Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Sitzung des Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Lemmer, Wirths, Margulies, Dr. Dr. h. c. Prinz zu Löwenstein, Frau Welter ({0}), Dr. Schellenberg, Kalbitzer und Günther.
Für die heutige Sitzung ist Urlaub erteilt worden den Abgeordneten Karpf, Dr. Kather, Keuning, Häussler, Frau Dr. Steinbiß, Pöhler und Dr. Hammer.
Danke schön!
Meine Damen und Herren! Bevor wir in den Beratungen fortfahren, darf ich darauf hinweisen, daß im Ältestenrat eine interfraktionelle Vereinbarung darüber zustande gekommen ist, daß wir heute und morgen die Sitzung bis 19 Uhr 30 ausdehnen. Das geschieht mit dem Ziel, die zweite, möglichst auch die dritte Beratung des Haushaltsplans in diesen beiden Tagen zu Ende führen zu können. Der Altestenrat hat davon abgesehen, Ihnen den Vorschlag einer Begrenzung der Redezeit zu machen. Es sind allerdings Wünsche ausgesprochen worden, durch interne Maßnahmen der Parteien zu erreichen, daß bestimmte Haushalte in begrenzten Zeiträumen erledigt werden können. Sie würden alle dazu helfen, wenn Sie das, was Sie sagen, in der gedrängtesten Kürze, ohne jede sachliche Einschränkung natürlich, hier zum Ausdruck brächten.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. März 1954 die Kleine Anfrage 33 der Abgeordneten Müller-Hermann, Becker ({0}), Schmücker, Frau Dietz und Genossen betreffend Forderungen der deutschen Bauwirtschaft an die amerikanische Besatzungsmacht ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 443 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 3. April 1954 die Kleine Anfrage 37 der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger, Stücklen und Genossen betreffend Preiserhöhungen für Hausbrandkohle ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 442 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 7. April 1954 die Kleine Anfrage 40 der Abgeordneten Dr. Rinke, Donhauser und Genossen betreffend Sozialversicherungspflicht bei geringfügigen oder kurzfristigen Arbeitsverhältnissen ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 444 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, wir fahren fort in der gestern begonnenen
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1954 ({4}) ({5});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({6}) ({7})
({8}), und zwar in der Beratung des
Einzelplans 12 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr
({9}) ({10}).
Es stehen noch auf der Rednerliste - ich darf das gleich annoncieren - Herr Abgeordneter Dr. Bleiß, Herr Abgeordneter Bauer ({11}) und Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Zusammenhang mit der Beratung des Haushalts des Bundesverkehrsministers habe ich einen Antrag meiner Fraktion betreffend die betriebsfremden Lasten der Bundesbahn zu begründen.
Der Antrag gehört zwar haushaltsmäßig zum Einzelplan 40, ressortmäßig aber zum Aufgabenbereich des Verkehrsministeriums. Deshalb habe ich den Herrn Präsidenten gebeten, den Antrag im Zusammenhang mit der Beratung des Haushalts des Bundesverkehrsministeriums begründen zu dürfen*).
Zur Sache selbst. Meine Damen und Herren, man kann nicht über Verkehrswirtschaft und über Verkehrspolitik sprechen, ohne immer wieder auf die finanziellen Schwierigkeiten und auf die verhängnisvolle wirtschaftliche Situation bei der Deutschen Bundesbahn hinweisen zu müssen. Das haben wir bei der Verkehrsdebatte am 11. Februar dieses Jahres getan, das haben wir - im Anschluß daran - bei den Ausschußberatungen immer wiederholt, und wir möchten auch die Haushaltsdebatte nicht vorübergehen lassen, ohne nochmals darauf hinzuweisen, daß hier für den Bund das zwingende Erfordernis für sofortige und tiefgreifende Sanierungsmaßnahmen besteht.
Nun haben wir zu unserer Befriedigung feststellen können, daß auch bei den anderen Fraktionen des Hohen Hauses der Wille besteht, der Bundesbahn zu helfen. Wir haben weiter mit Genugtuung festgestellt, daß der Verkehrsausschuß den einschlägigen Anträgen meiner Fraktion zugestimmt und beschlossen hat, an den Haushaltsausschuß eine Empfehlung zu richten, nach welcher die Bundesregierung aufgefordert werden soll, zur Be-
*) Siehe Umdruck 51, Anlage 1 Seite 929.
({0})
kämpfung der bedrohlichen Entwicklung der Bahn dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen mit dem Ziel, die Bundesbahn von den politischen, d. h. betriebsfremden Lasten zu befreien und für das Jahr 1954 einen entsprechenden Nachtrag zum Haushalt einzubringen. Der Verkehrsausschuß hat weiter empfohlen, der Bundesbahn zur Überbrükkung und zur Erfüllung des Wirtschaftsplans 1954 eine angemessene Kassenhilfe zu gewähren. So weit der Ausschuß.
Wir freuen uns über die positive Haltung dieses Ausschusses, möchten Sie aber bitten, heute doch schon einen Schritt weiterzugehen und diese Hilfsmaßnahmen für die Bundesbahn schon im vorliegenden Haushalt vorzusehen. Wir halten diesen zweiten Schritt einmal deshalb für notwendig, weil der Nachtragshaushalt, wenn er überhaupt kommt, erst zum Herbst dieses Jahres oder noch später zu erwarten ist, zum andern aber deswegen, weil wir eine gewisse Besorgnis haben, daß der Herr Bundesfinanzminister den Beschlüssen des Hohen Hauses nicht immer mit der erforderlichen Dringlichkeit Folge leistet. Wir haben da in der Vergangenheit leider einige böse Erfahrungen gemacht.
({1})
Eine Verschiebung aber auf den Herbst und später würde nicht nur für die Bundesbahn, sondern auch für die gesamte Zulieferindustrie eine Reihe von sehr abträglichen Folgen nach sich ziehen. Das gilt in erster Linie für d i e Unternehmungen, die mit der Bundesbahn am engsten verbunden sind, für den Lokomotivbau und für die Waggonindustrie. In vielen dieser Betriebe ist der Auftragsbestand heute schon auf ein Mindestmaß zusammengeschrumpft, und wir wissen ja, daß die Exportkonjunktur für rollendes Material sehr nachgelassen hat. Mehr denn je sind also gerade diese Betriebe auf baldige und gleichmäßige Aufträge seitens der Bundesbahn angewiesen. Die Bundesbahn ihrerseits ist aber zu der dringend notwendigen Auftragserteilung nicht in der Lage. Sie hat - im Gegenteil - alle bisher erteilten Aufträge stoppen und auf die notwendigsten Ersatzbeschaffungen verzichten müssen, weil der Bundesfinanzminister den Wirtschaftsplan der Bundesbahn für 1954 nicht genehmigt hat.
In der weiteren Kettenreaktion einer so unheilvollen Entwicklung werden vielerorts Kündigungen und auch Arbeiterentlassungen zu erwarten sein.
Ähnlich wie im Lokomotivbau und bei den Waggonfabriken liegen die Verhältnisse in anderen Zulieferindustrien. Mein Freund Deist hat gestern schon sehr nachdrücklich auf diese Tendenzen hingewiesen. Ich möchte das deshalb hier nur noch einmal kurz streifen.
Uns, meine Damen und Herren, geht es darum, daß versucht werden sollte, die Kettenreaktion der unausbleiblich deflationistischen Maßnahmen der Bundesbahn zu verhindern. Das ist aber nach unserer Auffassung nur möglich, wenn wir die dringlichste finanzielle Hilfe nicht auf den Herbst oder später verschieben, sondern sie schon je t z t bei der Verabschiedung des Etats leisten. Das ist uns ein dringendes Anliegen.
Aber abgesehen von den wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten halten wir auch aus haushaltsrechtlichen Motiven heute schon den zweiten Schritt für notwendig; denn es handelt sich bei den betriebsfremden Lasten um echte Kriegsfolgelasten, für die allein der Bund zuständig ist und die zu einem erheblichen Teil nur aus Gründen einer gewissen Verwaltungsvereinfachung auf der Bundesbahn hängengeblieben sind.
Wir alle wissen, daß die Bundesbahn diese Lasten nicht tragen kann, und ich glaube, der Charakter der Kriegsfolgelasten wird auch von Ihnen bestätigt werden müssen, wenn ich Ihnen die folgenden Posten nenne. Im Verkehrsausschuß wurden die Belastungen wie folgt beziffert:
Versorgungs- und Übergangsbezüge für verdrängte Reichsbahnbedienstete und volksdeutsche fremde Staatsbahner in einer Summe von 133 Millionen DM,
Versorgungsbezüge für Westberliner Eisenbahner in einer Größenordnung von 31 Millionen DM,
Mehraufwand durch vorzeitige Gewährung von Versorgungsbezügen an Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene aus dem ersten und zweiten Weltkrieg in einer Größenordnung von
85 Millionen DM
und endlich Bezüge auf Grund des Überhangs im Zusammenhang mit dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes in einem Betrage von
188 Millionen DM.
Das sind in der Gesamtsumme für das Jahr 1953
rund 437 Millionen DM.
Wenn man nun berücksichtigt, daß noch täglich Hunderte die sowjetische Zone verlassen müssen und sich hieraus ein weiteres Anwachsen der Verpflichtungen der Bundesbahn ergibt, so dürfte ein Betrag von 450 Millionen DM ungefähr der zu erwartenden Höhe der betriebsfremden Lasten für das Jahr 1954 entsprechen. Diese Summe haben wir unserem Antrag zugrunde gelegt, der Ihnen mit Umdruck 51 vorliegt.
Im Interesse der Bundesbahn, im Interesse der Zulieferindustrien und in Sorge um die Erhaltung der Arbeitsplätze in vielen Betrieben bitten wir Sie, mit uns doch den zweiten Schritt zu tun und unserem Antrag zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bauer ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir obliegt es, einige Worte der Begründung zu dem Ihnen mit Umdruck 50*) vorgelegten Antrag betreffend Gewährung einer zusätzlichen Million für den Ausbau der Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau zu sagen. Im Zusammenhang mit diesem Antrag ist gestern von dem Herrn Kollegen Gengler von einem „Stimmungswettlauf" gesprochen worden. Nun, ich muß dazu sagen, daß die Antragsteller weder eine Begabung .als Stimmungskanonen haben noch irgendeine Geschicklichkeit im Wettlauf an den Tag legen. Ich will auch gleich betonen, daß der Antrag nicht eingereicht worden wäre, wenn er irgendeine Beeinträchtigung für die anderen Projekte, also Neckar-Kanalisierung, Dortmund-Ems-Kanal oder Mittelweser, bedeuten würde. Ich hoffe, den Kollegen Gengler und vielleicht auch andere, die mißtrauisch sind, zu überzeugen, daß der Antrag aus rein sachlichen Gründen gestellt worden ist.
*) Siehe Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Seite 845.
({0})
Wie verhält es sich nun im einzelnen? Die Tätigkeit der Gesellschaft Rhein-Main-Donau beruht auf dem Rhein-Main-Donau-Staatsvertrag von 1921 zwischen dem Reich und dem Freistaat Bayern. In diesem Vertrag wurde vereinbart, daß die Gesellschaft zunächst den Main von Aschaffenburg bis Bamberg und die Donau von Kelheim bis zur österreichischen Grenze sowie die Kanalverbindung von Bamberg bis Nürnberg ausbauen soll. Zu diesem Punkt heißt es im Staatsvertrag:
Das Reich und Bayern sind darin einverstanden, daß dieses Bauziel gleichzeitig mit der Neckar-Kanalisierung bis Plochingen erreicht werden soll.
Die übrigen Teilstrecken, also Kanalverbindung von Nürnberg zur Donau und Ausbau der oberen Donau von Kelheim bis Ulm, sollen damit erst nach Erreichung dieses Zwischenzieles in Angriff genommen werden. Vergleicht man nun den gegenwärtigen Stand der Arbeiten mit dem Stand der Neckar-Kanalisierung, so ergibt sich eindeutig ein außerordentlich starkes Zurückbleiben der MainDonau-Wasserstraße. Die Gründe für dieses Zurückbleiben der Wirklichkeit hinter der Absicht des Vertrags sind unschwer zu erraten: Die wirtschaftlichen Hintergründe und die Unterstützung des Neckarprojekts sind in Anbetracht der finanziellen Kraft des Landes Württemberg - und es war interessant, gestern zu hören, daß auch schwäbische Finanzquellen genannt worden sind und auch der Stadt Stuttgart - zu gewichtig, als daß hier Bayern entsprechend mithalten könnte. Die Rückstände im Projekt RheinMain-Donau können keinesfalls mehr in der Zeit aufgeholt werden, die die Neckar-AG für die Fertigstellung der Teilstrecke HeilbronnPlochingen noch benötigt. Wenn es also auch nicht möglich erscheint, die Absicht des genannten Staatsvertrages zu verwirklichen, so muß doch mit Rücksicht auf den nordbayerischen Wirtschaftsraum und darüber hinaus auf das ganze bayerische Wirtschaftsgefüge alles versucht werden - das werden Sie verstehen -, um den Rückstand wenigstens etwas zu verringern.
Zu dem Problem muß noch gesagt werden, daß beim Rhein-Main-Donau-Kanal zwar eine vertragliche Bindung des Bundes gegenüber dem Freistaat Bayern und der Gesellschaft in der Richtung besteht, den Bau nach Möglichkeit zu fördern; es fehlt jedoch im Gegensatz zu Neckar und Mittelweser noch eine Vereinbarung über ein längerfristiges Bauprogramm, auf Grund dessen der Bund zur Bereitstellung fester Mindestjahresbeträge für Rhein-Main-Donau verpflichtet wäre. Der baldige Abschluß einer solchen Vereinbarung wäre dringend nötig - und diese Bitte möchte ich an die Herren vom Bundesverkehrsministerium richten -, wenn wenigstens ein Teil der erwähnten Verkehrsziele - also Mainkanalisierung, Donauregulierung und Kanal bis Nürnberg - in etwa gleichzeitig mit dem Verkehrsziel der Neckarkanalisierung erreicht werden soll.
Auf Grund der Haushaltsverhandlungen ist nun die für den nordbayrischen Raum bedauerliche Tatsache zu verzeichnen, daß für das Rhein-MainDonau-Projekt immer noch eine echte Kürzung von einer Million DM gegenüber dem Vorjahresansatz verbleibt, während z. B. für den DortmundEms-Kanal die gleichen Beträfe wie im Jahre 1953 ausgeworfen werden und die Mittelweser-AG. - wie die Neckar-AG. - sogar eine Erhöhung von 0,8 Millionen DM gegenüber dem Vorjahresansatz erhält.
Bedenken Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, bei der Abstimmung über diesen Antrag auch, daß Sie mit der Zustimmung einem Gebiet eine Hilfe leisten, das infolge überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit für jede Möglichkeit einer Arbeitsbeschaffung außerordentlich dankbar ist. Denken Sie bitte auch daran, daß ganz Bayern heute mehr denn je zuvor auf verstärkten und beschleunigten- Ausbau seiner großen Wasserstraßenverbindungen angewiesen ist, da es durch den letzten Krieg mehr als jedes andere Bundesland vom Verlust früherer Verkehrsverbindungen betroffen wurde und überdies als Agrarland jetzt auf eine weitgehende volkswirtschaftliche Umstellung zur Unterbringung von über 2 Millionen Heimatvertriebenen angewiesen ist.
Ich darf bei dieser Gelegenheit an den Herrn Bundesverkehrsminister noch einmal die Bitte richten, für den Ausbau der Autobahn Frankfurt-Nürnberg ein warmes Herz zu haben. Die Strecke steht bekanntlich in der Dringlichkeitsstufe eins; aber wir wollen hoffen, daß sie innerhalb dieser Dringlichkeitsstufe etwas weiter vornehin geschoben wird, als sie zur Zeit anscheinend steht.
Meinen Ausführungen über die Rhein-MainDonau-AG. wäre noch folgendes hinzuzufügen. Die heutigen Güterumschlagszahlen auf Main und Donau beweisen, und zwar mit drastischer Deutlichkeit, welche Bedeutung dieses Projekt für. Bayern hat. Wir bitten Sie, Verständnis für unseren Antrag zu haben, und erbitten Ihre Zustimmung dafür, daß die Durchführung des ursprünglichen Plans der Vollendung der Schiffbarmachung des Mains bis Bamberg durch Gewährung der Mittel wenigstens bis zum Jahre 1960 ermöglicht wird.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß von den Kraftwerken der Rhein-Main-Donau-AG. heute 11 % der gesamten Energie in Bayern erzeugt werden; im Winter beträgt diese Energieerzeugung durch die genannten Kraftwerke sogar bis zu einem Viertel. Sie sehen also, daß es sich wirklich um ein großräumiges und bedeutungsvolles Projekt handelt und daß es sich schon lohnt, für diese eine Million zu kämpfen. Wir erbitten Ihr Verständnis und Ihre Zustimmung zu dem Antrag.
({1})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich mich einer Pflicht entledigen. Ich habe leider übersehen, daß auch heute ein Abgeordneter Geburtstag hat, Herr Abgeordneter Böhm ({0}); also: herzlichen Glückwunsch!
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Strobel, Bauer und Genossen wird von uns, der CSU, unterstützt werden. Ich bedaure nur, daß dieser Antrag, der ja der gleiche ist, den ich seinerzeit im Haushaltsausschuß gestellt habe, von Ihrer Fraktion, Herr Kollege Bauer, damals nicht unterstützt worden ist. Ich stand damals, als ich diesen Antrag stellte, im Haushaltsausschuß allein, und Ihre Fraktion hat einstimmig gegen diesen Antrag gestimmt. Ich bedauere das deshalb so sehr, weil wir - das wissen
({0})
Sie so gut wie ich - nunmehr in der Sache selbst eine wesentlich schlechtere Position und verhältnismäßig geringe Aussicht haben, diesen Antrag jetzt noch durchzubringen, und weil der Eindruck entstehen muß, daß der Antrag mehr der Optik als der Sache dient.
Zur Sache selber möchte ich nicht mehr viel ausführen. Was Herr Kollege Bauer gesagt hat, ist sachlich voll und ganz zutreffend. Auch wir würden uns freuen, wenn sich das Hohe Haus in seiner Mehrheit entschließen könnte, den Antrag anzunehmen. Eine Bemerkung nur möchte ich noch machen. Wir legen doch immer so großen Wert auf die Feststellung, daß wir ein Rechtsstaat sind. Vergessen wir nicht, daß hier rechtliche Verpflichtungen vorliegen! Als ich im Haushaltsausschuß den anwesenden Vertreter der Regierung darauf aufmerksam machte, anscheinend sei doch der Bund gegenüber den anderen Leistungen etwas im Verzug, konnte mir das kaum entkräftet werden. Ich bitte also, auch für die CSU, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Hohe Haus wird Verständnis dafür haben, daß der ehemalige Bezirksamts-Assessor von Kelheim an sich gern bereit ist, sich für die Rhein-MainDonau-Idee einzusetzen. Aber wir müssen in diesem Hause wohl allgemein das Prinzip hochhalten, daß regionale und örtliche Wünsche und Liebhabereien gegenüber dem allgemeinen Gesichtspunkt, gegenüber den Grundsätzen der Haushaltspolitik
({0})
und gegenüber der Pflicht zur Wahrheit vor der Bevölkerung zurückzutreten haben.
Der Haushaltsausschuß hat mit allen Parteien, meines Erinnerns auch mit den Stimmen der Fraktion der Antragsteller,
({1})
die Erweiterung des Ansatzes von 9 Millionen auf 10 Millionen DM in diesem außerordentlichen Haushalt abgelehnt. Ich bin überrascht, daß aus derselben Fraktion jetzt dieser Antrag kommt.
Ich darf eine grundsätzliche Bemerkung machen. Ich habe folgendes im Haushaltsausschuß ausgeführt und wiederhole es hier. Unser außerordentlicher Haushalt hat einen Umfang von ungefähr 11/2 Milliarden DM. Ich habe neulich eine Verlautbarung des Instituts für Steuern und Wirtschaft gelesen, in dem - nach meinem Dafürhalten mit Grund - dargelegt ist, daß diese 1 500 Millionen DM auf dem Anleihemarkt wahrscheinlich nicht oder nur sehr schwierig aufgebracht werden können. Wenn wir in diesem Hause Anträge stellen - das gilt auch für Anträge aus den Koalitionsparteien -, die um der guten optischen Wirkung nach außen willen Wünsche in den außerordentlichen Haushalt bringen, und dann sagen: Der liebe Bundesfinanzminister braucht es ja nicht zu bezahlen! - er muß es ja letzten Endes anweisen und darf es nur anweisen, wenn er die Anleihemittel erhalten hat -, dann treiben wir in der Regierungskoalition gegeneinander ein doppelseitiges, zwiegesichtiges Spiel!
({2})
Wir tragen gemeinsam die Verantwortung. Wir sind kein Obrigkeitsstaat, in dem die Regierung gegen die Parteien steht, sondern die Regierung ist, möchte ich sagen, der Vertrauensausschuß der Parteien und nichts anderes. Ich stehe auf dem Standpunkt, die Pflicht zur Wahrhaftigkeit sollte uns, der Opposition wie den Regierungskoalitionsparteien, dem deutschen Volke gegenüber gemeinsam sein.
Wenn wir wissen, daß der außerordentliche Haushalt voraussichtlich nur sehr schwer in dem Umfang bedient werden kann, wie er vorgesehen ist, ist es ein Verstoß gegen die Wahrhaftigkeit, wenn wir vor der Bevölkerung immer neu Anträge mit Ausdehnung des außerordentlichen Haushalts stellen, während wir ehrlich wissen, daß wir sie nicht vollziehen können.
Ich bitte deshalb um der Wahrhaftigkeit willen, alle diese Anträge einschließlich des Antrags zugunsten des mir lieben Gedankens der Rhein-MainDonau AG abzulehnen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gedenke, das Haus nicht lange in Anspruch zu nehmen. Der Herr Bundesfinanzminister scheint heute morgen etwas böse zu sein.
({0})
Ich nehme an, das hängt mit der Tatsache zusammen, daß er um das Gleichgewicht seines Haushalts fürchtet; da kann ich ihm durchaus alle Sympathien entgegenbringen.
Ich habe die Absicht, etwas zu den Äußerungen des Herrn Kollegen Niederalt zu sagen, damit hier kein Mißverständnis aufkommt. Einmal bitte ich darauf zu achten, daß der Antrag von der Frau Kollegin Strobel, von dem Kollegen Bauer und anderen unterschrieben ist. Es ist kein Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, sondern, wie Sie aus den Unterschriften sehen, ein Antrag von Abgeordneten aus Bayern, die selbstverständlich das Recht haben, hier im Plenum des Hauses ihre regionalen Interessen zu betonen.
Was die Haltung der sozialdemokratischen Mitglieder des Haushaltsausschusses betrifft, die Herr Kollege Niederalt glaubte gegen die Antragsteller ausspielen zu müssen, so kann ich nur folgendes sagen. Erstens gehört, soviel ich weiß, der sozialdemokratischen Fraktion im Haushaltsausschuß kein Vertreter aus Bayern an. Zweitens haben die Mitglieder des Haushaltsausschusses nicht in erster Linie die Aufgabe, regionale Interessen zu vertreten; sie vertreten die Interessen des Gesamt-Haushalts, wie sie sie verstehen. Das, glaube ich, sollte man aus der Polemik heraushalten.
({1})
Es scheint so, daß die Debatte zu diesem Thema damit beendet werden könnte.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns in diesem Hause alle darin einig, daß der Bundesbahn die betriebsfremden politischen Lasten in der einen oder anderen Form abgenommen werden müssen. Ich glaube, daß wir in diese Einmütigkeit sogar den Herrn Bundestagsabgeordneten Schäffer einbeziehen können, auch wenn der Herr Bundesfinanzminister im Augenblick vielleicht eine andere Meinung vertritt. Auf der anderen Seite sind die 450 Millionen DM, die die Bundestagsfraktion der SPD jetzt noch im Haushalt unterbringen will, ein ganz erheblicher Brocken. Wir haben uns in der vorigen Woche im Verkehrsausschuß mit dieser Materie, mit der Sanierung der Bundesbahn, sehr eingehend beschäftigt und sind zu der Überzeugung gekommen, daß zunächst einmal geprüft werden muß, wie hoch die Summe ist, die die Bundesbahn als sogenannte betriebsfremde Lasten in Anspruch nehmen kann. Die Zahlen schwanken zwischen 250 und 450 Millionen DM. Wir haben weiter den Haushaltsausschuß ersucht, zu prüfen, in welcher Form der Bundesbahn so schnell wie möglich die Abnahme der betriebsfremden Lasten zugesichert werden kann, und wie weit die Möglichkeit besteht, der Bundesbahn in diesem Jahre eine Kassenhilfe in Höhe der entstehenden betriebsfremden Lasten zu gewähren. Ich glaube doch, daß wir es bei dieser Regelung belassen sollten, weil die Annahme des von Ihnen in Umdruck 51 vorgelegten Antrags das Gleichgewicht des ganzen Haushalts durcheinanderbringen würde. Meine Fraktion wird daher Ihren Antrag ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr.-Ing. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, noch einmal auf die grundsätzlichen Dinge des Haushalts des Bundesverkehrsministers zurückzukommen. Von dem Herrn Berichterstatter ist darauf hingewiesen worden, daß den Ausgaben von 1 085 Millionen DM nur Einnahmen von 73 Millionen DM gegenüberständen. Daraus könnte das Bild entstehen, als ob der Haushalt des Bundesverkehrsministers besonders notleidend und ein besonderer Zuschußhaushalt wäre. Es ist aber wenigstens darauf hinzuweisen, daß immerhin aus dem Verkehrsgewerbe und aus den Organisationen, die in dem Haushalt zusammengefaßt werden, auch erhebliche Steueraufkommen aufgebracht werden, so z. B. bei der Beförderungssteuer für Güter und Personen 470 Millionen und bei der Mineralölsteuer 810 Millionen, insgesamt also 1 280 Millionen DM. Ich weiß, daß es natürlich nicht möglich ist, hier eine Bindung zwischen dem Steueraufkommen und den Ausgaben herzustellen. Man muß doch hier aber berücksichtigen, daß das Verkehrsgewerbe ein sehr gutes Steueraufkommen bringt und daß es auch in dieser Steueraufkommensmöglichkeit erhalten bleiben muß. Wenn man jahrelang für diese Dinge nichts aufbringt, dann werden, wie jetzt bei der Bundesbahn, diese Einrichtungen so notleidend werden, daß die Ausgaben noch höher liegen als bisher. Ich wollte nur auf dieses Problem hingewiesen haben, weil ja auch bei den bevorstehenden Gesetzen wiederum mit einem Mehraufkommen gerechnet wird - man spricht von etwa 360 Millionen - und dann womöglich wieder das Verkehrsgewerbe zu kurz kommt und die Verkehrsinteressen nicht entsprechend berücksichtigt werden.
Dann wollte ich mir noch erlauben, auf die Angelegenheiten der Luftfahrt einzugehen. Ich habe auch die Freude gehabt, an der Exkursion nach der Schweiz teilnehmen zu können. Bei den Problemen der Luftfahrt darf man drei Momente nicht aus dem Auge verlieren: politische, wirtschaftliche und technische.
Solange nicht die deutsche Lufthoheit wiederhergestellt worden ist, ist es nach unserer Auffassung unmöglich, sich bereits ernsthafter mit diesen Dingen zu beschäftigen. Das ist überhaupt die politische Voraussetzung für den Aufbau einer zivilen Luftfahrt in der Bundesrepublik. Wir haben in der Schweiz gehört, welche Schwierigkeiten bestehen, einen Transatlantikverkehr in vollem Umfange einzurichten und aufrechtzuerhalten, weil man dabei auch von den Einflugberechtigungen der einzelnen Länder abhängig ist, die selbst der Schweiz nicht in allen Fällen gegeben worden sind.
Neben diesen politischen Momenten stehen die wirtschaftlichen, die in dem ganzen Rahmen ebenfalls nicht außer acht zu lassen sind. Hier ist von wesentlicher Bedeutung, welche Anzahl Flugzeuge überhaupt für einen Flugbetrieb zur Verfügung stehen. Denn erst bei einer genügenden Anzahl Flugzeuge rentiert sich die Organisation, die man nicht nur im eigenen Lande, sondern auch in fremden Ländern aufbauen muß, und rentieren sich auch die Anlagen, die man wieder überall in den Lufthäfen für die Überholung der eigenen Maschinen erstellen muß. Wir haben in der Schweiz gelernt, daß gerade diese Dinge ungeheure Ausgaben erfordern, die tatsächlich in irgendeinen wirtschaftlichen Rahmen nur eingeordnet werden können, wenn der Flugzeugeinsatz so organisiert ist, daß die Flugzeuge laufend überholt werden können und auch laufend für den Passagierverkehr zur Verfügung stehen.
Die wirtschaftlichen Momente gehen in die technischen Momente über, da man sich überlegen muß, welche Typen man nimmt und wie dann von der Wahl der Typen wieder die Aufrechterhaltung der notwendigen Reparaturmaterialien und Ergänzungsteile abhängig ist. Wenn man zuviel verschiedene Typen nimmt, hat man mehr Reparaturmaterialien auf den Magazinen zu halten. Ich möchte daran erinnern, daß selbst die Swissair mit ihrem verhältnismäßig kleinen Apparat eine Magazinhaltung im Werte von 21 Millionen Francs notwendig hat.
Es scheint mir also doch bedeutsam zu sein, daß man bei der Organisation der deutschen Luftfahrt, die wir an sich natürlich begrüßen müssen, sehr darauf achtet, daß hier die politischen, die wirtschaftlichen und die technischen Momente alle zusammenpassen und daß wir uns hier nicht etwa etwas aufbauen - zu klein oder zu schlecht organisiert -, was uns dann in den nächsten Jahren bei den Haushaltsberatungen nur Schmerzen bereiten wird, weil ein laufender Zuschußbetrieb daraus erwächst.
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- Ja, der Zuschuß mag sowieso unvermeidlich sein; aber man kann ihn größer oder kleiner gestalten, und wenn man sich die Dinge politisch, wirtschaftlich und technisch richtig überlegt und vorwegbedenkt, scheint es mir möglich zu sein, zumindest den Zuschuß kleiner zu halten, der allerdings - das gebe ich zu - wahrscheinlich in der
({1})
nächsten Zeit auf jeden Fall bestehenbleiben wird, und wie es auf die Dauer wird, das wissen wir nicht.
Das sind also die Dinge, die ich doch hier warnend aussprechen möchte. Man sollte ihnen besondere Überlegung widmen, und sie sollten auch nicht etwa im verschwiegenen Kämmerlein beschlossen werden, ohne daß diejenigen, die auch etwas dazu zu sagen haben sollten, rechtzeitig befragt werden.
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Schließlich komme ich zu dem Antrag. Im Namen meiner Fraktion möchte ich der Meinung Ausdruck geben, daß es unmöglich ist, die betriebsfremden Lasten jetzt noch in dem derzeitigen ordentlichen und außerordentlichen Haushalt unterzubringen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Bundesbahn geholfen werden muß, aber nur in der Weise, daß man sie bei einem doch wahrscheinlich notwendig werdenden Nachtragshaushalt berücksichtigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ausführliche, große Verkehrsdebatte vom Februar enthebt uns der Notwendigkeit, heute und an dieser Stelle abermals die Verkehrspolitik des Bundesverkehrsministeriums ausführlich zu würdigen. Ich darf aber vielleicht mit zwei oder drei Sätzen in die Erinnerung zurückrufen, daß damals die Opposition und die CDU/CSU-Fraktion sich in der Frage einig waren, was denn eigentlich das Ziel dieser Verkehrspolitik sei, und daß sie nicht nur in dieser besorgten Frage einig waren, sondern auch in der Beurteilung der bisherigen Verkehrspolitik der Bundesregierung. Denn wenn z. B. die Interpellation der CDU/CSU-Fraktion mit folgenden Worten anfing: „Welche Linie gedenkt die Bundesregierung einzuschlagen?", dann wurde daraus ja doch wohl deutlich, daß bisher eine Linie überhaupt nicht erkennbar gewesen sei.
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Auch in der damals zum Ausdruck gekommenen Skepsis in bezug auf die zukünftige Verkehrspolitik war sich dieses Hohe Haus ziemlich einig, und auch die ganze deutsche Presse war, wie sich am folgenden Tage zeigte, mit uns darin einig. Ich brauche deswegen also auf Einzelheiten nicht mehr zurückzukommen.
Heute ist dem, was damals an Skepsis gegenüber der unzureichenden Verkehrspolitik zum Ausdruck kam, die Feststellung hinzuzufügen, daß auch der Verkehrshaushalt als solcher unzureichend ist. Ich gebe dem Herrn Kollegen Gengler, der hier gestern für die CDU/CSU darüber gesprochen hat, vollkommen recht: die in den Bundeshaushalt eingestellten Mittel für die Deutsche Bundesbahn und für den Straßenbau sind absolut unzureichend. Ich habe mit Schmerzen eben gehört, meine Herren von der Koalition, daß Sie den Antrag bezüglich der betriebsfremden Lasten der Eisenbahn ablehnen wollen, weil der Haushalt eine Deckung nicht zulasse. Ich lese nun immer in verklausulierten Andeutungen der Presse, die aus dem Hause des Herrn Bundesverkehrsministers stammen, daß das Kabinett sich. den Kopf darüber zerbricht, daß die betriebsfremden Lasten abgenommen werden müßten und daß das auch irgendwie in diesem Jahr geschehen müsse. Also gibt es doch offenbar irgendwelche Deckungsmöglichkeiten, über die man sich nur noch nicht recht klar ist.
({1})
Man zerbricht sich, scheint mir, den Kopf über diese Dinge ein wenig lange. Der Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes, von dem wir lesen, den wir aber immer noch nicht kennen, scheint mir dafür zu sprechen, daß man endlich auch auf diesem Gebiet ernsthaft etwas tun will, wenngleich etwas reichlich spät.
Ich habe den Eindruck, daß die Debatte über diese Dinge fortgeführt werden sollte, wenn das Verkehrsfinanzgesetz und das Straßenentlastungsgesetz, von dem Herrn Minister Seebohm spricht, dem Hohen Hause vorgelegt werden; wir sollten heute vielleicht die Debatte nicht vertiefen. Allerdings, Herr Bundesverkehrsminister, habe ich den Eindruck, daß, während Sie in schwierigen Verhandlungen mit dem Kabinett und in noch schwierigeren Verhandlungen mit den Interessenten aus Verkehr und Wirtschaft stehen, bei Ihnen zu Hause die Bürokraten etwas auf dem Tische herumtanzen. Ich lese heute morgen in der Presse, daß im gesamten Bundesgebiet die Telefonapparate der Gendarmeriestationen an den Autobahnen von den direkten Autobahn-Fernsprechleitungen abgetrennt worden seien.
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Hier beschwert sich ein Kommissar einer Verkehrspolizeistation und sagt: Die Gendarmerietelephone an der Autobahn können von den Unfallfernsprechern der Autobahn in Zukunft nicht mehr erreicht werden,
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und er erklärt dann, daß irgendwelche Beamte in Ihrem Hause auf einen bisher gesetzwidrigen Zustand aufmerksam geworden seien und diese Abtrennung veranlaßt hätten.
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Ich nehme an, Sie bringen das sehr schnell wieder in Ordnung; denn Sie wollen j a mit den Maßnahmen Ihres Hauses den Autobahnmördern keinen Vorschub leisten,
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sondern die sollen ja schnell ergriffen werden, und wenn Unfälle geschehen, dann ist das Telephon ja dazu da, den Unfallwagen und die Polizei schnell herbeizurufen. Ich erwähne das alles nur, weil ich das Gefühl habe, daß es in Ihrem Hause im Augenblick etwas drunter und drüber geht.
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Aber neben den Fragen des Binnenverkehrs, Herr Minister Seebohm, des Straßen-, des Eisenbahn- und des Binnenschiffsverkehrs, ressortieren in Ihrem Hause ja auch die Seeschiffahrt und die Luftfahrt. Sie haben hier gestern Ausführungen über die Weiterführung des Wiederaufbaus der Seeschiffahrt und ihre Finanzierung gemacht, die sicherlich an der Küste mit Aufmerksamkeit registriert worden sind. Ich möchte mich darauf beschränken, zu sagen: Wir haben diese Ausführungen zur Kenntnis genommen. Wir behalten uns vor, darauf sehr ausführlich zurückzukommen, wenn im Zusammenhang mit der Steuerreform die Frage der Schiffahrtfinanzierung, aufgehängt an dem § 7 d, hier entschieden werden muß.
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Worüber in dieser ganzen Verkehrsdebatte im Sinne einer Vertiefung der Probleme wenig gesprochen worden ist, das ist das letzte Gebiet, das in Ihrem Hause behandelt wird, nämlich die Luftfahrt. Hier haben zwar einige Kollegen außerordentlich sachverständig anmutende Bemerkungen über die luftfahrtpolitischen Probleme gemacht; aber ich habe nicht den Eindruck, daß wir dabei an den Kern der gegenwärtig vorliegenden Probleme vorgedrungen sind.
Ich darf vorweg sagen: wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß der Wiederaufbau der deutschen Zivilluftfahrt notwendig ist, und Sie wissen, Herr Minister, wie stark ich persönlich an diesen Dingen Interesse genommen habe. Ich habe aber den Eindruck, daß der Wiederaufbau der Zivilluftfahrt in den letzten Monaten, sagen wir, in eine in gewisser Weise zwielichtige Situation geraten ist. Sie haben die große Schwierigkeit, daß Sie immer noch keine Freigabe für die deutsche Zivilluftfahrt erreicht haben oder erreichen wollten - das kann ich nicht übersehen - und daß auf der andern Seite nunmehr die Flugzeuge zur Ablieferung gelangen, die - wie ich glaube - mit Recht von Ihnen frühzeitig in den USA bestellt worden sind. Es ist nun die Frage, was geschehen soll.
Sie haben im Zusammenhang mit diesem Problem jüngst einen Auslandsbesuch gemacht, um Verhandlungen zu führen, die diese Frage betreffen. Ich lese da in einem Pressedienst, der sich „Briefe zur Verkehrspolitik" nennt und der Ihnen offenbar außerordentlich nahesteht, über Ihre englischen Verhandlungen, Herr Minister, folgende Bemerkung - ich darf wohl einen einzigen Satz zitieren, Herr Präsident -:
Der Englandbesuch des Bundesverkehrsministers gehört zu den erfolgreichsten Auslandsreisen, die von einem Bonner Kabinettsmitglied bisher durchgeführt wurden.
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Da möchte ich fragen, ob das der Führer weiß!
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Aber ich will mir gar kein persönliches Urteil über die Bedeutung dieser Auslandsreise und dieser Verhandlungen anmaßen, und ich habe natürlich auch ein gewisses psychologisches Verständnis dafür, daß jemand, der wegen seiner Binnenverkehrspolitik innerhalb Deutschlands in diesem Hause und in der Presse eine solche Kette von Prestigeverlusten hinnehmen mußte, dafür im Ausland Kompensationsobjekte suchen möchte.
({10})
Was ich aber gern wissen möchte, ist, was dort eigentlich verhandelt worden ist. In dem genannten Pressedienst heißt es nämlich weiter, es sei eine Reihe sehr konstruktiver Absprachen getroffen worden. Nun, ich habe auch einen zweiten Pressedienst darüber gelesen, der Ihnen, Herr Minister, etwas weniger nahezustehen scheint. In diesem Pressedienst - ich darf wohl auch das vorlesen, Herr Präsident - ist die Rede davon, daß Sie bei Ihrer Anwesenheit in London auf einem Essen der Royal Air Force eine Rede gehalten hätten.
({11})
- Ich lüge hier nicht, ich zitiere nur aus dem Pressedienst; er nennt sich „Luftfahrt-Pressedienst", wird herausgegeben von einem Ihnen sehr gut bekannten Herrn Jenkiewicz und ist sehr angesehen als Fachpressedienst auf diesem Gebiet. Aber ich bin begierig, zu hören, daß es sich anders verhalten hat, als der Mann hier schreibt. Ich zitiere zunächst einmal: Sie hätten eine Rede gehalten, und der „Daily Express" habe über diese Rede am nächsten Tag berichtet, daß die deutsche Zivilluftfahrt unter der Leitung der Engländer ihren Start und Beginn nehmen werde. Daran knüpft dieser durchaus sachverständig anmutende Bericht einen längeren Kommentar, und er endet mit der Feststellung, es sei wohl weniger der Inhalt des Abkommens selbst als seine geheimnisvolle Behandlung und der Zeitpunkt seines Abschlusses, die hier fragwürdig seien; die Fragen müßten rasch, offen und gründlich beantwortet werden, um das in der ganzen Welt der neuen deutschen Lufthansa entgegengebrachte Goodwill nicht zu verletzen. Diesen letzten Satz möchte ich persönlich sehr deutlich unterstreichen.
Ich möchte fragen: was ist dort nun eigentlich verhandelt worden? Ich könnte mir denken, Herr Minister, daß es zweckmäßig wäre, dieses Problem nicht in aller Deutlichkeit hier im Plenum im Augenblick zu vertiefen. Aber ich möchte dann doch erwarten, daß nun wirklich einmal in Bälde und in Gründlichkeit im Verkehrsausschuß oder an anderer geeigneter Stelle uns eindeutiger Aufschluß gegeben wird über die letzte Entwicklung auf dem Gebiet der Luftverkehrspolitik. So sehr ich mit meinen Herren Vorrednern der Meinung bin, daß der Besuch in Zürich eine nützliche und lehrreiche Sache war, so sehr, meine Herren Kollegen, muß ich doch darauf hinweisen, daß dort die eigentlich aktuellen Probleme der deutschen Luftverkehrspolitik nicht berührt worden sind, und Sie geben sich Täuschungen hin, wenn Sie glauben, nunmehr einen Überblick über das zu haben, was los ist und was heute notwendig ist.
Nach diesem kleinen Abstecher in die Luft darf ich zum Schluß kommen.
({12})
- Herr Schmidt-Wittmack, es haben so viele Ihrer Herren Kollegen gleichzeitig gesprochen, ich habe Sie nicht verstehen können; wenn Sie noch einmal wiederholen könnten, was Sie gesagt haben, will ich darauf antworten.
({13})
- Eine Luftblase, das glaube ich auch, und zwar diese englische Reise des Herrn Verkehrsministers war eine Luftblase.
({14})
Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß die Aschenbrödelrolle, die die Verkehrspolitik seit Jahr und Tag im Bundeskabinett gespielt hat, langsam zu Ende geht, und wir hoffen, daß sich das Kabinett der drängenden verkehrspolitischen Probleme sorgfältiger und eingehender annimmt, als das in den vergangenen Jahren der Fall war. Wir glauben, für eine solche positive Entwicklung sogar gewisse Anzeichen erkennen zu können. Es geschehen also Zeichen, wenngleich sicherlich keine Wunder.
