ertrag bringen. Das, was unter dem Namen der Gewerbesteuer an die durch die Betriebe von Bahn und Post belasteten Gemeinden geht und gehen würde, wird seit Jahrzehnten unter dem Titel der Verwaltungskostenzuschüsse Jahr für Jahr gezahlt. Ich glaube, damit habe ich diese Frage auch beantwortet.
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Ich glaube, Herr Staatssekretär, Sie haben sich in der Bantwortung der Frage mit dem Gewerbesteuerrecht von Bundesbahn und Bundespost die Sache etwas einfach gemacht. Ihnen wie mir ist doch bekannt, daß es nicht nur ein Gewerbesteuerrecht vom Ertrag, sondern daß es auch noch ein Gewerbesteueraufkommen vom Kapital gibt. Das wollen Sie doch bei Bundespost und Bundesbahn nicht einfach als nicht existent bezeichnen und sagen, daß das nicht auch eine Rolle spielte. Wenn Sie also schon für gleiche Besteuerung der öffentlichen Hand und der privaten Hand sind, dann müssen Sie in dieser Frage auch konsequent sein. Hier haben Sie meiner Meinung nach einen nicht sehr gesunden Haken geschlagen und sind in irgendeiner Weise doch ausgewichen.
Konsequent wäre es, wenn Sie dann auch in dieser Frage die öffentlichen Betriebe Bundesbahn und Bundespost beim Gewerbesteuerrecht genau so behandelten wie die öffentlichen Betriebe überhaupt, die ja immerhin nicht so sehr Erwerbswirtschaft sind wie andere Betriebe. Sie wissen ganz genau, daß sie zum großen Teil Gebühren - -({0})
- Ich gehe ja jetzt auf das Argument des Herrn Staatssekretärs ein, und daß da ein Bruch ist, haben Sie doch mindestens so gut gemerkt wie ich.
Ich bin also der Meinung, daß wir es hier mit einer Verlagerung der Steuerermäßigungs- und Erhöhungs-Debatte in die Gemeinden zu tun haben und daß Sie das, was Sie jetzt durch die Tariferhöhung den Gemeindeparlamenten als Aufgabe, als neues Diskussionsobjekt geben, als schwere Hypothek in die Gemeindeparlamente verlagern. Die schwächste Stufe der Demokratie - nämlich die, wo die Verantwortung direkt geprügelt wird -, den Gemeindevertreter, setzen Sie unter diesen starken Druck, daß er die Gebührenerhöhung durchführen muß, damit eventuell 70 oder 80 oder 100 Millionen DM mehr in den Bundeshaushalt kommen.
({1})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich ungern nochmals zum Wort gemeldet. Nur ein Wort: Bei der Lage der Bundesbahn ist es doch unmöglich, über die Fiktion einer Gewerbekapitalsteuer von ihr höhere Beiträge an die Gemeinden zu erhoffen, als sie im Wege der Verwaltungskostenzuschüsse tatsächlich zahlt. Das ist doch der einfache Weg. Wer will überhaupt die Anlagen einer Bahn in einem Stadtkreis oder in einem Landkreis in ihrer Kapitalhöhe festlegen? Das ist doch ganz unmöglich.
({0})
Keine Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die große Bedeutung, die ,diese Angelegenheit für alle von den gemeindlichen Versorgungstarifen Betroffenen, für die Gemeinden selbst und deswegen auch für alle, denen das Interesse der Gemeinden am Herzen liegt, hat, ist von den Rednern gebührend betont worden. Ich beantrage deswegen namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
({0})
Dieser Antrag ist durch eine genügende Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses unterstützt. Wir müssen über Ziffer 1 des Antrags auf Umdruck 205 *) in namentlicher Abstimmung entscheiden. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, sich mit den Urnen durch den Saal zu begeben.
({0})
Meine Damen und Herren, haben alle Mitglieder dieses Hauses, die sich an der Abstimmung beteiligen wollen, Gelegenheit gehabt, ihre Stimmkarte abzugeben?
({1})
- Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich, den Urnenträgern vielleicht einige Schritte entgegenzugehen.
Will noch ein 'Mitglied des Hauses seine Stimmkarte abgeben? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann erkläre ich die Stimmabgabe für geschlossen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
*) Siehe Anlage 16.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Platz zu nehmen. Wir müssen auch diese Zeit der Auszählung für unsere parlamentarische Arbeit benutzen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir, bis die Auszählung beendet ist, die geschäftsordnungsmäßigen Dinge behandeln, die wir noch behandeln müssen.
Man hat mir gesagt, daß die Absicht besteht, auf jeden Fall auf die Behandlung folgender Punkte der ursprünglichen heutigen Tagesordnung zu verzichten: Petitionen, Fremdenlegionärsanfrage, Geschäftsraummietengesetz. Ist das richtig?
({4})
- Das ist also richtig.
Ich möchte hier gleich sagen, daß der Ältestenrat vereinbart hat, für den Fall, daß das Geschäftsraummietengesetz heute nicht verabschiedet werden sollte, es am 8. Dezember auf die Tagesordnung zu setzen. Ist das Haus damit einverstanden?
({5})
- Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Da- men und Herren! Am 8. Dezember wird es nicht mehr möglich sein, das Geschäftsraummietengesetz zeitig genug zu verabschieden. Am 30. oder 31. Dezember dieses Jahres laufen die vielen Kündigungszeiten ab. Es wäre notwendig, das Gesetz früher zu verabschieden, damit der Bundesrat ihm noch zustimmen kann und das Gesetz bis zum 31. Dezember in Kraft treten kann.
Dann bleibt nur die Möglichkeit,
({0})
da die nächste Woche plenarsitzungsfrei ist, die
Vorlage morgen auf ,die Tagesordnung zu nehmen.
Es geht ohne Aussprache. Ich habe den Bericht schriftlich gemacht. Wir können das Gesetz sehr schnell verabschieden.
Dann wollen wir die Vorlage morgen auf die Tagesordnung setzen. - Das Haus ist einverstanden.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß der Finanz- und Steuerausschuß eine halbe Stunde nach Erledigung der Steuer- und Finanzgesetze heute im alten Sitzungssaal der SPD-Fraktion im Altbau zusammentritt.
Weiter scheint 'die Absicht zu bestehen, die Kindergeldgesetze, Punkt 20 a, b und c der heutigen Tagesordnung, auf jeden Fall heute noch zu behandeln, außerdem die Mitbestimmungsgesetze ohne Debatte an die Ausschüsse zu überweisen.
({0})
Herr Abgeordneter Krone, Sie wünschen, daß die Punkte 3, 4, 6 bis 18 heute noch verabschiedet werden - das sind Anträge, die unmittelbar an die Ausschüsse gehen können - und daß die zweite und dritte Beratung der Investitionshilfe heute noch vorgenommen wird.
({1})
- Bitte, Herr Abgeordneter Krone, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt ein Viertel nach acht. Wir hatten uns sowieso entschlossen, um neun Uhr auf alle Fälle Schluß zu machen. Wir haben noch eine Fraktionssitzung zur Vorbereitung der dritten Lesung der Steuergesetze. Ich bitte, darauf Bedacht und Rücksicht zu nehmen. Daher mein Vorschlag, die Tagesordnung, soweit es sich um Fragen handelt, die ohne jede Debatte erledigt werden können, heute noch zu erledigen, alles andere heute nicht mehr zu erledigen.
Punkt 20, Herr Kollege Atzenroth, erfordert wohl auch nach ihrer Auffassung mehr als drei Viertelstunden. Wir teilen Ihre Auffassung, daß die Frage sobald wie nur möglich erledigt werden soll. Das kann noch in der Sitzung am 8. Dezember geschehen. Ich bitte deshalb darum, diesen Punkt am 8. Dezember zu erledigen, auch mit Rücksicht auf den Wunsch, heute eine Fraktionssitzung abzuhalten.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Mit einer Verschiebung der Aussprache über das Kindergeldgesetz können wir uns nicht einverstanden erklären, es sei denn, daß die Aussprache morgen erfolgen kann. Denn der Ältestenrat hat vereinbart, daß die drei Sitzungen der ersten Dezemberwoche dem Haushalt vorbehalten bleiben. Zu diesem Zeitpunkt könnten wir also über die Frage des Kindergeldes gar nicht debattieren. Dieses Gesetz ist aber ebenso notwendig wie etwa das Geschäftsraummietengesetz. Wenn wir das Kindergeldgesetz nicht heute oder morgen beraten, kann es zum 1. Januar bestimmt nicht in Kraft treten. Wir müssen uns also heute darüber klarwerden.
Meine Damen und Herren, auf der morgigen Tagesordnung steht jetzt schon so viel, daß ich es für vollkommen ausgeschlossen halte, morgen auch noch das Kindergeldgesetz zu erledigen. Das geht einfach nicht. Wir haben es doch am heutigen Tage gesehen, wie optimistisch wir im Ältestenrat waren!
