Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/6/1954

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 28. Sitzung des Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Christian Giencke (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000678

Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Bauer ({0}) für vier Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Schlick für weitere drei Wochen wegen Krankheit und Abgeordneter Böhm ({1}) für weitere drei Wochen wegen Krankheit. Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Leverkuehn, Dr. Bärsch, Dr. Horlacher, Mayer ({2}), Neumann, Scharnberg, Frau Niggemeyer, Ollenhauer, Metzger, Dr. Bucerius, Wehner, Etzenbach, Dr. Mocker, Huth, Mensing, Wolf ({3}), Leibfried und Dr. Greve.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich unterstelle, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden ist. - Das ist der Fall. Ich habe Glückwünsche auszusprechen zum 67. Geburtstag am 1. Mai Herrn Abgeordneten Demmelmeier, ({0}) zum 63. Geburtstag am 2. Mai Herrn Abgeordneten Wittenburg, ({1}) und heute feiert in unserm Kreise seinen 64. Geburtstag Herr Abgeordneter Rümmele. ({2}) Ich weise darauf hin, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 26. Mai, stattfindet. Sperrfrist für eingehende Fragen ist Mittwoch, der 19. Mai, 12 Uhr. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 29. April 1954 die Kleine Anfrage 45 der Abgeordneten Kemper ({3}), Richarts und Genossen betreffend Entschädigung für 1944/45 in westdeutschen Grenzkreisen abgetriebenes Vieh - Drucksache 406 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 503 vervielfältigt. ({4}) Damit, meine Damen und Herren, können wir in die Tagesordnung eintreten. Zunächst Punkt 1: Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 ({5}) ({6}); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({7})); ({8}) in Verbindung mit Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) über die Entschließung der Fraktion der SPD zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 ({10}) betreffend den Einzelplan 45 - Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin ({11}), Berichterstatter: Abgeordneter Krammig; Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({12}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Förderung der Magermilchverwertung, über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Bekämpfung der Rindertuberkulose, über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Gleissner ({13}), Dr. Dr. h. c. Müller ({14}), Bauknecht und Genossen betreffend Verbilligung von Dieselkraftstoff, über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Förderung der Landtechnik, über den Antrag der Abgeordneten Leukert, Dr. Goetz, Kuntscher und Genossen betreffend Förderung der ländlichen Siedlung, über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Landarbeiterwohnungsbau ({15}), Berichterstatter: Abgeordneter Brese; Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({16}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gleissner ({17}), Lücker ({18}) und Genossen betreffend Abgeltungsbetrag an das Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitut in München ({19}), Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Vogel; Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({20}) über den Antrag der Abgeordneten Etzenbach, Lücke und Genossen betreffend Ersatzstraße für die Bundesstraße 56 Bonn/Beuel-Siegburg ({21}), Berichterstatter: Abgeordneter Ritzel. Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht heute bei der Verabschiedung des Bundeshaushalts um 27 Milliarden DM, also um eine Summe, unter der man sich an sich nichts vorstellen kann. Gliedert man diese Summe in die *) Siehe Anlage 1 Seite 1271 üblichen Blöcke des Haushalts, also in Personalkosten, in sächliche Kosten, in allgemeine Ausgaben und einmalige Ausgaben, so ergibt sich, daß auf Personalkosten etwas über 900 Millionen DM = 3,6 %, auf sächliche Kosten 460 Millionen DM = 1,8 %, auf einmalige Ausgaben 433 Millionen DM = 1,6 % und auf den großen Block der allgemeinen Ausgaben 23 300 Millionen DM = 93 % entfallen. Es ist also klar, daß man sich auch nach dieser Aufteilung nichts vorstellen kann. Gliedert man nun nach großen Sachgebieten, so ergibt sich ihrer Bedeutung nach - und dann können wir uns etwas darunter vorstellen -, daß für Besatzung und Verteidigung 9411 Millionen DM = 37,5 % ausgegeben werden, während wir in Wirklichkeit - wie ich am vorigen Freitag ausgeführt habe -, wenn man all die anrechnungsfähigen und anrechnungsnotwendigen Zahlen mit einbezieht, für Verteidigung und Besatzung 44,5 % unseres gesamten Finanzvolumens ausgeben. Für Sozialleistungen geben wir 9035 Millionen = 36 % aus, für volkswirtschaftliche Investitionen 2123 Millionen = 8,4 %, für den Schuldendienst 877 Millionen = 3,6 %, für die Berlin-Hilfe 715 Millionen = 3 %, für Subventionen und Vorratshaltung sowie Darlehen an die Bundesbahn 486 Millionen = 1,9 %, für Wiedergutmachung - Israel, Konversionskasse, Restitution, Ergänzungsgesetz - 417 Millionen = 1,7 %. Das macht bereits 92 % des gesamten ordentlichen Haushalts aus. Die Personalkosten einschließlich -der Versorgungsausgaben ohne Kriegsopferversorgungsverwaltung machen dann noch 837 Millionen = 3 %, die Sachausgaben einschließlich der Verwaltungskosten und Entschädigung an die Länder 433 Millionen = 1,7 % aus. Dazu kommen noch ein paar Sonderkosten wie StEG-Tilgung, Unterhaltung der See- und Wasserstraßenverwaltung, Verwaltung des Bundesvermögens mit 724 Millionen = 2,9 %. Wenn man sich einmal diese großen Blöcke vor Augen hält und bemerkt. daß allein 92 % des gesamten Haushalts für mehr oder minder bestimmte Dinge, gesetzliche und international-vertragliche Verpflichtungen festgelegt sind, dann kann man fragen, ob diejenigen recht haben - und das sind ja nicht wenige unter uns -, welche sagen, man brauche sich mit dem Bundeshaushalt kaum noch oder gar nicht zu beschäftigen, weil ja doch eben mindestens 90 % der Ausgaben gebunden seien, man also ohnehin nur über 10 % diskutieren könne. Nun, meine Damen und Herren, so bequem darf man es sich nicht machen. Denn selbst wenn das wahr wäre, wären 10 % von 27 Milliarden immerhin 2,7 Milliarden oder 2700 Millionen, und 1 % von 27 Milliarden wären immerhin 270 Millionen. Würde man also nur 1 % einsparen und produktiv einsetzen, dann hätte man 270 Millionen frei zur Verfügung. Wir wissen ja aus den Haushaltsberatungen, wie um wenige zehntausend Mark erbittert gerungen wird. Gelänge es aber - wohlgemerkt in diesem Haushaltssystem -, 4 % anders einzusetzen, so wären das immerhin 1080 Millionen, also über 1 Milliarde. Man sage also nicht, die Manövriermasse sei so gering, daß es sich nicht lohne, sich mit ihr zu beschäftigen. Man soll auch beim großen Haushalt im kleinen treu und genau sein. In Wirklichkeit aber ist die Manövriermasse, wenn man eine andere Finanz- und Haushaltspolitik betreibt, als es die gegenwärtige Bundesregierung tut, viel größer, wie ich später ausführen werde. ({0}) Auch gesetzliche Verpflichtungen können geändert werden. Auch die großen und größten Posten können finanzpolitisch beeinflußt werden, z. B. die Besatzungskosten, wenn der Bundesfinanzminister sich die Mühe macht, den Besatzungsmächten den Besatzungsluxus, den Besatzungsleerlauf, den Besatzungsmutwillen und den ganzen heute noch existierenden Besatzungsunfug durch wohlfundierte Argumente abzugewöhnen ({1}) und ebenfalls durch nachdrückliche Verhandlungen den Besatzungshandel unmöglich zu machen, mindestens aber so einzuschränken, daß er uns volkswirtschaftlich nicht mehr so bedrückt, wie er das bis heute tut und nach Abschluß der Verträge weiter und verschärft tun wird. Nun bin ich der Meinung, daß wir den Bundeshaushalt nicht isoliert betrachten können, sondern wir müssen ihn in einen größeren Zusammenhang hineinstellen. Betrachten wir einmal den Finanzbedarf der gesamten öffentlichen Hand - nämlich die Finanzen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände - als eine Einheit, so ergibt sich nach der vorzüglichen Denkschrift des Instituts Finanzen und Steuern, Heft 30, „Grundlagen und Möglichkeiten einer organischen Steuerreform", folgende hochinteressante Zusammenstellung. Das Institut unterscheidet bei seinen Berechnungen drei große Gruppen von Ausgaben: zunächst die Sockel-Ausgaben: 1. Persönliche und sächliche Verwaltungsausgaben mit 7,96 Milliarden DM, 2. Pensionen und Beihilfen mit 1,32 Milliarden DM, 3. Allgemeine Haushalts- und Zweckausgaben mit 4,12 Milliarden DM, 4. Sozialleistungen mit 3,07 Milliarden DM, 5. Schuldendienst mit 1,77 Milliarden DM. Das macht zusammen 18,24 Milliarden DM. Vergleicht man mit diesen Sockel-Ausgaben die Lasten des Krieges, so ergibt sich: 1. Besatzungsund Verteidigungslasten 9,63 Milliarden DM - die Besatzungsfolgekosten sind also hier nicht mit eingeschlossen -, 2. Soziale Kriegsfolgelasten 6,21 Milliarden DM, 3. Finanzhilfe Berlin 1,03 Milliarden DM und 4. Wiedergutmachung 0,50 Milliarden DM; macht zusammen 17,37 Milliarden DM. Mit anderen Worten: Die Sockel-Ausgaben-also die Ausgaben für unser normales öffentliches Leben - liegen fast eine Milliarde über den Kriegsfolgelasten. Sie betragen also nicht nur 10 °/o. Und an diesen 18,24 Milliarden DM sollte sich durch eine sinnvolle Reform der Finanzverfassung, durch eine sinnvolle Reform der öffentlichen Verwaltung, d. h. durch eine Reform der Zuständigkeiten, eine Reform des gesamten Büro- und Kassenwesens der öffentlichen Verwaltung, nicht Wirkungsvolles sparen lassen? Man muß nur einmal aus dem alten Trott kameralistisch-bürokratisch-ärarisch-fiskalischer Vorstellungen heraus! Man muß mal einen Anfang zu einer zeitgerechten Lösung der Probleme der öffentlichen Finanzwirtschaft machen. Bei dem gesamten Finanzbedarf aller Gebietskörperschaften habe ich eben die zusätzlichen Ausgaben nicht erwähnt, nämlich 1. Investitionen mit 5,98 Milliarden DM und 2. Subventionen mit 0,82 Milliarden DM; macht zusammen 6,80 Milliarden DM. Die Addition aller drei Blöcke ergibt 42,41 Milliarden DM. Die Zahlen beziehen sich auf das Haushaltsjahr 1953/54 der gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft. Die Haushalte der öffentlichen Hand und insbesondere der Bundeshaushalt und die Haushalte der Länder sind Wirtschaftshaushalte geworden. Haben wir einen Wirtschaftshaushalt, so muß man auch wirtschaftlich denken. Das Wirtschaftsdenken aber ist, wie wir in den Haushaltsberatungen ja immer wieder gesehen haben, in der Bürokratie nur in sehr schwachen Anfangsspuren festzustellen. Ich wende mich kurz den Personalausgaben zu. Wir haben hier 837 Millionen DM - ohne Versorgung und ohne die 4 % Kürzung -, das sind 3 % des gesamten ordentlichen Bundeshaushaltes, und man sagt, das sei bescheiden. Die Bundesbediensteten gliedern sich in rund 65 000 planmäßige Beamte, 23 000 Angestellte und 10 000 Arbeiter. Vom Jahre 1953 auf 1954 wurde die Zahl der planmäßigen Beamten um 21 % erhöht, ({2}) die der Angestellten um 6 % und die der Arbeiter um 14,4 %. Bei den planmäßigen Beamten beträgt der Steigerungssatz von 1953 auf 1954 für den höheren Dienst 9,7 %, für -den gehobenen Dienst 4,6 %, für den mittleren Dienst 5,2 % und für den einfachen Dienst 86 %. Diese letzte Zahl ist allerdings so vollkommen irreführend; denn hierin sind die 10 000 Mann des Bundesgrenzschutzes enthalten. Man müßte, um eine wirkliche Vorstellung von der Zahl der öffentlichen Bediensteten zu erhalten, den Bundesgrenzschutz besonders ausweisen. In allen Dienststellen zeigt sich - deswegen mache ich eine Bemerkung dazu - eine Tendenz zur Verbeamtung. Es ist aber nur da nötig, Beamte zu ernennen, wo wirklich staatliche Hoheitsaufgaben ausgeführt werden. Durch die Verbeamtung sollten ja ursprünglich - das war der Sinn der Verbeamtung - die Staatsdiener unabhängig gemacht werden; sie sollten also keine Angst vor ihren Vorgesetzten zu haben brauchen. Welcher Behördenchef kann sich heute rühmen, auf unbequeme Untergebene Wert zu legen, d. h. also auf Untergebene, die mitdenken, kritisch sind und dadurch den Zweck des Amtes wesentlich besser fördern?! Warum gab man den Beamten sonst „wohlerworbene Rechte", wenn nicht zu diesem Zwecke? Es muß nun gesagt werden, daß den wohlerworbenen Rechten auch wohlerworbene Pflichten entsprechen. ({3}) Wir haben in zahlreichen Bundesministerien hochqualifizierte Beamte sowohl nach ihrem Fachwissen wie nach ihrem Dienstwissen wie nach ihrem Charakter. Wer die intensiven Beratungen des Haushaltsausschusses mitgemacht hat, wer auch dem vorigen Bundestag angehört hat, der hat sich davon überzeugen können. Das soll hier ausdrücklich und anerkennend gesagt werden. Da aber viele an sich tüchtige Beamte nicht wirtschaftlich denken können, so müssen sie kontrolliert und im Wirtschaftsdenken erzogen und angeleitet werden. Das Gros unserer Beamten - auch das möchte ich ebenso ausdrücklich sagen - bedarf der fachlichen und der staatsbürgerlichen Fortbildung. Deshalb wäre es sehr zu wünschen, daß die „Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung", die im Jahre 1933 von den Nazis aufgelöst wurde und die dem Staat so vorzügliche Dienste geleistet hat, wieder eingerichtet würde. ({4}) ({5}) Ein Wort zu den Angestellten. Es ist merkwürdig, daß der Tit. 104 heißt: „Dienstbezüge der nichtbeamteten Kräfte". Vor ein paar Jahren hieß es noch: „Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte". Unter den Kräften, die diese Hilfsleistungen erbrachten, waren zum Teil ganz hervorragende leitende Angestellte, die nur zufällig nicht Beamte geworden sind. Es ist, wie man bei der Durchsicht der Stellenpläne sieht, wenn man die Aufgaben der Ministerien und der einzelnen Dienststellen kritisch betrachtet, ganz klar, daß viele Verbeamtungen nur zufällig vorgenommen worden sind und daß viele nur aus historischen Gründen dauernd Angestellte geblieben sind. Die Bundesregierung und der Bundestag sollten sich bemühen, das Problem gerecht zu lösen, sich insbesondere auch der Dauerangestellten in der öffentlichen Verwaltung anzunehmen und sich auch um die verstärkte Unterbringung der älteren Angestellten in der öffentlichen Verwaltung zu bemühen. ({6}) Es ist ein unerträglicher Zustand, daß soundso viele Angestellte - die Beamten sind ja 131er -, hochqualifizierte Angestellte des öffentlichen Dienstes, die etwa aus den Ostgebieten vertrieben sind, nur deswegen nicht wiedereingestellt werden können, weil sie schon 50 Jahre alt sind. Glauben Sie, daß ein deutsches Land bereit wäre, einen hochqualifizierten Gelehrten, der früher einmal in Berlin oder sonstwo an einer ostdeutschen Universität außerplanmäßiger, also nichtbeamteter Professor gewesen ist, trotz großer wissenschaftlicher Qualifikationen auf einen ordentlichen Lehrstuhl zu bringen, d. h. ihn zum Beamten zu machen, wenn er 55 Jahre alt ist? Das, meine Damen und Herren, sind Zustände, die der Deutsche Bundestag überprüfen muß. Nun ein Wort zu den Sachausgaben, die, wie gesagt, nur rund 433 Millionen DM gleich 1,7 % des ordentlichen Haushalts ausmachen. Man sollte, dem Charakter einer modernen Verwaltung entsprechend, aus den Sachausgaben Betriebsausgaben machen. ({7}) Meine Damen und Herren, ich will, obwohl die meisten von Ihnen nicht zuhören und ich daran, mich zu konzentrieren, sehr dadurch gehindert werde, daß am Präsidentenstuhl fortgesetzt Gespräche geführt werden, in meinen Ausführungen fortfahren, weil ich es für richtig halte, daß die Dinge, die ich zu sagen habe, einmal im Deutschen Bundestag ausgesprochen werden; denn ein Etat von 27 Milliarden DM, den wir heute zu verabschieden haben, ist ja schließlich kein Pappenstiel. ({8}) Zudem haben einige von Ihnen eben doch die Freundlichkeit, sehr aufmerksam zuzuhören. Ich sagte also, daß man aus den Sachausgaben, dem Charakter der modernen Verwaltung entsprechend, Betriebsausgaben machen sollte. So klein auch der Betrag von 433 Millionen DM erscheinen mag, wenn wir ihn im Verhältnis zum Ganzen betrachten, so groß sind doch die Möglichkeiten zur Einsparung. Natürlich wären das keine großen Summen, aber wenn es uns gelänge, bei den Sachausgaben 10 %, also 43 Millionen DM einzusparen, was würde das für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, was würde es für die Bekämpfung der Kinderlähmung bedeuten! Könnten wir dann nicht die 150 000 DM zahlen, die für ein Hirnverletztenkrankenhaus in Tübingen gefordert werden, und könnte man nicht manches tun, was eben nur einige Zehntausende Mark kostet und wofür heute kein Geld vorhanden ist? Die Sachausgaben - das sind die 200er Titel, die 10 bis 20 Titel -, die eine erhebliche Verwaltungsmühe verursachen, sind nicht klar abgegrenzt und geben Mißbräuchen Raum. Wenn ich mir nun überlege, wie man dem im Rahmen des gegenwärtigen Haushaltssystems abhelfen kann, so glaube ich, daß die Übertragbarkeit der Sachausgaben auf das nächste Jahr größere Nachteile mit sich brächte als ihre jetzige Jährlichkeit. Auch die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Sachausgabentitel scheint mir problematisch. Man müßte aber vereinfachen. Ich glaube deshalb, man sollte die Sachausgaben in drei Titel gliedern, erstens in sächliche Geschäftsunkosten, zweitens in persönliche Unkosten und drittens in Gebäudeunkosten. Allein die Reduktion der Titel der Sachausgaben auf drei Gruppen würde eine Buchungsvereinfachung und damit eine Verwaltungsvereinfachung bedeuten. Sie würde fernerhin - und das ist das Entscheidende - eine Qualifizierung der Verwaltung herbeiführen. Sie gibt den Behördenchefs etwas mehr Möglichkeit zur Disposition. Das scheint mir aus langer persönlicher Erfahrung entscheidend zu sein. Die Behördenchefs - nicht nur die der großen Behörden, sondern auch der kleinen und mittleren - sollen selbständiger werden. Sie sollen unter stärkerer Eigenverantwortung arbeiten, also weniger Mitzeichnung, weniger vorherige Befragung, weniger Vor-die-Notwendigkeit-gestellt-sein, dauernd Instruktionen einzuholen, aber stärkere nachherige Kontrolle. Jeder Behördenchef, der einen Kopf mit Verstand hat, würde eine solche Regelung, die ihm mehr Freiheiten gibt, sehr begrüßen; denn wenn er ordentlich ist, braucht er die Kontrolle nicht zu fürchten. Die Kontrolle aber ist notwendig, und jeder Behördenchef, der ein selbständiger Kopf ist, wird diese Regelung mit Freuden begrüßen. Bei den Beratungen im Haushaltsausschuß sind allerdings auch Chefs von Behörden aufgetreten, die mehr Selbständigkeit und mehr Kontrolle dankend ablehnen würden und die sich bei dem gegenwärtigen, eingefahrenen Zustand wohler fühlen. Ich möchte an dieser Stelle noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen als Erfahrungen aus den Beratungen im Haushaltsausschuß anfügen. Wir haben im Haushaltsausschuß besonders die Titel beachtet, die gegenüber dem Vorjahre verändert worden sind. Wir sollten uns in Zukunft mehr der Titel annehmen, die nicht verändert und seit Jahren nicht verändert worden sind; denn was sich Jahre hindurch nicht verändert, läuft Gefahr, steril zu werden. Der Wirtschaftlichkeit in der öffentlichen Finanzwirtschaft ist äußerste Beachtung beizumessen. Das geschieht heute nicht. Haben wir einen Wirtschaftshaushalt, der Wirtschaftsdenken erfordert, dann müssen wir auch fortgesetzt wirtschaftliche Überlegungen in den Behörden und Institutionen anstellen. Was macht übrigens der Bundesbevollmächtigte für die Rationalisierung der Verwaltung? ({9}) Gibt's den eigentlich noch, und was tut er? Darüber möchte man doch einmal etwas hören! ({10}) ({11}) Noch eins! Wer mit seiner Institution im Haushaltsplan drin steht, der steht drin. Eine Reichsstelle, irgendwann einmal, vielleicht während des Krieges vom Dritten Reich gegründet, die 1948/49 noch nicht ganz abgewickelt war, die hat wieder aufgewickelt und steht wieder drin und bleibt auch darin stehen, wenn wir nicht aufpassen. ({12}) Was ich auf diese Bemerkung hin nun wieder an Besuchen und an Briefen kriegen werde, bleibt abzuwarten. Denn auf einige Bemerkungen im Haushaltsausschuß hin hagelte es bereits Briefe, Fernschreiben, Telegramme, Besuche! ({13}) Es ist ja so weit gekommen - die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß wissen das - : wenn man sich beispielsweise, weil man musikalisch nicht gebildet genug ist, eine kritische Bemerkung über Beihilfen für Richard-Wagner-Festspiele erlaubt - nur eine leicht kritische Bemerkung -, dann wird es einem ein paar Stunden später über den Bayerischen Rundfunk angekreidet, und dann kriegt man Briefe, sehr böse Briefe! Und wenn man irgendeinem wissenschaftlichen Institut gegenüber eine kritische Äußerung getan hat - weil man es sehr genau kennt -, dann gibt es Briefe und Besuche, und dann wird an die Kollegialität appelliert und so! ({14}) Ich möchte von vornherein allen sagen: da gibt es gar keine Kollegialität, und da gibt es keine Nachsicht, von welcher Gruppe, Fakultät, Weltanschauung und Partei die Leute auch sein mögen! ({15}) Wir vom Haushaltsausschuß haben die Pflicht und diese Pflicht wollen wir wahrnehmen -, uns dieser Dinge in aller Sachlichkeit anzunehmen. ({16}) - Aber, Herr Arndgen, haben Sie nicht ganz deutlich gemerkt, daß ich nach allen Seiten des Hauses geredet habe? Dieses Hinweises hätte es wirklich nicht mehr bedurft. Im übrigen wissen Sie doch ganz genau, wie nett und sachlich, ich möchte fast sagen, wie freundschaftlich wir uns im Haushaltsausschuß gemeinsam um die Lösung der Aufgaben bemühen. Es gibt natürlich gewisse Dinge, die man als Sprecher der Opposition leichter sagen kann, als sie die Sprecher der Koalition sagen können, ({17}) die manchmal doch - ich will aber damit nichts Böses sagen - in der Furcht des Herrn stehen. ({18}) Sie haben es ja auch erlebt, daß wir einen Beschluß gefaßt hatten, der dem Herrn Bundesfinanzminister nicht paßte, und daß er - sein Nachrichtendienst funktioniert ausgezeichnet - zehn Minuten später mit einem Stab wohlinformierter Beamter da war, worauf die Sache nochmals erörtert wurde, obwohl es eine zweite Lesung an sich nicht gab. ({19}) Ich will nun keinem der Kollegen zu nahe treten; einige blieben ja auch dann noch tapfer bei ihrem ersten Wort. ({20}) Nun muß ich mich allerdings der Politik des Herrn Bundesfinanzministers zuwenden. Dabei muß ich einiges sagen, was ihm vielleicht nicht so sehr gut gefällt; es muß aber gesagt werden. Der Haushalt 1954 wurde vom Bundesfinanzminister mal wieder als ein Haushalt der Sparsamkeit, und zwar der unbedingten und strengsten Sparsamkeit bezeichnet. Er weiß selbst, daß das eine Übertreibung ist. Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses sind uns, nicht nur Vertretern der Opposition, erhebliche Zweifel gekommen. Ich glaube, daß wir bei der Durchforschung des Haushalts, die wir nach der Verabschiedung in diesem Sommer vornehmen werden, manchen interessanten Anhaltspunkt für die Einwirkung auf den Bundeshaushaltsplan 1955 bekommen werden. Weiterhin wird behauptet - jetzt wird es ernster -, entscheidend sei, daß der Haushalt ausgeglichen sei, daß er echt und nicht nur scheinbar ausgeglichen sei. Als ich bei der ersten Beratung des Haushaltsplans 1953, Ende Januar 1953, hier auf gewisse unechte und nur scheinbare Deckungsmanöver hinwies, wurde mir das auf der Regierungsbank übel angekreidet. Der Finanzminister hat mit der ihm eigenen freundlichen Überzeugungskraft auf das Haus gesagt, daß alles in bester Ordnung sei. Aber als er den Haushalt 1954 einbrachte, hat er gesagt, jetzt sei der Etat echt ausgeglichen und nicht nur scheinbar. Er hat ausgeführt: Der Haushaltsausgleich 1953 war keineswegs ein echter und fundierter, sondern der Haushaltsausgleich ist 1953 nur mit Hilfe einer gewissen Kreditaktion herbeigeführt worden. Sehen Sie einmal, wie nett man so etwas ausdrücken kann: „nur mit Hilfe einer gewissen Kreditaktion". Ich bin auch so freundlich, es nicht unfreundlicher auszudrücken, als es da geschehen ist. Wie sieht nun der Haushaltsplan 1954 aus? Der Fehlbetrag von 1951 ist wiederum nicht in den Haushaltsplan eingestellt worden. Der § 75 der Reichshaushaltsordnung schreibt das zwingend vor. Aber das Parlament folgt in seiner Mehrheit unbedenklich dem Bundesfinanzminister auch dieses Mal wieder und setzt den § 75 der Reichshaushaltsordnung durch Haushaltsgesetz außer Kraft. Die Leistungen an die Sozialversicherungsträger sollen auch in diesem Jahre nicht in bar, sondern in Schuldverschreibungen, diesmal in Höhe von 512 Millionen DM - im vorigen Jahre waren es 740 Millionen DM -, geleistet werden. Das scheint mir wieder so eine „gewisse Kreditaktion" zu sein, welche einen echten Haushaltsausgleich nicht ermöglicht. Die bedenklichste Deckungsmaßnahme im Haushalt 1954 dürfte aber die vierprozentige Kürzung aller Ausgabensätze sein. Sie beträgt bei allen Einzelplänen zusammen 1 007,6 Millionen DM, also über eine Milliarde. Was das allein für eine Arbeit, eine Sisyphusarbeit, gewesen ist, in jedem Kapitel die Kürzung auszurechnen und aufzuschreiben! Was das allein für Mehrdruckkosten verursacht hat, das in jedem Kapitelchen zu drucken, obgleich man von vornherein wußte, daß die Kürzung bei den allermeisten Ausgabetiteln gar nicht vorgenommen werden konnte! ({21}) Nun hat der Herr Bundesfinanzminister listigerweise in den Einzelplan 60 einen Gegenposten von 680,6 Millionen DM eingesetzt. Er strebt also im Ernst gar nicht eine Kürzung von 1 007,6 Millionen DM, sondern nur eine solche von 327 Millionen DM an, wenn man das Ding bei Licht besieht. Denkt ({22}) denn eigentlich einer der Beteiligten im Ernst daran, Herr Bundesfinanzminister, daß Sie die 327 Millionen DM wirklich einsparen könnten, daß die 327 Millionen DM auch nur zum größten Teil eingespart werden könnten? Nein! Diese vierprozentige Kürzung ist ein ganz simpler Trick. Sie ist in Wirklichkeit keine Sparmaßnahme, sondern eine Deckungsmaßnahme, die dem Bundesfinanzminister zum Schluß eingefallen ist, als er des Raufens mit den Ressorts müde war. So stelle ich mir das vor. ({23}) - Bitte? ({24}) - Verehrte Frau Kollegin Weber, ich kann mir vorstellen, wie es bei diesen Ressortbesprechungen zugeht und wie sie da miteinander raufen. Schließlich hat er resigniert, und da ist vielleicht einem seiner gescheuten Helfer eingefallen, man könnte es ja mal mit der vierprozentigen Kürzung versuchen, dann käme man so hin. Dann sah man, daß das so nicht ging, und dann stellte man den Gegenposten von 680 Millionen DM ein, nur um zunächst einmal den Haushaltsplan - scheinbar und nicht echt - auszugleichen. Dieser Trick stellt also eine höchst fragwürdige formale Deckungsmaßnahme dar. Die vierprozentige Kürzung bedeutet nichts anderes, als daß das Raufen der Ressorts untereinander, das sonst bis zur Verabschiedung des Haushaltsplans im Kabinett geführt wird, wobei dann noch ein bißchen im Haushaltsausschuß weitergeplänkelt wird, nunmehr das ganze Jahr andauert. Ich beneide Sie um diese Geschichte nicht. Wieviel Zeit wird damit verlorengehen, was für Eingaben werden gemacht werden, was für ein Kampf unter den einzelnen Ressorts wird da geführt werden! Übrigens habe ich neulich von einem sehr gescheuten Mann - aber nicht des Finanzministeriums, sondern eines ganz anderen Ministeriums - erfahren, was eigentlich eine Ressortbesprechung ist. Eine Ressortbesprechung, sagte er, sei nach Auffassung der Beamtenschaft der mühselige Versuch der anderen Ressorts, unter den Ressorts des Wirtschaftsministeriums eine einheitliche Auffassung zu erzielen. ({25}) - Ach, Herr Sabel, das braucht man ja nicht zweimal zu sagen. ({26}) - Sie haben es nicht verstanden? Dann will ich es Ihnen noch mal sagen. ({27}) Also: Eine Ressortbesprechung sei der mühselige Versuch der anderen Ressorts, unter den Ressorts des Wirtschaftsministeriums eine einheitliche Auffassung zu erzielen. ({28}) Ich komme zurück zu den Manipulationen im Haushalt. Ich bin der Meinung - und das ist nicht nur eine private Meinung, es ist eigentlich eine allgemeine finanzpolitische Meinung -, daß man nicht jahrelang Fehlbeträge vor sich herschieben und dann so tun kann, als ob der Haushalt echt ausgeglichen sei, daß man sich nicht hier hinstellen und das verkünden kann, ohne rot zu werden. Nun habe ich mir sagen lassen, daß aufwärts vom Ministerialrat an die Ministerialen nicht mehr rot werden. ({29}) Herr Kollege Schäffer wird es ja sicher nicht, wie wir ihn kennen. Aber es ist doch so: wenn die Ausgaben wirklich unvermeidbar sind, dann muß eben die Deckung durch erhöhte Einnahmen oder durch sinnvolle Einsparungen an den Ausgaben erreicht werden. Nun sei zugegeben, im gegenwärtigen System ist das tatsächlich schwierig. Die Reichshaushaltsordnung und die Wirtschaftsbestimmungen, dieses ganze fiskalistische System zwingen vielleicht zur Anwendung fiskalistischer Mittelchen. Aber muß das auf die Dauer wirklich so sein? Wollen wir bei der stetigen Ausweitung ides Sozialprodukts und bei der stetigen Ausweitung des öffentlichen Haushalts uns nicht endlich einmal um eine zeitgerechte Lösung unserer Haushaltsprobleme bemühen? Es gibt eine ganze Reihe von Reformvorschlägen zur Neugestaltung des Haushaltswesens. Nun kann man sicher nicht leichtfertig zu einem ganz neuen System der Budgetgestaltung übergehen. Man sollte es aber schrittweise versuchen. Übrigens, da ich eben gerade Herrn Bundesinnenminister Dr. Schröder sehe, fällt mir, wenn ich „schrittweise" sage, ein, daß sein früherer thüringischer Kollege Exzellenz von Goethe, der ja in weiteren Kreisen bekanntgeworden ist - er hat auch Gedichte gemacht ({30}) und der ein ganz ausgezeichneter Verwaltungsfachmann war, immer der Meinung war, daß man bei Verwaltungsreformen schrittweise vorwärtsgehen sollte; man solle also nicht frontal eine gesamte Verwaltungsreform durchführen wollen, sondern die Sache zunächst einmal auf einzelnen Gebieten probieren. Der Herr Bundesfinanzminister sollte - ich habe ihm das kürzlich schon persönlich gesagt - sich einmal mit den besten Sachkennern auf diesem Gebiet, die sich literarisch ausgewiesen haben, mit einigen nachdenklichen Abgeordneten verschiedener Parteien aus dem Haushaltsausschuß und mit einigen seiner hochqualifizierten Beamten zusammensetzen, um nach einer sinnvolleren Gestaltung ides gesamten Haushaltsplans zu suchen. Denn es ist kein Zweifel, eine vernünftige Zuständigkeitsregelung im Haushalt zieht automatisch eine Verwaltungsreform nach sich. Der Bundeshaushalt sollte sowohl in seiner Form wie in seiner Finanzgebarung vorbildlich für die Länder- und die Gemeindehaushalte sein. Im Bundeshaushalt hat diese Reform zu beginnen, die Finanzwirtschaft der Gebietskörperschaften wird dann nachfolgen. Aber der Bundeshaushalt ist keineswegs vorbildlich, gerade auch nicht in seinem Verhältnis zu den Ländern, wie diese zumeist nicht vorbildlich sind in ihrem Verhältnis zu den Gemeinden und Gemeindeverbänden. ({31}) Aber nur, wenn wir uns angewöhnen, alle das an. gewöhnen, endlich die Finanzwirtschaft von der Gemeinde bis zum Bund einschließlich aller Körperschaften des öffentlichen Rechts und sonstiger Institutionen, auf die öffentliche Aufgaben übertragen sind, als eine Einheit zu sehen, ist eine Gesundung unserer Finanzwirtschaft, ja, ich möchte ({32}) sagen, eine Gesundung unseres gesamten Staatslebens möglich. Nur dann auch wird unsere Demokratie, werden unsere Staatsmänner und werden unsere Volksvertreter im Volke glaubwürdig erscheinen. Was soll man aber nun davon halten, daß der Bundeshaushalt die Gewährung von Heimkehrerhilfe, zu der der Bund gesetzlich verpflichtet ist, oder die Gewährung von bescheidenen Mitteln für die Zonenrandgebiete, die zu leisten der Bund rechtlich und moralisch verpflichtet ist, von so unfeinen Klauseln abhängig macht wie der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 42 %. ({33}) Warum reden wir eigentlich im Bundestag nicht über den Tit. St 9 im Einzelplan 60, der doch immerhin die nicht unbeträchtliche Summe von 5040 Millionen gleich 20,1 % des gesamten ordentlichen Haushalts gleich 42 % Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer beträgt? Die Mehrheit des Hauses hat am vergangenen Freitag den Einzelplan 60 mit diesen 5040 Millionen DM gutgeheißen, also mit den 42 %, obgleich doch keiner von Ihnen daran glaubt, daß die 42 % erreicht werden, daß also der Bundesrat zustimmt, sondern jeder von Ihnen weiß, daß das unwürdige Geraufe alsbald nach der Verabschiedung des Haushalts in der dritten Lesung im Vermittlungsausschuß fortgesetzt wird. Ich möchte auch an dieser Stelle - wir werden ja am 20. Mai bei der ersten Beratung der sogenannten großen Finanz- und Steuerreform darüber mehr zu sagen haben - vor den Verhandlungen im Vermittlungsausschuß sagen, daß das Verhältnis Bund-Länder unerträglich zu werden beginnt. ({34}) Die Länderfinanzminister durchforschen mit ihrem ganzen Fachwissen und mit ihren durchaus nicht gerinnen Erfahrungen und den Erfahrungen einer ebenfalls qualifizierten Beamtenschaft - sie kennen ja bekanntlich keine Parteien mehr, sie kennen nur noch Länder! ({35}) den gesamten Bundeshaushalt und sparen nicht mit den einschneidendsten Vorschlägen, ohne sich aber selber einer gleichen kritischen Durchleuchtung zu unterziehen. ({36}) Das Grundgesetz gibt dazu keine Möglichkeit. Aber Sie haben doch die schöne große Mehrheit hier! Machen Sie doch einmal eine anständige Finanzverfassung! ({37}) Darüber am 20. Mai mehr. Ich bin wirklich der festen Überzeugung, daß man der weiteren finanzpolitischen Entwicklung nur mit der größten Besorgnis entgegensehen kann. Wenn die Länder so fortfahren, wird der Föderalismus in Deutschland bald zum Teufel gehen. ({38}) Unsere gesamte Staatlichkeit, davon bin ich überzeugt, kann von der Finanzpolitik her erschüttert werden. Dieser Föderalismus, den wir haben, ist wahrhaftig nicht fleckenlos. Ich bin der Meinung: der Flecken wird immer bösartiger! ({39}) - Wie heißt es doch bei Morgenstern: Korf erfindet eine Art von Witzen, die erst viele Stunden später wirken. Jeder hört sie an mit langer Weile. Doch als hätt ein Zunder still geglommen, wird man nachts im Bette plötzlich munter, selig lächelnd wie ein satter Säugling. Passen Sie mal auf, bei wem von Ihnen in der kommenden Nacht die Wirkung auch schon eintreten wird! ({40}) Der Bundesfinanzminister ist an dieser Entwicklung nicht schuldlos. Der Bundesfinanzminister zieht keine Konsequenzen. Der Bundesfinanzminister hat uns drei Finanzreformgesetze vorgelegt, die dieser bedrohlichen Entwicklung nicht Rechnung tragen. Der Bundesfinanzminister, zu dem ich jetzt selber etwas sagen muß, der sich so vieler, gelinde ausgedrückt, unerfreulicher Mittelchen bedient, wird persönlich immer unglaubwürdiger, und das ist schade. Denn angesichts der Schwere des Amtes, das er hat, wünschen auch wir von der Opposition einen Finanzminister, den wir auch bei sachlichen Meinungsverschiedenheiten immer ernst nehmen wollen. ({41}) Der Bundesfinanzminister aber sagt, ohne rot zu werden, der Haushalt sei echt ausgeglichen. Er sagt, es sei ein Haushalt der Sparsamkeit. Schäffer ist entweder ein kühner Optimist, oder er ist ein düsterer Pessimist. Er färbt entweder extrem schön - wir haben das ja alle erlebt -, oder er färbt extrem schaurig - schwarz oder weiß. Man vermißt bei ihm die ruhige Überlegenheit, die Sicherheit, ({42}) die Solidität, die einen Finanzminister auszeichnen muß. Unser Bundesfinanzminister denkt nicht volkswirtschaftlich, sondern fiskalisch. ({43}) Er ist kein Mann großangelegter Planung, sondern er ist ein Interventionist. Seine wundeste Stelle hefte sind die Kassenbestände. Diese Kassenbestände sind wesentlich höher als die ausgewiesenen Einlagen; diese enthalten nicht die in den öffentlichen Kassen befindlichen Bargeldbestände, sie enthalten nicht die Geldmittel, die Wertpapiere, sie enthalten nicht die kurzfristig gewährten Darlehen, sie enthalten nicht die bei den privaten Einlagen mit erfaßten Einlagen der Unternehmungen des öffentlichen Rechts mit mindestens 50 % Beteiligung. ({44}) Meine Damen und Herren, ich möchte es einmal aussprechen, daß die enormen Kassenbestände bei der gesamten öffentlichen Hand in der Bundesrepublik allmählich zu einer öffentlichen Gefahr werden. ({45}) Der Bundesfinanzminister aber lebt ganz im „Geldim-Juliusturm-Komplex", und nur die ungeheure Routine, die ihm eigen ist, seine nette - wir ({46}) schätzen das ja alle -, seine temperamentvolle, ansprechende, oft humorige, manchmal lyrische Art vermögen zu verdecken, daß er in Wirklichkeit volkswirtschaftlichen Denkens nicht fähig ist. Das sehen Sie auch in der gesamten Steuerpolitik, sowohl in bezug auf die direkten Steuern als auch in bezug auf die indirekten Steuern, insbesondere die Verbrauchsteuern. Er hat wahrhaftig ein schweres Amt, und ich will es einmal an dieser Stelle sagen: Ich habe mir mehrere Jahre lang große Mühe gegeben, in der Opposition Verständnis für die Schwere seines Amtes zu erzielen. Aber bei aller persönlichen Hochschätzung muß ich ihm das doch sagen - und es muß nun auch einmal hier gesagt werden -, daß es mit diesem fiskalischen Denken nicht weitergeht. ({47}) Und wenn er dann nicht mehr weiterkommt und er mit Ihnen die größten Schwierigkeiten hat, weil ja auch Sie nicht alle ohne volkswirtschaftliche Einsicht sind, ({48}) dann droht er mit seinem Rücktritt. Wie oft hat er schon mit seinem Rücktritt gedroht! Ich habe mich wahrhaftig gewundert, daß der Herr Bundeskanzler nicht gelegentlich einmal plötzlich gesagt hat: Jehn Se! ({49}) Nun noch ein Wort zum Rechnungsprüfungswesen. Die Beschleunigung der Rechnungsprüfung ist nötig, da nur die möglichst schnelle Heranziehung der Ist-Ausgaben auf die Gestaltung der Soll-Ausgaben im Haushaltsjahr einen sinnvollen Einfluß ausüben kann. Ich möchte den schnelleren Rechnungsabschluß des Jahres 1953/54 anerkennen. Aber ich kann nicht unerwähnt lassen, welche Gefahren dem Rechnungsprüfungswesen jetzt drohen, und zwar in den Ländern, und welche Bedeutung das Rechnungsprüfungswesen hat. In mehreren Ländern zeigen sich deutliche Tendenzen bei den Regierungen, die Rechnungshöfe mehr und mehr unter ihre Kontrolle, ({50}) das heißt also, ganz formal unter die Dienstaufsicht des Innenministers zu bringen. Es besteht eine akute Gefahr in der Bundesrepublik für die echte Unabhängigkeit der Rechnungshöfe. Auf Einzelheiten, auf Bayern, auf Nordrhein-Westfalen, auf Hamburg will ich nicht eingehen; ich will nur feierlich an Sie appellieren, daß der gesamte Bundestag ohne Rücksicht auf parteiliche Einstellung sich als Sachwalter der echten Unabhängigkeit der Rechnungsprüfung fühlen sollte, ({51}) da von ihr die gesamte Kontrolle der öffentlichen Verwaltung abhängt. In der Demokratie hat der Rechnungshof die Stellung einer obersten, der Regierung gegenüber selbständigen Bundes- oder Landesbehörde, nach § 118 der Reichshaushaltsordnung und § 1 des Bundesrechnungshofgesetzes oder den entsprechenden Landesrechnungsgesetzen. Eine Dienstaufsicht durch die Regierung besteht nicht, wohl aber eine gewisse Prüfung durch das Parlament. Der Rechnungshof ist ein funktionelles Organ der Legislative, nicht ein Glied der Exekutive. ({52}) Der Rechnungshof ist der einzige bürokratische Apparat, der geeignet ist, den Praktiken der Exekutive auf die Schliche zu kommen, ({53}) und wie wir gesehen haben, scheut der Rechnungshof auch nicht, das zu tun. Der Rechnungshof hat eine Tradition und eine hochqualifizierte Beamtenschaft. Man denke nur an die Wirksamkeit der preußischen Oberrechnungskammer und des späteren Rechnungshofs des Deutschen Reichs. Diese Tradition lebt auch im Bundesrechnungshof, und sie lebt auch in den Landesrechnungskammern weiter. Aber die Regierungen sind dabei, diese Bedeutung und das Gewicht der Landesrechnungshöfe zu mindern. ({54}) - Nein, bisher noch nicht; aber wir sehen die Tendenzen in den Ländern. Der Bundestag ist berufen - hier kommt es jetzt gar nicht auf die Zuständigkeit im Grundgesetz an -, die Institution der Rechnungshöfe zu hüten und zu bewahren ({55}) und sie vor allen Angriffen zu schützen, welche die Exekutive auf sie vornehmen will. Ich will nicht deutlicher werden; ich will nicht ausführen, was sich beispielsweise in Bayern ereignet hat. Nun hatte ich zu Beginn zugesagt, noch einmal auf die „Manövriermasse" zurückzukommen. Die sechs Ministerien, die die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei streichen möchte, bringen ja nur 11 Millionen, wobei ich die Kosten, die diese Ministerien den anderen Ministerien verursachen, nicht mit veranschlage. ({56}) Eine Bundesfinanzverwaltung, die mit der demnächst zu beratenden Finanzreform einzuführen wäre, könnte an Einsparung und Mehraufkommen ja diese berühmte - Herr Kollege Schäffer sagt: sagenhafte - Milliarde erbringen, und ernsthaft geführte Verhandlungen über Einsparungen im Besatzungskostenhaushalt könnten größere Summen für die deutsche Volkswirtschaft, für die soziale Sicherheit und für die wissenschaftliche Forschung, die die Mutter aller Erkenntnis und allen Fortschritts ist, frei machen. ({57}) Darauf werden wir später zurückkommen. Ich muß jetzt noch einige Dinge berühren, die von unserm Standpunkt aus grundsätzlich zum Etat gesagt werden müssen. Die Verabschiedung des Haushalts ist ja ein Ereignis, bei dem auch von einer der allerdringlichsten und wichtigsten Aufgaben des Bundes gesprochen werden muß, nämlich von der Wiedergutmachung. ({58}) Dem vom ersten Bundestag im letzten Augenblick unter absoluter Zeitnot erlassenen Bundesentschädigungsgesetz haben wir Sozialdemokraten nur mit dem ausdrücklichen Vorbehalt zugestimmt, daß dieser zweite Bundestag sofort das völlig unzureichende Gesetz von Grund auf verbessert. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang auch, daß damals der Kollege Gerstenmaier eine ähnliche Erklärung abgegeben hat. Um so mehr bedauern wir, daß dieser Haushaltsplan keinerlei Ansatz für die notwendige Verbesserung und vor allem Beschleunigung der Wiedergutmachung enthält. ({59}) ({60}) Der derzeitige Stand der Wiedergutmachung in Deutschland ist durchaus unbefriedigend. ({61}) Daß unsererseits zum Haushaltsplan jetzt keine Anträge gestellt worden sind, erklärt sich daraus, daß diese Anträge zum Haushaltsplan ja doch nicht angenommen worden wären ({62}) - haben Sie es gehört, Herr Tillmanns; ja, ich habe es gesagt, ich kann noch mehr dazu sagen - und daß wir selbst an einer durchgreifenden Reform der Wiedergutmachung arbeiten und demnächst auf diesem Gebiet initiativ werden wollen. Die Bundesregierung war ja durch das Israel-Abkommen, aber auch durch die Bestimmungen im Generalvertrag verpflichtet, das amerikanische Gesetz als Minimum zur Grundlage zu nehmen und die Personenkreise zu berücksichtigen, die auf Grund der Gesetze der US-Zone und des IsraelAbkommens Ansprüche haben. Ein weiteres Wort zum Bundesvertriebenenminister! Zum Einzelplan 26 war von den Sprechern meiner Fraktion in Aussicht genommen, die Arbeit des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte einer weiteren kritischen Betrachtung zu unterziehen. Die eigenen Ausführungen des Herrn Ministers in der zweiten Lesung zu den damaligen Darlegungen meiner Freunde und die tatsächliche Situation hinsichtlich der zur Lösung anstehenden Probleme veranlassen uns, von dieser Erörterung heute abzusehen. Die Verantwortung den betroffenen Menschen gegenüber ist so groß, daß wir es für notwendig halten, diese Fragen in einer kommenden Bundestagssitzung zur Beratung zu stellen. Noch ein letztes Kapitel von grundsätzlicher Bedeutung möchte ich ansprechen; das ist die Lage der Wissenschaft in Deutschland. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns eine Zusammenstellung vorgelegt, nach der insgesamt in den Einzelplänen des Bundeshaushalts für 1954 fast '72 Millionen DM für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung ausgegegeben werden sollen. Allerdings sind unter „wissenschaftlicher Forschung" Dinge aufgeführt worden - Verpackungswesen und was weiß ich alles -, die wir nicht als wissenschaftliche Forschung anerkennen können. Was wird im Bundesetat für Geisteswissenschaften einschließlich der gesamten Sozialwissenschaften ausgegeben? Das sind keine 10 Millionen DM! ({63}) Aber dieser selbe Bundeshaushalt gibt über 30 Millionen DM für sogenanntes Informationswesen und für Propaganda aus. ({64}) Die Koalitionsparteien haben ja neulich einem Antrag zugestimmt, der nicht von der Bundesregierung, sondern von der stärksten Regierungspartei am letzten Tage der Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuß gestellt wurde, den Verfügungsfonds des Bundeskanzlers für Informationszwecke von 5,5 Millionen DM - im vorigen Jahre betrug er 4,5 Millionen DM - auf 10 Millionen DM zu erhöhen. Ich habe an dieser Stelle neulich schon einige Bemerkungen dazu gemacht. Man muß sich vorstellen, was es bedeutet, wenn angesichts der katastrophalen Lage der Wissenschaft in Deutschland - und ich habe eine Vorstellung davon, was da mit wenigen hunderttausend Mark geschehen könnte - hier das Geld bedenkenlos für Propaganda ausgegeben wird, angeblich damit man im Mittelwesten Amerikas eine bessere Meinung von Deutschland bekommt. ({65}) Die Zahlen - weniger als 10 Millionen für die gesamten Geisteswissenschaften und über 30 Millionen für Propaganda - geben eine anschauliche Relation im Zusammenhang mit dem Problem der Existenzfrage und der Weltgeltung der deutschen Wissenschaft. Bei diesen 72 Millionen steht ja die Förderung der Naturwissenschaften, der Zweckforschung, im Vordergrund. Die Weltgeltung der deutschen Wissenschaft vor Jahrzehnten hat auf dem Ansehen der Geisteswissenschaften beruht. Die Geisteswissenschaften - sie sind die Mutter aller Wissenschaften, - haben das deutsche Ansehen in der Welt begründet. ({66}) Nachdem dann die Machtstaaten des 19. Jahrhunderts begriffen hatten, daß man mit Zweckforschung die Macht des Staates erhöhen kann, da hat man die Naturwissenschaften gefördert, gefördert und gefördert. Und was für Gelder werden dafür ausgegeben, um Atombomben und Wasserstoffbomben zu entwickeln, die vielleicht den Untergang dieses gesamten Erdballes mit sich bringen werden! ({67}) Ich habe mir früher nichts Rechtes unter der biblischen Prophezeiung vom Weltuntergang vorstellen können. Jetzt fange ich an, die Dinge zu begreifen. Und wir tun nichts, um die Geisteswissenschaften zu fördern. Wir tun nichts, um - ({68}) - Nein, wir tun nichts, verehrter Herr Kollege Tillmanns! Nun ja, wir tun etwas, aber viel zuwenig. Wir tun viel zuwenig, um die Sozialforschung zu fördern. Wir wissen doch ganz einfach zuwenig Tatsachen, um die Dinge beurteilen zu können, die wir gesetzgeberisch etwa in der Sozialreform regeln wollen. ({69}) Was sagen schon diese paar Millionen angesichts der gesamten Finanzmasse? ! Die Forschung ist teurer geworden und die Forschung ist differenzierter geworden. Es geht einfach nicht mehr an, daß die Forschung bei der Vergebung öffentlicher Mittel so stiefmütterlich behandelt wird. Die Forschung muß koordiniert werden, und es darf nicht so viel an Einzelpöstchen verkleckert werden. Die Forschung und die Pflege der Wissenschaften können nicht Ländersache sein. Wir müssen daran denken - das sei an dieser Stelle in dieser Stunde gesagt -, einmal das Grundgesetz zu ändern. Wir müssen auch - ich spreche es ruhig aus - ein Bundeskultusministerium haben. ({70}) Es geht nicht an, daß weiterhin die Fragen der wissenschaftlichen Forschung, der Erziehung und Volksbildung von der mehr oder minder großen oder geringen Einsicht der Länderfinanzminister und von der mehr oder minder zulänglichen Finanzkraft der einzelnen Länder abhängen. ({71}) Meine Damen und Herren, ich habe Sie vielleicht etwas zu lange aufgehalten. Ich werde jetzt dem ({72}) Schluß zueilen. Wir verabschieden heute einen 27-Milliarden-Etat. Der Bundestag hat sich nicht so sehr dafür interessiert. Ein gar nicht unprominenter Kollege des Bundestages hat mich am vorigen Donnerstagabend gefragt: Wie lange dauert denn die Haushaltsberatung am Freitag? Wie lange kann ich wegbleiben? Von wann ab etwa wird es wieder interessant? ({73}) - Wer das war, ist ganz gleichgültig. Ich kann Ihnen sagen, wenn ich eben sagte: der Kollege, - der Kollege sitzt überall von links bis rechts. ({74}) Wollen Sie mir bitte glauben, daß das, was ich gesagt habe, ich möchte fast sagen: alles, was ich heute gesagt habe, gar kein Anliegen der Opposition ist. Das ist ein Anliegen des Parlaments, ({75}) und es sollte unser aller Anliegen sein. Das Parlament beschränkt sich mehr und mehr auf die eigentliche Gesetzgebung und erledigt die Etatberatung ohne große Anteilnahme in wenigen Sitzungen. Wenn die Opposition mit ihren Anträgen mit ihrer Kritik nicht wäre, ({76}) dann hätten wir wahrscheinlich die Haushaltsberatungen in der zweiten und dritten Lesung bequem an einem Tage erledigt. ({77}) Ich muß Ihnen etwas Unfreundliches sagen; aber ich sage es freundlich. ({78}) Ich habe oft den Eindruck, daß sich die Koalition nur als der verlängerte Arm des Bundesfinanzministers fühlt, ({79}) und das darf sie nicht tun. ({80}) - Herr Atzenroth, das ist leider mein Ernst, und ich könnte das sogar mit einer ganzen Reihe von Dingen so anschaulich beweisen, daß Sie es mir glauben würden; ({81}) aber vielleicht machen wir das unter uns ab. Es ist jedoch wirklich mein Ernst. ({82}) Ich bin der Meinung, daß das Parlament sein Bewilligungsrecht wieder stärker wahrnehmen muß; denn das Bewilligungsrecht des Parlaments ist die liberale Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, die auch im 20. Jahrhundert kein Parlament aufgeben darf. ({83}) Ebenso darf das Parlament sein Kontrollrecht nicht aufgeben. Das Parlament hat in alles hineinzuschauen, in die Ministerien, in alles, was vom Bunde unterstützt wird, in die Einfuhr- und Vorratsstellen und in die Monopolverwaltung für Branntwein. ({84}) - Ja, das kommt. Es scheint, daß einige Herren hier sich der Hoffnung hingegeben haben, ich hätte meine Bemühungen um eine Neuordnung der Branntweinwirtschaft aufgegeben. Nein, ich habe es nicht. ({85}) Herr Kollege Schäffer, ich werde auch da wieder initiativ werden; denn Sie werden es ja nicht. Sie sind jetzt schon so lange im 2. Bundestag, und die so vielfach versprochenen Monopolnovellen sind bisher noch nicht gekommen, d. h., für den 2. Bundestag haben Sie sie auch gar nicht versprochen. Es ist jetzt ja nicht mehr nötig, obgleich das ein Wirtschaftszweig ist, der ganz dringend der Reform bedarf. Nun ist es so, daß sich viele Kollegen vor den Haushaltsberatungen scheuen, weil ihnen das Gestrüpp der Haushaltspläne undurchdringlich erscheint. Die „Welt" - immerhin eine Zeitung von großem Ansehen und großer Verbreitung - schrieb neulich: Der Haushaltsplan ist uns ein Buch mit sieben Siegeln. Es ist so dick wie eine Bibel und kann bisher nur in Bonn eingesehen werden. Hier irrt die „Welt". Man kann die Haushaltspläne seit Monaten überall einsehen und schlimmstenfalls durch jede gute Buchhandlung beziehen. ({86}) Außerdem kann sich jeder Interessent an Hand der vorzüglichen Vorbemerkungen zum diesjährigen Haushaltsplan wirklich gut einarbeiten. Diese Vorbemerkungen haben nur den einen Nachteil, den so viele Amtsdrucksachen haben, daß sie kein Inhaltsverzeichnis und kein Register haben. Hätten sie das - ich vermute, das nächste Mal werden sie es haben -, dann könnten sich die Kollegen noch sehr viel leichter mit den Dingen beschäftigen. Dann gibt es die vorzüglichen Schriften des Instituts für Finanzen und Steuern. Die neulich erschienene Schrift über den Bundeshaushalt 1954 und die beiden Vorgänger sind so ausgezeichnete Darlegungen der gesamten Haushaltsprobleme, daß ich darauf hinweisen möchte. Und wer noch ein bißchen einfacher anfangen will, soll die Haushaltsfibel von Kurt Heinig lesen, einem bedeutenden Experten aus dem früheren Reichstag. Die „Zeit" fragte kürzlich in einem hochinteressanten Artikel, der geistreich und zutreffend war: „Weiß das Parlament sein Budgetrecht zu nützen?" Im Vorspann dieses Artikels wurde der Geist des unerreichten Sachkenners Eugen Richter beschworen, und es wurde bedauert, daß es im Bundestag keinen Mann seiner Qualitäten gäbe. Ich bin für die Anregung dankbar, und da ich mich schon früher mit Eugen Richter und den anderen Parlamentariern beschäftigt habe, habe ich mir die Mühe gemacht, mir mal so ein paar Haushaltspläne anzusehen. Das z. B. ist der Haushaltsplan 1894 für das Reich einschließlich dem Haushaltsetat, wie man damals sagte, für die Schutzgebiete und dem Nachtragsetat, ein dünner Band Etat und einige dicke Bände Reichstagsprotokolle, die ich nicht mitbringen konnte, weil sie mir zu schwer waren, die aber einzusehen ich empfehle. Eugen Richter war 29 Jahre alt, als er im Jahre 1867 Mitglied des Parlamentes des Norddeutschen Bundes wurde. Er hat dann 29 Jahre lang dem Deutschen Reichstag angehört. Wenn man in die Protokolle über die Debatten der damaligen Zeit hineinsieht und liest, wie in diesen Jahren von Bennigsen, Windthorst, ({87}) von Kardorf, Freiherr v. Schorlemer, August Bebel zum Haushalt gesprochen haben - um nur einige der noch heute ganz bekannten Namen zu nennen -, dann erkennt man, welche Bedeutung den Haushaltsberatungen früher beigemessen worden ist. ({88}) - Ja, ich kenne sie. Ich kenne überhaupt die politisch-ökonomische Literatur der damaligen Jahrzehnte relativ gut. Aber es ist hier nicht der Ort, darauf zu antworten. Ich finde Ihre Bemerkung ({89}) eigentlich ({90}) hier gar nicht einmal angebracht. Aber darüber können wir uns auch unterhalten. Ich habe Ihnen gestern gesagt, Herr Dresbach, daß Sie einen ausgezeichneten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen" geschrieben haben. ({91}) - Hoffentlich. Im Schlußabsatz dieses ausgezeichneten Artikels sind Sie aber, Herr Dresbach, genau so als terrible simplificateur aufgetreten, wie Sie es eben leider getan haben. ({92}) Ich bin also der Meinung, daß wir uns um die Einzelberatungen mehr Mühe geben sollten, und ich muß noch kurz ein letztes und kritisches Wort zu uns selber sagen. Man kann nicht vom Parlament verlangen, daß es Beratungen ernst nimmt, wenn das Parlament nicht selbst die Voraussetzungen dafür schafft. Wenn wir von morgens bis abends hintereinander einen Einzelplan nach dem anderen wie durch einen Fleischwolf hindurchdrehen, dann kann nichts als ein schlechter Hackepeter herauskommen. Wir müßten uns die Mühe geben, es anders zu machen. Ich möchte an den Ältestenrat des Bundestages appellieren, doch dafür zu sorgen, daß der Bundestag seine Haushaltsberatungen so führt, daß sie für die Abgeordneten, für die Minister, für die Journalisten, für alle Zuhörer zumutbar sind; denn nur dann kann das Verständnis für die öffentlichen Arbeiten geweckt und vertieft werden. ({93}) Wir haben uns sehr bemüht, den Ende Januar vorgelegten Haushaltsplan schnell zu beraten. Wir waren am 31. März gegen 23 Uhr im Haushaltsausschuß damit fertig. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, daß ich die Arbeit der qualifizierten Beamtenschaft anerkenne. Es ist notwendig, an dieser Stelle ein Wort des Dankes an den Ausschußassistenten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haushaltsausschusses zu sagen, die von jedem Sitzungstag, der von 9 bis 19 Uhr oder noch länger dauerte, am nächsten Morgen um 9 Uhr das ausführliche, dicke Protokoll vorlegten, die also nachts bis 3 und 4 Uhr gearbeitet haben. ({94}) Das muß hier dankbar anerkannt werden. Aber man sieht, daß das eine Überforderung ist. ({95}) Die Bundesregierung sollte sich überlegen, ob es nicht möglich ist, den nächsten Haushaltsplan möglichst schon im Dezember vorzulegen, damit wir spätestens Anfang Januar mit den Beratungen im Haushaltsausschuß beginnen können. Nun meinen Sie - wenn ich noch ein Wort zur Rolle der Opposition sagen darf -, daß die Opposition im 2. Deutschen Bundestag eigentlich nichts zu sagen hat. ({96}) Dazu möchte ich sagen: die Opposition hat so viel zu sagen, wie sie zu sagen hat. ({97}) Das ist in den Ausschüssen viel, in Plenum wenig. ({98}) - Das ist im Ausschuß viel, Herr Arndgen; im Plenum ist es wenig. ({99}) Wir können nämlich im Plenum Anträge einbringen, Sie lehnen sie ab, von welcher Art sie auch sind. Sie haben alle unsere Anträge abgelehnt, obwohl Sie ihnen hätten zustimmen können und müssen. ({100}) Wir von der Opposition sind sehr darum besorgt, ob sich die Bundesregierung um konstruktive Lösungen bemühen und sich die Mitarbeit der Opposition sichern wird. Nach dem, was wir in den äußerst bedenklichen Saarabstimmungen am letzten Freitag erlebt haben, ist die Besorgnis größer geworden; sie wird immer größer. Warum hat am letzten Freitag niemand von der Koalition seine Stimme erhoben, als ich mir bei der Beratung des Einzelplans 35, des Plans der sogenannten Verteidigungslasten, im Namen meiner Fraktion die größte Mühe gegeben habe, den Bundesfinanzminister in seinen schwierigen Verhandlungen mit den Alliierten zu unterstützen? Warum machen Sie eine solche Sache zur Sache der Opposition? ({101}) Warum haben Sie sich nicht beteiligt, wo doch bei diesem Plan durch Verhandlungen wirklich etwas zu ändern ist?! Wenn sich der Bundeskanzler nicht mit einer listenvollen Kabinettspolitik eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag gesichert hätte, stünde er außenpolitisch stärker da. ({102}) Warum ließ sich der Herr Bundeskanzler am letzten Freitag an Stelle des vagen Bekenntnisses zu einer Rechtsauffassung, die nach diesem Beschluß der Mehrheit bei den internationalen Verhandlungen ja doch, weiß Gott, von niemandem mehr ernst genommen wird, nicht eine feste Richtschnur vom Parlament geben? ({103}) Mit dieser Politik der Vorleistungen muß ein Ende gemacht werden. Warum bedienen Sie sich hier nicht der Mitarbeit der Opposition, die sich dafür freudig zur Verfügung stellt? ({104}) - Jawohl! Wie können Sie da einfach lachen! Ich stelle mit Befriedigung fest, daß auf den vorderen Bänken, auf denen die Männer sitzen, die genaueren Einblick haben, niemand gelacht hat. Wie können Sie also dazu lachen! ({105}) ({106}) Der Bundeskanzler ist doch bis jetzt von jeder Verhandlung zurückgekommen mit der Bemerkung: „Es war ein großer Erfolg", bevor auch nur irgend etwas erreicht war. Jetzt geht er nach Paris und weiß, daß ihn der Bundestag zu nichts verpflichtet hat. Er stünde, wenn sich der Bundestag zu den Beschlüssen von 1953 bekannt hätte, bei den Alliierten heute vielleicht etwas kleiner da, aber vor dem deutschen Volk und der Geschichte größer. ({107})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Meine Damen und Herren! Es war bestimmt nicht meine Absicht, während der Aussprache das Wort zu ergreifen. Es gibt aber Behauptungen - vielleicht auch rednerische Entgleisungen -, die einer sofortigen Richtigstellung und persönlichen Antwort bedürfen. Man kann einem Mann nichts Schlimmeres vorhalten als Unwahrhaftigkeit. Der Herr Vorredner hat sich zu dem Satz verstiegen, daß der Bundesfinanzminister immer mehr an persönlicher Glaubwürdigkeit verliere, daß er immer unglaubwürdiger werde. Dieser Vorwurf ist rein persönlich und bedarf auch einer persönlichen Antwort. Er hat ferner erklärt, daß der Finanzminister nicht volkswirtschaftlich, sondern nur fiskalisch zu denken und zu arbeiten verstehe; aber darauf brauche ich vielleicht gar nicht zu antworten. ({0}) Herr Kollege, in den fünf Jahren meiner Amtstätigkeit ist es der deutschen Volkswirtschaft bestimmt nicht schlecht gegangen. ({1}) In den fünf Jahren meiner Amtstätigkeit hat die deutsche Volkswirtschaft einen Wiederaufbau leisten können, den die Welt bewundert hat. ({2}) Wir haben eine Währung übernommen, die des Schutzes bedurft hat, und es war Aufgabe der deutschen Finanzpolitik, währungspolitisch und volkswirtschaftlich zu denken. Die ganze Finanzpolitik mußte darauf eingestellt werden, den deutschen Wiederaufbau zu leisten, die deutschen Sozialleistungen zu finanzieren, die auswärtigen Belastungen zu übernehmen und trotzdem eine Steuerpolitik durchzuführen, die die deutsche Volkswirtschaft nicht hemmte, nicht lähmte und ihr das Leben und die Bewegungsfreiheit gelassen hat. ({3}) Der Erfolg ist heute zu sehen. Über diese Worte - wo die Begriffe fehlen, stellt zur rechten Zeit das Wort sich ein -, ({4}) über diese Worte vom Fiskalischen bitte ich zunächst einmal nachzudenken! ({5}) Aber ich antworte in erster Linie auf den Vorwurf, unglaubwürdig zu sein. Der Herr Kollege Gülich hat in seiner Rede selber wieder ausgeführt, daß das Bundesfinanzministerium hinsichtlich der Darstellung der finanziellen Vorgänge, hinsichtlich der Veröffentlichungen eigentlich, wie Sie früher selber gesagt haben, Bahn gebrochen hat. ({6}) Jeder Mensch in Deutschland, der sich dafür interessiert, kann Monat für Monat die gesamte Entwicklung, die gesamten Kassenguthaben, die gesamten Steuereinnahmen und die gesamten laufenden Ausgaben nachprüfen, er ist über die schwebende Schuld und über die langfristige Schuld völlig im Bilde und kann seine eigenen Schlußfolgerungen ziehen. Die Kassenguthaben - das ist doch ein altes Wort -, die der Bund heute hat und die in der Zeit der Steuerreform eine Rolle gespielt haben, sind gewiß hoch, aber sie sind täglich zu erfahren, werden monatlich veröffentlicht und sind auch heute bekannt. ({7}) Kurzfristige Anleihen spielen im Bundeshaushalt überhaupt keine Rolle. Was in den Betrieben, die der Bund verwaltet - die gar nicht sein Eigentum sind -, täglich vor sich geht, ist Sache der Betriebe, nicht des Bundeshaushalts. ({8}) - Milliarden Ausgleichsforderungen? Wir haben heute - ich weiß nicht, was der Zwischenruf bedeuten soll - 16 Milliarden Ausgleichsforderungen. ({9}) - Wir haben das angekauft, was als Kassenguthaben veröffentlicht ist, genau diese Beträge; ({10}) jeder Pfennig ist als öffentlich ausgewiesen! Ich möchte - wie behauptet - einen Fall genannt hören, in dem der Bundesfinanzminister mit seinen Darstellungen die Öffentlichkeit je getäuscht hat! Im Gegenteil, der Bundesfinanzminister kämpft darum, daß er nicht gezwungen wird, eine falsche oder leichtfertige Darstellung zu geben. Wie oft hat sich der Bundesfinanzminister Angriffen gegenüber gesehen, in denen behauptet wurde, seine Steuerschätzungen seien zu gering. ({11}) - Sie haben den allgemeinen Vorwurf der Unglaubwürdigkeit ohne jede sachliche Begründung erhoben; das ist das, was ich feststelle. ({12}) Ich frage, wo jemand nur einen Vorwurf erheben könnte, daß das Bundesfinanzministerium einmal unglaubwürdig gehandelt, einmal die Öffentlichkeit getäuscht hat. Das ist doch in Ihrem Vorwurf enthalten. ({13}) Es gibt Leute, die Interessenten sind und die es natürlich gern sähen, die Notwendigkeiten und die harten Tatsachen wären nicht so, wie ich sie dem deutschen Volke pflichtgemäß und wahrheitsgemäß schildern muß. ({14}) ({15}) Wenn ich sie geschildert habe und ein anderer versucht, ohne Kenntnis der Dinge eine Gegenrechnung aufzustellen, und vielleicht nach einiger Zeit selber zugestehen muß, daß seine Gegenrechnung zumindest nicht beweiskräftig ist, so berechtigt das niemanden, gegen den Finanzminister den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit zu erheben. ({16}) Ich möchte auf das Einzelne eingehen, was Herr Kollege Gülich erwähnt hat. Er hat von dem Kassenguthaben gesprochen. Die Kassenguthaben werden veröffentlicht, sie können jeden Tag erfragt werden. Im Haushaltsausschuß stand der Finanzminister auch über die Frage, wie die Guthaben sind, wie die Schulden sind, jede Minute zur Verfügung. ({17}) Ich gebe Ihnen zur Antwort: wenn man den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit erhebt, der der schwerste Vorwurf ist, den man einem Mann gegenüber erheben kann, muß man ihn sachlich begründen können. ({18}) Sie sagen dann, auch der Bundeshaushalt sei unglaubwürdig, er sei ein Haushalt der Sparsamkeit genannt, er sei aber kein sparsamer Haushalt; man habe im Haushaltsausschuß auch Zweifel gehabt. Warum hat der Haushaltsausschuß dann nicht konkrete Vorschläge - das war doch gerade Ihre Aufgabe - zur weiteren Verstärkung und Durchführung der Sparsamkeit gemacht, wenn Ihnen das nicht ausreichend erschien? ({19}) Und darf ich einmal fragen, Herr Kollege: Wenn Sie das Prinzip der Sparsamkeit hochhalten, warum werden dann bei der Haushaltsberatung hier Ausgabenanträge mit einem Betrag von über 2 Milliarden DM gestellt? ({20}) Gleichzeitig werfen Sie sich als Hüter der Sparsamkeit und Hüter der gesunden Finanzpolitik und der Abgleichung des Haushalts auf. Ist da nicht eher die Frage, wo die Unglaubwürdigkeit zu suchen ist? ({21}) Im Jahre 1953 habe ich die schwachen Punkte des damaligen Etats wirklich stark betont. Ich habe damals mit allem Ernst darauf hingewiesen, daß der Fehlbetrag des Haushaltsjahres 1951 leider nicht abgedeckt werden könnte. Ich habe darauf hingewiesen, wie schwer es ist, wenn wir uns zu Schritten wie einem Beitrag des außerordentlichen Haushalts zum ordentlichen Haushalt entschließen müssen. Ich habe darüber keinen Schleier gezogen. Im Gegenteil, ich wollte der deutschen Bevölkerung sagen, wie schwer es ist, die finanzielle Ordnung aufrechtzuerhalten, die Leistungen zu erfüllen und die Steuersenkung, die wir damals geplant haben, durchzuführen. Aber ich habe Ihnen am 11. März nachgewiesen, daß die Schätzungen, die wir über die Auswirkung der Steuerreform gemacht haben, im Gegensatz zu dem, was von anderen Seiten behauptet wird - das läßt sich auf einem Gebiet nachweisen, auf dem Gebiet der Lohnsteuer -, in vollem Umfang eingetreten sind. Was den Fehlbetrag des Jahres 1951 betrifft, so weiß doch der Deutsche Bundestag, daß dieser Fehlbetrag auf der Tatsache beruht, daß wir im Jahre 1951 gezwungen waren, mehr als 1 600 Millionen DM Besatzungskosten in den außerordentlichen Haushalt zu nehmen, daß wir das, wozu wir damals durch fremden Willen gezwungen worden sind, heute noch nachschleppen und heute noch als Last tragen. Wenn wir in diesem Etatsjahr entsprechend einem Beschluß des Bundestages vom Vorjahr im Wege freier Vereinbarung mit den Sozialversicherungsträgern zu einem Abkommen gelangt sind und dadurch die Frage des Deckungskapitals für diese Versicherungsanstalten in einer Form lösen, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgabe genau so gewährleistet, wie wenn irgendein anderer Weg gewählt worden wäre, dann ist das wirklich keine ungesunde Maßnahme. Sie haben dann von der vierprozentigen Kürzung gesprochen. Die vierprozentige Kürzung ist eine Tatsache und kann als Beispiel einer Unglaubwürdigkeit bestimmt nicht genommen werden. Die vierprozentige Kürzung hat den großen Vorteil, Herr Kollege Gülich, daß ich Monat für Monat in den Etatspositionen, in denen die vierprozentige Kürzung vorgesehen ist, bei den Betriebsmitteln die Kürzung auch vornehmen kann. Ich weiß - das war von vornherein kein Geheimnis -, daß die Kürzung nicht vorgenommen werden kann, wo Rechtsverpflichtungen vorliegen. Aber ich weiß, daß die Kürzung der Mittel um einen Prozentsatz, ohne in Einzelheiten mit dem Ressort zu streiten, der beste Weg ist, um eine Sparsamkeit im einzelnen Ressort zu erreichen. Sie haben sich dann über das Verhältnis Bund und Länder ausgesprochen. Das gehört jetzt nicht zu diesem Thema. ({22}) Ich wünschte allerdings, wenn Sie eine Besserung des Verhältnisses erstrebten, daß Sie den Bundesfinanzminister in seinem Bestreben, ein gesundes Verhältnis zu erreichen, unterstützen. ({23}) Dann haben Sie gesagt, der Finanzminister drohe immer mit seinem Rücktritt und führe ihn nicht aus. Mag sein, Herr Kollege Gülich, daß es politische Kräfte in Deutschland gibt, denen es angenehm wäre, wenn der Bundesfinanzminister seine Amtsführung niederlegen müßte. ({24}) Der Bundesfinanzminister hat nie mit seinem Rücktritt gedroht. ({25}) Er hat immer darauf hingewiesen, daß ihm die Aufgabe über seinem Amt steht. ({26}) Er hat immer darum gekämpft, daß er seine Aufgabe erfüllen kann, und er hat immer betont, daß die Aufgabe seine Amtsführung rechtfertigt, nicht umgekehrt. ({27}) Der Finanzminister kann heute sagen: Wenn allem, was er gewollt und vorgeschlagen hat, in diesem Hohen Hause Rechnung getragen worden wäre, wäre die Haushaltslage der deutschen Bundesrepublik noch bedeutend gesünder, als sie heute ist. Aber er will seine Aufgabe erfüllen, in ({28}) Deutschland eine gesunde Finanzpolitik um der deutschen Volkswirtschaft willen und in voller Wahrheit zu führen! ({29})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dafür, daß wir heute in der Lage sind, einen Etat von 27 Milliarden DM ausgeglichen zu verabschieden ({0}) - auf Ihre Kritik, Herr Professor Gülich, komme ich noch zu sprechen -, gebührt nach meiner Meinung in erster Linie Dank dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern. ({1}) Denn der Herr Finanzminister und seine Mitarbeiter waren in den letzten Monaten doppelt belastet, weil sie Auseinandersetzungen um den Ausgleich des Haushalts nach drei Seiten hin führen mußten. Sie mußten, immer im Blick auf den Ausgleich des Haushalts, Auseinandersetzungen führen mit den anderen Ressorts, mit dem Bundesrat und den Ländern und mit der Opposition in diesem Hause. ({2}) Ich meine, es ist am Platze, an dieser Stelle dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Mitarbeitern Dank zu sagen. ({3}) Der Herr Professor Gülich hat darzustellen versucht, daß dieser Haushalt nicht ausgeglichen sei, ({4}) und hat in diesem Zusammenhang von Nicht-mehrrot-Werden gesprochen. Ich möchte dem Herrn Professor Gülich diesen Vorwurf des Nicht-mehrrot-Werdens zurückgeben. Denn während Herr Professor Gülich hier von einem unausgeglichenen Haushalt spricht und an der angeblichen Unausgeglichenheit Kritik übt, stellte seine eigene Fraktion in der zweiten Lesung dieses Haushalts Anträge, die, wenn sie angenommen worden wären, zu einer Verschlechterung des Haushalts in Höhe von 2 170 000 000 DM geführt hätten. ({5}) Das ist eine Art, Kritik zu üben, die wir nicht hinnehmen können, sondern die wir zurückweisen müssen. Herr Professor Gülich hat weiter gesagt, der Herr Finanzminister sei nicht in der Lage, volkswirtschaftlich zu denken. Nun, ich finde es absurd, daß gerade er diese Behauptung aufstellt. Denn wer wie ich und zum Teil auch Herr Professor Gülich jetzt schon jahrelang dem Haushaltsaus-, Schuß des Bundestages angehört, weiß, daß alle Ansätze des Haushalts im Blick auf da Wirtschaftsgeschehen geschätzt werden. Wir haben dann im Haushaltsausschuß feststellen können, daß die Schätzungen des Bundesfinanzministeriums der Wirklichkeit immer recht nahe gekommen sind. ({6}) - Herr Professor Gülich, alle Steuerschätzungen werden im Blick auf das Wirtschaftsgeschehen vorgenommen. ({7}) Mit keinem Wort hat der Herr Professor Gülich davon gesprochen, daß unsere deutsche Währung zu den härtesten Währungen der Welt gehört. Wenn das aber festgestellt werden kann, so muß ich sagen, daß wir das in erster Linie der Finanzpolitik des Herrn Bundesfinanzministers zu danken haben. ({8}) Nun noch ein kurzes Wort zu den Dotierungen für die Wissenschaft. Ich bin mit Herrn Professor Gülich darin einig, daß wir, wenn es uns möglich wäre, in dieser Sache noch etwas mehr tun müßten. Aber er hat dann einen Unterschied gemacht zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften. Dabei aber, Herr Professor Gülich, muß doch immer daran gedacht werden, daß die Naturwissenschaftler eine reichlich teure Apparatur für Experimente benötigen, die bei der Geisteswissenschaft nicht in dem Umfang nötig ist. ({9}) Wenn also die Ansätze für die Naturwissenschaften höher sind, dann ist das auf diese teurere Apparatur zurückzuführen. - Soviel zu der Kritik des Herrn Professor Gülich. Ich bin aber der Meinung, daß uns noch eine Reihe von Problemen um den Bundeshaushalt Sorge machen. Da ist zunächst festzustellen, daß wir trotz harter Absagen an die Ressorts und trotz der Anlegung strenger Maßstäbe bei der Beratung der Stellenpläne leider auch im jetzigen Haushalt eine weitere bedeutende Ausweitung der Planstellen zu verzeichnen haben. Ich habe eine Zusammenstellung vor mir liegen, aus der die Planstellen für Beamte, Angestellte und Arbeiter des Jahres 1953 und die des jetzigen Haushaltsjahrs ersichtlich sind. Aus diesen Ziffern ist festzustellen, daß die Zahl der Beamten von 53 446 im Haushaltsplan 1953 auf 64 531, also um über 11 000, angewachsen ist, daß die Zahl der Angestellten von 21 571 im Haushaltsjahr 1953 auf 22 969, also um 1398, anstieg und daß die Zahl der Arbeiter um 1243 vermehrt wurde. Wenn auch bei diesem Mehr an Planstellen die zweite Welle des Grenzschutzes mit eingeschlossen ist, so wird es doch notwendig sein, so glaube ich wenigstens, im Sommer, wo sich der Haushaltsausschuß mit der gesamten Problematik unseres Haushalts beschäftigen will, zu überlegen, ob der Aufbau der Ministerien und Verwaltungen im Bunde nicht endlich auch in der Stellenbesetzung als vollendet betrachtet werden kann oder ob nicht sogar mit einem Abbau begonnen werden kann. Die Drangperiode der vielen großen Gesetzesberatungen scheint im Abklingen zu sein. Daher kann überlegt werden, ob in der Zukunft noch die gleiche Anzahl Kräfte notwendig ist für Gesetzesvorbereitungen. Bei den Überlegungen im Sommer ist weiter daran zu denken, ob nicht in der Relation zwischen den Beamten des höheren Dienstes und denen der mittleren und der niederen Aufgaben ({10}) die Zahl der im höheren Dienst Beschäftigten zu groß ist und ob nicht auch hier Änderungen vorgenommen werden müssen. Nach meiner Auffassung ist auch der Global-abstrich von 4 °/o bei allen Haushaltsansätzen problematisch, insbesondere bei den Personalausgaben, weil hier Gefahren für die älteren Angestellten im Verzug sind. Die Angestellten, auch die älteren, werden bekanntlich nach der TOA besoldet. Je älter ein nach der TO.A Besoldeter ist, um so höhere Belastungen bringt er mit sich. Hier könnten die Personalchefs der einzelnen Ressorts im Blick auf den 4%igen Globalabstrich sich veranlaßt fühlen, bei der Einstellung von älteren Angestellten vorsichtig zu sein. Wir kennen die Not sehr weiter Kreise der älteren Angestellten und sind schon in der Diskussion darüber begriffen, wie diesen älteren Angestellten geholfen werden soll. Daher soll auch im Haushalt des Bundes, meine ich, nichts an Einrichtungen vorhanden sein, was die Beschäftigung der älteren Angestellten gefährden könnte. Wir werden uns im Sommer oder bei der nächsten Haushaltsberatung eingehend damit beschäftigen müssen, ob wir den 4%igen Globalabstrich in dem Umfang auch für die Personalansätze beibehalten sollen wie bisher. ({11}) In der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern scheint noch eine erhebliche Lücke zu klaffen, deren Schließung überlegt werden muß. Denn einschließlich der Kriegsopferversorgung zahlt der Bund an die Länder rund 5 Milliarden DM. Dabei ist für diese 5 Milliarden DM und für ihre Verwendung der Bund nur gesetzesmäßig zuständig, während die Zweckmäßigkeit der Verwendung dieser Gelder in der Hand der Länder liegt. Es müßte nach meinem Dafürhalten eine Kommission eingesetzt werden, um Möglichkeiten zu erarbeiten, diese Lücke zu schließen, wobei auch die Frage der Interessenquote der Länder an diesen Ausgaben irgendwie überlegt werden müßte. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, bin ich mit Herrn Professor Gülich darin einig, daß wir, nachdem uns durch Zeitungsmeldungen bekanntgeworden ist, daß bei Ländern Bestrebungen bestehen, die Dienstaufsicht über die Landesrechnungshöfe den Landesregierungen zuzuordnen, unter allen Umständen erklären sollten, daß wir an der vollen Freiheit und Unabhängigkeit des Bundesrechnungshofs festhalten wollen und müssen. Denn die Berichte des Bundesrechnungshofs über die Prüfung der Haushaltsrechnungen der Jahre 1949 und 1950 haben in aller Deutlichkeit gezeigt, wie notwendig gerade die unabhängige Stellung der Rechnungshöfe ist. ({12}) Ich bin sogar der Meinung, daß für die Prüfungsaufgaben dieser Einrichtungen noch mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten, damit wirklich geeignete Prüfer in der notwendigen Anzahl eingestellt werden können. ({13}) Das Arbeitsergebnis des Bundesrechnungshofs für die Jahre 1949 und 1950 begründet dieses Verhalten sehr deutlich. Nun zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wenn die CDU/CSU-Fraktion sämtliche Anträge materieller Art in der zweiten Lesung abgelehnt hat, dann bitte ich dafür Verständnis zu haben. Ich habe schon einmal darauf verwiesen, daß allein seitens der Opposition Anträge gestellt worden sind, die, wenn sie angenommen worden wären, Haushaltsverschlechterungen in Höhe von 2 Milliarden 170 Millionen DM zur Folge gehabt hätten, ({14}) und wenn ich sämtliche Anträge, die gestellt worden sind, zusammenziehe, dann wären es an Haushaltsverschlechterungen sogar mehr als 2 Milliarden 300 Millionen DM gewesen. - Wenn Sie, Herr Professor Gülich, sagen, das stimme nicht, dann muß ich Ihnen darauf erwidern, daß die Deckungsvorschläge, die Sie zu einzelnen - nicht zu allen! - Anträgen gemacht haben, nicht ernst zu nehmen sind. ({15}) Der Haushalt kann doch nur dann ausgeglichen sein und bleiben, wenn ernstzunehmende Deckungsvorschläge gemacht werden, und wir, das habe ich namens der CDU/CSU-Fraktion zu erklären, werden auch in der dritten Lesung dafür sorgen, daß der Haushalt ausgeglichen bleibt, und werden auch in der dritten Lesung dem Haushalt, wie er uns vom Haushaltsausschuß vorgelegt worden ist, zustimmen, damit er Rechtens werden kann. ({16})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).

