Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte vor Eintritt in die Tagesordnung den Herrn Schriftführer, die Namen der kranken und entschuldigten Abgeordneten zu verlesen.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Moll für fünf Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Seidl ({0}) für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordnete Frau Lockmann für weitere drei Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Dr. Siemer für weitere drei Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Dr. Will für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Ich danke Ihnen. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden ist.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Feldmann, Dr. Greve, Margulies, Dr. Oesterle, Lemmer, Richter, Dr. Schild ({0}), Bauer ({1}), Dr. Schneider ({2}), Kiesinger, Frau Heise.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Becker ({3}), Frau Dr. Schwarzhaupt, Heye und Frau Dr. h. c. Weber ({4}).
Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Dr. Atzenroth, Dr. Baade, Dr. Bartram, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Hesberg, Höcker, Jaksch, Dr. Luchtenberg, Dr. Reichstein, Walz, Ziegler, Ehren, Stiller, Brookmann ({5}), Wehking, Jahn ({6}), Dr. Graf Henckel, Majonica, Dr. Preiß, Rademacher, Dr. Jentzsch, Dr. Leverkuehn, Häussler, Keuning, Schmidt ({7}), Dr. Orth und Srock.
Ich danke Ihnen.
Als Nachfolger des verstorbenen Abgeordneten Dr. Ehlers ist der Abgeordnete Lotze in den Bundestag eingetreten. Als Nachfolger für den als Abgeordneten ausgeschiedenen Herrn von Hassel ist der Abgeordnete Blöcker in den Bundestag eingetreten. Ich heiße beide Herren in unserem Kreise herzlich willkommen.
Am 13. November hat unser Kollege Dr. Dresbach seinen 60. Geburtstag gefeiert.
({0})
Das ganze Haus wünscht ihm von Herzen Glück und ruft ihm zu: Ad multos annos!
({1})
Der Ausschuß für Kommunalpolitik hat gebeten, am 18. November während der Plenarsitzung um 9 Uhr 30 eine Sitzung abhalten zu können. Die Fraktionen sind befragt worden und haben ihr Einverständnis erklärt. Ich nehme an, daß auch das Haus damit einverstanden ist.
Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung vereinbart, die heutige Tagesordnung um den Punkt „Wahl des Bundestagspräsidenten" zu erweitern. Der Wahlakt soll unmittelbar nach der Mittagspause, also um 15 Uhr, vorgenommen werden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 12. November 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund;
Drittes Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirt-schaf t.
Gesetz über das Luftfahrt-Bundesamt;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen.
Er hat in seiner gleichen Sitzung zum Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt; sein Antrag wird als Drucksache 982 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 2. November 1954 die Kleine Anfrage 88 der Fraktion der DP betreffend Kariesforschungsinstitut - Drucksache 645 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 955 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 5. November 1954 die Kleine Anfrage 116 der Abgeordneten Wehr, Hansing ({2}), Schmidt ({3}) und Genossen betreffend Fahrpreisermäßigung für Familienangehörige deutschen seefahrenden Personals - Drucksache 873 - beantwortet. Sein
Schreiben wird als Drucksache 956 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem
13. November 1954 die Kleine Anfrage 120 der Fraktion der
SPD betreffend Wiedergutmachung - Drucksache 912 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 984 vervielfältigt.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 11. November 1954 die Kleine Anfrage 121 der Fraktion der DP betreffend Truppenübungsplatz Munster-Nord - Drucksache 923 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 983 vervielfältigt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 11. November 1954 gemäß § 6 Abs. 5 Satz 2 des Zuckergesetzes den Entwurf einer Verordnung Z Nr. 2/54 zur Änderung und Ergänzung der Verordnung Z Nr. 1/53 über Preise für Zucker vom 13. November 1953 zur Bekanntgabe im Bundestag übersandt. Der Entwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Herr Beauftragte des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der Alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen hat unter dem 25. Oktober 1954 über die Schritte der Bundesregierung zu Ziffer 2 des Beschlusses des Bundestages in seiner 40. Sitzung betreffend Beschlagnahme in Bremerhaven berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 970 vervielfältigt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 23. Oktober 1954 in Verfolg des Beschlusses des 1. Deutschen Bundestages in seiner 246. Sitzung unter Bezugnahme auf Bundestagsdrucksache Nr. 4154 weitere Ausführungen über das Disziplinarverfahren gegen Dr. Werner von Bargen gemacht. Sein Schreiben wird als Drucksache 985 vervielfältigt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung
a) des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung ({4}) ;
b) des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung ({5});
c) des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern ({6}) ({7});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({8}) ({9}).
({10})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Gülich.
Dr. Gülich ({11}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Drucksache 960 finden Sie meinen Schriftlichen Bericht*) über die drei Finanzgesetze, die der Herr Präsident soeben genannt hat. Ich habe in diesem Bericht versucht, auf acht Druckseiten die ganze Fülle der Probleme darzustellen. Ich will Sie heute mengen nicht auch nur mit einer auszugsweisen Wiederholung dieser Darlegungen befassen, möchte aber die wesentlichen Punkte des gesamten Reformwerks herausstellen.
Wenn man die Vorlage Drucksache 480 als Ganzes betrachtet, so wird man ihr nicht das Prädikat einer durchgreifenden Finanzreform geben können. Man wird aber wohl alles in allem feststellen können, daß wir auf dem Wege zu einer Finanzreform ein gutes Stück vorangekommen sind, falls diese Vorlage in der nunmehr vom Ausschuß beschlossenen Form Gesetz wird.
Die Hemmungen, die sich in der politischen Wirklichkeit einer idealen Lösung des Problems der bundesstaatlichen Finanzverfassung entgegenstellen, sind Ihnen allen so bekannt, daß ich sie hier nicht zu wiederholen brauche. Es soll aber kurz dargestellt werden, was in diesem Stadium des Gesetzgebungsverfahrens erreicht worden ist.
Erstens. Eine verfassungsrechtliche Klärung des
schwierigen Problems der Lastenverteilung oder,
genauer gesagt, der Abgrenzung der Ausgabenverantwortung zwischen Bund und Ländern. Die klare Zuordnung der finanziellen Verantwortungsbereiche ist eine der ersten Voraussetzungen für eine wirksame und wirtschaftliche Verwaltung öffentlicher Mittel und zugleich ein wesentlicher Beitrag zur Verwaltungsreform überhaupt.
Zweitens. Eine vernünftige und reinliche Aufteilung der Steuerquellen auf Bund und Länder, ausschließlich nach finanzwirtschaftlichen und steuersystematischen Gesichtspunkten. Diese klare Steuerquellenentscheidung ermöglicht eine echte Dauerregelung.
Drittens. In diese Dauerregelung, die eine stetige Finanzpolitik ermöglichen soll, ist als elastisches und anpassungsfähiges Element die Einkommen-und Körperschaftsteuer eingefügt, die entsprechend dem jeweiligen Bedarf nach bestimmten verfassungsrechtlich normierten Grundsätzen auf Bund und Länder zu verteilen ist. Auch hier wird die notwendige Stetigkeit, die allerdings zunächst auch einer gewissen Relativität nicht entbehrt, dadurch erreicht, daß die einmal getroffene Verteilungsentscheidung jeweils mindestens drei Jahre gelten soll. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hatte sich zunächst auf zwei Jahre beschränkt, hat diese Frist dann aber auf dringenden Wunsch der Länder um ein Jahr verlängert.
Viertens. Schutz der Länder und Gemeinden gegen die finanziellen Überbelastungen durch den Bundesgesetzgeber. Erstmalig in der deutschen Finanzgeschichte erhält diese Schutzvorschrift Verfassungsqualität.
*) Siehe Anlage 13.
({12})
Fünftens. Das in allen modernen Bundesstaaten zu beobachtende Streben des Zentralstaates nach einem autonomen Besteuerungsrecht auf dem Gebiete ,der direkten Steuern findet hier seinen Ausdruck in der Institution der Ergänzungsabgabe, deren tatsächliche Erhebung noch nicht beschlossen wird, sondern künftiger Entscheidung durch den Gesetzgeber vorbehalten bleibt. Mit dieser wichtigen Ergänzung des Bundessteuersystems wird die Eingleisigkeit der Bundesfinanzpolitik beseitigt, die zur Deckung des Bundesbedarfs bisher ein eigenständiges Besteuerungsrecht nur auf dem sozial bedenklichen Gebiet der indirekten Steuern hatte.
Sechstens. Stärkung der Finanzkraft der leistungsschwachen Länder durch einen wesentlich intensivierten Länderfinanzausgleich, ein wichtiger Beitrag zur gesamtstaatlichen Strukturpolitik, zur Milderung des Ost-West-Gefälles, zur Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen im Bundesgebiet, zur finanziellen Verselbständigung und damit zur Stärkung der Finanzverantwortung auch der leistungsschwachen Länder, ein entscheidender Beitrag zur Herstellung einer vernünftigen föderativen Ordnung.
Siebentens. Das Endziel: Bedarfsgerechte Finanzausstattung der einzelnen Gebietskörperschaften. Diese Finanzausstattung muß knapp, aber n o c h ausreichend sein, um die Gebietskörperschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben zu befähigen. Dies liegt im Interesse des Steuerzahlers, der sich für Fragen der Finanzreform sonst kaum zu interessieren pflegt.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen fast alle Beschlösse einstimmig, einige gegen eine oder ganz wenige Stimmen gefaßt worden sind.
Aber ich muß noch auf zwei Probleme hinweisen, die im Schriftlichen Bericht nicht so gründlich behandelt worden sind, wie sich das nachträglich als wünschenswert erwiesen hat. Das Finanzanpassungsgesetz war dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Der Haushaltsausschuß hat aber erst nach Abschluß der Beratungen im federführenden Ausschuß, nämlich am letzten Freitag, zum Finanzanpassungsgesetz Stellung genommen. Hierbei haben sich eine wichtige Differenz und eine wichtige Übereinstimmung ergeben:
Zunächst die Differenz. Während der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen empfiehlt, die überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung organisatorisch von einer dem Bundesarbeitsministerium unterstellten Bundesoberbehörde wahrnehmen zu lassen, hat der Haushaltsausschuß - der sich, wie ich eben schon sagte, erst nach Abschluß der Beratungen im Finanzausschuß damit befassen konnte - beschlossen, dem Bundestag vorzuschlagen, von der Errichtung einer besonderen Bundesoberbehörde abzusehen und das Bundesarbeitsministerium selbst mit der Wahrnehmung der überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung zu betrauen. Für den Beschluß des Haushaltsausschusses war die Überlegung maßgebend, daß Sonderbehörden erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit einen administrativen Ausdehnungsdrang entfalten, der regelmäßig die Gefahr in sich trägt, daß die Verwaltung aufgebläht und der Kostenaufwand gesteigert wird. Um solchen Tendenzen von vornherein zu begegnen, erscheint es dem Haushaltsausschuß richtiger,
die überregionalen Aufgaben der Kriegsopferversorgung, soweit sie in der Zentrale wahrgenommen werden müssen, organisatorisch
({13})
in die Zentralbehörde selbst einzubauen. - Herr Kollege Pohle, ich trage hier keine persönliche Meinung vor, sondern die Auffassung des Haushaltsausschusses, der ich selber nicht zustimme, wie ich im Ausschuß dargelegt habe. Ich bin aber verpflichtet, in meinem Bericht die Auffassung des Haushaltsausschusses objektiv vorzutragen.
({14})
Der Haushaltsausschuß ist der Meinung, diese zentralen Funktionen, die er der obersten Bundesbehörde, dem Bundesarbeitsministerium, übertragen will, seien nicht so erheblich, daß sie die Errichtung einer besonderen, dem Bundesarbeitsministerium unterstellten Bundesoberbehörde rechtfertigten. Die eigentlichen Verwaltungsaufgaben selbst wie ausländische Heilanstalten, Beschaffung der Heil- und Hilfsmittel, Krankenbuchlager usw., werden ohnehin wie bisher, wenn auch in konzentrierterer Form, von Außenstellen ausgeübt werden müssen. Der Haushaltsausschuß hielt es nicht für erwünscht, daß diese Verwaltungsstellen - da sie keine ministeriellen Funktionen erfüllen - etwa den Charakter von Außenstellen des Bundesarbeitsministeriums erhalten, zumal im Haushaltsausschuß auch befürchtet wurde, daß die Mitglieder solcher Außenstellen ja dann die Ministerialzulage erhalten müßten.
Der Haushaltsausschuß schlägt aus diesen Gründen vor, § 4 a des Finanzanpassungsgesetzes, den der Finanz- und Steuerausschuß in die Regierungsvorlage eingefügt hat, anders zu fassen. Ich glaube nicht, daß es sinnvoll ist, wenn ich, zumal bei ,dieser Unruhe, die Formulierung des § 4 a, wie sie der Haushaltsausschuß vorschlägt, hier vortrage. Der Haushaltsausschuß wünscht, daß die Behörden der Kriegsopferversorgung nicht in einer Bundesoberbehörde zusammengefaßt, sondern unmittelbar dem Bundesarbeitsministerium unterstellt werden sollen. Ein besonderer Antrag konnte hier nicht gestellt werden, da der Finanz- und Steuerausschuß noch nicht in der Lage gewesen ist, zu diesem Vorschlag des mitberatenden Haushaltsausschusses Stellung zu nehmen. Falls dieser Punkt heute im Plenum verfolgt werden soll, müßte also die Formulierung des § 4 a, wie sie der Haushaltsausschuß vorgenommen hat, aus der Mitte des Hauses durch einen entsprechenden Antrag übernommen werden.
Der zweite Punkt, auf den ich ausdrücklich hinweisen möchte, weil auch er am Freitagvormittag im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags zu einer tiefgehenden Erörterung geführt hat, betrifft das Weisungsrecht gegenüber Landesbehörden in bezug auf die wirtschaftliche Verwaltung von Bundesmitteln ({15}). Diese Frage ist für den Bund von außerordentlicher Bedeutung, und deshalb erbitte ich mir für diesen Gegenstand noch wenige Minuten Ihrer Aufmerksamkeit.
Da die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des hier vorgesehenen Weisungsrechts des Bundes nicht nur vom Bundesrat, sondern kürzlich in anderem Zusammenhang auch von einigen Mitgliedern des Bundestages angezweifelt worden ist, er({16})
scheint es ratsam, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Verfassungsmäßigkeit dieses Weisungsrechts sowohl vom Finanzausschuß wie vom Haushaltsausschuß eingehend geprüft und aus den von der Bundesregierung überzeugend dargelegten Gründen bejaht worden ist.
Die Bedeutung dieser Frage reicht weit über den hier unmittelbar interessierenden Tatbestand hinaus; sie rührt an das Prinzip des parlamentarischen Bewilligungsrechts überhaupt. Dem Etatbewilligungsrecht des Parlaments entspricht als notwendiges Gegenstück die Etatverantwortung der Regierung. Der Regierungsverantwortung entspricht das Recht des Parlaments, die Regierung zu entlasten oder wegen ihrer Etatgebarung zur Verantwortung zu ziehen. Die Wirksamkeit des parlamentarischen Bewilligungsrechts, der Regierungsverantwortung und des parlamentarischen Entlastungsrechts hängt entscheidend davon ab, daß die Regierung befähigt ist, auf die rechtmäßige und wirtschaftliche Verwaltung der ihr vom Parlament bewilligten Mittel Einfluß zu nehmen. Da die Prinzipien des parlamentarischen Etatbewilligungsrechts und der entsprechenden Regierungsverantwortung im Grundgesetz normiert sind, und zwar in den Artikeln 110, 65 Satz 2, 112 und 114, ergibt sich der zwingende Schluß, daß das Grundgesetz die Regierung mit dem „Instrumentarium" ausgestattet haben muß, das sie befähigt, ihrer Etatverantwortung gerecht zu werden. Dies muß auch dann gelten, wenn es sich, wie in den hier gedachten Fällen, um Bundesmittel handelt, die nicht von der Bundesregierung selbst, sondern von Landes- oder Gemeindebehörden verwaltet werden. Wollte man den zuständigen Bundesbehörden hier das haushaltswirtschaftliche Einwirkungsrecht vorenthalten, so wären sie praktisch jeder Etatverantwortung enthoben, und dies würde zu der unhaltbaren Konsequenz führen, daß sich in allen Fällen, in denen der Bund die Finanzverantwortung trägt, die Länder aber für den Gesetzesvollzug zuständig sind, ein Vakuum in der parlamentarischen Etatkontrolle ergäbe. Die Länderbehörden hätten die volle Verfügungsmacht über Milliardenbeträge des Bundeshaushalts - wir wissen, es sind über 5 Milliarden DM -, ohne für die Verwaltung dieser Mittel gegenüber dem bewilligenden Parlament, nämlich dem Bundestag, verantwortlich zu sein, während die obersten Bundesbehörden zwar die volle parlamentarische Etatverantwortung trügen, ohne aber eine Handhabe zu besitzen, dieser Etatverantwortung gerecht zu werden.
Dieser Hinweis, meine Damen und Herren, mag genügen, um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit, ja ich glaube sagen zu müssen, die verfassungsrechtliche Notwendigkeit dieser Bestimmung deutlich zu machen.
Dieses haushaltsrechtliche Weisungsrecht hat nichts zu tun mit den in den Artikeln 84 und 85 des Grundgesetzes geregelten verwaltungsmäßigen Weisungsbefugnissen, die sich auf den Gesetzesvollzug als solchen beschränken.
Da sich die Zulässigkeit des haushaltsrechtlichen Weisungsrechts bereits aus dem Grundgesetz schlüssig ableiten läßt, wäre es an sich nicht notwendig, dies in einem einfachen Bundesgesetz besonders auszusprechen. Das Erfordernis, dies aber doch zu tun, ergibt sich daraus, daß einzelne Länder dem Bund das Weisungsrecht streitig machen.
Verfassungsrechtlich hat also die Bestimmung keine konstitutive Bedeutung, sondern nur die Bedeutung einer Klarstellung.
Die finanzwirtschaftliche Notwendigkeit, das Weisungsrecht des Bundes außer Zweifel zu stellen, mag daraus erhellen, daß es sich immerhin, wie ich vorhin schon erwähnte, um Bundesmittel im Gesamtbetrag von über 5 Milliarden DM handelt, -die von den Länden selbständig verwaltet werden.
Meine Damen und Herren! Diese beiden Punkte mußte ich als Ergänzung zu meinem schriftlichen Bericht noch darlegen, zum mindesten' deshalb, damit sie gedruckt im Bundestagsbericht stehen und somit über die Motive des Gesetzgebers Aufschluß geben. Da ich es im schriftlichen Bericht nicht erwähnen konnte, mußte ich hier versuchen, Ihre Aufmerksamkeit dafür ein wenig in Anspruch zu nehmen.
({17})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung. Wir treten in die Einzelberatung ein. § 1. - Wird das Wort gewünscht? Es handelt sich um die Änderung des Art. 106 und des Art. 107 des Grundgesetzes. - Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung. Da es sich um eine Änderung des Grundgesetzes handelt, ist eine Mehrheit von zwei Dritteln - ({0})
- Der Herr Berichterstatter!
Dr. Gülich ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident, es handelt sich um ein Ausführungsgesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes, für das nur eine einfache Mehrheit erforderlich ist.
- Es ist richtig; ich bitte um Entschuldigung. Der Text war mißverständlich.
Wer für die Annahme von § 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
§ 2, Inkrafttreten. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfs abgeschlossen.
Wir treten ein in die Einzelberatung des Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an die Finanzverfassung ({0}). § 1. - Keine Wortmeldungen. §§ 2, - 3, - 4, - 4 a, - 5, -6,-7,-8,-8a,-9,-10,-11 und 12. -Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung dieser Vorlage abgeschlossen.
Ich rufe auf zur Einzelberatung des Entwurfs eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern ({1}). §§ 1, -2, - 3, - 4. - Wer für die Annahme dieser ersten vier Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
({2})
Zu § 5 ist ein Änderungsantrag der FDP und des GB/BHE angekündigt. Wer begründet diesen Antrag Umdruck 200*)? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf über den Finanzausgleich zwischen den Ländern haben die Fraktionen der FDP und des GB/BHE sowie eine große Anzahl von Abgeordneten der CDU/CSU einen Änderungsantrag eingebracht, den ich hier ganz kurz begründen möchte. In § 6 dieses Gesetzentwurfs sind gewisse Sonderbelastungen aufgezählt, die zu einer Änderung in der Berechnung des Ausgleichsbetrages führen. Es geht dabei um die Hafenlasten von Hamburg und um die Sonderbelastungen Schleswig-Holsteins. In diesem Zusammenhang ist die Frage aufgetaucht, die wir neulich hier schon erörtert haben. Wir müssen in diesem Gesetz auch die Finanzlage der Länder und der Gemeinden im Osten der Bundesrepublik in Betracht ziehen. Aus diesem Grunde ist der Antrag gestellt worden. Er beinhaltet ganz kurz, daß bei der Berechnung der Finanzausgleichsbeträge die besonders schwierige Lage der Gemeinden im Ostrandgebiet der Bundesrepublik berücksichtigt und daß zu diesem Zweck das Aufkommen an Gewerbesteuer in diesen Gemeinden um 20 v. H. gekürzt wird. Dadurch ergibt sich ein höherer Ausgleichsbetrag zugunsten der Länder im Ostrandgebiet. Diese Beträge, die insgesamt etwa 18 Millionen DM umfassen dürften, sollten ursprünglich den Gemeinden unmittelbar zugeleitet werden. Das ist aus verfassungsrechtlichen Gründen beanstandet und abgelehnt worden. Deshalb ist der Antrag dahin umformuliert worden, daß der Betrag den
Ländern zufließen soll, und es muß in den Ländern geregelt werden, daß er diesen Gemeinden zugute kommt. Der Änderungsantrag stellt also den Versuch dar, die Lösung einer Aufgabe, die von diesem Hohen Haus wiederholt als eine nationalpolitische Aufgabe anerkannt worden ist, in den Finanzausgleich einzubeziehen. Ich möchte Sie deshalb bitten, in Zusammenhang mit der Abstimmung über dieses Gesetz unserem Änderungsantrag zuzustimmen, weil er geeignet ist, die Schwierigkeiten, die sich aus unserer Finanzverfassung ergeben, zu mildern, wenn wir sie auch nicht beseitigen können.
In dem Bericht des Ausschusses ist auf Seite 8 der Drucksache 960 zu diesem Antrag vermerkt worden, die Frage sei im Finanzausschuß erörtert worden; der Finanzausschuß habe sich auf den Standpunkt gestellt, diese Schwierigkeiten müßten durch unmittelbare Bundeshilfen behoben werden. Es wird weiter gesagt, daß eine Intensivierung des Finanzausgleichs am Widerstand der finanzstarken Länder scheitern werde. Ich darf darauf hinweisen, daß der Versuch, diese Fragen über unmittelbare Bundeshilfen zu regeln, daran scheitern würde - wie wir es schon aus den vergangenen Haushaltsberatungen kennen -, daß der Bund über diese Mittel nicht verfügt und daß keine geeigneten Deckungsvorschläge gemacht werden können. Wollte man zu einer Deckung dieser erhöhten Ausgaben im Bundeshaushalt kommen, so wäre man praktisch wieder auf den Weg angewiesen, auf dem allein, insbesondere nach der Steuersenkung, der Bund seine Einnahmen verstärken kann: das ist die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen-und Körperschaftsteuer. Dann stünden wir bei den
*) Siehe Anlage 1.
Beratungen über diese Verstärkung der Einnahmen des Bundeshaushalts wieder vor derselben Frage, die in dem Bericht, den ich soeben zitiert habe, erwähnt ist, nämlich vor der Schwierigkeit, daß die finanzstarken Länder dem nicht zustimmen. Ich möchte Sie also gerade unter diesem Gesichtspunkt im Namen derer, die den Antrag gestellt haben, bitten, der vorgeschlagenen Lösung zuzustimmen, weil wir allein über den Bundeshaushalt zu einer Lösung dieser so überaus wichtigen Frage, die durchaus im Rahmen des Beschlusses des Bundestags vom 2. Juli 1953 liegt, nicht kommen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat im Steuerausschuß zur Beratung gestanden. Er ist seinerzeit mit folgender Begründung abgelehnt worden: Die Berücksichtigung der Grenzlandgemeinden ist vornehmlich eine Angelegenheit des innerstaatlichen Finanzausgleichs. Es besteht aber auch die Gefahr, daß sich Weiterungen für die westlichen Grenzgebiete ergeben. Wir werden mit Sicherheit damit rechnen können, daß aus diesen Gebieten Anträge kommen. Das führt zu einer Komplikation des Finanzausgleichs, die meines Erachtens und auch nach der Meinung der Mehrzahl meiner Freunde nicht angebracht ist. Namens eines großen Teils meiner politischen Freunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Starke hat zutreffend ausgeführt, daß in meinem Schriftlichen Bericht, und zwar auf Seite 8, dargelegt worden ist, aus welchen Gründen der Finanz- und Steuerausschuß sich nicht zu seinem Antrag bekannt hat. Der Hauptgrund war - wie Herr Kollege Dresbach soeben auch erwähnt hat -, daß es eine eigentliche Bundesaufgabe ist, den finanzschwachen Ländern zu helfen, die ja - mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz - zugleich auch die Länder sind, die östliche Zonenrandgebiete haben. Der Ausschuß hat deshalb empfohlen, dem Antrag Starke nicht zuzustimmen.
Nun, lieber Kollege Dresbach, ich habe mir die Sache inzwischen noch einmal überlegt. Ich habe meine Meinung im Prinzip zwar nicht geändert - schade, daß wir uns darüber nicht vorher besprochen haben -, aber ich bin jetzt doch zur Überzeugung gekommen, dem Antrag Starke zustimmen zu sollen. Wenn man dem Antrag Starke zustimmt,
({0})
dann ist zwar die Gefahr nach wie vor da, daß die finanzstarken Länder im Bundesrat zu der Sache nein sagen, weil sich die Finanzausgleichsmasse - wie wir ja auch überlegt und errechnet hatten - um ungefähr 18 Millionen DM erhöht, die zu Lasten der finanzstarken Länder aufgebracht werden müssen. Aber für die finanzschwachen Länder mit Zonenrandgebieten ergibt sich doch eine bereits fühlbare Entlastung.
