Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 54. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Gerns und Paul für je zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Voß für drei Wochen ab 4. November wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Dr. Atzenroth, Dr. Orth, Pelster, Lenz ({0}), Dr.-Ing. E. h. Schuberth, Jacobi, Sassnick, Kalbitzer, Seuffert, Mensing, Dr. Jaeger, Dr. Leiske, Dr. Baade, Dr. Lenz ({1}), Dr. Dr. h. c. Müller ({2}), Kühn ({3}), Dr. Blank ({4}), Leibfried, Kurlbaum, Dr. Will, Graf von Spreti, Dr. von Brentano, Wirths und Dr. von Merkatz.
Ich danke Ihnen.
Heute feiert unser Kollege Schröter aus Wilmersdorf seinen 62. Geburtstag.
({0})
- Ich stelle fest, daß das Haus ihm mit einem besonderen Berliner Herzlichkeitszuschlag ,gratuliert hat.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Bundestagsabgeordnete, nunmehr Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein Kai-Uwe von Hassel mit Wirkung -vom 4. November seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag durch Verzicht verloren hat. Sein Nachfolger ist noch nicht bei uns.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 3. November 1954 die Kleine Anfrage 118 der Fraktion der SPD betreffend Fahrpreiserhöhung für Anschlußverkehr durch Autobusses der Deutschen Bundesbahn - Drucksache 901 -beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 943 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 3. November 1954 die Kleine Anfrage 119 der Fraktion der SPD betreffend Berufsverkehr der Bundesbahn - Drucksache 902 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 944 vervielfältigt.
Eine weitere Mitteilung: Gemäß interfraktioneller Vereinbarung sind die Punkte 3 und 4 der heutigen Tagesordnung, Drucksache '735, Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Schaffung eines Bundesministeriums für Fragen des Mittelstandes, und Drucksache 807, Antrag der Fraktion des GB/BHE betreffend Spende für den Aufbau des Reichstagsgebäudes, abgesetzt worden. Dafür soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung die Tagesordnung erweitert werden um einen gestern abgesetzten Punkt der gestrigen Tagesordnung:
Fortsetzung der Zweiten und Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Oberleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}).
Berichterstatter: Abgeordneter Kirchhoff.
({4})
Ich halte es für richtig, daß wir diesen Punkt als ersten Punkt der heutigen Tagesordnung behandeln. Die Drucksachen sind verteilt.
Der Bericht ist bereits erstattet. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung §§ 1, - 1 a, -2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer mit diesen Bestimmungen einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Einzelaussprache. §§ 1 bis 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Einstimmig angenommen.
Wer mit dem Gesetz im ganzen einverstanden ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser Punkt erledigt.
Ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Große Anfrage der Fraktionen der DP, GB/BHE betreffend Großer Knechtsand ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß man sich mit einer Begründung von 20 Minuten begnügen möge. Ich halte mich nach einigen gestrigen Vorgängen doch für verpflichtet, auf diese Vereinbarung im Ältestenrat heute hinzuweisen. Wer begründet die Anfrage? - Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({6}).
Müller ({7}) ({8}), Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Große Anfrage der Fraktionen der DP und des GB/BHE Drucksache 841 wurde dadurch veranlaßt, daß die Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und dem Britischen Hohen Kommissar vom 9. September 1952 in zahlreichen Fällen nicht eingehalten wurden.
In Ziffer 3 der Vereinbarungen ist festgelegt, daß Übungs- und Sprengbomben bis zu einem Höchstgewicht von 453,6 kg auf den Mittelpunkt der Gefahrenzone gezielt geworfen werden. Bei keiner Übung sollen mehr als 100 Sprengbomben geworfen werden. Es sind aber Reihenabwürfe erfolgt und Bomben schwersten Kalibers geworfen worden. Dadurch sind Gebäudeschäden in erheblichem Umfang eingetreten. Die Marsch hat als Untergrund eine anmoorige Schicht, so daß Erschütterungen auf große Entfernungen übertragen werden. Diese waren sogar bis Bremerhaven, also noch auf zirka 30 km, spürbar. Die Krankenhäuser in Nordholz, Wursterheide, Sahlenburg und Cuxhaven wurden in Mitleidenschaft gezogen, wie die Ärzte übereinstimmend feststellten.
Ziffer 4 besagt, daß der Knechtsand jede Nacht zur Verfügung steht und Tagübungen jedesmal angekündigt werden. Ein britischer Vertreter äußerte seinerzeit, daß Tagübungen nur zwei- bis dreimal im Monat stattfinden sollten. Die Wirklichkeit sieht aber ganz anders aus. In der Zeit von November 1953 bis Juni 1954 wurden 69 Tagübungen und 18 Nachtübungen angesetzt. Im Juli 1954 wurden 20 Tagübungen und nur 1 Nachtübung angemeldet, im August 1954 21 Tag- und 13 Nachtübungen, im September 1954 28 Tag- und 16 Nachtübungen. Bei dieser starken Inanspruchnahme des Knechtsandes war jegliches Fischen unmöglich, und den Fischern wurde eine Entschädigung von 74 000 DM ausgezahlt. Im Oktober dieses Jahres sind 27 Tagübungen und keine Nachtübung angesetzt worden.
Sie sehen also, daß die heutige Form der Abwurfübungen ein glatter Verstoß gegen die Vereinbarungen vom 9. September 1952 ist.
Ziffer 5 besagt, daß für Tagübungen das Übungsgebiet von Montag bis Freitag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zur Verfügung steht. Der Sonnabend und der Sonntag sollen übungsfrei bleiben und somit den Fischern zum Fang zur Ver({9})
fügung stehen. Entgegen dieser Zusage ist aber wiederholt die Sperre bis Sonnabendmorgen ausgedehnt worden, so daß den Fischern ein Auslaufen nicht mehr möglich war. Außerdem sollten an den Übungstagen von drei Stunden vor Hochwasser bis drei Stunden nach Hochwasser keine Bomben geworfen werden. Auch diese Bestimmungen sind wiederholt nicht innegehalten worden.
Nach Ziffer 6 soll das Ziel entweder nach Sicht oder mit Hilfe von Radargeräten bombardiert werden. Am 24. November 1953 wurden Bomben geworfen, obwohl ein Fischkutter wegen Motorschadens im Sperrgebiet des Großen Knechtsandes lag. Außerdem wurden Warnungen mit dem Hinweis verbunden, daß auch bei Nebel eine Übung stattfinden würde.
Ziffer 10 und 11 behandeln die Blindgängergefahr. Nach Ziffer 11 soll das Zielgebiet durch ein britisches Übungsplatzkommando nach Blindgängern abgesucht werden. Es ist bisher nicht beobachtet worden, daß dies durchgeführt ist.
Sie sehen also, daß die Vereinbarungen vom 9. September 1952 nicht innegehalten wurden. Auch die Entschädigung der Fischer ist noch nicht befriedigend. Die Entschädigung beruht auf Richtlinien des Bundesfinanzministeriums vom 10. März 1954. In der Praxis hat sich herausgestellt, daß diese in keiner Weise den gerechten Forderungen der Krabbenfischer entsprechen. Auf Grund der Eingaben aller möglichen Stellen und der Verhandlungen im Bundestag wurden diese Richtlinien einer Revision unterzogen und am 30. September 1954 eine Einigung erzielt. Diese Neuregelung mußte selbstverständlich rückwirkend ab 1. März 1954 in Kraft gesetzt werden, da sich klar gezeigt hat, daß die alte Entschädigungsregelung ungenügend war. Nunmehr will das Bundesfinanzministerium aber offenbar diese Regelung erst mit Wirkung ab L Oktober 1954 in Kraft setzen. Das ist eine unerhörte Benachteiligung der Fischer. Durch diese Handlungsweise werden die Fischer äußerst verbittert und verlieren jedes Vertrauen auf Zusagen unserer Regierungsstellen.
Außerdem sind die Darre- und Zulieferbetriebe der Krabbenfischer in die Entschädigung einzubeziehen.
Ferner sollte berücksichtigt werden, daß die jungen Fischer heute dem Müßiggang und dem tatenlosen Herumstehen preisgegeben sind. Es liegt auf der Hand, daß dies zu einer völligen Verlotterung der jungen Menschen führen muß. Daß hierbei auch die politischen Gefahren nicht übersehen werden dürfen, sondern einer sehr ernsten Betrachtung unterzogen werden müssen, darüber dürfte Einigkeit bestehen.
Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, daß der Knechtsand die Stätte ist, wo im Juli/ August die Brandgänse aus dem größten Teil des nordeuropäischen Raumes sich zur Mauser einfinden. Obwohl bereits im Juni von den interessierten Stellen wegen der Gefahren, die den Brandgänsen drohten, ernsteste Vorstellungen erhoben worden sind, ist hierauf keine Rücksicht genommen worden. Wie Lehrer Freemann, Wremenn, ein anerkannter Sachverständiger, feststellt, sind von Juli bis Anfang September mindestens 40 000 Brandgänse umgekommen. Falls im nächsten Jahr dieses Verfahren des Massenmordes der Gänse fortgesetzt wird, dürften diese mehr oder weniger ausgerottet werden.
Welche Folgerungen sind nun zu ziehen? Die ständige Nachtsperre ist aufzuheben, da nur selten nachts geworfen wird. Bombenabwurfübungen sind 36 Stunden vor Beginn anzumelden, damit rechtzeitig gewarnt werden kann. Nach Möglichkeit sind einige bestimmte Tage jeder Woche für Übungen vorzusehen, damit an den anderen Tagen die Fischer ausfahren können. Bei der heutigen Handhabung der Abwurfübungen muß die Fischerei über kurz oder lang zum Erliegen kommen. Reihenabwürfe und Abwürfe schwersten Kalibers sind zu vermeiden.
Wie verlautet, sollen nun noch weitere Flächen südlich und nördlich des Knechtsandes für Ziele zum Beschuß mit Bordwaffen und leichten Bomben in Anspruch genommen werden. Damit würde die Wesermündung von Bremerhaven bis Cuxhaven ein einziges Zielfeld werden. Da ist doch wohl die Frage berechtigt, ob nicht vor der schottischen Küste oder auf Truppenübungsplätzen, die heute als Jagdreviere in völliger Ruhe daliegen, geeignetere Zielobjekte sind, als es die dichtbesiedelte Küste und das stark befahrene Fahrwasser der Weser sind.
({10})
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat als Vertreter der Regierung Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Auswärtigen Amtes, des Bundesministeriums für Verkehr, der Dienststelle Blank und des Bundesministeriums der Finanzen darf ich jetzt die Große Anfrage beantworten.
Frage 1:
Was hat die Bundesregierung unternommen,
um, nachdem die Schäden offenbar wurden,
eine Revision der Abmachungen zu erreichen?
Eine Revision des deutsch-britischen KnechtsandAbkommens ist gemäß Ziffer 17 der Anlage zur Note vom 9. September 1952 möglich, wenn durch die Benutzung des Übungsgebietes ernste Schwierigkeiten verursacht werden sollten, besonders im Hinblick auf die Großschiffahrtswege zur Elbe und Weser, auf Erdölbohrungen in diesem Gebiet und auf etwaige Veränderungen der geologischen Struktur des Großen Knechtsandes, der als Barre für die Marschgebiete an der Küste wirkt.
Die Prüfung der Frage, ob nach Wortlaut und Sinn der Vertragsbestimmungen die verschiedenen Auswirkungen der Bombenabwürfe auf den Großen Knechtsand als „ernste Schwierigkeiten" im Sinne des Abkommens angesehen werden können, ist noch nicht abgeschlossen. Als ernste Schwierigkeiten können jedenfalls solche Unzuträglichkeiten nicht angesehen werden, mit denen schon bei Abschluß des Abkommens gerechnet werden mußte, insbesondere also nicht eine gewisse Beeinträchtigung der Krabbenfischerei.
In den Sommermonaten dieses Jahres hat sich allerdings herausgestellt, daß die Krabbenfischerei in größerem Ausmaße beeinträchtigt wird, als zu erwarten war. Infolgedessen ist die Bundesregierung in ,dem Bemühen, eine möglichst schonende Anwendung und solche Änderungen des Abkommens zu erreichen, wie sie von der Küstenbevölkerung und den Krabbenfischern besonders ge({0})
wünscht worden sind, bei der britischen Hohen Kommission vorstellig geworden und hat in einigen für die Fischerei besonders bedeutsamen Punkten Entgegenkommen gefunden.
Durch einen am 18. Oktober 1954 vollzogenen Notenwechsel ist das Abkommen dahingehend geändert worden, daß die Nachtübungen in Zukunft ebenso vorher angezeigt werden müssen wie die Tagesübungen. Es kann daher das durch § 3 der Strom- und Schiffahrtspolizei-Verordnung vom 25. Juli 1953 ausgesprochene Verbot, ,das Übungsgebiet zur Nachtzeit zu befahren, jetzt aufgehoben werden. Der Bundesminister für Verkehr wird zu diesem Zweck in ,den nächsten Tagen eine neue Strom- und Schiffahrtspolizei-Verordnung erlassen. Die Aufhebung der allgemeinen Nachtsperre bedeutet auch nach Auffassung der zuständigen Landensdienststelle eine wesentliche Erleichterung für die Fischerei.
Ziffer 12 der Anlage des deutsch-britischen Abkommens vom 9. September 1952 wird von britischer Seite künftig so ausgelegt werden, daß die Übungen mindestens 24 Stunden vor dem Setzen der Signale anzukündigen sind. Die Signale werden drei Stunden vor Übungsbeginn gesetzt. Das bedeutet also, daß die Ankündigungsfrist praktisch um drei Stunden, nämlich von 24 auf 27 Stunden, verlängert wird. Darüber hinaus wird die Royal Air Force wie bisher bemüht sein, die Übungen möglichst schon 36 Stunden oder länger vorher anzusagen.
Gebäudeschäden auf dem Festland, die auf die Bombenabwürfe im Knechtsandgebiet zurückgeführt werden, sind erst in den letzten Monaten in größerem Umfange gemeldet worden. Die Bundesregierung ist bemüht, den Sachverhalt zu klären und sichere Unterlagen über die Ursache und das Ausmaß der Schäden zu gewinnen, um dann die erforderlichen Schritte unternehmen zu können.
Für die Stadt Cuxhaven ist bereits im Verhandlungswege eine Verbesserung des bisherigen Zustandes erreicht worden. Obwohl gemäß Ziffer 6 der Anlage zur Note das Knechtsandziel am Tage aus a 11 e n Richtungen angeflogen werden kann, hat die britische Hohe Kommission gesagt, daß grundsätzlich das Überfliegen von Cuxhaven durch Flugzeuge mit Bombenlast vermieden werden soll.
Um eine bessere Überwachung des Übungsgebiets sicherzustellen, ist nunmehr auf Vorstellung der Bundesregierung hin ein neuartiges, besseres Radar-Gerät eingesetzt worden.
Die Bundesregierung bleibt im übrigen weiterhin bemüht, daß in Zukunft mehr Nachtübungen und weniger Tagesübungen stattfinden sollen.
Frage 2: Was hat die Bundesregierung unternommen, um die bisher entstandenen Schäden zu ersetzen?
1. Durch die Sperrmaßnahmen, die wegen der Benutzung des Großen Knechtsandes als Bombenabwurfplatz getroffen werden mußten, werden die Krabbenfischer in Dorum und Spieka in ihrer Fangtätigkeit behindert. Während der Sperrzeiten können sie weder die Fanggründe des Großen Knechtsandes aufsuchen noch nach anderen Fanggründen auslaufen. Ertragsausfälle haben sie dadurch erstmals im November 1953 erlitten.
Zum Ausgleich der den Fischern bis Ende Februar 1954 entstandenen Schäden hat der Bundesminister der Finanzen einen Betrag von 58 402,88 DM zur Verfügung gestellt, wie dem Hohen Hause am 21. Januar 1954 von mir berichtet wurde.
Für die Zeit nach dem 1. März 1954 ist den Fischern ein Schadensausgleich nach Maßgabe der Grundsätze gewährt worden, die der Bundesminister der Finanzen in seinem Schreiben an den Niedersächsischen Minister der Finanzen vom 10. März 1954 aufgestellt hat. Die Ausgleichsbeträge sind nach den Durchschnittserträgen der entsprechenden Monate der Jahre 1950 bis 1953 und nach der Zahl der infolge der Sperrmaßnahmen ausgefallenen Fangtage je Monat berechnet worden, wobei jedoch höchstens die Zahl der Fangtage berücksichtigt wurde, die dem Durchschnitt der Fangtage des entsprechenden Monats der Vergleichsjahre entsprach. Bei der Berechnung des Ausgleichsbetrags nach diesem Schreiben waren die Erträge, die die Fischer trotz der Sperrmaßnahmen erzielten, zunächst in vollem Umfange berücksichtigt worden.
Durch Schreiben vom 7. Oktober 1954 hat der Bundesminister der Finanzen die mit Schreiben vom 10. März 1954 getroffene Regelung noch verbessert. Bei der Berechnung der Ausgleichsbeträge werden die Durchschnittserträge der Jahre 1950 bis 1953 zwar mengenmäßig berücksichtigt, aber wertmäßig die jeweils geltenden Tagespreise zugrunde gelegt. Außerdem werden die von den Fischern trotz der Sperrmaßnahmen noch erzielten Erträge nur in Höhe von 60 % angerechnet. Dadurch wird den Fischern ein Anreiz geboten, ihre Tätigkeit in möglichst großem Umfange fortzusetzen. Sie haben auf diese Weise die Möglichkeit, trotz der Sperrmaßnahmen höhere Einnahmen zu erzielen als in den vorausgegangenen Jahren.
Die mit dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 7. Oktober 1954 getroffene Regelung gilt - wie igh im Hinblick auf den bei der Begründung der Großen Anfrage geäußerten Zweifel besonders betonen möchte - rückwirkend vom 1. März 1954. Damit ist also der eben zum Ausdruck gebrachte Wunsch bereits erfüllt.
Auf Grund der Regelung vom 10. März 1954, also der alten Regelung, sind für die Zeit vom 1. März bis 30. September 1954 an 34 Fischer 231 963,33 DM zur Auszahlung gelangt. Die finanziellen Auswirkungen der zusätzlichen Regelung vom 7. Oktober 1954 sind im einzelnen noch nicht bekannt.
2. Entschädigungsansprüche sind aber außer von den Krabbenfischern auch von verschiedenen Krabbenverarbeitungsbetrieben angemeldet worden mit der Begründung, durch verringerte Zulieferung von Krabben sei ihr Umsatz und Ertrag zurückgegangen. Unter Zurückstellung von Bedenken allgemeiner Art hat sich der Bundesminister der Finanzen in dem erwähnten Schreiben vom 7. Oktober 1954 grundsätzlich bereit erklärt, drei Krabbenverarbeitungsbetrieben in Dorum und Wremen einen Schadensausgleich zu gewähren. Diese Betriebe werden Ausgleichszahlungen erhalten, wenn und soweit infolge eines auf der zeitweiligen Sperrung des Fischereigebietes im Großen Knechtsand beruhenden Rückganges der Krabbenzulieferungen durch die in Dorum und Spieka ansässigen Fischer die Erträge der Unternehmen nicht mehr ausreichen, um die fortlaufenden notwendigen Betriebskosten und den angemessenen Lebensunterhalt der Inhaber und ihrer unterhaltsberechtigten
({1})
Angehörigen zu decken, soweit er bisher aus den
Erträgen des Unternehmens bestritten worden ist.
3. Erstmals im Sommer dieses Jahres haben Bewohner verschiedener Küstenorte Anträge auf Entschädigung für Gebäudeschäden gestellt mit der Begründung, diese Schäden seien durch die Benutzung des Großen Knechtsandes als Bombenabwurfziel verursacht worden. Das Besatzungskostenamt Cuxhaven hat die Anträge unter Hinzuziehung des örtlichen Bauamtes bearbeitet und dem britischen Entschädigungsamt in Herford zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die Haftung bereits in einer Anzahl von Fällen anerkannt. Außerdem hat der Bundesminister der Finanzen mit Schreiben vom 18. September 1954 an den Niedersächsischen Minister der Finanzen die Möglichkeit eröffnet, den Geschädigten Vorschüsse bis zu 90 v. H. des zu erwartenden Entschädigungsbetrages zu gewähren. Auf diese Weise ist sichergestellt, daß die Geschädigten unabhängig von der Entscheidung der britischen Dienststellen die wesentlichen Schäden rasch beseitigen lassen können.
Frage 3:
Sind die Sicherheitsmaßnahmen, wie sie in der Anlage zur Note festgelegt wurden, eingehalten worden? Falls nein, was hat die Bundesregierung getan, um die Einhaltung zu erreichen?
Die durch das Abkommen vereinbarten Sicherungsmaßnahmen sind eingehalten worden.
Frage 4:
Entspricht es den Tatsachen, daß nördlich und südlich des bisherigen Hauptsperrbezirks weiteres Zielgelände zur Verfügung gestellt werden soll?
Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden. Es ist der Bundesregierung bekannt, daß die britischen Luftstreitkräfte weitere Flächen südlich des jetzigen Übungsgebietes Sandbank für einen Bordwaffenschießplatz angefordert haben. Die Niedersächsische Landesregierung hat diese Anforderung, über die auf Landesebene zu verhandeln war, inzwischen jedoch abgelehnt. Sie begründet diese Ablehnung damit, daß durch die Beschlagnahme weiterer Flächen beim Großen Knechtsand und die sich dann zwangsläufig verstärkende Flugtätigkeit sowohl die Fischerei wie die gesamte Küstenbevölkerung schwer betroffen würde.
Der britische Hohe Kommissar hat die Bundesregierung neuerdings gebeten, ein zweites, nordöstlich des Knechtsandes gelegenes Übungsgebiet mit einem Radius von 3000 Yards zum Abwurf von Übungsbomben von 25 lbs. zur Verfügung zu stellen.
