Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 40. Sitzung des 2. Deutschen Bundestags und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat für 2 Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Frau Schroeder ({0}), Dr. Maier ({1}), Rehs, Onnen, Dr. Reichstein, Hörauf, Mensing, Frau Keilhack, Frau Dr. Schwarzhaupt, Dr. Vogel, D. Dr. Gerstenmaier.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Wagner ({2}), Dr. Dehler, Dr. Werber, Scharnberg, Knobloch, Dr. Kopf, Dr. Preller, Dr. Pohle ({3}), Frau Pitz, Kiesinger, Frau Dr. Steinbiß, Neumann, Dr. Welskop, Leibfried, Geiger ({4}), Dr. Blank ({5}) und Dr. Middelhauve.
Danke schön!
Meine Damen und Herren, zur heutigen Tagesordnung habe ich zunächst darauf hinzuweisen, daß eine interfraktionelle Vereinbarung vorliegt, den Punkt 7 der heutigen Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kulturpolitik ({1}) ({2})
({3}),
an den Ausschuß zurückzuverweisen unter gleichzeitiger Neuüberweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als mitbeteiligten Ausschuß. Da es sich hierbei um eine interfraktionelle Vereinbarung handelt, unterstelle ich, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Tagesordnung wünscht das Wort der Herr Abgeordnete Horn. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuß dieses Hauses hat am vergangenen Freitag seine Beratungen über die Drucksachen 318 und 319 - Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Kinderbeihilfen und Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Kindergeld und die Errichtung von Familienausgleichskassen - beendet. Anschließend hat eine Redaktionskommission die letzten Korrekturen an der Vorlage vorgenommen. Es war und ist der dringende Wunsch meiner Fraktion, daß diese Gesetzesvorlage noch vor den Parlamentsferien verabschiedet wird, weil in der Vorlage vorgesehen ist, daß die Zahlung der Kinderbeihilfen mit dem Monat Januar 1955 beginnen soll. Der Ältestenrat hat dem Ersuchen der CDU/CSU-Fraktion, die Angelegenheit auf die heutige bzw. die morgige Tagesordnung zu setzen, nicht entsprochen. Wegen der Schwierigkeit der Materie konnte die Drucksache nicht rechtzeitig, entsprechend den Vorschriften der Geschäftsordnung, vorgelegt werden. Wenn eine Verschiebung der Beratungen bis nach den Parlamentsferien erfolgt, ist es wegen der technischen Notwendigkeiten, die beim Inkrafttreten des Gesetzes zu erfüllen sind, unmöglich, die Zah({0})
lung der Kinderbeihilfen am 1. Januar 1955 eintreten zu lassen. Nach unserer Auffassung wird eine Verzögerung von mindestens einem Vierteljahr, wenn nicht von noch längerer Dauer, eintreten müssen.
Meine Fraktion beantragt deshalb, das Hohe Haus möge beschließen, in diesem Falle von der Anwendung der Vorschrift der Geschäftsordnung, wonach frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksachen in die Beratungen eingetreten werden kann, abzusehen. Zweitens beantragen wir, wenn diesem Ersuchen stattgegeben wird, diesen Punkt noch auf die heutige Tagesordnung zu setzen, damit die Gewähr gegeben ist, die Vorlage noch vor den Ferien zu verabschieden.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag, den Herr Abgeordneter Horn namens der CDU/CSU-Fraktion gestellt hat, gehört. Herr Abgeordneter Horn, ich unterstelle Ihr Einverständnis, daß ich über diese Anträge in umgekehrter Reihenfolge hier verhandle; denn wenn der Punkt nicht auf die Tagesordnung käme, bedürfte es keiner Erörterung der Frage, ob die Fristen hinsichtlich der Drucksachen eingehalten sind.
Gegenstände, die nicht auf der Tagesordnung stehen, können auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn nicht fünf Mitglieder widersprechen. Ich habe also pflichtgemäß die Frage zu stellen, ob widersprochen wird. - Herr Abgeordneter Eickhoff!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion widerspreche ich der Beratung dieser Vorlage in der heutigen Sitzung.
({0})
Damit ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Horn erledigt; dieser Punkt kann nicht auf die Tagesordnung gesetzt werden.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Haus heute beschließen sollte, daß der Punkt morgen auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, müßten wir, glaube ich, heute noch eine Verabredung über den Ablauf dieses Tages treffen; denn es ist unmöglich, daß wir morgen über diese Vorlage beraten, wenn wir nicht Zeit genug haben, in den Fraktionen eingehend über diese Dinge zu sprechen. Falls also der Punkt morgen auf die Tagesordnung kommen sollte, würden wir darum bitten, daß heute um 15 Uhr mit den Beratungen Schluß gemacht wird, damit die Fraktionen eingehend Stellung nehmen können.
({0})
Ich weise darauf hin, daß bisher ein Antrag, den Punkt morgen auf die Tagesordnung zu setzen, nicht vorliegt.
({0})
Wünscht niemand mehr dazu das Wort? Damit ist diese Geschäftsordnungsdebatte erledigt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Beschlagnahme in Bremerhaven ({1}) *).
Zur Begründung dieses Antrages Herr Abgeordneter Schneider!
Schneider ({2}) ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen zuvor meinen Dank und den Dank meiner Freunde dafür zu sagen, daß Sie das Verständnis dafür aufgebracht haben, daß die jetzt zur Verhandlung kommende Angelegenheit nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt wurde.
({4})
Meine Damen und Herren, darf ich um etwas Aufmerksamkeit für den Redner bitten.
Schneider ({0}) ({1}), Antragsteller: Mit der Beschlagnahme in Bremerhaven haben sich inzwischen alle Parteien und auch der Deutsche Gewerkschaftsbund befaßt. Diese Frage hat damit weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus eine Bedeutung gewonnen, die so politisch ist, daß nun, nachdem alle anderen Versuche, diese Angelegenheit zu regeln, gescheitert sind, kein anderer Weg mehr blieb, als diese Sache vor den Bundestag zu bringen. Es ist besonders bedauerlich, daß wir uns hier kurz über die Frage unterhalten müssen, weil im gleichen Augenblick, in dem im Süden unseres Vaterlandes amerikanische Besatzungstruppen in so hervorragender Weise der Bevölkerung in ihrer Not und ihrem Elend ihre Unterstützung leihen, im Norden Deutschlands wegen der hier vorliegenden Angelegenheit gewisse Spannungen aufgetreten sind.
Es ist selbstverständlich, daß die Besatzungstruppen eines Landes stets zu Maßnahmen greifen werden, die der Bevölkerung dann und wann unbequem sein müssen. Ich muß allerdings zur Ehrenrettung der amerikanischen Streitkräfte hier erklären, daß im vorliegenden Falle die Schuld, wenn ich dieses Wort gebrauchen soll, weniger bei der amerikanischen Besatzungsmacht als vielmehr bei den zuständigen deutschen Behörden
({2}) des Bundes und des Landes liegt.
({3})
Gleichgültig, auf wessen Seite die Schuld liegt: wir halten es für untragbar, daß neun Jahre nach Kriegsende noch derartige Dinge vorkommen, daß man also praktisch jetzt noch beabsichtigt, die Bewohner aus ihren Häusern zu vertreiben und diese Häuser dem Erdboden gleichzumachen, um an derselben Stelle ein anderes Bauprojekt aufzuführen. Die Berufung auf das Besatzungsstatut kann dabei unseres Erachtens nicht Platz greifen, da nach einem völkerrechtlichen Gutachten von Herrn Professor Laun, das sich auf die Inanspruchnahme von Wohnungen zu militärischen Zwecken bezieht, bereits folgendes ausgeführt ist:
*) Siehe Anlage 1.
({4})
Die Besatzungstruppen stehen wie alle Truppen auf fremdem Staatsgebiet unter den Bedingungen des allgemeinen Völkerrechts. Dieses schützt nun zwar die Rechte der Bevölkerung des besetzten Gebietes, darunter das Privateigentum und daher auch die privaten Wohnrechte, gegen zu weitgehende Eingriffe der besetzenden Macht. Aber es gestattet dieser auch, militärische Notwendigkeiten über die vom Landesrecht geschützten Rechte der Bevölkerung zu stellen, wenn es sich um absolut zwingende Hindernisse der Beobachtung der Landesgesetze handelt.
Die deutschen Landesgesetze, welche in Betracht kämen, wären Art. 13 des Grundgesetzes und das Bürgerliche Gesetzbuch. Die Frage ist demnach, ob nach Völkerrecht eine solche militärische Notwendigkeit vorliegt, welche die Besatzungsbehörden zwingt, sich über die Wohnrechte der Bevölkerung hinwegzusetzen. Die gewaltsame Ausquartierung
- so fährt Professor Laun fort friedlicher Bevölkerung aus ihren Wohnungen zum Zwecke der gegenwärtigen Truppenverschiebungen ist also völkerrechtlich nicht gerechtfertigt.
Ich darf dabei darauf hinweisen, daß es sich im vorliegenden Falle gar nicht einmal darum handelt, Truppenverschiebungen oder Unterbringungsmöglichkeiten für Truppen zu schaffen, sondern daß es sich darum handelt, Familienangehörige unterzubringen. Deswegen sagt Professor Laun auch in seinem Rechtsgutachten:
Noch viel weniger kann sie gerechtfertigt sein, wenn sie gar nicht nur zum Zwecke der Unterbringung von Militärpersonen, sondern von deren Familien vorgenommen wird. Denn für einen solchen Zweck kann eine militärische Notwendigkeit im Sinne des allgemeinen Völkerrechts überhaupt nicht angenommen werden.
Meine Damen und Herren! Im vorliegenden Falle - ich werde mich möglichst kurz fassen, da es nicht Sinn dieser Aussprache sein kann, Sie hier mit sämtlichen, auch den kleinsten Details vertraut zu machen; dazu können Sie die Verhältnisse auch zuwenig beurteilen - ist es so, daß die deutschen Behörden wirklich ein unrühmliches Blatt ihrer Geschichte zugefügt haben und daß man psychologisch in derart ungeschickter Weise vorgegangen ist, daß man sich nun nicht wundern kann, daß die Bevölkerung, jedenfalls die betroffene Bevölkerung, zu passiver Resistenz bereit ist und nicht daran denkt, die Auflage zu erfüllen, ihre Wohnungen und praktisch Haus und Hof zu verlassen.
Es haben - wenn ich das kurz aufreißen darf - in den vergangenen Monaten Verhandlungen zwischen den zuständigen deutschen Behörden des Landes und des Bundes sowie den amerikanischen Streitkräften stattgefunden. Diese Verhandlungen haben zu der Beschlagnahme des hier genannten Geländes am „Blink" geführt. Es kann hier nicht beurteilt werden, inwieweit die örtlichen Behörden in Bremerhaven wegen verschiedener Vorkommnisse im Verlaufe dieser Verhandlungen noch zur Rechenschaft zu ziehen sein werden. Wenn beispielsweise der Bremerhavener Oberbürgermeister einem der Betroffenen bei dessen Vorsprache erklärt, daß die deutschen Soldaten im letzten Kriege nicht anders gehandelt hätten oder daß er bereit sei, auch noch weitere Leute auf die Straße zu setzen, wenn die amerikanische Besatzungsmacht dies verlange, ist das eine Sache, die ich hier nur am Rande erwähnen kann; oder wenn die Bundesvermögensverwaltung entgegen den monatelang gepflogenen Verhandlungen plötzlich einen völlig überraschenden Vorschlag macht, ohne daß der Magistrat der Stadt Bremerhaven über diese Dinge überhaupt orientiert ist. Meine Damen und Herren, es ist doch üblich, daß jedem, ich möchte sagen, jedem Verbrecher die Anklageschrift ins Haus zugestellt wird, damit er sich gegebenenfalls verteidigen kann. Ich stelle fest, daß den Betroffenen in Bremerhaven, die jetzt von Haus und Hof verwiesen worden sind, von der ganzen Aktion nichts bekannt war, sondern daß sie überfallartig einen im Tone eines Kompaniebefehls abgefaßten Rundbrief bekommen haben, mit dem die Requisition bzw. Beschlagnahme ausgesprochen wurde.
Ich habe mich daraufhin sofort mit der Bundesfinanzverwaltung, Abteilung Besatzungskosten, in Bonn in Verbindung gesetzt, und der zuständige Ministerialreferent hat zugesagt, eine Kommission nach Bremerhaven zu entsenden, um die Dinge aufzuklären. Ich erkenne dankbar an, daß diese Kommission nach Bremerhaven gekommen ist, wenn ich auch stutzig wurde, als man mir sagte, daß es sich dabei um eine der üblichen Klagen handle, die man schon aus der Pfalz und aus anderen Teilen Deutschlands kenne, daß man also praktisch sagte, es handle sich um eine Routineangelegenheit. Es bedurfte einiger Überredungskünste, um den betreffenden Referenten selbst doch dazu zu bewegen, sich um die Angelegenheit zu kümmern.
Ein Komplex, der auch bis heute nicht aufgeklärt ist, ist die Tatsache, daß das Requisitions-schreiben mit den Worten beginnt, daß auf Vorschlag der deutschen Behörden die Requisition ausgesprochen werde. Die deutschen Behörden sind uns bisher die Antwort darauf schuldig geblieben, ob von ihrer Seite diese Vorschläge gemacht worden sind oder ob der Amerikaner von sich aus eine solche Forderung gestellt hat, wie überhaupt in der ganzen Angelegenheit zu beobachten ist, daß jetzt die Verantwortlichkeit zwischen den Amerikanern und den Deutschen praktisch hin- und hergeschoben wird. Die Amerikaner beziehen sich zweifellos mit Fug und Recht darauf, daß die deutschen Behörden das Vorschlagsrecht hätten und daß die Amerikaner sich ausschließlich mit den zuständigen 'deutschen Landes- bzw. Bundesstellen zu befassen hätten, die ihnen entsprechende Vorschläge zu machen hätten; die Deutschen hingegen erklären: Gewiß, diese Vorschläge werden gemacht, aber die Beschlagnahmen selbst werden vom Amerikaner ausgesprochen.
Es hat, als diese Bonner Kommission in Bremerhaven war, auch nicht zur Beruhigung der Gemüter beigetragen, daß dort praktisch nur ein Befehlsempfang der Behördenvertreter untereinander stattfand, daß man also die Betroffenen mehr oder minder nicht gehört hat, ja daß man sich sogar geweigert hat, den Betroffenen die vorgesehenen Baupläne zu zeigen, und zwar unter Hinweis darauf, daß es sich um ein Amtsgeheimnis handle, was zu dem bisher unwiderlegten Gerücht Anlaß gegeben hat, daß das jetzt vorgesehene Projekt wahrscheinlich noch eine weitere Ausdehnung 'erfahren wird und daß damit wahrscheinlich noch weitere Verstimmungen aufkommen werden.
({5})
Bei dem vorgesehenen Baugelände handelt es sich um ein Gebiet, das praktisch mitten in der Stadt liegt und das wie von einer eisernen Klammer von allen Seiten von Hauptstraßen umfaßt wird, so daß die große Gefahr besteht, daß bei weiterem Bedarf der amerikanischen Besatzungsm icht weiteres bebautes Gebiet in Anspruch genommen werden muß. Der zuständige Bonner Ministerialreferent, der die Verhandlungen in Bremerhaven geführt hat, hat anläßlich dieser Verhandlungen die Maßnahmen der deutschen Dienststellen des Landes bzw. des Bundes vollauf gebilligt. Dabei müssen Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, aber wissen, daß, bevor die Requisition erfolgte, d. h. bevor den Betroffenen die Schreiben zugestellt wurden, bereits Bohrtrupps im Auftrage von irgendwelchen Firmen ohne jede Erlaubnis über die Gärten und Felder der Leute gegangen sind und dort Bohrungen vorgenommen und Erdproben entnommen haben. Dieses Vorgehen ist mit dem Grundgesetz überhaupt nicht in Einklang zu bringen. Ein Teil der Betroffenen hat diese Maßnahmen aus dem bekannten Obrigkeitskomplex heraus über sich ergehen lassen, während ein anderer Teil diese Bohrtrupps mit Recht seiner Grundstücke verwiesen hat. Aber wenn schon so etwas vorkommen kann, dann mögen Sie, meine Damen und Herren, daraus ersehen, daß man hier in äußerst ungeschickter, ja in unzulässiger Weise vorgegangen ist, und es ist der Bremerhavener Bevölkerung absolut unverständlich, wie die zuständigen Bonner Dienststellen bei einer Besprechung in Bremerhaven die Maßnahmen der Landesbehörden ausdrücklich haben billigen können. Solche Dinge können einfach nicht gebilligt werden.
Ich will gar nicht darauf verweisen, daß es sich in dem betroffenen Gelände darum handelt, daß man speziell solchen Leuten, die ein Leben lang gearbeitet haben, um sich dort ein Häuschen zu bauen, jetzt auf ihre alten Tage ,dieses Haus wegnehmen will. Ich will auch nicht darauf hinweisen, daß sich die Stadt Bremerhaven nicht in der Lage sieht, die evakuierten Personen angemessen unterzubringen, wie es von der Bundesfinanzverwaltung bzw. dem Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven behauptet wurde; es steht fest, daß keine ausreichende Unterbringungsmöglichkeit besteht. Im übrigen glauben meine politischen Freunde und ich - und ich glaube, da bin ich mit Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, einer Meinung -, daß nach Art. 13 des Grundgesetzes die Unverletzlichkeit der Wohnung gewährleistet ist, so naß keine Handhabe besteht, Häuser abzureißen und die Leute auf die Straße zu setzen.
Seitens der Bundesfinanzverwaltung wird nun behauptet, daß die Aufschließungskosten für das andere, von der Stadt Bremerhaven angeborene Gelände, auf dem keine Baulichkeiten zu beseitigen wären, insgesamt 13 Millionen DM betragen würden und daß weder die amerikanische Streitmacht noch die deutschen Behörden sich bereit finden könnten, einen solchen Betrag aufzubringen. Ich nehme an, daß zu diesen Dingen noch ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums Stellung nehmen wird. Ich möchte aber gleich folgendes sagen. Beide Gelände, sowohl das jetzt beschlagnahmte, um das es hier geht, wie auch das von der Stadt angebotene, das wir lieber bebaut sehen möchten, können deswegen nicht miteinander verglichen werden, weil das eine doppelt so groß ist wie das andere. Die Entschädigungen, die für die abgerissenen Häuser, die Bäume und Sträucher, die Zäune usw. gezahlt werden müssen, betragen einige Millionen. Wir glauben nach Rücksprache mit Baufachleuten, daß es bei besserem Willen der Bundesfinanzverwaltung, als er bisher gezeigt worden ist, durchaus möglich gewesen wäre, das andere Projekt anzubieten, bei dem es, wie gesagt, nicht notwendig gewesen wäre, die Familien aus ihren Häusern zu verdrängen. Die Tatsache, daß sowohl die Landes- wie die Bundesbehörden den Betroffenen angeboten haben, sie angemessen zu entschädigen, interessiert diese nicht.
Ich habe schon eingangs meiner Ausführungen gesagt, daß auch die ganze Frage sehr stark zu einer politischen Frage geworden ist und man nicht übersehen darf, daß das freundschaftliche Verhältnis, das wir Gott sei Dank inzwischen mit den Alliierten und besonders auch mit den Amerikanern pflegen, durch diese Maßnahmen einer großen Belastung ausgesetzt ist. Darüber hinaus werden selbstverständlich auch die Kommunisten versuchen, hier im Trüben zu fischen und irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings wird man den Herrschaften entsprechend auf die Finger klopfen.
Die Betroffenen lehnen es also ab, eine angemessene Entschädigung entgegenzunehmen. Sie verlangen nichts anderes als ihr Recht, nämlich das Recht auf ihr Eigentum und das Recht, in Haus und Hof bleiben zu können. Sinn unseres Antrages, den wir Ihnen vorgelegt haben, muß es sein, nicht etwa ihn irgendeinem Ausschuß zu überweisen, der sowieso nicht beschließen könnte, da wir bekanntlich in die Ferien gehen, sondern einen Beschluß zu fassen, der es ermöglicht, daß die zuständigen Stellen der Bundesregierung unverzüglich noch einmal mit den amerikanischen Stellen verhandeln, um wenigstens einen vorläufigen Aufschub der Durchführung des ganzen Projekts zu erzielen und damit zu erreichen, daß das letzten Endes von der Stadt Bremerhaven angebotene andere Gelände, dessen Bebauung keine derartigen Mißhelligkeiten hervorrufen würde, von den Amerikanern akzeptiert wird.
Mit diesen kurzen Ausführungen möchte ich die Angelegenheit beschließen. Ich glaube, die Tatsache, daß sämtliche Fraktionen sich bereit erklärt haben, hier heute morgen die Angelegenheit zu verhandeln, begründet ausreichend deren Wichtigkeit und Dringlichkeit. Im übrigen geht es hier nicht etwa um irgendein parteipolitisches Prestige, sondern es geht ausschließlich um das Recht, um das Recht unserer Staatsbürger und um den Schutz des Staatsbürgers vor der Staatsallmacht. Denn hier ist ein Fall, in dem die Staatsbürger in die Bürokratie hineingeraten sind, aus der sie nicht herauskommen, wenn nicht letzten Endes dieses Haus noch durch 'entsprechende Maßnahmen Abhilfe schafft.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Deutschen Partei und der Änderungsantrag auf Umdruck 144 sind für die Regierung etwas überraschend auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ich darf dazu bemerken, daß das ganze Thema bereits Gegenstand der Kleinen Anfrage Nr. 63 der Abgeordneten Wehr, Dr. Bärsch, Hansing und Genossen vom 21. Mai 1954 gewesen ist und daß daraufhin
({0})
das Bundesministerium der Finanzen bereits unter dem 5. Juni 1954 eine Darstellung des Sachverhalts gegeben hat.
Zunächst darf ich den Ausgangspunkt feststellen. Ich glaube, es ist allgemeiner Wunsch des Hohen Hauses und der gesamten deutschen Öffentlichkeit, daß die Altbesatzungsverdrängten allmählich wieder in ihre Wohnungen zurückkehren.
({1})
Die Bemühung der Bundesregierung, alles Mögliche zu tun, um die Wohnungen der Altbesatzungsverdrängten frei zu erhalten, wird infolgedessen fortgesetzt.
Die USA-Streitkräfte haben den Plan, in Bremerhaven 558 Familienwohnungen, 204 Junggesellenwohnungen, eine Offiziersmesse, eine Schule etc. sowie eine Kapelle zu errichten. Zusammen mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung eingeleitet hat, würde der Erfolg sein, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit 664 Wohnungen der gesamten Altbesatzungsverdrängten des Landes Bremen für die deutsche Zivilbevölkerung wieder frei gemacht werden können.
