Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 53. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Frau Meyer ({0}), Schriftführerin: Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Mißmahl für acht Wochen wegen Krankheit, Frau Friese-Korn für vier Wochen wegen Krankheit, Hahn für drei Wochen wegen Krankheit, Koenen ({1}) für weitere drei !Wochen wegen Krankheit, Brookmann ({2}) für zwei Wochen wegen Krankheit, Dr. Greve für zwei Wochen wegen Krankheit, Frau Schroeder ({3}) für weitere zwei Wochen wegen Krankheit, Dr. Deist für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Gockeln, Dr. Dr. h. c. Pünder, Böhm ({4}), Frau Dr. Probst, Dr. Maier ({5}), Frau Dr. Jochmus, Lemmer, Frau Niggemeyer, Even, Frau Ackermann, Donhauser, Lermer, Frau Rösch, Frau Dr. Maxsein, Kahn, Ollenhauer, Seidel ({6}), Dr. Mocker, Frau Strobel, Wehner, Frau Dr. h. c. Weber ({7}), Gedat, Dr. Hammer, Brandt ({8}), Keuning, Dr. Friedensburg, Fassbender, Euler, Dr. Siemer.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für einen Tag den Abgeordneten Becker ({9}), Neumann, Heiland, Bruse, Frau Welter ({10}), Merten, Dr. Schild ({11}), Arnholz, Brockmann ({12}), Seiboth, Dr. Miessner, Frau Beyer ({13}), Kriedemann.
Meine Damen und Herren!
({0})
Gestern, am dritten November, ist der Präsident des Bundestages, Hermann Ehlers, zu Grabe getragen worden. Durch den Tod dieses Mannes hat der Bundestag den hervorragenden Lenker seiner Arbeiten und den untadeligen Hüter seiner Rechte und Wahrer seiner Würde verloren. Durch diesen Tod ist aber auch die ganze Nation um einen Menschen ärmer geworden, der einer der stärksten Beweger und wirkungsvollsten Gestalter ihrer politischen Geschicke und ihres geschichtlichen und moralischen Selbstbewußtseins gewesen ist. Er wird es in der Nachwirkung seiner Persönlichkeit für lange Zeit bleiben.
Aber die volle Kraft des immer wieder neu im Anruf des jeweiligen Hier und Jetzt Prägenden geht nur vom Lebendigen aus. Darum läßt uns der Heimgang auch des am stärksten nachwirkenden Menschen ärmer zurück.
Echtes Staatsgefühl, das Bewußtsein, eine Nation zu sein, ein Vaterland und nicht nur eine Heimat zu haben, wird einem Volke nur durch die Vermittlung von Menschen geschenkt, Menschen, die sich im Dienst am Gemeinwohl mit dem Schicksal der Nation identifizieren und in dem tragischen Ringen des Volkes um die Verwirklichung seiner Seelenkräfte in der Geschichte aufgehen, niemals durch bloße Abstraktionen und Ideologien.
Leben und Tun Hermann Ehlers' haben dies vollbracht, wie einmal - um nur von der jüngeren Vergangenheit zu reden Leben und Tun eines Kurt Schumacher, wie die Männer des Widerstandes gegen Tyrannei und Verbrechen - die der Konzentrationslager sowohl wie jene des 20. Juli 1944 und jene des 17. Juni 1953 - dies vollbracht haben, jeder auf seine Weise, jeder nach seinem Zumaße, aber alle in gleicher Weise gültig. Solchen Männern, mögen sie im Lichte stehen oder im Dunkel oder im Schatten, gebührt der Dank des Vaterlandes, und es ziemt sich, sie zu ehren, sie sichtbar zu ehren.
Es sind in diesem Hause .und an anderer Stätte gültige Worte des Dankes und des Lobpreises für den Verstorbenen gesprochen worden. Lassen Sie mich das darin Ausgesagte in einem Satz zusammenfassen: Hermann Ehlers hat sich um das Vaterland verdient gemacht.
Die Fraktionen dieses Hauses haben folgenden Antrag eingebracht, den ich nun verlese:
Der Bundestag wolle beschließen:
Dem verstorbenen Präsidenten des Deutschen Bundestages, Abgeordneten D. Dr. Hermann Ehlers, wird ein Ehrenbegräbnis gewährt.
Wünscht jemand, zu diesem Antrag zu sprechen? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jene, die diesem Antrage zustimmen wollen, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. - Ich danke Ihnen. Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 11 Uhr 15.
({1})
Die Sitzung wird um 11 Uhr 18 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Sitzung fort.
Ich habe zunächst einigen Kollegen die Glückwünsche des Hauses auszusprechen, dem Herrn Abgeordneten Etzenbach zu seinem 65. Geburtstag am 25. Oktober,
({0})
dem Herrn Abgeordneten Lermer zu seinem 60. Geburtstag am 3. November,
({1})
({2})
und dem Herrn Abgeordneten Conring zu seinem heutigen, 60. Geburtstag.
({3})
Vor der weiteren Erledigung der Tagesordnung einige Mitteilungen.
Die Fraktionen haben sich geeinigt, die Debatte über die Todesstrafe heute abzusetzen.
Die nächste Fragestunde, die an sich am 18. November 1954 sein sollte, ist einer Vereinbarung im Ältestenrat entsprechend auf den 2. Dezember 1954 verlegt. Sperrfrist für einzureichende Fragen ist der 26. November 1954, 12 Uhr.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vorn 29. Oktober 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs;
Gesetz zur Gewährung von Mehrbeträgen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zur Neufestsetzung des Beitrages in der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten und der Arbeitslosenversicherung ({4});
Gesetz zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung;
Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplanes des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1954 ({5});
Gesetz über die Aufhebung von Gesetzen auf dem Gebiet der Fischerei in der Ostsee;
Fünftes Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau;
Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung
von Familienausgleichskassen ({6});
Gesetz über die Gewährung von Vorschußzahlungen an Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ({7});
Zu den beiden letzten Gesetzen hat der Bundesrat Entschließungen gefaßt, die als Drucksachen 931 und 932 vervielfältigt werden.
Zu dem
Gesetz über die Beiträge des Bundes zu den Steuerverwaltungskosten der Länder
und dem
Gesetz zur Änderung des Viehseuchengesetzes hat der Bundesrat gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt; seine diesbezüglichen Anträge werden als Drucksachen 929 und 930 vervielfältigt.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 15. und 25. Oktober 1954 ihre folgenden Vorlagen zurückgezogen:
Antrag der Fraktion der FDP betreffend Kontrollratsdirektive Nr. 50 ({8}),
Kleine Anfrage 113 der Fraktion der FDP betreffend Xußerung des Herrn Staatssekretärs Dr. Sonnemann über staatliche Einfuhrplanung ({9}).
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 23. Oktober 1954 gemäß § 6 Abs. 5 des Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Zuckergesetzes den Entwurf einer Verordnung Z Nr. 1/54 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1954 zur Bekanntgabe an den Bundestag übersandt. Der Entwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 22. Oktober 1954 die Kleine Anfrage 110 der Fraktion der FDP betreffend verlorene Prozesse der Finanzbehörden - Drucksache 825 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 921 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 26. Oktober 1954 die Abrechnung über die den Trägern der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung für bereitgestellte Rentenzulagen zuzuteilenden Schuldbuchforderungen für die Zeit vom 1. 4. 1952 bis zum 31. 3. 1954 und Zinsabrechnung für die Zeit bis zum 31. 3. 1954 dem Bundestag zur Kenntnisnahme übersandt. Sein Schreiben liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
In der letzten Fragestunde vom 21. Oktober konnten einige Fragen wegen der Abwesenheit der betroffenen Minister nicht beantwortet werden. Im Ältestenrat haben wir vereinbart, die Antworten außerhalb der Tagesordnung zu Beginn der heutigen Plenarsitzung entgegenzunehmen. Es handelt sich um die
Fragen 13, 14, 15, 20, 21 und 24 der Drucksache 890.
Zunächst Frage 13. Herr Abgeordneter Ritzel!
Ich habe in Frage 13 ein Problem aufgegriffen, das in der Zwischenzeit durch eine Äußerung des Herrn Bundesverkehrsministers zum Teil bereits abgeklärt ist. Es besteht aber Veranlassung, das Problem durch zwei Zusatzfragen einer weiteren Abklärung zuzuführen.
Die Frage 13 lautet:
Wie hoch veranschlagt die Deutsche Bundesbahn die durchschnittlichen Kosten der Errichtung und Bedienung einer Schrankenanlage an einem bisher unbewachten Bahnübergang?
Welcher durchschnittliche Kostenaufwand entsteht durch Entschädigungen für an unbeschrankten Bahnübergängen tödlich verlaufene Unfälle?
Ich wäre dankbar, wenn diese Fragen zunächst noch einmal behandelt werden könnten.
Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Ritzel, die am 23. September nicht mehr behandelt werden konnte, habe ich am gleichen Tage schriftlich folgendes geantwortet.
Zu Ihrer ersten Frage, Herr Kollege Ritzel: Die Bundesbahn veranschlagt für eine Schrankenanlage a) an einmaligen Aufwendungen rund 10 000 DM, b) an laufenden Aufwendungen jährlich rund 14 000 DM.
Zu Ihrer zweiten Frage: Der gesamte Haftpflichtaufwand der Deutschen Bundesbahn für Verletzte und Tote an unbeschrankten Bahnübergängen beträgt im Jahresdurchschnitt der letzten Jahre etwa 500 000 DM.
Ergänzend habe ich noch mitgeteilt: Bundesbahn und nichtbundeseigene Eisenbahnen haben zusammen rund 19 000 technisch, d. h. durch Schranken oder Blinklichter gesicherte Bahnübergänge. Die übrigen rund 35 000 Übergänge sind durch Sichtdreiecke, Läute- und Pfeiftafeln, Kraftfahrzeug-Warnzeichen - Dreieckstafel mit Lokomotive - und Kraftfahrzeug-Warnbaken gekennzeichnet. Wollte man nur 1000 dieser nicht durch Schranken oder Blinklichter gesicherten Bahnübergänge mit Schranken versehen, so wären dafür einmalig 10 Millionen DM und laufend jährlich 14 Millionen DM erforderlich. Eine Blinklichtanlage kostet dagegen 15 000 DM, die Ausrüstung von 1000 Wegübergängen mit Blinklichtern würde also 15 Millionen DM erfordern. Die laufenden Aufwendungen für Blinklichtanlagen sind allerdings geringfügig, so daß sich die höheren Investitionskosten schnell amortisieren.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
({0})
- Bitte!
Ist lediglich zu erwarten, Herr Minister, daß in den Jahren 1954, 1955 und 1956 die Rückflüsse aus ERP-Mitteln im Betrage von insgesamt etwa 15 Millionen DM zur Errichtung von zirka 1000 Blinklichtanlagen eingesetzt werden, oder darf erwartet werden, daß im Hinblick auf das Vorhandensein von 21 770 Bundesbahnübergängen, die weder mit Schranken noch mit Blinklichtern ausgestattet sind, mehr geschieht, um diese Todesfallen zu beseitigen?
Das hängt natürlich von der Genehmigung des Wirtschaftsplans ab, Herr Abgeordneter Ritzel. Wir sind bestrebt, soweit wie möglich zu Blinklichtanlagen überzugehen. Nach den vorliegenden Gutachten und auch nach den Erfahrungen im Ausland - ich erinnere an das ausführliche Gutachten von Coverdale und Colpitts - war ja angeregt, daß man in Zukunft möglichst mit Blinkanlagen auskommen sollte. Nun hat die Bundesbahn in den letzten Jahren eine Reihe von neuen Versuchen mit Blinklichtanlagen gemacht, insbesondere auf Grund der Verhandlungen, die über die Einrichtung von Blinklichtanlagen international in Genf geführt worden sind. Diese Versuche dürften sich jetzt dem Abschluß nähern, so daß dann keine Bedenken bestehen, einheitliche Anlagen dieser Art zu errichten.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte!
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer zweiten Zusatzfrage!
Es existieren im Bundesgebiet 13 750 nichtbundeseigene Bahnübergänge, die weder beschrankt noch mit Blinklichtern ausgestattet sind. Ich frage: Was beabsichtigt der Herr Bundesverkehrsminister zu tun, um auch die nichtbundeseigenen Bahnen zu veranlassen, dem Problem des Schutzes in diesen Fällen erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen?
Wir können diese Frage, Herr Abgeordneter, nur in der Verkehrsministerkonferenz der Länder besprechen. Denn die Länder allein haben die Möglichkeit, insoweit auf die nichtbundeseigenen Eisenbahnen einzuwirken. Nach den Vorschriften des Grundgesetzes und des Allgemeinen Eisenbahngesetzes hat das Bundesministerium für Verkehr diese Möglichkeit nicht.
Keine Frage mehr? Ritzel ({0}): Nein, danke sehr!
Ich danke Ihnen. Frage 14. Herr Abgeordneter Brück!
Wann wird die Bundesregierung den wiederholten Bemühungen des Bundesministers für Familienfragen, zugunsten kinderreicher Familien die in fünfzehn europäischen Ländern geltenden Familientarife bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel auch in der Bundesrepublik einzuführen, Rechnung tragen?
Herr Minister, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn hat vor kurzer Zeit dem Herrn Bundesminister für Familienfragen auf seinen Wunsch hin folgenden Vorschlag zugunsten der Familien mit mindestens drei unmündigen Kindern unterbreitet: Die Kinder aus diesen Familien sollen im Alter von 10 bis zu 19 oder 21 Jahren künftig bei Reisen auf Normalfahrkarte, Rückfahrkarte oder Sonntagsfahrkarte nur den halben Fahrpreis zahlen und damit den Kindern im Alter von 4 bis 10 Jahren gleichgestellt werden. Dabei würde sich der rechnerische Ausfall für die Bundesbahn auf eine Summe von rund 12 1/2 Millionen DM belaufen. Nur ein kleiner. Teil dieses Betrages könnte durch eine erwartete Verkehrszunahme ausgeglichen werden.
Dieser Vorschlag der Deutschen Bundesbahn wird zur Zeit noch zwischen den beteiligten Ressorts und der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn beraten. Sobald über die endgültige Gestaltung eines solchen neuen Tarifs Klarheit herrscht, wird der Herr Bundesminister für Familienfragen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen über die Entschädigung an die Bundesbahn zu verhandeln haben. Daß die Bundesbahn den zu erwartenden Einnahmeausfall bei ihrer derzeitigen Lage nicht selbst tragen kann, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Sie hat auch in diesem Fall gemäß § 28 Abs. 2 und 3 des Bundesbahngesetzes gesetzlich begründeten Anspruch auf Erstattung. Dieser Anspruch kann in diesem Fall nach meiner Auffassung nicht etwa durch Heranziehen der Vorschrift des § 28 Abs. 4 bestritten werden, denn eine Summe zwischen 10 und 15 Millionen DM spielt im Rahmen des Wirtschaftsplanes der Deutschen Bundesbahn zweifellos keine unwesentliche Rolle, wie uns ja auch die Erörterung der vorigen Frage wieder einmal gezeigt hat.
Haben Sie eine Zusatzfrage?
({0})
- Sie sind durch die Antwort befriedigt?
({1})
Dann rufe ich auf die Frage 15. Herr Abgeordneter Brück!
Warum wurde der zwischen der Deutschen Bundesbahn und dem Herrn Bundesminister für Familienfragen seit langem erörterte Plan, die Altersgrenze der Kinder für Freifahrt von vier auf sechs und die Altersgrenze der Kinder für 50%ig ermäßigte Fahrt von zehn auf zwölf Jahre hinaufzusetzten und dadurch diese Altersgrenzen der Regelung in neun europäischen Ländern anzugleichen, noch nicht entsprochen?
Herr Minister, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Internationale Eisenbahnverband prüft gegenwärtig, ob das Höchstalter für die Kinderermäßigung allgemein von 10 auf 12 Jahre heraufgesetzt werden soll. An eine Änderung des Höchstalters für die unentgeltliche Beförderung ist allerdings bisher im Rahmen der Beratungen des Internationalen Eisen({0})
bahnverbandes nicht gedacht worden. Die Deutsche Bundesbahn hat mit den Eisenbahnverwaltungen der Nachbarstaaten vereinbart, das Ergebnis dieser internationalen Beratungen abzuwarten, bevor von ihr selbst weitere Schritte unternommen werden. Wenn sich der Internationale Eisenbahnverband auf ein Höchstalter von 12 Jahren einigen sollte, wird sich 'die Bundesbahn einer solcher Regelung anschließen.
Wie ich bereits auf Ihre erste Frage, Herr Kollege Brück, mitteilte, ist beabsichtigt, zunächst einmal für die Minderjährigen der kinderreichen Familien die Altersgrenze für die Kinderermäßigung von 10 auf 19 oder 21 Jahre heraufzusetzen.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege Brück? - Bitte!
Ich habe eine Zusatzfrage, Herr Minister. Glauben Sie nicht, daß durch die Zusammenlegung bzw. Überprüfung der 23 antragsgebundenen Fahrpreisermäßigungen eine Regelung getroffen werden kann, die dem großen Anliegen der Familie entspricht, wenn man beispielsweise bedenkt - ich bitte, das recht zu verstehen -, daß es sogar eine Fahrpreisermäßigung für Kleingärtner gibt?
Ja, Herr Kollege Brück, wir würden das von unserem Standpunkt aus natürlich sehr gern tun, und wir unterstützen ja auch den Herrn Bundesminister für Familienfragen in seinem Bestreben. Aber ich kann natürlich die Bundesbahn nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht des Schutzes berauben, den sie durch das Bundesbahngesetz hat, daß ihr nämlich solche Auflagen in irgendeiner Weise erstattet werden. Letzten Endes läuft also die Frage immer wieder auf Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen hinaus.
Danke!
Keine Zusatzfrage mehr. Dann zur Frage 20 Herr Abgeordneter Dr. Bucher.
Ist es richtig, daß der Herr Bundesminister für besondere Aufgaben, Franz Josef Strauß, bei seinem letzten Pariser Aufenthalt vom Hotel aus ein Gespräch mit dem Bundeskanzleramt führte und dabei sagte, es bestehe in Paris gute Aussicht, den Chef der Firma zu wechseln?
({0})
Herr Bundesminister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nein!
({0})
Keine weitere Zusatzfrage. Dann zur Frage 21 Herr Abgeordneter Josten.
Wie und wann gedenkt die Bundesregierung die katastrophalen Verhältnisse der Bundesstraße 9 zwischen Koblenz und Andernach zu beseitigen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Bundesstraße 9 zwischen Koblenz und Andernach sind schon seit längerer Zeit folgende Maßnahmen vorgesehen:
1. der Ausbau zwischen Koblenz und Weißenthurm mit entsprechenden Linienverbesserungen und
2. die Umgehungen von Weißenthurm und von Andernach.
Zu 1.: Mit den Arbeiten für den Ausbau einer ersten Teilstrecke unmittelbar nördlich der Stadtgrenze Koblenz ist noch im Monat Oktober begonnen worden. Im Haushalt 1954 sind hierfür nachträglich noch 200 000 DM bereitgestellt worden. Im Haushaltsvoranschlag für das Rechnungsjahr 1955 sind 1,8 Millionen DM für die Fortsetzung dieser Arbeiten eingeplant. Der Gesamtausbau zwischen Koblenz und Weißenthurm ist mit 5,7 Millionen DM veranschlagt. Es soll versucht werden, die restlichen Mittel in Höhe von 3,7 Millionen DM in den Haushaltsvoranschlägen für 1955/56 und 1956/57 unterzubringen, sofern nicht die aus dem Verkehrsfinanzgesetz zusätzlich zu erwartenden Mittel eine Beschleunigung der Durchführung der Bauarbeiten ermöglichen werden. Bei dem Ausbau soll die jetzt 6 m breite gewölbte Fahrbahn auf 7,50 m mit Seitenbankett und gesonderten Radfahr- und Fußgängerwegen gebracht werden.
Zu 2.: Für die Umgehungsstraßen Weißenthurm und Andernach werden die Entwürfe schon seit längerer Zeit bearbeitet, konnten aber bisher noch nicht abgeschlossen werden, da die Verhältnisse in beiden Fällen besonders schwierig liegen. Eine schnelle Baudurchführung wird auch dadurch gehindert, daß sehr beträchtliche Mittel für diese Umgehung erforderlich sind. Deshalb ist zunächst ais vorläufige Maßnahme geplant, die Kleinpflasterfahrbahn der Bundesstraße 9 zwischen Weißenthurm und Andernach nach Möglichkeit noch in diesem Jahre, auf jeden Fall aber zu Anfang des nächsten Jahres, durch Fugenverfüllung und Aufbringung einer Oberflächenbehandlung abzustumpfen. Die auf etwa 170 000 DM veranschlagten Arbeiten, die bereits angelaufen waren, mußten leider wegen der ungünstigen Witterung der letzten Zeit vorübergehend eingestellt werden, sollen aber sobald wie möglich wieder weiterlaufen.
Eine Zusatzfrage, Herr Präsident!
Ich erteile das Wort zur Zusatzfrage.
Ist der Herr Minister bereit, bei den vorgesehenen Bauentwürfen die Wünsche der betroffenen Städte soweit wie möglich zu berücksichtigen?
Selbstverständlich! Das ist aber in erster Linie eine Angelegenheit der zuständigen Stellen auf der Landesebene, die uns ja die 'baureifen Objekte vorzulegen haben und die naturgemäß mit den entsprechenden Ortschaften und Städten die Dinge im einzelnen durchsprechen und abstimmen müssen.
Noch eine Frage, Herr Minister! Wann rechnet das Verkehrsministerium mit der Fertigstellung der geplanten Baumaßnahmen, die Sie vorhin angegeben haben?
Das hängt von der Zuweisung der Mittel ab. Wenn ich mehr Mittel bekomme, bin ich früher fertig. Wenn das Verkehrsfinanzgesetz idas bringt, was wir erhoffen, können wir früher fertig werden, als wir es jetzt erhoffen. Sonst würden wir glauben, daß der gesamte Ausbau der Bundesstraße 9 noch etwa vier Jahre erfordern wird.