Bei den Verhandlungen über die als Voraussetzung für die Freigabe Helgolands verlangten Ausweichziele „auf einer oder mehreren Sandbänken an der deutschen Nordseeküste" im Jahre 1951 war über ein Zielgebiet zum Abwurf leichter Übungsbomben verhandelt worden, das nach Lage und Größe von dem jetzt zusätzlich verlangten Gebiet nur unwesentlich abweicht. Mit Rücksicht auf von deutscher Seite in Aussicht genommene Erdölbohrungen in diesem Gebiet hat die britische Regierung damals vorläufig auf dieses zweite Zielgebiet verzichtet und ist erst jetzt wieder hierauf zurückgekommen. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem weiteren britischen Antrag wird zur Zeit noch geprüft.
Die Große Anfrage ist beantwortet. Soll in eine Beratung eingetreten werden? - Ich nehme an, daß mehr als 30 Mitglieder des Hauses dies wollen. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Buchka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis genommen und darf meine Anerkennung dafür aussprechen, daß sich die Bundesregierung bemüht hat, die schweren Schäden im NiederelbeUnterweser-Gebiet anläßlich der Bombardierung des Knechtsandes zu mildern. Ich möchte auch durchaus anerkennen, daß von Anfang an Schäden vorauszusehen gewesen sind. Das Ausmaß der tatsächlich eingetretenen Schäden ist allerdings wesentlich größer, als es je hätte vorausgesehen werden können. Ich habe mich selbst an Ort und Stelle bemüht, darüber Genaueres zu ermitteln, und bin erschrocken über die Zustände, die dort eingetreten sind. Es ist nicht zu verwundern, welch große Erbitterung dort in der Bevölkerung herrscht. Noch 25 und mehr Kilometer vom Großen Knechtsand entfernt sind schwere Häuserschäden festgestellt worden. Ich bitte auch, nicht zu vergessen, daß Tiefflüge über dem Gebiet ausgeführt werden. Stellen Sie sich vor, meine Damen und Herren: 10 m über der Deichkappe brausen die Düsenflieger und beunruhigen Menschen und Weidevieh.
Noch ein weiteres Moment erscheint mir außerordentlich wichtig. Es sind Bombeneinschläge bis 8 km vom Ziele entfernt festgestellt worden, und wenn ich recht unterrichtet bin, so ist bisher von den drei Zielschiffen, die vor dem Großen Knecht-sand liegen, noch kein einziges getroffen worden.
({0})
Daß unter diesen Umständen die Bevölkerung in
ständiger Sorge darüber ist, wo nun mal die Bomben hingehen, das können Sie sich sicher vorstellen.
Die Stimmung ist übrigens auch bei den Krabbenfischern noch außerordentlich mies. Ich darf weiter, ohne hier nun das wiederholen zu wollen, was Herr Kollege Müller ({1}) ausgeführt hat, noch darauf hinweisen, daß auch eine nicht unbeträchtliche Störung des Kurbetriebes in den Nordseebädern Döse und Duhnen bei Cuxhaven zu verzeichnen ist.
Ganz besonderes Augenmerk bitte ich auf die schädlichen Auswirkungen für die Krankenhäuser in der dortigen Gegend zu richten. Das ist bereits erwähnt worden. Ich möchte aber doch noch einmal ganz deutlich hervorheben, wie schlimm es für den Genesungsprozeß der Schwer- und Schwerstkranken ist, wenn teilweise täglich Tag und Nacht Bombenabwürfe stattfinden. Es handelt sich nicht etwa nur um ein paar Dutzend Kranke, sondern es sind über 2000 Patienten, die in dem ganzen Gebiet nahe dem Großen Knechtsand in Frage kommen. Daß derartige Wirkungen eintreten, ist ja schließlich auch kein Wunder, denn wenn Reihenabwürfe mit scharfen Bomben von 500 Kilo Kaliber stattfinden, so kann man sich wirklich ganz genau vorstellen, wie groß die Auswirkungen auf die Krankenhäuser sein müssen und sind.
Die Angelegenheit der Brandgänse, die j a auch etwas am Rande vom Herrn Kollegen Müller ({2}) hier erwähnt worden ist, kann ich noch insoweit untermalen, als selbst ein englischer Or({3})
nithologe an Ort und Stelle gewesen ist und sich dringend dafür eingesetzt hat, daß dieses Vogelmorden unterbunden wird. Zehntausende von Brandgänsen sind hier bestimmt draufgegangen.
Aber auch das weitere Moment der politischen Bedenken ist wesentlich, und ich kann Sie versichern, daß radikale Parteien dort schon recht an der Arbeit sind. Ich habe hier ein Flugblatt „Dat Blinkfüer" in der Hand. Wer an der Waterkant bekannt ist, weiß, wer hinter diesem „Blinkfüer" steht und wie dort alle derartigen Ereignisse aufgegriffen werden. Nein, meine Damen und Herren, eine Abhilfe ist bestimmt dringend nötig. Am besten und sichersten wäre es natürlich, wenn die Bombardierungen gänzlich eingestellt würden.
Lassen Sie mich eine vielleicht ganz naive Frage stellen. Wo werfen denn eigentlich die Flugzeuge der übrigen Mächte ihre Bomben bei Zielübungen ab? Wo tun es die Flugzeuge der Vereinigten Staaten, Frankreichs und der anderen Mächte? Es ist für uns, weiß Gott, eine außerordentlich schwere, eine unerträgliche Last, wenn das auf dem Großen Knechtsand auf deutschem Bundesgebiet geschieht. Ich weiß genau: wir sind noch nicht so weit, daß die Abwürfe gänzlich eingestellt werden. Aber wir müssen als mindestes verlangen - das möchte ich auch ganz besonders unterstreichen -, daß nur kleine Kaliber geworfen werden, daß keine Reihenwürfe erfolgen und daß eben Übungsbomben und keine scharfen Bomben verwendet werden. Es ist auch schon davon gesprochen worden - ich will es nur der Vollständigkeit halber erwähnen -, daß man vielleicht Zementbomben abwerfen sollte. Da sind aber auch schon wieder Proteste aus den Reihen der Krabbenfischer gekommen; also so ganz recht machen kann man es damit natürlich auch nicht. Deswegen wollen wir diese Forderung wohl kaum aufstellen.
Aber wesentlich erscheint es mir - ich habe vorhin schon von den Tiefflügen gesprochen -, daß verboten wird, über Land und vor allem über den Städten Tiefflüge auszuführen. Wie schädlich diese sich auf die Krankenhäuser auswirken, ist hier bereits wiederholt angesprochen worden. Daß eine langfristige Ankündigung von Bombenabwürfen notwendig ist, versteht sich am Rande.
Vielleicht darf ich jetzt einmal die Sache rein rechtlich angehen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, dann ist der Vertrag vom 9. September 1952 auf fünf Jahre abgeschlossen. Wir wissen sehr wohl, daß damals für die deutsche Bundesrepublik eine absolute Zwangslage bestand. Wir wollten und wir mußten Helgoland wieder freibekommen.
({4}) - Sie sind offenbar anderer Ansicht.
({5})
Ich glaube aber doch, daß die Bundesregierung damals beim besten Willen nicht anders handeln konnte, wenn sie Helgoland wieder freibekommen wollte. Aber seitdem ist nun wieder eine ganz geraume Zeit vergangen. Die Zeit hat nicht stillgestanden. Es sind neue Verhältnisse eingetreten, und angesichts der sehr stark geänderten außenpolitischen Lage erscheint es mir jetzt sehr, sehr dringend geboten, daß man an eine Revision-mindestens an eine Revision - dieser Vereinbarung herangeht. Dankenswerterweise hat der Britische Hohe Kommissar bereits gewisse Zugeständnisse gemacht. Sie reichen meines Erachtens - ich
glaube, auch da werden Sie mir zustimmen - noch lange nicht aus. Ich bin der Ansicht, die Bundesregierung müßte gerade unter Hinweis auf die Pariser Verträge nun auf weiteres Entgegenkommen bei dem Britischen Hohen Kommissar drängen. Wenn es nicht gelingt - daran zweifle ich allerdings; ich habe das schon gesagt -, die Bombenabwürfe gänzlich einzustellen, dann muß eben erreicht werden, daß weitestgehende Einschränkungen der Abwürfe angeordnet werden. Unter keinen Umständen würde ich es für vertretbar halten, das Abwurfgebiet etwa noch irgendwie zu vergrößern. Fast zehn Jahre nach dem Ende des Krieges halte ich den gegenwärtigen Zustand am Großen Knechtsand für völlig untragbar für die deutsche Bundesrepublik.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus hat sich wiederholt mit der Bombardierung des Großen Knechtsandes beschäftigt. Ich möchte, bevor ich auf die Einzelheiten dieser Bombardierung eingehe, eine allgemeine Feststellung treffen: Wir hätten uns eine Reihe dieser Debatten ersparen können, wenn dieses Hohe Haus in der entscheidenden Auseinandersetzung im 1. Bundestag darüber, ob der Große Knechtsand als Bombenübungsziel zur Verfügung gestellt werden sollte, sich der Haltung der sozialdemokratischen Fraktion angeschlossen und diese Bereitstellung abgelehnt hätte. Wir wurden aber damals insbesondere von Herrn Hasemann in einer sehr gehässigen Weise kommentiert. All die Folgen, die sich heute eingestellt haben und die wir damals hier aufgezeigt haben, wurden von der FDP, insbesondere durch deren Sprecher, Herrn Hasemann, als illusorisch bezeichnet. Es wurde uns damals sogar in die Schuhe geschoben, daß wir die Bombardierung des Großen Knechtsandes zu einer demagogischen und parteipolitischen Auseinandersetzung benutzten. Nun, meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit haben sich alle die Folgen, die damals von der Sozialdemokratischen Partei warnend aufgezeigt worden sind, eingestellt.
Wir haben dann im November 1953 hier einen Antrag diskutiert, der sich insbesondere mit der Entschädigung der Fischer beschäftigte. Dieser Antrag der Sozialdemokraten wurde im Mai dieses Jahres noch einmal zum Gegenstand der Diskussion gemacht. Resultat: Alle Parteien in diesem Hause waren sich einig, daß sofort etwas geschehen müsse.
Alle Auskünfte, die die Regierung nun gegeben hat, beziehen sich auf technische Dinge und gehen nicht ins Grundsätzliche. Soweit die Entschädigung der Fischer in Frage kommt, darf ich für meine Fraktion ohne weiteres erklären, daß das Finanzministerium in dieser Frage eine ausgezeichnete Arbeit geleistet hat und daß wir mit der Methode, wie jetzt - insbesondere nach dem Juni-Ergebnis - die Entschädigung an die Fischer gezahlt wird, einverstanden sind.
({0})
Eine andere Frage ist die Einbeziehung der Verarbeitungsbetriebe. Auch in dieser Frage würden wir darum bitten, daß wir recht bald vom Finanzministeriumdetaillierte Auskunft darüber bekom({1})
men, nach welchem System die Entschädigung der Verarbeitungsbetriebe erfolgen soll.
Eine ganz andere Frage, die noch nicht gelöst ist, ist die der Bombenschäden an den Häusern. Hier ist es so: Da können Sie einen Schaden haben, wie Sie wollen, zunächst müssen Sie erst einmal 10 Mark bezahlen, ehe Sie überhaupt den Schaden anmelden dürfen. Ich glaube, wenn man diese Sachlage überlegt, müßte man zumindest doch zu dem Resultat kommen, daß ,den Menschen, denen durch die Bombardierung die Decken über dem Kopf zusammenfallen, nicht noch 10 Mark abgenommen werden dürfen, damit sie den Schaden anmelden können. Dieses Verfahren müßte also geändert werden.
Nun steht aber folgendes fest: Die Bombardierungen haben, insbesondere im Mai und im Juni, ein Ausmaß angenommen, das eine große Beunruhigung weit über das Knechtsandgebiet hinaus hervorgerufen hat. Wir haben damals ein Telegramm an den Staatssekretär H a 11 s t ein geschickt. Nachdem alle Landkreise - der Landkreis Wesermünde, der Landkreis Hadeln - und die Stadt Cuxhaven einstimmige Protestresolutionen an die Bundesregierung geschickt hatten, haben wir den Staatssekretär gefragt, was er denn zu tun gedenke. Daraufhin hat uns der Staatssekretär in einem Antworttelegramm mitgeteilt, daß .die Regierung in Verhandlungen stehe und daß man erwarte, ,daß die Bombenabwürfe eingeschränkt würden. An demselben Tag, an .dem ich dieses Telegramm erhielt, hat derselbe Herr Staatssekretär Hallstein einen Vertrag unterzeichnet, der auch noch den amerikanischen Bombenfliegern in England erlaubte, den Großen Knechtsand zu
bombardieren.
({2})
Ich muß schon sagen, das ist eine Methode, die wir uns in diesem Hause keinesfalls auf die Dauer bieten lassen können. Man kann nicht ,den Abgeordneten sagen, man stehe in Verhandlungen über die Einschränkung der Bombardierungen, und am gleichen Tage, an dem man das sagt, den Vertrag erweitern! Das sehe ich nicht als eine, ich möchte sagen, korrekte Haltung der Regierung an.
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Nun lassen Sie mich etwas zum Grundsätzlichen sagen. Die Frage der Bombardierungen des Großen Knechtsandes ist nicht nur eine Frage der Entschädigung. Sie ist in erster Linie eine Frage der psychologischen Auswirkungen auf alle Menschen, die in diesem Gebiet wohnen. Es ist ganz klar und kann von keiner Seite bestritten werden, daß die Bombardierung ein Ausmaß angenommen hat, daß nicht nur echte Schäden an Material, sondern auch seelische Schäden bei den Menschen entstanden sind. Wir haben in den Kreisen an der Küste sehr große Krankenhäuser. Ich erinnere insbesondere an das große Krankenhaus in Wüsterheide und die Menschen, die dort mit Knochentuberkulose liegen. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß diese Krankenhäuser unter der dauernden Bombardierung leiden. Es ist ein unmöglicher Zustand auch für die Kinder, die Säuglinge. Wenn dort Nacht für Nacht bombardiert wird, müssen sich unweigerlich Schäden an diesen Menschenkindern ergeben.
Ich habe hier im Mai ,die Frage aufgeworfen, ob die Regierung nicht ,den Versuch machen will, die Revision des Vertrags anzustreben, weil die Schäden, die eingetreten sind, weit über das Maß hinausgehen, an das die Regierung zumindest beim Abschluß gedacht hat. Ich habe im Mai darauf keine Antwort erhalten, und auch heute hat die Regierung die Frage nur auf technische Dinge ausgeweitet, sie ist nicht in das Grundsätzliche gegangen. Ich sage Ihnen ganz offen, meine Damen und Herren: Wenn nicht eine Revision des Vertrags über die Bombardierung des Großen Knechtsandes erfolgt, wird sich dieses Haus noch häufig mit dieser Frage beschäftigen müssen, weil die Folgen 'der Bombardierung immer größer werden. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Ich bin gar nicht der Meinung meines hochverehrten Herrn Vorredners, der sagte, wir hätten uns in einer Zwangslage befunden und jetzt müsse die Frage, insbesondere nach den Pariser Verträgen, erneut aufgeworfen und geklärt werden. Ich glaube, wenn dieses Hohe Haus sich im September 1952 den Auffassungen der sozialdemokratischen Fraktion angeschlossen hätte, hätten wir damals bereits eine andere Vereinbarung erreicht. Zweitens bin ich mit Ihnen einig, wenn Sie sagen: Jetzt sind die Pariser .Verträge da, und jetzt soll man noch einmal verhandeln. Ich möchte Ihnen ganz konkret die Frage vorlegen: Halten Sie es mit der von Ihnen so viel gepriesenen Souveränität für vereinbar, daß fremde Bombenflugzeuge Tag für Tag den Großen Knechtsand bombardieren? Meine Fraktion jedenfalls nicht.
Wir möchten mit allem Ernst darauf hinweisen, daß wir von der Regierung nicht nur eine Regelung der Entschädigung, sondern die Revision des Vertrags, die Einstellung der Bombenabwürfe verlangen. Es gibt genug Begründungen, um das Ziel zu erreichen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Problematik der Vorgänge um den Knechtsand liegt doch darin, daß wir einerseits anerkennen müssen, daß für Übungsflüge einer Luftwaffe auch ein Bombenziel vorhanden sein muß, - ({0})
- Herr Kollege Schneider, wir haben bisher den Standpunkt vertreten, daß die Royal Air Force, die sicherlich heute der Form nach noch Besatzungsmacht ist, eines baldigen Tages im Rahmen einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft hier Schutzmacht sein sollte. Wir werden uns damit abzufinden haben, daß - gleichgültig ob es die Royal Air Force oder eines Tages eine deutsche Fliegertruppe ist - für Übungszwecke Gelände zur Verfügung stehen muß. Ich will damit, Herr Kollege Schneider, durchaus nicht alles rechtfertigen, was im Knechtsand geschieht. Aber ich glaube, diese Prämisse sollten wir, wenn wir die Problematik der ganzen Angelegenheit einmal richtig würdigen wollen, ohne die Absicht, innenpolitische Propaganda zu treiben,
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sondern mit dem Vorsatz, etwas zu bessern, doch einmal voranstellen.
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Soweit hier - und ich glaube, im Wattenmeer läge beinahe der Ort, an dem es in unserem sehr eng gewordenen Deutschland am wenigsten lästig fällt - ein Gebiet für diesen Verteidigungszweck ausgespart werden muß, sollten wir im Grundsatz nicht allzuviel dagegen haben, es sei denn, daß sich in Europa andere Länder finden, die über mehr Raum und weniger Bevölkerung verfügen. Aber darüber zu reden wird sicherlich aussichtsreicher sein, wenn einmal eine europäische Verteidigungsgemeinschaft steht. Vorerst sollten wir uns darauf konzentrieren, Mißbräuche, die bei der Benutzung
Herr Präsident, dort wird zu einer Zwischenfrage das Wort gewünscht!
Zu einer Zwischenfrage hat das Wort der Abgeordnete Hermsdorf.
Nach Ihren letzten Ausführungen darf ich Sie fragen: Glauben Sie nicht, daß sowohl die britische als auch die amerikanische Luftwaffe außerhalb Deutschlands Gelände zum Abwurf vom Bomben finden könnten?
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Ich bin davon überzeugt, Herr Kollege, daß die amerikanische und die britische Luftwaffe außerhalb Deutschlands sehr viel geeignetere Bombenziele finden könnten.
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Aber diese Ziele müßten ja immer in erreichbarer Nähe der jetzigen Standorte liegen. Wir können doch wohl kaum erwarten, daß eine amerikanische Luftflotte, um ihre Routineübungen abzuhalten, nach Alabama oder Oklahoma zurückfliegt.
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Nun, ich war dabei, zu sagen: Unser jetziges Ziel bei der Behandlung dieser Dinge sollte sein, Mißbräuche abzustellen und die Benutzung des Bombenziels in einer Weise zu regeln, die den wenigsten Schaden verursacht. In der Debatte ist heute schon manches angeklungen, es ist aber vielleicht doch nicht alles gesagt. Es ist nicht nur die Tatsache der Bombenabwürfe allein, die hindernd wirkt. Es sind beinahe in dem gleichen Maße die Belästigung der Bevölkerung durch die Anflüge und die über Gebühr ausgedehnten Sperrstunden sowie die damit verbundenen Behinderungen der Fischerei. Ich sagte, es sind auch die Anflüge, die stören. Jeder, der einmal erlebt hat, in welcher Weise Ohren und Gebäude reagieren, wenn ständig Düsenjäger oder andere schwere Flugzeuge dicht über die Köpfe, dicht über die Giebel der Städte hinwegrasen, wird begreifen, daß dieses Problem nicht leicht zu nehmen ist. Diese Anflüge, die quer zum Bombenziel erfolgen, die also weitgehend über Dörfer und Städte des Küstengebietes hinwegführen, sind nach unserer Meinung unnötig. Man könnte die Anflüge so einrichten, daß sie parallel zur Küste gehen. Damit würden die schwersten Belästigungen der Krankenhäuser und der Bürger, besonders in Nachtzeiten, vermieden werden.
Es ist hier weiter schon gesagt worden, daß man die Übungen konzentrieren könnte. Das scheint sehr nötig, denn das Verstreuen der Übungen über den ganzen Monat hat dazu geführt, daß praktisch kaum an einem einzigen Tage - im September war es ganz besonders schlimm - die Bevölkerung davon ausgehen kann, daß sie Ruhe haben wird. Auch bei noch so weitgehender Berücksichtigung angeblicher militärischer Erfordernisse muß sich eine Zusammenfassung der Übungen erreichen lassen. Monatelang ist das auch geschehen. Aber in den Herbstmonaten war das nicht mehr der Fall. So sind - um Ihnen nur einige Zahlen zu nennen - allein in der Zeit vom 1. bis 24. September dieses Jahres 23 Tages- und 16 Nachtübungen angesagt worden. Das sind insgesamt rund 40 Übungen gegenüber nur 19 Tagesübungen und einer Nachtübung, d. h. also 20, im Monat Juli. Damals war es somit nur die Hälfte, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß die letzten Zahlen für den Monat September, nämlich für die Zeit ab 25., fehlen. Im Juli waren es also - genau gesagt - noch weniger als halb soviel Übungen.
Die größere Zahl der Übungen im September ist nicht unbedingt nur darauf zurückzuführen, daß mehr Flugzeuge beteiligt worden sind, sondern das kann - der Eindruck besteht zum Teil - auch daran liegen, daß man die Übungen verzettelt, daß man Übungen für wenige Flugzeuge ansetzt und am nächsten oder übernächsten Tag dann den anderen Teil des Geschwaders oder der Einheit nachschickt. Das sind Dinge, deren Abstellung sicherlich möglich ist, auch ohne daß gegen den Geist des Abkommens verstoßen wird, auch ohne daß unbillige oder mit angeblich militärischen Notwendigkeiten nicht zu vereinbarende Forderungen angemeldet werden.