({0})
Es geht wirklich nicht, außer wir verstehen uns dazu, unsere normale Sitzungszeit erheblich zu verlängern, indem wir vorsetzen und anstücken.
({1}) Es liegt bei Ihnen.
({2})
- Sie können bei der zweiten Lesung 'die Redezeit nicht beschränken, das ist unmöglich!
Ich halte es jedenfalls für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß, wenn wir heute um 9 Uhr aufhören, wir einige sehr wichtige Gesetzesvorlagen nicht rechtzeitig werden verabschieden können, d. h. so frühzeitig, daß Bundesrat und eventuell Vermittlungsausschuß noch so zeitig tätig werden können, daß die Gesetze am 1. Januar in Kraft treten können. Aber das Hohe Haus hat über seine Ordnung selbst zu beschließen.
Herr Abgeordneter Dr. Krone!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß heute noch der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen tagen, es müssen in allen Fraktionen noch die Anträge für die morgige dritte Lesung vorbereitet werden, und wir müssen darüber in unseren Fraktionen auch noch sprechen. Ich bitte, einer allgemeinen Courtoisie entsprechend darauf Bedacht zu nehmen.
Der Punkt 20, Herr Kollege Atzenroth, kann am 8. Dezember behandelt werden. Auch im Ältestenrat war vorgesehen, in jener Woche einen halben Tag für andere anstehende Fragen zu benutzen. Das kann für diesen Punkt gelten. Der Bundesrat tagt, soviel ich weiß, noch am 17. Dezember.
Wir können heute wohl mit einiger Sicherheit noch die Mitbestimmungsgesetze erledigen durch einfache Überweisung; das geht sicher. Dann können wir, auch durch Überweisung, die Punkte 3 und 4 sowie 6 bis 18 erledigen. Ob wir das Investitionshilfegesetz in zweiter und dritter Beratung erledigen können, scheint mir mehr als zweifelhaft zu sein. Wir können das sicher nicht.
({0})
- Die zweite und dritte Beratung gehen ohne Debatte?
({1})
- Dann geht es. Den Punkt 20 a, b und c, die Kindergeldgesetze, können wir morgen sicher nicht erledigen. Dann bleibt also nur übrig, sie heute zu erledigen oder so weit hinauszuschieben, daß wir die zweite Woche - ({2})
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist üblich, auf den Wunsch einer großen Fraktion, eine Fraktionssitzung abzuhalten, Rücksicht zu nehmen. Wir wollen diese gute Übung beibehalten. Daher sind wir damit einverstanden, daß die Kindergeldgesetze heute abgesetzt werden. Aber ich glaube, wir sollten, nachdem wir für morgen auf eine allgemeine Aussprache über die Steuerreform in der dritten Lesung verzichtet haben, vorsorglich die Kindergeldgesetze auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung setzen und versuchen, sie doch noch zu behandeln.
({0})
Dann wird das Haus so verfahren. Wir setzen die Kindergeldgesetze auf die morgige Tagesordnung, sind aber davon überzeugt, daß wir sie am 8. Dezember erledigen werden.
({0})
Dann rufe ich auf, solange die Auszählung
dauert, Punkt 3 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes ({2}).
Das Haus verzichtet wohl auf Berichterstattung. - Der Ausschußantrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Das vom Deutschen Bundestag in seiner 51. Sitzung am 21. Oktober 1954 beschlossene Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes wird nach Maßgabe der in der Anlage zusammengefaßten Beschlüsse geändert.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist.
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung:
Wahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates
der Lastenausgleichsbank ({3}).
Hier sind vorgeschlagen die auf Drucksache 987 verzeichneten Mitglieder des Hauses und Personen außerhalb dieses Hauses. Wer dem Vorschlag auf Drucksache 987 zustimmen will, der möge ein Handzeichen geben. - Das ist die Mehrheit; der Vorschlag ist angenommen.
Punkt 5 der Tagesordnung ist bereits erledigt. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 42 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1934 über die Entschädigung bei Berufskrankheiten ({4}) ({5}).
Ich schlage vor: Überweisung an den AusschUß für Arbeit. - Das Haus ist einverstanden; dann ist so beschlossen.
Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 81 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 11. Juli 1947 über die Arbeitsaufsicht in Gewerbe und Handel ({6}).
Ich schlage wiederum Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. Stimmt das Haus zu? - Dann ist so beschlossen.
Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur einheitlichen Anwendung des § 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes vom
28. Mai 1924 ({7}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({8}) ({9}). ({10})
Der Ausschuß beantragt, dem Gesetzentwurf in der Fassung, die Ihnen in Drucksache 942 vorliegt, zuzustimmen.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, möge die Hand erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest und schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe auf die §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. Wer 'diesem Gesetzentwurf zustimmen will, der möge dies durch
({11})
Erheben von den Sitzen bezeugen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Dann, meine Damen und Herren, beendigen wir diesen Exkurs in die heutige Tagesordnung und fahren fort im Umsatzsteuergesetz.
Meine Damen und Herren, es hat sich ein merkwürdiges Ergebnis*) herausgestellt: Abgegebene Stimmen 420; mit Ja haben gestimmt 207, mit Nein 207, enthalten haben sich 6 Mitglieder des Hauses. Von Berliner Abgeordneten, 15 an der Zahl, haben 7 mit Ja gestimmt, 8 mit Nein. Da die Geschäftsordnung für solche Fälle keinen Stichentscheid und kein Los des Präsidenten vorsieht, glaube ich, daß wir warten müssen, welches endgültige Resultat*) sich aus der Nachzählung der Stimmen ergibt. Vielleicht haben einige Mitglieder des Hauses Karten doppelt abgegeben, was gelegentlich vorkommt. Wir wollen diese Zahlen also als ein vorläufiges Ergebnis betrachten und erst morgen bei Eintritt in die dritte Lesung feststellen, welches das wirkliche Ergebnis ist. Wenn es bei Stimmengleichheit bleibt, ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Umsatzsteuergesetz zurück. Über die Ziffer 1 können wir noch nicht abstimmen. Zu Ziffer 2 liegt der Umdruck 227 vor. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann nicht meine Absicht sein, mich mit dem Herrn Staatssekretär Hartmann auf dem Gebiete der Umsatzsteuer zu messen, vor allem nicht zu so später Abendstunde. Es ist mir wohl bekannt, daß ich einem überragenden Fachmann gegenüberstehe.
Es handelt sich aber bei dem Änderungsantrag auf Umdruck 227**) zu den Drucksachen 963 und 483 um ein Anliegen, ich möchte sagen, der materiellen Geistesfreiheit, also um ein wirkliches Anliegen der deutschen Demokratie. Während der Pressedebatte bestand in diesem Hohen Hause Einmütigkeit darüber, daß man die geistig Schaffenden auch materiell so stellen sollte, daß ihre innere und äußere Unabhängigkeit stärker gewahrt werden kann. Es geht hier nicht um eine Parteiangelegenheit. Ich darf vielleicht daran erinnern, daß ich während dieser Pressedebatte in der 30. Sitzung am 21. Mai 1954 unter Zustimmung des ganzen Hauses sagen durfte, daß Geist keine Ware ist und daß Umsatzsteuer und geistiges Schaffen miteinander eigentlich nichts zu tun haben. Auch der jetzt vorliegende Antrag ist nicht parteimäßig ausgerichtet, sondern wird in weitester Streuung unterstützt. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, daß unter den Antragstellern eine größere Zahl von Abgeordneten ist, die in irgendeiner Weise der Presse nahestehen. Dadurch soll die Verbundenheit zwischen Presse und Parlament zum Ausdruck gebracht werden.
Ich hätte es gern gesehen, wenn die Umsatzsteuer überhaupt weggefallen wäre. Aber ich glaube, Herr Staatssekretär Hartmann, das wäre im jetzigen Augenblick vielleicht nicht möglich gewesen. Dieses Gefühl ist zweifellos aber auch im 19. Ausschuß vorhanden gewesen. Mit diesem Antrag soll ein wichtiger Anfang gemacht werden. Ich sehe darin auch ein Bekenntnis zu der großen Achtung, die wir alle in diesem Hause der geistigen Arbeit ent-
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2812 A, 2820. **) Siehe Anlage 17. gegenbringen. Ich darf daher das Hohe Haus bitten, dem Änderungsantrag auf Umdruck 227 zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat am Schlusse seiner Ausführungen nachdrücklich auf die Entschließung hingewiesen. In dieser Entschließung ist eine alsbaldige Überprüfung des gesamten Umsatzsteuerrechts vorgesehen. Hier ist ausdrücklich gesagt, daß eine solche Prüfung auch für die Stellung der freien und ihnen verwandten Berufe gelten soll. Der Lage der freien und der ähnlichen Berufe hat der Ausschuß schon dadurch weitgehend Rechnung getragen, daß er eine bisher bestehende Härte abgeschafft hat. Wenn der Betrag im Kalenderjahr mehr als 12 000 DM ausmacht, soll die Steuer nur ganz allmählich und erst bei einem Umsatz von 20 000 DM in voller Höhe erhoben werden. Ich glaube, damit sind die aktuellen Beschwerden schon einigermaßen berücksichtigt. Ich möchte aber bitten, den jetzt vom Prinzen Löwenstein begründeten Antrag, der grundsätzlich in das Umsatzsteuersystem eingreift, zurückzustellen, bis wir dem Hohen Hause die in der Entschließung geforderte Denkschrift vorlegen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man sollte diesem Antrag doch heute schon nähertreten. Wir alle haben wohl das Empfinden, daß es keine ganz rechte Sache ist, wenn man etwa die Arbeit der Privatgelehrten, Künstler, Schriftsteller, Journalisten und anderer der Umsatzsteuer unterwirft, so wie eine Ware der Umsatzsteuer 'unterworfen ist. Die Umsatzsteuer ist im Altertum, bei den alten Griechen und anderen, immer eine reine Warenumsatzsteuer gewesen.