Wenn für die Altbesatzungsverdrängten neue Wohnungen gebaut werden, so ist natürlich für den Bau dieser Wohnungen ein Gelände erforderlich. Es ist regelmäßig so, daß dieses Gelände zunächst von der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird. Dieses Gelände wird dann formell requiriert, d. h. es wird damit der Bundesregierung die Möglichkeit gegeben, das Gelände von dem Privateigentümer aufzukaufen. Die Requirierung ist die Einleitung der privaten Kaufverhandlungen zwischen Bundesregierung - Etat nicht anerkannte Besatzungskosten - und den einzelnen Privateigentümern von Grund und Boden. Die Verhandlungen selbst laufen regelmäßig über die Gemeinden, so daß die erste Zuständigkeit auch in dieser Frage nicht bei diesem Hohen Hause und der Bundesregierung, sondern bei Senat und Bürgerschaft der Stadt Bremen liegt. Wir haben in diesem Falle von Bremen den Vorschlag erhalten, ein Gelände zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei um die Grundstücke am „Blink" mit einer Fläche von etwa 14 ha, und am „Leher Bahnhof" mit einer Fläche von 7 ha.
Nun stehen auf diesem Gelände ungefähr 30 Objekte, die im Laufe der Zeit geräumt werden müßten. Es ist zunächst der Vorschlag gemacht worden, dafür von der Stadtverwaltung Bremerhaven das Gelände am „Speckenbütteler Park" zu übernehmen. Dieses Gelände ist Sumpfgelände. Ein Bau wäre dort grundsätzlich nur unter sehr hohen Mehraufwendungen und bei sehr großer Zeitversäumnis möglich. Bei Verwendung dieses Sumpfgeländes würden sich die Bauarbeiten wenigstens um ein Jahr verzögern. Wird dieses Gelände verwendet, so wird für die innere Aufschließung, außerdem für die übrigen Kosten - für Pfähle und Betonierungsarbeiten, ich habe die einzelnen Zahlen in der Antwort vom 5. Juli 1954 genannt - ein Mehrbetrag von ungefähr 15 Millionen DM anfallen. Das ergibt bei ungefähr 30 Wohnungseinheiten auf die einzelne Wohnungseinheit umgerechnet einen Mehrbetrag von 500 000 DM. Es war deswegen die Frage, ob dieser Mehraufwand gerechtfertigt ist.
Es mußte zunächst von der US-Besatzungsmacht entschieden werden, ob sie diesen Mehrbetrag übernimmt. Sie hat sich geweigert. Stadt und Senat Bremen haben sich ebenfalls geweigert. Ich muß vom Standpunkt des Bundesfinanzministeriums aus sagen, daß es mir unmöglich erscheint, einen Kostenaufwand in dieser Höhe - auf die einzelne Wohnungseinheit berechnet 300- bis 500 000 DM! - zu übernehmen. Infolgedessen hat sich der Senat Bremen entschlossen, der Besatzungsmacht das vorhin genannte Gelände am „Blink" und am „Leher Bahnhof" anzubieten. Das Bundesfinanzministerium hatte keinen Anlaß, dem zu widersprechen.
Die heutige Situation ist nun folgende. Wenn die Inanspruchnahme dieses Gelände vermieden werden soll, gibt es zwei Möglichkeiten, von denen die erste wohl ausscheidet; das wäre das Unterlassen des Baues des ganzen Vorhabens. Damit begäbe man sich der Möglichkeit, 664 Wohnungseinheiten frei zu bekommen und diese der deutschen Bevölkerung zurückzugeben. Die zweite Möglichkeit wäre, daß in letzter Minute ein Austausch der Gelände erfolgt, was Mehrkosten von 15 Millionen DM verursachen würde und nach meinem Dafürhalten mit der Zahl der Wohnungseinheiten in keinem vernünftigen Verhältnis steht.
Wir haben uns deshalb schon am 2. Juni mit dem Senat von Bremen ins Benehmen gesetzt und dabei dem Senator für Finanzen des Landes Bremen und der Oberfinanzdirektion Bremen folgendes mitgeteilt. Erstens: das Bundesfinanzministerium ist bereit, die requirierten Grundstücke zu einem angemessenen Preis anzukaufen. Zweitens ist es bereit, die Entschädigungen für Aufwuchs und Aufbauten zur Beschleunigung in den Kaufpreis einzubeziehen. Drittens haben wir den Herrn Finanzsenator und die Oberfinanzdirektion gebeten, mit den zuständigen US-Dienststellen Verbindung aufzunehmen, um die auf den Baugrundstücken befindlichen Gebäude so weit als möglich in ihrer Substanz zu erhalten und den deutschen Familien weiterhin zu belassen. Ich bin überzeugt, daß es nicht notwendig sein wird, alle diese Gebäude zu räumen. Viertens haben wir den Herrn Finanzsenator gebeten, im Benehmen mit der Stadtverwaltung Bremerhaven alle notwendigen Maßnahmen wegen der Bereitstellung von Zwischen- und Dauerunterkünften für die Räumungsbetroffenen durchzuführen. Fünftens haben wir uns bereit erklärt, die Transportkosten der Zwischenumzüge und der Umzüge sowie sonstige Nebenkosten auf den Verteidigungsfolgekostenhaushalt zu übernehmen.
Das sind die Vorschläge, die wir bereits im Juni gemacht haben und von denen ich der Überzeugung bin, daß sie der Sachlage entsprechen. Die Bundesregierung ist gerne bereit, ihre Bemühungen fortzusetzen, um die Schwierigkeiten, die sich hier ergeben haben, möglichst zu beheben. Sie wird das im Benehmen mit den Besatzungsmächten, dem Senat und der Bürgerschaft der Stadt Bremen tun. Aber sie hat den dringenden Wunsch, daß das Gesamtprojekt, 664 Wohnungseinheiten für die deutsche Bevölkerung frei zu bekommen, nicht scheitert.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Wehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht erwartet, daß die mündliche Antwort des Herrn Bundesfinanzministers anders ausfällt als die, die uns in der Drucksache 579 gegeben worden ist. Aber die Tatsache, daß es not({0})
wendig geworden ist, noch kurz vor den Ferien das Hohe Haus mit der Frage der Requisitionen in Bremerhaven zu beschäftigen, zeigt die große Bedeutung dieser Sache. Wir können uns mit der Antwort, die wir soeben nochmals aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers erhalten haben, nicht ohne weiteres bescheiden.
Das Schreiben des Herrn Hohen Kommissars Professor Dr. Conant, das er am 7. Juli an mich gerichtet hat, stellt einwandfrei fest, daß die Verantwortung für die Requisition von Privateigentum, auch von Wohnhäusern und Wohnungen, bei den deutschen Behörden liegt, aber nicht bloß bei den Landes-, sondern auch bei den Bundesbehörden. Wir haben in der Finanzverwaltung immerhin auch die Oberfinanzdirektionen. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich in bezug auf Bremen selbst darauf bezogen. Die Oberfinanzdirektion untersteht zwar dem Finanzsenator in Bremen; aber wir wissen ja, mit welchen Aufgaben die Oberfinanzdirektion betraut ist. Der Oberfinanzpräsident bezieht die Hälfte seines Gehalts vorn Bund. Die Zwielichtigkeit der Verwaltung spielt also schon eine gewisse Rolle.
({1})
- Ja, die Zwiegesichtigkeit; Sie haben recht, Herr Krammig. Diese Verwaltung hat, möchte ich sagen, ein Janusgesicht. Diese Zwiegesichtigkeit der Verwaltung hat es deutschen Behörden leider ermöglicht, sich, um es kurz und bündig auszudrücken, des Besatzungsstatuts zu bedienen, um ihren Willen durchzusetzen, um fiskalischen Gesichtspunkten - der Herr Finanzminister bestätigt es ja - Geltung zu verschaffen. Wer sich aber die vier Seiten lange Druckschrift mit den Augen des Fachmanns und dem Wissen desjenigen, der dort seit Jahrzehnten zu Hause ist und selbst gebaut hat, ansieht, der muß feststellen, daß man darin versucht hat, etwas zu beweisen, was gar nicht zu beweisen ist.
Ich möchte heute an den Herrn Bundesfinanzminister noch einmal eine präzise Frage stellen. Ich habe ihm bereits einen Brief geschrieben, der unbeantwortet geblieben ist.
({2})
Ich frage ihn präzise, ob er denn nicht festgestellt hat, welche Differenz besteht bei einem Vergleich zwischen dem Gelände am Grauen Wall mit 400 000 qm, für das die Aufschließungskosten berechnet worden sind, und dem jetzt erforderlichen Gelände in der Größenordnung von 210 000 qm, also in etwa halber Größe. Ich will damit nicht sagen, daß dadurch die Aufschließungskosten einfach halbiert werden. Sie waren aber um mindestens 30 % geringer anzusetzen, als es hier geschehen ist.
Ich habe mir gestern abend noch einmal die Kalkulation - wenn man es überhaupt so bezeichnen kann - vor Augen genommen, die so als „Daumenpeilung" für die Aufschließung des Geländes zur Beurteilung vorgelegt worden ist. Sie ist von einem Beamten aufgestellt, der heute bereits vom Dienst suspendiert worden ist, einem Kommunalbeamten, der, zwar nicht aus diesem Grunde, aber immerhin wohl heute nicht mehr zu der Frage vernommen werden kann. Man muß feststellen, daß hier Kosten eingesetzt worden sind, die jeder vernünftigen Kalkulation widersprechen, und ich frage: Wo bleibt hier die Beachtung der Sorgfaltspflicht durch die Bundesbehörden bei der Nachprüfung dieser Kosten? Aber kann man denn einfach behaupten, wie es eben der Herr Bundesfinanzminister wieder tat: „Die 15 Millionen Aufschließungskosten am Grauen Wall hindern mich daran, dieses Gelände in Anspruch zu nehmen"? Immerhin kostet doch - und der Herr Kollege Schneider hat es ja hier bereits angedeutet - auch das Gelände am „Blink" und am „Engemoor", wie die Flurbezeichnungen sind, etwas. Einmal die Kosten des Erwerbs. Am Grauen Wall sollte das Gelände evtl. für 30 Pf pro Quadratmeter bzw. kostenlos von der Stadtverwaltung gestellt werden. In dem aufgeschlossenen Stadtteil, wo die Bebauungspläne bereits seit Jahrzehnten klarliegen, beträgt der Bodenpreis 5 DM je Quadratmeter. Hier wäre doch eine Relation zu ziehen. Des weiteren will der Herr Bundesfinanzminister die Gebäude erwerben. Er muß sie doch kaufen. Er will sie zum Teil dem Erdboden gleichmachen, er muß sie also abbrechen. Er muß also letzten Endes - er hat es ja zugesichert - jahrzehntealten Baumbestand abtreiben. Man muß sich einmal die Photos und überhaupt das Gebiet selbst einmal ansehen. Es wird da so lapidar, so lax von „Kleingartengelände", von „Behelfsheimen" gesprochen. Ich kenne manches amerikanische Wohnhaus, das sich mit diesen „Behelfsheimen" nicht messen kann. Das sind zwar aus der Zeit und aus den Nöten des Krieges entstandene Bauten, aber Bauten von tadelloser Beschaffenheit. Das wird hier nun immer bagatellisiert. Man weist doch immer darauf hin, daß wir endlich die Altbesatzungsverdrängten wieder in Wohnungen hineinbringen wollen. Ist es denn damit getan, daß ich neue Verdrängte schaffe, um die alten hineinzubringen? Ist das nicht die Wirtschaft von einer Hosentasche in die andere? In dieser Form kann man doch keine Probleme lösen!
Zudem möchte ich den Herrn Bundesfinanzminister darauf hinweisen, daß er nicht ein einziges Schriftstück in Besitz hat, in dem ihm unabdinglich zugesichert wird, daß die 664 noch nicht geräumten Wohnungen auf alle Fälle frei gemacht werden. Auch Mr. Conant hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt und hat nur davon geschrieben, daß dadurch die Möglichkeit gegeben wäre, diese Wohnungen zu räumen. Nun, immerhin wurde ein gewisser Druck ausgeübt. Es wurde uns klargemacht: Wir werden, wenn ihr da nicht mal schnell macht, noch 200 Wohnungen bei euch vorweg beschlagnahmen, um unsere Familien unterzubringen. Ich möchte mich in die staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Überlegungen, die Herr Kollege Schneider hier angestellt hat, nicht vertiefen. Aber es ist doch sonderbar, daß dieselbe Besatzungsmacht, die in dem Besatzungsstatut unter Ziffer 6 feierlich feststellt, daß es ihre vornehmste Pflicht ist, daß die Grundrechte der Staatsbürger in dem besetzten Land gewahrt werden,
({3})
nicht Möglichkeiten findet, sich, wenn deutsche Behörden nicht schalten, auch einmal dieses Statuts zu erinnern. So ist es doch Tatsache, daß am 23. April 1954, 13 Uhr 30, eine Besprechung zwischen dem Colonel Burbach der amerikanischen Besatzungsmacht und zwei seiner Herren, dem Oberbürgermeister der Stadt Bremerhaven und den Vertretern der Bundesvermögensverwaltung und der Oberfinanzdirektion stattgefunden hat. Bei dieser Besprechung haben sich die Amerikaner wahrscheinlich daran erinnert, daß sie Pflichten übernommen haben. Sie haben nämlich die deutschen Vertreter darauf aufmerksam gemacht: Wenn
({4})
ihr uns das bewohnte Gebiet anbietet, dann ruft ihr erhebliche Schwierigkeiten hervor, und wir wollen diese Schwierigkeiten nicht haben, weil wir darin etwas sehen, was unsere Politik in Deutschland gefährdet. - Die deutschen Vertreter haben mit einer Leichtfertigkeit sondersgleichen den Amerikanern bedeutet: „Das lassen Sie nur unsere Sorge sein!"
({5})
Ein Beamter, der letzten Endes für uns den Eid auf das Grundgesetz abgelegt hat, sollte sich auch dessen entsinnen, was in diesem Grundgesetz steht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat nicht so unrecht, wenn er in seinem Telegramm darauf hinweist, daß die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht durch die Amerikaner, sondern vor allen Dingen durch das voraufgehende Handeln deutscher Behörden gefährdet ist.
Hiergegen wenden wir uns. Wir unterstützen daher den Antrag der Deutschen Partei. Wir wollen ihn aber ergänzen; wir wollen ihn erweitern, und zwar durch den positiven Hinweis, das von der Stadt Bremerhaven angebotene Gelände zu benutzen. Niemand hat etwas dagegen, wenn auf Gelände gebaut wird, das sich in fiskalischer Hand befindet, das käuflich zu erwerben ist und das freiwillig verkauft wird. Aber alles wendet sich dagegen, daß man den Leuten im Sinne einer gewissen Bauernfängerei weismachen will, daß diese Handlungen Rechtens sind. Ich sage „Bauernfängerei", und zwar aus folgendem Grund: Aus der Drucksache 494 des Herrn Bundesfinanzministers - eine Antwort auf Fragen, die von Abgeordneten dieses Hauses gestellt worden sind - geht klipp Lind klar und deutlich hervor, daß der Herr Bundesfinanzminister in dieser Form Stellung genommen hat: Requisitionen sind nicht mit Enteignungsmaßnahmen gleichzusetzen. Nun, das bedeutet, daß diejenigen, die unter die Requisition fallen, immerhin ein Restitutionsrecht haben. Wie will man denn nun restituieren, wenn man die Spitzhacke genommen und die Gebäude abgerissen hat? Es werden also Schwierigkeiten entstehen.
Niemand kann nämlich die Eigentümer zwingen, zu verkaufen. Das brauchen sie nicht. Sie können sich mit einer Nutzungsentschädigung zufriedengeben.
Aber nun mögen mir einmal die deutschen Juristen erklären, wie ein solches Vorgehen mit dem deutschen Bau- und Bodenrecht und mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch zu vereinbaren ist! Wie wollen Sie mit all den Schwierigkeiten fertigwerden, die jetzt entstehen, wenn Bauten auf fremdem Grund und Boden errichtet werden oder wenn die Eigentümer eines Tages sagen, daß sie ihr Haus zurückhaben wollen? Wird dieses Haus dann wieder aufgebaut und das andere abgerissen? Ich will das nur einmal andeuten.
Dann hat man gesagt: Es ist besser, ihr verkauft, dann bekommt ihr nämlich mehr, als wenn ihr eine Nutzungsentschädigung erhaltet. So hat man das früher auf dem Lande gemacht. Aber die Leute dort haben sich das überlegt und haben gesagt: Haben wir das verkauft, dann sind wir alle Rechte los. Wir wollen aber auf unsere Rechte nicht verzichten.
Wir haben in unserem Antrag verlangt, das Gelände zu nehmen, das die Stadt zur Verfügung stellt. In diesem Punkt möchte ich auch noch etwas klarstellen. Ich muß das vom technischen Standpunkt aus und mit Hilfe meiner Sachkenntnis tun.
Ich kenne die Verhältnisse an Ort und Stelle. In der Drucksache 579 wird dieses Gelände als ungeeignet - soeben haben wir es aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers noch einmal vernommen - dargestellt. Nun haben wir immerhin in diesem Hohen Hause eine Anzahl von Kollegen, die Erfahrungen mit dem Boden haben. Ich möchte noch einmal die Frage aufwerfen: Glaubt denn jemand, daß man auf Sumpf Kartoffeln und Getreide anbauen oder gar Baumschulen anlegen kann? Gewiß sind saure Wiesen darunter; das kennen wir. Aber die Behauptung, daß eine Moorschicht von 20 Metern vorhanden sei, müßte erst einmal von einem Geologen bewiesen und daraufhin geprüft werden, ob seit der Eiszeit überhaupt genügend Zeit für die Entstehung einer solchen Schicht verflossen ist. Es gibt bei uns keine Moorschichten, sondern Kleiboden. Wer jemals an der Küste zu Hause war, müßte wissen, daß er, wenn er baut, auch rammen muß. Das weiß auch der Herr Bundesfinanzminister, es sei denn, er ist von seinen Bauräten nicht richtig informiert worden. Denn das erste amerikanische Bauprojekt, das in den Jahren 1950/51 in Bremerhaven ausgeführt wurde - ich habe selbst daran mitgearbeitet -, ist auch auf Pfählen errichtet worden. Und wenn in der Darstellung des Bundesfinanzministers diesem Hause gegenüber - das geht jeden Abgeordneten an - wieder behauptet wird, daß bei einer Pfahlgründung die Standsicherheit bezweifelt werden müsse, dann möchte ich darauf hinweisen, daß ganz in der Nähe dieses angebotenen Bauplatzes die Kasernen stehen, die die amerikanische Besatzungsmacht seit der Besetzung benutzt und weiter ausgebaut hat. Auch sie sind auf Pfählen errichtet, und zwar mehrstöckig, und sie sind sogar erweitert worden. Nun, sie sind zwar unter dem Kommando eines Hitler gebaut worden. Aber will sich denn die Oberfinanzdirektion, will sich das Finanzministerium mit seiner Sonderbauleitung der Blamage aussetzen, die Leistung nicht fertigzubekommen, die jenes verhaßte Regime zustande gebracht hat?
Es wird weiter gesagt, das wäre zu kostspielig. Herr Bundesfinanzminister, sehen Sie sich die Großbaustellen in Bremerhaven an, die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus betrieben werden! Da gibt es nicht ein einziges Gebäude, das nicht auf Pfählen errichtet werden muß, und wir haben durchaus tragbare Mieten - Herr Kollege Schneider, Sie werden mir das bestätigen - für jene Wohnungen, die Normalwohnungen mit allem Komfort sind. Wenn es uns möglich ist, mit 17- bis 18 000 DM eine Zweieinhalbzimmerwohnung auf einem Baugrund im Stadtzentrum, wo der Quadratmeter 40 DM kostet, mit Pfahlgründungen zu errichten, dann weiß ich nicht, was Sie für Fachkräfte haben.
Ich bin ferner darüber gefallen, daß man hier aufgezählt hat, das koste 3 Millionen DM für Rammarbeiten zusätzlich. Ich habe nicht umsonst Jahrzehnte im Hoch- und Tiefbau gearbeitet und kann mir die Dinge nachkalkulieren. Ich möchte Sie fragen: wer wird den bautechnischen Unsinn verantworten, in einem quadratischen Abstand von etwa 1,30 bis 1,50 m von Pfahlmitte zu Pfahlmitte Pfähle in den Boden zu treiben? Zur Frage der Standsicherheit: der soziale Wohnungsbau errichtet in Bremerhaven ein 14stöckiges Hochhaus auf diesem Kleiboden auf Pfählen, und man wird keine Angst haben, daß dieses Hochhaus zusammenstürzen wird; es läßt sich immerhin noch statisch ermitteln. Man soll also
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sehr vorsichtig sein mit solchen Behauptungen. Es war ja opportun, so zu operieren, aber ich betrachte es als ganz unerhört, in einer so laxen Art, wie es diese Drucksache zeigt, das Parlament zu unterrichten und der Meinung zu sein, man könne das Parlament wie einen Laien abfertigen.
Aber die ganze Angelegenheit hat ja noch einen politischen Hintergrund. Sie haben ihn nur gestreift, Herr Kollege Schneider. Der politische Hintergrund wiegt ja viel schwerer. Was die amerikanische Politik bisher in Deutschland vermeiden wollte und worauf auch die Politik der Bundesregierung gerichtet war, nämlich dafür Sorge zu tragen, daß der Kommunismus nicht mehr anwachsen kann, wird damit gefördert. Wir wissen ganz genau, daß in der Ostzone genau solche Beschlagnahmeaktionen - wie es im letzten Fall in Erfurt, glaube ich, geschehen ist - durchgeführt werden. Das schert die Leute aber überhaupt nicht. Sie schicken sogar aus der Ostzone Menschen hierher, die protestieren und die Polizei in Bewegung setzen. Frauen und Kinder der jetzt bereits dort wohnenden amerikanischen Besatzungsangehörigen haben mir gesagt, sie schämten sich, dort einmal wohnen zu sollen, wo deutsche Familien verdrängt worden sind. Letzten Endes ist es ja nicht lediglich eine Frage des Taktes, sondern es ist auch eine Frage des Rechtsgefühls, das auch die Behörden haben sollten und das man nicht immer bloß vom Parlament verlangen sollte. Dieses Rechtsgefühl sollte auch einer Behörde, die sich sehr leicht in die Anonymität verkriechen kann, klarmachen, daß sie nicht nur die Bürger zu kommandieren hat, sondern daß sie Auftragnehmer der Bürger ist.
Ich muß es als total verfehlt ansehen, daß man jetzt diese alte Drucksache wieder herholt und damit den Antrag der DP und unseren Änderungsantrag dazu, meint erledigen zu können. Ich appelliere an Sie, meine Damen und Herren. Sie haben hier eine schwierige Entscheidung zu fällen. Aber die Entscheidung kann nur zugunsten derjenigen gefällt werden, die das Vertrauen in die demokratische Grundordnung unseres Staatswesens gesetzt haben und erwarten, daß diejenigen, die diesen Staat führen, den Bürgern auch auf einem Weg vorangehen, der sie mit Achtung erfüllt. An Ihnen wird es liegen, diese Anträge zu unterstützen, die sich meiner Meinung nach ergänzen. Wir wollen nicht, daß man den Amerikanern sagt: Ihr könnt nicht bauen! Die Aussprachen, die wir persönlich mit den Vertretern der Besatzungsmacht hatten, sind immer wieder in diesem Sinne gepflogen worden. Aber sie darauf aufmerksam zu machen, daß sie mit ihrem Einwand den deutschen Behörden gegenüber recht hatten und daß es nun der schwierige Weg der Bundesregierung sein wird, einen Weg zurückzugehen, den man allzu leichtsinnig eingeschlagen hat, das können wir der Regierung nicht abnehmen.