Um weiter darauf zu sprechen zu kommen, daß das Knechtsand-Abkommen bezüglich der Fischer auch eine Erwerbsseite hat, lassen Sie mich hier wenigstens einen Hinweis geben. Obwohl die Nachtübungen nur gelegentlich durchgeführt werden, besteht ein uneingeschränktes Nachtfangverbot für die Fischer. Das ist absolut unnötig. Wir haben heute gehört, daß in Zukunft die Ankündigungen der Übungen früher erfolgen werden. Es ist von Terminen von 36 und 24 Stunden die Rede gewesen. Wenn das eingehalten wird, wird sich eine Aufhebung des Nachtfangverbots durchsetzen lassen.
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- Wird aufgehoben!
Dann ist vielleicht die nächstschwere Sorge der Bevölkerung die, daß in zunehmendem Maße Bomben schweren Kalibers abgeworfen werden. Ich kann mir vorstellen, daß, wenn unsererseits verlangt wird, man möge nicht mehr 1000-Pfund-, man möge 500-Pfund-Bomben abwerfen, man möge überhaupt den Abwurf schwerer Bomben einstellen, dann seitens der Militärs die Einwendungen kommen werden, dabei seien nicht genau die gleichen Übungsbedingungen zu schaffen und es sei eben im Interesse der Durchführung von Übungen, die möglichst an den Ernstfall heranreichen, nötig, weiterhin schwere Bomben abzuwerfen. Wir meinen aber, daß sich solche Übungen auf wenige Tage konzentrieren könnten und daß man hierfür sehr wohl das geltend machen kann, was Sie, lieber Herr Kollege Hermsdorf, vorhin geltend gemacht haben: für solche Abwürfe solle man nach Möglichkeit Übungsplätze außerhalb Deutschlands auswählen, Übungsplätze, die nicht in einer so dicht bevölkerten Gegend liegen, die nicht so nahe an Schiffahrtslinien und an Fischereigebiete grenzen. Sicherlich werden sich im Bereich der
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1 Britischen Inseln solche Plätze finden lassen. Vielleicht ist es durchaus zumutbar - insofern gebe ich Ihnen recht, verehrter Herr Kollege -, wenn wir darauf hinwirkten, daß wenigstens für den Abwurf schwerster Bomben diese Ziele dann benutzt werden.
Mit Freuden haben wir zur Kenntnis genommen, daß jetzt britischerseits Befehle an die Luftwaffe gegeben worden sind, in der Mauserzeit des Wasserwildes die Übungen nicht durchzuführen bzw. sehr zu beschränken. Wir hoffen - es wird nicht möglich sein, hier alle Einzelheiten aufzuzählen, soweit sie sich auf Beanstandungen beziehen -, daß die Bundesregierung die Beschwerden und Klagen, die aus dem Knechtsandgebiet kommen, mit allergrößter Aufmerksamkeit behandelt, daß sie sich bemüht, die Ursachen der Klagen abzustellen, und daß sie in ihren Verhandlungen mit den Besatzungsmächten nicht allzu schüchtern ist.
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Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Besprechung abgeschlossen. Punkt 1 der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von ,der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Artikels 74 Nr. 13 des Grundgesetzes ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Errichtung eines Bundesministeriums für Erziehung und Unterricht ({1}).
Ich nehme an, daß Herr Dr. Brühler beide Teile dieser Ziffer der Tagesordnung begründen wird. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß der Ältestenrat vereinbart hat, daß die Begründung zu jedem dieser Teile 15 Minuten nicht übersteigen soll. Sie haben also insgesamt 30 Minuten, Herr Abgeordneter!
Das Wort hat Herr Dr. Brühler.
Dr. Brühler ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei auf Schaffung eines Bundesunterrichtsministeriums hat nicht nur im Bundestag, sondern auch in der deutschen Öffentlichkeit einiges Aufsehen erregt. Man hat erklärt, damit sei etwas Bemerkenswertes geschehen, eines der heißesten innerpolitischen Eisen der Bundesrepublik sei angefaßt worden. Noch auffälliger aber sei, daß dieser Antrag von einer Partei komme, die noch föderalistischer sei als die Unionsparteien. Das aber, meine Damen und Herren, ist kurzschlüssiges Denken. Die DP ist eine echt föderalistische Partei, d. h. sie bejaht das, was in jahrhundertelanger Entwicklung geworden ist, und wünscht, daß es organisch weitergebildet wird.
Was aber, vor allem seit 1945, im deutschen Schulwesen geschehen ist - und zwar in allen Sparten, von der Volksschule bis zur Hochschule -, ist nicht föderalistisch, sondern partikularistisch.
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Es legt echtem Föderalismus förmlich die Axt an
die Wurzel. Föderalismus und, Partikularismus verhalten sich zueinander etwa wie echtes Soldatentum und geisttötender Militarismus, oder wie echte Sparsamkeit zu schnödem Geiz. Gerade da wir den echten, den berechtigten Föderalismus wünschen und brauchen, gerade darum haben wir diesen Antrag eingebracht.
Unsere neun Kultusminister sagen uns zwar immer wieder, gegen ein bundeseinheitliches Schulsystem sprächen so viele Argumente, daß mit einer Klärung dieser Frage überhaupt nicht gerechnet werden könne; der föderalistische Aufbau unseres Schulwesens müsse unbedingt gewahrt werden. Sie glauben wohl auch echte Föderalisten zu sein, aber sie tragen - vielleicht ohne es zu wollen oder ohne es zu wissen - lediglich eine föderalistische Kulisse vor sich her, hinter der ,der Partikularismus in zerstörerischer Weise schaltet und waltet. Das zu beweisen, ist nicht schwer und soll im folgenden geschehen.
Und einen zweiten Irrtum habe ich auszumerzen. Wir beantragen nicht einen Bundeskultusminister, wie meist gesagt und geschrieben wird, sondern einen Bundesunterrichtsminister, einen Mann, der von Bonn aus Grundsatzentscheidungen zu treffen hat. Alle nicht Schule und Erziehung betreffenden kulturellen Angelegenheiten sollen den Länderministern verbleiben. Wir wissen sehr wohl, daß die kulturellen Dinge sich in sehr verschiedener Weise und in schönster Mannigfaltigkeit in unserem Vaterlande entwickelt haben, daß hier ein großer Reichtum unseres Lebens liegt und daß darum ein Zentralismus verfehlt wäre. Der Friese ist anders geprägt als der Oberbayer, der Niedersachse anders als der Alemanne. Hier ist Kulturautonomie nicht nur berechtigt, sondern geradezu notwendig.
Aber nun kommt die Kardinalfrage: ist sie es auch in der Schule, sollen hier nicht in erster Linie Deutsche erzogen werden? Arbeiten unsere Schulverwaltungen tatsächlich so eng zusammen, daß wenigstens wie einstens im Bismarckreich bei aller Vielfalt eine geistige Linie vorhanden ist?
Der ehemalige Kultusminister von Rheinland-Pfalz, Professor Süsterhenn, hat am 11. März dieses Jahres hier in Bonn eine Rede gehalten, die er überschrieb: „Hat sich der Föderalismus bei uns überlebt?" Es war eine sehr bemerkenswerte Rede, und Süsterhenn hat zweifellos viel Richtiges zugunsten eines echten Föderalismus gesagt. U. a. hat er auch folgendes ausgeführt:
„Wenn der Föderalismus versagt, dann ergibt sich automatisch die Befugnis der übergeordneten Einheit, dafür zu sorgen, daß das Gesamtwohl gewahrt bleibt."
Eine ausgezeichnete Bemerkung, und absolut anzuwenden auf unsere Schulverhältnisse; denn hier hat der überspitzte und seit Jahren ins Partikularistische entartete Föderalismus auf der ganzen Linie versagt. Sobald klargeworden ist, daß die Länder bestimmte Aufgaben aus eigener Kraft nicht befriedigend lösen können, müssen sie auch nach echt föderalistischer Auffassung diese Dinge dem Bunde zur Erledigung überlassen. Das ist leider bei uns bisher nicht geschehen, obwohl es eine Fülle von Fragen gibt, die die Länder nicht zu meistern verstanden.
Das Versagen auf dem Gebiet der Schule hat Süsterhenn im Kern nicht erkannt, zum mindesten hat er es zu bagatellisieren versucht, ohne zu merken, in welche Widersprüche er sich dabei verfing.
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Er hält einen Bundeskultus- und wohl auch einen Bundesunterrichtsminister nicht für nötig und den Ruf nach ihm für falsch. Es ist nun aber höchst bemerkenswert, was er im einzelnen dazu ausführt. Er meint, die Forderungen der Ministerpräsidentenkonferenz vom 5. Februar dieses Jahres hätten
- ich zitiere ihn jetzt wörtlich - „sozusagen den Kultusministern etwas Dampf gemacht ..., endlich gewisse Vereinheitlichungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Schulwesens zu treffen". Dann aber fährt er fort, und ich bitte Sie, auf jedes Wort zu achten: Man habe „dieses Schulchaos und diese Schulzersplitterung . . . weitgehend dramatisiert". Und wie begründet er das? Er sagt, man habe in Bonn in wenigen Wochen eine Bundeshauptstadt aus dem Boden gestampft, und „die unglücklichen Bonner Bundeskinder" - ich zitiere wiederum wörtlich und bitte wiederum, die einzelnen Worte zu beachten - seien nun aus den verschiedensten Besatzungszonen und Ländern gekommen und hätten auf einmal die Feststellung von der Zersplitterung des deutschen Schulwesens treffen müssen. Und weil nun einmal - so fährt Süsterhenn wörtlich fort - Abgeordnete, Journalisten, die Vertreter der hohen Ministerialbürokratie alles Persönlichkeiten mit einem weitreichenden Einfluß, mit einer erheblichen publicity seien, seien diese Dinge dann auch in Presse und Rundfunk hineingekommen und dort viel stärker dramatisiert worden, als sie sachlich berechtigt gewesen seien. Und schließlich schloß Dr. Süsterhenn mit den fast beschwörenden Worten:
Aber ... lassen wir doch wegen solcher Einzelheiten und Kleinigkeiten
- vorher sprach er von „Schulchaos" und „ Schulzerplitterung" nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und nicht am Föderalismus irre werden.
Nun, alle diese Worte Süsterhenns über die Schule wurden von einem Teil der Versammlung nicht ohne 'deutlichen Widerspruch hingenommen. Leider kam es zu keiner Diskussion; sonst wäre Herrn Süsterhenn schon damals in aller Deutlichkeit gesagt worden, daß es nicht nur „unglückliche Bonner Bundeskinder" gibt, wie er meinte, sondern unglückliche Bundeskinder überhaupt
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und daß in Bonn nur etwas in grellstes und konzentriertestes Tageslicht trat, was im ganzen Bundesgebiet den Kindern die Schule seit Jahren vergällt, was in der deutschen Presse seit Jahren immer und immer wieder, und zwar in immer deutlicherer Weise, vor allem in den letzten Monaten. behandelt wird. Um nur einige Schlagzeilen und Überschriften herauszustellen, die diese Einstellung charakterisieren: „Die Eltern haben Schulsorgen" - sere Kinder schweben in einer großen Gefahr" -„Neun Jahre sind vergangen, an den Schulen aber ging das ,Deutsche Wunder' vorbei" - „Unsere Kinder sind die Opfer der jeweiligen Reformsucht" - „Außenseiter experimentieren mit dem kostbarsten Gut des Volks, seiner Jugend" - „Die Situation der Schule im Bundesgebiet droht zu einem öffentlichen Ärgernis zu werden" - „Die Eltern haben das Vertrauen verloren" - ,.Schulraumnot ist Mord an Leib und Seele der Kinder"
- „Jahrelange Mißachtung des Volksprotestes gegen den Schulwirrwarr" - „Rettet unsere Kinder!"
Hier darf wahrhaftig nicht mehr bagatellisiert werden. Auch der hessische Kultusminister Hennig hat sich in einem Interview am 22. Juli dieses Jahres zu unserem Thema geäußert. Nur fütterte er, wie einst der kluge Schäfer in dem Bürgerschen Gedicht „Der Kaiser und der Abt", die Pferde mit Wenn und mit Aber. Er meinte, die Ständige Konferenz der Kultusminister - eigentlich ist es ja nur eine periodische Konferenz - sei ein gangbarer Weg, und wenn die deutschen Länder ihre Verpflichtungen gegenüber der deutschen Kultur - gemeint ist hier vor allem die deutsche Schule - erfüllten -wenn! -, so erübrige sich ein Bundeskultusminister. Man kann immer nur sagen: wenn, ja wenn! Er sagte weiter, es sei dieser Ständigen Konferenz der Kultusminister gelungen, die Gefahr einer Aufsplitterung auf kulturellem Gebiet zu verhindern. Ja, warum sprach dann kurz vorher Herr Süsterhenn von Schulchaos und Schulzersplitterung? Hennig erklärte weiter, natürlich müsse jetzt ein gesunder Mittelweg zwischen Zentralismus und Eigenbrötelei gefunden werden. Er spricht also -und spottet seiner selbst und weiß nicht, wie - von Eigenbrötelei. Das Fremdwort für Eigenbrötelei aber heißt Partikularismus. Und fast, möchte man sagen, wider seinen Willen, macht Minister Hennig uns noch weitere Zugeständnisse. Er sagte: „Inzwischen bahnt sich eine einheitliche Regelung langsam an." Wir hören hier vor allem das Wort „langsam" und betonen demgegenüber: es ist allerhöchste Zeit, es muß schnellstens gehandelt werden.
Es ist noch mehr auf das Hennigsche Interview zu erwidern. Wesentliche Unterschiede bestehen nach Hennig noch hinsichtlich des Schuljahrbeginns und der Grundschuljahre. Hier sind, so sagte der hessische Kultusminister wörtlich, die Kultusminister von einer befriedigenden Lösung noch weit entfernt. Wir fragen: Und wie ist es - was unendlich viel wichtiger ist als Schulbeginn und Grundschuljahre - mit den Lehrplänen,
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den Prüfungsordnungen, den Büchern, der Ausbildung der Volksschullehrer, der Schulraumnot und mit vielen anderen wesentlichen Dingen? Warum geht die Konferenz hier nicht ans Werk?
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Die Antwort heißt: aus übertriebenem Partikularismus, der leider das Denken fast aller Landesregierungen weithin beherrscht und der ein Erbübel der Deutschen ist.
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Nicht gerade tröstlich ist die Aussage Hennigs, bisher hätten die Kultusminister vor ihren Finanzministerkollegen kapituliert. Das erleben wir ja nun schon seit vielen Jahren. Bei der Frage der Schulraumnot und bei den Hochschulfragen werde ich darauf noch zurückkommen. Auch Minister Hennig schließt mit einem gewissen müden Trost, mit einem mahnenden Appell an die Ständige Konferenz der Kultusminister: „Nur eine wirkungsvoll und einsichtig arbeitende Konferenz kann die Eigenständigkeit der Länder auf kulturellem Gebiet auf die Dauer sicherstellen." Er verlangt also wirkungsvolle und einsichtige Arbeit.
Meine Damen und Herren, wir wollen die Ständige Konferenz der Kultusminister wahrhaftig nicht angreifen. Das liegt uns fern. Wir wissen, daß sie sich bemüht hat. Aber sie hat nur beratende Kompetenzen. Wir wissen auch, was die Alliierten
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1945 und 1946 wollten, lange ehe es die Ständige Konferenz der Kultusminister gab. Sie wollten uns in re-education oder ré-éducation, wie es im Süden hieß, nehmen - ein ganz unsinniges Beginnen! Wir machen aber Vorwürfe den damals amtierenden Kultusministern, oder doch vielen von ihnen, die oft allzu willfährig auf alliierte Befehle eingegangen sind, obwohl sie es doch besser wissen mußten, und die damit den Grund gelegt haben für das fast ausweglose Chaos, in dem sich heute unser Schulwesen befindet.
Hier muß nun endlich eine reformatio in capite et in membris, eine echte Reform geschehen, eine gesamtdeutsche Reform, die nur von einer Stelle aus geleitet werden kann.
Meine Damen und Herren, hören wir doch einmal wirklich und ernsthaft in die deutschen Elternhäuser hinein! Hören wir doch endlich einmal auf die Presse aller, aber auch aller Schattierungen und seien wir uns endlich und wahrhaft bewußt, daß unser Schulwesen in einer lebensgefährdenden Gefahr schwebt! Und wenn der Düsseldorfer „Fortschritt" vielleicht etwas zu stark ins Zeug geht, im Grunde trifft er doch den Nagel auf den Kopf, wenn er am 8. Juli dieses Jahres schreibt:
Die Erfüllung auch nur der simpelsten Vereinheitlichungswünsche der westdeutschen Eltern löst eine Psychose bei den Kultusministern aus. Sie haben das Gefühl, daß an dem Ast, auf dem sie sitzen, gesägt wird, und die schlimmste Vision, die an ihren Nerven zerrt, zeigt ihnen statt ihrer neun einen einzigen verantwortlichen Schulmann mit dem Sitz in Bonn, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer der wenigen neuen Minister werden könnte, gegen dessen Berufung überhaupt kein Einspruch erfolgen würde.
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Ach, meine Damen und Herren, dieser Minister würde mit Jubel begrüßt werden, und zwar in allen Teilen Deutschlands.
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Aber es gehört zum Deutschen, daß stets Sonderdasein und Eigenwille überwiegen, und so ist Verwirrung, Zersplitterung, Chaos das Ergebnis dieses Kulturpartikularismus.
Das offizielle Bulletin vom 10. Juli dieses Jahres ist etwas vorsichtiger als Hennig. Es stellt fest, daß wir „heute keine einheitliche deutsche Schule" haben. Ich zitiere wiederum wörtlich:
Verschiedene Bildungs- und Erziehungsziele, verschiedene Prüfungsbestimmungen, verschiedene Sprachenfolgen, verschiedene Schul-und Klassenbezeichnungen, verschiedene Formen der Lehrerausbildung, verschiedene Besoldungsordnungen, Länder mit und ohne Schulgeldfreiheit usw. vervollständig en das Bild einer großen Vielfalt oder, wie manche es übertrieben nennen, des deutschen „Schulchaos".
Und ganz im Gegensatz zur Feststellung am Anfang heißt es dann plötzlich:
Das Schulwesen der Bundesrepublik ist gekennzeichnet durch Vielfalt und Einheit zugleich.
Wenn wir „keine einheitliche deutsche Schule" haben, wie es vorher hieß, kann sie doch nicht „durch Vielfalt und Einheit zugleich" gekennzeichnet sein!
Meine Damen und Herren, ich habe mir erlaubt, Ihnen das alles in absoluter Objektivität vorzutragen. Sieht man doch daraus, wie sogar offizielle Zeitungen zwar den ganzen Wirrwarr unseres Schulwesens fast wider Willen zugeben müssen, weil er gar nicht mehr geleugnet werden kann, wie sie aber gleichzeitig versuchen, einiges zu retten. Sie verwickeln sich dann in Widersprüche und stellen Dinge fest, die sich nie und nimmermehr vertragen. Im Grunde arbeiten sie darum auch für diejenigen, die dem Wirrwarr ,ein Ende machen wollen, indem sie sich für ein Bundesunterrichtsministerium einsetzen.
Unser Grundgesetz in Ehren; aber sakrosankt ist es nicht. Es soll ja auch „dem staatlichen Leben" nur „für eine Übergangszeit eine neue Ordnung geben", wie es im Grundgesetz selbst heißt. Das Grundgesetz ist in einer Zeit und unter Umständen entstanden, die sich seitdem stark gewandelt haben. Es ist viel zu partikularistisch. Warum sollen wir heute, im Jahre 1954, dem Bunde nicht klare Befugnisse geben, die über das Grundgesetz hinausgehen? Es gilt doch, dem deutschen Volke „seine nationale und staatliche Einheit zu wahren", wie es im Grundgesetz heißt. Das wären vor allem, neben Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Finanzen, echte Kompetenzen in Schul- und Erziehungsfragen. Die Notwendigkeit einer solchen Regelung kann niemand bestreiten, der sich wirklich mit diesen Dingen befaßt hat. Es ist Eigensinn und falsche Grundsatztreue, wenn man sich dagegen sperrt.
Ich will nun versuchen, im folgenden das Wesentliche herauszustellen, was uns in das Schulchaos geführt hat, und beschränke mich wiederum auf das Wichtigste.
Man hat in Deutschland in den letzten Jahren viele Wohnungen gebaut, und das war gut so. Aber man hat auch riesige Kaufhäuser, Polizeipräsidien, Verwaltungsgebäude von Körperschaften, Ministerien, Arbeits- und Finanzämter und Vergnügungsstätten im Übermaß errichtet, und das ist weniger gut. Man hat auch Schulen restauriert und neue gebaut. Aber der Aufstieg der Bautätigkeit galt nicht für die deutsche Schule; denn hier ist nur ein Bruchteil von dem geschehen, was hätte geschehen müssen. „Neun Jahre sind vergangen. An den Schulen aber ging das ,Deutsche Wunder' vorbei", schrieb „Christ und Welt" am 8. April dieses Jahres.
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So ist eine Schulraumnot entstanden, die zum Himmel schreit.
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- Sie leugnen doch hoffenlich nicht die Schulraumnot. Ich werde Ihnen nachher Zahlen nennen, daß Sie Bauklötze staunen werden!
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- Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Ihre Zurufe vielleicht so zu organisieren, daß ich auf jeden einzelnen eingehen kann; sonst haben wir ja hier auch einen Wirrwarr und ein Chaos.
„An allen Arbeitsstätten sind die Verhältnisse wieder normal, die Schule ist weit entfernt davon", schreibt das „Sonntagsblatt".
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Schichtunterricht in oft unzureichenden Räumen ist die Folge davon. Diese sind von morgens bis abends belegt und oft kaum genügend zu lüften. Die Unterrichtsstunden müssen verkürzt werden, und da an den Samstagnachmittagen die Schulhäuser gesäubert werden, dieser Nachmittag also nicht ausgenützt werden kann, geht mehr als ein Jahr an Arbeitszeit an der gesamten Schuldauer verloren. Die selbstverständliche Folge ist eine große Leistungsminderung. In Nordrhein-Westfalen - über dieses größte deutsche Land möchte ich Ihnen hier Zahlen geben, die Sie ja nachprüfen können - haben heute noch 45 % der Schulen Doppelschichten,
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20 % der Schulen sind auf mehrere Gebäude verteilt, 45 '% haben Wanderklassen, 60 % benutzen Fachräume als Klassenzimmer, 40 % haben keine Turnhalle.