Ich bin inzwischen zu dem Schlusse gekommen, daß man es den finanzstarken Ländern doch zumuten könnte, diesen Beitrag aus eigener Finanzkraft zur Lösung der Schwierigkeiten in den
({1})
Zonenrandgebieten zu leisten. Der Bund soll dadurch aus seiner Verantwortung für die Zonenrandgebiete nicht entlassen werden. Wir dürfen unter keinen Umständen zulassen, daß die Bundesregierung etwa, wenn der Antrag Starke angenommen wird, sagt: Dann ist ja den Zonenrandgebieten geholfen, dann brauchen wir in der Sache nichts mehr zu tun! Einer solchen Absicht der Bundesregierung - die Annahme des Antrags Starke als Blitzableiter zu benutzen und nichts zu tun - müßten wir in aller Bestimmtheit entgegentreten. Wenn wir diesen Beitrag heute leisten, indem wir dem Antrag Starke zustimmen, fordern wir die finanzstarken Länder damit auf, dem Bund ein Stück voranzugehen und ihm zu zeigen, daß auch sie etwas für die Zonenrandgebiete der finanzschwachen Länder, die ja an ihrer Notlage nicht schuldig sind, tun wollen. Ich halte es deshalb für richtig, dem Antrag Starke zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Ich möchte keinen Zweifel darüber aufkommen lassen: ich habe eben nicht als Emissär meines finanzstarken engeren Vaterlandes Nordrhein-Westfalen gesprochen, - damit darüber Klarheit besteht!
({0})
Wenn man böswillig war, konnte man der Meinung sein, daß Sie mir das unterstellen wollten, lieber Freund!
({1})
Ich halte meine Bedenken aufrecht und bitte meine Freunde, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der. Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach den Ausführungen von Herrn Professor Gülich und von Herrn Dr. Dresbach doch noch ein paar Worte sagen. Ich darf wiederholen: es handelt sich hier um ein ganz grundlegendes Problem, das gar nichts damit zu tun hat, was Herr Dr. Dresbach eben anrührte: daß er etwa für Nordrhein-Westfalen gesprochen habe. Ich möchte noch einmal an die Worte erinnern, die vor vierzehn Tagen oder drei Wochen in diesem Hause gefallen sind. Wir haben den guten Willen des Hauses, für das Ostproblem der Bundesrepublik etwas zu tun, wiederholt dokumentiert. Diejenigen, die sich um diese Fragen kümmern und sich um ihre Lösung bemühen, haben sich, wie ich damals an dieser Stelle ausgeführt habe, ebensosehr bemüht, Finanzquellen zu finden, die zur Finanzierung und Lösung dieses Problems herangezogen werden können. Das ist besser, als wenn wir - ich darf das wegen der Worte von Herrn Professor Gülich betonen - ausschließlich den Bundeshaushalt in Anspruch nehmen. Wir wollen ja nichts anderes, als für die Lösung dieses Problems zusätzliche Finanzquellen
in Anspruch zu nehmen und nicht nur den Bundeshaushalt zu belasten. Auch Herr Dr. Dresbach wird, glaube ich, nicht bestreiten können, daß wir, wenn dieses Problem jetzt auf den Bundeshaushalt verschoben wird, bei der Beratung des Bundeshaushalts erneut vor den gleichen Schwierigkeiten wie im vergangenen Jahr stehen werden. Das bitte ich Sie dabei zu bedenken.
Lassen Sie mich zum Abschluß nur noch folgendes sagen. Der Finanzausgleich ist durch dieses Reformwerk verbessert worden. Wir müssen uns aber, wie ich seinerzeit schon ausgeführt habe, auch darüber klar sein, daß dieser Finanzausgleich in gar keinem Verhältnis zu dem Finanzausgleich steht, der unter den früheren staatsrechtlichen Voraussetzungen des Deutschen Reiches stattfand, zu einer Zeit also, als sich der preußische Staat von den West- bis zu den Ostgebieten erstreckte, als also all diese Ostprobleme innerhalb des preußischen Raumes lagen. Im Rahmen dieses preußischen Staates fand über den preußischen Haushalt ein großer Finanzausgleich von West nach Ost statt. Dieser große Finanzausgleich fehlt heute. Er soll wenigstens zum Teil durch dieses Gesetz über den Finanzausgleich zwischen den Ländern ersetzt werden. Durch diesen Antrag wollen wir erreichen, daß man dabei eines der ganz drängenden Probleme, nämlich die besonders schlechte Situation der Gemeinden in den östlichen Gebieten der Bundesrepublik, auch mit berücksichtigt. Wenn wir das hier jetzt nicht tun, werden wir sehen, daß sich dieses Problem über den Bundeshaushalt nicht lösen läßt.
Ich wollte Ihnen noch einmal ausdrücklich vor Augen geführt haben, daß es bei diesem unscheinbar aussehenden Antrag tatsächlich um ein Grundsatzproblem geht, was wir bei der Abstimmung doch gebührend bewerten müssen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann lasse ich abstimmen, und zwar stimmen wir ab - ich sage das, damit sich niemand im Irrtum befindet - über Umdruck 200*) Ziffer 1. Die Änderung in Ziffer 1 setzt voraus, daß zunächst über Ziffer 2 des Umdrucks 200 abgestimmt wird, obwohl die Ziffer 2 erst den § 6 betrifft. Besteht überall Einverständnis?
({0})
Wir stimmen zunächst ab über Umdruck 200 Ziffer 2. Wenn Ziffer 2 angenommen wird, stimmen wir ab über Ziffer 1. Wenn Ziffer 2 abgelehnt wird, wird Ziffer 1 gegenstandslos.
Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 200 Ziffer 2 ist,. den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Nunmehr stimmen wir ab über Umdruck 200 Ziffer 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieselbe Mehrheit; das erste war die Mehrheit; die Änderungsanträge sind angenommen.
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter aufrufe, eine Bemerkung: Ich sehe, daß Frau Louise Schroeder wieder in diesem Saale weilt. Sie ist nach langer Krankheit zu uns zurückgekehrt. Liebe Frau Schroeder, das Haus freut sich, daß Sie wieder an seinen Arbeiten teilnehmen können, und wünscht Ihnen einen guten Fortgang Ihrer Genesung.
({1})
Ich lasse nunmehr über die §§ 5 und 6 in der neuen Fassung abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
*) Siehe Anlage 1.
({2})
§§7,-8,-9,-10,-11,-12,-13,-14,15, - 16, - 17. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist die zweite Beratung der in Punkt 1 zusammengefaßten Vorlagen abgeschlossen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern ({3});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({4}) ({5}).
({6})
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Dr. Lindrath.
Dr. Lindrath ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern nach Drucksache 481 ist von mir im Auftrage des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ein ausführlicher Schriftlicher Bericht *) mit der Drucksache 961 vorgelegt worden. In diesem Bericht sind die einzelnen Beschlüsse des Ausschusses zu den vielen Fragen, die bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs zu erörtern waren und über die Beschluß gefaßt werden mußte, festgehalten. Ich kann es mir daher wohl ersparen, bei diesem mündlichen Bericht auf alle Einzelheiten einzugehen. Mit Ihrem Einverständnis beabsichtige ich, lediglich einige Ergänzungen vorzutragen und dabei insbesondere die
Punkte herauszustellen, bei denen der Ausschuß von der Regierungsvorlage abgewichen ist.
Dieser Gesetzentwurf ist das Kernstück der mit dem gesamten Gesetzgebungswerk vorgelegten Steuerreform. Die Neuregelung des Einkommensteuer- und Lohnsteuertarifs hat den Ausschuß naturgemäß sehr lange und eingehend beschäftigt. In den Ausschußberatungen zu dem Tarif ist eineingehend die Frage der besten Methode der Gestaltung eines Tarifs besprochen worden und zu dem Formeltarif, wie ihn die Regierungsvorlage enthielt, endgültig Stellung genommen worden. Der Ausschuß hat sich der Form nach für den Tarif der Regierungsvorlage entschieden. Er hat jedoch auf Vorschlag des Abgeordneten Neuburger für die unteren Einkommensklassen eine weitere Senkung gegenüber den Vorschlägen der Regierungsvorlage vorgesehen. Hierbei hat er sich davon leiten lassen, daß durch eine weitere Senkung in den unteren Einkommensstufen die prozentuale Senkung gegenüber dem bisherigen Tarif nach der Kleinen Steuerreform diesen Einkommensgruppen in gleicher Weise zugute kommt wie anderen Einkommensgruppen. Er hat sich weiterhin davon leiten lassen, Anträgen, die in großer Zahl an den Ausschuß herangetragen worden waren, durch eine weitere Senkung der Steuer bei den kleineren Einkommensgruppen entgegenzukommen und sie dadurch aufzufangen. Der Tarif wurde vom Ausschuß mit sehr großer Mehrheit ohne Gegenstimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Neben dem Tarif ist besonders bedeutsam die Frage der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten. Das Problem der Haushaltsbesteuerung ist im
*) Siehe Anlage 14.
Ausschuß ebenfalls sehr eingehend erörtert worden. Sehr viele Mitglieder des Ausschusses waren der Auffassung, man möge doch von der Zusammenveranlagung der Ehegatten in der Haushaltsbesteuerung abkommen und zu einem Splitting übergehen. Die haushaltsrechtliche Lage indessen gestattet dies nicht, weil ein solches Splitting nach den Berechnungen 'des Bundesrates und des Bundesfinanzministeriums nochmals etwa 1 bis 1,3 Milliarden DM an Mitteln erfordern würde. Da diese Mittel nicht zur Verfügung standen, wurden auch alle Möglichkeiten, möchte ich sagen, die zwischen der Haushaltsbesteuerung auf der einen Seite und dem Splitting auf der anderen Seite liegen, geprüft. Der .Ausschuß ist dabei zu der Überzeugung gekommen, daß jede Lösung, die zwischen diesen beiden Polen liegt, in irgendeiner Weise zu Ungerechtigkeiten führt. Er hat sich daher nach langen Beratungen und Bemühungen schließlich dazu entschlossen, der Regierungsvorlage zuzustimmen, die die Haushaltsbesteuerung enthält mit der einen Ausnahme, daß Ehegatten, die sich in unselbständiger Arbeit befinden und insgesamt nicht mehr als 9000 DM Einkommen im Jahr haben, getrennt veranlagt werden sollen; dies vornehmlich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung.
Auf dem Gebiete der Freibeträge ist der Ausschuß von der Regierungsvorlage insoweit abgewichen, als er zur Vorsorge für das Alter einen besonderen Altersfreibetrag in Höhe von 720 DM eingeführt hat, der den alten Menschen von über 70 Jahren zugute kommen soll. Er hat hierbei auch die Frage geprüft, ob man unter 70 Jahre heruntergehen könne. Dies verboten jedoch haushaltsrechtliche Gründe.
Auf dem Gebiete der Werbungskosten ist vielleicht die Tatsache bemerkenswert, daß sich der Ausschuß entschlossen hat, die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch zu begünstigen, wenn sie mit einem motorisierten Fahrzeug vorgenommen werden. Bisher war in den Bestimmungen davon die Rede, daß nur notwendige Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich begünstigt werden sollten. Der Begriff des Notwendigen hat in der Praxis zu Schwierigkeiten geführt. Der Ausschuß hat daher dieses Wort „notwendig" gestrichen und ausdrücklich vorgeschlagen, Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auch dann steuerlich zu begünstigen, wenn sie mit einem Kraftfahrzeug oder Motorrad durchgeführt werden.
Die Kleine Steuerreform hatte auf dem Gebiet der Sonderausgaben vorgesehen, daß der Höchstbetrag der Sonderausgaben für den Steuerpflichtigen 1000 DM, für die Ehefrau 500 DM und für jedes steuerlich berücksichtigungsfähige Kind ebenfalls 500 DM betragen sollte. Diese Sätze sollten mit Wirkung vom 1. Januar 1955 in Kraft treten. Der Ausschuß hat sich dafür entschieden, statt 1000 DM für den Steuerpflichtigen einen Höchstbetrag von 800 DM vorzusehen, ihn also um 200 DM zu senken, dafür aber den Sonderausgabenhöchstbetrag für die Ehefrau von 500 DM auf 800 DM zu erhöhen. Die Regierungsvorlage sah vor, daß der Sonderausgabenhöchstbetrag für die Kinder 400 DM , betragen solle. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, statt dessen 500 DM anzusetzen, so daß die Höchstbeträge jetzt vom Ausschuß mit 800 DM für den Pflichtigen, 800 DM für die Ehefrau und 500 DM für jedes Kind vorgeschlagen werden.
Bemerkenswerter aber auf diesem Gebiet ist ein anderer Vorschlag, den Ihnen der Ausschuß macht,
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I nämlich den der Verdoppelung der Höchstbeträge der Sonderausgaben für Gewerbetreibende und Landwirte. Bislang hatten die Gewerbetreibenden und Landwirte nicht die Möglichkeit, den Sonderausgabenhöchstbetrag bei Erreichung einer Lebensaltersgrenze von 50 Jahren zu verdoppeln. Das soll in Zukunft möglich sein, jedoch mit der Einschränkung, daß diese Verdoppelung nur von den Gewerbetreibenden und Landwirten in Anspruch genommen werden kann, deren vermögensteuerpflichtiges Vermögen den Betrag von 20 000 DM nicht übersteigt. Hier ist die Vermögensgrenze von 20 000 DM jedoch so zu verstehen, daß es sich um den vermögensteuerpflichtigen Betrag handelt. Das tatsächliche Vermögen wird also höher sein um die Freibeträge nach dem Vermögensteuergesetz: für den Steuerpflichtigen 10 000 DM, für die Ehefrau 10 000 DM und für die Kinder je 5000 DM. Ein Gewerbetreibender mit zwei Kindern würde demzufolge hier eine Grenze von 50 000 DM haben.
Eine weitere erwähnenswerte Änderung hat der Ausschuß bezüglich der Zuwendungen für staatspolitische Zwecke beschlossen. Diese staatspolitischen Zwecke sollen in der gleichen Weise wie wissenschaftliche Zwecke begünstigt werden. Sie sollen also steuerbegünstigt werden bis zu 5% des Einkommens bzw. 2 vom Tausend des Umsatzes. Diese Bestimmung zielt darauf ab, daß auch Zuwendungen und Spenden an politische Parteien begünstigt sein sollen. Der Ausschuß macht Ihnen den Vorschlag, dieser Änderung zuzustimmen.
Auf dem Gebiete der Förderung des Wohnungsbaus war der § 7 c durch die Kleine Steuerreform mit Wirkung vom 1. Januar 1955 beseitigt worden. Auf Wunsch des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen ist jedoch entgegen der Regierungsvorlage ein neuer § 7 c eingefügt worden. Dieser neue § 7 c unterscheidet sich aber von dem alten § 7 c sehr stark dadurch, daß nicht mehr Zuschüsse, sondern nur noch Darlehen begünstigt werden und daß lediglich außerhalb der Bilanz 25 % des Darlehens steuerbegünstigt vom Einkommen abgesetzt werden können. Bemerkenswert ist, daß auch in Zukunft die Vergünstigung nach dem neuen § 7 c von den Lohnempfängern, also von denjenigen Steuerpflichtigen, die keine Bücher führen oder nicht zum Führen von Büchern verpflichtet sind, in Anspruch genommen werden kann. Es ist also festzustellen, daß diese neue Vergünstigung allen Steuerpflichtigen zusteht.
Eine weitere Änderung auf dem Gebiete des Wohnungswesens, die der Ausschuß vorgenommen hat, sind die erhöhten Absetzungen für Wohngebäude, und zwar dergestalt, daß der Bauherr, wenn er die Abschreibungsmöglichkeiten nicht voll ausgenutzt hat, diese Absetzungsmöglichkeiten auf den Ersterwerber übertragen kann.
In den Ermächtigungsbestimmungen macht der Ausschuß den Versuch, in das Steuerrecht bestimmte Vorgänge neu einzuführen, die die Scheingewinnbesteuerung betreffen. Bei starken Preissteigerungen können nach der Ermächtigung, ,die die Regierung erhalten soll, steuerfreie Rücklagen gebildet werden, in denen diese Preissteigerungen aufgefangen werden können und nicht der Besteuerung zugeführt werden müssen. Auf diese Weise soll die Besteuerung von Scheingewinnen vermieden werden.
Was den § 33 a angeht, der sich mit den Freibeträgen für Vertriebene und Flüchtlinge befaßt, so hat hier der Ausschuß beschlossen, daß diese Vergünstigungen jetzt noch nicht auslaufen sollen, wie es die Regierungsvorlage vorgesehen hat. Die begünstigten Vertriebenen und Flüchtlinge sollen neben der Möglichkeit, die allgemeinen Bestimmungen des § 33 in Anspruch zu nehmen, soweit sie nicht Pauschbeträge absetzen können, von den Vergünstigungen noch im laufenden Kalenderjahr und den zwei folgenden Jahren Gebrauch machen können.
Im Zusammenhang damit muß noch darauf hingewiesen werden, daß hinsichtlich der Vergünstigungen für die heimatvertriebene Wirtschaft die Änderung des § 10 a durch die Regierungsvorlage vom Ausschuß gestrichen worden ist. Die Regierungsvorlage sah vor, daß die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns für Kriegsgeschädigte, für Vertriebene und Flüchtlinge nur bis Ende des Jahres 1955 gelten soll. Diese Begünstigung soll aber bis zum 31. Dezember 1956 bestehenbleiben. Der Ausschuß hat beschlossen, diese Frage später noch einmal aufzugreifen und dies im Plenum auch jetzt schon zum Ausdruck zu bringen. Da bisher nicht genügendes Material vorlag, um die Frage endgültig zu prüfen, soll sie außerhalb dieses Gesetzes später noch einmal angefaßt werden. - Soviel zur Einkommensteuer.
Zur Körperschaftsteuer ist lediglich zu bemerken, daß der gespaltene Körperschaftsteuersatz, wie er von der Regierung mit 45 % für die nichtausgeschütteten Gewinne und mit 30 % für die ausgeschütteten Gewinne vorgeschlagen worden war, vom Ausschuß abgelehnt worden ist, weil man nach Annahme des Neuburger-Tarifs für die Senkung in den unteren Einkommensgruppen eine Deckung suchte und das Mehraufkommen bei Wegfall des gespaltenen Steuersatzes in Höhe von 120 Millionen DM hier in Anspruch nehmen wollte.
Beim Wohnungsbauprämiengesetz sind keine wesentlichen Änderungen vorgenommen worden. Hier ist nur zu bemerken, daß die Sperrfrist von drei Jahren auf fünf Jahre erweitert worden ist.
Eine Bemerkung noch zur Erbschaftsteuer! Die Regierungsvorlage sah bei der Erbschaftsteuer eine nicht unbeträchtliche Erhöhung der Freibeträge vor. Bei diesen Erhöhungen ist es geblieben. Außerdem sah die Regierungsvorlage auch eine Senkung des Tarifs in allen Klassen vor. Der Ausschuß hat jedoch beschlossen, auf ,dem Gebiet der Erbschaftsteuer die Steuersätze wieder einzuführen, die im Jahre 1934 galten. Das bedeutet einen Ausfall an Erbschaftsteuer in Höhe von etwa 30 Millionen DM bei einem Gesamtaufkommen für Erbschaftsteuer im Bund in Höhe von etwa 62 Millionen DM.
Schließlich gestatte ich mir, noch auf einige technische Dinge hinzuweisen. In dem Schriftlichen Bericht*) sind einige kleine Schreibfehler und Druckfehler enthalten, die geändert werden, wenn der Schriftliche Bericht dem Protokoll über diese Sitzung beigegeben wird. Ein materieller Fehler befindet sich aber auf Seite 58 der Drucksache 961. Im Entwurf heißt es dort unter c: „Ziffer 3 erhält die folgende Fassung". Als Beschluß des 19. Ausschusses ist dem gegenübergestellt: „c) entfällt". Das muß gestrichen werden, und 'dafür muß als Beschluß des 19. Ausschusses eingesetzt werden: „Ziffer 3 wird gestrichen".
*) Siehe Anlage 14.
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Abschließend möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Der Ausschuß hat sich naturgemäß auch mit den finanziellen Auswirkungen dieser Steuerreform befaßt. Es erscheint mir zweckmäßig, auch einmal von dieser Stelle aus das Ausmaß der finanziellen Auswirkungen dieser Steuerreform, wie sie im Ausschuß festgestellt worden sind, bekanntzugeben. Die Kleine Steuerreform, die vor anderthalb Jahren durchgeführt worden ist, brachte eine Senkung in Höhe von 1600 Millionen DM mit sich, die durch den Wegfall der Vergünstigungen im Einkommensteuerrecht mit 1000 Millionen DM aufgewogen wurden, so daß der tatsächlich durch die Senkung verursachte Ausfall damals 600 Millionen DM betrug. Die gegenwärtige Steuerreform wird nach den Beschlüssen im Ausschuß folgende Ausfälle mit sich bringen: nach der Regierungsvorlage zunächst für die Einkommensteuer 1600 Millionen DM und für die Körperschaftsteuer 800 Millionen DM. Das sind insgesamt 2400 Millionen DM. Auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses treten weitere Mehrausfälle ein. Die Herabsetzung des Tarifs auf Grund des Vorschlags des Abgeordneten Neuburger bringt Mehrausfälle von rund 500 Millionen DM, der von mir erwähnte Altersfreibetrag wird Mehrausfälle von 40 Millionen DM bringen. Die Sonderausgabenpauschale der Gewerbetreibenden und Landwirte über 50 Jahre und die Erhöhung des Höchstbetrages für Kinder von 400 auf 500 DM wird einen Ausfall von 50 Millionen DM zur Folge haben. Die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen bei Eigenheimen durch Ersterwerber wird voraussichtlich eine Mindereinnahme von 10 Millionen DM und die Ausdehnung des § 7 c zur Wohnungsbauförderung auf die Lohnempfänger wird ebenfalls eine Mindereinnahme von 10 Millionen DM verursachen. Die
Erhöhung der Sonderausgabenpauschale bei Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wird einen Ausfall von 50 Millionen DM mit sich bringen, die Übergangsregelung für Vertriebene und Flüchtlinge nach § 33 a einen Ausfall von 25 Millionen DM und die Bestimmungen über die Begünstigung staatspolitischer Zwecke einen Ausfall in Höhe von 20 Millionen DM. Insgesamt bringen die Beschlüsse des Ausschusses Mehrausfälle in Höhe von rund 705 Millionen DM. Mit den Ausfällen, die die Regierungsvorlage enthielt, zusammen - 2,4 Milliarden DM plus 0,7 Milliarden DM - ergibt sich somit ein Gesamtausfall von 3,1 Milliarden DM.
Diesem Gesamtausfall stehen einige Mehreinnahmen nach dem Antrag des Ausschusses gegenüber: aus dem Wegfall des gespaltenen Körperschaftsteuersatzes 120 Millionen DM und wegen des Wegfalls der steuerbegünstigten Rücklage nach dem Ausfuhrförderungsgesetz 170 Millionen DM. Das sind 290 Millionen DM, die von den 3100 Millionen DM in Abzug gebracht ,werden müssen.
Die Nettosteuersenkung nach der Regierungsvorlage und den Beschlüssen des Ausschusses beträgt somit insgesamt 2810 Millionen DM. Hinzu kommt noch der Ausfall aus der Erbschaftsteuersenkung in Höhe von 30 Millionen DM, so daß sich die finanziellen Auswirkungen dieser Vorlage in der Form, wie sie Ihnen der Ausschuß zur Annahme empfiehlt, auf 2840 Millionen DM belaufen.
Ich möchte das Haus bitten, dem Antrag des Ausschusses, wie er auf Seite 16 der Drucksache 961 niedergelegt ist, die Zustimmung zu geben.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat zunächst der Ausschußvorsitzende Dr. Wellhausen zur Ergänzung des Berichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keine Berichtigung des Berichts vorzunehmen. Im Gegenteil, ich bin mit dem Bericht sehr einverstanden. Aber in der kurzen Zusammenfassung, die der Kollege Lindrath soeben gegeben hat, hat er nicht erwähnt, daß bei der die breite Öffentlichkeit in einem besonderen Maße interessierenden Angelegenheit „Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" die Einzelheiten, vielleicht sogar etwas mehr als die Einzelheiten, erst durch eine Rechtsverordnung geregelt werden sollen. Diese Rechtsverordnung wird einen Pauschbetrag vorsehen. Ich erwähne das, um vielleicht allzu weitgehenden Entschlüssen - sagen wir einmal: Kauf eines Motorrades oder eines Autos morgen früh - ein gewisses hemmendes Moment entgegenzusetzen. Man sollte dazu erst noch die Rechtsverordnung abwarten. Auf Seite 5 des Schriftlichen Berichts steht es richtig. Aber in seinem mündlichen Bericht hat Herr Kollege Lindrath aus Vereinfachungs- und Kürzungsgründen - was ich gut verstehe - diesen Punkt weggelassen. Deswegen habe ich mir erlaubt, ihn hier noch extra zu erwähnen.
Wir treten nunmehr in die Einzelberatung ein. Ich werde die einzelnen Artikel aufrufen und innerhalb der Artikel die arabischen Ziffern.
Zunächst Art. 1 Ziffer 1. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffer der Ausschußvorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2. Ein Änderungsantrag dazu liegt nicht vor. Wer für die Annahme von Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ziffer 3. Hierzu ist ein Änderungsantrag angekündigt. Sie finden ihn auf Umdruck 202*) Ziffer 1. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Frenzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion habe ich den Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 1 zu begründen. In § 3 Ziffer 7 des Einkommensteuergesetzes heißt es:
Geldrenten, Kapitalentschädigungen und Leistungen im Heilverfahren, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug gewährt werden.
In unserem Antrag bitten wir, die Worte „für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug" zu streichen und folgenden Satz anzufügen:
Unberührt bleibt die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen, die aus Wiedergutmachungsgründen
neu gegründet oder wieder. begründet wurden.
Wie oft, meine Damen und Herren, wurde in diesem Hohen Hause bittere Klage darüber geführt,
*) Siehe Anlage 2.