Wir haben unseren Änderungsantrag in zwei Teile aufgegliedert. Wenn wir in dem zweiten Absatz unseres Antrags Umdruck 144 die Bundesregierung ersuchen, dahin zu wirken, „daß bei allen Bauvorhaben der Besatzungsmächte die Requisition von bebauten Grundstücken nach Möglichkeit vermieden wird", so soll damit betont werden, daß es sich nicht um ein lokales Problem Bremerhavens handelt, sondern um ein Problem der gesamten Praxis der Besatzungspolitik in der Bundesrepublik. Ich möchte Sie bitten, nicht nur aus Gefühlsmomenten heraus, sondern auch aus dem Moment der Rechtlichkeit heraus, unsere Anträge zu unterstützen und damit die Bundesregierung aufzufordern, sofort in Verhandlungen einzutreten, damit die Dinge abgewendet werden.
Auch an die Adresse der Besatzungsmacht möchte ich noch ein paar Worte richten. Es ist eigenartig, daß man das Sicherheitsbedürfnis so weit ausdehnen kann. Vielleicht ist es ein Novum in der Geschichte des Militarismus, daß für diese Sicherheit Frauen und Kinder der Besatzungstruppen notwendig sind. Damit begründet man es nämlich praktisch: die Sicherheit der Truppen sei nur gegeben, wenn sie Frauen und Kinder bei sich haben. Ich wünschte, daß wir diese humane Denkweise auch in Zukunft beibehalten könnten, daß wir Soldaten, die mit Frauen und Kindern gemeinsam leben, dann als Menschen begrüßen könnten, die tatsächlich zu friedlichem Denken beitragen.
Zu diesem Novum kommt weiter hinzu: Man kann seinem Herrgott wohl schlecht in einer Kirche dienen, die man auf einem Grund und Boden errichtet hat, der Menschen weggenommen ist, die von einem durchaus religiösen Gefühl, von einem Gefühl für Recht und Sittlichkeit getragen sind. Ich glaube, man sollte bei der Besatzungsmacht ruhig auch diese Seite der Auswirkung ansprechen, damit die Regierung eine Möglichkeit hat, hier für eine Änderung einzutreten. Der Hinweis auf die Landesregierung ist unzutreffend. Es besteht nur die eine Möglichkeit, daß sich der Herr Bundesfinanzminister mit seinen Dienststellen als durchführendes Organ dafür einsetzt, daß hier Recht und Gerechtigkeit werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Wir sind uns in diesem Hause, glaube ich, alle darüber einig, daß wir den von der Requisition in Bremerhaven betroffenen Menschen helfen wollen, daß wir einen Weg finden wollen, auf dem ohne Zwangsmaßnahmen das Notwendige geschehen kann. Wir sind uns, soweit wir Einblick in die Dinge bekommen haben, auch alle darüber einig, daß psychologisch nicht sehr geschickt gearbeitet worden ist. Aber leider muß man feststellen, daß auch sehr oft der Versuch gemacht worden ist, an diesen Vorkommnissen in Bremerhaven das Feuer der Parteipolitik zu entfachen und mit ihnen politische Geschäfte zu machen. Damit können wir am allerwenigsten den unmittelbar Betroffenen helfen.
Zwei ganz nüchterne Fragen stehen nämlich zur Diskussion. Die erste ist eine mehr oder weniger bautechnische und finanzielle Frage, nämlich die, ob man die Häuser für die Besatzungsmächte am „Blink" errichtet oder an einer anderen Stelle. Diese Frage ist von den Bautechnikern sehr nüchtern geprüft worden. Es ist festgestellt worden, daß die Alternativlösung Aufschließungskosten in Höhe von mindestens 15 Millionen DM notwendig macht. Daher ist man zu dem Ergebnis gekommen: dieses Gelände am „Blink" muß benutzt werden. Auch darüber, daß diese Bauten überhaupt errichtet werden müssen, besteht Einmütigkeit; denn sie sollen ja dazu dienen, einen großen Teil seit Jahren beschlagnahmter Häuser frei zu machen.
Der zweite Fragenkomplex ist der: wie kann die amerikanische Armee bzw. wie können die deutschen Stellen, die dafür zuständig sind, dieses Ge({0})
lände zur Verfügung erhalten? In dieser Hinsicht ist in den letzten Wochen nicht gut gearbeitet worden, denn man hat, statt auf dem Verhandlungswege zu einem freiwilligen Verzicht bzw. zu einer Hergabe der Gelände und der Häuser zu kommen, den Weg der Requisition gewählt.
Obwohl wir uns über die Aussichten einer erneuten Besprechung sehr wenige Illusionen machen, sind wir der Meinung, daß das Haus dem Antrag der Deutschen Partei zustimmen sollte, in dem die Bundesregierung ersucht wird, unverzüglich Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Stellen aufzunehmen. Ich muß allerdings hinzufügen, daß von den verschiedensten Seiten - auch ich persönlich bin daran beteiligt gewesen - Besprechungen mit den amerikanischen Stellen gepflogen worden sind und daß an dem Projekt wohl nicht mehr gerüttelt werden kann. Die Frage ist, ob wir einen anderen Weg finden, um zu einer Freigabe der Häuser zu kommen.
Was den Antrag der SPD-Fraktion betrifft, so bitte ich, die erste Ziffer abzulehnen. Die Frage, welches Gelände gewählt werden soll, ist von den sachlich dafür zuständigen Instanzen hinreichend geprüft worden. Eine Untersuchung darüber kann auch nicht Angelegenheit eines Ausschusses des Bundestags sein.
Ich bitte dagegen, die zweite Ziffer des Antrags der SPD-Fraktion anzunehmen, in der es heißt:
Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu
wirken, . . . .
2. daß bei allen Bauvorhaben der Besatzungsmächte die Requisition von bebauten Grundstücken nach Möglichkeit vermieden wird. Das wollen wir annehmen; den ersten Absatz bitten wir jedoch abzulehnen.
Meine Damen und Herren, gestern hat eine Besprechung zwischen Mitgliedern des Ausschusses für Besatzungsfolgen und Vertretern, der amerikanischen Armee und des Hochkommissariats stattgefunden. Bei dieser Besprechung, in der es in erster Linie um allgemeine Fragen des Besatzungsrechts ging, ist von amerikanischer Seite zugesagt worden, daß man sich für einen Aufschub der Bauaktion in Bremerhaven verwenden werde, um auf Grund neuer Verhandlungen einen Weg zu finden, der den Beteiligten gerecht wird und jedes politische Geplänkel für die Zukunft ausschließt. Diesen Weg neuer Verhandlungen sollten wir unter alen Umständen noch einmal beschreiten.
Sollte an der Durchführung des Projekts in Bremerhaven nichts zu ändern sein, so habe ich namens meiner politischen Freunde die ganz besondere Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister zu richten, daß man bei allen Fragen, die mit einer Entschädigung zu tun haben, seitens der deutschen Stellen großzügig verfährt und keine Mißstimmigkeit bestehen läßt, die durch eine angemessene und großzügige Entschädigung ausgeräumt werden könnte.
Das Wort hat der Abgeordnete Schloß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde möchte ich mich zu den vorliegenden Anträgen kurz äußern. Es liegt hier ein Konflikt zwischen öffentlichem Interesse und dem begreiflichen privaten Eigentumsinteresse vor. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, daß hier nur mit behutsamer Hand eingegriffen werden darf. Die Verlockung ist sehr groß, in allen Fällen, die Besatzungsübergriffe bzw. Besatzungsmaßnahmen betreffen, große Debatten zu entfesseln und Ressentiments aufzuwühlen, deren wir später nur sehr schwer Herr werden können.
Wir möchten daher zu den beiden vorliegenden Anträgen, ohne irgendwie materiell in die Debatte eingreifen zu wollen - dafür ist das uns vorliegende Material nicht ausreichend genug -, grundsätzlich bemerken, daß wir die in dem Antrag der DP enthaltene Initiative begrüßen und voll und ganz unterstützen. Wir können uns auch ohne weiteres bereit finden, die zweite Ziffer des Antrages der SPD anzunehmen, wodurch unsere Behörden angeregt werden sollen, bei künftigen Beschlagnahmen bebaute Grundstücke auszunehmen. Wir können uns jedoch nicht bereit finden, die erste Ziffer des Antrages der SPD zu unterstützen. Die Darlegungen des Herrn Finanzministers haben doch überzeugend dargetan, daß wirtschaftliche Überlegungen sehr wohl geeignet sein können, Interessen privater Art zurückzudrängen.
Grundsätzlich darf ich noch sagen, daß ich mit der Beweisführung des Herrn Kollegen W e h r nicht restlos übereinstimmen kann. Er versucht doch, den Sachverhalt in mancher Beziehung zu vereinfachen, so beispielsweise, wenn er davon spricht, daß 664 Neubauwohnungen, durch welche 664 Altbesatzungsverdrängte wieder in den Genuß ihrer früheren Wohnräume kommen, keine Lösung darstellen, wenn man dafür wieder neue Besatzungsverdrängte schafft. Es ist doch ein sehr beachtenswerter Umstand, daß 664 Altbesatzungsverdrängte wieder in ihre Wohnungen kommen, während nur 30 bis 50 Neubesatzungsverdrängte geschaffen werden. Eine Vereinfachung ist hier nicht angebracht. Im übrigen entspricht das einer Theorie, die die Besatzungsgeschädigten uns gegenüber wiederholt vertreten haben. Sie haben nämlich verlangt, daß die Besatzungslasten auch einmal auf and ere Bevölkerungskreise übertragen werden. Wir sind der Meinung, daß Gespräche mit den amerikanischen Besatzungsbehörden und mit den deutschen Instanzen, die an der Entscheidung bei der Wahl des Grund und Bodens beteiligt sind, sehr wohl geeignet sind, die Härten, die dort entstehen können, noch zu beseitigen. Wir hoffen und wünschen, daß der Herr Finanzminister im Geiste einer echten Konzilianz bereit ist, die neuen Betroffenen zu entschädigen, und alles tut, um weitere Schwierigkeiten in Bremerhaven zu beseitigen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0}) - Herr Abgeordneter Wehr noch einmal!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch kurz auf folgendes hinweisen. Wenn Sie die erste Ziffer unseres Änderungsantrages ablehnen, helfen Sie den 300 Menschen nicht, die in Bremerhaven davorstehen, ihr Heim zu verlieren und in den nächsten Tagen von der Polizei herausgesetzt zu werden. Zum 10. Juli war die erste Räumung angedroht. Sie haben aber eine Möglichkeit, ihnen zu helfen, wenn Sie auf das stadteigene Gelände verweisen. Wir haben in
({0})
unserem Antrag ja nicht gesagt, daß es am Grauen Wall sein soll. Die Stadt besitzt da weiteres Gelände. Im Laufe der Verhandlungen ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß es wohl nicht unbedingt notwendig ist, wie zu Zeiten der Kolonialherrschaft eine geschlossene amerikanische Kolonie bei uns zu schaffen, sondern daß diese Bauten sehr wohl auf das Stadtgebiet verteilt werden könnten. Die Amerikaner waren hiermit zunächst auch durchaus einverstanden. Nur die fiskalischen Erwägungen spielen hier eine Rolle, und ich möchte das Hohe Haus bitten, diese fiskalischen Erwägungen beiseite zu lassen.
Wenn hier immer wieder bezüglich des Kriteriums für die Aufschließungskosten von 15 Millionen DM gesprochen wird, dann bezieht sich das auf eine Fläche von 400 000 qm, der eine etwa halb so große Fläche gegenübersteht. Man kann doch aber nur von der Differenzsumme der beiden Objekte ausgehen. Nur die Differenz kann doch das Kriterium sein, und diese mündet nachgewiesenermaßen nicht in einen Betrag von 15 Millionen DM aus, sondern liegt bei einem Objekt von etwa 25 bis 30 Millionen in der Größenordnung von 3 Millionen DM. Darauf mußte ich zum Verständnis der Sache noch einmal hinweisen.
Ich möchte Ihnen, wenn Sie jetzt Ihre Entscheidung fällen, zu überlegen geben, ob Sie bei einer Bausumme von dieser Größe tatsächlich die Wohnungen und Heimstätten von 300 Menschen opfern wollen, die jetzt in Neubauwohnungen eingewiesen werden müssen, für die bereits Mietverträge mit anderen Mietpartnern abgeschlossen sind, weil die Baupolizeibehörde als Obdachlosenpolizei auch hier Beschlagnahmungen vornimmt. Es bleibt ja nicht bei den paar Familien, sondern jetzt werden weitere in Mitleidenschaft gezogen. Sie haben es in Ihrer Hand. Ich möchte Sie bitten, auch dem ersten Absatz unseres Änderungsantrages zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, damit scheint mir die Rednerliste aber erschöpft zu sein. Ich schließe die Besprechung.
Ich befinde mich geschäftsordnungsmäßig in einer gewissen Schwierigkeit, weil auf Umdruck 144 steht: „Änderungsantrag". Es handelt sich für mich hier nicht um einen Änderungsantrag, sondern um eine Ergänzung; denn an sich widersprechen alle drei Formulierungen einander nicht, es könnten theoretisch alle drei nebeneinander angenommen werden. Ich mache Ihnen den Vorschlag, so zu verfahren, daß wir zunächst über den Antrag der Fraktion der DP abstimmen und dann über den der Fraktion der SPD; und da darf ich nach Lage der Dinge wohl vorschlagen, absatzweise abzustimmen.
Ich komme also zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, Drucksache 718. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist mit ganz überwiegender Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD - Umdruck 144*) -, und zwar zunächst über den ersten Absatz. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist ein völlig unübersichtliches Ergebnis;
({0})
*) Siehe Anlage 1.
ich muß Sie also bitten, diese Frage im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Es gibt bei der Besetzung des Hauses keine Möglichkeit, von hier aus festzustellen, wo die Mehrheit ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der Fraktion der SPD sind, das Haus durch die Ja-Tür zu betreten.
({1}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. - Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Für den Abs. 1 des sozialdemokratischen Antrags Umdruck 144 haben gestimmt 152 Abgeordnete, dagegen 188, bei 20 Enthaltungen. Dieser Absatz ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit. Dieser Absatz ist angenommen. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 2:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zweite Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({4}) ({5}). ({6})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schütz. Ich bitte zur kurzen Berichterstattung!
Schütz ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das am 1. Jänner 1953 in Kraft getretene Erste Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 bestimmt, daß die deutschen und österreichischen Versicherungsträger Leistungsansprüche und Anwartschaften, die vor dem Zusammenbruch und vor der Trennung der beiden Staatsgebiete im Jahre 1945 in der deutschen Unfallversicherung und in den deutschen Rentenversicherungen entstanden sind oder aus fremdstaatlichen Versicherungen übernommen worden sind, nur dann übernehmen, wenn bestimmte sachliche und persönliche Beziehungen der Versicherten zum Bundesgebiet oder zum Gebiet der Republik Österreich gegeben sind. Zu den Personen, deren Ansprüche durch das Abkommen nicht geregelt worden sind, zählen vor allem die sich in Österreich aufhaltenden Flüchtlinge und Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die sich aus ihren Heimatländern unmittelbar nach Österreich begeben haben und seitdem dort verblieben sind. Bereits im Schlußprotokoll zum Ersten Abkommen wurde vorgesehen, hinsichtlich der noch nicht geregelten Ansprüche und Anwartschaften in einer Zusatzvereinbarung zu bestimmen, inwieweit die beiderseitigen Staatsangehörigen und die Volksdeutschen Leistungen oder Unterstützungen erhalten können, solange sie sich im Gebiet eines Vertragsstaates aufhalten.
Im Hinblick auf die große Bedeutung der zu regelnden Frage und die verhältnismäßig große Zahl
({8})
der Betroffenen wurde an Stelle einer Zusatzvereinbarung ein Zweites Abkommen geschlossen. Dieses enthält in Teil I einige Klarstellungen bezüglich des Ersten Abkommens. Teil II sieht die Einbeziehung des Landes Berlin in den Geltungsbereich des Ersten und des Zweiten Abkommens rückwirkend vom Zeitpunkt des Inkrafttretens beider Abkommen vor. Teil III regelt die im Ersten Abkommen nicht erfaßten Ansprüche und Anwartschaften der deutschen und österreichischen Staatsangehörigen und der Volksdeutschen. Das Zweite Abkommen gilt demnach nur für Personen, die am 11. Juli 1953, dem Tag der Unterzeichnung des Abkommens, deutsche oder österreichische Staatsangehörige waren oder als Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die staatenlos sind oder deren Staatszugehörigkeit ungeklärt ist, anzusehen waren und sich im Gebiet der Republik Österreich nicht nur vorübergehend aufgehalten haben.
In sachlicher Hinsicht werden zwei Gruppen von Ansprüchen und Anwartschaften erfaßt. Die erste Gruppe umfaßt die Ansprüche und Anwartschaften, die vor dem 1. Mai 1945 in der deutschen Unfallversicherung oder in den deutschen Rentenversicherungen entstanden sind oder in diese übernommen wurden. In die zweite Gruppe gehören die Ansprüche, die vor dem 1. Mai 1945 in einer fremdstaatlichen Unfall- oder Rentenversicherung entstanden und nicht in die deutsche Versicherung übernommen worden sind. Es handelt sich um die Sozialversicherungen in Bulgarien, Estland, Jugoslawien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei und Ungarn. Das Abkommen gilt nicht für volksdeutsche Umsiedler aus Italien. Für diese sind Verhandlungen zwischen den Regierungen der Bundesrepublik, Österreichs und Italiens in Aussicht genommen. Auf Grund der zu berücksichtigenden Ansprüche und Anwartschaften werden ausschließlich Leistungen aus der österreichischen Sozialversicherung gewährt. Ist Antrag auf Feststellung einer solchen Leistung gestellt, so kann der österreichische Versicherungsträger vorläufige Leistungen gewähren.
Die Artikel 7 bis 16 regeln im einzelnen das Verfahren und die Berechnung der Leistungen aus der Unfallversicherung und den Rentenversicherungen. Nach Art. 17 hat der österreichische Staat den Mehraufwand zu erstatten, der den österreichischen Versicherungsträgern aus der Durchführung des Abkommens entsteht. Nach Art. 18 beteiligt sich die Bundesrepublik in einem gewissen Umfang an den Aufwendungen, die der Bundesrepublik Österreich aus den Erstattungen nach Art. 17 erwachsen. Es wird geschätzt, daß für die nächsten Jahre eine jährliche Summe von rund eineinhalb Millionen aufzubringen ist. Die Bundesrepublik deckt demnach die Ausgaben, die österreichischen Versicherungsträgern auf Grund des Abkommens für Personen entstehen, die bei Inkrafttreten des Abkommens nicht österreichische Staatsbürger sind und nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 in Deutschland, in Danzig, Estland, Lettland, Litauen, Polen und der Tschechoslowakei mit Ausnahme der später in die Reichsgaue Niederdonau und Oberdonau eingegliederten Gebiete entweder einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten oder Versicherungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt haben. Von Österreich werden dagegen die Aufwendungen für Personen getragen, die bei Inkrafttreten des Abkommens österreichische Staatsbürger sind und deren Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Rentenversicherungszeiten in Jugoslawien, Rumänien, Ungarn oder den in die ehemaligen Reichsgaue Niederdonau und Oberdonau eingegliederten tschechoslowakischen Gebieten eingetreten bzw. zurückgelegt worden sind.
Teil IV enthält die Übergangs- und Schlußbestimmungen. Danach gelten bei Anwendung des Zweiten Abkommens die gleichen Grundsätze und gewisse Verfahrensvorschriften des Ersten Abkommens entsprechend. Leistungen nach dem Zweiten Abkommen werden - ebenso wie die Leistungen nach dem Ersten Abkommen - erst für die Zeit ab 1. Januar 1953 gewährt.
Da die künftige Höhe der durch das Zweite Abkommen entstehenden finanziellen Verpflichtungen noch nicht genau übersehbar ist, bestimmt das Schlußprotokoll, daß die Bestimmungen über die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an dem Aufwand zu überprüfen sind, wenn in den Berechnungsgrundlagen eine wesentliche Änderung eintritt.
Das Zweite Abkommen soll ebenso wie das Erste Abkommen rückwirkend ab 1. Januar 1953 in Kraft treten. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat in seiner letzten Sitzung einstimmig dem Gesetz zugestimmt. Ich bitte das Hohe Haus, ebenfalls zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich darf auch bei dieser Gelegenheit auf die in der Geschäftsordnung vorgesehene Möglichkeit der schriftlichen Berichterstattung hinweisen.
Ich komme zur zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache kann entfallen, Einzelbesprechung ebenfalls.
Ich bitte die Damen und Herren, die in der dritten Beratung dem aufgerufenen Gesetzentwurf über das Zweite Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung zustimmen, ihre Hand zu erheben. - Das ist einstimmig angenommen. Die Schlußabstimmung entfällt gemäß § 88 der Geschäftsordnung. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Sozialversicherung ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}). ({3})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Arndgen. Darf ich den Vorschlag einer kurzen Berichterstattung machen.
Arndgen ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ihnen in der Drucksache 594 vorlie({5})
gende Abkommen zwischen Deutschland und Dänemark ist das erste umfassende Sozialversicherungsabkommen seit dem Jahre 1922. Die Abkommen von 1922, 1928 und 1933 behandelten jeweils nur Teilgebiete der Sozialversicherung.
Nach Art. 1 des vorliegenden Abkommens sind sämtliche Zweige der Sozialversicherung in dieses Abkommen einbezogen. Art. 2 stellt die beiderseitigen Staatsangehörigen in ihren Rechten und Pflichten aus der Sozialversicherung einander gleich und enthält damit einen der wesentlichsten Grundsätze dieses und anderer zweiseitiger Sozialversicherungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland. In Art. 3 des ersten Abschnitts ist der zweite Hauptgrundsatz des Abkommens festgelegt. Er bestimmt die uneingeschränkte Leistungsgewährung an alle beiderseitigen Staatsangehörigen, die im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten wohnen. Abs. 2 dieses Art. 3 bestimmt darüber hinaus, daß die Gleichstellung der beiderseitigen Staatsangehörigen auch insoweit gilt, als sich die Berechtigten im Gebiet eines dritten Staates aufhalten.
Für die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den beiderseitigen Sozialversicherungen legt Art. 4 Abs. 1 das sogenannte Territorialprinzip fest. Danach richtet sich die Zuständigkeit nach dem Beschäftigungsort.
Die Abschnitte II, III und IV enthalten vorwiegend technische Bestimmungen, mit denen diese Grundsätze in den einzelnen Zweigen, in der Kranken-, in der Unfall- und Rentenversicherung verwirklicht werden sollen.
Die Abschnitte V und VI enthalten unter anderem Bestimmungen über den Zahlungsverkehr und darüber, in welcher Währung Zahlungen zu leisten sind, ferner über Verwaltungshilfe, Gebührenbefreiungen und über Vertretungsbefugnisse der konsularischen und diplomatischen Behörden.
Hervorzuheben ist Art. 41 des Abkommens, der für den Fall eines Streites über die Zuständigkeit zur Gewährung von Leistungen vorsieht, daß an den Berechtigten vorläufige Leistungen gewährt werden.