In den meisten anderen Ländern ist es nicht besser. In Berlin wird man erst in sieben Jahren, in anderen Ländern in acht Jahren so weit sein, daß kein Schichtunterricht mehr zu sein braucht.
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Wir brauchen daher, meine Damen und Herren, ein Sofortprogramm zur Schaffung normaler Schulverhältnisse im gesamten Bundesgebiet, denn die Schulraumnot ist, wie richtig gesagt wurde, „eine kulturelle Unerträglichkeit". Es darf dabei keine Kapitulation vor dem Finanzminister geben. Bedenken wir, daß die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Schule in anderen Ländern Europas 18 %, in Deutschland aber nur 5 % der Gesamtausgaben betragen. Dies Sofortprogramm muß von Bonn aus zentral gesteuert werden; denn viele Köche verderben den Brei.
Dann darf unsere Schule auch nicht länger der Spielball unausgereifter Experimente und parteipolitischer Wechselfälle sein. Ohne sich um Parlament und öffentliche Meinung zu kümmern, ohne Rücksicht auf die Nachbarländer haben die meisten Kultusverwaltungen ihre Pläne zu verwirklichen gesucht, die häufig weltanschaulich oder parteipolitisch bedingt waren. Wechseln dann die Regierungen, dann wechseln auch die Experimente. Ruhe und Stetigkeit aber, wie sie die Schule braucht, sind dahin, und Gutes und Erprobtes wird verworfen. So entwickelte sich das Schulwesen der einzelnen deutschen Länder, vor allem auf dem Gebiet der höheren Schulen, in wesentlichen Zügen auseinander. „Man hat immer wieder den Eindruck, daß manche unserer Kultusministerialbürokratien es einem Humboldt gleichtun möchten, statt schlicht und einfach zu verwalten", schrieb „Die Zeit" am 4. März 1954. Auch hier kann eine echte und schnelle Reform, die die Schule vor allem auch aus der Parteipolitik herausnimmt, nur von einem Bundesunterrichtsministerium ausgehen, das Grundsatzentscheidungen trifft und das den Ländern bindende Weisungen geben kann, sonst hört das Bildungsbabel in Deutschland nie auf. Wenn es so weitergeht wie bisher, dann reformieren die Reformer die Schule tot.
Heute sind die Unterschiede in unseren neun Schulsystemen so groß, daß man nur den Kopf schütteln kann. Diese Unterschiede sind vorhanden in der Schuldauer, in den Schultypen, im Sprachen-beginn und in der Sprachenfolge, in Lehrplänen
und Bildungszielen, in der Mittelstufe - der differenzierte Mittelbau ist das Steckenpferd eines bestimmten Kultusministeriums -, in der Gestaltung der Oberstufe, in den Aufnahmeprüfungen, in der Ausbildung des Lehrernachwuchses und in verschiedenen anderen Dingen; ich will sie gar nicht alle aufzählen. Und dagegen, meine Damen und Herren, soll die Ständige Konferenz der Kultusminister anlaufen können?
Wenn heute eine Familie versetzt wird oder verzieht, dann beginnt für sie das Schulelend ihrer Kinder. Sie kommen immer in völlig neuartige Verhältnisse, oft sogar im gleichen Lande, und verlieren dann mindestens ein Jahr, wenn der Vater nicht in der Lage ist, Nachhilfestunden zu bezahlen. Ich frage Sie: Ist das „Dienst am Kunden", wie man ihn doch von jedem Geschäftsmann verlangt? Sind unsere Schulen wirklich noch für die Kinder da? Mit Recht erklärt eine bekannte Zeitung: „Ein Schulwechsel etwa von München nach Düsseldorf ist pädagogischer Selbstmord!" Diejenigen, die es dahin haben kommen lassen, sind bestimmt nicht dazu berufen und geeignet, es zu ändern. Wiederum müssen wir unser ceterum censeo rufen: Wir brauchen den Bundesunterrichtsminister!
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Nur er kann die Aufgabe erfüllen, die über alle Tagesprobleme hinaus ins Zentrum unserer Existenz reicht. Auf dem Gebiet der Bildungspolitik zahlt der Staat mit seiner Substanz.
Meine Damen und Herren, noch ein paar Zahlen, wenige, aber erschütternde Zahlen, ausgewählt aus einer beliebigen Stadt! In Düsseldorf werden sieben Rechenbücher verschiedener Methoden benutzt, sechs deutsche Sprachlehren und sechs völlig verschiedene Lesebücher in den ersten Klassen.
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- Das ist ein sehr großer Nachteil, vor allen Dingen für diejenigen, die aus einer Stadt im Osten nach dem Westen versetzt werden und dann diese Bücher kaufen müssen.
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Abgesehen davon ist es auch in allen möglichen anderen Beziehungen ein großer Nachteil. Ich möchte dazu nur noch eines sagen: Wir haben in diesem kleinen Bundesgebiet über hundert Fibeln, d. h. Lesebücher für die erste Volksschulklasse. Bei Wohnortwechsel bedeutet diese partikularistische Unzahl jedenfalls Anforderungen an den väterlichen Geldbeutel, die leicht vermieden werden könnten.
Es gibt Menschen, die behaupten, unsere Volksschullehrer würden nach 55 Methoden ausgebildet, weil wir 55 verschiedene Ausbildungsstätten haben. Ich gehe gar nicht so weit, aber gewiß ist, daß die Art, wie diese Ausbildung in Westdeutschland geschieht, in keiner Weise koordiniert und in den einzelnen Ländern völlig verschiedenartig ist. In Bayern - ich bitte die Kollegen aus Bayern besonders herzuhören - gibt es sogar noch immer die alten Lehrerseminare, eine Einrichtung von vorgestern.
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- Ja, die haben sich in alter Zeit ganz zweifellos sehr bewährt, aber wir sind ja nun auch einige
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Jahre weiter gekommen, und heute ist die akademische Lehrerbildung eine absolute Selbstverständlichkeit geworden.
Man könnte noch lange fortfahren in der Schilderung des Schulchaos und der Schulzersplitterung, aber ich glaube, das Gesagte genügt, was Volksschule und höhere Schule betrifft. Alles drängt hier nach Zusammenfassung und Vereinfachung. Nichts Entscheidendes aber ist bisher geschehen, auch nicht auf dem Gebiet der Berufsschule und der Erwachsenenbildung. Auch die letzten Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister sind völlig an der Oberfläche geblieben. Schulanfang, Bezeichnung der Schulen, Notengebung sind Äußerlichkeiten, die letztlich belanglos sind.
Und dann, meine Damen und Herren: Was soll werden, wenn der Tag der Wiedervereinigung Deutschlands kommt?
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Sollen dann neun Schulsysteme - andere behaupten sogar: zwölf, ich begnüge mich mit neun -, soll größte Uneinheitlichkeit, ja Verworrenheit dem weitgehend bolschewisierten und vereinheitlichten System der Sowjetzone gegenübertreten? Was soll dann aus der deutschen Schule werden? Wahrhaftig, ein Grauen überfällt einen, wenn man daran denkt. Ein Herkules würde nötig sein, um den Augiasstall dann zu reinigen, wenn wir die Wiedervereinigung nicht - geistig und organisatorisch - peinlich genau vorbereitet haben.
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Neun verschiedene Systeme darf es dann nicht mehr geben. Hier kann nur ein Bundesunterrichtsministerium wirklich und wirksam helfen.
Noch einige Sätze über die Verhältnisse an den deutschen Hochschulen, die einstens unser Stolz gewesen sind. Am 6. Mai 1954 hat schon Herr Kollege D r. Gülich ausgeführt, die Forschung und Pflege der Wissenschaften könnten nicht Ländersache sein. Er hat wörtlich gesagt:
Wir müssen daran denken, einmal das Grundgesetz zu ändern. Wir müssen auch - ich spreche das ruhig aus - ein Bundeskultusministerium haben. Es geht nicht an, daß weiterhin die Fragen der wissenschaftlichen Forschung, der Erziehung und Volksbildung von der mehr oder minder großen oder geringen Einsicht der Länderfinanzminister und der mehr oder minder zulänglichen Finanzkraft der einzelnen Länder abhängen.
Meine Damen und Herren, ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Die heutige deutsche Hochschule ist ihren Aufgaben auch nicht mehr gewachsen. Das soll nicht heißen, daß sie nicht über hervorragende Dozenten verfüge, aber es sind viel zu wenige Hochschullehrer vorhanden, als daß alle Aufgaben mit echter Gründlichkeit gelöst werden könnten. 1853, also vor über 100 Jahren, kamen auf 1800 Hörer 100 Ordinarien und 94 Nichtordinarien. 1951 kamen auf 5600 Hörer 100 Ordinarien und 120 Nichtordinarien. Die Zahl der Studenten hat sich gewaltig erhöht, die Zahl ihrer Lehrer hat sich kaum verändert.
Das bedeutet, daß zahlreiche neue Planstellen geschaffen werden müssen. Auf der Jahrestagung 1954 der Max-Planck-Gesellschaft in Wiesbaden haben die Professoren Heimpel, Hahn und Bötticher eine Vermehrung der Professuren und Dozenturen
gefordert, nachdem das in den letzten Jahren immer wieder verlangt worden war. Ich darf bei dieser Gelegenheit auch auf den Aufsatz von Professor Reiser „Falscher Föderalismus" in der Deutschen Universitätszeitung vom 6. September hinweisen, wo gerade Forschungsfragen ausgiebig behandelt worden sind. Heute sind 52,4 % aller durch Habilitation oder Berufung vollqualifizierte Hochschullehrer nichtplanmäßige Kräfte, sogenannte Nichtordinarien, die entweder gar nicht oder im Verhältnis zu ihrer Ausbildung und Tätigkeit viel zu gering besoldet werden. Dieser Teil der Dozentenschaft befindet sich im Zustand völliger rechtlicher und sozialer Unsicherheit. Ihm werden, wie das „Sonntagsblatt" vom 13. Juni 1954 schreibt, die für den einfachsten Angestellten selbstverständlichen Rechte vorenthalten. Er wird zum Hungern, zur andauernden wirtschaftlichen Unsicherheit und zur gesellschaftlichen Deklassierung verurteilt.
Wie sich das .auf den Nachwuchs auswirken muß, ist klar. Viele der Besten setzen sich diesen Zuständen nicht mehr aus. Die Besetzung der Stellen mit mittelmäßigen Kräften ist vielfach die Folge' und damit ein Niedergang auf allen Gebieten. Das gilt sowohl für Technik und Naturwissenschaften wie für die sogenannten geistigen Disziplinen. Mittelmäßige Dozenten aber werden nur mittelmäßige Lehrer ausbilden, und diese werden ihren Niveauverlust auf ihre Schüler vererben. Darum geht die Frage des Hochschullehrernachwuchses alle Kreise der Gesellschaft an. Sie ist, wie richtig geschrieben wurde, ein Politikum ersten Ranges, wie alle Bildungsfragen überhaupt, die auch nicht vom Gesichtspunkt bevorstehender Landtagswahlen aus behandelt werden dürfen.
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Die unhaltbaren Zustände in den Personalverhältnissen der deutschen Hochschulen gehen nicht zuletzt auf das Fehlen einer zentralen deutschen Unterrichts- und Erziehungsverwaltung zurück. Viele Länderkultusverwaltungen machen keine wirklich ernsthaften Anstrengungen zur Regelung der Personal- und Nachwuchsfragen. Auch hier kapitulieren die Kultusminister vor ihren Finanzministerkollegen. Eine besorgniserregende Verschiedenheit im Entwicklungstempo der wissenschaftlichen Hochschulen in den einzelnen Bundesländern ist festzustellen. In ganz besonderem Maße sind die jüngeren und außerplanmäßigen Hochschullehrer betroffen, ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und ihre berufliche Entwicklung. Personal- und Nachwuchsfragen aber sind das Zentrum aller Wissenschaftspolitik und die Grundlage eines gesunden Hochschulwesens. Gerade diese Fragen müssen durch ein en Minister einheitlich in Angriff genommen werden.
Als Preußen im Jahre 1807 zusammengebrochen war, galt für die Reformer das Wort: Der Staat muß an moralischen Kräften ersetzen, was ihm an physischen fehlt. Das gleiche Wort gilt heute.
Der Südwestfunk hat sich, als er über unseren Antrag am 1. Juli berichtete, mit scharfen Worten gegen den Partikularismus unserer Kultusminister und die Starre der Länder gewendet und gesagt, es gebe wohl kaum eine vernünftige Stimme, die das Durcheinander auf dem Gebiete der Erziehung heute noch mit sinnvoller Eigenart beschönigen möchte, und das Ergebnis der mehrjährigen Bemühungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister sei gleich Null. Man halte uns nicht entgegen,
({27})
auch im Bismarckreich habe eine Kulturautonomie der deutschen Bundesstaaten bestanden. Damals gab es nämlich bei aller Mannigfaltigkeit doch eine einheitliche Linie in unserem Bildungswesen. Damals lebten wir in echtem Föderalismus, und es durfte das Wort „in variis libertas", „im Mannigfaltigen Freiheit" gelten. Heute ist das anders geworden. Die einheitliche Linie ist verlorengegangen, babylonische Verwirrung ist an ihre Stelle getreten.
({28})
- Natürlich kann man es übertreiben; das tue ich aber nicht.
({29})
Ich sage die Dinge so, wie sie sind. Es liegt mir gar nichts daran, etwas zu übertreiben. Glauben Sie nur, eine Sache leidet dadurch, wenn man übertreibt. Wenn man sie richtig vorträgt und dabei nicht übertreibt - und darum bemühe ich mich mindestens -, hat sie ja viel mehr Effekt.
Heute ist es anders geworden, habe ich gesagt. Die einheitliche Linie ist verlorengegangen, und die babylonische Verwirrung - das war wohl das, was Sie etwas erregte - ist an ihre Stelle getreten. Aber sehen Sie doch einmal hinein! Sehen Sie sich einmal die Pläne der einzelnen Kultusminister an! Denken Sie doch daran, daß es Kultusminister gibt, die vielfach gar nicht daran denken, sich an die Richtlinien zu halten, die sie selbst mit beschlossen haben. Das ist die Wahrheit; ich habe das selbst in meinem Beruf erfahren.
Die einheitliche Linie ist verlorengegangen, und unsere Schulen - von der Volksschule bis zur Hochschule - sind längst ein Necessarium geworden, eine deutsche Lebensnotwendigkeit. Und dafür gilt das Wort: In necessariis unitas - im Notwendigen Einigkeit!
({30}) Meine Damen und Herren, wenn wir - und ich bedaure es in diesem Fall, daß das abgeschafft worden ist - ein Volksbegehren und einen Volksentscheid wie in der Weimarer Republik hätten und wir beantragten sie, - wir bekämen eine Dreiviertelmehrheit für unseren Antrag. Es ist geradezu komisch, wenn im Bundesländerdienst ein wirklich nicht sachkundiger Verfasser - sein Bericht ist nämlich voller Unrichtigkeiten - schreibt, daß „die Erörterungen über ein Bundeskultusministerium von vornherein in den Bereich der parteipolitischen Propaganda und der volkstümlichen Effekthascherei verwiesen werden" dürften. Nein, meine Damen und Herren, unser Antrag ist ein höchst aktueller Antrag, auf den der größere Teil der Bevölkerung unserer Bundesrepublik seit langem wartet. Er hängt sozusagen schon lange in der Luft und mußte nur heruntergeholt werden.
({31})
Und lehnt ihn das Hohe Haus ab, so wird er bestimmt nicht eingemottet werden. Die Stimme der Eltern, die immer größer werdende Not werden eines Tages den deutschen Unterrichtsminister doch erzwingen.
Unser Bundeskanzler hat vor kurzem einmal gesagt: „In der Politik gelingt nichts auf einen Schlag". Wir glauben auch nicht, daß das Hohe Haus jetzt diesem Antrag zustimmen wird.
({32})
Wir bitten aber, den Antrag dem Ausschuß für kulturpolitische Angelegenheiten zu überweisen.
({33})
Die Anträge sind eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache. - Es liegen noch keine Wortmeldungen vor.
Ich erteile das Wort Herrn Dr. Kleindinst.
Dr. Kleindinst CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe erwartet, daß zu der Begründung des Antrages seitens der Parteien in zustimmendem oder ablehnendem Sinne lebhaft Stellung genommen wird. Ich wollte mich zunächst zurückhalten, um auf die Begründungen und Einwendungen zu antworten. Aber da sich niemand gemeldet hat, sehe ich mich doch veranlaßt, Ihnen folgendes nun gleich zu sagen.
Die CDU/CSU wird Ihnen keine Möglichkeit geben, diesen Antrag mit verfassungsändernder Mehrheit anzunehmen. Sie wird den Antrag ablehnen, wie ja auch der Herr Antragsteller erwartet hat.
({0})
Als wir im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz berieten, bestand das Bestreben, alle Fragen auszuschalten, die mit weltanschaulichen Beziehungen verknüpft waren, um die Fertigstellung des Grundgesetzes möglichst bald zu erreichen. Man hat infolgedessen lediglich den Art. 7 in das Grundgesetz aufgenommen. Ich kann Ihnen sagen, daß auch die Hereinnahme dieses Art. 7 große Schwierigkeiten bereitet hat. Sie ist während der ganzen Beratungen des Parlamentarischen Rates bis zuletzt im Fünfer-Ausschuß immer wieder erwogen worden, und erst die Anlehnung an die Weimarer Verfassung hat die Annahme dieses Artikels ermöglicht. Hinsichtlich der Rechte der Religionsgesellschaften hat man einfach die Vorschriften der Weimarer Verfassung übernommen. Wenn nun das im Parlamentarischen Rat geschehen ist, um die Verfassung möglichst bald zum Abschluß zu bringen, so kann ich nicht einsehen, daß wir diese schwierige Materie in Widerspruch zu den Absichten der Verfassung jetzt in die Gesetzgebungsbefugnis ides Bundes aufnehmen sollen.
Aber das ist nicht der einzige Grund unserer Stellungnahme. Sie werden nicht leugnen können, Herr Dr. Brühler, daß Schule und Hochschule, das ganze Bildungswesen organisch in den Ländern gewachsen sind und daß jeder Eingriff in diese Entwicklung zu den größten Schwierigkeiten führen muß, namentlich in einer Zeit, wie wir sie erleben.
Die Verfassung von 1871 hat keine Vorschriften über die Zuständigkeit des Reichs in bezug auf Schule, Bildung und Kulturpflege enthalten. Sie sagten, damals sei eine einheitliche Linie dagewesein. Diese einheitliche Linie hat lediglich auf Grund des Geisteserbes bestanden - nehmen wir das Wort, das jetzt auch in den internationalen Vereinbarungen immer wieder hervorgehoben wird -, nicht in der Organisation und nicht in den Gesetzen. Aber auch während der Geltung der Verfassung von 1871 haben sich die Bundesstaaten zu Vereinbarungen in bezug auf die Anerkennung von Zeugnissen, der Berechtigung zum Zugang zur Hochschule usw. gefunden.
({1})
Die Weimarer Verfassung hat lediglich eine Grundsatzgesetzgebung auf dem Gebiet der Schule vorgesehen. Sie hat einige positive, einige materielle Bestimmungen enthalten. Es würde zu weit führen, sie Ihnen noch einmal zusammenzufassen. Die Grundsatzgesetzgebung ist aber in zweimaligem Anlauf zwischen 1919 und 1932 an der Schwierigkeit der Materie gescheitert. Erst das Dritte Reich hat eine einheitliche Schulgesetzgebung in die Wege geleitet und das Preußische Unterrichts-und Erziehungsministerium auf das Reich übernommen. Die Versuche in der nationalsozialistischen Zeit sind ja bekannt. Sie waren unruhig, sie waren geradezu nervös, auf den äußeren Effekt abgestellt und haben zu den größten Schwierigkeiten auch bei den Eltern geführt, insbesondere hinsichtlich der Einschränkung des humanistischen Gymnasiums, haben in der Lehrerbesoldung eine Mittellinie gezogen, die die Berufsschulen gefährdet hat, namentlich dort, wo es hervorragende Berufsschulen gegeben hat.
Im Jahre 1945 ist nun das Bildungswesen nicht etwa auseinandergefallen, sondern man hat auf den Grundlagen möglichst von vor 1933 weiterzuarbeiten versucht. Es ist auch nicht so, daß in bezug auf Schulbauten nichts geschehen ist.
({2})
Es wird überall gebaut, und es wird ,auch in Landkreisen hervorragend für die Schule gebaut. Die Universitätsinstitute werden fortgesetzt erneuert.
({3})
Aber, meine Damen und Herren, auch ein Bundesminister wäre nicht in der Lage, auch nicht mit den Weisungsrechten, noch mehr zu beschleunigen; denn er muß das G e 1 d haben, ob er es von den Ländern und deren Finanzministern nimmt oder ob er die Länder selbst auf Grund seiner Weisungsrechte durch einen Zwangsvollzug zwingen will, weiterzubauen. Man soll doch die Dinge nicht übertreiben.
Aber nun, meine Herren, etwas Wesentliches. Bedenken Sie die Belastung unseres Bundestages, die Zeitnot, in der wir ständig bei unseren Gesetzentwürfen stehen! Bedenken Sie, daß wir immer wieder zu Novellen greifen müssen, weil wir Gesetze auf den ersten Anhieb nicht so schaffen können, daß sie auf lange Zeit Bestand haben!
({4})
Und in dieser Zeit wollen Sie die schwierigste Materie der Gesetzgebung auch noch dem Bundestag aufladen?