An dieser Stelle möchte ich einfügen, daß mir der Herr Bundesverkehrsminister vor wenigen
({15})
Tagen als Antwort auf einen Artikel, den ich irgendwo geschrieben hatte, telegraphisch mitgeteilt hat, er sei kein Chinese - ich habe das übrigens auch nicht angenommen ({16})
und er habe sein Gesicht weder zu behalten noch zu verlieren - darüber will ich nicht streiten -,
({17})
sondern er trage es stets mit demselben Gleichmut durchs Leben. Nun, ich hoffe, daß Sie sich selber nie Lügen strafen, was den Gleichmut angeht, Herr Minister Seebohm.
({18})
Aber ich muß jetzt leider doch annehmen, daß Sie in Ihrem Gleichmut nicht erschüttert werden, wenn ich Ihnen namens meiner Fraktion abermals mitteilen muß, daß wir Ihrer Verkehrspolitik insgesamt mit den größten Sorgen entgegensehen und daß wir abermals leider keine Möglichkeit erblikken, Ihrem Verkehrshaushalt zuzustimmen.
({19})
Der Herr Bundesminister für Verkehr!
({0})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid t. Ich werde in Zukunft einen persönlichen Verkehr nicht mehr mit ihm führen können, wenn er dies hier in so humorloser Weise darstellt.
({0})
Mein Gleichmut ist gleichwohl unerschütterlich. Aber er hat die Depesche ja nicht ganz vorgelesen. Ich habe den Text leider nicht vor mir liegen und kann Ihnen nicht alles zitieren. Ich habe ihm nur eines zum Schluß gesagt: Mein Gesicht würde auch dann nicht rot anlaufen, wenn es politisch erforderlich wäre.
({1})
Im übrigen darf ich zu der einen Frage, die er hier aufgeworfen hat, folgendes bemerken: Die Meldung des „Daily Express" ist von mir, soweit sie in deutschen Zeitungen stand, schon vor Tagen dementiert worden. Ich empfehle dem Herrn Kollegen Schmidt, wenn er Zeitungen liest, auch die Dementis zu lesen und zu berücksichtigen.
({2})
Es ist so mühsam, diese Dinge dann immer noch einmal wieder unter Belastung des Hohen Hauses vorzutragen. Ich bin in England niemals von der Royal Air Force eingeladen gewesen, sondern ich war Gast der britischen Regierung. Ich habe deswegen auch niemals auf einem Essen der Royal Air Force eine Rede halten können. Ich habe nur selbst eine Einladung in meinem Club gegeben, und diese Einladung habe ich nur als Mitglied des Royal Aero Club in seinen Räumen geben können. Ich habe zwar bei diesem Essen eine kurze Rede gehalten, die aber mit dem Inhalt, der im „Daily Express" veröffentlicht wurde, überhaupt nichts zu tun hatte. Ich konnte auch über Abmachungen der privaten Luftverkehrsgesellschaften gar nicht sprechen, weil es sich dabei um Abmachungen privater Gesellschaften untereinander und nicht um Abmachungen zwischen den beiden Regierungen handelte. Aber vielleicht wird es das Hohe Haus und Herrn Schmidt besonders interessieren, daß bei diesem Essen im Royal Aero Club auf meine Rede ein Herr geantwortet hat, der meinen Besuch und meine Anwesenheit in England in seiner Rede sehr positiv beurteilte; und das war der Kriegsminister des letzten Labour-Kabinetts, Mr. Bellenger.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich lange sprechen werde. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmidt zwingen mich doch, hier etwas grundsätzlich festzustellen. Es ist in der verflossenen Verkehrsdebatte hier schon eindeutig zum Ausdruck gekommen, daß keineswegs das Bundesverkehrsministerium oder gar der Herr Bundesverkehrsminister persönlich dafür verantwortlich zu machen ist, daß wir heute praktisch auf allen Verkehrssektoren eine Verkehrsmisere haben, sondern daß daran in allererster Linie die Ereignisse in der Vergangenheit schuld sind. Das muß hier noch einmal klar gesagt werden.
({0})
Wenn Sie das geflissentlich übersehen, meine Damen und Herren, dann kann ich Ihnen leider nicht die notwendige Sachlichkeit zusprechen.
Es wird seit Monaten versucht, auf dem Gebiet der Verkehrswirtschaft auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Ich stelle mit Bedauern fest: hier liegt wohl der einmalige Fall vor, bei dem es den beteiligten Partnern nicht möglich zu sein scheint, sich auf einer vernünftigen Basis näherzukommen und zu einigen. Wenn ich all die Veröffentlichungen der letzten Wochen, die auf uns - gerade auf uns Mitglieder des Verkehrsausschusses - herniederprasseln, betrachte, dann muß ich zu meinem Bedauern feststellen, daß eine die andere an Unsachlichkeit übertrifft. Dort wird keineswegs mit sachlichen Argumenten gearbeitet! Teilweise geht man auch mit derartiger Niedertracht gegeneinander vor, daß das ganze Verkehrsproblem zu einem unentwirrbaren Knäuel zu werden droht. Ich möchte hier an alle am Verkehr beteiligten Stellen, besonders an jene, die sich jetzt so sehr darum bemühen, geordnete Verhältnisse zu schaffen, die Aufforderung richten, sich endlich sachlich zu bescheiden und sich Mühe zu geben, auf einen vernünftigen Nenner zu kommen. Sonst werden wir die Probleme überhaupt nicht lösen.
Aber ich möchte noch etwas anderes Grundsätzliches anschließen. Ich möchte für meine Fraktion keinen Zweifel darüber lassen - ich habe das anläßlich der Verkehrsdebatte hier auch schon ausgeführt -: Wir sind nicht der Auffassung, daß die notwendigen Mittel für die Bundesbahn etwa durch die Straße aufgebracht werden sollten, wie wir selbstverständlich auch nicht der umgekehrten Auffassung sein können. Aber es muß, gleichgültig wie die Eingriffe in den Straßenverkehr aussehen werden, klar herausgestellt werden, daß der Straßenverkehr unter allen Umständen diejenigen Lasten aufbringen muß, die zu tragen er volkswirtschaftlich gegenüber der gesamten Bevölkerung einfach verpflichtet ist.
({1})
({2})
Es kann nicht angehen, daß irgendein Wirtschaftszweig, weil es bisher so sehr bequem gewesen ist, praktisch auf Kosten der gesamten Bevölkerung und der übrigen Steuerzahler seine Wirtschaft auf eine etwas angenehmere Art betreiben kann.
Bezüglich der Bundesbahn bedauern meine Freunde, daß es nicht möglich gewesen ist, in den Haushaltsberatungen die notwendigen Mittel bewilligt zu bekommen, um der Bundesbahn die betriebsfremden Lasten abzunehmen. Ich unterstreiche mit Nachdruck die Erklärung des Herrn Kollegen Drechsel von der FDP, der gesagt hat, man könne der Hoffnung Ausdruck geben, daß dem Nachtragshaushalt die Aufbringung solcher Mittel vorbehalten bleiben solle. Meine Damen und Herren, wir kommen auch aus der Bundesbahnmisere nicht heraus, wenn wir nicht einen Weg finden, der Bundesbahn diese betriebsfremden Lasten abzunehmen.
Ich kann es mir versagen, hier näher auf die Luftfahrt einzugehen, zumal der Herr Verkehrsminister dazu persönlich Stellung genommen hat. Aber es ist allzu billig, Herr Kollege Schmidt, mit solchen, ich möchte sagen, Mätzchen wie den Telefonapparaten der Landgendarmerie zu kommen. Mit diesen Dingen regeln Sie das Verkehrsproblem auch nicht.
({3})
Sie übersehen immer geflissentlich, daß auch im Bundesverkehrsministerium - und an der Spitze vom Minister selbst - in den verflossenen Jahren ein ganz gewaltiges Maß von Arbeit geleistet worden ist. Sie übersehen beispielsweise immer - obwohl Sie aus Hamburg kommen und es wissen müßten -, daß es in den vergangenen Jahren Ihre eigenen Parteifreunde waren, die immer gegen das Petersberg-Abkommen und gegen sonstige Abkommen Sturm gelaufen sind,
({4})
deren Abschluß es uns aber möglich gemacht hat, daß wir heute wieder eine Handelsschiffahrt haben, die sich in der Welt sehen lassen kann.
({5})
Ich habe jedes Verständnis dafür, daß Sie heute vielleicht etwas ärgerlich darüber sind, die Verkehrsangelegenheiten in Hamburg nicht mehr regeln zu können.
({6})
Ich möchte Sie aber dann doch bitten, wenn Sie sich hier schon aufschwingen, etwas zur Verkehrsregelung zu sagen, das wenigstens in vernünftiger Weise zu tun.
({7})
Herr Abgeordneter Schmidt!
Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich Sie, Herr Schneider, im besonderen ansprechen. Es fällt mir zu schwer, auf diese Art der Auseinandersetzung einzugehen, die Sie zuletzt beliebt haben.
({0})
- Wieso habe ich angefangen? Ich habe mich mit dem Herrn Bundesverkehrsminister auseinandergesetzt, nicht mit dem Herrn Schneider.
({1})
- Ja, meine Herren, wenn Sie alle zugleich rufen, kann man nichts verstehen.
({2})
Mit dem Herrn Schneider möchte ich mich also nicht auseinandersetzen, dafür aber gerne mit dem Herrn Bundesverkehrsminister. Ich bin dem Herrn Schneider nur dankbar, daß auch er als Fraktionskollege des Herrn Bundesverkehrsministers wortwörtlich festgestellt hat, wir hätten praktisch eine Verkehrsmisere auf allen Gebieten. Das finde ich ganz richtig. Das stimmt. Es sei beinahe ein unentwirrbarer Knäuel. Das stimmt auch. Deswegen hätte man schon lange daran gehen müssen, ihn zu entwirren. Aber darüber haben wir lange genug gesprochen.
Ich möchte jetzt auf die Äußerungen des Herrn Bundesverkehrsminister kommen, und zwar darauf, daß er sagte, er habe doch schon ein Dementi abgegeben zu dieser Sache in England, und man solle das doch bitte lesen. Nun, man kann nicht alle Dementis lesen, die von Herrn Minister Seebohm kommen.
({3})
Es kommen sehr viele Dementis aus diesem Hause.
({4})
Aber, Herr Bundesverkehrsminister, was haben Sie denn nun wirklich gesagt, und was haben Sie denn nun wirklich verhandelt, und welche Verträge haben Sie wirklich abgeschlossen? Es tut mir leid, daß ich diese Fragen nun hier so konkret und so ausdrücklich stellen muß. Ich möchte Sie bitten, hier auf diese Fragen zu antworten. Wenn Sie hier wie die Katze um den heißen Brei herumgehen und sich auf Dementis beziehen, die irgendwo und in irgendeiner Zeitung gestanden haben, dann muß ich dazu allerdings erklären, daß das Ausweichmanöver sind, die erfordern, daß man Sie an dieses Pult bittet, Antwort auf die Frage zu geben: Was war dort eigentlich los?
Nun komme ich noch einmal auf Herrn Schneider zurück, auf die „Mätzchen", von denen ich gesprochen haben soll. Wenn Sie meinen, bei den Telefonapparaten an der Autobahn handele es sich um Mätzchen, dann darf ich wiederholen, was ich vorhin schon angedeutet habe: Es ist eine Kleinigkeit, von der ich annehme, daß sie der Bundesverkehrsminister und seine Beamten schnell wieder in Ordnung bringen. Aber es ist eine kennzeichnende Kleinigkeit für das ganze Bundesverkehrsministerium! Herr Schneider hat gesagt, dort ist sehr viel Arbeit geleistet worden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß dort sehr viel fleißige und sachverständige Arbeit geleistet wird,
({5})
aber - das „Na also" kam zu früh, Herr Bundesverkehrsminister! - ganz oben an der Spitze stimmt etwas nicht. Na also!
({6})
Der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf nur bemerken, die Telefonverhältnisse an den Autobahnen, die Herr Schmidt eben charakterisiert hat, sind, wie ich inzwischen festgestellt habe, in Hessen eingetreten. Bekanntlich ist die Durchführung der Gesetze und Verordnungen über den Straßenverkehr eine Angelegenheit der Landesregierungen. Ich empfehle also Herrn Schmidt, sich mit Herrn Ministerpräsident Zinn in Verbindung zu setzen.
({0})
Zum andern darf ich folgendes bemerken: Ich habe eben schon gesagt - und ich möchte Herrn Schmidt bitten, doch freundlichst zuzuhören -, daß ich auf Einladung der englischen Regierung in England war, daß ich dort Besichtigungen gemacht und Besprechungen geführt habe und daß von mir keine Verträge geschlossen worden sind, sondern geschlossen wurde in dieser Zeit ein Abkommen zwischen privaten englischen und deutschen Luftverkehrsgesellschaften.
({1})
Damit ist die Debatte zu diesem Einzelplan beendet.
Es liegt vor der Änderungsantrag Umdruck 50*) der Abgeordneten Frau Strobel, Bauer ({0}), Op den Orth und Genossen betreffend die Beteiligung an dem Bauvorhaben der Rhein-Main-Donau A.G. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 12, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Haushalt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Haushalt ist mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Ziffer 2 des Antrags des Haushaltsausschusses Drucksache 362, eine große Zahl von Anträgen verschiedener Fraktionen und Abgeordneten für erledigt zu erklären. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen. Damit ist dieser Einzelplan erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum
Einzelplan 09 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft
({1}).
Ihnen liegen bisher vor die Änderungsanträge Umdrucke 22, 29 ({2}), 30, 31, 47, 52, 54 und 55.**)
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
({3})
- Er scheint in diesem Augenblick der Vogel Strauß zu sein.
({4})
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Sie bereit sind, auf die Berichterstattung zu verzichten.
({5})
*) Siehe Anlage 5 zum Stenographischen Bericht der 23. Sitzung Seite 845.
**) Siehe Anlagen 2 bis 9 Seiten 930 bis 934.
Ich würde glauben, daß bei der Bedeutung dieses Etats - - Herr Abgeordneter Dr. Vogel ist bereits im Anfliegen.
({6})
Dr. Vogel ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium für Wirtschaft bildet unter den übrigen Ministerien in diesem Haushaltsjahr insofern eine erfreuliche Ausnahme, als sich sein Stellenplan nicht unwesentlich verringert hat. Der Haushaltsausschuß hat das als ein gutes Omen auch für andere Ministerien betrachtet. Die Erhöhung der Gesamtausgaben auf 75,1 Millionen DM wurde im wesentlichen durch Personalausgaben, durch die inzwischen eingetretenen Gehaltserhöhungen, bedingt. Der Personalbestand an Beamten hat sich von 509 auf 494 gesenkt. Im übrigen ist in diesem Hause auch zum erstenmal unter allen Ministerien ab 4. Januar 1954 eine Einstellungssperre eingetreten. Auch die Zahl der Angestellten hat sich von 718 auf 702 vermindert. Unter diesen Einsparungen befinden sich eine ganze Reihe von übertariflich Besoldeten, die bis dahin zeitweilig bei der Internationalen Rohstoffkonferenz in Washington eingesetzt waren.
Das Ministerium befindet sich zur Zeit noch in einem organisatorischen Umbau. Hier wirken sich die Beratungen aus, die gemeinschaftlich mit dem Beauftragten für Wirtschaftlichkeit gepflogen worden sind und die zum Ziele hatten, zu einer Verstärkung der Abteilung Z zu gelangen und im übrigen auch die so oft behandelte handelspolitische Abteilung in eine entsprechende Relation zu der neu zu gründenden handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amts zu bringen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen hier noch einige besondere Hinweise geben, weil wir an dieser Stelle zu einem Punkte gelangen, der nicht ohne Interesse für das gesamte Haus und für die künftige Personalpolitik der einzelnen Ministerien überhaupt ist. Dem Haushaltsausschuß ist bekanntgegeben worden, daß 46 Beamte von der handelspolitischen Abteilung des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Chef, Herrn von Maltzahn, in das Auswärtige Amt übergesiedelt sind, daß aber innerhalb des Bundeswirtschaftsministeriums tatsächlich nur eine Stellenminderung um 8 Beamte und 11 Angestellte eingetreten ist. Hier haben Sie bereits wieder jene Parallelerscheinung, die wir schon einmal erlebten, als die Abteilung Geld und Kredit vom Bundesfinanzministerium in das Bundeswirtschaftsministerium übersiedelte mit dem „Erfolg", daß zwei ungefähr gleich starke Abteilungen in zwei Ministerien an Stelle einer Abteilung in einem Ministerium entstanden. Der Haushaltsausschuß wird - darüber ist ausführlich diskutiert worden - diese Entwicklung im Auge behalten und voraussichtlich im Sommer darauf noch näher zu sprechen kommen. - Auch bei den Arbeitern hat sich eine Verminderung von 194 auf 184 ergeben.
Eine besonders lebhafte Debatte entspann sich im Haushaltsausschuß bei dem Kapitel „Allgemeine Bewilligungen" unter dem Tit. 305 „Pauschbeträge zur Abgeltung von Sonderaufträgen an wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute". Hierzu hat Herr Professor Gülich beantragt, die in den letzten Jahren ausgebrachten festen Überweisungsbeträge an die dort genannten sechs Institute auch in diesem Haushaltsjahr wieder fest auszubringen. Das Ministerium hat darauf hingewiesen, daß es entspre({8})
chende Überweisungen an Institute nur auf Grund bestimmter Leistungen vornehmen könne, um zu verhindern, daß Ansprüche fest zementiert werden. Nach einer sehr langen und ausführlichen Debatte hat man sich dann darauf geeinigt, daß in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums die Vorjahres-Anteilsätze der Überweisungen an diese Institute zwecks Vermeidung von Personalschwierigkeiten so zu belassen sind. In Zukunft werden aber Zuschüsse nur noch bei entsprechender wissenschaftlicher Gegenleistung gewährt werden.
Ein weiterer Antrag, den ich als Berichterstatter noch einmal ausdrücklich erwähnen muß, verlangt einen Zuschuß von 10 000 DM an das Deutsche Ledermuseum in Offenbach. Das Ministerium gab die Auskunft, dieser Betrag sei bereits überwiesen, so daß der Antrag, der dem Bundestag vorliegt, damit als erledigt angesehen werden kann.
Eine sehr lange Diskussion gab es über das überaus schwierige Problem des Kupferschieferbergbaus in Sontra. Ich möchte hier nicht den Hergang dieser Debatte ausführlich schildern, da ich vermute, daß sich das Haus ohnehin noch mit Anträgen dieser Art befassen wird. Ich möchte vielmehr nur den Beschluß des Haushaltsausschusses zur Sache selbst wiedergeben. Es wurde der Antrag Ritzel und Genossen angenommen, wonach der Ansatz von 4,7 auf 7,8 Millionen DM erhöht werden soll unter der Voraussetzung, daß das Land Hessen einen Zuschuß von 2 Millionen DM gewährt. Ferner ist ein Antrag Arndgen und Sabel angenommen worden, in den Erläuterungen zu dem Titel einen Betrag von 50 000 DM für die Erstausstattung der Kirchengemeinden im Bezirk Sontra auszubringen.
Zu Tit. 610 - Industrieforschung - wurde uns die Auskuft erteilt, daß die dort ausgebrachten 15 Millionen nur im Inland Verwendung finden werden. Der im Tit. 530 aufgeführte Vorjahresbetrag von 100 Millionen DM Darlehen für die demontagegeschädigte Industrie ist in diesem Jahr nicht wieder aufgenommen worden.
Wenn ich nun auf die einzelnen Kapitel näher eingehe, so fällt vor allen Dingen bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig auf, daß dort zwar erhöhte Einnahmen ausgebracht worden sind - es ergibt sich ein Plus von 200 000 DM -; von seiten des Ausschusses ist aber zum Ausdruck gebracht worden, man möchte sich bei dieser Anstalt doch ein wenig mehr um die Steigerung der Einnahmen bemühen, da ein solches Bestreben keineswegs aussichtslos erscheine. Wir haben dort eine Stellenvermehrung der Beamten von 109 auf 120 zu verzeichnen. Insgesamt waren sogar 68 mehr angefordert worden; bewilligt worden sind nur 11 Beamte und 30 Angestellte. Damit dürfte diese Anstalt ungefähr da angelangt sein, wo sie nach unserem Wunsch schon seit Jahren stehen sollte. Es ergeben sich eine ganze Reihe von nicht unwesentlichen Ausgabeposten für die weitere Ausstattung und für den weiteren Ausbau dieses von uns als absolut notwendig angesehenen Unternehmens.
Hinzu kommt jetzt neu die Zweiganstalt in Berlin, die vom Bund übernommen worden ist. Hier fand der Ausschuß wesentlich höhere Einnahmen vor, als sie in Braunschweig zu erzielen waren, nämlich 300 000 DM, was in Anbetracht des dortigen Gesamthaushalts eine keineswegs unbeachtliche Summe ist. Der Istbestand des vergangenen Jahres betrug bereits 600 000 DM.
Zum Kap. 0904, Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen, wäre zu bemerken, daß sich dieses Amt durch die Beiträge der angeschlossenen und kontrollierten Anstalten in Höhe von 3,2 Millionen DM selbst trägt. Wir haben hier ein Plus von 6 Beamten in den Planstellen zu verzeichnen. Die Zahl der Angestellten hat sich von 141 auf 137 vermindert.
Besonders interessant ist das Kap. 0905, Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft. Hier ist die Zahl der Beamten zwar unverändert geblieben, aber die Zahl der Angestellten hat sich von 643 auf 539 verringert. Auch hier ist also ein überaus erfreulicher Rückgang zu verzeichnen gewesen. Von seiten des Ministeriums ist uns in Aussicht gestellt worden, daß er sich noch weiter fortsetzen wird und daß auf Grund der inzwischen gepflogenen Beratungen über die endgültige Verwendung dieser Bundesstelle und die dafür erforderlichen Gesetze - die bereits bestehenden laufen in diesem Jahr aus - noch eine weitere Beschränkung des Personals auf vielleicht 300 bis 400 mit einer entsprechenden Änderung der Zweckbestimmung der Dienststelle eintreten soll. Wir finden als Folge dieser Personaleinschränkungen einen Hilfsfonds von 380 000 DM ausgewiesen, der zur Unterstützung der zur Entlassung gelangenden Angestellten dienen soll. Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Bundesfinanzministerium, an das Statistische Bundesamt, das ja eine Stellenerweiterung erfahren hat, heranzutreten, um zu versuchen, die aus der Bundesstelle für den Warenverkehr ausscheidenden Kräfte im benachbarten Wiesbaden nach Möglichkeit unterzubringen.
Zu Kap. 0906, Bundesstelle für Außenhandelsinformation, ist zu bemerken, daß die Zahl der Beamtenplanstellen unverändert mit 12 erscheint, daß ein Plus von 7 Angestellten an Stelle von 23 angeforderten in Erscheinung tritt und daß dort der Tit. 300, allgemeine Ausgaben, von 380 000 auf 480 000 DM erhöht worden ist. Der Ausschuß befaßte sich sehr eingehend mit der Tätigkeit gerade dieser Bundesstelle. Es lag ein Bericht darüber vor, wie eine ähnlich arbeitende Dienststelle des Auslands ausgestattet ist. Wir nahmen zur Kenntnis, daß 22 Auslandsberichterstatterposten geplant sind. Davon sind 17 bereits besetzt. Der Ausschuß gelangte zu der Überzeugung, daß diese Ausweitung des Außenhandelsinformations- und -nachrichtendienstes ein nützliches und brauchbares Mittel für die Exportförderung sei.
Zu Kap. 0907, das neu in Erscheinung tritt - Bundesanstalt für mechanische und chemische Materialprüfung -, ist zu bemerken, daß es sich um keine Oberbehörde handelt. Die hier übernommenen 60 Beamten und 213 Angestellten - es sind keineswegs alle übernommen worden - haben keine hoheitlichen Funktionen auszuüben. Es gibt eine Reihe von Parallelinstituten mit ähnlicher Aufgabensetzung im übrigen Deutschland. Es ist Sorge dafür getragen worden, daß eine Überlagerung der Aufgaben nicht stattfindet.
Der Haushaltsausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, Ihnen den Haushalts-Einzelplan 09 zur Annahme zu empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache über den Einzelplan des Bundesministeriums für Wirtschaft.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich mit den einzelnen sachlichen, wirtschaftspolitischen Problemen befasse, muß ich das Befremden meiner Fraktion darüber zum Ausdruck bringen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei dieser zweifellos für ihn sehr wichtigen Beratung seines Etats leider nicht anwesend ist. Wir wissen selbstverständlich, daß er sich zur Zeit auf einer Auslandsreise befindet.
({0})
Die SPD hat auch immer das größte Verständnis für die sehr bedeutsamen Probleme des Außenhandels gezeigt. Ich glaube, es hat sogar Probleme und einzelne Beratungen gegeben, bei denen unsere Vertreter noch eine etwas stärkere Förderung des Außenhandels gewünscht hätten. Wir möchten aber doch die Frage stellen, ob es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister denn wirklich nicht möglich gewesen ist, seine Pflichten gegenüber dem Parlament rechtzeitig in Einklang mit seinen Reiseplänen zu bringen. Wir stellen die Frage vor allen Dingen deshalb, weil uns schon bei Beginn der zweiten Parlamentsperiode aufgefallen ist, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht einmal an den sehr eingehenden wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen in der Debatte gelegentlich der Regierungserklärung beteiligt hat. Damals haben wir es ja erlebt, daß sozusagen vertretungsweise der Herr Wohnungsbauminister einige der von uns angeschnittenen Probleme behandeln mußte.
Nun zu den eigentlichen Problemen der Wirtschaftspolitik. Wir machen uns zur Zeit über eine ganze Reihe von Bereichen der Wirtschaft in der Bundesrepublik erhebliche Sorgen. Zu diesen Bereichen gehört insbesondere das Gebiet von Kohle, Eisen und Stahl. Ein Teil der damit zusammenhängenden Probleme ist bereits gelegentlich der Beratung des Bundeskanzleretats von meinem Kollegen Dr. Deist angeschnitten worden. Weil wir dem Bereich Kohle, Eisen und Stahl gerade in diesem Augenblick eine ganz besondere Bedeutung beimessen, werden wir im Verlauf der Debatte dazu gesondert Stellung nehmen. Deshalb will ich jetzt darüber nichts weiter sagen. Dagegen möchte ich über die Stellung des Verbrauchers in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sprechen.
Wir erleben es immer wieder, daß die Interessentenverbände, insbesondere der Hersteller, aber auch des Handels, einen außerordentlich starken, ich möchte beinahe sagen uneingeschränkten Einfluß ausüben, nicht nur auf die Maßnahmen der Bundesregierung auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern insbesondere auch auf ihre Gesetzentwürfe.
Dies hat - ich glaube, mit Recht - zur Folge, daß sich unsere Partei immer wieder verpflichtet fühlt, den Verbraucherstandpunkt im Bundestag stark zur Geltung zu bringen. Das ist auf Grund der wirtschaftspolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik seit Kriegsende auch sachlich geboten, weil die Stellung des Verbrauchers auf den Märkten nicht nur in der Zeit bis zur Währungsreform, sondern auch noch nach der Währungsreform außerordentlich schwach gewesen ist. Wir wissen alle, daß wir auch noch in der Zeit nach der Währungsreform und insbesondere nach Ausbruch des Koreakonflikts im wesentlichen nur sogenannte Verkäufermärkte gehabt haben.
Nachdem sich hier und da die Ansätze zu einem echten Wettbewerb, Ansätze auch zu Käufermärkten gezeigt haben, haben wir mit Erstaunen vernommen, daß gewisse starke Interessentengruppen sich auf einmal sehr besorgt um die Auswirkungen eines freien Wettbewerbs in der Wirtschaft zeigen. Sie haben diese Sorgen niemals gezeigt, solange keine Gefahr bestand, daß sich ein freier Wettbewerb etwa zugunsten des Verbrauchers auswirkte, sondern sie zeigen diese Sorgen erst jetzt, nachdem wir gewisse Anzeichen sehen, daß er sich auch einmal zugunsten des Verbrauchers auswirken könnte. Die SPD hat sich niemals an diesen, sagen wir einmal ruhig ganz offen, etwas kritiklosen Hymnen auf den freien Wettbewerb beteiligt. Wir waren uns immer bewußt, daß das Wettbewerbsprinzip zwar ein sehr wichtiges Werkzeug im Werkzeugkasten des Wirtschaftspolitikers ist; aber wir waren immer sehr nüchtern der Meinung, man solle es nur zu angemessener Zeit und nur dort anwenden, wo man weiß, daß es wirklich wirksam zur Herstellung eines ausgewogenen Kräfteverhältnisses zwischen Herstellern und Verteilern auf der einen Seite und den Verbrauchern auf der anderen Seite angewandt werden kann.
Wir hätten uns außerordentlich gefreut, wenn die Bundesregierung das rechtzeitig erkannt hätte, denn dann ständen wir heute - dank dem auf dem Verkehrssektor sehr unsachgemäß angewandten Wettbewerbsprinzip - nicht vor der hier schon mehrfach heftig kritisierten Krise der Verkehrspolitik der Bundesregierung, und dann ständen wir heute nicht vor der Notwendigkeit, dort Eingriffe zu machen, die schon längst hätten gemacht werden müssen und die nur darum so schmerzhaft sind, weil sie viel zu spät gemacht werden. Ich möchte deshalb besonders der auf diesem Gebiet schon wieder auftauchenden Legende entgegentreten, die Verkehrskrise stehe in erster Linie mit dem Kriegsausgang und den sich daran anschließenden Ereignissen in Zusammenhang. Nein, meine Damen und Herren, die Verkehrskrise ist entstanden, weil man das Wettbewerbsprinzip uneingeschränkt auf einen Sektor angewandt hat, auf den es nur in sehr beschränktem Maße angewandt werden kann.
Nun hat uns die Bundesregierung schon im Jahre 1952 ein Kartellgesetz vorgelegt. Es ist nach unsagbar heftigen Geburtswehen, die jahrelang gedauert haben, geboren worden. Ich erinnere mich allerdings noch sehr genau, daß dieses Kartellgesetz im Sommer 1952 sozusagen im Sturmschritt über die Bühne gehen sollte. Daß es dazu nicht gekommen ist, hat nicht an uns gelegen. Wir haben uns für die Arbeit an diesem Gesetz, das in erster Linie auch die Stellung des Verbrauchers in unserer Wirtschaft festigen und garantieren sollte, immer sehr lebhaft interessiert, und an unserer positiven Mitarbeit an diesem Gesetz hat es gewiß nicht gefehlt. Der 1. Bundestag hat das Gesetz aus Gründen nicht verabschiedet, die ausschließlich von der Koalition zu vertreten sind. Nun warten wir im neuen Bundestag schon über ein Jahr darauf, daß dieses Gesetz endlich einmal wieder eingebracht wird.
({1})
Ein halbes Jahr, meinen Sie.
- ein halbes Jahr darauf, daß dieses Gesetz endlich einmal wieder eingebracht wird. Wir warten deshalb so sehr darauf, weil der Herr Bundeswirtschaftsminister es sozusagen als
({0})
den unumgänglich notwendigen Schlußstein für das Gebäude der sogenannten sozialen Marktwirtschaft erklärt hat. Zu Anfang des Jahres glaubten wir, daß diese Sache endlich entscheidungsreif geworden sei. Da haben wir plötzlich gehört, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister zusammen mit den Verbänden zu der Erkenntnis gekommen sei, daß ein solches Gesetz und ein freier Wettbewerb der Wirtschaft nicht zugemutet werden könnten, wenn man ihr nicht weitere, sehr erhebliche Steuererleichterungen gäbe. Uns hat das sehr gewundert; denn wir sind der Ansicht, daß schon die sogenannte kleine Steuerreform im Sommer 1953 erhebliche Erleichterungen gebracht hat. Uns hat das auch deshalb besonders gewundert, weil der Herr Bundeswirtschaftsminister noch am 23. Dezember unter seinen sonstigen vielen Äußerungen zu diesem Thema einen Aufsatz im „Handelsblatt" veröffentlicht hat, aus dem ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einmal einige Sätze vorlesen möchte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister sagt dort:
Ich spreche als deutscher Wirtschaftsminister für 50 Millionen Verbraucher und habe das Wohl von 50 Millionen Menschen im Auge, wenn ich diese Politik mit Härte und Zähigkeit auch im Jahre 1954 weiterverfolge. Soll diese gelingen, dann darf der Wettbewerb keine Abschwächung erfahren.
Zum Schluß sagt er:
Das Jahr 1954 wird, wenn es ein glückliches sein soll, neben den aufgezeichneten Zielen der Wirtschaftspolitik die endgültige Sicherung des Wettbewerbs bringen müssen.
Ich habe ernstliche Befürchtungen für den Herrn Bundeswirtschaftsminister, daß er am Ende dieses Jahres wird feststellen müssen, daß das Jahr 1954 in seinem Sinne kein glückliches gewesen ist, wenn die Dinge sich so weiterentwickeln.
Wir fragen also - ich glaube, mit Recht - die Bundesregierung: Wie lange soll nun noch über dieses Gesetz hinter verschlossenen Türen mit den Wirtschaftsverbänden verhandelt werden, nachdem das schon jahrelang geschehen ist, und wann wird man endlich das Parlament als die Instanz, die in erster Linie zuständig ist, eine Entscheidung über dieses Gesetz zu fällen, zum Zuge kommen lassen?
Zum zweiten möchte ich mich gern einmal auch mit einem allgemeinen wirtschaftspolitischen Problem unserer Bundesrepublik beschäftigen. Dies ist das Problem unserer Zonenrandgebiete, das Problem des ständig zunehmenden Ost-West-Gefälles in unserer Wirtschaft, das Problem sozusagen des Soges nach dem Westen, mit dem wir uns immer wieder beschäftigen müssen. Es ist in starkem Maße auch ein außenpolitisches Problem. Ich brauche die Tatsache der ständigen Benachteiligungen der Gebiete im Osten unseres Wirtschaftsgebietes statistisch nicht mehr zu belegen. Darüber gibt es eine ganze Reihe von Daten, die genügend bekannt sind. Sie beziehen sich auf den besonders hohen Anteil der Arbeitslosen in diesen Gebieten, sie beziehen sich auf die außerordentlich großen Unterschiede in dem Zuwachs der Beschäftigten in diesen Gebieten seit der Währungsreform gegenüber dem Zuwachs in den westlichen Gebieten der Bundesrepublik. Teilweise haben die Zahlen der Beschäftigten in diesen Gebieten seit der Währungsreform abgenommen und nicht wie in den Gebieten längs des Rheines zugenommen. Diese Daten beziehen sich
auf Vergleiche der Entwicklung des Sozialprodukts vor dem Kriege und nach dem Kriege. Ich glaube, diese Zahlen sind zur Genüge bekannt, so daß über sie gar nicht gestritten werden kann.
Ich möchte in dem Zusammenhang nur eine Tatsache erwähnen, die vielleicht ein Schlaglicht auf diese ganzen Verhältnisse wirft und die mich als Abgeordneten aus Bayern besonders interessiert. In Bayern war jetzt noch - jedenfalls war das im Frühjahr 1953 der Fall - die Zahl der Arbeitslosen größer als in dem kritischen Jahr 1932, das wir wegen seiner Schicksalhaftigkeit doch in sehr böser Erinnerung haben. Es handelt sich hierbei um ein sehr wichtiges Problem, dem man sich gar nicht genügend widmen kann. Es hängt auch mit dem großen Problem der Kriegsfolgelasten zusammen, die im Laufe der Debatte noch eine erhebliche Rolle spielen werden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Bereinigung der Kriegsfolgen und der Kriegsfolgelasten nicht allein den Ländern aufgebürdet werden kann, sondern daß sie, auch in wirtschaftspolitischer und finanzpolitischer Beziehung, in erster Linie Sache des Bundes ist. Wir werden noch beim Einzelplan 60 Gelegenheit haben, hierüber zu sprechen.
Nach meiner Meinung handelt es sich hier nicht nur um eine finanzpolitische Angelegenheit, sondern sehr weitgehend um eine Sache der Wirtschaftspolitik, weil es ja auch eine Frage der Kredithilfe und damit ein Problem der Kreditlenkung ist, die wir immer als eine ganz besonders wichtige Aufgabe des Bundeswirtschaftsministers betrachtet haben. Ich brauche hier nicht näher auf diese Fragen einzugehen, weil meine Fraktion in diesen Tagen hinsichtlich der Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete eine Große Anfrage eingereicht hat, substantiiert durch eine ganze Reihe weiterer konkreter Anträge, die, wie ich hoffe, nach Ostern hier behandelt werden.
Wir haben allerdings neulich im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gelegentlich der Beratung über die Kurhessische Kupferschieferbergbau GmbH. in Sontra eine kleine Kostprobe davon bekommen, wie auf diesem Gebiet gearbeitet wird. Auf Grund der allgemeinen Kritik, die von den Vertretern nahezu aller Fraktionen geübt wurde, würde ich doch dem Herrn Bundeswirtschaftsminister empfehlen, sich an Hand dieses zunächst nur kleinen Teilproblems einmal sehr eingehend des Gesamtproblems der Zonenrandgebiete und ihrer wirtschaftspolitischen Stützung anzunehmen. Ich glaube, daß das in der Vergangenheit leider bei weitem nicht genügend der Fall gewesen ist.
Zur Zeit beschäftigen sich wohl alle verantwortungsbewußten Wirtschaftspolitiker nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und der Welt mit der Frage der zukünftigen Konjunkturentwicklung. Ich möchte hier jeden Anschein vermeiden, als wenn unsere Fraktion und unsere Partei etwa dazu neigten, nun in Pessimismus zu machen. Das liegt uns vollkommen fern. Wir glauben, daß der ungestüme deutsche Wiederaufbauwille und auch der Drang nach einem höheren Lebensstandard die besten Garanten für die zukünftige positive wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sind. Trotzdem müssen wir uns stets dessen bewußt sein, daß die deutsche Wirtschaft in starkem Maße von den Weltmärkten und der Wirtschaft draußen in der Welt abhängig ist.
Angesichts dieser Lage müssen wir bezüglich der Wirtschaftspolitik eine Anzahl von Mindestfor({1})
derungen aufstellen. Ich habe vorhin von der Stellung des Verbrauchers in der Wirtschaft gesprochen. Ich erwähne hier nur am Rande, daß uns die sogenannte Steuer- und Finanzreform gerade vom wirtschaftspolitischen Standpunkt aus außerordentlich enttäuscht hat und daß wir bei der Beratung dieser Dinge auch den Einfluß des Bundeswirtschaftsministers im Kabinett vermißt haben.
({2})
- In der Richtung der stärkeren Förderung der Kaufkraft der Verbraucher und nicht nur der Förderung der Wirtschaftskraft der Unternehmerseite. Es ist doch eine allgemein anerkannte Tatsache, daß gerade die Konsumkraft und der Konsum eine der stärksten und zuverlässigsten Stützen einer Konjunktur stets auch in der Vergangenheit gewesen ist. Deshalb sollten wir diesem Problem in diesem Stadium der Wirtschaftsentwicklung ein ganz besonderes Augenmerk widmen und uns besonders auch für die Hebung des Massenkonsums interessieren.
Weiter glaube ich, daß wir gerade auch in diesem speziellen Zeitpunkt unserer wirtschaftlichen Entwicklung den Randgebieten eine ganz besondere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Denn diese Randgebiete würden im Falle einer rückläufigen Entwicklung die ersten sein, die in Gefahr kämen, und sie würden, wenn ihre jetzige Krisenanfälligkeit bestehen bleibt, unter Umständen der Ausgangspunkt sehr unangenehmer Entwicklungen werden.
Schließlich sollte - gerade auch unter dem Gesichtspunkt der konjunkturellen Betrachtung - der Herr Bundeswirtschaftsminister sich doch einmal von seinem Standpunkt aus, vom Standpunkt der Wirtschaftspolitik, der Teilkrisen annehmen, von denen schon die Rede gewesen ist. Ich meine hier - das ist ja schon zur Genüge angesprochen worden - die Teilkrise, die von der Bundesbahnkrise auf die Zulieferanten ausgeht, unter denen sich - bitte denken Sie daran! - auch gerade die Eisen- und Stahlindustrie befindet. Bedenken Sie dabei auch die allgemeine sehr schwierige Lage, in der sich das ganze Gebiet Kohle, Eisen und Stahl befindet.
Es gibt also, glaube ich, gerade in diesem Augenblick eine ganze Reihe von Problemen, deren sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in viel stärkerem Maße annehmen müßte, als er es in der Vergangenheit getan hat. Wir vermissen auf diesen Gebieten, wie schon früher, seine Aktivität, seine Förderung der positiven Entwicklung. Weil wir diese Förderung in einem bedauerlichen Ausmaß vermissen müssen, sehen wir uns auch leider nicht in der Lage, seinem Etat zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch habe ich das Donnergrollen in der Zurechtweisung durch den Herrn Bundesfinanzminister im Ohr. und es gibt mir Veranlassung, eine allgemeine Bemerkung vorauszuschicken. Ich meine, es wäre gut, wenn in der Organisation der Haushaltsberatung im nächsten Jahr eine Verbesserung eintreten könnte, nämlich insoweit, daß die Fraktionen rechtzeitig die Abschlußberichte des Haushaltsausschusses bekommen und dann noch in der Lage sind, sie sachlich vernünftig zu verarbeiten. Es wäre auch gut, daß dann noch die Möglichkeit bestünde, interfraktionelle Abreden zu treffen und sich schließlich mit den Ministerien noch einmal über das eine oder andere Problem zu unterhalten. Wenn also heute auch von meiner Fraktion hier und da für den außerordentlichen Haushalt noch Wünsche vorgetragen werden, so bitte ich zu berücksichtigen, daß das der einzige Weg war, noch besondere Wünsche der Fraktion oder einzelner Abgeordneter vorzubringen. Welche Posten dann vom außerordentlichen Haushalt bedient werden können, ist eine Sache, die meiner Ansicht nach nicht nur den Herrn Bundesfinanzminister angeht, sondern eine Angelegenheit, die auch das Parlament allgemein interessieren muß. Ich nehme an, daß hier wohl künftig ein besonderes Interesse des Parlaments vorliegen wird.
Ich möchte die Debatte nicht unnötig verlängern und gehe deshalb auf die hier schon angeschnittenen großen Probleme des Kupferbergbaus Sontra und der Bundesstelle für den Warenverkehr nicht näher ein. Ich verweise bezüglich der Bundesstelle für den Warenverkehr auf den Umdruck 52, den ich mit unterzeichnet habe. Auch das sehr wichtige Problem der Notstandsgebiete, der sogenannten Zonengrenzgebiete, hat man ja im Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu behandeln begonnen. Wir rechnen damit, daß in Verbindung mit unserer Arbeit im Ausschuß auch das Plenum sich demnächst mit diesen Fragen befassen wird. Sie sind dringend.