Frage 24. Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Warum hat die Bundesregierung dem Bundestag die Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn für die Geschäftsjahre 1952 und 1953 noch nicht vorgelegt, obgleich die gesetzlichen Fristen im ersten Falle um 15, im zweiten Falle um 3 Monate überschritten sind?
Herr Minister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! § 32 Abs. 7 des Bundesbahngesetzes bestimmt:
Der Jahresabschluß ist vom Vorstand zu veröffentlichen; dies soll innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres geschehen.
Bekanntlich war im Regierungsentwurf zum Bundesbahngesetz hierfür eine Frist von einem Jahr vorgesehen. Der Verkehrsausschuß des 1. Deutschen Bundestages hat sich für sechs Monate entschieden, obwohl er sich nicht im Zweifel darüber befand, daß es sehr schwer sein würde, diese Frist innezuhalten. Der Verkehrsausschuß ist bei den sechs Monaten nicht zuletzt deshalb geblieben, weil er sich gleichzeitig dafür entschied, daß es sich nur um eine Soll-Vorschrift handeln solle.
Inzwischen hat sich gezeigt, daß es nicht möglich ist, den Jahresabschluß der Bundesbahn innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des betreffenden Kalenderjahres zu veröffentlichen. Dies ist nicht überraschend und ergibt sich aus der Umständlichkeit ides folgenden durch das Bundesbahngesetz vorgeschriebenen Verfahrens: Wenn die Buchungen für das Vorjahr Ende Januar abgeschlossen sind, müssen zunächst die Bundesbahndirektionen und -zentralämter die Abschlüsse für ihren Bereich fertigen; diese sind dann von den Bezirksprüfungsämtern zu prüfen. Danach legt die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn den Gesamtabschluß vor, der dann vom Vorstand dem Finanzausschuß und dem Plenum des Verwaltungsrats zu unterbreiten ist. Gleichzeitig hat das Hauptprüfungsamt der Deutschen Bundesbahn einen vorläufigen Prüfungsbericht zu erstatten. Nach Stellungnahme des Verwaltungsrats und des Vorstandes folgen die endgültige Prüfung und der endgültige Bericht des Hauptprüfungsamts. Dann beginnt erst die Arbeit des Bundesrechnungshofes, der seinen Bericht nur nach Erörterung mit der Bundesbahn, dem Hauptprüfungsamt und den Bundesministerien für Verkehr und der Finanzen erstatten kann. Erst dann geht dieser Bericht mit dem Jahresabschluß - und dem Bericht des Hauptprüfungsamts - an die Bundesregierung.
Dieses lange und zeitraubende Verfahren ist die Begründung für die Tatsache, daß die endgültig geprüften Abschlüsse noch nicht vorliegen.
Das Bundesbahngesetz ist praktisch in dieser Sache erst für das Jahr 1952 in Kraft getreten. Der eben geschilderte vorgeschriebene Geschäfts- und Prüfungsablauf mußte sich zunächst einspielen. Die neuen Organe der Bundesbahn konnten nicht vor Sommer 1952 tätig werden. Dazu kommt noch, daß die Ende 1952 zutage getretenen finanziellen Schwierigkeiten der Bundesbahn grundsätzliche Fragen aufwarfen, die für die prüfenden Instanzen besondere Sorgfalt und ein vertieftes Eindringen in den Stoff erforderlich machten.
Ich selbst bin immer wieder beim Bundesrechnungshof vorstellig geworden. Für mich ist der Zustand, den Sie mit Recht kritisieren, Herr Abgeordneter, denkbar unbefriedigend, ja, fast unerträglich. Ich bin jedoch ohne Einwirkungsmöglichkeit auf die Arbeitsweise des Bundesrechnungshofes, dem niemand die Verantwortung für diese Prüfung und die Prüfungsmethoden abnehmen kann.
Trotz aller Hindernisse hoffe ich, im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen die Jahresabschlüsse der Bundesbahn für 1952 und 1953 in absehbarer Zeit genehmigen und der Bundesregierung vorlegen zu können, die dann ihrerseits idem Bundestag und dem Bundesrat vor der Veröffentlichung Kenntnis geben wird.
Ich bin mir darüber klar, daß mit diesen Hinweisen die von Ihnen gestellte Frage nicht befriedigend beantwortet ist. In formeller Hinsicht ist zwar der von Ihnen kritisierte Tatbestand zu rechtfertigen. Ebenso berechtigt erscheint mir aber der Wunsch des Bundestages nach einer baldigen Unterrichtung über die Jahresabschlüsse der Deutschen Bundesbahn. Ich habe daher Ihre Frage nochmals zum Anlaß genommen, mit dem Bundeskanzleramt, dem Herrn Bundesminister der Finanzen, dem Bundesrechnungshof und der Deutschen Bundesbahn zu prüfen, ob sich nicht eine Möglichkeit findet, das Parlament schon zu einem früheren Zeitpunkt zu unterrichten, auch wenn die nach dem Gesetz vorgeschriebenen Prüfungen zur endgültigen Feststellung ides Jahresabschlusses noch nicht beendet sind. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß keine Bedenken dagegen erhoben werden könnten, die Abschlüsse 1952 und 1953 den mit den Verkehrsgesetzen befaßten Ausschüssen des Hohen Hauses schon vor Abgabe des Berichts des Bundesrechnungshofes und schon vor der durch § 32 Abs. 5 des Bundesbahngesetzes angeordneten Entscheidung der Bundesregierung über die Entlastung des Verwaltungsrats und des Vorstandes zuzuleiten. Das wird, wie ich hoffe, in kurzer Zeit geschehen.
Eine Zusatzfrage!
Sie sagten im Verlauf Ihrer Ausführungen, Herr Minister, daß bei der Prüfung dieser Bilanzunterlagen durch die verschiedenen von Gesetzes wegen daran zu beteiligenden Instanzen eine Reihe von grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten der Bahn aufgetaucht seien. Darf ich daraus schließen, daß tatsächlich bis heute oder bis vor kurzem unter diesen verschiedenen Instanzen keine absolute Einigkeit über die Feststellung der Bundesbahnbilanzen aus den beiden genannten Jahren bestanden hat?
Nein, ich glaube, das können Sie so nicht feststellen.
({0})
Es sind aber natürlich zwischen den Auffassungen des Bundesrechnungshofes und des Hauptprüfungsamts gewisse Verschiedenheiten aufgetaucht, die sich aus der Natur der beiden Ämter ergeben und die gerade in diesen Fällen zu einer Abgleichung der Standpunkte und der Prüfungsverfahren geführt haben. So hat uns der Bundesrechnungshof immer wieder darauf hingewiesen, daß er die Dinge nicht so schnell übernehmen könne, sondern bei der erstmaligen Prüfung, nämlich für 1952, ganz besonders eingehend prüfen wolle und müsse, damit diese Prüfungen in den späteren Jahren dann rascher und glatter vonstatten gehen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Darf ich fragen, Herr Minister: auf welchen Unterlagen beruhen die Ausführungen, die die Bundesregierung in ihrer Begründung zum Verkehrsfinanzgesetz gegeben hat, wo sie sich ausführlich auf die Fehlbeträge in den Jahresabschlüssen der Bundesbahn für 1952 und 1953 stützt?
Sie beruhen auf den vorliegenden Abschlüssen, die ja im Verwaltungsrat und im Vorstand der Bundesbahn schon sehr eingehend diskutiert worden sind. Sie wissen ja, daß man ohne weiteres Zahlen aus dem Abschluß einer Gesellschaft übernehmen kann, auch wenn der Bericht des Wirtschaftsprüfers noch nicht vorliegt.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wird es möglich sein, Herr Minister, daß Sie diese Abschlüsse, auf denen jene Argumente der Bundesregierung beruhen, in der damaligen Form dem Bundestag oder den interessierten Ausschüssen des Bundestages zuleiten?
Das ist ja mein Wunsch, weil ich auch der Auffassung bin, daß die Prüfungsergebnisse des Bundesrechnungshofes zwar in Einzelheiten gewisse Erkenntnisse bringen werden, die uns zu Maßnahmen veranlassen werden, daß sie aber .das Gesamtbild nicht wesentlich zu beeinflussen vermögen.
Keine Frage mehr. Damit ist der Rest der letzten Fragestunde erledigt.
Ehe ich in der Tagesordnung fortfahre, teile ich mit, daß sich die Fraktion der CDU/CSU um 14 Uhr versammeln will, anschließend die Landesgruppe der CSU.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion des GB/BHE betreffend landwirtschaftliche Einfuhr- und Vorratsstellen ({0}).
Das Wort hat der Abgeordnete Bender.
Bender ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist das traurige Schicksal von Agrardebatten, daß sich das Haus bereits am Anfang leert oder daß das Interesse im Laufe der Debatte wesentlich nachläßt. Ich betrachte es als eine besonders glückliche Fügung, daß unser Antrag schon zu einem Zeitpunkt behandelt wird, in dem das Haus noch zu einem großen
Teil da ist. Es kann, wie ich hoffe, für den parlamentarischen Anfänger als tröstlich angesehen werden, soviel Zuhörer zu haben, wenn er auch nicht glaubt, daß es alles Freunde sind.
({2})
Ich darf der Begründung unseres Antrags einige Bemerkungen vorausschicken. Der Antrag meiner Fraktion hat mehrere Vertagungen erleben müssen, die aus sehr triftigen Gründen beschlossen worden sind. In diesem Zusammenhang muß ich der Presse mein uneingeschränktes Lob sagen. Die Presse hat den wesentlichen Inhalt meiner Begründung schon vor etwa einem Monat bekommen. Sie hat mit einer geradezu beispiellosen Fairneß die Sperrfristverlängerungen immer wieder ertragen und ist bis zum heutigen Tage dicht geblieben. Ich danke ihr dafür.
({3})
Weniger dicht sind andere Stellen gewesen, die den Inhalt meiner Begründung dem Hause des Herrn Bundesernährungsministers ausgeliefert haben. Das schadet aber nichts. Die Maschine des Bundesernährungsministeriums, zumindest die Vervielfältigungsmaschine, ist auf ganz hohen Touren gelaufen. Es gibt, glaube ich, kaum einen Angestellten oder Beamten in den Einfuhr- und Vorratsstellen, der meine Begründung nicht schon seit Wochen hat; es sind auch nur wenige maßgebliche Herren in diesen Stellen, die nicht schon um Reformvorschläge gebeten worden sind. Hätten noch einige Vertagungen stattgefunden, dann bräuchte ich zu Ihnen, meine Damen und Herren, gar nicht mehr zu sprechen; denn was bisher schon an Reformen auf dem Gebiete der Einfuhr- und Vorratsstellen im Bundesernährungsministerium geschaffen worden ist, ist so beispielhaft, daß ich auch Ihnen, Herr Bundesminister, meinen Dank sagen möchte.
({4})
- Das wissen Sie ja gar nicht!
({5})
- Herr Kollege Horlacher, ich bin Ihnen für den Zwischenruf dankbar. Es gäbe ja nichts Törichteres, als wenn ich mich heute zur Grünen Front in Gegensatz stellen wollte. Das will ich nicht. Ich weiß, die Grüne Front ist in diesem Hohen Hause ein so fest geschlossenes Ganzes, daß ich von links nach rechts oder von rechts nach links schauen kann und doch überall dieselbe Meinung vertreten finde. Wenn ich meinen Antrag durchbringen will - und das möchte ich selbstverständlich -, muß ich ja um ihre Freundschaft werben.
({6})
Ich hoffe, Sie werden sie mir am Ende meiner Ausführungen schenken, die Sie sicher noch nicht kennen; denn die Presse hat ja wie gesagt dichtgehalten.
Ich will die Agrarbevölkerung und den Stand des ehrbaren Landmannes in Westdeutschland wirklich nicht ärgern. In einem Jahr der Hochwasser- und sonstigen Agrarkatastrophen stünde es niemandem gut an, unseren Landwirten Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ich will das auch nicht. Was ich will, ist, einen Weg zu zeigen, der aus der Versteinerung des jetzigen Organisationsgefüges herausführt. Ich will, daß die fortschrittsfreudigen Kräfte in der Landwirtschaft, die nichts geschenkt haben
({7})
wollen, die keine unverdiente Pfründe haben wollen, die Möglichkeit der Bewährung haben und daß bei den weniger Fortschrittlichen das Gesetz der Trägheit vielleicht dann doch allmählich überwunden wird.
Nun zu dem Antrag selbst. Die Marktordnungsgesetze für Getreide, Vieh, Fleisch, Fette und Zukker und die durch diese Gesetze geschaffenen Institutionen, die Einfuhr- und Vorratsstellen, stammen aus dem Jahre 1951. Gedanklich und auch institutionell sind diese Gesetze und Einrichtungen irgendwie noch Kinder oder Enkel des selig verflossenen Reichsnährstandes. Sie stammen also aus einer Zeit, haben zum mindesten ihre Wurzeln in einer Zeit, in der das Autarkiedenken, das Denken an Vaterlandsverteidigung, das Denken an die Drosselung der Importe maßgebend sein mußte, um eben Kanonen statt Butter herstellen zu können.
Der Wille des Gesetzgebers war es, die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse, die Grundnahrungsmittel, vor dem Einfluß der schwankenden und nicht übersehbaren internationalen Märkte im Interesse der deutschen landwirtschaftlichen Erzeuger und Verbraucher zu schützen. Die Lage der Bundesrepublik - erst drei Jahre nach der Währungsreform - rechtfertigte uneingeschränkt die damaligen Maßnahmen. Die Handelsverträge, die einzelnen großen Abkommen wie das Weizenabkommen und das Zuckerabkommen waren noch nicht geschlossen. Wir mußten uns allmählich in eine neue Zeit der Agrarpolitik hineintasten, und dafür waren diese Gesetze und Einrichtungen durchaus angemessen.
Aber schon im Sommer 1952 und fast im ganzen Jahr 1953 beschäftigte sich ein aus Kollegen des Ernährungs- und Außenhandelsausschusses zusammengesetzter Arbeitskreis des Bundestages damit, ob die Einfuhr- und Vorratsstellen, ihre Funktionen und ihr Aufgabengebiet, noch berechtigt wären. Im Mitelpunkt der damaligen Untersuchung stand die Tätigkeit der Einfuhrstelle für Getreide. Der Arbeitskreis des Bundestags faßte das Ergebnis seiner Untersuchungen in eine Empfehlung an die Bundesregierung zusammen. Das Ergebnis dieser Empfehlung kann niemanden befriedigen, der verfolgt, was daraus geworden ist.
Seit der damaligen Untersuchung ist wiederum über ein Jahr mit neuen Erfahrungen und allgemeinen Erkenntnissen vergangen. Die wichtigsten Erkenntnisse - um das gleich vorauszuschicken - sind folgende: Das Schutzbedürfnis der deutschen Landwirtschaft bezüglich der Produktion von Getreide und Zucker besteht nach wie vor. An diesem Schutz soll im Grundsatz auch festgehalten werden. Ob dagegen die Preishöhe, auf die Getreide und Zucker heraufgeschleust werden, ehe beides für uns Normalverbraucher eßbar wird, heute noch zu rechtfertigen ist, wage ich anzuzweifeln. Für Vieh und Fleisch besteht ein Schutzbedürfnis, das über die Zölle hinausgeht, nicht mehr. Für Fette gilt das gleiche.
Das deutsche Preisniveau für Agrarerzeugnisse liegt in Europa fast an der Spitze aller Länder.
({8})
Westdeutschland stellt gegenüber den angrenzenden und mit ihm konkurrierenden Agrarländern eine überhöhte Preisinsel dar. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das außergewöhnlich hohe Getreidepreisniveau. England, Holland, Belgien, Dänemark basieren auf internationalen Getreidepreisen,
die für Brot- und Futtergetreide um zirka 100 DM pro Tonne unter den deutschen Getreidepreisen liegen. Das werden Sie nicht bestreiten können, Herr Kollege.
({9})
Wir müssen also prüfen: Ist diese Diskrepanz zwischen internationalem und deutschem Getreidepreis, die zu einer Versteinerung des Kostengefüges führt, in dieser Höhe weiterhin aufrechtzuerhalten? Zweitens: Ist die starke Überhöhung der deutschen Getreidepreise für die deutsche Landwirtschaft tatsächlich noch notwendig und zweckmäßig, wenn man berücksichtigt, daß der Marktanteil aus Getreide im Vergleich zu den Verkaufsprodukten der deutschen Landwirtschaft, die aus der Veredelungswirtschaft der bäuerlichen Betriebe dem Markt zugeführt werden, denkbar gering ist? Diese Frage erscheint von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die angestrebte europäische Integration und die Bemühungen auf dem Gebiet der Konvertibilität der Währungen, die mir als Vorsitzendem des Außenhandelsausschusses in diesem Hause natürlich besonders am Herzen liegt. Ich weiß, daß diese Frage selbst denjenigen, die von Berufs wegen uneingeschränkte Agrarfreunde sind, bereits seit langem größte Sorge bereitet.
Im einzelnen ist festzustellen: der deutsche Getreidepreis liegt - ich wiederhole es - um rund 80 bis 100 Mark je Tonne über dem internationalen Getreidepreis. Bei einer Einfuhr von zirka 4 Millionen Tonnen im Jahr können im Augenblick etwa 400 Millionen DM netto cif deutscher Hafen abgeschöpft werden. Die Höhe der festgesetzten deutschen Getreidepreise soll jetzt nicht diskutiert werden; aber durch die Heraufschleusung des Getreidepreises, die einem Gleitzoll gleichkommt, wird dem deutschen Landwirt der Schutz gewährt, auf den er glaubt Anspruch zu haben.
Daneben hat man sich aus politischen Gründen noch entschlossen, bei Getreide eine Reserve für einen Bedarf von etwa drei Monaten in Höhe von 1,5 bis 1,7 Millionen Tonnen zu erhalten. Die Durchführung dieser beiden allein entscheidenden Maßnahmen erfordert eine kleine, schlagkräftige, staatlich beaufsichtigte Organisation. Bis heute wird aber das Getreide in Deutschland, verbunden mit der Getreideeinfuhr, von der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide nach einem System bewirtschaftet, das dem des Reichsnährstandes zum Verwechseln gleicht. Die Getreidebewirtschaftung, so wie sie jetzt durchgeführt wird, verschlingt ungeheuere Beträge. Allein die reine Verwaltung der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide mit 450 Angestellten erfordert einen Verwaltungsaufwand von zirka 5,2 Millionen DM. Die Kosten der Vorratshaltung für Getreide sind im Haushaltsplan 1954 mit etwa 95 Millionen DM angegeben, - alles Gelder des Staates, alles Gelder des Steuerzahlers, die hier investiert werden!
Von Experten der Wirtschaft und der Wissenschaft liegen seit Jahren wohldurchdachte Gutachten vor, aus denen hervorgeht, daß das augenblickliche System der Getreidebewirtschaftung von A bis Z reformbedürftig ist und daß der Staat allein hierbei Beträge von 100 bis 200 Millionen DM einsparen könnte. Es ist sehr erfreulich, daß die Frachtsubvention vor einigen Monaten zu Fall gekommen ist. Schon dadurch können Millionenbeträge eingespart werden.
({10})
({11})
Weiter kann man Millionenbeträge einsparen, wenn die Lagerhaltung der Einfuhr- und Vorratsstelle vermindert wird und ein Teil der aus politischen und sonstigen Gründen notwendigen Vorratshaltung durch eine Auflockerung der gesamten innerdeutschen Getreidebewirtschaftung auf die Wirtschaft verlagert wird. Die Wirtschaft ist es doch, die sich mit diesen Konsumgütern, mit diesen Agrarprodukten abzugeben hat, und nicht primär der Staat. Die Gutachten sagen weiter, daß der deutschen Landwirtschaft bei einer Reform der Bewirtschaftung ohne jede Schwierigkeit politisch festgesetzte Getreidepreise mit Sicherheit garantiert werden können. Es geht nicht um das Schutzbedürfnis des Bauern, es geht um das Beharrrungsvermögen von Dienststellen,
({12}) mit dem sich unser Antrag beschäftigt.
Ein Teil der Reformvorschläge wurde von den Vertretern des Bundesernährungsministeriums und der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide, wenn überhaupt, dann nur sehr zögernd verwirklicht. An die festgestellten grundsätzlichen Fehler wird nicht gerührt. Der mangelnde Wille zur grundlegenden Reform ist auf einen primitiven Nenner zu bringen: die Bürokratie will ihre Stühle festhalten, und es ist ganz egal, was der Verbraucher dazu sagt oder ob dieses Festhalten an den Stühlen der Landwirtschaft nutzt.
Den Bauern wird mit beachtlichem Geschick dauernd beigebracht, daß eine Reform der Bewirtschaftung den Getreidepreis als Ganzes in Gefahr bringt. Das ist nicht wahr. Man könnte sich diesen Spaß leisten, wenn die Getreidebewirtschaftung nur ein paar Millionen kostete. Sie kostet aber Hunderte von Millionen, und es ist staatspolitisch nicht mehr zu verantworten, dieses Spiel weiterzutreiben.
Bei Zucker liegen die Verhältnisse wesentlich einfacher als bei Getreide. Der innerdeutsche Zukkerpreis ist stabilisiert, und die Differenz zwischen dem Einfuhrpreis und dem deutschen Preis wird durch den Finanzminister abgeschöpft. Die deutsche Zuckerproduktion war bei ungewöhnlich guter Ernte des Jahres 1953 so groß, daß sie fast den gesamten Inlandsbedarf deckte. Aus der letzten Ernte und den Einfuhren ergibt sich im Augenblick ein Überschuß von 200 000 t. Die Entwicklung dieser Sparte wird maßgeblich bestimmt werden durch das Ergebnis der Zuckerernte 1954. Man hat deshalb für die Zuckerwirtschaft auch keine Vorrats-, sondern nur eine Einfuhrstelle geschaffen. Der zwischendurch einmal von dem verehrten Kollegen Dr. Müller eingereichte Antrag auf Errichtung einer Vorratsstelle ist wohl heute nicht mehr so aktuell.
({13})
- In der Durchführung aber wohl nicht mehr so aktuell, daß man daran denken oder befürchten müßte, daß diese Vorratsstelle Zucker zum Entstehen käme.