Hans Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001323, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, in der allgemeinen Aussprache über den Haushaltsplan einige allgemeine Bemerkungen zu machen. Wir haben die relative frühzeitige Vorlage des Bundeshaushaltsplans begrüßt und die Versuche zu seiner Verdeutlichung und Popularisierung dankbar gewürdigt, und dennoch sind wir über den Zeitdruck, unter dem die Beratungen des Haushaltsausschusses gestanden haben - man wird den Damen und Herren des Haushaltsausschusses bestätigen müssen, daß sie es sich nicht leicht gemacht haben -, unbefriedigt. Es bleibt ein Unbehagen, und ich möchte wünschen, daß in den kommenden Haushaltsjahren der Ausschuß und das Parlament die notwendige Zeit finden, die nun einmal das Studium und die Beratung dieser komplizierten Partitur der Zahlen brauchen. Bei aller Würdigung des Wunsches - und es wird in erster Linie ein Wunsch des Bundesfinanzministeriums sein -, den Haushaltsplan so rechtzeitig zu verabschieden, daß Rechnungsjahr und Wirksamwerden des Etats zusammenfallen, darf dies doch nicht auf Kosten der Sorgfalt gehen, die man den Einzelplänen widmen muß. Noch nie ist ein Staat auseinandergefallen, noch nie hat die Verwaltung gestockt, weil ein Parlament seinen Haushalt nicht fristgerecht hinter sich brachte; aber es ist schon viel Schaden dadurch entstanden, daß dem Parlament und seinen Ausschüssen die Zeit für ihre Funktionen beschnitten wurde. Ich möchte deshalb im Namen meiner politischen Freunde an den Herrn Bundesfinanzminister die Bitte richten, die Etatverhandlungen mit den einzelnen Ressorts so rechtzeitig abzuschließen, daß der Bundestag nach Möglichkeit am 1. Dezember mit seiner Arbeit beginnen kann. Dann wird es auch möglich sein, die vielfachen Wünsche der Fachausschüsse im Haushaltsausschuß zu beraten. ({0}) ({1}) Ich darf einen weiteren Wunsch äußern. In den ausgezeichneten Vorbemerkungen zum Haushaltsplan, die in diesem Jahre zum erstenmal vorgelegt wurden, ist der Anfang einer Generalinventur der Vermögenswerte des Bundes gemacht. Wir bitten den Herrn Finanzminister, in diesem Bestreben, das Bundesvermögen zu erfassen, nicht nachzulassen, sondern darauf zu dringen, daß möglichst bald dem Parlament eine Aufstellung über die Beteiligungen und Bewertungsgrundlagen gegeben werden kann. Erst dann ist ein fundiertes Gespräch möglich, ob etwa eine Überführung in Privathand erfolgen kann, auf welche Weise dies geschehen kann, wie man sicherstellen kann, daß der Erlös der Allgemeinheit zugute kommt. Wir denken hier an diejenigen Beteiligungen, Herr Bundesfinanzminister, die einen wirklichen Vermögenswert und damit einen echten Bilanzwert aufweisen, nicht so sehr an die sicher sehr nützlichen Erhebungen und Registrierungen, die etwa die neuen Spinde des Bundesgrenzschutzes mit 50 % ihres Einkaufswertes in einer Aufstellung festhalten. Das ist nicht das Bundesvermögen! Wir dürfen hier vor einem Ausweichen in das Nebensächliche warnen. Ein Weiteres: In dem Haushalt, den wir nun zu verabschieden gedenken, spüren wir, vielleicht noch ein wenig schüchtern, die Tendenz, den ordentlichen Haushalt durch Titel zu entlasten, Titel, die ihrem Wesen nach in den außerordentlichen Haushalt gehören. Wir werden diese Tendenz nach Kräften unterstützen. Bei den Diskussionen über die Steuerreform wird darüber mehr zu sagen sein; aber sicher ist, daß gerade der Bundeshaushaltsplan eine saubere Trennung des Finanzbedarfs, der durch Steuergelder, und des Finanzbedarfs, der durch Anleihen aufgebracht werden soll, aufweisen muß. Vor allem die Entlastung des ordentlichen Haushalts wird, neben anderen Faktoren, eine wirksame Steuersenkung ermöglichen und den Kampf der öffentlichen Hand und der Wirtschaft auf dem Kapitalmarkt neutralisieren. Dabei bin ich weit davon entfernt, in dem Auflegen von Anleihen ein Allheilmittel zu sehen. Die Spuren schrecken; noch immer schieben wir eine Milliarde Defizit vor uns her. Wie wollen wir über diese Riesensumme Herr werden, wenn wir nicht im ordentlichen Haushalt einfach rigoros sparen? Ich möchte nicht nur von dem Unbehagen über die Schnellschußarbeit im Haushaltsausschuß loskommen; ich möchte auch das Unbehagen beseitigt wissen, das uns die alljährliche Außerkraftsetzung des § 75 der Reichshaushaltsordnung bereitet. ({2}) Hier darf ich ein Wort zur Personalwirtschaft des Bundes sagen. Es sei anerkannt, daß in diesem Jahr die einzelnen Ressorts keine wesentlichen Personalverbesserungen erlangt haben. Trotzdem hat der Haushaltsplan einen erheblichen Mehrbetrag für Beförderungen, Gehaltserhöhungen und höhere Versorgungsbeiträge - es handelt sich um rund 140 Millionen DM mehr als im Jahre 1953 - verkraften müssen. Ich halte es nun für einen verhängnisvollen Fehler, in der Öffentlichkeit immer wieder mit dem Prozentsatz zu operieren, den die Personalkosten im Vergleich zu den Sachausgaben und den allgemeinen Ausgaben ausmachen. Diese Kosten sind in Prozenten ausgedrückt natürlich gering, gemessen an den Riesensummen etwa der Einzelpläne 11, 35 und 40. Aber was haben sie in Wirklichkeit mit diesen Summen zu tun? Gar nichts! Wenn wir die beiden Lastenblöcke, den Verteidigungsbeitrag und die sozialen Kriegsfolgelasten, ausklammern - in diesem Zusammenhang darf man es tun -, wenn man die Personalkosten in Beziehung zu den restlichen Summen setzt, ergibt sich ein anderes Bild, und es ist völlig falsch, zu glauben, die Personalkosten spielten keine Rolle. Ich glaube, wir haben die Pflicht, in den nächsten Haushaltsbesprechungen und während der hoffentlich bald beginnenden Sommerberatungen gerade den Personalwünschen, von denen man bereits munkelt, mit einer gewissen Brutalität entgegenzutreten. ({3}) In den Jahren 1952 und 1953 ist von der Verwaltung immer wieder zum Ausdruck gebracht worden, der Normalzustand sei nun erreicht. Heute muß man fragen - hier bin ich mit dem Kollegen Arndgen völlig einig -, ob der Verwaltungskopf Bonn nicht bereits für eine Reform reif ist. Freilich, aus eigener Kraft werden wir es nicht schaffen. Hier wäre bereits ein weites Feld für den Bundesrechnungshof, dem ja auch die Wachsamkeit über die Wirtschaftlichkeit obliegt. Es ist doch eine alte Erfahrung, daß es nicht stimmt, wenn gesagt wird, die Ressortchefs könnten sich Erleichterungen ihrer Arbeit nur durch Stellenvermehrungen verschaffen. Für den einzelnen Beamten mag es manchmal bedeutungsvoll sein, einer Apparatur vorzustehen. Aber der Sache dienen Personalvermehrungen oft nicht. Die Bonner Ministerien mit ihrer Toplastigkeit sollten, so verlockend es ist, nicht so viele Aufgaben an sich ziehen. Sie sollten vielmehr Aufgaben delegieren, in die nachgeordneten Instanzen verlagern. Auch dort gibt es hervorragende Verwaltungsbeamte. Die Ministerien sollten ein weiteres tun. Sie sollten nicht den Versuch machen, auf allen Gebieten autark sein zu wollen. Jedes Ministerium, so scheint es, ist ein Kabinett im Kleinen mit einer Rechtsabteilung, einer Sozialabteilung usw. Wozu haben wir eigentlich einen Justizminister, wozu haben wir einen Arbeitsminister? Wird hier nicht vielleicht viel Doppelarbeit geleistet? Könnte hier nicht manches rationalisiert werden? Freilich, ich kenne die Entgegnungen. Sie tragen einem verheerenden Zug unserer Zeit Rechnung, einem verhängnisvollen Zug unserer Bürger, bei jeder Gelegenheit zum Staat zu laufen und dem Staat Aufgaben aufzuhalsen, die keine staatlichen Aufgaben sind. ({4}) Ich kann mir denken, daß allein die Lektüre der unzähligen Denkschriften von Verbänden und Interessenorganisationen einen gestandenen Mann ausfüllen kann. Aber müssen wir das alles hinnehmen? Müssen nicht vielleicht auch wir als Abgeordnete den Mut aufbringen, unseren Wählern zu sagen, was sie vom Staat erwarten können und was sie nicht von ihm erwarten dürfen? Meine Freunde tragen sich mit dem Gedanken, in den kommenden Haushaltsberatungen bei allen Personaltiteln einen 5 %-Kw-Vermerk vorzuschlagen, in dem Sinne, daß eine Stelle beim Freiwerden auf die erwähnte Weise eingespart werden muß. ({5}) Sie geben auch zu erwägen, ob nicht ein Austausch von Personal bei auslaufenden Bundesstel({6}) len mit solchen, die im Aufbau begriffen sind, erfolgen kann. Man denke etwa an die Bundesstelle für Warenverkehr einerseits und die neu genehmigten Stellen in der Außenstelle Blank in Koblenz andererseits. Ein Wort zum Haushaltsausgleich. Er ist, wie ein ständiger Mitarbeiter der Finanzpolitischen Mitteilungen - er zeichnet seine Aufsätze im allgemeinen mit „V" - es ausdrückt, „von eigener Art". Es muß zugegeben werden, daß der Ausgleich vielleicht der solideste seit dem Jahre 1949 ist. Aber wir wissen natürlich, daß er nur möglich sein wird, wenn durch den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer dem Bund gegeben wird, was der Bund braucht. Man vergleiche nur die steigende Kurve der Bundesausgaben mit der entsprechenden der Länderausgaben, und man wird erkennen, daß bare Not des Bundes und nicht der Wille zur Macht oder der Wunsch zur Thesaurierung der Grund für sein Verlangen ist. Wir glauben es dem Herrn Finanzminister, daß er im Augenblick nicht imstande ist, Fonds zu bilden, Beteiligungen zu erwerben oder Wertpapiere zu kaufen. Die Verhandlungen sind in der Schwebe und sie sind sicher schwer. Wir wollen nicht allzusehr in diesem heiklen Thema herumstochern, wohl aber sagen, daß eine Staatskrise, eine Verfassungskrise das letzte ist, was wir im Augenblick heraufbeschwören sollten. Wir können den Verhandlungen nur wünschen, daß sie mit möglichst wenig Dogmatik und Orthodoxie geführt werden und erkennen lassen, daß seit der Schaffung des Grundgesetzes bedeutungsvolle Jahre vergangen sind, daß der Anzug von damals nicht mehr recht paßt. Die Bürde der politischen Verantwortung für Deutschland liegt heute beim Bund. Wir können von hier aus nur an die Einsicht der Länderregierungen in den Gang der Geschichte appellieren. Ich bitte den von mir hochgeschätzten Herrn Professor Gülich, dieserhalb auch einmal ein Gespräch mit den königlich-bayerischen Sozialdemokraten zu führen. ({7}) Wir haben für eine innere Auseinandersetzung nicht die Kraft und für eine Bundesreform nicht die Nerven, so notwendig sie wären. Darf ich, wenn wir schon daran sind, von dem schlecht sitzenden Anzug unserer Verfassung zu reden, einen Einzelwunsch in die Verabschiedung des Haushaltsplans hineinsprechen: Der Einzelplan 35, Verteidigungslasten, ist in seinen Auskünften für uns ein wenig zu lakonisch. Ich glaube, die Frau Kollegin Probst hat neulich dieses Problem schon angesprochen. Es ist unbefriedigend, nur diese globalen Zahlen vorgesetzt zu bekommen. Natürlich wissen wir, daß sich der größte Teil dieser Beträge unserer Kontrolle entzieht. Aber wäre es nicht an der Zeit, mit den Besatzungsmächten ein Wort zu sprechen, ein Wort der Vernunft? Haben wir nicht alles getan, haben wir nicht alle Voraussetzungen geschaffen, haben wir nicht alle Schwierigkeiten wegzuräumen versucht, um den Deutschland-Vertrag in Kraft setzen zu können? Und nun werden, völlig dem Licht einer parlamentarischen Kontrolle entzogen, auf deutschem Boden Kasernen, Brücken und Straßen gebaut; alles mit dem Geld des deutschen Steuerzahlers! Man kann von Skandalen lesen, von Übergriffen, von Fehlleitungen. Man hört von Riesenstäben in den Finanzbaudirektionen der Länder. All dies vollzieht sich hinter unserem Rücken, im Windschatten des Besatzungsstatuts. Könnten hier nicht Millionenbeträge gespart werden, wenn auch diese Zahlen nicht erst in der Abrechnung des Bundes auftauchten? Hier können wir, glaube ich, wirklich von einer Entmachtung des Parlaments sprechen. Ich glaube aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir vergeben uns etwas, wenn wir ständig von der Entmachtung des Parlaments im Zusammenhang mit der Überheblichkeit der Verwaltung lamentieren, wenn wir die Macht der Ministerialbürokratie über die Möglichkeiten stellen, die uns in die Hände gegeben sind. ({8}) Wer hindert uns denn, eben dieser Ministerialbürokratie, deren fachliche Qualitäten niemand von uns in Zweifel zieht, Aufgaben zu stellen, immer wieder einen Brocken hinzuwerfen, an dem sie ihren Sachverstand wetzen kann? Wir sollten nicht nachlassen, von unserer Seite immer wieder Impulse zu geben und Wünsche zu äußern, auch wenn es dem einen oder anderen Referenten in dem einen oder anderen Ausschuß nicht paßt und er beleidigt ist, weil wir an der Unantastbarkeit einer Kabinettsvorlage mäkeln. Wir leben gar nicht so sehr in der Furcht des Herrn, Herr Kollege Gülich. Ich bin beinahe überzeugt, die Gegenseite - darf ich die Exekutive einmal so nennen - würde dankbar danach greifen. Wir dürfen nicht erwarten, die Stärkung unseres Selbstbewußtseins auf dem Wege der Verleihung zu erhalten, nachdem auf die Parlamente - ich sage bewußt d i e Parlamente - Aufgaben zukamen, deren Lösung dann dem Staat, will sagen der Bürokratie, aufgebürdet wurden. Freilich bleibt der Rahmen eng. Davon ist ja schon gesprochen worden. Schuld daran ist niemand, oder schuld daran sind alle. Die Verkodifizierung unseres öffentlichen Lebens, die Flut gesetzlicher Bestimmungen, die wir oder unsere Vorgänger ja selbst beschlossen haben, lähmen in Haushaltsfragen geradezu oft die freien Entschlußmöglichkeiten. Aber wenn wir dies schon beklagen, dürfen wir den Nagel nicht an der falschen Stelle einschlagen. Unser Selbstbewußtsein wächst mit unserer Initiative, auf welchem Gebiet auch immer sie sich entwickelt, und daran kann uns niemand hindern. Hetzen wir getrost die Spezialkenntnisse und das Geheimwissen der so viel gescholtenen Ministerialbürokratie auf unsere Ideen. Darf ich noch eine allgemeine Bitte äußern. Wir, jeder von uns, sollte sich im Parlament mehr um die Haushaltsdinge kümmern. Nicht allein deshalb, weil der Haushalt in alle Gebiete des öffentlichen Lebens hineinleuchtet, weil er über die politischen Verhältnisse, über die Not und Bedürfnisse unserer Bürger, über die Geschichte, über die Folgeerscheinungen von Katastrophen etwas aussagt, weil er in allen Fragen vielleicht nicht das letzte, aber auf alle Fälle das erste Wort zu sprechen hat, sondern weil einem ausgeglichenen, einem sorgfältig durchdachten, einem bis in die letzten Dispositionen hinein sparsamen Haushalt eine sittliche Kraft innewohnt, die sich auf das Lebensgefühl unseres ganzen Volkes auswirkt. ({9}) Der Umgang mit Geld, dem Blut unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens, ist eine ernste Sache. Viele, ich glaube, wir alle, haben ({10}) nach den Erlebnissen zweier Kriege und zweier Inflationen das rechte Augenmaß für das richtige Geldausgeben verloren. Wir im Parlament haben die Pflicht, durch unsere Haushaltsgebarung Maßstäbe zu setzen und schief geratene Verhältnisse wieder gerade zu biegen. Wenn wir sparen, dann können wir verlangen, daß auch der einzelne spart. Wenn wir uns nicht besinnen, wie wir von unserem Defizit loskommen, - mit welchem Recht wollen wir den einzelnen Bürger warnen, er möge sich nicht auf die schiefe Bahn der persönlichen Schulden begeben? Zum Schluß! Es ist mir ein Bedürfnis, von dieser Stelle aus allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuß für ihren Geist sachlicher Besonnenheit zu danken. Ich glaube, wir haben in den letzten Monaten ein Gefühl dafür entwickelt, aufeinander zu hören. Es ist mir ebenso ein Bedürfnis, besonders dem Herrn Vor s i t z enden, der leider krank ist, zu danken für seine loyale Verhandlungsführung und seine Fähigkeit, mit dem Herzen zu denken. ({11}) Ich möchte wünschen, daß uns dieser Geist des Zusammenarbeitenwollens erhalten bleibt für die Bewältigung der Aufgaben, von denen wir wissen, daß sie auf uns zukommen, und der Aufgaben, die wir noch nicht kennen, von denen wir nur wissen, daß sie schwer sein werden. Im Namen meiner politischen Freunde habe ich dem Hohen Hause mitzuteilen, daß wir dem Haushaltsplan 1954/55 - nicht ohne Sorge - zustimmen werden. ({12})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Eckhardt.