Ich erlaube mir nun, auf den außerordentlichen Haushalt A 0901 zu kommen, und bemerke, daß wir es bedauert haben, daß für Investitionen in der demontagegeschädigten Wirtschaft im außerordentlichen Haushalt keine Beträge eingesetzt worden sind. Im letzten Jahre waren 100 Millionen eingesetzt; sie sind nicht mit einem einzigen Pfennig bedient worden. Das ist außerordentlich traurig; denn die Wirtschaftspolitiker sind sich über den großen Umfang der noch vorhandenen Demontageschäden vollkommen im klaren, und wir wissen auch, welche Sorgen mit diesen Schäden verbunden sind. Es ist also notwendig, daß der demontagegeschädigten Wirtschaft wirklich geholfen wird. Sie ist ja völlig unverschuldet in diese Notlage gekommen. Wenn nun im Jahre 1954/55 der Versuch gemacht werden soll, der demontagegeschädigten Wirtschaft durch normale Bankkredite, mit Bundesbürgschaft versehen, zu helfen, so wollen wir sehen, wie weit wir damit in der Behebung der Schäden kommen. Sollte sich der Weg als nicht gangbar erweisen, müßte sich das Hohe Haus wohl erneut mit dieser Frage befassen.
Über die Frage der Industrieforschung wird mein Fraktionskollege Herr Bender sprechen. Dies übergehe ich und komme unmittelbar zu unserm Änderungsantrag Umdruck 47*), mit dem wir vom Hohen Hause folgendes erbitten: Nachdem Industrie und Handwerk wesentlich gefördert worden sind und werden, sind wir der Ansicht, daß auch dir dritte Säule der Wirtschaft, der Handel, eine Förderung verdient. Wir wissen ja alle, daß der Handel leicht zum Stiefkind des Staates und der Wirtschaft wird, und wir meinen, daß es jetzt an der Zeit ist, auch dem Handel zu helfen, der schon viele Jahre hindurch aus seinen nicht sehr hohen Spannen für die Ausbildung und Fortbildung sehr viel getan hat. Allein der Einzelhandel beschäftigt in 300 000 Betrieben etwa 1,2 Millionen Menschen, während der Großhandel in 135 000 Betrieben rund
*) Siehe Anlage 6 Seite 932 B.
({0})
770 000 Personen beschäftigt. Es handelt sich also insgesamt um rund 435 000 Betriebe mit ca. 2 Millionen Menschen, die sehr wohl eine Förderung verdienen. Wir denken uns dies so, daß die von uns beantragten 2 Millionen folgendermaßen aufgeteilt werden könnten: für die Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung 500 000 DM, für Einrichtungen zur Förderung des Handels, insbesondere die bereits vorhandenen Schulen - die Schule in Neuwied ist j a weithin bekannt - rund 1 000 000 DM, für die Durchführung eines Leistungswettbewerbs 200 000 DM und für die Unterstützung der Absatzwerbung rund 300 000 DM. Ich will nicht unbedingt auf dieser Aufschlüsselung beharren, wenn ein anderer Weg gefunden werden kann, der auf jeden Fall das Ziel, das wir mit unserem Antrag erstreben, sichert. Wir bitten deshalb, daß in Kap. A 0901 nach Tit. 613 ein neuer Tit. 613 a mit folgender Zweckbestimmung eingefügt wird:
Zuschuß für Förderungsmaßnahmen des Handels 2 000 000 DM.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht, daß eine Bemerkung des Herrn Kollegen Samwer unwidersprochen bleibt, die er zur Technik der Haushaltsberatungen gemacht hat. Durch diese Bemerkung könnte der Eindruck entstehen, daß die Dinge sozusagen ungebührlich schlecht organisiert seien.
({0})
Ich darf hinzufügen: es ist j a nicht die Schuld etwa des Haushaltsausschusses dieses Hauses,
({1})
daß wir bei jeder Haushaltsberatung unter Druck
gesetzt werden, wie auch jetzt wieder. Der Haushaltsausschuß hat diesen Haushalt in 24 Sitzungen
seit der ersten Januarwoche beraten. Er hat keine
einzige sitzungsfreie Woche in Anspruch nehmen
können, und ich glaube, das ist aller Ehren wert.
({2})
Wenn etwas getan werden kann, dann ist es das, daß wir uns zusammen mit dem Herrn Bundesfinanzminister und seinen Herren im Finanzministerium und den Ressorts bemühen, die Vorbereitungen für den kommenden Bundeshaushalt so zu beschleunigen, daß er anderthalb bis zwei Monate früher im Hause eingebracht werden kann.
({3})
Dann werden wir nicht mehr unter Zeitdruck tagen, und wir bringen sogar vielleicht einmal das Kunststück fertig, den Haushalt zum 1. April in Kraft zu setzen, was wirklich des Schweißes der Edlen wert wäre.
({4})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundeswirtschaftsministerium und an seiner Spitze Herr Professor Erhard bedauern ebenso wie das Hohe Haus, daß Herr Professor Erhard außerstande ist, heute bei dieser wichtigen Beratung hier zu sein. Ich glaube aber, die Damen und Herren werden doch darin zustimmen, daß die große Auslandsreise von Herrn Professor Erhard für die gesamten volkswirtschaftlichen Belange von außergewöhnlicher Bedeutung ist. Wenn Herr Abgeordneter Kurlbaum gesagt hat, Herr Professor Erhard hätte seine Reisetermine nach diesen Dispositionen einrichten können, dann darf ich dem vielleicht entgegenhalten, daß die Termine nicht nur von der Entschließung des Herrn Erhard abhingen, sondern auch von den Dispositionen der Regierungen der Staaten, die er besucht, und der Organisationen, die dort zu besuchen sind. Außerdem sind diese Termine seit sehr vielen Monaten festgelegt. Infolgedessen bitte ich ausdrücklich, es nicht als eine Geringschätzung der Bedeutung dieser Diskussion anzusehen, wenn Sie heute mit der Vertretung des Herrn Professor Erhard vorlieb nehmen müssen.
Darf ich zu einigen Einzelbemerkungen kurz eine Stellungnahme umreißen. Herr Abgeordneter Kurlbaum hat sich auf eine Kritik bezogen, die gestern der Herr Abgeordnete Deist bei der Behandlung des Kanzlerhaushalts geübt hat, aber die sich wohl im wesentlichen an die Adresse des Bundeswirtschaftsministers richtete, wenn ich das richtig verstehe. Die Kritik geht im wesentlichen darauf hinaus, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister es unterlassen habe, einen Antrag an die Hohe Behörde zu richten, um Unterstützungen, sogenannte Anpassungsbeihilfen, zugunsten des deutschen Eisenerzbergbaus zu bekommen. Dazu ist manches zu sagen. Aber ich darf die Versicherung vorwegschicken, daß es nicht etwa eine Unterlassung aus Nachlässigkeit, sondern daß es ein nach sehr sorgfältiger Überprüfung - die im übrigen noch nicht abgeschlossen ist - erfolgtes Abstandnehmen von einem solchen Antrag war. Die deutschen Eisenhütten sind bekanntlich die einzigen Abnehmer der deutschen Eisenerzgruben, und die vorübergehend rückläufige Entwicklung der Roheisenerzeugung, insbesondere der Thomas-Roheisenproduktion, um etwa 30 % mußte den Absatz und damit auch die Förderung des Eisenerzbergbaus gewissermaßen in gleichem Umfang beeinträchtigen. Der gleichzeitig einsetzende Preisdruck von der Konkurrenzseite her zwang nun die Eisenhütten dazu, Maßnahmen zur Senkung ihrer Gestehungskosten durchzuführen. Hiervon wurden in erster Linie die Inlandserze betroffen, weil sie gerade wegen ihres niedrigen Eisengehaltes und ihres gleichzeitigen hohen Schlackenballasts einen wesentlich höheren Koksverbrauch bedingen als die hochwertigen Auslandserze. Die Erzeugungskosten für Roheisen aus deutschem Erz liegen im großen Durchschnitt um etwa 50 bis 60 DM über den Kosten für Roheisen aus guten Schwedenerzen. Infolgedessen haben die Ruhrhütten den Bezug von Inlandserzen stark reduziert, und zwar wegen der mit der Verwendung der deutschen Erze verbundenen zusätzlichen Selbstkostenbelastung, die oft über das Maß hinausgeht, das infolge der derzeitigen Produktionskürzung sonst notwendig wäre.
Der Einsatz der deutschen Eisenerze ist also sowohl qualitätsmäßig wie auch preismäßig nur in engen Grenzen möglich. Daher sind es konjunkturelle Gründe und Maßnahmen zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit, die zu dieser Entwicklung geführt haben. Das ist aber gleichzeitig eines der wichtigsten Motive, warum die Bundesregierung,
({0})
die hierüber in laufenden Beratungen mit dem Bergbau, der Eisen- und Stahlindustrie und der Industriegewerkschaft Bergbau ist, sich bisher noch nicht entschließen konnte, mit einem Antrag auf Gewährung von Beihilfen an die Hohe Behörde heranzutreten. Nach dem Wortlaut und dem Sinn des Montanunion-Vertrages namlich könnte ein solcher Antrag nur dann mit Aussicht auf Erfolg gestellt werden, wenn die Situation, derentwegen eine Beihilfe erbeten wird, eindeutig eine Folge der Errichtung des Gemeinsamen Marktes ist. Das aber nachzuweisen, meine Damen und Herren, wird zumindest nicht leicht sein.
Deshalb haben bei den Beratungen, die das Bundeswirtschaftsministerium mit den Vertretern des Eisenerzbergbaues pflegt, die Bedenken gegen die Inanspruchnahme solcher Beihilfen überwogen. Allerdings sind diese Verhandlungen, wie ich eingangs schon sagte, noch im Gange. Gerade gestern, zu der Zeit, als Herr Abgeordneter Deist Kritik übte, hatten wir im Wirtschaftsministerium eine solche Besprechung über diesen Fragenkomplex mit Vertretern der Wirtschaft. Es ist jedoch nicht zu verkennen, daß, wenn deutscherseits ein solcher Beihilfeantrag gestellt werden würde, diese Tatsache zu beachtlichen Folgeerscheinungen auch in anderen Ländern führen könnte, so daß jedenfalls allergrößte Behutsamkeit bei der Beurteilung dieser Frage am Platze ist.
Bei aller Sorge um den Bestand des deutschen Eisenerzbergbaues muß die Qualität und preismäßige Schwäche dieses Wirtschaftszweiges, die für Absatz und Förderung stets eine erhebliche Beeinträchtigung bedeutete, berücksichtigt werden. Wenn daher auch keine Möglichkeit besteht, die Hütten zur Abnahme einer bestimmten Menge von deutschen Eisenerzen zu zwingen, so muß aber doch anerkannt werden, daß im allgemeinen seitens der Hütten immer das Bestreben deutlich wird, einen Teil ihres Eisenerzbedarfs aus der einheimischen Erzgrundlage zu decken und damit die Eisenerzgruben im Rahmen des Möglichen zu erhalten. Ich gebe allerdings zu, daß dieser Teil in engen Grenzen bleibt, und zwar nicht zuletzt im Hinblick auf die Konkurrenzfähigkeit. Die konjunkturelle Entwicklung in der Montanwirtschaft, bei der doch schon einige Anzeichen einer Besserung zu bemerken sind, läßt wohl eine Besserung der Beschäftigungslage im Eisenerzbergbau erhoffen.
Ich darf noch zwei kurze Bemerkungen zu den Ausführungen eines der Herren Vorredner über die Verbrauchersituation machen. Ich glaube, es kann eigentlich keinem Zweifel unterliegen, daß sich die Wirtschaftspolitik eindeutig zugunsten des Verbrauchers ausgewirkt hat.
({1})
Seit zwei Jahren ist eine so deutliche Verbesserung der Situation der Verbraucher zu erkennen, daß daran eigentlich kein Zweifel sein kann. Der Käufermarkt existiert effektiv seit zwei Jahren und macht seine zwingenden Wirkungen deutlich in dem Lebensstandard der Verbraucher bemerkbar.
({2})
- Die Absicht besteht allerdings nicht; denn ich glaube, daß sich kaum jemand findet, der sich mit solcher Liebe um die Verbraucher sorgt wie gerade der Leiter der deutschen Wirtschaftspolitik, Professor Erhard!
({3}) Seine Haltung in der Kartellfrage ist Ihnen sicher deutlich, meine Damen und Herren, und Sie werden es verstehen, wenn dieses ureigenste Kind von Herrn Professor Erhard nach seiner Rückkehr von ihm vertreten werden soll.
({4})
Der „Schnelldienst" des Deutschen Industrieinstituts hat gerade gestern eine Information gegeben, die eine Antwort auf das darstellt, was Herr Kurlbaum uns vorhin vorgetragen hat. Ich darf daraus fünf Zeilen vorlesen:
Nettolöhne und -gehälter, Beamtenpensionen ({5}) und Sozialeinkommen sind nach Berechnungen der Bank deutscher Länder von 62,02 Milliarden DM im Jahre 1952 auf 68,55 Milliarden DM im Jahre 1953, d. h. um 10,5 % gestiegen, während das Nettosozialprodukt zu Marktpreisen nur um 6 Milliarden oder um 5 %, also prozentual knapp halb so stark angewachsen ist.
({6})
Ich glaube, Steuersenkung, Preissenkungen und allgemeine Entwicklungen des Lebensstandards machen es deutlich, daß der Verbraucher jedenfalls den Mittelpunkt der Sorge der Bundeswirtschaftspolitik darstellt.
({7})
- Die internationalen Vergleiche, Herr Abgeordneter Kurlbaum, können besten Gewissens angestellt werden. Wir befinden uns, was die allgemeine Preislage hinsichtlich der Lebenshaltungskosten anlangt,
({8})
im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern an der untersten Grenze.
({9})
- Lohn und Gehalt stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem allgemeinen Preisniveau. Jedenfalls ist der Lebensstandard der größten Zahl aller Verbraucher in Deutschland über dem Lebensstandard vergleichbarer europäischer Länder.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wir, die Freie Demokratische Partei, haben schon in den vergangenen vier Jahren niemals ein Hehl daraus gemacht, daß wir die grundsätzliche Wirtschaftspolitik von Herrn Professor Erhard voll und ganz unterstützen. In seiner grundsätzlichen Haltung sind keine Änderungen eingetreten. Sie brauchten nicht einzutreten, weil er durch die Tatsachen eine so große Masse von bisherigen Zweiflern hat überzeugen können. Dieser Druck hat sich in stärkerem Maße auch auf Ihre Partei, Herr Kollege Kurlbaum, ausgewirkt. Sie retardieren diesen Druck noch, aber Sie werden ihm doch mehr oder weniger folgen müssen. Wir haben zwar Einwendungen gegen die Politik unseres Herrn Ministers in technischer Hinsicht und wünschten, daß er die Arbeiten, die notwendigerweise zu verrichten sind, in seinem Ministerium mit etwas geringerem Aufwand durchführen könnte. Aber das berührt nicht die grundsätzliche Frage.
({0})
Ich möchte noch einmal unterstreichen, was der Herr Staatssekretär ausgeführt hat. Der Vorwurf, den Herr Kurlbaum hier vorgetragen hat, daß der Verbraucher durch die Politik des Bundeswirtschaftsministers nicht genügend Schutz erhalten habe, ist unberechtigt. Gerade die letzten Jahre haben das gezeigt. Man braucht nicht auf die Zahlen zurückzukommen, die der Herr Staatssekretär eben angeführt hat. Jeder von uns sieht das im täglichen Leben, und die Erfolge zeigen sich unbestreitbar bei der großen Masse unseres Volkes. Das Wahlergebnis ist nicht zum kleinsten, sondern meiner Ansicht nach zum größten Teil auf diese Tatsache zurückzuführen. Dabei haben wir als Partei, die die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers stark unterstützt hat, die Erfolge nicht in demselben Maße einheimsen können wie die Partei, deren Namen er trägt.
({1})
Wir sind auch bereit, weitere Maßnahmen zur Unterstützung des Verbrauchers zu ergreifen. Herr Kurlbaum, Sie wissen ganz genau, daß ich die Bestrebungen im Zusammenhang mit dem Kartellgesetz in starkem Maße unterstütze. Ich muß Ihnen etwas widersprechen, wenn Sie sagen, auch Sie hätten mitgearbeitet. Ich habe bisher nicht das Gefühl gehabt, daß Sie mitgearbeitet haben, sondern ich habe bisher nur das Gefühl, daß Sie beobachtet, daß Sie sich sehr vorsichtig einer entscheidenden Äußerung in dieser Debatte enthalten und daß Sie auf einen Zwiespalt innerhalb der Koalition gehofft haben. Das ist manchmal recht deutlich zum Ausdruck gekommen.
({2})
- Jawohl, aber als Mitarbeit kann ich das nicht bezeichnen, Herr Schoettle, höchstens als eine passive Mitarbeit.
({3})
- Ich kenne genau die Äußerungen, die Herr Kollege Schöne dort in recht spöttischer Weise vorgebracht hat, die man aber doch nicht als eine eigene Stellungnahme bezeichnen konnte.
Wir sind weiter der Ansicht, daß nur der Wettbewerb, der Einsatz der Initiative des einzelnen die höchsten Leistungen vollbringen kann. Allerdings glauben wir mit Ihnen, Herr Kurlbaum, daß man dieses Prinzip nicht einfach überall mit Gewalt durchsetzen kann. Der beste Beweis für die gewisse Zurückhaltung, die dabei beobachtet wird, ist doch unser Wohnungsbauminister Preusker, der in der Frage der Mieten aus grundsätzlichen Erwägungen schon längst hätte handeln müssen und der nur den richtigen Zeitpunkt abwartet, zu dem diese Maßnahme nun wirklich zum Zuge kommen kann. Bei einer anderen Gelegenheit haben wir den richtigen Zeitpunkt vielleicht sogar versäumt.
({4})
- Ja, da sind wir anderer Meinung, Herr Kurlbaum. - Ich denke nur an das unglückliche Investitionshilfegesetz. Hier hätten wir durch Einsatz des Wettbewerbs zu einer Zeit, als es noch keine Montan-Union gab, vielleicht zu besseren Ergebnissen kommen können, dann hätten wir heute nicht die Schwierigkeiten, deren Überwindung uns jetzt so schwer wird.
Auch zur Verkehrskrise bin ich anderer Meinung als Sie, Herr Kurlbaum. Hier ist in ziemlich weitem Umfang ein Wettbewerb notwendig. Man kann nicht sagen: Das ganze Verkehrsgewerbe muß aus der freien Unternehmerwirtschaft, aus dem Wettbewerb, herausgenommen werden.
({5})
- Dann habe ich Sie falsch verstanden, dann freue ich mich, daß wir uns auch in diesem Punkt einig werden, wie wir überhaupt in der letzten Zeit auf dem wirtschaftlichen Gebiet zu einer immer größeren Einigung kommen.
({6})
Sie haben die Zonenrandgebiete erwähnt und finden auch darin unsere volle Unterstützung. Sie ersehen dies aus den Anträgen, die beim Einzelplan 60 behandelt werden. Wir müssen aber auch dieses Gebiet mit Vorsicht behandeln, damit die Wirkung von Maßnahmen, die einfach durch Einschießen von Geld in diese Gebiete getroffen werden, nicht sofort wieder verpufft.
Dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, der seine Ideen sicher sehr selbstbewußt vertritt, wünschte ich ein etwas stärkeres Rückgrat gegenüber den Bestrebungen, die aus der Regierung selber gegen ihn kommen. Das beste Beispiel war der lange Widerstand, der dem Bundestagsbeschluß entgegengesetzt worden ist, als es sich darum handelte, die Abteilung Geld und Kredit in sein Ministerium zu bekommen.
Ich bedaure außerordentlich - wie auch der Herr Berichterstatter es getan hat -, daß ein ganz großer Teil der echten Wirtschaftspolitik plötzlich in das Auswärtige Amt hinübergewechselt ist. Ich halte das für absolut unnötig und bin der Meinung, daß diese Abteilung im Auswärtigen Amt auf ein Drittel verkleinert werden könnte.
Ein Weiteres. Das wirtschaftliche Bundesvermögen gehörte meiner Ansicht nach auch in das Arbeitsgebiet des Wirtschaftsministeriums. Es ist doch eigentlich grotesk: ein kleines, ganz unrentables Unternehmen hat man dem Bundeswirtschaftsminister in seinen Etat hineingebracht; aber alle anderen, von denen wir bei richtiger Wirtschaftsführung auch Erträge herausziehen könnten, verweigert man dem Bundeswirtschaftsministerium; die werden weiter im Bundesfinanzministerium verwaltet. Wir werden beim Einzelplan 60 noch eingehend darauf zu sprechen kommen.
Ich möchte zum Schluß auf einen Antrag der SPD eingehen - und das ist ein typisches Beispiel für unsere Stellungnahme zu den Grundsätzen des Wirtschaftsministeriums -, der sich mit dem Siegerländer Eisenerzbergbau bzw. mit dem Eisenerzbergbau überhaupt beschäftigt. Auch wir haben Sorge um die Menschen, die eventuell durch irgendwelche Maßnahmen außer Arbeit kommen werden. Wir machen uns sehr ernste Sorgen um diesen Kreis von Menschen. Ich bin wiederholt in den letzten Tagen im Siegerland gewesen. Aber so einfach, wie Sie das hier machen, geht es nun doch nicht. An und für sich gehörte ein solcher Antrag zum Haushalt des Arbeitsministeriums, denn er betrifft eine rein soziale Maßnahme, wenn er fordert, daß 4 Millionen als Entschädigung verteilt werden sollen. Wir müssen uns schon an Ort und Stelle darum bemühen, zu etwas konkreteren und besseren Maßnahmen zu kommen. Es war gerade mein Kollege Scheel, der im Landtag von Nordrhein-Westfalen den Antrag gestellt hat, alle Par({7})
teien möchten sich zu einer Besichtigung in das Siegerland begeben, um an Ort und Stelle einmal Maßnahmen zu überlegen, mit denen man vielleicht besser helfen könnte. Dabei könnte man sich, glaube ich, zum Teil auch an Kreise wenden, denen Kollege Dr. Deist nicht allzu fern steht und die dabei Hilfe bringen können.
Soviel ich bisher schon habe übersehen können, sind an manchen Stellen die Schwierigkeiten überhaupt erst durch die Maßnahmen der Entflechtung aufgetreten. Ein großer Teil der Gruben könnte, wenn es bei der alten Zusammengehörigkeit geblieben wäre, heute ohne jede Hilfe weiterbestehen. Bei den allerschlechtesten natürlich kommt es wieder auf das Problem hinaus, das wir kürzlich bei der Debatte über ein anderes Bergwerk im Wirtschaftspolitischen Ausschuß behandelt haben, nämlich auf die Frage, ob ein rettungslos und für alle Zeit unrentables Unternehmen mit Zuschüssen erhalten werden soll oder ob man nicht vielmehr andere Wege finden muß, um den Interessen der beteiligten Arbeitskräfte gerecht zu werden. Das berührt die grundsätzliche Seite der Wirtschaftspolitik von Professor Erhard, der wir auch in dieser Hinsicht zustimmen.
Zum Schluß darf ich nochmals wiederholen, daß wir uns nach wie vor für die Initiative und die möglichst uneingeschränkte, freie Unternehmertätigkeit voll einsetzen.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die Probleme des Erzbergbaus hier schon eine sehr große Rolle gespielt l haben, erscheint es meiner Fraktion notwendig, auch auf das Krisenproblem im Steinkohlenbergbau hinzuweisen und einige Fragen an das Bundeswirtschaftsministerium zu richten. Vorweg aber darf ich vielleicht noch auf einiges von dem zurückkommen, was der Kollege Dr. Höck gestern auf die Ausführungen meines Kollegen Dr. Deist zum Erzbergbauproblem erwidert hat. Ich glaube, das, was Kollege Deist hier erklärt hat, war so sachlich gehalten,
({0})
daß man darauf nicht in der Form eingehen durfte,
wie es Herr Kollege Dr. Höck getan hat. Wir sollten uns doch bemühen - das ist ja wohl unser aller
Anliegen -, wenn es sich um die Sorgen von Tausenden von Menschen handelt, sachlich zu untersuchen, wie ein Krisenproblem gelöst werden kann.
Ich glaube, Ausführungen, die darauf hinausgehen,
daß man von Almosen und von Agitationsanträgen
anläßlich bevorstehender Wahlen spricht, sind weiß
Gott nicht geeignet, hier gemeinsam nach Wegen zu
suchen, wie diese Probleme gelöst werden können.
({1})
Noch ein anderes ist zu sagen. Ich glaube, wenn der Herr Kollege Dr. Höck seine gestrigen Ausführungen vor den Erzbergarbeitern machen würde, könnte er sein blaues Wunder erleben.
({2})
Ich bin ja nur ganz einfacher Bergarbeiter, und er ist Akademiker, aber ich möchte ihm einmal vorschlagen, in einer gemeinsamen Versammlung vor den Erzbergarbeitern im Revier Watenstedt-Salzgitter über dieses Problem zu sprechen.
({3})
Ich glaube, die Antwort, die ihm dort zuteil werden würde, müßte er sich noch schwer vor Augen
führen. Sie haben gestern unseren Antrag abgelehnt; das ist Ihr gutes Recht, aber wir glauben doch, daß die 4 Millionen DM, die dem Fonds des Bundeskanzlers zugeführt worden sind, besser zur Unterstützung der entlassenen Erzbergarbeiter hätten verwendet werden können. Nun bitte, das ist unsere Auffassung, und ich glaube, man sollte da doch nicht von Agitationsanträgen und von Demagogie sprechen.
Ich möchte hier ein anderes Krisenproblem ansprechen, das uns mit besonderer Sorge erfüllt: das Absatzkrisenproblem im Steinkohlenbergbau. I'm Bulletin der Bundesregierung vom 6. April ist auf einen „beachtenswerten Kommentar" hingewiesen worden, der im Schnelldienst des Deutschen Industrieinstituts veröffentlicht worden ist und sich mit dem Absatzproblem und dem Feierschichtenproblem im Ruhrbergbau beschäftigt. Ich glaube, es ist notwendig, auch einmal an das Bundeswirtschaftsministerium die Frage zu stellen, ob sich das Wirtschaftsministerium mit dem Inhalt dieses Kommentars des Industrieinstituts identifiziert; denn es ist doch eigentlich etwas leichtfertig gehandelt, wenn man nun das Feierschichtenproblem im Steinkohlenbergbau zu bagatellisieren versucht, indem man davon spricht, daß bei den 300 verfahrenen Arbeitsschichten im Jahr je Bergarbeiter nur ein Lohnausfall von rund 0,33 Prozent zu verzeichnen ist. Wenn man weiter davon spricht, daß im Jahresdurchschnitt 1952 rund 15,73 entgangene Schichten aus persönlichen Gründen entstanden sind, dann, glaube ich, ist das auch etwas allzu leicht gesehen. Man muß doch beachten, daß ein großer Teil dieser aus persönlichen Gründen gefeierten Schichten nun einmal auf Tarifurlaub und Krankfeierzeiten zurückzuführen ist, die aus der Gefährlichkeit des Bergbaus resultieren, und daß nur ein ganz kleiner Teil wirklich als sogenannte „Bummelschichten" angesprochen werden kann, die wir auch nicht gutheißen. Sowohl von den Gewerkschaften als auch seitens der Betriebsräte ist, glaube ich, alles getan worden, um das Feierschichtenunwesen, wenn man einmal davon sprechen darf, zu unterbinden.
Ich meine also, daß man das Absatzproblem im Steinkohlenbergbau eigentlich etwas ernsthafter betrachten muß. Eine Verharmlosung wäre das Allerschlechteste, was man tun könnte. Es geht ja nicht nur um die Tatsache, daß eine Feierschicht zu einem Lohnausfall von nur 0,33 vom Hundert führt, sondern die psychologische Seite steht heute sehr stark im Vordergrund. Die Bergleute, die doch schon in den zwanziger Jahren gezwungen waren, pro Monat drei, vier und noch mehr Feierschichten zu verfahren, betrachten nämlich aus der Sorge, daß sich das jetzt wiederholt, das Problem mit großem Ernst.
Ich glaube, wir sind dem Bergmann auch noch etwas anderes schuldig. Als wir in den vergangenen Jahren eine akute Kohlenmangellage hatten, erklärten sich die Bergleute bereit, Überschichten und Sonderschichten zu verfahren, um die Hausbrandversorgung zu verbessern. Dabei wurden Freizeit und Gesundheit geopfert. Dank und Anerkennung wurden den Bergleuten auch von dieser Stelle aus sowohl von den Sprechern der einzelnen Parteien als auch vom Herrn Bundeswirtschaftsminister ausgesprochen. Daneben wurden Wirtschaftsprogramme für den Steinkohlenbergbau aufgestellt, um eine Kohlenförderung von mindestens 450 000 Tagestonnen zu erreichen. Heute haben wir keinen Kohlenmangel, sondern einen
({4})
Absatzmangel. Nach Feststellungen, die Ende März getroffen worden sind, liegen schon rund 4,5 Millionen Tonnen Kohle und Koks auf Halden. Es erscheint berechtigt, an das Bundeswirtschaftsministerium die Frage zu stellen, wie es dieser Krisenentwicklung im Steinkohlenbergbau entgegentreten will, diesem Absatzmangel im Bergbau, der nun doch schon seit Monaten besteht. Böse Zungen behaupten sogar, daß seitens des Ruhrbergbaus die Absicht bestanden habe, schon im September des vergangenen Jahres Feierschichten einzulegen, und daß die Gesellschaften nur aus politischen Gesichtspunkten aufgefordert worden seien, die Feierschichten hinauszuschieben.
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- Bitte, ich habe gesagt: Böse Zungen behaupten es.
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- Es wäre einiges darüber zu sagen, was sich in dieser Frage bei den verschiedenen Gesellschaften abgespielt hat.
({7})
- Bitte, wenn es gewünscht wird, kann man dafür auch die notwendigen Beweise bringen. Ich meine aber, meine Damen und Herren, daß, nachdem das Problem seit Monaten akut ist, ihm jetzt eigentlich die notwendige Beachtung geschenkt und nach Mitteln und Wegen gesucht werden muß, mit denen man diesen Absatzmangel beseitigen kann, um unter die Bergarbeiter im Ruhrgebiet wieder eine gewisse Ruhe zu bringen.
Die Hoffnungen, die man an eine neue Preisregulierung bei der Kohle geknüpft hat, sind auch nicht in Erfüllung gegangen. Nach den Mitteilungen, die mir zur Verfügung stehen, sind bis zum 1. April dieses Jahres im Ruhrgebiet auf 38 Schachtanlagen Feierschichten eingelegt worden, von denen rund 110 250 Bergarbeiter betroffen worden sind. Nach dem 1. April sind dort wiederum auf verschiedenen Schachtanlagen Feierschichten, ja sogar schon als zweite Feierschicht eingelegt worden, die 30 000 Bergleute betroffen haben. Gestern sind im Raum Essen auf weiteren vier Schachtanlagen Feierschichten verfahren worden. Die Hoffnung, nach der neuen Kohlenpreisfestsetzung werde sich die Absatzlage verbessern, ist also auch nicht in Erfüllung gegangen. Deshalb um so mehr unsere Sorge und unsere Frage, wie man dieses Problem zu lösen gedenkt.
Durch die bisher verfahrenen Feierschichten haben die davon betroffenen Bergleute einen Einkommensverlust von rund 4 Millionen DM zu verzeichnen. Die Auswirkungen dieses Kaufkraftverlustes der Bergarbeiter machen sich schon jetzt beim Einzelhandel sehr stark bemerkbar. Sie werden ebenfalls durch vermindertes Beitragsaufkommen in der Knappschaftsversicherung ungünstig in Erscheinung treten. Wir sollten also auch diese Entwicklung mit der notwendigen Beachtung verfolgen.
Man spricht heute davon, das alles bedeute keine akute Gefahr für den Ruhrbergbau. Aber es steht doch fest, daß diese ungünstige Entwicklung wiederum der schwächste Teil, nämlich die Arbeitnehmerschaft des Ruhrbergbaus, zu tragen hat. Bei den Bergarbeitern entsteht der Eindruck, daß in der Wirtschaftspolitik doch irgend etwas nicht stimmt. Wer glaubt denn, im Ruhrbergbau werde es verstanden, daß trotz der 4,5 Millionen t Kohlen und Koks auf Halden im vergangenen Jahr aus Ländern außerhalb der Montan-Union - ich beziehe mich dabei auf eine Mitteilung der Bergbauindustrie - 5 Millionen t Kohlen eingeführt worden sind? Es ist auch eine Aufgabe der Regierung, zu überprüfen, ob die Einfuhr in dieser Höhe notwendig ist oder ob nicht durch Suche nach Absatzmärkten auch im Inland versucht werden muß, diese Haldenbestände und damit die Feierschichten zu unterbinden.
Ich sagte vorhin schon, daß der Kohlenpreis eine bestimmte Rolle spielt. Wenn in den küstennahen Gebieten die Ruhrkohle bei einem Preis von 60 DM abgesetzt, dagegen die englische Kohle diesen Preis mit 53,50 DM unterbietet, dann ist das, glaube ich, auch eine Frage, die im Bundeswirtschaftsministerium einmal sehr ernsthaft untersucht werden muß.
Ferner muß, gerade angesichts der Absatzkrise im Bergbau, der Frage nähergetreten werden, wie die Bundesregierung zu der Gemeinschaftsorganisation „Ruhrkohle" steht, die doch nun nach den Wünschen der Hohen Behörde aufgelöst oder zerschlagen werden soll. Die Bergleute und auch meine Fraktion sehen dieser Entwicklung mit großer Besorgnis entgegen. Wir sind der Auffassung, daß die Frage des Kostenausgleichs, das Sorten- und Beschäftigungsproblem im Bergbau ohne diese Gemeinschaftsorganisation nicht gelöst werden können. Es wäre notwendig, auch einmal diese Frage hier beantwortet zu bekommen und die Einstellung des Bundeswirtschaftsministeriums zu erfahren, wobei der Zusammensetzung dieser Organisation noch eine besondere Bedeutung beizumessen ist.
Aber nicht nur das Feierschichtenproblem hat in Bergarbeiterkreisen zu einer Beunruhigung geführt; daneben steht das Gespenst der Arbeitslosigkeit. Die Tatsache, daß aus dem Bergbau schon eine erhebliche Anzahl von Arbeitskräften, nicht nur invalide, sondern auch noch voll einsatzfähige Bergarbeiter, entlassen worden sind und noch entlassen werden, spielt bei der Beurteilung der Unruhe im Bergbau eine ebenso bedeutende Rolle. In den vergangenen Tagen ging durch die Presse die Meldung, daß 70 000 Ruhrbergarbeiter entlassen werden sollen. Ich weiß nicht, ob es wahr ist; es ist in der Presse mitgeteilt worden.
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- Es ist vor einigen Tagen in einer Dortmunder Zeitung mitgeteilt worden.
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Ohne unken zu wollen, wenn Sie meinen, ich malte nur in schwarz, eines weiß ich: daß bei der Gesellschaft im Dortmunder Raum, bei der ich beschäftigt bin, aus einer Gruppe von 6000 Beschäftigten am 31. März dieses Jahres über 200 Bergarbeitern gekündigt worden ist. Das ist bei einer Gesellschaft der Fall; ähnliches vollzieht sich bei vielen anderen Gesellschaften. Auch dieses Problem spielt eine große Rolle und führt mit zu der Beunruhigung, die heute in Bergarbeiterkreisen zu verzeichnen ist. Wir alle haben das allergrößte Interesse daran, daß im Bergbau, in dem übervölkerten Ruhrgebiet wirtschaftliche Ruhe unter den Arbeitern herrscht und nicht Maßnahmen durchgeführt werden, die zu einer Radikalisierung führen. Aus dieser Sorge
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glaubte meine Fraktion einige Fragen an das Bundeswirtschaftsministerium stellen zu sollen. Wir behalten uns vor, zu dem gesamten Krisenproblem in der allernächsten Zeit einige Anträge zu stellen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Naegel.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Behandlung des Mats des Bundeswirtschaftsministeriums reizt natürlich dazu, einmal grundsatzlich und auch aus der Erinnerung und. Beobachtung zu der allgemeinen Wirtschaftspolitik Stellung zu nehmen. Ich glaube aber, der Verlauf der Diskussion zeigt schon, daß man in eine etwas ruhigere Atmosphare als in früheren Jahren gekommen ist. Ich bin der Überzeugung, daß damit auch so etwas die Anerkennung der Opposition fur das zum Ausdruck kommt, was die Bundesregierung mit ihrer Wirtschaftspolitik bisher geleistet hat. Wir sollten daran denken, daß nicht Einzelheiten losgelost aus der Gesamtheit das Bild bestimmen. Man muß vielmehr immer die Verzahnung, die Korrelation und das Gesamtbild betrachten, wenn man ehrlich und objektiv Kritik üben und Stellung nehmen will. Ich bin der gleichen Meinung wie viele meiner Vorredner, dais wir auf diesem oder jenem Spezialgebiet sorgen haben. Ich bin auch der Überzeugung, daß niemand mehr als der Bundeswirtschaftsminister sich ernsthaft darum bemuht, diese sorgen einer Lösung zuzuführen, die im Interesse der Gesamtheit des deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft, sowohl der Unternehmer als auch der Arbeitnehmer, und nicht zuletzt im Interesse der Verbraucher liegt.
Lassen Sie mich aber ganz kurz noch einmal daran erinnern, daß wir uns hier nicht a priori in einer Diskussion über Wirtschaftspolitik befinden, sondern in einer Diskussion über den Etat. Dazu darf ich auf Grund der Beratungen, die wir in den Fachausschüssen gehabt haben, grundsatzlich sagen: es ist dringend notwendig, daß wir bei der kunftigen Etatsaufstellung und Etatsberatung auch die Fachausschüsse entsprechend beteiligen, damit in diesen Fragen nicht durch den sicher sehr wohlmeinenden und sehr gut arbeitenden Ausschuß fur Haushaltsfragen allein entschieden wird. Wir begrüßen es auch vom Ausschuß für Wirtschaftspolitik hier in aller Offenheit und in aller Öffentlichkeit, daß der Herr Vorsitzende des Haushaftsausschusses, Herr Abgeordneter Schoettle, den Versuch gemacht hat, die Fachausschüsse bei der Beratung heranzuziehen. Leider ist von anderer Seite dem nicht immer Rechnung getragen worden. Ich würde also bitten, daß wir den Grundsatz hier heute einmal klar aussprechen und auch für die Zukunft beachten, daß bei allen Etatberatungen, sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Abschlußberatung, die Fachausschüsse entsprechend beteiligt werden.
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In diesem Zusammenhang scheint mir ein weiteteres Problem darin zu liegen, wie diese Beratungen in Zukunft durchgeführt werden sollen. Auch darüber müssen wir uns einmal unterhalten. Wir haben schon angemeldet, daß wir bei der Aufstellung des Etats für das nächste Jahr - die Beratungen werden höchstwahrscheinlich im Sommer dieses Jahres durchgeführt - rechtzeitig unsere
Überlegungen zu den Vorschlägen vorbringen werden. Dabei könnte dann schon sehr vieles applaniert werden, was bei den späteren Beratungen wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen würde.
Die Entwicklung der deutschen Wirtschaft unter der Führung einer Wirtschaftspolitik, die unter der Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft" steht, ist so eklatant und so offensichtlich, daß man sich eigentlich wundern muts, daß es immer noch Menschen gibt, die von vermeintlichen Katastrophen sprechen, die sich auf dem wirtschaftlichen Gebiet entwickeln sollen. Wir wissen, daß es eine besondere Aufgabe darstellt, eine Wirtschaftspolitik aus der Mangellage heraus überzuleiten in eine Wirtschaftspolitik der Überflußlage bzw. der Vollausnutzung der vorhandenen Kapazitäten. Das erfordert selbstverständlich ernsthafte Überlegungen, vor allem auch daruber, ob man die neben der Wirtschaftsordnung zur Verfügung stehenden Mittel der Wirtschaftstechnik in jedem Augenblick richtig anwenden kann. Dabei kommen leicht Erinnerungen an vergangene Zeiten der konjunkturzyklischen Entwicklung auf. Wir verfügen heute bestimmt über Erkenntnisse und Mittel, die uns in den zwanziger Jahren nicht zur Verfügung gestanden haben, so daß man also ernsthaft sagen darf: Heute etwa andeutungsweise sich zeigende Schwierigkeiten auf dem einen oder anderen Gebiet in konjunktureller Hinsicht werden mit den heutigen Mitteln. der Technik, auch der Verwaltungstechnik, schnellstens aufgefangen werden können.
Es besteht durchaus keine Veranlassung und es liegt auch kein Grund vor, anzunehmen, wir befänden uns irgendwie in der Entwicklung zu einer Krise hin. Wie wäre es sonst denkbar, daß auch hier das Hohe. Haus sich sowohl bei den Beratungen des Finanzausschusses als auch bei den Vorschlägen des Finanzministers immer wieder davon hat überzeugen lassen, daß man mit einem aufwärtsgehenden Trend rechnen muß, und daß auch der Herr Finanzminister, der nach unser aller Auffassung doch wohl kritisch genug ist, mit einer Zuwachsrate von mindestens 5 % rechnet! Anders wäre doch eigentlich alles das nicht zu verstehen, was bisher hier als die Grundlage der Berechnungen für den Etat und die Besteuerung sowie für die oft genannte Steuerreform diskutiert worden ist.
Neben der Wirtschaftsordnung und der Wirtschaftstechnik gehört natürlich auch die echte Wirtschaftsgesinnung zu der Lebendigmachung und Aktivierung einer Wirtschaft in einem solchen Gebiet wie dem unsrigen. Da mangelt es allerdings manchmal, und wir finden in der Praxis draußen immer wieder, daß den von der Bundesregierung und vor allen Dingen von dem Bundeswirtschaftsminister und seinem Ministerium veranlaßten Maßnahmen nicht das notwendige Verständnis entgegengebracht wird.
Hier, meine Damen und Herren, finde ich einen guten Ansatzpunkt für das, was Herr Kurlbaum sagte hinsichtlich der Stellung des Verbrauchers in der heutigen Wirtschaftspolitik und hinsichtlich der Aufgaben der Interessentenverbände, der Wirtschaftsverbände und anderer Gruppen, die nun einmal nach seiner Auffassung einen zu starken Einfluß auf die Gestaltung der Wirtschaftspolitik haben. Ich nehme an, er hat dabei natürlich die Gewerkschaften eingeschlossen und nicht nur die Wirtschaftsverbände auf der anderen Seite gemeint. Ich meine, gerade hier liegt eine echte Auf({1})
gabe dieser Organisationen vor, eine Korrelation herzustellen zwischen dem, was die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung beabsichtigt und will, und dem, was seitens der verschiedenen Gruppen innerhalb der Wirtschaft für notwendig gehalten wird. Wenn hier auf der einen Seite das Verständnis geweckt wird und auf der anderen Seite die entsprechenden Forderungen, Wünsche und sonstigen Argumente zur weiteren Gestaltung der Wirtschaftspolitik übermittelt werden, dann, glaube ich, ist hier eine echte Aufgabe zu sehen, die, soweit ich es überblicken kann, auch in der Vergangenheit schon weitgehend gefördert worden ist. Es wäre aber sicher gut, man würde sich auf beiden Seiten, sowohl auf Seiten der Regierung als auch auf Seiten der Organisationen, einmal überlegen, ob man nicht zu einer neuen Regelung der Ordnung des Zusammenspiels der Kräfte und des Zusammenwirkens im Interesse der Gestaltung der Wirtschaftspolitik gelangen könnte.