({14})
Die Einfuhr- und Voratsstelle - wie ich jetzt sagen muß - Zucker hat zwar auch einen Verwaltungsaufwand von rund 400 000 DM im Jahr, da sie nicht nur die Abschöpfung bei der Einfuhr durchzuführen, sondern auch noch den innerdeutschen Frachtenausgleich zu bearbeiten hat. Sie nimmt praktisch rein hoheitliche Befugnisse wahr, und es ist nicht erkennbar, weshalb hier eine Körperschaft des öffentlichen Rechts geschaffen wurde.
Bei Vieh und Fleisch sieht die Sache so aus, daß die deutsche Produktion in etwa den deutschen Bedarf deckt. Der von wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Seite errechnete Einfuhrbedarf als Ergänzung zur deutschen Produktion schwankt zwischen 3 und 4 % d. h. es werden ca. 80- bis 100 000 t Rind- und Schweinefleisch für den deutschen Markt importiert. Zu diesen Importen kommen noch Importe hinzu, die für den Reexport bestimmt sind. Außerdem werden auch Exporte aus der deutschen Produktion durchgeführt. Der Tagesbedarf der deutschen Bevölkerung liegt ungefähr bei 6000 t. Als Lieferländer kommen Dänemark, Schweden, Holland, Belgien, Frankreich, Polen und Jugoslawien in Frage, Länder, die als Abnehmerländer für deutsche Industrieerzeugnisse von zum Teil entscheidender Bedeutung sind. Die Ausfuhrwünsche und Möglichkeiten dieser Länder decken sich in etwa mit unserem Fehlbedarf von 3 bis 4 %. Wir haben also auf diesem Gebiet eine selten glücklich ausgewogene Versorgungslage innerhalb Europas.
Wozu also die Einfuhr- und Vorratsstelle? Die Einfuhr- und Voratsstelle für Vieh und Fleisch hat außer einer künstlich konstruierten formalistischen Betätigung bei der Einfuhr - Abschluß sogenannter Übernahmeverträge - überhaupt nicht die geringste Funktion. Sie ist bisher, von geringen Ausnahmen abgesehen, bei der Abnahme von Vieh oder Fleisch in Zusammenhang mit der Einfuhr überhaupt kaum tätig geworden. Das Bundesernährungsministerium und die Einfuhr- und Vorratsstelle sehen die Aufgabe dieser Stelle in erster Linie darin, aus dem deutschen Markt dann Vieh herauszunehmen, wenn die Gefahr besteht, daß durch zu starken Viehauftrieb der Preis sinken könnte. Es handelt sich hier in erster Linie um die Fälle, wenn der Weideabtrieb in Schleswig-Holstein stattfindet und auf dem Husumer Markt zu viel Ochsen erscheinen oder wenn das gleiche beim Almabtrieb in Bayern geschieht. Man muß bei Würdigung dieser Funktion der Einfuhr- und Vorratsstelle einmal fragen: Der Verbraucher bekommt doch Preissteigerungen auf jedem Gebiet promptestens zu spüren; wenn nun mal das Glück es will, daß ein reichlicheres Angebot an Grundnahrungsmitteln vorhanden ist, warum will man den Verbraucher dann davor „schützen", daß ihm auch mal eine Preisermäßigung zugute kommt? Es ist vollkommen unverständlich, warum in einem Land, das sich der Marktwirtschaft in gewissem Umfang verschrieben hat, auf diesem Gebiet der Käufermarkt nicht Platz greifen soll. Die Preisermäßigungen, die bei den Husumer und bayerischen Märkten unter Umständen einmal möglich wären, werden hermetisch vom Verbraucher abgehalten. Was tut die Einfuhr- und Vorratsstelle für Fleisch und Vieh noch? Sie verwendet das Fleisch, das sie aufgekauft hat, zur Herstellung von Konserven oder von Gefrierfleisch, die sie dann meistens zu Unterpreisen an Kantinen oder sonstige Verbraucher absetzt, da bei dem sonstigen gedeckten Frischfleischbedarf der Bundesrepublik Fleischkonserven kaum mehr gekauft werden. Im Haushalt 1954 ist vorgesehen, daß der Einfuhr- und Vorratsstelle Vieh und Fleisch ein Betrag von 47 Millionen DM
({15})
zur Verfügung gestellt wird, damit sie diese Aufgaben erfüllen kann. Es sollen nach diesem Plan rund 20 000 t Fleisch und 20 000 t Konserven eingelagert werden. Das ist der Bedarf von 6 Tagen des Jahres. Für 47 Millionen DM wird diese Sisyphusarbeit geleistet, deren Produkte dann niemand haben will. Wir meinen, daß es Zeit wäre, mit dieser Arbeit aufzuräumen. Es muß geradezu als lächerlich angesehen werden, wie uns weiter plausibel gemacht werden soll, daß wir diese rund 50 Millionen DM wieder bewilligen sollen.
Bei Fetten ist die Lage wie folgt. Die deutsche Butterproduktion beträgt in diesem Jahre etwa 300 000 t. Der deutsche Butteranfall von 300 000 t deckt also praktisch bei einer mittleren Preislage den deutschen Bedarf bereits. Was tut die Einfuhr- und Vorratsstelle?
Der Margarinebedarf liegt im Augenblick bei 50-bis 55 000 t pro Monat, das sind rund 600 000 t im Jahr, und wird fast ausschließlich aus der Einfuhr von Rohstoffen gedeckt, die wieder zu 70 % liberalisiert sind und über die EZU abgewickelt werden. Die Einfuhr- und Vorratsstelle nimmt auf diese Einfuhr, Verarbeitung und Vorratsbildung überhaupt keinen Einfluß. Es werden Ölsaaten eingeführt, die über die deutschen Ölmühlen laufen, und flüssige Ole, die direkt an die Margarineindustrie gehen. Seit etwa drei Jahren zeigt sich mit unwesentlichen Schwankungen etwa folgendes Bild. Die Ölmühlen und die Margarineindustrie verfügen über einen Loco-Bestand für eine Bedarfsdeckung von etwa zwei Monaten und über einen weiteren kontinuierlich ergänzten Kontraktbestand von weiteren zweieinhalb bis drei Monaten. Mehr ist doch nicht nötig. Wozu mischt sich die Einfuhr- und Vorratsstelle noch in dieses Geschehen ein? Ich habe allerdings gehört, daß seit einigen Wochen im Bundesernährungsministerium die Absicht bestehen soll, hier nicht mehr zu intervenieren. Das wäre ein weiterer erfreulicher Fortschritt auf dem Wege, den ich Ihnen zu zeigen versuche.
Im Haushalt 1954 ist vorgesehen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle Fette 6300 t Butter, 20 000 t Schmalz, 40 000 t Margarine-Rohstoffe und 7500 t Kondensmilch einlagert. Hierfür sind Haushaltsmittel von rund 20 Millionen DM vorgesehen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich habe Ihnen schon nachweisen können, daß bei Butter und bei Margarine eine staatliche Tätigkeit nicht notwendig ist. Auf den übrigen Gebieten ist es nicht wesentlich anders. Es sei denn, man denkt an die Mengen, die auf Anordnung der Alliierten von uns insbesondere für Berlin auf Lager gehalten werden müssen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Dem können wir uns nicht entziehen, wenigstens im jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Die Erfahrungen haben allerdings gezeigt, daß die Schmalzreserve von Berlin selten einmal angegriffen worden ist; sie ist dann aber in einem für den menschlichen Genuß nicht mehr geeigneten Zustand an die Seifenfabriken gegangen. Bitte, wenn die Alliierten das wollen und wir ihnen folgen müssen, dann können wir nichts dagegen sagen. Wir wollen uns aber dagegen wehren, daß unsere eigenen Agrarprodukte, die wir früher einmal hochgeschätzt haben - ich denke insbesondere an die Butter -, uns in einem Zustand verabreicht werden, in dem sie mit der früheren Qualität kaum mehr etwas gemeinsam haben. Diesen Zustand haben sie nur erreicht durch die segensreiche Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstelle für Butter und für Fette.
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- Nein, ich übertreibe nicht! Herr Kollege Müller, wenn Sie das Glück hätten, in einer Großstadt zu leben wie ich, und wenn Sie erleben würden, was uns dort unter dem Namen Butter angeboten wird, diese merkwürdige, weiße Schmiere mit einigen gelblichen Einsprengseln,
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dann würden Sie mir sehr leid tun, wenn Sie das, was ich vorhin sagte, als Übertreibung ansehen würden.
Zusammenfassend muß man bei einigermaßen objektiver Betrachtung, um die ich mich bemühe, zu dem Ergebnis kommen, daß die bestehenden Marktgesetze und die hierfür geschaffenen Körperschaften, die Einfuhr- und Vorratsstellen, einer dringenden Überholung bedürfen, und zwar, um es nochmals zu wiederholen, aus folgenden Gründen:
Im Haushaltsplan 1954, Einzelplan X, Seite 38, sind Zuschüsse an die Einfuhr- und Vorratsstellen in Höhe von 181 350 700 DM vorgesehen. Nach der späteren Fassung des Haushaltsplans ist das dann um 10 Millionen DM billiger geworden; es sind nur noch 171 185 800 DM. Diese Kosten sind viel zu hoch und müssen durch organisatorische Maßnahmen und durch die grundsätzliche Entscheidung, volkswirtschaftlich wirkungslose Maßnahmen einzustellen, um 80 bis 100 Millionen DM verringert werden.
Die Zuschüsse zu den Verwaltungskosten der Einfuhr- und Vorratsstellen, die der Bund trägt, sind mit 6,9 Millionen DM angegeben. Die effektiven Verwaltungskosten der Einfuhr- und Vorratsstellen liegen aber noch wesentlich höher, da diese Stellen noch Gebühren von der Wirtschaft erheben. die bei zirka 2 Millionen DM liegen sollen. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß in Frankfurt am Main im gleichen Hause mit den Einfuhr- und Vorratsstellen - mit ähnlichen Aufgaben betraut wie diese - die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft sitzt, die auch noch einen Aufwand von 4 Millionen DM erfordert, der aus Gebühren der Wirtschaft gedeckt wird.
Wie sieht es mit der Einnahmeseite aus? Im Haushaltsplan 1954, Einzelplan X, Seite 22, Tit. 67, ist eine Einnahme aus Abschöpfung von Preisunterschieden bei Lebensmitteleinfuhren in Höhe von 198 200 000 DM in Ansatz gebracht. Auch dieser Ansatz ist später geändert worden. In der jetzt gültigen Fassung des Haushaltsplans beträgt der Abschöpfungsbetrag 225 800 000 DM. Meine Damen und Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß jedes Jahr ungefähr 4 Millionen t Getreide importiert werden und der Preis je t Getreide um 100 DM hinaufgeschleust wird, erkennen wir, daß allein aus der Getreideeinfuhrenschleusung 400 Millionen DM als Einnahme ausgewiesen werden müßten. Wenn man erst nur 198 Millionen DM ausgewiesen hat und jetzt 225 Millionen DM ausweist, dann ist zu fragen, wo denn der Rest bleibt. Es ist doch nicht zulässig, daß man saldiert und sagt: soundso viel nehme ich ein, soundso viel gebe ich aus, und den Saldo setze ich in den Haushalt. In den Haushalt gehört die Bruttoeinnahme, und diese
({18})
kann niemals 225 Millionen DM betragen haben, sondern sie beträgt schätzungsweise 400 Millionen DM.
Ich habe hier vor mir den Bundesanzeiger vom Donnerstag, dem 16. September, wo die Haushaltseinnahmen und -ausgaben des Bundes im ersten Rechnungsvierteljahr 1954, also für die Zeit von April bis Juni 1954, angegeben sind. Da steht unter der Position „Abschöpfung von Preisunterschieden bei Lebensmitteleinfuhren" eine Einnahme von 125 938 000 DM. Das in einem Vierteljahr! Meine Damen und Herren, man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Zahl mindestens mit drei multipliziert, um zum endgültigen Ergebnis zu kommen. Man könnte sie auch mit vier multiplizieren. Dann kämen etwa 600 Millionen heraus, oder milde gesprochen, wenn wir sie mit drei multiplizieren, etwa 375 Millionen DM, aber niemals 225 800 000 DM, wie sie im heutigen Haushaltsplan drinstehen; diese Ansätze müssen auf jeden Fall falsch sein.
Neben den Kosten für die öffentliche Vorratshaltung bzw. Bewirtschaftung von Nahrungsgütern, die den Bundeshaushalt belasten, darf nicht unerwähnt bleiben, daß noch für die Finanzierung der Vorräte Beträge von 700 Millionen DM bis zu einer Milliarde DM - Kredite, die durch den Bund verbürgt werden - bereitgestellt werden müssen. Nach dem Geschäftsbericht der Landwirtschaftlichen Rentenbank für das Geschäftsjahr 1953 wurden folgende Kredite bereitgestellt: für Getreide und Futtermittel 617 Millionen DM, für Fette 41 Millionen DM, für Fleisch- und Fleischwaren rund 78 Millionen DM.
({19})
- Im Verhältnis zu diesen Zahlen sind die Kredite, die der Landwirtschaft zugute gekommen sind, Herr Horlacher, nämlich die Kredite für die Ernteeinbringung, Beschaffung von Düngemitteln, Geräten und Maschinen, von besonderem Interesse. Für die Aufnahme der inländischen Ernte und die Beschaffung von Düngemitteln wurden insgesamt 62 Millionen DM bereitgestellt, für die Beschaffung von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten rund 6 Millionen DM. Bitte, vergleichen Sie diese Beträge, die wirklich der Landwirtschaft zugute kamen, mit den erstgenannten.
({20})
Ich darf wiederholen: Es ist nicht meine und nicht die Absicht meiner Fraktion, durch meinen Antrag eine grundsätzliche Agrardebatte in Gang zu setzen; diese scheint allerdings am Horizont heraufzudrohen. Es ist auch nicht meine Absicht, die Marktordnungsgesetze generell als überflüssig abzuurteilen. Ich habe nur das Empfinden und glaube mich in diesem Punkte mit vielen Kollegen dieses Hauses einig, daß die Anwendung der Marktordnungsgesetze und die dabei praktizierten Methoden einer dringenden Überholung bedürfen. Der Arbeitskreis des vorigen Bundestags ist bereits vor Jahresfrist zu gleichen kritischen Ergebnissen gekommen, ohne daß sich in der tatsächlichen Handhabung etwas geändert hätte. Ich bezweifle nicht, daß die Landwirtschaft auf den verschiedensten Gebieten gegenüber der internationalen Konkurrenz geschützt werden muß. Wenn dies aber geschehen soll, so müssen die Methoden und die Verwaltungsmaßnahmen, die zu diesem Zweck angewandt werden, einer laufenden Prüfung unterzogen werden.
Im übrigen ist mir bekanntgeworden, daß sich der Herr Bundesminster für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten damit befaßt, die ihm nachgeordneten Dienststellen in Frankfurt am Main, die Einfuhr- und Vorratsstellen und die Außenhandelsstelle, grundlegend zu reformieren, und ich glaube, daß der Bundestag nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, vom Bundesernährungsministerium zu erfahren, wann und in welchem Umfang er die Reform oder Reorganisation dieser Dienststellen durchführen will, um die zweifelsfrei nicht mehr vertretbaren Kosten, die durch die Verwaltung und Bewirtschaftung entstehen, auf ein Mindestmaß herabzudrücken.
Ich darf Sie bitten, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.
({21})
Ehe ich das Wort zur Besprechung des Antrags erteile, eine Mitteilung: Die FDP-Fraktion will eine Stunde nach Schluß der Plenarsitzung zusammentreten.
Das Wort zur Besprechung des Antrags hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Bender und seine Fraktion haben hier einen sogenannten Antrag vorgelegt. Ich sage ausdrücklich „sogenannten Antrag",
({0})
weil die Drucksache 732 nach Form und Inhalt einer Großen Anfrage und nicht einem Antrage entspricht. Es werden Auskünfte erbeten, die der Herr Bender sich zum Teil durch ein Telefonat mit dem Ministerium oder bezüglich des ersten Punktes dadurch hätte verschaffen können, daß er sich die ersten Paragraphen der Marktordnungsgesetze angesehen hätte.
({1})
Und materiell: Der Herr Abgeordnete Bender redet davon, daß der Zweck seiner Übung sei, die ganze Wirtschaft der Einfuhr- und Vorratsstellen aus der Versteinerung herauszuholen. Ich darf jedoch, nachdem man die Ausführungen gehört hat, feststellen, daß er aber auch nach keiner Richtung hin einen positiven Vorschlag gemacht hat, wie er sich die Neuordnung der Einfuhr- und Vorratsstellen denkt.
({2})
- Die Abschaffung, jawohl, darauf komme ich noch zu sprechen, Herr Bender!
Ich darf mich jetzt einmal mit der Vorlesung des Herrn Bender im einzelnen etwas beschäftigen. Dabei will ich mich auf grundsätzliche Dinge beschränken. Kollegen dieses Hauses aus den verschiedensten Fraktionen werden noch zu Einzelheiten Stellung nehmen.
Herr Bender behauptet, gedanklich und auch institutionell seien diese Gesetze und Einrichtungen noch in der Zeit der Bewirtschaftung verwurzelt und stellten abgewandelte Formen von Reichsnährstand-Einrichtungen dar.
({3})
Er sagt ferner, daß Zielsetzungen und Form der Gesetze auf dem Erfahrungsschatz des damaligen
({4})
Reichsnährstandes sowie auf den Notwendigkeiten der Kriegszeit und der Nachkriegsentwicklung basierten. Herr Bender, Sie sind Syndikus eines Industrieverbandes, und Ihre Ausführungen haben bewiesen, daß Sie von landwirtschaftlichen Dingen wirklich nicht viel verstehen.
({5})
Sonst hätten Sie das, was Sie hier gesagt haben, nicht ausführen können. Sie wissen anscheinend nicht, wie die Landwirtschaft seitens des Reichsnährstandes im „Tausendjährigen Reich" praktiziert worden ist. Meine Herren, das Ganze war doch auf Autarkie, auf Vorbereitung des Krieges ausgerichtet. Da wurde dann die berühmte Erzeugungsschlacht angeordnet und erneuert. Da wurde vorgeschrieben, was man zu bauen hatte. Ich selber habe in dieser Zeit einen großen, vielseitigen Betrieb geleitet. Da wurde befohlen, Gemüse und Raps zu bauen. Als ich das ablehnte, wurde ich politisch noch unzuverlässiger, als ich es vorher schon gewesen war, und sogar wehrunwürdig. Alles war bei dieser Bewirtschaftung mit Höchstpreisen versehen. Das Strafrecht war im Dritten Reich der Garant der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftsführung. Der Bauer hatte nicht die Freiheit, durch Rechtsakt über sein Eigentum zu verfügen. „Blubo" war das Schlagwort, nach dem diese Dinge behandelt wurden. Der Bauer hatte auch nicht die Freiheit, seinen Betrieb nach seiner Kenntnis und nach seinem Willen zu führen.
Nun kam die Zerschlagung des Vaterlandes. Millionen strömten nach Westdeutschland ein. Da stand vor dem 1. Bundestag die Aufgabe, die landwirtschaftliche Erzeugung so rasch und so umfassend wie möglich zu steigern, um uns so bald wie möglich selber ernähren zu können und von den Hilfsaktionen der Alliierten frei zu werden. Es war Aufgabe und Pflicht von Parlament und Regierung, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, auf denen eine Stabilisierung der landwirtschaftlichen Produktion und des landwirtschaftlichen Marktes erfolgen konnte. Was wir hier gemacht haben, sind Dinge, die in allen Kulturländern schon längst vor dem Jahre 1950 gemacht worden sind. Ich brauche nur auf die USA hinzuweisen, wo der Staat die Getreidepreise garantiert und die Ausfuhr, die zu geringeren Preisen als den Inlandspreisen erfolgt, subventioniert, um dem Farmer den gerechten Preis zahlen zu können. Schon seit 1934 haben die USA ein Zuckergesetz, das bis 1956 verlängert ist; sie regeln damit Erzeugung, Preis und über den Preis Einfuhr. Großbritannien hat 1924, als es begann, die ersten Zuckerrüben zu bauen, mit einer Ordnung auf dem Zuckermarkt begonnen. Frankreich, Holland und auch Belgien haben ähnliche Einrichtungen, ohne daß sie etwa vom Reichsnährstand gewußt haben. Herr Bender, bezüglich Zukker kann ich Ihnen sagen, daß schon 1926 die Vereinigung für Verbrauchszuckerverteilung geschaffen wurde, die dann im Jahre 1929 das Freigabesystem geschaffen hat, das heute noch das Kernstück des Zucker-Marktgesetzes ist.
Diese marktwirtschaftlichen Gesetze - das darf man auch hier noch einmal wiederholen - sind im Bundestag verabschiedet worden: das Getreidegesetz gegen sechs Stimmen bei vier Stimmenthaltungen, das Vieh- und Fleischgesetz einstimmig, das Zuckergesetz bei zwei Enthaltungen.
({6})
Alle Parteien dieses Hauses erkannten trotz ihrer
verschiedensten politischen und wirtschaftspolitischen Auffassungen die Notwendigkeit an, daß eine Marktordnung geschaffen und der innere Markt durch Einfuhrschleusen geschützt wurde. Herr Bender, das hatte mit Drittem Reich und Reichsnährstand wirklich nichts zu tun,
({7})
sondern diese Auffassung ist allen Parteien dieses Hauses geworden aus den Erfahrungen, die man in anderen Ländern gesammelt hat, und aus der Notwendigkeit, vor die wir nach dem Zusammenbruch gestellt waren.
({8})
Herr Bender, wenn Sie sich berufen fühlen, als Schatzgräber und Prähistoriker nach Schätzen, Ruinen und Petrefakten des Dritten Reiches zu graben, warum suchen Sie sich dann die Einfuhr- und Vorratsstellen aus? Herr Bender, warum in die Ferne schweifen? Die Dinge liegen Ihnen doch in Ihrem Kreise so nahe, da haben Sie doch Gelegenheit genug, nach solchen Dingen zu graben!