Dr. Walter Eckhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000433, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir werden dem Haushalt in der dritten Lesung zustimmen. Ich kann mich in meinen Bemerkungen hierzu auf einige kurze Ausführungen beschränken. Wir haben in der ersten und zweiten Lesung des Bundeshaushalts nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von Anträgen gestellt. Das hat verschiedene Gründe. Einmal bin ich trotz der Bemerkungen meines sehr verehrten Herrn Kollegen Lenz der Meinung, daß der Haushaltsplan des Bundes, wenn er an das Parlament kommt, doch in den wesentlichen Teilen sozusagen fertig ist und daß sich im Grundsätzlichen wenig an diesem Haushaltsplan ändern läßt. Das liegt eben einfach nicht nur an der Kürze der Zeitspanne, mit der der Haushaltsausschuß und mit der auch das Plenum des Bundestages auskommen müssen, sondern es liegt auch daran, daß die Aufstellung des Haushaltsplans unter den heutigen Umständen doch das wesentliche Faktum darstellt, und an dieser Aufstellung des Haushaltsplans ist unser Parlament bedauerlicherweise im Gegensatz zu einigen Parlamenten des Auslands nicht beteiligt. Wir halten deshalb auch unseren Vorschlag aufrecht, den wir schon in der Grundsatzdebatte bei der Einbringung des Bundeshaushaltsplanes gemacht haben, gemischte Kommissionen zu bilden und den Haushalts-, gegebenenfalls auch den Finanzausschuß und die übrigen Fachausschüsse des Bundestages an der Aufstellung des Haushaltsplanes zu beteiligen. Ich glaube, daß damit eine wesentliche Verbesserung und auch eine wesentliche Stärkung der Stellung des Parlaments erreicht wären. Vielleicht würde auch das Interesse noch wesentlich wachsen, das in diesem Hause den Haushaltsfragen entgegengebracht oder manchmal auch nicht entgegengebracht wird. Wir haben uns aber noch aus einem anderen Grunde auf eine so geringe Anzahl von Anträgen beschränkt. Es ist wiederholt - auch heute wieder - von Sparsamkeit die Rede gewesen. Man pflegt in jeder Haushaltsdebatte davon zu sprechen. Wir wollen nicht nur über Sparsamkeit im Haushalt sprechen, sondern auch danach handeln. Sparsamkeit bedeutet nach unserer Auffassung nicht, daß man einfach hier und da etwas streicht ({0}) oder sich jeden Posten nur darauf ansieht, ob man ein paar Groschen oder Mark davon wegnehmen kann, sondern sie bedeutet, bei knappen Mitteln Schwerpunkte zu bilden. ({1}) Eine solche Schwerpunktbildung kommt im vorliegenden Bundeshaushaltsplan nach unserer Auffassung gerade für einen Komplex von Fragen besonders in Betracht. Dieser Fragenkomplex bezieht sich auf die gesamtdeutsche Politik, der wir verpflichtet sind. Wir halten aus diesem Grunde auch die beiden Anträge aufrecht, die wir im Geiste und im Sinne einer solchen gesamtdeutschen Politik gestellt haben. Das ist einmal der Antrag, gemäß dem Bundestagsbeschluß vom 2. Juli 1953 zu verfahren und die 25 Millionen DM für kulturelle Förderung in den Zonengrenzgebieten einzusetzen, die der Bundestag damals bewiligt hat. Wenn Ihnen dieser Betrag von 25 Millionen DM zu hoch erscheint, so prüfen Sie doch bitte nach, ob man nicht mit einem geringeren Betrag auskommen kann, vielleicht mit 10 und allenfalls mit 5 Millionen DM. Aber man sollte doch einen solchen Ansatz in den Bundeshaushaltsplan hineinbringen. Ich glaube, es könnte im Interesse der Politik in den Zonengrenzgebieten damit sehr viel geschehen. Die Zonengrenzgebiete sind ja nicht nur der Gefahr einer wirtschaftlichen Verarmung, einem Ärmerwerden auf der materiellen Seite ausgesetzt, sondern zweifellos auch einer gewissen kulturellen Verarmung. Ich will nicht behaupten, daß kulturelle Werte bedingungslos von materiellen Dingen abhängen. Aber ich meine doch, daß materielle und finanzielle Bereitschaft sehr oft erst die Grundlage für eine wohlverstandene Kulturpolitik zu schaffen vermag. - Das ist der eine Antrag. Wir halten aber auch unseren Antrag hinsichtlich der finanziellen Unterstützung Berlins aufrecht, ({2}) und zwar deshalb, weil es sich auch hier um eine eminent politische, um eine Frage im besten gesamtdeutschen Sinne handelt. Die Bevölkerung der Stadt Berlin hat sich in früheren Zeiten und Jahrzehnten und vielleicht Jahrhunderten in ihrer Mischung von Preußentum und Hugenottentum die Bewunderung des deutschen Volkes zugezogen, - die Bewunderung, vielleicht nicht die Liebe. Aber in den letzten Jahren hat diese Bevölkerung doch gezeigt, von welchem Geiste sie ist und was in dies er Preußen- und Hugenottentradition Berlins steckt. Sie hat sich mehr verdient als nur die Hochachtung vor ihrer Tüchtigkeit. Wir können stolz sein auf das, was in Berlin geschehen ist. Wir meinen, daß man sich dazu in jeder Richtung bekennen müsse. Wenn man schon in Berlin ein Symbol sieht, dann muß man sich doch wohl auch ({3}) finanzpolitisch in würdiger Weise, d. h. ohne Vorbehalte und ohne Feilschen dazu bekennen. Damit bin ich im wesentlichen schon am Ende meiner Ausführungen. Nur mit einem letzten Wort möchte ich darauf hinweisen, daß sich ein gut Teil, vielleicht nicht der schlechteste, der berlinischpreußischen Überlieferung auf Grundsätze und Grundfragen des Finanzwesens und der Finanzpolitik bezieht. Preußen war einmal in seiner Finanzpolitik vorbildlich. Vielleicht ist es erlaubt, in diesem Hause den Alten Fritz zu zitieren. ({4}) Er hat ein sehr denkwürdiges Wort gesagt: Bei jedem Kreuzer, den man vom Staat her ausgibt, soll man bedenken, daß daran Schweiß und Tränen des werktätigen Bürgers kleben. Je aufwendiger ein Staat ist, desto weniger gut redet man von ihm, je weniger aufwendig er ist - da geht es ebenso wie bei einer guten Hausfrau -, desto weniger spricht man über und gegen ihn. Zum Schluß darf ich noch eine Bemerkung aus dem mir kürzlich zugegangenen Brief eines leitenden Beamten eines süddeutschen Rechnungshofs anführen. Darin heißt es, es müsse wieder dahin kommen, daß der einzelne Bürger darüber erstaunt ist, mit wie wenig Personal und sachlichem Aufwand der Staatsapparat auszukommen vermag, und es solle sich wieder jeder Diener im Staat um diesen Geist echter Sparsamkeit und echter Staatsgesinnung bemühen. Nach meiner Meinung sollten wir unter „Diener im Staat" nicht etwa nur den Beamten und öffentlichen Angestellten, sondern auch uns selbst verstehen. ({5})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Anregungen der Koalitionsfreunde zum Haushaltsplan haben meine politischen Freunde nichts hinzuzusetzen. Wir werden dem Haushaltsplan unsere Zustimmung geben. Nur einiges, was in der allgemeinen Diskussion nicht zur Sprache gekommen ist, möchte ich noch hinzufügen. Es handelt sich um die Ansichten meiner politischen Freunde, die für die zukünftige Behandlung und auch für die Publizität der Haushaltspläne doch wichtig sein können. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die Vorbemerkungen und Erläuterungen, die das Bundesfinanzministerium in diesem Jahre erstmalig herausgegeben hat, für alle, auch für diejenigen, die neu im Bundestag sind, die Grundlage für die Befassung mit der ganzen schwierigen Materie dieses 27-Milliarden-Haushaltsplans waren. Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Rede in der ersten Lesung betont, daß zwar die Länder am Etat des Bundes mitwirken, aber umgekehrt der Bund nicht an den Etats der Länder. Deshalb ist es den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und dieses Hohen Hauses gar nicht möglich, aus den Einzelplänen ohne weiteres zu erkennen, was die Länder vom Bund eigentlich zurückerhalten und wie sich das Aufkommen aus den Ländern gestaltet, das über die Bundeskasse wieder zurückfließt. Der Herr Kollege Arndgen hat hier mit einer Globalsumme von 5 Milliarden DM aufgewartet, die die Länder vom Bund bekommen. Meine politischen Freunde bitten den Herrn Bundesfinanzminister, wenn er im nächsten Jahre Unterlagen für den Haushaltsplan publiziert, auch aufzugliedern, in welcher Weise die verschiedenen Dotierungen an die Länder im laufenden Jahre erfolgen; dieses Material möge schon zu Beginn der Beratungen des Haushaltsplans vorliegen. Ich entsinne mich einer Besprechung im Haushaltsausschuß, in der der Bundesfinanzminister bei bestimmten Ausgaben darauf hingewiesen hat, daß beispielsweise das Land Schleswig-Holstein gegenüber bisher 86 Millionen DM nunmehr im Etat 1954/55 143 Millionen DM an Zuschüssen erhält. Über andere Länder sind derartige Zahlen im Haushaltsausschuß nie bekanntgemacht worden. Danach ist auch nicht ernstlich gefragt worden. Immerhin müßte man doch einmal die ländermäßige Aufgliederung der Einzelpläne, sagen wir, die Mittel für den Wohnungsbau, sagen wir, die Mittel für die Kriegsopferversorgung und alle diese Dinge, übersehen können, um sich darüber ein Bild machen zu können, was die einzelnen Länder im Rahmen des Bundeshaushalts aus den einzelnen Titeln erhalten. Der Grund dafür ist folgender. Ich habe erstmalig die Ehre gehabt, im Haushaltsausschuß mitwirken zu dürfen, und habe festgestellt, daß doch sehr viele der eingebrachten Anträge unter dem Gesichtspunkt einer bestimmten Landespolitik gestellt worden sind, z. B. Anträge bezüglich Straßen- und Kanalbauten, Anträge bezüglich Küstenschutz, Deichbauten und manche ähnlichen Dinge. Deshalb ist es, wenn über solche Anträge im Haushaltsausschuß positiv entschieden werden soll, wichtig, zu wissen, was - global gesehen - die Länder aus den 27 Milliarden DM bekommen und wie sich diese Summen im einzelnen auf die Haushaltspläne aufteilen. Meine politischen Freunde bitten also darum, durch Bekanntgabe dieser Zahlen und durch Darstellung der Verwendung der Mittel hierüber im Sinne des föderalistischen Aufbaues unserer Bundesrepublik eine größere Klarheit zu schaffen. Das zweite, was uns wichtig erscheint und was auch für die zukünftige Publizität entscheidend ist, ist die Übersicht über die Aufbringung der Mittel, die den Haushalt ausgleichen, und, soweit es sich um die direkten Steuern handelt, ihre Gliederung nach den Lastenträgern. Die indirekten Steuern und ihre Lastenträger sind bekannt; dagegen ist hinsichtlich aller Einnahmen aus den direkten Steuern die Verteilung auf die Lastenträger nicht klar. Durch unser Volk und durch die öffentliche Meinung geht immer wieder der Gedanke, daß die Lasten nicht gerecht verteilt sind. Das Gefühl, daß die eine oder andere Gruppe steuerlich ungerecht behandelt wird, darf auf die Dauer aus Gründen der Autorität und der Popularität der Demokratie nicht weiter um sich greifen. Wenn wir diese Auffassungen aus unserem Volk verbannen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als das Aufkommen aller Einnahmen auch einmal vom Lastenträger her darzustellen. Um es etwas lapidar zu sagen: Was zahlt die deutsche Landwirtschaft, was zahlt die deutsche Industrie, was zahlt das deutsche Handwerk, was zahlt der deutsche Handel usw., was zahlen diese und andere Gruppen zu der gesamten Haushaltslast? Mit derartigem Zahlenmaterial kann man allen Bevölkerungsgruppen gegenüber nachweisen und auch hier erörtern, ob wirklich die Auffassung von der ungerechten Belastung angesichts ihrer Verschie({0}) denartigkeit zu Recht besteht oder nicht bzw. ob man dieser Auffassung mit allen Mitteln entgegentreten muß. Wir haben darüber kein Zahlenmaterial, weder beim Bund noch bei den Ländern. Aber gerade diese Finanzstatistik ist nach unserer Auffassung wichtig, um der deutschen Bevölkerung nachzuweisen, daß die Steuerlast auf alle Klassen, Gruppen und Schichten gerecht verteilt ist. Der Herr Finanzminister möge sich für den nächsten Etat eingehend überlegen, ob dieser Nachweis möglich ist. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Etatrede praktisch die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers finanziell untermauert. Er hat zu allen Aufgaben, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung als die Aufgaben der Regierung bezeichnet hat, die finanzielle Erläuterung gegeben. Er hat die Fragen der Außenpolitik, der Sozialpolitik, der Agrarpolitik, der Kriegsfolgenhilfe, des EVG-Vertrages, des Deutschlandvertrages usw. vom finanziellen Standpunkt aus gewürdigt. In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers ist aber als eine der wichtigsten Aufgaben der Bundesregierung an mehreren Stellen auch die Förderung des Mittelstandes ausdrücklich erwähnt. Meine politischen Freunde vermissen in den bisherigen Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers, wie die Förderung des Mittelstandes in allen seinen Zweigen, Arten und Schichten finanziell untermauert werden soll, so wie die anderen, in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers erwähnten Aufgaben der Bundesregierung finanziell untermauert worden sind. Es wäre meines Erachtens leicht gewesen, der Öffentlichkeit etwas darüber zu sagen, wie diese Aufgabe finanziell gelöst werden soll. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Mittel des Wohnungsbaus praktisch der Produktivität des gesamten Bauhandwerks dienen, daß sie der Bauindustrie, dem Baustoffhandel und all den Kreisen zugute kommen, die mit der Bauwirtschaft zusammenhängen. In der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers hätte ruhig darauf hingewiesen werden können, daß das zu einer aktiven Mittelstandspolitik gehört. Bestimmte Maßnahmen der Gewerbeförderung, der Wirtschaftsförderung sind in ihrer soziologischen Bedeutung gleichzeitig Maßnahmen der Mittelstandsförderung. Ob man an die Mittel zur Förderung des Handwerks oder an die Förderungsmittel denkt, die der mittleren und kleinen Industrie zugute kommen, ob man an die Förderungsmittel denkt, die der Landwirtschaft zugute kommen, alles das bedeutet soziologisch gesehen eine aktive Mittelstandspolitik. Im Interesse der Glaubwürdigkeit und der öffentlichen Aufklärung hätte das in der Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers ruhig einmal erwähnt werden sollen. ({1}) Der deutsche Mittelstand sowohl im landwirtschaftlichen wie im gewerblichen und freiberuflichen Sektor wäre dem Herrn Bundesfinanzminister dankbar, wenn er das in Zukunft bei seiner Etatrede täte. ({2}) Der Haushaltsplan ist in diesem Jahre im Haushaltsausschuß und im Plenum nach Auffassung meiner politischen Freunde mit einer gewissen Überstürzung beraten worden. Im ganzen gesehen sind die Beratungen des Haushaltsausschusses gewissermaßen auf Hochtouren gelaufen. Für diejenigen, die erstmalig an den Haushaltsberatungen teilgenommen haben, war die Beschäftigung mit der Materie ein Durchpeitschen. Wir haben den Wunsch, daß der Haushaltsausschuß im nächsten Jahr die Dinge nicht so durchpeitscht, sondern mehr Zeit zur Einzelberatung hat. Das setzt natürlich voraus, daß der Herr Bundesfinanzminister den Haushaltsplan rechtzeitig, noch frühzeitiger vorlegt, als es in diesem Jahre geschehen ist. Noch ein kurzes Wort zu den Ausführungen der Opposition. Herr Professor Gülich hat mit beredten Worten dargestellt, daß die Förderung der wissenschaftlichen Forschung in unserer Bundesrepublik noch zu kurz komme und daß man noch mehr für die Wissenschaft, erst recht auch für die Geisteswissenschaften tun müsse. Herr Professor Gülich, ich möchte darauf hinweisen, daß das Absakken der wissenschaftlichen Potenz und der Rückgang der Förderung der wissenschaftlichen Forschung letzten Endes auch damit zusammenhängt, daß die geistigen Kräfte Deutschlands immer mehr einem Nivellierungsprozeß unterworfen worden sind, einem Nivellierungsprozeß, an dem Ihre Partei in den Jahren 1919 bis 1933 ja nicht schuldlos gewesen ist. ({3}) Der Nivellierungsprozeß, der durch die damalige Zeit gekommen ist, ({4}) wirkt sich selbstverständlich auch noch in der heutigen Zeit aus. ({5}) - Ich sage ausdrücklich, daß es schon 1919 bis 1933 zu einem Nivellierungsprozeß gekommen ist. ({6}) - Das hat sich selbstverständlich im Jahre 1933 fortgesetzt. Aber heute geht es darum, alles zu tun, damit die Nivellierung der Geistesarbeit einmal aufhört und diese Nivellierungstendenzen in ihr Gegenteil verkehrt werden. ({7}) Nur dadurch sind wir in der Lage, auf die Dauer die Maßnahmen zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung so durchzuführen, daß sie auch der Geistesarbeit effektiv zugute kommen. ({8})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Professor Gülich. Es wird damit keine zweite Garnitur der Redner eröffnet, wie ich annehme.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schild hat sich eben einige Bemerkungen erlaubt, auf die einzugehen ({0}) - Es klang wirklich fast nach Systemzeit, da haben Sie recht. ({1}) ({2}) Sich nach der ungeheuren Mißhandlung aller geistig schaffenden Menschen durch das Dritte Reich ({3}) hier hinzustellen und, ich muß sagen, mit frecher Stirn ({4}) zu behaupten, daß die Sozialdemokratische Partei am Niedergang der Geisteswissenschaften im Deutschland von 1919 bis 1933 die Schuld trage. ist eine grobe Behauptung, ({5}) die man nur niedriger hängen kann. ({6}) Meine Damen und Herren, die Frage der Förderung der wissenschaftlichen Forschung ist keine Frage, die etwas mit politischen Parteien zu tun hat. ({7}) Ich würde mich hüten, zu sagen, daß die eine oder die andere Partei als Partei einen größeren oder geringeren Anteil daran nehme. Aber wenn Sie das da behaupten, dann muß ich doch sagen: Es gehört zur alten Tradition der Sozialdemokratischen Partei, daß in ihr immer Wissenschaftler, Gelehrte von Rang tätig gewesen sind, die es auf Grund ihrer sozialen Stellung ja nicht nötig gehabt hätten, sich in die Reihen der kämpfenden Arbeiterschaft zu stellen, ({8}) die es aber getan haben aus ihrer sozialwissenschaftlichen Erkenntnis heraus, daß die soziale und wirtschaftliche Ordnung durch wissenschaftliche Erkenntnis geändert werden müsse, daß die wissenschaftliche Erkenntnis eine Vorbereiterin der Sozialpolitik und einer Änderung der gesamten Wirtschaftspolitik sein müsse. In diesem Sinne habe ich heute morgen gesagt, daß die wissenschaftliche Forschung in Deutschland zu kurz kommt. Ich habe nicht gesagt, daß die Naturwissenschaften zuviel bekommen, sondern ich habe die Relation zwischen den Aufwendungen für die Geisteswissenschaften und denen für die Naturwissenschaften beklagt. Herr Dr. Schild sagte, im Haushaltsausschuß würden manchmal Anträge gestellt von Abgeordneten aus gewissen Ländern für gewisse Länderzwecke, wie z. B. für Küstenschutz und Deichbau. Ich fühle mich angesprochen, denn ich habe den Antrag gestellt, die Mittel für Küstenschutz und Deichbau von 14 Millionen auf 20 Millionen DM zu erhöhen. ({9}) Ich habe auch einen Deckungsvorschlag dafür gemacht, und der Haushaltsausschuß ist meinen Argumenten gefolgt, und zwar gegen den Widerstand des Herrn Bundesfinanzministers, der erst gar nicht mitwollte und schließlich 3 Millionen anbot. Ich habe den Antrag aber doch nicht gestellt, weil es sich um eine Ländersache handelt, sondern weil Küstenschutz, Deichbau und Landgewinnung immer eine Aufgabe des Reichs gewesen sind ({10}) und heute eine Aufgabe des Bundes sind. ({11}) Daß diejenigen Abgeordneten, die von der Tragik der Abbröckelung des Landes durch die Gewalt des Wassers etwas wissen, daß diejenigen Abgeordneten, die die große Sturmflut am 4. Januar dieses Jahres erlebt haben und die Zerstörungen gesehen haben, die dadurch angerichtet worden sind, sich zum Sprecher einer Erhöhung der Bundesmittel für diese Aufgabe machen, ist doch selbstverständlich. Damit vertreten sie keine Länderinteressen, sondern echte Bundesinteressen. ({12}) Herrn Kollegen Lenz möchte ich sagen, daß er sich auf einen gefährlichen Weg begibt, wenn er eine 5%ige Kürzung der Personalausgaben anstrebt, wenn er in bezug auf die 5 % einen kw-Vermerk anbringen will. „kw" heißt bekanntlich „künftig wiederkehrend"! ({13}) Ein solcher Antrag ist ja auch nur formal und schematisch. Ich habe mich bemüht, mit meinen Ausführungen Ihr Interesse dafür zu gewinnen, daß wir an den Haushaltsplan nicht schematisch und nicht formal herangehen. Herr Kollege A r n d g en hat gesagt - ich darf jetzt wieder sagen, Herr Kollege Arndgen: ohne rot zu werden -, der Etat sei ausgeglichen. Ja, er wird doch durch die wiederholte Behauptung nicht ausgeglichen! ({14}) Dann müßten Sie mir schon nachweisen, daß er doch ausgeglichen ist. ({15}) - Sie sagen, „durch Ihre Anträge bestimmt nicht". Stimmt nicht! Herr Arndgen, Sie haben auch gesagt, wir hätten für 2,5 Milliarden Anträge gestellt, also eine Haushaltsverschlechterung um 2,5 Milliarden vorgeschlagen. ({16}) - Es waren bloß 2,1? Er sagte doch: 2,5! ({17}) - Bitte schön, dann habe ich Sie mißverstanden. Dann bitte ich um Verzeihung. - Also 2,1 Milliarden waren es, aber 2,1 Milliarden sind auch noch eine ganz schöne Summe. Bitte, dann betrachten wir die 2,1 Milliarden. Ein Antrag lautet, der Deutsche Bundestag möge beschließen, 1 Milliarde für Zwecke des zivilen Luftschutzes zu bewilligen; dafür möge er den Globaltitel 300 des Einzelplans 35 in Höhe von 9 Milliarden DM um 1 Milliarde DM kürzen. Natürlich wußte auch die SPD-Fraktion, daß, wenn ein solcher Antrag im Bundestag angenommen wird, damit dieser Globaltitel noch nicht gekürzt ist. Es handelt sich ja hier um Zahlungen an die Besatzungsmächte, die auf Grund der Macht, die sie ausüben, die Zahlungen bei uns einkassieren. ({18}) Aber ich habe mich doch sehr gewundert, daß Herr Bundesfinanzminister Schäffer mit großer Entrüstung hier aufgetreten ist und uns den Vorwurf gemacht hat, wir wollten den Haushalt um 1 Milliarde verschlechtern. Warum hat denn der Herr Bundesfinanzminister nicht mit uns gegen die Alliierten gekämpft, um ihnen zu sagen: Der Bundestag hat mir auferlegt, einen zivilen Luftschutz einzurichten, und ich soll eine Milliarde einsparen!? Warum hat er sich hier entrüstet hingestellt und ({19}) hat mit den Alliierten gegen den Bundestag gekämpft? ({20}) Das ist nicht einzusehen. ({21}) - Nein, es war kein Luftantrag, sondern ein Luftschutzantrag! Wie nötig der Luftschutz ist, darüber sind wir uns doch wohl alle einig, und der Herr Bundesinnenminister hat sich ja neulich nach der Beratung hierüber auch öffentlich geäußert. Ich habe eben den Deckungsvorschlag begründet und habe ja auch gesagt, daß damit die Deckung noch nicht erfolgt sei, sondern daß der Bundesfinanzminister für seine Verhandlungen mit den Alliierten die Rückenstärkung des Deutschen Bundestages haben sollte. ({22}) Das hätte er ruhig einmal versuchen sollen, und das hätten Sie ruhig mitmachen können. Wir wollen es uns ja nicht so bequem machen, daß wir sagen, Luftschutz sei nicht mehr nötig, weil die modernen Waffen einen Luftschutz überflüssig machten; das sagen ja viele, und eine solche Theorie wird vertreten. Man könnte sich auch vorstellen, daß es einen Krieg gäbe, der, wie in Korea, mit alten Mitteln auf deutschem Boden geführt wird, und daß wir dann den Luftschutz sehr dringlich benötigten. Ein anderer Antrag der SPD-Fraktion schlägt vor, vier Millionen DM für die Bergarbeiter des Eisenerzbergbaus zur Verfügung zu stellen und die Deckung für diese vier Millionen aus der am letzten Tage, am 31. März, im Haushaltsausschuß erfolgten Erhöhung des Verfügungsfonds des Bundeskanzlers für besondere Zwecke - Kap. 0403 Tit. 300 - um 4,5 Millionen auf 10 Millionen DM zu nehmen. Diesen Antrag auf Erhöhung des Verfügungsfonds haben Sie angenommen. Da das Parlament über die Verwendung dieser Summe nichts erfährt, haben wir einen Antrag gestellt, daß man eine Kommission von drei Abgeordneten einsetzen möge, die sich von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Verwendung dieser Mittel überzeugt. Mir scheint, das ist ein Antrag, dem die Billigkeit nicht versagt werden kann und dem Sie zustimmen könnten. Ich will Ihre Zeit nicht weiter in Anspruch nehmen. Herr Kollege Arndgen, es sind also zum Teil doch sehr ordentliche Deckungsvorschläge gemacht worden, und da kann man nicht einfach sagen, die Anträge der SPD-Fraktion brächten Haushaltsverschlechterungen von 2,1 Milliarden DM mit sich. Nun zu Herrn Bundesfinanzminister Schäffer. - Nein, ich muß vorher noch ein Wort sagen, das ich vorhin vergessen habe. Ich muß meiner Befriedigung Ausdruck geben, daß wir endlich eine Aufstellung über das Bundesvermögen - Einzelplan 60 - bekommen haben. Nun haben Sie, meine Damen und Herren, einen Antrag eingebracht, daß vier Ausschüsse - Geld und Kredit, Haushalt, Finanz- und Steuerfragen sowie Wirtschaftspolitik - sich mit der Regelung des Bundesvermögens befassen sollten. Dabei wünschen Sie - ich habe neulich schon darüber gesprochen - eine Trennung der Behandlung zwischen Liegenschaften und Beteiligungen. Ich habe mir die Sache noch einmal sehr genau durch den Kopf gehen lassen. Lassen Sie uns um der Einheit des Bundesvermögens willen nicht einen solchen verhängnisvollen Schritt tun! Ich möchte Ihnen wirklich empfehlen, sich das noch einmal zu überlegen und unseren Antrag anzunehmen, der die Einsetzung eines Unterausschusses mit der Federführung beim Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorsieht. Im Jahre 1935 hatte das Deutsche Reich 3000 bis 4000 Betriebe und Beteiligungen. Jetzt hat der Bund über 1000 Betriebe und Beteiligungen. Es bedarf, so meine ich, unserer gemeinsamen Überlegungen, wie dieses Bundesvermögen zu verwalten ist und was mit diesen enormen Betrieben und Beteiligungen geschehen soll. Ich möchte Ihnen hier erklären, daß Sie die sozialdemokratische Fraktion jederzeit zu jeder volkswirtschaftlich sinnvollen Regelung der Fragen des Bundesvermögens, der Bundesbetriebe und der Bundesbeteiligungen bereit finden werden. Nun ein Wort zum Herrn Bundesfinanzminister. Er behauptet, ich hätte Behauptungen erhoben, ohne sie zu beweisen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Lesen Sie das Protokoll nach! Meine Maxime ist im allgemeinen und ist auch heute wieder gewesen: ich sage immer ein bißchen weniger, als ich weiß, ich sage nie so viel, wie ich weiß, und ich sage niemals mehr, als ich weiß. Denn wenn ich mehr sage, als ich weiß und als richtig ist, dann erzeuge ich im anderen sofort den Widerstand, dann kann er sich gegen dieses Mehr ja sofort zur Wehr setzen. Sage ich aber weniger, dann gebe ich ihm Gelegenheit, in sich zu gehen und darüber nachzudenken. ({23}) Herr Minister Schäffer fragt, warum ich denn im Haushaltsausschuß keine Vorschläge zur Sparsamkeit gemacht hätte. Lesen Sie das Protokoll! Ich habe im Rahmen des geltenden Haushaltssystems sehr wohl Vorschläge gemacht, und ich schätze mich glücklich, daß eine ganze Reihe dieser Vorschläge vom Haushaltsausschuß angenommen worden sind. 500 000 DM mehr für die Deutsche Forschungsgemeinschaft - sehr hübsch! 40 000 DM mehr - nämlich zu 30 000 DM - für die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien; für diese 40 000 DM haben allerdings die Frühstücksfonds der vier Herren Sonderminister herhalten müssen, die von je 20 000 DM auf je 10 000 DM durch einhelligen Beschluß des Haushaltsausschusses auf meinen Antrag hin gekürzt worden sind. ({24}) Man könnte also sehr vieles dazu sagen. Ich habe Vorschläge gemacht, und niemand von den Kollegen vom Haushaltsausschuß wird mir meine sachliche Mitarbeit im Haushaltsausschuß auch nur eine Sekunde lang bestreiten. Aber ich habe darüber ja mehr gesagt. Ich habe gesagt, daß im Rahmen des geltenden Haushaltssystems die Manövriermasse größer ist, als sie erscheint. Und ich habe ja Gedanken ausgesprochen und Anregungen gegeben zu einer Änderung unseres Haushaltssystems. Von all dem, was ich positiv hier gesagt habe, hat Herr Kollege Schäffer nichts gesagt. Ich habe nicht behauptet, daß der Herr Bundesfinanzminister subjektiv unwahr sei, sondern ich habe gesagt, Herr Minister Schäffer mache sich durch gewisse, oft temperamentvolle, im Augenblick hervorquellende Äußerungen unglaubwürdig, und ich habe das bedauert. Also keine subjektive Unglaubwür({25}) digkeit, mithin auch kein Vorwurf, sondern im Effekt eine objektive Unglaubwürdigkeit; eine Äußerung, zu der ich mich nach wie vor bekennen muß. Ich brauche nur daran zu erinnern, wie Sie neulich hier bei unserem Luftschutzantrag aufgetreten sind und wie Sie das Parlament beschimpft haben, uns, die Opposition, beschimpft haben, oder wie Sie gelegentlich Aufrechnungen machen, was der Bund für Berlin tue, oder was der Bund für Schleswig-Holstein tue. Oder diese Bindungsklausel! Wir haben uns darüber unterhalten und haben Sokrates bemüht. Ich habe gesagt, die Gewährung von Heimkehrerhilfe ({26}) und die Gewährung von Mitteln für die Notstandsgebiete an die Erhöhung des Bundesanteils zu binden, - ({27}) - Das alles, verehrter Herr Kunze, gehört in das Kapitel der Dinge, von denen ich gesagt habe, daß sie ihn unglaubwürdig machen; und das kann ich nur wiederholen. ({28}) - Herr Kollege Kunze, ich habe ausdrücklich gesagt, daß ich ihm keine subjektive Unglaubwürdigkeit vorwerfe. ({29}) Das habe ich ganz klar zum Ausdruck gebracht. Infolgedessen sehe ich gar keine Schwierigkeit, verehrter Herr Kollege Schäffer, daß wir auch von heute ab wieder freundlich und nett miteinander sein könnten. ({30}) Es ist leider so, daß Sie, Herr Bundesfinanzminister, offensichtlich alles überhört haben, was ich Positives und was ich Nettes zu Ihnen gesagt habe, ({31}) und der Humor ist Ihnen leider auch heute ganz abhanden gekommen. Das ist schade, denn ich habe ein paar Dinge gesagt, die aus der Situation heraus kamen und über die man mir doch nicht gerade böse sein kann. Was die Schätzungen betrifft, so habe ich nicht behauptet, daß der Bundesfinanzminister das Steueraufkommen falsch geschätzt habe. Seine Steueraufkommensschätzungen sind in der Summe des Ganzen immer im wesentlichen richtig gewesen. ({32}) - Verehrte Frau Kollegin Weber, erkenne ich denn nicht an, was anerkannt werden muß? Er hat sich gelegentlich in den Ausgabeschätzungen grob geirrt, beispielsweise bei den Rentenzulagen für 1951, wo er 699 Millionen geschätzt hatte, während das tatsächliche Ist 513 Millionen war, also eine Überschätzung von 186 Millionen. Finanzminister haben es gelegentlich an sich, daß sie die Einnahmen gern ein bißchen kleiner und die Ausgaben ein bißchen größer schätzen. Auch das dient der Deckung des Haushalts. ({33}) - Ja, Herr Kunze, ich weiß das. Dagegen habe ich auch nichts gesagt. Ich glaube mich klar ausgedrückt zu haben, so daß ich nicht mißverstanden zu werden brauche. Ich habe mich kritisch geäußert. Ich möchte sagen, indem ich den Sozialdemokraten Wels zitiere, der in der letzten Sitzung des Deutschen Reichstags 1933 nach der Regierungserklärung des neuen Reichskanzlers Adolf Hitler eine mannhafte und kluge Rede gehalten hat - es war die letzte Reichstagssitzung, in der diskutiert wurde; später wurde ja nur noch gesungen -: Kritik ist heilsam und notwendig, ({34}) und Wels hat damals bedauert, daß die Kritik nun nicht mehr möglich sein würde. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß meine Kritik notwendig war, und ich glaube, daß sie auch heilsame Wirkungen ausüben wird. Das werden wir beim nächsten Bundeshaushalt ja erleben. ({35})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung. Zur Einzelberatung stehen lediglich die Einzelpläne an, zu denen Änderungs- oder Entschließungsanträge vorliegen. Das ist nicht der Fall bei Einzelplan 01, Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes. Zu Einzelplan 02 - Haushalt des Deutschen Bundestages - liegen Ihnen zwei Änderungsanträge der Fraktion der FDP auf Umdruck 99 und 100 und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 95 vor. Zur Begründung des Antrags Umdruck 100 - ({0}) - Sie wollen die andere Reihenfolge. Zur Begründung des Antrags Umdruck 99 Herr Abgeordneter Dr. Reif!