({0})
Sie schloß an die Marktordnungen an; sie war also eine Marktumsatzsteuer oder eine Umsatzsteuer auf den Grundstücksverkehr. Bei uns wurde sie im ersten Weltkrieg durch das Gesetz über den Warenumsatzstempel eingeführt.
({1})
- Ja, meine Damen und Herren, es ist doch wohl richtig, hier ruhig einmal auf die alten Griechen zurückzugehen; denn erst 1918 wurde die Umsatzsteuer von dem reinen Warenverkehr auf die Werkleistung übertragen. Schon sehr bald danach hatte man dann das Gefühl, daß das nicht ganz richtig ist, und so kam man auf die Befreiung des § 4 Ziffer 17, die im Jahre 1925 eingeführt wurde. Diese Befreiung hat der Höhe nach dann immer wieder hin und her geschwankt. So war die Freigrenze z. B. bis 1930 6000 RM, von 1930 bis 1934 18 000 RM, vom 1. Januar 1935 an wieder 6000 RM und jetzt vom 1. Januar 1952 an 12 000 DM. Meine Damen und Herren, Sie sehen also schon aus diesem Hin und Her, daß da etwas nicht ganz in Ordnung ist. Ich glaube, mit dem Antrag, den Prinz Löwenstein eben begründet hat, wird insofern ein guter Mittelweg vorgeschlagen, als der Betrag von 12 000 DM,
({2})
der zur Zeit auch schon frei bleibt, wenn der Umsatz darunter 'bleibt, künftig als endgültige Freigrenze auch dann bleibt, wenn man einen darüber hinausgehenden Umsatz erzielt. Dies ist sicher ein tragbarer Vorschlag.
Meine Damen und Herren, Sie wissen vielleicht in der Mehrheit nicht, daß, wenn ein Gelehrter, ein Künstler oder ein freier Journalist heute einen Umsatz von 12 500 DM hat, dann mit einemmal der gesamte Umsatz steuerpflichtig wird.
({3})
- Ja, mit der Ausnahme, daß wir jetzt eine gewisse Übergangsbestimmung bis 20 000 DM vorgesehen haben. Das hindert aber nicht daran, daß dann die 12 000 DM - jedenfalls bei 20 000 DM - voll in die Umsatzsteuerpflicht einbezogen werden. Der Antrag bezweckt also weiter nichts - und das dürfte, glaube ich, wohl am leichtesten verständlich sein -, daß die Freigrenze, die jetzt nur beschränkt besteht und über 12 000 DM verlorengeht, bei diesen Berufen in jedem Falle bestehenbleibt.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um einen Antrag, den wir namens unserer Fraktion bereits im Ausschuß gestellt haben und der dort leider abgelehnt worden ist. Wir werden jetzt sehr gern wieder für den Antrag stimmen, wenn auch hier die bessere Einsicht gesiegt haben sollte.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 227 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die überwiegende Mehrheit.
Ziffern 3 und 3 a. - Wer für diese Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben.
({0})
Wir sind in der Abstimmung über die Ziffern 3 und 3 a. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Zu 3 b ein Änderungsantrag auf Umdruck 205 *) Ziffer 2. Wer begründet ihn? - Zur Begründung Herr Abgeordneter Corterier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, den Antrag meiner Fraktion, der Ihnen auf Umdruck 205*) Ziffer 2 vorliegt, zu begründen. Es handelt sich hierbei ebenfalls um ein Anliegen der freien Berufe. Ich verspreche Ihnen aber, daß ich mich bei der Begründung sehr kurz fassen und nicht so weit ausholen werde wie Herr Kollege Dr. Miessner.
Der Herr Kollege Dr. Eckhardt hat vorhin schon, als er Ihnen seinen Bericht gab, erklärt, dem Hohen Hause solle eine Entschließung empfohlen werden derart, daß die Reform der Umsatzsteuer, die als dringend notwendig erachtet wird, vorbereitet werden soll. Wenn Ihnen meine Fraktion heute trotz dieser Entschließung einen Antrag vorlegt, den Umsatzsteuersatz für die Entgelte der
* Siehe Anlage 16. freien Berufe nunmehr auf 2% anstatt bisher 4 % festzusetzen, dann aus folgenden Gründen: Einmal, um jetzt schon einen Anfang mit dieser Reform zu machen, und zum anderen, um den Angehörigen der freien Berufe zu helfen; denn gerade sie trifft die Umsatzsteuer besonders schwer, und sie sind bei der ganzen Steuerreform nicht gerade gut weggekommen. Wir wollen dabei keineswegs ein Sonderrecht für die freien Berufe schaffen, sondern wir wollen versuchen, hier ein Sonderunrecht beseitigen zu helfen.
Dabei sind wir uns durchaus darüber im klaren, daß unser Vorbringen nicht nur ein Anliegen der freien Berufe allein ist. Die verwandten Berufe und überhaupt alle diejenigen, die nur sonstige Leistungen im Sinne von § 1 des Umsatzsteuergesetzes vollbringen, sind in etwa der gleichen Lage. Man braucht nur an die Handelsvertreter, an die Makler und ähnliche Berufe zu erinnern. Es wird hierdurch schon aufgezeigt, in welcher Richtung sich die kommende Reform des Umsatzsteuerrechts bewegen muß, nämlich in der Freistellung der sonstigen Leistungen, ganz besonders der geistigen Leistungen überhaupt, von der Umsatzsteuer. Wenn wir unseren Antrag auf die freien Berufe beschränkt haben, dann nur deshalb, weil hier keine Schwierigkeiten in der Abgrenzung eintreten, weil hier keine Schwierigkeiten in der Praxis der Steuererhebung zu befürchten sind.
Die Beschwerden der freien Berufe sind eigentlich nie verstummt, seitdem sie zur Umsatzsteuer herangezogen worden sind, und es werden wesentliche Argumente angeführt, die man nicht ohne weiteres unberücksichtigt lassen kann. Man weist mit Recht darauf hin, daß das Umsatzsteuerrecht ja erst einen neuen Begriff des Unternehmers schaffen mußte, um überhaupt die Entgelte aus freiberuflichen Leistungen hier unterbringen zu können. Auch der Gesetzgeber war und ist sich dessen bewußt gewesen, daß die Art einer Unternehmertätigkeit nach Umsatzsteuerrecht mit einer Umsatzbesteuerung unvereinbar sein kann. Er hat dem insbesondere im § 4 des Umsatzsteuergesetzes Rechnung getragen. Hierbei allerdings sind eine Reihe von freiberuflichen Leistungen freigelassen worden, nicht aber alle. Ein Teil dieser Bestimmungen ist auch verschiedentlich geändert worden, und es liegen uns auch heute wieder zwei Anträge des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen vor, die aufgetretene Ungerechtigkeiten beseitigen und eine bessere Regelung schaffen sollen. Trotzdem bleiben wir immer noch in Halbheiten stecken. Nach § 4 Abs. 17 des Umsatzsteuergesetzes sind nur gewisse Tätigkeiten begünstigt, nicht etwa alle freien Berufe, und auch hier handelt es sich um eine Freigrenze. Die Umsatzsteuer soll doch ihrer Funktion nach nicht zu einer zusätzlichen Einkommensteuer werden. Dazu führt sie aber leider bei dem weit überwiegenden Teil der freien Berufsgruppen, und zwar deswegen, weil eine offene überwälzung gemäß § 10 des Umsatzsteuergesetzes bei ihnen eigentlich nur bei den Rechtsanwälten, und da auch nicht immer, möglich, sonst aber unmöglich ist. Diese Erhöhung ist nicht unbedeutend, wenn man daran denkt, daß die Umsatzsteuer sich immerhin von 1 % bzw. 0,75 % auf heute 4 % erhöht hat. Es scheint daher ein Gebot der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu sein, daß jetzt die Umsatzsteuersätze für die Entgelte aus freier Berufstätigkeit auf die Hälfte des Normalsatzes, d. h. auf 2 %, festgesetzt werden. Hierbei kann es sich, wie ich schon sagte,
({0})
nur um einen Anfang einer grundlegenden Umsatzsteuerreform handeln, die durch unseren Antrag keinesfalls präjudiziert werden soll. Ich darf Sie daher bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Das Wort hat Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Den freien Berufen gehörten früher einmal diejenigen an, die eine akademische Ausbildung hatten; das waren die Angehörigen der „artes liberales". Das ist längst nicht mehr der Fall. Wir können hier auf das Einkommensteuergesetz zukommen. Nach dessen § 18 gehören zu den freien Berufen Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Handelschemiker, Heilpraktiker, Dentisten, Landmesser, Wirtschaftsprüfer, Buchsachverständige und ähnliche Berufe. Damit ergeben sich aber ganz erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten. Dazu kommt noch, daß nach der Rechtsprechung zur Einkommen- und Gewerbesteuer zu unterscheiden ist, ob die Angehörigen dieser Berufe in erster Linie ihre persönliche Arbeitskraft ausnutzen oder ob sie sich anderer Arbeitskräfte zur Ausübung ihres Berufes bedienen. Wenn das letztere der Fall ist, unterliegen sie insofern auch der Gewerbesteuer. Wenn also ein Steuerberater allein arbeitet, wäre er Mitglied eines freien Berufes und würde nach dem Antrag nur 2 % Umsatzsteuer zu zahlen haben. Wenn er mehrere ausgebildete Hilfskräfte hat, müßte er 4 % Umsatzsteuer zahlen. Ich glaube, das kann doch nicht die Absicht der Herren Antragsteller sein. Solange man davon ausgeht, daß die Umsatzsteuer überwälzt wird, würden sich ja hier ganz verschiedene Honorarsätze für die beiden Steuerpflichtigen ergeben, die genau denselben Beruf ausüben. Ich glaube wirklich nicht, daß diese Frage schon ausgereift ist. Das gehört auch in den Rahmen der Entschließung, die das Hohe Haus voraussichtlich fassen wird. Die Angelegenheit muß bei der Erörterung über die Aufrechterhaltung oder Änderung des ganzen Umsatzsteuerrechts mit geprüft werden.