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Wir lehnen jeden Syndikalismus ab. Wir sind nicht der Meinung, daß man hier nun plötzlich über das parlamentarisch-demokratische System mit irgendwelchen syndikalistischen Mitteln hinweggehen könnte.
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Aber gerade deshalb sind wir der Meinung, daß eine bessere Zusammenarbeit von beiden Seiten sicherlich auch dazu beitragen könnte, die Stellung des Verbrauchers innerhalb der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung noch einmal zu festigen und zu untermauern.
Gestatten Sie mir nur eine einzige Frage: Wo stände wohl der Verbraucher heute in Deutschland, wenn wir nicht eine Marktwirtschaft mit den entsprechenden Wettbewerbsmitteln hätten?
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Ich glaube, diese Frage brauche ich nur als rhetorische anzusehen. Ich brauche auch nicht auf die verschiedenen Entwicklungsphasen vor der Währungsreform, nach der Währungsreform, vor Korea, zur Zeit Koreas und nach Korea einzugehen. Die Entwicklung der Einzelhandelsumsätze auf die Höhe von rund 35 Milliarden DM im letzten Jahre ist der Beweis dafür, daß bestimmt der Verbraucher in erster Linie der Nutznießer - und das mit Recht und mit Absicht - der bisherigen Wirtschaftspolitik gewesen ist; und wenn wir diese Wirtschaftspolitik fortsetzen, dann wird es auch in Zukunft so bleiben.
Dazu gehört natürlich auch das Problem des Wettbewerbs und einer Wettbewerbsordnung, vielleicht im Rahmen des Kartellgesetzes allein, vielleicht aber darüber hinaus auch noch mit anderen Möglichkeiten der Gestaltung einer ordentlichen Wettbewerbsentwicklung innerhalb der deutschen Wirtschaft. Ich glaube aber, die Kritik des Herrn Kurlbaum an der Haltung des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard in der Kartellfrage ist nun gerade an die falsche Adresse gegangen. Denn wenn einer sich darum bemüht hat, eine Kartellgesetzgebung auszuarbeiten und zu verteidigen - deshalb j a auch, wie schon gesagt wurde, die Zurückstellung der Behandlung dieses Gesetzes vor dem Bundesrat, bis er von seiner Auslandsreise zurückgekehrt ist -, dann war es doch wohl Professor Erhard, der den Mut hatte, einmal zu sagen: Wir wollen Kartelle verbieten, nicht, weil sie unbedingt dahin führen müssen, aber weil Gefahren darin liegen könnten, daß man einmal auf Kartellseite Maßnahmen trifft, die zum Nachteil des Verbrauchers sein können.
Sie wissen, wir haben über diese Dinge schon diskutiert. Wir werden weiter diskutieren. Ich bin der Meinung, daß wir uns bemühen müssen, hier eine Entgiftung der Atmosphäre in der von mir gekennzeichneten echten Wirtschaftsgesinnung durchzuführen, damit wir dann auch im Interesse der gesamten Wirtschaft und des gesamten deutschen Volkes zu einer gerechten Lösung kommen. Es gilt nicht allein, die Kaufkraft zu erhöhen, wenn nicht gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, eine Sicherung der Versorgung zu billigsten und, sagen wir, rationellsten Preisen durchzuführen. Eine einseitige Erhöhung der Kaufkraft nützt nichts, wenn wir nicht gleichzeitig auf der anderen Seite Produktivitätssteigerungen und die dazu notwendigen Rationalisierungen in der Praxis zum Niederschlag kommen lassen.
Zu den Notstandsgebieten. Ich weiß nicht, ob es dem Herrn Vorredner entgangen ist, daß dafür immerhin 129 Millionen im Finanzgesetz vorgesehen sind, von denen, wenn ich richtig unterrichtet bin, allein 29,2 Millionen für Bayern vorgesehen sind. Bei der Gesamtnot in den Zonengrenzgebieten ist selbstverständlich damit nicht alles erledigt; aber ich bin doch der Meinung, daß man auch bei aller Kritik diese Zahlen zumindest einmal mit in die Berechnungen einführen sollte, wenn man daran geht, diese Kritik hier offen auszusprechen. Wir wissen, daß wir in den Zonengrenzgebieten ein besonders schwieriges Problem vor uns haben, das uns ja schon lange beschäftigt. Vergessen Sie nicht das Anorganische der Entwicklung dieser Gebiete! Die Zonengrenze, die Abtrennung der Absatz- und Zulieferungsgebiete, die Zusammenballung von Menschen, die dort nicht immer in der rechten Weise entsprechend ihren Fähigkeiten Arbeit und Brot finden können, all das sind Momente, die zusammentreffen. Ich erwähne hier die Versuche, neue Industrien anzusiedeln. Diese Aufgaben sind in den vergangenen Jahren durch das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet worden.
Ich höre gerade, daß gestern im Bundesanzeiger eine Verordnung über die Regelung des öffentlichen Auftragswesens mit besonderem Hinblick auf die Zonenrandgebiete veröffentlicht und dabei vor allen Dingen ein - ich sage: ein - besonderes Anliegen dieser Zonenrandgebiete dadurch befriedigt worden ist, maß man sie den übrigen Notstandsgebieten gleichgestellt hat. Wir glauben, daß gerade eine solche Anordnung, die auch aus dem Bundeswirtschaftsministerium stammt, sehr dazu beitragen wird, Aufträge in besonderem Maße in die Zonenrandgebiete zu legen und so auch dort der wirtschaftlichen Not steuern zu helfen.
Gestatten Sie noch ein Wort zum Schluß meiner Ausführungen, die durch meinen Kollegen Dr. Hellwig noch ergänzt werden, nämlich hinsichtlich der Abgrenzung gewisser Aufgaben und Aufgabenbereiche. Es ist schon davon gesprochen worden, daß die Handelsabteilung im Auswärtigen Amt, die sich ja praktisch aus dem Wirtschaftsministerium heraus entwickelt hat, die Gefahr mit sich bringt, daß die Geschlossenheit der Wirtschaftspolitik nicht mehr in allen Fällen so gegeben ist, wie wir es uns wünschen. Ich glaube wohl, mich zum Sprecher meiner Freunde von der Koalition
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machen zu dürfen, wenn ich sage: wir wollen nicht einen Minister für gewerbliche Wirtschaft in Herrn Professor Erhard haben, sondern wir wollen einen echten Wirtschaftsminister haben.
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Aber dann muß man ihm auch die Möglichkeit geben, das gesamte Gebiet der Wirtschaftspolitik in allen Phasen zu behandeln und ressortmäßig in seinem Hause zu bearbeiten.
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Ich spreche nicht gegen die Handelsabteilung des Auswärtigen Amts als solche; ich spreche nur gegen das Prinzip, weil hier noch manche Unklarheiten in der Aufgabenverteilung vorhanden sind. Es gibt selbstverständlich auch an anderen Orten und mit anderen Häusern Überschneidungen, die wir ebenfalls einmal einer Kritik unterwerfen müssen, aber nicht einer böswilligen oder destruktiven, sondern einer konstruktiven Kritik. Dabei die Bitte an die Regierung, daß auch bei der künftigen Organisation auf diese Fragen Rücksicht genommen werden möge.
Zum Schluß noch eine Überlegung hinsichtlich einer Zwischeninstanz oder Mittelinstanz oder Bundesoberbehörde, die wir nötig haben und die bisher in der Form der Bundesstelle für den Warenverkehr oder auch in der Bundesoberbehörde für die Außenhandelsinformation in Köln noch nicht vollkommen genug verwirklicht worden ist. Wir haben uns im Wirtschaftspolitischen Ausschuß und darüber hinaus in weiten Kreisen derjenigen Freunde, die sich mit Wirtschaftspolitik beschäftigen, schon seit langen Jahren ernsthaft über dieses Problem unterhalten. Wir kennen die historische Entwicklung, wir kennen die Aufgaben, die dieser Behörde seinerzeit gestellt waren. Wir wissen aber auch um die Entwicklung der Beschränkung der Aufgaben durch die Gestaltung der Liberalisierung und anderer Dinge auf dem Gebiet des Handels und des Außenhandels.
Alle diese Überlegungen führen uns immer wieder zu der Erkenntnis, daß hier eine Neuordnung Platz greifen muß. Wir haben deshalb den Wunsch, daß man sich auch in der Regierung klarwird. Die Weiterführung der Bundesstelle für den Warenverkehr in der jetzigen Form und auf der jetzigen Rechtsgrundlage scheint uns nicht opportun zu sein. Wir sind wohl der Meinung, daß man ernsthaft prüfen muß, wie weit aus der Vergangenheit noch Verwaltungsaufgaben auch im Bundeswirtschaftsministerium wahrgenommen werden, die dort nicht hingehören. Wir sollten endlich dazu kommen, eine klare Scheidung zwischen echten ministeriellen Aufgaben und Verwaltungsaufgaben zu treffen und dann entsprechend dieser Scheidung auch dafür zu sorgen, daß die Verwaltungsaufgaben aus dem eigentlichen Ministerium herausverlagert werden. Ich glaube, es würde sich bei einer ernsten Betrachtung dieser Frage, die ich im Augenblick nicht vertiefen möchte - ich melde das nur einmal an -, die Überzeugung durchsetzen„ daß wir eine echte Mittelinstanz auch auf dem Gebiet des Bundeswirtschaftsministeriums benötigen. Vielleicht läßt sich dann im Laufe der weiteren Beratung dieses Problems eine Lösung finden.
Ich möchte Sie bitten, unter Berücksichtigung dessen, was ich vorgetragen habe, eine objektive Kritik an dem zu üben, was das Bundeswirtschaftsministerium getan hat, aber den Etat anzunehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Diskussion um die Wirtschaftspolitik über einige Jahre hin verfolgt hat, der wird das abgewandelte Wort unterschreiben: „Mit Zahlen läßt sich trefflich streiten." Ich glaube, es ist kein erfreuliches Zeichen für den Stand unserer volkswirtschaftlichen Gesamterkenntnis, daß man sich gegenseitig irgendwelche Zahlen, die im Moment vielleicht überzeugend klingen, aber nicht bewiesen, auch nicht nachgeprüft werden können, an den Kopf wirft. Ich darf vielleicht hier nebenbei schon einflechten, daß wir zu einer Bereinigung des volkswirtschaftlichen Zahlenmaterials, insbesondere zu einer Verfeinerung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung kommen sollten, ein Anliegen, das alle, die in der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Zahlen umzugehen haben, nur unterschreiben können. Wir bedauern, daß wir in dem Zahlenmaterial sowohl über die Wertung der Arbeitslosenziffern wie über die Lohnentwicklung, Realeinkommensentwicklung usw. noch nicht die sachliche Einstellung von beiden Seiten haben, wie sie etwa die Amerikaner seit vielen Jahren in bezug auf ihr Bureau of Labor Statistics haben und und das von dort gelieferte Material auch anerkennen.
Aber es sollte hier doch vor einigen Zahlen gewarnt werden, insbesondere vor Zahlen, wie sie etwa zur Kennzeichnung der Kohlenmarktlage gebracht worden sind. Natürlich, wenn ich für die Gesamtheit des Ruhrbergbaus eine Zahl addiere und hier ohne die internationalen Vergleiche vorbringe, dann ergibt sich für den, der die Zahlen im allgemeinen nicht kennt, eine überragende Größe. Wenn man dann aber einmal vergleicht, wie die Marktverhältnisse wirklich sind, dann schrumpft doch das, was hier an Befürchtungen ausgesprochen wurde, nicht unerheblich zusammen. Es ist von den Feierschichten und von der bedrohlichen Entwicklung der Haldenbestände gesprochen worden. Die Höhe der Haldenbestände im deutschen Steinkohlenbergbau erreicht bei Steinkohle etwa die Förderung von drei bis vier Tagen, während die Haldenbestände im Saargebiet die Förderung von sieben Tagen ausmachen und die Haldenbestände in Frankreich die Förderung von nahezu dreißig Tagen. Das ist das internationale Verhältnis, aus dem sich wohl eindeutig ergibt, daß zu einer beunruhigenden Beurteilung der Kohlenmarktlage für uns keine Veranlassung besteht. Es geht hier selbstverständlich nicht darum, etwa den Einkommensausfall, den eine Feierschicht bedeutet, zu bagatellisieren; aber man soll diese Dinge auch nicht dramatisieren, nicht überspitzen und erst damit unnötige Unruhe in die Bevölkerung hineinbringen.
Es ist von der ungünstigen Entwicklung des Kohlenmarktes gesprochen worden, insbesondere also davon, daß noch zuviel Kohle eingeführt würde und ähnliche Dinge mehr. Nun, die Einfuhr an Steinkohle war bei uns im Jahre 1953 um 20 % niedriger als im Jahre 1952, während die Ausfuhr von Steinkohle im gleichen Zeitraum um 14 % zugenommen hat. Mit anderen Worten: der gemeinsame Markt, der ja nun für Kohle schon geschaffen ist, hat sich in einer verstärkten Nachfrage und Hereinnahme von Ruhrkohle ausgewirkt. Demgegenüber ist bei uns die Einfuhr ausländischer Kohle zurückgegangen, und zwar trotz Zu({0})
nahme der Einfuhr von Saar- und Lothringenkohle nach Süddeutschland.
Wie verhält sich ein Förderausfall bei den jetzt eingetretenen Feierschichten etwa zur gesamten Leistung? Bei einer arbeitstäglichen Förderung von im Augenblick etwa 430 000 t bedeutet der durch die vereinzelten Feierschichten bisher eingetretene Förderausfall insgesamt etwa ein gutes Drittel einer Tagesförderung. Daß hier noch nicht von irgendwelchen nennenswerten Ausfällen gesprochen werden kann, ergibt sich doch wohl aus diesen Zahlen.
Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß die arbeitstägliche Förderleistung im deutschen Bergbau im Augenblick um 5 % über der des Vorjahres liegt, daß also im letzten Jahre noch eine deutliche Zunahme eingetreten ist, während etwa in Frankreich im gleichen Zeitraum ein Rückgang um 5 % zu verzeichnen ist. Der gemeinsame Markt ist tatsächlich der Ruhrkohle bisher wesentlich mehr zugute gekommen als der Kohle Frankreichs, der Saar und Belgiens.
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Zu dem Thema Eisen und Stahl möchte ich nur auf einen Punkt aufmerksam machen: die Höhe der Einfuhr von Walzwerkerzeugnissen im Jahre 1952 und im Jahre 1953. Hier zeigt sich, wenn man es mit den Verhältnissen der dreißiger und zwanziger Jahre vergleicht, wieder die Rückkehr zu normalen Standort- und Lagebedingungen. Ich darf daran erinnern, daß etwa die Einfuhr von lothringischem Eisen oder von Eisen aus dem Saargebiet oder aus Luxemburg nach Süddeutschland in den letzten Jahren kaum eine Rolle gespielt hat, obwohl sie in den zwanziger und dreißiger Jahren mit weit über 1 Million t Eisen und Stahl jährlich auf dem deutschen Markt selbstverständlich ihren Platz hatte. Die Saar hat vor dem Kriege 1,3 Millionen t Eisen und Stahl auf dem deutschen Markt abgesetzt und im Jahre 1952 erst wieder knapp 200 000 t zum deutschen Markt gebracht.
Wenn hier durch den gemeinsamen Markt im Zuge der montanwirtschaftlichen Integration ein Zusammenwachsen der Märkte eintritt, dann werden auch diese ursprünglichen natürlichen Lieferbeziehungen, die ja nur durch politische Interventionen beeinträchtigt waren, wiederhergestellt werden.
Lassen Sie mich aber noch ein Wort zu der volkswirtschaftlichen Gesamtlage sagen, im besonderen im Hinblick auf das, was der Herr Kollege Kurlbaum erwähnte, als er die Berücksichtigung der wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte bei der Steuerreform verlangte. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, das Unternehmereinkommen erfahre in der jetzigen Situation steuerlich eine stärkere Begünstigung bzw. würde eine solche durch die Steuerreform erfahren als das im wesentlichen für den Konsum bestimmte Masseneinkommen. Die volkswirtschaftliche Rechnung für das Jahr 1953 - ({2})
- Ich spreche im Augenblick von der volkswirtschaftlichen Rechnung für das Jahr 1953 und nicht von den Rechnungen des Ifo-Instituts, sondern von den Berechnungen des Berliner Instituts für Konjunkturforschung und entsprechenden Angaben der Bank deutscher Länder. Danach ist unbestritten, daß das Masseneinkommen im vergangenen Jahre einen Anstieg um etwa 12% erfahren hat, während das Unternehmereinkommen, aus dem die Investitionen zu einem erheblichen Teil aufzubringen sind, einen Rückgang von 10 bis 11 % erfahren hat. Wir haben im vergangenen Jahre eine deutliche Verlagerung von für Investitionen bestimmten privaten Einkommen zu den für den Konsum bestimmten privaten Einkommen beobachten können.
Das hat sich auch in der unterschiedlichen Entwicklung der Investitionsgüterindustrie im Vergleich zur Konsumgüterindustrie im vergangenen Jahre gezeigt. Die Gesamtsituation soll nicht pessimistisch beurteilt werden. Daß das nicht notwendig ist, zeigt der enorme Anstieg und das Anlaufen der Investitionstätigkeit gerade in den letzten Wochen, insbesondere auch der nicht unbedeutende Rückgang der Arbeitslosenziffer. Es hat seit langem keinen Monat mehr gegeben, in dem der Rückgang der Arbeitslosenzahl um 600 000 - also. in einer derartigen Größenordnung innerhalb eines Monats - erreicht werden konnte.
Zum Abschluß noch ein kurzes Wort über das Wesentliche, das wir doch in der Wirtschaftspolitik sehen und worin wir uns doch wohl unterscheiden von dem, was aus den Reden einiger Herren der Opposition hervorging. Man kann die Qualität einer Wirtschaftspolitik nicht nach der Zahl von Paragraphen, Erlassen und Verordnungen bemessen, die sie hervorgebracht hat. Wir lehnen eben die Intervention als ein durchgängiges Mittel der Wirtschaftspolitik ab und beschränken die Interventionen des Staates auf die Bereiche, wo es unbedingt notwendig ist. Daher ist das absolut kein Gradmesser für die Qualität einer Wirtschaftspolitik.
Es wird davon gesprochen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister im Ausland herumreise und sich nicht so sehr im Sinne eines Behördenvorstehers betätige. Ich glaube, daß die Pflege und die Erschließung der Auslandsmärkte nicht nur im Augenblick, sondern auch in den vor uns liegenden Jahren die entscheidende wirtschaftspolitische Aufgabe ist.
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Ich glaube, daß wir keinen besseren wirtschaftspolitischen Botschafter für unsere wirtschaftspolitischen Konzeptionen ins Ausland schicken können als den Herrn Bundeswirtschaftsminister.
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- Ich glaube, Veranlassung zu dieser Feststellung hat Ihre Bemerkung gegeben, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nun so lange im Ausland herumfahre.
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- Ich glaube, Sie können es in der Niederschrift nachlesen.
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Jedenfalls habe ich es in diesem Sinne verstanden.
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- Ich habe es in diesem Sinn verstanden, und ich glaube, Sie können es ruhig noch nachlesen.
Noch ein letzes Wort! Es ist über die sogenannten Teilkrisen gesprochen worden. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Teilkrisen geht auf Wirtschafts({8})
planungs- und Lenkungsmaßnahmen einer dirigistischen Wirtschaftsauffassung zurück und hat auch gerade auf der Ebene bestimmter Länder sehr viel mit wirtschaftspolitischen Initiativen aus Ihrem Freundeskreise zu tun. Wir haben hier an manchen Stellen das Problem der Überkapazitäten, die mit öffentlichen Darlehen und Krediten am Leben gehalten oder entwickelt worden sind. Wir haben auch, da gebe ich Ihnen völlig recht, das Problem der öffentlichen Hand als Auftraggeber und können nur immer wieder bedauern, daß die öffentliche Hand als Auftraggeber - siehe Bundesbahn - sich in ihrer Auftragsvergebung nicht so recht in den konjunkturellen Ablauf einzugliedern versteht, wie wir es im Interesse eines möglichst ausreichenden und vollen Beschäftigungsstandes anstreben. Aber diese Beobachtungen haben für uns zumindest zur Folge, daß wir nicht mehr
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an die Zweckmäßigkeit einer Ausdehnung der öffentlichen Wirtschaft, der öffentlichen Kredit- und Darlehenspolitik und der Kapitalbildung bei der öffentlichen Hand glauben, wie es in Ihrem Parteiprogramm zur letzten Bundestagswahl allerdings noch zu sehen ist.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau Dr. Preusker, wie ich annehme, als Vertreter des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
Meine Damen und Herren! Ich möchte als Vertreter des Bundeswirtschaftsministers nur das Wort zu den ernsten Befürchtungen nehmen, die hier hinsichtlich einer eventuell im Kohlenbergbau drohenden Arbeitslosigkeit, hinsichtlich einer kritischen Entwicklung, die von dort her - anknüpfend an die augenblickliche Situation der Feierschichten im Ruhrbergbau - ihren Ausgang nehmen könnte, ausgesprochen worden sind. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung nimmt diese Erscheinungen im Ruhrbergbau außerordentlich ernst. Sie schenkt ihnen volle Beachtung und hat seit langem überlegt, wie der Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt, der so lange bei Kohle, Eisen und Stahl angestrebt worden ist und der nun im Augenblick gewisse Anpassungsschwierigkeiten ausgelöst hat, wieder im ganzen in die positiv aufwärts gerichtete Entwicklung eingefügt werden kann.
Die Bundesregierung möchte ausdrücklich betonen, daß in der allgemeinen Situation erfreulicherweise nicht die geringsten Anzeichen für eine kritische Entwicklung unserer Wirtschaft zu erkennen sind. Im Gegenteil, es hat sich erwiesen, daß sich mit dem im Interesse der Verbraucher systematisch mit der Sozialen Marktwirtschaft angestrebten Übergang zum Käufermarkt das Tempo des wirtschaftlichen Aufschwungs im Laufe des letzten Jahres wieder ständig vergrößert hat. Wir hatten beispielsweise im Jahre 1952 nur mehr eine Steigerung unserer industriellen Produktion von 7 % gegenüber 1951 zu verzeichnen. Wir haben aber im Jahre 1953 diese Steigerung schon wieder auf 8,6 % erhöhen und beschleunigen können. Die ersten Monate dieses Jahres beweisen, daß dieser Prozeß sich im ganzen sogar noch weiter beschleunigt hat.
Diese Entwicklung hat ihren Niederschlag deutlich genug auch in der Zahl der Beschäftigten gefunden. Während 1952 die Zahl der Beschäftigten um 432 000 zunahm, hat sie 1953 schon um mehr als 622 000 zugenommen und damit erstmals einen Stand von 16 Millionen überschreiten können. Wie stark jetzt in diesem Frühjahr, nach Beendigung der winterlichen abnormen Kälte, die ja auch ihren Einfluß auf die Entwicklung des Kohlenbergbaues ausgeübt hat, die Zahl der Beschäftigten gestiegen ist, ist schon gerade von meinem Vorredner unterstrichen worden. Wir haben eine in den vorhergehenden Jahren nicht gekannte plötzliche Verringerung der Arbeitslosenzahlen des Winters um über 600 000 Menschen auf 1,4 Millionen erlebt. Eine solche starke Steigerung der Beschäftigung gibt es nur in einer Volkswirtschaft, die im ganzen erfreulicherweise in der Expansion, in der Ausweitung geblieben ist und ihre Kraft auf diesem Gebiet unter Beweis stellt.
Verschiedentlich ist an der Abwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers - sicher ist es von Herrn Kurlbaum nicht so gemeint gewesen - Kritik geübt worden, oder es sind Worte gefallen, die seine Abwesenheit heute bedauern. Auch ich bedauere es, daß er nicht in der Lage ist, selbst zu Ihren Bemerkungen Stellung zu nehmen, daß auf verschiedenen Gebieten, wie Sie zum Schluß sagten, eine Aktivität und Förderung der positiven Entwicklung vermißt wird. Aber, Herr Kurlbaum, gerade diese Reise nach Südamerika dient ja der Ausweitung der deutschen Außenhandelsmöglichkeiten. Auch Sie haben vorhin betont, daß die deutsche Volkswirtschaft gar nicht ohne die Förderung und Pflege dieser Außenhandelswirtschaft auskommt. Wir sind uns alle darüber klar, daß heute Millionen von Arbeitsplätzen unmittelbar und mittelbar durch die deutsche Ausfuhr, die auf der anderen Seite die Einfuhr ermöglicht, gesichert werden. Wir sind uns weiter auch darüber klar, daß Deutschland trotz seiner außergewöhnlichen Erfolge auf dem Gebiet des Außenhandels noch immer nicht seinen früheren Anteil an den Weltmärkten wieder zurückerlangen konnte. Aber immerhin ist doch eines bemerkenswert: daß in den ersten beiden Monaten des Jahres 1954, für die die Zahlen bereits vorliegen, die deutsche Ausfuhr noch einmal um 21 % gegenüber dem sehr hohen Ergebnis des Vorjahres hat zunehmen können. Sie hat in diesen beiden Monaten schon wieder 3 Milliarden DM betragen gegenüber einer Einfuhr von 21/2 Milliarden DM. In den beiden ersten Monaten ist also mit 500 Millionen DM ein Ausfuhrüberschuß erzielt worden, der fast so hoch liegt wie der des ganzen Jahres 1952. Nehmen Sie weiter hinzu, daß diese Zahl von 3 Milliarden DM Ausfuhr für zwei Monate auch fast so hoch ist wie die gesamte Ausfuhr des Jahres 1949. Hierin zeigt sich eine ungewöhnlich erfreuliche Entwicklung, die allerdings der weiteren Förderung bedarf.
Die Bundesregierung weiß, daß über diese Ausweitung des Außenhandels, über die Schaffung der wettbewerbsmäßigen Voraussetzungen und gleichzeitig über die Fortführung der Ausweitung im Innern die sicherste Garantie dafür gegeben wird, daß .nicht nur die augenblickliche Anpassungsstockung im Kohlenbergbau überwunden wird, sondern daß sich die Beschäftigung, die Produktion und das reale Einkommen unseres Volkes im ganzen weiter steigern.
Bedenken Sie einmal die Entwicklung bei Eisen und Stahl, an der weitgehend die Kohle- oder vielmehr Koksabsatzgestaltung hängt. In den ersten
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drei Monaten dieses Jahres sind an Rohstahl produziert worden 3,87 Millionen t, während in den letzten drei Monaten des Jahres 1953 nur 3,73 Millionen t produziert werden konnten. Wir haben also auch hier bereits wieder eine deutliche Aufwärtsentwicklung, eine Steigerung um 135 000 t. Wir sind überzeugt, daß sich diese Entwicklung in den kommenden Monaten auch von der Inlandseite her verstärkt fortsetzen wird, weil die Entwicklung des Käufermarktes ebenso wie die Notwendigkeit der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit im Export die gesamte gewerbliche Wirtschaft dazu zwingen wird, ihre Rationalisierung fortzuführen und dafür wieder in stärkerem Umfange Investitionen vorzunehmen.
Man kann nun die Fähigkeit einer Volkswirtschaft zur Ausweitung grundsätzlich nach zwei Richtungen verstärken. Man kann einmal über eine ausschließlich oder überwiegend von den Regierungen über die Haushalte gesteuerte Entwicklung Mittel in die Wirtschaft hineinstecken. Man kann mit dieser Politik der Kreditschöpfung, des deficit spending, sicher auch eine Ausweitung von Beschäftigung und Produktion erreichen, aber doch nur um den Preis einer laufenden Verschlechterung der Währung, letztlich um den Preis einer schleichenden inflationistischen Entwicklung, die gerade in Deutschland nach zwei Inflationen unter allen Umständen vermieden werden muß. Das wäre ein Weg, der für uns ausscheiden muß und überhaupt nie in Frage kommen kann.
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- Nein, habe ich auch nicht behauptet. Ich möchte nur demgegenüber klar sagen: die Bundesregierung hat sich deshalb dafür entschieden, die Entlastung der Wirtschaft und der Einkommenbezieher durch steuerliche Maßnahmen vorzunehmen und auf diese Weise es sowohl der Wirtschaft selbst zu ermöglichen, Investitionen durchzuführen, als auch die einzelnen Einkommensbezieher zu einem erhöhten Verbrauch oder, was genau so wesentlich ist, zu einer erhöhten Spartätigkeit anzuregen. Daß schon die bisherige Spartätigkeit das Vertrauen in die deutsche wirtschaftliche Entwicklung in einem außergewöhnlichen Maße unterstrichen hat, wissen wir alle, wenn wir sehen, daß im Jahre 1953 die Einzahlungsüberschüsse bei den Sparkassen allein um 4,2 Milliarden DM gestiegen sind gegenüber erst 2,7 Milliarden im Jahre 1952, daß allein bei den Bausparkassen Einzahlungsüberschüsse von über 700 Millionen DM entstanden sind, daß über anderthalb Milliarden an Pfandbriefen und Kommunalobligationen und weitere anderthalb Milliarden an sonstigen Wertpapieren in diesem einen Jahr untergebracht werden konnten und daß in den ersten 21/2 Monaten 1954, wie aus dem neuesten Bericht der Bank deutscher Länder zu entnehmen ist, die Spartätigkeit sich im Schnitt nochmals um fast 50 % über die Anfangsmonate des vergangenen Jahres hinaus entwickelt hat.
Meine Damen und Herren, ich glaube, Ihnen damit im ganzen dargetan zu haben, daß es sich hier nicht etwa um einen Zweckoptimismus, sondern um die nüchterne Auswertung der gegebenen Tatsachen handelt, daß die deutsche Wirtschaft sich im ganzen nicht in einer gefährlichen krisenhaften Zuspitzung, sondern im Gegenteil in einer verstärkten Entwicklung zugunsten einer endgültigen Festigung ihrer sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen befindet und daß mit dem Mittel der steuerlichen Entlastung und dem Anreiz für Investitionen und Verbrauch in diesem Jahr, mit den weiteren Fortschritten auf dem Gebiet des Abbaus der Devisenzwangswirtschaft und der Handelsschranken, mit der weiteren Fortführung der Begünstigung der Spartätigkeit und des Kapitalmarktes die Wege deutlich gewesen sind, mit denen eine mengenkonjunkturelle Ausweitung gesichert fortgeführt werden kann und mit denen auch, in relativ kurzer Zeit, wie wir glauben, das Problem der augenblicklichen Feierschichten an der Ruhr, das wir sehr ernst nehmen, wieder überwunden sein wird.
Wir glauben im übrigen, daß diese Politik der Ausweitung auch die sicherste Garantie dafür gibt, daß sich das Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung in den Randgebieten und dem Zentrum an der Ruhr oder in Baden-Württemberg - ein zweites von Herrn Kurlbaum mit Recht so stark herausgestelltes Problem - weiter sichtbar angleichen und anpassen wird. Die Bundesregierung hat hier einmal mit den inzwischen sich dem Abschluß nähernden Maßnahmen der Umsiedlung versucht, ein natürlicheres und besseres Gefälle zu schaffen. Sie hat sich zum zweiten von vornherein darüber keine Illusionen gemacht, daß man nur mit Notstandsmaßnahmen keine dauerhafte Gesundung der Randgebiete erreichen kann, sondern sie hat ihre Maßnahmen immer bewußt darauf ausgerichtet, daß sie zur Schaffung von dauerhaften gewerblichen Ansiedlungen, gesunden Dauerarbeitsplätzen und Unternehmen führen können. Diese Entwicklung soll in verstärktem Maße mit den in dem Ergänzungshaushalt stehenden Mitteln in diesem Jahr weiter gefördert werden. Dazu soll auch die verstärkte Spartätigkeit und die Möglichkeit des Ausgleichs auf dem Gebiet des Kapitalmarktes herangezogen werden. Gleichzeitig soll noch - wenn Sie einmal auf mein Gebiet zurückgreifen wollen - die notwendige Siedlungs- und Bautätigkeit hinzukommen.
Wenn Sie sich einmal den Zustand unserer Randgebiete, wie er noch vor zwei Jahren war, vor Augen führen und jetzt sehen, wie auch dort bereits die ersten Zeichen einer fruchtbaren Belebung erkennbar sind, so glauben wir doch sagen zu können, daß das Jahr 1954 mit seiner allgemeinen Verstärkung der wirtschaftlichen Impulse auch gerade für diese Gebiete in besonderem Maße eine Belebung bringen wird. Allerdings gehört dazu eine eingehende und sehr wohl abgestimmte Verzahnung mit allen verkehrspolitischen Maßnahmen, die auf die Bedürfnisse dieser Randgebiete besonders Rücksicht nehmen müssen.
Ich glaube, daß damit die wichtigsten Fragen aus der Diskussion, die noch offengeblieben sind, ihre Beantwortung gefunden haben. Zum Schluß darf ich wohl noch einmal folgendes unterstreichen. Die ganze Politik der sozialen Marktwirtschaft, wie sie die Bundesregierung bewußt betrieben hat, ist doch von Anbeginn an nur eine Politik zugunsten der Verbraucher, zugunsten der breiten Schichten gewesen, und zwar von dem Augenblick an, in dem man sie mit dem Übergang zur Marktwirtschaft aus der Zwangssituation der Kartenwirtschaft und Normal verbraucherrationierungen befreit hat, bis zu der Zeit, in der sich der Übergang von den Mangelerscheinungen der Verkäufermärkte bei Kohle und Stahl zum Käufermarkt durchgesetzt hat, und dem jetzigen Augenblick, in dem als Ergebnis der bisherigen außerordentlichen Leistungen nicht nur die starke Steigerung der Wochenarbeitslöhne bei stabilen Preisen möglich gewesen ist, sondern darüber hinaus - zum zweiten Male innerhalb eines Jahres - steuerliche Entlastungen in erheblich
({2})
fühlbarem Ausmaß durchgeführt werden können.
Und das obwohl sich unser Volk durch eine ungeheure Not einzelner Gebiete und einzelner Bevölkerungsgruppen nach wie vor hindurchzuarbeiten
hat, denen aus dem, was in unserem Volk mehr
erarbeitet worden ist, gleichzeitig und immer wieder zusätzliche Milliardenbeträge zur Überwindung dieser besonderen Notlage zugeführt werden
mußten und auch für die Zukunft gewährt werden
müssen, damit überall ein solides, festes und echtes
Gesamtbild einer sozialen Marktwirtschaft entsteht.
({3})
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 22*) hat der Abgeordnete Dr. Schild.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat dem Haushaltsausschuß mehrere Anträge unterbreitet, von denen der Antrag auf Genehmigung von Mitteln zur Förderung des Einzelhandels und des Hotel- und Gaststättengewerbes im Haushaltsausschuß abgelehnt worden ist. Ein interfraktioneller Änderungsantrag - Umdruck 22 - greift das Problem der Förderungsmittel für den Einzelhandel und das Hotel- und Gaststättengewerbe wieder auf. Ich bitte Sie, in diesem Umdruck unter a) Tit. 601 a die Worte „Maßnahmen zur Förderung gesamtdeutscher Fragen des Einzelhandels" zu berichtigen in: „Maßnahmen zur Förderung des Einzelhandels in der Bundesrepublik".
Der Änderungsantrag Umdruck 47, wonach für Förderungsmaßnahmen des Handels ein Zuschuß von 2 Millionen DM gewährt werden soll, ist bereits begründet worden. Nachdem der Herr Bundeswirtschaftsminister in der vorigen Legislaturperiode des Bundestags aus Anlaß verschiedener Anträge, im Bundeswirtschaftsministerium einen Staatssekretär für den gewerblichen Mittelstand zu plazieren, öffentlich und intern die Erklärung abgegeben hat, daß er ja selber der Minister des gewerblichen Mittelstandes sei und es eines besonderen Staatssekretärs nicht bedürfe, wurde es selbstverständlich, daß die Förderung des gewerblichen Mittelstandes in diesem Ministerium von Stufe zu Stufe ausgebaut werden mußte. Das ist auch in den letzten Jahren geschehen. Aus den Unterreferaten „Handwerk" und „Handel" sind allmählich Unterabteilungen und Abteilungen gemacht worden. Die Förderungsmittel für das Handwerk sind von anfänglich sehr geringen Summen jetzt auf 1 Million DM im ordentlichen und 5 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt erhöht worden, und zwar schon im vergangenen Jahre und in diesem Jahre wieder. Dagegen vollzieht sich die Entwicklung mittelständischer Wirtschaftspolitik im Rahmen des Bundeswirtschaftsministeriums für den Handel und für andere mittelständische Gewerbegruppen, insbesondere für das Hotel- und Gaststättengewerbe, noch nicht mit der notwendigen Deutlichkeit.
Die Antragsteller bitten deshalb das Hohe Haus, diesen Änderungsantrag zu genehmigen, und weisen gleichzeitig darauf hin, daß in diesem Antrag im Gegensatz zu Umdruck 47 auch ein bestimmter Deckungsvorschlag gemacht wird.
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*) Siehe Anlage 2 Seite 930 A. Es hat j a keinen Zweck, diese Mittel etwa im außerordentlichen Haushalt unterzubringen. Wie der Herr Finanzminister im Haushaltsausschuß mitgeteilt hat, sind gewisse Spitzenbeträge des außerordentlichen Haushalts immer noch fraglich. Wir sind der Auffassung, daß den Wünschen des Einzelhandels, zunächst einmal überhaupt in den ordentlichen Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums mit seinen Gewerbeförderungsmitteln aufgenommen zu werden, am besten Rechnung getragen werden kann, wenn die auch in den Vorverhandlungen vorgesehene eine Million, die zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium einerseits und den Spitzenorganisationen des Handels andererseits zur Debatte stand, zunächst in den ordentlichen Haushaltsplan übernommen wird. Die weitergehenden Wünsche auf 3,5 Millionen DM können im außerordentlichen Haushaltsplan zurückgestellt werden, weil man die Dotierung dieser Mittel nicht übersehen kann. Das gleiche trifft auch für den Antrag des Hotel- und Gaststättengewerbes zu, als Gewerbeförderungsmittel 250 000 DM zu erhalten.
Darf ich nun grundsätzlich zu den Gewerbeförderungsmitteln noch etwas sagen: Für den Einzelhandel kommt es darauf an, Fachschulen auszubauen, Lehrlingskurse einzurichten, Betriebsvergleiche durchzuführen, Rationalisierungsvorträge, Kurse und Erfahrungsgruppen auszugestalten und ein bestimmtes Rationalisierungsschrifttum herauszugeben. Die Gewerbeförderung in den mittelständischen Berufen und Wirtschaftskreisen ist etwas wesentlich anderes als Wirtschaftsförderung bei der Industrie, in der Technik und bei Forschungsunternehmen, an denen die Industrie beteiligt ist. Der Haushaltsplan sieht Millionenbeträge für wissenschaftliche Forschung auf technischem, auf betriebswirtschaftlichem, auf sozialem und auf soziologischem Gebiet vor. Die Industrie ist mit ihren Betrieben oder Gruppen in der Lage, sich diese Forschungen unmittelbar zunutze zu machen. Das ist in den Hunderttausenden von Handwerksbetrieben, Einzelhandelsbetrieben und Gewerbebetrieben des Mittelstandes nicht möglich. Sie können sich die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse nur mittelbar zunutze machen, indem sie Zwischeninstanzen einschalten, die ihnen diese Forschungsergebnisse vermitteln. Diese Zwischeninstanzen sind zum Teil Gewerbeförderungsstellen der Industrie- und Handelskammern und der Handwerkskammern, zum Teil Fachschulen besonderer Art, zum Teil Kurse, die von Organisationen veranstaltet werden. Derartige Zwischeninstanzen sind notwendig, um das entscheidende moderne betriebswirtschaftliche und betriebstechnische Forschungsgut, das bei Universitäten, Technischen Hochschulen usw. erarbeitet wird, zu vermitteln.
({1})
Es ist weiter erforderlich, daß im Rahmen dieser Gewerbeförderungsmaßnahmen die modernen betriebswirtschaftlichen und betriebstechnischen Kenntnisse nicht nur für die Inhaber aller mittelständischen Betriebe vermittelt werden, sondern genau so durch Fortbildungskurse für die Belegschaftsmitglieder, für die Mitarbeiter in allen diesen Betrieben und erst recht für den Nachwuchs, für die Lehrlinge in all den Branchen, in denen sie vorkommen.
Die Antragsteller bitten deshalb unter Hinweis auf den Deckungsvorschlag, nunmehr erstmalig in
({2})
den Haushaltsplan des Bundeswirtschaftsministeriums Gewerbeförderungsmittel für den Einzelhandel und für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Höhe von 1 Million DM bzw. 250 000 DM einzusetzen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Ohlig zur Begründung des Antrags auf Umdruck 29 ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den von meiner Fraktion auf Umdruck 29 *) gestellten Antrag kurz begründen. Die Begründung wird mir dadurch etwas leichter gemacht, daß der Herr Bundesminister Dr. Preusker, wenn auch nur stellvertretend, hier zugesagt hat, daß es eine besondere Aufgabe des Wirtschaftsministeriums sei, Zonenrand- und Grenzgebiete wirtschaftlich zu fördern. Seit Jahren gibt der Bund erfreulicherweise recht erhebliche Zuschüsse zur Erschließung des Emslandes. Diese Mittel dienen in allererster Linie der landwirtschaftlichen Erschließung. Aber neben dieser Hauptaufgabe erscheint es uns dringend notwendig, durch die Schaffung von Mittel- und Kleinindustrien auch die gewerbliche Wirtschaft in diesem Raum zu fördern. Obwohl dieses Gebiet gemessen an der Bevölkerungsdichte anderer Gebietsteile der Bundesrepublik viel schwächer besiedelt ist, gibt es dort eine verhältnismäßig große Arbeitslosigkeit. Im Februar 1954 zählten in den Emsland-Kreisen die Arbeitsämter insgesamt 16 500 Arbeitslose. Der Jahresdurchschnitt beträgt in diesen Gebieten ungefähr 8800 Arbeitslose. Wir bitten deshalb, daß das Bundeswirtschaftsministerium seine Aufmerksamkeit auch auf eine industrielle und gewerbliche Erschließung des Emslandes lenkt. Bis jetzt ist leider ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums noch nicht offiziell in diesem Raum gewesen, um sich über die Möglichkeiten einer industriellen und gewerblichen Erschließung berichten zu lassen. Wir stellen diesen Antrag hier zum Etat des Bundeswirtschaftsministeriums, weil wir der Auffassung sind, daß die Förderung dieser Aufgaben besser durch das Bundeswirtschaftsministerium als durch das Landwirtschaftsministerium erfolgt. Dort ist nämlich im Emsland-Programm nur ein sogenannter Merkposten von 300 000 DM vorgesehen, der lediglich die Voraussetzungen zu einer industriellen Erschließung schaffen soll. Es erscheint uns aber notwendig, daß in diesen Gebieten, um eine gewisse Konjunkturfestigkeit zu erreichen, in den nächsten Jahren ernsthaft der Versuch gemacht wird, zu einer gewerblichen und industriellen Erschließung zu kommen.