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, bei den Überlegungen, die Sie anstellen, wenn Sie über unsern Antrag Umdruck 99*) entscheiden, an die Ausführungen zu denken, die Herr Kollege Gülich in dem Teil seiner Rede gemacht hat, in dem er, was man ihm wohl zugeben muß, für das Parlament als solches gesprochen hat. Die Kollegen, die dem 1. Bundestag angehört haben, werden sich an die außergewöhnliche Bedrängnis erinnern können, die darin bestand, daß für Abgeordnete überhaupt keine Arbeitszimmer vorgesehen waren; ein merkwürdiger Zustand, wenn man daran denkt, daß schon im alten Deutschen Reichstag über die Notwendigkeit einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Abgeordneten gesprochen wurde; ein Zustand, den man versteht, wenn man sich daran erinnert, daß die Bemühungen einiger Kollegen des Parlamentarischen Rates, die Vorbereitung der Einrichtung des neuen Bundestages in die Hände einer Kommission erfahrener Parlamentarier zu legen, scheiterten und daß statt dessen das Büro der Herren Ministerpräsidenten, damals die alleinige Spitze der Ministerialbürokratie, die Vorbereitung in die Hand nahm. Danach ist sie auch. Man könnte den Eindruck haben, als habe man es darauf angelegt, uns nach Möglichkeit nicht arbeiten zu lassen. *) Siehe Anlage 3 Seite 1272 B ({0}) Nun hat sich inzwischen die Unmöglichkeit dieses Zustands herumgesprochen. Diese Gespräche haben zu jener architektonisch nicht übermäßig ansprechenden, aber immerhin nützlichen Einrichtung des Hochhauses geführt. Seit dieser Zeit kämpfen wir um die schrittweise Erweiterung und Verbesserung unserer Arbeitsmöglichkeiten. Es scheinen mir kameralistische oder etatistische Vorstellungen des Bundesrechnungshofs zu sein - ich vermute das deshalb, weil ich einmal von einem Gutachten des Rechnungshofs Kenntnis bekommen habe, worin er die Größe einer Parlamentsbibliothek ungefähr nach dem Schema der Behördenbibiliotheken zu bemessen für richtig fand -, auf Grund deren man für einen Abgeordneten, ich glaube, 1,7 qm rechnet; es kann auch irgendeine andere Zahl sein, ich weiß es nicht genau. Man sagt, ganz gleich, ob zwei oder drei oder sogar, wie uns in einem Vorschlag zugemutet worden ist, fünf bis sechs Abgeordnete in einem Arbeitszimmer sitzen, die Hauptsache ist, daß die Quadratmeterzahl stimmt. Als ob geistige Arbeit nach Quadratmetern bemessen werden könnte und als ob nicht vielmehr die Ungestörtheit desjenigen, der arbeitet, wichtiger wäre als die Zahl der Quadratmeter oder der Kubikmeter, die man ihm zubilligt! Von solchen Ausmaßen redet man bei Beerdigungen, wenn man die Größe, die notwendigerweise gebraucht wird, um jemanden unter die Erde zu bringen, berechnet. Fahren wir in dieser Methode der mechanischen, äußerlichen Bewertung der Arbeitsbedingungen eines Mitglieds der gesetzgebenden Körperschaft fort, so werden wir einen Beitrag zur Beerdigung des Parlamentarismus leisten. Ich hoffe aber, daß der Appell, den der Herr Kollege Gülich heute früh an das Solidaritätsgefühl des Hauses in bezug auf seine Pflicht, seine Rechte wahrzunehmen, gerichtet hat, auch in dieser Frage fruchtbar wird. Deshalb möchte ich Sie bitten, unserem Antrag auf Umdruck 99 zuzustimmen. Mein Kollege Mende wird einen Antrag begründen, der in ähnlicher Richtung darauf abzielt, die Arbeitsfähigkeit des Hauses zu verstärken und damit im Sinne der Demokratie einen Schritt weiterzukommen. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich bitte zunächst den Antrag Umdruck 100 zu begründen. Herr Abgeordneter Dr. Mende!

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 100*) hat eine zweijährige Vorgeschichte. Nachdem im Jahre 1951/52 einige Kollegen von einer Studienreise aus Amerika zurückgekommen waren, wo sie die ausgezeichnete Einrichtung des Gesetzgebungshilfsdienstes, des Legal Reference Service, kennengelernt hatten, gingen Bemühungen in diesem Hause dahin, auch für den Bundestag einen Gesetzgebungshilfsdienst zu schaffen, um von der Exekutive und ihrer Ministerialbürokratie unabhängiger zu werden, als das gegenwärtig noch der Fall ist. Ich erinnere mich, daß ich seinerzeit mit den Herren Kollegen Mellies und von Merkatz ein Rundfunkgespräch geführt habe, in dem wir uns darüber einig waren, daß nicht etwa der gesamte Gesetzgebungshilfsdienst des amerikanischen Kongresses übernommen werden könne, weil uns das *) Siehe Anlage 4 Seite 1273 einfach finanziell nicht möglich sei, daß wir aber Anfänge einrichten sollten, aus denen sich allmählich ein Gesetzgebungshilfsdienst entwickeln sollte. Als guter Anfang erschien uns damals die Einrichtung von etwa 20 bis 30 Stellen für parlamentarische Referenten. Der vorliegende Antrag, der etwas generell abgefaßt ist, sieht die Einsetzung eines Betrages von 250 000 DM im Einzelplan 02 vor. Auf Grund dieses Betrages könnten 20 Planstellen nach TOA II für solche parlamentarische Referenten eingerichtet werden. Es gibt dann die Möglichkeit, sie ressortmäßig als Gesetzgebungshilfsdienst zusammenzufassen oder, was damals auch diskutiert wurde, sie den Fraktionen zuzuteilen und auch die Anstellung den Fraktionen zu überlassen. Dabei würden nach dem heutigen Stärkeverhältnis auf die CDU/CSU-Fraktion 8, auf die SPD 6, auf die FDP 3, auf den GB/BHE 2 und auf die DP 1 parlamentarische Referenten entfallen. Die Begründung für diese Einrichtung haben wir während unserer eigenen Tätigkeit im 1. Bundestag schon zur Genüge erfahren. Wir alle stellen doch fest, daß das Initiativrecht des Art. 76. unserer Verfassung wesentlich verkümmert ist, was den Bundestag anbetrifft. Das Recht, Gesetze einzubringen, steht gleichermaßen der Bundesregierung, dem Bundestag und dem Bundesrat zu. Im 1. Bundestag aber sind 90 % aller Gesetze durch die Exekutive eingebracht worden, und nur der kümmerliche Rest ist aus dem Hause selbst hervorgegangen, weil eben die Hilfsmittel fehlen, weil die wissenschaftlichen Mitarbeiter fehlen, um im Hause selbst einen Gesetzentwurf zu erarbeiten. Das ging sogar so weit, daß draußen Verbände in ihren Reihen Gesetzentwürfe verfaßt haben, die dann hier von einzelnen Fraktionen übernommen und unter der Firma einer Fraktion eingebracht wurden. Das ist eine sehr peinliche Degenerationserscheinung des Initiativrechtes eines Parlaments. Wir haben ferner festgestellt, daß es nötig ist, bei einem Gesetzentwurf zu prüfen, ob die Materie überhaupt gesetzlich geregelt werden muß. Im 1. Bundestag lagen fast 500 Gesetzesvorlagen vor, von denen rund 350 verabschiedet wurden. Es ist doch der Eindruck entstanden, daß mancher Gesetzentwurf seine Entstehung mehr dem Fleiß eines Referenten in einem Ministerium und weniger der materiellen Notwendigkeit verdankte. Auch hier sollte dieses Gremium der parlamentarischen Referenten als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter darüber wachen, daß die Gesetzgebungsmanie, die nicht nur in Deutschland, sondern überall in der Welt eine moderne Zeitkrankheit des 20. Jahrhunderts ist, etwas eingedämmt wird. Wenn wir so weiter fortschreiten, wird am Ende das gesamte individuelle Leben und werden alle individuellen Freiheiten durch jenes Spinnennetz von Gesetzen stranguliert, das sich über das gesamte öffentliche und private Leben legt. ({0}) Und das dritte Problem. Im Jahre 1950 standen wir beim Kriegsopfergesetz vor der Frage: Welche Regelungen der Kriegsopferversorgung liegen denn in den anderen westlichen Ländern vor? Das Bundesarbeitsministerium war damals nicht in der Lage, uns eine rechtsvergleichende Darstellung zu geben. Es dauerte Wochen, bis wir Vergleiche mit einigen benachbarten Staaten durchführen konnten. Also auch hier: Erforschung der jeweiligen Gesetzesmaterie bei den benachbarten Staaten, da({1}) mit die Möglichkeit geschaffen wird, im Parlament zu Rechtsvergleichen zu kommen! ({2}) Und das letzte, meine Damen und Herren. Wir haben im 1. Bundestag festgestellt, daß viele Gesetze unter einem Zeitdruck zustande kamen und daß die Maschinerie dieses Hauses zeitweise zu schnell in Gang gesetzt wurde. Ich erinnere an zwei peinliche Versehen, die hier passiert sind. Im Jahre 1953 haben wir alle miteinander bei der Frage der gemeinsamen Besteuerung von Ehemann und Ehefrau einen haushaltstechnischen Fehler ersten Ranges gemacht, und im 2. Bundestag haben wir bei der Novelle zum Heimkehrerentschädigungsgesetz die Berlin-Klausel vergessen. Alle miteinander, also sowohl das Parlament wie unsere Mitarbeiter aus der Bundestagsverwaltung, haben übersehen, daß zu dem Gesetz noch eine Berlin-Klausel gehörte, und der Ältestenrat stand vor einer peinlichen Situation. Meine Damen und Herren, wenn 20 leidenschaftliche junge Leute, die sich dem Parlamentsrecht innerlich ergeben haben, uns bei unseren Gesetzgebungsarbeiten helfen, dann ist die Gefahr solcher Versehen zumindest geringer, als sie gegenwärtig ist. Ich schlage Ihnen daher vor, diesem Antrag zuzustimmen und dem Bundestagspräsidenten oder dem Bundestagsvorstand zu überlassen, die beste Form zu finden, um den Gesetzgebungshilfsdienst dem, was bereits an Anfängen besteht, noch hinzuzufügen. Ich glaube, wir tun auch den jungen Menschen, die nach abgeschlossener Berufsausbildung besonderes Interesse am Parlamentsrecht haben, einen Gefallen, wenn wir sie hier in dem lockeren Angestelltenverhältnis arbeiten lassen. Im englischen Parlamentsleben ist mancher bekannte Politiker aus der Sekretariatsarbeit hervorgegangen, die er als Parlamentssekretär eines Abgeordneten begonnen hat, z. B. der jetzige Außenminister Eden. Wir tun uns selbst einen Dienst und wir tun auch der Demokratie einen Dienst, wenn wir sie stärken gegenüber jenen Degenerationserscheinungen, die in dem heutigen Mißverhältnis zwischen Exekutive und Legislative sichtbar sind. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesfinanzminister Schäffer.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag Umdruck 99 darf ich eine kurze Feststellung treffen. Nach § 14 der Reichshaushaltsordnung ist es unzulässig - ausgesprochen unzulässig -, in einen Haushalt Ausgaben für bauliche Unternehmungen einzusetzen, solange Pläne, Kostenberechnungen, Erläuterungen, aus denen die Art der Ausführung ersichtlich ist, Kosten der baulichen Maßnahmen etc., nicht vorliegen. Ausnahmen können bei Beträgen über 500 000 Mark nicht genehmigt werden, auch vom Bundesfinanzminister nicht. Der Antrag in Umdruck 99 wäre infolgedessen nach der Reichshaushaltsordnung unzulässig. Ich darf doch bemerken, daß der Antrag auch nicht mit der dritten Lesung des Haushaltsgesetzes in unmittelbaren Zusammenhang gebracht werden müßte. Eine sofortige Durchführung der Bauten, jetzt, wo noch keine Pläne und nichts vorliegen, ist ja in diesem Haushaltsjahr nicht zu erwarten. Die neuen Haushaltsberatungen beginnen bereits in den nächsten Wochen innerhalb der Ressorts. Für das neue Jahr könnte ein Posten aufgenommen werden; aber für das laufende Jahr ist es weder möglich noch zulässig. Ich bitte, dann auch noch eine kurze Bemerkung zu dem Antrag Umdruck 100 machen zu dürfen. An sich wollte ich eigentlich auf die Sachlage selbst nicht eingehen. Ich möchte aber doch in einer Bemerkung, die durch die Begründung des Antrags veranlaßt wird, folgendes feststellen: Zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und zwischen der deutschen Bundesrepublik ist verfassungsrechtlich ein himmelweiter Unterschied. ({0}) In den Vereinigten Staaten macht die Regierung überhaupt keine Gesetzesvorlagen. Wenn dem Antrag entsprochen wird, besteht die Gefahr, daß eine Bürokratie auf der einen Seite und eine Bürokratie auf der anderen Seite wächst und beide eifersüchtig darüber wachen - sagen wir mal -, dem anderen seine Arbeit bestimmt nicht zu erleichtern. Diese Gefahr besteht in den Vereinigten Staaten nicht. Das System liegt in der deutschen Bundesrepublik verfassungsrechtlich ganz anders. Wenn wir heute im allgemeinen das Bestreben haben, die sogenannte Bürokratie nicht wachsen zu lassen, dann sehe ich hier eine Keimzelle, die vielleicht die Gefahr des Wachsens von zwei Bürokratien, die miteinander in Konkurrenz stehen, hervorrufen könnte. Aber ich möchte nur auf eines hinweisen. Genau wie bei dem anderen Falle ist auch hier der Antrag sehr überraschend in der dritten Lesung des Haushaltsplans gestellt worden. Ich halte das Problem für so schwerwiegend, daß man schon wegen der Auswirkungen nicht in dieser kurzen Zeit darüber Beschlüsse fassen, sondern die Dinge sich überlegen sollte. ({1}) - Daß seit zwei Jahren darüber gesprochen wird, ist gerade ein Beweis, daß das keine Frage ist, die man ohne weiteres aus dem Handgelenk entscheiden kann. Dann möchte ich auf folgendes hinweisen. Selbst wenn heute der Antrag angenommen würde, hätte er wahrscheinlich keine große praktische Bedeutung, weil die Anstellung der 20 Referenten, von denen gesprochen worden ist, doch nicht sofort erfolgen würde. Die Beratungen würden schon ({2}) - Moment! - rein verwaltungsmäßig solange dauern, daß man die Beratungen des nächsten Haushaltsplans abwarten könnte. Wir beginnen ja mit den Haushaltsvorbereitungen innerhalb der Ressorts und mit der Unterbreitung der Vorschläge bereits Mitte Mai. Erst zu diesem Zeitpunkt wird es dem Direktorium des Hauses möglich sein, den Anspruch anzumelden. Warum spreche ich dagegen? Weil es Schwierigkeiten gibt. Wenn Sie einen Ausgabenantrag im ordentlichen Haushalt stellen, dann kann der Haushalt im ganzen nur verabschiedet werden, wenn ein Abgleichungsposten gefunden ist, den Sie in Ihrem Antrag bedauerlicherweise noch nicht vorgeschlagen haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie ein roter Faden zog sich durch die Ausführungen der Redner bei der Generaldebatte heute morgen der Gedanke hindurch, daß alles getan werden müsse, um die Bürokratie einzudämmen und vor allen Dingen die Verwaltung nicht weiter aufzublähen. Das ist ein Thema, das mir persönlich sehr warm übers Herz gekommen ist. ({0}) Das wissen meine Freunde aus dem Haushaltsausschuß. Ich habe sechs Jahre lang diesen Kampf gegen die sich immer mehr aufblähende Bürokratie geführt. Ich freue mich, daß ich heute morgen in so großer Gesellschaft bin. Aber ich muß Ihnen sagen, ich bin sehr enttäuscht, daß im Anschluß an diese Ausführungen jetzt zwei Anträge der FDP, einer Partei unserer Regierungskoalition, auf den Tisch flatterten, in denen nach meiner Meinung nichts mehr und nichts weiter verlangt wird, als unsere eigene Bürokratie im Bundestag weiter aufzublähen. Ich habe im Haushaltsausschuß im vordersten Kampf gegen die Einrichtung des Parlamentsdienstes gestanden. Weil ich weiß, daß, wenn auch dieser Antrag abgelehnt wird, die Diskussion im Haushaltsausschuß wieder entfacht werden wird, möchte ich auch einmal grundsätzlich dazu Stellung nehmen. Es wurde immer wieder gesagt - das wurde beispielsweise auch von Herrn Dr. Lenz und von Herrn Dr. Eckhardt angeführt -, wir werden in diesem Sommer im Haushaltsausschuß in einer Sommerarbeit einmal feststellen, ob man nicht die Verwaltungen wieder etwas vereinfachen kann. Wir wollen uns Ministerium für Ministerium vornehmen; das wird eine sehr erfreuliche Arbeit sein. ({1}) - Ob viel dabei herauskommen wird, Herr Mellies, glaube ich noch nicht. Aber ich muß Ihnen doch eines sagen. Der Ruf nach dem Rechnungshof scheint mir völlig falsch zu sein; denn alle Stellen, die bis jetzt eingerichtet wurden, wurden mit der Mehrheit der Stimmen dieses Hohen Hauses eingerichtet. Im Haushaltsausschuß ist über jede Stelle beraten worden. Die Meinungen sind geteilt gewesen; aber schließlich ist für alle Stellen in den Ministerien, die wir geschaffen haben, eine Mehrheit vorhanden gewesen. Sie hier in diesem Hohen Hause haben auch zugestimmt. In unserem eigenen Hause beispielsweise haben wir seit 1949 die Zahl der Beamten und Angestellten jedes Jahr um ungefähr 60 erhöht. Ich habe zwar keine Ursache, an der Arbeit unserer Angestellten und Beamten Kritik zu üben, denn auch ich weiß ganz genau, was die Angestellten und Beamten beispielsweise in unserem Haushaltsausschuß zu leisten haben. Ich möchte aber doch die Frage aufwerfen: Wodurch ist diese Vergrößerung herbeigeführt worden? Sie ist nicht etwa entstanden, weil unser Präsident den Ehrgeiz hatte, eine große Verwaltung zu haben, sondern einzig und allein wegen unserer Ansprüche. Wir Abgeordneten sind es gewesen, die für diese und jene Einrichtung immer wieder eine weitere Ausstattung, wie es so heißt, gewünscht haben. Heute haben wir einen Personalbestand von weit über 700. Wenn der Parlamentsdienst eingerichtet wird, sind die 250 000 DM nur ein erster Anfang. Es wird eine Kette ohne Ende. Im nächsten Haushaltsplan werden wir dann sicher 60 neue Stellen finden. Damit wäre die gleiche Zahl wie bisher in jedem Jahre wieder erreicht. Dagegen wehren wir uns, und ich bin glücklich, daß ich mich dabei in der Gesellschaft aller befinde. ({2}) Nun ein Wort zu dem Vergleich mit Amerika, Herr Dr. Mende. Ich bin auch in Amerika gewesen. Man kann wirklich nicht alles, was in diesem reichen Land gemacht wird, auf uns übertragen. ({3}) Ich habe mir die Zahlen von dort geben lassen. In der Bundesverwaltung der Vereinigten Staaten waren beispielsweise 1933 insgesamt 600 000 Beschäftigte. Im Jahre 1953 betrug die Zahl 2 548 000, und zwar ohne Berücksichtigung der Verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten und der Kommunen. Wenn ich diese Entwicklung betrachte, muß ich sagen: Das darf und kann für unser armes Deutschland kein Beispiel sein. ({4}) Übrigens ist auch in Amerika die Erkenntnis gereift, daß man auf diesem Wege nicht weitergehen kann. Ich habe in der Presse gelesen, daß man eine neue Stelle eingerichtet hat, die damit beauftragt ist, diese Aufblähung zu beseitigen. Man hat einen der namhaftesten und klügsten Politiker damit betraut, wieder den einfachen Weg zu finden. Das ganze Volk hat genug von dem Papierkrieg. Ich bin in meiner Heimatgemeinde Bürgermeister und weiß, wie sich der Papierkrieg im Laufe der Zeit ausgeweitet hat. Das Volk möchte jetzt wieder zu vereinfachten Verwaltungen kommen. Deshalb bitte ich, die beiden Anträge abzulehnen. Dabei will ich nur noch mit ein paar Sätzen auf den Antrag Umdruck 99 zu sprechen kommen. Ich weiß, daß jetzt für alle Abgeordneten Unterkunftsmöglichkeiten gegeben sind. Ich kann nicht einsehen, daß wieder Baupläne nötig sind. ({5}) Die Mehrzahl der Mitglieder dieses Hohen Hauses kennt meine Einstellung hierzu. Ich bin der Meinung, daß das genügen muß, was wir jetzt haben. Wir haben die erforderlichen Sitzungs- und Arbeitsräume für die Abgeordneten. Sie reichen auch für die Zukunft. ({6}) - Mit dreien sitze ich in einem Zimmer. Das ist aber ein sehr großer und schöner Raum. ({7}) Ich meine, wir sollten wegen dieser Baupläne nicht auf Einzelheiten eingehen. Im Haushaltsausschuß kann man besser darüber sprechen. Ich halte es nicht für richtig, in aller Öffentlichkeit in eine eingehende Aussprache über diese Fragen einzutreten. Eines muß ich Ihnen aber erklären, daß ein großer Kreis von Abgeordneten sagte: „Jetzt kommt die Probe aufs Exempel. Bis hierher und nicht weiter." ({8}) Durch die Vergrößerung der Abgeordnetenzahl - gegen die ich gewesen bin! - haben wir sehr hohe Ausgaben für Bauten gehabt. ({9}) Meine Damen und Herren, machen Sie jetzt Schluß mit den Bauplänen! Es wurde vorhin von der ({10}) Krisis der Demokratie gesprochen, - gehen Sie in Ihre Versammlungen und hören Sie sich einmal an, was in der Diskussion gesagt wird! Das Volk möchte unter keinen Umständen eine weitere Aufblähung der Bürokratie und Schluß mit den Verwaltungsbauten. Da liegt die Krisis der Demokratie. Deshalb bitte ich darum, daß die beiden Anträge unserer Koalitionspartei, der FDP, abgelehnt werden. ({11})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch. ({0})

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zwar ungefähr dasselbe sagen wie mein Kollege Brese; ({0}) aber als Vorstandsmitglied des Bundestags und zugleich als Mitglied des Haushaltsausschusses glaube ich in dieser Materie doch besser bewandert zu sein. Deshalb möchte ich Ihnen empfehlen, heute nicht in eine heiße Diskussion pro oder contra diese beiden Anträge einzutreten, sondern sie, wenngleich nicht zur Berücksichtigung im Haushalt 1954, doch zur Prüfung für den Haushalt 1955 dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Vorstand des Bundestags bzw. die Raumkommission hat erst gestern die Raumverteilung abgeschlossen. Jetzt muß sich zunächst einmal erweisen, wie die Dinge laufen. Wenn es sich im Verlaufe dieses Jahres dann herausstellen sollte, daß tatsächlich einige oder gar mehrere Abgeordnete ungenügend und unzureichend untergebracht sind, wären der Vorstand des Bundestags und die Verwaltung durchaus in der Lage, Abhilfe zu schaffen. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments geht ja wirklich allem anderem vor. ({1}) Aber, wie gesagt, zunächst einmal muß nachgeprüft werden, ob die Arbeitsfähigkeit des Parlaments durch die augenblickliche Raumverteilung wirklich noch beeinträchtigt ist. Zum Antrag Umdruck 100 wollte ich Ihnen nur sagen, daß der Vorstand des Bundestags sich schon mehrfach mit der Einrichtung beschäftigt hat, über die Herr Kollege Mende so lobend aus Amerika berichtet hat. Wir haben zwar nicht die Absicht, einen gleichen parlamentarischen Hilfsdienst hier aufzubauen. Aber beim Einzelplan 02 haben wir mehrere Stellen zur Erweiterung der Abteilung III, der wissenschaftlichen Abteilung des Bundestags, vorgeschlagen, und Sie waren so freundlich, diese Stellen in der zweiten Lesung auch zu bewilligen. Die Abteilung III, die wir weiter ausbauen, will den Abgeordneten bei ihrer Arbeit zur Seite stehen. Ich habe den Eindruck, daß sehr viele Abgeordnete noch nicht einmal wissen, wie viele Hilfe und welchen Rat sie immer bekommen können, wenn sie sich an die wissenschaftliche Abteilung wenden. Ich bitte das Hohe Haus darum, sich einmal recht eifrig davon zu überzeugen, ob die Abteilung III, ob der wissenschaftliche Dienst so, wie er jetzt besteht und im Haushalt 1954 beschlossen ist, wirklich in der Lage ist, Ihnen zu helfen. In diesem Zusammenhang wurde auch davon gesprochen, daß sogar Verbände Gesetzentwürfe erarbeiten, die dann von Abgeordneten eingereicht werden. Obwohl das im Augenblick nicht zur Sache gehört, möchte ich doch dazu einige Worte sagen. Dieses . Vorlegen von Gesetzentwürfen von Verbänden oder Vereinigungen ist keineswegs immer Dienst am Parlament und geschieht nicht aus purer Nächstenliebe, sondern sehr häufig aus ganz, ganz anderen Gesichtspunkten. Es erfolgt bestimmt nicht, um die Arbeit des Parlaments zu vereinfachen oder den Parlamentariern zu helfen. Ich glaube, das dürfen wir hier nicht als Beispiel für die Notwendigkeit des parlamentarischen Hilfsdienstes hereinziehen. Ich empfehle Ihnen also, wie schon zu Beginn gesagt, die beiden Anträge dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung beim Haushalt 1955 zu überweisen und davon abzusehen, noch für den Haushalt 1954 die Einsetzung der Beträge zu verlangen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehlers.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000438, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zur Klarstellung einige Dinge sagen, damit wir wissen, worum es sich handelt. Herr Kollege Reif hat zur Begründung des Antrages - 2 Millionen DM für einen Erweiterungsbau zur Schaffung von Räumen für Abgeordnete - davon gesprochen, daß man die Abgeordneten offenbar nach Möglichkeit nicht arbeiten lassen wolle und daß man bei der Verteilung kameralistische Vorstellungen habe, indem man in einem Zimmer mehrere Abgeordnete, und zwar nach Quadratmetern, unterbringe. Ich darf Sie freundlichst daran erinnern, daß wir, seit wir hier zusammengetreten sind, das von ihm architektonisch etwas angezweifelte, von mir auch nicht gerade als die Höchstleistung der deutschen Architektur angesehene, aber durch mancherlei Bedingtheiten so gewordene Abgeordnetenhochhaus errichtet haben, daß wir weiterhin jetzt den Fraktionsflügel angebaut haben und daß wir durch beide Bauten erheblichen Raum für die Fraktionen und für die Abgeordneten gewonnen haben. Sie wollen sich freundlichst daran erinnern, daß wir vor vier Jahren außer für die Mitglieder der Fraktionsvorstände und die Ausschußvorsitzenden überhaupt keinen Abgeordnetenraum und keinen Platz für die Arbeit der Abgeordneten gehabt haben. ({0}) Wir sind immerhin heute so weit, daß wir in einer einigermaßen angemessenen Verteilung - für deren Schwierigkeit eigentlich nur die Raumkommission des Vorstandes ein echtes Verständnis haben kann, da sie sich immer wieder damit herumgeschlagen hat - wenigstens für jeden Abgeordneten einen Arbeitsplatz haben. Daß das nicht luxuriös ist, daß wir uns in dieser Verteilung der Arbeitsplätze von den Vorstellungen der Ministerien in bezug auf die Aufteilung der Arbeitsplätze für die höheren und mittleren Beamten wesentlich unterscheiden, wissen wir alle; und daß das wahrscheinlich kein überzeugender Gesichtspunkt ist, wissen wir auch. Aber, meine verehrten Damen und Herren, ich habe sowohl aus den Beratungen des Haushaltsausschusses als auch aus den Beratungen des Vorstandes jedesmal die Mahnung mitgenommen, daß der Bundestag sich in der Gestaltung seiner Bauten so zurückhaltend und bescheiden wie möglich benehmen sollte. Das war nicht meine Überzeugung, sondern das ist die geschlos({1}) sene Überzeugung dieses ganzen Hauses gewesen. Ich darf meine eigene Meinung noch dahin präzisieren, daß wir es sehr schwer haben, bestimmten an uns herantretenden Anforderungen zu widersprechen, wenn wir in der Gestaltung unserer eigenen Arbeitsverhältnisse, auch in der Schlichtheit der Gestaltung nicht vorbildlich sind. ({2}) Für diesen Antrag ist tatsächlich eine architektonische und kostenmäßige Grundlage überhaupt noch nicht vorhanden. Die Bundesbaudirektion, um das einmal zu erwähnen, hat die Frage, ob man den Südflügel noch einmal aufstocken könne, erwogen - das ist offenbar die letzte bauliche Möglichkeit, die wir in diesem Komplex überhaupt noch haben -, diesen Gedanken aber nicht zu Ende geführt. Ich möchte darum auch vorschlagen, diesen Antrag dem Haushaltsausschuß nicht zur Berücksichtigung, sondern zur Beratung beim Haushalt 1955 zu überweisen. Er mag dann prüfen, was er für nötig hält; und der Vorstand des Bundestages wird dazu auch noch seine Meinung zu sagen haben. Das zweite ist der Antrag des Herrn Kollegen Mende. Es steht ja nicht so, Herr Kollege Mende, daß wir uns über diese Dinge keine Gedanken gemacht haben. Sie erinnern sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, soweit Sie dem 1. Bundestag angehört haben, daran, daß vor etwa drei Jahren, als einige Abgeordnete aus Amerika zurückgekommen waren, ein sehr starker Impuls für die Einrichtung eines Gesetzgebungshilfsdienstes entstand. Ich erinnere mich, wie wahrscheinlich auch Sie, daran, daß das erste, was wir davon gesehen haben, ein Stellenplan war, an dessen Spitze eine B 4-Stelle stand und der einen erheblichen Apparat enthielt. Wir haben damals in größerer Mehrheit, wenn ich mich recht erinnere, diesen Gedanken nicht verfolgt. Wir haben ihn immer wieder bei Haushaltsberatungen aufgegriffen und haben dort jedesmal zum Ausdruck gebracht, daß man die sogenannte Wissenschaftliche Abteilung, das, was man zum Mißvergnügen des Herrn Kollegen Professor Gülich bei uns Bibliothek und Archiv nennt, entsprechend dem tatsächlichen Bedarf weiter aufbaut, d. h. das Personal, das um der anfallenden Arbeit willen nötig ist, einstellt. Es ist darauf hinzuweisen, daß dem Vorschlag, den der Vorstand des Bundestages gemacht hat, im Haushaltsausschuß nicht in vollem Umfange entsprochen worden ist, sondern daß in dieser Abteilung gerade in diesem Haushaltsjahr in der zweiten Beratung eine 6b-Stelle, eine A2b-Stelle, eine A2c2Stelle, eine TOA IV-Stelle usw. nicht bewilligt oder gestrichen worden sind. Das heißt also, wir waren in der zweiten Beratung offenbar der Meinung, daß hier an einigen Stellen nicht benötigte Kräfte erfordert worden sind. Dann scheint es mir aber ein etwas schwieriges Verfahren zu sein, nun in der dritten Beratung summarisch einen Betrag von einer Viertelmillion einzusetzen, der für 20 TOA II-Kräfte reicht. Meine Damen und Herren, ich vermag nicht zu übersehen, an welcher Stelle das einzusetzen ist. Der Haushaltsausschuß hat sich so viel Mühe gegeben, jede einzelne Position eines Stellenplans bis zu den TOB-Stellen durchzuprüfen, daß ich es nicht für möglich halte, zu sagen: Hier werden summarisch etwa 20 TOA II-Stellen bewilligt. Dazu käme noch, daß wir dann erst über die Arbeit, die Aufgliederung und den Arbeitsanfall im klaren sein müßten. ({3}) Die Frau Kollegin Rösch hat mit Recht gebeten, diesen Hilfsdienst zu benutzen. Ich habe mir vor wenigen Wochen einen Überblick über die Inanspruchnahme dieses Dienstes durch die Abgeordneten und die Fraktionen verschafft und habe dabei festgestellt, daß die an diesen Dienst herangetragenen Aufgaben mit den augenblicklichen Kräften bewältigt werden können. Es war, wenn ich mich recht erinnere, Frau Kollegin Hubert, die gerade durch einen Zwischenruf eine sehr positive Äußerung über diese Arbeit abgab. Dann scheint mir ja der Bedarf im Augenblick gedeckt zu sein. ({4}) Ich würde darum ebenfalls die Bitte haben - nicht um zu sagen, wir brauchten keine größere Unterstützung der parlamentarischen Arbeit, obwohl ich der Meinung bin, Herr Kollege Mende, es läßt sich eine Parallele zwischen Deutschland und Amerika in dieser Frage nicht ziehen, ({5}) sondern, um diese Dinge wirklich im einzelnen arbeitsmäßig und personell zu prüfen; denn es passiert doch vorher, insbesondere im Laufe dieses Sommers, nichts -, daß man auch diesen Antrag dem Haushaltsausschuß zur Beratung beim Haushalt 1955 überweist. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich auf einige Worte zu dem Umdruck 99 beschränken. Zu dem Antrag Umdruck 100 über die Einstellung wissenschaftlicher Referenten wird unser Kollege Mommer sprechen, weil er schon im 1. Bundestag in dieser Richtung einen Vorstoß unternommen hat. Wir sind damals an dem Widerstand der Mehrheit dieses Hauses gescheitert, wir sind jedoch froh über jeden reuigen Sünder und über jeden verlorenen Sohn, der zurückkehrt. Nun einige Worte zum Umdruck 99 *), worin beantragt wird, 2 Millionen DM für einen Erweiterungsbau des Bundestages bereitzustellen. Die erste Frage, die auftaucht, wenn man diesen Antrag liest, ist natürlich: Wo wollen wir eigentlich noch bauen? Ich sehe kein Gelände, das frei ist, und wie wir hören, ist auch eine Aufstockung nicht möglich. Ich glaube außerdem, die Arbeit im Bundeshaus erfordert es, daß wir endlich einmal von der ewigen Unruhe des Bauens loskommen. Wir sollten erst einmal die Beendigung der jetzigen Bauten abwarten, uns dann einen generellen Überblick über das, was an Raum zur Verfügung steht, und über den Bedarf, der ansteht, verschaffen. Es wird keinen Abgeordneten dieses Hauses geben, der, wenn wirklich ein dringender Bedarf vorliegt, nicht bereit wäre, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Aber, Herr Kollege Brese, ich glaube, Sie dramatisieren die Dinge, wenn Sie bei der Frage der Beschaffung ordnungsmäßiger Arbeitsplätze und Arbeitsmöglichkeiten für die Bundestagsabgeordneten von einer Krise der Demokratie sprechen. Das scheint mir weit über das Ziel hinauszugehen. ({0}) Herr Kollege Brese, dann, glaube ich, wäre es notwendiger, daß Sie den gleichen Maßstab bei den Bauten der so teuren Ministerien in der *) Siehe Anlage 3 Seite 1272 B. ({1}) Koblenzer Straße anlegen, die jedem Staatsbürger sichtbar sind. ({2}) Denn, Herr Kollege Brese, die Demokratie wird nicht dadurch gefährdet, daß die Abgeordneten des Bundestages einen ausreichenden Arbeitsplatz bekommen. Sie wird sicher viel eher dadurch gefährdet, ({3}) daß die Bürokratie zuviel Arbeits- und Büroräume hat. Wir sind mit der Überweisung des Antrags an den Haushaltsausschuß für die Beratung des Haushaltsplans 1955 einverstanden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte für meine Freunde die Erklärung abgeben, daß wir mit der Überweisung des Umdrucks 99 an den Haushaltsausschuß einverstanden sind, weil schließlich die Zeit, die gebraucht würde, selbst wenn rein haushaltsmäßig heute eine Beschlußfassung zustande käme, sich wahrscheinlich nicht sehr unterscheiden würde von der Zeit, die wir riskieren, wenn wir die Dinge dem Haushaltsausschuß zur Beratung für den Haushaltsvoranschlag 1955 übergeben. Ich möchte mich entschieden gegen Äußerungen wenden, wie sie hier von Herrn Kollegen Brese und auch vom Herrn Präsidenten gemacht worden sind. Niemand von uns hat die Absicht, dem Hause zu empfehlen, luxuriöse Einrichtungen zu schaffen. Der Herr Präsident selber hat darauf hingewiesen, daß wir nicht das Selbstbewußtsein haben, uns etwa mit einer Sekretärin in einem Ministerium oder mit einem Herrn Oberbaurat in der Bundesbaudirektion zu vergleichen. So hochmütig sind wir nicht. Das, worum es geht, ist der bescheidene Arbeitsplatz, an dem ein Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft in Ruhe arbeiten kann, auch dann, wenn der Abgeordnete die Einrichtungen des Hauses benutzt, und erst recht dann, wenn er die wissenschaftlichen Einrichtungen benutzt, wobei es ihm auch einmal möglich sein muß, mit einem Besucher ein Gespräch zu führen, ohne immer gezwungen zu sein, das im Restaurant, im großen Fraktionszimmer oder auf dem Korridor zu tun. Der Herr Präsident hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir - was ich schon gesagt hatte - zweieinhalb Jahre lang ohne Arbeitszimmer ausgekommen sind, was aber durchaus nicht etwa ein Vorzug dieses Hauses war, sondern eben der Sachverhalt, der mich zu der Frage veranlaßte, wie denn überhaupt die Einrichtung dieses Hauses seinerzeit zustande gekommen ist. Da bleibe ich bei meiner Auffassung, daß Persönlichkeiten maßgebend waren, die vom Parlamentsbetrieb entweder nichts verstanden oder nichts verstehen wollten. Ganz entschieden möchte ich auch den Hinweis auf die Krise der Demokratie zurückweisen. Wir wissen alle, zu welchen Äußerungen gelegentlich eine Diskussion über die Diätenerhöhung geführt hat. Ich glaube, es besteht ein Unterschied zwischen der gefühlsmäßigen Behandlung der Diätenfrage in unserer Bevölkerung und der Beurteilung des Anspruchs eines Mitgliedes dieses Hauses auf geordnete Arbeitsbedingungen. Hätte man von Anfang an einen anderen Weg eingeschlagen, hätte man von Anfang an Arbeitsräume, vielleicht sogar Arbeitskräfte aus allgemeinen Mitteln zur Verfügung gestellt und dafür die Diätenfrage bescheidener geregelt, ich glaube, das hätte im Volk mehr Verständnis gefunden als die jetzige Regelung. Ich glaube nicht, daß der deutsche Wähler so töricht ist, daß er wünscht, jemanden ins Parlament zu wählen, dem dann aus äußerlichen Gründen diejenigen Arbeitsbedingungen versagt werden, die man in der Verwaltung dem einfachsten Sachbearbeiter zubilligt. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat sich schon im 1. Bundestag darum bemüht, für uns, für die Abgeordneten einen kleinen Bruchteil der Fachkräfte und wissenschaftlichen Mitarbeiter einzustellen, die wir Jahr für Jahr der Verwaltung bewilligen. Leider ist man uns damals nicht gefolgt; sonst könnten wir auf dem Gebiet schon sehr viel weiter sein. Auch bei der zweiten Beratung des Haushalts hat mein Fraktionskollege Professor Gülich zu diesem Thema gesprochen und Gedanken darüber entwickelt, wie ein solcher wissenschaftlicher Dienst aufgebaut werden könnte. Ich glaube, es ist nicht zweckmäßig, sich hier im Plenum darüber zu streiten, ob man warten muß, bis der vorhandene Dienst überlastet ist, und sich dann erst entschließt, eine Kraft mehr einzustellen, oder ob es richtiger ist, die Abgeordneten sozusagen aufzufordern, mehr und besser zu arbeiten, indem man zusätzlich qualifizierte Kräfte einstellt und dann darauf rechnet, daß sie auch in Anspruch genommen werden. Aus eigener Erfahrung kann ich den vorhandenen Dienst der Abteilung III nur loben. Aber die Leistungsfähigkeit ist doch im wesentlichen auf das Beschaffen von Dokumenten und Unterlagen begrenzt. Wenn Sie zu Ihrer Arbeit einmal mehr brauchen, etwa schon eine gewisse Vorauswahl dieser Dokumente und eine Vorbearbeitung eines Problems, dann ist unser Dienst nicht in der Lage, das zu tun; und gerade das ist die Funktion, die dieser Dienst etwa in den Vereinigten Staaten hat. Lassen Sie mich ein Wort zu dem Vergleich zwischen hier und drüben sagen. Man kann nun einmal hier wie drüben mit Hilfe einiger qualifizierter Kräfte mehr und besser arbeiten, als wenn man diese Hilfe nicht hat. Dieses einfache Prinzip gilt hier wie in Amerika. In Amerika ist man reicher, gewiß! Aber wie dort drüben die Verwaltungsbürokratie unendlich viel größer ist als die unsrige, so wird sicher auch das, was wir hier an einem solchen wissenschaftlichen Hilfsdienst aufbauen könnten, niemals die Proportionen erreichen können und soll sie nach unserem gemeinsamen Willen auch nicht erreichen, die dieser Dienst drüben in Amerika hat. Ob man überhaupt in dieser Richtung etwas tut, und zwar im Sinne des wirklichen Organisierens, Herr Präsident - was meines Erachtens heißt, auch hervorrufen, was man will, und nicht nur warten, bis das Bedürfnis selbst sich allgemein und unwiderstehlich geltend macht, ({0}) sondern auch sein Aufkommen begünstigen und es erleichtern, daß die Abgeordneten sich so verhal({1}) ten, wie die Minister es ihrer Verwaltung gegenüber tun, indem sie nämlich diese Verwaltung einschalten, um ihre politischen Ziele zu verfolgen -, ob man das also bewilligt oder nicht bewilligt, ob man dem Herrn Bundesfinanzminister folgt, der einen Referentenstab nur bei der Verwaltung sehen möchte, das ist, glaube ich, eine Frage der Selbsteinschätzung des Parlaments. Wir sollten damit aufhören, solche Fachkräfte nur der Verwaltung zu bewilligen, für uns selbst uns aber mit unzulänglichen Hilfsmitteln zu begnügen. Wir sind damit einverstanden, daß dieser Antrag im Haushaltsausschuß eingehender beraten wird. Ich darf dann einige Sätze zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 95*) sagen, mit dem das Präsidium des Bundestages beauftragt werden soll, die Voraussetzungen zu schaffen, daß die wörtlichen Berichte der Bundestagsverhandlungen am Morgen nach den Beratungen gedruckt vorliegen. Vielleicht hat jeder im Hause es schon schmerzlich vermißt, daß der Text unserer Beratungen erst am dritten Tage gedruckt vorliegt. In modernen Parlamenten, wie in Washington, in London und in Paris, liegt am anderen Morgen früh der gedruckte Bericht vor, gleichviel, wie spät die Sitzung zu Ende gegangen ist. Meine Damen und Herren, was man da kann, muß man auch hier können. Es handelt sich hier nicht um eine Kritik an unserem Stenographischen Dienst. Im Gegenteil, hier ist vielleicht die Gelegenheit, unseren Stenographen einmal für ihre großen Leistungen unseren Dank und unsere Anerkennung auszusprechen. ({2}) Sie haben einen so schwierigen Beruf, daß es schwer ist, in der ganzen Bundesrepublik die anderthalb Dutzend oder zwei Dutzend Kräfte zu finden, die für die Gestaltung dieses Dienstes notwendig sind. Wenn wir zu dem System der modernen Parlamente, von denen ich einige nannte, übergehen wollen, dann wird es nötig sein, den Stenographischen Dienst personell zu verstärken. Es sind auch andere Umorganisationen in dem weiteren Verlauf der Herstellung dieser Berichte notwendig. Vor vier Jahren hat der Organisationsausschuß eine eingehende Untersuchung darüber gemacht, wie es auch bei uns möglich ist, am anderen Morgen die Stenographischen Berichte vorzulegen. Man kann das, was da erarbeitet worden ist, zum Teil noch heute verwerten. Wenn wir den von uns beantragten Beschluß fassen und ihn recht bald in die Tat umsetzen, erleichtern wir uns selbst die Arbeit, die wir ja doch auch nach den Sitzungen mit dem leisten müssen, was hier gesagt worden ist. Ich glaube, dann werden wir, sofern der Präsident es einmal ausnahmsweise erlauben würde, den ungeteilten Beifall der Damen und Herren auf der Pressetribüne haben, von deren Arbeit das Echo abhängt, das unsere Reden und Beschlüsse hier im Bundestag draußen im Lande haben. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sinn unseres Antrages, den der Herr Abgeordnete D r. Ehlers zur Beratung *) Siehe Anlage 2 Seite 1272 A für den kommenden Haushalt überwiesen haben möchte, ist es, den Herrn Präsidenten Dr. Ehlers in seinem ständigen Bemühen zu unterstützen, dem Parlament jene Geltung zu verschaffen, auf die es einen Anspruch hat. Ich glaube also, Herr Kollege Brese, es kann nicht davon geredet werden, daß wir hier eine neue Bürokratie schaffen wollten oder daß wir das amerikanische System kritiklos übernehmen wollten. Herr Kollege Mommer hat schon davon gesprochen; es kommt darauf an, aus dem amerikanischen System das unseren Verhältnissen Gemäße zu übernehmen. ({0}) Art. 76, Herr Finanzminister, steht nun einmal in unserer Verfassung, und niemand kann doch leugnen, daß das Initiativrecht zu 90 % heute bei der Exekutive liegt, das Initiativrecht des Parlaments jedoch verkümmert. Hier wollen wir eine Änderung schaffen. Herr Kollege Gülich sprach von den „simples terrificateurs". Ich darf das Wort wieder richtigstellen und von den „terribles simplificateurs" sprechen, von den schrecklichen Vereinfachern, die in unserem Antrag etwa die Vermehrung der Bürokratie des Bundestages sehen wollen. Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, zu sparen, aber am richtigen Ort und nicht dort, wo dann in diese Bresche andere einspringen. Ich sehe, Herr Kollege Brese, die Krise der deutschen Demokratie und des deutschen Parlamentslebens darin, daß vorparlamentarische Kräfte hier hineindrängen und Gesetzentwürfe auf dem Umweg über syndikalistische Tendenzen in das Parlament kommen, weil wir nicht den wissenschaftlichen Apparat haben, um sie selbst zu erarbeiten. Das ist die Krise der Demokratie in Deutschland. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen zu Einzelplan 02 liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Änderungsanträge. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 100. ({0}) - Die Antragsteller haben sich damit einverstanden erklärt. Wer für die Überweisung des Antrags Umdruck 100 an den Haushaltsausschuß ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Der Antrag ist gegen eine Stimme überwiesen. Zu Änderungsantrag Umdruck 99 der gleiche Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Zwei Stimmen gegen die Überweisung. Es ist dann noch über den Entschließungsantrag Umdruck 95 abzustimmen. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen. Wer für die Annahme des Einzelplans 02 in der dritten Lesung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Zu Einzelplan 03, Haushalt des Bundesrates, keine Anträge. Einzelplan 04, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. ({1}) Hier ist über die Änderungsanträge Umdruck 74 und Umdruck 73 sowie über den Entschließungsantrag Umdruck 60 zu entscheiden. Der Antrag Umdruck 74 *) wird von der sozialdemokratischen Fraktion gestellt; er betrifft den Titel „Zur Verfügung des Bundeskanzlers für Förderung des Informationswesens". Wer begründet diesen Antrag? ({2}) - Der Antrag wird nicht weiter begründet. Sodann der Antrag Umdruck 73**), ebenfalls von der sozialdemokratischen Fraktion, Kap. 0403 Tit. 300 um 4 Millionen DM auf 6 Millionen DM zu kürzen. Wer wird diesen Antrag begründen? ({3}) - Er wird auch nicht mehr begründet. Endlich der Entschließungsantrag Umdruck 60 ***), ebenfalls von der sozialdemokratischen Fraktion. Wird er auch nicht begründet? ({4}) Ich eröffne die allgemeine Aussprache über diese Anträge. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.