({9})
Meine Damen und Herren, unter dieser Marktordnung hat sich die deutsche Landwirtschaft in einem ungeahnten Maße entwickelt. Schon nach sieben Jahren hatte sie die Vorkriegsproduktion überschritten, während sie nach dem ersten Weltkriege mit viel weniger Zerstörungen dafür zehn Jahre gebraucht hat. Die deutsche Landwirtschaft hat im Jahre 1952/53 - ich will das nicht im einzelnen aufzählen - für 976 Millionen DM künstlichen Dünger gebraucht, 1938/39 für 404 Millionen DM. Sie hat an Landmaschinen und Traktoren ohne Molkereimaschinen für 1060 Millionen DM gekauft, die Zahl der Ackerschlepper ist von 89 000 auf 304 000 gestiegen, und ihre Betriebsausgaben betrugen im Jahre 1952/53 über 9 Milliarden DM. Ich gebe zu, daß in diesen Zahlen auch Preiserhöhungen stecken. Aber in ihnen stecken auch starke mengenmäßige Steigerungen der Bezüge, die die Landwirtschaft im Innern aus Industrie und Gewerbe übernommen hat.
({10})
Diese Marktordnungsgesetze darf man auch einmal zu unserem Export in Beziehung setzen. In den Kreisen, denen Herr Bender nahesteht, gibt es ja immer noch sogenannte Freihändler; denn Ideologen und Idioten sterben in einem Volke nie aus.
({11})
Unsere Ausfuhr hat sich von mehr als 8 Milliarden DM im Jahre 1950 auf mehr als 18 1/2 Milliarden DM in 1953 gesteigert, und wir werden in diesem Jahre auf mehr als 20 Milliarden DM kommen. Die Marktgesetze sind also nicht ein Hindernis einer expansiven Exportpolitik gewesen, sondern sie sind meines Erachtens die besten Träger dieser Exportpolitik geworden, weil sie geholfen haben, daß dieser Kunde, der über 9 Milliarden DM auf dem Inlandsmarkt hat ausgeben können, Gewerbe und Industrie eine Unterlage gegeben hat, die den Export leichter und ungefährlicher macht.
({12})
Die Einfuhr- und Vorratsstellen haben auch etwas anderes fertiggebracht. Im Rahmen des jährlich aufzustellenden Versorgungsplanes hat das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft
({13})
bei Handelsvertragsverhandlungen verbindliche Erklärungen zur Übernahme von gewissen Agrarprodukten abgeben können, und es hat sogar, wenn es erforderlich war, plötzlich helfen können. Ich brauche nur an Argentinien und die Türkei zu erinnern.
Nun zu der Kritik und den sogenannten Besserungsvorschlägen des Herrn Bender ein paar Worte. Er sagte, die Zielsetzung und die Form der Gesetze basierten - das habe ich eben schon gesagt - auf dem Reichsnährstand und auf den Notwendigkeiten der Kriegszeit und der Nachkriegsentwicklung. Meine Herren, die Gesetze sind 1950/51 entstanden. Da ist der Krieg vorbei gewesen, soweit ich mich erinnere. Von Notwendigkeiten der Kriegszeit kann also bei diesen Gesetzen wirklich nicht die Rede sein!
({14})
Herr Bender erkennt ein vorläufiges Festhalten am Schutzbedürfnis für Getreide und Zucker an. Aber er erklärt in einem Atemzug dazu, ob dagegen die Preishöhe für Getreide und Zucker innerdeutsch gehalten und geschützt werden müsse, bedürfe einer besonderen Untersuchung und werde weitgehend von politischen Erwägungen beeinflußt. Er verweist in diesem Zusammenhang auf England, Holland, Belgien und Dänemark, die den Getreidepreis nach dem internationalen Marktpreis ausrichten. Ich möchte Herrn Bender darauf aufmerksam machen, daß die Preise für Getreide und Zucker nicht in den Marktgesetzen geordnet sind, sondern daß vom Bundestag jedes Jahr durch ein besonderes Preisgesetz für Getreide für das eine Jahr die Getreidepreise geregelt werden. Herr Bender, glauben Sie, dieser ganze Bundestag, der diese Preisgesetze immer einstimmig beschlossen hat, ist so doof, daß er nicht die rechte Höhe der Getreidepreise abschätzen und festsetzen kann? Herr Bender, dazu braucht er Sie nicht!
({15})
Der Zuckerpreis wird jedes Jahr festgesetzt durch eine Verordnung, die vom Bundesrat genehmigt werden muß.
Aber stellen wir uns doch einmal auf den Standpunkt des Herrn Bender, wir sollten uns mit Getreide und Zucker zum billigen Weltmarktpreis eindecken. Meine Damen und Herren, wohin muß das führen? Herr Bender sagt, Getreide spiele in der Gesamteinnahme der Landwirtschaft nur eine geringe Rolle. Mein verehrter Lehrer, Geheimrat Dietzel, bei dem ich acht Semester im volkswirtschaftlichen Seminar gesessen habe,
({16})
hat eine Definition der Statistik gegeben, die ich in diesem Hohen Hause nicht wiederholen kann, weil Zuhörer und Damen anwesend sind. Sie war vernichtend! Die Statistik bringt Zahlen; aber diese Zahlen richtig lesen und auswerten, das muß gelernt sein. Herr Bender sagt - ich wiederhole es -, in der Gesamteinnahme der Landwirtschaft spiele die Einnahme aus Getreide eine geringe Rolle. Das stimmt. Aber Herr Bender scheint nicht zu wissen, daß hinter diesen Zahlen ein großes wirtschaftliches Geschehen steht, das man in die Rechnung einsetzen muß.
({17})
Nehmen wir einmal an, wir folgten ihm und kauften das Getreide in den USA, in Kanada, in Argentinien oder in der Türkei. Meine Herren, dann wird bei uns der Getreidebau verschwinden; denn zu d e n Preisen kann der deutsche Bauer aus Gründen, die ich hier nicht anzuführen brauche, nicht produzieren. Mit dem Getreidebau wird dann auch der Hackfruchtbau verschwinden, d. h. der Zuckerrübenbau. Was sollen dann diese armen Leute machen? Dann sollen sie sich wahrscheinlich dem feldmäßigen Gemüsebau zuwenden und den vergrößern. Dann essen wir statt Brot viel Kappes und Salat.
({18})
Aber mit diesem gesteigerten Gemüsebau, den wir in der Nachkriegszeit, Gott sei Dank, stark eingeschränkt haben, werden zum Schluß auch die Klein- und Mittelbetriebe, die sich speziell mit Gemüsebau beschäftigen, mit in die Mühle kommen. Grünlandwirtschaft kann man auf diesen Böden nicht treiben, weil der Boden das nicht durchhält und weil vor allem die Niederschlagsmengen zu gering sind. Also muß man Feldfuttermittel bauen; aber dann kommen wir allmählich in das Land, in dem Milch fließt, in dem aber der Honig fehlt, und dann wird die Milchwirtschaft der ganzen mittleren und kleineren Bauern mit vor die Hunde gehen. So geht es nicht, meine Herren! Man muß die landwirtschaftliche Produktion den Naturgegebenheiten anpassen. Da kann man nicht ausweichen, und weil man nicht ausweichen kann, muß man auch in der Gesetzgebung dafür sorgen, die Landwirtschaft in allen ihren Teilen so zu gestalten, daß der Bauer einen angemessenen Ertrag hat. Wir können ja auch wieder einmal in Schwierigkeiten im Rahmen der Weltwirtschaft geraten. Wir wissen nicht, ob nicht wieder einmal ein Korea entsteht. Dann kommt Schiffsraumnot und kommen andere Dinge, und dann führt Herr Bender Klage darüber, daß wir Getreidevorräte für ganze drei Monate liegen haben! Meine Herren, ich muß erklären: Soviel an agrarpolitischer Naivität wie heute ist diesem Hause noch nicht geboten worden.
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Ich habe dazu zu sagen: Meine Freunde und ich halten an den Grundsätzen der Marktordnungsgesetze fest und lehnen es ab, unsere wirtschaftspolitischen Maßnahmen nach der jeweiligen Marktlage einzurichten, indem man sich in Zeiten des Mangels zur Förderung der landwirtschaftlichen Produktion aufrafft und in Zeiten des Überschusses, die ja nach Herrn Bender durch die Weltmarktlage gegeben sind, grundsätzlich die ganzen Förderungsmaßnahmen einstellt. Dabei soll diese Marktordnung nicht ein Deckmantel für wirtschaftlichen Rückschritt sein, und sie hat bewiesen, daß sie es auch nicht ist. Dieses Festhalten am Grundsätzlichen soll aber nicht Verbesserungen und Verfeinerungen in der Technik der Einfuhr- und Vorratsstellen ausschließen.
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- Nun Herr Bender, was haben Sie dazu an Vorschlägen zu sagen gehabt? Nichts! Kein einziger positiver Vorschlag ist über Ihre Lippen gekommen, und wenn man Ihren Aufsatz durchliest, so muß man sagen, daß auch da nichts drinsteht. Ich kann wenigstens nichts finden.
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({22})
Meine Damen und Herren, auf eines muß ich noch hinweisen. Diese Naivität haben Sie nun auch mit einer gründlichen Spritze aus der Streubüchse Frechheit versehen. Jawohl, Herr Bender,
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das werde ich Ihnen beweisen. Sie behaupten, den Vertretern des Bundesernährungsministeriums und der Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide mangele es an Willen zur grundlegenden Reform, weil die Bürokratie mit allen Mitteln die Stühle festhalte, auf denen sie sitze.
({24})
Sie werfen diesen Beamten und Angestellten des Ministeriums und der Einfuhr- und Vorratsstelle vor, daß sie aus persönlichem Interesse pflichtwidrig handeln.
({25}). Da ist doch kein Strich vorbei!
({26})
- Ich habe ja nicht gesagt, daß er frech sei. Ich habe gesagt: „aus der Streubüchse Frechheit". Bitte, da muß man aufpassen!
({27})
Verehrter Herr Bender, für diese Dinge ist doch letzt- und höchstverantwortlich Herr Minister Dr. Lübke. Also hält der sich auch an den Stühlen fest!
({28})
- Herr Bender, wenn Sie das ablehnen, gut, aber dann sage ich Ihnen: Gott verzeihe Ihnen, denn Sie wissen nicht, was Sie tun!
({29})
Wenn Sie nämlich den Herrn Minister ausnehmen, dann bescheinigen Sie ihm, daß er schwach auf der Brust ist und keine Ordnung und Disziplin in seiner Verwaltung halten kann. Herr Bender, mit solchen Auffassungen können Sie vielleicht in einer Versammlung von politischen Analphabeten landen, aber nicht hier in diesem Hause.
({30})
Meine Damen und Herren, ich habe dazu zu sagen: der Herr Minister arbeitet seit Jahr und Tag zusammen mit sachverständigen Vertretern auch aus diesem Hause an der Verfeinerung und Ordnung der Arbeit. Dabei soll man ihn nicht stören. Jeder, der positive Vorschläge zu machen hat, ist uns willkommen.
Ich habe eingangs darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um einen echten Antrag, sondern um eine Anfrage handelt. Ich stelle mit meinen Freunden den Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Antrag der Fraktion des GB/BHE Drucksache 732 wird für erledigt erklärt.
({31})
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich immerhin darauf berufen, daß ich zusammen mit einigen meiner Freunde seit ein paar Jahren nach unseren besten Kräften an allem, was mit der Frage der Marktordnung zusammenhängt, arbeite. Ich kann mich auch darauf berufen, daß der erste Versuch im 1. Bundestag, sich mit den Erfahrungen aus dem Bereich der Marktordnung auseinanderzusetzen und dazu einen Ausschuß einzusetzen, auf die Initiative meiner Fraktion zurückging. Ich führe das hier an, weil ich nach einer Legitimation dafür suche, dem Herrn Kollegen Bender sagen zu können, daß meinem Gefühl nach sein Anliegen hier mindestens einen sehr schlechten Start gehabt hat. Ich weiß nicht, ob das damit zusammenhängt, daß, wie Sie gesagt haben, die Presse so lange dicht gehalten hat, oder ob es damit zusammenhängt, daß wir alle schon so früh auf das vorbereitet waren, was heute hier steigen sollte. Aber ich habe das Empfinden, es war ein schlechter Start, als Sie von der „Grünen Front von links bis rechts" redeten, um deren Verständnis und um deren Zustimmung Sie hier werben wollten.
Ich habe sehr oft das Gefühl gehabt, daß die Berufung auf diese „Grüne Front" - um nicht zu sagen: ihre Beschwörung - der Landwirtschaft immer sehr schlecht bekommen ist. Man hat es vielleicht einmal erfunden, um zu zeigen, daß man ihr etwas Gutes tun will. Aber in der Auswirkung ist es, glaube ich, doch sehr schlecht gewesen, um so mehr, als sie in der Regel ja als eine etwas bedrohliche Beschwörung empfunden wird. Ich möchte für mich und meine Freunde jedenfalls sagen, daß wir uns weder zu einer „Grünen Front" noch zu einer „Grünen Fronde" zählen lassen möchten.
({0})
Wir glauben nämlich, daß es ganz allgemein einem Abgeordneten sehr schlecht ansteht, wenn er sich so bereitwillig zum Vertreter eines der vielen Interessenstandpunkte in unserem Volke macht. Von einem Abgeordneten wird eigentlich mehr verlangt. Zur Vertretung der Interessenstandpunkte sind ja die Herren da, die das sehr ehrenwerte Geschäft der Interessenvertretung in den Verbänden versehen. Es ist sehr gefährlich, wenn man das mit den Abgeordnetenaufgaben vermischt. Es dient auch der Landwirtschaft sehr wenig, wenn man nicht jede Gelegenheit benutzt, wirklich unter Beweis zu stellen, daß ihre Anliegen am besten dann aufgehoben sind, wenn man sie in die Gesamtverantwortung hineinnimmt, sie gerade herausnimmt aus dem engen Interessenstandpunkt, der an sich völlig berechtigt ist, hier aber doch keine Sprecher haben sollte. Ich wiederhole: wir möchten uns nicht zu einer „Grünen Front" zählen und zählen lassen, und wir wünschen, es würde auch sonst etwas sparsamerer Gebrauch von dieser Formel gemacht.
Zum schlechten Start, Herr Kollege Bender, gehört vielleicht auch, daß Sie trotz Ihrer Versicherung, es gehe Ihnen gar nicht um die Marktordnung im Prinzip, in Ihren Formulierungen doch Anlaß dazu gegeben haben, eine agrarpolitische Debatte zu führen, für die eigentlich die Drucksache 732 gar keine Handhabe bietet. Sie werden sich nicht darüber zu wundern brauchen, wenn nun in der Debatte über diesen Antrag die Agrarpolitik eben doch eine große Rolle spielt. Denn Sie haben sich hier und nach dem, was ich gelesen und gehört habe, nicht darauf beschränkt, auf mehr technische und deshalb untergeordnete Fragen einzugehen; Sie haben hier Probleme angesprochen und zur De({1})
batte gestellt, die nicht mit den Einfuhr- und Vorratsstellen, sondern die mit der Marktordnung und mit sehr entscheidenden Grundfragen der Agrarpolitik zu tun haben.
Herr Kollege Müller hat daran erinnert, daß die Marktordnungsgesetze von der überwältigenden Mehrheit angenommen worden sind. Die merkwürdige Aufsplitterung, die Tatsache, daß es bei der Abstimmung über das Getreidegesetz soundso viele Enthaltungen und soundso viele Gegenstimmen gab, war, glaube ich, darauf zurückzuführen, daß sich in jenem Augenblick die damals noch vorhandene kommunistische Fraktion nicht einig war, ob sie sich enthalten oder ob sie gegen das Gesetz stimmen wollte; und da hat sie sich auf diese Weise nach zwei Möglichkeiten hin entschieden.
Ich glaube auch nicht, daß diese Entscheidungen unter dem besonderen Gesichtspunkt jener Jahre gefallen sind. Aus Zwischenrufen hatte ich den Eindruck, daß damit der Meinung Ausdruck gegeben werden sollte, es würde in diesem Hause eine Mehrheit für die Marktordnungsgesetze nicht mehr geben. Demgegenüber möchte ich aus meiner Kenntnis der Zusammensetzung dieses Hauses und der Arbeit in dem speziellen dafür zuständigen Ausschuß, dem Ernährungsausschuß, sagen, daß ich die Richtigkeit dieser Andeutung oder diese Befürchtung - ich weiß nicht, wie ich sagen soll - bezweifle. Ich glaube, es würde auch in d i es e m Hause wieder eine Mehrheit geben, weil eben der Grund der landwirtschaftlichen Marktordnung in unserer agrarpolitischen Situation viel zu sehr verankert ist, als daß man ihn etwa an bestimmte Zeitläufte oder an bestimmte politische Einzelerscheinungen anhängen könnte.
Auf der anderen Seite bedauere ich vor allem -und ich glaube, Herr Kollege Bender, daß man das besser hätte vermeiden sollen -, daß wir jetzt in eine Diskussion hineinkommen, die, wie gesagt, weit über das hinausgeht, was in dem Antrag 732 meinem Empfinden nach eigentlich angesprochen wird. Ich möchte nicht verhehlen, daß in der Praxis der Einfuhr- und Vorratsstellen - das ist uns allen geläufig - eine ganze Menge Dinge vorgekommen sind, mit denen man sich keineswegs ohne weiteres einverstanden erklären kann.
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- Was heißt hier „Na also"? Daß das so ist, beweist sich ja schon durch die hier mitgeteilte, aber uns allen, die wir seit langem daran arbeiten, bekannte Tatsache, daß man sich auch im Ministerium mit Fragen der Einfuhr- und Vorratsstelle, ihrer zweckmäßigen Organisation usw., befaßt. Es könnte doch allzuleicht der Eindruck entstehen - und er ist vielleicht gerade durch eine gewisse Vorbereitung, die Sie der Sache gegeben haben, entstanden -, als wären Sie jetzt auf Dinge gekommen, die bisher entweder allen verborgen geblieben sind oder die eine verschworene Gemeinschaft der Grünen Front böswillig verborgen gehalten hat. Daß es Anlaß gibt, sich mit den Erfahrungen auseinanderzusetzen, ist so unsensationell, daß ich nur immer wieder bedauern kann, wenn die ganze Geschichte heute einen etwas sensationellen Anstrich bekommen hat und es so aussieht, als seien auf der einen Seite irgendwelche Leute, die die Marktordnung angreifen, und auf der anderen Seite irgendwelche Leute, die die Marktordnung verteidigen. Es könnte nämlich bei diesem Gefecht leicht das verlorengehen, was nicht verlorengehen sollte, und es könnte vor allem das gefährdet und
beeinträchtigt werden, was, wie gesagt, schon längst Gegenstand ernster Arbeit ist.
Ich weiß nicht, ob Sie dem Haushaltsausschuß angehören. Wenn das nicht der Fall sein sollte, können Sie sich von Ihren Kollegen aus dem Haushaltsausschuß sagen lassen, daß anläßlich der letzten Beratungen in diesem Ausschuß, ich glaube, auf die Initiative eines meiner Freunde hin, auf alle Fälle aber mit der überwiegenden Mehrheit des Ausschusses, festgestellt worden ist, daß man sich wieder einmal mit den Einzelheiten der Vorratshaltung befassen muß. Ich kann mich außerdem darauf berufen, daß wir mehr als einmal Gelegenheit gehabt haben, uns über die Möglichkeit einer Auflockerung von Marktordnungsbestimmungen zu unterhalten, in der Regel auf Grund der Initiative aus meiner Fraktion. Wenn das dann nicht zu Erfolgen geführt hat, so bedauere ich dies sehr. Aber es muß hier daran erinnert werden, und zwar nicht so sehr, um irgendeine Autorschaft anzumelden, nicht so sehr, um wieder einmal die Frage zu behandeln, wer nun eigentlich für die Freiheit in der Wirtschaft ist, soweit das möglich ist, und wer dagegen ist, sondern um ganz deutlich zu machen: es handelt sich hier keineswegs um eine sensationelle Entdeckung, um die Aufdeckung irgendeiner fürchterlichen Geschichte, mit der man sich hier endlich einmal auseinandersetzen müßte. Ich will damit nur sagen: das, was wahrscheinlich Gegenstand Ihrer Sorge war, ist uns allen geläufig, und Sie haben es schon gehört, werden es aber wahrscheinlich auch noch von dem Herrn Minister hören - ich nehme an, daß er dazu ebenfalls etwas sagen wird -, daß daran gearbeitet wird.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen: Veranlassung, an der Einrichtung zu arbeiten, ist immer. Das ist auch gar kein Wunder. Die Einfuhr- und Vorratsstellen sind völlig neu geschaffene Einrichtungen. Ich darf Ihnen sagen, daß wir uns damals sehr sorgfältig darum bemüht haben, Bestrebungen, Erfahrungen aus der Zeit des Reichsnährstands geltend zu machen, abzuwehren. Es ist wirklich kein Wunder, daß man mit solchen neuen Einrichtungen neue Erfahrungen macht und versucht. sich mit ihnen auseinanderzusetzen und etwas daraus zu lernen. Das ist ganz natürlich, und ich glaube, daß nicht soviel Aufhebens davon gemacht werden sollte. Sie werden jetzt und in Zukunft selber erleben, daß dadurch ein Eindruck entstanden ist, der für den einen einen willkommenen, für den andern vielleicht einen unausweichbaren Zwang darstellt, sich vor die Marktordnung zu stellen, von der ich, was jedenfalls meine Freunde angeht, sagen möchte, daß sie nicht bedroht ist.
Ich möchte das auch denjenigen sagen, die sich nun vielleicht berufen fühlen, die Marktordnung zu verteidigen. Da sie meiner festen Überzeugung nach einen ernsthaften Feind nicht hat, kommt man in die Verlegenheit, sich ein bißchen lächerlich zu machen, wenn man als Kämpfer gegen einen Feind auftritt, den man sich vorher selber erst an die Wand gemalt hat. Der Sache der Marktordnung würde auch kein guter Dienst erwiesen, wenn man sie sozusagen als ein Tabu hinstellt, an idas nicht gerührt, über das nicht einmal geredet werden darf. Wir haben hier oft von dieser Stelle aus, als unsere Meinung jedenfalls, vorgetragen, daß die größte Gefährdung der Marktordnung dann eintreten müßte, wenn man offensichtliche Mißbräuche nicht bereinigen wollte, wenn man sich nicht für beweglich genug hielte, Einrichtungen
2. Deutscher Bundestag - 53. Sit ung. Bonn, Donnerstag, den 4. November 1954 2617
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der Marktordnung, die schließlich nicht die Marktordnung sind, auch einmal im Lichte der Erfahrungen und ganz unvoreingenommen zu besehen.