({0})
daß die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Bundesrepublik mehr als schleppend vor sich geht. Erst vor kurzem befaßte sich dieses Hohe Haus mit den unhaltbaren Zuständen, die dem vom Nationalsozialismus geschädigten Personenkreis zugemutet werden. Obwohl der zweite Weltkrieg nun schon fast 10 Jahre vorüber ist, wartet noch immer ein großer Teil der Geschädigten auf die Erfüllung ihres berechtigten Anspruchs auf Wiedergutmachung. Wenn nach vielerlei Urgenzen und nach Überwindung von Schwierigkeiten dem einzelnen doch einmal ein Betrag ausgezahlt wurde, mußte der Betreffende hiervon - das ist in vielen Ländern geschehen - 10 % in Form von Steuern an den Staat zurückzahlen. Nun handelt es sich dabei doch um Nachzahlungen für entgangenes Gehalt und Verdienst, von denen diese 10 % in Gestalt von Steuern abgefordert wurden. Die Nachzahlungen werden aber bereits so gekürzt, daß sie in der Praxis keinerlei Äquivalent für das Entgangene darstellen. Man kann schon deshalb nicht mehr von einer echten Nachzahlung sprechen. weil die Auszahlungen schon der Kürzung nach den bestehenden Richtlinien unterliegen. Aus diesen Gründen betrachten wir die Abzüge als nicht gerechtfertigt. Bedenkt man darüber hinaus, was die Wiedergutmachungsberechtigten durch die schleppende Erledigung ihrer Fälle all die Jahre hindurch an Zinsen verloren haben, die auch dem Staat zugute gekommen sind, dann wird man die Berechtigung unseres Antrags anerkennen müssen. Man muß es als eine asoziale Maßnahme bezeichnen, wenn der Geschädigte, der nach langen Jahren zu seinem Recht kommt und dem seine rechtmäßige Wiedergutmachung ausgezahlt worden ist, noch einmal geschädigt wird, indem diese Beträge besteuert werden, obwohl er schon durch die Zinsverluste schwer getroffen wurde. Wir wollen deshalb mit diesem Antrag erreichen, daß Bezüge, die aus ehemaligen Dienst- und Arbeitsverhältnissen stammen oder die für entgangenen Verdienst gezahlt wurden, schon aus Gerechtigkeitsgründen steuerfrei bleiben. Dasselbe gilt für die Wiedergutmachung nach bestandenen Pensionsverhältnissen, wobei es keine Rolle spielen darf, ob diese aus Wiedergutmachungsgründen neu begründet oder wieder begründet wurden.
Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß derjenige, der durch die Wiedergutmachung wieder im Staat oder einem anderen entsprechenden Dienst eingestellt wurde, seine erhaltenen Beträge nun versteuert. Ebenso werden diejenigen Personen, die sich mit den erhaltenen Beträgen eine neue Existenz in der Form eines Geschäfts oder dergleichen aufbauen, laufend die im Gesetz vorgeschriebenen Steuern entrichten. Meine Fraktion steht aber auf dem Standpunkt, daß alle jene Beträge, die die Geschädigten aus der Wiedergutmachung erhalten, steuerfrei auszuzahlen sind. Wir betrachten es als eine Selbstverständlichkeit, daß die durch den Nationalsozialismus Geschädigten, die, wie wir das an Hunderten von Fällen feststellen können, oftmals schlechter behandelt werden als die Nutznießer jenes Systems, die Steuerfreiheit der geleisteten Wiedergutmachungsbeträge des Staates genießen. Das sollte nicht nur ein Akt des guten Willens dieses Hohen Hauses, sondern auch ein Akt der Gerechtigkeit sein.
Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag Umdruck 202 Ziffer 1 zuzustimmen. Der Antrag sieht vor, in Abschnitt I - Einkommensteuer - Art. 1 unter Nr. 3 einen neuen Buchstaben b anzufügen, nach dem in Ziffer 7 des § 3 des Einkommensteuergesetzes die Worte „für Schaden an Leben, Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug" zu streichen sind, so daß die Ziffer 7 lauten würde:
Geldrenten, Kapitalentschädigungen und Leistungen im Heilverfahren, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden;
Wir beantragen ferner, in dieser Ziffer 7 dann anzufügen:
Unberührt bleibt die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen, die aus Wiedergutmachungsgründen neu begründet oder wieder begründet wurden.
Meine Damen und Herren, aus den kurzen Worten der Begründung werden Sie ersehen haben, daß die Wiedergutmachungsberechtigten ein Recht darauf haben, bei der Steuerermäßigung ebenfalls berücksichtigt zu werden. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der SPD Umdruck 202 Ziffer 1 Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
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Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Antrag dieses Inhalts ist bereits im Finanz- und Steuerausschuß gestellt worden und hat dort nicht die Mehrheit gefunden. Ich darf zu dem Antrag folgendes sagen.
Nach § 3 Ziffer 7 des Einkommensteuergesetzes waren bisher frei Wiedergutmachungsleistungen für Schäden an Leben. Körper, Gesundheit und durch Freiheitsentzug. Wenn der Antrag der SPD jetzt diese Worte streichen will, so will er grundsätzlich alle Wiedergutmachungsleistungen von der Einkommensteuer befreien mit einer Ausnahme, auf die ich gleich zurückkomme, nämlich die laufenden Bezüge aus Dienst- und Pensionsverhältnissen. Das heißt also, es sollen nunmehr insbesondere die Entschädigungen für Existenzschäden steuerfrei sein. das sind Entschädigungen für entgangene Einnahmen.
Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß die bisherigen Entschädigungen sämtlich versteuert worden sind. Es würde also, wenn wir schon vom Prinzip der Gerechtigkeit sprechen, eine neue Zäsur geschaffen werden zwischen den bisher rechtskräftig versteuerten Bezügen dieser Art und dem, was am 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten würde.
Außerdem würde noch eine weitere neue Zäsur geschaffen. Der Antrag der SPD sagt selbst, daß die Steuerpflicht von laufenden Bezügen aus Dienst- und Pensionsverhältnissen unberührt bleiben soll. Das ist meines Erachtens auch ganz klar. 1 Im öffentlichen Dienst z. B. ist die Wiedergutmachung in sehr vielen Fällen überhaupt nicht durch Geldauszahlung erfolgt, sondern dadurch, daß ein Beamter, der in der nationalsozialistischen Zeit aus dem Dienst entlassen war, jetzt, und zwar allgemein in einer höheren Stufe, wiedereingestellt worden ist. Dieser Beamte kann ja nicht von der Lohnsteuer auf seine laufenden Gehaltsbezüge befreit werden.
({0})
Wenn man nun nach dem Antrag der SPD die
Gehaltsbezüge, die aus der Wiedergutmachung kommen, und auch die laufenden Pensionsbezüge besteuern will, dann kann man also nur die Kapitalsumme steuerfrei lassen. Es ist zum Teil aber der reine Zufall, ob insbesondere ein älterer Beamter - das gilt aber auch für Privatpersonen, denn die Wiedergutmachung ist ja in diesen Fällen nach dem Gesetz den Beamtenbezügen, der Beamtenversorgung angeglichen - eine Kapitalabfindung wählt, die hiernach steuerfrei sein soll, oder ob er eine laufende Rente wählt. Also auch wenn der Antrag der SPD angenommen würde, bliebe in der Versteuerung ein Unterschied zwischen laufenden Gehaltsbezügen oder Rentenbezügen einerseits und Kapitalbezügen andererseits.
Weiter darf ich darauf hinweisen, daß die Besteuerung von den Ländern im Einvernehmen mit dem Bund sehr maßvoll gehandhabt worden ist. Man ist übereingekommen, daß nur eine Einkommensteuer von höchstens 10 Vo erhoben wird. Auf die Erhebung des Notopfers Berlin wird verzichtet.
Wenn ich also zusammenfassend darauf hin- weisen darf, daß auch durch den Antrag der SPD das Problem nicht endgültig gelöst wird, sondern notwendigerweise immer eine teilweise Steuerpflicht bleibt, nämlich bei laufenden Bezügen und Renten, und daß andererseits die Besteuerung höchstens 10 Vo beträgt und daß in der Vergangen- heit diese Steuer erhoben worden ist, dann wird es, glaube ich, nicht dem Prinzip der Gerechtigkeit widersprechen, wenn ich hier bitte, an der Entscheidung des Ausschusses festzuhalten, d. h. den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf dem Herrn Staatssekretär kurz erwidern. Der Herr Staatssekretär hat zu erwähnen vergessen, daß dieser Antrag nicht nur bereits im Finanz- und Steuerausschuß gestellt worden ist, sondern daß auch der Bundesrat in seinem seinerzeitigen Entwurf zum Entschädigungsgesetz dasselbe Prinzip verlangt hat,
({0})
einstimmig verlangt hat natürlich, und daß gar kein Zweifel sein kann, daß bei der Initiative zum Bundesentschädigungsgesetz, die wir vom Bundesrat und von anderen Seiten erwarten, die Bestimmung in diesem Sinne durchgeführt werden wird.
Es ist auch nicht richtig, daß alle Fälle bisher versteuert worden sind. In einigen Fällen und in einigen Ländern ist von der Versteuerung abgesehen worden. Wie dem aber auch sei, ich glaube, es ist nie zu früh und nie zu spät, mit einem Un- recht Schluß zu machen.
({1})
Die Unterscheidung, die der Herr Staatssekretär zwischen wiederbegründeten Dienst- und Pensionsverhältnissen und Kapitalabfindungen gemacht hat, machen wir auch, und ich glaube, in klarer und logischer Weise. Wenn die .Wiedergutmachung in der Wiederbegründung eines Dienst- oder eines Pensionsverhältnisses besteht, so ist sie damit abgeschlossen, und dieses Verhältnis unterliegt den normalen Bestimmungen.
({2})
Es ist Sache des Betreffenden, wenn er nach den Entschädigungsgesetzen ein Recht der Wahl hat, zwischen einer solchen Art der Wiedergutmachung und einer anderen, einer Kapitalabfindung oder etwas Derartigem, zu wählen. Dieses Wahlrecht soll ihm nicht beeinträchtigt werden. Die steuerliche Behandlung soll in beiden Fällen klar sein.
({3})
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann kommen wir zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 202 Ziffer 1. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr über Ziffer 3 im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme der Ziffer 3 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffern 3 a, - 3 b, - 4, - 5, - 6, - 7. ({0})
- Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffern bis einschließlich 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 8 liegt ein Änderungsantrag vor. Herr Abgeordneter Neuburger, wollen Sie das Wort ergreifen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Ziffer 8 wird ein Änderungsantrag gestellt. Er liegt Ihnen leider noch nicht vor. Ich bitte daher, die Abstimmung zu Ziffer 8 zurückzustellen.
Das Haus ist einverstanden.
Ziffer 8 a. Wer für die Annahme von Ziffer 8 a ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 8 b ist ein Änderungsantrag, Umdruck 202 Ziffer 2, gestellt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Hauffe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, in Ziffer 8 b hinter dem Wort „Bauherrn" in § 7 c des Einkommensteuergesetzes einzufügen: „oder an ein Organ der staatlichen Wohnungspolitik". Nach der neuen Fassung ist der Art. 7 c des Einkommensteuergesetzes hauptsächlich dazu gedacht, die nachstellige Finanzierung bei Bauvorhaben sicherzustellen oder bei dieser nachstelligen Finanzierung zu helfen. Wenn wir die Annahme der Mittel auf die Bauherren begrenzen, ist es oftmals nicht möglich, eine Hilfe in den Gebieten zu leisten, wo sie dringend notwendig ist, nämlich dort, wo wenig 7 c-Mittel fließen; denn sie sind immer von der wirtschaftlichen Stärke abhängig. Dadurch, daß wir die Organe der staatlichen Wohnungspolitik als Dachorganisationen einschalten, möchten wir einen ausgleichenden Faktor erhalten. Diese Organe können dann ihrer Funktion nach die Mittel dorthin leiten, wo sie oftmals sehr dringend zur Restfinanzierung gebraucht werden. Das ist Sinn und Zweck unseres Antrags. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
1 Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, den Antrag abzulehnen. Es ist bekannt, daß der § 7 c in der Regierungsvorlage überhaupt nicht mehr enthalten war. Unter Zurückstellung erheblicher Bedenken ist eine sehr eingeschränkte Neufassung des § 7 c im Ausschuß angenommen worden, um das unbedingt notwendige Maß an Wohnungsbauförderung auf dem Wege des § 7 c zu erreichen. Wenn nun aber nach dem Antrag der SPD die Vorschrift noch auf die Einschaltung der Organe der staatlichen Wohnungspolitik erweitert wird, dann kommen wir nach und nach wieder zu dem ganzen Umfang früherer Begünstigungen, der gerade durch die weitgehende Tarifsenkung ausgeschaltet werden soll. Der § 7 c in der jetzigen Form soll insbesondere den Bau von Wohnungen von Arbeitgebern unmittelbar für die Arbeitnehmer sichern. Eine Einschaltung von Organen der staatlichen Wohnungsbaupolitik ist in diesem Rahmen keineswegs notwendig. Es ist auch bekannt, daß es in der Vergangenheit nicht unbeträchtliche Mißbräuche im Zusammenhang mit dem § 7 c gegeben hat. Wir wollen auch keinen Anlaß dazu geben, daß in diesem Punkte wieder eine stärkere Überwachung notwendig wird. Ich darf daher bitten, es bei den Beschlüssen des Ausschusses zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hauffe.
Ich möchte bloß dem Herrn Staatssekretär erwidern, daß solche Mißbräuche, wie sie in der Vergangenheit zu verzeichnen waren, einfach nicht mehr möglich sind, schon auf Grund der langen Laufzeit von zehn Jahren. Zum zweiten:
da die 7-c-Mittel jetzt lediglich auf Eigentumsmaßnahmen beschränkt sind. werden die Mittel, die fließen, so gering sein, daß eine Ausweitung in der alten Form menschenunmöglich ist. Warum soll man dort, wo die Organe ihre Aufgaben erfüllen und wirklich einmal ausgleichend wirken können, Beschränkungen auferlegen?! Bedeutung wird die ganze Geschichte gegenüber früher kaum noch haben, sondern man wird nur in Einzelfällen wirksame Hilfe geben können.
Keine weiteren Wortmeldungen?
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 202 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ziffern 8 b, - 9 und 10. ({0})
- Zu Ziffer 10 kommt noch ein Antrag. Also Ziffern 8 b und 9. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nunmehr zurück zu Ziffer 8! Der Umdruck 214 ist jetzt verteilt.
({1})
- Nein? Ist er noch nicht verteilt? Umdruck 214 muß verteilt sein.
({2})
- Herr Abgeordneter Schoettle, ich glaube, daß die Verteilung vor etwa einer Viertelstunde begonnen hat und jetzt durchgeführt sein dürfte.
({3})
- Noch nicht? Dann bitte ich Sie um Entschuldigung. Dann lassen wir Ziffer 8 wieder auf sich beruhen. Wir lassen auch Ziffer 10 auf sich beruhen und gehen zu Ziffer 11. Hierzu ist ein Änderungsantrag angekündigt, Umdruck 210 Ziffer 1, ein Antrag der CDU/CSU, FDP und DP. Wer begründet?
({4})
- Der liegt auch noch nicht vor? Unter diesen Umständen ist es sehr schwer, das Gesetz durchzuberaten.
({5})
- Das ist nur eine Anpassung an die Hurtigkeit, in der das Haus dieses Gesetz berät. - Der Abs. 2 in § 9 a soll gestrichen werden. Das 'Stichwort heißt Haushaltsbesteuerung.
({6})
- Das geht also auch nicht. Gut, dann stellen wir auch das zurück.
Gehen wir zu Ziffer 12! Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 202 unter Ziffer 3 vor. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Antrag Umdruck 202 Ziffer 3 liegt die Tatsache zugrunde, daß die Sperr- und Mißbrauchsbestimmungen, welche für Versicherungs- und für Bausparverträge innerhalb der Sparbegünstigungen des § 10 vorgesehen sind, insofern eine Ungleichmäßigkeit aufweisen, als sie, was Versicherungsverträge anlangt, nur für solche gelten, die gegen Einmalprämien oder erhöhte Einzahlungen beim Vertragsabschluß abgeschlossen worden sind, bei den Bausparverträgen dagegen auch für die normalen Bausparverträge mit lauf enden Beiträgen. Da die Bausparverträge durch die Verlängerung der Sperrfrist, die bisher drei Jahre betrug, auf mindestens fünf Jahre ohnehin schon in ihrer Werbekraft beeinträchtigt sind, hat der Bundesrat die Fassung für diese Mißbrauchsbestimmung bei den Bausparverträgen vorgeschlagen, die wir Ihnen hier nochmals zur Annahme empfehlen. Die Bundesregierung hat diese Fassung, ich darf wohl sagen, ohne Angabe von Gründen, abgelehnt. Auch die Ausschußberatungen haben uns nicht überzeugen können, daß es nicht richtiger wäre, hier der Auffassung des Bundesrats zu folgen. Wir bitten Sie deswegen, diesen Antrag anzunehmen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Seuffert hat beanstandet, daß die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrats ohne eingehendere Begründung abgelehnt hat. Ich bitte, mir daher zu erlauben, jetzt etwas eingehender über diesen Punkt zu sprechen.
In der Antragsbegründung ist darauf hingewiesen worden, daß bei den Lebensversicherungen
({0})
Beschränkungen nur hinsichtlich der Einmalprämie bestehen und daß im übrigen die bisher bestehenden Beschränkungen gegen Mißbräuche bei Lebensversicherungen nicht wieder aufgenommen worden sind. Es liegt nun aber sachlich ein erheblicher Unterschied vor, denn die Versicherungsgesellschaften haben sich bereit erklärt, geschäftsplanmäßig festzulegen, daß normale Versicherungsverträge, d. h. solche, die nicht gegen einen Einmalbeitrag, sondern gegen laufende Beiträge abgeschlossen werden, eine Versicherungsdauer von mindestens fünf Jahren haben müssen. Die Regelung, die also im Gesetz vermißt wird, ist durch die Vereinbarungen mit den Lebensversicherungsgesellschaften getroffen worden, die - ich darf das wiederholen - bereit sind, eine geschäftsplanmäßige Festlegung vorzunehmen.
Hinzu kommt, daß bei einer solchen Festlegung auf fünf Jahre eine Spekulation der Versicherten auf vorzeitige Rückzahlung faktisch wohl gar nicht in Betracht kommen kann, denn der Rückkaufswert einer Versicherung ist in den ersten Jahren der Laufzeit verhältnismäßig gering, weil in diesen ersten Jahren die eingezahlten Beiträge in erster Linie zum Ausgleich des Versicherungsrisikos verrechnet werden. Hier liegt also ein erheblicher Unterschied gegenüber den Bausparkassen vor, mit denen wir über die gleiche Regelung gesprochen hatten. Die Bausparkassen haben es aber abgelehnt, geschäftsplanmäßig eine solche Zusicherung zu geben. Vielleicht sind sie auch nach der Eigenart ihres Geschäftes dazu schwerer in der Lage; ich glaube, das ist zuzugeben. Aber eben daraus ergibt sich dann, daß es bei den Bausparkassen sehr viel leichter ist - und vielleicht auch in der Berechnung mancher, die einen Bausparvertrag abschließen, liegt -, vor dem Ablauf von fünf Jahren aus den vertraglichen Verpflichtungen wieder auszusteigen. Aus diesen Gründen darf ich bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache sieht vielleicht unbedeutend aus, aber die große Bedeutung, die die Bausparkassen der Angelegenheit beilegen, ersehen Sie aus den vielen Zuschriften, mit denen sie sich Mühe gegeben haben, die Aufmerksamkeit des Hauses in dieser Frage zu finden.
Ich muß dem Herrn Staatssekretär ganz kurz folgendes erwidern. Der Herr Staatssekretär hat selber schon seine Zweifel angedeutet, ob der Natur des Bausparvertrags nach eine derartige geschäftsplanmäßige Festlegung, wie sie bei den Versicherungsverträgen ohne weiteres möglich sein mag, überhaupt durchführbar ist. Worauf die Bausparkassen aber hinweisen, ist, daß in ihren allgemeinen Bausparbedingungen ohnehin die Klausel enthalten sei, daß im Falle eines vorzeitigen Endes eines solchen Bausparvertrags die Auszahlung nur in Rentenform innerhalb von Jahren erfolgen kann. Sie haben also hier eine wirksame Sperrbestimmung gegen Mißbrauch, wie man sie sich nicht schöner wünschen könnte. Ich glaube, daß diese Klausel der Allgemeinen Bausparbedingungen durchaus das ersetzt, was die Versicherungsgesellschaften geschäftsplanmäßig angeboten haben. Deswegen sollte man der Bundesratsfassung, die auf einer eingehenden sachlichen Prüfung beruht, den Vorzug geben.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt der Änderungsantrag auf Umdruck 209*). Wer begründet ihn? - Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Lindrath hat vorhin in seiner Begründung schon darauf hingewiesen, daß bisher nur diejenigen Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus selbständiger oder aus nichtselbständiger Arbeit gehabt haben, wenn sie 50 Jahre alt waren, berechtigt waren, die Sonderausgaben zu verdoppeln. Wir haben uns im Finanzausschuß sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt und eine Änderung in der Weise vorgenommen, daß jetzt auch Gewerbetreibende und Landwirte von dieser Vergünstigung Gebrauch machen können, allerdings mit der Maßgabe, daß das steuerpflichtige Vermögen 20 000 DM nicht übersteigen darf.
Bei richtiger Überlegung muß man aber sagen, daß dieser Vorschlag nicht weit genug geht. Denn viele Gewerbetreibende und Landwirte, die ein steuerpflichtiges Vermögen von unter 20 000 DM haben, sind gar nicht in der Lage, für ihre Altersversorgung die großen Beträge von 3200 oder 4200 DM aufzuwenden. Deswegen bitten wir, unserem Änderungsantrag zuzustimmen, der diese Vergünstigung den Steuerpflichtigen geben will, die ein steuerpflichtiges Einkommen von 50 000 DM haben. Sie werden zugeben müssen, daß dieser Antrag berechtigt ist; ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Antrag in dieser Form nicht anzunehmen. Es ist richtig, daß wir hier im Interesse der Altersversorgung in der gewerblichen Wirtschaft erstmalig die Erhöhung der Sonderausgaben auch auf Einkünfte aus gewerblicher Wirtschaft ausgedehnt haben, soweit die Steuerpflichtigen das 50. Lebensjahr überschritten haben. Wir haben dann nach längeren Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß für diese zusätzliche Erweiterung als obere Grenze ein steuerpflichtiges Vermögen von 20 000 DM festgesetzt.
Eine erneute Erörterung dieses Problems hat uns Veranlassung gegeben, zu erkennen, daß wir mit diesen 20 000 DM eine zu niedrige Grenze gesetzt haben.
({0}) Siehe Anlage 4.
({1})
Hohen Hause vorschlagen, den in der Ausschußvorlage genannten Betrag von 20 000 DM nunmehr auf 40 000 DM zu erhöhen. Meine Bitte an das Hohe Haus geht also dahin, den von Ihnen, Herr Eickhoff, gestellten Antrag abzulehnen, dafür aber den nun von mir gestellten Änderungsantrag - Erhöhung von 20 000 auf 40 000 DM anzunehmen.
Herr Abgeordneter Neuburger, Sie wollen also einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag stellen?
({0})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Neuburger anschließen. Der Ausschuß schlägt vor, in Abweichung von der bisherigen Übung nicht nur den Unselbständigen und den Selbständigen die Verdoppelung ihrer Versorgung zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Gewerbetreibenden einzubeziehen. Man muß doch aber auf das Vermögen als die Fundierung ihrer Arbeit abstellen und nicht auf das Einkommen. Ich darf auch darauf hinweisen, daß eine Grenze von 20 000 DM steuerpflichtigen Vermögens mit Rücksicht auf die hohen Freibeträge bei der Vermögensteuer für ein Ehepaar mit zwei Kindern eine wirkliche Vermögensgrenze von 50 000 DM bedeutet. Der Vorschlag des Herrn Abgeordneten Neuburger einer Erhöhung von 20 000 DM auf 40 000 DM bedeutet in Wirklichkeit ein steuerbares Vermögen - Sie wissen, wie gering die Einheitswerte sind - von 70 000 DM; das ist ein echtes gewerbliches Vermögen von wahrscheinlich über 100 000 DM. Ich glaube, daß mit dem Antrag des Herrn Abgeordneten Neuburger - Erhöhung des steuerpflichtigen Vermögens von 20 000 auf 40 000 DM - wirklich alles erreicht wird, was der gewerbliche Mittelstand aus einer solchen Regelung erwarten kann. Ich würde bitten, den Antrag Eickhoff abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch für meine Freunde stimme ich dem Antrag Neuburger zu. Aber in Vorahnung des noch Kommenden möchte ich die Gelegenheit benützen - die ich schon beim §7 c hätte ergreifen sollen -, Sie davor zu warnen, in der Erweiterung von Steuerbegünstigungen fortzufahren.
({0})
Wenn ich mich recht entsinne, hat der Herr Bundesfinanzminister mit der Zustimmung des ganzen Hauses, also, wie ich betone, auch mit meiner Zustimmung, hier ausgeführt, er halte es für das Gebot der Stunde, von der organisch und auch in anderer Beziehung durchaus nicht richtigen Begünstigung von Einzeltatbeständen abzusehen und damit Schluß zu machen.
({1})
Meine Damen und Herren, das ist ein Grundsatz, an dem wir so einschränkungslos wie möglich festhalten sollten. Sonst verlassen wir die ganze Linie, auf der die Steuerreform beruht.
({2})
Es ist mehr ein Zufall, daß ich diese Ausführungen in einem Zusammenhang mache, in dem ich
mich für den Antrag Neuburger ausspreche. Ich habe mich bereits an die eigene Nase gefaßt und gedacht, wir hätten diesen Geistesblitz, den Sie, Herr Neuburger, jetzt geboren haben, vielleicht auch schon im Finanzausschuß haben können. Aber ich bin doch der Meinung, meine Damen und Herren: wir sollten vorsichtig sein mit einer Ausweitung der Begünstigungen. Ich hoffe sehr - das soll keine Drohung sein; zu der bin ich nicht berechtigt, auch nicht als Vorsitzender eines Ausschusses; das liegt mir auch gänzlich fern -, daß ich im Verlauf der Beratungen nicht Gelegenheit nehmen muß, diesen Grundsatz hier noch einmal sehr deutlich auseinanderzusetzen.