Dr. Otto Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001324, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD hat den Antrag Umdruck 60 ***) gestellt, das amtliche Handbuch des zweiten Deutschen Bundestages und ferner die Stenographischen Berichte des Deutschen Bundestages den deutschen Volksbüchereien laufend gratis zur Verfügung zu stellen. Wir sind auch sehr dafür, daß über die Tätigkeit des Bundestages und seiner Abgeordneten in weitestem Umfang eine gute Orientierung gegeben wird. Auch die Zurverfügungstellung des amtlichen Handbuchs kann hierzu beitragen. Wir glauben aber nicht, daß sie lediglich auf die Volksbüchereien beschränkt werden sollte. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, daß allein für die Volksbüchereien ein Betrag von ca. 140 000 DM erforderlich wäre. Wir sind jedoch bereit, Punkt 1 des Antrags in der Form zuzustimmen, daß die Bundesregierung ersucht wird. die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, um eine angemessene Verbreitung des Handbuchs des Bundestages bei allen interessierten Stellen zu ermöglichen. Zu Punkt 2 möchte ich bemerken, daß die laufende Versendung der Stenographischen Berichte des Bundestages an alle Volksbüchereien uns kein geeigneter Weg zu sein scheint, um eine Aufklärung über die Arbeit des Bundestages zu schaffen, ganz abgesehen davon, daß die Kosten hierfür sich auf etwa 450 000 DM belaufen würden. Ich würde es für besser halten, wenn etwa „Das Parlament", das ja zur Unterrichtung über die Tätigkeit des Bundestages geschaffen worden ist, diesen Stellen zur Verfügung gestellt würde. Wir bitten deshalb, den Punkt 2 abzulehnen, und beantragen getrennte Abstimmung.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 74. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, *) Siehe Anlage 6 Seite 1275 **) Siehe Anlage 5 Seite 1274 ***) Siehe Anlage 7 Seite 1276 die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Antrag Umdruck 73. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Entschließungsantrag Umdruck 60. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({0}) - Es ist sehr schwierig, absatzweise abzustimmen, weil die Entschließung nur einen Absatz hat. Zunächst wird abgestimmt bis einschließlich der Worte: „das amtliche Handbuch des 2. Deutschen Bundestages". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist insoweit angenommen. Nun der Rest des Entschließungsantrags, beginnend mit „2.". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; insoweit ist also der Antrag abgelehnt, so daß der Beschluß nur noch lautet: Der Herr Bundeskanzler wird gebeten, aus seinem Dispositionsfonds - Kap. 0403 Tit. 300 - die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um den deutschen Volksbüchereien, insbesondere in den Mittel- und Kleinstädten, das amtliche Handbuch des 2. Deutschen Bundestages zur Verfügung zu stellen" usw. Einzelplan 04 in der nunmehrigen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen. Einzelplan 05, Haushalt für den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Hierzu liegen die Entschließungsanträge Umdruck 24*) und Umdruck 25**) vor. Wer begründet? ({1}) - Beide ohne Begründung. Wird das Wort dazu verlangt? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen, zunächst über Umdruck 24. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 25. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nun lasse ich abstimmen über den Einzelplan 05 selbst. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 05 ist angenommen. Einzelplan 06, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Hier ist über die Änderungsanträge Umdrucke 75 und 76 sowie über den Entschließungsantrag zu Drucksache 356 Ziffern 1 und 2 zu bescheiden. Wer begründet die Änderungsanträge? ({2}) - Das Wort hat der Abgeordnete Fritz Maier! *) Siehe Anlage 3 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Seite 844 A. **) Siehe Anlage 4 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Seite 844 B.

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die öffentliche Diskussion über die bei Atomversuchen festgestellte Wirkung der neu entwickelten H-Bomben hat in der gesamten Weltöffentlichkeit Angst und Panik hervorgerufen. Die Tatsache, daß eine einzige Bombe einen Wirkungsbereich von 1000 Meilen und darüber hat, führte mancherorts zu einer defaitistischen Stimmung, in der alle Schutzmaßnahmen als wirkungslos bezeichnet und deshalb als überflüssig abgelehnt werden. So haben beispielsweise die Stadtväter der im 2. Weltkrieg so sehr heimgesuchten Stadt Coventry beschlossen, den zivilen Luftschutz aus ihrem Aufgabenbereich zu streichen. Prompt antworteten britische Regierungsstellen, wissenschaftliche Versuche hätten erwiesen, daß es tatsächlich recht wirksame Schutz- und Abwehreinrichtungen selbst gegen Atomwaffen gebe, und ordneten an, daß die Stadtverwaltung ihre Anstrengungen auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes weiterzuführen habe. Auch in der Bundesrepublik gibt es weite Bevölkerungskreise, die alle Luftschutzmaßnahmen als sinnlos ablehnen. Sie sehen sogar jede Initiative auf dem Gebiete des passiven Luftschutzes als Mittel zur Erzeugung einer Kriegspsychose an. Wie aus einem Pressebericht am Ende des vergangenen Jahres hervorgeht, hat eine vom Deutschen Luftschutzverband angeregte Umfrage bei Eltern von Schülern einer Schule im Ruhrgebiet ein vernichtendes Ergebnis gezeitigt. Auf einem Zettel sollten die Eltern vermerken, wie sie zum modernen Luftschutz stehen. Fast alle Antworten waren auf die Formel zurückzuführen: Wer den Luftschutz will, der will den Krieg. Diese Argumentation dürften alle, die sich aus Beruf, aus Interesse oder als für das Schicksal ihrer Mitmenschen Verantwortliche ernsthaft mit der Frage des Schutzes der Zivilbevölkerung beschäftigen, für unlogisch halten. Seit Jahren wird in den meisten Ländern der Welt an der Fortbildung von wirksamen Luftschutzeinrichtungen und -maßnahmen auf Grund der Erfahrungen aus dem zweiten Weltkriege und der im Korea-Krieg gemachten Beobachtungen weitergearbeitet. Wie der Herr Bundesinnenminister in seiner Rede anläßlich der zweiten Beratung des Haushalts darlegte, hat man auch in seinem Hause seit Jahren die Entwicklung auf dem Gebiete des Schutzes der Zivilbevölkerung nicht nur aufmerksamst verfolgt, sondern ist auch dazu übergegangen, sich die Erfahrungen anderer Länder nutzbar machend, mit dem Aufbau eines zivilen Bevölkerungsschutzes zu beginnen. Welche Bedeutung die Atomwaffen in der Zukunft haben können, darüber haben sowohl der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung vor einigen Wochen als auch mein Freund Ollenhauer in seiner Rede zur Außenpolitik entsprechende Ausführungen gemacht. Aber für diejenigen Kolleginnen und Kollegen unter uns, die trotz der überzeugenden Darlegungen des Herrn Bundesinnenministers über die Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen auf dem Gebiete des Luftschutzes und trotz des lebhaften Echos, das durch den Antrag meiner Fraktion auf Einsetzung einer Milliarde DM in das zuständige Kapitel des Einzelplans 06 und seine eingehende Begründung in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, der Meinung sein sollten, daß Luftschutz im Zeitalter der Atomwaffen, wie man sagt, für die Katz sei, sei gesagt, daß in einem zukünftigen Kriege auch andere Waffen als H-Bomben zur Anwendung kommen würden; und für diese Waffen gibt es tatsächlich wirksame Schutzeinrichtungen, die erprobt sind. Der Herr Bundesminister hat dem Hohen Hause in seiner Etatrede mitgeteilt, daß er im Anschluß an eine Studienreise seiner Luftschutzexperten in die Vereinigten Staaten einen Luftschutzplan vorlegen werde, der es möglich machen soll, die Bundesrepublik in Sachen Luftschutz in einigen Jahren auf den Stand zu bringen, wie ihn andere europäische Staaten heute schon haben. Meine Fraktion ist, wie ich schon bei der zweiten Lesung ausführte, der Meinung, daß bei der Ausführung des für das laufende Haushaltsjahr vorgesehenen Wohnungsbauprogramms gewonnene Erkenntnisse auf dem Gebiete des Schutzraumbaues in den zu bauenden Wohnhäusern schon berücksichtigt werden sollten. Dazu bedarf es aber größerer Mittel, als sie der diesjährige Haushalt vorsieht. Wir haben schon bei der zweiten Lesung des Einzelplans 06 einen Antrag auf Erhöhung des Kapitels Luftschutz um 1 Milliarde DM gestellt und Ihnen auch den entsprechenden Deckungsvorschlag gemacht, den heute mein Freund Professor Gülich wiederholt hat. Ich bin überzeugt, nach der letzten außenpolitischen Debatte besteht keine Meinungsverschiedenheit mehr darüber, daß der Wehrbeitrag für die ersten sechs Monate des neuen Haushaltsjahrs nicht mehr beansprucht wird. Das aber bedeutet, daß der Herr Bundesfinanzminister den Differenzbetrag zwischen Besatzungskosten und Wehrbeitrag mindestens für ein halbes Jahr für den von uns geforderten Zweck verfügbar hat. Inzwischen hat er bei den neuen Verhandlungen über die Neufestsetzung des Wehrbeitrags die Möglichkeit, den Alliierten die besonders luftgefährdete Situation des deutschen Volkes darzustellen. Vielleicht kann er sich bei dieser Unterhaltung das gleiche Thema stellen, das der Chef der amerikanischen Luftschutzorganisationen als Überschrift über eine ganze Artikelserie verwendete: „Müssen 20 Millionen Menschen sterben?" Meine Damen und Herren, Sie haben damals, in der zweiten Lesung, mit der Mehrheit des Hauses unseren Antrag, den wir heute neu in Umdruck 76 *) vorlegen, wie alle unsere Änderungsanträge abgelehnt. Inzwischen ist in verschiedenen Presseäußerungen, u. a. in einem Artikel des Herrn Kollegen Dr. Bucerius, zum Ausdruck gekommen, daß man auch in den Kreisen der Regierungsparteien Bedenken gegen die rigorose Handhabung der Ablehnungsmaschine bekommen hat. Vielleicht haben die eindringlichen Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers gleichfalls zum Nachdenken veranlaßt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, nicht gewillt sind, die Verantwortung für den Schutz unserer Zivilbevölkerung mit zu tragen, wo Sie doch mit der Bewilligung des Wehrbeitrags ein gewaltiges Risiko für die Bevölkerung der Bundesrepublik eingegangen sind. Deshalb darf ich die Erwartung aussprechen, daß Sie Ihre in der zweiten Lesung eingenommene Haltung revidieren und heute dem von uns wieder aufgenommenen Antrag Umdruck 76 Ihre Zustimmung geben. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Bundesinnenminister Dr. Schröder. *) Siehe Anlage 9 Seite 1278

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Maier hat bereits darauf hingewiesen, daß ich mich in der zweiten Beratung des Haushalts zu der unbedingten Notwendigkeit der Vorbereitung des zivilen Luftschutzes bekannt und darüber hinaus meiner Freude darüber Ausdruck gegeben habe, daß dies ein Problem ist, das innerhalb dieses Hauses nicht streitig ist. Wie ich zuversichtlich hoffe, werden wir bei der Bearbeitung der damit zusammenhängenden Fragen volle Unterstützung von allen Seiten finden. Den Aufsatz meines Freundes und Kollegen Dr. Bucerius, den Herr Kollege Maier gerade zitiert hat, kenne ich leider nicht; aber vielleicht ist er so freundlich, mir die Fundstelle zu geben. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, daß die deutsche Studienkommission, von der ich damals gesprochen habe, in den nächsten Tagen in die Vereinigten Staaten reisen wird, um dort mit den amerikanischen Sachverständigen einen Gedankenaustausch über die Fragen des Luftschutzes durchzuführen. Die Berichte der Studienkommission werden die Grundlage dafür geben, daß unsere Luftschutzplanung noch einmal überprüft werden kann. Dann wird der Augenblick gekommen sein, in dem der Bundesregierung ein Luftschutzprogramm vorgelegt wird, und - ich wiederhole, was ich bereits damals gesagt habe - erst dann wird und kann die Bundesregierung zu der Frage der Finanzierung des zivilen Luftschutzes Stellung nehmen. Ich hoffe, daß ihre Vorschläge dann die Zustimmung des ganzen Hauses finden werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird Umdruck 75 noch begründet? - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann lasse ich abstimmen, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 75*). Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 76**)!. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Dann lasse ich abstimmen über die Entschließung - zu Drucksache 356 -, zunächst Ziffer 1. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ziffer 2 des Antrages der Drucksache zu Drucksache 356! Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Nunmehr lasse ich abstimmen über den Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Wer für die Annahme des Einzelplanes 06 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 09 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Hier ist ein Änderungsantrag Umdruck 77 gestellt. Wird der Antrag begründet? Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist. *) Siehe Anlage 8 Seite 1277 **) Siehe Anlage 9 Seite 1278

Dr. Heinrich Deist (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000367, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Umdruck 77*) entspricht dem gleichlautenden Antrag, den wir in der zweiten Lesung gestellt haben. Ich darf mich daher auf die Begründung beziehen, die wir im Rahmen der zweiten Lesung gegeben haben, und Sie bitten, dem Antrag zuzustimmen. Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, dann, um einige zusätzliche Bemerkungen zu machen. Es erscheint uns nicht uninteressant, daß der Kollege Dr. Höck auf seine Anfrage vom März dieses Jahres am 26. April 1954 eine Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers bekommen hat, die etwa seiner Antwort in diesem Hause bei der zweiten Lesung entsprach. Diese Antwort ist sehr ausführlich; es sind zwei ausgeschriebene Druckseiten. Nun müssen wir feststellen, daß nach dieser Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers die Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 98 eine Entschließung einbringt, in der es heißt: Die Bundesregierung wird ersucht, im Hinblick auf die gegenwärtige Absatzlage im deutschen Eisenerzbergbau . . . Maßnahmen zu erwägen, die geeignet sind, die Folgen dieser Krise für die betroffenen Kreise zu beheben, namentlich solche, die einen Absatz deutscher Erze in einer ausreichenden Menge ermöglichen. Meine Damen und Herren, es scheint mir doch wohl richtig, daraus den Schluß zu ziehen, daß auch die CDU mit der Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die vor acht Tagen erstattet worden ist, nicht ganz zufrieden ist. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in der zweiten Lesung gesagt, daß für die Bundesregierung schwerlich eine Möglichkeit bestehe, einzugreifen. Jetzt werden von Ihrer Seite Maßnahmen gefordert, die doch verhältnismäßig weit gehen. Ich darf dann noch eine weitere Bemerkung dazu anfügen. Es gibt tatsächlich Kreise, die sich ernsthaft bemühen, Maßnahmen herbeizuführen, die diese Sorge vom Eisenerzbergbau nehmen. So ist der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen sehr eifrig auf diesem Gebiet tätig. Wenn ich nicht ganz falsch unterrichtet bin, hat er auch erreicht, daß jedenfalls bis zum Herbst dieses Jahres weitere einschneidende Maßnahmen im Eisenerzbergbau nicht ergriffen werden. Es gibt also schon gewisse Möglichkeiten für die Wirtschaftspolitik, dann, wenn sie will, ihre Auffassung durchzusetzen. Allerdings besteht da ein kleiner Unterschied. Im Lande Nordrhein-Westfalen stehen wir nämlich im Juli vor Neuwahlen, während wir im Bundestag nicht vor Neuwahlen stehen. ({0}) Mit diesen kurzen Bemerkungen möchte ich mich im Augenblick begnügen. Wenn die Koalition wiederum der Auffassung sein sollte, daß sie unserem Antrag, 4 Millionen DM als Anpassungsbeihilfen dem Eisenerzbergbau zur Verfügung zu stellen, nicht zustimmen könne, so werden wir der Entschließung Umdruck 98 die Zustimmung geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Berichterstattung über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses - Drucksachen 498 und 328 - hat der Abgeordnete Dr. Vogel. ({0}) *) Siehe Anlage 12 Seite 1281 ({1}) - Verzichtet das Haus auf die Berichterstattung? ({2}) Werden die Entschließungen Umdruck 31 ({3}) und 98 begründet? Oder wird auf Begründung verzichtet? - Zu Umdruck 98 hat zur Begründung das Wort der Abgeordnete Dr. Höck.

Dr. Wilhelm Höck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000914, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Entschließung meiner Fraktion Umdruck 98*) begründen. Ich habe soeben die Ausführungen meines Herrn Vorredners über die ganzen Sorgen und Schwierigkeiten des deutschen Eisenerzbergbaus noch einmal vernommen und gehört, daß man bereit sei, zu unserer Entschließung ja zu sagen. Es geht um ein echtes Anliegen, die Situation im deutschen Eisenerzbergbau zu klären. Sie haben ja auch in Ihrer Fraktion, Herr Kollege Deist, Experten, die die Frage von der privatwirtschaftlichen Seite her durchdenken, die sie aber auch unter dem parlamentarischen Gesichtswinkel betrachten. Wir müssen endlich einmal zu einer klaren Situation im Eisenerzbergbau kommen. Unser Entschließungsantrag geht sicher weiter als der Ihrige, mit dem Sie Anpassungsbeihilfen fordern. Das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein und brächte vielleicht auch nur über ein, zwei oder drei Monate eine Hilfe. Das wollen wir mit unserem Entschließungsantrag verhindern. Sie wissen, daß es schwer ist, Bergleute von einem Arbeitsplatz an einen andern zu versetzen. Die Leute sind nun einmal mit ihrem Arbeitsplatz im Eisenerzbergbau verwachsen. Es hat sich schon als sehr schwierig erwiesen, sie im Kohlenbergbau anzusetzen. Ich glaube, wir werden in der deutschen Stahlindustrie, die eng damit zusammenhängt, zu einer höheren Abnahme deutscher Erze kommen. Die Situation muß nichtsdestoweniger gründlich überprüft werden. Deswegen ist es der Wunsch meiner politischen Freunde, daß die Bundesregierung ersucht wird, die Wirtschaftlichkeit der Eisenerzbergbaugruben zu überprüfen. Aus unserer Entschließung ziehen Sie ({0}) den Schluß, daß wir mit der Beantwortung unserer Anfrage durch das Bundeswirtschaftsministerium nicht zufrieden sind. Ich gebe Ihnen da in etwa recht. Deswegen bleiben wir ja auch am Feinde, wenn ich so vom Bundeswirtschaftsministerium sprechen darf. ({1}) Ich bitte darum, aus den dargelegten Gründen, den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 77 abzulehnen- und unserem Antrag Umdruck 98 zuzustimmen, damit wir auf dem Gebiete des deutschen Eisenerzbergbaus zu einer wirtschaftlichen Regelung für längere Zeit kommen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und lasse zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 77**) abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. ({0})! *) Siehe Anlage 11 Seite 1280 **) Siehe Anlage 12 Seite 1281 - Ich lasse zunächst über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses, Drucksache 497, abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({1}) - Wer dafür ist, daß der Antrag Drucksache 497 - es ist ein Antrag des Haushaltsausschusses - angenommen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Nunmehr Umdruck 31 ({2}). ({3}) - Der kommt noch daran! Wir stimmen jetzt über Umdruck 31 ({4}) ab, dann über die Umdrucke 86, 52 und 98. Wer für die Annahme des Entschließungsantrags Umdruck 31 ({5})*) ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 86**). Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Umdruck 52***). Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wollen die Antragsteller nicht dafür stimmen? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Umdruck 98****). Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich lasse nunmehr über die Einzelpläne 07, 08 und 09 im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme von Einzelplan 07 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 07 ist angenommen. Einzelplan 08, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesminister der Finanzen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Einzelplan 09. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 09 ist angenommen. Nunmehr Einzelplan 10-Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Hier sind zwei Anträge, Umdrucke 96 und 97, außerdem ein Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses sowie vier Entschließungsanträge zu bescheiden. Zunächst Änderungsantrag Umdruck 96*****). Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt.

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion legt Ihnen mit Umdruck 96 wiederum den Antrag vor, den Ansatz in Tit. 615 von 10- auf 40 Millionen DM zu erhöhen, insbesondere zur Gewährung von Beihilfen *) Siehe Anlage 10 Seite 1279 **) Siehe Anlage 13 Seite 1282 ***) Siehe Anlage 7 zum Stenographischen Bericht der 24. Sitzung Seite 933 ****) Siehe Anlage 11 Seite 1280 *****) Siehe Anlage 17 Seite 1286 ({0}) zur Ausmerzung tbc-kranker Kühe. Auf eine Begründung im einzelnen kann ich wohl verzichten, da in der zweiten Lesung weder Herr Dr. Horlacher noch Herr Dr. Müller noch der Herr Landwirtschaftsminister Lübke sachliche Einwendungen dagegen erhoben haben. Es ist unwidersprochen geblieben, daß die Ländermittel und -beihilfen ungenügend und unzureichend sind. Es ist weiterhin unwidersprochen geblieben, daß allein über Ausmerzungsbeihilfen in vernünftiger Höhe etwas Effektives zu errreichen ist; und es ist weiterhin unwidersprochen geblieben, daß der Wirkungsgrad der bisher vorgesehenen 10 Millionen DM praktisch gleich Null ist. Die etatrechtlichen Einwendungen der Herren Kollegen Horlacher und Müller kann man wohl nicht ganz ernst nehmen, da zumindest sie über das Problem Bescheid wissen müßten. Ich gebe zu, daß es Ihnen auf der Seite der Mehrheit dieses Hauses recht unangenehm ist und daß Sie es nicht wahr haben wollen, daß sich die Opposition um die landwirtschaftlichen Dinge kümmert, besonders um die Dinge kümmert, die seit fünf Jahren vernachlässigt worden sind. Herr Horlacher hat in der zweiten Lesung einige Anmerkungen gemacht, auf die ich noch einmal zu sprechen kommen möchte. Er hat so getan, als ob wir Dilettanten wären und solche Probleme nicht ernsthaft zu überdenken und zu erörtern in der Lage wären. Meine Damen und Herren, die beantragten 40 Millionen DM sind nicht etwa aus der Luft gegriffen. Wir haben diese Zahlen mit Experten auf Bundes- wie Länderebene erarbeitet. Sie passen in das von Herrn Minister Lübke propagierte Agrarprogramm, das für 10 bis 12 Jahre vorgesehen ist, ausgezeichnet hinein. Ich frage weiter: wer hat von der Lösung des Problems von heute auf morgen gesprochen? Doch kein Mensch! Wir wissen ganz genau, daß, selbst wenn 40 Millionen DM hier eingesetzt werden, 8, 10, ja bis 12 Jahre nötig sind, um die Rinderbestände tbc-frei zu machen. Man hat hier Gefahren an die Wand gemalt, indem man erklärt hat, daß man die jährlich ausgemerzten 200 000 Stück nicht auf dem Markt unterbringen könne, daß man nicht Ersatz schaffen könne. Das sind keine Gefahren; sie bestehen einfach nicht. Das Problem der Rindertuberkulose schafft man nicht dadurch aus der Welt, daß man hier viel redet, auch nicht dadurch, daß man, sagen wir mit Herrn Dr. Horlacher, Erziehungsarbeit bei den Bauern leistet, um ihnen klarzumachen, wie schädlich die Tbc sei. Der Geldbeutel der Bauern ist eine sehr reale Angelegenheit, genau so wie unser Portemonnaie. Sie haben nun als Ausweg einen Entschließungsantrag auf Umdruck 92 eingebracht. Nach diesem Entschließungsantrag soll die Bundesregierung ersucht werden, für die nächsten drei Jahre im Benehmen mit den Ländern einen Gesamtplan zur Bekämpfung der Rindertuberkulose aufzustellen und dann dem Hause eine Vorlage zu unterbreiten. Es ist und bleibt eben ein Entschließungsantrag, mehr nicht. Wenn ich den Antrag so verstehen soll, daß in drei Jahren die Tbc beseitigt sein soll, dann sind wir allerdings schwersten Erschütterungen in unserer Wirtschaft ausgesetzt. Im übrigen sind Pläne längst vorhanden. Sowohl das Bundesernährungsministerium als auch das Kuratorium zur Bekämpfung der Rindertuberkulose sind sich darüber klar, welche Wege man beschreiten muß. Aber Pläne bleiben so lange nutzlos, als keine Mittel oder nur ungenügende Mittel dafür vorhanden sind. Die Entschließung bleibt also unverbindlich. Wir wissen aus den letzten vier Jahren, was aus vielen Entschließungen geworden ist. Ich darf Herrn Kollegen Horlacher und seine Freunde einmal fragen, was eigentlich eine Agrarpolitik für einen Zweck haben soll, bei der nur geredet wird und bei der es, wenn es sich um die Durchsetzung einer Maßnahme, d. h. um den Geldbeutel handelt, dann einfach nicht geht. Dann auf einmal hat der Haushalt des Bundesernährungsministeriums mit der Agrarpolitik nichts zu tun. Das haben wir doch letztes Mal von Herrn Dr. Dr. Müller gehört. Wer soll das überhaupt noch ernst nehmen? Oder fühlen Sie sich nicht so stark, daß Sie einem SPD-Antrag Ihre Zustimmung geben können? Seit vier Jahren - wir alle sind Zeuge davon - erleben wir das gleiche Schauspiel: draußen in den Bauernversammlungen fordern Sie tagein tagaus alles Mögliche und Unmögliche, draußen proklamieren Sie, Sie fassen draußen Entschließungen, die Sie nach Bonn schicken, damit Sie, die Herren Abgeordneten, bei der Regierung dort etwas unternehmen sollen. Draußen beschimpfen Sie sogar Ihre eigene Regierung. Hier, wenn Sie Gelegenheit haben, einmal mitzuregieren, gehen Sie sang- und klanglos in die Knie. Draußen ist der Herr Dr. Horlacher an der Spitze der große Rebell, hier ist er der getreue Diener seines Herrn. Ich habe Verständnis dafür, daß bei der wachsenden Unglaubwürdigkeit der Bauernpolitiker auf der Regierungsseite draußen bei den Bauern nun dadurch ein kleines Pflästerchen aufgelegt werden soll, daß man eine lapidare Entschließung faßt. Meine Damen und Herren, mit solchen Anträgen kommen wir nicht weiter. Mein Kollege Kriedemann hat bereits in der zweiten Lesung einen Appell an das Haus gerichtet, mehr Courage zu zeigen. Ich wiederhole diesen Appell und möchte Sie bitten, unserem Antrag auf Umdruck 96 zuzustimmen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird der Antrag Umdruck 97*) begründet? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Wir halten das Problem der Schul-Milchspeisung für so dringend und seine Lösung für so eilig, daß wir unseren Antrag aus der zweiten Lesung, der Bund möge 40 Millionen DM dafür zur Verfügung stellen, heute wiederholen. Es hätte sich allerdings erübrigt, diesen Antrag noch einmal zu begründen, wenn nicht von einigen Damen und Herren der CDU auf Umdruck 91 ein Entschließungsantrag vorgelegt worden wäre, der die Notwendigkeit und die Durchführbarkeit einer solchen Schul-Milchspeisung in Frage stellt. Es erscheint also doch notwendig, hier noch einmal einige Tatsachen, die durch Zahlen nachzuweisen sind, festzustellen. Es wäre besser gewesen, Sie hätten, anstatt eine Entschließung einzubringen, sich tatsächlich entschließen können, mit Hilfe der 40 Millionen DM diese Schul-Milchspeisung anlaufen zu lassen. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang bitten, einmal nachzulesen, was der verehrte Herr Bundespräsident am vergangenen Wochenende in München gelegentlich der Eröffnung der Sammlung für die Müttererholung gesagt hat. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß es in der Bundesrepublik *) Siehe Anlage 16 Seite 1285 ({0}) 2,8 Millionen vaterlose Familien gibt. Diese erschütternde Zahl wird durch eine amtliche Schätzung ergänzt, die feststellt, daß es etwa 4'/2 Millionen Halbwaisen und Vollwaisen in der Bundesrepublik gibt. ({1}) Das bedeutet, daß die Mütter dieser Kinder berufstätig sein müssen. Gerade für diese Kinder wäre deshalb ein solches Schul-Milchfrühstück unter allen Umständen sehr wünschenswert und sehr notwendig. Es gibt auch im Jahre 1953 eine ganze Anzahl von Untersuchungen der örtlichen Gesundheitsbehörden, die beweisen, daß der Gesundheitszustand unserer Schulkinder außerordentlich schlecht ist. Ich kann hier in, der kurzen Zeit nicht alle diese Untersuchungen mit Zahlen anführen, aber ich möchte doch einige nennen. So hat z. B. die Gesundheitsbehörde Wattenscheid festgestellt, daß der Ernährungszustand der Schulkinder sich seit dem Jahre 1949 nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. ({2}) - Herr Brese, Sie lachen. Sie können das in der Zeitschrift „Gesundheitsfürsorge" nachlesen. ({3}) Im Jahre 1949 hatten wir in Wattenscheid 19 % schlecht ernährte Kinder, im Jahre 1952 waren es 22 %. Die Hamburger Gesundheitsbehörde nennt Zahlen, nach denen im Jahre 1953 12,7 % Kinder schlecht ernährt sind; im Jahre 1939 waren es 7 %. Das beweist immerhin, daß wir uns bezüglich des Gesundheitszustandes unserer Kinder noch weit unter dem Vorkriegsstand befinden. Darüber hinaus steht auf Grund dieser Untersuchungen fest, daß nahezu zwei Drittel aller Schulkinder in ihrem Gesundheits- und Ernährungszustand nur als mittelmäßig bewertet werden können. Gerade hier würde ein Schul-Milchfrühstück dazu beitragen, den Gesundheits- und Ernährungszustand dieser Kinder so anzuheben, daß er als gut bezeichnet werden kann. Ich glaube, das sollte doch unser aller Anliegen sein. Aber es gibt noch weit mehr alarmierende Zahlen. So hat z. B. eine Untersuchung ergeben, daß sich die Zahl der Schüler mit Rachitisfolgen vom Jahre 1951 zum Jahre 1952 um das Dreifache vermehrt hat. Das sind alles Kriegsfolgen, ohne Zweifel. Aber nach der Konsolidierung unserer Verhältnisse muß man heute auch wirklich alles tun, um diese Kriegsfolgen zu beseitigen. Bitte, schauen Sie sich einmal an Hand der Zahlen an, welches Mißverhältnis zwischen der Größe und dem Gewicht unserer Kinder besteht. Außerdem ist einwandfrei festgestellt, daß heute die Kinder einer viel größeren Entwicklungsbeschleunigung ausgesetzt sind, und daß solche Kinder ganz besonders tuberkuloseempfindlich sind. Selbstverständlich gibt es dafür viele Ursachen. Aber eine davon ist doch zweifellos, daß es unseren Kindern an den für das Wachstum so notwendigen Aufbaustoffen mangelt. Milch, die alle diese Aufbaustoffe enthält, haben wir aber genug. Wir haben nur einen Mangel an Absatz. Auch das beweisen einige Zahlen sehr drastisch. Ich habe in der zweiten Lesung darauf verzichtet, sie zu nennen, will es aber heute dennoch tun. In der Bundesrepublik haben wir einen Milchverbrauch von pro Kopf 120 1 im Jahr, in Dänemark einen solchen von 173 1, in Großbritannien von 153 1, in den Niederlanden von 208 1, in Schweden von 222 1, in der Schweiz von 221 1 und in Norwegen von 226 1. Wir wären alle Sorgen in der Milchwirtschaft los, wenn es uns gelingen würde, den Milchverbrauch pro Kopf in der Bundesrepublik auch nur annähernd an diese Zahlen heranzubringen. Da das bis jetzt nicht gelungen ist, sieht man sich immer wieder veranlaßt, Subventionen für andere Maßnahmen zu beantragen, Maßnahmen, die unwirtschaftlich und kostspielig sind im Vergleich zu einer solchen Schul-Milchspeisung. Es wäre doch völlig sinnlos, die Milch zunächst einmal in ihre Bestandteile zu zerlegen, was Kosten verursacht, und sich dann Gedanken darüber zu machen, wie man, weil die Butter nicht in dem Maße absetzbar ist, weil Käse nicht in dem Maße absetzbar ist und weil vor allen Dingen Trockenmilch nicht in dem Maße absetzbar ist, durch Subventionen nun die Unterbringung dieser in ihre Bestandteile zerlegten Milch finanzieren kann. Es ist dann billiger und besser, wir geben das Geld für eine Frischmilchversorgung unserer Schulkinder aus. Ich möchte aber noch eine Zahl nennen, die uns wirklich dazu veranlassen sollte, alles zu tun, was möglich ist. Die Gesundheitsbehörde in Kiel hat einmal bei den Kindern umgefragt - auch diese Zahlen sind im Juni 1953 in der „Gesundheitsfürsorge" veröffentlicht worden -, wieviel Kinder eigentlich regelmäßig Milch bekommen. Dabei hat sich herausgestellt, daß nur 45 % der 10- bis 11jährigen Schulkinder regelmäßig Milch bekommen. Das ist doch eine erschreckende, eine alarmierende Zahl. ({4}) - Herr Kollege Mühlenberg, selbst wenn es einen kleinen Prozentsatz Kinder gibt, die nicht gern Milch trinken, was ich nicht bestreiten will, so lehrt doch die Erfahrung, daß die Milchabgabe in der Schule, wo jedes Kind seine Milch bekommt, diesen kleinen Prozentsatz von Kindern dann dazu anregen wird, den Nachbarkindern nachzueifern. Das ist eine psychologische Seite der Angelegenheit, die wir im Interesse der Gesundheit unserer Kinder auch nicht vernachlässigen sollten. Jedenfalls möchten wir Sie dringend bitten, den Weg der Nachdenklichkeit, den Sie mit Ihrer Entschließung langsam beschritten haben, ({5}) fortzusetzen und sich heute zu einem konkreten Beschluß zusammen mit uns durchzuringen. An Ihrer Entschließung merkt man, daß Sie nach einem Ausweg suchen. Aber ich habe den Eindruck, daß diese Entschließung kein Ausweg ist, ({6}) sondern in eine Sackgasse führt. Wir möchten unsere Kinder davor bewahren, daß sie von Ihnen in diese Sackgasse geführt werden, und bitten Sie daher, diesen unseren Antrag anzunehmen. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wir behandeln nunmehr den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache 496. ({0}) ({1}) - Ich lasse zunächst einmal die Anträge begründen und dann die allgemeine Aussprache folgen. - Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Brese. Verzichtet das Haus auf Berichterstattung? ({2}) - Das ist der Fall. Dann Entschließungsantrag Umdruck 27*). Wer begründet den Antrag? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Krammig.