({0})
Wird noch weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag auf Umdruck 205 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über Ziffer 3 b, Ziffer 3 c, Ziffer 4.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Seuffert.
Über die Ziffer 3 b in der Ausschußfassung kann wohl nicht abgestimmt werden, bevor die Auszählung der Abstimmung über den Änderungsantrag zu Ziffer 1 beendigt ist. Die steht in unmittelbarem Zusammenhang damit.
Ich kann das nicht übersehen. Ist das so?
({0})
- Dann stimmen wir über Ziffer 3 b nicht ab.
({1})
- Dann müssen wir morgen vormittag, ehe wir in die dritte Lesung eintreten - ({2})
- Die Nachprüfung der Auszählung ist im Gange. Ich weiß nicht, wann wir fertig sein werden. Hoffen wir, daß es rechtzeitig sein wird. Jedenfalls stellen wir Ziffer 3 b noch zurück.
Also stimmen wir ab über Ziffer 3 c, - 4, - Art. 1 a - ({3})
- Also stimmen wir über Ziffer 3 c nicht ab. Lassen wir Ziffer 3 b und 3 c noch im Anstand!
Wir stimmen dann ab über Art. 1 Ziffer 4, - Art. 1 a, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung noch nicht ab; wir warten damit, bis die Nachprüfung der Auszählung zu Ende ist. Dann werden wir sehen, wie das Resultat ist, und stimmen über die offengebliebenen Bestimmungen ab.
({4})
- Wir sind noch nicht fertig. Es steht noch an Punkt 5 der gestrigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Geiger ({5}), Elsner, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Einkommensteuergesetzes ({6}).
Herr Dr. Wellhausen, es ist ein Gesetz, das Sie angeht. Ich nehme an, daß das Haus auf Entgegennahme der Begründung verzichtet und einverstanden ist, daß dieser Entwurf unverzüglich an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird. - Es ist so beschlossen.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Finanz- und Steuerausschuß in genau 30 Minuten seine Tätigkeit beginnt und ich damit rechne, daß sie bis Mitternacht dauert, erlaube ich mir die Anregung, daß wir morgen früh erst um 9 Uhr beginnen.
Kann sich das Haus eine Zustimmung zu diesem Antrag abringen? ({0})
- Dann wollen wir abstimmen. Wer dafür ist, statt 8 Uhr, dem festgesetzten Termin, 9 Uhr als Termin anzusetzen, den bitte ich um ein Handzeichen.
({1})
- Ich habe den Eindruck, daß ich nicht sehr klar gefragt habe. Wer dafür ist, daß wir morgen statt um 8 Uhr um 9 Uhr beginnen, den bitte ich um
({2})
ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({3})
- Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da bei dieser Lage die technische Vorbereitung der dritten Lesung - Fertigstellung der Drucksachen usw. - große Schwierigkeiten machen wird, würde ich anregen, daß morgen um 8 Uhr mit anderen Punkten begonnen und die Beratung der Steuerreform auf etwa 10 Uhr festgesetzt wird.
Dann können wir morgen vielleicht mit dem Kindergeldgesetz beginnen.
({0})
- Nicht aus dem Saal heraus zurufen! Wer anderer Auffassung ist, der möge sich zur Geschäftsordnung melden. Ich werde ihm das Wort erteilen, und er wird zur Geschäftsordnung reden können.
Ich schlage Ihnen also vor, daß wir morgen mit dem Kindergeldgesetz beginnen.
({1})
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Kleindinst.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte dringend, morgen das Gesetz über die Altersgrenze der Richter, das uns nicht lange aufhalten wird, vorweg zu behandeln. Es ist dringend notwendig, weil sonst mit dem Ablauf des jetzigen Gesetzes Ende Dezember verschiedene Bundesrichter in den Ruhestand treten, obwohl sie die Altersgrenze nach dem vorgesehenen Gesetz nicht erreicht haben.
Meine Damen und Herren, das läßt sich mit meinem Vorschlag durchaus vereinbaren. Das Gesetz, von dem soeben gesprochen wurde, ist ja in zwei Minuten verabschiedet. Dann können wir zunächst dieses Gesetz beraten und dann das Kindergeldgesetz. Ist das Haus einverstanden?
({0})
- Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Menzel!
({1})
- Bitte, wollen Sie einen Antrag stellen?
({2})
- Das Haus weiß nicht, worum es sich handelt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung habe ich namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei folgende Erklärung abzugeben.
Nach einer in den heutigen Nachrichtensendungen des NWDR mehrfach wiedergegebenen dpa-Meldung vom 18. November 1954 hat der Bundesminister Herr Dr. Wuermeling in einer Veranstaltung der Katholischen Arbeiterbewegung in Gelsenkirchen am Mittwoch, dem 17. November 1954, unter anderem folgendes ausgeführt:
Es gebe
- so sagte der Herr Dr. Wuermeling im öffentlichen Leben heute keinen konfessionellen Hader mehr, es gebe keine Fronten der Konfessionen gegeneinander, sondern nur eine gemeinsame Front gegen das moderne Antikirchentum derer, die keine Konfession mehr haben.
({0})
Diese Leute kämen nicht zum Ziel, auch nicht dadurch, daß sie versucht hätten, die Wahl eines Exponenten des gläubigen Christentums - den Abgeordneten Dr. Gerstenmaier - zum Präsidenten des Bundestages zu verhindern, weil er Oberkonsistorialrat sei.
({1})
Hierzu stellen wir fest:
Nach § 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ist die Wahl des Präsidenten des Deutschen Bundestages mit verdeckten Stimmzetteln, d. h. geheim erfolgt. Herr Dr. Wuermeling kann somit gar nicht wissen, wer im einzelnen für den jetzigen Bundestagspräsidenten,
({2})
Herrn Dr. Gerstenmaier, gestimmt hat. Daher kann seine Behauptung, daß sich gegen die Wahl des jetzigen Bundestagspräsidenten nur Mitglieder des Hauses gewandt haben, die kirchenfeindlich gesinnt seien, nur auf der Absicht beruhen, Mitglieder des Hauses, die in der Ausübung ihres freien Wahlrechtes nach ihrem Gewissen gestimmt haben, zu diffamieren.
({3})
Diese Diffamierung richtet sich übrigens auch gegen seinen eigenen Parteifreund, den der CDU angehörenden Abgeordneten Lemmer,
({4})
den er durch seine Anwürfe somit als Exponenten des Antichristen- und Antikirchentums hinstellt.
({5})
Wir verwahren uns gegen die Verleumdung des Hauses durch ein Mitglied der Bundesregierung.
Der Bundesminister Dr. Wuermeling hat der Gelsenkirchener Veranstaltung außerdem verschwiegen, daß vermutlich viele Mitglieder seiner eigenen Fraktion ihre Stimme nicht dem Präsidenten Dr. Gerstenmaier, zumindest nicht im ersten Wahlgang, gegeben haben. Es ist uns unverständlich, daß Herr Dr. Wuermeling mit der Behauptung, für christliche Grundsätze eintreten zu wollen, im gleichen Atemzuge gegen diese Grundsätze so offensichtlich verstößt.