({3})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst stimmen wir ab über den Änderungsantrag Neuburger zum Änderungsantrag Eickhoff, d. h. wir stimmen darüber ab, ob auf Umdruck 209 in der dritten Zeile von unten die Zahl 50 000 - Neuburger ({0}): Das ist ein anderer Antrag! Der Antrag Eickhoff stellt auf das Einkommen ab und nicht auf das steuerpflichtige Vermögen. Das ist ein wesentlicher Unterschied!
Dann müssen wir zunächst abstimmen über den Antrag Eickhoff, weil es der weitergehende Antrag ist.
({0})
Es tut mir leid, daß ich Sie falsch verstanden hatte. Wir stimmen also zunächst ab über den Antrag Umdruck 209. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Minderheit. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag Neuburger ab, in der Ausschußfassung statt der Zahl 20 000 die Zahl 40 000 einzusetzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
Dann stimmen wir ab über Ziffer 12 in der nunmehr abgeänderten Fassung.
({1})
- Bitte schön, tun Sie das.
Wir haben in der Ausschußfassung - Drucksache 961 Seite 28 - stehen:
7. Beiträge nach Maßgabe des § 1 Ziff. 3 des Gesetzes über die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung von Kindergeld vom 12. August 1954 ({0}).
Sie wissen, daß in der Zwischenzeit das neue Kindergeldgesetz vom 13. November 1954, das dieses Hohe Haus beschlossen hat, in Kraft getreten ist. Wir müssen also diese Bestimmung auswechseln und durch folgende ersetzen:
7. Beiträge auf Grund der Vorschriften des Kindergeldgesetzes vom 13. November 1954 ({1}).
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen.
Ich danke schön.
Dann möchte ich gleichfalls im Interesse einer redaktionellen Richtigstellung bitten, hinter der Ziffer 12 eine Ziffer 12 a einzufügen, die lautet:
In § 10 Abs. 2
- nunmehr Abs. 3 -
Ziffer 3 werden in Buchstabe c die Worte „im Sinn des Absatzes 1 Ziffer 2" ersetzt durch die Worte: „im Sinn des Absatzes 1 Ziffern 2 bis 4".
Die Änderung hat, wie ich bereits betonte, nur redaktionelle Bedeutung. Die bisher in Abs. 1 Ziffer 2 des § 10 des Einkommensteuergesetzes bezeichneten Sonderausgaben sind im Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung von Steuern aufgeteilt worden und jetzt in den Ziffern 2 bis 4 enthalten. Deswegen ist diese redaktionelle Änderung nötig. Ich übergebe auch diesen Antrag.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Dann lasse ich zunächst über Ziffer 12 und dann über den Antrag, eine Ziffer 12 a einzufügen, abstimmen. Wer für Ziffer 12 in der nunmehrigen Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Wer für die Einfügung der soeben beantragten Ziffer 12 a ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Nun, meine Damen und Herren, wollen wir zu Ziffer 8 zurückblättern. Ich erlaube mir, zunächst bekanntzugeben, welche Umdrucke verteilt sind: 199, 200, 203, 204, 207, 209, 205, 202, 208, 211, 213,
3) 214, 215.
Zu Ziffer 8 liegt der Antrag Umdruck 214*) vor. Wird er begründet, Herr Abgeordneter Neuburger?
({0})
- Durch den Abgeordneten Struve. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion und auch der Koalitionsparteien darf ich kurz darauf verweisen, daß wir eine Ergänzung in dem Abschnitt I zu Art. 1 wünschen, und war finden Sie unseren Antrag auf Umdruck 214. Zur Begründung darf ich kurz folgendes sagen.
Nach dem 'augenblicklichen Stand und den Einkommensteuerrichtlinien, so wie sie in Abschnitt 35 gegeben sind, gilt die degressive Abschreibung nur für unbewegliche Wirtschaftsgüter und Betriebseinrichtungen, die eine Nutzungsdauer von mehr als zehn Jahren haben. Durch diese Vorschriften ist der Rationalisierungsprozeß und die Verwirklichung der vor allen Dingen auch an die deutsche Landwirtschaft gestellten Forderung, in der Technik möglichst schnell voranzuschreiten, ungemein gehemmt, um nicht zu sagen: gehindert. Wir haben auf diese Art und Weise und durch die seitherige lineare Abschreibung nur die Möglichkeit, die ungewöhnlich teuren Maschinen mit gleichen Beträgen in zehn Jahren und länger abzuschreiben. Dagegen stellen wir bei allen modernen Bestellungs- und vor allen Dingen bei den modernen Erntemaschinen im Augenblick fest - Sie finden das immer wieder begründet; das geht auch
*) Siehe Anlage 6.
aus den Berichten der DLG-Ausstellung hervor -, daß die Einrichtungen, die in diesem Jahre zeitgemäß und modern sind, in zwei Jahren schon wieder überholt sind. Sie stehen dann aber bei den buchführenden Landwirten noch mit sechs, sieben und acht Zehnteln des Wertes zu Buch. Auf diese Weise löst die verstärkte Technisierung zwangsläufig eine verstärkte Verschuldung und Illiquidität aus. Das ist also ein wirtschaftlicher Widerspruch in sich.
Ich glaube, aus diesen kurzen Darlegungen wird ersichtlich, daß es im Interesse einmal der notwendigen Technisierung, zum andern aber auch der Verbilligung, die bei der Produktion erreicht werden soll, dringend notwendig erscheint, diesem besonderen Anliegen bei dieser Gelegenheit Rechnung zu tragen. Ich darf darauf verweisen, daß sich die deutsche Landwirtschaft seit Jahren bemüht, die degressive Abschreibung auch auf Wirtschaftsgüter auszudehnen, die eine Nutzungsdauer von weniger als zehn Jahren haben. Es ist auch so, daß in einzelnen Oberfinanzdirektionen unserer Länder durchaus Wohlwollen gezeigt wird. Aber wir haben auf diese Art und Weise in unseren Bundesländern eine völlig verschiedene Rechtslage und vor allen Dingen, weil der Bereich des Ermessens eine große Rolle spielt, eine ungemein schwierige Handhabe für diejenigen Oberfinanzverwaltungen, die an sich diesen Dingen aus rein wirtschaftlichen Überlegungen durchaus wohlwollend gegenüberstehen.
Ich darf deshalb das Hohe Haus bitten, dem von der Regierungskoalition eingebrachten Antrag, aufgezeichnet auf Umdruck 214, die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesfinanzministerium ist über diesen Antrag überrascht, wegen dessen Inhalts mit ihm überhaupt keine Fühlung genommen worden ist. Ich darf auf das Bezug nehmen, was eben der Vorsitzende des Finanz- und Steuerausschusses, Herr Dr. Wellhausen, dankenswerterweise gesagt hat, als er bat, sich in der jetzigen Beratung auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken, was zu zusätzlichen Steuerausfällen führt, und auch wünschenswerte Dinge im Interesse des Zustandekommens der Steuerreform zurückzustellen.
Nach diesem Antrag soll eine degressive Abschreibung für Gebäude zulässig sein. Für Gebäude ist sie bisher noch nie zugelassen worden. Wenn wir sie zulassen würden, könnten wir uns den ganzen § 7 b überhaupt ersparen. Ich weiß nicht, ob die Herren Antragsteller das im Auge gehabt haben. Der Ausfall allein bei den Gebäuden würde auf über 600 Millionen DM kommen. Was die beweglichen Güter mit einer Lebensdauer unter zehn Jahren betrifft, so würde der Ausfall weitere 500 Millionen DM betragen.
Im übrigen ist es finanzpolitisch ganz unmöglich, hier einen Hundertsatz nach Wahl des Steuerpflichtigen zuzulassen. Die Höhe der Abschreibungen kann nicht dem diskretionären Ermessen der Steuerpflichtigen überlassen bleiben, wenn wir überhaupt einigermaßen Ordnung in dem Finanzgebaren, in der Besteuerung beibehalten wollen. Es war im Finanzausschuß vereinbart worden, daß
({0})
die Frage der degressiven Abschreibung durch Richtlinien der Verwaltung geregelt werden sollte. Außerdem sollte die Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden. Die degressive Abschreibung ist in den letzten Jahren bereits in weitem Umfang eingeführt worden. Sie hat zu erheblichen Verbesserungen für die Steuerpflichtigen geführt, und sie hat auch bereits zu entsprechenden erheblichen Ausfällen geführt, die ja durch die Tarifsenkung gar nicht berührt werden. Das geht alles im Verwaltungswege nebenbei.
Ich muß sagen, daß das Zustandekommen der Steuerreform auf das ernsteste gefährdet sein würde, wenn dieser Antrag angenommen würde.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat davon gesprochen, daß dieser Antrag überraschend kommt. Ich möchte dazu feststellen, daß die deutsche Landwirtschaft seit drei Jahren mit dem Herrn Bundesfinanzminister sich über diese Dinge unterhält und Vorschläge macht. Seit drei Jahren wird uns aber auch erzählt, daß ein Prozeß schwebt, und man möge den Ausgang dieses Prozesses abwarten.
Es heißt dann weiter, die degressive Abschreibung sei heute ja schon weitestgehend möglich. Wenn dem so wäre, woher sollten dann die Millionen-Ausfälle kommen?
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß die deutsche Landwirtschaft z. B. im Jahr Maschinen im Gesamtwerte von rund 1 Milliarde DM an- schafft. Wie sollen sich nun Abschreibungen die sich nicht der Masse nach, sondern nur im Tempo etwas schneller vollziehen lassen, Hunderte von Millionen ausmachen?
Ich möchte dem Herrn Staatssekretär sagen: Wenn man in der Vergangenheit vom Bundesfinanzministerium aus bemüht gewesen wäre - zusammen mit den uns manchmal sehr wohlgesonnenen Oberfinanzdirektionen -, die von Ihnen angedeuteten Richtlinien zu erlassen, dann wäre wahrscheinlich das Hohe Haus nicht gezwungen gewesen, jetzt endlich in das Gesetz etwas hineinzubringen, was auch unserem Herrn Bundesfinanzminister Veranlassung gibt, den notwendigen Erfordernissen der Praxis folgend zu handeln. Denn darüber kann es keinen Zweifel geben: Die Ansprüche, die gerade in Richtung Technisierung an die Wirtschaft draußen gestellt werden, wachsen ständig, und der Trend zur Technisierung und damit zur Rationalisierung ist unaufhaltbar.
Ich darf doch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß es uns schlechterdings gerade auch wegen der ungeheuren Entwicklungsmöglichkeit in der gewerblichen Wirtschaft überhaupt nicht mehr möglich ist, Menschen auf dem Lande zu halten. Wenn wir jetzt aber, Herr Staatssekretär - was nicht schwer zu beweisen ist -, die Technisierung hinterher auch noch mit einer um etwa 30 bis 40% erhöhten Einkommensteuer bezahlen sollen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die durch die Technisierung entstehenden Schulden in der Landwirtschaft allein im Bundesgebiet jährlich um 500, 600 oder 700 Millionen DM zunehmen und jetzt schon die Grenze von 1939 überschritten haben. Das sind eben die Folgen einer falschen
Steuerpolitik, und ich bin der Meinung, daß wir hier wirtschaftliche Notwendigkeiten und steuerliche Vernunft einander anpassen müssen. Deshalb darf ich das Hohe Haus bitten, dem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Angelegenheit eine so große Bedeutung hat, wie Herr Abgeordneter Struve eben dargelegt hat, dann muß ich mich doch sehr darüber wundern, daß sie in dem zuständigen Ausschuß überhaupt nicht in dieser Weise erörtert worden ist, sondern hier unversehens mit einem solchen Nachdruck in die zweite Lesung hereinkommt.
({0})
Was die Sache selbst betrifft, so weiß ich nicht, ob nicht die Landwirtschaft bei dem Ausmaß ihres Steuerbeitrags einen relativ nur geringen Vorteil von dieser Sache haben würde. Der große Ausfall wird ja wohl bei der Industrie entstehen.
Im übrigen ist es nach den jetzigen Richtlinien schon so, daß bei beweglichen Gütern, die eine Lebensdauer von über zehn Jahren haben, in drei Jahren die Hälfte abgeschrieben werden kann. Ich glaube, daß das eine außerordentlich weitgehende Abschreibungsmöglichkeit ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verwunderung des Herrn Staatssekretärs, daß diese Dinge nicht im Ausschuß beraten worden sind, teile ich vollständig. Seine Vorstellung ist aber nicht ganz richtig. Über den Grundsatz der degressiven Abschreibung, Herr Staatssekretär, ist vielmehr im Ausschuß mehrfach und durchaus zustimmend gesprochen worden. Wir haben uns im Ausschuß auch darüber unterhalten, ob es nötig oder zweckmäßig sei, den Grundsatz der degressiven Abschreibung, der jetzt schon in einem sehr großen Umfange verwirklicht ist, im Gesetz zu verankern. Wir waren, wenn ich mich recht entsinne, einstimmig der Meinung, daß das nicht nötig oder zweckmäßig sei.
Dabei spielte auch eine Rolle - entschuldigen Sie, Herr Präsident, wenn ich ein wenig auf die Berichterstattung zurückkomme -, daß zur Zeit ein Prozeß bei dem Bundesfinanzhof schwebt, in dem diese grundsätzliche Frage geklärt wird. Sollte die Entscheidung des Bundesfinanzhofs anders als erwartet ausfallen - das ist bei Gerichtsentscheidungen natürlich durchaus möglich, um nicht zu sagen üblich -, dann stehen wir unter Umständen vor der Notwendigkeit, die Dinge gesetzlich zu verankern.
Daß die Sache aber jetzt mit der besonderen Frontstellung der Landwirtschaft hier vorgebracht wird, ist in der Tat eine Überraschung. Eine noch größere Überraschung war es für mich, meinen eigenen Namen unter diesem Änderungsantrag zu finden.
({0})
- Ja, meine verehrten Damen und Herren, bei dem Tempo, das wir seit Mitternacht vorgelegt haben, kann so etwas einmal passieren.
({1})
Ich möchte Ihnen also empfehlen, die Ausnahme nicht zuzugestehen, sondern der Entwicklung zuzuschauen und dann eventuell den Grundsatz der degressiven Abschreibung zu verwirklichen und im Gesetz zu verankern. Ich würde es an sich natürlich für besser halten, wenn das auf dem kalten Wege - um mich sehr deutlich auszudrücken -, über die Richtlinien usw. geschehen könnte.
In gewissem Sinne gebe ich Herrn Staatssekretär Hartmann recht: Ich hätte nicht gedacht, daß ich so schnell einen Anwendungsfall des von Ihnen vorhin gebilligten Grundsatzes, den ich hier vorgetragen habe, vorbringen müßte.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fühle mich verpflichtet, zu § 7 ebenfalls einige Rechtsausführungen zu machen. Es ist so, wie Herr Dr. Wellhausen erklärt hat, daß wir uns im Ausschuß sehr eingehend und sehr lange über den Inhalt und damit auch über unser Vorgehen in bezug auf den § 7 ausgesprochen haben. Nach unserer Auffassung beinhaltet die heutige Fassung des § 7 bereits die degressive Abschreibung.
({0})
- Augenblick! - Diesem Standpunkte hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen; denn sie hat, beginnend vor anderthalb bzw. zwei Jahren, in ihre Richtlinien die Bestimmung aufgenommen, daß die Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens, soweit sie eine normale Lebensdauer von 10 Jahren und länger haben, degressiv abgeschrieben werden können. So in den Einkommensteuer-Richtlinien für 1952, 1953 und 1954. Diese Verwaltungsanordnung kann rechtlich nur dann Gültigkeit haben, wenn schon das Gesetz selbst in der jetzigen Fassung die Möglichkeit der degressiven Abschreibung vorsieht. Käme der Bundesfinanzhof in seinem Urteil zu dem Ergebnis, daß § 7 in seiner jetzigen Fassung nur die lineare Abschreibung kennt, dann würde die Rechtsgrundlage für diese Verwaltungsrichtlinien wegfallen. Damit würde praktisch den Veranlagungen der letzten zwei, drei Jahre und der degressiven Abschreibung in der gewerblichen Wirtschaft der Rechtsboden entzogen werden, und wir müßten dann das Gesetz so machen, wie es jetzt in diesem Antrag verlangt wird, nämlich - und insoweit möchte ich die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs etwas berichtigen - sagen: nach Wahl des Steuerpflichtigen. Die Worte „nach Wahl des Steuerpflichtigen" beziehen sich natürlich nicht auf den Hundertsatz, sondern diese Worte können sich nur auf den Abschreibungsmodus beziehen, also darauf, ob lineare oder degressive Abschreibung. Wenn wir also bei der Rechtsauffassung bleiben, daß der § 7 heute schon die degressive Abschreibung beinhaltet - eine Auffassung, die im Finanz- und Steuerausschuß einheitlich vertreten wurde und die auch von mir seit Jahr und Tag vertreten wird -, dann erweitern wir eigentlich mit dem Antrag nichts, wir schaffen kein neues Recht, sondern deklarieren nur nochmals ein bereits bestehendes Recht. Würde der Bundesfinanzhof zu einem anderen Urteil kommen, dann müßten wir, wie gesagt, für die Zukunft einen entsprechenden Passus einfügen, allerdings vielleicht nicht so weitgehend, wie es dieser Antrag jetzt vorsieht.
Ich habe gestern in der Fraktion darauf hingewiesen, daß der Antrag mit Rücksicht auf diese generelle Ausdehnung natürlich eine sehr, sehr große Bedeutung hat. Ich habe jetzt mit Herrn Struve gesprochen, der den Antrag eingebracht und begründet hat. Er ist damit einverstanden, daß der Antrag dahingehend geändert wird, daß von der degressiven Abschreibung das unbewegliche Anlagevermögen ausgenommen wird.
({1})
Nun möchte ich bitten, eine verantwortliche Entscheidung zu treffen. Wenn wir den Standpunkt vertreten, § 7 beinhaltet bereits die degressive Abschreibung - und die Richtlinien des Bundesfinanzministers haben diese degressive Abschreibung für Güter des beweglichen Anlagevermögens für 10 Jahre und länger bereits anerkannt -, dann, glaube ich, können wir es verantworten, den Antrag in der Form anzunehmen, daß wir für das unbewegliche Anlagevermögen die degressive Abschreibung ausnehmen.
Herr Abgeordneter Neuburger, würden Sie den Antrag dann formulieren?!
„Ausgenommen hiervon bleibt das unbewegliche Anlagevermögen".
„Hiervon bleibt ausgenommen das unbewegliche Anlagevermögen".
({0})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht erleichtert es die Beurteilung der Lage, wenn ich darauf hinweise, daß der Bundesfinanzhof die Zulässigkeit der degressiven Abschreibung auf Grund des § 7 bereits anerkannt hat. Aus diesem Grunde ist also eine Klarstellung nicht erforderlich. Ich würde doch empfehlen, diesen Antrag zurückzustellen und die demnächst ergehenden Richtlinien abzuwarten. In der nächsten Woche, Herr Abgeordneter Struve, soll eine Besprechung mit den Sachverständigen der Landwirtschaft und mit den Länderfinanzministern stattfinden, eine Besprechung, die wir nur wegen der Arbeiten an der Steuerreform verschieben mußten. Ich glaube, Sie werden mit dem, was in den Richtlinien stehen wird, zufrieden sein.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um nicht in einem so frühen Zeitpunkt - wir stehen nämlich erst am Anfang und haben noch viel vor uns - bereits die Streitaxt auszugraben, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, Herr Präsident, daß wir - was nach der Geschäftsordnung, glaube ich, zulässig ist - diesen Antrag bis zu dritten Beratung an den Ausschuß zurückverweisen. Dann können wir uns am Donnerstag im Finanz- und Steuerausschuß mit etwas mehr Zeit, als uns heute nur zur Verfügung steht, nochmals über die Dinge unterhalten. Ich stelle diesen formellen Antrag.
Es ist wohl das beste, wir stimmen zunächst über diesen Antrag ab; bevor ich das Wort zur Sache weitergebe. Das Haus ist einverstanden mit dieser Reihenfolge der Abstimmung? - Das ist der Fall. Wer für die Zurückverweisung an den Ausschuß bis zur dritten Lesung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die übergroße Mehrheit; es ist so beschlossen. Ziffer 8 ist zur Weiterberatung an den Ausschuß zurückverwiesen.
Nunmehr Ziffer 10. Hierzu ist ein Änderungsantrag auf Umdruck 222*) eingereicht. Herr Dr. Miessner, wollen Sie ihn begründen?
({0})
- Das Wort hat Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist jetzt in der Ausschußfassung vorgesehen, daß durch Rechtsverordnung ein Pauschbetrag für die Benutzung eines Kraftwagens, eines Motorrads oder eines Fahrrads mit Motor festzusetzen ist. Es ist zweifellos sehr erfreulich, daß damit hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung des Berufsweges zu der Arbeitsstätte der Gleichklang zwischen den unselbständigen mid den selbständigen Steuerpflichtigen hergestellt worden ist. Das war ja bei den Beratungen über die Steuerreform überhaupt ein wesentliches allgemeines Anliegen.
Leider ist nun der Ausschuß in der Anerkennung der Aufwendungen für den Weg zur Arbeitsstätte gewissermaßen auf halbem Wege stehengeblieben; denn im letzten Halbsatz zu § 9 Ziffer 4 heißt es auf Seite 25 der Drucksache 961:
Absetzungen für Abnutzung können außer Betracht bleiben.
Das ist natürlich bei der Berechnung der Unkosten, die hierfür anzusetzen sind, eine wesentliche Inkonsequenz. Daher haben sich eine Reihe von Abgeordneten entschlossen, diese Inkonsequenz zu beseitigen, und schlagen Ihnen vor, die Absetzung für Abnutzung auch bei den Lohnsteuerzahlern einzubeziehen und dementsprechend folgende Fassung an die Stelle der genannten zu setzen:
Absetzungen für Abnutzung sind dabei zu berücksichtigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie diesen Antrag annehmen, der von Vertretern sämtlicher Parteien hier im Hause unterzeichnet ist, dann hätten wir die Genugtuung, daß in diesem Punkte wirklich Gerechtigkeit zwischen Lohnsteuerpflichtigen und Einkommensteuerzahlern hergestellt ist. Ich bitte daher um Annahme.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag abzulehnen. Die Angelegenheit ist im Finanz- und Steuerausschuß ausführlich besprochen worden. Es handelt sich hier, wie Herr Abgeordneter Dr. Miessner schon erwähnt hat, hauptsächlich um die Unselbständigen. Aber diese Unselbständigen, die sich aus privatem
*) Siehe Anlage 12.
Einkommen ein Kraftfahrzeug kaufen, insbesondere also Motorräder und Motorroller, machen doch praktisch überhaupt keine Absetzungen für Abnutzung und sind gar nicht gewohnt, in diesem kaufmännischen Rahmen zu denken. Im übrigen sollen die Pauschsätze, die im Ausschuß schon erörtert worden sind, durch die Rechtsverordnung so gestaltet werden, daß eine zweimalige Fahrt am Tage, also morgens von der Wohnung zur Arbeitsstätte und nachmittags oder abends von der Arbeitsstätte zur Wohnung, dadurch abgegolten wird.
Der Wagen oder das Motorrad werden natürlich auch sonst benutzt, insbesondere abends, sonnabends und sonntags. Dafür können wir doch nicht noch aus Steuermitteln die Absetzung für Abnutzung geben. Es ist ein kleiner Schönheitsfehler, daß in dem Betrag, der durch den Pauschbetrag gedeckt werden soll, nämlich für die reine Fahrt zur Arbeitsstätte, eine Absetzung für Abnutzung nicht enthalten ist. Aber ich glaube, das ist ein unwesentlicher Betrag angesichts der Tatsache, daß diese Fahrzeuge wohl überwiegend für nichtberufliche Zwecke verwendet werden.
Im übrigen ist der Ausfall nicht so unbedeutend. Es fragt sich, ob man sich nicht, wenn schon über die Anträge des Finanzausschusses hinaus weitere Anträge in Richtung eines Steuerausfalls angenommen werden sollen, dann auf die wirklich großen streitigen Fragen konzentrieren sollte.
Das Wort hat der Ab- geordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch namens meiner Fraktion bitten, den Antrag anzunehmen. Was mit diesem Antrag endlich erreicht werden soll, ist doch die Gleichstellung
({0})
der unselbständigen Arbeitnehmer mit den Selbständigen in diesem Betracht.
({1})
Es ist gar kein Zweifel, ,daß die selbständigen Gewerbetreibenden usw. ihre Absetzungen auch in diesem Zusammenhang, auch für die Fahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstätte, geltend machen. Es gibt gar keinen Grund, warum für die Arbeitnehmer etwas anderes gelten sollte. Wieweit sich das in der Höhe der festzusetzenden Pauschbeträge auswirkt, ist hier wirklich nicht die Frage; es geht hier um das einfache und klare Prinzip der Gleichberechtigung, der Gleichbehandlung.
({2})
Schon die bisherige Fassung sagte zwar Gott sei Dank schon, daß die Absetzung berücksichtigt werden könne. Nunmehr soll durch diesen begrüßenswerten Antrag klargestellt werden, daß sie berücksichtigt werden müsse. Es kann im Verhältnis zu der Handhabung bei den selbständigen Gewerbetreibenden gar nicht anders sein! Was das fiskalisch ausmacht, wie sich das in der Höhe der festzusetzenden Pauschbeträge auswirkt, das ist hier, wie gesagt, gar nicht die Frage.