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz. Der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in der zweiten Lesung dem Abgeordneten Schneider ({0}) zugesagt, daß aus Kap. 1002 Tit. 956 - Zinsverbilligungen - auch 400 000 DM zur Förderung von Fischabsatzeinrichtungen bereitgestellt werden sollen. Haushaltsrechtlich bestehen gegen eine solche Zurverfügungstellung keine Bedenken; das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal betont haben. Trotzdem bitte ich Sie, den Entschließungsantrag auf Umdruck 27 anzunehmen, weil diesem Entschließungsantrag durch die Zusage des Herrn Ministers nur teilweise entsprochen worden ist. Zur Entschließung selbst ist nichts weiter auszuführen; die darin gewünschte Zurverfügungstellung von Mitteln ist darin begründet, daß dieser Wirtschaftszweig dringend auf Unterstützung angewiesen ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Umdruck 91. Wird auf Begründung verzichtet? ({0}) Umdruck 94, - Umdruck 92. - Hier wird ebenfalls auf die Begründung verzichtet. Dann eröffne ich die Aussprache und bitte um Wortmeldungen. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Jochmus.

Dr. Hedwig Jochmus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001030, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Schon bei der zweiten Lesung hat meine Fraktion zum Ausdruck gebracht, daß wir an der Schulspeisung außerordentlich interessiert sind und eine allgemeine Schulmilchspeisung sehr begrüßen würden. Frau Strobel hat gesagt, wir sollten uns hinter ihren Antrag bezüglich der 40 Millionen DM stellen und damit die Schulmilchspeisung einmal anlaufen lassen. Meines Wissens hat doch die ganzen Jahre schon eine Schulmilchspeisung bestanden. ({0}) Wir kommen aber an der Tatsache nicht vorbei, daß in vielen Gemeinden diese Einrichtung nicht mehr in dem Maße in Anspruch genommen wird, ({1}) daß der Apparat, der dafür notwendig ist, aufrechterhalten werden kann, weil er immerhin Kosten verursacht, die dann nicht mehr zu verantworten wären. In der Zeit der Lebensmittelkarten haben wir jedem zugeschrieben, wieviel er essen durfte; aber er hatte immerhin die Freiheit, das, was ihm zugeteilt war, anzunehmen oder abzulehnen. Wenn nun die Schulmilchspeisung nicht mehr in dem Maße in Anspruch genommen wird, scheint doch von Hause aus vielfach der Wunsch nicht mehr vorhanden zu sein, und zwingen können wir ja niemanden. *) Siehe Anlage 12 zum Stenographischen Bericht der 24. Sitzung, Seite 937 Da wir aber dafür sind, daß nach Möglichkeit auch auf diesem Wege der Trinkmilchverbrauch gesteigert und für die Gesundheit der Kinder getan wird, was nur irgend möglich ist, wollen wir mit unserer Entschließung erreichen, daß festgestellt wird, wo das nötige Interesse dafür vorhanden und die Durchführung möglich ist, und daß dann auch dafür geworben werden kann. Wenn der Änderungsantrag, den die SPD zu unserer Entschließung eingebracht hat, beinhalten soll, daß eine gemeinsame Finanzierung mit den Ländern besprochen werden soll, so ist das in unserer Entschließung enthalten; denn sie besagt, daß die Regierung ersucht wird, festzustellen, welche Mittel die Länder für diesen Zweck zur Verfügung stellen können. Danach wird dann zu übersehen sein, welcher Zuschuß eventuell vom Bund notwendig ist. Eine gemeinsame Durchführung der Schulspeisung von Bund und Ländern kann nicht in Frage kommen; denn die Schulmilchspeisung ist reine Länderangelegenheit. Die Festsetzung der Mittel, die vom Bund erforderlich sind, sollte eben nach den Prüfungen, die wir mit unserer Entschließung anregen, erfolgen. Ich empfehle daher, den Antrag der SPD, Umdruck 97, sowie den Änderungsantrag, Umdruck 94, abzulehnen und dem Umdruck 91 zuzustimmen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.

Käte Strobel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002272, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Herren und Damen! Ich glaube, die ersten Sätze der Frau Kollegin Dr. J o c h m u s muß man doch richtigstellen. Ich habe in der zweiten Lesung bereits mitgeteilt, daß es in einigen Ländern und Gemeinden eine solche Schulspeisung gibt und daß auch vom Bund Mittel aus der Kriegsfolgenhilfe, allerdings für den beschränkten Kreis der Kinder, die unter die Kriegsfolgenhilfe fallen, dafür zur Verfügung gestellt werden. Wir haben es uns nicht so leicht gemacht, einfach aus dem blauen Himmel heraus 40 Millionen DM dafür zu fordern, sondern wir haben mit allen Ländern und auch mit Gemeinden, die an uns herangetreten waren, lange über diese Dinge korrespondiert und verhandelt. Es hat sich daraus ergeben, daß Länder und Gemeinden in weitgehendem Maße dann bereit sind, ein obligatorisches Milchschulfrühstück - und um das geht es ja wohl - einzuführen, wenn der Bund bereit ist, sich an der Aufbringung der Mittel in entsprechendem Maße zu beteiligen. ({0}) Das gilt es heute, glaube ich, zu beweisen und einen Betrag von 40 Millionen DM in den Haushalt einzustellen, um dann die Verhandlungen mit den Ländern über die Durchführung auch tatsächlich von vornherein erfolgreich zu gestalten. Das ist die Veranlassung dazu, daß wir zu Ihrem Entschließungsantrag einen Änderungsantrag eingebracht haben. Es gibt für uns keinen Zweifel daran, daß die Schulmilchspeisung notwendig ist, und zwar sowohl auf Grund des Gesundheitszustandes unserer Kinder als auch auf Grund des unbefriedigenden Frischmilchabsatzes. Deshalb ist es nicht nötig, darüber erst noch Erhebungen zu pflegen und damit die Sache auf die lange Bank zu schieben. Es ist notwendig, mit den Ländern zu verhandeln, und es ({1}) ist notwendig, den Beweis zu erbringen, daß der Bund bereit ist, diese Angelegenheit mit zu finanzieren. Das kann man nur, wenn man bereit ist, diesen Betrag auch zu bewilligen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Frau Dr. Steinbiß. Frau Dr. Steinbiß: ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ein kurzes Wort zu den Zahlen sagen, die Frau Strobel angeführt hat. Man kann mit diesen Zahlen nicht so operieren, daß man sagt, der Gesundheitszustand unserer Kinder sei schlechter als vor Jahren. Einmal ist dazu zu bemerken, daß der Gesundheitszustand der Kinder ja nicht allein von der Ernährung abhängig ist. Im Gegenteil, man kann sehr oft die Tatsache feststellen, daß die Kinder aus den ländlichen Bezirken an Gesundheit mehr zu wünschen übriglassen als Stadtkinder. Also ist nicht nur die Ernährung für den Gesundheitszustand verantwortlich zu machen. Und zum anderen können die Zahlen, die Frau Strobel genannt hat, so lange nicht als Beweismittel dienen, solange man nicht weiß, wie sie zusammengestellt wurden. Daß die Ernährung der Kinder heute im wesentlichen wieder den Vorkriegsstand erreicht hat und sogar noch darüber hinausgeht, zeigt am besten die Säuglingssterblichkeit, die heute schon wieder bis auf 5 % und teilweise darunter gesunken ist. Ich glaube also, das Hohe Haus braucht sich nicht der Befürchtung hinzugeben, daß für unsere Kinder in unserer Bundesrepublik nicht alles geschähe, was notwendig ist, und die Zahlen von Frau Strobel brauchen uns in unseren Gedankengängen nicht zu beunruhigen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 96*). Besteht Klarheit über den Gegenstand der Abstimmung? ({0}) Wer für die Annahme des Antrags Umdruck 96 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 97**). Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nunmehr der Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache 496. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir stimmen nunmehr über die Entschließungsanträge ab, zunächst über den Antrag Umdruck 27***). Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. *) Siehe Anlage 17 Seite 1286 **) Siehe Anlage 16 Seite 1285 ***) Siehe Anlage 12 zum Stenographischen Bericht der 24. Sitzung Seite 937 Der Entschließungsantrag Umdruck 91 kollidiert mit, dem Antrag Umdruck 94. 94 geht weiter, indem er schlechthin Verhandlungen verlangt, während 91 diese Verhandlungen auf bestimmte Gegenstände beschränkt. Wir stimmen zunächst über den, Antrag Umdruck 94*) ab. Wer für die Annahme ist den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die Mehrheit; ist abgelehnt. Nunmehr Antrag Umdruck 91**). Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Antrag Umdruck 92***) betreffend Rindertuberkulose. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wer für die Annahme des Einzelplans 10 im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 10 ist angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 11 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit. Hier liegt eine Reihe von Anträgen vor, zunächst der Änderungsantrag Umdruck 89. Umdruck 78 ist durch 89 erledigt. Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 89****) hat Abgeordneter Dr. Preller.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben, wie Sie sehen, unseren Antrag aus der zweiten Lesung auf Streichung jener 512 Millionen DM wiederholt, die den Versicherungsträgern statt in bar in Bundesschuldverschreibungen gegeben werden sollen. Ich darf bitten, den Antrag im ganzen begründen zu dürfen, obwohl der erste Punkt des Antrags das Haushaltsgesetz selbst betrifft; aber das Ganze ist eine Einheit, und der Herr Präsident wird damit einverstanden sein. Ich möchte zur Begründung nur noch einige Punkte anführen.' Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat heute morgen in einer Erwiderung unter anderem geäußert, daß der Entzug dieser 512 Millionen DM bzw. der 250 Millionen DM an die Rentenversicherung die Durchführung der Rentenversicherung - so sagte er - genau so gewährleiste wie bisher. Gerade das bestreiten wir. Wir glauben, daß ein solcher Entzug von Mitteln aus der Sozialversicherung, die an den allgemeinen Haushalt übergeleitet werden, ein Unglück für die Versicherten und für die Versicherung bedeutet, und zwar aus folgenden Gründen. Soweit die Arbeitslosenversicherung in Betracht kommt, haben deren Versicherte ein Recht darauf, daß etwa dort entstehende Überschüsse für sie selbst, nämlich für die Versicherten, verwendet werden. Wir haben genügend Möglichkeiten, diese Beträge zu verwerten, sei es für die Beschaffung dauernder Arbeitsplätze, die ja auch heute noch in den Notstands- und den Grenzlandgebieten fehlen, dort also, wo größere Arbeitslosigkeit herrscht; sei es für die Verbesserung der Arbeitslosenhilfe selbst. Soweit die Rentenversicherten in Betracht kommen, haben diese erst recht einen Anspruch auf diese Beträge. Es gibt ja in der Rentenversicherung zur Zeit überhaupt noch kein Vermögen, sondern, worauf wir immer wieder hinweisen müssen, nur Kassenüber- *) Siehe Anlage 15 Seite 1284 **) Siehe Anlage 14 Seite 1283 ***) Siehe Anlage 18 Seite 1287 ****) Siehe Anlage 19 Seite 1288 ({0}) schösse, und deren Notwendigkeit ist jedem Fachmann selbstverständlich bekannt. Jetzt erst wieder hat der Kölner Verein für Versicherungswissenschaft darauf hingewiesen, daß diese Kassenüberschüsse nicht in Anspruch genommen werden dürfen, sofern man nicht der Rentenversicherung Mittel entziehen soll, die sie für andere Zwecke braucht. Zu diesen anderen Zwecken gehört einmal der soziale Wohnungsbau, der, wenn wir der Rentenversicherung Mittel entzögen, selbstverständlich gedrosselt werden würde, d. h. wiederum würden die Versicherten, denen der soziale Wohnungsbau zugute kommen soll, durch den Wegfall dieser Mittel geschädigt werden. Zum andern - darauf haben wir schon hingewiesen, aber ich muß es der Klarstellung wegen noch einmal sagen - ist auch das Heilverfahren gefährdet. Ich will Ihnen eine einzige Zahl nennen. Eben ist bekanntgeworden, daß im Jahre 1953 für die Heilverfahren insgesamt 330 Millionen DM im Bundesgebiet ausgegeben worden sind. Aber der Finanzminister will 250 Millionen DM aus der Rentenversicherung entziehen! Unter einem solchen Entzug muß auch das Heilverfahren leiden. Nun hat der Herr Bundesfinanzminister in der zweiten Lesung mit Recht darauf hingewiesen, daß der vorige Bundestag im vergangenen Jahr eine Entschließung der Mehrheitsparteien angenommen habe, wonach in diesem Jahre solche Mittel nur noch im Verhandlungswege genommen werden sollten. Ich habe mir daraufhin die vorjährige zweite Lesung des Gesetzes über die Dekkung der Rentenzulagen noch einmal angesehen und im Protokoll der 276. Sitzung gefunden - ich sage das ohne jeden Nebengeschmack -, daß der Kollege Horn ausdrücklich gesagt hat: „Wir lassen für die Folge über ein Gesetz dieser Art" - es ging damals um die Beträge von rund 185 Millionen DM - „nicht mehr mit uns reden". In diesem Jahre hat der Bundesfinanzminister ein Gesetz für diese Beträge gefordert, und in diesem Jahr stimmt offenbar das, was der Kollege Horn im vorigen Jahr gesagt hat, nicht. Ich möchte das doch immerhin hier mit erwähnen. ({1}) Wir möchten es lieber mit einem anderen prominenten CDU-Mitglied halten, das im Jahre 1949, wie ich hier vorlesen darf, ausgeführt hat: Wir haben allen Grund, dafür zu sorgen, daß jeder Pfennig, der in Form von Beiträgen zur Sozialversicherung von den Löhnen der Arbeiter oder aus dem Volumen der Wirtschaft herausgenommen wird, dreimal herumgedreht wird, ehe er einem anderen als einem Versicherungszweck zugeführt wird. Meine Damen und Herren, im Sinne dieses Wortes des Herrn Kollegen Storch bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine Feststellung treffen. Den Versicherten wird gar nichts entzogen, und den Versicherungsanstalten wird auch nichts entzogen. Es handelt sich lediglich darum, daß die Versicherungsanstalten über die Frage zu befinden haben, wie sie die Überschüsse, die ein Deckungskapital bilden sollten, anlegen. Im Wege der freien Selbstverwaltung, der freien Vereinbarung, haben sich die Rentenversicherungsanstalten grundsätzlich entschlossen, der Anregung zu entsprechen und den Betrag in einer Form anzulegen, die auch wirtschaftlich gesehen nicht nur dieselbe Sicherheit, sondern auch dieselbe Rendite gewährleistet wie jede andere Vermögensanlage ebenfalls. Das gilt für die Rentenversicherungsanstalten und das gilt genau so für die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, die auch im Rahmen ihrer freien Selbstverwaltung die Entscheidung getroffen und den entsprechenden Vertrag bereits abgeschlossen hat.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir bleibt nur übrig, festzustellen, daß Herr Kollege Preller dieses kurze Zitat aus meiner vorjährigen Rede hier falsch angewandt hat. Was ich damals gesagt habe, haben wir genau innegehalten. Ich habe erklärt, wir würden künftighin über Mittel der Versicherungen nicht mehr auf dem Wege über ein Gesetz verfügen, weil in der Zwischenzeit die Selbstverwaltungsorgane ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. ({0}) Aus diesem Grunde sahen wir das Parlament nicht mehr für zuständig an, über derartige Dinge zu verfügen. Was in diesem Haushaltsgesetz nun enthalten ist, das ist, Herr Professor Preller, ja lediglich die Erteilung der Vollmacht an den Bundesfinanzminister, mit den Versicherungsträgern über diese Frage zu verhandeln. Das Parlament hat sich also hier in keiner Weise eingemischt und keineswegs erneut über Mittel verfügt, wie das eben darzustellen versucht wurde. Ich glaube also, wir sind durchaus zu unserem Wort, das wir im vorigen Jahre gegeben haben, gestanden. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag auf Umdruck 89 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse nunmehr abstimmen über Einzelplan 11. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 12 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Hier liegt ein Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses vor, Drucksache 498. Berichterstatter ist der Abgeordnete Ritzel. Verzichtet das Haus auf Entgegennahme der Berichterstattung? ({0}) - Das Haus verzichtet auf Berichterstattung. Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. - Der Mündliche Bericht betrifft die Ersatzstraße für die Bundesstraße 56 Bonn-BeuelSiegburg. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Drucksache 498 abstimmen. Wer für die Annahme ist, ({1}) den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Nunmehr lasse ich abstimmen über Einzelplan 12. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 12 ist angenommen. Einzelplan 13. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Es handelt sich um den Haushalt des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme des Einzelplans 13 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 13 ist angenommen. Einzelplan 19, Haushalt des Bundesverfassungsgerichts, Drucksache 364 mit Umdruck 87. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme des Einzelplans 19 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Einzelplan 20, Haushalt des Bundesrechnungshofes. Keine Anträge, keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme des Einzelplans 20 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Einzelplan 24, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Hierzu liegt auf Umdruck 56*) ein Entschließungsantrag Dr. Bergmeyer, Dr. von Brentano und Fraktion vor. Wird er begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion ziehe ich die Entschließung Umdruck 56 zurück. In der Zwischenzeit hat Herr Bundesminister Blücher mitgeteilt, daß er die Vertretung der Bundesrepublik bei der FOA in Washington noch im Verlauf dieses Haushaltsjahres in das Auswärtige Amt überführen werde. Damit ist der Entschließungsantrag Umdruck 56 gegenstandslos geworden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Der Antrag wird zurückgezogen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für Einzelplan 24 ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 24 ist angenommen. Einzelplan 25, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau. Hier ist zunächst ein Änderungsantrag Umdruck 85 ({0})**) zu bescheiden. Wird er begründet? ({1}) - Wird verzichtet. Entschließungsantrag Umdruck 23 ({2})***). Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schild.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Dieser Entschließungsantrag ist bereits in der zweiten Lesung von dem Kollegen Lücke des näheren erläutert worden. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat *) Siehe Anlage 20 Seite 1289 **) Siehe Anlage 22 Seite 1291 ***) Siehe Anlage 21 Seite 1290 in der zweiten Beratung eine Änderung dieses Entschließungsantrags vorgeschlagen, der von den Antragstellern auch stattgegeben worden ist. Auf Wunsch des Herrn Ministers soll aber der Text der Entschließung noch einmal geändert werden, da es sich generell um öffentliche Bedienstete und nicht nur um Bundesbedienstete handelt. Ich beantrage deshalb, diese Änderung vorzunehmen und das Wort „Bundesbedienstete" durch „öffentliche Bedienstete" zu ersetzen. Die Antragsteller sind mit dieser Änderung einverstanden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Es handelt sich also nur um eine Korrektur des Textes. Das Wort hat der Abgeordnete Hesberg.

Dr. Carl Hesberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000888, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU kann ich die Erklärung abgeben, daß sie der Entschließung in der vorliegenden Fassung mit der vom Herrn Bundeswohnungsbauminister vorgeschlagenen Ergänzung zustimmt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat den Anschein, als ob durch diesen Änderungsantrag zugleich die Problematik behoben sei, die den eigentlichen Antrag kennzeichnet. Es ist aber anders. Wir bedauern, daß der Antrag aufrechterhalten wird, weil er sich mit der Einzellösung einer Frage befaßt, die im Gesamtzusammenhang unserer Wohnungsbaupolitik erörtert und geregelt werden muß. Wir haben gerade in den letzten Wochen oft genug erlebt, wie unklar sich die Dinge entwickelt haben. Für den normalen Sterblichen in der Bundesrepublik ist es unmöglich geworden, sich ein Bild über Weg und Ziel der sogenannten neuen Wohnungspolitik zu machen. Wer in die Presse der letzten Tage schaut, der liest und erfährt etwas von der Bundesmietenreform. Da werden allgemeine Grundzüge bekanntgegeben, obwohl noch keine Vorlage so reif ist - es wird an mehreren gearbeitet -, daß es richtig gewesen wäre, über sie der Presse Mitteilungen zu machen. Wir lesen etwas über das Familienheimgesetz und gleichzeitig über die Novelle der Bundesregierung, in der angeblich dieselben Prinzipien enthalten sind. Kein Mensch weiß sich mehr ein klares Bild zu machen. Bei diesem Antrag fürchte ich, sagen zu müssen, daß ein großer Teil der Unterzeichner wohl auch nicht in der Lage ist, die Konsequenzen dieses Antrages zu übersehen. ({0}) - Das ist ausnahmsweise einmal keine Frage des Glaubens, Herr Kollege, das hat mit den Tatsachen etwas zu tun. Und eine Tatsache ist, daß einer der Unterzeichner, der Vorsitzende eines Fachausschusses, noch vor wenigen Tagen in einer Sitzung des Ausschusses den Herrn Minister gebeten hat, doch einmal eine Aufstellung über den Umfang der Beteiligung des Bundes an Wohnungsgesellschaften vorzulegen. Wenn man aber nicht einmal weiß, von welcher Bedeutung dieser Antrag ist und in welchem Umfange der Bund an Wohnungsgesellschaften beteiligt ist, dann hätte man soviel Geduld aufbringen können, ja müssen, mit diesem Antrag zu warten, bis sowieso die Dinge, die er betrifft, in den nächsten Wochen in Verbindung ({1}) mit der Beratung der Wohnungsbaugesetznovelle Gegenstand näherer und eingehender Prüfung hätten sein können. Ich kann mit diesem Antrag ebensowenig etwas anfangen, meine verehrten Damen und Herren Antragsteller, wie die Bundesregierung; denn im Grunde genommen besagt er lediglich, daß die Erläuterungen zu Tit. 895 in Kap. 2501 zu ergänzen seien. Ich glaube, daß dem Wohnungsbauminister und seiner beabsichtigten neuen Wohnungsbaupolitik mit diesem Antrag kein guter Dienst erwiesen wird. Ich kann allerdings nicht mehr die Hoffnung hegen, die ich vor Beginn der Sitzung hatte, daß die Antragsteller selbst die Unzweckmäßigkeit dieses Antrages einsehen. Sie haben ihn modifiziert, und er wird von der Mehrheit dieses Hauses möglicherweise angenommen werden. Ich bedauere das, zumal sich in diesem Antrag erneut ein Ressentiment gegen die Arbeit der Wohnungsgesellschaften, nicht zuletzt der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft, zeigt. Man braucht nur zu sehen, daß der erste Unterzeichner Herr Dr. Schild ist, um zu wissen, was man im Schilde führt. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hesberg.

Dr. Carl Hesberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000888, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Jacobi kann ich nur erklären, daß sich die Unterzeichner dieses Antrages sehr wohl bewußt sind, was sie mit ihm bezwecken. ({0}) Wir gehen von der grundlegenden Erwägung aus, daß sich der Staat nicht an wirtschaftlichen Unternehmungen beteiligen soll. Wenn hier eine Beteiligung an Unternehmungen vorgesehen ist, so ist es das Anliegen dieses Antrages, daß mit dieser Beteiligung zugleich die Zielsetzungen der Koalition, insbesondere der CDU/CSU, gewährleistet werden, durch die Betätigung auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und überhaupt der gesamten Wohnungswirtschaft die Bildung von Wohnungseigentum zu fördern. ({1}) Diesem Ziel dient also dieser Antrag. Es wurde hier die Äußerung des Vorsitzenden des Ausschusses herangezogen, ihm sei der Umfang der Beteiligung nicht bekannt. Demgegenüber ist zu sagen, daß es hier lediglich notwendig war, eine Ergänzung zu den Erläuterungen des betreffenden Haushaltskapitels vorzunehmen. Es war von vornherein die Auffassung des Vorsitzenden, daß es entsprechend unserer Grundkonzeption nicht Aufgabe des Bundes sein könnte, durch Bundesbeteiligungen Maßnahmen zu fördern, die dieser Grundkonzeption unserer Partei entgegenstehen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer dann, wenn das seit einiger Zeit übliche Wort „Gesamtkonzeption" fällt, habe ich den Eindruck, daß man damit etwas ausdrücken will, von dem man nicht genau weiß, wie man es sagen soll. Auch jetzt ist wieder von einer Gesamtkonzeption die Rede gewesen. Da bitte ich doch, mir darüber Aufklärung zu geben, was denn bei konsequenter Durchführung die Folge dieses Antrages wäre, wenn Wohnungsgesellschaften, die ja schließlich in erster Linie dazu da sind, Wohnungen für die wirtschaftlich Bedrängten zu bauen, kein Eigentum verschaffen können, wenn sie also Mietwohnungen für die breiten Schichten der Bevölkerung bauen müssen. Mietwohnungen sind ja nun einmal das Schicksal für Millionen von Menschen auf lange Zeit, wahrscheinlich für ewig. ({0}) Wie wäre es denn, wenn sich der Bund an derartigen Gesellschaften, wohnungswirtschaftlichen Unternehmen, Heimstätten- und Betreuungsgesellschaften, nicht beteiligte, weil hier nicht Bauvorhaben durchgeführt werden, die nicht ausschließlich der Eigentumsbildung dienen? Man muß das nur einmal praktisch durchdenken, um zu sehen, daß es Ihnen hier auf etwas Besonderes ankommt. ({1}) - Worum es geht oder nicht geht, Herr Kollege Lücke, muß man aus dem Text des Antrags ersehen. Ich verstehe ihn so - und nur so kann er verstanden werden -, daß der Bundesregierung eine Auflage dahin gemacht wird, ihre Mitwirkung, ihre Beteiligung an Wohnungsgesellschaften zu beschränken, und zwar auf den Tatbestand, der hier klar zum Ausdruck kommt. ({2}) - Sie sagen: „Jawohl!" Sie scheinen also damit einverstanden zu sein. Damit engen Sie aber die Tätigkeit dieser Gesellschaften ein. Letztlich treffen Sie damit die breiten Schichten der Bevölkerung. ({3}) - Herr Kollege Lücke, ich verstehe Ihre Zwischenrufe nicht; aber S i e gehen am Kern der Sache vorbei. ({4}) Sie können die Tatsache nicht bestreiten, daß das, was ich gesagt habe, aus Ihrem Antrag zu lesen ist. Deshalb durfte ich diese Bemerkungen machen, auch wenn ich Ihre Zwischenrufe nicht verstehe. Sie widersprechen zwar meinen Darlegungen; aber es wird Ihnen nicht gelingen, sie zu widerlegen. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 85 ({0})*). Wer für den Antrag ist, möge die Hand erheben. - Es ist der Antrag Lücke. ({1}) - Ja, praktisch haben alle Fraktionen den Antrag gestellt. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir stimmen ab über den Entschließungsantrag Umdruck 23 ({2})**). Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich bitte die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Jetzt war einwandfrei das erste die Mehrheit. *) Siehe Anlage 22 Seite 1291 **) Siehe Anlage 21 Seite 1290 ({3}) Ich darf voraussetzen, daß ich über den Berichtigungsvorschlag nicht besonders abstimmen zu lassen brauche. Ich habe jetzt noch über den Einzelplan im ganzen abstimmen zu lassen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 26, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte ({4}). Keine Wortmeldungen. Keine Anträge. Ich lasse abstimmen. Wer für den Einzelplan 26 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Wir kommen zu Einzelplan 27, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({5}) mit Umdruck 87 Ziffer 2. Hier liegen Änderungsanträge auf Umdruck 80, Antrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion des GB/BHE, und auf Umdruck 81, Antrag der Fraktion des GB/BHE, vor. Werden die Anträge begründet? ({6}) - Die Anträge werden nicht begründet. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse zunächst über Umdruck 80*) abstimmen. Wer für die Annahme ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wer für die Annahme von Umdruck 81**) ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! ({7}) - Ich wiederhole die Abstimmung; offensichtlich haben die Herren Antragsteller übersehen, daß eben über ihren Antrag abgestimmt worden ist. Wer für den Antrag Umdruck 81 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es besteht Unklarheit über das Ergebnis der Abstimmung. Ich bitte, durch Hammelsprung abzustimmen. ({8}) Ich bitte, die Türen zu schließen. - Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({9}) Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet. Dies ist das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 172, mit Nein 207 Mitglieder des Hauses; 1 Mitglied hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir stimmen nunmehr über den Einzelplan 27 ab. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 28, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates. *) Siehe Anlage 23 Seite 1292 **) Siehe Anlage 24 Seite 1293 Hier ist ein Antrag der Fraktion der SPD angekündigt, den Einzelplan zu streichen. Wird der Antrag begründet? - Ohne Begründung. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall. Dann stimmen wir ab. Wer für die Streichung des Einzelplans 28 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer für Einzelplan 28 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einzelplan 28 ist angenommen. Einzelplan 29, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Familienfragen. ({10}) Hier liegt ein Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 102 *) vor, den Einzelplan zu streichen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Wird dieser Antrag unterstützt? - Es liegt die genügende Unterstützung vor. Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Dann stimmen wir im Wege namentlicher Abstimmung ab. ({11})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit es keinen Irrtum gibt: der Antrag, über den wir jetzt abstimmen, lautet auf Streichung. Wer den Haushalt also behalten will, muß sich entsprechend verhalten. ({0}) ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage: Hat noch jemand zu der namentlichen Abstimmung nicht abgestimmt? - Dann bitte ich, sich zu beeilen. - Ich schließe die namentliche Abstimmung. - Meine Damen und Herren! Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen 413. Mit Ja haben 173 gestimmt; mit Nein 233. Enthaltungen 7. Von den Berliner Abgeordneten wurden 21 Stimmen abgegeben. Davon haben gestimmt mit Ja 13, mit Nein 6; 2 Enthaltungen. Damit ist der Antrag auf Umdruck 102, den die SPD-Fraktion gestellt hatte, mit Mehrheit abgelehnt. Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 29. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die diesem Einzelplan zustimmen wollen, um ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit Mehrheit angenommen. Das Wort zur Geschäftsordnung wünscht der Abgeordnete von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000263, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle namens meiner Fraktion den Antrag, die Sitzung für eine halbe Stunde zu unterbrechen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Haus hat den Antrag gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? Ich möchte meinen, nicht. Es ist seit jeher üblich, *) Siehe Anlage 26 Seite 1295 *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1311 ({0}) daß, wenn eine so große Fraktion den Antrag auf Unterbrechung stellt, dem stattgegeben wird. Ich darf feststellen, daß das auch hier geschieht. ({1}) Ich unterbreche die Sitzung auf 30 Minuten und gebe bekannt, daß die Fraktion der CDU/CSU sofort eine Fraktionssitzung hat. ({2}) Die Sitzung wird um 15 Uhr 38 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. ({0}) - Ich weiß es nicht. Ich rufe auf Einzelplan 30, Haushalt der Bundesminister für besondere Aufgaben. Hierzu liegt ein Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 102*) vor, den Haushalt der Bundesminister für besondere Aufgaben zu streichen. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag der SPD auf Streichung des Haushalts zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag der SPD ist abgelehnt. Ich komme dann zur Abstimmung über den Einzelplan 30 selbst. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 30 ist angenommen. Einzelplan 32, Haushalt der Bundesschuld. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 35, Haushalt der Verteidigungslasten. Zu diesem Einzelplan liegt auf Umdruck 76 Ziffer 2 ein Antrag der SPD-Fraktion vor, der lautet: In Einzelplan 35 Kap. 3501 Tit. 300 ist der Beitrag der Bundesrepublik an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ({1}) um 1 000 000 000 auf 8 000 000 000 DM zu kürzen. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag der SPD-Fraktion ist abgelehnt. Da andere Anträge zu diesem Einzelplan nicht vorliegen, komme ich zur Abstimmung über den Einzelplan 35, Haushalt der Verteidigungslasten. *) Siehe Anlage 26 Seite 1295 Wer dem Einzelplan zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Ich rufe auf Einzelplan 40, Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen. Zu diesem Haushalt liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 104, 101 und 103 vor. Zunächst der Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Umdruck 104: In Kap. 4009 Tit. 104 ({2}) werden die für das Rechnungsjahr 1953 genehmigten 859 Stellen für Aushilfsangestellte für das Rechnungsjahr 1954 beibehalten. Die für die Durchführung des Vorverfahrens erforderlichen zusätzlichen 150 Angestellten werden hiervon nicht berührt. Wird das Wort dazu gewünscht? - Bitte!

Wilhelm Traub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir von der sozialdemokratischen Fraktion Ihnen diesen Änderungsantrag heute noch einmal vorlegen, so deshalb, weil wir bei der zweiten Lesung der Entschließung auf Umdruck 62 zugestimmt haben, die von der Deutschen Partei beantragt war und besagte, daß die Bundesregierung zusätzlich ältere Angestellte für die Durchführung der Arbeit bei den Versorgungsämtern einstellen solle. Diese Entschließung wurde seinerzeit hier vom Hause einstimmig angenommen, und ich glaube deshalb - ({0}) - In der zweiten Lesung. ({1}) - Also, jedenfalls, ich habe damals hier erklärt, daß wir dieser Entschließung zustimmen. Wenn Sie dazu übergehen, die Zahl der Aushilfsangestellten von 859 auf 750 zu reduzieren - denn etwas anderes besagt der Haushalt nicht -, dann könnnen Sie nicht eine solche Entschließung hier vorlegen und nachher annehmen. Ich darf Sie noch einmal bitten, im Hinblick darauf, daß heute noch 550 000 Rentenanträge unerledigt sind, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 104 zuzustimmen. Er besagt nichts anderes, als daß der Stellenansatz, der bereits im Jahre 1953 genehmigt wurde, auch für das Jahr 1954 wieder Gültigkeit haben soll. Dann darf ich, Herr Präsident, hier auch gleich noch kurz auf den Antrag auf Umdruck 103 eingehen. Auch diesen Antrag möchte ich nicht noch einmal sachlich begründen. Der Änderungsantrag bezieht sich auf die Schaffung einer Abteilung für hirnverletzte Kriegsbeschädigte in Tübingen. Ich darf dazu noch einige Worte sagen, weil ja auf Umdruck 88 auch eine Entschließung vorliegt. Meine Damen und Herren, ich darf Sie doch wirklich bitten, unserem Antrag zuzustimmen; denn der Herr Bundesarbeitsminister - das war ja erfreulich - hat sich bei der letzten Beratung sehr positiv zu der Schaffung dieses Hirnverletztenheims ausgesprochen. Er hat hier zum Ausdruck gebracht, daß die Verhandlungen schon zwei Jahre liefen. Die Bauzeit für diese Abteilung des ({2}) Hirnverletztenheims in Tübingen beträgt ungefähr drei Jahre. Wenn wir nun noch einmal bis zur Etatberatung 1955 warten sollen, dann bedeutet das nichts anderes, als daß wir erst im Frühjahr 1955 zu diesem Antrag Stellung nehmen und die entsprechenden Mittel einsetzen können. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, schon in diesem Haushaltsjahr 150 000 DM mit Sperrvermerk einzusetzen. Es kann also praktisch hierbei gar nichts passieren. Ich darf Sie noch einmal bitten, im Interesse der Beschleunigung dieser ganzen Angelegenheit dem Antrag auf Umdruck 103 Ihre Zustimmung zu geben. ({3})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Probst.

Dr. Maria Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001753, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Die 859 Stellen genügen nicht. Es hat sich ja herausgestellt, daß heute in der Tat eine Quote von 800 Rentenfällen pro Sachbearbeiter gegeben ist. Das ist ein Zustand, der nicht erträglich ist und der nicht dahin führt, wohin wir kommen müssen, daß nämlich die 550 000 unerledigten Anträge endlich in diesem Jahr bearbeitet werden. Wir haben uns deshalb auf den Boden der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers gestellt, der gesagt hat, daß er den echten Bedarf in einem überplanmäßigen Stellenausgleich decken wird. In diesem Sinne können wir auch durchaus dem Antrag der DP zustimmen, der den Grundsatz der Heranziehung älterer Angestellter ausspricht. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Bitte, Herr Abgeordneter Traub.

Wilhelm Traub (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, ich darf dazu folgendes sagen: Wir haben das letzte Mal schon zum Ausdruck gebracht, daß 859 Angestellte nicht ausreichen. Aber es ist unmöglich, heute zu beschließen, daß nur 750 Aushilfsangestellte beschäftigt werden. Wenn der Herr Bundesarbeitsminister sagt, daß er zusätzliche Kräfte beschäftigen wolle, dann vergeben Sie sich ja gar nichts, wenn Sie unserem Antrag zustimmen, daß zunächst einmal der alte Ansatz bleibt. Selbstverständlich sind wir damit einverstanden, daß über diese 859 Kräfte hinaus noch zusätzliche Kräfte vom Herrn Bundesarbeitsminister zur Verfügung gestellt werden. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wünschen Sie noch einmal das Wort, Frau Abgeordnete? - Bitte!

Dr. Maria Probst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001753, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Herren, ich darf feststellen, daß unsere Lösung eine viel weitergehende ist, ({0}) daß sie an dem Status quo gar nichts ändert, da wir die sichere Zusage des Herrn Bundesfinanzministers sofort in Anspruch nehmen werden. Es ist also gar nicht notwendig, uns heute auf 859 festzulegen. Dies würde den Willen des Hauses auf einen Zustand festlegen, der auf die Dauer nicht erträglich ist. ({1}) Ich bitte, den Antrag abzulehnen. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Ich lasse zuerst über Umdruck 104*), Antrag der Fraktion der SPD, abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 104 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 101**). Der Herr Bundesfinanzminister wünscht zu diesem Antrag das Wort. Ich erteile es ihm.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu diesem Antrag eine Erklärung abgeben. Es sind zusammen mit der Frage des Bundesanteils wegen der Rücksichtnahme auf die Deckungsmöglichkeiten drei Posten in Verbindung gestellt: 120 Millionen DM für den Grenzlandfonds, 70 Millionen DM für Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge und 50 Millionen DM für Kriegsgefangenenentschädigung. Der letzte Posten unterscheidet sich von den zwei vorausgegangenen insofern, als er bereits eine gesetzliche Verpflichtung darstellt. Mit Rücksicht darauf habe ich in meinem Hause bereits angeordnet - und die Anordnung ist bereits vollzogen -, daß die Geldanforderungen, die bei der Durchführung dieser Kriegsgefangenenentschädigungen entstehen werden, angewiesen werden in der Erwartung, daß die vorgesehene Deckung auch erfüllt wird. Im Wege der Vorschußzahlung ist es möglich, allen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Insofern rennt der Antrag offene Türen ein. Er hat aber auch eine Gefahr: es ist nämlich sicher, daß die Deckung nur in der Höhe des Bundesanteils gefunden werden kann. Wenn sie wider Erwarten nicht zustande käme, wäre ein Nachtragshaushalt erforderlich. Die Verbindung soll der Hinweis darauf sein, daß die Deckungsfrage dann auf anderem Wege gelöst werden müßte.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 101. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 103. Der Antrag liegt Ihnen allen vor; ich brauche ihn nicht nochmals zu verlesen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Zu diesem Haushalt liegen noch vor die Entschließung auf Umdruck 62 und die Entschließung auf Umdruck 88. Wird das Wort dazu gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Schneider. *) Siehe Anlage 30 Seite 1299 **) Siehe Anlage 28 Seite 1297

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der voraufgegangenen Debatte ist schon angeklungen, welcher Arbeitsrückstau auf dem Sektor der Kriegsbeschädigten besteht. Die vorliegende Entschließung auf Umdruck 62 beschäftigt sich darüber hinaus mit dem großen Kreis derjenigen, die infolge der Kriegsläufte und Nachkriegsfolgen unter die verschiedenartigsten Gesetze fallen. Wir sind leider im Nachkriegsdeutschland in der mißlichen Lage, einen riesenhaften Personenkreis versorgen zu müssen. Es ist bekannt, daß auch bei den Lastenausgleichsämtern, bei den Ämtern, die sich mit der Rückführung der Evakuierten usw. befassen, ein ganz erheblicher Arbeitsrückstau entstanden ist, und zwar nicht dadurch, daß auf Grund der bestehenden Gesetze dieser Personenkreis versorgt werden muß, sondern darüber hinaus auch durch die immer wiederkehrenden Änderungen, durch die auch immer wieder Veränderungen in der Betreuung all dieser Personen erforderlich sind. Wenn wir dabei daran denken, daß es sich zu einem großen Teil um ältere Personen handelt, die vielfach schon am Lebensabend stehen, dann glaube ich mit Ihnen allein darin einig zu sein, daß hier erst recht eine Verpflichtung besteht, diesen Leuten schnellstmöglich Hilfe zu bringen. Über die Einsatzbereitschaft der Angestellten und Beamten, die mit diesen Dingen betraut sind, brauche ich mich hier nicht auszulassen. Wer selbst auf diesen Ämtern ein- und ausgeht - ich glaube, das ist ein nicht geringer Teil von Ihnen, meine Damen und Herren -, weiß, in welcher Weise diese Beamten und Angestellten eingespannt sind. Meine Freunde und ich haben dankbar vermerkt, daß der Herr Bundesfinanzminister bereit ist, auf dem Sektor der Kriegsbeschädigten einer angemessenen Regelung zuzustimmen. Wir wären deshalb dankbar, wenn Sie unserem Antrag, der sich auch auf andere Personenkreise erstreckt, ebenfalls Ihre Zustimmung geben würden. Ein Wort sei mir aber noch erlaubt. Es ist bekannt, daß ein Großteil der Aufwendungen, die aus der Versorgung dieser Personenkreise entstehen, heute zu Lasten der Kommunen bzw. auch der Länder gehen. Es muß eine Regelung gefunden werden, daß die Kommunen und Länder nicht noch mehr als bisher für Aufgaben des Bundes in Anspruch genommen werden. Ich vermerke außerdem dankbar folgendes. Wir sind uns alle, wie schon die Frau Kollegin Probst angedeutet hat, darüber einig, daß wir jetzt einen ersten Schritt tun können, um den Interessen des Personenkreises der älteren Angestellten entgegenzukommen. Über dieses Thema wird im Bundestag demnächst sowieso zu sprechen sein.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 62*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP auf Umdruck 88**). Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem *) Siehe Anlage 27 Seite 1296 **) Siehe Anlage 25 Seite 1294 Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 40: Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen. Wer zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 45 - Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin ({0}) Dazu liegen die Änderungsanträge Umdrucke 79 und 82 vor. Bevor wir aber in die Beratung darüber eintreten, darf ich dem Abgeordneten Dr. Reif das Wort erteilen, der darum gebeten hat.

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP haben dem Hause in Umdruck 19 - ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das hatte ich noch nicht aufgerufen. - Wollten Sie nur dazu das Wort haben?

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das war mir nicht gesagt worden. Wird zu dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 79*) das Wort gewünscht? - Bitte, Abgeordneter Brand!

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, darf ich bei der Begründung des Änderungsantrags Umdruck 79 gleich den weiteren Änderungsantrag meiner Fraktion Umdruck 84*) begründen?

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Gut, ja.