({5})
Können Sie das gegenüber der Schule überhaupt verantworten, meine Herren? Hier gibt es keine Novellengesetzgebung. Denn was hier verfehlt wird, das setzt sich durch ganze Jahrgänge fort, das wirkt auf die Bereitstellung von Lehrstellen, auf den Übergang zur Hochschule, und das kann nicht ohne weiteres wiedergutgemacht werden. Das ist eine wesentliche Verantwortung gegenüber der großen Aufgabe, die uns hindert, nun einfach die Gesetzgebung für Schule und Erziehung zu übernehmen.
Aber ich mache noch auf etwas Weiteres aufmerksam, und zwar gerade hinsichtlich der Formulierung des Antrags und der Begründung, die der Herr Antragsteller dazu gegeben hat. Meine Damen und Herren, unsere Gesetzgebung ist nicht mehr in erster Linie Rechtsetzung, sondern Regelung von Zuständen, von Tatbeständen. Sie wird immer kasuistischer. Sie wendet sich an die Behörden, sich irgendwie zu verhalten oder etwas auszuführen. Sie wandelt Aufgaben der aktiven Verwaltung - und das ist das Erziehungs- und Bildungswesenimmer mehr in Vollzugsaufgaben um. Das ist eine Erscheinung, die auf die Zustände zurückgeht, die nun als Massenzustände eingetreten sind. Aber diese Methode der Gesetzgebung geht auch hervor aus der Geisteshaltung der Kriegswirtschaft, der Inflationswirtschaft. Neben die Rechtsetzung tritt in verstärktem Maße die Regelung. Auch in diesem Antrag wird von der Regelung des Erziehungsund Bildungswesens gesprochen. Der Herr Antragsteller hat von der zentralen Steuerung des Erziehungs- und Bildungswesens, des Schulhausbaues usw. geredet, von Weisungsrechten, die also offenbar bis in die Stadtverwaltungen und bis in die letzte Landgemeinde gehen sollen. Dann würde sich auf dem Gebiet der Bildung und Erziehung das ergeben, was auf anderen Verwaltungsgebieten schon der Fall gewesen ist: daß man die schöpferische, die aktive Verwaltung gelähmt und versucht, hat, alles von einer Zentrale aus mit Vollzugsanweisungen, Ermächtigungen usw. zu steuern. Ob man dieses Wort auf das Erziehungs- und Bildungswesen überhaupt anwenden kann, möchte ich doch sehr in Frage stellen.
Im Erziehungs- und Bildungswesen kann man nur organisatorische Maßnahmen treffen, finanzielle Unterstützung geben, Verpflichtungen für Eltern festlegen. Aber das Wesentliche ist die persönliche schöpferische Arbeit des einzelnen, angefangen von den Volksschullehrern bis zu den Hochschullehrern, auf Grund von Wissen, Erfahrung, Veranlagung und Hingabe an den Beruf.
({6})
Das können Sie weder durch Gesetz noch durch Verordnung noch durch Steuerung, durch Steuerung am allerwenigsten, sondern nur durch lebendiges Vorbild schöpferischer Menschen erreichen. Das ist eine sehr wesentliche Aufgabe. Aber man kann das Erziehungs- und Bildungswesen nicht mit Methoden regeln, die ihm absolut fern liegen. Bei der ganzen Kultur geht es um eine Kulturpflege. Es ist sehr wesentlich, daß in alten Vorschriften im Hinblick auf Schule und Erziehung das Wort von der Schulpflege und bei den Behörden das Wort von den Schulpflegschaften gewählt worden ist. Damals hat man diese Bedeutung der Schule und des Bildungswesens viel schärfer erkannt als in einer Zeit, in der man steuern, Weisungsrechte geben und das Ganze in Vollzugsvorschriften einfangen will. Diese Gesichtspunkte sind das Wesentliche, warum wir uns diesem Antrag versagen.
Der Herr Antragsteller hat aus Zeitungen und Rundfunkmitteilungen das Äußerste herausgeholt, was man an Übertreibung und an Schlagworten überhaupt aufbringen konnte.
({7})
Meine Herren, heute ist alles „Chaos", was nicht mehr die alte, einheitliche Ausrichtung zeigt,
({8})
und alles ist Wirrwarr, was von dieser ehemals einheitlichen Linie abweicht. Von einem „Augiasstall" der öffentlichen Bildung zu sprechen, meine Herren, das dürfte von dieser Stätte des Bundestags wirklich nicht erfolgen!
({9})
({10})
Daß uns die Wiedervereinigung auch auf dem Gebiet der Schule und des Erziehungswesens große Aufgaben stellen wird, ist selbstverständlich. Die können Sie aber jetzt nicht von einem Bundesministerium für Erziehung und Unterricht vorbereiten lassen. Ich fürchte, daß der Vorbereitungen schon zu viele sind, die in dieser Hinsicht laufen. Ich meine vielmehr, man muß sie geschlossen in eine einheitliche große Konzeption zusammenfassen.
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- Dazu brauchen wir keinen Bundesminister für Erziehung und Unterricht, der sich nun zunächst der Steuerung im ganzen Bundesgebiet annehmen will!
Nun, meine Herren: Kultusministerkonferenz! Diese Kultusministerkonferenz hat es gegeben während der Weimarer Zeit und gibt es jetzt seit dem Jahre 1946. Sie hat auch einmal mit der Vertretung der Unterrichtsverwaltungen in der Ostzone getagt - im Jahre 1947 wird es gewesen sein -; dann sind derartige gemeinsame Konferenzen nicht mehr möglich gewesen. Es ist aber doch nicht so, als ob diese Konferenzen zu nichts geführt hätten. Mich wundert eines: Sie haben so viele Zeitungen und Zeitschriften zitiert, aber die Denkschrift der Kultusministerkonferenz vom Jahre 1952 ist einfach nicht erwähnt worden. In ihr sind doch die Gründe dargelegt, die zu den Schwierigkeiten nach 1945 geführt haben: Flüchtlingselend, Evakuierungen, Eingriffe der Besatzungsmächte, Zerstörungen usw. Niemals hat die Kultusministerkonferenz - auch nicht während der Weimarer Zeit - zu so vielen Vereinbarungen geführt wie jetzt nach 1945. Es sind 23 Vereinbarungen über das Volksschulwesen und 12 Vereinbarungen über das Hochschulwesen erzielt worden, und man kann nicht sagen, sie seien nicht durchgeführt worden.
Die Schulmänner müssen es doch besser wissen als der Verwaltungsbeamte, daß derartige Vereinbarungen in der Schule nur mit Vorsicht durchgeführt werden können. Wenn z. B. hinsichtlich des Schulanfangs ein Beschluß gefaßt wird, so kann er nicht in den nächsten acht Tagen vollzogen werden; er muß doch durchgeführt werden in allen Jahrgängen, in allen Schulklassen, im Hinblick auf die Unterbringung in Lehrstellen, im Hinblick auf den Übergang auf die Hochschulen.
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- Es ist angefangen, und zwar überall!
Nun hat der Herr Antragsteller von den Lehrerseminarien in Bayern gesprochen. Mich wundert es. Diese Lehrerseminarien waren einmal sehr gut. Ich habe in München einer Konferenz beigewohnt, in der ein preußischer Verwaltungsbeamter als Lehrersohn gesagt hat, wir hätten in Bayern die beste Ausbildung für Volksschullehrer gehabt, die es überhaupt gegeben habe, und die Lehrer, die aus dieser Ausbildung hervorgegangen seien, seien überall sehr gerne aufgenommen und gesehen gewesen. Das hat damals auf die anwesenden neuen und jungen Lehrer einen geradezu niederdrückenden Eindruck gemacht. Aber es ist doch längst so, daß die Schüler aus den Mittelschulen, also den sechsklassigen Schulen - sei es nun den Realschulen, sei es aus den sechs Klassen der humanistischen Gymnasien -, in die Lehrerhochschulen übergehen. Das ist doch längst eingeführt worden. Mich wundert es, daß das hier in dieser Weise herabgesetzt wird.
Der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen, den Sie seinerzeit beschlossen haben, hat zu diesen Fragen Stellung genommen. Er hat aber zur Vorsicht gemahnt und zur Zurückhaltung, und er hat Vorschläge gemacht, die eigentlich durch die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz schon erfüllt sind. Von den Vorschlägen hinsichtlich des Berechtigungswesens glaube ich sagen zu können, daß wir sie im Bundesbeamtengesetz bereits restlos verwirklicht haben.
Das sind die Gründe! Nicht daß wir an den Schwierigkeiten vorbeigehen, die eingetreten sind, nicht daß wir ein geringeres Interesse am Schulwesen und am Erziehungswesen haben, sondern wir sind uns der Verantwortung der Gesetzgebung gegenüber dieser schwierigen Aufgabe so bewußt, daß wir sie dem überlasteten Bundestag in den nächsten Jahren nicht aufladen zu können glauben, ohne das Schulwesen zu gefährden. Stellen Sie sich vor, wir würden jetzt das Grundgesetz ändern! Dann würden Sie erreichen, daß in den Ländern die Gesetzgebung, die Verwaltung stillesteht, weil man wartet und nicht weiß, was aus den Bundesgesetzen herauskommt. Das ist ein weiterer Grund: gerade in der Zeit des schweren Ubergangs die höchste Vorsicht walten zu lassen.
Schule und Kultur kann man nicht regeln und verwalten, man muß sie pflege n. Hier schafft die Gesetzgebung nur die äußeren, die organisatorischen Voraussetzungen, das übrige schafft das Vorbild, schafft die Ausbildung der Lehrkräfte. Das läßt sich nicht mehr steuern, das läßt sich nicht mehr mit Vollzugsanweisungen und mit Ministerialerlassen regeln. Ein Bundesminister für Erziehung und Bildungswesen würde keine Schule mehr aus dem Boden stampfen können, als das jetzt die Länderminister tun.
Wenn früher verschiedene Schulen geschaffen worden sind, so kam das aus den Bedürfnissen der Wirtschaft, aus der Anschauung, daß man vielleicht die humanistische Bildung für das Bankwesen oder für die Industrie nicht mehr für so nötig hält, daß man für den Ubergang zu den technischen Berufen durch realistische Bildungsanstalten besser vorgebildet ist. Ich wiederhole nur die Anschauungen, ich teile sie nicht, und ich weiß, daß auch hervorragende Physiker sie nicht teilen. Aber so ist die Vielfalt der Schulen entstanden, und sie, die aus den Notwendigkeiten nicht erst seit 1945, sondern schon vor 1918 erwachsen ist, als einen Wirrwarr hinzustellen, geht dann doch zu weit.
({13})
- Jetzt komme ich zu dieser Frage; es ist gut, daß Sie mich daran erinnern. Herr Professor Brühler, ich bin bei demselben Vortrag gewesen wie Sie. Süsterhenn hat die Leute zitiert, die vom Chaos gesprochen haben, aber er hat doch nicht selbst vom Chaos gesprochen.
({14})
So liegen ,die Dinge. Ich kann mich sehr gut erinnern, und andere Herren erinnern sich dessen auch.
Ich wiederhole also, daß der Grundgesetzgeber beabsichtigt hat, diese Fragen auszuschalten, damit
({15})
das Entstehen des Grundgesetzes nicht verzögert und erschwert wird. Das wollen wir dem Bundestag auch nicht aufladen. Wir wollen es dem Bundestag nicht aufladen, weil die Notwendigkeit, Gesetze zu schaffen, weil die Arbeitslast, weil der Zeitdruck so groß sind, ,daß wir die Schulgesetzgebung ,dieser Situation nicht aussetzen wollen. Wir raten ,dazu, ruhig die Ministerkonferenz und den vom Bundestag beschlossenen Ausschuß für Erziehungs- und Bildungswesen weiterarbeiten zu lassen und nach Jahr und Tag ,die Folgerungen ausdieser Arbeit zu ziehen, wenn sich die Verhältnisse durch die allgemeine Anstrengung wieder gebessert haben.
({16})
Deshalb lege ich Ihnen namens der Fraktion der CDU/CSU einen Antrag vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundesminister ,des Innern wird gebeten,
1. die Kultusministerkonferenz um die Vorlage einer weiteren Denkschrift über den sachlichen Inhalt ihrer Vereinbarungen und Empfehlungen und über deren Ergebnisse zu ersuchen,
2. den Deutschen Ausschuß für das Erziehungs3. und Bildungswesen und die Kultusministerkonferenz zu veranlassen, jährlich einen Bericht über die Ergebnisse der Arbeit vorzulegen
und die Denkschrift und die Berichte dem Bundestage zuzuleiten.
Im übrigen beantragen wir, die gestellten Anträge abzulehnen, damit diese Frage, bei der wir die Verfassungsänderung verweigern, nicht auch noch wochenlang den Ausschuß für Kulturpolitik beschäftigen muß, um dann doch abgelehnt zu werden.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird wohl niemand unter uns geben, der ernsthaft bestreiten könnte, daß der von der Fraktion der DP vorgelegte Antrag auf Errichtung eines Bundesministeriums für Erziehung und Unterricht einem Anliegen weiter Bevölkerungskreise entgegenkommt und daher zweifellos auch eine gewisse Popularität und Aktualität für sich in Anspruch nehmen kann. Diese beschränkt sich sicherlich nicht etwa auf die Vertreter unitaristischer oder zentralistischer Auffassungen und Tendenzen, sondern sie reicht weit darüber hinaus. Der Antrag hat - das geht doch aus der Begründung und den dabei angeführten Tatsachen einwandfrei hervor - eine unverkennbare sachliche Berechtigung angesichts der zahllosen Schwierigkeiten, die aus der differenzierten Entwicklung unseres Bildungswesens in den verschiedenen Bundesländern erwachsen sind. Die bisherige Aussprache und vor allen Dingen die Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Dr. Kleindinst haben aber ergeben, daß das Vorhandensein dieser Schwierigkeiten und auch ihre teilweise Anerkennung noch keinesfalls genügen, die auf föderalistischer Einstellung oder auf anderen Gründen beruhenden Vorbehalte gegen ein Bundesministerium mit kulturpolitischer Aufgabenstellung zu überwinden, auch dann nicht, wenn diese Aufgaben nur koordinierender Art hinsichtlich des Schulwesens sein sollen, wie in der Begründung von Herrn Professor Brühler ausführlich dargestellt wurde. Ich frage mich angesichts des Umstandes, daß die Mehrheitspartei des Hauses von vornherein erklärt hat, daß sie den Antrag ablehnen wird, ob es sehr sinnvoll ist, die Argumente für und wider eine solche Bundesinstanz hier noch ausführlich zu debattieren; denn in diesem Falle sind alle Reden zum Fenster hinaus gehalten. Andererseits ist ein längeres Reden deshalb völlig überflüsig, weil die öffentliche Meinung, wie es Herr Dr. Brühler gesagt hat, eindeutig feststeht.
({0})
Aber lassen Sie mich unsere grundsätzliche Einstellung zu diesem Antrag und zu dem damit aufgeworfenen Problem in einigen wenigen Sätzen umreißen, ohne daß ich dabei auf Einzelheiten eingehen möchte. Ich gebe ohne weiteres zu, daß eine reinliche Trennung zwischen nur koordinierenden Aufgaben und gestaltenden Aufgaben und Maßnahmen auf kulturellem Gebiet, insbesondere auch auf dem rein schulischen Sektor, kaum oder recht schwer durchzuführen ist. Ich glaube, daß eine so scharfe Trennung, wie Sie sie vorzunehmen versucht haben, Herr Professor Brühler, indem Sie sagen: „Hier nur Schulfragen und nichts anderes", dem Anliegen nicht in vollem Umfang entsprechen kann. Denn in der Kulturpolitik handelt es sich um einen in sich zusammenhängenden einheitlichen Komplex. Bei der Regelung von Teilfragen muß auch auf andere Teilgebiete dieses Komplexes Rücksicht genommen werden. Wir sind uns darüber klar, daß Volksschulfragen von der Regelung der Fragen des mittleren und höheren Schulwesens und Fragen des höheren Schulwesens wiederum von den Anforderungen und Notwendigkeiten der Universität abhängig sind. Ich glaube also, es würde dem Anliegen nicht ganz entsprechen, wenn man hier von Kompetenzen spräche, die ausschließlich für das Schulwesen gelten sollen und in keiner Weise darüber hinausreichen sollen. Es wäre vielmehr zweckmäßiger, von vornherein diesen Zusammenhang ins Auge zu fassen. Für die Schulfragen selbst ist eine Trennung der Kompetenzen auch deshalb schwierig, weil - wenn ich es einmal mit einem kurzen Wort sagen darf - im Schulwesen Gehalt und Gestalt immer eine Einheit bilden und aufeinander abgestimmt sein müssen. Ich darf andererseits darauf hinweisen, daß der uns allen bekannte und schon genügend gerühmte Reichtum, der in der Vielfalt der kulturell gestaltenden Kräfte liegt, sich auf dem Gebiet der Organisation von Schule und Bildungswesen auch vergeuden kann, wenn kein einheitliches Ziel gesetzt ist, auf das hin sie wirken sollen, und wenn keine ordnende Kraft ihnen die Richtung weist. Beide sind jedenfalls heute nicht vorhanden. Wer das bezweifeln wollte, braucht nur auf die hier schon dargestellten Versuche der kulturautonomen Länder selber hingewiesen zu werden, sich einen Ersatz dafür zu schaffen. Vom Königsteiner Abkommen des Jahres 1949, das den Mangel einer zentralen Ordnungsgewalt auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschung auszugleichen versuchte, bis zu der Ständigen Konferenz der Kultusminister und den Beschlüssen der Ministerpräsidenten in München sowie der Kultusminister in Feldafing und in Hannover sehen wir eine einzige Kette von Bemühungen, auf dem Wege von staatenbündlerischen
({1})
Vereinbarungen das zu erreichen, was eigentlich des Bundesstaates Aufgabe sein sollte, aber nicht sein darf aus dem Mißtrauen, das die Glieder nun einmal gegen das Ganze haben.
({2})
Es wäre töricht, wenn man die in der Vergangenheit liegenden Ursachen dafür übersehen oder gar leugnen wollte. Aber ist es nicht doch beinahe so etwas wie ein Mißtrauen der Demokratie gegen sich selbst, wenn sie sich nicht traut, die notwendigen zentralen Ordnungskompetenzen zuzulassen, aus Angst davor, daß die dazu geschaffenen Einrichtungen eines Tages in undemokratischem Sinne mißbraucht werden könnten?
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- Aber ich sage es, Herr Kollege, weil ich es so empfinde; und ich glaube, diese Empfindung ist nicht ganz unberechtigt.
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Jedenfalls war der Erfolg dieser Länderbemühungen, die als solche von mir durchaus anerkannt werden - ich bin froh, daß sie unternonmmen werden -, sehr schwach. Es liegt eine Mappe von Beschlüssen der Ständigen Konferenz der Kultusminister vor. Wenn Sie sich einmal die Mühe nehmen, sie durchzusehen und die Erfolge bei der Umsetzung und Realisierung im Schul- und Unterrichtswesen der einzelnen Länder nachzuprüfen, werden Sie mir recht geben.
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- Ja, so ist es! - Es zeigt sich dabei, daß die auseinanderstrebenden Entwicklungstendenzen eben immer stärker sind als der Wille zur Einheitlichkeit - vielleicht deshalb, weil der Wille von Regierung und Parlament in den Ländern wirklich echt und stark dahin zielt, es im Speziellen der Kulturpolitik möglichst richtig zu machen, während darunter oft die klare Erkenntnis leidet, wie man es im Interesse der Gesamtheit wirklich richtig machen sollte. Gewiß, manches ist durch freiwillige Vereinbarung der Länder geregelt worden, aber verbindlich doch immer nur im Sinne zwischenstaatlichen Verkehrs, wie etwa in der Frage der gegenseitigen Anerkennung der Reifezeugnisse, und immer dann unverbindlich, wenn es sich um grundsätzliche strukturelle oder kulturpolitische Fragen und um die Frage der Fortentwicklung von Erziehung und Unterricht und urn die Richtung dieser Fortentwicklung handelte.
Lassen Sie mich noch einmal sagen, daß auch wir nicht der Ansicht sind, daß das alles exekutiv verordnet werden könnte. Wir meinen das so wenig, daß wir glauben, auch den Kultusministern der Länder empfehlen zu müssen, weniger anzuordnen, als das Wachsende ordnend zu betreuen.
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- Ich darf dafür, Herr Kollege Seffrin, auf das Beispiel England hinweisen. Wir haben dort den Tatbestand, daß alles Neue, alles Experimentieren, alles Fortschrittliche im, Erziehungswesen von unten aus den Schulen, aus den erzieherischen Institutionen herauswächst und trotzdem eine zentrale
Lenkung vorhanden ist, die nur für die Einheitlichkeit der Gesamtentwicklung Sorge trägt.
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Auf die Gesamtordnung kommt es an, auf die Grundlagen und Prinzipien, die in sich etwas Einheitliches sind, während die Dinge, die sich daraus entwickeln, sich immer voneinander unterscheiden werden.
Was uns für den Auf- und Ausbau unseres Bildungswesens zu fehlen scheint, ist die verbindliche gemeinsame Grundlage. Ihr Fehlen wurde von der breiten Öffentlichkeit allzusehr und oft nur an den Symptomen abgelesen und empfunden. Ein Bundesministerium für Erziehung und Unterricht, wie es genannt wurde, könnte und dürfte daher auch nach unserer Auffassung nicht etwa eine Verwaltungsbehörde sein, wie es leider allzu viele unserer Ministerien sind, sondern, wie auch schon zum Ausdruck gebracht wurde, eine Instanz, die Grundsätze aufzustellen und über ihre Einhaltung zu wachen hätte. Warum sollte man das, was die Länder übereinstimmend als notwendig anerkannt, aber mit unzulänglichen Mitteln zu erreichen versucht haben, nicht vom Bund der Länder aus mit den geeigneten Mitteln zu erreichen versuchen? Das erscheint mir immerhin einer Erwägung wert.