Damit uns nicht wieder der Vorwurf gemacht werden kann, daß wir erst heute diesen Antrag stellen und unsere Wünsche nicht bereits im Haushaltsausschuß angemeldet haben, möchte ich dem Hohen Hause nur mitteilen, daß in den letzten Tagen eine Aufsichtsratssitzung der EmslandGmbH. stattgefunden hat und daß der Aufsichtsrat auf dieser Sitzung aus Gründen, die mir im Augenblick nicht bekannt sind, keine Möglichkeit gesehen hat, irgendwelche Mittel für diese Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Somit bitten wir Sie, unserem Antrag auf Umdruck 29 ({0}) zuzustimmen.
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*) Siehe Anlage 3 Seite 931 A.
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 54*).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige Kollegen und ich haben Ihnen einen Antrag vorgelegt, im außerordentlichen Haushalt 100 Millionen DM einzustellen für Darlehen an Werke, die demontagegeschädigt sind. Ich glaube, ich brauche Sie heute mit einer längeren Erläuterung über die sachliche Seite des Antrags nicht zu belasten, weil schon im 1. Bundestag im Wirtschaftsausschuß und auch im Plenum sehr ausführlich über das Problem der Demontageschäden und über die Maßnahmen, die zu treffen sind, gesprochen worden ist. Damals war es die Meinung des Plenums, daß man neben vielen anderen Maßnahmen, auch steuerlichen Maßnahmen, in den Haushalt des Bundes Beträge einstellen möge, die als Kreditmittel dienen sollten. Man hat damals 60 Millionen DM in den außerordentlichen Haushalt des Jahres 1952 hineinnehmen wollen und hat diese Summe im Jahre 1953 sogar auf 100 Millionen DM erhöht.
Meine Damen und Herren, das Überraschende ist, daß beide Male nicht ein einziger Pfennig von diesen Mitteln ausgeschüttet worden ist. Ich will jetzt nicht im einzelnen untersuchen, warum das nicht geschehen ist. Das wird einer Diskussion vorbehalten bleiben, die wir bei der Behandlung der Großen Anfrage der FDP-Fraktion zu diesem Punkte hier durchführen müssen.
Ich möchte nur feststellen, daß die sachliche Notwendigkeit, der betroffenen Industrie auch von seiten des Bundes weiterhin zu helfen, nach wie vor besteht. Die Gesamtschäden beliefen sich, wie Sie wissen, auf weit über 5 Milliarden DM. In Absprachen zwischen dem Wirtschaftsausschuß des Bundestages, den Länderregierungen und den betroffenen Industrien ist ein langfristiger Plan aufgestellt worden, wie man nun mit Unterstützung des Bundes und der Länder einen gewissen Teil wiederaufbauen kann. Damals hat man eine Remontagefinanzierungssumme von praeter propter 1,2 Milliarden DM für richtig befunden, die zu einem gewissen Teil abgedeckt worden ist. Aber es verbleiben heute noch, über den Daumen gepeilt, 600 Millionen DM, die kurzfristig zur Verfügung gestellt werden müßten.
Ich brauche wohl nur kurz zu erwähnen, welche wirtschaftspolitische und sozialpolitische Bedeutung der Wiederaufbau gerade dieser Werke hat. Denn hier handelt es sich darum, echte Dauerarbeitsplätze wiederherzustellen, die die billigsten sind, die wir überhaupt schaffen können. Das Verhältnis ist ungefähr 3000 DM für einen Arbeitsplatz, während es normalerweise 12 000 DM und mehr sind. Es ist also zweifellos eine sehr wichtige sozialpolitische Aufgabe. Außerdem sind wir uns wohl alle in dem Wunsche einig, daß gerade diese Industrien wieder leistungsfähig werden, und zwar nicht nur auf dem Inlandsmarkt, sondern auch im internationalen Wettbewerb. Dies gilt vor allem für unsere demontierten Werke aus dem Bereich der Montan-Industrie, die heute, wie Sie mehrfach gehört haben, unter einem sehr starken Druck im Rahmen der Montan-Union stehen.
*) Siehe Anlage 8 Seite 934 A.
({0})
Wir glauben also, daß es richtig sei, auch in diesem Jahre wieder eine Summe von 100 Millionen DM in den Haushaltsplan einzustellen.
Bei der Gelegenheit gestatten Sie mir doch bitte, etwas über die Handhabung des außerordentlichen Haushalts durch den Herrn Finanzminister zu sagen. Es muß doch erstaunlich sein, daß eine so wichtige Aufgabe, deren Bedeutung hier vom Plenum und von den Ausschüssen ganz besonders deutlich zum Ausdruck gebracht worden ist, zwei Jahre lang vom Bundesfinanzminister einfach nicht beachtet worden ist.
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Hier sollte man doch einmal die Handhabung des außerordentlichen Haushalts des Bundes überprüfen. Wir wissen, daß der Herr Bundesfinanzminister in der Auswahl der Möglichkeiten zur Dotierung der Titel im außerordentlichen Haushalt rechtlich so handeln konnte, wie er es getan hat. Ich will gar nicht davon sprechen, daß es vielleicht aus Gründen des Taktes richtig gewesen wäre, sich bei einem so wichtigen Problem noch einmal mit dem Fachausschuß ins Benehmen zu setzen, sondern ich möchte nur andeuten, daß man sich in dieser Situation und nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, immerhin einmal ernstlich mit dem Gedanken beschäftigen muß, die Handhabung des außerordentlichen Haushalts in ihrer Technik, d. h. also die haushaltsrechtlichen Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung, einer Prüfung zu unterziehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat, glaube ich, schon einmal in einem Zusammenhang hier darauf hingewiesen, daß er sehr wohl von der Notwendigkeit der Hilfe für diese Industrien überzeugt sei und auch etwas tun wolle, nämlich eben Bürgschaften hergeben würde, um diese 100 Millionen DM in diesem Rahmen nun zum Zuge zu bringen. Zunächst einmal warten wir natürlich, Herr Bundesfinanzminister, auf eine entsprechende Vorlage, die bisher ja noch nicht eingegangen ist. Wir würden uns freuen, wenn sie bald käme, wenn wir also die Erhöhung des Bürgschaftsplafonds hier bald sehen würden. Aber darüber hinaus möchte ich doch sagen, daß Bürgschaften sicherlich zu einem großen Teil die Aufgabe übernehmen können, die wir mit der Bereitstellung der 100 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt erfüllen wollten, aber eben nur zu einem Teil, nicht in allen Fällen. Es gibt eine ganze Anzahl von Fällen, wo die betreffenden Werke gar nicht in der Lage sind, an den Kapitalmarkt heranzugehen.
({2})
Das wissen auch die Herren des Bundesfinanzministeriums. Gerade für diesen Teil muß man ja irgendwie eine Lösung finden, ganz unabhängig von der Situation, daß die Länder ja doch in der Vergangenheit Erhebliches getan haben und der Bund vielleicht dagegen etwas abfällt. Ich meine, es ist doch eine Aufgabe des Bundes, auf diesem Sektor etwas zu tun. Ich will der Deutlichkeit halber sagen, daß ich mich persönlich und meine Fraktion sich immer sehr darüber gefreut haben, daß die Bundesregierung eine große Zahl von zentral steuerbaren Mitteln aus anderen Quellen für diese Zwecke zur Verfügung gestellt hat. Das muß selbstverständlich erwähnt werden und ist sehr erfreulich gewesen. Aber immerhin glaube ich, daß in diesem Jahre über den außerordentlichen Haushalt wieder etwas getan werden muß, zumal ja
eben die Mittel im letzten Jahre und auch im vorletzten Jahre nicht geflossen sind.
Ich bitte Sie sehr, meine Damen und Herren, dem Antrag, der Ihnen als Umdruck 54 vorliegt, zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bender zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 55*).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorgelegten Änderungsantrag Umdruck 55 strebt meine Fraktion an, den Ansatz von 15 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt des Wirtschaftsministeriums für industrielle Forschung zu verdoppeln, also 30 Millionen DM anzusetzen.
Dieses Unterfangen mag etwas kühn erscheinen. Aber ich möchte sagen, daß die Zahlen beide tot sind, wenn man sie nicht in den richtigen Rahmen stellt.
Von den Ländern und vom Bund sind im Jahre 1948 für diesen Zweck etwa 280 Millionen DM und im Jahre 1952 etwa 500 Millionen DM ausgegeben worden. Aus der nichtöffentlichen Hand sind 1948 11 Millionen DM, 1952 76 Millionen DM gegeben worden. Aus ERP-Mitteln erhielt die Forschung seit dem Jahre 1951 etwa 43 Millionen DM. Es ist bemerkenswert, daß sich die Zuwendungen aus der nichtöffentlichen Hand in der Zeit von 1949 bis 1952 ungefähr auf das Siebenfache erhöht haben, während die Zuwendungen, die von den Ländern und vom Bund gegeben worden sind, nur etwa verdoppelt wurden. Diese Entwicklung ist um so bedenklicher, als die Aufwendungen, die für diesen Zweck in den Staaten gemacht werden, die mit uns im Außenhandelswettbewerb stehen, wesentlich höher sind, und zwar sowohl relativ wie absolut. Ich darf Ihnen zum Vergleich die Zahlen von USA und England sagen. In den Vereinigten Staaten werden jährlich pro Kopf der Bevölkerung für industrielle Forschung - ohne Atomforschung - 71 DM ausgegeben, in England 25 DM und bei uns 7,75 DM. Das bedeutet, in Prozenten ausgedrückt, in den USA 1,4 % des Volkseinkommens, in England 10/0 und bei uns 0,4 %. Meine Damen und Herren, man kann uns nicht sagen: Ihr seid ein armes Land, habt den Krieg verloren und habt deshalb nicht die Möglichkeit, so luxuriöse Forschung zu treiben, wie es die anderen Länder tun. Für uns ist die Forschung von heute viel mehr das Brot von morgen als für unsere Konkurrenzländer. Es ist notwendig, daß wir gerade deshalb, weil wir arm sind, für diesen Zweck höhere Ansätze, und zwar relativ und absolut höhere Ansätze ausbringen als unsere Konkurrenten auf dem Weltmarkt.
Warum meine Fraktion, der Gesamtdeutsche Block/BHE, sich dieser Sache besonders annimmt, dazu einige Worte. Die Heimatvertriebenen, die einen großen Teil unserer Wählerschaft stellen, sind nicht mit leeren Händen gekommen. Sie sind mit einem profunden industriellen Wissen und Können gekommen und haben es vermocht, in Westdeutschland wieder Produktionsstätten zu errichten und unser Exportpotential in einem Maße auszuweiten, das höchst beachtlich ist. Ich brauche nur die Namen Gablonz, Haida und Steinschönau
*) Siehe Anlage 9 Seite 934 B.
({0})
oder die Lausitzer Industrie und die Industrie des Glatzer Berglandes zu nennen und an die Instrumentenmacher aus Graslitz oder die Handschuhmacher aus Abertham zu erinnern. Alle diese Industrien und die in ihr Tätigen tragen dazu bei, daß der deutsche Export wieder Weltgeltung hat. Naturgemäß sind die neugegründeten Betriebe aber anfälliger als die ansässigen Betriebe. Sie haben deswegen ein besonderes Interesse daran, daß für die industrielle Forschung etwas getan wird, damit auch sie daran partizipieren können, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein. Meine Damen und Herren, vergleichen Sie einmal die Kurven der Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten. Sie werden im allgemeinen finden, daß die Kurve der Flüchtlingsarbeitslosigkeit steiler aufwärts geht als die der allgemeinen Arbeitslosigkeit. Es könnte sein, daß sich bei Konjunkturschwankungen, insbesondere bei irgendwelchen Krisenerscheinungen, das Wunder der Flüchtlingseingliederung als etwas darstellt, was gar nicht wunderbar ist, und daß die Flüchtlinge arbeitslos sind, während die Eingesessenen noch in einem höheren Prozentsatz in Arbeit stehen. Die Forschung von heute ist das Brot von morgen. Es ist ein echtes Anliegen, daß für alle, auch für die Heimatvertriebenen, das morgige Brot gesichert wird. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, unserm Antrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Es wäre wirklich eine dankbare Aufgabe, eine Rede über die Notwendigkeit und den Wert der wissenschaftlichen Forschung oder über die Notwendigkeit und den Wert einer Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Emsland halten zu dürfen. Es wäre sehr dankbar, eine Rede über Remontagekredite und über den Wiederaufbau der seinerzeit demontierten Betriebe halten zu dürfen. Es wäre verlockend, über die Liebe zum Handel und zum Gaststättengewerbe zu sprechen,
({0}) und es wäre sehr verlockend, über die eisenschaffende Industrie und eisenschaffende Arbeit und über alles, was dazu gegeben werden soll, zu sprechen. Es würde mich fast verlocken, aber, meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir uns viel kürzer fassen könnten und den Finanzminister auch nicht zu Wiederholungen zwingen brauchten, wenn wir das angehört hätten, was vorher kurz, klar und nüchtern gesagt worden ist.
Die drei Anträge Umdruck 55, Umdruck 29 und Umdruck 54 betreffend Remontagekredite, Emsland und wissenschaftliche Forschung im Betrage von insgesamt 135 Millionen DM beziehen sich auf den außerordentlichen Haushalt und verlangen dessen Ausweitung. Meine Herren, Sie wissen ganz genau, daß -der außerordentliche Haushalt durch Anleihen gedeckt werden muß, und die Wirtschaftskreise - jetzt ein offenes Wort! -, die die Anträge auf Ausweitung des außerordentlichen Haushalts stellen, sind es, die in ihrer Presse den Kampf gegen den Bund führen, weil er Anleihen auf dem Kapitalmarkt aufnimmt.
({1})
Meine Herren, so liegen die Dinge!
({2}) Seit Monaten und seit Jahren ist der Bundesfinanzminister Gegenstand von Angriffen, weil er an den Kapitalmarkt herangehen wolle, und dabei ist niemand in Deutschland so wenig an den Kapitalmarkt herangetreten wie der Bund. Der Bund hat eine Bundesanleihe im Betrage von 500 Millionen DM aufgenommen, von der 125 Millionen DM neues Geld gewesen sind, und landauf, landab Angriffe gegen die Bundesregierung - mit „öffentlicher Hand" ist ja immer die Bundesregierung gemeint -, sie schöpfe den Kapitalmarkt ab. Meine Damen und Herren, der Bundesfinanzminister schöpft den Kapitalmarkt nicht zugunsten des Bundes ab; aber wenn er den außerordentlichen Haushalt befriedigen will, muß er - das ist Sinn des außerordentlichen Haushalts - an den Kapitalmarkt herantreten.
({3})
Ich glaube mich mit dem Wirtschaftsminister einig, der ja, wie heute erwähnt ist, die Zuständigkeit für Geld und Kredit hat, daß Geld und Kredit nicht nur die private, sondern auch die öffentliche Finanzwirtschaft umfassen und daß es infolgedessen eine Spaltung in der Behandlung des Geld- und Kapitalmarktes nicht geben darf, weil ja dieselbe Wirtschaft, die an den Staat herantritt, um über den außerordentlichen Haushalt Hilfe zu bekommen, ein Interesse daran haben müßte, daß der Kapitalmarkt auch für diese Anleihen der soviel angegriffenen „öffentlichen Hand" zur Verfügung steht.
Ich darf daran erinnern, daß wir heuer einen außerordentlichen Haushalt im Betrage von rund 1500 Millionen DM aufgestellt haben. Ich habe hier im Plenum und im Haushaltsausschuß warnend darauf hingewiesen, daß es kaum möglich sein wird, diesen Bedarf des außerordentlichen Haushalts am Kapitalmarkt zu befriedigen. Das Institut für Finanzen und Steuern, das ja den Kreisen der großen Wirtschaft nahesteht, hat in den letzten Tagen dieselbe Überzeugung ausgesprochen und betont, daß es wahrscheinlich nicht möglich sein wird, auch unter günstigen Verhältnissen diese 1500 Millionen DM aufzubringen, Diese 1500 Millionen DM des außerordentlichen Haushalts sind bestimmt für Zwecke, deren Vordringlichkeit niemand bestreiten kann.
Meine Damen und Herren, ich möchte offen gestehen - hoffentlich schadet es den Mitgliedern des Haushaltsausschusses nicht, wenn ich das sage -, daß der Haushaltsausschuß nach meiner Überzeugung eine vorbildliche Arbeit geleistet hat, nicht nur in bezug auf Fleiß, sondern, worauf ich Wert lege, mit dem Verständnis und mit der Gewissenhaftigkeit, mit der er angesichts der vorhandenen Mittel das Vordringliche von dem weniger Vordringlichen zu scheiden wußte und dem Vordringlichen die vorhandenen Mittel zur Verfügung gestellt hat. Ich würde bitten, daß Sie bei Ihren Anträgen daran denken, daß hier schon Ihre eigenen Vertrauensleute das ganze Thema mit all den Fragen bereits geprüft haben und eine gewisse Rangfolge haben vornehmen können und mit mir der Überzeugung waren, daß der außerordentliche Haushalt über den Umfang, den er heute schon im Etat hat, nicht ausgedehnt werden kann, wenn wir nicht uns selbst, die Öffentlichkeit und die Kreise, für die die Anträge gestellt sind - verzeihen Sie das harte Wort -, anlügen wollen. Denn wir wissen doch, daß die Möglichkeit einer Überschreitung des außerordentlichen Haushalts nicht
({4})
besteht. Wenn wir trotzdem Anträge auf Überschreitung stellen, wissen wir genau, daß kein Bundesfinanzminister, gleichgültig wie er heiße, diese Anträge auch auszahlen kann. Da hilft keine Änderung der Reichshaushaltsordnung. Auch eine Änderung der Reichshaushaltsordnung kann keine Anleihen beschaffen. Wenn die Decke nicht reicht, dann muß zwischen Dringlichkeit und Vordringlichkeit unterschieden werden.
({5}) Deswegen bitte ich dringend, alle diese Anträge abzulehnen, weil sie der Wirklichkeit und der Pflicht zur Wahrhaftigkeit gegenüber der Öffentlichkeit nicht entsprechen.
Ich darf noch eine Bemerkung machen. Die Vorlage über die 200-Millionen-Bürgschaft des Bundes für die Remontagekredite ist im Bundesfinanzministerium im Entwurf längst ausgearbeitet worden und liegt zur Zeit im Bundeswirtschaftsministerium.
Nun ein Wort zum ordentlichen Haushalt. Ich darf mich hier genau so offen und klar mit Ihnen unterhalten. Erstens Umdruck 22. Ich kann es nicht als wirkliche Begründung anerkennen, wenn an den Steuerzahler - nicht der Finanzminister zahlt, die Steuerzahler zahlen - Forderungen zugunsten irgendeiner Gruppe mit der einzigen Begründung gestellt werden, daß eine andere Gruppe etwas erhalten habe.
({6})
Deswegen bin ich der Meinung, daß es keine Begründung des Antrags auf Umdruck 22 ist, darauf hinzuweisen, daß für das Handwerk schon ein ähnlicher Fonds zur Verfügung gestellt worden sei. Dabei bemerke ich, daß jeder, der die Dinge kennt, gegen diese Fondswirtschaft grundsätzliche Bedenken haben muß,
({7})
gerade in einer Zeit, in der wir den letzten Pfennig, den wir vom Steuerzahler erhalten, auch sparsam und zweckmäßig verwalten sollen. Alle diese Fonds bringen die Gefahr mit sich, daß Gelder nach Schema und nicht nach Zweckmäßigkeit vergeben werden.
({8})
- Meine Worte gelten jedem Unterzeichner, meine Worte gelten der Gesamtheit. Ich werde mich sowohl mit Regierungsparteien als auch mit der Opposition unterhalten müssen.
Zur Deckung ist vorgeschlagen worden, man möge den Zinsfonds von 50 Millionen auf 48,75 Millionen ermäßigen. Meine Damen und Herren, ich möchte betonen, ich halte es für nicht richtig und nicht verantwortlich, daß man mit gewissen Fonds jongliert und sagt: Da läßt sich immer noch streichen und noch etwas erreichen. Wir haben - ich muß sagen: mit den allerschwersten Bedenken - den Zinsfonds schon von 100 Millionen auf 50 Millionen gesenkt, weil sonst die Hilfe für Berlin, die Erhöhung des Bundeszuschusses für Berlin, nicht möglich gewesen wäre. Ich darf aber das Haus einmal auf etwas hinweisen. Es hat in der Öffentlichkeit auch zur Mode gehört, immer von den Kassenüberschüssen des Bundes zu reden, obwohl man genau gewußt hat, daß diese Kassenüberschüsse des Bundes bisher mit den rückständigen Besatzungskosten in gleicher Höhe oder nur einige Prozente darüber gelegen haben. Ich möchte vor der deutschen Öffentlichkeit feststellen: Das Bild hat sich gewandelt. Es ist so, daß die Kassenguthaben des Bundes heute um mehrere hundert Millionen unter den rückständigen Besatzungskosten liegen. Es ist also heute so, daß, wenn wir nicht diese rückständigen Besatzungskosten hätten, der Bund bereits einen offenen Kassenfehlbetrag aufweisen würde. Ich möchte das einmal feststellen; denn es ist bekannt, daß der Bund nicht in der Lage ist, über die rückständigen Besatzungskosten zu verfügen. Die rückständigen Besatzungskosten sind für ihn fremdes Geld. Wenn er das Geld zur Abdeckung dieser Verpflichtungen nicht zur Verfügung hat, besteht dieselbe Situation, wie wenn er seinen Kreditplafonds in der Höhe dieser Differenz in Anspruch genommen hätte. Bei dieser Lage muß damit gerechnet werden, daß der vorhandene Teil dieses Zinskontos von 50 Millionen DM verbraucht wird. Ich möchte davor warnen, darüber hinwegzugehen, und möchte Sie bitten - weil nach meiner Überzeugung kein Deckungsvorschlag gegeben ist -, den Antrag abzulehnen.
Nun komme ich zu einem Antrag, der an sich schon dadurch erledigt sein sollte, weil die Dekkungsgrundlage dieses Antrags bereits abgelehnt worden ist. Ich meine den Antrag auf Umdruck 30. Gestatten Sie mir aber auch dazu eine grundsätzliche Bemerkung. Was ich bisher gesagt habe, ging mahnend an die Regierungskoalitionsparteien. Was ich jetzt sage, geht ebenso mahnend an die Opposition. Meine Herren von der Opposition, vielleicht fasse ich die Aufgabe einer Oppostion falsch auf; aber ich bin der Meinung, die Oppositionsparteien müßten in der Zeit, wo sie Oppositonsparteien sind, das vertreten, was sie tun würden, wenn sie Regierungsparteien geworden wären. Sie müssen das, was sie heute vertreten, morgen als Regierungspartei tun können.
({9})
Jetzt eine Frage, meine Herren von der Opposition: Ich habe kurzerhand einmal die Anträge der SPD zu diesem Haushalt - der vorliegende Antrag ist der erste, dann kommt noch eine lange Reihe -, die von Ihnen gestellt werden, zusammengestellt und die Anforderungen zusammengerechnet. Die Ausgabenmehrung bei diesem Haushalt, die Sie heute beantragen, beträgt nach meiner Rechnung 2145 Millionen DM.
({10})
Meine Herren, glauben Sie, daß Sie, wenn Sie Regierungsverantwortung tragen würden und wenn Sie im Rahmen der Verfassung die Abgleichung des Haushalts durchführen müßten, wenn Sie vor dem deutschen Steuerzahler stünden und dem deutschen Steuerzahler eine Entlastung versprochen hätten, dann diese Anträge auf Mehrausgaben von 2145 Millionen DM stellen, vertreten und verantworten könnten?
({11})
Meine Herren, Sie haben einen einzigen Gegenvorschlag gemacht, nämlich den EVG-Beitrag um 1000 Millionen DM zu kürzen. Sie wissen genau, daß das ein Ding der Unmöglichkeit ist.
({12})
- Ja, es dreht sich um unsere Politik. Sie wissen
ganz genau, daß eine solche Aktion eine Bekun({13})
dung des deutschen Parlaments wäre, den Abschluß des EVG-Vertrags unmöglich zu machen. Und wenn Sie das als Gegenposten für die Ausgabe für die Luftschutzmaßnahmen einsetzen, - meine Herren, wenn der EVG-Beitrag nicht geleistet wird, wenn der EVG-Vertrag nicht zustande kommt, dann wird Deutschland das Schlachtfeld des nächsten Weltkriegs. Dann helfen uns keine Luftschutzmaßnahmen.
({14})
- Wir treiben die EVG-Politik um des Friedens willen. Das ist unsere Überzeugung.
({15})
Herr Minister, ich habe einen Deckungsvorschlag. Verkaufen Sie ein paar Dutzend Betriebe der öffentlichen Hand!
({0})
Ich darf dem Herrn einmal folgendes antworten. Suchen Sie mir einmal den Käufer für die Deutsche Bundesbahn, suchen Sie mir einmal den Käufer für die Deutsche Bundespost!
({0})
Dann darf ich Ihnen noch etwas sagen. Der Bund hat sich bereit erklärt, alle privatwirtschaftlichen Betriebe abzustoßen, aber gegen angemessenen Kaufpreis.
({1})
Sie können mir Leute bringen, die gerne einen Betrieb wollen. Es gibt Leute, die zu uns gekommen sind und einen Betrieb, der unter Brüdern mehr als 1 Million DM wert ist, für 100 000 DM erwerben wollten.
({2})
Bitte, gehen Sie einmal hin und sagen Sie mir, ob ich unter diesen Umständen das Problem mit einer Verschleuderung dieses Vermögens sollte lösen können.
({3})
- Ich verbitte mir diesen Vorwurf „Demagogie".
({4})
Ich erzähle ein Beispiel, das aktenmäßig nachzuweisen ist.
Meine Damen und Herren, ich möchte nur feststellen: 2145 Millionen DM Mehrausgaben können nicht verantwortet werden.
({5})
Ich werfe Ihnen nicht vor, daß Sie die Anträge aus Agitationsgründen stellten; denn das wäre eine schlechte Agitation gewesen. Der deutsche Steuerzahler, die deutsche Bevölkerung würde bei dieser Zahl von 2145 Millionen DM sagen: ich kann in solche Hände die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der finanziellen Ordnung nicht legen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat ein Wort ausgesprochen, das ich für meine Fraktion vorbehaltlos unterstreichen möchte. Er hat gesagt, jeder, der hier im Hause Anträge stelle, müsse sich bewußt sein, daß er sie eines Tages auch durchführen und zu ihnen stehen müsse, wenn er einmal selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen habe. Dazu stehen wir hundertprozentig.
({0})
- Zu dieser Auffassung haben wir immer gestanden.
({1})
Meine Damen und Herren, ich darf dann eine zweite Bemerkung machen. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns insgesamt Neuanträge von, ich glaube, etwas über 2 Milliarden DM vorgerechnet. Ich weiß nicht, wie diese Zahl von 2 Milliarden zustande kommt. Ich weiß nur, daß die Berechnungen des Herrn Bundesfinanzministers immer etwas komplizierte Wege gehen und daher nicht immer vorbehaltlos übernommen werden können. Aber ich möchte auf eines hinweisen. Der Ausgangspunkt für seine Bemerkung war der Antrag auf Umdruck 30. Dem Herrn Bundesfinanzminister wird nicht entgangen sein, daß das an sich der geringste Betrag ist und daß wir zugleich einen Deckungsvorschlag eingebracht hatten, der leider vom Hause abgelehnt worden ist. Ich glaube, es ist ein Zeichen von Verantwortung, wenn man Anträge stellt und sie zugleich mit den entsprechenden Deckungsanträgen versieht.
Ich darf weiterhin auf folgendes hinweisen. Unter den Anträgen befindet sich ein zweiter auf Bereitstellung eines Betrages von mehr als 1 Milliarde DM für Luftschutzmaßnahmen, bei dem wir
- vielleicht ist es dem Herrn Bundesfinanzminister entgangen - ebenfalls für die erforderliche Deckung Vorsorge getragen haben. Wir glaubten nämlich, diesen Betrag aus einem Titel entnehmen zu müssen, in dem er nicht so notwendig ist wie für den Luftschutz.
({2})
Aber ich möchte mich im übrigen, meine Damen und Herren - so reizvoll das wäre -, nicht persönlich an den allgemeinen Erörterungen über die Bundeswirtschaftspolitik beteiligen, sondern auf die Dinge eingehen, die mit den Fragen des Eisenerzbergbaues zusammenhängen.
Wir haben heute - man darf es wohl so nennen
- den Schwanengesang des Herrn Staatssekretärs des Bundeswirtschaftsministers über den Eisenerzbergbau gehört. Wenn ich mir die Situation unseres Kollegen Dr. Höck vorstelle, der gestern so mutig dafür eingetreten ist, solche „Almosen" von 4 Millionen abzulehnen, dann kann ich nur sagen, er muß eigentlich denken: Das war der Dank vom Hause Habsburg!
Meine Damen und Herren, das Problem des Eisenerzbergbaus ist zweifellos nicht einfach, und ich glaube, ich habe es mir auch in der Debatte gestern mit diesem Problem nicht einfach gemacht. Aber man sieht es doch wohl zu einfach, wenn man meint, der Rückgang der Eisen- und Stahlindustrie und die Entwicklung der Gestehungskosten müßten dazu führen, daß eben der deutsche Eisenerz({3})
bergbau in Zukunft nur in kleinstem Umfange betrieben werden könne und daß man sich mit dieser Tatsache ohne weiteres abzufinden habe.
({4})
So einfach liegen die Dinge im deutschen Eisenerzbergbau wirklich nicht.
({5})
Ich glaube auch nicht, daß das eine gute Formulierung ist, zu sagen, der Eisenerzbergbau könne nur noch im Rahmen des Möglichen durchgeführt werden. Man sollte vielmehr Untersuchungen gen darüber anstellen, was volkswirtschaftlich unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte wohl zweckmäßig wäre, und danach die Wirtschaftspolitik hinsichtlich des Eisenerzbergbaus einrichten.
({6})
Bei stärkeren Gruppen der Grundstoffindustrien, z. B. beim Kohlenbergbau, der sicherlich eine größere Durchschlagskraft hat, weiß man, daß man eine planmäßige Wirtschaftsführung betreiben muß und das Schicksal dieses Bergbaus nicht einfach von den Konjunkturschwankungen abhängig machen kann. Der Eisenerzbergbau ist eine schwache Position, das weiß jeder, und es ist wirklich keine gute Wirtschaftspolitik, ihn im wesentlichen seinem Schicksal zu überlassen, sondern es wäre Aufgabe der Wirtschaftspolitik, sich dieser Dinge anzunehmen.
({7})
Ich habe gestern schon mit Genugtuung festgestellt, daß die Kleine Anfrage 39 auf diese Notwendigkeit einer konstruktiven Einflußnahme der amtlichen Wirtschaftspolitik sehr deutlich hingewiesen hat. Ich möchte den Herrn Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministers auch bitten, sich doch noch einmal zu überlegen, ob es nicht wirklich eine Aufgabe des Bundeswirtschaftsministeriums wäre, in Zusammenarbeit mit den Länderwirtschaftsministern für eine Entwicklung zu sorgen, die eine planmäßige Führung des Eisenerzbergbaus zuläßt.
Sodann muß ich mich aber noch mit zwei Bemerkungen befassen, die Herr Kollege Dr. Höck gemacht hat, weil uns gerade im Interesse des Gebietes, für das wir ja beide eintreten, und zwar nicht nur, weil uns dieses Gebiet besonders am Herzen liegt, sondern aus gesamtvolkswirtschaftlichen Gründen die Argumentation höchst abträglich und unzweckmäßig erscheint. Ich glaube, es geht sehr weit, wenn man behauptet, das Gebiet an der Zonengrenze, das Salzgittergebiet, sei wirtschaftlich gesund und politische Gefahren bestünden dort nicht. Das ist ein großes Wort, sehr gelassen von Herrn Kollegen Dr. Höck ausgesprochen, entspricht aber zweifellos nicht ganz den Tatsachen.
({8})
- Ich habe sie mir notiert. Herr Kollege Dr. Höck hat das gestern gesagt; wir werden es ja vielleicht im Stenogramm feststellen können, was er tatsächlich gesagt hat.
({9})
Herr Kollege Dr. Höck, man sollte die Dinge etwas realistischer sehen, und da treffen wir uns wieder so ziemlich auf einem Boden, anders als bei dem, was der Herr Staatssekretär heute vorgebracht hat. In dem Grenzgebiet sind zweifellos Grundlagen für eine wirtschaftliche Gestaltung vorhanden, man muß die Probleme des Salzgittergebiets nur im Rahmen einer großzügigen konstruktiven deutschen Wirtschaftspolitik sehen.
({10})
Diese Grundlagen gilt es zu nutzen, und wir mähten mit Ihnen dahin wirken, daß das geschieht.
Aber, Kollege Dr. Höck, daß dort im Salzgittergebiet keine Schwierigkeiten politischer Art wären, ich glaube, das ist auch zuviel gesagt. Selbst wenn Sie meinen, durch eine 47 %ige Mehrheit der CDU bei den letzten Wahlen sei dort alles gesichert, Herr Kollege Dr. Höck, so wissen wir doch beide, was in diesem Gebiet gespielt wird und welche Infiltrationsversuche dort vor sich gehen. Ihnen kann nur begegnet werden, wenn wir in diesem Gebiet für gesunde soziale Verhältnisse sorgen, und da sollte man sich nicht ein gewichtiges Argument für die Zukunft einfach dadurch nehmen lassen, daß man behauptet, dieses Gebiet sei wirtschaftlich gesund und politisch nicht gefährdet.
Aber nun zu unserem Antrag. Ich glaube, aus meinen Darlegungen ist deutlich geworden, daß wir viel lieber gesehen hätten, man hätte sich frühzeitig mit wirklich aktiven Maßnahmen der Wirtschaftspolitik um dieses Problem des Eisenerzbergbaues gekümmert. Aber nachdem es nunmehr zu diesen Entlassungen gekommen ist - und 520 junge freiwillig Abgekehrte haben für dieses Gebiet ebenfalls ihre Bedeutung-, bleibt ja schließlich nichts anderes übrig, als dafür zu sorgen, daß die Folgen dieser Entwicklung möglichst gering gehalten werden.
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- Nein, ich antworte nur auf die Darlegungen, die der Herr Staatssekretär und der Herr Kollege Dr. Höck gemacht haben, zumal ich glaube, daß ein nicht unwesentlicher Unterschied zwischen den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Höck und den Überlegungen des Herrn Staatssekretärs besteht.
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- Herr Kollege, vielleicht darf ich kurz noch eines sagen. Der Kollege Dr. Höck hat dargelegt, es handele sich hier um Almosen. Ich weiß nicht, ob der Kollege Dr. Höck die entsprechenden Bestimmungen des Vertrages kennt.
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Nach diesen Bestimmungen handelt es sich nämlich nicht nur um soziale Hilfsmaßnahmen, sondern um Maßnahmen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, wenn Entlassungen vorgekommen sind, und zur Bereitstellung der erforderlichen Mittel für die Umschulung. Ich glaube nicht, daß man solche Maßnahmen als Almosen bezeichnen kann.
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({15})
- Herr Kollege Dr. Höck, zunächst einmal ist das der halbe Betrag, weil die andere Hälfte von der Hohen Behörde zur Verfügung gestellt wird. Zweitens haben wir in diesem Augenblick nur die Möglichkeit, für einen speziellen Zweck, nämlich für Anpassungsmaßnahmen für die etwa 2000 entlassenen Bergarbeiter, die es zur Zeit im Erzbergbau gibt, Beträge bereitzustellen. Diese Beträge reichen nach den üblichen Berechnungen der Hohen Behörde in etwa aus. Wenn Sie, Herr Kollege Dr. Höck, der Auffassung sind, daß größere Mittel für eine konstruktive Regelung der Fragen des Erzbergbaus notwendig sind, dann muß ich Sie bitten, den entsprechenden Antrag zu stellen. Können wir ihn als berechtigt anerkennen und sollte die erforderliche Deckung vorhanden sein, dann sind wir im Interesse des Eisenerzbergbaus gern bereit, einem solchen Antrag zuzustimmen.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind über die Art und Weise, in der der Herr Bundesfinanzminister eben die Opposition angegriffen hat, erstaunt.
({0})
Wir sind ganz besonders darüber erstaunt, daß er es nicht für notwendig gehalten hat, die Zahl von über 2 Milliarden in irgendeiner Form zu spezifizieren. Ich glaube, das wäre das mindeste gewesen, was er der deutschen Öffentlichkeit und der Sachlichkeit der Diskussion hier schuldig gewesen wäre.
({1})
Wir wundern uns weiter darüber, daß er dies hier anläßlich des Etats des Bundeswirtschaftsministers vorbringt. Ich glaube, eine sachliche Behandlung hätte es notwendig gemacht, daß man diese Dinge bei den Einzelplänen behandelt, wo sie auch wirklich hingehören. Unsere Sprecher werden das im weiteren Verlauf der Debatte auch tun und damit ihren Beitrag dazu liefern, daß die Dinge in wirklich sachlicher Form diskutiert werden.
Nun, ich bin dem Herrn Dr. Preusker dankbar, daß er es mir abgenommen hat, zu den Ausführungen des Herrn D r. Hellwig bezüglich meiner Ausführungen zur Abwesenheit des Bundeswirtschaftsministers Stellung zu nehmen. Hier lag of f en-bar ein klares Mißverständnis vor. Ich habe das, worauf sich Herr Dr. Hellwig bezogen hat, überhaupt niemals gesagt, wie er selbst an Hand des Protokolls wird feststellen können.
Nun zum Kartellgesetz. Ich bedaure es lebhaft, daß wir im Laufe der Debatte nicht gehört haben, wann denn nun wirklich das Kartellgesetz eingebracht werden wird. Diese klare Frage habe ich ja gestellt und leider keine Antwort darauf bekommen.
Von einzelnen Rednern der Koalition ist im Laufe der Aussprache kritisiert worden, daß wir nicht klar genug zum Ausdruck gebracht hätten, was wir auf dem Gebiet der Wettbewerbsordnung denn wollten. Mich wundert das sehr. Ich möchte aber den Kollegen, die daran Zweifel haben, einmal in einigen Sätzen kurz sagen, was unser Standpunkt ist. Die SPD ist nach wie vor lebhaft an einem Gesetz interessiert, das sowohl die berechtigten Interessen der Hersteller und des Handels auf der einen Seite als auch die der Verbraucher auf der andern Seite in wirtschaftlich und sozial gerechter Weise gegeneinander abgewogen sicherstellt.
({2})
- Ich werde das gleich noch konkreter formulieren. Wir stehen weiter auf dem Standpunkt, daß im Rahmen eines solchen Grundsatzes der echte Leistungswettbewerb so viel Spielraum haben muß, als er in der Lage ist, ein solch gesundes Gleichgewicht herzustellen. Wir wissen aber auch, daß der Leistungswettbewerb allein das nicht überall fertigbringt und deshalb in bestimmten Bereichen eine gewisse Ordnung, eben eine Wettbewerbsordnung, notwendig ist.
Damit komme ich allerdings auf einen wesentlichen Unterschied gegenüber den Vorstellungen zu sprechen, wie sie von den Kreisen um Herrn Berg vertreten werden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die praktische Ausgestaltung einer solchen Wettbewerbsordnung nicht nur einen Teil der Interessengruppen, die am Markt beteiligt sind, überlassen werden darf, sondern daß für diese Wettbewerbsordnung sehr konkrete, gesetzliche Bestimmungen und außerdem Instanzen maßgebend sein müssen, die der Allgemeinheit verantwortlich sind. Ich glaube, daß das eine ziemlich klare Definition unseres Standpunktes ist.
Es ist nun gesagt worden, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister j a vielfach selber eine andere Meinung als die Koalitionsparteien vertrete. Uns ist es durchaus bekannt, daß das so ist. Wir sind natürlich nicht in allen Einzelheiten über diese Meinungsverschiedenheiten so unterrichtet wie Sie, meine Herren von der Koalition. Ich möchte aber eines klar zum Ausdruck bringen. Wenn wir die Wirtschaftspolitik kritisieren, kritisieren wir doch nicht nur den Bundeswirtschaftsminister, sondern die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Da können wir uns nicht auf sehr genaue Differenzierungen einlassen, die uns j a auch im einzelnen nicht so bekannt sind.
Herr D r. Preusker hat von den Zonenrandgebieten und einer Belebung der Wirtschaft in diesen gesprochen. Ich hätte es natürlich außerordentlich begrüßt, wenn er sich da etwas konkreter ausgedrückt hätte. Bis zu uns sind Nachrichten über eine wirklich merkliche und befriedigende Belebung noch nicht gedrungen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch unsere große Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen - das wird ja, wie gesagt, noch im einzelnen gelegentlich der Beratung des Finanzplans zur Sprache kommen -, daß der Bundesfinanzminister die 120 Millionen für die Zonenrandgebiete, die wir für dringend notwendig halten, an die Zustimmung der Länder zu einer Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer gekoppelt hat. Das kommt doch praktisch einer Streichung dieses Betrages gleich.
({3})
Ich glaube, daß wir da die allergrößten Befürchtungen haben müssen.
Wenn jetzt von einem Ergänzungshaushalt gesprochen wird, so können wir dazu nur sagen: ein solcher Ergänzungshaushalt ist uns noch nicht bekannt, und wir sind sehr begierig, ihn baldmöglichst kennenzulernen; wir würden uns außerordentlich freuen, wenn in diesem Nachtragshaushalt diese 120 Millionen DM für die Zonenrandgebiete enthalten und durch die Vorschläge des Bundesfinanzministers auch sichergestellt wären.