Anträge auf Leistungen nach dem Abkommen sind binnen eines Jahres nach seinem Inkrafttreten zu stellen.
Das Abkommen enthält ferner die übliche Schiedsklausel und die Berlin-Klausel.
Aus dem Schlußprotokoll sind die Ziffern 7 und 9 hervorzuheben. Ziffer 7 bestimmt, daß die dänische Regierung das dänische Gesetz vom 30. März 1946 über Konfiskation von deutschen und japanischen Vermögen so anwenden wird, daß Ansprüche aus dem Abkommen unberührt bleiben. In Ziffer 9 ist ausgeführt, unter welchen Umständen die sogenannte dänische Wartezulage deutschen Staatsangehörigen gewährt wird.
Gleichzeitig mit dem Abkommen und dem Schlußprotokoll ist eine Zusatzvereinbarung unterzeichnet worden, die die Rechte deutscher und dänischer Staatsangehöriger, die ihren Wohnsitz in Dänemark haben, behandelt, deren Renten vor dem 8. Mai 1945 zuerkannt und bis zu diesem Zeitpunkt überwiesen worden waren. Im einzelnen handelt es sich um Personen, die während des zweiten Weltkrieges in Deutschland gearbeitet und Rentenansprüche aus der Unfallversicherung erworben haben, um dänische Staatsangehörige, die auf Grund früherer Verträge Ansprüche aus der Angestelltenversicherung erworben haben, und um solche dänische Staatsangehörige, die früher im Bundesgebiet wohnhaft gewesen sind und vorwiegend aus politischen Gründen nach Dänemark haben zurückkehren müssen. Für alle diese Personengruppen wird in der Zusatzvereinbarung. bestimmt, daß Renten, die vor dem Inkrafttreten des Abkommens fällig geworden sind oder werden, nachzuzahlen sind, und daß Anwartschaften durch Nachentrichtung von Beiträgen aufrechterhalten werden können.
Über die allgemeine Auswirkung dieses Abkommens ist mir von den zuständigen Versicherungsträgern mitgeteilt worden, daß für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Abkommens mit monatlichen Rentenzahlungen von höchstens 35 000 DM einschließlich aller Zulagen zu rechnen ist. Rückstände aus der Zeit vor der Währungsreform belaufen sich auf zirka 18 000 DM, solche aus der Zeit nach der Währungsreform bis zum März 1954 einschließlich auf 1 280 000 DM.
Im Juli 1952 waren in der Bundesrepublik etwa 5000 Dänen beschäftigt. Bis Ende 1953 ist die Zahl auf 800 gesunken. In Dänemark sind zur Zeit 3500 Arbeitsgenehmigungen für Deutsche erteilt.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag, Sie zu bitten, der Drucksache 655 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur zweiten Beratung auf: Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Diese Artikel, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache und Einzelberatung können entfallen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Sozialversicherung zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Das ist mit Mehrheit angenommen. - Die Schlußabstimmung entfällt.
Ich komme zu Punkt 4:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 101 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1952 über den bezahlten Urlaub in der Landwirtschaft ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}). ({3})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Engelbrecht-Greve.
Ich darf zwischendurch bekanntgeben, daß der Haushaltsausschuß um 11 Uhr in Zimmer A 216 zu seiner 42. Sitzung zusammentritt.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Engelbrecht-Greve ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Huren: Der Ausschuß für Arbeit hat in seiner Sitzung am
({5})
10. Juli 1954 den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 101 der Internationalen Arbeitsorganisation über den bezahlten Urlaub in der Landwirtschaft behandelt. Der Art. 1 des Übereinkommens besagt, daß Arbeitnehmern in landwirtschaftlichen Betrieben nach einer gewissen Dauer ununterbrochenen Dienstes bei demselben Arbeitgeber ein bezahlter Jahresurlaub zu gewähren ist. Nach Art. 2 steht es jedem ratifizierenden Mitglied frei, nach welchem Verfahren dieser bezahlte Urlaub geregelt wird. In den Ländern der Bundesrepublik ist das Verfahren teilweise gesetzlich, teilweise durch Arbeitsverträge geregelt, so daß die Anforderungen, die dieses Übereinkommen stellt, erfüllt sind.
Der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat der Drucksache in unveränderter Fassung zugestimmt. Der federführende Ausschuß für Arbeit hat einstimmig beschlossen, das Hohe Haus zu bitten, dem Entwurf in unveränderter Fassung seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung: Artikel 1 bis 5, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. Das ist mit großer Mehrheit angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Allgemeine Besprechung und Einzelbesprechung entfallen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 101 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 26. Juni 1952 über den bezahlten Urlaub in der Landwirtschaft insgesamt zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Das ist mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Ich komme zum Punkt 5:
Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Vordringliche Freigabe von Bundesmitteln für die Brennstoffbeschaffung für Minderbemittelte ({0}).
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Schranz.
Dr. Schranz ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 583 bezweckt, die Mittel, die im Einzelplan 40 Kap. 4003 Tit. 300 zur Verfügung stehen, vorzuziehen und die rechtzeitige Freigabe anzuregen. Damit soll erreicht werden, daß die davon betroffenen Kreise noch in den Genuß der niedrigeren Sommerpreise kommen. Darüber hinaus soll dem Kohleneinzel- und -großhandel die Möglichkeit gegeben werden, jetzt schon die in Frage kommenden Mengen auszuliefern und nicht erst, wenn im frühen Winter oder im Spätherbst das Stoßgeschäft beginnt. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit und damit die nötigen Verwaltungsmaßnahmen rechtzeitig in angriff genommen werden können, bitten wir, diesem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und HerHerren, Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern, Herr Staatssekretär Bleek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der' Antrag geht in einem Punkte von einer nicht ganz richtigen Voraussetzung aus. Unmittelbar stehen im Haushaltsplan besondere Mittel für Zuschüsse für die Brennstoffbeschaffung für Minderbemittelte nicht zur Verfügung. Es handelt sich bei diesen Leistungen um einen echten Anspruch aus der öffentlichen Fürsorge, der von den Trägern der öffentlichen Fürsorge befriedigt werden muß. Der Bund hat allerdings im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe die Verpflichtung, die entsprechenden Mittel zu erstatten. Das ist in den früheren Jahren geschehen. Wir haben bereits im Juni dieses Jahres die Landesregierungen darauf hingewiesen, daß sich auch in diesem Jahre die Erstattung der entsprechenden Anteile des Bundes aus der Kriegsfolgenhilfe für diese Zwecke wie in den früheren Jahren regeln wird. Die Landesregierungen sind also in der Lage, bereits jetzt die entsprechenden Vorbereitungen zu treffen. Damit dürfte der Antrag praktisch in vollem Umfang erledigt sein.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Staatssekretärs gehört. Darf ich die Antragsteller fragen, ob der Antrag damit sachlich erledigt ist?
({0})
- Ist erledigt; dann braucht nicht weiter über diesen Antrag verhandelt zu werden. Er kann ais erledigt betrachtet werden. Dieser Punkt der Tagesordnung ist damit ebenfalls erledigt.
Zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes ({1}),
ist mir mitgeteilt worden, daß ohne Begründung und Aussprache eine Erklärung namens aller Fraktionen abgegeben werden soll.
Herr Abgeordneter Petersen, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen habe ich die Ehre, im Namen aller Fraktionen folgende Erklärung zur Drucksache 558 abzugeben:
Ausgehend von der Grundstruktur des am 19. Oktober 1950 gemeinsam verabschiedeten Gesetzes zur Versorgung der Opfer des Krieges beauftragen alle Fraktionen des Deutschen Bundestages die Bundesregierung, unverzüglich einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die Grundrenten der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen entsprechend der Anhebung der Ausgleichsrente erhöht und die Elternrenten verbessert werden.
Alle Fraktionen des Bundestages bekennen sich erneut zur Unantastbarkeit der Grundrente als eines unabdingbaren Rechtsanspruchs der deutschen Kriegsopfer.
Angesichts der Dringlichkeit des Anliegens wird das Hohe Haus gebeten, dem Antrag Drucksache 558 ohne Ausschußüberweisung unmittelbar zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung zur Kenntnis genommen. Danach werden Sie gebeten, dem Ihnen
({0})
vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU Drucksache 558 ohne Aussprache zuzustimmen. Das Wort wird weiter nicht dazu gewünscht.
Ich komme also zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 558. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich stelle fest, daß dieser Antrag einstimmig angenommen worden ist.
Der Punkt 7 der Tagesordnung - Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung - ist abgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zweite Zusatzabkommen vom 4. Dezember 1953 zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}).
({4})
Berichterstatter des Außenhandelsausschusses ist der Abgeordnete Wehr. Bitte!
Wehr ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat in seiner 10. Sitzung vorn 22. Juni 1954 die Vorlage über das Zusatzabkommen zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik und der Schweizerischen Eidgenossenschaft beraten und schlägt dem Hohen Hause vor, diesem Abkommen zuzustimmen. Veränderungen in der Vorlage sind vom Ausschuß nicht vorgenommen worden.
Ich darf aber in Übereinstimmung mit sämtlichen Ausschußmitgliedern darauf hinweisen, daß es der Ausschuß für nicht gerade sehr erfreulich hielt, daß Vorlagen einen derart langen zeitlichen Weg zurücklegen, und zwar vor allen Dingen dann, wenn sie Fragen des Außenhandels, d. h. also immerhin ein Abkommen berühren, dessen Verabschiedung auch die andere Seite gewissermaßen erwartet. So ist diese Vorlage, die das Datum des 4. Dezember 1953 trägt, erst am 21. April 1954 an den Bundestag gelangt, und erst heute kann sie verabschiedet werden. Der Ausschuß erwartet, daß in derartigen Fällen nicht immer der letzte Beteiligte - der Ausschuß nämlich - in Druck gesetzt wird und daß andererseits auch das Amt schneller arbeitet, damit diese Vorlagen etwas rascher verabschiedet werden können.
Ich möchte Sie bitten, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen, den Gesetzentwurf Drucksache 476 unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe zur zweiten Beratung auf Art. I bis IV, Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen.
Zur
dritten Beratung
kann allgemeine Aussprache und Einzelberatung
entfallen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem
Entwurf eines Gesetzes über das Zweite Zusatzabkommen vom 4. Dezember 1953 zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft insgesamt zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Mit überwiegender Mehrheit angenommen. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich komme zu Punkt 9:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Lastenausgleichsbank ({0}) ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}). ({4})
Der Mündliche Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit soll von Herrn Abgeordneten Thieme erstattet werden. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Thieme ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Das Hohe Haus hat in seiner 8. Sitzung am 10. Dezember 1953 den Entwurf eines Gesetzes über die Lastenausgleichsbank - Drucksache 86 - an den Ausschuß für Geld und Kredit und an den Ausschuß für den Lastenausgleich zur Beratung überwiesen. Die Federführung erhielt der Ausschuß für Geld und Kredit, der in mehreren Sitzungen den Gesetzentwurf beraten und dabei auch zu den Beschlüssen des Ausschusses für den Lastenausgleich abschließend Stellung genommen hat. Die Ausschußbeschlüsse weichen in zahlreichen und wesentlichen Punkten vom Regierungsentwurf ab. In Drucksache 628 finden Sie die Gegenüberstellung von Entwurf und Ausschußbeschlüssen. Ich darf im einzelnen über die Erörterungen im Ausschuß für Geld und Kredit berichten und gleichzeitig anfügen, daß eine Verzögerung der Beratung durch den Umstand eingetreten ist, daß sich der Bundesrat, der bereits am 24. April 1953 zu dem Entwurf Stellung genommen hatte, gemäß dem Grundsatz der Diskontinuität des Bundestags noch einmal mit dem Entwurf beschäftigen mußte, was am 19. März dieses Jahres geschehen ist.
Zur Überschrift des Gesetzentwurfs ist zu berichten, daß die Streichung des in Klammern gesetzten Untertitels beschlossen wurde, ausgehend von der Überlegung, den Zweck der Bank auf den Lastenausgleich als solchen und nicht auf bestimmte Kundenschichten zu erstrecken.
§ 1 Abs. 1 erhielt den vom Regierungsentwurf abweichenden Wortlaut mit einem Abstimmungsergebnis von 9 zu 1 bei mehreren Enthaltungen. Abs. 2 von § 1 wurde unverändert angenommen. Der Ausschuß für Geld und Kredit war dabei der Ansicht, daß in ,das Gesetz keinerlei Bestimmungen über Filialverbot aufgenommen werden sollten.
Von § 2 wurden die Absätze 2 und 3 gestrichen, da der Ausschuß in seiner Mehrheit die Ansicht vertrat, daß Kapitalerhöhung einer öffentlichrechtlichen Anstalt nur durch Gesetz festzulegen sei, nicht aber durch Kapitalbeteiligungsvertrag.
§ 3 erhielt einen weiteren Satz - ich darf ihn verlesen -:
Die Hauptrücklage darf nur zum Ausgleich von Wertminderungen und zur Deckung von sonstigen Verlusten verwendet werden.
Ich komme darauf noch bei § 10 zu sprechen.
({6})
§ 4 Abs. 1 erhielt eine redaktionelle Änderung. Im gleichen Paragraphen wurden in Abs. 2 Ziffer 1 die Worte „und finanziellen Beihilfen" gestrichen. Der Ausschuß stimmte jedoch darin überein, daß die Möglichkeit der Gewährung von zinslosen Darlehen nicht ausgeschlossen sein sollte. In § 4 Abs. 4 Ziffer 4 bindet der Ausschuß Beteiligungen an die Zustimmung des Verwaltungsrats. Er befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesrechnungshofs.
Der Ausschuß für den Lastenausgleich forderte bei Beratung des § 6 nachdrücklich, daß alle Geschädigtengruppen angemessen im Personal der Bank vertreten sein sollten. Der Ausschuß für Geld und Kredit schloß sich dieser Forderung an.
§ 7 war Gegenstand längerer Erörterungen sowohl im Ausschuß für Geld und Kredit als auch im Ausschuß für den Lastenausgleich. In Abs. 1 Ziffer 2 wurden zwei redaktionelle Korrekturen notwendig. Strittig war Ziffer 3 des Abs. 1. Der Ausschuß für Geld und Kredit entschloß sich, die Zahl der Ländervertreter auf 6 zu erhöhen, in der Meinung, daß neben den drei Abgabeländern und den zwei Aufnahmeländern als sechstes Land Berlin vertreten sein sollte.
Hinsichtlich der Ziffer 7 trat der Ausschuß für Geld und Kredit dem Beschluß des Ausschusses für den Lastenausgleich bei, nämlich die Zahl der Vertreter der Organisationen der Kriegsgeschädigten einschließlich der Ostgeschädigten von 2 auf 3 zu erhöhen.
Ziffer 7 a wurde vom Ausschuß für Geld und Kredit neu eingefügt.
Ziffer 8 erhielt ihre Formulierung durch gleichlautende Vorschläge beider Ausschüsse.
Während der Ausschuß für den Lastenausgleich anregte, in Ziffer 9 zu bestimmen, in den Verwaltungsrat sollten sieben weitere sachverständige Mitglieder kommen, die von der Hauptversammlung auf Vorschlag des Bundestages gewählt werden, konnte sich der Ausschuß für Geld und Kredit nur zu der Formulierung, die fünf weitere Mitglieder vorsieht, entschließen. In Abs. 9 des § 7 ist die Aufnahme von Anleihen von einer Genehmigung des Verwaltungsrats abhängig gemacht.
Bei § 9 entwickelte sich über die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Jahresabschluß eine längere Diskussion, vor allem darüber, inwieweit eine Entscheidungsbefugnis des Verwaltungsrats festgelegt werden sollte. Im Gesetzentwurf war eine Regelung getroffen worden, die bereits einen Vorgriff auf die künftige Entwicklung des Aktienrechts darstellt. Der Ausschuß entschied sich für die Einschaltung des Verwaltungsrats und hat dementsprechend die Abs. 1 und 2 des § 9 neu formuliert.
Die Änderungen des § 10 Abs. 1 regeln nunmehr die Zuführung zur Hauptrücklage ausschließlich nach dem Kapital des Unternehmens.
In § 12 wünscht der Ausschuß die Anhörung des Verwaltungsrats bei Abfassung der Satzung und Satzungsänderungen.
In § 14 wurde ein zusätzlicher Abs. 2 a aufgenommen, durch den die Bank ermächtigt wird, für ihre Anleihen ein Schuldbuch von der Bundesschuldenverwaltung führen zu lassen. Damit wird einem Wunsche des Bundesausgleichsamts Rechnung getragen.
Bei § 14 Abs. 3 möchte ich noch darauf hinweisen, daß aus redaktionellen Gründen die hinter dem Wort „Lastenausgleichsbank" in Klammern stehende Bezeichnung „Bank für Vertriebene und Geschädigte" fortfallen muß, wie es bereits im Titel und in den vorausgehenden Paragraphen ordnungsgemäß geschehen ist.
Auch die Änderung des Textes von § 16 Abs. 2 ist nur redaktioneller Art.
§ 16 a ist neu aufgenommen worden. Die Vorschrift, die Interimsbestimmungen für Vorstand und Aufsichtsrat enthält, ist notwendig, weil die Geschäfte der Bank ohne Verzug weitergeführt werden müssen.
Der Ausschuß für Geld und Kredit stellt den Antrag, das Hohe Haus wolle beschließen, dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlüsse des 22. Ausschusses, wie in Drucksache 628 niedergelegt, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur zweiten Beratung rufe ich zunächst den § 1 auf. Dazu liegt ein noch nicht verteilter Änderungsantrag der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE vor, im § 1 hinter „Lastenausgleichsbank" wieder einfügen „Bank für Vertriebene und Geschädigte". Zur Begründung Herr Abgeordneter Haasler. - Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß gleichzeitig auch die Anträge zu § 7 auf Umdruck 146*) begründet werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde sind mit den Vorschlägen des 22. Ausschusses im wesentlichen einverstanden. Wir haben lediglich drei Anliegen. Das erste Anliegen ist in dem noch nicht verteilten Umdruck enthalten. Wir haben dort beantragt, daß der bisherige Name „Lastenausgleichsbank ({0})" entgegen dem Vorschlag des Ausschusses weiter bestehenbleiben soll. Wir sind der Meinung, daß die Zweckbestimmung der Bank, wie sie in § 1 zum Ausdruck kommt, sich auch in der Firmierung zu zeigen hat. Ich verweise auf § 1, wonach zur wirtschaftlichen Eingliederung und Förderung der durch den Krieg und seine Folgen betroffenen Personen, insbesondere der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten, ein Kreditinstitut gegründet werden soll. Wir sind also der Meinung, daß im Interesse der Firmenwahrheit und weil die Zweckbestimmung einer Bank aus ihrem Namen hervorgehen sollte, die ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehene Bezeichnung aufrechtzuerhalten ist.
Unsere weiteren Anliegen beziehen sich auf eine andere Gestaltung des Verwaltungsrats. Wir möchten da besonders zwei Dinge geändert sehen. Erstens meinen wir, daß der Vorsitzende des Verwaltungsrats nicht durch das Gesetz bestimmt werden soll, sondern daß sich der Verwaltungsrat seinen Vorsitzenden selber zu wählen hat. Wenn die Regierung einen bestimmten Herrn als Vorsitzenden des Verwaltungsrats zu sehen wünscht, hat sie es ja in der Hand, dessen Wahl über die von ihr mittelbar oder unmittelbar zu benennenden Mitglieder sicherzustellen. Wir sollten den Verwaltungsrat aber nicht von vornherein an eine bestimmte gesetzliche Regelung binden.
({1})
*) Siehe Anlage 2.
({2})
Auch rein systematisch ist es nicht gut, dem Verwaltungsrat, der ja ein Gremium ist, in dem echt über die sachlichen Anliegen diskutiert werden soll, von Amts wegen eine Spitze zu geben. In § 7 Abs. 9 heißt es: „Der Verwaltungsrat . . . ist berechtigt, vom Vorstand Auskünfte zu verlangen und ihm allgemeine Weisungen und Empfehlungen zu erteilen." Er ist also ein weisungsberechtigtes Organ. Ein solches Organ sollte deshalb auch in - sagen wir - parlamentsähnlicher Weise organisiert werden. Eine Parallele findet sich überdies im Handelsrecht; es wird als üblich und notwendig angesehen, daß sich die Aufsichtsräte der Firmen ihre Vorsitzenden selber wählen.
Unsere speziellen Anliegen hinsichtlich der mitgliedermäßigen Zusammensetzung des Verwaltungsrats gehen aus Umdruck 146 hervor. Ich möchte Sie mit der Aufzählung der Einzelheiten nicht langweilen. Ich will nur einen Änderungswunsch hervorheben: wir sollten einem Vertreter der heimatvertriebenen Wirtschaft einen Sitz im Verwaltungsrat einräumen. Das scheint uns durch eine Änderung der Ziffer 6 des Abs. 1 von § 7 möglich, in der wir an Stelle der bisher vorgeschlagenen drei Vertreter der Vertriebenenorganisationen vier Vertreter festgelegt sehen möchten. Ich brauche keine Worte darüber zu verlieren, daß in einer Bank, die sich im wesentlichen mit der wirtschaftlichen Eingliederung der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten befassen soll, ein Vertreter der heimatvertriebenen Wirtschaft als Mitglied unentbehrlich erscheint.
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE*), den ich nochmals verlesen darf, da er, soviel ich weiß, noch nicht verteilt ist:
In § 1 Abs. 1 wird hinter dem Wort „Lastenausgleichsbank" eingefügt „({0})".
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, die dem § 1 mit der beschlossenen Ergänzung zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ichrufe auf § 2,-§ 3,-§ 4, -§ 5,-§ 6.-Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 7 auf. Hierzu liegen die Änderungsanträge der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 146 und der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 149 vor. Der Antrag des GB/BHE wurde von Herrn Abgeordneten Haasler bereits begründet. Zur Begründung des Antrags der CDU/CSU hat das Wort der Abgeordnete Kuntscher.
*) Umdruck 150.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Umdruck 149*) legt die CDU/CSU-Fraktion einen Änderungsantrag zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 vor. Der Änderungsantrag der CDU/ CSU-Fraktion nimmt den einstimmigen Beschluß des Lastenausgleichsausschusses zu § 7 Abs. 1 Nr. 9 wieder auf, den der Ausschuß für Geld und Kredit verworfen hat. Zur Begründung der Wiederaufnahme dieses einstimmigen Beschlusses des Lastenausgleichsausschusses möchte ich folgendes sagen.