({6})
Wir erwarten, daß der Herr Bundeskanzler vor dem Bundestag eine Erklärung abgibt, ob er das Verhalten seines Bundesministers, Herrn Dr. Wuermeling, billigt. Es wäre zu hoffen, daß Herr Dr. Wuermeling den Mut aufbringt, sich vor dem Hause zu entschuldigen.
({7})
Das Wort zur Abgabe einer persönlichen Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
({0})
- Er spricht hier nicht als Minister, er spricht als Mitglied dieses Hauses.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es dankbar, daß mir durch die soeben abgegebene Erklärung die Möglichkeit gegeben wird, hier vor dem Hause festzustellen und klarzustellen, was ich in Gelsenkirchen gesagt habe. Es ist, glaube ich, jedem Mitglied des Hauses bekannt, daß nicht unbekannte Persönlichkeiten gerade mir immer wieder den Vorwurf zu machen versuchen, daß ich konfessionelle Verhetzung betriebe.
({0})
Es ist aber auch jedem Mitglied dieses Hauses bekannt, daß ich eines von den Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion bin, die mit ganzem Herzen und ganzer Seele aus tiefster innerer Überzeugung für den konfessionellen Frieden in Deutschland kämpfen und viel zu seiner Wiederherstellung beigetragen haben.
({1})
Da mir diese Vorwürfe in der Öffentlichkeit immer wieder gemacht werden,
({2})
habe ich es für notwendig gehalten, in öffentlichen Kundgebungen mehrfach zu diesen Dingen Stellung zu nehmen und dort bestimmte Formulierungen zu gebrauchen. Es liegt mir daran, Ihnen diese Formulierungen - lediglich die Dinge, die damit zusammenhängen - zur Kenntnis zu bringen.
Ich habe gesagt, daß Konfessionalismus und Klerikalismus Schlagworte seien, mit denen man die Urteilslosen fangen wolle, ohne selbst recht zu wissen, was sie eigentlich bedeuten sollten. Es komme leider hier und da immer einmal vor, daß ein einzelner aus dieser oder jener Konfession „dumm daher rede",
({3})
aber es sei ein Unrecht, so etwas der CDU/CSU und Mitgliedern dieser Partei anzuhängen, da sich gerade die Mitglieder der CDU/CSU immer wieder darum bemühten, derartige Dinge zu bekämpfen, sie richtigzustellen und für den konfessionellen Frieden zu sorgen. Ich habe angefügt, daß Herr Kollege Dehler aus unserem Hause vielleicht am wenigsten Anlaß habe, sich darüber zu beschweren, wenn andere „dumm daherreden".
({4})
Im übrigen habe ich folgende Formulierungen verwandt:
({5})
„Von Klerikalismus" - meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie gerade diesen Satz zur Kenntnis zu nehmen bereit wären ({6})
„reden diejenigen, die sich schon beim Anblick eines katholischen oder evangelischen Geistlichen in ihrer geistigen Existenz bedroht fühlen.
({7})
Von Konfessionalismus hingegen reden die, welche die beiden Konfessionen gegeneinanderhetzen und unseren Menschen eine verwaschene Konfessionslosigkeit aufnötigen möchten. Es gibt heute" -ich zitiere weiter - „im öffentlichen Leben keinen Kampf zwischen den Konfessionen mehr, weil wir jeden konfessionellen Hader im öffentlichen Raum aus christlicher Bruderliebe nicht nur überwinden wollen, sondern längst überwunden haben."
({8})
Ich habe hinzugefügt: „Wir alle wollen und werden gerade dieses Vermächtnis unseres allzu früh heimgegangenen Bundestagspräsidenten Dr. Hermann Ehlers wahren und sichern." Dann folgte der Satz: „Es gibt ja doch, wenn wir es richtig sehen, im öffentlichen Leben keine Fronten der Konfessionen gegeneinander, sondern nur eine Front überzeugter Christen gegen das moderne Antikirchentum derer, die eigentlich gar keine Konfession mehr haben."
({9})
An dieser Stelle habe ich - diese Sätze habe ich auch schon in anderen Reden verwandt -, als aktuell eingefügt:
({10})
„Wir sehen diese Fronten ja auch im Bundestag immer wieder, z. B. kürzlich bei der Debatte über das Personenstandsgesetz oder auch gestern" - ich habe gestern gesprochen; also, von heute gesehen, vorgestern - „bei der Präsidentenwahl im Bundestag,
({11})
als die Wahl des Herrn Gerstenmaier, der als Oberkonsistorialrat ein Exponent gläubigen evangelischen Christentums ist, zu verhindern versucht wurde."
({12})
Ich erkläre ausdrücklich, daß ich es aufrichtig bedauern würde, wenn sich allzu viele Mitglieder des Hauses, die Herrn Gerstenmaier nicht gewählt haben, durch diese Bemerkung betroffen fühlen müßten.
({13})
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner ausreden zu lassen. Er hat einen Anspruch darauf, verstanden zu werden.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe für die Auffassung, daß solche Gesichtspunkte für eine Anzahl Mitglieder des
({0})
Hauses eine Rolle gespielt haben, der heutigen Ausgabe der „Freien Demokratischen Korrespondenz"
eine Bestätigung entnommen. Darin heißt es - ({1})
- Nein, aber es läßt sich ja auch nachher bestätigen, was man vorher geglaubt hat.
({2})
Darin heißt es - ich darf mit Genehmigung des Präsidenten die „Freie Demokratische Korrespondenz" von heute zitieren Ein Kreis evangelischer Abgeordneter der CDU/CSU trat zusammen und faßte einen Beschluß, der die Billigung der größten Fraktion erhielt. Obwohl der Beschluß vorwiegend aus innerparteilichen Erwägungen - Stichwort: „konfessionelle Parität" - zustande gekommen war, die außerhalb der CDU/CSU entweder gleichgültig sind oder gar anfechtbar scheinen, bemühte sie sich in keiner Weise, die anderen Fraktionen von der Richtigkeit ihres Vorschlages zu überzeugen und deren Meinung zu erfahren.
({3})
- Augenblick! Es ist noch nicht zu Ende. - Und ein weiterer Satz:
Es kann den Abgeordneten des Bundestages nicht zugemutet werden, ihren Arm gefügig für Beschlüsse und Anträge zu erheben, die von einer Minderheit innerhalb der stärksten Fraktion ausgeheckt
- das sind die evangelischen Mitglieder der CDU/ CSU ({4})
und dann ohne Rücksicht auf gegenteilige Gründe und Meinungen gemäß einem fragwürdigen Prestigebedürfnis durchgesetzt wurden.
Ich habe in diesen Ausführungen eine Bestätigung der Richtigkeit meiner Vermutung gesehen, daß diese Dinge bei einigen Mitgliedern des Hauses jedenfalls auch damit zusammenhingen.
({5})
Ein Zweites, meine Damen und Herren! Wenn ich nun Gelegenheit habe, hier zu diesen Dingen Stellung zu nehmen, dann muß ich auch zu der anderen Angelegenheit kurz etwas sagen, die jetzt wieder durch die Presse gegangen ist. Ganz kurz folgendes:
In einem Schreiben vom 12. November 1954 teilte mir Herr Dr. Dehler etwas ganz Neues mit. Es sei
- wörtlich - „Glaubenslehre der katholischen Kirche, daß wir als katholische Christen wissen, daß wir besser sind als unsere heidnische Umwelt". - Tiefer geht's nimmer, Herr Dr. Dehler!
({6})
Ich weiß nicht, ob es schlimmer ist, daß eine solche Verleumdung der katholischen Glaubenslehre verbreitet wird
({7})
oder daß man mir eine Äußerung dieses Inhalts wider besseres Wissen unterstellt. Ich habe die entsprechende Lügenmeldung eines sattsam bekannten Mainzer SPD-Blattes, aus dem Herr Dr. Dehler seine Weisheit gesogen hat, bereits im Juni 1954 nachdrücklich zurückgewiesen und klargestellt, daß eine derartige Redewendung von mir überhaupt nicht gebraucht worden ist. In Wirklichkeit habe ich damals, am 16. Mai 1954, in Bingen auf einer Kundgebung der katholischen Jugend folgendes gesagt,
({8})
niemand habe einen Monopolanspruch auf die öffentliche Meinung, im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung hätten die kirchlich-gläubigen Christen beider Konfessionen genau so mitzureden wie jeder andere auch; und wir würden - d. h. die gläubigen Christen beider Konfessionen - in diesem Ringen um die öffentliche Meinung die Sieger bleiben, weil wir die bessere Sache verträten.
({9})
Das ist etwas ganz anderes als die Behauptung, daß wir etwa bessere Menschen wären, und jeder, der mich kennt, weiß, daß für mich eine solche Bemerkung völlig unmöglich ist.