Wir bitten Sie, diesen Antrag anzunehmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.
r Dr. Eckhardt ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Ausschußfassung des § 9 Ziffer 4, nämlich die Anerkennung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Fahrten von Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte, auch unter Benutzung von Motorfahrzeugen, ist unseres Erachtens ein echter Fortschritt erzielt worden. Das ist eben von den Herren Kollegen Miessner und Seuffert betont worden, und wir schließen uns dem Antrag an. Wir sind der Meinung, daß die Neufassung der Vorschrift in größerem Maße jene Gleichstellung von Arbeitnehmern, d. h. Lohnsteuerpflichtigen, und veranlagten Steuerpflichtigen zu bewirken vermag, die begrüßenswert wäre und leider noch nicht in dem Umfang durchgeführt worden ist, in dem es notwendig wäre. Der § 9, die Bestimmung über die Werbungskosten, im Einkommensteuergesetz hat den Arbeitnehmer insofern ungünstiger gestellt, als bisher für ihn nur „notwendige" Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte abzugsfähig waren. Durch die Streichung des Wortes „notwendig" ist erreicht, daß nun nicht nur die Kosten für die S-Bahn oder Hochbahn oder Straßenbahn oder Eisenbahn abgezogen werden können, sondern auch die für die Benutzung eines eigenen Motorfahrzeugs.
Es liegt hier übrigens noch ein anderes Moment vor, nämlich ein gewisser Anreiz, eine Begünstigung auch der Produktion der betreffenden Industrien. Auch das ist begrüßenswert.
Herr Staatssekretär Hartmann hat bemerkt, daß Absetzungen für Abnutzung hier grundsätzlich nicht in Betracht kämen. Ich glaube ihn aber darauf hinweisen zu müssen: in der Bestimmung des § 9 Ziffer 6, die gerade für den Arbeitnehmer und nur für ihn gilt, ist ausdrücklich gesagt, daß Absetzungen für Abnutzung auch vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden können, wenn er nämlich Gegenstände für seinen Beruf benötigt, die der normalen Absetzung für Abnutzung unterliegen. Das ist nicht etwa nur bei einer Schreibmaschine oder ähnlichen Gegenständen der Fall, bei denen er sie jetzt schon bei seinen Anträgen an die Lohnsteuerstelle des Finanzamts geltend macht, sondern das gilt auch für Motorfahrzeuge.
Im übrigen handelt es sich, wie Herr Kollege Seuffert mit Recht bemerkt hat, lediglich um eine kleine Erhöhung des Pauschsatzes. Es geht jedoch nicht um eine unbedeutende, sondern um eine wirklich wesentliche und grundsätzliche Frage, weil wir hier in unserem Steuerrecht mit der Förderung des Prinzips der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit, d. h. der gleichmäßigen Heranziehung aller Steuerpflichtigen zur Steuer, einen Schritt weiterkommen.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
({0})
- Herr Dr. Miessner, wollen Sie noch sprechen?
- Dann erteile ich Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Hartmann hat meine Ausführungen gewissermaßen dadurch unterstrichen, daß er selbst auch von einem „Schönheitsfehler" sprach. Es ist in der Tat nicht einzusehen, wieso die auf die Fahrt zur Arbeitsstätte entfallende Abschreibung auf die Fahrzeuge bei den Lohnsteuerpflichtigen nicht genau so eingerechnet wird wie bei den entsprechenden Abschreibungskosten für die Kraftwagen der übrigen Steuerpflichtigen. Zur Klarstellung und um nicht in den Verdacht zu kommen, daß ich hier etwa einer Begünstigung das Wort rede, möchte ich aber ausdrücklich betonen, daß es sich hier nur um die Gleichziehung handelt. Es ist nicht beabsichtigt und auch nicht etwa aus dem Text herauszulesen, daß damit die private Benutzung des Kraftwagens mit eingerechnet werden soll, sondern natürlich nur die Abschreibung, die auf den Teil der Benutzung entfällt, der eben für die Fahrt zur Arbeitsstätte anzusetzen ist. Das soll und muß dann allerdings in dem Pauschbetrag bei der Rechtsverordnung mit berücksichtigt werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, damit ist die Frage nun wirklich klargestellt, und wir können diesem Erfordernis der Gerechtigkeit sicherlich mit breiter Mehrheit zustimmen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 222 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die große Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nunmehr Ziffer 11. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 210*) Ziffer 1 vor. Es heißt: „In Nr. 11 wird im § 9 a der Abs. 2 gestrichen."
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Umdruck 210 enthält, wie Sie sehen, insgesamt sieben Ziffern mit entsprechenden Unterabteilungen. Wir beginnen hier zwar mit „In Nr. 11 wird im § 9 a der Abs. 2 gestrichen". Ich muß dazu aber folgendes sagen. Wir können das Problem der Haushaltsbesteuerung oder Getrenntbesteuerung oder Ehegattenbesteuerung, oder wie Sie es nennen wollen, das hier zur Debatte steht, nur einheitlich entscheiden. Wenn Sie den Antrag der SPD Umdruck 202 zur Hand nehmen, finden Sie auf der zweiten Seite ebenfalls mehrere Anträge, die sich mit dieser Materie befassen. Ich hatte vorhin eine kurze Besprechung mit Herrn Kollegen Seuffert. Materiellrechtlich gesehen unterscheiden sich die im Umdruck 202 aufgenommenen Bestimmungen nicht wesentlich von denen in dem Umdruck 210. Es wäre sehr zweckmäßig, zu einer einheitlichen Fassung zu kommen. Herr Kollege Seuffert hatte vorgeschlagen, daß wir uns für eine viertel oder halbe Stunde zusammensetzen, um uns über die Fassung zu einigen und die beiden Änderungsanträge auch materiellrechtlich zur Übereinstimmung zu bringen. Wenn das Hohe Haus damit einverstanden ist, würde ich vorschlagen, daß wir alle diese mit der Ehegattenbesteuerung zusammenhängenden Bestimmungen etwa eine halbe Stunde zurückstellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir schon jetzt auf das Gebiet der Haushaltsbesteuerung zu sprechen kommen, so möchte ich folgendes bemerken. Wir müssen nachher in der Debatte erst feststellen, welche Anträge die breite Mehrheit finden. Zwar stimmen die Fraktionsanträge der Koalition, Herr Kollege Neuburger, und unsere Anträge sachlich überein; wir
*) Siehe Anlage 5.
({0})
müssen nur eine gemeinsame Form für sie finden. Es liegen aber auch gewisse Anträge vor - von Frau Dr. Ilk und anderen Kollegen -, die erst noch debattiert werden müssen, bevor wir sehen, wo die Entscheidung fällt.
Was den jetzt vorliegenden Antrag zu Ziffer 11 auf Umdruck 210 anlangt, so haben wir, Herr Kollege Neuburger, einen solchen Antrag nicht gestellt; denn es würde sowohl nach Ihren wie nach unseren Anträgen auch den Fall geben, daß auf Antrag eine Zusammenveranlagung stattfindet. Daher wird eine Bestimmung, wie sie in § 9 a Abs. 2 getroffen ist, auch künftighin notwendig sein, wenn unsere sachlich übereinstimmenden Anträge Annahme finden sollten. Nur würden einige Worte zu ändern sein; es würde nämlich die Voraussetzung, daß beide Ehegatten nichtselbständige Arbeit haben, fallen müssen. Auch das werden wir bei der Besprechung nachher berücksichtigen.
Meine Damen und Herren, ich mache den Vorschlag, daß wir die weitere Behandlung von Ziffer 11 zurückstellen, daß die beiden Fraktionen miteinander verhandeln und man sich womöglich auf einen Text einigt. Ist das Haus damit einverstanden?
({0})
- Dann gehen wir weiter.
Ziffer 12 ist erledigt. Ziffer 13 entfällt. Statt dessen ist Ziffer 13 a eingefügt. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 202 Ziffer 4 vor. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beantragen, die im Ausschuß hineingekommene Ziffer 13 a der Vorlage wieder zu streichen. Ich möchte den Kollegen Wellhausen daran erinnern, daß wir damit eigentlich einen Gedanken von ihm aufgreifen. Er hat vorhin mit sehr beredten Worten plädiert, daß man Schluß machen müsse mit bestimmten speziellen Vergünstigungen. Hier hat der Ausschuß eine sehr bestimmte spezielle Vergünstigung geschaffen. Ich bin der Meinung, der Kollege Wellhausen hat ganz recht: mit dieser Art von Sondervergünstigungen sollten wir aufhören. Ich bin dem Herrn Berichterstatter sehr dankbar für ein offenherziges Wort. In der Ausschußvorlage wird schamhaft von der „Begünstigung staatspolitischer Zwecke" gesprochen. Der Herr Berichterstatter hat das in sehr leicht verständliches Deutsch übersetzt und von der „Begünstigung politischer Parteien" gesprochen. Darauf kommt es ja wohl in Wahrheit bei dieser Vorschrift an.
Was hier in eine Vorlage zur Steuergesetzgebung hineingebracht worden ist, das rührt in Wirklichkeit - ich möchte auch hier ein Wort eines Freien Demokraten aufgreifen, nämlich des Abgeordneten Dr. Dehler - an den Stil unseres politischen Lebens.
({0})
Wir sind der Meinung, daß die politischen Parteien ihre Auffassungen in der Öffentlichkeit mit Argumenten und nicht mit der Überfülle materieller Hilfsmittel zu vertreten haben; das ist ihre Aufgabe.
({1})
Wir sind weiter der Meinung, daß es durchaus begreiflich ist, wenn auch politische Parteien für die
Durchführung ihrer Aufgaben Mittel benötigen. Der normale Weg, sie zu beschaffen, ist die Zahlung von Beiträgen durch ihre Mitglieder.
({2})
Wer sich an der Meinungsbildung im politischen Leben beteiligt, wer sich mit einer politischen Partei verbunden fühlt, der bringt auch die notwendigen Opfer für diese seine Überzeugung.
({3})
Er soll aber nicht auf die Idee kommen, daß er diese Opfer durch einen Umweg über die Steuergesetze abwälzen kann auf andere, die eine andere politische Überzeugung haben als er selbst.
({4})
Es ist seit langem in Deutschland ein Problem geworden, ob man nicht die politischen Parteien angesichts der besonderen Bedeutung, die ihnen im politischen Leben und in unserer Verfassungswirklichkeit zukommt, durch eine Art Parteiengesetz dazu zwingen sollte - wie es das Grundgesetz auch vorgesehen hat -, ähnlich wie andere öffentliche Körperschaften öffentlich Rechenschaft über ihre Finanzgebarung abzulegen.
({5})
Ich will Ihnen ganz offen sagen: ich bin dafür; und zwar bin ich deshalb dafür, weil gerade wir Sozialdemokraten als eine der ältesten Traditionen jene kennen, daß wir jedem unserer Parteitage schwarz auf weiß einen gedruckten Bericht über den gesamten Finanzaufwand der Partei - wo die Mittel herkommen und wofür sie verwendet werden - vorlegen.
({6})
Wenn dieser Grundsatz von allen Parteien akzeptiert würde, würde sich der Wählerschaft in Deutschland sehr leicht zeigen, welche mitunter sehr massiven Interessen sich hinter ganz bestimmten politischen Kräften in der Bundesrepublik in Wahrheit verschanzt haben.
({7}) Das kann nur dienlich sein.
Meine Damen und Herren, sprechen wir doch ganz offen miteinander! Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in einem Offenen Brief, der im Bulletin der Bundesregierung veröffentlicht worden ist, den Steuertarif der Regierungsvorlage noch einmal begründet. In diesem Brief hat er unter anderem mit Stolz darauf aufmerksam gemacht, daß z. B. ein Steuerpflichtiger mit einem Jahreseinkommen von 1 Million DM nach dem Tarif von 1951 im Vergleich zu heute - nach dem neuen Tarif - eine Steuerlast von etwa einer Viertelmillion DM mehr zu tragen gehabt hat.
({8})
Meine Damen und Herren, überlegen wir uns, ob ein solcher Steuerpflichtiger nicht in eine gewisse Versuchung geraten sein kann, bei der Wahl im vergangenen Jahre einen Betrag von, sagen wir einmal, 50 000 DM für diejenigen politischen Kräfte zur Verfügung zu stellen, die dann auch bei der Steuergesetzgebung seinen Interessen besonders nackdrücklich zu dienen bereit sind.
({9})
Wenn man für 50 000 Mark Zuwendung an eine bestimmte politische Partei nachher eine Steuer({10})
ersparnis von 250 000 Mark jährlich kassiert, dann ist das eine Verzinsung dieser Einlage von 500 %, - das zahlt Ihnen doch keine Bank, das ist eine außerordentlich rentable Kapitalanlage!
({11})
Wenn aber dieser Steuerpflichtige derartige Zuwendungen macht und wenn schon der Bevölkerung nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit
gezeigt wird, woher die Summen zur Bestreitung
der Propaganda so innerlich verwandter Parteien
fließen, dann soll doch der Mann mindestens den
Anstand haben, diese seine Zuwendungen an politische Parteien aus der eigenen Tasche und nicht
aus der Tasche anderer Steuerzahler zu machen.
({12})
Ich habe in einer Zeitung, die der Sozialdemokratischen Partei bekanntlich nicht nahesteht, in der „Deutschen Zeitung und Wirtschafts-Zeitung", zu dem Thema der Parteifinanzierung einen Artikel gelesen, dessen Überschrift uns alle miteinander nachdenklich stimmen sollte. Das Volk draußen im Lande ist sehr feinfühlig in diesen Dingen. Es wünscht, daß auch und gerade die Demokratie beweist, daß es in ihr mit der politischen Meinungsbildung und Meinungsbeeinflussung sauber, anständig und offen zugehe.
Daher bitte ich Sie, durch die Zustimmung zu
unserem Antrag jeden Anschein zu vermeiden, als befänden wir uns auf einem Wege, der in Wahrheit die Korrumpierung in das politische Leben der Bundesrepublik hineinbringen muß; davor möchte ich dringend warnen. Daher bitte ich Sie: Schaffen Sie diesen Verdacht aus der Welt, stimmen Sie unserem Antrage zu!
({13})
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
({0})
Dann stimmen wir ab.
({1})
- Zur Abstimmung der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Antrag.
({0})
Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Dresbach.
Meine Herren von der Opposition, Sie wollen doch nicht „religiöser und wissenschaftlicher" hier herauslassen,
({0})
sondern nur „staatspolitischer"? - Dann ist aber die Formulierung Ihres Antrages nicht korrekt, Herr Erler!
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Der Antrag bedeutet, daß die Ziffer 13 a des Ausschußantrages, in welcher eine
Änderung des bisherigen Gesetzestextes vorgeschlagen wird, gestrichen wird, daß es also bei dem bisherigen Gesetzestext bleibt. Ich glaube, das ist klar.
Der Text würde, falls der Antrag angenommen werden sollte, also lauten: „religiöser und wissenschaftlicher Zwecke".
({0})
- Und mildtätiger und gemeinnütziger Zwecke.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht; wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag wird von der ganzen Fraktion der SPD unterstützt, also ist die nötige Anzahl der Unterschriften gegeben. Ich bitte die Damen und Herren der Schriftführung, die Karten einzusammeln.
({1})
Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied dieses Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Karte noch nicht abgegeben? - Dann bitte ich, das zu tun.
Meine Damen und Herren, die Stimmabgabe ist beendet. Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
Ich schlage vor, daß wir fortfahren, solange ausgezählt wird.
Ich rufe auf Ziffer 14. - Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Der Stehkonvent eignet sich schlecht für eine parlamentarische Debatte. Ich bitte, private und sachkundige Unterhaltungen doch in den Vorraum zu verlegen!
Ziffer 14! Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Für den Antrag, den Herr Kollege Neuburger zu Ziffer 14 gestellt hat, gilt dasselbe wie für den Antrag zu Ziffer 11. Er sollte mit ihm zusammen zurückgestellt werden.
Das Haus ist einverstanden, daß Ziffer 14 zur Gesamtbehandlung mit Ziffer 11 zurückgestellt wird? ({0})
Ziffer 15! Dazu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 5 vor. Wer begründet ihn? - Das Wort hat der Abgeordnete Königswarter. Es wird nachher ein Antrag Umdruck 217 gestellt werden; ich kann nicht beide zusammen begründen lassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 5 zu Ziffer 15 der Drucksache 481 will es bei der bisherigen Regelung belassen, die es den buchführenden Betrieben gestattet, über drei Jahre hinweg ihre Verluste mit den Gewinnen zu kompensieren, während die Ausschußvorlage diese Frist auf fünf Jahre ausdehnen will. Der Gedanke, diese Verlustabzugsmöglichkeit auf einen größeren Zeitraum auszudehnen, ist wohl geboren aus Erwägungen, wie man Gebieten helfen könnte, die infolge politischer Umstände in der Konjunktur zurückblieben und zurückbleiben mußten. Ich denke da an Berlin oder an Teile der Zonenrandgebiete. Wir wären gerne bereit, einer Erstreckung für solche Zwecke zuzustimmen. Wir möchten Sie aber bitten, es als allgemeine Regelung bei dem bisherigen Zustand zu belassen. Denn die Konjunkturentwicklung in der Bundesrepublik rechtfertigt
({0})
diese Erstreckung nicht, besonders nicht bei Steueränderungen, die unter dem Motto der Beseitigung von Sondervergünstigungen zugunsten einer Tarifermäßigung vorgeschlagen worden sind. Schon die bisherige Erstreckung auf drei Jahre ist ja eine Art Sondervergünstigung, die nur ganz beschränkten Teilen der Bevölkerung zugute kommt, nämlich den buchführenden Gewerbebetrieben. Den Lohn-und Gehaltsempfängern steht ein Äquivalent auf diesem Gebiet nicht zur Verfügung. Sie mag aber, das wollen wir nicht verkennen, im Risiko der Unternehmen begründet sein und soll deshalb nicht beanstandet werden. Aber ein Gewerbebetrieb, der über fünf Jahre hinaus - und das dehnt sich ja in seiner Wirkung dann noch weiter aus in der Kompensation - nicht wirtschaftlich geführt werden kann, ist in einer Volkswirtschaft, besonders wenn sie sich die freie Marktwirtschaft aufs Panier geschrieben hat, nicht als gesund zu betrachten und daher auch nicht mehr förderungswürdig. Wir glauben, sozial dringendere Anträge zu haben, die dann ihre Deckung aus dem finden mögen, was hier gespart wird.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag stattzugeben.
Wird das Wort gewünscht? - Abgeordneter Eckhardt hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, es bei dem Vorschlag der Regierungsvorlage zu belassen, die einen Verlustabzug über fünf Jahre anerkennen will. Wenn hier ausgeführt wird, daß ein Betrieb, der fünf Jahre Verlust gehabt habe, Betriebs- oder volkswirtschaftlich nicht tauglich sei, so gilt das doch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Es ist sehr häufig der Fall, daß ein Betrieb - das gilt gerade für die Jahre nach 1945 - zu seinem Aufbau eine sehr lange Spanne Zeit braucht. Außerdem haben die Betriebe gewisse Abschreibungsvergünstigungen bekommen, die buchmäßig zu Verlusten geführt haben, während tatsächlich keine Verluste eingetreten sind. Diese Abschreibungsvergünstigungen müssen sich aber auswirken können, denn sie sind ja aus volkswirtschaftlichen Gründen und nicht etwa des einzelnen Steuerpflichtigen wegen festgesetzt worden.
Ich bin im übrigen der Meinung, daß die finanzielle Auswirkung der Erstreckung von drei auf fünf Jahre nicht so bedeutend ist, daß wir nun hier wiederum eine Änderung der Vorlage vornehmen sollten.
Ich bitte Sie deshalb, der Vorlage und damit auch dem Beschluß des Ausschusses zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen zu diesem Antrag? - Dann stimmen wir ab. Damit kein Mißverständnis entsteht: es handelt sich um Umdruck 202 Ziffer 5. Wer mit diesem Antrag einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag auf Umdruck 217*) vor. Das Wort hat der Abgeordnete Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen mit diesem Antrag auf Umdruck 217 nicht eine besondere Vergünstigung herbeiführen, sondern eine steuerliche Unge-
*) Siehe Anlage 8.
rechtigkeit beseitigen. Im deutschen Weinbau sind etwa 95 °/o der Winzerbetriebe sogenannte nichtbuchführungspflichtige Betriebe. Diese werden
aber nicht wie die nichtbuchführenden Landwirte nach Durchschnitts- oder nach Richtsätzen einkommensbesteuert, sondern auf Grund eines beschränkten Vermögensvergleiches nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Das Einkommen wird so errechnet, daß die Wirtschaftsaufwendungen den Wirtschaftsleistungen gegenübergestellt werden. Es werden also gegenübergestellt Weinbestand am Anfang des Steuerjahres plus Betriebsunkosten und Weinbestand am Ende des Steuerjahres plus Verkaufserlöse. So wird das Einkommen von den Finanzämtern rechnerisch genau ermittelt, und zwar, wie gesagt, nach einem Ermittlungsverfahren, das praktisch dem Verfahren bei buchführenden Betrieben entspricht. Es fehlt nur der Inventarvergleich, der aber, da das Inventar kaum schwankt, steuerlich uninteressant ist und der infolgedessen von den Steuerbehörden in den Unkostensätzen untergebracht ist.
Jeder, der die Verhältnisse im Weinbau auch nur oberflächlich kennt, weiß nun, daß die Schwankungen der Einkünfte hier ganz besonders groß sind. Die Größe dieser Schwankungen geht aus der amtlichen Weinerntestatistik hervor, die aussagt, daß z. B. im Moselweinbaugebiet in den letzten 50 Jahren die Mengenerträge zwischen 5 und 98 Hektoliter je Hektar geschwankt haben. Daß die Güte der Weinernten wegen der jährlich wechselnden Witterungsverhältnisse verschieden ist, dürfte auch allgemein bekannt sein. Trotz aller Fortschritte in der Technik des Weinbaus ist der Winzer nicht in der Lage, diese Schwankungen zu verhindern; denn gegen Naturereignisse wie Frost und Hagel und schlechtes Blütewetter ist nun einfach nichts zu machen. Infolgedessen schwanken auch die Winzerweinpreise außerordentlich, ohne daß sie von der Weinbauseite her wesentlich beeinflußt werden können. Ich kann Ihnen aus meinem eigenen Be- trieb nachweisen, daß die Preise seit 1909 bis heute um rund tausend Prozent geschwankt haben.
Diese sehr stark schwankenden Einkommen werden jährlich steuerlich individuell genau erfaßt, in ertragreichen Jahren mit hohen Weinpreisen mit den dann nachgewiesenen Gewinnen. In schlechten Ertrags- und Weinpreisjahren treten aber Verluste ein, die nach dem jetzigen Wortlaut des § 10 d nicht als Verluste auf spätere Gewinne aufgerechnet werden können, die nur dazu führen, daß in solchen Jahren die Einkommensteuer einfach entfällt. Das ist aber eine Durchbrechung des Grundsatzes der steuerlichen Gerechtigkeit und eine Schlechterstellung des nichtbuchführenden Winzers dem wirtschaftlich stärkeren, größeren, buchführenden gegenüber. Der Grundsatz der steuerlichen Gerechtigkeit und gleichmäßigen Besteuerung erfordert, daß Betriebe, deren Gewinne faktisch nach denselben Grundsätzen errechnet werden, auch steuerlich gleichmäßig behandelt werden. Deshalb muß den nichtbuchführenden Winzern derselbe Verlustabzug gewährt werden, dessen prinzipielle Notwendigkeit und Bedeutung in § 10 d absolut anerkannt ist.
Wenn jemand der Auffassung sein sollte, daß die Winzer zur ordentlichen Buchführung übergehen könnten, so ist hierzu einmal zu sagen, daß man von der großen Masse der Winzer, die Tag für Tag körperlich schwer arbeiten müssen, eine ordnungsmäßige Führung von Büchern nicht verlangen kann,
({0})
weiter aber auch, daß dieses jetzt bestehende Verfahren der Gewinnermittlung faktisch dasselbe ist wie bei dem buchführenden Winzer. Der Unterschied besteht darin, daß nicht der Winzer selber, sondern das Finanzamt den jährlichen Verlust oder Gewinn aus Weinbau rechnerisch feststellt.
Es gibt auch andere Gründe, die unser Verlangen rechtfertigen, insbesondere die wirtschaftliche Situation des Weinbaus, auf die ich nicht weiter eingehen will. Jedenfalls müssen wir schon mit Rücksicht auf die kommende Entwicklung Investitionen machen. Diese können aber nicht gemacht werden, wenn in guten Jahren die Erträge weggesteuert und in Verlustjahren die Verluste nicht berücksichtigt werden. Seit Jahren erstrebt der deutsche Weinbau die Besteuerung des Einkommens nach einem mehrjährigen Durchschnittseinkommen. Das ist gesetzestechnisch nicht möglich. Die Lösung aber, wie sie dieser Antrag vorsieht, ist möglich. Ich bitte Sie daher, ihm zuzustimmen, insbesondere auch unter Berücksichtigung dessen, daß durch diesen Antrag Steuerausfälle in etatgefährdender Weise absolut nicht vorkommen können.
Weitere Wortmeldundungen? - Herr Staatssekretär Hartmann hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf den sachlichen Inhalt dieses Antrags in diesem Augenblick nicht eingehen; er kommt ja auch jetzt ganz neu. Es würde sicher die Behandlung erleichtert haben, wenn die Herren Antragsteller während der langandauernden Beratung im Finanz- und Steuerausschuß dort diese Darlegungen gemacht hätten.
({0})
Jedenfalls kann man den Antrag in dieser Form aus technischen Gründen nicht annehmen. Ich möchte mir daher die Anregung erlauben, ob man hier nicht ähnlich verfahren kann wie vorhin in einem anderen Falle. Wenn doch am Donnerstag eine weitere Sitzung des Steuerausschusses in Aussicht genommen worden ist, könnte diese Frage dort auch mit erörtert werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte den Antrag stellen, jetzt nicht abzustimmen, sondern diesen Antrag an den Finanz- und Steuerausschuß zu verweisen. Im Gegensatz zu dem Problem des
§7, das wir vorhin erörtert haben und das wirklich im Finanz- und Steuerausschuß in aller Breite besprochen worden ist, haben wir zu dieser Materie, Herr Gibbert, im Ausschuß noch keine Stellung genommen. Sie sind ja auch damit einverstanden, daß wir diesen Antrag zunächst, ehe wir darüber abstimmen, in den Finanz- und Steuerausschuß verweisen und erst in der dritten Lesung endgültig darüber entscheiden.