Ich möchte darauf verzichten - gerade weil ich glaube, daß kein Anlaß für eine agrarpolitische Debatte besteht -, zu Einzelheiten der Marktordnung etwas zu sagen, obwohl dazu auch immer Veranlassung vorliegt; denn bei aller grundsätzlichen Anerkennung der Marktordnung wird man sich immer wieder überlegen müssen, ob denn nicht mit Mitteln der Marktordnung, mit denen für Getreide sehr viel getan wird, in anderen Bereichen mehr getan werden könnte, also z. B. in der oft zitierten Veredlungswirtschaft - ich denke besonders an die Milch -, und ob das alles nicht zweckmäßiger geregelt werden könnte. Aber, wie gesagt, das steht heute nicht auf der Tagesordnung, und ich möchte es deshalb nicht vertiefen, um die Debatte nicht aufzuhalten. Gerade aber, Herr Kollege Müller - und hier unterscheidet sich jetzt meine Auffassung von Ihrer Auffassung -, weil ich der Überzeugung bin, daß man der Marktordnung einen schlechten Dienst erweist, wenn man nicht bereit ist, sich mit dem auseinanderzusetzen, was da mit Recht - in vielen Fällen allerdings auch zu Unrecht - diskutiert wird, möchte ich nicht, daß wir so verfahren, wie Sie es eben beantragt haben: über diesen Antrag, weil er kein richtiger Antrag, sondern eigentlich mehr eine Anfrage ist, zur Tagesordnung überzugehen.
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Ich sage: es gibt berechtigte Sorgen. Ich bestreite gar nicht, daß es auch sehr unberechtigte Sorgen gibt, denn manche Kritik kommt auch von solchen Leuten, die zu kurz gekommen sind, die sich durch , das Eingreifen oder das Vorhandensein der Einfuhr- und - Vorratsstellen in der Abwicklung ihrer Geschäfte beeinträchtigt fühlen. Und da liegt dann die Schuld nicht immer bei der Einfuhr- und Vorratsstelle, sondern manchmal auch bei den Leuten, die auf ihre Weise nicht landen konnten. Wir haben gar keine Veranlassung, einer solchen Diskussion auszuweichen. Ich halte es nur für völlig unmöglich, daß die Regierung die Fragen hier dem Hause beantwortet. Ich möchte keineswegs den Eindruck erwecken, als sei die Marktordnung auf dem Gebiete der Landwirtschaft eine Art von Geheimwissenschaft und nur ganz eingefahrenen Fachleuten zugänglich. Aber so außerordentlich einfach ist es nun auch wieder nicht, daß man die Beantwortung dieser Fragen nach der Reihenfolge vornehmen könnte, wie sie hier gestellt sind. Das ist doch ein bißchen zu einfach gemacht.
Im übrigen haben wir auch ein gewisses öffentliches Interesse daran, daß bestimmte Bereiche der Vorratspolitik und der damit zusammenhängenden Abwicklung von Geschäften hier nicht in aller Breite und sehr vereinfacht diskutiert werden. Ich würde es ,deshalb für zweckmäßiger halten und Ihnen vorschlagen, den Antrag von Herrn Dr. Müller so abzuwandeln, daß wir die Regierung bitten, die hier gestellten Fragen im Ernährungsausschuß zu debattieren, und den Ernährungsausschuß beauftragen, das Resultat dieser Debatte zu gegebener Zeit hier vorzutragen. Das scheint mir eine viel bessere Grundlage für eine sachliche Behandlung dieser Angelegenheit zu sein. Nur so wird es übrigens möglich sein, ihr die zu meinem Bedauern hier eben gegebene gewisse sensationelle Seite wieder abzunehmen und sie auf das zurückzuführen, was sie ist: ein sehr nüchternes Geschäft, pflichtgemäße Auseinandersetzungen mit Erfahrungen, pflichtgemäße Auseinandersetzungen mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden. Wenn das aber ordentlich gemacht werden soll und wenn man dabei sehr berechtigte, auch öffentliche Interessen nicht zu kurz kommen lassen will, dann geht das sicherlich nicht in einer Stellungnahme hier vor dem Plenum, sondern das geht nur in einer dann allerdings sehr gründlichen Arbeit, an der sich möglichst viele mit Sachkenntnis, mit Nüchternheit und mit dem Willen zum Ausbessern, zum ständigen Verbessern unserer öffentlichen Einrichtungen, aber auch mit dem Willen beteiligen sollen, unser Wirtschaftsleben von allen überflüssigen Eingriffen der Verwaltung aller Arten freizuhalten, wozu für meinen Geschmack im übrigen Verbände genau so gehören wie Träger von Hoheitsaufgaben. Wir sollten also bei der Gelegenheit wieder einmal revidieren: was läßt sich da jetzt auf Grund der Erfahrungen vereinfachen?
Zum Schluß noch einmal: die Marktordnung steht nicht zur Debatte, und es sollte niemand so tun, als würde sie jetzt zur Debatte gestellt; und es sollte sich auch niemand durch irgend etwas getroffen fühlen, was so aussehen könnte wie ein Angriff auf die Marktordnung.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem aufmerksamen Zuhörer wird nicht entgehen, daß hier im Hause trotz der Übereinstimmung in der grundsätzlichen Verteidigung der Marktordnung als solcher gewisse Meinungsverschiedenheiten bestehen, - Herr Kriedemann!
({0})
- Das wollen wir festhalten! Wir wollen das immer festhalten, damit wir uns hintennach nicht täuschen! Aber wir wollen auch gemeinsam festhalten, daß der Antrag, der da vorliegt, schon an die Marktordnung rührt. Denn "die Einfuhr- und Vorratsstellen sind ein Instrument der Marktordnung. Wir können doch keine Marktordnung durchführen ohne Instrumente der Marktordnung! Und Instrumente der Marktordnung sind eben die Einfuhr-und Vorratsstellen, die auf verschiedenen Gebieten geschaffen worden sind. Also haben wir es bei dem Antrag Bender mit einem grundsätzlichen Angriff auf die Marktordnung und auf die Einfuhr- und Vorratsstellen zu tun.
({1})
Herr Abgeordneter Bender, wenn ich Ihren Antrag lese, werde ich an meine Universitätszeit erinnert. Ich war einmal auf der Universität, da habe ich dem Professor Hilfsdienste leisten müssen. Da sage ich Ihnen nur folgendes. Für den, der nichts versteht, hat der Antrag eine ausgezeichnete Diktion! Aber für den, der was davon versteht: vollständig daneben gelangt!
({2})
Sie haben nach verschiedenen Richtungen vollständig daneben gegriffen. Sie haben nicht gewußt, welcher Hase im Pfeffer liegt. Das heißt: Sie haben es schon gewußt, aber dann haben Sie an dem Hasen vorbeigeschossen, weil Sie ihn gar nicht richtig gesehen haben.
({3})
({4})
Ich habe so den Eindruck, daß Sie selber gar nicht richtig wissen, was Sie wollen!
({5})
Auf der einen Seite sagen Sie: wir wollen die Marktordnung als solche nicht zugrunde gehen lassen; aber auf der andern Seite reden Sie von den überhöhten Getreidepreisen von 100 Mark die Tonne. Wie geht denn das zusammen? - Also, ich muß den Wortlaut erst einmal näher studieren. Es braucht nicht heute zu sein, es braucht ja auch nicht morgen zu sein, aber in 14 Tagen werde ich es schon fertigbringen. Ich habe Ihr Redekonzept ein paarmal gelesen. Es ist hochinteressant. Aber da geht es mir so ähnlich, wie wenn ich einen jungen Doktor auf irgendeine Bauernversammlung mitnehme. Der redet schön daher, aber die Bauern sagen: Schön hat er geredet, verstanden haben wir nichts! t
({6})
So ist es mir auch ergangen. Wenn ich Ihren Antrag „seziere", muß ich sagen: Sie haben hier einen marktordnerischen Pfau herausgeputzt, dem ich jetzt die einzelnen Federn herausreißen muß,
({7})
damit man endlich sieht, ob der Pfau einen richtigen Körper hat oder ob er an Schönheit und Würde doch ein bißchen schwach aussieht. Aber in jedem Fall müssen wir uns doch sagen - Herr Kollege Kriedemann, da müssen Sie mir zustimmen -: Was verlangen wir denn alles von der Bundesregierung,
({8})
das Mögliche und Unmögliche, was uns freut und was uns nicht freut. Wir verlangen allerhand: das, was gerade gemütlich ist, was man brauchen kann für die Agitation und das, was man nicht brauchen kann.
({9})
Man verlangt in dem Antrag Verschiedenes. Da heißt es:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag sobald wie möglich einen Bericht vorzulegen
a) über die augenblicklichen Aufgaben, den Haushalt, den Personalbestand der Einfuhr- und Vorratsstellen . . .
Sie können ja jederzeit an die Stellen schreiben, dann bekommen Sie den Verwaltungsbericht; da steht alles drin. Ich muß, ja die Verwaltungsberichte auch studieren. Außerdem ist es nicht so, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen droben auf dem Mond leben. Die leben bei uns, die haben eigene Verwaltungsräte mit eigenen Sachverständigen. Herr Kollege Bender, wenn es eine Möglichkeit gibt, orientieren Sie sich um, und Sie kommen als Sachverständiger in eine der Einfuhr- und Vorratsstellen hinein.
({10})
Dann tun wir uns später leichter. Je rascher ein Kritiker zur Beurteilung der Lage eingeschaltet wird, desto besser ist es für die Allgemeinheit.
({11})
- Das weiß ich nicht, das muß man erst nachprüfen. Aber seien Sie vorsichtig! Da sind auch Leute von Ihnen bei. Nicht einfach in Bausch und Bogen daherkommen! Das ist eine ganz gefährliche Angelegenheit.
Dann die Frage, ob da noch Gutachten oder kritische Stellungnahmen zur Tätigkeit der Einfuhr-und Vorratsstellen vorliegen. Freilich! Die Wissenschaft hat sich damit beschäftigt. Beschaffen Sie sich das Material doch! Sehr interessant! Die Sachverständigen geben da nachträglich Urteile ab über das Funktionieren während eines Jahrs. Wissenschaftlich tut man sich nämlich viel leichter als in der Praxis. Wissenschaftlich kann man nachtraglich immer etwas beurteilen, was schon längst vorüber ist.
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Das ist ein ganz bequemer Standpunkt. Aber auch wir sind dafür, daß die Ergebnisse der Wissenschaft nachträglich gebührend beachtet werden.
Der Punkt b ist daher überflüssig. Was soll das? Das ist auch so eine Pfauenfeder, die keine Existenzberechtigung hat.
Ferner die Frage, ob die im Bundeshaushalt 1954 für die Einfuhr- und Vorratsstellen gemachten Ansätze auch heute noch zutreffen und wirtschaftlich vertretbar sind. Da muß ich folgendes sagen. Ich bin dagegen, den Antrag weiterzubehandeln. Herr Kollege Kriedemann, werden Sie mir nicht weich! Sie waren ursprünglich ganz schön hartgesotten. Aber heute sind Sie wieder weich.
({13})
Ich habe hier den Haushalt des Ernährungsministeriums. Wir haben uns in extenso und intensiv, d. h. ausgedehnt und intensiv mit den einzelnen Positionen des Haushalts beschäftigt. Da wurden gerade die Haushaltspositionen, die sich auf die Einfuhr- und Vorratsstellen beziehen, gegen wenige Stimmen angenommen. Ich will sie jetzt nicht wiederholen. Da ist genau geschildert, was auf Vorräte und was auf sonstige Funktionen entfallen muß, ist genau geschildert, welchen Kostenaufwand das erfordert und wie die Verhältnisse sich gestalten. Da sage ich mir: Der Antrag ist ja überholt, wir haben doch jedes Jahr Gelegenheit, beim Haushalt zu diesen Positionen Stellung zu nehmen. Es läuft uns ja nichts davon, und wenn wir einmal zu einer Position Stellung genommen haben, dann brauchen wir doch während des laufenden Haushaltsjahrs nicht wieder neue Vorlagen.
({14})
Wohin kämen wir denn da! Also ist auch der Punkt c überholt. Das ist auch so eine Glanzsache, die mit Ata und Imi nichts mehr zu tun hat.
({15})
Dann kommt der Punkt d:
welche Maßnahmen vorgesehen sind, um die Aufgaben und die Organisation der Einfuhr- und Vorratsstellen den Gegebenheiten der internationalen und deutschen Agrarmärkte anzupassen.
Da tun Sie einmal das „internationalen" weg! Fahren wir nicht so weit in der Welt umeinander! Wir werden zu hochmütig. Es langt schon „europäisch"; das übrige können wir den anderen überlassen. Bleiben wir zunächst einmal im europäischen Raum! So sind ja auch die Einfuhr- und Vorratsstellen gedacht.
Aber jetzt kommt folgendes Wesentliche, eine Kardinalfrage an das Hohe Haus und an Herrn Bender: Warum haben wir die Einfuhr- und Vor({16})
ratsstellen überhaupt geschaffen? Das möchte ich einmal wissen. Damals hatten wir eine Übergangsperiode; die haben wir - auch die verbrauchende Bevölkerung - wahrscheinlich vergessen. Ich erinnere an die Zeit der Jahre 1948 und 1949. Damals hatten wir als Ersatzstellen für die Einfuhr- und Vorratsstellen die Importausgleichsstellen und die Außenhandelsstellen. Die Lage war so, daß wir wegen unserer Mangellage und wegen der internationalen Anspannung auf den verschiedenen Marktgebieten überhöhte Auslandspreise und geringere Inlandspreise hatten. Damals hatten wir zugunsten der verbrauchenden Bevölkerung eine riesige Subventionspolitik,
({17})
die beim Brotgetreide in die Hunderte von Millionen gegangen ist. Ich erinnere auch an die riesige Subventionspolitik, um den Margarineverbrauch der Bevölkerung sicherzustellen. Hier sind auch schon Bestände durch Stellen bewirtschaftet worden, die Vorgänger der Einfuhr- und Vorratsstellen waren; nur haben sie einen anderen Namen gehabt. Man hat einen Importausgleich gegeben, man hat also im Gegensatz zur jetzigen Praxis heruntergeschleust und nicht hinaufgeschleust. Dann ist später die Idee der größeren europäischen Zusammenarbeit im Rahmen der OEEC, des europäischen Wirtschaftskomitees, aufgekommen. Die OEEC hat den Begriff der Liberalisierung in den Vordergrund gerückt. Über diesen Begriff sind verschiedene Meinungen aufgetaucht. Damals hat man gesagt: Um der Landwirtschaft, die sich wegen ihrer Struktur und ihrer inneren Verhältnisse für die Liberalisierung nicht eignet, eine einigermaßen geschützte Position zu geben, muß für ihre Hauptprodukte eine Marktordnung geschaffen werden.
Was ist nun das Wesentliche der Marktordnungsgesetze? Das Wesentliche ist, .daß alles, was von den Marktordnungsgesetzen erfaßt wird, nicht unter die Liberalisierung fällt, sondern von ihr ausgenommen ist. Das ist der große Grundsatz bei Getreide, Vieh, Fleisch, Butter, Zucker usw. Nur beim Käse hat man die Dummheit gemacht, von ihm nicht zu sprechen und ihn nicht entsprechend einzubeziehen.
({18})
Da hat der heilige Geist des Bundesernährungsministeriums versagt. Na, ich will ihm keinen Vorwurf draus machen.
Herr Abgeordneter, Blasphemien sind unparlamentarisch ...
Das war nicht so gemeint, Herr Präsident. Ich füge mich, ich will nicht widersprechen.
Ich fahre ,dann fort. Durch ,die Marktordnungsgesetze sind verschiedene Produkte der Landwirtschaft von der Liberalisierung ausgenommen. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß diese Gebiete aus der Liberalisierung herauisgenommen und der Marktordnung unterworfen sind; das bedeutet, daß hier, abgesehen von den Zollvorschriften, die bei Butter, Vieh und Fleisch bestehen, die Handelsverträge maßgebend sind. Einmal ist bei Getreide die Einfuhrschleuse maßgebend; sie läßt hier nur so viel herein, wie der Importbedarf bei Brot- und Futtergetreide beträgt. Andererseits sind bei Vieh, Fleisch und Butter die Handelsverträge maßgebend. Die Liberalisierung würde bedeuten, daß keine handelspolitischen Kontingente bestehen. Aber diese Kontingente bestehen eben bei der Marktordnung. Das ist der Sinn der Marktordnung. Deswegen ist Ihre Auffassung, daß die Zölle ausreichen, total falsch. Denn bei der Marktordnung kommen zu den Zöllen noch die handelspolitischen Kontingente hinzu, die eine ganz wesentliche Rolle spielen.
Lassen Sie mich ganz kurz nur einen Streifzug durch die Verhältnisse machen, wie sie vorliegen. Beim Getreide haben wir in diesem Jahr eine qualitativ und quantitativ schlechte Ernte, in vielen Gebieten eine überaus ungünstige Ernte. Hier müssen wir aber unter allen Umständen eines beachten: Die Einfuhr- und Vorratsstelle bei Getreide muß so viel Vollmachten erhalten, daß sie die reibungslose Abwicklung ides Getreidemarktes sicherstellen kann. Insbesondere muß unsere binnenländische Mühlenindustrie bei diesen Verhältnissen entsprechend in Schutz genommen werden. Das heißt mit anderen Worten - jetzt kommt etwas Wesentliches -, daß das Cif-Preis-System, gegen das ich persönlich ja grundsätzlich bin, nach meiner Überzeugung in seiner Anwendung so rasch wie möglich ausgesetzt werden muß, damit auch unsere binnenländischen Mühlen mit den Qualitäten von Auslandsgetreide versorgt werden, um in der Qualitätslage ides Mehls gegenüber den anderen bei ihrer schon sehr angespannten Lage keinen Rückschritt zu erleiden.
({0})
Das halte ich für unbedingt notwendig. Auch ,das ist eine Frage, über die wir uns im Ernährungsausschuß einmal einigen könnten. Im übrigen will ich darüber nicht weiter reden.
Ich komme zu der Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch. Ja, Herr Kollege Bender, wenn das so einfach wäre, wie Sie es da hingeschrieben haben! Man sieht oft den Baum nicht mehr vor lauter Wald. Man muß Obacht geben! Wenn du den Wald siehst, mußt .du auch die Bäume sehen, sonst siehst du ja den Wald nicht richtig. Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat auch beim Vieh und Fleisch ihre Aufgabe zu erfüllen. Wissen Sie überhaupt, was ,die Aufgabe der Einfuhr- und Vorratsstelle ist? Im Interesse der Erzeuger wie der Verbraucher spekulative Erscheinungen am Markt möglichst auszuschalten oder für die verbrauchende Bevölkerung möglichst gleichmäßige, stabile Preise während des ganzen Wirtschaftsjahrs sicherzustellen: das ist ihre Aufgabe.
({1})
Daran sind alle Beteiligten interessiert. Das hat die Einfuhr- und Vorratsstelle auch erreicht. Während in den Jahren 1951 und 1952 bei Großvieh große Preisschwankungen festzustellen waren, waren die Preise 1953 fast durchweg ausgeglichen. Diese Preisregulierung ist von der Einfuhr und Vorratsstelle in erster Linie mit der Herausnahme bei Märkten mit Überangebot erzielt worden.
Die Einfuhr- und Vorratsstelle hat also neben ihrer Aufgabe, Vorräte zu halten, was mit Rücksicht auf gewisse Umstände, die eintreten können, geschehen muß, die Dinge am Markt so zu bewirtschaften, so zu leiten, daß eine gewisse Marktregu({2})
lierung herbeigeführt wird. Und glauben Sie mir, da können Sie nicht sagen: da sind bloß ein paar tausend Rindviecher aufgekauft worden. Also, wenn mehr eingeführt wird, haben wir mehr; aber vielleicht haben wir hier und da zu wenig. Jetzt kommt es darauf an - -({3})
- Herr Kollege Stücklen, nur nicht so vorlaut! Sonst kann ich auch an Sie eine Frage richten, wenn Sie auch Fraktionskollege sind, das ist mir gleich, das geht in einem Aufwaschen hin.
({4})
Für mich kommt es nicht auf die 5000 oder 3000 Stück Vieh an - von mir aus können es auch 6000 sein -, sondern es kommt darauf an, daß zur rechten Zeit der Eingriff in den Markt erfolgt, weil oft verhältnismäßig geringe Mengen, wenn sie an bestimmten Tagen massiert sind, zu einem Preisverfall führen können, für die Allgemeinheit keinen Gewinn und für die Erzeugerschaft nur Schaden bringen.
({5})
Deswegen hat die Einfuhr- und Vorratsstelle schon eine Aufgabe zu erfüllen.
Sie werden ja auch nicht bestreiten wollen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle bei Butter usw. eine Aufgabe zu erfüllen hat. Hätten wir unsere Vorräte nicht unter dem Druck der öffentlichen Meinung wie 1952 oft hinausgehauen, dann hätten wir den Buttermarkt, als der Preis weit über die 6-Mark-Grenze pro Kilogramm gestiegen ist, entsprechend regulieren können. Da haben wir aber keine Vorräte mehr gehabt. Deswegen ist es notwendig, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle, um eine gleichmäßige, zureichende Versorgung und das Preisniveau sicherzustellen, auch über entsprechende Vorräte verfügt, damit sie den Markt regulieren kann.
Aber das können wir ja in dieser Debatte - Herr Kollege Kriedemann, da haben Sie vollständig recht - nicht in extenso erörtern. Das ist eine Frage, über die wir Gelehrten uns weiter unterhalten; sonst geht uns der Stoff im Bundestag aus.