Der Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank setzt sich nach der jetzigen Ausschußfassung zusammen aus rund 20 Behördenvertretern, 7 Vertretern von Geschädigtenverbänden, 3 indifferenten Vertretern, und zwar des privaten Bankgewerbes, der öffentlichen Sparkassen und der genossenschaftlichen Kreditinstitute, und soll nach Abs. 1 Ziffer 9 bis zu 5 weiteren Mitgliedern erweitert werden, sofern die Hauptversammlung die Zuwahl weiterer Mitglieder für geboten hält. Die Gesamtzahl dieses Verwaltungsrates wäre dann 35 Personen. Das Verhältnis zwischen Behördenvertretern und Geschädigtenvertretern scheint uns sehr ungerecht zu sein. Aus diesem Grunde treten wir dem Beschluß des Lastenausgleichsausschusses bei und beantragen, § 7 Abs. 1 Ziffer 9 dahingehend zu ändern, daß an die Stelle der Worte „bis zu fünf weiteren Mitgliedern, sofern die Hauptversammlung die Zuwahl weiterer Mitglieder für geboten hält" die Worte gesetzt werden: „sieben weiteren Mitgliedern, die vom Bundestag gewählt werden". Wir wollen damit erstens das Verhältnis zwischen Behördenvertretern und Vertretern der Geschädigtengruppen im Verwaltungsrat ein wenig ausgleichen und wollen zweitens damit auch erreichen, daß der Bundestag im Verwaltungsrat etwas zu sagen hat und einen Einfluß ausüben kann. Man hält uns entgegen, daß hier vielleicht eine zu enge Verquickung von Exekutive und Legislative eintreten könnte. Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß wir ja auch bei der Post und bei der Bundesbahn einen Verwaltungsrat haben und daß man dort keinesfalls von einer Verquickung von Legislative und Exekutive gesprochen hat, obwohl diesen Verwaltungsräten auch Mitglieder angehören, die dieses Haus entsandt hat.
Ich bitte also das Hohe Haus, diesem unserem Antrage zuzustimmen, und zwar in einem Wortlaut, der gegenüber dem vorliegenden Änderungsantrag eine kleine Änderung bedeutet. Es soll nämlich heißen:
9. sieben weiteren Mitgliedern, die vom Bundestag gewählt werden.
Entsprechend einem besonderen Anliegen einer Reihe unserer Fraktionsfreunde soll das Wort „sachverständigen" gestrichen werden, weil auch bei der Entsendung der Mitglieder, die aus den anderen Geschädigtengruppen kommen, im Gesetzestext der Begriff des Sachverständigen, der unter Umständen ein sehr weitläufiger und dehnbarer Begriff sein kann, nicht vorhanden ist.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Oberländer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem ersten Antrag des GB/BHE möchte ich in Verteidigung der Ausschußvorlage sagen, daß es mir
*) Siehe Anlage 3.
({0})
allerdings notwendig erscheint, den Herrn Bundesminister des Innern im Verwaltungsrat zu belassen, und zwar erstens deshalb, weil er dort eine Art Sozialminister ist, und zum zweiten, weil auch die Anliegen der heimatlosen Ausländer, die hier besonders berücksichtigt werden müssen, nicht einfach vergessen werden können. Ich habe die Bitte, in diesem Fall eine Ausnahme zu machen.
Zum Antrag der CDU/CSU muß ich nun allerdings sagen, daß das Beispiel, das der Kollege Kuntscher eben gebracht hat, mir nicht ganz einzuschlagen scheint. Ich glaube, daß die Bundesbahn etwas anderes ist als ein Kreditinstitut. Es ist nach meiner Ansicht ein Novum, daß man jetzt sieben Bundestagsabgeordnete in den Verwaltungsrat der Lastenausgleichsbank delegiert. Es ist mit Recht soeben gesagt worden, daß hier zweifellos eine Art Verwischung zwischen Exekutive und Legislative stattfindet und daß man hier durchaus rechtspolitische Bedenken haben kann, die im übrigen schon lange erhoben worden sind und die auch Herr Kollege Kuntscher mit Recht erwähnt hat. Es geht im übrigen auch darum, daß wir damit alle Plätze völlig verbauen. Wenn also jetzt karitative Verbände irgendeinen Wunsch hegen, so können wir diesen überhaupt nicht mehr erfüllen. Es handelt sich ja in gewisser Beziehung um eine bundeseigene Bank. Wenn nun gesagt wird, es sei ein falsches Verhältnis zwischen Behördenvertretern und Geschädigtenvertretern, so muß ich sagen, daß ich allerdings auch die Vertreter verschiedener Ministerien hier durchaus im Interesse der Geschädigten auftreten sehe. Man kann also die Frage etwas anders stellen, nämlich daß es sich auf der einen Seite um die Vertreter der öffentlichen Hand und auf der anderen Seite um die Vertreter der Organisationen handelt.
Ich glaube also, zumal der Ausschuß diese Vorlage einstimmig, auch mit den gesamten Stimmen der CDU, angenommen hat, berechtigt zu sein, hier die Auschußfassung zu verteidigen. Deshalb möchte ich bitten, den Antrag der CDU/CSU nicht zu unterstützen und die Fassung so, wie sie der Ausschuß vorgelegt hat, anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte sagen, daß meine Freunde dem Antrag, den Herr Kollege Kuntscher hier vorgetragen hat, zustimmen wollen. Wir sind nicht der Meinung des Herrn Ministers, daß die Einstimmigkeit im Ausschuß uns veranlassen sollte, diesen Antrag abzulehnen. Denn wenn das ein Grund wäre, brauchte ja auch der BHE keinen Änderungsantrag zu stellen.
({0})
Darüber, daß hier öffentliche Mittel verwaltet werden und daß die öffentliche Hand hier die Verantwortung in der üblichen Weise zu tragen hat, sind wir uns mit dem Herrn Minister durchaus einig. Wir sind aber der Ansicht, daß in der Handhabung des Kreditgeschäfts dieser Bank, das ja, soviel wir übersehen können, von sehr zuverlässigen, geschulten alten Beamten durchgeführt wird, vielleicht doch eine gewisse Lebensnähe, ein gewisses Verständnis für wirtschaftliche Notwendigkeiten, das heute vielfach vorliegt, durch allzu-starke Bindung an fiskalische Verantwortlichkeiten, wie sie eben aus der Zusammensetzung des
Verwaltungsrats sich ergibt, gehemmt werden kann. Deshalb sind wir in der Tat der Meinung, daß es richtig ist, den Verwaltungsrat so zusammenzusetzen, daß die ausführenden Beamten gerade dann, wenn sie im Interesse dessen, was der Lastenausgleich auf diesem Gebiet erzielen will, mit viel Verständnis arbeiten, einen Rückhalt am Verwaltungsrat haben.
Nun sagt ja der Antrag, wenn ich ihn richtig verstehe, nicht, daß das alles Abgeordnete sein müssen,
({1})
sondern nur, daß der Bundestag Sachverständige entsendet. Daran wollen wir uns ja halten. Damit ist ,auch das so oft gefürchtete - nebenbei gesagt, mir persönlich ziemlich gleichgültige - übergreifen des Parlaments in die Exekutive in keiner Weise verlangt. Selbst wenn es wäre, meine Damen und Herren, würde es mich nicht stören. Man soll sich doch nicht immer wieder auf die Gewaltenteilung berufen. Ich möchte einmal feststellen: die Gewaltenteilung ist doch von jeher in der Geschichte nur vertreten worden als Schutz der Gerichte vor der Krone und als Schutz des Gesetzgebers gegen die Krone. S o sind die Dinge entstanden. Noch niemals hat jemand die Verwaltung vor dem Einfluß des Gesetzgebers oder der Gerichte schützen wollen.
({2})
Das hat es in der Geschichte nie gegeben. Dieses Argument also, das wir immer wieder hier zu hören bekommen, wenn die Exekutive Rechte dieses Hauses zu beschränken beabsichtigt, zieht nicht, wenn man das Wesen der Gewaltenteilung, so wie sie historisch entstanden ist, kennt.
Wir werden also dem Antrag zustimmen und würden uns freuen, wenn er im Hause eine Mehrheit fände.
Herr Abgeordneter Kuntscher!
Zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte möchte ich nur das eine sagen, daß wir in unserem Antrag, wonach sieben weitere Mitglieder vom Bundestag in den Verwaltungsrat gewählt werden sollen, absolut nicht daran denken, daß das nur Bundestagsabgeordnete sein müssen, und daß somit auch Vertretern karitativer Verbände über Nominierung durch die Fraktionen des Bundestages die Möglichkeit gegeben ist, in den Verwaltungsrat zu kommen.
Im besonderen möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen, daß das Betriebskapital der Lastenausgleichsbank im wesentlichen aus dem Sondervermögen des Lastenausgleichs stammt. Aus diesem Grunde legen wir Wert darauf, auch an der Stelle, wo diese Mittel verteilt werden und in die Wirtschaft fließen, als gesetzgebende Körperschaft ein klein wenig Kontrolle zu haben, und wir erachten es andererseits auch für wichtig, daß das Verhältnis im Verwaltungsrat zwischen Behördenvertretern und Vertretern der Legislative ein gesünderes wird, als der Ausschußantrag es jetzt festlegt.
Der Herr Bundesminister hat unter anderem betont, daß der Ausschuß für Geld und Kredit die dem Hohen Hause vorliegende Fassung einstimmig
({0})
gebilligt habe. Ich möchte dem entgegenhalten, daß der ebenso einstimmige Beschluß des Lastenausgleichsausschusses vorlag, der das erreichen wollte, was wir in unserm Antrag fordern. Es steht also einstimmiger Beschluß gegen einstimmigen Beschluß. Daß diese einstimmigen Beschlüsse vielleicht von verschiedenen Gesichtspunkten aus zustande gekommen sein können, gebe ich zu. Die Beschlüsse wiegen aber, weil sie einstimmig sind, einander auf. Im besonderen verwundert es mich jedoch ein wenig, Herr Minister - das muß ich Ihnen sagen -, daß Sie als Minister der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten hier nicht mit uns gehen, die wir den Einfluß der Geschädigten stärken wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir teilen die Bedenken, die der Herr Minister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hier vorgetragen hat. Wenn die Stellung der Nichtbehördenvertreter im Rahmen des Verwaltungsrates gestärkt werden soll, dann könnte man dies viel zweckmäßiger dadurch erreichen, daß man den Geschädigtenorganisationen mehr Plätze einräumt, als im Entwurf des Ausschusses vorgesehen ist. Die sachlichen Aufgaben der Bank brauchen wir nicht dadurch zu politisieren, daß wir die Parteien des Bundestages einschalten und auf politischer Basis die Ernennung von Mitgliedern des Verwaltungsrates vornehmen, die dann irgendwie von den sie ernennenden Parteien abhängig sind und eventuell bereit wären, deren Wünsche zu vertreten.
({0})
Es handelt sich hier - ich sage das noch einmal - um ein absolut unpolitisches Anliegen, für das die Geschädigtenverbände geeigneter sind als die politischen Parteien.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich verstehe durchaus, daß die Mitglieder dieses Hohen Hauses, soweit sie der stärksten Partei angehören, eine andere Ansicht vertreten, vielleicht aus der momentanen Zusammensetzung des Hauses heraus.
({2})
Damit tun sie aber dem Institut, das wahrscheinlich weit länger leben wird als dieses Parlament, keinen Gefallen.
Herr Kollege Kuntscher, Sie haben vorhin gesagt, man sollte Ihrem Antrag auf Zuwahl von 7 weiteren Mitgliedern zustimmen, um damit sicherzustellen, daß Geschädigte oder Vertriebene in größerem Maße in den Verwaltungsrat kommen. Ich muß Ihnen aber leider entgegenhalten, daß der von Ihnen eingereichte Text keineswegs zu dieser Lösung zwingt. Sie haben auf Grund des Textes die Möglichkeit, jede Person hineinzuwählen.
({3})
- Ich habe nicht den Eindruck, Herr Kollege
Kuntscher, daß Sie sich auch innerhalb Ihres
Freundeskreises mit den Anliegen der Vertriebenen immer haben durchsetzen können.
({4})
Wir haben jedenfalls keinerlei Gewähr dafür, daß die nach Ihrem Vorschlag zu kooptierenden Herren dem entsprechen, was Sie heute als für die Zukunft bevorstehend prophezeien.
({5})
Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Kuntscher!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch ein ganz kurzes Wort. Herr Kollege Haasler sagt, daß wir als Vertriebene in unserer Fraktion nicht zur Geltung kommen.
({0})
In diesem Sinne war es. Ich will hier im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetz und speziell § 7 nur folgendes sagen. Die Regierungsvorlage sah zwei Vertreter der Vertriebenenorganisationen vor. Wir haben jetzt in der Ausschußvorlage drei Vertreter der Vertriebenenorganisationen. Die Regierungsvorlage schlägt zwei Vertreter der Organisationen der Kriegssachgeschädigten und Ostgeschädigten vor. In der Ausschußvorlage haben wir nunmehr drei Vertreter dieser Organisationen. Nach dem Regierungsentwurf ist kein Vertreter der Sowjetzonenflüchtlinge vorgesehen. Wir haben jetzt in der Ausschußvorlage auch hierfür einen Vertreter. Das bedeutet, daß die Ausschußvorlage bereits drei Geschädigtenvertreter mehr vorsieht als die Regierungsvorlage, und daß diese Vermehrung eingetreten ist, nehmen wir als CDU-Vertreter für uns in Anspruch.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich werde Sie enttäuschen. Ich beabsichtige nicht, mich über die Frage zu verbreiten, wie weit man sich in den einzelnen Fraktionen mit Angelegenheiten der Vertriebenen durchsetzen kann. Ich halte es nur für zweckmäßig, doch auf einen sachlichen Gesichtspunkt hinzuweisen, der bisher in der Debatte nicht genügend hervorgetreten ist. Herr Abgeordneter Kuntscher hat mit Recht auf die große Kapitalbeteiligung des Fonds - 22 : 3 bei insgesamt 25 Millionen - hingewiesen und hat auch aus diesem Grunde geglaubt, seinen Antrag begründen zu können. Ich sehe den Antrag nicht als ein großes Politikum an - das kann man so oder so regeln -, aber ich glaube, man sollte bei der Entscheidung, die wir treffen, nicht den Antrag des Gesamtdeutschen Blocks unter Ziffer 1 c auf Umdruck 146 übersehen. Dieser Antrag sieht vor, daß vom Fonds her in den Verwaltungsrat entsandt werden:
Zwei Vertreter des Bundesausgleichsamts, zwei
Vertreter des Kontrollausschusses und zwei
Vertreter des Ständigen Beirats.
Es ist ganz offensichtlich und wird auch, glaube ich, von niemandem bezweifelt werden, daß der
({0})
Antrag der CDU-Fraktion und dieser Antrag sich in gewisser Hinsicht überschneiden oder in Konkurrenz zueinander stehen. Wir haben - und das ist ein Wunsch, der vom Kontrollausschuß und vom Ständigen Beirat herrührt - das Anliegen:
a) eine stärkere Vertretung des Fonds, und zwar
b) nicht nur über seine Bürokratie, sondern auch über seine anderen Gremien.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Hälfte der Mitglieder des Kontrollausschusses hier vom Plenum gewählt wird, und Sie wissen, daß die Mitglieder des Ständigen Beirats außer den Vertretern der Geschädigtenorganisationen von den Landesparlamenten gewählt werden. Wir haben also schon eine sehr gute Streuung.
Dies glaubte ich ausführen zu müssen. Ich bin der Meinung, daß wir, wenn dieser Antrag, den Fonds durch seine drei Stellen zu beteiligen, angenommen wird, dann auf den Antrag, den die CDU- Fraktion gestellt hat, verzichten können.
Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu den Ausführungen des Kollegen Kather eine Richtigstellung vornehmen. Der Ständige Beirat hat in seiner letzten Sitzung am 25. Juni keinen Beschluß gefaßt, daß etwa ein Vorstoß unternommen werde, zwei Vertreter in die Lastenausgleichsbank zu entsenden.
({0})
Insofern waren die Ausführungen sachlich nicht zutreffend.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich frage nochmals, ob das Wort zu § 7 gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Änderungsanträge zu § 7, und zwar zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE Umdruck 146 Ziffer 1.
({0})
- Sie meinen Einzelabstimmung über die Ziffern 1, 2 und 3?
({1})
- Es soll also nur über die Buchstaben d bis f zusammen abgestimmt werden.
({2})
Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Kather!
Ich glaube, daß Einzelabstimmung schon deshalb erforderlich ist, weil der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte sich zu einem unserer drei Anträge, die sich mit der Streichung von Vertretern befassen, schon ablehnend geäußert hat. Deshalb wird man getrennt abstimmen müssen.
({0})
Darüber braucht gar nicht diskutiert zu werden. Wenn der Antragsteller das wünscht, geschieht es.
Herr Präsident, dann bitte ich noch darum, die Abstimmung über Ziffer 1 a mit der Abstimmung über Ziffer 2 zu verbinden. Denn die in Ziffer 1 a gewünschte Änderung hat nur redaktionelle Bedeutung für den Fall, daß Ziffer 2 angenommen wird.
Besteht dagegen Widerspruch, daß die Abstimmung über Ziffer 1 a mit der Abstimmung über Ziffer 2 verbunden wird?
({0})
- Dann können wir die Abstimmung über die Ziffern 1 a und 2 des Umdrucks 146*) verbinden. Wer den Änderungsanträgen des GB/BHE in Umdruck 146 Ziffern 1 a und 2 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag unter Ziffer 1 b. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag unter Ziffer 1 c. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 146 Ziffern 1 d, e und f. Hierüber wird gemeinsam abgestimmt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 149**), dem § 7 Abs. 1 Nr. 9 eine neue Fassung zu geben. Wer diesem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann komme ich wieder zu Umdruck 146 - Ziffer 2 wurde bereits erledigt -, jetzt zu Ziffer 3. Wer dem Antrag des GB/BHE Umdruck 146 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({1})
- Der Antrag ist nach Meinung der Antragsteller erledigt. Es braucht darüber nicht mehr abgestimmt zu werden.
Wer dem § 7 in der nunmehr vom Hause beschlossenen Form, also mit der Änderung auf Grund des Antrags der CDU/CSU zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 7 ist verabschiedet.
Ich rufe auf die §§ 8, - 9, - 10, - 11, - 12 und 13.- Wird das Wort gewünscht?-Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
*) Siehe Anlage 2 **) Siehe Anlage 3
({2})
Ich rufe § 14 auf und darf Sie auf folgendes aufmerksam machen. Der Herr Berichterstatter hat zum Abs. 3 erklärt, daß nach dem Wunsch des Ausschusses die in Klammern gesetzten Worte „Bank für Vertriebene und Geschädigte", obwohl sie hier im Text stehen, gestrichen sein sollen. Nachdem jedoch vorhin der Antrag angenommen wurde, in einem anderen Paragraphen, in § 1, die Klammer wieder einzusetzen, darf ich wohl die Zustimmung des Hauses dazu annehmen, daß auch an dieser Stelle die Worte stehenbleiben.
({3})
Das ist der Fall.
Wer dem § 14 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf die §§ 15, - 16, - 16 a, - 17 und 18. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich komme dann zur Abstimmung über Einleitung und Überschrift und bemerke, daß, um dem Beschluß des Hohen Hauses von vorhin zu entsprechen, logischerweise wieder „({4})" angefügt werden muß. - Damit besteht Einverständnis. Wer also Einleitung und Überschrift mit dieser Ergänzung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Auch dies ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich rufe daher §§ 1 bis 18 auf. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Sitz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({5})
- Enthaltungen? - Das Gesetz ist ohne Gegenstimmen bei Enthaltungen angenommen. Damit ist der Gesetzentwurf verabschiedet.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller ({6}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker ({7}) ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({9}) ({10}).
({11})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Schrader.
Schrader ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem Gebiet des Zuckers bestehen im Gegensatz zu den Einfuhr- und Vorratsstellen für Getreide, Fette,
Vieh und Fleisch keine Einfuhr- und Vorratsstellen, sondern es ist nur eine Einfuhrstelle vorhanden, der bisher im Haushalt keine Mittel für Lagerhaltung zur Verfügung gestellt worden sind. Das Problem der Lagerhaltung ist auf dem Zuckergebiet bis zur Koreakrise auch nicht aufgetreten. Nach Beendigung derselben ist der Zuckerabsatz stark zurückgegangen; denn Handel, zuckerverarbeitende Industrie und Haushalte hatten erhebliche Zuckermengen gehortet, die nun dem Verbrauch zugeleitet worden sind. Das hat dazu geführt, daß die aus dem Ausland eingeführten Zukkermengen zum größten Teil auf Lager gehalten werden mußten. Die Lagerhaltung ist von der Zuckerindustrie und dem Importhandel vorgenommen worden, die diese auch finanziert haben. Da die Kosten infolge des Festpreissystems nicht auf den Abgabepreis geschlagen werden konnten, mußten sie der Zuckerwirtschaft erstattet werden. Weil Haushaltsmittel nicht zur Verfügung standen, wurden für diesen Zweck Überschüsse aus den Frachtausgleichskassen herangezogen.
Eine ähnliche Lage hat sich auf Grund der letzten Zuckerrübenernte ergeben, die sowohl hinsichtlich des Mengenertrags als auch des Zuckergehalts alle Erwartungen übertroffen hat. Die Eigenerzeugung des letzten Jahres von 1,295 Millionen t Zukker deckt nahezu den gesamten eigenen Bedarf, der etwa 1,3 Millionen t beträgt. Andererseits mußten die handelsvertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden, die unter Zugrundelegung der Anbaufläche und normaler Erträge zur Deckung des erwarteten Einfuhrbedarfs eingegangen waren. Eine Auflagernahme ist daher auch jetzt notwendig. Aber selbst unter normalen Verhältnissen muß dafür gesorgt werden, daß immer gewisse Reserven vorhanden sind. Man kann die Einfuhren nicht auf den Bedarf, den niemand im voraus genau kennt, abzirkeln. Zum Ausgleich von Versorgungsschwankungen und plötzlichen Bedarfssteigerungen ist es im Interesse einer geordneten Versorgung notwendig, daß ein Manipulationsbestand zur Deckung von mindestens einem Monatsbedarf verfügbar ist.
Die Lagerhaltung wird daher immer erforderlich sein. Aber man braucht auf dem Zuckergebiet dazu nicht unbedingt eine Vorratsstelle, deren Errichtung mit dem Initiativantrag Drucksache 487 beabsichtigt war. Die Lagerhaltung kann wie bisher von der Zuckerwirtschaft selber durchgeführt werden. Es muß aber dafür gesorgt werden, daß ihr die Kosten dieser Lagerhaltung erstattet werden und daß die hierzu erforderlichen Mittel im Haushalt bereitgestellt werden. Bisher konnten die Mittel zur Sicherstellung dieser Kosten nur von Fall zu Fall nach mehr oder weniger langen Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen zur Verfügung gestellt werden. Es ist dringend notwendig, daß über die Beschaffung der Mittel und über die Kostenerstattung Klarheit geschaffen und dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Befugnis eingeräumt wird, der Zuckerindustrie und dem Importhandel die hierzu notwendigen Auflagen zu machen.
Diese Möglichkeit besteht nach Ansicht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch eine Ergänzung des § 5 des Zuckergesetzes in der Ihnen vorliegenden Fassung eines neuen Abs. 1 a, dem die Antragsteller zugestimmt haben.
Der Entwurf dieser Formulierung war Gegenstand eingehender Beratungen des Ernährungsausschusses, des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und
({13})
des Haushaltsausschusses. Alle Ausschüsse waren sich darin einig, daß die Errichtung einer Vorratsstelle für Zucker nicht notwendig ist und daß das Ziel auch durch eine Ergänzung des § 5 des Zukkergesetzes erreicht werden kann.