({4})
Nun noch ein paar Worte zu dem, was Herr Staatssekretär D r. Westrick über den Anteil der Löhne und Gehälter am Sozialprodukt und den Anteil der Unternehmereinkommen am Sozialprodukt gesagt hat. Dieses Problem hat uns ja schon vor Jahren hier beschäftigt. Ich begrüße es außerordentlich, daß vorhin gesagt worden ist, man solle doch solche statistischen Betrachtungen nicht immer so kurzfristig machen. Wir haben uns - ich glaube, im Jahre 1951 oder 1952 - schon einmal damit befaßt. Ich war damals in der Lage, nachzuweisen, daß seit der Währungsreform bis 1951/52 der Anteil der Löhne und Gehälter am Sozialprodukt nicht im Steigen, sondern im Fallen begriffen war. Mir ist durchaus - auch aus den statistischen Zahlen - bekannt, daß sich die Entwicklung im Jahre 1953 wieder umgekehrt hat. Das begrüße ich, aber ich möchte darauf hinweisen, daß es sich dabei im wesentlichen nur um eine Nachholung gegenüber einer sehr nachteiligen früheren Entwicklung für die Lohn- und Gehaltsempfänger gehandelt hat. Diese Gruppen haben bis heute noch nicht den Anteil am Sozialprodukt erreicht, den sie vor dem Kriege hatten. Ich habe auch die Befürchtung, daß sich die neue Steuerreform, wenn sie in der vom Bundesfinanzminister vorgeschlagenen Form durchgeführt wird, wieder in ungünstiger Weise auf den Anteil der Lohn- und Gehaltsempfänger auswirkt.
In diesem Zusammenhang wird Sie vielleicht interessieren, was der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums im Januar zu diesen Dingen gesagt hat. Er hat - und darauf möchte ich Herrn Dr. Westrick hinweisen, und es steht in klarem Gegensatz zu dem, was er hier vorgetragen hat - dargelegt, die Lebenshaltung der Bevölkerung habe bei uns noch bei weitem nicht das Niveau in vergleichbaren Volkswirtschaften der westlichen Welt erreicht. Der Beirat hat weiter eine Senkung der Einkommensteuersätze gerade in den unteren Einkommensstufen, und damit eine Hebung des Konsums besonders empfohlen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Scheel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemerkungen des Herrn Finanzministers zu Umdruck 54 veranlassen mich, einiges dazu zu sagen. Er hat festgestellt, dieser Antrag sei offensichtlich aus Kreisen gestellt worden, die ihn sonst wegen der Inanspruchnahme des Kapitalmarkts beschimpften, die also seine starke Inanspruchnahme angriffen.
Nun handelt es sich bei diesem Ansinnen nicht etwa um den Wunsch, Kredite zugunsten nur der Werke zu bekommen, sondern hier liegt eine anerkannte volkswirtschaftliche Aufgabe vor. Zweitens ist erwiesen, daß in vielen Fällen Mittel des normalen Kapitalmarkts nicht in Anspruch genommen werden können. Ich freue mich aber darüber, daß der Herr Finanzminister die Priorität des Investitionsbedürfnisses der Wirtschaft am Kapitalmarkt anerkennt. Nur wundert es mich dann, daß in den vergangenen zwei Jahren gerade die beiden Titel aus seinem außerordentlichen Haushalt herausgefallen sind, die nachweislich ausschließlich Investitionen in der Wirtschaft dienten. Das wundert mich einigermaßen.
Nun noch ein letztes Wort! Ich bin mir darüber im klaren, daß mit der Reichshaushaltsordnung keinerlei Kapital anzusammeln ist. Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, Sie haben mich - gelinde ausgedrückt -, mißverstanden, wenn Sie es so aufgefaßt haben. Aber ich bin mir im klaren, daß man mit der Reichshaushaltsordnung zumindest Prioritäten regeln kann. Darauf kam es mir an.
Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Schäffer: Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst nur die Frage beantworten, die der Herr Vertreter der Fraktion der SPD an mich gerichtet hat. Er hat gefragt, wie ich zu der Auffassung komme, die Anträge der SPD erforderten 2154 Millionen DM, denen höchstens ein fiktiver Deckungsvorschlag von 1000 Millionen DM gegenüberstehe. Ich darf einmal - ich hoffe das Haus nicht zu langweilen - eine Zusammenstellung der Anträge geben, soweit sie mir schon bekannt sind. Ob noch andere hinzukommen, weiß ich nicht.
Ich nehme nur die bekannten. Einzelplan 10 Einfügung eines neuen Titels 40 Millionen DM; Einzelplan 10 Kap. 1012 Tit. 650 0,1 Millionen DM; Einzelplan 10 Kap. 1002 Tit. 650 40 Millionen DM. Einzelplan 06 Kap. 0602 Tit. 640 0,5 Millionen DM; Einzelplan 06 Kap. 0617 beantragt neuer Tit. 302 1 Milliarde DM; dann Kap. 0635 Tit. 300 1,4 Millionen DM, glaube ich. Dann Einzelplan 25 Kap. 2501 beantragt Einfügung eines neuen Titels mit 20 Millionen DM. Einzelplan 11 betreffend Schuldverschreibungen 262 Millionen DM. Einzelplan 40 Kap. 4009 Tit. 300 250 Millionen DM. Einzelplan 40 Kap. 4009 zahlenmäßig noch nicht zu berechnen. Einzelplan 45 90 Millionen DM. Dann kommt Kap. 4007 Tit. 340 gleich 450 Millionen DM. Ich bitte zu addieren, das ergibt die runde Zahl von 2150 Millionen DM; die Hunderttausender darf ich ausschalten. Dem steht praktisch gegenüber der Antrag, den EVG-Beitrag um 1000 Millionen DM zu kürzen, was ich als einen fiktiven und nicht realisierbaren Antrag bezeichne.
Der Herr Abgeordnete Ritzel wünscht eine Zwischenfrage zu stellen.
Ich habe eine Frage an den Herrn Finanzminister. Vielleicht ist der Herr Finanzminister so freundlich, dem Hause eine gleiche Zusammenstellung der Anträge aus den Kreisen der Regierungskoalition mit Angabe der Summe bekanntzugeben.
Das kann ich machen, soweit die Anträge mir bisher bekannt sind. Ich rede nur vom ordentlichen Haushalt. Für den ordentlichen Haushalt ist es der Antrag, über den wir jetzt sprechen. Insgesamt werden es 4 bis 5 Millionen DM sein.
Herr Abgeordneter Neumann wünscht eine Zwischenfrage.
Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt, daß die im Einzelplan 45 von ihm genannten 90 Millionen DM zweckbestimmte Steuer Notopfer Berlin sind?
Es handelt sich darum, ob es eine Haushaltsverschlechterung ist oder nicht.
({0})
Wenn der Bundeszuschuß um 90 Millionen DM
erhöht wird, ist es eine Haushaltsverschlechterung.
({1})
Und wenn das Berliner Notopfer bisher Berlin ohnehin, sei es über Bundeszuschuß, sei es über andere Zwecke, voll zugute kommt, ist aus dem Berliner Notopfer nichts mehr da; es muß also von anderer Seite aufgebracht werden.
Herr Bundesfinanzminister, ich glaube, diese Angabe ist nicht ganz richtig. Wir werden uns morgen bei der Behandlung des Einzelplans 45 darüber unterhalten müssen.
Jawohl, und Sie werden sich morgen überzeugen, daß meine Angaben „ganz richtig" sind.
({0})
Das wollen wir abwarten.
Nun darf ich noch dem Herrn Kollegen Scheel kurz wegen der Remontagekredite antworten. Ich glaube, es liegt bei Ihnen jetzt ein kleines Mißverständnis vor. Ich habe erklärt, daß bei dem Verbrauch der Anleihemittel, die für den außerordentlichen Haushalt zur Verfügung stehen, nach einer Dringlichkeitsliste vorgegangen werden muß. Lassen Sie mich in runden Zahlen sprechen. Wir haben im außerordentlichen Haushalt 567 Millionen DM allein für Wohnungsbau. Sind die vordringlich? Ja! Wir haben 500 bis 600 Millionen für Brücken, Straßen, Kanäle, also für Verkehrsbauten. Sind die vordringlich? Ja! Wenn wir schon einmal über die 1 000 Millionen DM in der Vordringlichkeit einig sind, lesen Sie bitte die Liste der anderen Posten nach, Sie werden mir zugeben, daß auch die anderen Posten alle als vordringlichst zu bezeichnen sind. Es tut mir leid - Haushaltsordnung hin, Wünsche der Wirtschaft her -, der außerordentliche Haushalt kann nicht weiter ausgedehnt werden. Ich habe davor gewarnt, vor der Öffentlichkeit falsche Hoffnungen zu erwecken. Wir würden, wenn wir solche Anträge befürworteten und annähmen, wirklich in den Verdacht kommen, kein offenes Spiel zu spielen. Deswegen bitte ich Sie, sich damit zu begnügen, daß das Mögliche geschieht und der Bund die Bereitschaft, 200 Millionen DM Bürgschaft zur Verfügung zu stellen, gegeben hat. Damit kann der Bedarf gedeckt werden, und die private Wirtschaft wünscht ja selbst im Gedanken der freien Wirtschaft sich möglichst aus eigenen Kräften auf dem privaten Kapitalmarkt zu behelfen.
Herr Abgeordneter Ritzel zu einer Zwischenfrage.
Glaubt der Herr Finanzminister nicht mit uns, daß es für das deutsche Volk lebenswichtig ist, die von uns verlangte eine Milliarde für den Luftschutz des deutschen Volkes zu Lasten der vielen Milliarden für den EVG-Beitrag bereitzustellen?
Ich erkläre lediglich, was ich vorhin erklärt habe, und deswegen war die Frage etwas überflüssig.
({0})
Ich habe erklärt: es ist unmöglich, in diesem Parlament heute den Beschluß zu fassen, den EVG-Beitrag um 1000 Millionen zu kürzen, weil Sie ganz genau wissen, was die politischen Folgen eines solchen Entschlusses des deutschen Parlamentes wären. Das wäre keine Haushalts-, das wäre eine politische Demonstration. Und ich habe weiterhin erklärt: wenn wir den EVG-Vertrag nicht schließen, wenn der Schutz Europas gegen die drohende Gefahr nicht geschaffen wird, dann brauchen wir keine Luftschutzmaßnahmen mehr!
({1})
Sieht der Herr Bundesfinanzminister demnach den Schutz des deutschen Volkes vor den Folgen eines etwaigen Angriffs aus dem Osten für weniger wichtig an als die aktive Bereitstellung von Mitteln für den EVG-Vertrag?
({0})
Der Herr Bundesfinanzminister wünscht offenbar nicht mehr zu antworten.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die
Besprechung zu dem Einzelplan 09.
Zur Abstimmung wünscht Herr Abgeordneter Lange das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, über den Änderungsantrag auf Umdruck 22 zu a und b getrennt abzustimmen. Wir sind bereit, dem Buchstaben a zuzustimmen mit der Maßgabe, daß die von dem Begründer dieses Antrags aufgezählten fünf Positionen als die entscheidenden in die Erläuterung zu diesem Titel hineingenommen werden.
Ich darf annehmen, daß gegen die Teilung der Abstimmung keine Bedenken bestehen. - Von seiten der Antragsteller keine Bedenken.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über Umdruck 22*). Das ist der Änderungsantrag, zu dem getrennte Abstimmung beantragt wurde.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 22 Buchstabe a, mit dem ein neuer Tit. 601 a gewünscht wird. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Umdruck 22 Buchstabe b bezüglich eines neuen Tit. 601b. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das scheint mir nicht die Mehrheit zu sein;
({0})
der Antrag ist abgelehnt. Damit ist Umdruck 22 in der Einzelabstimmung erledigt.
Ich komme zu Umdruck 30**). Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der Fraktion der SPD betreffend einen neuen Titel in Kap. 0902 zuzustimmen wünschen; eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Umdruck 54***) -Antrag der Abgeordneten Scheel und Genossen betreffend Tit. 530 in Kap. A 0901. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen,
*) Siehe Anlage 2 Seite 930 A. **) Siehe Anlage 4 Seite 931 B. ***) Siehe Anlage 8 Seite 934 A.
({1})
eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu Umdruck 29 ({2})*)-Änderungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Förderung der gewerblichen Wirtschaft im Emsland. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Antrag der Fraktion des GB/ BHE Umdruck 55**). Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Umdruck 47***), Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Über die Anträge auf Umdruck 31 und Umdruck 52 wird nach unserer Übung erst in der dritten Beratung abgestimmt, da es Entschließungsanträge sind.
Sämtliche Änderungsanträge sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses - Drucksache 359 -, zunächst zu Ziffer 1 betreffend den Einzelplan 09. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit Mehrheit angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die die Anträge der Abgeordneten Ritzel und Dr. Arndt und Genossen für erledigt erklären wollen - Ziffern 2 und 3 der Drucksache 359 -, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit ist der Einzelplan 09 erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum
Einzelplan 02 - Haushalt des Deutschen
Bundestages ({3}). Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rösch. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Einzelplan 02 wurde vom Vorstand des neuen Deutschen Bundestages nach dessen Zusammentritt festgestellt. Der Feststellung ging die Beratung der Verwaltungsvorlage in verschiedenen Sitzungen durch eine vom Vorstand gebildete Unterkommission voraus. Hierauf fand eine Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium statt, und schließlich hat der Haushaltsausschuß sich dann noch veranlaßt gesehen, einzelne Kürzungen vorzunehmen.
Im Gesamten schließt der Haushalt 1953 mit einem Zuschußbedarf von 16,9 Millionen DM ab, der Haushalt 1954 dagegen mit einem Gesamtzuschuß von rund 22,5 Millionen DM. Diese Erhöhung ergibt sich aus der Erhöhung der Zahl der Abgeordneten, der Erweiterung der Baulichkeiten und der hierdurch bedingten Personalvermehrung. Dazu entstehen für das Rechnungsjahr 1954 außerdem noch Ausgaben für die Bundesversammlung, die bei Kap. 0203 besonders ausgebracht sind.
In den Einnahmen ist im Vergleich zum Jahre 1953 keine wesentliche Änderung eingetreten.
*) Siehe Anlage 3 Seite 931 A. **) Siehe Anlage 9 Seite 934 B. ***) Siehe Anlage 6 Seite 932 B.
Zu den Personalausgaben ist folgendes zu bemerken: Die Ausgaben für Personal betrugen im Rechnungsjahr 1953 nahezu 3,9 Millionen DM; sie .betragen im Rechnungsjahr 1954 5,3 Millionen DM. Das hat folgende Ursache: Im Haushalt 1954 ist erstmals die 20%ige Erhöhung der Gehälter der Beamten und Angestellten berücksichtigt. Die weitere Erhöhung des Haushaltsansatzes ergibt sich aus der Vermehrung des Personalstandes, im wesentlichen hervorgerufen durch die Vergrößerung der Gebäude, und dies alles im Zusammenhang mit der Erhöhung der Abgeordnetenzahl. Die Zahl der insgesamt Beschäftigten belief sich im Haushalt 1953 auf 654, im Haushalt 1954 beträgt sie 747. Das ist eine Steigerung um 93 Beamte, Angestellte und Arbeiter. Von diesen 93 Kräften entfallen 46 auf den einfachen Dienst - Lohnempfänger, Amtsgehilfen, Kanzleiassistenten -. Die Erhöhung der Zahl der Beamten und Angestellten des mittleren Dienstes, also bis zur Gruppe A 5 b bzw. VIa der TO.A, ausgenommen die Gruppen A 10 und A 9, die ich vorhin schon erwähnt habe, beläuft sich auf 31 Kräfte. Das sind insgesamt 77 Kräfte. Die übrigen 16 Kräfte entfallen auf den gehobenen und höheren Dienst.
Von diesen Kräften sind 9 für den bisher noch nicht abgeschlossenen Ausbau der Abteilung III vorgesehen. Die restlichen 7 Kräfte des gehobenen und des höheren Dienstes sind zur notwendigen Verstärkung der Abteilungen I und II sowie der Vorprüfungsstelle und eine Stelle für das Vorzimmer des neuen Vizepräsidenten vorgesehen. Die Erhöhung der übrigen persönlichen Titel des Haushalts ergibt sich zwangsläufig aus der Erhöhung der Zahl der Beschäftigten.
Zu den Sachausgaben habe ich folgendes zu erwähnen. Der Ansatz für 1953 betrug 2,4 Millionen. Der Ansatz im Haushalt 1954 ist mit 3,2 Millionen veranschlagt. Auch die Erhöhung der Geschäftsbedürfnisse ist eine Folge der Vermehrung der Abgeordnetenzahl. Ferner entstehen durch die Unterhaltung und Bewirtschaftung der um 30 % vergrößerten Gebäulichkeiten des Bundestags größere Kosten. Weiterhin vergrößern sich die Kasten für Fernmeldegebühren, die Unterhaltung der Bücherei und die Unterhaltung des Kraftfahrzeugparks - durch Erweiterung der Anzahl der Kraftfahrzeuge - sowie durch Vornahme von kleinen baulichen Ergänzungen, z. B. auf Grund der feuerpolizeilichen Auflagen für die im Jahre 1949 übernommenen und erstellten Gebäude.
Bei den allgemeinen Ausgaben hat der Ansatz für 1953 10,4 Millionen betragen; er beträgt für 1954 13,3 Millionen. Die Erhöhung der allgemeinen Ausgaben ergibt sich zwangsläufig aus der Erhöhung der Abgeordnetenzahl. Aufwandsentschädigungen, Tagegelder, Fahrkosten der Abgeordneten, Fraktionszuschüsse, Unfallversicherung usw. sind hier einbegriffen. Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang, daß der Haushaltsausschuß dem Vorschlag des Bundestagsvorstandes gefolgt ist und die Mittel für die Einführung von Jugendgruppen in die Arbeit des Parlaments verdoppelt hat. ({0})
Bei den einmaligen Ausgaben hat der Ansatz für 1953 160 000 DM betragen; er beträgt für 1954 667 000 DM. Aus diesen Mitteln sind vorgesehen die Anschaffung von vier weiteren Kraftwagen - ebenfalls notwendig geworden durch die Erhöhung der Abgeordnetenzahl -, die erstmalige Anschaffung von Einrichtungen für neue Arbeitszimmer von Abgeordneten und Verwaltungs({1})
angehörigen, notwendige Anschaffungen für die Ausstattung der Bibliothek und des Archivs sowie die Anschaffung von Schreib- und Vervielfältigungsmaschinen usw.
Da im Laufe des Jahres 1954 wegen der notwendig werdenden Wahl des Bundespräsidenten die Bundesversammlung einberufen werden muß, ist hierfür bei Kap. 0203 ein Betrag von 210 000 DM eingesetzt. Dieser Ansatz ist nach den Erfahrungen der Bundesversammlung von 1949 festgelegt worden.
Ich darf Sie im Auftrag des Haushaltsausschusses bitten, dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 352 Ihre Zustimmung zu geben.
({2})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Herr Abgeordneter Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 02 - Haushalt des Deutschen Bundestages - mit einem Zuschuß von 22,7 Millionen wurde uns bei der ersten Beratung nur in vier grob geschätzten Globaltiteln ohne Aufgliederung und Erläuterung vorgelegt. Der aufgegliederte Haushaltsplan und der Organisations- und Stellenplan wurden den Abgeordneten am Ende einer parlamentsfreien Woche, am Samstag, dem 20. März, in die Fächer gelegt, und am 24. März fand im Haushaltsausschuß die Beratung statt. Am Tage vorher war zwischen dem Vorstand des Bundestages und dem Finanzminister ein Kompromiß abgeschlossen worden; der Finanzminister hätte sonst nach § 21 Abs. 4 der Reichshaushaltsordnung eine Doppelvorlage eingebracht. Das hat keinen guten Eindruck gemacht. Der Bundestag sollte in Zukunft darauf halten, mit gutem Beispiel voranzugehen; denn sein Haushaltsplan läßt sich ja wesentlich einfacher aufstellen als die Haushaltspläne der großen Ministerien. Die Differenzen, die zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundestag bestanden haben, lagen darin, daß der Bundestag eine ganze Reihe von Stellen gefordert hat, denen der Herr Finanzminister widersprechen zu müssen glaubte. Der Haushaltsausschuß hat über den am 23. März erzielten Kompromiß hinaus einige Neuanforderungen von Stellen gestrichen. Er hat dabei die Tendenz deutlich werden lassen, seinen eigenen Apparat nicht zu groß aufzuziehen oder gar aufzublähen. Der Haushaltsausschuß hat sich auch gegen Verbeamtungen von Stellen gewendet, bei denen ein Grund zur Verbeamtung nicht gegeben war oder, wie ich ausdrücklich sagen möchte, noch nicht gegeben war.
Die zweite Beratung des Haushaltsplans des Deutschen Bundestages findet vor nur mäßig besetztem Hause statt. Dabei hätte doch der 2. Deutsche Bundestag allen Grund, über sich selber nachzudenken.
({0})
Das Wahlergebnis vom 6. September vorigen Jahres hat die extremen Gruppen ausgeschaltet und hat dadurch die Möglichkeit zu ungestörter sachlicher Arbeit gegeben. Wir sollten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Außerdem ist es dem Herrn Bundeskanzler gelungen, durch Ausweitung seines Kabinetts sich eine Zweidrittelmehrheit im
Bundestag zu sichern; man kann schon fast von einer Gefolgschaft sprechen.
({1})
- Was das mit dem Haushalt des Bundestages zu tun hat, Herr Arndgen, werden Sie gleich sehen. Ich finde nämlich, daß hierin eine Gefahr für die Arbeit des Parlaments liegt, weil sie das notwendige Wechselgespräch zwischen den Parteien und Gruppen des Parlaments beeinträchtigen kann.
({2})
- Da ist Gebrauch gemacht worden, aber wir haben ja in den letzten Monaten sehr viel weniger Plenarsitzungen gehabt, als das früher der Fall war, und wir haben im ganzen die Arbeit des Bundestages, glaube ich, etwas langsamer betrieben als früher.
({3})
- Ich glaube nicht, verehrter Herr Horlacher, daß die Wähler durch ihre Wahl nicht soviel Gespräche gewollt haben; ich glaube, daß die Wähler durch ihre Wahl sachliche Arbeit im Bundestag gewollt haben,
({4})
und im Parlament kann die sachliche Arbeit nur durch das Parlamentieren erreicht werden. - Wenn Herr Kunze sagt „Darum haben sie uns ja gewählt", dann sage ich: uns haben sie auch gewählt!
({5})
Wir sind gewählt, damit wir die Rolle der Opposition in diesem Hause wahrnehmen können,
({6})
und die Opposition spielt im Bundestag eine wichtige Rolle. Herr Arndgen, ob die Opposition ihre Rolle richtig wahrnimmt, das werden wir im Laufe der Zeit sehen; ich glaube, sie hat sie bisher durchaus richtig wahrgenommen.
Wer nun eine stärkere Initiative der Regierungsparteien bei der Gesetzgebung erwartet hat, der hat sich geirrt. Ganz offensichtlich ist nämlich die Gesetzesinitiative noch stärker auf die Bundesregierung, also auch auf die Exekutive, übergegangen, als das bisher schon der Fall war.
Schon der 1. Bundestag war charakterisiert durch die übermächtige Stellung des Herrn Bundeskanzlers.
({7})
Meine Damen und Herren, es handelt sich um Lautsprecherstörungen, es knistert nicht im Gebälk.
Also, es handelt sich nach der Meinung des Herrn Präsidenten um technische Störungen, nicht um ein Knistern im Gebälk des Bundestages. Denn das Haus ist ja neu und schön errichtet worden; es wird schon nicht zusammenbrechen. Sorgen wir dafür, daß es hier bei uns in
({0})
Ordnung ist. Darum wollen wir ja etwas miteinander erörtern, was uns alle angeht.
({1})
- Doch, heute, Herr Kunze!
({2})
- Herr Kunze, durch die Zwischenrufe, die von Ihrer Seite gemacht werden, wird ja das Verfahren wahrhaftig nicht beschleunigt. Warten Sie doch bitte ab, was ich dazu zu sagen habe. Ich habe gesagt, daß im 1. Bundestag bereits der Herr Bundeskanzler - ({3})
Meine Damen und Herren, Sie brauchen nur keine Zwischenrufe zu machen; dann kann man es schon verstehen.
Ich habe gesagt - jetzt sage ich es zum drittenmal -, daß der Bundeskanzler im 1. Bundestag bereits eine übermächtige Stellung hatte. Im 2. Bundestag herrscht er autoritär.
({0})
- Wenn ich sage, er herrscht autoritär, so sage ich damit nicht, daß er eine totale Diktatur ausübt. Die Diktatur ist seinen Koalitionsfreunden gegenüber durch wohlwollendes Überhören der Einwände etwas gemildert, das gebe ich Ihnen zu.
({1})
Auf die Opposition nimmt er keine Rücksicht mehr.
({2})
- Sie sagen, das sei unerhört. So ist es doch! Und Sie sehen ja auch, wie vorhin der Herr Bundesfinanzminister, der gern als der zweitstärkste Mann des Kabinetts bezeichnet wird, mit dem Bundestag umgegangen ist.
({3})
Sie haben ja gehört, welche Zensuren er ausgestellt hat, Sie haben gehört, was er zur Opposition gesagt hat. Das geht doch über den Rahmen dessen hinaus, was ein Regierungsvertreter sagen kann. Und' der Herr Präsident sagte - ich habe es mir notiert -: „Der Herr Bundesfinanzminister wünscht offensichtlich nicht mehr zu antworten", wohlgemerkt auf eine klare Frage, die von einem meiner Freunde gestellt war - und das gehört zur Debatte über den Deutschen Bundestag -, und er bekam hierfür aus den Reihen der Koalitionsparteien lebhaften Beifall.
({4})
Das ist Grund genug, daß wir über uns nachdenken sollten.
Das Schwergewicht der Gesetzgebung ist also in diesem Bundestag entgegen dem Sinn des Grundgesetzes noch stärker auf die Exekutive verschoben worden. Verfassungsrechtlich hat das Parlament ebenso das Recht zur Gesetzgebungsinitiative wie die Bundesregierung. Man kann sicher der Auffassung nicht beipflichten, die kürzlich in den „Abhandlungen für öffentliches Recht" aus der Reihenfolge in Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes „Gesetzesvorlagen werden beim Bundestag durch die Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht" auf eine Rangfolge schließen wollte. In Wirklichkeit - das ist eine Tatsache-- werden etwa neun Zehntel aller Gesetzentwürfe von der Regierung eingebracht.
Ich bin der Meinung, daß sowohl die Opposition wie die Koalition vom Recht der Gesetzesinitiative stärker Gebrauch machen sollte. Sonst droht schwere Gefahr für den gesamten Parlamentarismus und die Demokratie in der Bundesrepublik. Wenn das so weitergeht, was gestern und heute hier geschehen ist, dann, glaube ich, behauptet man nicht zuviel, wenn man sagt, daß das Parlament dabei ist, sich selber zu entmachten.
({5})
Nun ist es ganz klar, daß die meisten Abgeordneten auf die Ausführungen der Bürokratie der Regierung und der Verbände angewiesen sind. Den Mitgliedern der Regierungsparteien stehen in ihren Fraktionen die Minister, die zu diesen Fraktionen gehören, mit ihrem Fachwissen und mit ihrem Dienstwissen zur Verfügung. Man hört sogar, daß leitende Beamte der Ministerien auch in Fraktionssitzungen der Koalitionsparteien erscheinen und dort referieren. Es ist eine Gefahr für das Parlament, wenn es sich in die Abhängigkeit von der Regierung begibt, während die Regierung dem Sinne des Parlamentarismus nach in Abhängigkeit von dem Parlament leben sollte.
({6})
Es ist utopisch, um einer strengen Gewaltenteilung und demokratischer Doktrin willen etwa die ausschließliche Parlamentsinitiative zu fordern, wie sie in den USA besteht. Das liegt mir fern. Die deutsche staatsrechtliche Entwicklung läßt sich nicht zurückdrehen. Die Regierung wird stets einen großen Teil der Vorlagen selbst einbringen, weil sie die erforderlichen Erfahrungen hat und über Fachleute verfügt, die eine stetige und sachgerechte Fortentwicklung der Gesetzgebung unterstützen können. Notwendig aber - und deswegen spreche ich heute dazu - ist ein gesundes Gleichgewicht, damit ein echtes Gegenspiel zwischen Regierung und Parlament entsteht. Man weiß heute das Abstimmungsergebnis im voraus. Es fehlen die Spannungselemente, die Voraussetzung einer echten Diskussion sind.
({7})
Die Hauptregierungspartei legt oft kaum noch Wert darauf, ihre Ansicht im Plenum zu begründen,
({8})
und sie legt oft kaum noch Wert darauf, die Auffassung der Opposition kennenzulernen. Darum
haben viele Leute den Eindruck, daß der Bundestag langweiliger geworden ist. Wir haben dafür
zu sorgen, daß diese Langeweile nicht tödlich wird.
({9})
- Ach, wie können Sie denn so etwas sagen! Sie wissen ja selbst ganz genau, daß das nicht zutrifft. Zu wieviel Dingen haben wir ja gesagt, wie viele Dinge sind von uns initiativ vorgebracht worden!
({10})
Wenn der Herr Bundesfinanzminister vorhin gesagt hat, man habe im Haushaltsausschuß eine sachliche und gute Arbeit geleistet, dann hat er ganz bestimmt - davon bin ich überzeugt - die Mitglieder der Opposition im Haushaltsausschuß nicht ausgenommen. Sie müssen also schon etwas
({11})
mehr aufwenden, um der Opposition zu begegnen. Der kleine Aufwand, den Sie sich eben erlaubt haben, genügt nicht.
({12})
Es ist eben so - und deswegen rede ich, meine Damen und Herren -, daß uns alle das angeht, nicht nur die Opposition; das sollte ein Anliegen des gesamten Parlaments sein.
Eine Möglichkeit - und damit komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen -, dieser staatsrechtlich bedrohlichen Entwicklung entgegenzutreten, - ({13})
- Jawohl, bedrohlich! Die Entwicklung, in der wir uns befinden, ist durchaus bedrohlich. Lassen Sie uns einmal in zwei Jahren wieder darüber sprechen.
({14})
1951 bereits hat mein Freund Dr. Mommer einen Antrag auf Einrichtung eines Gesetzgebungshilfsdienstes gestellt. Er ist damals diskutiert worden. Dem Antrag konnte seinerzeit nicht entsprochen werden, weil sowohl die personellen wie die materiellen Voraussetzungen für einen derartigen Hilf s-dienst nicht vorhanden waren. Ich halte ihn für so wichtig, daß wir ein paar Minuten auf die Diskussion der Einrichtung eines solchen Gesetzgebungshilfsdienstes verwenden sollten. Die Einwände sind bekannt. Sie lauten etwa so: Die Regierung macht das besser; denn sie besteht aus Fachleuten. Dieser Einwand geht vollständig am Problem vorbei. Es ist nicht der Sinn der Demokratie, daß die Regierung, daß die Exekutive die Gesetze verfaßt und daß ihr allein die Gestaltung unserer Lebensverhältnisse überlassen bleibt, sondern in der praktischen Wirklichkeit des Parlamentslebens soll dies den vom Volk gewählten Vertretern überlassen sein. Die Regierung soll aus ihrer Erfahrung heraus beraten, sie soll verbessern, sie soll durchaus die Stellung haben, wie sie ihr im Grundgesetz gegeben ist. Bei Initiativgesetzentwürfen einer Partei, wird eingewendet, komme immer dann gleich ein Initiativgesetzentwurf einer anderen Partei. Das ist richtig. Aber selbst so ein Neben- oder Gegenentwurf ist ja doch nicht schädlich, er fördert die Diskussion.
Dann wird eingewendet, ein Gesetzgebungshilfsdienst bedeute die Schaffung einer neuen Bürokratie, und man warnt vor dem Apparat einer Parlamentsbürokratie neben dem Apparat der Ministerialbürokratie. Wenn dabei aber im Endergebnis die Einengung der Ministerialbürokratie etwa im Hinblick auf ihre Grundsatz-, ihre allgemeinen, ihre volkswirtschaftlichen Abteilungen herauskäme, wäre das meines Erachtens durchaus zu begrüßen. Die Parlamentsbürokratie wäre an sich geringeren Gefahren ausgesetzt, weil sie ja fortgesetzt mit dem Parlament, den Abgeordneten, zu tun hätte und nicht an Weisungen eines Ressortministers gebunden wäre.
Weiter wird gesagt, es koste Geld und dieses Geld sei nicht vorhanden. Dieser Einwand läßt sich sehr leicht widerlegen. Ein Gesetzgebungshilfsdienst bedeutet bessere Vorbereitung, er bedeutet für das Parlament und für jeden einzelnen Abgeordneten die Möglichkeit zu konzentrierterem Arbeiten. Ein solcher Gesetzgebungshilfsdienst läßt sich natürlich nicht von heute auf morgen und nicht nur durch Einrichtung von Stellen schaffen. Deswegen war der Haushaltsausschuß, glaube ich, gut beraten, als er zu vielen Stellenanforderungen nein sagte. Ein solcher Gesetzgebungshilfsdienst muß wachsen, und die Grundlage dafür muß eine umfassende Bibliothek sein. Die Sammlung, Ordnung und Erschließung des Materials muß so sein, daß für jeden Abgeordneten das gesamte Material vom Buch bis zum Zeitungsaufsatz gleichsam griffbereit vorgeordnet ist. Die Anfänge dazu hat der Deutsche Bundestag mit seiner Bibliothek gemacht. Es sollte nun die Aufgabe des 2. Deutschen Bundestages sein, seine Abteilung III, den Wissenschaftlichen Dienst, nach dem Bedarf des Parlaments zu organisieren und in diesen Apparat wissenschaftliche Hilfskräfte einzubauen, die in wenigen Jahren die Aufgaben des Gesetzgebungshilfsdienstes erfüllen können. Wir haben jetzt beantragte Stellen nicht genehmigt, weil die Materialbasis für diese neuen Stellen jetzt noch nicht vorhanden war. Der Weg kann nicht sein Ausbau des personellen Apparates ohne Materialbasis, sondern Ausweitung der Bibliothek und allmähliche Heranbildung der Kräfte für ihre Aufgabe.
Ein Wort zur Parlamentsbürokratie. Man hat den Eindruck, wenn man dieses Haus seit nunmehr über vier Jahren kennt, daß manche hier durch Zufall und manche durch Protektion hereingekommen sind. Damit ist aber nicht gesagt, daß sie nun alle bleiben müssen und daß sie alle befördert werden müssen. Wir sehen auch sehr ungleichmäßige Beförderungen. Wir sehen z. B., daß im Stenographischen Dienst sehr qualifizierte Männer sitzen, die heute noch denselben Dienstrang bekleiden und nach derselben Gruppe besoldet werden, wie sie es im Deutschen Reichstag wurden. Und wir sehen, daß andere, junge Kräfte hereingekommen sind, die in wenigen Jahren eine ganze Stufenfolge von Beförderungen durchgemacht haben. Dann glaube ich, daß wir bei der nächsten Haushaltsberatung unsere Aufmerksamkeit auch auf die unteren und mittleren Stellen richten sollten, weil hier offensichtlich eine Reihe von Stellen unterbewertet sind. Der Bundestag müßte großen Wert darauf legen, bei allen Stellenbesetzungen und Beförderungen nur Eignung und Charakter ausschlaggebend sein zu lassen, nicht aber etwa konfessionelle Gründe und schon gar nicht den Grund, bequeme Untergebene haben zu wollen.
Zum Technischen ein Wort. Die Stenographischen Berichte der Plenarsitzungen erscheinen recht spät. Soweit ich sehe, liegt das nicht am Stenographischen Dienst, der ja schnell und qualifiziert arbeitet. Es wäre vielleicht zu überprüfen, ob der Druck rationeller und schneller vorgenommen werden könnte.
Nun möchte ich noch ein Wort sagen zum Amtlichen Handbuch des Deutschen Bundestages, worüber ich im Haushaltsausschuß neulich bereits gesprochen habe. Es hat sich gezeigt, daß diese paar Bemerkungen überall herumgetragen, und zwar entstellt herumgetragen worden sind. Deswegen will ich an dieser Stelle dazu sagen, was ich glaube, dazu sagen zu müssen.
Im früheren Deutschen Reichstag gab es ein Amtliches Handbuch, das in der Reichsdruckerei gedruckt wurde und sehr schnell nach dem Zusammentritt des Reichstages erschien. Wir haben im Jahre 1924 innerhalb eines halben Jahres zwei Wahlen zum Reichstag gehabt. Und wie
({15})
schnell ist das Handbuch für die zweite Wahlperiode 1924 und für die dritte Wahlperiode 1924 erschienen!
({16})
Der 1. Bundestag hat es überhaupt nicht geschafft, ein Amtliches Handbuch herauszugeben. Fritz Sänger von dpa machte ein privates. Die zweite Auflage 1952 wurde dann gleichzeitig zum Amtlichen Handbuch erklärt. Jetzt, im 2. Bundestag, haben wir erst das Handbuch Sänger gehabt, und dann haben wir vor sechs bis acht Wochen erlebt, daß der Direktor beim Bundestag ein privates Handbuch in einem privaten Verlag herausbrachte, dessen Verbreitung
({17})
sehr gefördert worden ist. Da bin ich nun der Meinung, es gehört zu den dienstlichen Pflichten des Direktors beim Bundestag, das Amtliche Handbuch zu bearbeiten und seine ganzen Kräfte auf die möglichst schnelle Herausgabe des Amtlichen Handbuchs zu konzentrieren.
({18})
Anstatt das zu tun, hat er aber mit Hilfe der ihm unterstellten Beamten und Angestellten ein privates Handbuch herausgebracht. Diese Tatsache hat in allen Kreisen, die mit Büchern und Amtsdrucksachen etwas zu tun haben, Befremden erregt, und der Bundestag sollte dazu nicht schweigen.
({19})
Man stelle sich vor, der Geheimrat Galle vom Deutschen Reichstag hätte vor Herausgabe des Amtlichen Handbuchs ein privates Handbuch herausgebracht,
({20})
und zwar mit finanzieller Unterstützung der damaligen Reichszentrale für Heimatdienst! Man stelle sich vor, der Präsident des Statistischen Bundesamtes würde mit dem amtlichen Material, das ihm und zunächst nur ihm zur Verfügung steht, ein Statistisches Handbuch herausbringen,
({21})
welches zu 80 oder 90 % den gleichen Inhalt hat wie das später von ihm zu bearbeitende Amtliche Handbuch!
Wie harmlos diese Sache hier nun aufgenommen worden ist, geht daraus hervor, daß der Herr Präsident des Bundestags auf sicher freundliche Aufforderung hin ein freundliches Vorwort zu diesem Buch geschrieben hat.
({22})
Auch dem Direktor beim Bundestag - das möchte ich ausdrücklich sagen - will ich keine unehrenhafte Gesinnung unterstellen.
({23})
- Nein, das will ich nicht. Ich unterstelle sie nicht, sondern ich unterstelle eine Gedankenlosigkeit. Es hat im „Dritten Reich" angefangen, daß Angehörige von Ministerien ein Gesetz, das beschlossen wurde - es wurde ja im Reichstag nicht beraten -, mit dem Motivenbericht als Buch herausbrachten. Diese Praxis des „Dritten Reichs" ist heute noch nicht ganz wieder behoben. Kein Mensch denkt sich etwas dabei, aber wir sollten uns etwas dabei denken.
({24})
Mein Anliegen ist also folgendes. Es geht nicht darum, daß das amtliche Handbuch so spät herausgekommen ist, sondern darum, daß der Direktor beim Bundestag ein privates Handbuch herausgebracht hat,
({25})
- mit amtlichem Material - das zunächst ihm und nur ihm zur Verfügung stand, und daß dieses Buch gleichzeitig von der Bundeszentrale für Heimatdienst finanziell gefördert worden ist.
({26})
Infolgedessen kostet es 7,50 DM, das amtliche Handbuch kostet 12,60 DM; es ist allerdings durch die mehr oder minder gelungenen Porträts der Abgeordneten bereichert.
({27})
Ich hoffe, daß ich mich klar ausgedrückt habe: Es handelt sich nicht primär um die Verspätung, sondern es handelt sich einfach darum, daß man nicht privat etwas tun kann, was man amtlich zu tun verpflichtet ist. Ich spreche diesen Fall nicht als Einzelfall an, sondern als ein Symptom. Das private Handbuch ist aus dem Bundeshaushalt - Bundeszentrale für Heimatdienst - mit Mitteln der Steuerzahler subventioniert worden. Das ist eine Sache, der man nicht zustimmen kann.
Der Deutsche Bundestag wird in der Öffentlichkeit vielfach verkannt. Man hat von der Arbeit des Bundestages eine falsche Vorstellung. Nun bin ich der Meinung, man sollte nicht nur im Mittelwesten Amerikas für die deutsche Demokratie Propaganda machen, sondern man sollte die deutschen Staatsbürger dadurch zur deutschen Demokratie erziehen oder diese Erziehung unterstützen, daß man sie mit den Arbeiten des Deutschen Bundestages vertraut macht. Das ist durchaus nötig. Ich denke an den Verfügungsfonds des Herrn Bundeskanzlers, der im vorigen Jahr 4,5 Millionen DM betrug und in zähem Ringen mit dem Finanzminister auf 5,5 Millionen erhöht werden sollte, wobei am letzten Tag der Haushaltsberatungen durch ein Mitglied der Koalitionsparteien der Antrag gestellt wurde, ihn auf 10 Millionen zu erhöhen. Der Herr Vertreter des Bundeskanzlers hat in der Hauptsache angeführt, daß man Amerika, z. B. im Mittelwesten, über Deutschland aufklären möchte.
({28})
Ich bin deshalb der Meinung, man sollte dem Herrn Bundeskanzler empfehlen, aus Mitteln seines Dispositionsfonds den deutschen Volksbüchereien, insbesondere in den Mittel- und Kleinstädten je ein Exemplar des Amtlichen Handbuches und die Stenographischen Berichte des Deutschen Bundestages zuzustellen. Damit würde ein wichtiger und nicht kostspieliger Beitrag zur Festigung der deutschen Demokratie geleistet. Ich bitte namens meiner Fraktion, folgender Entschließung in der dritten Beratung zuzustimmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Herr Bundeskanzler wird gebeten, aus seinem Dispositionsfonds - Kap. 0403, Tit. 300 - die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um den deutschen Volksbüchereien, insbesondere in den Mittel- und Kleinstädten, 1. das amtliche Handbuch des zweiten Deutschen Bundestages, 2. die Stenographischen Berichte des Deutschen Bundestages vom Beginn der 2. Wahlperiode 1953 ab zur Verfügung
({29})
zu stellen und den Bundestag im Herbst 1954 über Umfang und Ergebnis dieser Aktion zu unterrichten.
Dieser Entschließung, die ich dem Herrn Präsidenten überreiche, wird wohl jeder Angehörige des Deutschen Bundestages zustimmen können. Ein Deckungsvorschlag dazu ist nicht notwendig, denn dieser Tit. 300 im Einzelplan 0403 ist ja für besondere Zwecke gedacht.
Meine Fraktion stimmt dem Haushalt des Deutschen Bundestages zu.
({30})
Das Wort hat der Herr Bundestagspräsident.