({10})
Ich habe diese Meldung, die aus der „Freiheit" von Rheinland-Pfalz stammt, im Frühjahr als solche gar nicht zur Kenntnis bekommen, sondern erst dadurch, daß Herr Dr. Dehler sie im Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen verwandt hat. Als ich das hörte, habe ich Herrn Dr. Dehler sofort schriftlich gebeten, diese Äußerung nicht wieder zu bringen, da sie der Wahrheit nicht entspreche. Herr Dr. Dehler teilte mir darauf mit, daß er sie dem sozialdemokratischen Parteiblatt von RheinlandPfalz entnommen habe und mir anheimstelle, mich an die „Freiheit" zu wenden.
Ich habe das getan und um Berichtigung gebeten. Die „Freiheit" hat durch den bekannten Redakteur Markscheffel - die Rheinland-Pfälzer wissen, wer das ist - ({11})
- Meine Damen und Herren, die Rheinland-Pfälzer wissen, wer Herr Markscheffel ist.
({12})
Herr Markscheffel hat mir geschrieben, daß er die
Berichtigung verweigere, weil sein kleiner Redakteur in Bingen seine Behauptung aufrechterhalte.
Darauf habe ich mich an den Vorsitzenden der SPD-Fraktion des Landtages in Rheinland-Pfalz, Herrn Kollegen Hertel, gewandt, und habe ihm geschrieben: Ich kenne Sie als einen Mann, der zwar mein politischer Gegner ist, von dem ich aber weiß, daß er für Wahrheit und Anständigkeit im politischen Kampf einzutreten bereit ist.
({13})
({14})
Ich habe ihn gebeten, diese Dinge mit dem Herrn Markscheffel zu bereinigen. Herr Hertel hat mir daraufhin mitgeteilt, daß er bereit sei, mit Herrn Markscheffel zu sprechen, daß Herr Markscheffel aber verreist sei und er zur Zeit mit ihm nicht verhandeln könne.
Das nächste, was ich dann über diese Dinge gehört habe, war, daß Herr Dr. Dehler im Wahlkampf jetzt in Hessen oder Bayern - in Würzburg war es, glaube ich - diese Dinge erneut aufgegriffen hat. Darauf habe ich Herrn Dr. Dehler telegrafisch darauf hingewiesen, daß diese Behauptungen unzutreffend seien, und ihn ersucht, diese Behauptungen zu unterlassen.
Herr Dr. Dehler hat sie daraufhin trotzdem aufrechterhalten. Ich habe daraufhin den Standpunkt vertreten, daß er genau wisse, daß sie nicht wahr seien, daß er bewußt die Unwahrheit verbreite, und daß ich ihm anheimstelle, mich wegen dieser Behauptung zu verklagen. Gott sei Dank hat er es getan und mich bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, so daß ich jetzt das Vertrauen haben kann, daß die Dinge bis zum Letzten vor aller Öffentlichkeit klargestellt werden können,
({15})
daß vor allem klarwird, wo die konfessionellen Hetzer sitzen.
({16})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Auch die Abgabe persönlicher Erklärungen kann in Ruhe erfolgen.
({0})
Wir haben keine Aussprache über diese Erklärungen. Der § 36 der Geschäftsordnung sieht keine Aussprache vor.
Der Herr Abgeordnete Mellies will eine tatsächliche Erklärung abgeben. Ich erteile ihm das Wort.
Meine Damen und Herren! Meine Erklärung umfaßt drei Punkte. Ich schalte dabei wissentlich die Auseinandersetzung mit Herrn Dr. Dehler aus. Das mag Herr Dr. Dehler besorgen, oder das mögen seine Freunde aus der Freien Demokratischen Fraktion besorgen.
Ich möchte nur erstens feststellen - als Erklärung von mir aus -, daß aus den ersten Ausführungen von Herrn Wuermeling und aus den letzten klar hervorging, daß nicht nur andere Leute, sondern auch Minister sehr dumm daherreden können.
({0})
Herr Abgeordneter
Mellies, dieser Ausdruck ist nicht parlamentarisch.
({0})
Dieser Ausdruck ist nicht parlamentarisch. Ich muß ihn rügen. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
({1})
Zweitens, meine Damen und Herren, möchte ich als überzeugter evangelischer Christ - ({0})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole meine Aufforderung, die Erklärungen in Ruhe anzuhören.
({0})
- Ich werde im Protokoll feststellen, welcher Zwischenruf gefallen ist. Ich habe ihn nicht verstanden.
({1})
Bitte, fahren Sie fort!
Ich möchte die Erklärung von Herrn Wuermeling, daß es ihm leid tue, wenn sich viele Mitglieder des Hauses durch seine Bemerkungen getroffen fühlten - und ich betone noch einmal: als überzeugter evangelischer Christ - als eine unerhörte Flegelei in diesem Hause kennzeichnen.
({0})
Drittens, meine Damen und Herren - von dieser Äußerung hätte ich nie Gebrauch gemacht, wenn ich nicht von Herrn Wuermeling jetzt dazu gezwungen worden wäre -: Als wir im Jahre 1950 über die Besetzung des Präsidentenstuhles gesprochen haben,
({1})
hat kein anderer als der Herr Bundeskanzler gesagt, er würde sich nicht darüber freuen, wenn dieser Stuhl von Kaplänen oder Oberkirchenräten eingenommen würde.
({2})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Frau Abgeordnete Lüders.
Meine Damen und Herren! Gemäß § 36 der Geschäftsordnung darf ich folgende Erklärung abgeben. Die Bundestagsfraktion der FDP verwahrt sich gegen Äußerungen des Bundesministers Dr. Wuermeling über die angeblichen Hintergründe bei der Wahl des Bundestagspräsidenten. Sie erblickt in der durch eine Nachrichtenagentur und den Rundfunk veröffentlichten Formulierung der Gelsenkirchener Rede vom 17. November 1954 eine Beleidigung von Mitgliedern dieses Hauses
({0})
durch ein Mitglied der Bundesregierung und bittet den Herrn Bundestagspräsidenten, gemäß § 7 der Geschäftsordnung die Würde des Hauses zu wahren und die Abgeordneten vor derartigen Diffamierungen in Schutz zu nehmen.
({1})
Wenn der Herr Präsident gestattet, darf ich eine persönliche Bemerkung anfügen.
§ 36 gibt die Möglichkeit dazu. Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Minister, in meiner Familie sind seit Jahrhunderten hohe Geistliche.
({0})
Ich muß es mit aller Entschiedenheit ablehnen, daß man auch nur einem einzigen von uns, und damit auch mir, hier in diesem Hause anhängt, daß wir schon sozusagen außer Rand und Band gerieten, wenn wir jemanden in einem Ornat sähen. Ich habe genau so viel Hochachtung vor dem Ornat eines katholischen Geistlichen wie vor dem Ornat eines evangelischen Geistlichen, und ich weise diese anzügliche Bemerkung des Herrn Ministers ausdrücklich zurück.
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Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE habe ich zu dem Fall Wuermeling
({0})
gemäß § 36 der Geschäftsordnung folgende Erklärung abzugeben: Die Richtigkeit der Berichte über die Äußerungen des Herrn Bundesministers für Familienfragen ist also nun von ihm selbst anerkannt.
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Herr Dr. Wuermeling hat mit diesen Ausführungen nicht nur dem neuen Präsidenten des Bundestages und seiner überparteilichen Stellung einen sehr schlechten Dienst getan,
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sondern er hat auch allgemein Verdächtigungen
gegen Mitglieder dieses Hohen Hauses ausgesprochen, die schärfstens zurückgewiesen werden müssen.
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Er hat denjenigen Mitgliedern des Bundestages, die nicht für Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier gestimmt haben, was aus sachlichen und Gewissensgründen durchaus möglich war, unterstellt, sie hätten dies getan, weil Herr Dr. Gerstenmaier Oberkonsistorialrat, ein Exponent des gläubigen Christentums, sei. Außerdem ist in diesem Zusammenhang vom modernen Antikirchentum ,,dieser Leute" die Rede gewesen.
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Ich habe für meine Fraktion zu erklären, daß wir uns jede Unterstellung gegenüber Mitgliedern dieses Hohen Hauses verbitten, wonach wegen der Vorgänge bei der Wahl des Präsidenten des Bundestages Zweifel an ihrer christlichen Gesinnung bestehen könnten.
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Weder halten wir Herrn Minister Wuermeling für kompetent, über die Motive bei der Wahl und über die Einstellung der einzelnen Bundestagsmitglieder zu Christentum und Kirche zu urteilen, noch halten wir es für tragbar, daß solche üblen Verdächtigungen, wie sie Herr Minister Wuermeling unverantwortlicherweise leichtfertig ausgesprochen hat, ungerügt bleiben.
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Wir bitten den Herrn Bundeskanzler, den Fall Wuermeling zu überprüfen und dem Hohen Hause zu berichten.