Deshalb begrüßen wir den Antrag der Fraktion der DP, wenn wir auch nicht der Ansicht sind, daß es heute und hier schon zu einem endgültigen Ja oder Nein darüber kommen könnte oder auch kommen sollte. Wenn wir das jetzt hier in dieser Weise täten, würden wir wiederum den schon festgestellten ehrlichen Anstrengungen nicht ganz gerecht, die von den Ländern aus zur Überwindung des Elends, des deutschen Schul- und Bildungswesens gemacht werden, das zugegebenermaßen zu einem gewissen Teil auch auf Anordnungen der Besatzungsmächte zurückgeht, auf Vorbehalte, die hoffentlich im Zuge der Erringung der deutschen Souveränität nun bald verschwinden werden.
Wir möchten zum Ausdruck bringen, daß wir auch von den Ländern zunächst noch einiges in dieser Richtung erwarten, vor allen Dingen eine Vertiefung des Bewußtseins, daß die Freiheit in der Gestaltung der Einzelheiten immer ihre Grenze an den Forderungen der Gemeinsamkeit finden muß. Dann hätte auch ein Bundesministerium - Bundeskultusministerium oder Bundesministerium für Erziehung und Unterricht -, wenn die Entwicklung es uns eines Tages brächte, nur die großartige und ganz unbürokratische Aufgabe der anregenden und betreuenden Hilfestellung bei den gestaltenden und verwaltenden Arbeiten zu erfüllen. Solange es aber nicht da ist - und nach der Situation, die hier gegeben ist, wird es so schnell auch nicht da sein -, bleiben die Aufgaben in anderer Weise wahrzunehmen. Wir haben dazu einmal die Abteilung im Bundesinnenministerium, die für die Forschung zuständig ist. Wir sollten diese Kompetenz zur bundeseinheitlichen Förderung einer der für uns lebenswichtigsten Formen geistiger Arbeit nicht beargwöhnen oder beargwöhnen lassen, sondern alles tun, um ihre Möglichkeiten zur Wirksamkeit zu erweitern. Wir sollten uns darüber auch in den zuständigen Gremien dieses Hauses ausführlicher als bisher unterhalten.
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Wir sollten auch alles tun, um Eifersüchteleien
zwischen einzelnen Ländern und zwischen Bund
und Ländern, wie sie bei der Finanzierung einzel({9})
ner Forschungsgesellschaften und einzelner Institute aufgetreten sind, zu unterbinden. Wir haben dazu durchaus und weitgehend Möglichkeiten in der Haushaltsgestaltung. Geld, das an keine anderen Bedingungen geknüpft ist als die einer entsprechenden Leistung, wird wohl von jedermann gern angenommen werden.
Wir haben ferner eine Reihe von kulturellen Organisationen, deren Tätigkeit sich über das ganze Bundesgebiet erstreckt und mit deren Förderung und Unterstützung viel zu einer bundeseinheitlicheren Kulturpolitik beigetragen werden könnte. Denn wenn sich geistig schaffende Menschen aus allen Bundesländern in gemeinsamer Aussprache und Arbeit treffen können, werden sie weniger die Unterschiede als das Ganze im Auge behalten.
Schließlich hat der Bundestag selber im April 1952 beschlossen, eine solche Gesprächs- und Arbeitsbasis mit der Bildung des Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen zu schaffen. Er arbeitet leider erst seit Ende letzten Jahres, hat aber doch schon mit einer Anzahl guter und gründlich erarbeiteter Empfehlungen auf die Vereinheitlichung unseres Schulwesens hinzuwirken unternommen. Ich habe im Verlaufe des letzten Jahres etwas den Eindruck gewonnen, daß der Bundestag dieses sein Kind ausgesetzt und vergessen hat. Wir sollten uns mehr darum kümmern, was es tut, und seine Entwicklung sowohl durch unser Interesse als auch durch unsere Hilfe fördern. Es ist hier nicht der Raum, im einzelnen darüber zu sprechen. Vielleicht kann es der Ausschuß für Kulturpolitik demnächst einmal tun, ohne damit in den Verdacht zu geraten, er wolle in die Hoheitsrechte der Länder eingreifen.
Meine Damen und Herren! Wer wie ich Gelegenheit gehabt hat, an der Vereinheitlichung und Angleichung der drei im Südweststaat vereinigten Länder Baden-Württemberg, Württemberg-Hohenzollern und Südbaden kulturpolitisch mitzuarbeiten, der weiß, wie rasch sich die Dinge auseinanderentwickeln können, selbst in Gebieten, die vorher einmal staatlich und verwaltungsmäßig zusammengehört haben und nur ganz vorübergehend getrennt worden sind. Ich denke also nicht nur an die Gegensätze zwischen Baden und Württemberg, sondern auch an die zwischen Nordbaden und Südbaden und Nordwürttemberg und Südwürttemberg, wenn ich feststelle, wie rasch sich die Dinge auseinanderentwickeln können und wie schwierig und mühselig es ist, sie wieder zusammenzubringen.
({10})
Ich habe als Mitglied des Kulturpolitischen Ausschusses im Baden-Württembergischen Landtag miterlebt, daß wir bei wöchentlichen Sitzungen anderthalb Jahre allein gebraucht haben, um eine Übersicht über die Verschiedenheiten, über die Unterschiedlichkeiten, über die Gegensätze zu gewinnen, gar nicht zu reden davon, ob wir damit schon etwas dazu beigetragen haben, sie zu überwinden,
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also nur dazu, uns zunächst einmal zu orientieren. Deshalb gebe ich mich auch keinen Illusionen darüber hin, welchen Schwierigkeiten heute - nehmen wir an, es käme - ein Bundesministerium für Erziehung und Unterricht zu begegnen hätte, Schwierigkeiten, die sowohl bei den Menschen als auch bei den Fakten und bei den Institutionen
liegen. Wir brauchen uns wohl im Augenblick keine allzu großen Sorgen über die Sorgen des zukünftigen Bundesministers zu machen; denn wir werden ein solches Ministerium und einen solchen Minister - das hat die bisherige Debatte gezeigt zunächst noch nicht haben. Wir sollten uns jedoch - lassen Sie mich das auch noch sagen -, ob wir heute positiv oder negativ zu dem vorgelegten Antrag stehen, so verhalten, daß ein solches Bundesministerium, wenn wir es eines Tages erhalten sollten, eine leichtere Aufgabe zu bewältigen haben würde, als es sie heute vor sich sähe. Wir werden - das ist allerdings meine Überzeugung - so oder so ein solches Ministerium schaffen müssen, wenn Deutschland einmal wieder vereinigt wird. Niemand wird glauben, daß die dann entstehenden Aufgaben der kulturpolitischen Wiederangleichung allein aus der Kraft der Länder heraus gelöst werden können.
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Hier liegt eine Verpflichtung, die auch im vorbereitenden Stadium - das sollte mein Zwischenruf vorhin zum Ausdruck bringen, Herr Dr. Kleindinst - nur vom Bund getragen werden kann. Wir sollten uns überlegen, daß auch nach der von mir durchaus erwarteten Ablehnung dieses Antrags irgend etwas geschehen muß, nämlich die Feststellung einer Zuständigkeit, damit die Wiederangleichung der getrennten Teile Deutschlands nach einer Wiedervereinigung auf schul- und kulturpolitischem Gebiet sofort und mit den richtigen Maßnahmen einsetzen kann.
Ich halte es in Übereinstimmung mit meiner Fraktion aus allen diesen Gründen für verfehlt, die Anträge auf den Drucksachen 621 und 622 einfach durch Abstimmung zu erledigen, und schließe mich dem Antrag des Antragstellers an, sie an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. Insbesondere halte ich die Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik für erforderlich. Damit wäre diesem Gelegenheit gegeben, in eine ruhige und sachliche Überprüfung der Verhältnisse im Erziehungs- und Bildungswesen der Bundesrepublik einzutreten und zu erörtern, wie man den in den Anträgen enthaltenen und nur zu berechtigten Anliegen auch dann, wenn ein Bundesministerium nicht gewünscht wird, am besten gerecht werden kann. Zumindest ist es aber erforderlich, den Eventualantrag auf Drucksache 623 so zu behandeln. Der darin enthaltene Gedanke einer staatsvertraglichen Sicherung und Regelung der Einheit unseres Erziehungs- und Bildungssystems erscheint mir an sich zwar etwas antiquiert und erinnert an die Zeit der deutschen Kleinstaaterei, ist jedoch für eine Ausweichlösung sicher nicht unbrauchbar. Ich kann mir schwer vorstellen, daß der Deutsche Bundestag, dem anzugehören wir 'die Ehre haben, sich von der Geschichte einmal wird nachsagen lassen wollen, er habe sich aus irgendwelchen, nicht immer nur in der Sache begründeten Erwägungen dazu verstanden, über eine für unser Volk und seine Zukunft so schwerwiegende Frage mit einer einfachen Abstimmung hinwegzugehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht vertiefen; aber ich möchte gegen die Äuße({0})
rungen meines Kollegen Kleindinst doch energischen Widerspruch einlegen. Der Herr Vorredner, Kollege Feller vom BHE, hat zum Schluß seiner Ausführungen auch darauf hingewiesen, daß es nicht angängig sei, in einer so schwerwiegenden Frage einfach mit einer Abstimmung über die Anträge hinwegzugehen. Es ist natürlich leicht, Herr Kollege Kleindinst - bitte, nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das hier so offen sage -, in einem gewissen Selbstgefälligkeitsgefühl und im Bewußtsein der absoluten Mehrheit, die man im Hause hat, zu sagen: Wir werden diese Angelegenheit einfach ablehnen. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß es sich hier um eine Frage handelt, die letzten Endes an die Grundlagen des ganzen Volkes rührt;
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denn wenn die Jugenderziehung nicht die Frage sein sollte, die an die Grundlagen der Nation rührt, dann weiß ich nicht, welche Frage es überhaupt sein soll.
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Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß die Fraktion der CDU/CSU - ({3})
- Herr Dr. Krone, lassen Sie es mich eben sagen! Ich kann mir nicht vorstellen, daß die CDU/CSU-Fraktion ernsthaft die Absicht hat, ohne eine weitere Erörterung dieser Frage einfach zur Tagesordnung überzugehen. Der Bundestag wird in der Öffentlichkeit oft zu Unrecht verdächtigt, daß er nicht genug tue und nicht schnell genug arbeite. Ich glaube, meine Damen und Herren von der CDU/CSU - und ich bitte Sie, auch dieses mir nicht zu verübeln -, daß eine Untersuchung der Gründe sicherlich nicht sehr zu Ihren Gunsten ausfallen würde;
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denn es ist bekannt - auf der anderen Seite anerkenne ich durchaus die Schwierigkeiten, die sich aus der Größe Ihrer Fraktion ergeben -, daß gerade die Arbeit Ihrer Arbeitskreise beispielsweise ein erhebliches Hemmnis für die Gesamtarbeit dieses Hauses darstellt.
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- Natürlich sind es Ihre Angelegenheiten. Sie werden aber gestatten, daß ich mir auch Gedanken darüber mache und daß ich etwas darüber sage. Auf jeden Fall wird die öffentliche Meinung nicht verstehen - und es ist hier von den Rednern aller Fraktionen anerkannt worden, daß es sich um eine Frage handelt, die in weitesten Teilen unserer Bevölkerung Aufmerksamkeit gefunden hat -, wenn dieses Haus über diese Dinge einfach so hinweggehen sollte. Ich möchte Sie deshalb herzlich bitten, doch noch einmal zu überlegen, ob wir nicht doch zu dem gemeinsamen Beschluß kommen könnten, in eine Beratung in den zuständigen Ausschüssen einzutreten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Kleindinst, auch ich würde es bedauern, wenn Ihr Antrag auf Ablehnung der Überweisung an den Ausschuß tatsächlich angenommen würde, und ich möchte Sie bitten, als einen Akt der Freundlichkeit einer Fraktion gegenüber und um der Sache willen dem Antrag auf Ausschußüberweisung zuzustimmen.
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In diesem Hause werden Schul- und Erziehungsfragen leider sehr selten erörtert. Wenn es geschieht, dann tun wir es alle mit dem ernsten Willen, für unsere Kinder die besten Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen: gesunde, gute Schulräume, ausreichende Lehr- und Lernmittel und die bestausgebildeten und berufenen Lehrer.
Meine Damen und Herren, in diesem Falle geht es doch darum: besteht im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung ein Bedürfnis zur bundesgesetzlichen Regelung, oder besteht dieses Bedürfnis nicht? Herr Kollege Dr. Kleindinst, Sie haben wiederholt den Herrn Professor Süsterhenn zitiert und gesagt, es bestehe gar keine Zersplitterung. Das sei überspitzt. Es handele sich natürlich um einige Unterschiedlichkeiten und um Kleinigkeiten. Ich kann nicht umhin, Ihnen einige dieser „Kleinigkeiten" zu schildern. In der Stadt Bonn wurde im April 1953 eine Wirtschaftsoberschule errichtet. Das geschah auf Drängen vieler Erziehungsberechtigten mit Unterstützung zahlreicher Wirtschaftsverbände durch einstimmigen Beschluß des Rates der Stadt Bonn. Nun versagte der Kultusminister von Nordrhein-Westfalen - es war eine Dame - für die Errichtung dieser Schule die Genehmigung. Sie erklärte, an dieser Wirtschaftsoberschule könne das Abitur nicht abgelegt werden. Daraufhin verhandelte die Leitung der Schule mit dem Lande Hessen und vereinbarte mit ihm: Zu der schriftlichen Abschlußprüfung kommt ein Vertreter aus Hessen nach Bonn, und die Schüler, die die schriftliche Prüfung bestanden haben, werden in Omnibusse gesetzt, nach Frankfurt gefahren und machen dort die mündliche Prüfung.
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Das sind diese „Kleinigkeiten". Und wenn sie die mündliche Prüfung bestanden haben, können sie an einer Universität oder Technischen Hochschule im Lande Hessen studieren. Ob das an Hochschulen in solchen Ländern, in denen es noch Wirtschaftsoberschulen gibt, auch möglich ist, das weiß ich nicht. Aber wenn sie nun ein Semester an den Hochschulen im Lande Hessen studiert haben, dann können sie nach den Vereinbarungen der Länder untereinander auch an Hochschulen im Lande Nordrhein-Westfalen ihr Studium fortsetzen. Darüber hat die Presse berichtet: Es ist doch merkwürdig, daß ein solcher Umweg zum Ziele gegangen werden muß. Eine Zeitung hat seinerzeit auf einen Ausspruch nach Ibsens Peer Gynt verwiesen; da steht: „Gehe außenherum".
Eine andere Kleinigkeit. In dem sehr reformfreundlichen Staate Hamburg gibt es auch Wirtschaftsoberschulen. Dort hat ein Schüler die Oberschule absolviert, und in seinem Zeugnis hat er die Berechtigung zum Studium an einer Technischen Hochschule erhalten. Das will er hier drüben in Aachen tun. Da kann er es aber nicht, weil er hier das Abitur nachholen muß. Dann wendet er sich an die Technische Hochschule in Karlsruhe. Zuerst wird ihm gesagt: Du wirst angenommen. Aber nach einiger Zeit bekommt er auch von dort eine Absage, weil er in diesem Land nicht das Abitur gemacht hat. Ist das denn nötig?
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Nun besteht die Ständige Konferenz der Kultusminister seit 1946. Hätte sie nicht die Zeit und die Möglichkeit gehabt, die Voraussetzungen und die Bedingungen zum Abschluß durch das Abitur für alle Länder abzustimmen? Dann wären derartige Vorkommnisse nicht möglich gewesen.
Herr Kollege Dr. Kleindinst, Sie haben auf die beiden Einrichtungen hingewiesen, die die Aufgabe der sinnvollen Vereinheitlichung unseres Schul-und Bildungswesens durchführen sollen, einmal der Deutsche Ausschuß und zum anderen die Ständige Konferenz der Kultusminister. Der Deutsche Ausschuß ist im April 1952 auf unseren Antrag hin geschaffen worden; er besteht nun seit September 1953, d. h. er ist ein Jahr tätig. Er hat einige ganz ausgezeichnete Empfehlungen an die Kultusminister gegeben. Aber das sind bisher doch nur Empfehlungen, und dieser Ausschuß hat keinen legislativen, sondern einen beratenden Auftrag. Außerdem ist er auch nicht Behörde. Es kommt darauf an, was die Kultusminister der Länder mit diesen Empfehlungen tatsächlich machen.
Die Ständige Konferenz der Kultusminister hat uns unter dem 13. Oktober 1954 eine Denkschrift übergeben. Herr Kollege Dr. Kleindinst hat schon nachgezählt, daß darin allein für das Schulwesen 23, für das Hochschulwesen 12 und für die Kunst- und allgemeine Kulturpflege 7, also im ganzen 42 einzelne Fragen gelöst sein sollen. Da handelt es sich aber doch auch um Empfehlungen. Wieweit sie verwirklicht sind, lassen Sie mich an einem Beispiel darstellen. Es steht unter diesen Empfehlungen: „Die Kultusministerkonferenz begrüßt, daß in allen Ländern das Schuljahr zeitlich gleich anfängt." Wir haben im 1. Bundestag auf Antrag meiner Kollegin Frau Dr. Ilk beschlossen, die Bayerische Landesregierung zu bitten, auch im Lande Bayern das Schuljahr zum Frühjahr beginnen zu lassen, und der Bayerische Landtag ist damals gefolgt. Er hat den Beschluß allerdings mit sehr wenigen Stimmen Mehrheit angenommen. Er hat ihn aber nicht durchgeführt, und in einer der nächsten Sitzungen des Bayerischen Landtages ist der Beschluß wieder aufgehoben worden. Der Beginn des Schuljahres bleibt nun für Bayern im Herbst.
Dann steht in den Empfehlungen der Ständigen Konferenz der Kultusminister auch folgender Satz:
Wir vereinbarten in allen Ländern, daß die Prüfungen und die Zeugnisse für das Lehramt an höheren Schulen gegenseitig anerkannt werden.
Was nutzt es dem bayerischen Schüler, wenn sein Studienrat hinauf nach Schleswig-Holstein oder nach Nordrhein-Westfalen versetzt wird? Der Studienrat kann in seinem Beruf weiterarbeiten. Der bayerische Junge, der durch Versetzung oder Wegzug seiner Eltern hier hinkommt, ist einmal durch den zeitlich unterschiedlichen Schuljahrsbeginn gestört, und wenn er gar ein Junge aus der höheren Schule ist, dann hat er in Bayern mit Latein begonnen, während dort oben mit Englisch und hier oben meinetwegen mit Französisch oder Latein begonnen wird.
Diese Schwierigkeiten sind doch da. Die Ständige Konferenz der Kultusminister hatte tatsächlich acht volle Jahre Zeit -das ist fast die ganze Ausbildungszeit eines Schülers in der deutschen Volksschule -, und die Zersplitterung, die Schwierigkeiten sind bis auf den heutigen Tag nicht behoben. Wenn das Bundeserziehungsministerium geschaffen ist, wird es - wie Herr Kollege Dr. Brühler sagt - seine Aufgabe sein, Grundsätze zu geben. Eine ganze Menge dieser Grundsätze im Äußeren und im Inneren der Schule hat Ihnen mein Kollege Dr. Luchtenberg in einer Denkschrift, die Sie alle in Händen haben, in ganz ausgezeichneter Weise dargetan. Bei den Äußerlichkeiten geht es um den gleichen zeitlichen Beginn des Schuljahres. Es geht um die Frage, ob vier oder sechs Grundschuljahre, um die weitere Frage, wie ein Schüler aus einer Schulart in eine andere Schulart übergeht.
Bei den Grundsätzen im Inneren geht es zunächst einmal um die Frage - sie ist heute morgen schon einmal vom Herrn Kollegen Dr. Brühler angesprochen worden -: Wie ist es eigentlich mit unseren Lehrplänen? Ist es denn nicht an der Zeit, daß von einer Stelle die Lehrpläne einmal in aller Ruhe gründlich überprüft werden mit dem Ziel, alles Überflüssige hinauszuwerfen und wesentliche Erkentnisse aus der Naturwissenschaft und der Technik hineinzunehmen? Ich bin überzeugt, das wäre gerade für eine solche Stelle eine wirklich vordringliche und ausgezeichnete Arbeit.
Von einer solchen Stelle müßte doch auch einmal die Frage geprüft werden, wie es eigentlich mit der Ausbildung der Volksschullehrer steht, also der Leute, die immer noch 85 bis 90 % unserer deutschen Kinder die Bildung vermitteln oder den ersten Anfang auch für alle legen, die nachher durch die weiterführenden Schulen gehen. Wir haben im Bundesgebiet im Augenblick rund fünf Dutzend Ausbildungsstätten für den deutschen Volksschullehrer. Zum Teil werden sie ausgebildet an den Hochschulen, an pädagogischen Akademien, zum Teil an Instituten oder an alten Seminaren, an denen ein wenig mit der Kelle verbessernd gearbeitet worden ist. In einem Land werden Volksschullehrer vier Semester lang, im anderen sechs Semester lang ausgebildet. Hier werden Frauen und Männer getrennt, hier werden sie nach Konfessionen getrennt ausgebildet. Und nun stellen Sie sich vor, daß diese Leute her und hin versetzt werden sollen!
Ein weiteres besonderes Gebiet müßte sich diese Stelle angelegen sein lassen, unsere deutsche Berufsschule. Unsere deutsche Berufsschule war nach der Gründung durch Kerschensteiner, dessen Gedenktag wir in diesem Jahr gefeiert haben, eine Schule mit ausgezeichneter Wirkung. Sie ist heute weitgehend eine Schule in bitterer Not. Es fehlen ihr fast 3000 Lehrkräfte, so daß wir in der Lage sind, heute von den 8 Berufsschulstunden wöchentlich, die wir unseren Kindern geben, noch nicht einmal 50 % erfüllen zu können. Auch da sollte einmal eine solche Stelle hineinblicken. Wenn wir schon im Wettbewerb Qualitätsarbeit leisten wollen und müssen, müssen wir doch vorher Qualitätsmenschen ausbilden.