Ich halte diesen Vorschlag für sehr zweckmäßig. Das Haus ist damit einverstanden, und auch die Antragsteller sind damit einverstanden.
({0})
- Dann wird die Behandlung ausgesetzt. Ziffer 15 wird dem Ausschuß bis zur dritten Lesung zurückverwiesen.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf doch zur Geschäftsordnung feststellen, daß dieses Verfahren, das wir jetzt zum zweiten Male anwenden, bedeutet, daß die Anträge in der zweiten Lesung zurückgezogen werden und es vorbehalten bleibt, sie in der dritten wieder zu stellen. Das heißt also, daß wir die zweite Lesung ungeachtet dieses Verfahrens und ungeachtet der Ausschußberatung, die wir inzwischen verabredet haben, abschließen.
Es ist immer so verfahren worden. Ein Antrag, wie er eben gestellt wurde, bedeutet die Zurückziehung für die zweite Lesung, aber die Übergabe an den Ausschuß zur Behandlung.
Meine Damen und Herren, ich kann das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. An der Abstimmung haben sich 392 Abgeordnete, die stimmberechtigt sind, und 15 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 180 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 193, enthalten haben sich 19. Von den Berliner Abgeordneten haben 13 mit Ja gestimmt, mit Nein 2. Damit ist der Antrag abgelehnt.
({0})
Ich lasse nunmehr über die Ziffer 13 a abstimmen. Wer für die Annahme dieser Ziffer 13 a ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe!
- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Bei Ziffer 16 sind keine Anträge gestellt. Nach Ziffer 16 a soll hinter § 17 ein § 17 a eingefügt werden. Zu 17 a liegen keine Anträge vor.
({1})
- Zu § 17 a liegt nach der Ausschußvorlage kein Antrag vor. Dagegen liegen Anträge vor zu Ziffer 17.
({2})
- Ja, es ist aber doch schon ein 17 a im Ausschußbericht!
({3})
- Entschuldigen Sie, es ist sehr schwer, sich durch diese Vorlage durchzufinden, wenn sich Paragraphen und Ziffern auf derselben Seite kreuzen. Ich bitte um Nachsicht mit dem Präsidenten. Also dann Ziffer 16!
Wir stimmen ab über die Ziffern 16 und 16 a. Wer mit diesen beiden Bestimmungen einverstanden ist, der gebe ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit.
Nun Ziffer 17! Hier liegen Änderungsanträge vor, zunächst Umdruck 202 Ziffer 6. Wer begründet?
({4})
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 2732.
({5})
- Jetzt ist Ziffer 17 dran. Ich habe den Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 6 aufgerufen. - Das ist nach Ziffer 17.
({6})
Wer für Ziffer 17 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Nun sind zwei Änderungsanträge angekündigt, zwischen die Ziffern 17 und 18 eine Ziffer 17 a einzuschieben, einer auf Umdruck 202 Ziffer 6 und einer auf Umdruck 221. Zunächst Antrag Umdruck 202 Ziffer 6.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine Richtigstellung vornehmen. In der zweiten Zeile der Ziffer 6 unseres Änderungsantrages heißt es § 19 Abs. 1, es muß aber Abs. 2 heißen.
Hiernach sollen zu den nicht lohnsteuerpflichtigen Einkommen, unter Ziffer 3 also, gehören „Trinkgelder, die dem Arbeitnehmer von Dritten gezahlt werden, ohne daß ein Rechtsanspruch hierauf besteht".
Meine Damen und Herren, es dürfte vielleicht nicht allgemein bekannt sein, daß Trinkgelder, die jeder einzelne von uns, sei es dem Friseurgehilfen oder auch dem Kellner oder irgendeinem, der uns vielleicht die Kohlen ins Haus bringt und uns dabei gut bedient hat, freiwillig gibt, von diesen Leuten am Wochenende ihrem Arbeitgeber in ihrer gesamten Höhe angegeben werden müssen, damit dieser sie versteuern kann; nicht nur kann, er m u ß sie versteuern. Mit diesem Antrag sind nicht die tariflich zugesicherten Trinkgelder gemeint, die z. B. dem Kellner usw. zustehen. Wir wollen hier auch nicht untersuchen oder gar darüber rechten, ob nun Woche für Woche genau der Gesamtbetrag der Trinkgelder angegeben wird, oder wer den Betrag überhaupt angibt, der ihm freiwilligerweise für seine gute Bedienung gegeben worden ist. Der Arbeitgeber hat aber bei der Errechnung der Sozialleistungen auch diese Beträge zugrunde zu legen, sie ebenfalls mit zu veranlagen und seinerseits die 10%, die von ihm sonst nur für den normalen Lohn getragen werden müssen, draufzulegen. Es werden also nicht nur der Gehilfe, sondern auch der Betriebsinhaber durch die Großzügigkeit der Kunden und Gäste, die diese den Angestellten gegenüber beweisen, veranlaßt, dem Finanzamt und dem Sozialversicherungsträger Angaben zu machen. Der Arbeitgeber soll auch die Kontrolle ausüben, die er aber in keinem Falle hat.
Neuerdings ist weiter bekanntgeworden, daß einige Oberfinanzdirektionen dazu übergegangen sind, diese dem Arbeitgeber von seinem Gehilfen angegebenen Trinkgelder noch mit zu dem Gesamtumsatz des Betriebes zu rechnen und somit noch Umsatzsteuer darauf zu erheben. Das ist noch nicht allgemein so im Bundesgebiet, aber mir ist bekanntgeworden, daß es einzelne Oberfinanzdirektionen gibt, die mit diesem Ansinnen an die Arbeitgeber herangetreten sind.
Eine ähnliche Vorlage ist in dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bereits besprochen worden. Sie wurde dort allerdings abgelehnt, mit der Zusage seitens des Bundesfinanzministeriums, Anweisungen an die Landesfinanzminister und Finanzdirektionen herauszugeben, bei der Handhabung
und Erfassung dieser Trinkgelder loyal zu ver- I fahren und nach Möglichkeit gewisse Pauschalsätze festzusetzen, damit ein Gehilfe und auch der Meister nicht verpflichtet sind, Woche für Woche genau nach Heller und Pfennig abzurechnen.
Dieser Antrag ist vor einigen Monaten im Ausschuß behandelt worden. In der Praxis der letzten Wochen hat sich nun gezeigt, daß die Oberfinanzdirektionen an die Arbeitgeber mit Vorschlägen für die Pauschalierung herangetreten sind. Diese Pauschalierungsvorschläge bewegen sich aber in Sätzen zwischen 5 und 20 %. Das übertrifft bei weitem, jedenfalls in den meisten Fällen, das, was bisher von den Gehilfen freiwillig angegeben worden ist. Das kann also nicht die Basis sein. Wir sollten auf diesem Gebiet endlich Ordnung schaffen und nicht dazu beitragen, daß Tausende von Gehilfen Woche für Woche in die unangenehme Lage kommen, ihrem Arbeitgeber das empfangene Trinkgeld auf Heller und Pfennig melden zu müssen, damit dieser wiederum die Steuer davon berechnen muß. Der Gesamtbetrag, der hierbei für den Fiskus in Fortfall kommt, ist nicht nennenswert. Daher sollten wir bei der jetzigen Steuerreform wenigstens diese Ungerechtigkeit, die seit Jahren besteht und die Woche für Woche zu immer neuen Unannehmlichkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt, aus der Welt schaffen. Ich bitte deshalb, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich bitte, gleichzeitig den Antrag auf Umdruck 221*) zu begründen. - Das Wort hat der Abgeordnete Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben mich beauftragt, dem Hohen Hause die Frage der Trinkgeldbesteuerung noch einmal zur Entscheidung zu unterbreiten, nachdem ein diesbezüglicher Antrag meiner Fraktion, der bereits Ende des vorigen Jahres dem Finanz-und Steuerausschuß überwiesen worden war, dort nur mit einer sehr geringen Mehrheit abgelehnt worden ist.
Ich möchte mich den Ausführungen des Herrn Vorredners anschließen und betonen, daß in den meisten mittelständischen Betrieben, in denen den Trinkgeldern nachgegangen werden muß, auf die Dauer ein ungünstiges Klima geschaffen wird, wenn die Trinkgelderfassung immer wieder so erfolgt, wie es in den letzten drei bis vier Jahren geschehen ist. Es entspricht nicht dem erwünschten harmonischen sozialen Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw. im Handwerksbetrieb zwischen Meister und Gesellen, hinter diesen Trinkgeldern immer wieder herlaufen zu müssen, um am Wochenende oder am Monatsende feststellen zu können: Was hat du bekommen, was hast du nicht bekommen? Damit ist doch unwahren Angaben Tür und Tor geöffnet, unwahren Angaben, die man im Interesse der Steuerehrlichkeit und der Steuerwahrhaftigkeit vermeiden sollte. Da es sich hier um Bagatellbeträge im Verhältnis zu den Gesamtsteuereinnahmen handelt, bittet meine Fraktion darum, ihrem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
*) Siehe Anlage 11.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Besteuerung der sogenannten freiwilligen Trinkgelder handelt es sich nicht etwa um eine Erfindung der, wie man so sagt, Finanzbürokratie, sondern um eine feststehende Rechtsprechung nicht nur des Bundesfinanzhofes, sondern schon des Reichsfinanzhofes, und zwar schon seit Jahrzehnten. Diese Rechtsprechung beruht darauf, daß es in dem jetzigen Text des § 19 Abs. 1 letzter Satz heißt:
Es ist gleichgültig,
- bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ob . . . . ein Rechtsanspruch auf sie besteht.
Also die Frage, ob ein Rechtsanspruch besteht, ist nicht erheblich für die Frage der Steuerpflicht der Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit. Es wird einfach so gesehen, daß, wenn in dem betreffenden Gewerbezweig Trinkgelder mit einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen, diese Trinkgelder faktisch zu den Einnahmen des Betreffenden gehören.
Nun sind hier soziale Gesichtspunkte geltend gemacht worden, und ich gebe zu, daß sie berücksichtigt werden müssen. Wenn aber die beiden Anträge oder einer von ihnen angenommen wird, besteht die Gefahr, daß hier eine Befreiung von Einkünften eintritt, die weit über das sozial Notwendige hinausgeht. Es gibt Fälle, in denen erhebliche Trinkgeldeinnahmen gegeben werden. Denken Sie an Weinrestaurants mit Abendessen größeren Umfangs, denken Sie an Trinkgelder, die an die Schiffsstewards gegeben werden. Das sind sehr
hohe Beträge, deren Freilassung im Vergleich zu manchen sozial schwachen Bevölkerungskreisen nicht berechtigt wäre.
Wir haben im Verwaltungswege mit den Finanzministerien der Länder inzwischen vereinbart, daß freiwillige Trinkgelder künftig nur besteuert werden sollen, wenn sie einen noch zu bestimmenden Freibetrag - etwa 600 DM jährlich - übersteigen. Außerdem sollen Angaben über die Höhe der freiwilligen Trinkgelder künftig nur in lohnenden Fällen verlangt werden. Nach Verabschiedung der Steuerreform werden wir die Verhandlungen mit den Länderfinanzministerien abschließen. Ich glaube, daß durch die hier genannte Grenze die Gehilfen im Friseurgewerbe, die Kellner in einfachen Gaststätten usw. überhaupt nicht mehr in die Besteuerung hineinkommen, Daß aber Kellner in Luxusgaststätten oder Schiffsstewards mit sehr hohen Trinkgeldern diese Beträge nicht versteuern, kann doch wohl offenbar nicht gemeint sein.
Ich glaube also, daß hier ohne eine rechtliche Festlegung den berechtigten sozialen Wünschen im Verwaltungswege Rechnung getragen werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Günther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn auch die Regelung, die jetzt vom Bundesfinanzministerium durchgeführt worden ist, den Härten einigermaßen Rechnung trägt, bitte ich doch, den Anträgen, die soeben von den beiden Kollegen begründet worden sind, Ihre Zustimmung zu geben.
Bis jetzt wurden vor allem junge Leute weitgehend zur Unehrlichkeit erzogen, indem sie mehr angegeben haben oder weniger angegeben haben, je nachdem, ob es sich zu ihrem Vorteil oder Nachteil auswirkte.
({0})
- Wenn jemand glaubte, daß er längere Zeit krank feiern müsse oder daß er arbeitslos würde, hat er vielfach höhere Summen angegeben, um auch höhere Sätze in der Versicherung zu bekommen. Zum andern mußte der Arbeitgeber seinen Anteil ebenfalls zu dem höheren Satz zahlen. Das hat in den Betrieben immer wieder Unruhe hervorgerufen und große Unzufriedenheit mit sich gebracht. Deshalb möchte ich Sie bitten, den soeben von den beiden Abgeordneten gestellten Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß Sie mit genau so großer Verwunderung wie ich eben den Worten des Herrn Günther entnommen haben, daß die Steuermoral in Deutschland in rasendem Aufstieg ist und daß es schon Leute gibt, die mehr zur Besteuerung angeben, als sie tatsächlich bekommen haben!
({0})
Das sind insbesondere für den Herrn Bundesfinanzminister außerordentlich rosige Zukunftsaussichten und natürlich auch für die Steuerzahler. Aber dazu möchte ich nicht sprechen.
Ich möchte Sie bitten, die beiden Anträge abzulehnen. Ich .darf das, wie folgt, begründen. Wenn. das Bundesfinanzministerium - noch dazu mit der Zustimmung der Länderfinanzminister, die bei Gott nicht leicht zu erreichen ist - eine verständige Regelung getroffen hat, dann sollen wir es nun in Gottes Namen mit der Bewegung der Gesetzgebungsmaschine auch nicht übertreiben. Das würden wir tun, wenn wir diesen Anträgen zustimmten. Ich brauche gar nicht die Beispiele anzuführen, die mein Freund Strauß aus Bayern hier eben so hübsch gesagt hat und die Sie vielleicht ahnen können; denn ich möchte den guten Ton hier beibehalten.
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Aber, meine Damen und Herren, tun wir uns in bezug auf die Gesetzgebungsmaschine nicht „verhutzen", wie man in Bayern sagt!
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrn Staatssekretär Hartmann möchte ich zunächst entgegenhalten, daß die Rechtsprechung, auf die er Bezug genommen hat, sich nur auf den bisherigen Gesetzesinhalt stützt, den wir ändern wollen. Es ist für uns genau dasselbe, ein Gesetz oder eine Rechtsprechung, die ihre Grundlage in einem Gesetz hat, zu ändern, und man sollte uns, glaube ich, nicht zumuten, daß wir derartige Zusammenhänge hier nicht klar sehen.
Daß die Sache keine finanzielle Bedeutung hat, ist offenkundig. Daß sie eine außerordentliche Verärgerung und sehr große Unzuträglichkeiten bei den von dieser kleinlichen Besteuerung betroffenen Kreisen hervorruft, ist auch klar. Man sollte doch
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die Herren Länder-Steuerreferenten der Notwendigkeit entheben, für diese Bagatellfälle, bei denen es sich insgesamt noch nicht einmal um eine halbe Million DM jährlich handelt, lange Richtlinien und sonstige Verordnungen zu erfinden. Dabei kann ich mir außerdem die Bemerkung nicht verkneifen, daß gewisse in höheren Kreisen sehr üblich werdende Zuwendungen zu Familienfesten, Geburtsgen und ähnlichem, die auch in sehr deutlichem Zusammenhang mit gewissen Arbeitsverhältnissen stehen, von der Steuer bisher weniger beachtet worden sind.
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Nun muß ich noch sagen, daß es sich bei unserem Antrag und dem Antrag Umdruck 221 wieder um den Fall handelt, daß wir in der Sache mit der Fraktion der Deutschen Partei einig sind, nur eine andere Fassung gewählt haben. Nach Rücksprache mit dem Bundesfinanzministerium schlage ich vor, daß wir es bei unserer Fassung belassen, Herr Kolege Schild, und daß Sie Ihren Antrag unserem Antrag angleichen. Das ist kein Eigensinn. Wir werden Ihnen gern den Vorrang der Fixigkeit lassen; lassen Sie uns dann den Beitrag der Richtigkeit in der Sache. Dabei muß ich noch einmal darauf hinweisen, daß ein Schreibfehler unterlaufen ist. Die neue Ziffer soll in § 19 Abs. 2, nicht in Abs. 1 eingefügt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um zwei Anträge, die, wenn ch Sie recht verstehe, das gleiche bedeuten. Ich lasse aber über beide abstimmen.
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- Herr Kollege Schild, Sie ziehen Ihren Antrag zurück?
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Sie sind damit einverstanden, daß nur über den
Antrag Umdruck 202 Ziffer 6 abgestimmt wird.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 18. - Ziffer 19. Zu beiden liegen keine Änderungsanträge vor. Wer für Ziffer 18 und 19 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
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- Ziffer 19 a ist bis nach der Mittagspause zurückgestellt, damit wir vor der Mittagspause noch ein Stück vorwärtskommen. Denn die Haushaltsbesteuerung erledigen wir bestimmt nicht in 25 Minuten. Wir stellen also Ziffer 19 a zurück.
Ziffer 20! - Kein Antrag. Ziffer 21! - Kein Antrag. Wer diesen beiden Ziffern zustimmen will, der gebe ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 22. Hierzu liegt ein Änderungsantrag in Umdruck 202 Ziffer 8 vor. Wer begründet ihn? - Herr Abgeordneter Seuffert, begründen Sie ihn? Oder soll man das mit zur Haushaltsbesteuerung nehmen? Es handelt sich ja um eine Besteuerung der Ehefrau.
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- Stellen wir auch das zurück und nehmen wir es auf den Nachmittag.
Die Ziffern 22 a und 22 b gehören ebenfalls zur Haushaltsbesteuerung. Aber nun, von 23 an, haben wir wieder offenes Meer vor uns.
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- Aber es ist hier von Ehegatten die Rede. Nehmen wir es zusammen.
Jetzt Ziffer 23. Dazu ist kein Änderungsantrag gestellt. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 24. Hier ist ein Änderungsantrag Umdruck 202 Ziffer 9 gestellt.
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- Entschuldigung; das ist nach Ziffer 24. Ich glaube, durch das Labyrinth des Minos war leichter durchzufinden als durch diese Vorlage.
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Also: Ziffer 24 ohne Antrag. Dann stimmen wir über Ziffer 24 ab. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Nun soll zwischen Ziffer 24 und Ziffer 25 eine Ziffer 24 a eingeschoben werden. Dieser Antrag ist auf Umdruck 202 Ziffer 9 gestellt. Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unser Antrag sieht vor, den Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit einen Freibetrag in Höhe von 5 %dieser Einkünfte, mindestens jedoch 240 DM, höchstens 600 DM jährlich, La bewilligen. Die Diskussion in der Öffentlichkeit um die Höhe der Werbungskosten ist auch heute noch nicht verstummt. Der einmal festgesetzte Betrag von 26 DM monatlich entspricht in keiner Weise mehr den heutigen Tarifen und vor allen Dingen den heutigen Kosten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat in seiner Stellungnahme vom 12. Juni dieses Jahres erklärt, daß man eine Annäherung an die Betriebsausgaben finden müsse. In ,der Begründung wird gesagt, daß die Unterscheidung zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben der steuerlichen Gleichbehandlung von Lohnsteuer- und Einkommensteuerzahlern widerspreche. Wenn man nur bedenkt, welche Fülle von Sonderanträgen im Laufe eines Jahres und vor allem am Schluß eines Jahres gestellt werden, weiß man, welche Verwaltungsarbeit mit diesen Sonderanträgen verbunden ist. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, welche Verärgerung vor allen Dingen bei den einzelnen Bevölkerungskreisen über die unterschiedliche Behandlung auch bei den einzelnen Finanzämtern auftritt.
Um aber die Kluft, die zwischen Werbungskosten und Betriebsausgaben vorhanden ist, deutlich sichtbar zu machen, möchte ich darauf hinweisen, daß z. B. das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften in einer Sonderbeilage - ich glaube, es ist die Nr. 6 - dazu sehr eingehend Stellung genommen hat. Wesentlich ist, zu wissen, daß
man über Betriebsausgaben z. B. private Reisen
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verbuchen kann, ja daß - und das ist nachgewiesen - sogar der private Wohnungsbau mitfinanziert wird, wenn Fabrikgebäude und dergleichen errichtet werden. Man braucht gar nicht darüber zu streiten, daß sogar Privatbesitz, d. h. privates Vermögen über Betriebsausgaben finanziert wird. Wir sollten auch nicht vergessen, daß z. B. die Finanzierung von Instituten, der Kauf von Zeitungen und Zeitschriften über Betriebsausgaben abgebucht werden kann. Der Arbeitnehmer dagegen, ganz gleich, in welcher Stellung er sich befindet, muß diese Ausgaben aus seinem eigenen Einkommen bezahlen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß z. B. auch die Nähmaschine der Hausfrau zur Sicherheit der Familie wesentlich beiträgt, ' aber die Hausfrau bzw. ihr Ehegatte keine Möglichkeit hat, sie irgendwo abzuschreiben.
Vergessen dürfen wir auch nicht, daß der Lohn-und Gehaltsempfänger der einzige ist, der unmittelbar, d. h. sofort bei Lohn- bzw. Gehaltsempfang, seine Steuer zahlt. Die Einkommensteuerpflichtigen dagegen zahlen sie vierteljährlich im letzten Monat eines Kalendervierteljahres. Bei steigendem Einkommen werden die Nachzahlungen sogar meist erst im nächsten Jahr fällig, oftmals sogar erst, wenn eine Betriebsprüfung durchgeführt worden ist. Von den Steuerrückständen wissen wir, daß sie im wesentlichen aus der Einkommensteuer resultieren. Man kann praktisch eine solche verspätete Zahlung einem staatlichen Kredit gleichsetzen.
Deshalb müssen wir uns im Parlament darüber klarwerden, daß hier eine Angleichung gefunden werden muß. Wir sind der Meinung, daß dasselbe auf die in selbständiger Arbeit Befindlichen zutrifft. Hier beruht der Gewinn letztlich oder fast ausschließlich nur auf der persönlichen Arbeitsleistung. Betriebskapital wie auch Betriebsvermögen sind kaum vorhanden.
Unter „Betriebsausgaben" werden also Absetzungen getätigt, die in keiner Weise vergleichbar sind mit den Werbungskosten, die die Arbeitnehmer absetzen können. Nach Berechnungen der letzten Jahre sind auf Betriebsausgaben Steuerausfälle von jährlich mehr als 20 vom Hundert zurückzuführen. Ich glaube - und hier spreche ich im Auftrag meiner Fraktion -, daß sich unser Antrag im Rahmen des Möglichen hält, vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, daß die Ausfallberechnungen des Bundesfinanzministeriums und der Institute, aber auch die Berechnungen des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums sehr stark differieren und uns ein großer Betrag noch für solche Fälle zur Verfügung steht. So glauben wir, daß es nur ein Akt der Gerechtigkeit ist, den Lohnsteuerpflichtigen einen Sonderfreibetrag wenigstens in der von uns beantragten Höhe zuzuerkennen. Wir bitten daher um Annahme dieses Antrags.
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Das Wort hat Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausfall, der bei Annahme dieses Antrags entstehen würde, ist auf mindestens 600 Millionen DM zu bemessen. Ich verkenne keineswegs die Gesichtspunkte, die die antragstellende Dame hier dargelegt hat. Aber es käme dabei doch heraus, daß hier eine Art von Sondertarif für Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit geschaffen wird. Wenn darauf Bezug genommen wird, daß andere Steuerpflichtige, insbesondere die Gewerbetreibenden, die Vorteile der Steuervergünstigungen hätten, so ist dazu zu sagen, daß diese Steuervergünstigungen ja ab 1. Januar weitgehend, eigentlich sogar vollständig wegfallen sollen und daß nur ein ganz kleiner Rest davon übrigbleibt.
Was die sozialen Gesichtspunkte betrifft, so darf man doch wohl sagen, daß auch viele, die nicht zu den eben genannten Gruppen gehören, z. B. kleine und mittlere Handwerker, kleine und mittlere Einzelhändler, ebenso einen Anspruch auf steuerliche Schonung haben. Daher glaube ich, daß der Antrag, den der Herr Abgeordnete Neuburger im Finanzausschuß gestellt hat, den richtigeren Weg gegangen ist, nämlich bis zur Grenze von 35 000 oder 40 000 DM eine weitere allgemeine Tarifsenkung über die Regierungsvorlage hinaus zu gewähren, die bekanntlich an die 500 Millionen DM kostet. Was also an dem Antrag berechtigt ist, ist durch den Antrag Neuburger, der vom Ausschuß zum Beschluß erhoben worden ist, schon verwirklicht, und zwar über den Kreis hinaus, der hier gemeint ist.
Aus diesem Grunde darf ich bitten, dem Antrag nicht zuzustimmen. Ein Steuerausfall in der von mir genannten Höhe würde ja in dem Gesamtrahmen überhaupt nicht mehr unterzubringen sein.
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- Ich bin mir dessen bewußt, Herr Dr. Dresbach. Ich darf mir vorbehalten, auf diese Dinge noch etwas ausführlicher zurückzukommen.
Herr Abgeordneter Neuburger, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Begründung, die Herr Staatssekretär Hartmann für die Ablehnung gegeben hat, kann ich mir weitere Ausführungen ersparen. Ich betone nochmals, daß der von mir seinerzeit gestellte Antrag, den Einkommensteuertarif in den unteren Einkommensgruppen und auslaufend bei 36 000 DM zusätzlich zu senken, im wesentlichen durch diesen Antrag veranlaßt war. Wir konnten aber nicht eine neue zusätzliche Steuervergünstigung für gewisse Gruppen geben. Deshalb haben wir uns gesagt: wenn schon, dann müssen diese Steuervergünstigungen alle in den Tarif einmünden. Deshalb die Tarifsenkung über diesen Betrag von rund 500 Millionen DM. Zweimal kann man unmöglich geben! Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst handelt es sich bei diesem Antrag nicht um eine Frage der Tarifsenkung und des Steuerausfalls. Die Frage, die hier angesprochen ist, steht immer neben dem Tarif, wie hoch oder wie niedrig er auch sein möge. Herr Staatssekretär Hartmann hat davon gesprochen, das würde einen Sondertarif für die hier Betroffenen mit dem Arbeitseinkommen aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit bedeuten. Ich halte ihm entgegen, daß wir ja auch ein Sondersteuersystem,
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insbesondere für die Arbeitnehmer mit nicht selbständiger Arbeit haben,
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ein Abzugssteuersystem, das wir sonst nicht haben, und daß wir andere Begriffe haben - es ist in der Begründung des Antrags vorgebracht worden -: Werbungskosten und nicht Betriebsausgaben, daß wir eine ganz andere Art der Zahlung und Erfassung der Steuer haben und daß wir vor allen Dingen alle die Möglichkeiten der Alterssicherung, der Versorgung, die anderen Leuten gegeben sind, nicht haben.