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Meine Damen und Herren, damit sind die Erklärungen, die gemäß § 36 abgegeben werden sollten, abgeschlossen.
({0})
- Sie wollen noch eine Erklärung abgeben? ({1})
- Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat ursprünglich von einer Verwahrung im Hinblick auf die Erklärungen des Herrn Bundesministers Wuermeling absehen wollen. Zu meinem großen Bedauern sehe ich mich aber angesichts der Ausführungen, die der Herr Bundesminister als persönliche Erklärung abgegeben hat, nach § 36 der Geschäftsordnung genötigt, dennoch Verwahrung einzulegen.
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Meine Damen und Herren, wir haben uns durch diese Ausführungen nicht getroffen gefühlt, weil unsere christlichen Grundanschauungen es gebieten, ,daß diese Fragen des Glaubens als Ausdruck der menschlichen Würde aus dem politischen Tageskampf ausgeschaltet bleiben müssen.
({1})
Die durch den Rundfunk verbreitete Erklärung des Herrn Bundesministers Wuermeling können wir nur als sehr unrichtig bezeichnen. Wir haben von einer Verwahrung abgesehen, weil wir uns dessen bewußt sind, daß solche Ausführungen den Zusammenhalt in unserer Koalition im tiefsten Sinne gefährden.
Geist, Inhalt und Form der heutigen Diskussion zwingen uns nun leider, dazu Stellung zu nehmen. Wir sind der Auffassung: Der Herr Präsident ist gewählt, er ist unser Präsident, nicht Präsident einer Fraktion.
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Nachdem er gewählt ist, hat eine Diskussion und eine Erwägung über das Ob und Wie - etwas anderes widerspricht jedem guten parlamentarischen Stil - nicht stattzufinden. Das sind wir uns selber schuldig.
({3})
Meine Damen und Herren, wir sind keine Splitterrichter. Wir haben nicht die Absicht, diese Frage zu vertiefen und weiteres Porzellan zu zerschlagen. Aber wir haben die dringlichste Bitte an alle in diesem Hause, dessen eingedenk zu sein, daß es einen Bezirk, einen Bereich im menschlichen Leben geben muß - das ist der Glaube, ist unsere Konfession -, der außerhalb jeder Kritik, Unterstellung oder was es sonst sein mag, bleiben muß.
({4})
Wir drücken unser tiefstes Befremden darüber aus, daß solche Erwägungen von der Tribüne dieses Hauses aus angestellt werden müssen. Aber Sie zwingen uns dazu, es zu tun.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Wehner zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, in so später Stunde noch um Ihre Aufmerksamkeit bitten zu müssen. Aber es handelt sich um einen Punkt - ({0})
Der Redner hat das Wort. Sie werden nachher noch Gelegenheit haben.
Es handelt sich um einen Punkt, der mit der Aufstellung der Tagesordnung für morgen zusammenhängt. Die sozialdemokratische Fraktion, für die ich hier spreche, hat sich entschlossen, dem Plenum des Bundestages einen Antrag zu unterbreiten, um dessen Behandlung in der morgigen Sitzung des Plenums wir hiermit ansuchen.
Der Vorsitzende meiner Fraktion hat dem Herrn Präsidenten heute nachmittag in einem Brief einiges über die Motive und die Dringlichkeit dieses unseres Begehrens mitgeteilt, und in einem Brief an den Herrn Bundeskanzler hat der Oppositionsführer dies ebenfalls politisch begründet.
Ich darf Ihnen den Antrag, um den es geht und den wir für so schwerwiegend halten, verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die Einheit Deutschlands als Staat zu wahren und mit friedlichen Mitteln zu vollenden, bleibt - unbeschadet der Meinungsverschiedenheiten über den politischen Weg - die vordringlichste Aufgabe der 'deutschen Politik.
2. Der Bundestag fordert Viermächteverhandlungen, deren Ziel es sein muß, freie Wahlen in Deutschland zu ermöglichen, um eine deutsche Regierung zu bilden. Es darf keine Möglichkeit versäumt werden, zu diesen Verhandlungen zu kommen, denn die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit ist eine Gegenwartsaufgabe der Politik, weil sie zugleich eine Voraussetzung zur Kriegsverhütung und der Sicherheit für die freie Welt ist.
3. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung - angesichts der Gefahr, daß nach einer Verwirklichung der Beschlüsse der Pariser Konferenz Erfolg versprechende Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands für absehbare Zeit unmöglich sein könnten -,
a) diese Willenskundgebung des Bundestages den vier Besatzungsmächten in aller Form zur Kenntnis zu bringen;
b) in Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten darauf hinzuwirken, daß diese den in der sowjetischen Note vom 23. Oktober enthaltenen Vorschlag zu Viermächteverhandlungen über die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands positiv beantworten und unverzüglich in Verhandlungen über die Vorbereitung dieser Konferenz eintreten;
c) in den Besprechungen mit den drei westlichen Besatzungsmächten weiter darauf hinzuwirken, daß diese der sowjetischen Besatzungsmacht ausdrücklich ihre Bereitschaft erklären, in den Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands zugleich und im Zusammenhang damit über die Eingliederung Deutschlands in ein europäisches Sicherheitssystem im Rahmen der Vereinten Nationen zu verhandeln;
d) den drei westlichen Besatzungsmächten vorzuschlagen, der Sowjetregierung in Beantwortung der sowjetischen Note vom 13. November den Vorschlag zu unterbreiten, die Forderung nach einer „gesamteuropäischen Konferenz über ein System der kollektiven Sicherheit" auszusetzen, damit zunächst in Viermächteverhandlungen eine Lösung der mit der Wiedervereinigung Deutschlands zusammenhängenden Probleme gefunden und die Gefahr einer Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands vermieden werden kann.
Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält, wie Sie schon gemerkt haben werden, einige grundlegende Bekundungen des Willens zu Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung und einige präzise umrissene Forderungen. Ich will hier nicht den Antrag selbst begründen, sondern ich möchte Ihnen klarmachen, aus welchen schwerwiegenden Gründen die sozialdemokratische Fraktion die Beratung dieses Antrags in der morgigen Sitzung für unerläßlich hält.
Öffentlich ist berichtet worden, daß schon in den nächsten Tagen mit einer Beantwortung der beiden sowjetischen Noten vom 23. Oktober und vom 13. November durch die drei westlichen Besatzungsmächte gerechnet werden müsse und daß zu diesem Zweck auch die Bundesregierung konsultiert worden sei. Aus verschiedenen Hauptstädten Europas und der Vereinigten Staaten gibt es auch Äußerungen über die Art dieser Antwort. Es handelt sich um zwei Noten, die zwar manches gemeinsam haben, die aber in einem Punkte wesentlichen Unterschied aufweisen.
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- Meine Damen und Herren, ich hatte Sie um Geduld gebeten. Ich muß sagen, Sie sollten - abgesehen davon, daß ich verstehe, daß Sie ermüdet sind - es nicht einfach durch diese Art von Zwischenbemerkungen unmöglich machen, daß eine große Fraktion dieses Hauses ihrer Sorge in einer deutschen Frage Ausdruck gibt und Sie bittet - Sie haben ja die Möglichkeit, darüber abzustimmen -, dies anzuhören, damit Sie entscheiden können, ob Sie es für richtig halten oder nicht für richtig halten, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen.
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Dazu aber muß eben einiges gesagt werden, ehe es zu spät ist. Ich kann gut verstehen, daß man verschiedener Meinung sein kann. Ich kann aber nicht verstehen, daß man so wenig Respekt vor der Auffassung eines Teiles dieses Hauses bekunden zu müssen glaubt. Entschuldigen Sie, das soll keine Zurechtweisung sein, das ist eine Meinungsäußerung.
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Ich wollte Ihnen sagen: Es handelt sich um zwei Noten. Während die eine, die Note vom 23. Oktober, die Wiedervereinigung noch auf der ViermächteGrundlage von Verhandlungen als dringendst betrachtet, ist die Note vom 13. November von einer Lage ausgegangen, in der nicht mehr von einer Viermächte-Grundlage für Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung die Rede sein kann.
Unser Antrag enthält den Hinweis, den ich Ihnen noch einmal vortragen will:
angesichts der Gefahr, daß nach einer Verwirklichung der Beschlüsse der Pariser Konferenz Erfolg versprechende Viermächteverhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands für absehbare Zeit unmöglich sein könnten,
und wir finden, daß diese Gefahr uns zwingt, dem Hause unseren Antrag zur Entscheidung zu unterbreiten, unseren Vorschlag mit den konkreten, präzise umrissenen Forderungen morgen zu behandeln.
Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren, daß in den letzten Bekundungen der Sowjetregierung, die die vierte Besatzungsmacht Deutschlands ist, ein Satz immer wieder in allen möglichen Variationen vorkommt: daß, falls die Beschlüsse verwirklicht werden, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands für lange Zeit unmöglich sei; und in der letzten Note, einer Note, die besonders schwere, schlechte Züge trägt, wird sogar gesagt, daß mit der Annahme ,der Beschlüsse die Wiedervereinigung geopfert worden sei.