({0})
Meine Damen und Herren! Damit auf keiner Seite des Hauses - auch nicht auf der augenblicklich schwach besetzten - irgendwelche Meinungsverschiedenheiten entstehen: es spricht der Abgeordnete Dr. Ehlers,
({0})
allerdings in der Verpflichtung seines Amtes, das er hier hat, mindestens einige Korrekturen an gewissen Irrtümern anzubringen, die dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Gülich, den ich meiner besonderen Hochachtung nicht zu versichern brauche
- das weiß er -, unterlaufen sind.
Meine Damen und Herren, ich glaube nicht, daß man hier im Augenblick eine Debatte führen sollte
- ich möchte sie jedenfalls nicht führen - über das Verhältnis von Bundeskanzler, autoritärem Bundeskanzler und Parlament. Wahrscheinlich wird zu anderer Gelegenheit und auch an anderer Stelle über dieses Thema einiges zu sagen sein. Ich würde vorschlagen, diese Debatte nun heute nicht zu führen; sonst würde man dazu ja auch noch einiges zu sagen haben.
Ich habe doch den Eindruck, daß sich nach diesen viereinhalb Jahren das Parlament in allen seinen Teilen nicht gar so gering einzuschätzen braucht, wie Herr Professor Gülich fürchtet, es tun zu müssen.
({1})
Zunächst muß ich etwas sagen, um eine Instanz in Schutz zu nehmen, die es nicht mehr gibt, nämlich den 1. Deutschen Bundestag. Herr Professor Gülich hat moniert, daß der Haushalt des Bundestags so spät eingegangen ist, und Sie sehen das ja auch in der Bemerkung am Schluß der Ihnen vorliegenden Drucksache, der Vorlage des Bundesfinanzministers zum Haushalt des Deutschen Bundestages. Das ist auf das, glaube ich, sehr berechtigte Anliegen des 1. Deutschen Bundestags zurückzuführen, daß er dem 2. Deutschen Bundestag seinen Haushalt nicht präjudizieren wollte.
'({2})
- Der 2. ist am 6. Oktober zusammengetreten. Sie wissen, Herr Professor Gülich, wie ich, daß es einiger Zeit bedurft hat, bis die Ausschüsse gebildet waren, bis man sich über die Zusammensetzung und die Aufteilung des Vorsitzes der verschiedenen Ausschüsse im Bilde war. Dann ist es so gelaufen, daß der Vorstand des 2. Deutschen
Bundestags die Aufgabe, den Haushalt des Bundestages aufzustellen, sofort aufgegriffen hat. Es ist eine Vorlage gemacht worden. Die Fraktionen haben, wie es notwendig ist, Gelegenheit gehabt, dazu Stellung zu nehmen. Dann ist darüber beraten worden. Herr Vizepräsident Dr. Jaeger hat sich mit einer Etatskommission des Vorstandes dieser Aufgabe hingebungsvoll angenommen. Dann gab es - und das soll ja nicht nur in diesem Falle vorkommen - Meinungsverschiedenheiten mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen. Man hat sich, wie ich glaube, im Interesse des Deutschen Bundestags bemüht, sie auszuräumen, hat das geschafft und dann eine gemeinsame Vorlage an den Haushaltsausschuß gemacht. Es ist selbstverständlich, daß der 2. Deutsche Bundestag für den nächsten Haushalt wie jedes andere Ministerium oder jeder andere Einzelplan die notwendigen Termine einhält, um rechtzeitig die Vorlagen zu machen. In diesem Jahr lag eben infolge der Neuwahl eine besondere Situation vor. Das muß in Betracht gezogen werden.
Herr Professor Gülich hat über den Gesetzgebungshilfsdienst gesprochen. Es ist damals die Auffassung, wie ich glaube, aller Parteien gewesen, daß dieser Gesetzgebungshilfsdienst nicht als eine Sonderorganisation, sondern in einem vernünftigen und, wie Herr Professor Gülich es auch dargestellt hat, den Anforderungen und Möglichkeiten entsprechenden Ausbau der Abteilung III, der Wissenschaftlichen Abteilung des Bundestags, erfolgen sollte. Der Haushaltsausschuß hat auf Antrag - zum großen Teil des Herrn Professor Gülich - einige von uns dafür gewünschte Stellen gestrichen. Ich bedauere diese Entscheidung, glaube aber nicht, daß sie eine gefährliche Bedeutung hat, und habe darum im Augenblick keine Einwendungen zu erheben. Ich möchte aber doch folgendes sagen. Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn Sie alle den Versuch machen würden, den, wie mir gerade auch aus den Kreisen der Opposition bestätigt worden ist, viele Abgeordnete gemacht haben, sich des Funktionierens dieser Wissenschaftlichen Abteilung einmal zu vergewissern, indem Sie sie auffordern, für Ihre besonderen Zwecke das im Einzelfall erforderliche Material zusammenzustellen. Abgeordnete, die es getan haben, haben mir bestätigt, daß das in ausgezeichneter Form, und zwar in der für sie notwendigen und brauchbaren, geschehen sei.
({3})
- Nun, Herr Professor Gülich, ich wollte das hier nur feststellen, da aus Ihren Worten so etwas mehr Kritik an der Abteilung III erkannt werden konnte, als es vielleicht um der Arbeit der dort beschäftigten Beamten und Angestellten willen nötig wäre.
({4})
- Ich stelle also fest, daß wir auch in dieser Frage einig sind. Aber es ist ein gutes Recht des Präsidenten dieses Hauses, für die Arbeitsleistung der ihm unterstellten Arbeiter, Angestellten und Beamten einzutreten, besonders wenn sie gelegentlich etwas summarisch mit dem Wort „Bürokratie" abgefertigt werden.
({5})
Ich möchte auch feststellen, daß diese Beamten, Angestellten und Arbeiter - soweit es mich angeht - weder durch Zufall noch durch Protektion in dieses Haus hineingekommen sind; wenngleich
({6})
ich nicht leugnen kann, daß der Wunsch, manche Leute durch Protektion vorwärtszubringen, ziemlich weit verbreitet ist.
({7})
Es ist notwendig, sich manchmal dagegen zu wehren. Aber das wird wahrscheinlich nicht nur im Bundestag, sondern in jeder Stelle so sein, die irgendwelche Ämter zu vergeben, Beamte zu berufen oder etwas Ähnliches zu tun hat. Besonders peinlich ist es natürlich, wenn Wünsche für die Besetzung irgendwelcher Posten ausgesprochen werden, die gerade am Tage vorher im Haushaltsausschuß gestrichen worden sind.
({8})
Dann kann man natürlich in gar keiner Weise etwas tun.
Da Sie nun - nicht ich, sondern Sie, Herr Professor Gülich - das Wort „konfessionelle Gründe" ausgesprochen haben - Sie wissen ja, daß Sie in dieser Frage bei mir so etwas wie einen gewissen neuralgischen Punkt treffen ({9})
- aber nehmen Sie mich einmal als Beispiel, Herr Kollege Schoettle! -,
({10})
möchte ich hier einmal aussprechen, daß niemals in diesem Hause eine Stelle unter irgendwelchen konfessionellen Vorzeichen besetzt worden ist.
({11})
Ich habe allerdings einmal - ich möchte diesen Beispielfall anführen - abgelehnt, einen Oberinspektor einzustellen, der mir dringend empfohlen worden war. Dieser war aus der Kirche ausgetreten; aber ich habe ihn nicht deswegen nicht eingestellt, weil er aus der Kirche ausgetreten war, sondern weil er in seinem Lebenslauf - wohl mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ihm nicht verborgen geblieben war, daß ich evangelischer Oberkirchenrat bin - geschrieben hatte: „evangelisch getauft". Dann habe ich ihn gefragt: „Und was ist nun?" Da hat er gesagt: „Ich bin im Dritten Reich aus der Kirche ausgetreten und habe den Weg zurück nicht gefunden". Daraufhin habe ich ihm gesagt: „Wenn Sie mir geschrieben hätten: Ich bin aus der Kirche ausgetreten, dann hätte ich Sie auf Grund Ihrer Qualitäten eingestellt. Da Sie aber den Mut nicht gehabt haben und gemeint haben, Sie müßten gerade bei mir den Eindruck erwecken, Sie seien evangelisch, glaube ich, daß bei Ihnen die Dinge charakterlich nicht in Ordnung sind; und darum stelle ich Sie nicht ein."
({12})
Sodann sagten Sie, Herr Kollege Gülich, daß ich in diesem Hause nur „bequeme Untergebene" haben möchte.
({13})
- Aber Herr Kollege Gülich, Sie haben gesagt, es seien nur Eignung und Charakter entscheidend
- da stimme ich völlig mit Ihnen überein -, und .Sie haben hinzugefügt: nicht konfessionelle Gründe oder der Wunsch, bequeme Untergebene zu haben.
({14})
Da ich doch nun annehmen muß, daß Sie solche
Ausführungen nicht als theoretische Ausführungen
für das Archiv für Politik und Geschichte, sondern zum Haushalt des Deutschen Bundestags gemacht haben,
({15})
möchte ich vor diesem Hause - ich will nicht sagen: vor der Geschichte; so anspruchsvoll bin ich gar nicht - feststellen, was ich zu diesem Thema meine.
({16})
- Herr Schoettle, ich würde sogar dieses Gespräch sehr gern mit Ihnen führen, hätte dann aber den Wunsch, es auszudehnen auf die Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrats.
({17})
Wir sind nämlich von Frankfurt her unter ganz bestimmten Vorzeichen in personeller Beziehung in mancher Hinsicht so vorbelastet gewesen, daß wir uns Mühe haben geben müssen, zu einem ausgeglichen funktionierenden Apparat im Bundestag zu kommen.
({18})
- Herr Kollege Schoettle, ich gehörte weder dem Wirtschaftsrat noch dem Personalamt in Frankfurt an. Ich möchte nur ausdrücklich sagen: was ich hier ausgesprochen habe, bedeutet ja nun nicht eine summarische Aburteilung der Beamten und Angestellten, die von Frankfurt gekommen sind, sondern wir müßten uns dann über das Gesamtbild unterhalten. Ich stehe Ihnen jeden Tag zur Verfügung, Herr Kollege Schoettle.
Zwei Dinge muß ich noch ansprechen. Herr Kollege Gülich hat den Wunsch ausgesprochen - der sich völlig mit meinen Wünschen und unser aller Wünschen deckt -, daß die Sitzungsprotokolle schneller erscheinen. Ich halte es für eine ausgezeichnete Sache des englischen Parlamentarismus, daß man in ganz England morgens um 8 Uhr den Hansard mit dem Bericht der Sitzung des Tages vorher, die abends um 11 Uhr zu Ende gegangen ist, im Hause haben kann.
({19})
- Das hat zwei Voraussetzungen, einmal vielleicht bestimmte drucktechnische. Es liegt hier nicht am Stenographischen Dienst, daß es länger dauert. Es schließt die Notwendigkeit ein, über die wir uns einigen müßten, daß man bereit ist, eine vorläufige Ausgabe dieser Berichte zu machen und die endgültige Ausgabe 8 Tage später erscheinen zu lassen. Denn es ist nicht möglich, alle Korrekturen wirklich einzufügen. Dann muß man vielmehr das tun, was das englische Unterhaus macht, daß jeder Abgeordnete eine halbe Stunde nach seiner Rede die Möglichkeit hat, Korrekturen anzubringen, sie aber endgültig noch binnen 8 Tagen überprüfen kann. Wenn Sie das wollen
- und ich halte es für richtig -, sollten wir das tun. Wir haben, um etwas abzuhelfen - das wissen die Fraktionen -, erreicht, daß wir Korrekturabzüge des erscheinenden Berichts in einer
({20})
Zahl von etwa 30 jeden Morgen hereinbekommen. Sie liegen auch von der gestrigen Sitzung trotz ihres Umfangs bereits vor, so daß die Fraktionen und die unmittelbar interessierten Abgeordneten davon Gebrauch machen können. Das ist immerhin schon ein Vorzug.
Dann ein letztes zum Handbuch. Ich habe vor mir - ich will Ihnen das nicht vorlesen - den Werdegang des Bundestagshandbuchs, die Aufforderung an die Abgeordneten, für dieses Handbuch Lebensläufe, Paßbilder usw. hereinzugeben. Sie ist am 10. September 1953 ergangen. Wir wußten an diesem Tage noch nicht einmal genau, wer Abgeordneter dieses Bundestages ist. Ich habe das ständig überwacht. Das Buch ist so schnell herausgekommen, wie es überhaupt nur möglich war. Die Herausgabe ist dadurch sehr erschwert worden, daß die eingereichten Lebensläufe zu einem großen Teil mit den Abgeordneten besprochen werden mußten, da sie in der verschiedenartigsten Form und Länge aufgestellt waren und eine gewisse Gleichförmigkeit erwünscht schien. Es ist der Versuch gemacht worden, Bilder zu beschaffen. Auch da haben sehr viele besondere Eigenarten der Abgeordneten mitgespielt. Wir haben aber geglaubt, daß es richtig ist, Bilder in ein Handbuch aufzunehmen, nach denen man die Abgeordneten wenigstens annähernd erkennen könnte,
({21})
und daß wir nicht in den Fehler verfallen sollten wie ein wesentlich schneller erschienenes Handbuch, das, ich glaube, einen Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion in der Person seines Vaters
dargestellt hat.
({22})
Das spricht zwar für politische Tradition, aber nicht für die Richtigkeit.
({23})
Ich habe geglaubt, unabhängig von allen Geschäftsinteressen dafür sorgen zu sollen, daß dieses Handbuch erstens drucktechnisch und bildtechnisch gut und zweitens sachlich richtig ist. Das ist geschehen. Ich glaube, daß damit das getan ist, was nötig ist.
Ein Wort noch zu dem Vorwurf gegen den Direktor des Bundestages, daß er ein eigenes Handbuch herausgegeben hat. Ich habe nicht nur zufällig dieses Handbuch mit einem Vorwort versehen, Herr Kollege Gülich, sondern ich habe das Erscheinen dieses Handbuchs sogar begrüßt. Denn es handelt sich um ein Handbuch, das nicht den Zweck wie das amtliche Handbuch hat, sondern das eine Übersicht über den 2. Deutschen Bundestag und seine Abgeordneten sein soll und der Popularisierung der Arbeit dieses Parlaments im Volke dienen soll, genau wie die kleinen Broschüren über den Deutschen Bundestag, die auch hier herausgegeben worden sind, über deren Erscheinen ich mich auch gefreut habe. Ich stelle ausdrücklich fest, daß der Direktor des Bundestages seine Verantwortung für die Herausgabe des amtlichen Handbuchs unverkürzt wahrgenommen hat und daß das von ihm geschaffene Handbuch nicht mit Unterstützung der Bundeszentrale für Heimatdienst herausgegeben worden ist, sondern daß nach dem Erscheinen die Bundeszentrale für Heimatdienst durch eine Vereinbarung mit dem Verlag Exemplare im Sinne ihrer Aufgabensetzung übernommen hat, wie das auch mit einer großen Zahl von anderen Erscheinungen zum Thema des Parlaments und des öffentlichen Lebens geschieht. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist die Bundeszentrale für Heimatdienst keine Institution einer politischen Richtung, sondern eine von einem Ausschuß aller politischen Richtungen geleitete Institution.
Darum habe ich es begrüßt, daß auf diese Weise auch diese Möglichkeit bestand, das Parlament in der Öffentlichkeit bekanntzumachen, genau so wie ich mich darüber gefreut habe, daß es möglich ist, die Mittel für die Einführung der Jugend in die Arbeit des Parlaments zu erhöhen. Wir können auf diesem Gebiet nicht genug tun.
({24})
Ich begrüße den Antrag des Herrn Abgeordneten Gülich in der Zielsetzung. Ob der Weg über den Bundeskanzler und den besprochenen MillionenHaushalt der richtige ist, mag dahingestellt bleiben. Ob es mehr in den Aufgabenbereich der Bundeszentrale für Heimatdienst gehört, mag ebenfalls noch geprüft werden. Je weiter die Kunde über die tatsächliche Arbeit des Parlaments in das Volk kommt, um so lieber ist es uns allen, und wir werden alles dazu tun.
Herr Kollege Gülich, Sie haben den Direktor des Bundestags noch deswegen etwas moniert, weil ich ein Vorwort zu seinem Buch geschrieben habe. Es gibt ja auch einige andere Erscheinungen, z. B. „Einer von 402" und einen Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, zu denen ich auch Vorworte geschrieben habe;
({25}) zum ersten übrigens, Herr Kollege Gülich, nicht ohne daß ich von meinen Parteifreunden aus Hessen deswegen politische Prügel bekommen habe, weil sie meinten, ich sei nun dabei, im Wahlkreis Dieburg-Michelstadt die Konkurrenz zu unterstützen.
Ich meine, wir sollten etwas großzügiger sein und unabhängig davon, ob der Abgeordnete so oder so heißt, den Versuch, das Volk und die Wähler über die Arbeit des Parlaments und der Abgeordneten zu informieren, unterstützen. Darum habe ich so gehandelt; darum werde ich weiter so handeln, und darum glaube ich, daß wir auf diesem Wege auch im Bundestag weitergehen sollten.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß wenige Worte sagen. Ich werde es keineswegs unversöhnlich tun; ich möchte nur folgendes klarstellen.
Ich habe gesagt, daß zu Beginn des Deutschen Bundestages aus unsachlichen Gründen Menschen hier hereingekommen seien, die deshalb nicht unbedingt dauernd zu bleiben brauchen, die nicht beamtet zu werden brauchen und die nicht befördert zu werden brauchen. Das „beamtet zu werden brauchen" habe ich vorhin nicht gesagt, aber implicite gemeint. Da Sie zu Beginn des Bundestags nicht Präsident des Bundestags waren, sondern ich ja von Ihnen auch weiß, daß Sie die Last von gewissen Menschen hier mitgetragen haben, könnte ich Ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Insofern ist es also klargestellt.
Ich habe Ihnen auch keinen Vorwurf gemacht in bezug auf die Personalpolitik, Konfessionalität oder Bequemlichkeit. Allerdings, Herr Kollege Ehlers, ich habe diese Ausführungen nicht theoretisch für das Archiv für Politik und Geschichte gemacht - das will ich Ihnen gern sagen -, sondern ich habe sie aus einer allgemeinen Erkenntnis und Erfah({0})
rung heraus gemacht, und wenn Sie wollen, konnten Sie darin eine Mahnung sehen. Ich bin sehr gern bereit, nicht vor der Öffentlichkeit des Deutschen Bundestags, sondern mit Ihnen im persönlichen Gespräch auf diese Sache zurückzukommen. Jedenfalls handelt es sich hier auch nicht um einen Vorwurf, sondern um das Bemühen, das Funktionieren des Parlaments sicherzustellen.
({1})
Drittens zum Handbuch. Ich glaube, so kann man das nicht machen. Ich meine, mich doch verständlich ausgedrückt zu haben. Gegenstand meiner Kritik war nicht, daß das Handbuch so langsam erschienen ist - es hätte sich sicher beschleunigen lassen -, sondern Hauptgegenstand meiner Kritik war, daß ein Beamter, zu dessen dienstlichen Pflichten die Herausgabe eines amtlichen Handbuches gehört, ein privates Handbuch herausbringt; und zwar ist es ihm gelungen, das private Handbuch sechs bis acht Wochen vor dem amtlichen herauszubringen.
({2})
Ich bin ganz prinzipiell der Meinung - das habe ich hier gesagt -, daß so etwas nicht sein soll und nicht Schule machen darf. Wenn das am grünen Holz des Bundestags geschieht, was soll am dürren Holz des Familienministeriums werden!
({3})
- Ich konnte auch sagen: am dürren Holz der Minister ohne besondere Aufgaben! Das amtliche Handbuch und das Inhaltsverzeichnis des privaten Handbuches decken sich zu gut 90 %. Ich hätte gewünscht, daß die Bundeszentrale für Heimatdienst sich die Verbreitung des amtlichen Handbuches hätte angelegen sein lassen.
({4})
Ich habe in einer Aufstellung der Bundeszentrale für Heimatdienst gelesen: „Verzeichnis der Bücher, die durch die Bundeszentrale für Heimatdienst herausgegeben oder gefördert worden sind." Diese Tatsache berechtigt mich zu der Feststellung, daß ich ein solches Verfahren nicht für glücklich halte, sondern es für glücklich hielte, das amtliche Handbuch in möglichst weitem Umfange herauszubringen.
Ich habe Ihnen - und damit bin ich fertig - auch nicht einen Vorwurf daraus gemacht, daß Sie ein Vorwort dazu geschrieben haben; ich habe ja gesagt, Sie haben freundlicherweise ein Vorwort dazu geschrieben; ohne Vorwurf. Ich wollte diese Tatsache nur nicht unterdrücken, weil sie zum Bilde gehört.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Ehlers hatte die Freundlichkeit, darauf hinzuweisen, daß er in seiner Eigenschaft als Präsident des Deutschen Bundestages gebeten worden sei, zu zwei anderen Schriften ein Vorwort zu schreiben. Ich bekenne mich als Verfasser der einen Schrift - „Einer von 402" - und als Mitverfasser der anderen Schrift: „Kommentar zur Geschäftsordnung des
Deutschen Bundestages". Ich möchte sagen, daß es einer alten Gepflogenheit entspricht, daß man den Präsidenten eines Parlaments um ein Vorwort bittet, wenn eine Schrift erscheint, die sich mit dem Parlament befaßt.
({0})
Eine Kritik daran wurde ja auch wohl nicht gemeint von dem Herrn Abgeordneten Dr. Ehlers in seiner Eigenschaft als Präsident. Aber zur Vermeidung von Irrtümern möchte ich, ohne damit auf die etwaigen anderen Regelungen in bezug auf das Buch des Herrn Direktors Troßmann hinzuweisen, nur eines feststellen: ich habe im Interesse der Sache bei dem Erscheinen dieser beiden Schriften auf jeden Pfennig Honorar verzichtet und habe auch niemals etwa einen Pfennig Honorar für Vorworte angeboten. Ich glaube, es ist nützlich zur Vermeidung irgendwelcher Legendenbildungen, die aus den Darlegungen hätten entstehen können, hier darauf hinzuweisen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Ehlers hat hier über die Entwicklung der Personalpolitik sowohl im ersten Deutschen Bundestag wie im Frankfurter Wirtschaftsrat einige Bemerkungen gemacht, die ich nur auf seine mangelnde Kenntnis der Vorgänge zurückführen kann. Denn wenn er die Tatbestände gekannt hätte, hätte er nicht mehr zwei- als eindeutig hier zu dieser Frage gesprochen. Ich will deshalb nur eines feststellen, und das gegenüber den Damen und Herren, die so bereitwillig Beifall geklatscht haben, weil sie den Eindruck hatten: Hier wird etwas gegen die Opposition gesagt.
Im Frankfurter Wirtschaftsrat hatte die sozialdemokratische Fraktion, die zu führen ich die Ehre hatte, auf die Personalpolitik des Wirtschaftsrats so viel Einfluß, wie auf die Personalpolitik in diesem Hause; und das ist weiß Gott sehr wenig.
({0}) Verantwortlich für die Personalpolitik war damals wie heute ein Angehöriger der Parteien, die jetzt zur Regierungskoalition gehören. Da ich im allgemeinen höflich bin, nenne ich Namen nicht, vor allem, wenn sie mehr oder weniger der politischen Vergangenheit angehören. Aber wir haben jedenfalls an dieser Personalpolitik keinen Anteil. Und was das Personalamt des Frankfurter Wirtschaftsrats betrifft, so hatte das auf die Verbeamtung der Angestellten des Wirtschaftsrats, die allein der Ursprung einer Reihe von falschen personalpolitischen Positionen in diesem Hause ist, so wenig Einfluß, wie viele andere Stellen. Es hatte lediglich ein Gesetz zu vollziehen, das die Militärregierungen damals erlassen hatten.
Meine Damen und Herren, wollen Sie leugnen - soweit Sie es mit beobachtet haben -, daß hier in diesem Hause bei Beginn zwar der Versuch gemacht worden ist, eine ordentliche Verwaltung zu schaffen, daß aber bei diesem Versuch auch eine Reihe von Dingen geschehen sind, die man nicht auf die parteipolitische Ebene, wohl aber auf ganz persönliche Protektion zurückführen kann?
({1})
Ich will hier gar nicht parteipolitisch werden, aber
ich habe es miterlebt, meine Damen und Herren,
und ohne hier Namen wieder ins Spiel bringen zu
({2})
wollen, - ich bin gern bereit, Herr Abgeordneter Ehlers, mit Ihnen in Ihrer andern Eigenschaft über Dinge zu sprechen, über die man in der Öffentlichkeit am besten nicht spricht.
({3})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu dem Einzelplan 02 - Haushalt des Deutschen Bundestages -.
Es liegt nur ein Entschließungsantrag vor, über den in der dritten Lesung abgestimmt wird. Ich komme daher zur Abstimmung über den Haushaltsplan. Wer dem Einzelplan 02 - Haushalt des Deutschen Bundestages -, Drucksache 352, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf:
Einzelplan 10 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - ({0}).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Abgeordneten Brese.
({1})
Brese ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Beratung steht der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und seiner nachgeordneten Dienststellen, über den ich in den vergangenen sechs Jahren, zuerst in Frankfurt und dann hier in Bonn, regelmäßig berichtet habe. Ich bin dabei in der glücklichen Lage, mich trotz des Umfanges dieses Haushalts recht kurz fassen zu können.
Zunächst eine erfreuliche Feststellung. Der Zuschußbedarf des Rechnungsjahres 1954 hat sich gegenüber dem Vorjahr vermindert. Die Verminderung ergibt sich im besonderen aus einer Steigerung der Einnahmen und hier wiederum wesentlich bei den Abschöpfungen.
Was nun die Einnahmeseite angeht, so habe ich eben schon erwähnt, daß hier eine wesentliche Erhöhung bei den Abschöpfungen eingetreten ist. Es handelt sich dabei bekanntlich um den Unterschiedsbetrag, der auf Grund der Marktordnungsgesetze bei der Einfuhr von Lebensmitteln erhoben wird, um die Auslandspreise an den Inlandsmarkt anzupassen. Solche Abschöpfungen kommen im Rechnungsahr 1954 ebenso wie im abgelaufenen Rechnungsjahr nur bei Getreide und Zucker in Betracht. Das Gesamtaufkommen war in der Regierungsvorlage mit 198,2 Millionen DM veranschlagt. Der Haushaltsausschuß hat geglaubt, angesichts der Entwicklung, die die Weltmarktpreise in der Zwischenzeit gezeigt haben, eine Erhöhung des Abschöpfungsaufkommens um 27,6 Millionen DM vornehmen zu können.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich erwähnen, daß in der Regierungsvorlage zwischen dem Abschöpfungsaufkommen und den neuen Ausgaben eine Bindung vorgenommen war. Es handelt sich dabei um die Durchführung von Maßnahmen des neuen Programms zur Verbesserung der Agrarstruktur, auf die ich noch näher zu sprechen kommen werde. Nach der Regierungsvorlage sollten diese neuen Ausgaben bzw. Mehrausgaben in einem
Umfange von 78,2 Millionen DM nur zum Zuge kommen, soweit sie 120 Millionen DM überschreiten. Der Haushaltsausschuß hat geglaubt, diese Bindung nicht aufrechterhalten zu sollen. Er stimmt dem Programm zur Verbesserung der Agrarstruktur in vollem Umfange zu und ist der Meinung, daß die im Rahmen dieses Programms vorgesehenen Maßnahmen von so grundlegender Bedeutung sind, daß sie nicht von bestimmten Einnahmen abhängig gemacht werden können. Der Haushaltsausschuß hat daher die Bindungsvermerke sowohl bei dem Einnahmetitel - Kap. 1002 Tit. 67 - als auch bei den entsprechenden Ausgabetiteln - Kap. 1002 vor Tit. 531 sowie bei Tit. 532, 603, 618, 663, 670 und 956 - gestrichen.
Auf der Ausgabeseite ist zu erwähnen, daß bei den Subventionen eine erhebliche Verminderung eingetreten ist. Sie beträgt nach der Regierungsvorlage rund 101,8 Millionen DM. Die Subventionen - Kap. 1002 Tit. 951 - beruhen wie die Abschöpfungen auf den Marktordnungsgesetzen und stellen ihr Gegenstück dar. Sie sind der Unterschiedsbetrag zwischen den höheren Einfuhrpreisen und den vergleichbaren niedrigeren Verkaufspreisen. Bei der heutigen Weltmarktlage kommen sie nur noch bei einem geringfügigen Teil der Getreideeinfuhren in Betracht.
Diese Ausgabenverminderung ist die wesentlichste, die zu verzeichnen ist. Ihr stehen gegenüber die schon erwähnten Ausgaben bzw. Ausgabeerhöhungen, die mit dem Programm zur Verbesserung der Agrarstruktur zusammenhängen. Es handelt sich hierbei um folgende Ausgabepositonen.
1. Flurbereinigung, Kap. 1002 Tit. 532 und 663. Sie war im Haushalt 1953 nur mit dem Betrag von 1 Million DM ausgestattet. Nach der Regierungsvorlage wird dieser Betrag auf 50 Millionen DM erhöht. Ich brauche über die große Bedeutung der Flurbereinigung nicht zu sprechen, da Ihnen allen die Größe der noch umlegungsbedürftigen Flächen und der Umfang dieser grundlegenden Maßnahme für eine rationale Wirtschaftsführung bekannt sind. Die Beträge sollen Verwendung finden für die Ausführungskosten von Meliorationen sowie für die Aussiedlung und Aufstockung von Betrieben im Rahmen der Flurbereinigung.
2. Der Ansatz für die Wirtschaftsberatung, Kap. 1002 Tit. 603, wird nach der Regierungsvorlage von 4,2 Millionen DM auf 9,7 Millionen DM erhöht. Die Erhöhung soll u. a. für die verstärkte Wirtschaftsberatung in flurbereinigten Gemeinden sowie für die Wirtschaftsberatung auf dem Gebiete der Forstwirtschaft und der Jugendberatung Verwendung finden.
3. Neu ist der Bundeswasserwirtschaftsfonds, Kap. 1002 Tit. 618, der nach der Regierungsvorlage mit 15 Millionen DM ausgestattet ist. Hier werden damit erstmals Bundesmittel auch für die Durchführung von binnenwasserwirtschaftlichen Maßnahmen bereitgestellt. Bisher war das nur hinsichtlich der Küstenschutzmaßnahmen, Kap. A 1002 Tit. 600, der Fall.
4. Neu ist ebenfalls die Ausgabeposition für die Zinsverbilligung, Kap. 1002 Tit. 956. Hier sind 16,275 Millionen DM vorgesehen. Diese Zinsverbilligungen sollen für Besitzfestigung, Gemüse-, Obst- und Gartenbau, Binnenwasserwirtschaft, Anschaffung von Gemeinschaftseinrichtungen, Molkereiwirtschaft sowie für landwirtschaftliche Um- und Neubauten und die Aussiedlung von Gehöften
({3})
außerhalb der Flurbereinigung und Siedlung verwendet werden. Der Haushaltsausschuß hat bei dem letzteren Punkte eine Ergänzung der Erläuterungen beschlossen. Es soll auch der Landarbeiterwohnungsbau bei der Zinsverbilligung berücksichtigt werden. Erwähnenswert ist dabei die Ergänzung der Erläuterungen, durch die die Grundlage dafür geschaffen wird, daß die Zinsverbilligungsbeträge nicht nur für ein Haushaltsjahr, sondern darüber hinaus für die erforderliche Dauer der Zinsverbilligung gegeben werden können.
Auf der Ausgabeseite, wie sie die Regierungsvorlage zeigt, ist noch die Erhöhung der Vorratskosten, Kap. 1002 Tit. 620, von 140,9 Millionen DM auf 181,2 Millionen DM bemerkenswert. Diese Erhöhung um rund 40,3 Millionen DM ist aber keine echte Erhöhung der Vorratshaltungskosten. Sie beruht vielmehr darauf, daß im Rechnungsjahr 1953 noch Gewinne der Einfuhr- und Vorratsstellen von insgesamt 29 Millionen DM hinzugezogen werden konnten. Dazu sind im Rechnungsjahr 1954 10,3 Millionen DM ausgebracht, die zur Abdeckung eines Vorgriffs aus dem Rechnungsjahr 1952 dienen sollten. Da dieser Vorgriff, wie sich nachträglich herausgestellt hat, schon im Rahmen des Haushaltsansatzes für 1953 seine Erledigung finden kann, hat der Haushaltsausschuß beschlossen, den in der Regierungsvorlage ausgebrachten Gesamtbetrag um 10 Millionen DM zu ermäßigen.
Der Haushaltsausschuß hat sich im Laufe seiner Beratungen dann noch mit einer Reihe von Mehranforderungen auseinandersetzen müssen. Er ist dabei zu folgenden Ergebnissen gekommen.
1. Es ist unbedingt notwendig, die Bekämpfung der Rindertuberkulose, für die bisher ERP-Mittel zur Verfügung standen, auch weiterhin von Bundesseite zu fördern. Der Haushaltsausschuß hat daher beschlossen, den Titel für die Zuschüsse zur Bekämpfung der Tierseuchen, Kap. 1002 Tit. 615, auf 10 Millionen DM zu erhöhen und damit für die Bekämpfung der Rindertuberkulose 9,770 Millionen DM zur Verfügung zu stellen.
2. Der Absatz von Magermilchpulver, der im Interesse der Verwertung der überschüssigen Magermilch von großer Bedeutung ist, ist ein dringendes Problem geworden. Um hier Erleichterungen zu schaffen, hat der Haushaltsausschuß unter Kap. 1002 Tit. 950 einen Betrag von
5 Millionen DM unter Hinzufügung eines Sperrvermerks neu eingestellt.
3. Bei den Küstenschutzmaßnahmen, für die im außerordentlichen Haushalt Kap. 1002 Tit. 600 24 Millionen DM vorgesehen sind, schlägt der Haushaltsausschuß zusätzlich eine Erhöhung um
6 Millionen DM vor. Wie die Katastrophen der letzten Zeit gezeigt haben, ist es unbedingt notwendig, die schwachen Stellen in den Nordseedeichen schleunigst zu sichern. Als Deckung hierfür hat der Haushaltsausschuß eine entsprechende Ermäßigung bei den Betriebsmittelzuweisungen an die Einfuhr- und Vorratsstelle, Kap. 1002 Tit. 950, vorgesehen. Er geht davon aus, daß mit dem dann verbleibenden Rest von 6 Millionen DM im Rechnungsahr 1954 noch der Ausgleich gefunden werden kann.
4. Im Interesse der Förderung der Tierzucht ist der Ausbau von bestehenden und die Errichtung neuer Schweinemastprüfungsanstalten sowie die Errichtung einer Mastversuchsstation für Schafe von großer Bedeutung. Der Haushaltsausschuß hat
es daher für notwendig angesehen, daß vom Bunde aus hierfür ein Betrag von wenigstens 190 000 DM zur Verfügung gestellt werde, und deshalb hierfür einen neuen Ausgabetitel bei Kap. 1002 Tit. 957 ausgebracht.
5. Den Ausgabeansatz für die Förderung des Weinbaues, Kap. 1002 Tit. 607, hat der Haushaltsausschuß um 100 000 DM erhöht und damit wieder auf den Vorjahrsbetrag gebracht. Für die Förderung der Landtechnik und zur Förderung des landwirtschaftlichen Bauwesens hat der Haushaltsausschuß den Zuschuß um 240 000 DM erhöht. Mit diesem Betrag sollen insbesondere neue Deulaschulden bei dem Kuratorium für Technik in der Landwirtschaft ausgestattet werden und die Maschinenprüfungen bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Verbindung mit dem Kuratorium für Technik in der Landwirtschaft ausgebaut werden. Als Deckung für diese Erhöhung um 340 000 DM hat der Haushaltsausschuß geglaubt, bei der Ausgabeposition für Schädlingsbekämpfung, Kap. 1002 Tit. 614, diesen Betrag einsparen und auch absetzen zu können.
Damit habe ich die wesentlichen Veränderungen, die auf der Einnahme- und Ausgabeseite des Ministeriums selbst zu verzeichnen sind, erläutert. Es ist nun noch hinzuzufügen, daß der Stellenplan des Ministeriums nur eine geringfügige Ausweitung erfahren hat, und zwar um insgesamt 14 Stellen. Es handelt sich dabei um 5 Beamte, 5 Angestellte und 4 Arbeiter. Der Stellenplan der nachgeordneten Dienststellen des Ministeriums hat verschiedene größere Veränderungen erfahren. Hervorzuheben ist hier der Stellenplan der Außenhandelsstelle, Kap. 1003. Auf der Grundlage eines Gutachtens des Bundesrechnungshofes ist hier eine Verminderung um 50 Dienstkräfte zu verzeichnen. In diesem Rahmen war auch die Umwandlung von 18 Angestelltenstellen in Beamtenstellen vorgeschlagen worden. Der Haushaltsausschuß war aber der Überzeugung, daß eine Umwandlung von 10 Angestelltenstellen ausreichen würde. Die übrigen nachgeordneten Dienststellen sind Forschungsanstalten. Hier sind einige Stellenvermehrungen zu verzeichnen. Sie sind aber im wesentlichen auf besondere Umstände zurückzuführen, nämlich auf die Übernahme der Biologischen Zentralanstalt in Berlin - 88 Dienstkräfte -, auf den Ausbau der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Reinbek - 19 Dienstkräfte -, auf den Ausbau der noch im Anfangsstadium befindlichen Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen -105 Dienstkräfte - und auf den im Zusammenhang mit dem neuen Saatgutgesetz stehenden Ausbau des Bundessortenamtes in Rethmar, 19 Dienstkräfte.
Meine Damen und Herren, in Bundestagsdrucksache 360 sind die Ergebnisse der Beratungen im Haushaltsausschuß enthalten. Sie liegt Ihnen vor. Soweit die Beschlüsse des Haushaltsausschusses von besonderer Bedeutung sind, habe ich sie Ihnen bereits vorgetragen. Ich darf daher namens des Haushaltsausschusses nun die Bitte ausprechen, den Anträgen in Bundestagsdrucksache 360 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, darf ich bezüglich der Regelung der Aussprache fragen: Wird in der Einzelberatung zunächst eine allgemeine Aussprache über den Gesamtbereich des Haushalts gewünscht oder sollen wir in die Be({0})
ratung der gestellten Änderungsanträge eintreten
und dann vielleicht im Anschluß daran und in Verbindung damit allgemeine Gesichtspunkte erörtern?
({1})
- Dann würde ich vorschlagen, daß zuerst die Änderungsanträge begründet werden. Zunächst Umdruck 33*), ein Antrag der SPD. Herr Schmidt, bitte!
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir vorweg eine Berichtigung. In Umdruck 33 muß es heißen:
In Kap. 1002 Tit. 615 ist der Ansatz von „10 000 000 DM" auf „40 000 000 DM" zu erhöhen.
Und drei Zeilen weiter:
5. Beihilfen zur Ausmerzung tbc-kranker Kühe 39 770 000 DM.
Meine Damen und Herren! Im bisherigen Tit. 615 waren nur Ausgaben für die Virusgewinnungsanlagen, für die Vorratshaltung von Impfstoffen und für Forschungsaufträge in Höhe von 230 000 DM vorgesehen. Keine Mittel, nicht eine einzige Mark, waren aber für die Bekämpfung der Tuberkulose als Tierseuche veranschlagt. Im Agrarprogramm des Bundeslandwirtschaftsministers Herrn Dr. Lübke nimmt die Qualitätsverbesserung, insbesondere der Milch einen breiten Raum ein. Wir erinnern uns an die Milchdebatte damals - ich glaube, es war im Dezember 1953 -, in der alle Redner darin übereinstimmten, daß das Milchproblem nur durch Mehrverbrauch gelöst werden kann. Dieser Mehrverbrauch ist abhängig von einer wesentlichen Qualitätssteigerung. Diese wiederum ist abhängig in erster Linie von einer Gesundung der Tierbestände.
Auf Grund dieser Erkenntnisse hat der Bundeslandwirtschaftsminister beantragt, 5 Millionen DM für diesen Zweck im Haushalt einzusetzen. Das war ein bescheidener Betrag. Wir wissen, daß das Kabinett die Bewilligung dieser Summe abgelehnt hat. Ich darf das ausdrücklich noch einmal feststellen und damit zum Ausdruck bringen, daß also dieser Teil des Programms des Herrn Lübke vom Kabinett anscheinend abgeschrieben ist.
Nun kann man natürlich verschiedene Einwände gegen Bundesbeiträge erheben. Man kann sagen, das sei Ländersache. Das haben wir genug gehört, auch auf anderen Gebieten. Aber ich mache darauf aufmerksam, daß die Länder bereits heute erhebliche Beträge aufbringen, und zwar schätzungsweise zwischen 10 und 15 Millionen DM. Davon bringt allein das reiche Land Nordrhein-Westfalen 8 Millionen DM aus Haushaltsmitteln auf. Praktisch heißt das, daß die armen Länder kaum Mittel für die Tbc-Bekämpfung aufbringen können. Die Posten, die dort aufgebracht werden, reichen bei weitem nicht aus, um dieses Problem zu lösen.
Man könnte einen anderen Einwand bringen. Man könnte sagen, die Landwirtschaft solle selber mit diesem Problem fertigwerden. Wir müssen zugeben und darüber hinaus sogar anerkennen, daß die Landwirtschaft in den letzten Jahren Erhebliches getan hat, um damit fertigzuwerden. Ich darf darüber hinaus aber auch feststellen, daß es kein Land in der ganzen Welt gibt, das es der Landwirtschaft selbst überlassen hätte, mit der Tbc fertigzuwerden. Überall sind Staatsmittel in einem größerem Umfang eingesetzt worden.
Der Kollege Frühwald hat bei den Beratungen im Haushaltsausschuß 10 Millionen DM beantragt. Diesem Antrag wurde zugestimmt. Nun kommen
*) Siehe Anlage 13 Seite 938. wir mit unserem Antrag, diesen Betrag von 10 auf 40 Millionen DM zu erhöhen. Wie steht es um den Wirkungsgrad dieser 10 Millionen DM? Es gibt im großen und ganzen drei Möglichkeiten, die Tbc-Bekämpfung durchzuführen. Die erste wäre, das gesamte Vermittlungsverfahren auf Staatskosten zu übernehmen, d. h. die Unkosten für die einzusetzenden Hilfstierärzte zu tragen, die Tuberkulinbeschaffung dem Staat und der allgemeinen Öffentlichkeit zu überlassen und auch die allgemeinen Untersuchungskosten zu übernehmen. Diese 10 Millionen DM reichen gerade aus, um eben diese allgemeinen Kosten zu decken. Das ist nicht viel; sie würden praktisch nicht dazu beitragen, daß die Tbc-kranken Kühe ausgemerzt werden. Diese Hilfsmaßnahmen waren bisher Aufgabe der Länder, und ich meine, das sollte auch Aufgabe der Länder bleiben.