({6})
Da haben Sie ja ganz gefährliche Dinge in dem Antrag! Die sind glänzend für Leute von der Industrie, die das gerne hören! Ich habe auch so Leute, die hören so was gern. Aber ich habe gesagt: jetzt bin ich über 66 Jahre und stehe der Ewigkeit so nahe, daß ich mit dem Firlefanz nicht fortfahre und Such noch etwas vorgaukle, sondern ich bleibe bei .dem, was notwendig ist. Von einer überhöhten Preisinsel - Herr Kollege Bender, Sie kennen die industriellen Verhältnisse in Deutschland - gerade bei der Landwirtschaft zu reden, das ist ein sehr gefährliches Unterfangen. Das stimmt nämlich nicht. Wir haben in Deutschland eine verhältnismäßig hervorragende Wirtschaftslage. Das müßte das deutsche Volk einmal anerkennen, statt immer daran herumzukritisieren. Wir haben aber auf ,der industriellen Seite in 'den Kostenverhältnissen vielfach eine Überlagerung. Bei der Landwirtschaft sind wir im Preisgefüge auf manchen Gebieten zurückgeblieben.
Hinzu kommt noch folgendes. Wenn Sie ,die Zölle der Landwirtschaft angreifen, dann müssen Sie auch die Zölle der Verarbeitungsindustrie angreifen. Da ist der Wertzoll meistens viel höher als bei der Landwirtschaft. Dann schon Gleichheit!
Damit sind wir schon wieder beim Paritätsgesetz angelangt, und da kann ich Ihnen einige Ziffern bieten. Da stimmt Ihre Auffassung von den überhöhten Preisen unter keinen Umständen. Ich nehme einmal die Indizes der Hauptackerfrüchte und der tierischen Erzeugnisse in den einzelnen Ländern und setze das Jahr 1936 gleich 100. Wie war es dann im Jahre 1953? Hauptackerfrüchte: Belgien 386, Niederlande 340, Schweiz 203, England 294, Dänemark 294, Schweden 248 und Deutschland 213. In dem Licht dieser Statistik sehen Sie gleichzeitig Ihre Auffassung widerlegt, die Sie bezüglich der Höhe der Getreidepreise vertreten haben.
Auch die absolute Preishöhe wird hier in einem Preisvergleich festgehalten. Weizen in USA-Dollar
- ich glaube, das ist etwas mehr als 4,20 DM -: Durchschnittlicher Erzeugerpreis je Doppelzentner Belgien 9,36, Niederlande 6,84, Schweiz 14,87 - da sehen Sie, daß die Schweiz in jeder Beziehung kein billiges Land ist -, England 8,38, Dänemark 7,13, Italien 11,54 - trotz der dortigen Währungsverhältnisse -, Deutschland 9,95.
({7})
- Sehen Sie, das sind ja die Weltmarktpreise. Ich habe schon gesagt, wir müssen uns auf die europäischen Verhältnisse beschränken. Wir leben hier im europäischen Raum. Den amerikanischen Raum können Sie mit unserem Raum nicht vergleichen. Zunächst haben die Amerikaner ganz andere Methoden der Bewirtschaftung und ganz andere Etatsverhältnisse als wir. In Amerika bekommt der Farmer seinen Mindestpreis garantiert. Jetzt haben sie dort die Garantie auf 90 °/o, glaube ich, heruntergesetzt. Und dann, das wissen Sie genau, wird der Überschuß mit riesigen staatlichen Subventionen ins Ausland verfrachtet. Das ist doch eine Schutzpolitik, die man nicht übersehen darf, vielleicht die größte Schutzpolitik, die auf der ganzen Welt existiert.
Ich will Sie nicht mehr mit vielen anderen Ziffern belästigen. Bei der Milch nur noch folgende. Je 100 kg Milch in USA-Dollar: Österreich 6,15, Belgien 6,34, Schweden 6,96, Frankreich 7,15, Italien 7,71, Schweiz 8,90, England 9,51, Deutschland 6,02. Also kann man auch hier von einer Überhöhung der Preise bei uns nicht sprechen. Bei den Rinderpreisen ist es ähnlich. Je 100 kg in USA-Dollar: Österreich 27,69, Frankreich 33, Finnland 34, Deutschland 34, Schweden 34, Italien 41, Belgien 43, Schweiz 66. Sie sehen also, daß es sehr schwer möglich ist, hier von einer überhöhten Preisinsel zu sprechen.
Ich bin ein höflicher Mensch. Ich wollte Ihnen nicht weh tun. Nicht, daß Sie meinen, ich komme hier jetzt mit der großen Kratzbürste. Wir werden uns auf anderen Gebieten wieder verstehen. Hier aber haben Sie danebengeschossen, da kann ich Ihnen nicht helfen. Es ist saudumm danebengegangen. Schön wäre es gewesen, aber es hat nicht geklappt.
Das waren so ein paar Ziffern. Sonst verwende ich sie nicht gern. Also ist .der Punkt unter Buchstabe d auch gegenstandslos.
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Ich habe geschildert, was zu tun ist, welche Aufgaben von den Einfuhr- und Vorratsstellen zu
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erfüllen sind. Das können wir dann im Ausschuß weiter erörtern. Dazu brauchen wir doch keinen Antrag. Da brauchen wir nicht extra eine Fahne zum Haus herauszuhängen; das können wir auch ohne Fahne tun.
Ich komme zu der Frage unter Buchstabe e, ob es zutrifft, daß durch geeignete Maßnahmen auf diesem Gebiet gegenüber dem Haushalt für 1954 mindestens 150 Millionen DM eingespart werden können. Das geht den Haushaltsausschuß an. Wir werden uns im Ernährungsausschuß und im Haushaltsausschuß über diese Dinge ohnehin unterhalten müssen.
Also so schmerzlich es für den Kollegen Bender sein mag: seien Sie doch nach all der reiflichen Überlegung so freundlich und sagen Sie, es hat Sie sehr gefreut, daß wir das im Bundestag erörtert haben, und seien Sie damit zufrieden! Herr Kollege Dr. Müller hat mit seinem Vorschlag vollständig recht, den Antrag durch ,die Debatte für erledigt zu erklären. Daneben bleibt natürlich unser Wille - Herr Kollege Kriedemann, das haben wir im Ernährungsausschuß sowieso beschlossen - bestehen, die Einfuhr- und Vorratsstellen, ihr Geschäftsgebaren und ihre inneren Verhältnisse weiter zu behandeln. Ich bitte also, bei dem Antrag Müller zu verbleiben. Wir wollen uns doch nicht mehr Arbeit machen, als notwendig ist. Wenn wir schon Arbeit leisten, soll sie auch fruchtbar sein. Das ist die Landwirtschaft so gewohnt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Meine Herren Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen eine unbedingte Notwendigkeit sind, wenn wir ein einigermaßen geordnetes Preisgefüge für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse halten wollen. Wir haben auch in den letzten Jahren genügend Beipiele dafür, daß ohne die Tätigkeit der Einfuhr- und Vorratsstellen bei wichtigsten Nahrungsmitteln Preisschwankungen eintreten würden, die wir unserer Verbraucherschaft nicht zumuten können und die verheerende Rückschläge auf den Verbrauch dieser Erzeugnisse mit sich bringen würden. Ich brauche nur an die Entwicklung des Butterpreises und des Verbrauchs an Butter im Jahre 1952/53 zu erinnern. Ich möchte noch einmal unterstreichen, daß wir von der Landwirtschaft aus absolut kein Interesse daran haben, zeitweise Spekulationsgewinne einzustecken und auf der anderen Seite dadurch den Verbrauch wichtigster Erzeugnisse einzuschränken und schwere Rückschläge zu bekommen. Genau so ist es für den Verbraucher nicht reizvoll, wenn er einesteils kurzfristig einmal sehr niedrige Preise hat, anderenteils aber dann sehr erhebliche Preissteigerungen hinnehmen muß. Es kommt noch etwas anderes hinzu. Es besteht auch in der gewerblichen Wirtschaft das größte Interesse an gleichbleibenden Preisen für die Lebensmittel; denn nur so kann ein vernünftiges Lohngefüge gehalten und können stabile Lohnverhältnisse geschaffen werden. Aus allen diesen Gründen ist es unbedingt notwendig, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen auch in den Sparten funktionsfähig bleiben, für die Sie, Herr Kollege Bender, die Einfuhr- und Vorratsstellen als überflüssig erklärt haben, nämlich bei Vieh und Fleisch und bei Butter und Fett.
Ich möchte also dringend bitten, die Einfuhr- und Vorratsstellen, die sich bestens bewährt haben, zu erhalten. Auch meine Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß wir ohne gut funktionierende Einfuhr- und Vorratsstellen nicht auskommen. Daher unterstütze ich den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Dr. Müller, den Antrag der Fraktion des GB/BHE durch die Debatte als erledigt zu betrachten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bender hat bei Begründung seines Antrags den Wunsch ausgesprochen, wir möchten es nicht zu einer Agrardebatte kommen lassen. Seine Kritik, alle seine Ausführungen waren aber so weitgehend, daß man zu einigen Fragen, die er angeschnitten hat, grundsätzlich Stellung nehmen muß.
Als im 1. Deutschen Bundestag die Agrargesetze beraten wurden, war sich das Hohe Haus in seiner Mehrheit darüber im klaren, daß zur Erhaltung eines möglichst stabilen Preises sowohl für die Erzeuger als auch für die Verbraucher eine Ordnung des Binnenmarktes unbedingt notwendig sei. Das Hohe Haus war sich auch darüber vollkommen klar, daß in der Landwirtschaft nun einmal besondere Verhältnisse vorliegen, daß die Landwirtschaft nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt eine Sonderstellung einnimmt und daß sich die Liberalisierung, die in der Vergangenheit ganz unbestritten unserer gesamten Wirtschaft recht gut bekommen ist, bei der Landwirtschaft nicht so vorteilhaft hat auswirken können. So wurde also im 1. Bundestag mit den Agrargesetzen ein System entwickelt, in dem nach einem vorliegenden Versorgungsplan Einfuhr und eigene Erzeugung weitestgehend aufeinander abgestimmt wurden.
Man kann sich durchaus darüber unterhalten, ob das, was wir im 1. Deutschen Bundestag festgelegt haben, auch für die Zukunft so beibehalten werden muß. Wir haben uns bereits in der Vergangenheit durchaus nicht gescheut - insofern stimme ich auch mit Herrn Kriedemann überein -, auf den Gebieten, auf denen entweder der Erzeuger beim Absatz seiner Ware gehemmt wurde oder der Verbraucher seine Wünsche nicht befriedigt sah, hier und da gewisse Revisionen vorzunehmen. Ich brauche nur auf die Novelle zum Milch- und Fettgesetz oder auf die Änderung des Getreideeinfuhrverfahrens hinzuweisen, die ab 1. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten ist. Ich bin auch heute noch der Auffassung, daß die Marktgesetze im Prinzip bejaht werden müssen. Solange Deutschland in der Nahrungsmittelversorgung zu einem Drittel vom Ausland abhängig ist, kommen wir zur Regulierung der Einfuhr und Ausfuhr um eine gewisse Vorratshaltung nicht herum. Auf der anderen Seite möchte ich aber keinen Zweifel darüber lassen, daß bei einem allzu starren System, wie wir es früher auf manchen Gebieten gehabt haben, die Wirtschaft und die Initiative des einzelnen manchmal nicht voll zu ihrem Recht gekommen sind. Bei Bejahung der Agrargesetze und bei Bejahung der Notwendigkeit von Einfuhr- und Vorratsstellen sollte auch in Zukunft durchaus überlegt werden, ob nicht im Interesse aller hier und dá gewisse Änderungen durchgeführt werden sollten.
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Ich möchte nun ganz kurz zu einigen Ausführungen, die hier gemacht worden sind, Stellung nehmen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß wir ab 1. Oktober dieses Jahres ein neues Getreideeinfuhrverfahren haben. Es sollte eine gewisse Auflockerung herbeiführen. Wir haben diesen Weg aus der Erkenntnis heraus beschritten, daß nicht die Allmacht des Staates diktieren soll, sondern daß - und gerade das wollen wir - die Wirtschaft selber auf die Abwicklung der Dinge Einfluß nehmen soll. Wir können heute bereits feststellen, daß sich das neue Verfahren durchaus bewährt hat. Wir sind überhaupt der Meinung, daß sich der Staat auf seine ureigensten Funktionen beschränken sollte und daß all die Aufgaben, die die Wirtschaft zu übernehmen in der Lage ist, in Zukunft mehr als bisher von der Wirtschaft übernommen werden sollten.
Bei dem Abrechnungsverfahren sollte nach unserer Auffassung geprüft werden, ob nicht die bisherige Berechnung franko aufgegeben werden und die Berechnung zweckmäßigerweise ab Mühle erfolgen sollte. Wir kennen die Notlage der kleinen und mittleren Mühlen. Wir können uns vorstellen, daß bei entsprechender Änderung auch ihren Wünschen besser Rechnung getragen werden könnte, als es in der Vergangenheit geschehen ist.
Auch hinsichtlich der Abschöpfungsbeträge kann man sich darüber unterhalten, ob es tatsächlich notwendig ist, diese Millionenbeträge, von denen der Herr Kollege Bender gesprochen hat - sie gehen wirklich in die Hunderte von Millionen -, nur dem Finanzminister zugute kommen zu lassen, oder ob man mit ihnen nicht gleichzeitig - auch das hat das Hohe Haus betont - die Landwirtschaft unterstützen könnte. Es wäre wahrscheinlich besser, diese Beträge zur Förderung der Landwirtschaft einzusetzen, als sie in einen großen Topf fließen zu lassen. Das wäre vor allem auch deshalb besser, weil wir dann nicht erst in langen Agrardebatten versuchen müßten, für die Landwirtschaft das durchzusetzen, was im Interesse nicht nur dieser Landwirtschaft, sondern der Allgemeinheit durchgeführt werden muß.
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Vielleicht wäre es, wenn man schon die Abschöpfungsbeträge festlegt, ganz nützlich, wenn man nicht jede Getreideart unbedingt verschieden abrechnete. Es wäre doch wohl zweckmäßig, z. B. Weizen insgesamt nach einem Einheitssatz abzurechnen. Warum hier die Unterschiede nach einzelnen Arten?
Nun komme ich zu den beiden Punkten, in denen Herr Kollege Bender besonders scharfe Kritik geübt hat. Er hat zugegeben, daß keine Meinungsverschiedenheiten bestünden über die Notwendigkeit von Einfuhr- und Vorratsstellen bei Getreide und bei Zucker. Er hat ferner zugegeben, daß auf diesen Gebieten die Landwirtschaft unbedingt des Schutzes bedarf. Beim Getreide allerdings hat er einen kleinen Haken geschlagen und gesagt, an sich sei es, wenn schon die Einnahmen der Landwirtschaft auf dem Getreidesektor prozentual so niedrig seien, nicht recht verständlich, weswegen man dann diese hohen Abschöpfungsbeträge festsetze. Damit hat er ausgesprochen, was wir in der Presse und bei vielen Debatten und auch sonst schon gehört haben, nämlich daß es doch vielleicht zweckmäßig wäre, nicht diese hohen Abschöpfungsbeträge zugrunde zu legen; vielmehr täte man der Allgemeinheit einen größeren Gefallen, wenn man auch der deutschen Landwirtschaft und der deutschen Wirtschaft die Weltmarktpreise bei Getreide zugute kommen lasse; damit könnte man doch eine bessere und billigere Produktion ermöglichen.
Wer über agrarpolitische Dinge und die Zusammenhänge betriebswirtschaftlicher Art in der Landwirtschaft nicht genauestens informiert ist, kann sehr schnell zu dieser Schlußfolgerung kommen. Wir wissen auch, daß aus Kreisen der Veredelungswirtschaft oftmals gerade wir als Agrarpolitiker aufgefordert worden sind, doch auch der deutschen Landwirtschaft das billige Getreide zur Verfügung zu stellen, weil man dann billiger produzieren könne und weil wir uns dann im Parlament nicht dauernd mit der Senkung oder Erhöhung von Zöllen herumzuschlagen brauchten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Trugschluß. Zur Erhaltung der Fruchtbarkeit unserer Baden ist nun einmal eine bestimmte Fruchtfolge notwendig, die man nicht einfach ändern kann, selbst wenn man es will. Wer das weiß und wer weiter weiß, daß für die Rentabilität der Betriebe ein ganz bestimmtes Verhältnis bestehen muß zwischen den Preisen für Kartoffeln, Getreide und Schweinefleisch, der wird sofort erkennen, daß bei einer Senkung des Weltmarktpreises für Getreide automatisch auch der Kartoffelpreis in Mitleidenschaft gezogen und daß damit automatisch-künstlich etwas aufgezogen wird, was wir vom bäuerlichen, aber auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkt auf keinen Fall vertreten können. In viel stärkerem Maße würde das eintreten, was in den letzten Jahren leider Gottes bereits eingetreten ist, nämlich eine Verlagerung nach industriellen und gewerblichen Betrieben, die mit der Landwirtschaft nur noch verdammt wenig zu tun haben.
Herr Kollege Bender, diese Dinge muß man sehen. Ich bitte auch zu berücksichtigen, daß der größte Teil unserer bäuerlichen Betriebe nun einmal kleinst- und mittelbäuerliche Betriebe sind. Diese kleinst- und mittelbäuerlichen Betriebe haben ein Lebensrecht, und es dürfen nicht einfach rein fiskalische Gesichtspunkte ausschlaggebend sein, wenn man derartige Forderungen stellt, wie Sie sie glaubten hier herausstellen zu müssen.
Dann zu dem Fleisch! Auch da haben Sie gesagt: Wozu diese gewaltige Belastung für die Vorratshaltung; wir hätten in der Bedarfsdeckung nur eine Spanne von 3 %, und das sei doch nur ein Vorrat, wie er günstigstenfalls für sechs Tage ausreiche; -es sei praktisch vollkommen sinnlos, 47 Millionen DM aufzuwenden, wenn man nur für sechs Tage Vorrat für das gesamte deutsche Volk sichern könne.
Auch das klingt für einen Laien sehr verständlich, und jeder wird sagen - ich habe das auch im Saal beobachtet -, das sei ein vernünftiger Vorschlag und man müsse sich ernstlich überlegen, ob der Einsatz dieser gewaltigen Summen dafür noch zu verantworten sei. Aber bereits einer meiner Vorredner hat darauf hingewiesen, daß nur ein Überangebot aus der Landwirtschaft während einer nur ganz kurzen Zeit dazu führen kann, die Preise derart zu drücken, daß ein solcher Preiszusammenbruch einfach von der Landwirtschaft nicht getragen werden kann. Im Endergebnis hat aber auch der Verbraucher davon gar keinen Vorteil, da erfahrungsgemäß hinterher immer Preissteigerungen die Folge sind.
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Ich stamme aus einem Gebiet in Norddeutschland, in dem wir bei der vorherrschenden einseitigen Grünlandwirtschaft das Vieh im Herbst tatsächlich abstoßen müssen. Wenn dann ein solch ungünstiges Wetter dazukommt wie in diesem Jahr und der Abtrieb noch einige Wochen oder gar einen Monat früher erfolgen muß, als das normalerweise der Fall ist, dann stellen Sie sich einmal vor: Wenn hier keine Auffangstelle vorhanden ist und wenn dann - nicht durch die Landwirtschaft verursacht, sondern durch die Witterung bedingt - ein plötzliches Angebot auf den Markt drängt, dann wird damit die ganze Preiskalkulation in der Landwirtschaft über den Haufen geschmissen und der Jahresverdienst der landwirtschaftlichen Familie einfach zunichte gemacht.
Das aber ist untragbar. Deshalb sind wir der Meinung, daß für solche Verhältnisse, und zwar nicht nur 'in außergewöhnlichen Zeiten, sondern Jahr für Jahr, eine Auffangstelle vorhanden sein muß. Wir sind der Meinung, daß auch während des ganzen Ablaufs des Jahres für den Fall, daß vom Weltmarkt her ein Angebot ausbleibt oder nicht genügend Angebot da ist, der Staat verpflichtet ist, im Interesse der Verbraucher, um sie vor allzugroßen Preissteigerungen zu schützen, die Kosten für eine gewisse Vorratshaltung zu tragen. Selbstverständlich muß der 'Staat dann auch bereit sein, im Haushalt die entsprechenden Beträge vorzusehen.
Das gleiche, was ich hier vom Fleisch gesagt habe, trifft beim Fett zu. Ich glaube, wir wären im Augenblick in Anbetracht der jetzigen Verknappung bei Butter alle sehr dankbar, insbesondere die deutsche Landwirtschaft, wenn ein etwas größerer Vorrat an Butter vorhanden wäre und wenn das Hohe Haus damals eine Bevorratung nicht so kategorisch abgelehnt hätte. Butterpreiserhöhungen, wie wir sie zur Zeit leider Gottes haben - und zwar „leider" vom Standpunkt der Landwirtschaft und noch viel mehr vom Standpunkt der Verbraucher -, hätten vermieden werden können, wenn der Staat dank besserer Vorratshaltung hier preismanipulierend hätte eingreifen können.
Ich komme zum Schluß. Auch wir bejahen grundsätzlich eine Marktordnung im Interesse der Erzeugung ebenso wie im Interesse der Verbraucher. Auf der anderen Seite will ich aber keinen Zweifel darüber lassen, daß das bisherige System nicht starr beibehalten werden sollte, sondern daß wir zu gegebener Zeit durch entsprechende Novellen oder bei der Haushaltsberatung oder durch Sonderanträge Änderungen eintreten lassen sollten, wenn es im Interesse der Verbraucher oder im Interesse der Erzeuger notwendig ist. Wir sind weiter der Meinung, daß eine gewisse Revision hier und da in der Verwaltung durchaus denkbar ist, ohne daß ich im einzelnen jetzt schon sagen kann - dazu kann ich im Augenblick noch gar nicht sprechen -, ob die Überbesetzung so stark ist, wie hier herausgestellt wurde. Ich könnte mir aber denken, daß bei stärkerer Berücksichtigung der Wünsche der Wirtschaft im Interesse der Steuerzahler hier eine gewisse Änderung eintreten könnte.