Eine zweite besondere Aufgabe für diese neu zu schaffende Stelle ist die Förderung der deutschen Forschung. Wir haben bei fast allen Bundesministerien Mittel für die deutsche Forschung in die Haushaltspläne eingesetzt. Dasselbe ist bei den Ländern der Fall. Wo wird nun geforscht, und wie werden diese Mittel nun wirklich sinnvoll, etwa bei einer Schwerpunktbildung, vornehmlich aber in der Forschung für unsere deutschen Geisteswissenschaften, angewandt? Sie alle wissen mit mir, daß wir zu allen Zeiten der Geschichte in der Forschung der Technik und der Naturwissenschaft Menschen, Material und Geldmittel in ausreichender Weise zur
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Verfügung gestellt haben. Das ist auch in Ordnung. Mit Abstand geringere Mittel haben wir dann noch in die medizinische Forschung gegeben, weil es dort gilt, Leiden zu mildern oder zu heilen oder Schmerzen zu mildern. Aber ganz und gar zu wenig Mittel sind für die Geisteswissenschaften gegeben worden.
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Es wäre doch dringend notwendig, viel mehr Mittel auf diesem Gebiet auszugeben, um durch die in den Geisteswissenschaften gewonnenen Einsichten Formen zu finden, wie die Menschen ohne Katastrophen und ohne gewalttätige Auseinandersetzungen zusammenleben können.
Alle diese Fragen sollten wir im Kulturpolitischen Ausschuß einmal miteinander besprechen. Heute ist ein Wort des von mir so hoch verehrten Professors Ludwig Raiser aus seinem Aufsatz vom 6. September 1954 zitiert worden. Dort hat er erklärt:
Kulturhoheit ist ein stolzes Wort. Die Länder mögen aber aufpassen, daß die Kulturhoheit nicht zu einer Monroe-Doktrin wird; denn dann führen sie den Föderalismus in seine schwerste Vertrauenskrise.
Im Grundsatz stimmen wir dem Gesetzentwurf und dem Antrag der DP zu. Wir bitten, uns diese beiden Vorlagen in den Kulturpolitischen Ausschuß zur näheren Erörterung zu überweisen, damit für unsere Kinder, das deutsche Volk von morgen, das Beste daraus gemacht werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Marx.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Berücksichtigung der Umstände, die in dieser Debatte über das Problem der Errichtung eines Ministeriums für Unterricht und Erziehung zum Ausdruck gekommen sind, halten wir den Antrag, die beiden Anträge der Deutschen Partei an den Ausschuß für Kulturfragen zu überweisen, für richtig. Wir werden diesem Antrag zustimmen, damit dieses Problem in dem dafür zuständigen Ausschuß ausführlich debattiert werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie, daß ich, wie ich wohl glaube, abschließend auf einige Gesichtspunkte hinweise, die mir in ihrem Gewicht erst so ganz durch die Ausführungen des sehr verehrten Herrn Kollegen Dr. Kleindinst offenbar wurden. Ohne Rücksicht darauf, wie das Schicksal der hier gestellten Anträge ausgehen sollte, sind wir auf einige grundsätzliche Fragen gestoßen und sind uns klargeworden, daß in diesen Anträgen Diskussionsgrundlagen beschlossen sind, die wert sind, wirklich bedacht und besprochen zu werden, um gegebenenfalls im Rahmen der gegebenen Situation noch manches Gute herauszuholen.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eines zu sagen. Ich komme aus dem Raum der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, aus dem deutschen Schuh und Bildungswesen des böhmischmährischen Raums, und ich glaube, dieser ehemalige Vielvölkerstaat barg zweifellos zwangsläufig eine noch größere Notwendigkeit in sich, föderalistisch aufgegliedert zu sein,
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da es sich dort um verschiedene Völkerschaften, Volkstümer handelte, während es doch bei uns um deutsche Stämme einer Nation geht. Und doch hat es diese österreichisch-ungarische Monarchie - und solches hat im Schulischen nicht einmal die Tschechoslowakei als Nachfolgestaat später radikal angetastet - fertiggebracht, eine sinnvolle Synthese bezüglich der Verschiedenheiten der Volkstümer und der besonderen Aufgabe des Staats, eines Vielvölkerstaats, zu erstellen. Ich glaube, daß wir uns in dieser Richtung - ich bitte, auch in dem Ausschuß manchmal gerade nach dieser Richtung zu schauen und zu denken! - allerhand davon, wie man so sagt, „abschneiden" können; denn ich behaupte, daß die Aufgabe, die der deutsche Bundesstaat im Augenblick hat, viel gewichtiger und schwieriger und im Blick nach dem Osten noch viel bedeutsamer ist als die kulturpolitische Gesamtaufgabe etwa der österreichisch-ungarischen Monarchie. Diese Synthese ist noch viel notwendiger, als sie vielleicht im Vielvölkerstaat des alten Osterreich-Ungarns gewesen ist.
Darf ich, auch angeregt durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst und in Erinnerung an die kulturpolitische Arbeit im Bayerischen Landtag, einmal auf Einzelprobleme hinweisen, die gleichfalls nach der Richtung einer gesamtdeutschen Aufgabe im Kulturpolitischen tendieren? Wer zum Beispiel soll das kulturelle Erbe, die kulturellen Kräfte und Mächte der aus dem deutschen Osten und Südosten vertriebenen Volksstämme am besten pflegen und übernehmen? Ich weiß aus der Länderarbeit genau, daß diese Fragen die Kräfte eines Landes finanziell und manchmal auch geistig und kulturpolitisch einfach übersteigen. Man kann von einem Lande etwa, das nur sehr wenige Heimatvertriebene aus dem deutschen Osten oder Südosten aufweist und das sehr weit von der Zonengrenze, vom Eisernen Vorhang entfernt ist, keineswegs vorweg annehmen, daß es sich für diese Fragen so entscheidend interessiert, wie es für die Gesamtheit notwendig ist, zumindest wahrscheinlich weniger interessiert als ein Land, das unmittelbar am Eisernen Vorhang liegt. Wir sind aber der Meinung, daß die Pflege, Erhaltung, Ausschöpfung und Fruchtbarmachung all dieser Kräfte nicht Aufgabe dieses oder jenes Landes sein soll, daß diese Dinge nicht der Stärke, der Macht und dem Willen dieses oder jenes Landes unterliegen sollen. Vielmehr handelt es sich hier um eine gesamtdeutsche Aufgabe von ganz besonderer Wichtigkeit und Dringlichkeit, für die es eben eine ordnende, das Gesamte überblickende und den Zukunftseinsatz auch im Kulturpolitischen überschauende Stelle geben muß.
Ein anderes. Wir erleben oft - ich sagte es schon einmal von dieser Stelle aus - im Gespräch zwischen der in der sowjetisch besetzten Zone erzogenen Jugend und unserer Jugend, daß unsere Jugend staatsbürgerlich, staatspolitisch und in gewisser Hinsicht auch staatsphilosophisch nicht so ausgebildet ist, daß sie der anders geformten Jugend der Sowjetzone Widerpart zu halten vermag und daß sie nach dem von uns allen erhofften Tage X prägend und formend der anders erzogenen Jugend den Stempel unserer freiheitlich demo({1})
kratischen Welt aufdrücken kann. Auch das sind Fragen, die die Kräfte und oft auch die Mittel eines Landes übersteigen, Fragen, die gesamtdeutsch und irgendwie unitaristisch überblickt, geformt und in Unterricht und Erziehung beantwortet werden müssen.
Etwas anderes, und zwar ganz praktisch Materielles. Alle Hochachtung vor den Bemühungen der Grenzkreise und derjenigen Länder, die an den Grenzen des Eisernen Vorhangs liegen! Aber wir wissen doch - und bei der Frage der Beurteilung der Zonenrandgebiete und ihrer Notstände haben wir es deutlich gesagt -, daß es über die Kräfte und die finanzielle Macht der Länder hinausgeht, gerade an diese Grenzstellen, an diese Wundstellen unseres Volkskörpers die notwendigen kulturellen Kräfte hinzusenden, die dortige Schulraumnot zu beseitigen und alles kulturpolitisch Notwendige nach dort zu tragen, so daß von dort aus bei der Wiedervereinigung eine gewisse Sprungbasis, eine gute Brücke besteht. Auch hier müßte erwiesenermaßen der Bund oder irgendeine zu schaffende Stelle wirksam werden. Ich wollte diese manchem vielleicht abseits liegend erscheinenden Grundzüge hier im Plenum einmal kurz für die Ausschußarbeit aufzeigen, weil ich glaube, daß man auch diese Dinge keineswegs übersehen sollte.
Im allgemeinen - und das hat mein Parteifreund Feller mit Recht betont - sind wir der Auffassung, daß man eine Synthese finden muß zwischen der schöpferischen Vielfalt kultureller Art in unseren Stämmen und der Notwendigkeit, in dieser Zeit und bei der Aufgabenstellung, die wir haben, eine Aufgabe zu erfüllen, die noch an uns herantreten wird. Gerade wir Heimatverjagten bejahen die Pflege der Stammeskultur, weil wir als vertriebene Volksgruppen wissen, daß die Erhaltung dieser differenzierten Kulturen eine Frage der Selbstbehauptung ist und daß letztlich unsere gesamte deutsche Kultur ihren Wert und ihre schöpferische Kraft gerade aus den Verschiedenheiten der Stämme, ja, aus den Spannungen der einzelnen Stämme gewonnen hat. Aber in der Situation, in der wir uns heute befinden, müssen wir, mehr noch als einst die alte österreichischungarische Monarchie, viele Dinge unitaristisch regeln, damit wir auch kulturpolitisch auf all das vorbereitet sind, was unser noch harrt.
In der Denkschrift, die hier durch Herrn Kollegen Dr. Luchtenberg herausgegeben wurde, ist mit Recht gesagt: Seit 1945 haben wir keine gesamtdeutsche Kulturpolitik mehr.
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Seit 1945 sind wir leider von dem einen Extrem
zentralistischer Einheitskulturpolitik des Dritten
Reiches in das andere Extrem hinübergeschaukelt,
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nämlich in das einer Zersplitterung und eines Nicht-sehen-Wollens der kulturpolitischen Aufgaben nach 1945.
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- Sicher; aber, sehr verehrter Herr Kollege, wenn der Zentralismus als ein Übel erkannt wird, darf man meiner Meinung nach, um ihm zu steuern, nicht in das andere Extrem hinüberschwenken;
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wir sollten vielmehr, nachdem wir uns so oft über einen Verlust echter Mitte beklagen, auch im Kulturpolitischen eine neue echte Mitte suchen, die die Vielfalt aller Stämme und organisch gewachsenen Kulturen zu einer schöpferischen Einheit vereint - auch, ja gerade im Hinblick auf unsere gesamtdeutsche Kultur und auf gesamtdeutsche kulturpolitische Aufgaben - jetzt und in der Zukunft!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch auf einige der Äußerungen eingehen, die im Laufe der Debatte gemacht worden sind. Die Schwierigkeiten der Aufgaben hat auch der Kollege Feller nun anerkannt. Wenn wir uns ablehnend verhalten haben, so liegt der Grund eben in diesen Schwierigkeiten, vor denen wir den Bundestag bei seiner gesetzgeberischen Arbeit angesichts seiner sonstigen schweren Aufgabenbelastung bewahren wollen,
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und wir vertreten unsere Ablehnung auch im Hinblick auf die Verantwortung gegenüber der Schule.
Nun hat der Herr Kollege Brühler - ich darf noch einmal darauf zurückkommen - davon gesprochen, man solle den Ländern die Schulgesetzgebung nehmen, um sie dem Einfluß der politischen Parteien zu entziehen. Ja, meine Herren, wenn die Schulgesetzgebung beim Bundestag liegt, dann nehmen wir diese Materie nicht aus der Auseinandersetzung der politischen Parteien heraus!
({1})
Es kommt noch etwas hinzu. Hinter diesen Forderungen stehen auch die Spitzenverbände und Unterverbände der Berufe, die glauben, sie könnten den Bundestag leichter zu ihrer Meinung bringen, als das in den Landtagen möglich ist, wo man den Verhältnissen näher steht als hier in Bonn.
({2})
Dann ist von der Berufsschule gesprochen worden. Wir haben bezüglich der Berufsschule zweimal die gleiche Erfahrung gemacht. Die erste Erfahrung stammt aus der Zeit, als man im Dritten Reich eine einheitliche Besoldungsregelung einführte. Damals hat man die fortschrittlichsten Berufsschulen außerordentlich geschädigt. Wir haben diese Erfahrung wieder gemacht, als uns das Finanzministerium bei dem Dritten BesoldungsÄnderungsgesetz auch Regelungen der Gehaltssätze bei den Berufsschulen vorlegte. Wir mußten davon absehen, und zwar mit Zustimmung des Bundesfinanzministeriums, weil sonst eine Schädigung der fortschrittlichsten, der besten Berufsschulen eingetreten wäre. Allein das zeigt uns, wie vorsichtig man an diese Fragen herangehen soll.
Und dann, meine verehrten Herren, was Sie als Zersplitterung bezeichnen, war das nicht einst der Wettbewerb der Länder und der Städte untereinander um das beste Schulwesen?
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- Wir haben doch, Herr Kollege Baur, gerade in Herrn Löweneck einen hervorragenden Schulmann gehabt! Ich erinnere Sie nur an die Berufs-und Mittelschulen, die bei uns in Bayern gegründet worden sind. Ich erinnere Sie nur an die Leistungen der humanistischen Gymnasien, die noch unter dem Namen des großen Thiersch gestanden sind, der zu der Zeit dem höheren Schulwesen den Geist des Humanismus aufgeprägt hat. So also kann man die Dinge nicht ohne weiteres abtun!
In der Auseinandersetzung sind erhebliche Unklarheiten hervorgetreten. Man sprach von Grundsatzentscheidungen eines Bundesministeriums, man sprach von Steuerung, Weisung und eingehender Regelung, und man ist nahe an die Uniformierung des Geistes herangekommen!
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Meine Herren, Sie sprachen von Extremen. 1871 bis 1918 haben die Länder das Schulwesen und die -gesetzgebung gehabt, und von 1919 bis 1932 ebenfalls, weil die Grundsatzgesetzgebung nach der Weimarer Verfassung an den Schwierigkeiten im Deutschen Reichstag zweimal gescheitert ist.
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Das waren die Gründe, aus denen wir gesagt haben, wir wollen den Bundestag nicht den gleichen Schwierigkeiten aussetzen.
Aber wenn Sie glauben, daß wir Sorge haben vor den Feststellungen, die im Kulturpolitischen Ausschuß getroffen werden könnten, so wollen wir dem nicht ausweichen. Wir wollen ganz klarstellen, wie die Verhältnisse sind, damit hier keine Meinungsverschiedenheiten bestehen und damit an die Stelle der Schlagworte endlich Feststellungen treten.
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- Darum wundere ich mich, daß Sie den Feststellungen in der ersten Denkschrift der Kultusministerkonferenz völlig ausgewichen sind,
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daß Sie nur Schlagworte aus Veröffentlichungen gebracht haben, die wirklich nicht bezeichnend für die Angelegenheit sind. Nachdem Sie aber glauben, daß wir Sorge haben und Feststellungen aus dem Wege gehen wollen, sind auch wir für die Überweisung beider Anträge.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Brühler als Schlußredner, wie ich hoffe.
Dr. Brühler ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur noch ein paar Sätze zu sagen; ich werde Sie nicht lange aufhalten.
Ich bin dem Herrn Kollegen D r. Kleindinst sehr dankbar, daß auch er jetzt dafür eingetreten ist, die Anträge an die Ausschüsse weiterzugeben. Er hat mir gewissermaßen - und da ich ihn sehr verehre, lege ich Wert darauf, das hier richtigzustellen - den Vorwurf gemacht, daß ich Pressezitate gebracht habe. Ja, ich habe behauptet, die Öffentlichkeit hat sich mit diesen Dingen beschäftigt; und wodurch wird die Öffentlichkeit besser repräsentiert als durch die deutsche Presse?!
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Ich mußte also Pressezitate bringen.
Herr Dr. Kleindinst hat mir auch vorgehalten - das war sogar ein sehr schwerer Vorwurf, den ich nicht so einfach hinnehmen kann -, ich hätte von dieser Stelle aus nicht den Herkules und den Augiasstall zitieren dürfen. Meine Damen und Herren, daß der Herkules früher einmal einen fürchterlichen Stall ausmisten mußte, weiß ich auch. Aber das war in grauer Vorzeit. In der Zwischenzeit hat dieses Wort vom Ausmisten des Augias-stalls doch eine ganz andere Bedeutung bekommen. Wenn man an eine schwere Aufgabe herangeht, so wird das mit der Aufgabe des Herkules im Augiasstall verglichen.
({2}) Etwas anderes ist das nicht.
Auch die Behauptung, daß der Bundestag durch diese beiden Anträge allzusehr belastet würde, können wir nicht hinnehmen. Alle diese Dinge sind sehr ernst; sie werden heute in jedem Elternhaus diskutiert. Damit Sie wirklich hören, wie die Dinge laufen, kann ich im Ausschuß Einzelfälle vortragen, über die mir in den letzten Monaten aus ganz Deutschland geschrieben worden ist. Das Ganze ist ein deutsches Problem, und zwar eines der schwersten deutschen Probleme.
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Das ist wirklich eines der heißesten Eisen unserer Innenpolitik, und wehe dem Bundestag,, der nicht wagte, dieses heiße Eisen anzufassen!
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu Punkt 2 a und b der heutigen Tagesordnung.
Da nun eine Kampfabstimmung nicht mehr notwendig ist - sonst hätte ich auf die Vereinbarung im Ältestenrat aufmerksam machen und die Abstimmung heute unterlassen müssen -, scheint die Sache klarzugehen. Ich unterstelle, daß die antragstellende Fraktion damit einverstanden ist, daß der Entschließungsantrag, der im Laufe der Debatte hier heraufgereicht wurde, mit überwiesen wird.
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Dann stimmen wir darüber ab, ob die beiden Gesetzentwürfe und der Entschließungsantrag an den Ausschuß für Kulturpolitik - federführend - sowie an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung überwiesen werden sollen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Überweisungen sind einstimmig erfolgt.
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- Enthaltungen?
({2})
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- Gegen einige Stimmen mit großer Mehrheit erfolgt.
Die Punkte 3 und 4 sind heute abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({4}) über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP betreffend Genehmigung zum Führen von Sondersignalen un Kennscheinwerfern durch Krankentransporttahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes ({5}).
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat dem Präsidium einen Brief geschrieben, daß er leider bei der Beratung der Punkte 5 und 6 heute nicht anwesend sein könne, weil die für heute nachmittag 17 Uhr vorgesehene Kabinettssitzung plötzlich auf 12 Uhr vorverlegt worden sei. Leider könne auch sein Herr Staatssekretär nicht anwesend sein, weil er ihn gebeten habe, an den Beisetzungsfeierlichkeiten für Herrn Gustav Dahrendorf in Hamburg teilzunehmen. Ich gebe das auf Wunsch des Herrn Bundesverkehrsministers bekannt.
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Körner.
Körner ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Drucksache 916 betreffend die Genehmigung zum Führen von Sondersignalen und Kennscheinwerfern durch Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes liegt die ältere Drucksache 309 vom 10. März 1954 zugrunde. In dieser älteren Drucksache war der Antrag auf Erweiterung der Genehmigung zum Führen dieser Sondersignale und Kennscheinwerfer auf die Krankenfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes beschränkt. Nach eingehender Beratung ist der Verkehrsausschuß zu der Meinung gelangt, daß diese Beschränkung nicht dem ursprünglichen Gedanken des Antrags gerecht werden würde und daß eine Ausdehnung auf alle Krankenwagen notwendig ist. Der Verkehrsausschuß schlägt Ihnen nunmehr vor, die Bundesregierung zu ersuchen, in § 52 Abs. 3 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung folgenden Satz 2 anzufügen:
Krankenwagen, die von jedermann benutzt werden können, dürfen mit einem solchen Kennscheinwerfer ausgerüstet sein, der nur zur Abwendung einer Gefahr für das Leben eines Menschen verwendet werden darf.
Die Straßenverkehrs-Ordnung soll in § 48 einen entsprechenden Zusatz erhalten. Der Abs. 1 dieses Paragraphen soll folgenden Satz 2 erhalten:
Entsprechendes gilt für Krankenwagen, die von jedermann benutzt werden können, soweit die Abwendung einer Gefahr für das Leben eines Menschen es erfordert.
Ein weiterer Zusatz soll in Abs. 3 des § 48 der Straßenverkehrs-Ordnung erfolgen, in dem hinter dem Wort „Feuerwehr" die Worte eingefügt werden sollen:
sowie für Krankenwagen, die von jedermann benutzt werden können.
Damit ist eigentlich das Wesentliche über die Änderung der Vorlage auf Drucksache 309 gesagt. Der Ausschuß hatte dabei den Wunsch, daß entsprechend der Straßenverkehrs-Ordnung und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung die Führung von Sondersignalen und Kennscheinwerfern tatsächlich auf die nach diesen Verordnungen dazu befugten Fahrzeuge beschränkt wird. Es wird ja immer wieder festgestellt, daß auch andere Besitzer von Kraftfahrzeugen solche besonderen Kennscheinwerfer oder Kennzeichen benutzen. Das würde natürlich die Gefahren heraufbeschwören, auf die auch von einigen Bearbeitern der Ministerien in der Debatte hingewiesen wurde.
Damit habe ich Ihnen die Vorlage im wesentlichen erläutert. Es ist der Wunsch des Verkehrsausschusses, daß sich das Hohe Haus dem Antrag auf Drucksache 916 anschließt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich sollte es nicht notwendig sein, die dem Hause vorliegenden Anträge auf Drucksache 309 und Drucksache 916 zu begründen; denn diese Anträge sind zwingend notwendig und schon lange fällig. Auf dem 56. Deutschen Ärztetag in Lindau im September 1953 forderten 1500 Ärzte in einer einstimmig gefaßten Resolution ebenfalls die mit unserem Antrag auf Drucksache 309 geforderte Einführung der Sondersignale für Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes. Die Arbeitsgemeinschaft der Länderinnenminister dagegen hat es ausdrücklich abgelehnt, den Krankentransportfahrzeugen das Führen von Sondersignalen zu erlauben.