Meine Damen und Herren, Sie haben gegen unsere Stimmen den Verlustvortrag der Gewerbetreibenden auf fünf Jahre ausgedehnt, d. h. für fünf Jahre nehmen Sie dem selbständigen Gewerbetreibenden das Risiko ab, daß er vielleicht auch einmal von Schulden oder aus seinem Vermögen leben muß. Ich frage Sie: wer gibt denn dem selbständig und dem unselbständig Arbeitenden etwas von Steuer wegen dafür, daß er vielleicht auch einmal jahrelang von seinen Ersparnissen oder von Schulden leben muß?
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Der Sonderfreibetrag für Arbeitseinkommen ist im angelsächsischen Steuersystem selbstverständlich und steht neben dem Tarif.
Was nun die Ausführungen über Steuerausfälle anlangt, die hier gemacht worden sind, so muß ich dazu sagen: gut, der Steuerausfall mag ungefähr in der Höhe bestehen - daß das Geld kostet, wissen wir -, aber darüber, daß die Steuer etwas mehr gesenkt werden könnte, als von der Regierung vorgeschlagen worden ist, war man sich doch nicht nur auf allen Seiten dieses Hauses, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit immer einig.
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Die niedrigste Gegenschätzung gegenüber der des Bundesfinanzministeriums lautet ungefähr auf eine Milliarde, die mehr verfügbar ist. Das ist ungefähr die niedrigste Gegenschätzung, die da ist. Wenn aber nun Geld vorhanden ist, so fragt es sich doch eben: für wen hat man dieses Geld übrig? Die zusätzliche Steuersenkung durch den Ausschußtarif, den Neuburger-Tarif, kann man ja zumindest deswegen nicht voll rechnen, Herr Kollege Neuburger, weil das Minus ja durch zusätzliche Steuererhöhungen oder Verschlechterungen gegenüber der Regierungsvorlage kompensiert worden ist. Die Milliarde, die als Mindestmehraufkommen geschätzt worden ist, ist bestimmt noch nicht aufgebraucht. Und wie wir aus Ihren Anträgen ersehen, sind Sie gern bereit, 120 Millionen DM für die gespaltene Körperschaftsteuer oder 30 und einige Millionen DM für die Senkung der Erbschaftsteuer und ähnliche Dinge auszugeben. Warum sollten Sie nicht einen solchen Betrag endlich einmal für die Erfüllung dieser primitivsten Forderung der steuerlichen Gerechtigkeit ausgeben, nämlich der Forderung, diejenigen, die einem Sondersteuersystem unterliegen und die nicht so viele Möglichkeiten haben wie die gewerbliche Wirtschaft, neben dem Tarif mit einem solchen Freibetrag einigermaßen gleichzustellen. Allein zwei Drittel und mehr der Summe, die hier beansprucht wird, werden in der Steuersenkung den paar Einkommen über 50 000 DM zugeschanzt. Dadurch werden vielleicht 3 oder 4 % des Einkommens oder 1/100 % der Steuerpflichtigen betroffen. Warum sollten Sie nicht dieselbe Summe für diejenigen arbeitenden Steuerpflichtigen übrighaben, in denen der Kern unserer Wirtschaftskraft steckt, die nicht nur 90, sondern viel mehr Prozent des Einkommens der Wirtschaft und der Bevölkerung tragen? Ich glaube, da wäre es besser angewandt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe wie der Kollege Neuburger den Worten des Herrn Staatssekretärs nur wenig hinzuzufügen. Ich möchte aber doch bitten, lieber Herr Kollege Seuffert, hier nicht solche Vergleiche zu ziehen, daß Sie diesen Antrag, der zugestandenermaßen etwa 600 Millionen DM kosten wird, in Beziehung setzen zu unserer vorhin beschlossenen Regelung über den Verlustvortrag. Das sind absolut inkommensurable Größen.
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Ich würde Sie bitten, die nicht so sachverständigen Mitglieder dieses Hauses nicht an der Nase herumzuführen. Entschuldigen Sie diesen Ausdruck, aber S i e haben es ja getan, nicht ich, indem Sie solche Vergleiche gezogen haben.
Nachdem ich diesen Vergleich zurückgewiesen habe, möchte ich sagen, daß meine Freunde, die den Antrag der Sozialdemokratie ablehnen werden, davon ausgehen, daß das Rückgrat jeder Steuergesetzgebung der Tarif ist. Dem haben wir auch Rechnung getragen, indem wir seinerzeit im Finanz- und Steuerausschuß dem von Herrn Neuburger beantragten Tarif zugestimmt haben. Jetzt kann man vielleicht lateinisch sagen: res venit ad triarios. Jetzt geht's aufs Ganze! Es handelt sich darum: Wollen wir den Tarif so sehr wie möglich verändern - wobei ich persönlich, wie Sie wissen, der Meinung bin, es ist noch mehr möglich als vorgesehen -, oder wollen wir uns in immerhin wichtigen Randgebieten tummeln? Das letzte halte ich nicht für richtig.
Ich bin auch ,der Meinung, daß der Staatssekretär Hartmann recht hat, wenn er sagt: Das paßt nicht in ,die Systematik. Es sieht zwar für manche Leute philosophisch oder bürokratisch aus, wenn man sich an solche Gesichtspunkte hält. Ich habe aber doch die Erfahrung: wenn man in der Steuer nicht einer gewissen Systematik huldigt, kommt man ins Gestrüpp, und ins Gestrüpp möchten meine Freunde und ich nicht kommen. Deswegen fordere ich Sie auf, sich auf den Tarif zu konzentrieren und die Anträge hinsichtlich der Freibeträge unter der sicheren Voraussetzung abzulehnen, daß in der zweiten und dritten Lesung auch sonst keine Anträge zum Tarif gestellt werden. Ich möchte bitten, doch bei diesem Gesichtspunkt zu bleiben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der letzten Monate, während der Verhandlungen im Finanzausschuß sind uns gerade aus der mittelständischen Wirtschaft und aus mittelständischen Kreisen sehr viele Anträge und Sonderwünsche zugegangen, die sicherlich berechtigt waren. Vor einigen Wochen haben wir uns im Ausschuß im Einverständnis mit den mittelständi({0})
sehen Abgeordneten auf die zusätzliche Tarifsenkung geeinigt, die immerhin wieder 550 Millionen DM kostet. Dafür sollten wir, glaube ich, andere Wünsche zurückstellen. Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir mit dieser Steuerreform nicht alles erreichen können. Wenn wir nun Schritt um Schritt_ etwas weiterkommen, dann sollten wir die anderen Wünsche für die kommende Steuerreform zurückstellen. Sie wissen, wie oft schon von einer laufenden Steuerreform gesprochen worden ist. Meine Fraktion wird den Antrag der SPD ablehnen, eben weil wir, Gott sei Dank, erreicht haben, daß der Hauptwunsch Wirklichkeit wird. Die Tarife werden in den Einkommensgruppen bis zu 36 000 DM nochmals um 550 Millionen gesenkt, und das kommt insbesondere dem gesamten Mittelstand zugute.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Beyer.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich halte es für notwendig, doch noch einmal darauf hinzuweisen, daß der vom Ausschuß gemachte Vorschlag der Tarifsenkung im wesentlichen auf die Absicht zurückzuführen ist, vor allen Dingen die mittleren Einkommensträger an der Tarifsenkung stärker partizipieren zu lassen. Wir haben den Antrag gestellt, zusätzlich einen Freibetrag für Selbständige und Unselbständige einzuführen, weil ein sehr großer Unterschied zwischen Werbungskosten und den Betriebsausgaben der Einkommensteuerpflichtigen besteht. Ich habe vorhin gesagt: das Steueraufkommen vermindert sich bei den Einkommensteuerpflichtigen in Anbetracht der Abschreibungen über Betriebsausgaben um 20 v. H. jährlich. - Der Betrag, der hier in Frage kommt, macht für den Lohnsteuerpflichtigen im Durchschnitt etwa 20 DM monatlich aus. Das ist, glaube ich, in keiner Weise den großen Beträgen gleichzusetzen, die über Betriebsausgaben abgebucht werden. Wir glauben, daß die Mehrheit dieses Hauses diesem an sich berechtigten Vorschlag zustimmen kann. Das ist nicht vergleichbar mit dem Tarif. Ich habe ja darauf hingewiesen, daß gerade die hohen Einkommensgruppen an der Tarifsenkung gemäß der Regierungsvorlage viel stärker beteiligt sind als die unteren Einkommensgruppen. Wir bitten daher, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche nur für mich allein. Die Erklärung für meine Fraktion hat soeben Herr Dr. Wellhausen abgegeben. Ich wollte nicht unerwähnt lassen, daß im großen und ganzen die Kollegen, die nach der Sprecherin der SPD das Wort ergriffen haben, die Dinge nicht ganz richtig gesehen haben. Die Tarifsenkung, die wir im Ausschuß beschlossen haben, bringt zwar steuerliche Erleichterungen; damit ist aber das Problem nicht bereinigt. Wir stehen nun einmal vor der Tatsache, daß bei den freien Berufen und bei den Lohnsteuerpflichtigen die steuerliche Last schwerer wiegt als bei den übrigen, eben weil sie eine Reihe von Milderungsmöglichkeiten - Abschreibungen, Betriebsausgaben und dergleichen - nicht oder nicht in gleichem Maße haben.
Ich darf aus einem immerhin unverdächtigen Buch, „Diskussionsbeiträge zur Großen Steuerreform", einige Sätze verlesen, wenn Sie gestatten, Herr Präsident. Ich lasse bewußt alle schärferen Formulierungen fort, die darin enthalten sind. Dort heißt es auf Seite 61:
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre sind die Arbeitnehmer trotz der materiellen Übereinstimmung des Lohnsteuertarifs mit dem Einkommensteuertarif und trotz der Möglichkeit der Erstattung von Lohnsteuer steuerlich stärker belastet als die veranlagten Einkommensteuerpflichtigen mit dem gleichen Einkommen . . . Durch die elastische Gestaltung der Gewinnermittlungsvorschriften, besonders der Vorschriften über die Bewertung, die Absetzungen für Abnutzung und die Betriebsausgaben, gibt 'das Einkommensteuerrecht diesen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, das Einkommen und dadurch die Einkommensteuer weitgehend zu beeinflussen ... Demgegenüber werden die Lohnsteuereinkünfte durch den Steuerabzug an der Quelle schon bei der Vereinnahmung voll erfaßt und der Besteuerung nach den für sie geltenden wesentlich engeren Vorschriften unterworfen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, durch alle Beratungen der Großen Steuerreform zog sich wie ein roter Faden der Unwille eines großen Teils des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen darüber, daß diese Dinge im deutschen Steuerrecht nicht endlich bereinigt werden. Ich darf darauf verweisen, daß eine Reihe von ausländischen Steuersystemen einen bestimmten Freibetrag für die Einkommen der Freiberuflichen und der Unselbständigen, also der Lohnsteuerzahler, haben, um eben hier den gerechten Ausgleich zu schaffen. Um mehr geht es gar nicht! Ich darf auch daran erinnern, daß wir im Steuerrecht jedenfalls der britischen Zone in den ersten Jahren nach 1945 für freie Berufe und für die Lohnsteuerpflichtigen einen vor Anwendung der Steuertabelle zu berücksichtigenden Jahresfreibetrag von 1000 DM hatten. Der Antrag der SPD bezweckt im Grunde weiter nichts, als diese Regelung, wie sie bei uns bereits gegolten hatte und auch in manchen anderen ausländischen Rechten gilt, bei uns einzuführen.
Ich werde aus diesen sachlichen Erwägungen dem Antrag der SPD - ich selber hatte ihn im Ausschuß ebenfalls gestellt - zustimmen. Ich darf bemerken: für den Fall, daß der Antrag abgelehnt werden sollte und damit für diese Steuerreform sozusagen verlorenginge, würde ich das Hohe Haus sehr bitten, in die Entschließung, die für die dritte Lesung noch vorbereitet wird, auf jeden Fall auch diesen Punkt einzubeziehen.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Miessner hat auf die sogenannten Diskussionsbeiträge Bezug genommen. Diese Diskussionsbeiträge stellen den Bericht des sogenannten Troeger-Ausschusses dar, des von den Finanzministerien der Länder für die Vorbereitung der Steuerreform eingesetzten Ausschusses, dessen Vorsitz kein Geringerer als Herr Finanzminister Dr. Troeger hatte. Aber ich glaube, diese Bezugnahme führt zu etwas ganz anderem, als
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was Herr Dr. Miessner sagen wollte: der Bundesrat hat diese Vorschläge seines eigenen Ausschusses, des Ausschusses der Länderfinanzminister, in seiner Stellungnahme zur Regierungsvorlage nicht übernommen, hat also den Argumenten nicht das Gewicht beigemessen, das Herr Dr. Miessner ihnen beigelegt hat.
Nun möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. Es gibt viele Dinge, die wünschbar sind. Man kann sie jedoch nur im Rahmen des Möglichen verwirklichen. Der Herr Berichterstatter zu diesem Gesetz hat heute morgen schon dargelegt, daß der Ausschuß das Minderaufkommen aus der Steuerreform von 2,4 Milliarden DM um über 700 Millionen DM erweitert hat. Im Ausschuß sind in einigen Punkten früher gefaßte Beschlüsse rückgängig gemacht worden. Davon ist aber ein Teil - das ist ja kein Geheimnis und wird sich aus der späteren Beratung ergeben - schon wieder in Frage gestellt. Nach den Beschlüssen des Hohen Hauses zur Finanzreform von heute morgen würde der Bund 30 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer bekommen, die Länder aber 70 %. Das bedeutet, daß die Länder mehr als das Doppelte des Ausfalls zu tragen haben würden, der auf den Bund entfällt.
Es müßte doch wohl das gemeinsame Bestreben sein, daß der Bundesrat in seiner Sitzung vom 3. Dezember wegen der Steuerreform nicht den Vermittlungsausschuß anruft; wegen der Finanzreform wird er ihn ja leider voraussichtlich anrufen. Würde der Bundesrat wegen der Steuerreform den Vermittlungsausschuß anrufen, dann könnte er bestenfalls, wenn im Vermittlungsausschuß eine Einigung zustande kommt, am 17. Dezember darüber beraten. Dann würde vielleicht am Tage vor Weihnachten dieser komplizierte Gesetzestext im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Dadurch würden gerade für die Lohnsteuerpflichtigen bei der Auszahlung des Januargehalts, das üblicherweise ein paar Tage vor Weihnachten gezahlt wird, die Steuersenkungen überhaupt nicht mehr zur Anwendung kommen. Ich möchte doch bitten, eine möglichst reibungslose Verabschiedung gerade der Einkommensteuervorlage im Bundesrat auch dadurch zu ermöglichen, daß von weiteren Anträgen in diesem außerordentlichen Umfange, um den es sich hier handelt, abgesehen wird. Es ist sonst nicht abzusehen, wie allein schon durch die Stellungnahme des Bundesrates eine rechtzeitige Verabschiedung vor Weihnachten, ein Inkrafttreten zum 1. Januar 1955 überhaupt noch möglich sein soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Eckhardt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, das wir hier diskutieren, scheint mir so bedeutsam, daß ich mir doch einige ergänzende Hinweise erlauben möchte. Es ist unzweifelhaft so, daß der Arbeitnehmer im deutschen Steuerrecht durch den Steuerabzug vom Arbeitslohn wesentlich schärfer erfaßt wird als der veranlagte Steuerpflichtige. Das ist jedem klar. Auch wir halten das für bedauerlich.
Auf der anderen Seite sollte hervorgehoben werden, daß die freien Berufe und manche andere Steuerpflichtige auch nicht immer unter sehr leichten Bedingungen Steuern zahlen müssen. Es handelt sich hier darum, in welchem Maße vielleicht Gewerbetreibende, Angehörige freier Berufe und dergleichen auch schlechtergestellt sein können als
der Lohnsteuerpflichtige. Einmal ist das Maß der Abschreibungen - das ist hier richtig hervorgehoben worden - wenigstens in einem gewissen Umfange in das Belieben des Unternehmers gestellt. Es ist aber durchaus nicht so, als ob das immer ein Vorteil für den Unternehmer wäre. Die Entscheidung des Unternehmers kann sich auch in erheblichem Maße zu seinem Nachteil auswirken. Das ist in früherer Zeit auch geschehen. Als man beispielsweise 1934 dem Unternehmer ermöglichte, kurzlebige Wirtschaftsgüter sofort abzuschreiben, haben sehr viele Gewerbetreibende davon Gebrauch gemacht, obwohl sich später zeigte - und dem Einsichtigen war das klar -, daß die Steuersätze erhöht wurden, als nichts mehr abzuschreiben war. Dadurch hat der Unternehmer damals zweifellos eine viel höhere Last getragen.
Es gibt aber noch andere Umstände, die hier ebenfalls um des Prinzips der Gerechtigkeit willen erwähnt werden müssen. Die Unternehmer unterliegen alle insofern auch einer schärferen Erfassung als der Lohnsteuerpflichtige, als sie grundsätzlich Betriebsprüfungen und Nachschauungen unterworfen sind, manchmal auch Steuerfahndungen, die durchaus nicht immer berechtigt sein müssen. Diese Betriebsprüfungen, Nachschauungen und Steuerfahndungen greifen oft so sehr nicht nur in die wirtschaftlichen, sondern auch in die persönlichen Verhältnisse des Unternehmers ein, daß man hier auch schon von einer besonderen Härte des steuerlichen Verfahrens sprechen muß, einer Härte, wie sie fast nur im deutschen Steuerverfahren und nicht im Ausland gegeben ist.
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Nur eben um der Gleichmäßigkeit willen möchte ich darauf hinweisen, daß man nicht ohne weiteres von einer absoluten Schlechterstellung des einen und des anderen reden kann.
Ich habe trotzdem sehr viel Verständnis für den Antrag, der hier gestellt worden ist. Aber leider ist das Steuerrecht ein zwiespältiges Gebilde, weil es nicht nur unter dem Gedanken des Rechts steht, sondern auch unter dem Gedanken des finanziellen Haushaltsausgleichs, also des Staatsbedarfs. Ich selbst bin der Meinung, daß man in der Steuerpolitik und im Steuerrecht zwar die Grundsätze der Gerechtigkeit und Gleichmäßigkeit den fiskalischen Erwägungen überordnen sollte; aber das wird leider nur in einem längeren Zeitraum möglich sein, d. h. wir sind noch nicht so weit.
Die vorliegende Reform ist - wir werden uns in diesem Hause darüber einig sein - weder organisch noch groß, noch handelt es sich um eine historische Tat, wie damals im März gesagt wurde. Es ist nichts weiter als eine erneute Kleine Steuerreform. Dieser Kleinen Steuerreform werden andere folgen müssen, und wir müssen, wenn uns heute fiskalische Beweggründe mehr bestimmen, als uns im Herzen lieb ist, in den nächsten Monaten und Jahren daran gehen, eine weitere Neugestaltung in ,dem Sinne vorzubereiten, in dem der Vorsitzende des Finanzausschusses öfters davon gesprochen hat, nämlich .daß wir im Zeichen einer laufenden Steuerreform stehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Eckhardt habe ich eigentlich nur noch einen einzigen Satz hinzuzufügen: Ich achte die abweichende Meinung meines Fraktionsfreundes Miessner. Das soll ja bei der FDP öfter vorkommen.
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- Ich meine nicht die abweichende, - ({1})
- Nein, nein, meine Herren, Sie haben mich ganz falsch verstanden. Ich meine, die Achtung der abweichenden Meinung eines Fraktionsmitgliedes soll bei der FDP öfter vorkommen, und daran könnten sich vielleicht gewisse Leute in diesem Hause und auch der Abgeordnete Struve ein Beispiel nehmen!
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Aber mein abweichender Kollege Miessner hat ein sehr richtiges Wort gesprochen, und seien Sie mir nicht böse, wenn ich das aus seinen abweichenden Ausführungen besonders hervorhebe. Er hat nämlich gesagt: Die Tarifermäßigung ist eine Erleichterung für alle. - Was ist denn unsere Aufgabe als Volksvertreter? Ist unsere Aufgabe, diesem oder jenem Sondergewerbe Rechnung zu tragen? Nein, unsere Aufgabe besteht darin, Erleichterungen für alle zu schaffen. Das bitte ich Sie zu tun.
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Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur damit falsche Dinge nicht unwidersprochen im Raume stehenbleiben: Dem Herrn Kollegen Dr. Wellhausen darf ich zu seinen früheren Ausführungen immerhin noch einmal sagen, daß ich natürlich die Frage dieses Arbeitsfreibetrags mit der Frage des Verlustvortrags nicht zahlenmäßig verglichen habe. Ich habe vielmehr die zusätzliche Regelung des Verlustvortrags als ein Beispiel für die vielen Fälle angeführt, in denen eine Schlechterstellung des Arbeitenden gegenüber dem Gewerbetreibenden vorliegt.
Zu Ihren letzten Ausführungen, Herr Dr. Wellhausen: Wir sollten uns nach den guten Grundsätzen der Freien Demokratischen Partei eine solche Debatte angewöhnen, daß Sie sich, wenn ich darüber Ausführungen mache, daß das in der Tat ein Problem ist, das immer n e b en dem Tarif liegen muß, doch wohl nicht den Beifall des Hauses damit verdienen können, daß Sie sagen: Der Tarif ist für alle!
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Das liegt immer neben dem Tarif und das muß immer neben dem Tarif liegen. Darauf sind Sie allerdings nicht eingegangen.
Die Dinge, die Herr Staatssekretär Hartmann hier gesagt hat, möchte ich nicht zu widerlegen versuchen. Ich glaube, daß es genügt, der Beachtung der Öffentlichkeit zu empfehlen, daß er diesem Problem gegenüber ausgerechnet darauf hinweist, daß die Länder an dieser Steuer interesssiert sind. Wir wissen sehr wohl, daß das Bundesfinanzministerium sein Steuersystem hauptsächlich nach dem Gesichtspunkt einteilt: Was geht in meine Kasse und was geht in andere Kassen? Aber
ich glaube, das ist kein Gesichtspunkt, von dem (' man hier ernsthaft ausgehen kann.
Die Gefahr, daß der Bundesrat einem Beschluß des Bundestages in diesem Falle widerspricht, besteht nicht, Herr Staatssekretär Hartmann. Das wissen Sie, glaube ich, sehr wohl.
Ihr Hinweis darauf, es bestehe die Gefahr, daß die Arbeitnehmer nicht schon mit dem Januar-Gehalt, sondern erst mit dem Februar-Gehalt in den Genuß dieser Dinge kämen, und die Tatsache, daß Sie damit die Beratung aufhalten wollen, können nur der Beachtung der Öffentlichkeit empfohlen werden, Herr Staatssekretär Hartmann.
Das einzige, was ich gewissermaßen als Trost für die Ablehnung, die Sie unserem Antrag zuteil werden lassen, den Ausführungen einiger Redner wie denen des Kollegen Eckhardt entnommen habe, ist, daß man bei der nun offenbar allgemein beabsichtigten laufenden Steuerreform auf die Sache zurückkommen will. Sie können versichert sein, meine Damen und Herren: wir werden auf diesen Antrag immer wieder zurückkommen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Umdruck 202 Ziffer 9. Wer für diesen Antrag ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, jetzt die Mittagspause eintreten zu lassen. Wir hatten verabredet: 2 Stunden. Ich schlage Ihnen vor, wir bleiben bei 2 Stunden und kommen wieder zusammen um 15 Uhr 15.
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Die Sitzung wird um 15 Uhr 18 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Tagesordnung fort. Gemäß der Absprache dieses Vormittags ist nunmehr die
Wahl des Präsidenten des Bundestages
vorzunehmen.
Art. 40 des Grundgesetzes bestimmt.
Der Bundestag wählt seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Er gibt sich eine Geschäftsordnung.
Der Präsident übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. Ohne seine Genehmigung darf in den Räumen des Bundestages keine Durchsuchung oder Beschlagnahme stattfinden.
§ 2 der Geschäftsordnung besagt:
Der Bundestag wählt mit verdeckten Stimmzetteln in besonderen Wahlhandlungen den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages.
Gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen der Mitglieder des Bundestages erhält. Ergibt sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, so können für einen zweiten Wahlgang neue Bewerber vorgeschlagen wer({0})
den. Ergibt sich auch dann keine Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, so kommen die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des amtierenden Präsidenten.
Es besteht Einverständnis darüber, daß § 2 der Geschäftsordnung so auszulegen ist, daß gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages bekommt.
Die Wahlhandlung hat mit verdeckten Stimmzetteln stattzufinden. Die Stimmen werden nach Aufruf des Namens abgegeben.
Ich bitte um Vorschläge. Herr Abgeordneter
von Brentano!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union schlage ich als Präsidenten des Deutschen Bundestages den Abgeordneten D r. Gerstenmaier vor.
Werden weitere Vorschläge gemacht? - Das ist nicht der Fall. Wir schreiten zur Wahlhandlung. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Namen der Abgeordneten zu verlesen. Die Urne befindet sich in der Mitte des Saales.
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Meine Damen und Herren, die Namen sind verlesen. Ich frage: Ist der Name eines der Anwesenden nicht verlesen worden? - Das ist nicht der Fall. Hat ein Mitglied dieses Hauses seine Stimme noch nicht abgegeben? - Das ist nicht der Fall mit Ausnahme des Präsidiums, das nunmehr abstimmt. Darf ich bitten. - Die Abstimmung ist geschlossen.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
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Ich unterbreche die Sitzung bis zum Abschluß der Auszählung. Das Haus wird durch das Glockenzeichen wieder zusammengerufen.