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich folgendes auszuführen. Das eigentliche Thema, um das es im Zusammenhang mit dem Berlin betreffenden Einzelplan geht, lautet auch heute in der dritten Beratung: Welchen Barzuschuß soll Berlin zur Deckung des Fehlbedarfs in seinem Haushalt erhalten? Die sozialdemokratische Fraktion wiederholt mit ihrem Antrag Umdruck 79 das Verlangen in der zweiten Beratung, in den Bundeshaushalt einen Zuschuß von 800 Millionen DM einzusetzen. Die zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Berliner Senat vereinbarte Regelung ist nach unserer Meinung unzulänglich. Sie wird auch von den gegenwärtigen Regierungsparteien in Berlin als unbefriedigend betrachtet und entspricht außerdem nicht jener. Zusage, die der Herr Bundeskanzler in dieser Frage in Berlin gemacht hat. Wir haben in der zweiten Beratung aufgezeigt, daß die beantragte Erhöhung im Rahmen des vorliegenden Haushalts durchaus möglich ist. Wir sind der Meinung, daß gerade in der gegenwärtigen Lage aus nationalpolitischen Gründen die Sicherung des Berliner Haushalts allen sonstigen Maßnahmen vorgehen muß, d. h. daß er anders als durch Zusammenstreichen notwendiger Ausgaben in Ordnung gebracht werden muß. *) Siehe Anlage 32 Seite 1301 *) Siehe Anlage 34 Seite 1303 ({0}) Nachdem versäumt wurde, eine Ausweitung des Berliner Notprogramms in die Erörterung der letzten Wochen einzubeziehen, müssen wir heute feststellen, daß das Notprogramm in seinem jetzigen Rahmen finanziell gefährdet ist. Das ist angesichts der 200 000 Arbeitslosen in Westberlin nicht zu verantworten. Diese Gefahr muß abgewendet werden. Der Haushaltsausschuß hat - wenn ich das gleich miterwähnen darf, Herr Präsident - in seiner Vorlage auf Drucksache 495 empfohlen, den ersten Teil unserer Entschließung vom 6. April anzunehmen. Darin heißt es: Der nach Leistung des Bundeszuschusses verbleibende Ertrag des Notopfers sollte ausschließlich verwendet werden, um die wirtschaftliche und soziale Position Berlins zu sichern. Die Neufassung jenes Entschließungsentwurfs der CDU/CSU und FDP, zu dem wir unseren Änderungsantrag auf Umdruck 84 gestellt haben, zeigt unserer Meinung nach, daß die Kritik der Berliner und das Drängen der Opposition nicht wirkungslos geblieben sind. ({1}) - Ich hatte den Herrn Präsidenten gebeten, zu unseren Anträgen zusammenhängend sprechen zu dürfen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich habe die Erlaubnis erteilt. ({0})

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir hätten es begrüßt, wenn über die Fragen der Wirtschaftsförderung und der Steuerpräferenzen für Berlin - nach einer guten Übung des 1. Bundestages - in den zuständigen Ausschüssen gemeinsam beraten worden wäre. Berlin geht uns alle an. Wenn der Herr Bundesfinanzminister die in dem Antrag der beiden größten Regierungsparteien enthaltenen Verpflichtungen akzeptiert hat, werden wir als sozialdemokratische Fraktion nicht widersprechen. Wir begrüßen jede Erleichterung für Berlin. Über die Zweckmäßigkeit dieser oder jener Maßnahme hat es unterschiedliche Meinungen gegeben. Es hat ernste Zweifel in unseren Reihen gegeben, ob es sinnvoll ist, die gutgestellten Kreise in Berlin völlig vom Notopfer freizustellen. Ernst Reuter pflegte zu sagen, daß auf die Dauer nur dem geholfen wird, der entschlossen ist, sich selbst zu helfen. Im übrigen sind wir gespannt, welche Vorstellungen der Herr Bundesfinanzminister über die Deckung der heute grundsätzlich zu beschließenden Maßnahmen hat. Wenn die generelle Streichung des Notopfers in Berlin beschlossen wird, müßte gemäß unserem Antrag auf Umdruck 84 Ziffer 4 festgelegt werden, daß der dadurch im Berliner Haushalt entstehende Ausfall durch entsprechende Erhöhung des Bundeszuschusses zu decken ist. Es handelt sich um 30 Millionen DM für drei Viertel des begonnenen Haushaltsjahres. Wir meinen auch, die Erhöhung der Steuerfreibeträge, von der im Antrag der beiden größten Regierungsparteien die Rede ist, sollte nicht, wie wohl vorgesehen, auf die Lohnsteuerpflichtigen beschränkt bleiben. Wegen der Handwerker und der kleinen Geschäftsleute sollten wir es bei der allgemeineren Formulierung belassen. In diesem Zusammenhang beantragen wir auf Umdruck 84 Ziffer 3 noch die sachliche Ergänzung, die abzugsfähigen Pauschbeträge um 50 % zu erhöhen. Dadurch könnte unserer Meinung nach der bedenklichen Abwerbung von Fachkräften aus Berlin begegnet werden, die Heranziehung neuer Kräfte könnte erleichtert werden. Gerade auf diese Weise können wir auch einer großen Zahl kleiner Leute eine fühlbare Erleichterung verschaffen. Vor allem wünschen wir gemäß Umdruck 84 Ziffer 1 durch die Einfügung eines neuen Satzes erneut die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß die Bemühungen zur Steigerung von Bundesaufträgen für Berlin verstärkt werden müssen. Die Massenarbeitslosigkeit in Berlin muß noch energischer als bisher bekämpft werden. Der deutsche Westen kann zum Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit mehr tun als bisher, wenn die Auftragserteilung des Bundes, der Länder und der Gemeinden an Berliner Lieferfirmen wesentlich und nachdrücklich verstärkt wird. Wir möchten auch an dieser Stelle die Aufmerksamkeit des Hauses auf ein Problem lenken, das sich aus der Anordnung des Vertriebenenministeriums betreffend eine verschärfte Handhabung des Notaufnahmeverfahrens ergibt. Es muß auf jeden Fall verhindert werden, daß die Lage in Berlin wiederum durch eine stark zunehmende Zahl nicht anerkannter und nicht ausgeflogener Flüchtlinge erschwert wird. Die zentrale Aufgabe nimmt uns kaum noch jemand außerhalb Deutschlands ab, nämlich die Aufgabe, die Berliner in Arbeit zu bringen, nicht zuletzt auch die vielen Angestellten, die als Opfer der Ausschaltung Berlins aus seiner Hauptstadtfunktion auf der Strecke geblieben sind. Diese Aufgabe ist uns selbst, sie ist uns allen gestellt. Die sozialdemokratische Fraktion wird ihrerseits nicht müde werden, ihren positiven Beitrag zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sicherung Berlins zu leisten. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird weiter das Wort zum Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 79 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 79 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Ergebnis der Abstimmung ist zweifelhaft. Ich darf die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 79 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Präsidium ist sich über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig. Sie muß also durch Hammelsprung wiederholt werden. Ich bitte, den Saal zu verlassen. ({0}) Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({1}) Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, die Türen zu schließen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja haben gestimmt 161 Abgeordnete, mit Nein 212, enthalten haben sich 5. Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 79 abgelehnt. ({2}) Ich rufe nunmehr auf Umdruck 82*), Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE. ({3}) Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Alfred Gille (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000681, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion zu dem gleichen Thema, Finanzielle Hilfe für Berlin, geht von zwei Tatsachen aus, die eigentlich nicht bestritten werden können. Es ist einmal die Tatsache, daß der Senat Berlin sich hinsichtlich seines Bedarfs für das Jahr 1954 mit dem Herrn Bundesfinanzminister auf den Betrag von 800 Millionen DM geeinigt hat, daß aber in dieser Einigung die Abrede enthalten ist, daß der Fehlbetrag des Jahres 1952 in Höhe von 55 Millionen DM ungedeckt im neuen Haushalt verbleiben soll. Der zweite Tatbestand ist die gesetzliche Verpflichtung des Bundes, den haushaltsrechtlichen Fehlbetrag durch Bundeszuschuß zu decken. Der Bundestag kann sich unseres Erachtens nicht dabei beruhigen, daß der Senat Berlin als die zuständige Vertretung der Stadt Berlin eine Einigung vollzogen hat. Nach unserer Ansicht bleibt die volle Verantwortung des Bundestages zumindest hinsichtlich der gesetzlichen Verpflichtung des Bundes bestehen. Wir sind der Meinung: wenn die gesetzliche Verpflichtung des Bundes so lautet, daß der gesamte Fehlbetrag zu decken ist, beinhaltet das auch die Deckung des rechnungsmäßigen Fehlbetrages, der vor zwei Jahren entstanden ist. Es entspricht nicht nur einer gesunden und vernünftigen Haushalts- und Finanzpolitik, den Fehlbetrag spätestens nach zwei Jahren zu decken, sondern für die Stadt Berlin besteht dazu auch eine gesetzliche Verpflichtung. Ich finde keine Gründe, die dem Bund ausreichenden Anlaß geben könnten, bei dieser klaren Rechtslage die Verpflichtung zur Deckung des Betrags von 55 Millionen DM etwa zu verneinen. Ich bin der Meinung, daß gerade in diesem Jahr und zu diesem Zeitpunkt - ich meine damit das Scheitern der Berliner Konferenz und alles, was sich im Zusammenhang damit abgespielt hat, und die nationalpolitische Verschärfung der Situation Berlins - nicht schöne Reden allein genügen, sondern daß zumindest die gesetzliche Verpflichtung des Bundes auf Heller und Pfennig erfüllt werden muß. ({0}) Wir sind bereit, auch noch darüber hinaus alles mitzutun, was in den Kräften des Bundes steht. Wir bitten aber um Verständnis dafür - und wir hoffen, daß das Haus dem zustimmen kann -, daß mindestens die gesetzlichen Verpflichtungen des Bundes gegenüber Berlin gerade in der gegenwärtigen Stunde restlos erfüllt werden müssen. Bei der Absprache zwischen dem Senat von Berlin und dem Herrn Bundesfinanzminister hat man zur Deckung des Fehlbedarfs von 800 Millionen DM noch einen haushaltsrechtlichen Trick angewandt, der wirklich keine echte Deckung bedeutet. Der Senat von Berlin hat sich damit einverstanden erklärt, daß in Höhe von 15 Millionen DM, die für Bauten der Stadt Berlin und für Investierungen vorgesehen waren, an die Stelle dieser Investierungen, die, wie man unterstellen darf, doch sicherlich notwendig gewesen sind, die Verpflichtung des Bundes tritt, in dieser Höhe Bun- *) Siehe Anlage 33 Seite 1302 desbauten in Berlin durchzuführen. Wir begrüßen diese Maßnahme des Bundes und sind auch der Meinung, daß die Zahlungsbilanz Berlins dadurch verbessert wird. Es ist aber nicht zutreffend, daß durch dieses Einspringen des Bundes etwa die notwendigen Investitionen, die die Stadt Berlin vorgesehen hat, gedeckt werden können. Deshalb sind wir der Meinung, daß auch in Höhe dieser 15 Millionen die gesetzliche Verpflichtung des Bundes noch in voller Höhe besteht. So erklärt sich unser Antrag, den Ansatz um 70 Millionen DM zu erhöhen, nämlich um 55 Millionen DM für den rechnerischen Fehlbetrag aus dem Jahre 1952 und 15 Millionen DM für noch nicht gedeckte Investitionen der Stadt Berlin. Ich möchte noch einmal an das Haus appellieren, bei der Behandlung der Finanzhilfe für Berlin nicht zu vergessen, daß alle unsere Worte, die wir hier häufig in diesem Haus in voller Einmütigkeit in dem Gefühl der Solidaritätsverpflichtung gegenüber unseren Brüdern in Berlin ausgesprochen haben, nichts nützen, wenn der Bund nicht einmal bereit ist, das zu tun, wozu er gesetzlich verpflichtet ist. ({1}) Meine Fraktion bittet um namentliche Abstimmung.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem bereits in der zweiten Lesung über diesen Antrag abgestimmt worden ist, hätte ich eigentlich keinen Anlaß, das Wort zu ergreifen, wenn nicht die neue Begründung des Antrags mich zwingen würde, einige Feststellungen zu treffen. Berlin hat, um seinen Landeshaushalt in Ordnung zu bringen, gewünscht, das es 800 Millionen DM erhält. Es erhält die 800 Millionen auf folgendem Weg: 710 Millionen Bundeszuschuß; 75 Millionen als Darlehen, das bestimmt ist, Programme, auch Investitionsprogramme, mit Bundesbürgschaft in Berlin durchzuführen; 15 Millionen für Bundesbauten. Diese Bundesbauten und die Gelder dafür wären an sich im Bundesgebiet sehr notwendig gewesen. Sie sind nach Berlin verlegt worden, weil dadurch in Berlin im Wohnungsbau und für den Arbeitsmarkt Beschäftigungsmöglichkeit gegeben wird und weil unter Umständen Gebäude gebaut und hergerichtet werden können, die später unmittelbaren Verwaltungszwecken in Berlin zur Verfügung gestellt werden können. Damit wird also Berlin in Höhe von 15 Millionen weiter entlastet, und den Wünschen bezüglich der 800 Millionen DM ist entsprochen. Nun halte ich es aber für ganz falsch, die Argumentation zu bringen, man müsse Berlin auch in die Lage versetzen, Fehlbeträge früherer Jahre abzudecken, und das in derselben Stunde, in der der Bund, der doch derjenige ist, der die Gelder gibt, nicht dazu in der Lage ist. Das würde dazu führen, daß auf der einen Seite hier einer haushaltsmäßigen Vorschrift genügt wird, auf der anderen Seite aber der Haushalt des Bundes des Jahres 1954 nicht mehr abgeglichen werden kann. Das kann nicht der Sinn solcher Maßnahmen sein. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat Abgeordneter Dr. Gille.

Dr. Alfred Gille (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000681, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister! Meine Fraktion hat zur Begründung ihres Antrages nichts dagegen gesagt, daß zur Deckung der 800 Millionen DM in Höhe von 75 Millionen DM, da es sich doch um echte Investitionsausgaben handeln soll, der Weg der Anleihe beschritten werden soll. Die 15 Millionen DM für Bundesbauten, die doch sicherlich nicht im Haushalt von Berlin darin waren, können doch bei Gott nicht als eine echte Deckung des Bedarfs des Berliner Haushalts angesehen werden. ({0}) Ich habe schon gesagt, Herr Bundesfinanzminister, daß wir es sehr dankbar anerkennen, daß der Bund in diesem Umfange dort Bauten durchführen wird, meinetwegen auch diese Bauten der Stadt Berlin zur Verfügung stellen will, solange er sie für eigene Aufgaben nicht braucht. Das mag die Zahlungsbilanz Berlins entlasten, das mag den Arbeitsmarkt Berlins anregen, ist aber nicht eine Deckung des Haushalts. Gegen diese Argumentation kann man doch beim besten Willen nichts sagen. Was nun die Deckung des Fehlbetrages von 55 Millionen DM angeht, so ist mir sehr wohl bewußt, daß sich der Bund in diesem Jahre genötigt gesehen hat, den § 75 der Reichshaushaltsordnung für sich außer Kraft zu setzen. Ich glaube aber, die Situation in Berlin ist schon deshalb eine andere, weil für Berlin heute noch eine Rechtsverpflichtung besteht. Denn § 75 der Reichshaushaltsordnung gilt für Berlin wie für die anderen Länder unverändert fort. Das geht daraus hervor, daß auch die 55 Millionen DM ungedeckt in den Haushalt eingesetzt worden sind. Ich möchte meinen, Herr Bundesfinanzminister, daß Ihre Entgegnung, in einem Jahre, in dem der Bund nicht in der Lage sei, seinen Haushalt einschließlich der Deckung eines rechnerischen Fehlbetrages auszugleichen, wäre es eine Überforderung, vom Bund zu verlangen, was wir beantragen, nicht treffend ist. Denn es wird ja gerade für die Berlin-Hilfe eine besondere Steuer in Gestalt des Notopfers erhoben, und diese Steuer ist - die gesetzliche Verpflichtung ist doch beim besten Willen nicht abzustreiten - dazu da, den Fehlbetrag des Berliner Haushalts zu decken. Zu diesem Fehlbetrag gehört auch der Betrag von 55 Millionen DM. Ich möchte meinen, daß die Stadt Berlin auch deshalb in einer anderen Lage und es deswegen unbedingt nötig ist, die 55 Millionen DM aus den Vorjahren abzudecken, weil es dem Bund sicherlich eher als der Stadt Berlin möglich ist, auftauchende Kassenschwierigkeiten zu beheben, und weil etwaige Kassenschwierigkeiten in Berlin ganz andere wirtschaftliche und besonders auch politische Auswirkungen haben müßten, als das hier in Bonn der Fall ist. Wir bitten deshalb, unserem Antrage zuzustimmen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Es liegt ein Antrag auf namentliche Abstimmung vor. Da die Fraktion, die den Antrag stellt, keine 50 Mitglieder zählt, darf ich das Haus fragen, ob der Antrag auf namentliche Abstimmung hinreichend unterstützt wird. - Das ist der Fall. Es wird namentlich abgestimmt über Umdruck 82*), Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haben alle Abgeordneten in der namentlichen Abstimmung ihre Stimme abgegeben? Wenn nicht, dann bitte ich, das gleich zu tun. Ich unterstelle, daß alle Stimmzettel abgegeben sind, und schließe die namentliche Abstimmung. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe das vorläufige Ergebnis **) der namentlichen Abstimmung zu Umdruck 82 bekannt. Abgegebene Stimmen 411; Ja 185, Nein 222, Enthaltungen 4. Berliner Abgeordnete: abgegebene Stimmen 19; Ja 17, Nein 2. Damit ist der Antrag Umdruck 82 mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe nunmehr den Entschließungsantrag auf Umdruck 42***) auf und erteile dem Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Krammig, das Wort. Krammig ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 42 hat die Fraktion der SPD einen Entschließungsantrag eingebracht, nach dem - Buchstabe a - das Aufkommen aus der Abgabe Notopfer Berlin in erster Linie der Deckung des Fehlbedarfs des Berliner Landeshaushalts dienen soll und - Buchstabe b - die Bundesregierung ersucht wird, bei der Gestaltung des kommenden Bundeshaushalts dafür zu sorgen, daß die Einnahme aus der Abgabe Notopfer Berlin in den Einzelplan 45 aufgenommen, d. h. also aus dem Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, herausgenommen und in den Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin eingestellt wird. Der Haushaltsausschuß hat sich mit diesem Entschließungsantrag in seiner 31. Sitzung am 29. April beschäftigt und ist nach Erörterung des Sachverhalts zu folgendem Ergebnis gekommen. In § 1 des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe Notopfer Berlin ist vorgesehen, daß die Bundesleistung gegenüber dem Land Berlin in erster Linie aus der Abgabe Notopfer Berlin zu decken sei. Insoweit ist dem Buchstaben a der Entschließung schon Rechnung getragen. Trotzdem hat sich der Haushaltsausschuß dazu entschlossen, dem Hause zu empfehlen, den Buchstaben a dieser Entschließung anzunehmen, weil der Gesetzentwurf über die Erhebung einer Abgabe Notopfer Berlin dem Bundestag noch nicht zur Beratung zugeleitet worden ist. Zu Buchstabe b ist in der Erörterung ausgeführt worden, daß die Veranschlagung im Einzelplan 45 der Systematik des Haushaltsaufbaus widersprechen würde, weil alle allgemeinen Deckungsmittel im Einzelplan 60 veranschlagt seien. Aus diesem Grunde schlägt Ihnen der Haushaltsausschuß vor, Buchstabe a der Entschließung anzunehmen und Buchstabe b abzulehnen. *) Siehe Anlage 33 Seite 1302 **) vgl. das endgültige Ergebnis Seite 1311 ***) Siehe Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 25. Sitzung Seite 1027

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. ({0}) - Jawohl. - Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 495, und zwar lasse ich jetzt abstimmen über den Buchstaben a des Umdrucks 42, für den der Ausschuß die Annahme empfiehlt. Wer dem Buchstaben a auf Umdruck 42 gemäß dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 495 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Buchstabe b des Umdrucks 42 und stelle ihn zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache 495, den Buchstaben b des Umdrucks 42 abzulehnen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Ausschußantrag auf Drucksache 495 ist angenommen. Ich rufe nunmehr auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Umdruck 19 ({1})*) und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Reif.

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe ich einige Worte zur Begründung dieses Entschließungsantrags sage, möchte ich mich der Bitte des Herrn Kollegen von Merkatz entledigen, mitzuteilen, daß die Fraktion der Deutschen Partei sich dieser Entschließung anschließt. Der Inhalt der Entschließung, die dem Hause heute vorgelegt wird, hat eine wirtschaftliche und eine politische Seite. Bezüglich der wirtschaftlichen Seite möchte ich darauf hinweisen, daß wir endlich einmal aus der Atmosphäre der Behandlung der Berliner Dinge herauskommen müssen, die lediglich dadurch bestimmt wird, daß Berlin, worüber gar kein Zweifel ist, in weiten Kreisen seiner Bevölkerung Not leidet. Wir glauben, daß mit dem Schritt, der auf Grund dieses Antrags getan werden soll, die Berlinpolitik des Bundes in eine neue konstruktive Phase tritt, in eine Phase, die dadurch gekennzeichnet wird, daß wir eine Stadt, die niemals Notstandsgebiet in dem herkömmlichen Sinne gewesen ist, etwa im Sinne eines unentwickelten Gebietes, sondern die von jeher ein technisch, personell und organisatorisch hochentwickeltes Wirtschaftszentrum Deutschlands gewesen ist, wieder integrieren und damit eigentlich die Maximen der Wirtschaftspolitik, wie sie Herr Professor Erhard in der Bundesrepublik vertritt, für Berlin erfüllen. Daß dazu steuerliche Präferenzen gewählt werden, ist in einer Zeit, in der jede wirtschaftspolitische Maßnahme, welcher Art auch immer, an der steuerlichen Situation scheitern kann, beinahe selbstverständlich. Bei steuerlichen Belastungen, wie sie die Gegenwart in Deutschland und in anderen Ländern kennt, ist die Steuerpolitik selbst beinahe das einzige wirksame Mittel der Wirtschaftspolitik, das sich anwenden läßt, im guten und schlechten Sinne. *) Siehe Anlage 31 Seite 1300 Hier soll es sich nun darum handeln, durch eine lineare Senkung, d. h. durch eine sehr liberale, auf das Vertrauen in die Wirksamkeit der Marktfaktoren gestützte Maßnahme auf dem Gebiet der Einkommen- und der Körperschaftsteuer und der Lohnsteuer die Berliner Wirtschaft in die Lage zu versetzen, das Handicap auszugleichen, das ihr durch die Geschichte auferlegt wurde; denn bei allen Schwierigkeiten der Wirtschaft in der Bundesrepublik, die wir anerkennen und für die wir Verständnis haben, darf doch immer wieder daran erinnert werden, daß eine russische Demontage etwas anderes ist als eine Demontage der westlichen Alliierten, nämlich ein Kahlfraß. Es darf daran erinnert werden, daß die Sperre der Banken durch Jahre hindurch die Berliner Wirtschaft verhindert hat, auch nur die einfachsten Anstrengungen mit eigenen Mitteln durchzuführen, die zum Wiederaufbau notwendig sind. Dazu kommen die Blockade und die Störungen und Belastungen durch die großen Entfernungen, die heute noch die Berliner Wirtschaft in ihrer Entwicklung hemmen. Nun werden Sie, meine Damen und Herren, mit Recht sagen, daß es einzelne Branchen des Berliner Wirtschaftslebens gibt, deren Entwicklung als gut angesehen und als begrüßenswert bezeichnet werden kann. Ich möchte aber hier auch einmal eines dazu sagen. Bitte keine Angst vor der Berliner Damenkonfektion! Sie ist vielleicht die einzige Branche, von der wir sagen können, daß sie einigermaßen ihre alte Stellung innerhalb der deutschen Wirtschaft wieder erreicht hat. Aber selbst da ist doch nun eines zu berücksichtigen - und wir werden im Ausschuß immer auf die sehr bedeutsamen und schätzenswerten Ausarbeitungen der Berliner Industrie- und Handelskammer zurückgreifen müssen -, nämlich die kreditmäßige Überlastung des Umsatzes auch derjenigen Branchen, denen es äußerlich gesehen gut geht. Das heißt also, Berlin leidet unter Kapitalarmut und braucht Anregungen zur Neubildung. Berlin leidet unter Überfremdung, d. h. unter Mangel an eigenem Risikokapital in den Betrieben, die reüssieren. Hier ist aus kaufmännischen Gesichtspunkten eine Korrektur notwendig. Wenn ich aber sagte, daß die Berlin-Politik des Bundes mit diesen Maßnahmen, über die mein Kollege Stingl wahrscheinlich noch einiges Nähere sagen wird, in ein konstruktives, positives Stadium tritt, so gilt das j a nun vor allen Dingen in bezug auf die politische Bedeutung. Es ist schon bei der Beratung des letzten Punktes über die ViererKonferenz und über die besondere Aufgabe gesprochen worden, die für uns in der jetzigen Situation der Weltpolitik besteht. Wir müssen heraus aus einer Betrachtungsweise, die Berlin gewissermaßen als einen Fehltritt der deutschen Geschichte ansieht. Wir müssen hin zu einer Auffassung, die Berlin als die Aufgabe der deutschen Geschichte betrachtet, nicht allein um Berlins willen, sondern weil wir überhaupt keine andere Möglichkeit haben, unseren Willen, für die größte Aufgabe der Nation, nämlich für die Wiedervereinigung, etwas zu tun, zu bekunden. Wir haben keine andere Möglichkeit, diese Aufgabe und diese Verpflichtung zu erfüllen als durch eine Unterstützung Berlins. Wenn also das Haus diesen Maßnahmen zustimmt und wenn wir die Hoffnung haben können, daß durch eine rasche Erledigung der Steuervorlagen in den Ausschüssen ein rechtzeitiges, d. h. ein baldiges Inkrafttreten dieser Maßnahmen für Berlin erreicht werden kann, dann schaffen wir damit ({0}) ein Politikum und machen in einer Weltsituation, die verworren ist, zumindest das, was uns als Aufgabe des Tages zu tun allein übrigbleibt: nämlich für die wirkliche Integration unseres Landes, seine Wirtschaft und das Leben seiner Bevölkerung alles zu unternehmen, was uns nur möglich ist. Dabei haben wir die Hoffnung, daß mit dem Erfolg dieser Maßnahmen solche Debatten, wie wir sie eben geführt haben, in hoffentlich nicht allzu langer Zeit vielleicht überflüssig werden. Wir alle haben im Interesse Berlins den Wunsch, unseren Haushalt selbst ausgleichen zu können; das kommt noch hinzu. Aus allen diesen Gründen darf ich bitten, daß dieses Haus, dessen Vorgänger in seinem Plenum trotz eines linksradikalen und eines rechtsradikalen Flügels, die es heute nicht mehr gibt, für alle Anliegen Berlins besonders verständnisvoll war, in dieser Beziehung die Tradition des alten Bundestages fortsetzt. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt der Umdruck 19 ({0})*), der nach unserer Auffassung eine wesentlich größere Bedeutung hat als das, was vorhin hier anstand, nämlich die Abstimmung darüber, ob der Zuschuß für den Haushalt Berlins vergrößert werden soll. Wir wissen als Berliner dem Bundesfinanzminister ganz besonderen Dank dafür, daß er es ermöglicht hat, daß wir jetzt schon unseren früheren Umdruck 19 in neuer Form vorlegen können, in dem ganz konkrete Maßnahmen gefordert werden, die in Berlin nun nicht mehr über den Haushalt gehen, sondern direkt in die Wirtschaft hinein wirksam werden sollen. Die Ausführungen von Dr. Reif haben schon gezeigt, wie notwendig es ist, Berlin zu helfen. Ich kann mir ersparen, diese Dinge zu wiederholen. Ich möchte aber bemerken, daß es uns mit diesem Antrag entschieden darauf ankommt, eine Belebung der Wirtschaft zu erreichen, wie sie in Berlin im Vergleich zum Bundesgebiet bisher weithin nicht möglich war. Der Wegfall des Notopfers in Berlin mit dem 1. Juli dieses Jahres wird zu einem Einnahmeausfall von 30 Millionen DM führen. Wir haben in unserem Antrag vermerkt - das gilt für alles, was drinsteht -, daß die erwähnten Maßnahmen keinen Steuerausfall bringen dürfen, der zu Lasten des Berliner Landeshaushalts ginge. Hier geht es also wiederum um ein Mehr von 30 Millionen DM. Die wirksamere Hilfe wird aber, wie wir glauben, mit den in Buchstabe b unseres Umdrucks geforderten Maßnahmen erreicht. Wenn wir nämlich in Berlin die Einkommensteuer, die Lohnsteuer und die Körperschaftsteuer um 20 % herabsetzen, wird das zur Folge haben, daß sich die Betriebe, die bisher mit einem ungemein großen Fremdkapital arbeiten mußten, nun besser mit Eigenkapital in das Wirtschaftsgeschehen einschalten können. Wir vermeiden damit, daß die Grenzbetriebe immer wieder vor der Frage stehen, ob sie ihre Arbeitskräfte weiter beschäftigen können. Mit der Zustimmung zu unserer Entschließung Umdruck 19 ({1}) werden wir dem Berliner das Geld in der Tasche lassen. Die Arbeitnehmer werden *) Siehe Anlage 31 Seite 1300 dann weniger Steuern zu bezahlen haben, zumal ja auch die Steuerfreibeträge um 20 vom Hundert erhöht werden sollen. Wir glauben, daß wir damit nicht nur das Konsumgeschäft beleben, sondern auch die Spartätigkeit anregen können. Vor allem geht es darum, in Berlin neue Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem soll es sich wieder lohnen, in Berlin, diesem Vorposten Deutschlands, zu arbeiten. Wir wollen erreichen, daß für tüchtige Unternehmer ein Sog nach Berlin entsteht. Ferner soll gewährleistet werden, daß Fachkräfte in Berlin bleiben. Der Änderungsantrag der SPD Umdruck 84 geht in Ziffer 4 dahin, daß der Ausfall im Berliner Haushalt gedeckt wird. Wir sind der Meinung, daß diese Frage mit dem zweiten Absatz unseres Antrags erledigt wird. Allerdings sind wir bereit, der Ziffer 1 des Änderungsantrags Umdruck 84 zuzustimmen, daß zur Verringerung der großen Arbeitslosigkeit gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden die Auftragserteilung der Bundesrepublik an Berliner Lieferfirmen nachdrücklich zu verstärken ist. Es besteht wohl keine Meinungsverschiedenheit im Hause darüber, daß es entscheidend darauf ankommt, für Berlin Aufträge und Arbeit zu schaffen. Ich möchte alle Damen und Herren des Hauses dringend darum bitten, in den Gemeinden und Ländern - auf der Bundesebene können wir jetzt in dieser Beziehung keine Klage mehr führen - ihren Einfluß mehr zur Geltung zu bringen, damit Aufträge nach Berlin kommen. Der Kollege Dr. Bucerius hat vor einiger Zeit gesagt, daß er keine Zensuren zu verteilen gewillt sei. Er hat aber immerhin die erfreuliche Feststellung gemacht, daß sich gerade Bayern sehr aufgeschlossen zeige, wenn es darum gehe, daß Aufträge nach Berlin gelangen sollen. Es ist mir als Berliner ein Bedürfnis, dazu ein Wort zu sagen. Wir, die wir infolge unserer Insellage besonders bedrückt sind, haben Verständnis für jene, die auf drei, zwei oder einer Seite mit dem Bolschewismus zu tun haben. Sie können versichert sein, daß die Berliner Abgeordneten, wenn Fragen der Notstandsgebiete und besonders des Bayerischen Walds zur Debatte stehen, auf ihrer Seite stehen werden. Kollege Brandt hat vorhin gesagt, der Kanzler habe das Versprechen, daß die Steuervergünstigungen für Berlin noch weiter ausgebaut werden, nicht eingelöst. Dazu darf ich feststellen: Wenn wir diese Entschließung angenommen haben und der Herr Bundesfinanzminister zugestimmt hat, ist damit das Wort des Kanzlers eingelöst. Wir Berliner nehmen mit Dank davon Kenntnis, daß uns nun geholfen wird, zwar vielleicht mit einer Unschönheit im Haushalt, aber auf jeden Fall doch so, daß der einzelne Berliner Nutzen davon hat und die Betriebe Berlins neu belebt werden. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ermächtigt, im Namen der Bundesregierung zu erklären, daß die Bundesregierung der Entschließung grundsätzlich zustimmt. ({0}) Ich kann diese Erklärung abgeben, nachdem die Entschließung selber betont, daß die notwendige Deckung beschafft werden müsse. Damit können ({1}) haushaltswirtschaftliche Bedenken gegen diese Entschließung nicht mehr vorgebracht werden. Im Vertrauen darauf, daß die Hilfsbereitschaft anerkannt wird, die die Bevölkerung des Bundesgebiets und die Bundesregierung für Stadt und Land Berlin bisher bewiesen haben, glaube ich davon absehen zu dürfen, diese Hilfsbereitschaft und die Anerkennung der besonderen Lage der Stadt Berlin hier noch einmal zu unterstreichen. Ich erkenne dankbar an, daß die Entschließung die Notwendigkeit der Beschaffung einer Deckung berücksichtigt und daß die Abstimmung über die Entschließung in voller Verantwortung für die Abgleichung des Haushalts erfolgt. Das Hohe Haus ist sich wohl bewußt, daß es nicht leicht sein wird, die notwendige Deckung zu beschaffen, da der Ausfall, der ja letzten Endes voll vom Bund getragen werden muß, etwa 140 Millionen DM betragen wird. Ich darf zu dem Antrag noch eine Bemerkung machen. Ich glaube mich mit dem Hohen Hause darin einig, daß das Ziel des Antrags ist, der Stadt Berlin und dieser ausschließlich noch eine besondere Hilfe zu gewähren, die insbesondere die Abwanderung von Menschen und von Betrieben aus Berlin verhindern und einen Anreiz geben soll, daß Menschen und Betriebe in die Stadt Berlin zurückkehren. Dieser Absicht entspricht es, wenn die neue Steuervergünstigung nur für Einkünfte gewährt wird, die in Berlin anfallen, und nur für Personen und Körperschaften, die in Berlin unbeschränkt steuerpflichtig sind. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß bei der Anlegung eines strengen Maßstabs vielleicht Zweifel daran bestehen könnten, ob die vorgeschlagene Regelung mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist. Ich glaube aber, bis zur Beratung des notwendigen Gesetzentwurfs im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Steuerreform diese Frage durch Gutachten bereits klären zu können. In welcher Form die Deckung gefunden werden muß, steht heute noch nicht endgültig fest. Es muß sich aber der Natur der Sache nach um eine steuerliche Einnahme handeln, die dem Bund allein zufließt und nicht zwischen Bund und Ländern zu teilen ist. Es liegt daher nahe, an das Berliner Notopfer zu denken. Gerade bei der Beratung der Deckungsvorlage ist Gelegenheit, zu beweisen, daß die Hilfsbereitschaft für Berlin echt ist und die Hilfe in voller Verantwortung vor der gesamten Bevölkerung des Bundesgebiets geleistet wird. Um psychologische Bedenken gegen die Entschließung von vornherein auszuräumen, möchte ich noch eine Schlußbemerkung anfügen. Es gibt in Deutschland gewiß Gebiete, die aus der Natur ihrer Verhältnisse heraus wirtschaftlich ähnlich schlechte oder vielleicht sogar noch schlechtere Verhältnisse haben, als sie heute die Bevölkerung der Stadt Berlin tragen muß. Es darf aber nicht vergessen werden, daß der seelische Druck, der auf der Berliner Bevölkerung liegt, einzigartig ist und daß dieser seelische Druck von der Bevölkerung des übrigen Bundesgebiets Gott sei Dank nicht in dem gleichen Maße ertragen zu werden braucht. Trotzdem fühle ich mich veranlaßt, bei dieser Gelegenheit auch der wirtschaftlichen Notlage in den deutschen Grenzgebieten und Grenzländern zu gedenken. Die Bundesregierung hat bisher schon ihre Hilfsbereitschaft auch für diese Gebiete jährlich durch den sogenannten Grenzlandfonds bewiesen. Das Hohe Haus hat in seinem Antrag vom 2. Juli 1953 besondere Hilfsmaßnahmen für diese Gebiete veranlaßt. Die Bundesregierung hat im Haushalt 1954/55 noch eine besondere außerordentliche Grenzlandhilfe in Höhe von 120 Millionen DM vorgeschlagen. Ich hoffe, diese Maßnahmen werden der wirtschaftlichen Notlage der Grenzlandgebiete, soweit es überhaupt menschenmöglich ist, abhelfen. Sollte dies wider Erwarten nicht in dem genügenden Maße geschehen können, so müßte sich die Bundesregierung vorbehalten, ihre Maßnahmen zu verstärken, dann aber auch, genau wie es bei dieser Entschließung vorgesehen ist, die notwendigen Deckungsmittel von dem Hohen Hause beschließen zu lassen. Ich hoffe, damit, daß ich auch der wirtschaftlichen Notlage der Grenzgebiete gedacht habe, in der deutschen Bevölkerung das Verständnis für die in der Entschließung vorgeschlagene Berlin-Hilfe nicht geschwächt, sondern gestärkt zu haben. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.

Karl Krammig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um jeden Zweifel über die Antragstellung meines Kollegen Stingl auszuschließen, möchte ich kurz noch folgendes sagen. In der Entschließung der Fraktion der CDU/CSU, der sich die Fraktion der FDP dankenswerterweise angeschlossen hat und die Ihnen auf Umdruck 19 ({0}) vorliegt, soll von dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 84 der unter Ziffer 1 aufgeführte Satz als letzter Satz in die Entschließung der CDU/CSU und FDP übernommen werden. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, darf ich noch zwei Bemerkungen machen. Zunächst, Herr Kollege Stingl, glaube ich, das Protokoll wird ausweisen, daß Sie einem Irrtum unterlegen sind, was meine Ausführungen über den Herrn Bundeskanzler betrifft. Ich habe im Zusammenhang mit dem Herrn Bundeskanzler überhaupt nicht von Steuerpräferenzen gesprochen, sondern mich ausdrücklich und ausschließlich auf den Teil der Zusage des Herrn Bundeskanzlers im Februar in Berlin bezogen, in dem er gesagt hat, Berlin werde den Fehlbetrag in seinem Landeshaushalt gedeckt bekommen. Wir brauchen die Diskussion jetzt nicht wieder aufzurühren. Wir sind der Meinung, daß diese Deckung nicht in befriedigender Weise erfolgt ist. Darauf bezog sich diese meine Äußerung. Zum zweiten! Wenn ich die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers soeben richtig verstanden habe, dann enthielten sie doch noch eine ganze Reihe von Vorbehalten. Er hat eine grundsätzliche Zustimmung der Regierung ausgesprochen. Er hat auf Gutachten hingewiesen, die zu Art. 3 des Grundgesetzes eingeholt werden sollten. Er hat von der noch zu beschaffenden Deckung gesprochen und, wenn ich eine Andeutung richtig verstanden habe, eine Erhöhung des Notopfers schwach in Aussicht gestellt. Wenn dem so ist, dann, Herr Kollege Stingl, ist unser Antrag auf Umdruck 84 Ziffer 4 um so notwendiger. Denn dann bedeutet der vorletzte Absatz Ihrer Entschließung zunächst nichts anderes als eine allgemeine Direktive, die der Bundestag sich selbst gibt, während unsere Ziffer 4 in Umdruck 84 für diesen einen, in sich ({0}) abgeschlossenen Komplex des Notopfers konkret sagt: Wenn das gemacht wird, wissen wir schon, was es für den Rest dieses Haushaltsjahres bedeutet, nämlich 30 Millionen DM. Diese müssen zusätzlich in den Bundeshaushalt eingesetzt werden, und um diese 30 Millionen DM muß der Zuschuß zum Berliner Haushalt erhöht werden. Warum sollen wir dann nicht in bezug auf diesen Punkt, den wir übersehen können, die Konsequenz aus dem ziehen, was in diesem Fall nicht wir, sondern Sie beantragt haben? Soeben ist gesagt worden, daß die Fraktion der CDU/CSU unseren Zusatzantrag betreffend die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch zusätzliche Auftragserteilung an Berliner Firmen übernehmen, aber an den Schluß ihrer Entschließung setzen wolle. Wir können Sie natürlich nicht daran hindern, einen solchen Antrag zu stellen und so abzustimmen. Wir halten an der Ziffer 1 unseres Antrages fest, um damit noch einmal zu bedeuten, daß die Arbeitsplatzbeschaffung das übergeordnete Ziel ist, dem dann die anderen Maßnahmen der Auftragserteilung und etwaiger Steuerpräferenzen unterzuordnen sind. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich komme zur Abstimmung über Umdruck 19 ({0}) in Verbindung mit Umdruck 84. Der Umdruck 84 ist ein Änderungsantrag zum Umdruck 19 ({1}), so daß ich also logischerweise über ihn zuerst abstimmen lassen muß. ({2}) - Herr Abgeordneter Arndgen!