Ich glaube, daß eine weitere Beratung - damit schließe ich mich den Auffassungen von Herrn Kollegen Müller und auch von Herrn Kollegen Horlacher an - im Augenblick nicht notwendig ist. Wir werden von uns aus zu gegebener Zeit, wenn wir es im Interesse der einen oder anderen Seite für notwendig erachten, entsprechende Anträge einbringen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Agrarpolitik ist, wie ich glaube, ein nicht ganz unwesentlicher Bestandteil der Gesamtpolitik. Aber leider ist sie wohl etwas schwieriger zu handhaben als die übrige Politik. Wir haben dafür heute morgen, glaube ich, einen sehr lehrreichen Beweis in der Antragsbegründung unseres Kollegen Bender bekommen. Sie sehen das auch in der Reaktion des gesamten Hauses auf Ihren Antrag, Herr Kollege Bender. Ich wäre durchaus in der Lage, mich ganz sachlich mit all Ihren Fragen und Feststellungen zu befassen, wenn nicht eine einzige Erklärung von Ihnen vorläge, die mir doch beinahe nahelegt, zu denken, daß die Anfrage aus einer Einstellung gegen den gesamten agrarischen Komplex erfolgt ist. Ich meine die disqualifizierende Äußerung, die Sie in bezug auf die deutsche Butter getan haben. Ich will sie nicht ganz wiederholen, es widerstrebt mir; ich will nur den ersten Teil den ich mir notiert habe - vorlesen: „Butter hat heute eine Qualität, die mit der früheren keine Ähnlichkeit mehr besitzt."
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Da muß man schon fragen, ob Sie die frühere Butter gekannt haben.
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Woraus erklären Sie sich denn, daß Deutschland das einzige Land in ganz Europa ist, in dem der Butterverbrauch zunimmt, und daß die deutschen Verbraucher die deutsche Markenbutter am liebsten essen, auch lieber als die holländische und die dänische Qualität, von der neuseeländischen ganz zu schweigen?
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So ist die Situation. Ich bedaure es ganz außerordentlich - da wir doch gerade in der Steigerung des Verbrauchs von Veredlungsprodukten und besonders von Butter, die für die Gesundheit von Kindern und Erwachsenen von solcher Bedeutung ist, ein Ziel unserer Agrarpolitik sehen -, daß wir diese disqualifizierenden Äußerungen ausgerechnet im Bundestage hören mußten.
({3})
Meine Damen und Herren! Zu den Punkten des Antrages sind eine Reihe von Behauptungen aufgestellt worden, die ich im einzelnen noch richtigstellen muß. Damit entfallen selbstverständlich auch ,die daraus gezogenen Schlußfolgerungen. Im ganzen stelle ich mich auf den Standpunkt, der hier allgemein von den Sprechern der Fraktionen vertreten worden ist. Wir können wohl einig darin sein, daß an der Marktordnung selber, an dem materiellen Inhalt der Marktordnungsgesetze nichts geändert werden soll, daß aber die Apparatur, die Organisation, die die von den Marktordnungsgesetzen ausgehenden Aufgaben technisch zu be({4})
wältigen hat, so einfach, so übersichtlich und so billig sein soll wie möglich.
({5})
Ich stehe gar nicht an, zu erklären, daß wir bei diesem Punkte noch gar nicht angekommen sind und uns genau wie bisher noch viel Mühe zu geben haben, um diesen Punkt zu erreichen.
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Das erkläre ich ohne weiteres.
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Es ist ja nicht gefährlich, zuzugeben, daß etwas nicht in Ordnung ist, wenn es sehr schwierig und gleichzeitig sehr gefährlich ist, es abzuändern. Mit den Marktordnungsgesetzen für die Grundnahrungsmittel, für die sie erlassen worden sind, ist nämlich nicht nur die tatsächliche Erhaltung einer sehr leistungsfähigen Landwirtschaft, sondern auch die Sicherung der Ernährung der Bevölkerung zu stabilen Preisen verbunden. Es ist nicht so, wie Sie glauben - um diesen einen sehr wichtigen Vorstoß von Ihnen vorwegzunehmen -, daß wir hier auf einer Preisinsel lebten, die in ganz Europa ihresgleichen suche. Meine Damen und Herren, das ist vollendete Unrichtigkeit. Ich hätte beinahe einen unparlamentarischen Ausdruck gebraucht.
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- Nein, ich habe es nicht gesagt. Ihr Argument ist aber wirklich so abseits jeder Wirklichkeit, daß der Ausdruck berechtigt gewesen wäre.
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- Nun, meine Herren, ich kann nur sagen, daß hier im Hause über diese Fragen oft genug gesprochen worden ist und daß man, wenn man einen solchen Vorstoß mit einer so weitreichenden und einer so außerordentlich scharfen Begründung macht, schon etwas gesicherter in dem Erfahrungsmaterial sein sollte.
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Ich möchte bei der „einsamen Preisinsel im Meer von Europa" anfangen. Ich habe Ihnen dafür einige Unterlagen beschaffen können, die die Getreidepreise in Europa nach den Feststellungen der United Nations, nicht nach unseren eigenen Feststellungen enthalten; es sind fast sämtliche europäischen Länder bis auf Griechenland und Spanien aufgeführt. Die Preise sind in Dollar angegeben, angefangen bei der Schweiz mit 14,87 Dollar je 100 kg bis zu 6,84 Dollar in Holland; dies ist der niedrigste Preis. Der Durchschnittspreis in dem genau in der Mitte liegenden Westdeutschland ist 9,95 Dollar. Der OEEC-Durchschnittspreis ist 10,10 Dollar. Das heißt, wir bewegen uns in Deutschland noch unter dem Durchschnitt des europäischen Weizenpreises.
({11}) So ist die Sachlage.
Nun ein Weiteres. Wir haben hier ebenfalls von United Nations eine Zusammenstellung der Lebenshaltungsindices für Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, die Schweiz, England und Italien. Wenn wir ,den Index für 1950 gleich 100 setzen, dann hat sich der Lebenshaltungsindex in Deutschland folgendermaßen entwickelt: 1951 109, 1952 114, 1953 112, im Juli 1953 113 und im Juli 1954 114. Der Lebenshaltungsindex hat sich also von 109 im Jahre 1951 auf 114 im Juli 1954 heraufentwickelt, in Belgien von 107 auf 115, in Dänemark von 111 auf 122, in Frankreich von 116 auf 120, in Holland von 109 auf 119, in der Schweiz von 104 auf 108 -das ist günstiger -, in England von 111 auf 145, in Italien von 107 auf 113, wobei die Zahlen vom Juli 1954 fehlen. Sie können daraus ersehen, daß Deutschland in der Entwicklung der Lebenshaltungsindices seit 1950 im Rahmen der europäischen Länder mit am günstigsten liegt.
({12})
Im Jahre 1950 traten die ersten Marktordnungsgesetze in Kraft. Sie konnten damals noch keine Auswirkung haben. Also jedenfalls hat die Marktordnung auf die Grundsituation, auf der diese Preisentwicklung beruht, keinen Einfluß gehabt. Die Behauptung von der Preisinsel Deutschland ist demnach durchaus falsch.
Vielleicht darf ich auch darauf hinweisen, daß z. B. Holland und Dänemark niedrigere Preise für Stickstoff- und Phosphorsäuredünger haben, daß z. B. Dieselkraftstoff je 100 kg in Holland 16,4, in Dänemark 18,1 und in Deutschland 34,0 DM kostet, Steinkohle in Holland 12,71, in Dänemark 8,75 und in Deutschland 12,28 DM kostet, daß Trecker mit 20 bis 25 PS in Holland 6900, in Dänemark 5800 und in Deutschland 8000 DM kosten. Wenn wir ganz allgemein Geräte und Landmaschinen zugrunde gelegt hätten, wären wir zu noch ungünstigeren Ergebnissen gekommen. In Dänemark und Deutschland gibt man für den Trecker, in Weizen gerechnet, etwa dasselbe aus. Daraus können Sie auch ersehen, daß es nicht unberechtigt ist, wenn der deutschen Landwirtschaft auf der Einnahmeseite durch Preise, die über den Weltmarktpreisen liegen, ein Äquivalent für die Produktionsmittelpreise geboten wird, die in Deutschland außerordentlich hoch sind.
Sie haben weiterhin erklärt, daß die Marktordnungsgesetze nur eine abgewandelte Reichsnährstandseinrichtung seien. Meine Damen und Herren, die Marktordnungsgesetzgebung, die wir 1949/50 begonnen haben, ist eine konsequente Fortsetzung des Gesetzgebungswerkes, das in der Ära 1929 bis 1932, auch unter der Regierung Brüning, mit dem Reichsmilchgesetz und mit dem Maisgesetz begonnen wurde. Es wurde schon damals versucht, eine Art Marktordnung aufzubauen, die auf das Ziel hinsteuert, stabile Preise für die Verbraucher, eine gesicherte Versorgung der Verbraucher und gleichzeitig rentable Preise für die Landwirtschaft zu haben. Diese Entwicklung wurde 1933 durch Zwangs- und Kriegswirtschaft unterbrochen. Die Zwangswirtschaft, die wir in dieser Zeit gehabt haben, hat mit der Wirtschaft, die wir heute haben, gar nichts zu tun. Wir haben keine Getreidebewirtschaftung; wir haben keine Zwangserfassung und keine Zwangsverteilung. Das haben wir in jener Zeit alles gehabt.
Wenn Sie sich erinnern - Sie sind aber auf diesem Gebiet in der Entwicklung der Dinge steckengeblieben - an unsere Arbeit im Frühjahr und im Sommer, die auch gelegentlich in diesem Hause besprochen wurde, dann werden Sie wissen, daß wir das Einfuhrverfahren für Auslandsgetreide
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und seine Verteilung in Deutschland im Laufe dieses Jahres erheblich geändert und vereinfacht haben. Das ist der erste Schritt: Wenn man eine Organisation vereinfachen und verbilligen will, muß man ihre Aufgaben verringern.
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Dann hat Herr Kollege Bender gesagt, er wolle zwar eine Sicherheitsreserve für Getreide zulassen, aber jeder Ausgleich saisonaler Marktschwankungen, der durch die Einfuhr- und Vorratsstellen auf Grund gesetzlicher Verpflichtung vorgenommen wird, solle in Zukunft unterlassen werden, weil die ein- und ausgelagerten Mengen so niedrig seien, daß sie auf die Preisbildung keinen Einfluß hätten. Nun, Herr Kollege Bender, wenn die Verbraucher und die Landwirte derselben Meinung wären, gäbe es hier im Hause wahrscheinlich keinen Menschen, der sich nicht mit Ihrer Auffassung sofort konform erklären würde. Aber wenn wir z. B. bei dem Angebotsdruck von Getreide im Herbst, wo doch praktisch zur Sicherung der Verbraucher in Deutschland noch eine Reserve an Auslandsgetreide vorhanden sein muß und dazu das gesamte Inlandsgetreide sich an die Einfuhr- und Vorratsstelle heranwälzt, nicht durch Aufnahme dieser Getreidemengen die Preisbildung beeinflußten, hätten wir ausgerechnet in den Monaten der Ernte ruinöse Preise für die Landwirtschaft.
Genau dasselbe ist z. B. beim Weideabtrieb der Fall. Wenn im Herbst des Jahres der einzelne Landwirt das ernten will, was er an Futter für sein Vieh im Stall und auf der Weide geopfert hat, und dann der Weideabtrieb natürlich außerordentlich stark einsetzt - in den Monaten August bis November in der Regel 400 000 Tiere -, dann würde ohne Eingreifen der Einfuhr- und Vorratsstelle ein Preisverfall eintreten, so daß wir zu Subventionsmaßnahmen für die Landwirtschaft schreiten müßten, die das Zigfache von dem kosten, was dieses Verfahren erfordert. Im übrigen sind dafür im letzten Jahr nicht 47 Millionen DM ausgegeben worden, wie Sie es vorhin dargestellt haben. Sie mögen zwar im Etat stehen, aber sie sind nicht ausgegeben worden. Für die Vorratshaltung bei Vieh z. B. sind ganze 21 Millionen DM verbraucht worden.
Sie fragen nun, warum wir heraufschleusen und warum die Verbraucher nicht die Möglichkeit haben sollen, billiges Fleisch oder billige Butter zu essen. Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt nicht Tausende von Tonnen ausgelagert hätten, äßen die Verbraucher heute schon Butter, die pro Kilogramm mindestens 8 DM und mehr kosten würde.
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Denken Sie an den Herbst 1952. Das Ausland ist gar nicht in der Lage, den deutschen Markt in vollem Umfang zu versorgen, wenn die deutsche Landwirtschaft nicht mitzieht.
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Wenn wir die deutsche Landwirtschaft dem Preisverfall überließen, der bei dauernd herauf- und herunterschwankenden Preisen eintreten würde - die im übrigen nicht nur den Erzeuger, sondern auch den Verbraucher und auch den Handel stören -, würde ein erheblicher Produktionsausfall die Folge sein. Sie brauchen nur nach Frankreich zu sehen, da können Sie das in der Praxis studieren. Wenn der Bauer auf die Höhe der Erzeugung kommen will, muß er einigermaßen verläßliche, stabile Preise haben, weil er kalkulieren muß. Dieser Aufgabe dienen die Marktordnungsgesetze. Ich glaube, sie haben sich ausgezeichnet bewährt, weil sie dem Verbraucher eine gesicherte Versorgung zu stabilen Preisen und dem Erzeuger Kalkulationsgrundlagen geben, damit er seine Erzeugung ausdehnen kann und damit er da hineinwächst, wohin wir auf dem Marsche sind: zu größeren, gemeinsamen Märkten.
Die Beispiele Butter und Fleisch habe ich Ihnen bereits vorgeführt und brauche sie wohl nicht weiter zu vertiefen. Im übrigen betrifft die Kritik an der Vorratshaltung praktisch nicht nur Deutschland, sondern eine ganze Reihe von Staaten auf der ganzen Welt, die eine derartige Vorratshaltung haben. Darüber hinaus haben etwas Ähnliches wie die Marktordnung sämtliche Länder der freien Welt. Kein einziges Land überläßt den Ablauf von landwirtschaftlicher Produktion und landwirtschaftlichem Absatz dem freien Spiel der Kräfte. Infolgedessen ist es wohl auch nicht falsch, wenn wir es in Deutschland in der Weise, wie wir das bisher getan haben, verfolgen. Wir sind uns dabei darüber einig, daß das mit den einfachsten Mitteln gemacht werden soll.
Ich habe vorhin bei den Vereinfachungen des Einfuhrverfahrens noch vergessen, daß es z. B. Frachtsubventionen heute nur noch für die Zuteilung von Qualitätsgetreide gibt, um überall einen gleichen Brotpreis und überall die gleiche Qualität im Brot zu haben.
Zu den angegebenen Zahlen darf ich noch folgendes sagen. Die Ansätze, die von Herrn Kollegen Bender für die Vorratshaltungskosten genannt worden sind, sind nicht richtig. Nach Abzug der 4%igen Kürzung und eines gesperrten Betrages von 12 Millionen DM stehen 152,8 Millionen DM und nicht 181,3 Millionen DM zur Verfügung. Von diesem Betrage entfallen rund 6,5 Millionen DM auf die Verwaltungskostenzuschüsse und zirka 146,3 Millionen DM auf die reinen Vorratshaltungskosten. Der Verwaltungsaufwand der Einfuhr- und Vorratsstellen ist auf insgesamt 8,6 Millionen DM veranschlagt. Die Differenz zwischen Verwaltungsaufwand und Bundeszuschüssen wird aus Gebühren und sonstigen Einnahmen gedeckt, die 1,8 Millionen DM betragen. Die Gebühreneinnahmen der Einfuhr- und Vorratsstellen sind für 1954 mit 1,46 Millionen DM veranschlagt.
Wenn die Unkosten so hoch wären, wie sie in Ihrer Kritik angegeben worden sind, würde es, glaube ich, leichter sein, die gesamte Vorratshaltung dem privaten Gewerbe zu übertragen. Der Berliner Getreidehandel hat seit Monaten bei uns einen Antrag laufen: er will die gesamte Vorratshaltung in Berlin in private Hände überführen. Ich habe gesagt: warum nicht, aber dann muß es zu den gleichen Preisen geschehen wie bisher. Das hat der private Handel in Berlin bisher noch nicht anbieten können.
Die Tatsache, daß diese Posten im Etat in jedem Jahr wieder erscheinen und im Haushaltsausschuß und vorher im Finanzministerium und in der Bundesregierung eingehend beleuchtet werden, zeigt doch, daß wir hier nicht Summen vor uns haben, von denen man mit einem Handgriff 100 bis 200 Millionen DM sparen könnte. Wie müßte unser
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Haushaltsausschuß aus merkwürdig unerfahrenen oder unintelligenten Leuten zusammengesetzt sein, wenn das so einfach wäre!
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Die derzeit 1,1 Millionen t betragenden Brotgetreidemengen haben einen Wert von rund 800 Millionen DM, der sich bei voller Durchführung des Bevorratungsprogramms auf 1,3 Milliarden DM erhöht. Die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten machen nach dem Einsetzen dieser Unkosten 0,4 bis 0,6 % aus. Das soll eine private Organisation mal billiger machen! Dabei ist zu berücksichtigen, daß von den Vorratshaltungskosten von 146 Millionen DM allein 55 Millionen DM auf die Berliner Lagerhaltung entfallen.
Die bekrittelte Lagerhaltung in Schmalz ist äußerst gering: sie besteht nur noch für Berlin. Die bekrittelte Lagerhaltung in Margarinerohstoffen besteht noch zu ganzen 3000 t, die auch bald verschwinden werden.
Sie sehen also, auch ohne die hier sehr scharf vorgetragene Kritik ist vieles im Gange, was Sie hei Rückfragen im Ernährungsministerium sehr einfach hätten erfahren können. Wenn Sie nun Ihrerseits meinen, daß das alles sehr viel schneller gehen müßte, dann möchte ich Ihnen sagen: Wer sich mit Agrarpolitik befaßt und Wert darauf legt, Dauererfolge zu erzielen, der muß viel Geduld mitbringen und der muß den rechten Zeitpunkt zu seinem Eingreifen abwarten können.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Bender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein ganz kurzes Schlußwort. Ich selbst bedaure den sensationellen Anstrich, den diese Debatte bekommen hat. Aber ich möchte doch um der Gerechtigkeit willen bitten, sich einmal zu prüfen, wer den sensationellen Anstrich hineingebracht hat. Man kann sehr leicht eine Debatte sensationell machen, wenn man mit persönlichen Angriffen arbeitet. Das kann ziemlich versteckt geschehen. Man kann z. B. sagen: Du bist ein Industriesyndikus, und du hast mit Nazis mehr zu tun gehabt als die Landwirtschaft. Das wirkt schon sensationell. Man kann von Ideologen und Idioten sprechen und dann dem Redner die Wahl lassen, was er sich aussucht. Er möchte keines von beiden. Man kann schließlich - um einen Kernsatz Ihrer wirtschaftspolitischen Magna Charta zu zitieren, den Sie heute erwähnt haben - sagen: Wir lehnen es ab, unsere Agrarpolitik nach den Grundsätzen der Nachfrage .einzurichten. Herr Dr. Müller, haben Sie sich den Satz wirklich überlegt?
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- Ich habe ihn aber gehört, es tut mir leid.
Man kann schließlich, wenn gerade von einem sehr toleranten Präsidenten präsidiert wird, das Wort „Frechheit" gebrauchen. Meine Damen und Herren, für einen jüngeren Menschen ist das Wort „Frechheit" sicher nicht die Attestierung einer besonderen Tugend. Aber immerhin steht dem jüngeren Menschen der Vorwurf „Frechheit" noch besser an als den älteren Menschen der Vorwurf des Mangels an Weisheit des Alters, den ich hiermit erheben möchte, ohne in der Gefahr zu sein, unparlamentarisch gesprochen zu haben.
Ich darf zusammenfassen. Keine meiner Behauptungen ist widerlegt.
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Keine meiner Fragen ist beantwortet. Wenn das Haus meint, sich um Fragen nicht kümmern zu sollen und keine Antwort der Regierung erbitten zu sollen in Angelegenheiten, wo es um Hunderte von Millionen geht, dann ist es ganz unverständlich, warum bei weit geringeren Beträgen, z. B. wenn 25 Millionen DM für Weihnachtsbeihilfen an Erwerbslose gefordert werden, das Haus in eine Siedehitze kommt, die mir nun nicht mehr erklärlich ist. Ich wiederhole namens meiner Fraktion den Antrag auf Drucksache '732.
Meine Damen und Herren! Ich darf im Hinblick auf die Blicke des Herrn Redners zum Präsidentenstuhl nur feststellen, ,daß das inkriminierte Wort nicht während meiner Zeit hier oben gefallen ist.
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Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht mehr zur Sache reden. Ich möchte nur noch zu bedenken geben, daß wir es wirklich nicht nötig haben, so zu verfahren, wie Herr Kollege Müller vorgeschlagen hat: über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
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Wir sollten dem Herrn Minister dankbar dafür sein, daß er hier offen etwas ausgesprochen hat, was - soweit ich feststellen konnte - die Zustimmung des ganzen Hauses gefunden hat. Wir sind dauernd verpflichtet, uns mit den Einzelheiten auseinanderzusetzen. Wir machen auch einen Unterschied zwischen der Marktordnung und dem, was zur Durchführung der Marktordnung gehört, was aber nicht gleich die ganze Marktordnung ist.
Es ist bekannt, daß es Kritik gibt, und niemand kann bestreiten, daß die Kritik in gewissem Umfange und zu gewissen Punkten auch berechtigt ist. Das braucht auch niemand zu wundern. Ich wiederhole nur: Es ist nur allzu verständlich, allzu selbstverständlich, daß mit solchen Einrichtungen Erfahrungen gemacht werden, mit denen man sich befaßt. Ich bedaure sehr, daß die Geschichte so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist. Wir sollten auch bei niemandem den Eindruck erwecken, als hätten wir, .die wir uns zur Marktordnung bekennen und die wir an der Marktordnung festzuhalten wünschen, irgendeine Hemmung, uns mit den Anliegen auseinanderzusetzen, die uns ja nicht erst aus dem Antrag, dessen Begründung wir heute gehört haben, bekanntgeworden sind.