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Die Sitzung wird um 16 Uhr 23 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Das vorläufige Ergebnis der Auszählung lautet: Es wurden abgegeben 426*) Stimmzettel. Davon entfielen auf den Vorschlag Dr. Gerstenmaier 208**) Stimmen, auf den Abgeordneten Lemmer 41, .auf die Abgeordneten Dr. Dresbach und Dr. Hellwig je eine, ,die Abgeordneten Kiesinger und Schmid je eine. Leere Stimmkarten wurden 172 abgegeben, ungültige Stimmkarten eine, macht zusammen 426. Damit hat der Vorschlag Dr. Gerstenmaier nicht die absolute Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages erzielt.
Die Geschäftsordnung sieht für diesen Fall vor: Ergibt sich im ersten Wahlgang keine Mehr-
*) Endgültiges Ergebnis: 424 abgegebene Stimmzettel. **) Endgültiges Ergebnis: 206 Stimmen.
heit, so können für einen zweiten Wahlgang neue Bewerber vorgeschlagen werden.
Ich frage das Haus - ({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Interesse des Hauses und im Interesse des neuzuwählenden Präsidenten bitten wir um Unterbrechung der Sitzung für eine Stunde.
Ist das Haus einverstanden?
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- Dann wird die Sitzung unterbrochen. Der Bundestag tritt wieder zusammen um 17 Uhr 30.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund der Verantwortung, die ich als Vorsitzender des Finanz- und Steuerausschusses zu haben glaube, die ich jedenfalls in mir fühle, stelle ich den Antrag, den Wahlakt, den wir soeben unterbrochen haben, heute nicht fortzusetzen, sondern in der zweiten Beratung der Finanz- und Steuerreform fortzufahren.
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Wenn ich recht verstanden habe, handelt es sich nicht darum, den Punkt abzusetzen - womit er ja erledigt wäre -, sondern darum, den zweiten und eventuell den dritten Wahlgang zu vertagen.
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- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone!
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich glaube, es entspricht nicht der Würde dieses Hauses, wenn wir diesen Punkt in diesem Augenblick von der Tagesordnung absetzen. Ich bin der Meinung, daß wir entsprechend dem Brauch, der in den Parlamenten des Reiches und auch nach 1945 gang und gäbe war, auch hier verfahren. Ich bedaure, daß es zu dieser Spannung gekommen ist.
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Wir haben von uns aus alles versucht, - ({1})
Ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen!
- alles versucht, und zwar auch entsprechend dem Brauch bei der Wahl des Präsidiums, des gesamten Präsidiums dieses Bundestags, wobei von jeder Fraktion unterstellt worden ist - von einer jeden! -, daß sie nur einen Vorschlag macht, der vom ganzen Hause auch gebilligt werden kann.
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({1})
Wir haben in dieser Weise auch bei der Wahl des Präsidiums verfahren, und wir haben in keiner Weise einen Zweifel in die Vorschläge anderer Fraktionen gesetzt.
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Ich habe hier namens meiner Fraktion die Meinung zu vertreten, daß wir entsprechend diesem Brauch und dieser Einstellung, die bisher im ganzen Hause üblich waren, verfahren.
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Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Menzel, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Gepflogenheiten dieses Hauses stellt in der Tat die stärkste Fraktion den Präsidenten des Bundestags. Wir erkennen das auch für die heutige Wahl an. Die stärkste Fraktion stellt jedoch den Präsidenten nicht für sich allein, sie stellt ihn für das gesamte Parlament!
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Daher bedauern wir es lebhaft, daß der heutige Vorschlag allen übrigen Fraktionen - nicht nur der unseren - erst am Tage vor der Wahl kurzfristig mitgeteilt worden ist, ohne daß die CDU/ CSU-Fraktion die übrigen Fraktionen dieses Hauses vorher um ihre Meinung gefragt hat.
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Niemand von uns nimmt etwa das Recht in Anspruch, den Kandidaten zu benennen, den eine andere Fraktion vorzuschlagen hätte. Darum geht es aber hier auch gar nicht. Dieses Recht der stärksten Fraktion - und, Herr Kollege Krone, Sie haben eben mit Recht gesagt, daß Sie darauf Wert legen, einen Kandidaten zu benennen, der die Aussicht hat, vom ganzen Hause gebilligt zu werden - setzt aber voraus, daß die bisherigen Gepflogenheiten dieses Hauses anerkannt werden;
({2}) und das ist leider nicht geschehen.
({3})
Nicht nur in den Länderparlamenten, auch im Bundestag war es bisher üblich, über den für den Posten des Präsidenten des Parlaments in Aussicht genommenen Anwärter vorher mit den übrigen Fraktionen Fühlung zu nehmen. Diese Praxis besteht seit dem ersten Tage dieses Bundestages und hat seit dem ersten Tage des 1. Bundestages bestanden. Es geschah auf Grund eines damals noch vorhandenen politischen Taktgefühls, wie man eine solche Sache anfaßt.
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Mit dem heutigen Vorgehen haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion - wieder einmal pochend auf Ihre absolute Mehrheit in diesem Hause -, entgegen dem Wunsch aller übrigen Fraktionen, d. h. auch der Regierungsparteien, ein sehr unerfreuliches Präjudiz geschaffen. Sie haben das auch vorher gewußt, Sie haben das ausdrücklich gewollt, und das bedauern wir.
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Das Wort hat der Abgeordnete Krone zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich in keine Polemik einlassen. Ich will nur feststellen, daß wir in keiner Weise auf das Recht der Mehrheit dieses Hauses pochen. Ich stelle ferner zum Tatsächlichen fest, daß der stellvertretende Fraktionsvorsitzende mit allen Fraktionen dieses Hauses, auch mit der Opposition, gestern die Fühlung aufgenommen hat.
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Ich stelle fest, daß zwischen dem Geschäftsführer der sozialdemokratischen Fraktion und dem Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion am Sonnabend ein Gespräch stattgefunden hat, das sich mit diesen Fragen befaßt hat. Außerdem haben wir gestern im Ältestenrat gesagt, daß wir die Wahl nicht heute morgen durchführen möchten, sondern nachdem den Fraktionen über Mittag die Möglichkeit gegeben sein würde, dazu Stellung zu nehmen. Das ist gestern im Ältestenrat von allen Fraktionen angenommen worden.
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Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besprechung, die ich am letzten Sonnabend mit Herrn Kollegen Krone hatte, endete damit, daß ich lediglich die Mitteilung entgegennehmen durfte, die Fraktion der CDU/CSU werde am Montag um 14 Uhr zu Punkt 1 auf der Tagesordnung ihrer Fraktionssitzung den Bundestagspräsidenten wählen lassen. Mein Hinweis auf die Gepflogenheiten des Hauses und - ich muß wiederholen, was ich vorhin schon angedeutet habe - darauf, daß schließlich jeder von uns ein Interesse daran habe, einen Präsidenten zu wählen, der möglichst einstimmig von diesem Hause gekürt wird, war vergeblich.
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Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion hat sich am Montag auf diese Feststellung, daß zwei Stunden später von seiner Fraktion gewählt werde und wir dann darüber formell noch unterrichtet werden würden, beschränkt. Auch der amtierende Präsident hat gestern in der Ältestenratssitzung, als Herr Kollege Krone den Wunsch seiner Fraktion anmeldete, heute den Präsidenten zu wählen, seinem, ich glaube sagen zu dürfen, Erstaunen Ausdruck gegeben, daß das zu schnell. komme, und er bedauerte, daß nicht vorher Besprechungen und eine Fühlungnahme mit den Fraktionen stattgefunden hätten. Und, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, wenn Sie wirklich gewillt gewesen wären, dem in etwa Rechnung zu tragen, was ich vorhin gesagt habe, nämlich hier eine Verständigung herbeizuführen, dann hätten Sie vorhin unseren Antragung auf Vertagung angenommen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Wellhausen. Ich wiederhole: es handelt sich nicht darum, den
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Punkt abzusetzen, also zu erledigen, sondern darum, den zweiten und eventuell dritten Wahlgang zu vertagen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es läßt sich hier im geschäftsführenden Präsidium keine Einigung erzielen. Wir müssen zum Hammelsprung schreiten. Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen.
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Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
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Meine Damen und Herren, eine betrübliche Mitteilung: der Hammelsprung muß wiederholt werden. An einer Tür bestanden Zweifel, ob die Berliner Abgeordneten mitstimmen dürfen.
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Sie dürfen natürlich mitstimmen. Es handelt sich um eine Angelegenheit des Hauses, in der es keine Unterschiede zwischen den Abgeordneten gibt. Es tut mir leid - um uns alle -, daß ich Sie um Wiederholung bitten muß.
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Ich bitte, die Türen zu schließen. - Herr Abgeordneter Gerstenmaier beteiligt sich offenbar nicht an der Abstimmung. Er hat damit das Privileg, als einziger in diesem Saale zu bleiben.
Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
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Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren! Dies ist das Ergebnis der Auszählung: Es haben sich an der Abstimmung 407 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 185, mit Nein 221, enthalten hat sich ein Mitglied des Hauses. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir fahren in der Wahlhandlung fort. Ich bitte um Vorschläge. - Herr Abgeordneter Krone!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen für den zweiten Wahlgang Herrn Dr. Gerstenmaier vor.
Das Wort hat Abgeordneter Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die kleinste Fraktion dieses Hauses, die Vertreter Berlins haben den Wunsch, dem Haus die Entscheidung dadurch zu erleichtern, daß wir für den zweiten Wahlgang den Berliner Abgeordneten Ernst Lemmer vorschlagen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß es bisher nicht üblich war, daß eine andere Fraktion einen Vorschlag dieser Art macht.
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Zum zweiten: Ich stelle ferner fest, daß der Abgeordnete Lemmer mir bereits Ende voriger Woche von sich aus telefonisch gesagt hat, daß er
jede Nominierung, die von einer anderen Seite käme, ablehne. Diese Tatsache hat er auch soeben in einem Gespräch bestätigt.
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Meine Damen und Herren, dieser Fall ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen.
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Ich bin als Präsident verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen. Es sind zwei Vorschläge gemacht worden. Über beide Vorschläge muß abgestimmt werden. Wenn einer der Kandidaten, auf den die Mehrheit der Stimmen entfallen sollte, die Wahl nicht annehmen will, so hat er diese Erklärung nach der Wahl abzugeben. Es kann niemand gehindert werden, jemanden zur Wahl vorzuschlagen, auch wenn der Vorgeschlagene erklärt haben sollte, er kandidiere nicht.
Wir schreiten zur Wahl. Ich bitte, die Namen der Abgeordneten zu verlesen.
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Meine Damen und Herren, die Namen sind verlesen. Ist der Name eines Mitgliedes dieses Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, nicht verlesen? - Das scheint nicht der Fall zu sein; dann stimmt das geschäftsführende Präsidium ab.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Ende der Auszählung wird diese Verhandlung ausgesetzt. Das Haus wird durch ein Glockenzeichen wieder zusammengerufen.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort. Das vorläufige Ergebnis der Auszählung ist: Es wurden abgegeben 413 *) Stimmzettel. Davon entfielen auf den Vorschlag D. Dr. Gerstenmaier 206**), auf den Vorschlag Lemmer 191, eine Stimme ist auf den Abgeordneten Schmid ({0}) entfallen, 15 Stimmzettel blieben leer. Damit ist eine Entscheidung wiederum nicht erfolgt.
Wir müssen zu einem dritten Wahlgang schreiten. Die Geschäftsordnung sieht vor:
Ergibt sich auch dann
- beim zweiten Wahlgang keine Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Bundestages, so kommen die beiden Anwärter mit den höchsten Stimmenzahlen in die engere Wahl. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los durch die Hand des amtierenden Präsidenten.
Wir werden im dritten Wahlgang nun lediglich zwischen den beiden Anwärtern D. Dr. Gerstenmaier und Lemmer zu entscheiden haben.
Ich bitte, die Namen aufzurufen.
({1})
Meine Damen und Herren, es sind nunmehr alle Namen verlesen. Ist
ein Name nicht verlesen worden? - Dann stimmt das Präsidium ab. *) Endgültiges Ergebnis: 414 abgegebene Stimmzettel.
**) Endgültiges Ergebnis: 207 Stimmen.
({0})
Meine Damen und Herren, ehe wir mit der Auszählung beginnen, eine geschäftsordnungsmäßige Mitteilung. Die Fraktionen haben vereinbart, daß nach der Wahlhandlung nicht weiter verhandelt werden soll und daß mit der Beratung der Steuer-und Finanzgesetze Donnerstag vormittag um 9 Uhr wieder begonnen werden soll. Die dritte Lesung findet unabhängig von diesen Dingen am Freitag statt. Weiter soll auf die Tagesordnung von Donnerstag gesetzt werden der Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik Drucksache 860. Es handelt sich um eine Änderung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft. Ich bitte, das Material zum Finanzgesetz wieder mitzubringen; es kann nicht wieder verteilt werden.
Wir fahren in der Wahlhandlung fort. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung um 10 Minuten, bis die Auszählung beendet ist.
({1})
Die Sitzung wird um 20 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Wahlhandlung fort. Dies ist das Ergebnis der Auszählung: Es wurden 409 Stimmzettel abgegeben. Davon entfielen auf den Vorschlag D. Dr. Gerstenmaier 204, auf den Vorschlag Lemmer 190, leere Stimmzettel 15.
Herr Abgeordneter Gerstenmaier, nehmen Sie die Wahl an?
Ich nehme die Wahl an.
Damit sind Sie gemäß Art. 40 des Grundgesetzes und § 2 der Geschäftsordnung der ordnungsgemäß bestellte Präsident des Bundestages mit den sich aus dem Grundgesetz sowie den Gesetzen und Ordnungen der Bundesrepublik ergebenden Rechten und Pflichten.
Herr Präsident, Sie übernehmen ein hohes Amt,
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dessen Ehren und Bürden gleichermaßen schwer wiegen. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Wahl.
Dieses Amt ist das zweite in der Ämterfolge der Bundesrepublik. In Ihrer Hand wird künftig die Ordnung der Arbeiten dieses Hauses ruhen. Sie werden die schwierige Kunst üben müssen, auf einem Feld, dessen Gesetz der Wettbewerb und oft der Kampf ist, Gerechtigkeit allen widerfahren zu lassen und jedem das Seine zu geben. Ihnen wird künftig auferlegt sein, die Würde des Parlaments zu wahren und über seine Rechte und Prärogativen zu wachen und sie gegen Unzumutbares und Unziemliches zu verteidigen. Ein bedeutender Vorgänger hat einen geraden Weg zum rechten Ziel gewiesen. Schreiten Sie auf diesem Wege fort. Die guten Wünsche des Hauses begleiten Sie, und die Loyalität aller seiner Mitglieder wird Ihnen zur Seite stehen.
Ich bitte Sie, Ihren Platz einzunehmen.
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Meine Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Zögernd und gewiß gegen schwere persönliche Bedenken trete ich nach dieser Wahl das Erbe des großen toten Präsidenten des Deutschen Bundestages an. Im Anblick des Vermächtnisses, das er hinterlassen hat, ehrt mich der an mich ergangene Ruf noch mehr, als er es ohnehin täte.
Das Gesetz dieses Hauses verlangt von seinem Präsidenten, daß er die Würde und die Rechte des Bundestages wahre und seine Verhandlungen gerecht und unparteiisch leite. Die Geschichte der deutschen Demokratie hat gezeigt, welche Bedeutung ihrem Parlament über das geschriebene Recht hinaus zukommt für das Leben und die Staatsgestaltung der Nation. Als Hermann Ehlers, zum zweiten Male gewählt, diesen Stuhl einnahm, sagte er, daß es uns gemeinsames Anliegen sein müsse, die besondere Stellung des Parlaments in der Ordnung unseres Volkes zu wahren, sie mit Leben zu erfüllen und sie notfalls auch zu verteidigen.
Ich denke, meine Damen und Herren, daß es auch hinfort Ihr gemeinsamer Wille ist, keinen, der sich ernst und entschieden an diese Aufgabe begibt, dabei allein zu lassen.
Dieses Parlament der Deutschen hat seinen Rang und seine Würde nicht nur von der Macht, die ihm nach dem Willen unseres Volkes gegeben ist. Dieses Parlament hat seinen Rang und seine Würde vor allem darin, daß es gesonnen ist, die Freiheit und das Recht nicht nur zu proklamieren, sondern unter allen Umständen auch zu praktizieren in der Gestaltung des Staates, in der Gesetzgebung und in der Kontrolle der Verwaltung. Die Würde dieses Hauses beruht deshalb nicht darin, eine Stätte weihevoller Harmonie zu sein. Dieses Haus ist weder der feierlichen Zeremonie noch dem repräsentativen Auftreten der politischen Prominenz gewidmet. Die Würde und der Rang dieses Hauses beruhen allein darin, daß hier frei gewählte Männer und Frauen in der heißen Mühsal des Alltags gegen oft gewaltige Widerstände nach bestem Wissen und Gewissen einen festen, klaren Weg für ihr Volk suchen, daß sie Entscheidungen treffen, die vor dem Urteil der gerecht Denkenden bestehen können.
Nicht das geglückte Wort und die gelungene Rede, sondern die vor Gott und der Geschichte bestehende Tat der Entscheidung gibt diesem Hause Rang und Würde. Daß darum gekämpft, daß darum gerungen wird, das ist nicht mehr als recht und billig. Es mindert nicht die Würde dieses Hauses, daß es die Stätte der freien, ungeschminkten Aussprache, der zuweilen harten, aber immer genau und sachlich zu führenden Auseinandersetzung ist. Dieses Parlament muß von dem deutschen Volk verlangen, daß es auch die hin und wieder scharfe, aber glücklicherweise meist unpathetische Auseinandersetzung in diesem Hause würdigt als einen redlichen Ausdruck des Bemühens um die rechte Entscheidung, um den rechten Weg für unser Volk in den Fährlichkeiten der Zeit. Das eilfertige Wort vom „Gezänke der Parteien" stammt aus einer bösen Zeit und ist weit seltener am Platze, als die, die es im Munde führen, meinen. Es ist wahr, die politischen Gegensätze in diesem Hause sind scharf und vielleicht vielfältiger, als sie auf den ersten und zweiten Blick hin erscheinen. Ich glaube nicht, daß das immer und unter allen Umständen so sein muß. Aber es ist auch
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wahr und es darf in einem solchen Augenblick auch ausgesprochen werden, daß dieses ganze Parlament mit allen seinen verschiedenartigen Fraktionen gemeinsam und entschieden auf den Fundamenten des freiheitlichen Rechtsstaates steht.
In der edlen, klassisch gefugten Rede, die der Erste Vizepräsident dieses Hauses vor kurzem hier auf den toten Präsidenten gehalten hat, ist unüberhörbar etwas in Erscheinung getreten, dessen sich das deutsche Volk im Blick auf sein Parlament noch mehr bewußt werden darf, und das ist dies: daß über alle notwendigen und auch nicht notwendigen Meinungsverschiedenheiten hinaus alle hier vertretenen Kräfte und Fraktionen der Freiheit, dem Recht und der Wohlfahrt des ganzen deutschen Volkes in West und Ost von Herzen zugetan sind.
Es gehören freilich Geduld und unverstopfte Ohren dazu, um hinter der Geräuschkulisse der täglichen parlamentarischen Arbeit diesen Grundton zu vernehmen. Dieses Parlament, gebunden an die Verfassung, gewährleistet die Freiheit des Einzelnen und das verbriefte Recht des Einzelnen und des Volkes. Aber dieses Parlament kann darum auch nicht darauf verzichten, daß für die Freiheit, für die freiheitliche Ordnung unseres Volkes Opfer gebracht werden. Denn noch immer ist diese Welt so beschaffen, daß das Wort gilt: Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst!
Darin, meine Damen und Herren, scheint mir weit über die ihm von der Verfassung zugestandene Macht hinaus und erst recht über die Eleganz der parlamentarischen Routine hinaus die Würde und das Recht des Parlaments begründet zu sein. Je klarer wir so unser parlamentarisches Tun und Lassen begreifen, desto mehr werden wir dazu beitragen, daß unser Volk und sein Parlament sich denkbar nahe kommen.
Das aber muß uns am Herzen liegen, weil ohne das wache Bewußtsein der Mitverantwortung aller für das Schicksal des ganzen Volkes ,die Demokratie nicht bestehen kann. Die meisten Völker der Erde, sicher aber wir Deutschen, sind tief hineingezogen in den Kampf der Massenwelt um ihre Form. Von den Fundamenten des freiheitlichen Rechtsstaates aus kann dieser Kampf nur geführt werden in der Verteidigung der Freiheit des Einzelnen und der gewachsenen Gemeinschaften, und er darf nur geführt werden mit dem Ziel, den Vorrang des Rechts vor der Macht zu sichern.
Sein Sinn ist nicht möglichst viel, sondern möglichst wenig Staat, das Notwendige aber klar, fest und gerecht.
Wenn uns dazu auch in unserer parlamentarischen Arbeit etwas nottut, dann ist es Toleranz. Damit ist nicht jene unbeteiligte Indifferenz gemeint, die sich gleichermaßen von der Wahrheitsfrage wie von der persönlichen Verantwortung dispensiert. Es ist damit gemeint eine Haltung, die über subjektive Gefühlslagen und persönliches Wohlwollen hinaus im Willen und im Bewußtsein verankert ist. Toleranz ist nicht gleichbedeutend mit der Anfälligkeit zu faulen Kompromissen, sondern mit der Bereitschaft zum sachgerechten vertretbaren Ausgleich. Toleranz heißt in unserm Bereich vor allem Verzicht auf Prestigepolitik und den Versuch, dem Gegner das Gesicht und die Chance der Wahrheit zu nehmen.
Ich darf das an einem Beispiel zur Darstellung bringen, das zugleich in Erinnerung ruft, daß alle
Toleranz auch Grenzen hat. Unser Volk hat schwer gelitten, nicht nur unter den äußeren Ereignissen und Folgen einer fluchwürdigen Tyrannei, sondern auch unter den inneren Folgen. Dazu gehört das verwundete Gewissen vieler ehemaliger Gefolgsleute des Nationalsozialismus. Wir haben in diesem Hause getan, was wir konnten, um nicht nur der äußeren Wiedervereinigung unseres Volkes zu dienen, sondern auch um die innere Wiedervereinigung aller Deutschen zu ermöglichen. Der Bundestag war der Überzeugung, daß jedem eine faire Chance gegeben werden müsse, in der Erkenntnis der Wahrheit sich von seiner Vergangenheit und ihrem Irrtum zu trennen und ein Freier unter Freien in der erneuerten Gemeinschaft unseres Volkes zu sein. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir dabei auch in Zukunft entschieden bleiben sollten. Aber ich glaube ebenso, daß es wichtig ist, daß diese Toleranz nicht mißverstanden wird. Wir tolerieren den Mann, der sich von der niedrigen Ideologie der Tyrannei getrennt hat. Aber wir sind nicht bereit, diese Ideologie zu tolerieren und ihre heimliche oder gar offene Rückkehr zuzulassen.
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In dem allen zählen wir auch weiterhin auf die faire Unterstützung der Presse und des Rundfunks. Nur mit ihnen ist es möglich, jenes Mitgehen des Volkes herbeizuführen, ohne das eine Demokratie nichts ist.
Lassen Sie mich zum Schluß folgendes sagen. Ich glaube, jedes Volk und jede Zeit leben und verhalten sich auf ein oder zwei große Leitbilder ihres Denkens und Empfindens hin. Über alle politischen Kontroversen und die ihnen zugrunde liegenden Verschiedenheiten hinaus dürfen in diesem Zusammenhang vielleicht doch einige Elemente des Leitbildes angesprochen werden, dem wir auch in der Kontroverse noch gemeinsam verpflichtet sind, weil wir es gemeinsam anerkennen.
Ich nenne erstens die Festigung und den überzeugenden Durchbau einer großzügigen und großherzigen Ordnung der sozialen Gerechtigkeit im deutschen Volk.
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Ich nenne zweitens die Wiederherstellung der nationalen und gebietsmäßigen Einheit des deutschen Volkes mit der Sicherung seines Bodens und seiner Freiheit.
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Ich nenne drittens die Einigung Europas. Ich nenne sie mit den Worten unseres verehrten Reichstagspräsidenten Paul Löbe, dieses Symbols unantastbarer parlamentarisch-demokratischer Redlichkeit. Am 7. September 1949 hat er bei der Eröffnung des 1. Deutschen Bundestages als Alterspräsident gesagt:
Deutschland will ein aufrichtiges, friedliebendes, gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa werden. Wir haben im Staatsgrundgesetz von Bonn den Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte schon im voraus ausgesprochen, um dieses geschichtlich notwendige höhere Staatengebilde zu schaffen, und werden uns auch durch Anfangsschwierigkeiten von diesem Ziel nicht abschrecken lassen.
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Ich übernehme das Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestags im Gehorsam gegen seine Ordnung und im dankbaren Gedenken an eine Gemeinschaft von Männern, die fast ausnahmslos für die Ehre und Freiheit Deutschlands einen bitteren Tod gestorben sind. Viele von ihnen kamen aus den Traditionen der Parteien, die auch heute wieder die Arbeit in diesem Hause tragen. Sie waren verschieden und sie blieben verschieden, aber sie boten in der tiefsten Nacht des Vaterlandes ein leuchtendes Beispiel brüderlicher Verbundenheit. Möchte es uns im Blick auf ihr Vermächtnis gegeben sein, daß wir, meine Kolleginnen und Kollegen, uns mit Gottes Hilfe zum Segen unseres Volkes und zu seinem Frieden im Kampf und in der Zusammenarbeit mit Respekt begegnen und,
wo es nottut, uns über uns selbst erheben. Dessen bedarf das Vaterland.
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Meine Damen und Herren, die Tagesordnung ist nach der Übereinkunft der Fraktionen damit für heute erschöpft. Ich berufe die nächste, die 56. Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf Donnerstag, den 18. November 1954, 9 Uhr.
Ich schließe die 55. Sitzung.