Der Ernährungsausschuß und der Haushaltsausschuß haben sich einstimmig dafür ausgesprochen, die Regelung sowohl auf den Auslandzucker als auch auf den Inlandzucker zu erstrecken.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat geglaubt, von der Einbeziehung des Inlandzuckers absehen zu können, weil die Kosten der Lagerhaltung für Inlandzucker im Zuckerpreis berücksichtigt seien. Hierzu darf ich folgendes bemerken: Es ist richtig, daß Lagerhaltungskosten für Inlandzucker im Zuckerpreis berücksichtigt sind, jedoch nur insoweit, als sich diese Kosten auf das Zuckerwirtschaftsjahr beziehen, in dem der Inlandzucker hergestellt worden ist. Soweit eine Überlagerung bei Inlandzucker von dem einen zum anderen Zukkerwirtschaftsjahr notwendig wird, besteht aber im Zuckerpreis keine Kostendeckung. Sicher wird das Ernährungsministerium bestrebt sein, eine Überlagerung von Inlandzucker über das Zuckerwirtschaftsjahr hinaus zu vermeiden. Es sind aber, wie z. B. voraussichtlich auch in diesem Jahr, Fälle denkbar, in denen auch Inlandzucker in das neue Zuckerwirtschaftsjahr übernommen werden muß. Eine Kostenersparnis tritt nicht dadurch ein, daß man den Inlandzucker aus der Regelung heraus-läßt. Denn durch eine bevorzugte Freigabe des Inlandzuckers und durch die dann zwangsläufig notwendig werdende Hinausschiebung der Freigaben des Auslandzuckers werden die Kosten die gleichen bleiben.
Zur eindeutigen Klarstellung der Frage der Einlagerung von Inlandzucker beschloß der Ernährungsausschuß, den Abs. 1 a noch dahingehend zu ändern, daß es, wie es aus dem Mündlichen Bericht hervorgeht, heißt:
. . . Inlandzucker, soweit er bis zum Ende des
Erzeugungsjahres ({14})
nicht freigegeben worden ist, . . .
Abschließend möchte ich hervorheben, daß der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Zuckergesetzes dazu beiträgt, eine geordnete und ausgeglichene Versorgung der Verbraucher mit Zucker sicherzustellen. Ich bitte Sie daher namens des Ernährungsausschusses, dem vorliegenden Gesetz in der Fassung des Mündlichen Berichts Drucksache 714, der die Drucksache 487 ersetzt, Ihre Zustimmung zu erteilen.
({15})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Es entfällt eine Einzelberatung.
Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich komme zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Gibbert, Maier ({1}), Stahl, Samwer, Dr. Brühler und Genossen betreffend Änderung der Verordnung über Wermutwein und Kräuterwein ({2}).
Als Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Merten.
Merten ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage betreffend Änderung der Verordnung über Wermutwein und Kräuterwein war erforderlich, um in einer umstrittenen Rechtslage Klarheit zu schaffen. § 2 Abs. 1 der in der Drucksache 536 erwähnten Verordnung aus dem Jahre 1936 lautet:
Kräuterweine sind die aus Wein unter Verwendung von würzenden Stoffen hergestellten Getränke. Zu den Kräuterweinen gehören jedoch nicht 1. Wermutwein; 2. Bowlen, Punsche, Glühwein; 3. Trinkbranntweine aller Art; 4. Arzneiweine ... .
Die in der Vorlage erwähnten Aperitifs sind in dieser Verordnung nicht aufgeführt, weil sie 1936 nirgends in Deutschland hergestellt wurden und der geringe Bedarf durch Einfuhren aus dem Ausland gedeckt wurde.
Inzwischen ist der Bedarf entsprechend einer Geschmacksänderung des Publikums gestiegen. Das beweisen einerseits die Ausschreibungen von Importen im Bundesanzeiger, andererseits die Verkaufsergebnisse des in den letzten Jahren in Deutschland hergestellten Aperitifs.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich davon überzeugt, daß dieser Bedarf tatsächlich vorhanden ist. Er hat sich weiterhin davon überzeugt, daß zur Herstellung von Aperitif Weine Verwendung finden, die auf dem sonstigen Markt nur schwer abgesetzt werden können. Durch die Herstellung von Aperitif in deutschen Betrieben wird also eine Möglichkeit geschaffen, auch diesen schwer absetzbaren Weinen einen sicheren Absatz zu gewährleisten und damit zahlreichen kleinen Winzern in ihrem Existenzkampf zu helfen.
Auf Grund einer Genehmigung des badischen Ministeriums für Landwirtschaft wurde Aperitif jahrelang hergestellt, bis rechtliche Schwierigkeiten auftauchten, die bisher nicht geklärt werden konnten. Durch eine Änderung der Verordnung über Kräuterwein wären diese rechtlichen Schwierigkeiten alsbald zu beheben. Im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben die Ausführungen der Sachverständigen der zuständigen Ministerien ebenfalls ergeben, daß eine Änderung der Verordnung zur Schaffung einer klaren Rechtslage erforderlich ist. Der Ausschuß hatte jedoch den Eindruck, daß die Änderung der Verordnung, die ja auch ohne einen besonderen Beschluß des Hohen Hauses von der Bundesregierung hätte vorgenommen werden können, bisher auf Schwierigkeiten gestoßen ist, weil sie in Zusammenhang mit Verhandlungen über eine Neuregelung der Branntweinmonopolabgaben gebracht
({4})
wurde. Es wurde festgestellt, daß hier kein Zusammenhang besteht, weil die Einbeziehung neuer oder anderer Kategorien in die Branntweinmonopolabgabe wie z. B. des Wermutweins oder auch des Aperitifs ganz unabhängig davon ist, was in § 2 Abs. 1 der Kräuterweinverordnung geregelt wird.
Der Ausschuß hat daher der Vorlage Drucksache 536 einhellig seine Zustimmung erteilt und der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß im Fall der Zustimmung des Hohen Hauses eine Änderung der angezogenen Verordnung möglichst bald erfolgt, damit die Freunde des Aperitifs ihr Gläschen auf einer sicheren gesetzlichen Grundlage trinken können.
({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Antrag auf Drucksache 692 bzw. 536 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Es gibt also keine Gegner des Aperitifs in diesem Hohen Hause.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Treuhandverwaltung über das Vermögen der Deutschen Reichsbank ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Thieme.
Thieme ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Im Telegrammstil: Das Hohe Haus hat in seiner 37. Sitzung am 8. Juli den Entwurf eines Gesetzes betreffend die Treuhandverwaltung über das Vermögen der Deutschen Reichsbank an den Ausschuß Geld und Kredit zur Bearbeitung überwiesen. Die Ausschußberatung fand am 9. Juli statt. Ihre Ergebnisse sind in Drucksache 683 niedergelegt.
Bei dem Gesetzentwurf handelt es sich um eine notwendig gewordene Zwischenlösung bis zu der durch Bundesgesetz zu regelnden Abwicklung der Deutschen Reichsbank, die schnellstens in Angriff genommen wird. Eine einheitliche Treuhandverwaltung auf einheitlicher Rechtsgrundlage ist unumgänglich geworden. Zur Zeit wird das Reichsbankvermögen noch durch mehrere Treuhänder, die auf Grund von Verordnungen der Besatzungsmächte nach Zoneneinteilung bestellt waren, verwaltet.
Nach dem Gesetzentwurf hat der Treuhänder die Aufgabe, das Reichsbankvermögen zu verwalten. Seine Tätigkeit untersteht der Aufsicht des Bundesministers für Wirtschaft, der Weisungen erteilen und die Vollmachten des Treuhänders einschränken kann.
Da eine einheitliche Regelung in den Rechtsvorschriften der Besatzungsmacht und in den Landesverordnungen über die Rechnungsprüfung und die Entlastung des Treuhänders fehlte, sind solche Vorschriften in § 1 Abs. 4 des vorliegenden Gesetzentwurfs vorgesehen.
§ 3 hebt die bisher durch Besatzungsrecht geregelte Treuhandverwaltung nach Maßgabe der Ziffer 7 ({5}) des revidierten Besatzungsstatuts in Verbindung mit der Direktive Nr. 5 Abs. 1 vom 6. März 1951 auf.
§ 4 enthält die Berlin-Klausel, die in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung zur Annahme empfohlen wird. Dagegen wird das Zustimmungsbedürfnis des Bundesrates zum gesamten Gesetz vom Ausschuß abgelehnt.
Unter der ausdrücklichen Feststellung, daß das vorliegende Gesetz nur als eine kurzfristige Interimslösung zu betrachten ist, hat der Ausschuß vorgesehen, sich in Kürze mit der gesamten Problematik der Vermögensabwicklung der Deutschen Reichsbank zu befassen, um möglichst schnell zu einer Lösung zu gelangen, die die Forderung auf Entschädigung der Anteilseigner befriedigt.
Der Ausschuß für Geld und Kredit empfiehlt dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzentwurfs, wie in Drucksache 683 beantragt ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ichrufe auf§§ 1,- 2,- 3,- 4,- 5,-Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge liegen nicht vor. Einzelberatung entfällt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz als Ganzem ihre Zustimmung geben wollen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über die Prüfung der Bundeshaushaltsrechnungen für die Rechnungsjahre 1949 ({1}) und 1950 in Verbindung mit den Bemerkungen des Bundesrechnungshofs und der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs ({2});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) über die Rechnungen des Bundesrechnungshofs für die Rechnungsjahre 1949 und 1950 - Einzelplan XX - ({4}).
Berichterstatter zu a) sind die Abgeordneten Ohlig und Dr. Graf Henckel, zu b) der Abgeordnete Ohlig. Als Berichterstatter hat zunächst das Wort der Abgeordnete Ohlig.
Ohlig ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag nimmt zum ersten Male die wichtige Aufgabe
({6})
der Rechnungsprüfung und der Entlastung der Bundesregierung für die Jahre 1949 und 1950 wahr. Diese Aufgabe ist in der Reichshaushaltsordnung gesetzlich geregelt. Man spricht von einem Haushaltskreislauf, und dieser Kreislauf wickelt sich in vier Phasen ab: Haushaltsvorbereitung, der Vollzug des Haushalts, die Rechnungslegung und die Entlastung der Bundesregierung. Rechnungslegung und Entlastung, die eigentlich getrennt vorgenommen werden müßten, müssen diesmal in einem Arbeitsvorgang erledigt werden.
Die Bundesregierung legte bereits dem ersten Deutschen Bundestag die Haushaltsrechnungen für die Jahre 1949 und 1950 vor. Aber der erste Bundestag konnte diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Deshalb muß sich der zweite Bundestag dieser Verpflichtung unterziehen. Gleichzeitig erfolgte auch die Vorlegung des Prüfungsberichts und der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Diese Unterlagen sind dem Hohen Hause bereits vor einigen Monaten in der Drucksache 396 zugegangen. Der Bundestag überwies beide Vorlagen dem Haushaltsausschuß. Der Haushaltsausschuß beauftragte den Rechnungsprüfungsausschuß mit der Prüfung beider Vorlagen. Das Ergebnis finden Sie im vorgelegten Bericht in der Drucksache 689. Wegen der Bedeutung dieser ersten Berichterstattung erschien es dem Haushaltsausschuß zweckmäßig, den vorgelegten Bericht im Plenum kurz zu ergänzen. Die beiden Berichterstatter haben sich dieser Aufgabe unterzogen. Aber wir versprechen Ihnen, Ihre Zeit nicht allzulange in Anspruch zu nehmen.
Der Rechnungsprüfungsausschuß des Bundestages hat sich an dem Rechnungsprüfungsausschuß des Reichstages der Weimarer Zeit ein Vorbild genommen. Dieser frühere Ausschuß gelangte unter dem Vorsitz des heute von allen geachteten Herrn Dr. Kurt Heinig zu großem Ansehen. Wir haben aber die Bitte an das Hohe Haus: messen Sie bitte nicht gleich beim ersten Bericht mit dem Maßstab des Meisters seine gelehrigen Schüler!
Der vorgelegte Bericht hätte bereits im Jahre 1952 behandelt werden müssen. Die Ursachen für die Verzögerung sind bekannt. Wir müssen uns aber das Ziel stecken, möglichst nahe an den Zeitpunkt der Haushaltsberatungen heranzukommen, um die Prüfungsergebnisse bei den kommenden Beratungen auswerten zu können. Auch die parlamentarische Kontrolle gewinnt dadurch ein stärkeres Gewicht.
Der Ihnen auf Drucksache 689 vorgelegte Bericht gliedert sich in Anträge, Entschließungen, Feststellungen und Bemerkungen. Im ersten Antrag handelt es sich um die vom Herrn Bundesfinanzminister zusammengestellten und begründeten über- und außerplanmäßigen Ausgaben aus den Jahren 1949 und 1950, die nachträglich zu genehmigen sind. Für 1949 handelt es sich um rund 85 Millionen DM über- und außerplanmäßige Ausgaben, denen eine Minderausgabe von 38 Millionen DM gegenübersteht. Im Jahre 1950 handelt es sich um rund 1015 Millionen DM über- und außerplanmäßige Ausgaben, denen Minderausgaben in der Höhe von rund 414 Millionen gegenüberstehen.
Der große Brocken des Jahres 1950 teilt sich wie folgt auf. Im Bundesarbeitsministerium wurden 250 Millionen DM über- und außerplanmäßig ausgegeben. Diese Summe ist in allererster Linie auf das Ansteigen der Arbeitslosenfürsorgeempfänger zurückzuführen. In den Einzelplänen XXIV und XXV geht es um Ausgaben, die mit den Besatzungskosten und den Auftragsangelegenheiten zusammenhängen. In diesen beiden Plänen sind fast 600 Millionen DM über- und außerplanmäßige Ausgaben entstanden. In den Einzelplänen XXVI und XXVII dreht es sich um die sozialen und sonstigen Kriegsfolgelasten. Hier wurden ungefähr 100 Millionen DM mehr an über- und außerplanmäßigen Ausgaben benötigt. Es handelt sich dabei vor allen Dingen um gesetzliche Regelungen, die der Bundestag beschlossen hat, u. a. um eine Erhöhung der individuellen Fürsorge und dann um die Entschädigungen für die Angehörigen der noch nicht entlassenen Kriegsgefangenen.
Im zweiten Antrag geht es um die vom Bundesrechnungshof bei der Prüfung festgestellten über- und außerplanmäßigen Ausgaben, die ebenfalls nachträglich zu genehmigen sind. Diese Ausgaben beruhen vorwiegend auf Buchungen an unrichtiger Stelle. Es handelt sich im Jahre 1949 um 89 Millionen DM und im Jahre 1950 um rund 52 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes bis auf die Vorbehalte als erledigt zu erklären. Die Vorbehalte bedürfen einer weiteren Klärung; über die Erledigung wird dem Hause zu gegebener Zeit berichtet werden.
Der Fehlbetrag aus dem Jahre 1949 setzt sich zusammen aus rund 244 Millionen DM, zu denen noch Ausgabenreste von no Millionen DM kommen, so daß der gesamte Fehlbetrag rund 374 Millionen DM beträgt. Die Länder haben aber nach § 11 des Haushaltsgesetzes 1949 nur 244 Millionen DM gedeckt. Die Ausgabenreste von 130 Millionen DM erscheinen im Rechnungsjahr 1951. Deshalb ist im Rechnungsjahr 1949 kein Fehlbetrag mehr vorhanden. Der Fehlbetrag aus dem Jahre 1950 betrug im ordentlichen Haushalt rund 232 Millionen DM, im außerordentlichen Haushalt rund 294 Millionen DM. Im außerordentlichen Haushalt ist ein Fehlbetrag aber überhaupt nicht denkbar; deshalb mußten auch diese 294 Millionen DM aus dem außerordentlichen Haushalt zum Fehlbetrag des ordentlichen Haushalts hinzugerechnet werden, so daß sich für 1950 ein Gesamtfehlbetrag von rund 527 Millionen DM ergab. Im Haushaltsjahr 1952 wurden von diesem Fehlbetrag rund 338 Millionen eingesetzt, so daß noch ein ungedeckter Fehlbetrag von rund 188 Millionen DM vorhanden ist. Dieser Fehlbetrag wurde 1952 nicht mehr eingesetzt, weil § 75 der Reichshaushaltsordnung durch die Haushaltsgesetze außer Kraft gesetzt wurde. Um diesen Betrag hat sich also die Bundesschuld vermehrt.
Eine Übersicht über Bundesvermögen und Bundesschuld konnte für die Jahre 1949 und 1950 noch nicht gegeben werden, weil die ersten Überleitungsgesetze zum allergrößten Teil erst im Jahre 1950 geschaffen wurden, durch die das Vermögen, das bis dahin teilweise von den Ländern treuhänderisch verwaltet wurde, auf den Bund übergeführt worden ist. Diese Übersicht wird aber in den folgenden Jahren gegeben.
Im dritten Antrag wird die Entlastung der Bundesregierung für die Jahre 1949 und 1950 beantragt. Der vierte Antrag bittet um die Genehmigung, daß Überschreitungen bei einem Titel bis zur Höhe von 100 DM nicht mehr besonders dargestellt zu werden brauchen, sondern in einer Gesamtsumme vermerkt werden können. Diese Regelung schlagen wir aus Gründen der Ersparnis und
({7})
der Vereinfachung vor. Der fünfte Antrag bittet, von der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs Kenntnis zu nehmen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt die Annahme aller gestellten Anträge.
Den Entschließungen liegen Tatbestände der Rechnungsprüfung zugrunde. Die ersten drei Entschließungen ersuchen die Bundesregierung und den Herrn Bundesfinanzminister, die Feststellungen und Bemerkungen des Haushaltsausschusses bei der Aufstellung und der Durchführung künftiger Haushaltspläne zu beachten. Dadurch wird es möglich werden, die in der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs ausgesprochenen Mängel zu bereinigen. Gleichzeitig wird die Bundesregierung ersucht, die Prüfungserinnerungen und die Prüfungsmitteilungen des Bundesrechnungshofs rascher und eingehender zu behandeln. Die gleiche Bitte, die allerdings in den Entschließungen nicht enthalten ist, richten wir an den Präsidenten des Bundestages, damit auch das Parlament in dieser Frage mit gutem Beispiel vorangeht.
Die letzten beiden Entschließungen ersuchen die Bundesregierung, ,die Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag zur Bereinigung der Streitfragen aus der Verwaltung des Branntweinmonopols zu beschleunigen, damit am 31. Dezember 1954 dem Hohen Hause Bericht erstattet werden kann. Ferner sollen die Untersuchungen auf dem Gebiet der Besatzungsbauten beschleunigt durchgeführt werden. Hier soll um Bericht bis zum 31. März 1955 gebeten werden. Dabei ist auch über die zivilrechtliche Inanspruchnahme von Angestellten und Beamten und die notwendigen disziplinarrechtlichen Maßnahmen zu berichten. Diese Fristsetzung erschien dem Haushaltsausschuß notwendig, um einige Fälle, die jahrelang zurückliegen, endlich zum Abschluß zu bringen.
Über Feststellungen und Bemerkungen des Haushaltsausschusses wird Herr Kollege Graf Henckel berichten.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich gleich zu Punkt 13 b kurz berichten.
Ich bitte darum.
Ohlig ({0}), Berichterstatter: Im Rechnungsbericht des Bundesrechnungshofs betragen die überplanmäßigen Ausgaben im Jahre 1949 4000 DM, die Minderausgaben rund 0,5 Millionen DM. Die Minderausgaben im Jahre 1950 betragen gegenüber dem Haushaltssoll beim Bundesrechnungshof 1,1 Millionen DM. Über- und außerplanmäßige Ausgaben sind im Jahre 1950 nicht getätigt worden. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, auch dem Bundesrechnungshof, wie aus der Drucksache 690 ersichtlich ist, Entlastung für die Jahre 1949 und 1950 zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Als weiterer Berichterstatter hat das Wort der Abgeordnete Dr. Graf Henckel von Donnersmarck.
Dr. Graf Henckel von Donnersmarck ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Haushaltsausschusses habe ich die Ehre, Ihnen den zweiten Teil des Berichts des Haushaltsausschusses vorzutragen. In dem eigentlichen Bericht, den Ihnen Herr Kollege Ohlig soeben vorgetragen hat, haben Sie die grundsätzlichen Gedanken und Ergebnisse kennengelernt, die der Haushaltsausschuß und der Rechnungsprüfungsausschuß erarbeitet haben.
Die Rechnungsprüfung ist der Abschluß der kontrollierenden Arbeit des Parlaments. Sie ist, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Krönung des wichtigsten Rechtes des Hohen Hauses, des Budgetrechts. Es ist die Prüfung, ob die Exekutive den Willen und die Beschlüsse der Legislative tatsächlich richtig ausgeführt hat und ob sich nicht irgendwo Unregelmäßigkeiten eingeschlichen haben.
Der Haushaltsausschuß hat bei dieser Arbeit nicht verkannt, daß die Jahre 1949 und 1950 nicht ohne weiteres als normale Jahre angesehen werden können und daß manche Unebenheiten und Fehler nicht auf mangelnde Sorgfalt oder auf bösen Willen zurückzuführen, sondern mit den Anlaufschwierigkeiten des Neubaus der Bundesrepublik zu erklären sind. Der Exekutive standen damals die erforderlichen Organe und die hinlänglich ausgebildeten Menschen noch nicht so zur Verfügung wie heute. Deshalb darf der Maßstab, der für die Rechnungsprüfung des Jahres 1954 angelegt werden wird, für das Jahr 1949 und 1950 noch nicht verwendet werden. Trotzdem müssen gewisse Einzelheiten hervorgehoben werden, und ich hoffe Ihre Geduld nicht allzusehr zu überfordern, wenn ich Sie bitte, Ihre liebenswürdige Aufmerksamkeit auf folgende Feststellungen und Bemerkungen zu richten, die der Haushaltsausschuß einstimmig gebilligt hat; sie liegen Ihnen als Anlage zur Drucksache 689 vor.
Die Aufgabe der parlamentarischen Rechnungsprüfung ist es, etwaige Mängel rechtzeitig festzustellen und damit die notwendigen Unterlagen für die Haushaltsberatung zu schaffen. Die Rechnungsprüfung darf als eine der vornehmsten Aufgaben der Legislative kein lästiges Anhängsel unserer parlamentarischen Arbeit bleiben.
Zu den allgemeinen Fragen des Haushaltsrechts stellt der Haushaltsausschuß fest, daß er, soweit er nicht ausdrücklich eine andere Stellungnahme vorschlägt, dem Standpunkt des Bundesrechnungshofs beitritt.
Die rechnungsprüferische Arbeit der Legislative wurde zeitlich dadurch beeinträchtigt, daß die in Art. 114 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes vorgeschriebene Bestimmung, wonach
die allgemeine Rechnung und eine Übersicht über das Vermögen und die Schulden dem Bundestage und dem Bundesrate im Laufe des nächsten Rechnungsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zur Entlastung der Bundesregierung vorzulegen sind,
von der Exekutive wegen des Fehlens der verwaltungsmäßigen Voraussetzungen nicht hat eingehalten werden können. Eine abschließende rechnungsprüferische Arbeit des Bundestags für die Rechnungsjahre 1949 ({1}) und 1950 war erst möglich, nachdem der Bundesminister der Finanzen mit Schreiben vom 11. Februar 1954 die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs und die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs - Drucksache 396 - dem Präsidenten des Deutschen Bundestags übermittelt hatte.
Befürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen nun dieses umfangreiche Werk ausführlich vortrage. Ich nehme an, daß Sie es alle bereits eingehend studiert haben. Ich möchte Ihnen
({2})
nur einige besonders hervorstechende Punkte ins Gedächtnis zurückrufen.
Nach Herstellung der verwaltungsmäßigen Voraussetzungen muß es ein unverrückbares Ziel der Exekutive bleiben, zu erreichen, daß beispielsweise die Bundeshaushaltsrechnung 1954, die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs sowie die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs über die vorausgegangene Bundeshaushaltsrechnung 1953 so rechtzeitig dem Bundestag zugeleitet werden, daß ihm und insbesondere seinem Haushaltsausschuß ausreichend Gelegenheit bleibt, vor Beratung des Bundeshaushaltsplans 1956 die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs und die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs für 1953 sowie den Bericht des Rechnungsprüfungsausschusses über die Bundeshaushaltsrechnung 1954 zur Kenntnis zu nehmen, zu erörtern und die dazu notwendigen Beschlüsse zu fassen.
Der Haushaltsausschuß schließt sich den kritischen Bemerkungen des Bundesrechnungshofs zu den Bundeshaushaltsrechnungen 1949 und 1950 an und empfiehlt dem Hohen Hause, die Entlastung zu erteilen.
Ausdrücklich aber ist zu betonen, daß der Haushaltsausschuß schon für das Jahr 1951 einen strengeren Maßstab anlegen wird.
Im einzelnen lenkt der Haushaltsausschuß die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf die folgenden Sachverhalte.
Zur Drucksache 396 Teil I B Ziffer I Nr. 3, zweiter und dritter Absatz: Es handelt sich im Rechnungsjahr 1949 um einen Fehlbetrag im Sinne des § 75 der Reichshaushaltsordnung in Höhe von 374 215 409,02 DM. In diesem Betrag sind die Ausgabereste in Höhe von 130 208 317,90 DM enthalten. Der Bundesrechnungshof bemerkt hierzu, daß die Begründung für die Nichtberücksichtigung der Ausgabereste nicht als stichhaltig anerkannt werden könne, da die am Schluß eines abgelaufenen Rechnungsjahres verbliebenen Ausgabereste das Ergebnis belasten. Im Abschluß, der zeigen soll, wie der Haushalt auch von früheren Rechnungsjahren her verbessert oder belastet sei, müßten deshalb diese Reste berücksichtigt werden. Daß nach § 11 des Haushaltsgesetzes 1949 die Länder dem Bund Mittel zur Deckung der durch Einnahmen nicht gedeckten Ausgaben zur Verfügung zu stellen hatten, sei für die Ermittlung des Ergebnisses unerheblich.
Die Stellungnahme des Haushaltsausschusses zur Deckung der Ausgabereste aus dem Haushalt 1949 und ihre Umlegung auf die Länder wird im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung 1951 erfolgen.
Zum Einzelplan VI, Bundesministerium des Innern, Kap. 2 Tit. 33, Institut für Raumforschung, wird in der Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs - Drucksache 396, S. 81 - darauf hingewiesen, daß das Kuratorium die zweckmäßige Verwendung der für wissenschaftliche Zwecke bereitgestellten Mittel nicht überwacht und der Wissenschaftliche Rat die ihm durch die Satzung übertragenen Aufgaben nicht wahrgenommen hat und daß bei der Bewirtschaftung der Haushaltsmittel die maßgebenden Vorschriften nicht eingehalten worden sind. Die vorgekommenen Unregelmäßigkeiten sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Es liegt deshalb noch ein Vorbehalt des Bundesrechnungshofs gemäß § 107 Abs. 4 der Reichshaushaltsordnung vor.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen, meine Damen und Herren, daher vor, von der Regierung einen Bericht bis zum 31. Oktober 1954 zu verlangen. Die hier vorliegenden Tatbestände haben dem Haushaltsausschuß Veranlassung zu dem Entschließungsentwurf unter Ziffer 6 c gegeben, den Ihnen Herr Kollege Ohlig vorhin vorgetragen hat.
Zum Einzelplan XI, Arbeitslosenhilfe, Kap. 1 a, wurden mancherlei Mängel festgestellt, die der Präsident des Bundesrechnungshofs in seiner Denkschrift - Drucksache 396, S. 103 und 104 - darlegt. Ich will nur ganz kurz einiges erwähnen.
Bei der Kurzarbeiterunterstützung wurden in größerem Umfange Mängel festgestellt, die auf unzureichende Betriebsprüfung der Arbeitsämter zurückzuführen waren. Auch wurde festgestellt, daß vielfach die Angaben der Arbeitgeber in den Unterstützungslisten über Urlaubs-, Krankheits- und Feiertage nicht genügend geprüft worden waren. Angaben über Kündigungsfristen, Kündigungsschutz, Kurzarbeit waren teilweise unrichtig.
Bei der Förderung von Notstandsarbeiten im Rahmen der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge war oft die Zahl der beschäftigten Stammarbeiter im Verhältnis zur Zahl der Notstandsarbeiter bei weitem zu hoch. In einigen Fällen sind auch Maßnahmen zu Unrecht gefördert worden.
Besonderes Augenmerk hat der Bundesrechnungshof auf die Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Unterstützungsmißbrauchs gerichtet. Die festgestellten Mängel wurden den Landesarbeitsämtern zur Abstellung mitgeteilt. Verschiedene weitere Mängel, deren Aufzählung Ihre Geduld über Gebühr in Anspruch nehmen würde, wurden beobachtet, und für ihre Abstellung wurde gesorgt. Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Hohen Hause, die beabsichtigte weitere Intensivierung der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nachdrücklich zu fördern, zumal es dringend geboten erscheint, die einheitliche Anwendung des materiellen Rechts bei den einzelnen Arbeitsämtern zu prüfen und die sich hierbei ergebenden Mängel abzustellen, weil erst nach Herstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung ein klarer Überblick über die ganzen Verhältnisse gewonnen werden kann.
Aus Gründen der Kostenersparnis regt der Haushaltsausschuß an, die Bundesregierung zu veranlassen, im Benehmen mit dem Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit die Frage zu prüfen, ob nicht durch sinnvolle Aufrundung der Pfennigbeträge eine lohnende Arbeitsentlastung herbeigeführt werden könnte. Zur Zeit besteht nämlich ein Anspruch auf Auszahlung der Pfennigbeträge. Daher würde eine gesetzliche Regelung erforderlich sein, wenn eine Abrundung nach oben und unten auf volle oder halbe Markbeträge vorgenommen werden sollte.
Zum Einzelplan 23, Allgemeine Finanzverwaltung, Kap. 3 Titel 7 ({3}), bemerkt der Haushaltsausschuß, daß beim Branntweinmonopol noch einige ungeklärte Fälle vorliegen. Dies hängt zum Teil damit zusammen, daß die Länder bis zum 31. März 1950 das Branntweinmonopol treuhänderisch verwaltet haben. Eine Bundesmonopolverwaltung für Branntwein ist erst durch das Gesetz vom 8. August 1951 - Bundesgesetzblatt I Seite 491 - mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 errichtet worden. Beim Übergang an den Bund haben sich nun wegen der zu bildenden Betriebsmittelrücklage, die
({4})
dem Bund zustehen würde, Meinungsverschiedenheiten ergeben. Darüber haben schon verschiedentlich Besprechungen stattgefunden, und es schweben noch einige Verfahren, die erforderlichenfalls durch den Vereinigten Senat beim Bundesrechnungshof zu entscheiden sein werden. Streitgegenstand ist ein Betrag von etwa 30 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß lenkt die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses auf diese Beanstandungen des Bundesrechnungshofs und die noch nicht abgeschlossenen Verfahren, die zu dem Entschließungsentwurf 6 d von Herrn Kollegen Ohlig Anlaß gegeben haben.
Zum Einzelplan 27, Sonstige Kriegsfolgelasten, beanstandet der Haushaltsausschuß Mißstände bei den Besatzungsbauten. Hier sind unlautere Machenschaften hervorgetreten, wie z. B. unzulässige Ringbildungen, Preisabsprachen und unzulässige Zuwendungen von Unternehmern. Die Untersuchungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Die ihnen zugrunde liegenden Tatbestände haben zum Entschließungsentwurf 6 e Veranlassung gegeben. Die zweifellos wichtigen und interessanten Einzelheiten aufzuzählen, muß ich mir zwar versagen; ich möchte jedoch auf die Einzelangaben auf Seite 7 der Anlage zu Drucksache 689 hinweisen. ich kann allerdings dazu bemerken, daß diese Dinge mehrere Jahre zurückliegen und daß für die Gegenwart ähnliche Mißstände nicht mehr zu befürchten sind.
Bei der Prüfung der Unternehmen des Bundes hat der Bundesrechnungshof festgestellt, daß die Notwendigkeit einer Beteiligung der öffentlichen Hand an manchen Unternehmen zweifelhaft erscheint. Bei einigen von ihnen hält der Bundesrechnungshof die Prüfung der Frage, ob nicht deren Auflösung geboten sei. für erforderlich. Diesen großen und schwierigen Komplex möchte ich hier nur erwähnen, aber keinesfalls vertiefen. Besprechungen und Beratungen über diese Dinge sind ja schon im Gange; sie müßten nach Auffassung des Haushaltsausschusses nachdrücklich gefördert werden.
Auf die Ausführungen des Bundesrechnungshofs über die Beteiligung des Bundes an Unternehmen des Privatrechts - Drucksache 396, Seite 50 bis 51, Nr. 77 bis 80 - weist der Haushaltsausschuß wegen ihrer Aktualität ganz besonders hin. Er hielte es für zweckmäßig, daß das Hohe Haus hierzu eine Stellungnahme der Bundesregierung herbeiführt. Vom Bundesrechnungshof werden Grundsätze über die Vertretung des Bundes in den Aufsichtsräten und Vorständen von Gesellschaften dargelegt, die ernster Beachtung würdig sind. In einer Reihe von Fällen mußte der Bundesrechnungshof feststellen, daß entgegen § 33 der Reichshaushaltsordnung Haushaltsüberschreitungen vorgenommen und Maßnahmen, die der v o r h er i-g e n Zustimmung des Herrn Bundesministers der Finanzen bedürfen, ohne diese getroffen worden sind. Der Haushaltsausschuß legt Wert auf die Feststellung, daß er besonders für die Zukunft unter Anlegen eines sehr strengen Maßstabes dem Hohen Hause die nachträgliche Genehmigung solcher Mehrausgaben bei unzureichend erscheinenden Begründungen oder Rechtfertigungen keineswegs empfehlen wird, so daß die bestimmungswidrig verausgabten Beträge künftig von den dafür verantwortlichen Personen nach Maßgabe des § 84 der Reichshaushaltsordnung eingezogen werden. Bei den Ausgaben für die Hochbauten mußte der
Rechnungsprüfungsausschuß vielfach die Beachtung des Gesichtspunktes der Wirtschaftlichkeit vermissen. Die Prüfungsergebnisse - Drucksache 396, Seite 69 bis 72 - zählen eine Reihe von Mißständen auf, die unbedingt beseitigt werden müssen. Auf die Einzelheiten einzugehen, würde hier zu weit führen, zumal durch die Weiterentwicklung und bessere Organisation der zuständigen Behörden auf diesem Gebiete viele Fehlerquellen beseitigt werden konnten. Trotzdem möchte ich die verehrten Damen und Herren des Hauses, die an diesen Dingen Interesse haben, auf die genannten Ausführungen hinweisen, über die auch in der Ihnen vorliegenden Drucksache 689 mehr gesagt ist. Ich möchte nur hervorheben, daß der Haushaltsausschuß die Zulassung von Generalunternehmern unter allen Umständen für unzweckmäßig ansieht und daher ablehnt. Um die rechnungsprüferischen Arbeiten des Hohen Hauses intensivieren zu können und die Möglichkeit zu schaffen, wirklich mit Erfolg zu prüfen, werden Haushaltsausschuß und Rechnungsprüfungsausschuß im Benehmen mit der Bundesregierung und dem Bundesrechnungshof Möglichkeiten für bessere Arbeitsmethoden suchen und gegebenenfalls darüber berichten.
Zusammenfassend hat der Haushaltsausschuß die Feststellung getroffen, daß durch die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs die Beachtung der Grundsätze der Rechtmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ganz erheblich gefördert worden ist. Im Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses - Drucksache 689 - finden Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, darüber Einzelheiten und Zahlenmaterial, mit dem ich Sie hier jetzt nicht belasten möchte. Es sind unter anderem hohe Einsparungen durch Minderung unberechtigt hoher Schadenersatzansprüche, bei Preisausgleich und bei der Beitreibung preisrechtlich zu Unrecht gekürzter Beträge möglich gewesen.
Die finanzielle Auswirkung der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs - Drucksache 396, Seite 139 - läßt sich nicht ohne weiteres genau in Zahlen angeben, auch deswegen nicht, weil Mehreinnahmen oder Minderausgaben als Folge von Vorschlägen und Anregungen des Bundesrechnungshofs zahlenmäßig nicht erfaßbar sind. Viele solcher Verbesserungsvorschläge werden sich erst in Zukunft auswirken. Die tatsächlich feststellbaren finanziellen Ergebnisse der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs ergaben aber für die Jahre 1949 und 1950 bei einer Gesamtausgabe für die Verwaltung des Bundesrechnungshofs von nur 3 861 475,45 DM den beachtlichen Betrag von 90 Millionen DM. Damit dürfte der Wert und die Bedeutung der rechnungsprüferischen Arbeit des Parlaments eindeutig und klar erwiesen sein. Die Bedeutung des Bundesrechnungshofs und seiner Arbeit für die gesamte staatliche Ordnung kann auch für die Zukunft nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Hohe Haus wird durch diese Arbeit sein Budgetrecht wirksam durchsetzen können und dadurch Ordnung und Sauberkeit in unserem Staatsleben als Grundlage fruchtbarer politischer Arbeit aufrechterhalten.
Das ist der Sinn und Zweck des Berichts, den Ihnen, meine Damen und Herren, der Kollege Ohlig vorgetragen hat und zu dem ich hier sozusagen nur einige Illustrationen beigetragen habe.
({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Drucksache 396 die Entlastung der Bundesregierung in bezug auf die Rechnungslegung der Jahre 1949 und 1950 beantragt. Ich kann nicht unterlassen, meinem Erstaunen darüber Ausdruck zu geben, daß die Bundesregierung bei der Beratung der ersten Rechnungslegung, die gegenüber dem Hohen Hause erfolgt, so „stark" vertreten ist, daß sich auf der Regierungsbank ein einziger Minister,
({0}) ein Minister ohne Portefeuille befindet.
({1})
Meine Damen und Herren! Sie haben die eingehenden Berichte über die sachliche Prüfung, d. h. über die Prüfung der Kassenrechnung durch den Bundesrechnungshof und die Schlußfolgerungen gehört, die der Haushaltsausschuß nach gründlicher Vorarbeit durch seinen Unterausschuß für die Rechnungsprüfung gezogen hat. Ich will nicht in Einzelheiten eintreten, sondern mich auf die Feststellung beschränken, daß die Aufgabe des Parlaments in bezug auf die Rechnungsprüfung weniger - schon mangels der erforderlichen Unterlagen - in einer Einzelprüfung der Kassenrechnung zu sehen ist. Diese kann auch von dem betreffenden Ausschuß nicht so durchgeführt werden, wie wir es gern möchten. Die Aufgabe des Parlaments besteht vielmehr in der politischen Kontrolle der Bundesrechnung. Diese politische Kontrolle kann nicht an den Tatsachen vorübergehen, die sich bei der Rechnungsprüfung im einzelnen ergeben.
Der Antrag auf Entlastung der Bundesregierung, den der Herr Bundesfinanzminister in der Drucksache 396 gestellt hat, gründet sich auf Art. 114 des Grundgesetzes. Darauf haben die Berichterstatter bereits hingewiesen. Aus dem, was wir bei der Prüfung der Unterlagen festgestellt haben, ergibt sich die Berechtigung für das dringende Verlangen des Bundestages nach einer Beschleunigung. Es ist nach dem Beispiel des seinerzeitigen Reichstages unter allen Umständen anzustreben, daß die Rechnungslegung künftig frühzeitig genug erfolgt. Bei der Beratung des Haushaltsplanes von 1956 beispielsweise müßten bereits die Rechnungsergebnisse des Rechnungsjahres 1954 vorliegen.
({2})
Was wir von der öffentlichen Verwaltung, was wir auf Grund bestehender Gesetze in bezug auf die Rechnungslegung von Privatgesellschaften verlangen, das müssen wir von der deutschen Bundesregierung in erster Linie verlangen.
Die Prüfung der Rechnungen hat ergeben, daß in nicht wenigen Fällen notwendige Zustimmung des Finanzministers nicht eingeholt worden ist, daß bedenkliche Abweichungen vom Haushaltsplan vorliegen, wenn auch die Summe der über- und außerplanmäßigen Ausgaben mit rund 1,1 Milliarden DM im großen und ganzen zwangsläufige Posten enthält, unter anderem auf Grund der Tatsache, daß sich die Bundesregierung seinerzeit gründlich verschätzt hat, als sie Beträge für die Arbeitslosenfürsorge eingestellt und mit einer weit geringeren Zahl von Arbeitslosen gerechnet hat, als sie das Rechnungsergebnis nachher ausgewiesen hat.
Die nachträglichen Genehmigungen sind, wie die Unterlagen ausweisen, in einem erheblichen Umfang mit durchaus unzureichenden Begründungen angefordert worden. Ich glaube, es ist an der Zeit, daß das Parlament darauf hinweist, daß bei ungenügenden Entschuldigungen verantwortlicher Beamter künftig Gebrauch gemacht wird von den Bestimmungen des Gesetzes, so z. B. auf Grund der Bestimmungen der §§ 32 und 33 der Reichshaushaltsordnung von ihrem § 84:
Werden über- und außerplanmäßige Ausgaben nicht nachträglich genehmigt, so sind sie von den dafür verantwortlichen Personen insoweit einzuziehen, als dies nach den gesetzlichen Vorschriften möglich ist.
Ich will es mir im Hinblick auf die Geschäftslage des Hohen Hauses versagen, auf mehr Einzelheiten einzugehen, als sie die Herren Berichterstatter in der Kürze der ihnen zugewiesenen Zeit gebracht haben; aber auf eine Einzelheit darf ich doch noch abheben. Es handelt sich hier um eine gründlichere Untersuchung der Verhältnisse im Bereich des Einzelplans XXIII, wo bei der Branntweinbesteuerung nach gewissen Feststellungen im Unterausschuß offensichtlich sehr erhebliche Reserven vorhanden sind.
Der Kampf des Bundestags bei der jeweiligen Beratung des Haushalts scheint offensichtlich nicht seine Fortsetzung zu finden in der Bekundung des gleichen Interesses bei der Vorlage der Rechnung. Ich habe jedenfalls keinen Anlaß, anzunehmen, daß man sich über die politische Bedeutung der Rechnungslegung allzu große Sorgen macht. Trotzdem muß ich im Namen meiner Fraktion darauf hinweisen, daß es in dieser Rechnung entscheidende Faktoren gibt, die es uns nicht ermöglichen, der beantragten Entlastung der Bundesregierung zuzustimmen, Faktoren, die sich der Kontrolle, ja selbst der einfachsten Kenntnisnahme des Bundestages entziehen.
Ich will zum besseren Verständnis und in Fortsetzung dessen, was ich an dieser Stelle zur Etatsberatung 1954 aus anderem Anlaß ausgeführt habe, sagen, um was es sich handelt. Es geht um die Vorenthaltung jeder Kontrollmöglichkeit auch im Bereich der Haushaltsrechnung auf dem Gebiet der sogenannten Geheimfonds.
({3})
Meine Damen und Herren, damit Sie klarer sehen, was gemeint ist, will ich Ihnen die entsprechenden Beträge des Haushaltsplans 1954 in Ihre Erinnerung zurückrufen. Da ist in Kap. 401 Tit. 300 für Bundeskanzler und Bundeskanzleramt zur Verfügung des Bundeskanzlers die Summe von 200 000 DM, über die nur gegenüber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, nicht aber gegenüber dem Parlament oder einem seiner Ausschüsse oder, wie wir es wiederholt vorgeschlagen haben, einem ganz kleinen Vertrauensgremium dieses Hohen Hauses Rechnung zu legen ist. Weiter handelt es sich um Kap. 403 Tit. 300, ein Posten, der schon in den vorliegenden beiden Jahresrechnungen zu finden ist. Da ist in 1954 zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Informationswesens ohne jede Kontrolle - außer der des Präsidenten des Bundesrechnungshofs - der Betrag von 10 Millionen DM angefordert worden. Weiter geht es um Kap. 404 Tit. 301 mit 700 000 DM un({4})
kontrollierbarer Ausgabemöglichkeit und um Kap. 502 Tit. 301: Bundesminister des Auswärtigen, geheime Ausgaben 3 Millionen DM, um Kap. 609 Tit. 33: Bundesminister des Innern für Zwecke des Verfassungsschutzes 3 900 000 DM ohne Kontrolle des Parlaments, zusammen in diesem Rechnungsjahr 17 800 000 DM. Für 1949 und 1950 finden Sie entsprechende Posten in der Ihnen vorliegenden Drucksache.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion vertritt die Auffassung, daß die Kontrolle derartiger Geheim- oder Reptilienfonds, wie ich sie einmal genannt habe, durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs das Parlament von seiner eigenen Verantwortung bei der Verabschiedung der Rechnung nicht entlasten kann.
({5})
Diese Geheimfonds sind wesentliche Bestandteile der Rechnung und schließlich sollte die Bestimmung des § 89 der Reichshaushaltsordnung nicht in dem Sinne angewandt werden, wie es geschieht, sondern vielleicht mehr in dem Sinne der Ausführungen eines der hohen Beamten des Bundesfinanzministeriums, der einmal erklärt hat:
Regelmäßig begründet die Exekutive mit erhöhter Staatsräson die Fernhaltung eines
kritischen Prüfers von den obengenannten gefährlichen Fonds ({6}). Es stellt sich aber oft heraus,
daß diese Tendenz nur den Versuch zur Aufrechterhaltung eines Ministeriums oder den
Wunsch nach ganz selbständiger Bewirtschaftung bedeutet.
Es ist eine Aufgabe des Parlaments, gegenüber der Regierung ein gesundes Mißtrauen zu beobachten. Es ist eine Pflicht des Parlaments, die es vor allem auch in den Kontrollfunktionen seiner Ausschüsse ausübt. Ein gesteigertes Mißtrauen aber sollte das Parlament gegenüber den Geheimfonds der Bundesregierung empfinden.
({7})
- Ja, Sie wissen aber ganz genau, Herr Kollege Dr. Pünder, daß in der Weimarer Zeit eine interfraktionelle Regelung bestand, nach der ohne ausdrücklichen Beschluß des Parlaments ein kleiner Kreis von Vertrauenspersonen der einzelnen Fraktionen über die Verwendung der Mittel informiert wurde.