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- Sie sagen: „Meinung der Russen". Ich wollte dazu gerade etwas sagen. Abgesehen davon, wie man das moralische Recht der Sowjetregierung wertet, eine solche Sprache zu führen, bleibt doch der Tatbestand, daß eine von den vier Besatzungsmächten mit dieser Drohung erklärt, daß es nach der Verwirklichung der Pariser Beschlüsse keine Viermächtegrundlage für Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands mehr gebe. Ich glaube, diese Feststellung, wie man auch moralisch zu ihr steht, ist ernst genug, um diesem Hause Veranlassung zu geben, die Risiken zu prüfen und neue Versuche zur Verhinderung einer Entwicklung zu machen, die schrecklich für alle wäre.
Wir sollten uns nicht damit beruhigen, daß man ja auch später noch Gelegenheit haben werde. Man sollte nicht frohlocken, daß nun ja doch immerhin auf der anderen Seite der Verhandlungswille ausgelöst worden sei durch eine Entwicklung im Westen. Es kommt, meine Damen und Herren, sehr darauf an, worüber und unter welchen Voraussetzungen verhandelt werden kann und soll. Und wenn nicht nur die Besatzungsmächte, sondern auch wir, die vom Volk gewählte Vertretung dieses Teils Deutschlands, dazu Stellung nehmen, - nun, so ist das doch wohl mehr als legitim. Mit der Möglichkeit, die noch in der sowjetischen Note vom 23. Oktober gegeben ist, können wir, wenn Sie unserem Antrag auf Beratung entsprechen,
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der Gefahr entgegentreten, die in der Note vom 13. November angezeigt ist; und das möchten wir erreichen.
Noch einmal ein Wort, meine Damen und Herren, zu Ihrer Ungeduld. Sehen Sie, Sie sind die Mehrheit dieses Hauses, Sie können entscheiden,
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ob Sie es für richtig halten, daß dieser Antrag auf die Tagesordnung für morgen gesetzt wird oder nicht. Sie haben morgen auch die Möglichkeit - ich denke, Sie trauen sich doch allerlei zu -,
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wenn Sie zustimmen, daß dieser Antrag morgen beraten wird, Ihren eigenen Standpunkt dem der Opposition entgegenzustellen; und Sie werden ja wohl nicht glauben, daß Sie Ihren Standpunkt hier nicht vertreten könnten. Sie sollten aber bedenken: Wenn eine Fraktion wie die der Sozialdemokratischen Partei, die doch einen erheblichen Teil unseres Volkes vertritt, so schwere Bedenken hat, dann sollten Sie ungeachtet Ihrer politischen Stellungnahme die Möglichkeit geben, daß morgen - morgen, sage ich - sozusagen im Zusammenklang auch entgegengesetzte Auffassungen hier vorgetragen werden können. Das kann doch der deutschen Sache nicht schaden. Wieso soll es ihr denn schaden? Es kann ihr doch nur nützen, wenn auf diese Weise noch einmal gesagt wird, welches, bei allen Unterschieden, die deutschen Auffassungen sind.
Ich wiederhole den Antrag, den ich im Namen meiner Fraktion gestellt und zu begründen versucht habe. Geben Sie durch Ihre Abstimmung die Möglichkeit, daß morgen darüber verhandelt werden kann. Ich danke Ihnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens und im Auftrage der Fraktionen der Koalitionsparteien habe ich die Ehre, folgendes zu erklären.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat einen Antrag eingereicht, der sich auf Fragen bezieht, die von der Bundesregierung in ständigen Verhandlungen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Diese Verhandlungen werden zur Zeit vor allem auch mit Herrn Conant als dem Vorsitzenden der Hohen Kommission geführt. Herr Conant hat soeben in dieser Eigenschaft den Herrn Bundeskanzler aufgesucht.
Der Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei befaßt sich mit einem außerordentlich weitschichtigen Fragenkomplex, der mit Rücksicht auf seine sehr ernste politische Bedeutung nur nach sorgfältiger Vorbereitung auch in den Fraktionen in diesem Hause besprochen werden kann. Der Wunsch der Sozialdemokratie, ihren Antrag bereits morgen auf die Tagesordnung zu setzen, läßt dazu überhaupt keine Zeit. Wir sehen auch keinen Anlaß, über diese Probleme jetzt so plötzlich und ohne ersichtlichen Grund eine Debatte zu führen.
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Ohne genaue Kenntnis der von mir erwähnten Verhandlungslage kann diese Debatte kaum geführt werden. Sie kann so kaum einen nützlichen Beitrag für die Entwicklung dieser Fragen leisten. Wir dürfen erwarten, daß ,der Herr Bundeskanzler, sobald er ,auf Grund des Standes der Verhandlungen dazu in ,der Lage ist, alle Fraktionen dieses Hauses über den Stand der Verhandlungen unterrichtet.
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Mit Rücksicht auf diese Sachlage sehen sich die Fraktionen der Regierungskoalition nicht in der Lage, dem Geschäftsordnungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zuzustimmen, ihren Sachantrag so plötzlich und ohne vorherige Diskussion in unseren Fraktionen auf die Tagesordnung von morgen zu setzen.
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Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag, den Abgeordneter Wehner eben begründet hat, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, das Auszählungsergebnis steht jetzt fest. Der Antrag zum Umsatzsteuergesetz Umdruck 205 Ziffer i zu Nr. 1 der Vorlage ist mit 206 gegen 205 Stimmen eindeutig abgelehnt*).
Ich bitte, die fälligen Abstimmungen noch vornehmen zu dürfen, damit die zweite Lesung abgeschlossen ist; sie werden ja sehr schnell fertig sein.
Wir stimmen nun ab über Ziffer i der Drucksache 963 auf Seite 3. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann 3 a. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; angenommen.
3 b. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann noch 3 c. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit sind alle Artikel und Ziffern dieser Vorlage in zweiter Beratung entschieden. Die Vorlage, die auf der vorgestrigen Tagesordnung stand, ist damit abgeschlossen.
Das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Krone.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte, den Abgeordneten Krone, dem ich das Wort erteilt habe, anzuhören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich bin als Vertreter meiner Fraktion dem Hohen Hause auch ein Wort zu der Debatte schuldig, die wir vorhin erlebt haben. Wir sind nicht der Meinung, daß es antikirchliche oder antichristliche Motive gewesen sind, die diejenigen Kollegen veranlaßt
*) Zusammenstellung siehe Seite 2820. haben, die gegen unseren Vorschlag Dr. Gerstenmaier gestimmt haben. Ich gebe die Erklärung ab mit dem Willen und in der Absicht, in diesem Hause dem Frieden und dem gegenseitigen Verstehen zu dienen, von denen eine fruchtbringende Arbeit in diesem Hause abhängt.
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Ich glaube, daß ich im Sinne des Hauses handle, wenn ich dem Abgegeordneten Krone und der Fraktion, in deren Namen er gesprochen hat, den Dank für diese Erklärung ausspreche.
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Meine Damen und Herren, mit Rücksicht auf die Zeitnot, in der sich die CDU/CSU-Fraktion befindet, die ja noch eine Fraktionssitzung abhalten will, schlage ich vor, nicht weiter zu verhandeln.
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- Herr Abgeordneter Neuburger, ich erteile Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Seuffert, Sie haben vorhin vorgeschlagen, wir möchten morgen mit der Finanz- und Steuerreform erst um 10 Uhr beginnen. Ich habe heute morgen schon betont, daß wir ein großes Programm haben und daß wir unsere Zeit ökonomisch einteilen müssen.
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- Nein, Beginn 10 Uhr ist nicht beschlossen; es ist nur beschlossen worden, um 8 Uhr anzufangen. Ich würde bitten, daß wir mit der Finanzreform, die ja keine Druckschwierigkeiten beim Übergang von der zweiten zur dritten Lesung hervorrruft, unmittelbar nach 8 Uhr beginnen.
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Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist doch einfach menschenmordend. Wir haben nach dieser Sitzung noch eine Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, die wahrscheinlich mehrere Stunden dauern wird, und es ist doch einfach von uns nicht zu verlangen, daß wir morgen früh um 8 Uhr in die dritte Beratung der Finanzreform eintreten sollen. Wir haben vorgestern bewiesen, daß wir es kurz machen. Wir werden morgen ebenso verfahren. Aber tun Sie uns doch bitte den Gefallen und zwingen Sie uns nicht, hier um 8 Uhr die Finanzreform zu behandeln. Ich bitte darum, daß es bei dem Beschluß von vorhin bleibt, mit der Finanzreform etwa um 10 Uhr zu beginnen.
Der Beschluß ist schon gefaßt. Ich glaube, ich brauche darüber nicht mehr abstimmen zu lassen.
Meine Damen und Herren! Ich berufe die nächste, die 57. Sitzung des Bundestages auf morgen, Freitag, den 19. November, 8 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.