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Erklärungen des Herrn Abgeordneten Brandt werden wir den Antrag Umdruck 84 in seiner Gänze ablehnen und den Antrag stellen, den Satz der Ziffer 1, der folgenden Wortlaut hat: Zur Verringerung der großen Arbeitslosigkeit ist gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden die Auftragserteilung der Bundesrepublik an Berliner Lieferfirmen nachdrücklich zu verstärken, an den Schluß des Umdrucks 19 ({0}) - Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP - anfügen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 84*) zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 19 ({0}). Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 84 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag auf Umdruck 84 ist abgelehnt. Ich komme nunmehr zu der Abstimmung über die Entschließung auf Umdruck 19 ({1}) mit dem Zusatz - das kann ich doch als Antrag auffassen -, ({2}) daß an den Schluß der Entschließung in der seit- *) Siehe Anlage 34 Seite 1303 herigen Form noch der Satz aus dem Umdruck 84 gesetzt wird: Zur Verringerung der großen Arbeitslosigkeit ist gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden die Auftragserteilung der Bundesrepublik an Berliner Lieferfirmen nachdrücklich zu verstärken. Wer dieser Fassung der Entschließung auf Umdruck 19 ({3}) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. ({4}) Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Einzelplan 45, Haushalt Finanzielle Hilfe für Berlin, Drucksache 376, in der dritten Beratung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit angenommen. Ich erteile Herrn Senator Dr. Haas das Wort zu einer Erklärung.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Hohe Haus in einer so einmütig, darf ich sagen, gefaßten Entschließung den Willen bekundet hat, Berlin und damit der gesamten besetzten sowjetischen Zone zu helfen, ist es, glaube ich, meine Pflicht, im Namen des Senats Ihnen allen, dem Hohen Hause und der Bundesregierung zu danken. Ich darf mir einen kurzen Blick auf die Vergangenheit erlauben. Da ich seit dem 15. März 1946 ununterbrochen die finanziellen Schicksale Berlins leiten muß, kenne ich die Sorgen und auch die Schmerzen sowohl der Berliner wie auch der sowjetisch besetzten Zone. Schritt für Schritt haben wir uns an den Lebensstandard im Bundesgebiet angleichen können. Der Unterschied ist heute aber noch erheblich. Sie haben vor einigen Minuten einen Schritt weiter in dieser Entwicklung getan. Ich glaube, die Berliner und nicht zuletzt die sowjetisch besetzte Zone werden Ihnen allen dankbar sein. Treue um Treue! So werden wir endlich einmal wieder in einem vereinten Vaterland sein. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, zu den drei noch ausstehenden Einzelplänen liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß ich sie zur Beratung und Abstimmung zusammenziehe. Ich rufe auf: Einzelplan 49 - Haushalt der Deutschen Vertretung der Beratenden Versammlung des Europarates und der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl; Einzelplan 50 - Haushalt für Angelegenheiten des Europarates und verwandte Gebiete; Einzelplan 60 - Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung. Wer diesen eben aufgerufenen Einzelplänen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. - Damit sind die Einzelpläne zum Haushaltsgesetz verabschiedet. Ich rufe nunmehr in der dritten Lesung das Haushaltsgesetz selbst auf. Zu § 13 des Haushalts({0}) gesetzes liegt auf Umdruck 89*) ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Soll der Antrag begründet werden? ({1}) - Es wird auf Begründung verzichtet. Dann komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 89 Ziffer 1, der lautet: „§ 13 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1954 wird gestrichen." Wer diesem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich schließe damit die Einzelberatung in der dritten Lesung und komme zur Schlußabstimmung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer dem Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 ({2}) in der in der zweiten und dritten Beratung beschlossenen Fassung, desgleichen der Anlage zum Haushaltsgesetz 1954 und dem gesamten Haushaltsplan mit den beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist das aufgerufene Gesetz in der dritten Lesung mit Mehrheit verabschiedet. ({3}) Bevor ich in der Abwicklung der heutigen Tagesordnung fortfahre, gebe ich bekannt, daß nach interfraktionellem Einvernehmen der Punkt 3 der heutigen Tagesordnung, Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Pressepolitische Pläne der Bundesregierung, heute abgesetzt und auf die übernächste Woche vertagt werden soll dergestalt, daß dieser Punkt unmittelbar nach den Finanzberatungen behandelt werden soll. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall. Ich rufe auf Punkt 2 der heutigen Tagesordnung: Beratung der Übersicht 4 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 27. März 1954 ({4}). Die Übersicht liegt Ihnen vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr.. 45 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1935 über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art ({5}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({6}) ({7}). ({8}) Ich erteile der Berichterstatterin Frau Abgeordnete Schroeder das Wort. Frau Schroeder ({9}) ({10}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als Berichterstatter des Ausschusses für Arbeit zu diesem Punkt gestatte ich mir, folgendes zu sagen. *) Siehe Anlage 19 Seite 1288 ({11}) Der Ausschuß für Arbeit hat den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Übereinkommen Nr. 45 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1935 über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art in seiner 4. Sitzung am 29. März 1954 behandelt. Dabei wurde festgestellt, daß dieser Entwurf zwar die Beschäftigung von Frauen in jedem Alter bei Untertagearbeiten in Bergwerken verbietet, daß er aber hiervon gewisse Ausnahmen vorsieht. So werden z. B. ausgenommen Personen in leitender Stelle, die keine körperliche Arbeit verrichten, Personen im Gesundheits- und Wohlfahrtsdienst, Personen während ihrer Studien in der praktischen Berufsausbildung. Deshalb wurde im Ausschuß darauf hingewiesen, daß in diesen Punkten das deutsche Gesetz weitergeht, und es wurde verlangt, daß die Ratifizierung des internationalen Abkommens nicht etwa eine Verschlechterung des deutschen Rechts, das die Beschäftigung von Frauen unter Tage im Bergwerk unter allen Umständen verbietet, mit sich bringen dürfe. Die Vertreterin des Bundesarbeitsministeriums hat daraufhin betont, daß das vorliegende Übereinkommen zu der Gruppe von Ratifikationsgesetzen gehöre, die aus der Zeit vor der Wiederaufnahme der Bundesrepublik Deutschland in das Internationale Arbeitsamt stammen. Sie sehen das schon an dem Datum des 21. Juni 1935. Der innerdeutsche Rechtszustand müßte selbstverständlich nicht geändert werden, weil dieser bereits den Bestimmungen des Übereinkommens voll entspreche. In der Bundesrepublik ist für Frauen die Untertagearbeit in Bergwerken jeder Art seit längerem ausnahmslos verboten, und zwar für erwachsene Frauen durch den § 16 der Arbeitszeitordnung und für jugendliche Frauen durch die Nr. 52 der Ausführungsverordnungen zum Jugendschutzgesetz. Bei der Beratung im Ausschuß wurde ferner gewünscht, daß bei der Berichterstattung eine Auskunft über das in der Sowjetzone in bezug auf Frauenarbeit im Bergwerk herrschende Recht gegeben wird. Dazu darf ich sagen, daß in der Sowjetzone maßgebend ist das Gesetz der Arbeit vom 28. April 1950, ein Gesetz der DDR, dessen § 45 lediglich die Untertagearbeit im Bergbau für werdende und stillende Mütter verbietet. Die Arbeit ist also anderen Frauen gestattet. Ebenso sieht das Gesetz über Mutterschutz und Kinderschutz vom 27. September 1950 in seinem § 10 für alle Arbeiterinnen, demnach auch für die im Bergwerk tätigen, lediglich einen Schwangerschafts- und Wochenurlaub für die Dauer von fünf Wochen vor der Geburt und sechs Wochen nach der Geburt vor. Es liegt also auf der Hand, daß diese Bestimmungen weit hinter denen zurückbleiben, die für uns maßgebendes Recht sind, und auch hinter dem zur Ratifizierung vorliegenden Übereinkommen. Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, dem Bundestag die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs vorzuschlagen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Der Ältestenrat hat sich dahin verständigt, daß eine Aussprache zu diesem Punkt nicht stattzufinden braucht. Ich rufe zur zweiten Beratung auf: Art. 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte die Damen und Herren, ({0}) die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle fest, daß in zweiter Beratung dieses Gesetz einstimmig angenommen worden ist. In der dritten Beratung entfällt die allgemeine Aussprache, die Einzelberatung ebenfalls. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz betreffend das Übereinkommen Nr. 45 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1935 über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten in Bergwerken jeder Art insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich stelle fest, daß dieses Gesetz einstimmig angenommen worden ist. Da es sich um einen internationalen Vertrag handelt, entfällt eine Schlußabstimmung. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beförderungsteuergesetzes ({1}). Im Ältestenrat ist eine Verständigung darüber erzielt worden, daß auf eine Begründung und Aussprache in der ersten Beratung verzichtet werden kann. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. - Sie sind mit der Überweisung einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Ich rufe Punkt 6 auf: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Zinsen für Ausgleichsforderungen durch die Deutsche Bundespost und die Deutsche Bundesbahn ({2}). Diesen Gesetzentwurf sollte eigentlich Herr Finanzminister Dr. Nowack begründen. Ich sehe ihn nicht. Darf ich unterstellen, daß das Haus auf eine Begründung verzichtet? - Das ist der Fall.*) Auf eine allgemeine Aussprache kann in der ersten Beratung verzichtet werden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen und dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. - Das Haus ist mit der Überweisung einverstanden; sie ist erfolgt. Ich rufe auf Punkt 7: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Überleitung der Beteiligung des ehemaligen Landes Preußen am Grundkapital der Deutschen Pfandbriefanstalt auf den Bund ({3}). Hier gilt das gleiche: Verzicht auf Begründung - jedenfalls auf mündliche Begründung - und Aussprache. Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen. - Sie sind mit der Überweisung einverstanden; sie ist erfolgt. Ich rufe auf Punkt 8: Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftskasse in der Fassung vom 3. Februar 1951 ({4}). *) Schriftliche Begründung siehe Anlage 35 Seite 1304 Hier gilt das gleiche. Das Haus ist einverstanden. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. - Das Haus ist mit der Überweisung einverstanden; sie ist erfolgt. Ich rufe auf Punkt 9: Beratung des Entwurfs einer Sechzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen ({5}). Auch hier wird Ihnen Verzicht auf Begründung und Aussprache vorgeschlagen. Ich schlage Ihnen vor, den Verordnungsentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Entwurfs einer Fünften Verordnung über Zolltarifänderungen aus Anlaß der Errichtung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({6}). Auch hier kann auf Begründung und Aussprache verzichtet werden. Der Vorschlag geht auf Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. - Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts dc; Ausschusses für Außenhandelsfragen ({7}) über den Entwurf einer Dreizehnten Verordnung über Zollsatzänderungen ({8}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Serres. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen. Dr. Serres ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hause ist mit Drucksache 227 der Entwurf einer Dreizehnten Verordnung über Zollsatzänderungen vorgelegt worden. Es handelt sich um eine Anzahl Positionen aus dem gewerblichen Teil des Zolltarifs. Im einzelnen beziehe ich mich auf die Verhandlungen im Ausschuß für Außenhandelsfragen, der sich mit den einzelnen Positionen eingehend befaßt hat. Es sind Zollbegünstigungen für das Jahr 1954 ausgesprochen und einige Zölle gesenkt worden. Ich habe die Ehre, Sie namens des Ausschusses zu bitten, dem Ausschußantrag gemäß der Drucksache 428 Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache findet nicht statt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 428 zu entsprechen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Zu Punkt 12: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({0}) über den Entwurf einer Vierzehnten Verordnung über Zollsatzänderungen ({1}), ist Herr Abgeordneter Unertl Berichterstatter. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Unertl ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich in seiner Sitzung vom 1. April mit der Drucksache 221 beschäftigt. Es handelt sich hier um die Vierzehnte Verordnung über Zollsatzänderungen, und zwar um die Einfuhr von Zucht- und Nutzvieh aus Österreich. Hier soll der bestehende Zoll auf einen Satz von 6 % ermäßigt werden. Die Einfuhr von Nutzvieh hat deswegen große Bedeutung, weil wir uns zur Zeit sehr maßgebend mit der Tbc-Bekämpfung schlechthin beschäftigen. Deshalb ist die Auffrischung unserer Viehbestände mit tbc-freien Tieren absolut wünschenswert und notwendig. Im Ausschuß selbst wurden zwar die Bedenken des Ernährungsausschusses zurückgestellt. Man wollte hier eine Befristung auferlegen. Man war aber einstimmig der Meinung, daß die Befristung schlechthin mit dem Vermerk „Ausmerzung tbc-kranker Tiere" irgendwie begrenzt sei. Der Außenhandelsausschuß nahm die Vorlage einstimmig an, und ich bin beauftragt, das Hohe Haus zu bitten, dem Regierungsentwurf unverändert zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 429 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Meine Damen und Herren, ich habe folgenden Vorschlag zu machen. Die Punkte der Tagesordnung von Nr. 14 bis zum Schluß können ohne Debatte erledigt werden. Sind sie einverstanden, daß wir Punkt 13 betreffend den Beitritt der Bundesrepublik zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen wegen der Bedeutung dieses Punktes an den Schluß der Tagesordnung stellen? ({0}) Ich glaube, das ist der Sache gerecht. Dann darf ich zunächst Punkt 14 aufrufen: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Vertragspartnern des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ({1}) und Japan ({2}). Auch hier sollte auf Begründung und Aussprache verzichtet werden. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. Die Überweisung ist erfolgt. Punkt 15: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erklärung vom 24. Oktober 1953 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Zollzugeständnislisten zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({3}) ({4}). Es gilt das gleiche. Auch hier empfiehlt sich die Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. - Das Haus ist damit einverstanden. Punkt 16: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zweite Zusatzabkommen vom 4. Dezember 1953 zum Zollvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ({5}). Auch hier wird Verzicht auf Begründung und Aussprache vorgeschlagen. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. - Das Haus ist einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Punkt 17: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts ({6}) ({7}). Ihnen liegt der Gesetzentwurf mit einer ausführlichen schriftlichen Begründung vor. Der Ältestenrat hat sich darüber verständigt, daß auch hier auf mündliche Begründung und allgemeine Aussprache der ersten Beratung verzichtet werden kann. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaft als mitberatenden Ausschuß vor. - Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Punkt 18: Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot des Inverkehrbringens von Hunde- und Katzenfleisch ({8}). Auch hier schlägt der Ältestenrat - wahrscheinlich auf Grund der Erklärungen in der letzten Fragestunde ({9}) Verzicht auf Begründung und Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor, ({10}) wobei dahingestellt bleibt, ob hier „Ernährung", „Landwirtschaft" oder „Forsten" mehr hervorgehoben wird. ({11}) Die Überweisung ist erfolgt. Punkt 19: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes ({12}). Auch hier gilt das gleiche. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. - Das Haus ist einverstanden; die Überweisung ist erfolgt. Punkt 20: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953 ({13}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({14}) ({15}). ({16}) Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Serres. Bitte schön! Dr. Serres ({17}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 469 ist dem Hause der Entwurf eines Gesetzes über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953 zugeleitet worden. Deutschland hat seit jeher der Zuckerkonvention angehört. Eine Unterbrechung war lediglich in den Jahren nach 1937 eingetreten. Die Unterzeichnung des Abkommens ist am 30. Oktober 1953 in London erfolgt. Das Abkommen bezweckt eine allgemeine Regelung des Weltzuckermarktes und sieht ({18}) Bestimmungen über die Zuckerversorgung der Einfuhrländer und den Zuckerabsatz der Ausfuhrländer vor. Wichtig ist, hervorzuheben, daß eine Anbaubeschränkung durch das Abkommen nicht vorgesehen wird. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich mit dem Abkommen eingehend befaßt und hat mit Mehrheit beschlossen, den Regierungsentwurf zu billigen. Ich habe die Ehre, Sie namens des Ausschusses zu bitten, gemäß der Drucksache 502 dem Ausschußantrag Ihre Zustimmung zu geben: Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf - Drucksache 469 unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den überraschend kurzen Bericht. Ich rufe zur zweiten Beratung auf Art. I, - II, - III, - IV, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die den Artikeln I bis IV, Einleitung und Überschrift entsprechend dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich komme zur dritten Beratung. Allgemeine Aussprache erübrigt sich. Einzelberatung erfolgt nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen ist dieses Gesetz angenommen. Eine Schlußabstimmung entfällt. Punkt 21: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Merten gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz ({1}) vom 9. Oktober 1953 ({2}) ({3}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Dittrich. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Dr. Dittrich ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität hat sich in seiner Sitzung vom 1. April 1954 mit der Frage der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Merten beschäftigt. Das Bundesministerium der Justiz ersucht den Deutschen Bundestag mit Schreiben vom 11. März 1953, eine Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Merten wegen Untreue herbeizuführen. Der Sachverhalt ergibt sich aus einem Schriftsatz des Oberstaatsanwalts in Frankfurt vom 31. Januar 1953. Der Polizeiamtmann i. R. Mayer aus Frankfurt hat eine Eingabe an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden gerichtet, in der dem Abgeordneten Merten Veruntreuung von Geldern der Landesarbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen in Frankfurt zugunsten der früheren Heimkehrer- und Versehrtenhilfe GmbH., jetzt Süd-Westdeutsche Textilversorgungsgenossenschaft eGmbH. in Frankfurt, vorgeworfen wird. Bei den bisherigen Ermittlungen hat sich ergeben, daß zwischen der Süd-Westdeutschen Textilversorgungsgenossenschaft eGmbH., deren Aufsichtsrat der Abgeordnete Merten zeitweilig angehörte, und der Landesarbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen, deren 1. Vorsitzender Abgeordneter Merten ist, enge wirtschaftliche Beziehungen bestanden und daß die Landesarbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen an dem Vergleichsverfahren der Genossenschaft mit einer buchmäßigen Forderung von 48 201,35 DM beteiligt war. In diesem Betrag sind 35 000 DM enthalten, die nach Aussage eines Zeugen Abgeordneter Merten von privater Seite für die Genossenschaft beschafft haben soll, die aber dem Konto der Landesarbeitsgemeinschaft bei der Konsumgenossenschaft gutgeschrieben worden sind. Außerdem hatte die Landesarbeitsgemeinschaft eine Schuld der Genossenschaft an die StEG in Höhe von 22 000 DM übernommen, die noch mit einem Teilbetrag von rund 12 000 DM in der Forderung der Landesarbeitsgemeinschaft an die Genossenschaft enthalten ist. Eine zur Beurteilung dieser Vorgänge ausreichende Klärung konnte bisher nicht erfolgen. Das Immunitätsverfahren Merten konnte in der 1. Wahlperiode des Bundestages deshalb nicht zu Ende geführt werden, weil sich der Beschuldigte darauf berufen hatte, daß das Vergleichsverfahren der Süd-Westdeutschen Textilversorgung eGmbH. durch das Amtsgericht Frankfurt rechtskräftig abgeschlossen wurde, und daß sich daraus keinerlei Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung ergäben. Die Prüfung der Vergleichsakten des Amtsgerichts Frankfurt ergibt keine Anhaltspunkte für ein Vergehen oder ein Verbrechen nach den §§ 239 bis 243 der Konkursordnung und den §§ 146 ff. des Genossenschaftsgesetzes. Eine solche Beschuldigung wurde auch nicht erhoben. Gegenstand der Anzeige und des Antrages des hessischen Ministers der Justiz auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens sind vielmehr die Beschuldigungen, Gelder der Landesarbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen in Frankfurt zugunsten der Genossenschaft veruntreut und weiterhin Gelder privaten Zwecken zugeführt zu haben. Der Vergleich der Süd-Westdeutschen Textilversorgung eGmbH. kam überhaupt nur dadurch zustande, wie sich aus den Akten ergibt, daß der Abgeordnete Merten zunächst vor dem Gläubigerausschuß erklärte, daß die Landesarbeitsgemeinschaft als Hauptgläubigerin auf die Begleichung ihrer Forderungen warten wolle, bis alle anderen Gläubiger die Mindestquote erhalten hätten. Darüber hinaus hat die Landesarbeitsgemeinschaft später auf ihre gesamte Vergleichsquote in Höhe von 17 348,15 DM verzichtet, da die übrigen Gläubiger die im Vergleich zugesagte Quote nicht erhalten konnten. Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität schlägt dem Hohen Hause vor, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Merten zu erteilen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 410 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit, das ist angenommen. Ich komme zum Punkt 22: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum ({1}) Strafverfahren gegen den Abgeordneten Scheppmann gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Schomers, München, vom 17. Dezember 1953 ({2}) ({3}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Dr. von Merkatz ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Prozeßvertreter des Privatklägers hat mit einem Schreiben vom Dezember 1953 ersucht, eine Entscheidung des Bundestags über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Scheppmann herbeizuführen. Es handelt sich hierbei um ein Verfahren, das bereits vor Erlangung der Abgeordneteneigenschaft des Abgeordneten Scheppmann beim Amtsgericht Essen anhängig gewesen ist. Der Prozeßvertreter des Privatklägers hat Privatklage gegen den Abgeordneten Scheppmann wegen Beleidigung erhoben, weil er ihn beschuldigt, Anfang März bei einer Besprechung oberer Bergbeamter in Dortmund in bezug auf den Privatkläger abfällige Bemerkungen gemacht zu haben. Aus den Akten ergibt sich, daß der Abgeordnete Scheppmann in der Verhandlung vor dem Schiedsmann dem Privatkläger gegenüber die Dinge klargelegt hat, erstens, daß seine Äußerungen, die dem Privatkläger hinterbracht worden waren, falsch wiedergegeben worden seien, und zweitens, daß er eine andere Person gemeint habe. Der Ausschuß hat sich nach dem Inhalt der Akten nicht davon überzeugen können, daß eine die Aufhebung der Immunität rechtfertigende Handlung vorliegt, da es sich offenbar nur um tadelnde Urteile handelt und nach dem Akteninhalt klar ist, daß der Privatkläger nicht die von diesen tadelnden Urteilen betroffene Person ist. Ich habe die Ehre, namens des Ausschusses vorzuschlagen, der Bundestag wolle beschließen: Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Scheppmann wird nicht erteilt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag auf Drucksache 421 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Punkt 23: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Löhr gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz ({1}) vom 11. Januar 1954 ({2}) ({3}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Klötzer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Dr. Klötzer ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den mir übertragenen Bericht recht kurz fassen und damit dem unausgesprochenen Wunsch des Hauses, das Ende der heutigen Tagesordnung zu erreichen, Rechnung tragen. Der Abgeordnete Ritzel hat durch seinen Anwalt gegen den Abgeordneten Dr. Löhr Privatklage wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung erhoben. Auf dem vorgeschriebenen Wege ist um die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Löhr nachgesucht worden. In der Privatklage ist dem Abgeordneten Dr. Löhr zur Last gelegt, auf einer Wahlversammlung seiner Partei im vergangenen Bundestagswahlkampf in einer Gemeinde des Odenwalds erklärt zu haben, daß er es dem Abgeordneten Ritzel nicht verüble, im Jahre 1933 aus Deutschland emigriert zu sein, daß er es ihm aber übelnehmen würde, wenn eine angebliche Meldung des „Völkischen Beobachters", der Abgeordnete Ritzel habe sich im Jahre 1938 der NSDAP angeboten, falls er wieder nach Deutschland zurückkönne, der Wahrheit entspräche. Der Abgeordnete Löhr hat in seiner Stellungnahme zu dieser Beschuldigung erklärt und durch Zeugen unter Beweis gestellt, daß er diese Äußerung nicht in der behaupteten Form getan habe, sondern mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß man dieser Meldung des „Völkischen Beobachters", falls sie überhaupt erschienen sein sollte, keinen Glauben schenken könne. ({5}) Bei dieser Sachlage stellt sich die Äußerung des Abgeordneten Löhr nicht als eine Verleumdung im Sinne des § 187 des Strafgesetzbuches, sondern nur als Erfüllung des Tatbestandes des § 186 des Strafgesetzbuches - Verbreitung eines unbestätigten Gerüchtes - dar. Der Ausschuß für Immunität hat bislang die Praxis gepflogen, nur bei Erfüllung des Tatbestandes der Verleumdung die Immunität aufzuheben und die Genehmigung zum Strafverfahren zu erteilen. Bei Erfüllung der Tatbestände der §§ 185 und 186 - einfache Beleidigung und üble Nachrede - bestand bisher besonders dort, wo sie im politischen Raum oder gar in der Hitze des Wahlkampfes vorlagen, die Übung, die Immunität nicht aufzuheben. Der Ausschuß ist auch bei der Beratung dieses Falles in seiner letzten Sitzung einstimmig zu diesem Beschluß gekommen. Ich habe die Ehre, dem Hohen Hause vorzuschlagen, in diesem Sinne zu beschließen und die Immunität nicht aufzuheben. ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Meine Damen und Herren, die Herren Berichterstatter nehmen die Aufgabe wahr, einen Bericht über die Sitzung des Ausschusses zu erstatten. Ich darf freundlichst bitten, das nicht durch Kritik zu erschweren. ({0}) Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache 422 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Ich komme zu Punkt 24 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({1}). Ich habe hierbei darauf aufmerksam zu machen, daß - umgekehrt wie auf dem Umdruck vermerkt - bei dem Antrag unter Ziffer 1 des Umdrucks 93 beabsichtigt war, den Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend sein zu lassen und den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen mitberatend tätig werden zu lassen. Zu Ziffer 3 des Umdrucks 93 - Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Beschleunigte Unterbringung von Sowjetzonenflüchtlingen durch den Bau von ({2}) Fertighäusern - ist mir der Wunsch vorgebracht worden, diesen Antrag auch dem Ausschuß für Kommunalpolitik als mitberatendem Ausschuß zu überweisen, da die Kommunen die Bauten ausführen müßten. Ich nehme an, daß gegen diese beiden Änderungen gegenüber dem gedruckten Antrag keine Bedenken bestehen. ({3}) - Keine Bedenken. Die Überweisung der Anträge ist also mit der Maßgabe dieser Änderungen beschlossen. Ich kehre nun zurück zu Punkt 13 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949 ({4}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({5}) ({6}). ({7}) Berichterstatter des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ist der Abgeordnete Fürst von Bismarck. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. Fürst von Bismarck ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, als Berichterstatter des Auswärtigen Ausschusses dem Hohen Hause die Annahme des vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949 auf das wärmste zu empfehlen. Der Bundesrat hat dem Gesetzentwurf vorbehaltlich einer anderen Fassung der Berlin-Klausel zugestimmt. Mit diesem Änderungsantrag ist die Bundesregierung einverstanden. Bei den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen, die auf der auf Anregung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz einberufenen Staatenkonferenz am 12. August 1949 einstimmig - bei zwei Stimmenthaltungen - angenommen wurden, handelt es sich erstens um das Abkommen über die Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde, zweitens das Abkommen über die Anwendung der Grundsätze des erstgenannten Abkommens auf den Seekrieg, drittens das Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen und viertens das Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen im Kriegsfalle. Die Abkommen eins bis drei sind im wesentlichen Neufassungen und Erweiterungen früherer Abkommen, denen das Deutsche Reich angehört hat und die auch für die Bundesrepublik verbindlich sind. Das vierte der genannten Abkommen stellt eine wichtige Neuerung auf dem Gebiet des internationalen Kriegsrechts dar und wurde vor allem im Hinblick auf die im vergangenen Weltkrieg und in den nachfolgenden internationalen kriegsähnlichen Konflikten gemachten Erfahrungen abgeschlossen. Bei der Diskussion der vier Genfer RotkreuzAbkommen im Auswärtigen Ausschuß wurden vor allem folgende Fragen kritisch behandelt. Zunächst einmal wurde das Verhältnis der Nürnberger Rechtsprechung zu dem Inhalt der Abkommen erörtert und geprüft, welcher Art insbesondere die von den Ostblockstaaten gemachten Vorbehalte sind und welche Bedeutung ihnen zukommt. Im Auswärtigen Ausschuß wurde ferner Wert darauf gelegt, eine militärtechnische Beurteilung des Abkommens vorgelegt zu erhalten. Das Auswärtige Amt hat dankenswerterweise in einer sehr eingehenden Aufzeichnung vom 8. April dieses Jahres zu den von Mitgliedern des Ausschusses aufgeworfenen Fragen Stellung genommen und dadurch die Bedenken zu den oben genannten Fragen zerstreut. Die Aufzeichnung enthält auch die gewünschte Stellungnahme der Dienststelle Blank, in der diese dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Abkommen uneingeschränkt zustimmt und darauf hinweist, daß vom militärischen Standpunkt aus gegen den Beitritt keinerlei Bedenken bestehen. Die Abkommen sind seinerzeit von 61 Staaten einschließlich aller Länder des Ostblocks unterzeichnet worden. Ratifiziert worden sind sie erst von 34 Staaten, bemerkenswerterweise in den letzten Tagen auch von der Sowjetunion. Dagegen steht die Ratifikation durch Großbritannien und die USA noch aus. Eine Nachfrage des Auswärtigen Amts bei unseren Missionen in London und Washington hat ergeben, daß der Zeitpunkt der Ratifikation durch das englische Unterhaus noch unbestimmt ist, während man damit rechnen kann, daß die Rotkreuz-Abkommen nach Abschluß des Koreakonfliktes nunmehr bald vom amerikanischen Senat verabschiedet werden. Unsererseits möchten wir den Wunsch ausdrücken, daß die beiden genannten westlichen Großmächte sich möglichst bald zu einer Ratifikation entschließen. Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß ich als Berichterstatter in Ihrer aller Namen spreche, wenn ich bei der Empfehlung der einstimmigen Annahme dieser vier Rotkreuz-Abkommen durch den Deutschen Bundestag noch einmal im Namen des ganzen deutschen Volkes an alle die Mächte, von denen noch deutsche Kriegsgefangene zurückgehalten werden, appelliere, im Geiste des Roten Kreuzes diesen armen, vielgeprüften Menschen die Freiheit zurückzugeben und ihnen die Rückkehr in ihre Heimat zu ihren Angehörigen zu ermöglichen. ({9})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur zweiten Beratung Art. 1, - Art. 2, - Art. 3 unter Hinweis auf die Änderung, die der Ausschuß vorgenommen hat, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. - In der zweiten Beratung wird das Wort nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich stelle fest, daß die Bestimmungen einstimmig angenommen sind. Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache der dritten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schmid.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 24. Juni des Jahres 1859 die Sonne auf dem Schlachtfeld von Solferino unterging, da tat der Sieger, der Herr des Feldes geblieben war, was die Sieger vor ihm immer getan hatten: er kümmerte sich schlecht und recht um seine Verwundeten und ließ die Verwundeten des geschlagenen Feindes liegen, ja, er behielt sogar die Militärärzte des geschlagenen Feindes in ({0}) seinem Gewahrsam und erlaubte ihnen nicht, ihre verwundeten Kameraden zu versorgen. Das hatten schon vorher viele Tausende Menschen gesehen. Sie hatten diesen Zustand beklagt, sich damit abgefunden, daß nun einmal so der Welt Lauf sei und es im Kriege offenbar immer so zugehen müsse, da es immer schon so zugegangen sei. Ein Mann, der das auch gesehen hat, hat sich nicht damit abgefunden, daß es in der Welt immer so zugehen müsse, wie es in den Jahrhunderten vorher zugegangen war. Dies ist ein junger Genfer, ein junger Schweizer Bürger gewesen, Henri Dunant, dessen Geburtstag sich übermorgen jähren wird. Er hat zugegriffen und sich nicht damit begnügt, einen Protest in die Welt hinauszuschreien. Er hat schon auf dem Schlachtfeld -zugegriffen, hat Bauern zusammengerufen und mit ihnen die Verwundeten verbunden und versorgt, die ohne diese Hilfe hätten sterben müssen, wie so viele andere vor ihnen sterben mußten, weil die Sieger glauben durften, der leidende Feind gehe sie nichts an. Dieser unbekannte Mann, dessen Namen vorher kein Mensch gehört hatte, hatte darüber hinaus den Mut - es hat Mut dazu gehört -, die Souveräne Europas in einem Brief „Souvenirs de Solférino" anzuschreiben und ihnen zuzurufen, daß sie doch die Kriegsbräuche ändern möchten, so änderten, daß auch der Verwundete des geschlagenen Feindes vom Sieger als ein Mensch, dem geholfen werden muß, und nicht als jemand behandelt wird, dessen Verderb vielleicht gar wünschbar erscheinen konnte. Er hat hier den ersten Keim zu dem gelegt, was man in der Welt seitdem das Rote-Kreuz-Denken nennt: Jeder, der zwischen die Mühlsteine der politischen Machtkämpfe gerät und dadurch hilfsbedürftig wird, soll Hilfe bekommen, ohne daß man fragt, wohin er gehört, und ohne daß man fragt, ob die Sache, für die er stand und in deren Dienst er zu Schaden gekommen ist, eine gerechte oder eine ungerechte Sache war. ({1}) Die Häupter der Staaten jener Zeit haben diesen Ruf vernommen und in überraschend kurzer Zeit positiv darauf reagiert. Ich glaube, es hier sagen zu müssen und sagen zu dürfen: Es gereicht unserem Volke zur Ehre, daß es insbesondere deutsche Regierungen gewesen sind, die als erste geantwortet haben und sich als erste mit an den Besprechungen beteiligten, die zu der ersten Konvention geführt haben. Die erste Rotkreuz-Konvention wurde am 22. August 1864 unterzeichnet. Darin wurde schon die Neutralität der Lazarette und des Krankenpflegepersonals vereinbart und die gleiche Behandlung der Verwundeten beider Kriegsparteien als eine Rechtsverpflichtung stipuliert. Diese erste Konvention wurde durch eine weitere vom Jahre 1906 ergänzt, die die Rotkreuzprinzipien auf den Seekrieg ausdehnte. Nach dem ersten Weltkriege, im Jahre 1929, vereinbarte man - belehrt und bewegt durch die Erfahrungen jener schrecklichen Jahre - eine weitere Konvention, eine Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen. Diese Konvention ist vielen unserer Brüder zum Segen geworden. Sie war nicht weniger als die Magna Charta der Welt hinter dem Stacheldraht. ({2}) Wenn auch in vielen Fällen gegen Buchstabe und Geist dieser Konvention gehandelt worden ist, so hat sie doch auch bei den weniger Gutwilligen als eine Art von Generalprävention gewirkt. Nunmehr sind aus den Erfahrungen des zweiten Weltkrieges heraus vier weitere Konventionen vereinbart worden, eben die Konventionen, die heute die Zustimmung des Bundestages finden sollen und werden. Drei dieser vier Konventionen von 1949 bauen das Rote-Kreuz-Recht der Vergangenheit weiter aus, indem sie sich einige Erfahrungen des zweiten Weltkrieges zunutze machen. Die vierte Konvention von 1949 bringt ganz wesentlich Neues. In dieser Konvention werden die Lehren aus den Erfahrungen des totalen Krieges gezogen, der gezeigt hat, daß in den Kriegen unserer schrecklichen Zeit die Hauptleidtragenden der Kriegsfurie nicht so sehr die Kämpfer sind, die mit dem Gewehr in der Hand auf dem Schlachtfeld stehen, sondern neben ihnen und machmal in viel schrecklicherer Weise die waffenlose Zivilbevölkerung, die Frauen und die Kinder. Und so sieht die vierte Konvention eine Reihe von Bestimmungen vor, die dazu dienen sollen, den Zivilpersonen, die in die Gewalt einer der an dem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien geraten sind, Schutz zu gewähren und ihnen einen Mindeststandard humaner Behandlung zu garantieren. Darüber hinaus wird die Möglichkeit geschaffen, Sicherheitszonen, Sanitätszonen, neutrale Zonen im Kampfgebiet einzurichten und so zu versehen, daß zum mindesten eine vernünftige Chance besteht, daß die Menschen, die in diese Zonen flüchten oder in diese Zonen aufgenommen werden können, von den unmittelbaren Kampfhandlungen nicht betroffen werden. Daneben sieht diese Konvention vor, daß der Bevölkerung eines Gebietes, das vom Feinde besetzt ist oder das Schlachtfeld geworden ist oder zu werden droht, ein Minimum von Menschenrechten gewahrt wird. Die Konvention sieht ausdrücklich ein Verbot der Austreibung der Bevölkerung vor, ein Verbot von Deportationen, und legt jenem, der ein Gebiet besetzt hat, die Verpflichtung auf, das für die Versorgung der Bevölkerung Nötige zu tun. ({3}) Diese Konvention sieht weiter vor, daß niemand aus der Bevölkerung des besetzten Landes für Taten, die er vor der Besetzung begangen hat oder begangen haben soll, auf Grund von Gesetzen bestraft werden darf, die erst nach der Besetzung erlassen worden sind. Außerdem garantiert die Konvention eine besondere Behandlung der Zivilinternierten, die in den bisherigen Kriegen kein Statut hatten und auch nicht den Kriegsgefangenen gleichgestellt waren. Nunmehr sollen sie das sein. Insbesondere sollen die Staaten, die Menschen internieren, verpflichtet sein, die Visitation ihrer Lager zu dulden und Auskünfte zu erteilen. Wie wichtig diese Auskunftsverpflichtung ist, wissen wir Deutsche heute in der Zeit des kalten Krieges ganz besonders zu schätzen. Etwas ganz Besonderes sagt diese vierte Konvention in einem sehr häufig übersehenen Satz: nämlich, daß diese Prinzipien in Zukunft auch in Bürgerkriegen gelten sollen, also nicht mehr nur in Kriegen zwischen zwei Staaten, sondern auch bei den Auseinandersetzungen innerhalb eines und desselben Staates. Damit wird zum erstenmal auch das Opfer innerpolitischer Auseinandersetzungen unter den Schutz des Roten Kreuzes gestellt. Frei({4}) lich haben die Urheber der Konvention von 1949 dabei an innerpolitische Auseinandersetzungen kriegsartigen Charakters gedacht, etwa so wie die Kämpfe des spanischen Bürgerkrieges, in dem sich Armeen in offenen Feldschlachten gegenübergestanden haben. Aber es ist sicher, daß es nicht die Absicht der Schöpfer der Konvention gewesen ist, die Anwendbarkeit der Konvention auf Bürgerkriege und bürgerkriegsähnliche Handlungen des Ausmaßes und der Art zu beschränken, wie man sie in Spanien erlebt hat. Es ist vielmehr offenbar ihre Absicht gewesen, die Anwendbarkeit der Konvention auf jede Auseinandersetzung machtmäßiger Art innerhalb der Staaten auszudehnen. Das ist schon ein unerhörter Fortschritt gegen alles frühere Denken von den Souveränitätsrechten der Staaten. Bisher haben sich die Staaten peinlichst gescheut, irgend jemand Rechenschaft darüber abzulegen, was sie tun, um mit „Rebellen" fertig zu werden oder, wie man gelinder zu sagen pflegt, um die „Ruhe und Ordnung" in ihren Landen aufrechtzuerhalten. Sie haben erklärt, das sei eine innere Angelegenheit, und jedes Mal, wenn das Rote Kreuz sich um die Opfer dieser „inneren Angelegenheiten" bemüht hat, pflegten die Staaten die Tore vor ihm zu verschließen. Nunmehr ist durch die Möglichkeit der Übertragung der Rotkreuz-Prinzipien auf die innerpolitischen Auseinandersetzungen der Grundsatz, der allem RotkreuzRecht zugrunde liegt, universalisiert worden. Alle die sollen geschützt sein, die in das Räderwerk von Machtkämpfen gekommen sind, nicht nur bei den Machtkämpfen der Staaten; jenen soll auch geholfen werden, die am Wege liegengeblieben sind, weil innerhalb der Marken ihres Landes zwei Parteien um die Herrschaft stritten. Aber eines haben die Urheber der Konvention von 1949 noch nicht bedacht und vielleicht noch nicht bedenken können, nämlich die Methoden und die Wechselfälle des kalten Krieges und des kalten Bürgerkrieges. Noch in den Konventionen von 1949 stellt man sich den dramatischen Fall so vor, daß auf beiden Seiten Schlachtreihen stehen, die mit Gewehren oder Kanonen aufeinander schießen. Man hat noch nicht daran gedacht und vielleicht noch nicht daran denken können, daß die Methoden des kalten Krieges und des kalten Bürgerkrieges die Vernichtung von Menschen mit sehr viel subtileren Mitteln möglich machen, als es die groben des Schießkrieges sind. Dadurch, daß man den politischen Gegner - erlauben Sie mir den Ausdruck - kriminalisiert, daß man ihn zum Verbrecher macht, daß man sagt: Du hast gegen das Strafgesetz verstoßen, und daß man ihn durch ein gefügiges Gericht aburteilen läßt, hat man ihn aus dem Bereich des Politischen und seiner Konsequenzen herausgenommen. Man hat ihn zum Verbrecher gestempelt, und wer wird schon das Rote Kreuz als eine Schutzmacht für Verbrecher akzeptieren . . . So wehren die Staaten, die den kalten Krieg führen, oder Machtgruppen, die den kalten Bürgerkrieg führen, dem Roten Kreuz noch den Zugang zu dieser Art von Opfern ihrer Machtkämpfe. Ich glaube, es besteht die Notwendigkeit, gerade hier in Deutschland darauf hinzuweisen, daß die Regierungen sich bemühen sollten, auf Ergänzungen dieser Vierten Konvention hinzuwirken, so daß es auch möglich wird, in wirksamer Weise den Erfordernissen des kalten Krieges und des kalten Bürgerkrieges gerecht zu werden. Eine der wesentlichen Bestimmungen in dieser Vierten Konvention ist, daß Schutzmächte vorgesehen werden, die den Schutz bestimmter Gruppen wahrnehmen sollen. Im kalten Bürgerkrieg wird es natürlich nicht möglich sein, einen fremden Staat mit Schutzobliegenheiten zu betreuen. Hier sieht die Konvention Befugnisse und Initiative des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz vor, falls die Parteien dessen Tätigkeit wünschen. Ich glaube, daß Anlaß besteht, gerade hier im Deutschen Bundestag der kleinen Gruppe Schweizer Bürger, die das Internationale Komitee vom Roten Kreuz ausmachen, den tiefsten Dank des Deutschen Volkes für alles auszusprechen, was diese Menschen im Kriege und nach unserer Niederlage dem deutschen Volke Gutes getan haben. ({5}) Vielleicht könnte man auch daran denken, daß die Bundesregierung die Initiative ergreift und dahin wirkt, daß auch diesem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes die völkerrechtliche Rechtsfähigkeit zuerkannt wird. Wenn es möglich war, das dem Großmeister des Malteserordens gegenüber zu tun, der ja auch kein Souverän über ein Gebiet ist, warum sollte es dann nicht auch dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes gegenüber geschehen können? Nach all dem, was es bisher der Menschheit Gutes getan hat, hat es das wirklich verdient, und es würde der Menschheit zum Nutzen gereichen. ({6}) Meine Damen und Herren, das größte Lob, das dem Roten Kreuz gespendet werden kann, ist, daß es im Bewußtsein unserer Völker zu einer selbstverständlichen Einrichtung unserer öffentlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit geworden ist. Niemand kann sich heute mehr eine Welt ohne das Rote Kreuz vorstellen. Seine Existenz und sein Wirken werden als selbstverständlich hingenommen. Aber gerade in dieser Selbstverständlichkeit liegt eine Gefahr, die Gefahr nämlich, daß man an Routine denkt, wenn man das Rote Kreuz wirken sieht. Damit aber würde man genau entgegen dem Sinne des Schöpfers des Roten Kreuzes handeln. Der Geist des Roten Kreuzes muß immer wieder erneuert werden, bei denen, die in seinem Namen tätig sind, und bei denen, die auf seine Hilfe Anspruch erheben oder die wissen, daß sie vielleicht einmal auf seine Hilfe angewiesen sein könnten. Nur wenn im Geiste Henri Dunants, dieses Mannes, der auf dem Schlachtfeld unmittelbar zugegriffen hat, weitergewirkt wird, und wenn im Zeichen des Roten Kreuzes auch der jeweils Nächste zum Nächsten geht, damit ihm geholfen werde, wird das Rote Kreuz und werden auch die Konventionen, über die wir heute beraten, wirken, wie sie wirken sollen. Das spezifische Ethos des Roten Kreuzes muß immer wieder erneut ins Bewußtsein der Völker gebracht werden, dieses Ethos. das ganz einfach definiert werden kann als die Nächstenhilfe, die geleistet wird, ohne daß man fragt, warum denn gerade dieser Leidende leidet, die Hilfe, die man leistet, nur um zu helfen. Das zweckfreie Helfen ist eines der Fundamente der Menschenwürde, und ohne das Fundament der Menschenwürde stehen hinwiederum die Staaten und steht die Freiheit auf schwankendem Boden! ({7})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache der dritten Beratung. ({0}) Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949 in der vom Auswärtigen Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich stelle fest, daß dieser Gesetzentwurf vom Deutschen Bundestag einstimmig verabschiedet worden ist. Meine Damen und Herren! Darf ich in diesem Augenblick einige wenige Worte sagen. Herr Professor Schmid ist bereits auf die wesentlichen Dinge, die mit der Frage und den Aufgaben des Roten Kreuzes in Zusammenhang stehen, eingegangen. Das Deutsche Rote Kreuz wird in zwei Tagen, am Geburtstag Henri Dunants, sein neues Verwaltungsgebäude in Bonn in Benutzung nehmen. Ich glaube im Namen des Deutschen Bundestages zu sprechen, wenn ich dem Wunsch und der Hoffnung Ausdruck gebe, daß der Geist, der das Rote Kreuz seit 90 Jahren getragen hat, auch in diesem Hause Gestalt gewinnt und daß die innersten Verpflichtungen der Arbeit des Roten Kreuzes besonders auch in der Arbeit des Deutschen Roten Kreuzes einen Widerhall finden. Wenn man das Leben Henri Dunants überdenkt, so überrascht es, feststellen zu müssen, daß dieser Mann, der vor 95 Jahren auf dem Schlachtfeld von Solferino diese Erkenntnisse gewann und diesen bedeutsamen Weg des Roten Kreuzes begann, 30 Jahre später als ein Armer und Heimatloser durch Europa irrte, und daß es wieder ein Schweizer Spital war, das ihm eine Heimat bot, bis er im Jahre 1910 dort verstarb. Es ist also offenbar nicht so, daß die großen Dinge im Leben der Völker immer nur von denen geschehen, die im Glanze der Anerkennung und des Ruhms sind, ({1}) sondern so, daß manchmal die Armen, Elenden und Verfolgten den größeren Beitrag zur Menschlichkeit und zum Zusammenleben der Völker leisten. ({2}) Es bedarf keines Hinweises, daß das Bild des Schlachtfeldes von Solferino für unsere heutigen Begriffe ein harmloses Bild war gegenüber den Schlachtfeldern der Gegenwart. Wir können daraus nur die Folgerung ziehen, daß die Aufgabe, die uns heute gestellt ist, um so größer ist. ({3}) Meine Damen und Herren, wir sind sehr glücklich darüber, daß die deutsche Bundesrepublik an dieser Arbeit nun wieder teilnehmen kann. Wir sind noch glücklicher darüber, daß die Genfer Konvention über die Grenzen der großen Scheidung Ost-West hinausreicht und eine gemeinsame Verantwortung festlegt, von der wir nur hoffen, daß sie auf allen Seiten beachtet wird. ({4}) Wir danken dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes für alles das, was es auch im Interesse der deutschen Kriegsgefangenen getan hat, um sie zu stützen und um ihnen die Heimkehr zu ermöglichen. Es ist, glaube ich, recht, wenn wir unsere Gedanken zu allen denen gehen lassen, die der Hilfe des Roten Kreuzes bedürfen und die unserer Verbundenheit und Hilfe überall in der Welt gewiß sein dürfen. In diesem Augenblick dürfen wir auch daran denken, daß das, was zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Felde geschieht, gerade jetzt ein besonderes Gewicht in Dien Bien Phu hat. Wir sind auch gezwungen, daran zu denken - und tun es -, daß unter den 7000 Verwundeten, die in dieser Festung liegen, Tausende von Deutschen sind, die als Fremdenlegionäre dort ihren Dienst tun. Ich darf die Meinung und die Gefühle des Deutschen Bundestages wiedergeben, wenn ich in diesem Augenblick unserer Verbundenheit und unserem Gedenken hier deutlich Ausdruck gebe. ({5}) Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 20. Mai, 9 Uhr, und schließe die 28. Sitzung.