({8})
Einer der Herren Berichterstatter hat den Wunsch ausgesprochen - und diesen Wunsch möchte ich auch im Hinblick auf gewisse Bemerkungen in dem Bericht des Bundesrechnungshofs sehr stark unterstreichen -, daß der Herr Präsident des Bundestages veranlaßt werde, mit gutem Beispiel voranzugehen und dafür zu sorgen, daß Ordnung, im eigenen Haus beobachtet wird. Denn es gibt gewisse Dinge, die sich vielleicht mit den Verhältnissen der Vergangenheit einigermaßen entschuldigen lassen, die aber unter keinen Umständen eine fröhliche Wiederkehr erfahren dürfen. Ich glaube, es ist richtig, so zu verfahren, wie die Herren Berichterstatter es angekündigt haben.
Künftig wird bei der Prüfung der Rechnung auch von dem Unterausschuß des Haushaltsausschusses und vom Haushaltsausschuß sowie wohl dann auch hier vom Hohen Hause selbst nicht mehr mit jener Großzügigkeit vorgegangen werden können, mit der man in Würdigung der Zustände und Umstände, die für 1949 und 1950 immerhin noch galten, dieses Mal verfahren ist.
Meine Damen und Herren, wir werden den Entschließungen des Haushaltsausschusses zu Ziffer 6 a-e unsere Zustimmung geben. Wir von der sozialdemokratischen Fraktion sind im Hinblick auf die Nichtdarlegung der tatsächlichen Verwendungszwecke der Geheimfonds der Bundesregierung nicht in der Lage, die von dem Herrn Bundesfinanzminister beantragte Entlastung zu erteilen, und werden uns im übrigen der Stimme enthalten.
({9})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, zuerst zu Punkt 13 a, Drucksache 689. Es handelt sich um die Anträge des Ausschusses. Wer den Ziffern 1, 2, 3, 4, 5 und 6 des Antrags auf Drucksache 689 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. ({0})
- Sie wünschen getrennte Abstimmung? - Dann stimmen wir über die Ziffern getrennt ab.
Ich rufe also nochmals auf Drucksache 689 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen bei Enthaltungen angenommen.
Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.
Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ziffer 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Damit ist die Drucksache 689 erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über die Drucksache 690 und lasse zunächst über Ziffer 1 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme zu Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({1})
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP betreffend Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge der sowjetischen Besatzungszone ({2});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für ehemalige politische Häftlinge der sowjetischen Besatzungszone ({3}).
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP hat Frau Abgeordnete Maxsein.
Frau Dr. Maxsein ({4}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen der Koalition:
Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, durch welche Maßnahmen gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Art den aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone Inhaftierten, die nach ihrer Entlassung oder Flucht in das Bundesgebiet gelangt sind, zusätzlich zu den bisher für diesen Personenkreis bereits getroffenen Betreuungs- und Entschädigungsmaßnahmen Hilfen zuteil werden können,
betrifft einen Personenkreis, der in den bestehenden Betreuungs- und Entschädigungsgesetzen nicht voll bedacht wird und nicht voll bedacht werden kann. Es handelt sich unter den Sowjetzonenflüchtlingen um die Sowjetzonenhäftlinge, die inzwischen amnestiert wurden oder noch amnestiert werden. Gerade heute kommen wieder 150 Sowjetzonenhäftlinge aus dem Lager Friedland.
Wie dringlich das Anliegen ist, das uns hier beschäftigt, und wie furchtbar das ganze Problem ist, geht aus einem Artikel der heutigen „Welt" hervor, der die Überschrift trägt: „Alle Waldheim-Häftlinge sollen entlassen werden". Einen anschaulichen Absatz gestatte ich mir mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten Ihnen vorzulesen:
Nach einem Bericht des Informationsbüros West verabschiedeten Pankows weiblicher Justizminister Hilde Benjamin und der Oberstaatsanwalt Melzheimer aus dem Zuchthaus Waldheim persönlich 42 schwer tuberkulosekranke Häftlinge. 30 von ihnen wurden zunächst in das Krankenhaus zu Hubertusburg im Kreise Oschatz gebracht. Sie waren gesundheitlich nicht in der Lage, sofort in ihre Heimatorte zu reisen. Aus dem gleichen Lazarett wurden auch fünf Ärzte entlassen, von denen vier Westberliner sind. Sie sagten, daß im Krankenhaus des Zuchthauses von Waldheim seit 1950 etwa 600 Häftlinge verstorben sind.
Der Sowjetzonenhäftling ist eine Gestalt der Nachkriegszeit. Im Zuge der russischen Eroberung wurden zunächst Nationalsozialisten verhaftet, aber auch Großagrarier, Intelligenzler, sogenannte Großkapitalisten, kurzum alle jene Gruppen, von denen man annehmen mußte, daß sie sich dem kommunistischen System widersetzen würden.
Die Inhaftierungen wurden durchaus nicht immer systematisch durchgeführt. Wenn sich beispielsweise auf einem Transport herausstellte, daß die Kopfzahl der Gefangenen nicht mehr stimmte, dann wurde die Lücke willkürlich ausgefüllt, indem man wahllos einen Passanten mitschleppte, also irgendeinen Bürger von der Straße weg abtransportierte. Es konnte geschehen, daß in dem KZ, in dem GPU-Keller der waschechte alte Nazi gemeinsam mit dem echten Widerstandskämpfer gegen das nationalsozialistische System „büßte".
Im Zuge der fortschreitenden Sowjetisierung des Ostsektors von Berlin und der Zone entwickelte sich der echte Widerstandskämpfer gegen das kommunistische System. Mit diesen Widerstandskämpfern mischten sich allerdings auch mißliebig gewordene Funktionäre, die man zwar als Opfer des Systems, aber nicht als Kämpfer gegen das System ansprechen kann. Aus dieser Überlegung heraus wird klar erkenntlich, wie schwer es ist, den Begriff des Sowjetzonenhäftlings als eines echten Widerstandskämpfers klar herauszustellen.
Wie kompliziert der Fall ist, geht auch aus anderen Beispielen hervor. Nehmen wir z. B. zwei Gefangene, die von dem gleichen sowjetischen Tribunal zur gleichen Strafe verurteilt worden sind, von denen aber der eine nach Rußland geschleppt worden ist und dort seine Haft in sowjetischem Gewahrsam verbüßte, während der andere sich in einem KZ der Sowjetzone aufhalten mußte. Als beide später nach der Amnestie in die Bundesrepublik zurückkehrten, kam der aus Rußland Heimgekehrte in den Genuß sämtlicher Vorteile und Vergünstigungen des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes, während der aus der Sowjetzone Heimkehrende sich mühsam die Anerkennung als Heimkehrer erkämpfen mußte.
Es ist nun die verpflichtende und bedeutsame Aufgabe der Bundesregierung, den Personenkreis derer herauszustellen, die wir als echte Widerstandskämpfer ansprechen dürfen. Dabei ist die Frage zu stellen, was über die bestehenden Hilfsmaßnahmen, wie sie im Bundesvertriebenen-, Heimkehrer-, Bundesversorgungs-, Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz usw. festgelegt sind, hinaus getan werden kann zur Regelung der Schäden, die der echte politische Widerstandskämpfer erlitten hat.
Die Befürchtung der Häftlinge, daß ihre Angelegenheit auf dem Wege einer Rechtsverordnung zum Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz geregelt werden solle, ist unbegründet. Das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz anerkennt nur Schäden in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen. In der Auswirkung dieser Bestimmung könnte eine große Anzahl gerade derjenigen Häftlinge unberücksichtigt bleiben, die als echte Kämpfer wider das kommunistische System mit Vorrang bedacht werden sollen. Wir sind der Meinung, daß diese ganze Angelegenheit nur durch ein neues selbständiges Gesetz zu regeln ist. Wie dieses Gesetz beschaffen sein muß, hat die Bundesregierung zu prüfen. Ob es nur eine Abgrenzung der in Frage kommenden Personen in Betracht zieht und dann Härteklauseln vorsieht, um den Ermessenentscheiden freien Spielraum zu lassen, sei dahingestellt.
Unsere Aufgabe ist es, die Bundesregierung zu drängen, dem Anliegen auf dem schnellsten Wege und wirksam Rechnung zu tragen. Einem Ondit zufolge findet schon in dieser Woche erfreulicherweise eine interministerielle Besprechung dieser Frage unter Herbeiziehung der zuständigen Ressorts statt. Das Bundesministerium für Vertriebene, für gesamtdeutsche Fragen, das Arbeits-, Finanz-, Justiz- und Innenministerium werden an dieser Besprechung beteiligt sein. Uns hier ist es eine moralische Verpflichtung, die Sache auf dem schnellsten Wege
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zu erledigen, eine moralische Verpflichtung gegenüber den Deutschen, die ja 1945 nicht die Möglichkeit hatten, sich zu entscheiden, unter welchem Besatzungsregime sie zu leben wünschten, und die heute die ganze Unbill des kommunistischen Regimes zu ertragen haben. Es ist uns im Blick auf die Zone eine politische Verpflichtung, all denen dort seelisch zu helfen, unter deren Augen sich die ganze unerhörte Drangsalierung durch die kommunistische Diktatur ausbreitet. Wir haben sie zu stärken im Widerstandskampf, sie freudiger zu machen und ihnen das Bewußtsein zu geben, daß ihre Leiden bei ihren Brüdern und Schwestern in der Bundesrepublik voll anerkannt und gewertet werden. Ich wage sogar zu behaupten, daß die Bundesregierung eine verfassungsmäßige Verpflichtung hat, sich der Anliegen der Sowjetzonenhäftlinge anzunehmen, ihre Anliegen zu den ihren zu machen. Nach der Präambel hat die Bundesregierung stellvertretend zu wirken für alle diejenigen, die in Gebieten leben, in denen sie der Freiheit beraubt sind.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, unserem Antrag zuzustimmen, von dem wir glauben, daß er eine ebenso rasche wie saubere und gerechte Lösung dieses Problems, das in seiner ganzen Furchtbarkeit immer wieder deutlich wird, herbeiführen wird.
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Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Frau Korspeter ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegen uns heute über den gleichen Fragenkomplex zwei verschiedene Anträge vor, der Antrag der Regierungskoalition und der Antrag der SPD, den ich im Auftrage meiner Fraktion zu begründen habe. Wir bedauern aufrichtig, daß es nicht, wie ursprünglich geplant, zu einem interfraktionellen Antrag gekommen ist. Wir sind der Meinung, daß ein solcher interfraktioneller Antrag unserem Wollen, von dem gesagt wurde - und Frau Kollegin Maxsein hat das eben wieder bestätigt -, daß es unser gemeinsames Wollen sei, besser und schneller gedient hätte, wenn, so wie wir es in unserem Antrag vorgeschlagen haben, alle Fraktionen ein dringendes Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet hätten, sofort einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.
Wir wollen, daß den ehemaligen politischen Häftlingen aus der sowjetisch besetzten Zone Hilfsmaßnahmen und vor allen Dingen eine Entschädigung für die erlittene Haft sowie eine Versorgung im Falle einer gesundheitlichen Schädigung durch die Haftzeit gewährt werden. Leider konnten Sie sich, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, nicht entschließen, unserem in dem Antrag festgelegten Vorschlag zuzustimmen, weil Sie glaubten, die Bundesregierung erst zur Prüfung der Frage auffordern zu sollen, welche Maßnahmen gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Art ergriffen werden müssen, um diesem Personenkreis Hilfe zuteil werden zu lassen.
Wir dagegen konnten uns nicht entschließen, Ihrem Antrag unsere Unterstützung zu geben, weil wir der Ansicht sind, daß Ihr Auftrag an die Bundesregierung, erst eine Prüfung notwendiger Maßnahmen vorzunehmen, die Sache nur verzögert. Darüber hinaus waren wir der Meinung, daß es nach all dem, was wir gehört und erfahren haben, völlig klar ist, was zu tun notwendig ist. Wir sollten keinen Tag länger zögern, einen entsprechenden Gesetzentwurf von der Bundesregierung zu fordern, um das bislang Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen, der großen berechtigten Verbitterung bei den davon Betroffenen zu begegnen.
Die ehemaligen politischen Häftlinge kamen nach ihrer Haftentlassung zu uns in dem sicheren Gefühl, daß sie, nachdem sie für uns, für Gesamtdeutschland gelitten haben, nachdem sie jahrelang ihrer Freiheit um ihres Widerstandes willen beraubt waren, unserer Hilfe gewiß seien. Sie wurden in diesem Gedanken dadurch bestärkt - so hört man vielfach von ihnen -, daß sie bei ihrem Empfang in den Durchgangslagern auch von Vertretern der Bundesregierung weitgehende Versprechungen erhielten, von denen sie bald feststellen mußten, daß sie nicht eingehalten wurden. Sie erhielten zwar zum größten Teil eine Heimkehrerbescheinigung; sie erfuhren aber sehr bald, daß sie nicht in die Regelung nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz einbezogen waren, daß ihre in der Haft erlittenen Gesundheitsschäden nicht durch das Gesetz über die Opfer des Krieges erfaßt wurden und daß man ihnen nicht, wie den entlassenen Kriegsgefangenen, eine 75%ige Fahrpreisermäßigung auf der Bundesbahn gewährte. Das hat ihre Verbitterung ausgelöst.
Wir sollten alles tun, um so schnell wie möglich zu einer gerechten Lösung zu kommen. Selbstverständlich müssen wir bei der Regelung der Frage, wer politischer Häftling ist - Frau Kollegin Maxsein hat das schon ausgeführt -, einen bestimmten Maßstab anlegen. Das muß sehr sorgfältig geprüft werden. Aber da sich die Ministerien schon seit längerer Zeit mit diesen Überlegungen beschäftigt haben, bedarf es unseres Erachtens nicht erst noch eines Auftrages an die Bundesregierung, in eine Prüfung notwendiger Maßnahmen einzutreten. Vielmehr sollten wir von der Bundesregierung die baldige Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfs fordern. Dieses Ersuchen bringen wir in unserem Antrag zum Ausdruck. Wir meinen, daß in diesem Gesetzentwurf bestimmte Regelungen auf folgenden Gebieten getroffen werden sollten: Haftentschädigung, Versorgung der Witwen und Hinterbliebenen von den im KZ Umgekommenen, Versorgung bei durch die Haft eingetretenen Gesundheitsschäden, Erleichterung der beruflichen Ausbildung, Darlehen und Beihilfen zum Aufbau einer Existenz, zur Beschaffung von Wohnraum, zur Beschaffung von Hausrat, Berücksichtigung der Haftzeit in der Invaliden- und in der Angestelltenversicherung, Fahrpreisermäßigung durch die Bundesbahn.
Wir müssen uns darüber klar sein, daß wir nur durch eine gerechte, eine ordentliche und eine schnelle Lösung unsere gesamtdeutsche Verpflichtung erfüllen werden. Wir haben als Gesetzgeber - lassen Sie mich das bitte einmal sehr deutlich sagen - in dieser Frage etwas versäumt. Wir sollten alles tun, um dieses Versäumte so schnell wie möglich nachzuholen. Eine Enttäuschung der Menschen, die in ihrer Not zu uns kamen, die für uns ihre Freiheit, ihre Gesundheit, oft ihr Leben eingesetzt haben, würde nicht nur die Widerstandskraft dieser Menschen erlahmen lassen, sondern sich auch auf die weitere Entwicklung der Widerstandsbewegung in der Zone auswirken. Zur Unterstützung des Widerstandswillens ist aber eine großzügige und vor allen Dingen eine schnelle
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Hilfe für die politischen Kämpfer notwendig. Wir können sie nicht als Spätheimkehrer zweiten Ranges behandeln, sondern wir müssen ihnen beweisen, welches Maß an Anerkennung wir ihnen für ihren Widerstand, den sie drüben geleistet haben, entgegenbringen.
Darum geht es uns in unserem Antrag. Wir wollen, daß schnell, ohne Verzögerung etwas geschieht. Frau Dr. Maxsein hat vorhin auf die Dringlichkeit der Lösung dieser Frage hingewiesen. Wir bitten um der Dringlichkeit dieser Frage willen, schon jetzt über unseren Antrag abzustimmen.
({2})
Die Anträge sind begründet. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Oberländer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind alle einig, daß hier schnell geholfen werden muß. Die Frage ist doch wohl nur, ob wir erst prüfen oder ob wir gleich ein neues Gesetz machen. Hierzu darf ich allerdings sagen, daß wir schon in der Prüfung sind und daß, wie richtig gesagt wurde, bereits am 16. Juli eine interministerielle Besprechung stattfindet, um zu klären, wie diese Hilfe am schnellsten gegeben werden kann. Es ist ganz mit Recht gesagt worden, daß der Kreis der Berechtigten sehr genau abgegrenzt werden muß. Im übrigen muß geklärt werden, ob das Heimkehrerentschädigungsgesetz, das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz oder ein anderes Gesetz benutzt werden soll, ob überhaupt ein neues Gesetz erlassen werden muß. Wir haben heute bereits in dem Heimkehrer-, in dem Vertriebenen- und in dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz so viele Überschneidungen, daß wir, wenn wir jetzt für einen neuen Kreis ein neues Gesetz machen, das alle diese verschiedenen Punkte wieder ergänzt, eine noch größere Unklarheit schaffen. Wenn es sich um schnelle Hilfe handelt, ist es nicht notwendig, ein neues Gesetz zu machen. Entscheidend ist vielmehr, daß die Dinge schnellstens geklärt werden. Das geschieht noch in dieser Woche. Ich glaube für die Bundesregierung erklären zu können, daß nichts verzögert wird, sondern daß wir alles tun werden, um noch in dieser Woche die Dinge zu entscheiden.
Das Wort hat der Abgeordnete Miller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in Ergänzung dessen, was Herr Minister Oberländer ausgeführt hat, folgendes zu bedenken geben. Wenn wir jetzt dem Antrag der SPD folgen, verzögern wir die Ausführung der ganzen Angelegenheit. Was hätten wir von einem Gesetz, wenn infolge der Schwierigkeiten die Durchführungsverordnungen erst nach Jahr und Tag erlassen werden könnten? Ich meine, wenn wir jetzt die Regierung prüfen und die Abgrenzung vornehmen lassen, nützen wir unseren Sowjetzonenflüchtlingen mehr, als wenn wir jetzt einen Antrag annehmen, der sich dann praktisch doch nicht auswirken kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Hermsdorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion kann sich weder den Ausführungen des Herrn Ministers noch dem Antrag der Koalitionsparteien anschließen. Es besteht in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß dem hier angesprochenen Personenkreis geholfen werden soll. Es besteht auch keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß schnell geholfen werden soll. Es geht vielmehr um die Frage, wie am schnellsten geholfen werden kann. Da teilen sich die Auffassungen zwischen der sozialdemokratischen Fraktion auf der einen Seite und den Regierungsparteien auf der anderen Seite. Wir sind der Meinung, daß eine Prüfung in jedem Falle erfolgen muß. Man wird ja ein neues Gesetz nicht einfach hinschreiben, um sich erst nach Monaten mit den Ausführungsbestimmungen zu beschäftigen, sondern man muß bereits, wenn man das Gesetz abfaßt, wissen, welcher Personenkreis entschädigt werden soll. Der Unterausschuß, der sich mit dieser Frage beschäftigt hat, war einstimmig der Auffassung, daß es mit einer Rechtsverordnung nicht getan werden kann. Wir stehen also vor der Notwendigkeit, hier, ich möchte sagen, Nägel mit Köpfen zu machen und ein neues Gesetz zu schaffen. Keiner der von dem Herrn Minister angeführten Gründe spricht gegen ein Gesetz. Denn, Herr Minister, wenn Sie ein Gesetz machen, bringen Sie doch nicht einfach bloße Formulierungen: Die Leute müssen entschädigt werden, sondern Sie werden doch umreißen, welche Gruppe entschädigt werden soll. Wir verlangen keine Rechtsverordnung, wir verlangen keine Prüfung, sondern ein Gesetz, das klar umreißt, wie die Leute entschädigt werden sollen; denn es ist nötig, daß endlich entschädigt wird. Ich möchte sagen, es ist keine gute Sache für die Bundesrepublik, daß Menschen, die ihr Leben für die Freiheit eingesetzt haben, heute hier auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind.
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Da muß endlich einmal etwas geschehen. Deshalb sind wir der Meinung, daß sofort ein Gesetz geschaffen werden muß. Sie sind ja in anderen Fragen, wenn es z. B. um die Entschädigung der Angehörigen der Legion Condor geht, auch nicht so engherzig, wie Sie es hier in der Frage der Widerstandskämpfer sind.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Meine Herren und Damen! Wir wollen die Frage, die hier jetzt zur Diskussion steht, doch mit der Ruhe und der Sachlichkeit behandeln, die ihr Ernst verlangt. Es handelt sich wahrhaftig auf keiner Seite um den Wunsch, diese Häftlinge der Wohlfahrtspflege zu unterwerfen. Auch besteht auf keiner Seite der Wunsch, die Regelung dieser Dinge irgendwie zu verzögern. Im Gegenteil, wir möchten alle, daß sie beschleunigt wird. Meinungsverschiedenheiten bestehen nur über den Weg, Frau Korspeter.
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Über den Weg haben wir uns im Ausschuß nicht
einigen können, und die Debatte hier hat gezeigt,
daß wir uns auch im Plenum nicht einigen können.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat in den Ausführungen, die er hier gemacht hat, die
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ganzen Schwierigkeiten noch einmal dargelegt. Es handelt sich um die Frage, ob es notwendig ist, ein eigenes Gesetz zu machen, oder ob es Möglichkeiten gibt, in vorhandene Gesetze Bestimmungen aufzunehmen, die das Problem genau so gut lösen. Das sind Schwierigkeiten, die im Augenblick nicht zu überblicken sind. Unser Antrag hat lediglich den Zweck, die Angelegenheit voranzutreiben.
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Nach den Ausführungen des Herrn Ministers ist das im Gange. Ich bin also der Meinung, daß man unseren Antrag ohne weiteres annehmen könnte. Dem Antrag der SPD jedoch stehen erhebliche Schwierigkeiten entgegen; er muß also dem Ausschuß überwiesen werden.
Ich schlage deshalb vor, den Antrag der Koalitionsparteien hier im Plenum anzunehmen und den Antrag der SPD dem Ausschuß für Gesamtdeutsche Fragen zur weiteren Behandlung zu überweisen.
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Wird noch das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung, zuerst über die Drucksache 700, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP. Zu diesem Antrag ist Ausschußüberweisung von keiner Seite vorgeschlagen. Wir stimmen also über den Antrag selber ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zum Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 701. Hier ist von Frau Dr. Brökelschen Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen beantragt. Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht dem Sachantrag nach der Praxis dieses Hauses vor. Ich darf annehmen, daß es sich hier um die Überweisung an den federführenden Ausschuß handelt und daß der Antrag außerdem an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen überwiesen werden soll; so wurde es nämlich im Ältestenrat - ursprünglich für beide Anträge - besprochen. Ich darf den Überweisungsantrag insoweit ergänzen. Wer dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0})).
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich unterstelle die Zustimmung des Hohen Hauses.
Meine Damen und Herren! Wir sind am Ende der Tagesordnung. Ich habe bekanntzugeben, daß die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands um 15 Uhr eine Sitzung hält.
Ich berufe die nächste, die 41. Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 15. Juli, 9 Uhr, und schließe die 40. Sitzung des 2. Deutschen Bundestags.