Ein solcher Beschluß erscheint uns unverständlich. Der immer stärker werdende Verkehr macht es den Krankentransportfahrzeugen oft sehr schwer, wenn nicht geradezu unmöglich, in dringenden Fällen rasch zu einer Unfallstelle zu kommen oder Kranke und Verletzte schnellstens in ein Krankenhaus zu bringen. Alle Bemühungen, den Krankentransportfahrzeugen die Genehmigung zum Führen von Sondersignalen zu verschaffen, scheiterten bisher an der Haltung der Länderinnenminister. Vielleicht ist ein Teil der Herren Minister der Auffassung, es sei wichtiger, daß Minister blaues Licht führen, als daß Krankentransportfahrzeuge mit diesem Sondersignal ausgerüstet sind. In der 276. Sitzung des Deutschen Bundestages habe ich an den Herrn Bundesverkehrsminister in dieser Sache eine Frage gerichtet, die leider nicht befriedigend beantwortet wurde.
Die Situation ist nun die, daß wohl Polizeifahrzeuge mit Sondersignalen zu einer Unfallstelle fahren können, rum dort festzustellen, wer den Unfall verschuldet hat, oder zu messen, ob der Bremsweg 12,11 m oder 11,12 m beträgt. Natürlich kann die Polizei auch in vielen Fällen noch helfen, und sie soll deshalb diese Signale führen dürfen. Die Unfallwagen der Polizei dürfen auch Verletzte unter Benutzung von blauem Licht zum Krankenhaus bringen, falls diese in solchen Wagen transportiert werden können. Krankentransportwagen des Deutschen Roten Kreuzes und anderer Stellen jedoch dürfen diese Sondersignale nicht führen, obwohl Kranke in diesen Fahrzeugen in
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der Regel zweckdienlicher transportiert werden, und zwar auch dann nicht, wenn ein sofortiger ärztlicher Eingriff dringend notwendig ist und ein solcher oder eine rasch vorgenommene Bluttransfusion einem Verletzten oder Kranken noch das Leben retten könnte.
Manche Polizeidirektionen helfen sich nun so, daß sie notfalls dem Krankentransportwagen ein Polizeikraftrad vorausschicken und von diesem mit seinen Sondersignalen dem Krankentransportwagen das Vorfahrtsrecht sichern. Zu solchen Methoden sollte man jedoch nicht gezwungen sein. Deshalb wollen wir die bestehenden Bestimmungen ändern. In einem oder in mehreren Ländern wurde der Krankentransport der Feuerwehr übertragen, die ja die Sondersignale führen darf.
Sehr interessant war es allerdings, in der Sitzung des Verkehrsausschusses zu hören, daß einer der Herren Länderinnenminister, der ebenfalls gegen die Einführung von Sondersignalen für Krankentransportfahrzeuge war, den Krankentransportfahrzeugen in seinem Land jetzt das Führen von Sondersignalen genehmigt hat, und zwar deshalb, weil man diesen Minister mit der Erklärung angegriffen hatte, daß er, der Herr Minister, zwar ein Sondersignal führe, den Krankenwagen dieses jedoch versage. Daraufhin kam dann der Gesinnungsumschwung. Ich bin der Auffassung, daß die Herren Minister so weit als irgend möglich auf das Benutzen von Sondersignalen verzichten sollten. Auch 'die Polizei sollte sich überlegen, ob nicht von ihr die Sondersignale etwas zu oft benutzt werden.
In dem Lande, in dem die Schwaben und die Schwabenstreiche zu Hause sind, hat man dem Roten Kreuz erlaubt, beim Transport von Schwerverletzten und Schwerkranken weiße Fähnchen zu setzen. Als ob die Leute, welche das Zeichen des Roten Kreuzes nicht beachten, dann einem Fahrzeug mit weißer Fahne das Vorfahrtrecht einräumten! So optimistisch bin ich nicht. Unsere Erfahrung im Verkehr zeigt uns ja, daß sich nicht alle Verkehrsteilnehmer so benehmen, wie es Vernunft und Rücksicht verlangen. Ich muß deshalb leider der Auffassung des Dichters eines Verschens beipflichten, das ich in diesen Tagen las - wenigstens gilt dies für einen nicht geringen Teil der Verkehrsteilnehmer -:
Oh, man erkennt so mit der Zeit:
des Menschen Einsicht reicht nicht weit. Viel rascher bringet ihn in Gang
ein Rippenstoß, die Not, der Zwang.
Unser Antrag, der übrigens, wie erwähnt, vom Verkehrsausschuß erweitert wurde, bezweckt, Krankenwagen, soweit die Abwendung einer Gefahr für das Leben eines Menschen es erfordert, mit blauem Licht und Sondersignalen auszurüsten und damit allen Verkehrsteilnehmern, besonders aber den Böswilligen, den allzu Eiligen und den Gleichgültigen, diesen bildlichen Rippenstoß zu versetzen und ihnen zu sagen: Geben Sie bitte den Weg frei für einen Menschen, der dringend der Hilfe bedarf, und denken Sie daran, heute oder morgen können auch Sie schon verletzt oder schwer krank im Krankenauto liegen! Auch den Herren Ministern kann dies passieren, und mir kann dies passieren, und Ihnen, meine Damen und Herren, kann dies passieren. Deshalb bitte ich Sie: stimmen Sie dem Antrag des Verkehrsausschusses auf Drucksache 916 zu!
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses für Verkehrswesen auf Drucksache 916 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist Punkt 5 der heutigen Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande ({0}) ({1}).
Da der Herr Bundesverkehrsminister nicht da ist und den Gesetzentwurf nicht einbringen kann, auch wohl auf Einbringung und Begründung verzichtet wird, wie ich aus den mir vorliegenden Notizen ersehe, schließe ich die erste Beratung und schlage dem Hause vor: Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Verkehrswesen - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen und den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung. Ist das Haus mit diesen Vorschlägen einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betreffend Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1951 ({3})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Ohlig als Berichterstatter.
Ohlig ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache 909 empfiehlt der Haushaltsausschuß dem Bundestag, die über- und außerplanmäßigen Ausgaben im Rechnungsjahr 1951 nachträglich zu genehmigen. Diese Genehmigung ist nach § 83 der Reichshaushaltsordnung notwendig. Der Rechnungsprüfungsausschuß hat die fast 1600 Seiten umfassende Bundeshaushaltsrechnung für das Rechnungsjahr 1951 auf diese über- und außerplanmäßigen Ausgaben überprüft. In der Anlage zur Drucksache 909 wurden die wichtigsten Ergebnisse in zusammengedrängter Form festgehalten. Als Berichterstatter möchte ich die Bemerkungen dort kurz ergänzen. Dabei will ich nur runde Zahlen nennen; die genauen finden Sie in der Anlage.
Festgestellt wurden fast 1,9 Milliarden DM über-und außerplanmäßige Ausgaben. An diesen Ausgaben sind beinahe alle Einzelpläne beteiligt. In der Anlage sind aber nur die Einzelpläne mit besonders hohen Ausgaben genannt. Die genaue Aufstellung aller Beträge finden Sie in der Bundeshaushaltsrechnung auf Seite 1464.
Die beiden Einzelpläne XXIV und XXV mit fast 1 Milliarde DM über- und außerplanmäßigen Ausgaben umfassen die Verteidigungslasten einschließlich der Besatzungskosten und die Auftragsausgaben aus dem Jahre 1951 und die auslaufenden Auftragsausgaben aus dem Jahre 1950. Der Betrag ist hoch, aber die Ausgaben waren zwangsläufig.
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Beim Einzelplan VIII, Bundesministerium der Finanzen, sind die Gründe im Anhang kurz mitgeteilt.
Von den 324 Milionen DM über- und außerplanmäßigen Ausgaben beim Einzelplan XI, Bundesministerium für Arbeit, entfallen allein 322,7 Millionen DM auf die Arbeitsiosenfürsorgeunterstützung. 15m den Nachtragshaushalt 1951 auszugleichen, war der ursprüngliche Ansatz bei diesem Titel um 250 Millionen DM gekürzt worden. Diese Kürzung erwies sich als falsch. Die Zahl der Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger war höher als die geschätzte Zahl. Da die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung aber gezahlt werden mußte, waren auch diese Ausgaben unvermeidlich. - In die Augen springt bei diesem Einzelplan die Minderausgabe von 258 Millionen DM bei verschiedenen Titeln für soziale Hilfe. Die Gründe sind in der Anlage angegeben.
Im Einzelplan XXVI, Soziale Kriegsfolgelasten, stehen 104 Millionen DM über- und außerplanmäßigen Ausgaben Minderausgaben in Höhe von 442,3 Millionen DM gegenüber. Die Gründe sind ungefähr die gleichen wie beim Einzelplan XI.
Soweit es sich um das Fehlen geeigneter Unterlagen handelt, sind der Rechnungsprüfungsausschuß und der Haushaltsausschuß der Meinung, daß solche Begründungen in den nächsten Jahren wegfallen werden und eine genauere Schätzung der Haushaltsansätze möglich sein wird. Es wird aber auch in Zukunft damit gerechnet werden müssen, daß Gesetze erst recht spät am Ende eines Haushaltsjahres verkündet werden, die Mittel aber bereits vorsorglich für das volle Haushaltsjahr eingesetzt worden sind.
Der Betrag der über- und außerplanmäßigen Ausgaben von insgesamt 1,9 Milliarden DM ist sehr hoch. Er wird aber zu einem Teilbetrag von rund 1,6 Milliarden DM durch Mehreinnahmen und Minderausgaben gedeckt. Der Fehlbetrag des Rechnungsjahres 1951 beträgt demnach 256,8 Millionen DM.
Es erschien dem Haushaltsausschuß zweckmäßig, einmal einen Gesamtüberblick über die Fehlbeträge der ordentlichen und außerordentlichen Haushalte der Haushaltsjahre 1949, 1950 und 1951 zu geben. Sie finden diese Angaben in der Anlage. Gleichzeitig wurde vermerkt, welche Mittel in den Jahren 1952 und 1953 zur Abdeckung dieser Fehlbeträge bereits gegeben wurden. Der dann noch verbleibende Fehlbetrag aus den Jahren 1949, 1950 und 1951 sowohl des ordentlichen wie des außerordentlichen Haushalts soll mit dem Fehlbetrag des Jahres 1953 in einer Summe ausgewiesen werden.
Nach einer Meldung im Informationsblatt der Bundesregierung vom 4. November 1954 beträgt der Fehlbetrag des Rechnungsjahres 1953 2075 Millionen DM. In dieser Summe sind 1434 Millionen DM Ausgabereste enthalten, so daß also rund 640 Millionen DM Mehrausgaben entstanden sind. Diese 640 Millionen DM mit den rund 650 Millionen DM Fehlbeträgen aus den ersten drei Jahren des Bundes müßten also in einer Summe genannt und nach § 75 der Reichshaushaltsordnung im Bundeshaushalt 1955 veranschlagt werden. Die Frage, ob das geschehen wird oder geschehen soll, ist nicht Gegenstand dieses Berichts.
Der Haushaltsausschuß ersucht mit dem vorliegenden Antrag das Hohe Haus, die über- und außerplanmäßigen Ausgaben nachträglich zu genehmigen. Diese Genehmigung soll vorbehaltlich der späteren Beschlußfassung über die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes erfolgen. Durch die Genehmigung wird den Erinnerungen des Bundesrechnungshofes aus Anlaß der Rechnungsprüfung 1951 nicht vorgegriffen. Die Entlastung der Bundesregierung erfolgt später. Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Hohen Haus die Annahme seines Antrages.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe volles Verständnis dafür, daß der Herr Bundesfinanzminister wegen seiner Beanspruchung durch die Kabinettssitzung der Beratung der Rechnungslegung des Bundes für das Rechnungsjahr 1951 nicht beiwohnen kann. Ich habe kein Verständnis dafür, daß nicht einmal der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums anwesend ist.
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Ich glaube, daß die gesamte Bundesregierung Veranlassung haben wird, sich darüber klar zu sein, und daß der Bundestag Veranlassung haben sollte, darauf aufmerksam zu machen, daß die Rechnungslegung angesichts der Verantwortung, die die Bundesregierung dem Parlament schuldig ist, keine geringere Aufmerksamkeit der Bundesregierung verdient als etwa die Begründung und Verteidigung eines Etats.
Das Parlament hat bei der Rechnungslegung die Möglichkeit, die schönen Grundsätze von der Etatklarheit und Etatwahrheit durch einen Vergleich der Rechnung mit dem ursprünglichen Haushaltsplan zu überprüfen. Ich gebe zu, ich habe bei der Durchsicht der Rechnung 1951 und in den Beratungen des Rechnungsprüfungsausschusses wie des Haushaltsausschusses die Überzeugung gewonnen, daß das Jahr 1951 noch kein Normaljahr gewesen ist, daß es mit normalen Maßstäben nicht gemessen werden kann. Auf der anderen Seite enthalten der Bericht des Herrn Berichterstatters und seine gründliche Arbeit, die uns gedruckt vorliegt, Unterlagen und Tatsachen, die beweisen, daß der Grundsatz der Etatklarheit - um nicht von dem Prinzip der Etatwahrheit zu sprechen - in nicht wenigen Fällen zu den Rechnungsergebnissen in einem sehr peinlichen Gegensatz steht.
Ich möchte Ihnen da nur zwei Beispiele nennen. In dem Einzelplan XI - Bundesarbeitsministerium - sind die Sozialleistungen für das Haushaltsjahr 1951 in einem derartigen Ausmaß gegenüber den Rechnungsergebnissen zu hoch angesetzt, daß man den Verdacht haben kann, daß - wie heißt doch das berühmte Wort?: „so sozial wie möglich!" - dieser Ansatz im Etat eine gewisse Zweckbestimmung hatte, während die Tatsachen in der Rechnung nachher eine andere Sprache sprechen. Um- gekehrt hat man in dem gleichen Etat bei der Fixierung der mutmaßlichen Arbeitslosenziffer entschieden zu niedrig gegriffen und bei der Verabschiedung des Haushalts die segensreiche Wirkung der sozialen Marktwirtschaft durch die Annahme einer voraussichtlich sehr geringen Zahl von Arbeitslosen dargestellt. Die harte Wirklichkeit hat
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die Dinge nachher ganz anders erscheinen lassen, die im Etat ausgesetzten Beträge haben in keiner Weise genügt.
Ein gewisses Erstaunen kann man auch bei der Durchsicht des Einzelplans XII - Bundesminister für Verkehr - nicht unterdrücken. Ich glaube, bei einer sorgfältigen und sorgsamen Verwaltung sollten Haushaltsüberschreitungen nicht möglich sein, wie sie beispielsweise bei der Unterhaltung und dem Betrieb der Seewasserstraßen eingetreten sind - mit mehr als einer Viertelmillion -, und bei der Unterhaltung und dem Betrieb der Seezeichen und Signalanlagen, wo entgegen dem Etatansatz mehr als 300 000 DM mehr verbraucht worden sind.
Der Herr Berichterstatter hat dankenswerterweise auf die Sorgen hingewiesen, die wir alle hinsichtlich der Bereinigung der Defizitbeträge haben sollten. Wir haben die Hoffnung - und ich glaube, das entspricht einem Wunsch des ganzen Hauses -, daß vom Rechnungsjahr 1955 an eine Bereinigung der Defizitabschlüsse in dem Sinne erfolgt, daß nur ein einziger Fehlbetrag in der Rechnung erscheint. Wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen, festzustellen, in welcher Verschachtelung der Fehlbetrag des Jahres 1951 teilweise gedeckt wurde, werden Sie diesen Wunsch durchaus verstehen.
Bei dieser Gelegenheit noch etwas anderes! Ich glaube, das ganze Hohe Haus wird dem Wunsch zustimmen, daß der Herr Bundesfinanzminister gerade angesichts der Berichte über die Gestaltung der Kassenlage ab Rechnungsjahr 1951 - einmal die Freundlichkeit hat, in bezug auf die wirkliche Gestaltung der Kassenlage des Bundes dem Hohen Hause so rasch wie möglich reinen Wein einzuschenken. Wir haben im Haushaltsausschuß wiederholt Hinweise darauf erhalten, daß die Kassenlage des Bundes gleich Null sei, wenn man die sogenannten Guthaben der Besatzungsmächte in Abzug bringe. Die Beratung der Steuer- und Finanzreform legt dem Hause nach meiner Auffassung zwingend die Verpflichtung auf, von dem Herrn Bundesfinanzminister auch in Vorbereitung des Abschlusses der Rechnung dieses Rechnungsjahres so rasch wie möglich Klarheit über diese Frage zu verlangen.
Ich will nicht auf weitere Zahlen eingehen, aber noch zwei größere Gesichtspunkte in gedrängter Kürze herausarbeiten, die mich aus diesem Anlaß wieder einmal beschäftigen. Nach dem Haushaltsplan erhält jeder Bundesminister jedes Jahr eine Verfügungssumme für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung. Das sind 20 000 DM für jeden Minister. Ich habe mir angelegen sein lassen, einmal für das Rechnungsjahr 1951 die Verwendung und die Höhe der verwendeten Beträge - soweit idas möglich ist - herauszuziehen. Ich will nur drei Zahlen nennen, keinen Minister und kein Ministerium; ich will damit einen kleinen Beitrag für die künftige Haushaltsberatung geben. Eines schickt sich nicht für alle. Ich glaube, daß der Herr Minister für Angelegenheiten des Bundesrates etwas weniger „Aufwand" benötigt - das tut er auch - als etwa der Herr Bundeswirtschaftsminister. Aber in einem Falle ist diese Aufwandsentschädigung von 20 000 DM sorgfältig verbraucht worden, bis auf 103,75 DM. In zwei anderen Fällen sind Beträge übriggeblieben, in einem Fall von 9365,21 DM und im zweiten Falle von 9781,61 DM. Ich kann mir vorstellen, daß
das Hohe Haus bei der nächsten Etatberatung, die nach den Ankündigungen des Herrn Bundesfinanzministers ganz besonders unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit stehen wird, differenzierte Beträge für diese Aufwandsfonds der Herren Minister feststellen wird. Das Maximum des Vertretbaren sollte etwa bei 15 000 DM liegen, und man sollte, wie gesagt, nicht einen Minister 'behandeln wie den anderen; man muß auch hier gerecht, individuell urteilen.
Nun noch eine Bemerkung zu dem netten Thema Geheimfonds. Sie erinnern sich, daß von dieser Stelle aus wiederholt auf die parlamentarische Kontrolle der Geheimfonds, auf die nicht vorhandene Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle der Geheimfonds hingewiesen worden ist. Wir haben im Haushalt 1951 Geheimfonds mit einem Gesamtbetrag von 7 672 250 DM gehabt. Davon standen, um nur zwei, drei Beispiele zu nennen, zur Verfügung des Herrn Bundeskanzlers zu allgemeinen Zwecken 200 000 DM, Dieses Soll von 200 000 DM ist sorgfältig verbraucht worden mit einer Ist-Summe von 199 945,86 DM. Zur Verfügung des Beauftragten des Bundeskanzlers für außerordentliche und unvorhergesehene Ausgaben stehen im Haushalt 1951 364 000 DM; verbraucht sind 330 000 DM. Wir haben zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Nachrichtenwesens 3 058 000 DM. Wir haben damals für Nachrichten- und Informationsdienst noch relativ wenig gehabt. In der Zwischenzeit ist das ein Betrag von 10 Millionen DM geworden. Damals waren es bescheidenerweise 50 000 DM, die nicht ganz benötigt wurden. Für Zwecke des Verfassungsschutzes waren 3 Millionen DM vorgesehen. Und dann ein besonders interessanter Posten im Bereich des Auswärtigen Amtes: Einzelplan IV a, Tit. 45 - geheime Ausgaben - 1 Million DM; verbraucht sind 989 009,49 DM ohne Kontrolle des Parlaments. Nun, meine Damen und Herren, werden Sie sagen: Der Herr Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung oder der Herr Präsident des Bundesrechnungshofes - in Personalunion, also dasselbe - hat die Kontrolle auszuüben, und darauf dürfen und müssen wir uns verlassen. Die sozialdemokratische Fraktion wird das Haus immer wieder vor die Frage stellen, ob es sich nicht endlich damit einverstanden erklären will, daß ein wenn auch noch so kleines, sorgfältig ausgewähltes und seriöses Gremium aus der Mitte des Hauses an der Kontrolle dieser Geheimfonds mitwirkt. Dies um so mehr, als der zuletzt genannte Geheimfonds von 1 Million DM - verbraucht davon 989 000 DM - noch nicht einmal der Prüfung des Bundesrechnungshofes unterliegt. Ich glaube, das Haus ist es sich selbst schuldig, bei der Prüfung der Jahresrechnung 1951 auch diesen Dingen Aufmerksamkeit und Beachtung zu schenken.
Eine abschließende Bemerkung. Die Bundesregierung hat uns im Haushaltsausschuß zugesichert, daß künftig die Rechnungslegung beschleunigt erfolgen werde. In einer Haushaltsausschuß- und Rechnungsprüfungsausschußsitzung ist sogar ein Termin genannt worden. Danach hätte der Abschluß der Rechnung 1952 Ende Oktober vorliegen müssen. Er liegt leider heute, Anfang November, noch nicht vor. Nun, das ist keine große Zeitdifferenz. Das Haus hat ein brennendes Interesse daran, daß Etatjahr und Rechnungslegung und Verantwortung der Regierung dem Haus zeitlich
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so nahegebracht werden, daß ein wirkliches Urteil, das nicht zu sehr in der Vergangenheit ruht, getroffen werden kann.
Die sozialdemokratische Fraktion hat die Dinge sorgfältig geprüft. Nach Lage der Verhältnisse sind wir außerstande, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung zu Punkt 7 der Tagesordnung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 909 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 55. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag, den 11. November 1954, 9 Uhr, und schließe die 54. Sitzung des Bundestags.