Ich denke dabei vielmehr an diese Seite der Sache als an den Antrag, von dem ich selber gesagt habe, daß ich ihn als eine unglückliche Angelegenheit empfinde. Wenn Sie mich fragten, worin die unglückliche Dramatisierung liegt, dann würde ich sagen: der Eindruck ist zweifellos auch durch die Art der Vorbereitung entstanden. Es ist mir, muß ich offen sagen, bisher nicht sehr oft passiert, daß die Begründung zu einem Antrag schon vorher der Presse übergeben worden ist. Es mag das ein Unglücksfall sein; es hat das zweifellos auch dazu beigetragen, den Eindruck zu erwecken: na, da geht aber eine ganz große Sache los, und da müssen wir
({1})
- das war die Reaktion darauf - wie ein Mann zusammenstehen, damit nichts passiert. Ich glaube, das Haus würde dem Problem der Marktordnung und sich selber viel mehr gerecht werden, wenn hier beschlossen würde - was ich mir hiermit zu beantragen erlaube -: der Ernährungsausschuß wird beauftragt, sich mit diesem Komplex zu befassen und zu gegebener Zeit dem Hause darüber einen Bericht zu erstatten. Dabei sage ich noch einmal: wir sind auf diesen Antrag gar nicht angewiesen, aber wir sollten auch nicht den Eindruck entstehen lassen, als hätten wir hier irgend etwas zu verbergen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bei meinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß es sich hier nicht um einen Antrag, sondern um eine Große Anfrage handelt. Herr Kriedemann stimmt dieser Auffassung zum Teil zu, weil er auch sagt, es ist kein Antrag. Nachdem nun der Herr Minister diese Große Anfrage eingehend beantwortet hat, muß ich an meinem Antrag, zu erklären, daß damit diese Angelegenheit erledigt ist, um so mehr festhalten.
({0})
Ich möchte in diesem Hause die Dinge nicht dadurch verwischen lassen, daß man eine Große Anfrage einbringt und daraus einen Antrag macht, und umgekehrt. Das hindert nicht, daß wir uns in Zukunft, wie es auch in der Vergangenheit gewesen ist, im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten jederzeit über die Fragen der Einfuhr- und Vorratsstellen unterhalten können.
Meine Damen und Herren, jetzt liegen aber wirklich keine Wortmeldungen mehr vor. Ich darf darauf hinweisen, daß zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zwei Anträge gestellt worden sind: von Herrn Dr. Müller ({0}) der Antrag, den Antrag der Fraktion des GB/BHE für erledigt zu erklären, was also Übergang zur Tagesordnung bedeutet, sowie der Antrag des Herrn Kriedemann auf Ausschußüberweisung. Der erste der beiden Anträge geht zweifellos vor. Ich darf also diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag, den Antrag des GB/BHE für erledigt zu erklären, zustimmen wollen, bitten, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Fraktion der CDU/CSU eine halbe Stunde nach Beendigung des Plenums Fraktionssitzung abhält.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die 4 Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld
und Kredit ({2}) ({3}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Geiger ({4}).
Geiger ({5}) ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geld und Kredit hat den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über
die Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungs- und Bausparwesen in seiner 14. Sitzung am 6. Oktober dieses Jahres beraten.
Auf Grund der Geschäftsordnung des Bundesaufsichtsamtes vom 25. März 1953 sind beim Bundesaufsichtsamt Beschlußkammern gebildet worden, die die bedeutsamsten Entscheidungen zu treffen haben. Diese Entscheidungen können vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden, deren Rechtszug bisher drei Instanzen umfaßt. Da den Entscheidungen der Beschlußkammern regelmäßig eine schwerwiegende wirtschaftliche Bedeutung sowohl für die betroffenen Versicherungsunternehmen als auch für den weiten Kreis ihrer Versicherten zukommt, sind sie zumeist eilbedürftig und verlangen eine rasche endgültige Klärung. Ein Rechtszug durch die drei Instanzen der Verwaltungsgerichte verzögert jedoch erfahrungsgemäß die Rechtskraft der Entscheidungen mindestens um zwei Jahre. Dadurch wird die Gefahr zu groß, daß die Geschäftspraxis des einen oder anderen Versicherungsunternehmens inzwischen eine für die Versicherungsnehmer bedenkliche Auswirkung zur Folge hat. Provisorische Regelungen, die der Präsident des Bundesaufsichtsamtes zwar treffen könnte, verbieten sich praktisch dadurch, daß eine dergestalt angeordnete Änderung der Geschäftspolitik eines Versicherungsunternehmens sich nach mehreren Jahren kaum rückwirkend beseitigen läßt. Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es notwendig, den Rechtszug des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegen Entscheidungen der Beschlußkammern auf eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, zu beschränken.
Durch die in dem Gesetzentwurf vorgesehene entsprechende Anwendbarkeit des § 9 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 soll eine Beschränkung des Rechtszuges auf eine Instanz, das Bundesverwaltungsgericht, nur in drei besonders bedeutungsvollen Fällen stattfinden, nämlich wenn die Angelegenheit nach Umfang, Bedeutung oder Auswirkung über das Gebiet des Landes hinausgeht oder von allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung ist oder aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses einer alsbaldigen Entscheidung bedarf.
Der Ausschuß für Geld und Kredit glaubt einer Eingabe des Bundesverbandes der deutschen Industrie, der Bedenken gegen das vereinfachte Verfahren anmeldete, nicht Rechnung tragen zu brauchen, da das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen, in denen die erwähnten Voraussetzungen nicht vorliegen, die Sache durch Beschluß an das örtlich zuständige allgemeine Verwaltungsgericht des ersten Rechtszuges verweist.
Bei zur Zeit anhängigen Verfahren wird nach allgemein gültigen Rechtsgrundsätzen die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt. Ich darf hierzu auf die in der Monatsschrift Deutsches Recht 1954 Seite 13 zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 1. November 1953 verweisen.
Im übrigen hat sich der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft in einem Schreiben für den Gesetzentwurf ausgesprochen.
Der Ausschuß für Geld und Kredit schlägt einstimmig die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfes vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe zur zweiten Lesung auf
({0})
Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Einzelberatung entfällt. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Einstimmig angenommen.
Punkt 4 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}). ({4})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Kirchhoff.
Kirchhoff ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Überleitungsgesetzes liegen Ihnen die Drucksachen 466 und 874 vor. Es handelt sich darum, die Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen an der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund zu übernehmen. Es ist ein an sich sehr einfaches Gesetz, zu verstehen aus den veränderten politischen Verhältnissen. Ein paar interessante Streitpunkte treten dabei aber zutage. Der Regierungsentwurf liegt als Anlage 1 der Drucksache 466 vor, und zwar mit einer allgemeinen Begründung und einer Begründung der einzelnen Gesetzesbestimmungen. Einzelheiten über die geschichtliche Entwicklung der Pfandbriefanstalt und ihre Aufgaben sind der ausführlichen allgemeinen Begründung zu entnehmen. Ich kann mich) daher auf einen kurzen Überblick beschränken.
Die Deutsche Pfandbriefanstalt wurde im Jahre 1922 unter dem etwas schwerfälligen Namen „Preußische Landespfandbriefanstalt" als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Berlin errichtet. Sie hatte das Recht, Pfandbriefe und Kommunalobligationen .auszugeben. Der Geschäftsbereich erstreckte sich zunächst auf Preußen, später auch auf außerpreußische Gebiete. Nach der Satzung hat die Anstalt die Aufgabe, in erster Linie der Finanzierung des Kleinwohnungs- und Kleineigenheimbaues für die minderbemittelte Bevölkerung durch Hergabe billiger erststelliger und auch zweitstelliger Hypotheken zu dienen. Sie hat auf diesem Gebiet bahnbrechend gewirkt. Ihre Tätigkeit ist gemeinnützig und auch heute noch hochaktuell auf dem Gebiete des Wohnungsbaues für Geschädigte, Vertriebene und Umsiedler.
Nach dem Zusammenbruch wurde die Pfandbriefanstalt zunächst nach München, dann nach Frankfurt und schließlich nach Wiesbaden verlagert. Wenn auch der Sitz noch in Berlin ist, so ist doch die Hauptverwaltung durch Erlaß der hessischen Regierung vom 28. September 1949 mit Wirkung vom 20. Februar 1945 in Wiesbaden. Außerdem befinden sich Zweigstellen an acht verschiedenen größeren Plätzen. Im Jahre 1951 erhielt das Institut unter Zustimmung aller Länder den Namen „Deutsche Pfandbriefanstalt".
An dem eingezahlten Grundkapital von 31 Millionen RM war der preußische Staat mit 29,6 Millionen, das sind 95,6 %, beteiligt. Die restlichen Kapitalanteile kamen von der Deutschen Reichsbahn, der Deutschen Bau- und Bodenbank und anderen. In der Umstellungsrechnung der verlagerten Anstalt ist das vorläufige Eigenkapital mit rund 10,8 Millionen DM ausgewiesen. Der Anstalt wurden gemäß Umstellungsgesetz 25 Millionen DM Ausgleichsforderungen gegen die Länder zugeteilt, und zwar entsprechend dem Aufkommen aus Körperschaft- und Einkommensteuer der Länder des Jahres 1947.
Der Bund nimmt die Kapitalbeteiligung des Landes Preußen wegen der überregionalen Stellung der Anstalt und ihrer besonderen Bedeutung für die Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus für sich in Anspruch. Bei den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern wurde das Recht der Bundesregierung zur Übernahme der Verwaltung und der Kapitalbeteiligung anerkannt.
Eine bundesgesetzliche Regelung ist dringlich; denn sie ist die Voraussetzung für die Handlungsfähigkeit und das Tätigwerden der Hauptversammlung. Die seit der Währungsreform aufgestellten Jahresabschlüsse können erst nach Erlaß dieses Gesetzes von der Hauptversammlung genehmigt und veröffentlicht werden.
Der Entwurf bestimmt in § 1, daß die Beteiligung des Landes Preußen auf den Bund übergeht. Der § 2 sagt: Die Deutsche Pfandbriefanstalt ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts und wird der Aufsicht des zuständigen Bundesministers unterstellt. Der § 3 enthält die Berlin-Klausel. Der § 4 regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Aus Anlage 2 der Drucksache 466 geht hervor, daß der Bundesrat unter Berufung auf Art. 76 des Grundgesetzes in seiner 118. Sitzung zwei Änderungen vorgeschlagen hat, erstens die Eingangsformel dahin zu ergänzen, daß das Gesetz seiner Zustimmung bedarf, zweitens einen § 1 a in den Gesetzentwurf aufzunehmen, der folgendermaßen lautet:
Der Bund wird mit Inkrafttreten des Gesetzes Schuldner der Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt.
Anlage 3 der Drucksache 466 enthält die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates. Sie lehnt beide Änderungsvorschläge ab. Sie widerspricht der Meinung des Bundesrates, daß das Gesetz zustimmungsbedürftig sei. Die Problematik, ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist oder nicht, liegt in der Auslegung des Art. 135 des Grundgesetzes, ist also eine rein verfassungsrechtliche Frage. Die Bundesregierung stützt sich auf Abs. 4 'von Art. 135, der Bundesrat auf Abs. 5 von Art. 135. Auch der Ansicht des Bundesrates, daß sich die Zustimmungsbedürftigkeit aus Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes ergebe, wird von der Bundesregierung nicht zugestimmt.
Der Bundesrat fordert, daß der Bund auch Schuldner der Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt wird, da es nicht angebracht sei, daß der Bund nur die Aktiva und nicht auch die damit im Zusammenhang stehenden Schul({6})
den übernehme. Im übrigen betrage der Jahresgewinn 1953 der Deutschen Pfandbriefanstalt 1,2 Millionen DM. Nach Ansicht der Bundesregierung steht diese Forderung in Widerspruch zu der grundsätzlichen Regelung der Schuldnerschaft für die Ausgleichsforderungen. Bund und Länder seien an die gesetzliche Regelung nach dem Umstellungsgesetz so lange gebunden, bis das gesamte Gebiet der Ausgleichsforderungen anderweitig geregelt würde. Soweit der Inhalt der Drucksache 466.
In seiner 26. Sitzung hat der 2. Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf in erster Lesung ohne Debatte dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen. Der Ausschuß hat sich mit diesem Entwurf in mehreren Sitzungen beschäftigt. Es wurde ein Unterausschuß „Pfandbriefanstalt" gebildet, der mit den zuständigen Ministerien in eine Prüfung der rechtlichen Seite eingetreten ist.
Für die Problematik des Art. 135 des Grundgesetzes ist keine Lösung gefunden worden. Ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist oder nicht, wurde leider nicht entschieden.
Zur Ausräumung der sachlichen Differenzen erklärte sich das Bundesfinanzministerium bereit, den Zinsendienst der Länder gegenüber der Deutschen Pfandbriefanstalt nach Inkrafttreten des Gesetzes in Höhe von jährlich 935 000 DM zu übernehmen. Die Übernahme der Schuldnerschaft für die Ausgleichsforderungen wurde vom Ausschuß nach wie vor abgelehnt. Das große Problem der Ausgleichsforderungen kam also einer Lösung nicht näher. Wohl will das Bundesfinanzministerium die Tilgungsraten übernehmen, falls nach Inkrafttreten des Gesetzes eine allgemeine Tilgungsregelung für die Ausgleichsforderungen zustande kommt, doch soll darüber im Gesetz nichts stehen; lediglich eine Verwaltungsvereinbarung ist vorgesehen. Ein diesbezüglicher Briefwechsel zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Finanzausschuß des Bundesrates liegt vor.
Auf die Bitte des Ausschusses hat sich das Bundesministerium der Finanzen nach Abschluß der Ausschußberatungen mit den Länderfinanzministerien in Verbindung gesetzt, um festzustellen, welcher Gesetzesformulierung der Bundesrat zustimmen würde. In einer Konferenz am 21. Oktober 1954 haben die Finanzminister der Länder die Einfügung eines § 1 a in der folgenden Fassung empfohlen - Herr Präsident, darf ich Ihnen diese Fassung überreichen -:
Der Bund erstattet den Ländern die von ihnen für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zu leistenden Aufwendungen ({7}) für die Ausgleichsforderungen der Deutschen Pfandbriefanstalt.
Da die Beratungen des Ausschusses für Geld und Kredit von Anbeginn an zum Ziele hatten, einen Kompromiß zwischen den Auffassungen der Bundesregierung und des Bundesrates zu finden, der von beiden Seiten akzeptiert würde, habe ich die Ehre, dem Hohen Hause namens des Ausschusses die Annahme des Antrages Drucksache 874 - Mündlicher Bericht - mit der Maßgabe vorzuschlagen, in dem vorgesehenen § 1 a die Worte „zu zahlende Zinsen auf die Ausgleichsforderungen" durch die Worte „zu leistende Aufwendungen ({8}) für die Ausgleichsforderungen" zu ersetzen. Weiter habe ich Ihnen vorzuschlagen, dem Gesetz im übrigen unverändert nach der Vorlage Drucksache 466 zuzustimmen.
Ich darf festhalten, Herr Berichterstatter, daß dies eine Änderung des Mündlichen Berichts auf Drucksache 874 ist, die vom Ausschuß nachträglich beschlossen wurde.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Herr Mellies?
Sie muß doch eigentlich dem Hause gedruckt vorliegen! Das ist unter Umständen eine sehr entscheidende Änderung, die da getroffen wird!
Bestehen Bedenken, daß wir diese vom Herrn Berichterstatter vorgeschlagene Änderung zur Grundlage unserer weiteren Beratung machen?
({0})
- Herr Abgeordneter Mellies hat das Wort - oder wollten Sie nur Bedenken anmelden?
({1})
- Dann stellen wir die Beratung des Gesetzentwurfs bis zur nächsten Sitzung zurück, bis der geänderte Bericht Drucksache 874 schriftlich vorliegt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({3}) ({4}).
({5})
Als Berichterstatter hat das Wort an Stelle des Abgeordneten Lenz ({6}) der Abgeordnete Dr. Pohle.
Dr. Pohle ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An Stelle des Kollegen Lenz ({9}) habe ich Ihnen folgenden Bericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu erstatten. Die Regierungsvorlage Bundestagsdrucksache 750 betreffend Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft hat zum Inhalt, den bisherigen Bundeswirtschaftsplafond von 800 Millionen DM um 650 Millionen DM zu erhöhen. Zur Begründung dieser Maßnahme verweise ich auf die Erläuterungen dieser Drucksache.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages hat sich in seiner 25. Sitzung am 8. Oktober mit der vorliegenden Gesetzesvorlage befaßt und ihr einstimmig wegen der Dringlichkeit des Vorhabens zugestimmt. In diesem Zusammenhange wurde im Wirtschaftspolitischen Ausschuß die Frage gestellt, ob sich die im Gesetz vom 9. Juli 1953 betreffend Förderung der deutschen Wirtschaft zuerkannten Bundesgarantien wirtschaftsfördernd ausgewirkt haben, insbesondere inwieweit der Bund tatsächlich bei den zuerkannten Bürgschaften in Anspruch genommen worden ist. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums hält sich diese zu Lasten des Bundeshaushalts voll({10})
zogene Inanspruchnahme in dem relativ geringen Umfange von etwa 1,5 % der bisherigen Garantiesumme.
Über die Abwicklung der Förderungsmaßnahmen hat das Bundesministerium der Finanzen entsprechend dem Wunsche des Wirtschaftspolitischen Ausschusses laufend berichtet. Diesen Berichten zufolge haben sich die Bürgschaftsverpflichtungen durchaus wirtschaftsfördernd ausgewirkt, dies um so mehr, als es sich in der Endauswirkung nicht nur um die unmittelbaren Beträge des Bundes, sondern um weit höhere Summen handelt, die durch die Mitbeteiligung der Länder den bedachten Wirtschaftszweigen zugute gekommen sind.
Aus dieser Erwägung heraus ist ,dem Hause kürzlich ein Initiativantrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Lücker, Bauknecht und Genossen, Bundestagsdrucksache 809, zugegangen. Dieser Antrag ist in der 51. Sitzung des Hohen Hauses dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen worden. Bereits vor seiner parlamentarischen Behandlung hatte sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß informatorisch mit der Angelegenheit beschäftigt und zum Ausdruck gebracht, daß er sich grundsätzlich positiv dazu einstelle. Die von den Antragstellern beantragte Kreditgarantie für die mittelständische Wirtschaft, Handwerk, Handel, Landwirtschaft, Fischwirtschaft und Fremdenverkehr in Höhe von 300 Millionen DM ist in der Regierungsvorlage Drucksache 750 nicht berücksichtigt worden. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß war der Auffassung, daß diesen Wünschen erst nach Vorlage eines umfassenden Berichtes über die seinerzeit angekündigten Kreditgarantiegemeinschaften Rechnung getragen werden könne. Es soll aber zunächst einmal die von der Bundesregierung beabsichtigte Erhöhung gemäß der Gesetzesvorlage Drucksache 750 beschlossen werden.
Ich bitte das Haus, dem einstimmig gefaßten Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu folgen und der Gesetzesvorlage über Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf in zweiter Lesung §§ 1, - 2, - 3, -4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Einzelberatung entfällt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes ({0}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zu überweisen an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Entwurfs einer Zweiundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird auch hier verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Entwurfs einer Dreiundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({2}).
Auch hier wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({3}) über den Entwurf einer Achtzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen ({4}).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Margulies.
({5})
- Ist Herr Abgeordneter Margulies nicht im Saal?
({6})
- Verzichtet das Haus auf Berichterstattung?
({7})
- Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor. Allerdings glaube ich, daß ein mündlicher Bericht wohl ausführlicher gewesen wäre. Aber es wird auf mündliche Berichterstattung verzichtet. Dann darf ich das Wort erteilen. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Dann darf ich abstimmen lassen über den Antrag des Ausschusses, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem` Verordnungsentwurf - Drucksache 633 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({8}) über den Entwurf einer Zwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({9}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Birkelbach.
({10})
- Es wird auf den Schriftlichen Bericht**) verwiesen und auf mündliche Berichterstattung verzichtet. Das Wort wird nicht gewünscht.
*) Siehe Anlage 1. **) Siehe Anlage 2.
({11})
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses:
Der Bundestag wolle beschließen,
dem Verordnungsentwurf - Drucksache 763 - unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({12}) über die Fünfte Verordnung über Zolltarifänderungen aus Anlaß der Errichtung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({13}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Griem. Ich erteile ihm das Wort.
Griem ({14}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Außenhandelsausschusses habe ich Ihnen zu empfehlen, die Drucksache 456 unverändert anzunehmen. Der Inhalt der Vorlage geht darauf hinaus, von den bisher bestehenden vier Zollstellen, die für eine verbilligte Verzollung von Eisen und Eisenerzeugnissen vorgesehen waren, abzugehen und eine Erweiterung auf sieben vorzunehmen, da zeitliche Verzögerungen und transportliche Nachteile zu erwarten waren. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, letzterer mitberatend, haben sich mit dem Thema befaßt und sind zu der Überzeugung gekommen, daß wir dem Hause empfehlen sollten, der Vorlage ohne Veränderung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes betreffend Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Rechnungsjahr 1952 - Einzelplan XX - ({0}).
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betreffend Zündwarensteuer ({1}).
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Lindrath.
Dr. Lindrath ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 51. Sitzung am 21. Oktober einen Antrag der SPD-Fraktion über den gleichen Gegenstand beraten und hat damals beschlossen, den Initiativgesetzentwurf dem Ausschuß für
Finanz- und Steuerfragen zuzuweisen. Ich halte es für zweckmäßig, daß wir in diesem Fall ebenso verfahren, und beantrage, den Antrag Drucksache 917 ebenfalls dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ich stelle hiermit den Antrag für die CDU/CSU-Fraktion.
Wird das Wort weiter gewünscht? Das ist nicht der Fall. Dann nehme ich an, daß dem Antrage entsprochen wird, den Antrag Drucksache 917 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 22. November 1952 über den Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ceylon betreffende allgemeine Fragen sowie zu dem Ergänzungsprotokoll vom 29. Januar 1954 zu diesem Protokoll ({0}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 16 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Personalausweise ({1}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 62 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 23. Juni 1937 über Unfallverhütungsvorschriften bei Hochbauarbeiten ({2}).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreuend das Übereinkommen Nr. 17 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 10. Juni 1925 über die Entschädigung bei Betriebsunfällen ({3}).
Auf Begründung und Aussprache wird auch hier verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 54. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 5. November, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.