Eine zweite Möglichkeit, hier einzugreifen, wäre die Form einer Milchstützung entweder durch Zahlung von einem halben Pfennig oder, wie es auch in einigen Ländern üblich ist, von einem Pfennig je Liter Milch aus Tbc-freien Beständen. Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich einmal eine kurze Rechnung aufmachen, und zwar zuerst in der allgemeinen Finanzierung. Wir haben im Bundesgebiet zirka 111/2 Millionen Rinder, davon rund 6 Millionen Kühe. Von diesen 111/2 Millionen Rindern sind nach Schätzungen zirka 41/2 Millionen Tbc-krank, von den Kühen sind es zirka über 2 Millionen. Wir haben heute eine Produktion Tbc-freier Milch von zirka 21/2 Millionen Tonnen. Wenn Sie also nur einen Pfennig für die Tbc-freie Milch ausgeben würden, dann brauchten Sie im Jahre 25 Millionen DM. Bei steigender Freimachung von Tbc würden also diese Beträge weiterhin ansteigen. Bei einer Stützung von einem Pfennig je Liter Milch würden Sie aber keinen ausreichenden Anreiz schaffen, daß die Kühe auch wirklich ausgemerzt werden. Darüber sind wir uns wohl alle einig. Erst dann wäre ein Anreiz gegeben, wenn Sie z. B. je Liter Milch fünf Pfennig mehr zahlten. Aber dann würde der Betrag ja auf 125 Millionen DM steigen. Ich glaube, eine solche Ausgabe könnte kaum verantwortet werden.
Ich darf auch einmal eine kleine privatwirtschaftliche Rechnung aufmachen, weil sie nämlich zeigt, daß hier für den Bauern Verluste eintreten, die er kaum allein tragen kann. Nehmen wir einmal an, ein Bauer habe sechs Kühe, davon würden drei als Tbc-krank festgestellt. Wenn er seinen Stall vollkommen Tbc-frei machen würde d. h. er würde drei ausmerzen und drei neue dafür anschaffen -, dann bekäme er im Jahre bei einem Stützungspreis von einem Pfennig je Liter rund 150 DM mehr. Das ist also der effektive Gewinn. Auf der anderen Seite steht aber ein Barverlust von rund 1500 DM. Ich frage mich, ob er bei einem Stützungspreis von einem Pfennig freiwillig zur Ausmerzung seiner Tbc-kranken Tiere schritte. Ich glaube kaum. Wir stellen also fest, daß dieser eine Pfennig kein effektiver Anreiz ist.
Nach meiner Ansicht gibt es eine dritte, eine wirksame Möglichkeit, unsere Tierbestände gesund zu machen, und zwar in Form von Ausmerzungsbeihilfen. Es gibt zwei oder drei Länder in unserer Bundesrepublik, die bereits heute solche Zuschüsse von 50 bis 100 DM je Tier zahlen. Aber die Wirkung ist nicht die, die man dabei im allgemeinen erwartet. Wir müssen zu einer Entschädigung kommen, die mindestens die Hälfte des Barverlustes deckt. Das wäre, sagen wir, im Schnitt der Tiere 200 bis 250 DM. Ich glaube, diese Summe dürfte
({0})
wohl als richtig anzusehen sein. Mit den 10 Millionen DM, die jetzt im Haushalt stehen, könnte man also im Jahre 40- bis 50 000 Tbc-kranke Rinder ausmerzen. Das wären rund 2 % aller Tbc-Kühe. Wir brauchten also mindestens 20 bis 30 Jahre, um mit dem Problem fertigzuwerden.
Aus diesem Grunde, um schneller fertig zu werden, haben wir beantragt, den Ansatz auf 40 Millionen DM zu erhöhen, insbesondere zur direkten Ausmerzung. Wir würden also in der Lage sein, in jedem Jahr 160 000 bis 200 000 Tiere auszumerzen, und wir hätten die Gewähr, daß wir auf diese Art und Weise in acht bis zehn Jahren den Gesamtrindviehbestand Tbc-frei hätten. Der Einwand, daß man diese 160 000 bis 200 000 Tiere nicht ersetzen könne, sticht nicht. Umfragen haben ergeben, daß die Züchterverbände durchaus in der Lage wären, den Bestand auf die vorgesehene Zahl zu ergänzen.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch einen Hinweis auf die Leistungen anderer Länder. Ich habe mir z. B. sagen lassen, daß das kleine Holland in .einem Fünfjahresprogramm 100 Millionen Gulden aufbringt. Entsprechend unserer Größe, der Zahl unserer Tiere und dem Verseuchungsgrad müßten wir doch mindestens das Fünffache des Betrages aufwenden. Ich glaube, unsere Forderung nach 40 Millionen DM ist außerordentlich bescheiden. Aus diesem Grunde und um der Wichtigkeit des Problems willen möchte ich Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist vielleicht zweckmäßig, zunächst die Einzelbesprechung über die einzelnen Aufträge durchzuführen, um nicht hin- und herspringen zu müssen. Bleiben wir also zunächst bei den Tierseuchen, bei der Rinder-Tbc! - Herr Abgeordneter Horlacher, dazu? - Bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seien Sie mir nicht bös, wenn ich folgendes vorausschicke. Ich kann hier, wo es sich darum handelt, den Etat zu verabschieden, und zwar möglichst bald, keinen aus der Reihe tanzenden argrarpolitischen Wildschützen machen. Die Rolle kann ich nicht übernehmen. Infolgedessen muß ich bei dem bleiben, was mir der sachliche Plan der ganzen Verhältnisse vorschreibt.
Hier ist insbesondere darauf zu achten, daß der Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus Einnahmen und Ausgaben besteht, daß er in den Beratungen des Ernährungsausschusses wie des Haushaltsausschusses abgestimmt ist und daß nun, nachdem die Dinge im Haushaltsausschuß aufeinander abgestimmt worden sind, neue Anträge eingereicht werden. Wir haben ein allgemeines Interesse daran, daß wenigstens die Beträge, die neu in den Haushalt aufgenommen worden sind, Flurbereinigung, Zinsverbilligung, Tbc-Bekämpfung - ich will sie nicht alle aufzählen -, vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten so rasch wie möglich flüssig gemacht werden und zur Verwendung kommen könen. Denn wenn wir die Etatberatungen hinausschieben, schädigen wir uns nur selber; erreichen können wir dabei gar nichts. Nun kommt man mit allerlei Anträgen hintennach.
({0})
- Aber nicht in der Höhe!
({1})
- Nein, die Geschichten sind im Haushaltsausschuß ausgeglichen worden, und man sollte jetzt hier über die Verhältnisse nicht hinausgehen.
({2})
- Ja, ja, Sie kennen den Unterschied zwischen Regierung und Opposition genau!
({3})
Man tut sich leichter, die Verantwortung ist geringer. Aber die Regierungsparteien müssen für die Abgleichung des Etats Sorge tragen, das ist ihre Aufgabe; das weiß jeder Mensch. Ich würde auch gern aus der Reihe tanzen.
({4})
Ich könnte noch viel bessere, viel weitergehende
Anträge stellen. Ich könnte sagen: Ich beantrage
100 Millionen! Es kommt ja gar nicht darauf an.
({5})
Zu dem Antrag selber möchte ich folgendes ausführen. Ich bin abgesehen von der politisch-taktisch parlamentarischen Lage der Meinung, daß Ihr Antrag im Augenblick auch sachlich nicht zu vertreten ist,
({6})
und zwar aus einer Reihe von Gründen. Wir haben es nach großer Mühe fertiggebracht, die 10 Millionen hereinzubringen als Anlauf zur Bekämpfung der Rindertuberkulose und anderer Krankheiten, als Anlauf, nicht als Endpunkt. Die Sache muß ja einmal anlaufen, und sie muß auch mit den Ländern durchgesprochen werden. Sie haben von einem Fünfjahresplan in Holland gesprochen. Da sehen Sie schon! Wir wollen ja eine Entschließung in die dritte Lesung bringen, wo wir auch einen Mehrjahresplan vorschlagen und darauf hinweisen, daß die Verhältnisse mit den Ländern abgestimmt werden müssen, weil hier die Frage nicht bloß mit Geld, sondern organisch zu lösen ist: Wie bringe ich die alten Tiere, die tuberkulös verseucht sind, weg, und wie sorge ich für die entsprechende Nachzucht? Auf die kommt es ja an. Wie geht das alles im Marktgeschehen vor sich? Ich wende mich mit aller Entschiedenheit dagegen, daß man plötzlich bei der Verbraucherschaft die Vorstellung erweckt, als wenn jetzt das Problem von heute auf morgen gelöst werden müßte. Wir haben in Deutschland die beste Veterinärpolizei. In anderen Ländern gibt es wohl kaum eine bessere. Wir haben unsere Verbraucherschaft auf dem Gebiet des Fleischverzehrs wie des Milchverzehrs genügend geschützt.
Bei der Gelegenheit möchte ich einmal darauf hinweisen, daß wir die Dinge auch nicht so übertreiben dürfen, als wenn daraus ein Unglück für die ganze Versorgung und für die Bevölkerung entstünde.
({7})
Wir müssen die Kirche beim Dorf lassen. Darum sind wir für einen entsprechend organischen Aufbau. Wir brauchen einen organischen Marktverlauf. Wir können nicht sämtliche Rindviecher, die uns nicht gefallen, von heute auf morgen aus den Ställen hinauswerfen,
({8})
sondern wir müssen hier auf die mit
Fleisch zu versorgende Bevölkerung und die
Entwicklung Rücksicht nehmen. Es dürfen
({9})
nicht plötzlich stoßweise Angebote erfolgen, so daß wir nachher mit der Aufzucht der neuen Tiere, die hier das einzig Richtige ist, nicht mehr nachkommen können.
Wir wenden uns außerdem dagegen, daß behauptet wird, dies könne nur durch Ausmerzungsbeihilfen geschehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann nur dadurch geschehen, daß man auch in der Landwirtschaft eine richtige Erziehungsarbeit leistet und das Vernünftigste durchführt. Das alles kann nicht im Galopptempo, sondern muß langsam, sicher und stetig vor sich gehen, ohne daß hier die fortlaufende Produktion der Landwirtschaft beeinträchtigt wird; sonst würden beide Teile, die Landwirtschaft sowohl wie die Verbraucher, geschädigt. Deshalb sagen wir: in der Sache zwar vorwärtsschreiten, aber Tempo halten, vernünftig vorgehen! Solche Dinge lassen sich nicht überstürzen. Die Landwirtschaft ist kein mechanisches Geschäft; die Landwirtschaft ist ein Organismus, und es rentiert sich sehr schlecht, wenn plötzlich in etwas organisch Gewachsenes eingegriffen wird, ohne auf den Ablauf der Verhältnisse Rücksicht zu nehmen.
({10})
Das weiß jeder Landwirt.
({11})
- Wir wissen es; wir kennen unsere Pappenheimer genau!
({12})
Das ist leicht zu sagen: „Wir sind die braven Kinder! Wir haben 40 Millionen verlangt! ({13})
Da schaut's her, was wir für Brüder sind! Wir gehen als Bannerträger voran!" Wir wollen auch, daß die Mittel künftig verstärkt werden, wir wollen aber zunächst einmal, daß hier planmäßig nach den Marktverhältnissen vorgegangen wird. Wir sind dafür, daß die Millionen im Verein mit den Ländern organisch eingesetzt werden.
({14})
- Ich glaube, Sie, die Sie sich am meisten freuen, verstehen freilich von der Sache auch am wenigsten!
({15})
Wir haben im Sinn, zur dritten Lesung eine Entschließung einzubringen, in der es heißt, daß wir von der Bundesregierung im Benehmen mit den Ländern einen Gesamtplan für die nächsten drei oder fünf Jahre zur Bekämpfung der Rindertuberkulose vorgelegt haben möchten. Wenn auf Grund des Antrages dem Bundestag durch die Bundesregierung eine entsprechende Vorlage unterbreitet wird, dann können wir uns darüber unterhalten, ob hier zusätzlich Mittel notwendig sind. Es gibt ja auch einen Nachtragshaushalt, da kann man sich über diese Dinge unterhalten. Wir möchten aber nicht, daß durch diese Erhöhungsanträge - aus welchen Motiven sie gestellt sind, ist mir gleichgültig - unsere gesamten Etatberatungen aufgehalten werden. Wir wollen, daß die Mittel für die Landwirtschaft möglichst bald effektuiert werden und daß der Herr Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft die Gelegenheit erhält, nach Verabschiedung des Etats wenigstens das anlaufen zu lassen, was im Etat steht. Flurbereinigung, Zinsverbilligung und Tuberkulosebekämpfung - ich brauche es nicht im einzelnen aufzuzählen - möchten wir haben, und deswegen, meine ich, müssen wir maßhalten. Wir dürfen hier nicht scheinheilig sein, wir müssen bei der Heiligkeit bleiben. Im Ernährungs- und Haushaltsausschuß wäre reichlich Gelegenheit gegeben, das auszugleichen. Wir können hier im Parlament nicht über Hürden springen, die wir dann nicht nehmen können, und dann unseren Gaul zum Scheuen bringen und dem Ganzen mehr schaden, als wir ihm nützen können.
({16})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Erwägungen, wie Herr Abgeordneter Horlacher über Hürden springt, die er nicht nimmt, nachher anzustellen.
({0})
Das ist für Karikaturisten durchaus eine Möglichkeit.
({1})
- Nein, nein, das ist richtig.
Herr Abgeordneter Frühwald, bitte!
({2})
- Aha, zum ganzen Etat. Dann würde jetzt zu diesem Antrag Herr Kriedemann sprechen. Ich schlage vor, daß wir dann zunächst zu dem Antrag Umdruck 35 *) übergehen, der es auch mit der Milch zu tun hat, diesmal mit einer Förderung auf eine andere Weise.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich mit dem Herrn Kollegen Horlacher nicht über Heiligkeit oder Scheinheiligkeit streiten. Das mag durchaus mehr in sein Ressort gehören und seiner Beurteilung besser zugänglich sein als meiner. Ich bin auch gar nicht böse darüber, daß er versprochen hat, sich bei der Etatberatung nicht als agrarpolitischer Wildschütz aufzuführen. Allerdings möchte ich darauf aufmerksam machen, daß es Sinn der Etatberatung ist, zur Sache zu reden. Wir können den Etat nicht einfach als etwas hinnehmen, was nun, ich weiß nicht woher, gekommen ist, mit dem wir uns abzufinden hätten. Wir können die Auffassung nicht hinnehmen, daß wir über die Sache selbst erst bei anderer Gelegenheit zu reden hätten.
Wenn ich mich recht erinnere, so habe ich, als wir im 2. Deutschen Bundestag die traditionsgemäß stattfindende Milchdebatte mit den üblichen Demonstrationsreden gehabt haben, wie z. B. „Trinkt mehr Milch, und ihr bleibt gesund" usw., gesagt, es werde demnächst eine Gelegenheit kommen, etwas sehr Wirkungsvolles zu tun, nämlich dann, wenn hier die Etatsmittel bewilligt werden, die nun einmal auch in der Landwirtschaft notwendig sind, wenn irgendwelche Maßnahmen durchgeführt werden sollen. Auch die Landwirtschaft kann nicht von Versprechungen, guten Ratschlägen und Erziehung und was weiß ich leben. Auch dort kosten die Dinge Geld. Wenn es sich hier um ein Problem handelt, bei dem den unmittelbar Beteiligten, nämlich den Kuhhaltern, die finanzielle Bewältigung nicht allein zugemutet werden kann - und der Herr Kollege Dr. Schmidt hat vollkommen recht, wenn er sagt, daß das auch in keinem andern Lande geschehen ist -, dann müssen wir uns darüber beim Etat unterhalten; denn nur hier hat die Sache Sinn und nicht, wenn wir erst vier Wochen später darauf zurückkommen und sagen,
*) Siehe Anlage 15 Seite 940.
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daß wir etwas tun sollten oder müßten; dann ist das genau so unverbindlich und reine Augenwischerei, wie wenn wir jetzt hinterher Entschließungen in dem Sinne annehmen: Wir erwarten von uns selber aber für das nächste Jahr mehr Mut vor dem Finanzminister oder vor anderen Instanzen.
Es gibt mehrere Arten, Agrarpolitik zu betreiben. Man kann z. B. auf die Dörfer in die Versammlungen ziehen und dort furchtbare Reden halten, sich da als ganz besonders tüchtig und tapfer hervortun und dann hier später erklären, warum das alles nicht geht. Das braucht einen nicht einmal daran zu hindern, dann draußen die alten Reden fortzusetzen.
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Man kann aber Agrarpolitik auch so betreiben, daß man sagt: Hier ist nun einmal die Hürde des Haushaltes, über die wir nicht wegkommen. Und deshalb müssen wir mit dem einverstanden sein, was da drinsteht. Sie wissen doch, wie es angefangen hat. Alles das, was heute. als Förderungsmittel zur Verfügung steht, hat ja im Haushalt, wie ihn die Bundesregierung vorgelegt hat, so eine ganz besondere Bemerkung mit sich herumgeschleppt. Es hat ausdrücklich dringestanden, daß die Mittel für das, was hier jetzt wortreich gepriesen wird: Flurbereinigung, Zinsverbilligung, Wasserwirtschaft usw. - überhaupt nur dann zur Verfügung stehen werden, wenn aus einer ganz bestimmten, einer sehr peinlichen, sehr schmerzlichen Einnahme, nämlich aus der Abschöpfung, der Verteuerung der eingeführten Lebensmittel mehr als 120 Millionen DM zusammenkämen. Dabei weiß man doch ganz genau, daß das, was für die Landwirtschaft aufgewendet werden muß, unbedingt verfügbar sein muß, wenn sie konkurrenzfähig bleiben soll. Wenn man Außenpolitik mit dem Ziel betreibt, Europa zu integrieren, muß man schon ein bißchen darauf achten, daß dabei die Landwirtschaft noch am Leben bleibt; dann hat man also ganz bestimmte Verpflichtungen. Diese ganzen Mittel sollen also erst aufgewendet werden, wenn den Verbrauchern vorher eine ganz bestimmte Menge Geldes abgenommen worden ist, und zwar wenn zunächst der Finanzminister für die Erfüllung allgemeiner Aufgaben befriedigt worden ist und hinterher noch etwas übrigbleibt. Wir sind den Damen und Herren von der Mehrheit außerordentlich dankbar, daß sie im Haushaltsausschuß unserem Antrag zugestimmt haben, diese fürchterliche Bestimmung zu streichen, und daß die für die Landwirtschaft erforderlichen Mittel ohne jeden Vorbehalt und ohne jede Vorbelastung genau so eingestellt werden wie die Förderungsmittel für andere Wirtschaftszweige und für andere Aufgaben. Hätten wir uns schon damit abgefunden, Herr Horlacher, dann hätten wir nicht einmal diese Sicherheit gehabt. Es ist einfach nicht wahr, wenn gesagt wird: Wir haben es ja schon schwer genug gehabt, die 10 Millionen hereinzubekommen; mehr können wir nicht. Es ist vor allen Dingen nicht richtig, wenn Sie sagen: Mehr darf außerdem gar nicht getan werden, denn sonst kann man diese Aufgaben nicht richtig erfüllen.
Was heißt nun auf einmal wieder: Die Landwirtschaft ist keine schematische und keine mechanische Angelegenheit, da geht alles ganz anders? In einem Fall geht es nicht anders: sie muß Mittel zur Verfügung haben. Daß es sich hier um eine vordringliche Aufgabe handelt, kann doch gar nicht bestritten werden.
Es steht auch fest, daß der Antrag, wie er hier gestellt ist, nicht irgendwie aus - wie Sie sich ausgedrückt haben - Scheinheiligkeit gestellt ist. Sie fügten hinzu, wir seien die feinen Leute, wir beantragten 40 Millionen. Das können Sie ja nachrechnen. Das ist Ihnen eben vorgerechnet worden. Das ist genau der Betrag, der - und zwar viele Jahre hintereinander - eingesetzt werden muß, wenn wir mit dieser fürchterlichen Geschichte so fertig werden wollen, wie wir es in den vergangenen Jahren nicht einmal angestrebt, sondern versäumt haben. Wir haben vieles nachzuholen und haben keine Zeit zu vertrödeln. Es stimmt nicht, wenn gesagt wird, man könne so viele Tiere nicht einstellen; es stimmt auch nicht, wenn Sie sagen, daß das einen Druck auf die Preise bewirken würde. Das läßt sich alles machen, das wissen Sie selber. Der Betrag ist eher nicht groß genug. Es gibt auch keine von irgendwoher gesetzte Grenze für die Leistungen an die Landwirtschaft. Es gibt vielleicht Grenzen für die Versprechungen,
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aber keine Grenzen für das, was nun einmal als notwendig getan werden muß. Die Tbc-Bekämpfung ist in diesem Haushalt die Aufgabe Nummer 1 für die Mehrheit der landwirtschaftlichen Betriebe - das sind gerade die kleinen und kleinsten -, die im wesentlichen von der Milch abhängen. Die sind es auch leider wieder, die allein schon gar nicht in der Lage sind, das durchzusetzen. Daß der Antrag, der für diese Aufgabe im Rahmen des Haushalts 40 Millionen DM fordert, nicht irgendein Antrag ist, den man als Demagogie oder ich weiß nicht was diffamieren kann, wird auch Ihnen bei ruhiger Überlegung, Herr Horlacher, ganz klarwerden. Wir haben hier eine Aufgabe vor uns, und wir unterscheiden uns im Augenblick nur hinsichtlich der Courage, mit der wir uns zu der Aufgabe bekennen und mit der wir die Mittel fordern, die zur Erfüllung dieser Aufgabe notwendig sind.
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Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ruhig sagen: es sind auch in diesem Haushalt noch Reserven. Erstens möchte ich in gar keiner Weise gelten lassen, daß der Betrag für landwirtschaftliche Aufgaben, zusammengefaßt im Haushalt des Einzelplans 10, nun einmal irgendwie eine feste Größe ist, in die alles das hineingedrückt werden muß, was für die Landwirtschaft notwendig erscheint. Ich könnte mir einen größeren Etat vorstellen, und diejenigen, die draußen die Propagandareden mit anhören müssen, werden auch ausnahmslos alle einen größeren Etat erwarten. Aber wenn abgesehen davon in diesem Etat darauf geachtet würde, z. B. bei den Einfuhr- und Vorratsstellen, daß wirklich nur das geschieht, was notwendig ist, und daß keinerlei Manipulationen aus irgendwelchen Interessentenwinkeln heraus betrieben werden, die Geld kosten, wenn man darauf verzichtete, Auslandsgetreide frachtfrei im Lande herumzufahren und ähnliche Dinge zu tun, die viel eher warten können als die Bekämpfung der Tbc, dann hätten wir auch hier noch Mittel dazu.
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Ich glaube, wir sind es besonders in dieser Frage
der praktischen Landwirtschaft schuldig, alles zu
tun, was getan werden kann. Und was getan wer({5})
den kann, hängt von nichts anderem als von der Courage ab, die dieses Haus hat.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Damen und Herren! Milchdebatten haben wir in diesem Hause schon des öfteren erlebt. Die Ursache war meistens eine Absatzkrise in der Milchwirtschaft, die auch bis heute nicht überwunden ist. Wenn der Herr Kollege Horlacher daran Anstoß nimmt, daß wir im Rahmen dieses Haushalts mit zwei konkreten Vorschlägen versuchen, endlich einmal dieser Absatzkrise ernsthaft zu Leibe zu gehen, dann verstehe ich es deswegen nicht, weil ich mich fragen muß, wo denn anders als beim Haushalt man endlich einmal konkrete finanzielle Sicherungen anbringen könnte. Wir haben im ersten Antrag das Problem behandelt, gesunde Milch auf den Markt zu bringen. Wir möchten im zweiten Antrag erreichen, daß die gesunde Milch auch den Teilen unseres Volkes als Nahrungsmittel zugeführt wird, die sie am allernotwendigsten brauchen. Milch ist für unsere Kinder das wichtigste Nahrungsmittel schon deswegen, weil sie in einer besonders günstigen Zusammensetzung die wichtigsten Stoffe für den Aufbau und das Wachstum des Menschen enthält. Es ist bekannt, daß Milch sowohl das lebenswichtige Eiweiß als auch das leicht verdaulichste Fett, sowohl Kohlehydrate als auch Mineralstoffe, aber vor allem auch die wichtigen Vitamine A, B und D in einer hervorragenden Zusammensetzung enthält. Es ist wissenschaftlich unbestritten, daß der Mensch zu seiner gesunden Ernährung täglich einen halben Liter Milch braucht. In der Bundesrepublik beträgt der Milchverzehr pro Kopf im Jahr 120 Liter. Das allein beweist schon, daß neben den Erwachsenen ungezählte Kinder die für ihr Leben und ihr Wachstum unentbehrliche Milch nicht bekommen. Das muß uns dazu anregen, nicht nur darüber nachzudenken, sondern auch Mittel und Wege zu zeigen, die diese gesunde Ernährung für unsere Kinder sicherstellen. Wir produzieren doch genügend Milch, es besteht kein Mangel an Milch, es gibt heute auch kein Transportproblem mehr, man bringt Milch aus den Werkmilchgebieten in die Trinkmilchgebiete usw. Wir haben, wie schon gesagt, Absatzsorgen. Auf der anderen Seite haben wir eine Unzahl ungenügend ernährter Kinder. Daß hier irgend etwas nicht stimmt, muß doch dem einfachsten Verstand sichtbar sein.
Wir haben in der Bundesrepublik wie im Deutschen Reich das obligatorische Schulfrühstück so lange gehabt, als uns ausländische Hilfe dafür zur Verfügung gestellt worden ist. Ist es nicht eine Schande, daß wir, nachdem wir uns nach den beiden schweren Kriegen und der Nachkriegszeit wieder so weit erholt haben, daß wir imstande sind, unseren Kindern das Schulfrühstück aus eigener Kraft zu geben, dies noch nicht getan haben?!
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In fast allen europäischen Ländern gibt es ein solches vom Staat finanziertes Schulfrühstück. Daß die Holländer heute einen Milchverbrauch pro Kopf von 200 Litern im Jahr, die Engländer von 156 Litern haben, beruht darauf, daß sie ihren Kindern in der Schule täglich kostenlos die notwendige Milch verabreichen. Es gibt in der Bundesrepublik eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen auf diesem Gebiet, die aber leider nicht ausreichend sind. Ein Teil von Kindern bekommt z. B. aus der Kriegsfolgenhilfe ein verbilligtes Schulfrühstück. Aber das ist eben nur ein winziger Teil. Wenn man die Gemeinden und die Länder dazu anregen will, auf diesem Gebiet mehr zu tun, muß der Bund mit gutem Beispiel vorangehen. Der Bund hat dazu um so mehr Veranlassung, als er gerade im Haushalt des Bundesernährungsministeriums, wie von meinem Kollegen Kriedemann bereits angeführt wurde, wesentliche Teile der Einnahmen aus eingeführten Lebensmitteln abschöpft, für die die Verbraucher, also die Kreise, deren Kinder das Schulfrühstück bekommen würden, sehr hohe Beträge zahlen müssen.
Es wird hier immer wieder davon gesprochen, daß wir diese Anträge stellen, ohne gleichzeitig einen Deckungsvorschlag zu machen. Nun, der Haushaltsausschuß des Bundestages hat eine ganze Reihe von Positionen in diesem Etat erhöht. Leider hat er unsere beiden Anträge, die mündlich gestellt worden sind, nicht angenommen. Das Parlament muß doch die Möglichkeit haben, sich über den Haushaltsausschuß hinaus zu einer solchen Sache zu bekennen oder öffentlich zu zeigen, daß es nicht gewillt ist, ein solches Schulfrühstück an die Kinder kostenlos oder verbilligt abzugehen. Darüber kann man eben nur im Plenum des Bundestages eine entsprechende Abstimmung herbeiführen.
Wir wissen genau, daß diese 40 Millionen DM zunächst nur Anlaufmittel sein können. Sie sollen dazu führen, Schulmilch entweder verbilligt oder kostenlos zunächst für einen Teil, vielleicht die jüngeren Kinder, nach bestimmten Richtlinien abzugeben. Wir wissen auch, daß die Ausweitung der Werkmilchgebiete in den großstadtnahen Gebieten nicht nur zu erheblichen Absatzsorgen, sondern auch zu unvertretbar niedrigen Preisen für die Milcherzeuger geführt hat. Durch die Hebung des Trinkmilchabsatzes und die Verringerung der Werkmilchgebiete würde nicht nur eine gesunde Ernährung unserer Kinder erreicht, sondern endlich auch das berechtigte Anliegen der Erzeuger erfüllt, daß sie einen vertretbaren Kostenpreis für ihre Milch bekommen. Es ist wissenschaftlich festgestellt, daß eine Ausweitung des Trinkmilchabsatzes um 10 % genügen würde, um den Auszahlungspreis wesentlich zu erhöhen. Es gibt selten Anträge auf dem Gebiet der Landwirtschaft, die in einem so hohen Maße sowohl den Erzeugern als auch den Verbrauchern und in diesem Falle der Volksgesundheit nützen.
Ich sagte schon, daß der Haushaltsausschuß leider unserer Anregung nicht gefolgt ist. Nachdem der Herr Finanzminister heute vormittag so böse die rechte Seite des Hauses gewarnt hat, die vorliegenden Anträge anzunehmen, muß ich mit großem Bedauern fragen: haben wir denn tatsächlich kein Geld für den Aufbau und die Erhaltung des Lebens unserer Kinder? Die gesunde Jugend ist das beste und das schönste Gut, das ein Volk hat. Dieser Antrag ist ein Anlauf dazu, im Wettlauf mit anderen europäischen Völkern für unsere Jugend das gleiche zu tun. Ich bitte Sie, trotz der bisherigen Auseinandersetzungen mit dem Herrn Finanzminister diesem Antrag zuzustimmen. Sie werden nicht nur die Zustimmung aller deutschen Mütter, sondern auch aller deutschen Verbraucher haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Frühwald.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zu den einzelnen Anträgen sprechen. Wir haben ja keine zu begründen, weil wir keine gestellt haben. Ich möchte jetzt den Versuch machen, aus einzelnen Positionen und Titeln des Etats besondere Maßnahmen, die hier eingeleitet sind, zu besprechen.
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Zu Tit. 101 - -({1})
Es tut mir leid. Herr Präsident D. Dr. Ehlers hat mir gesagt, daß eine Wortmeldung von Frau Strobel zur Begründung eines Antrags vorliege. Andere Wortmeldungen lägen nicht vor außer der Wortmeldung des Kollegen Frühwald, der hinter Frau Strobel komme. Ich bin also so, wie hier die Reihenfolge festgelegt ist, verfahren, und man kann mir daraus keinen Vorwurf machen.
Ich bitte den Abgeordneten, weiter zu sprechen.
Zu Tit. 101, der die Personalbesetzung des Bundesernährungsministeriums betrifft, möchte ich besonders auf das Referat IV A 6 der Abteilung IV hinweisen. Dies ist das Referat für die Boden- und Betriebsbewertung. Aufgabe dieses Referats ist es insbesondere, die Verhandlungen um die Bodenbewertungen zu führen, die infolge der erforderlichen Umsiedlungen wegen der Neugestaltung von Flugplätzen und Exerzierplätzen notwendig sind. In welcher Form und in welchem Ausmaß sich diese Aufgaben heute mehren und ständig häufen, ist jedem unter uns bekannt. Hier aber, in diesem Referat, bleibt die Erledigung zwangsläufig immer hängen; denn dieses Referat mit seinen wachsenden Aufgaben ist nur mit einem einzigen Beamten und einer Hilfskraft besetzt. Ich möchte dringend bitten, daß der Herr Bundesernährungsminister - und ich möchte auch um die Zustimmung des Herrn Bundesfinanzministers bitten - ein besonderes Augenmerk darauf richtet. Denn ich nehme nicht an, daß die gleiche Abteilung des Bundesfinanzministeriums ein Interesse daran hätte, daß speziell dieses Referat nicht besonders gut besetzt wäre.
Und nun zu den Einnahmen. Wir haben vorhin schon von Herrn Kollegen Kriedemann gehört, daß dieser Einzelplan 10 ursprünglich eine besondere Gestalt hatte, indem er auf den Einnahmen der Abschöpfungsbeträge aufgebaut war, daß aber besonders die Maßnahmen, die der Herr Bundesminister für Ernährung heute als die agrarpolitisch vordringlichsten betrachtet, immer wieder von dem Ergebnis dieser Abschöpfungen abhängig gemacht waren und nur soweit berücksichtigt werden sollten, als diese Abschöpfungen den Betrag von 120 Millionen DM übersteigen würden. Bevorrechtigt war dann aber noch der Titel 951, der den Zuschußbedarf der Getreideeinfuhr festlegt. Hierzu eine Klarstellung. Bereits bei der Besprechung dieses Etats im Ernährungsausschuß hat Herr Abgeordneter Dr. Dr. Müller ({0}) darauf hingewiesen, daß dieses Junktim den ganzen Einzelplan 10 in seinem Grundbestand zu einem fragwürdigen Probeexempel macht. Er ist also eigentlich der geistige Vater dieses Kindes, das uns hier vorgestellt wurde - entschuldigen Sie, Herr Kriedemann! - in Form des Antrags der SPD im Haushaltsausschuß, wo dann auf Grund dieses Antrages meines Wissens einstimmig beschlossen wurde, die Bemerkungen zu Kap. 1002 Tit. 67 der Einnahmen und vor Tit. 531, die sozusagen den Grundsatz dieses finanzpolitischen Experiments dargestellt haben, zu streichen. Das gleiche gilt natürlich für alle Titel dieses Einzelplans, die sich immer wieder auf dieses Junktim bezogen haben.
Ich muß aber in diesem Zusammenhang noch auf etwas anderes hinweisen. Inzwischen scheint sich die Situation doch geändert zu haben. Bei jener ersten Besprechung im Ernährungsausschuß hat der Herr Bundesernährungsminister Bedenken erhoben, daß, wenn wir diese Lösung von dem Junktim beschlössen, auch im Plenum vielleicht sein Gesamtetat und seine besonderen Maßnahmen durch den Widerspruch des Herrn Bundesfinanzministers gefährdet werden könnten. Nach dem Beschluß im Haushaltsausschuß ist ein Einspruch des Herrn Bundesfinanzministers nicht erfolgt. Es sind nicht nur die Abschöpfungen über 120 Millionen DM jetzt ohne Einschränkung verplant, sondern ohne Widerspruch des Herrn Bundesfinanzministers ist dieser Einnahmeansatz um 27 600 000 DM erhöht worden, und die letzten Entscheidungen und Beschlüsse des Haushaltsausschusses, die sich mit den Erhöhungen befassen, bauen zum Teil auf dieser Erhöhung der Einnahmepositionen auf. Ich möchte aber bemerken: im Gesamthaushalt des Bundesernährungsministeriums sind von diesen 27 Millionen DM eigentlich nur rund 15 Millionen DM enthalten. Das ist der Betrag von rund 10 Millionen DM für die Tbc-Bekämpfung und von 5 Millionen DM für die Förderung der Verwertung von Magermilchpulver. Die übrigen Erhöhungen in diesem Einzelplan 10 sind im allgemeinen durch Kürzungen im gleichen Einzelplan wieder ausgeglichen.
Nun zu den einzelnen Titeln. Ich verbinde hier die Titel 531 und 662, die die Siedlung betreffen, miteinander. Dazu möchte ich folgendes sagen. Nach jahrelangem Warten, Bangen und Hoffen sind die Finanzierungsrichtlinien für diese Neusiedlungen endlich an das Licht der Welt gekommen. Ich hatte nicht mehr geglaubt, daß ich das noch erleben könnte, denn seit Jahren gibt es hier die allergrößten Schwierigkeiten, und ich hatte bezweifelt, daß eine Einigung zwischen den einschlägigen Abteilungen oder Referaten des Bundesernährungsministeriums und dem Bundesfinanzministerium zustande kommen würde. Die Richtlinien sind also jetzt da, und es besteht nun die Möglichkeit, die Neusiedlungen den betreffenden Siedlern auch tatsächlich zu übereignen. Da gibt es in Zukunft keine Ausrede mehr. In der Praxis haben nämlich die zum großen Teil öffentlich-rechtlichen Siedlungsgesellschaften die Pachtverträge in jedem Jahre um ein weiteres Jahr verlängert mit der Begründung, sie müßten die Richtlinien des Bundesfinanzministeriums und des Bundeslandwirtschaftsministeriums abwarten. Dadurch ist unbedingt der Eindruck erweckt und immer mehr verstärkt worden, daß hier die Absicht bestehe, eine neue öffentlich-rechtliche Form eines ausgedehnten Eigentumsträgers von Grund und Boden zu schaffen und die Neusiedler auf die Pachtform abzudrängen.
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Hiermit habe ich aber noch einen Wunsch zu verbinden, der meines Erachtens nicht in der Machtvollkommenheit des Bundesernährungsministeriums liegt, wohl aber zu der Frage der Siedlung gehört. Das ist der Wunsch, daß endlich einmal auch ein Entscheid über das frühere Wehrmachteigentum ergeht, das in der Zwischenzeit der Besiedlung zugeführt worden ist. Wir haben nicht nur in meiner engeren Heimat, sondern im ganzen Bundesgebiet eine Unzahl von Fällen, in denen auf früheren Wehrmachtgrundstücken, Flugplätzen, Truppenübungsplätzen usw. Siedlungen angelegt worden sind. Seit Jahren benutzen die Siedler diese Grundstücke, und sie haben auch Neubauten errichtet, Wohngebäude und Nebengebäude; aber die Übergabe an die Siedler scheitert immer noch daran, daß die Freigabe durch die Bundesvermögensverwaltung noch nicht erfolgt ist. Ich kann auf Grund der speziellen Erfahrungen mit Hohenfels verstehen, daß unser Ministerium hier sehr vorsichtig ist. Ich möchte aber doch dringend bitten, auch an diejenigen zu denken, die sich sozusagen auf einem neuen Ast befinden, von dem sie nicht wissen, ob er noch abgesägt wird. Ich möchte also auch hier dringend bitten, baldmöglichst klare Entscheidungen zu treffen, selbst für den Fall, daß die Siedler von diesen Stellen weichen und eine anderweitige Unterkunft suchen müssen.
Zur Frage der Flurbereinigung habe ich an das Ministerium die Bitte, besonders darauf bedacht zu sein, daß aus den jetzt in größerem Umfange zur Verfügung stehenden Mitteln bereits eingeleitete Unternehmen nicht erhöhte Zuschüsse erhalten. Der Zweck muß der sein, mit diesen Mitteln nicht die bereits eingeleiteten Unternehmen noch mehr zu verbilligen, sondern neue Unternehmungen auszulösen.
Es besteht eine weitere Gefahr, und ich bitte den Herrn Bundesernährungsminister, dazu Stellung zu nehmen: Ist beabsichtigt, aus diesen Mitteln den Ländern Zuschüsse für neue Flurbereinigungsämter und Personalvermehrungen zu geben? Wenn die Mittel in dieser Form Verwendung finden, ist der erwartete Zweck, nämlich die Vorbereitung einer Änderung der Agrarstruktur - und die Flurbereinigung ist ja lediglich die Voraussetzung dafür -, nicht in dem Umfang erfüllt, wie man es von diesen finanziellen Maßnahmen erwartet. Die Ausweitung der eingeleiteten Unternehmen, die Durchführung und damit auch die Frage der Behörden und ihrer Unterkunft sind meines Erachtens Angelegenheiten der Länder.
Zum Tit. 614, Zuschüsse zur Bekämpfung der pflanzlichen und tierischen Schädlinge, gestatte ich mir die Bemerkung, daß nach meiner Auflassung dieser Betrag, der ja bereits gekürzt worden ist, ruhig noch etwas mehr gekürzt bzw. einer anderweitigen Zweckbestimmung zugeführt werden könnte. Ich habe überhaupt den Eindruck - es klingt aus dem Munde eines Mitglieds der Fraktion der Freien Demokratischen Partei vielleicht etwas komisch -, daß durch immer neue Aufnahmen von zweckbestimmten Zuschüssen indirekt die Aufgaben der Länder untergraben werden. Ich verstehe die Neigung der Länder, daß sie ihre Verwaltungsaufgaben in keiner Weise vom Bund ,untergraben lassen wollen, und ich verstehe jetzt auch, daß sie keinen Widerstand leisten, wenn ihnen der Bund für die materielle Befriedigung
dieser Aufgaben jetzt wieder indirekt Zuschüsse gibt.
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Aufgaben der Länder müssen und sollen von diesen auch finanziert werden, und die Aufgaben, die der Bund zu erfüllen hat, müssen sich auf Mittelpunkte konzentrieren, die im Gesamtinteresse der ganzen Wirtschaft von besonderer Bedeutung sind. Vielleicht komme ich nachher in einem anderen Zusammenhang noch darauf zu sprechen.
Nun komme ich zu dem Problem des Tit. 615, Tierseuchen. Unserem Antrag wurde insofern in vollem Umfang Rechnung getragen, als der Betrag von 230 000 DM auf 10 Millionen DM erhöht wurde. Dieser Betrag steht jetzt innerhalb des Bundeshaushalts unter den allgemeinen Ausgaben, und unter den allgemeinen Ausgaben versteht man normalerweise die allgemein wiederkehrenden Ausgaben. Ich habe besondere Veranlassung, das hier zum Ausdruck zu bringen. Diese Geschichte mit den 10 Millionen und die Debatte vorhin geben doch Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß es nicht nur im Haushalt des Bundes, sondern im Leben überhaupt zweckmäßig ist, alles mit Maß und Ziel zu machen. Zu diesem Maß und Ziel sind eben diese 10 Millionen die Einleitung. Wenn ich für diese Bekämpfungsmethoden heute urplötzlich einen vielfachen Betrag hineinpumpe, dann muß ich auch mit der Wirkung rechnen. Die Wirkung ist einerseits ein verstärktes Angebot auf dem Schlachtviehmarkt. Das verstärkte Angebot auf dem Schlachtviehmarkt bedeutet eine gewisse Versteifung der Märkte, bedeutet, obwohl jetzt der Zuschuß zu erwarten ist, wenn er zu stark forciert wird, infolge des geringeren Markterlöses in Wirklichkeit keinen Zuschuß für den Betreffenden mehr, sondern kann schließlich zu dem gleichen Ergebnis führen, als wenn dieser Zuschuß nicht gewährt würde.
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Also nur mit Maß und Ziel!
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Hinwiederum wird eine übersteigerte Inanspruchnahme dieser Maßnahme - daran kommen wir nicht vorbei - eine überhöhte Ersatzbeschaffung notwendig machen. Die sich dadurch vollziehende Marktentwicklung kann den Ausgleich, den man hier herbeizuführen versucht, durch höhere Preise für die Ersatztiere wieder aufheben. Also alles mit Maß und Ziel!
Jetzt komme ich wieder auf die Länder zu sprechen. Was tun die Länder auf diesem Gebiet? Wir haben vorhin von Herrn Kollegen Dr. Schmidt gehört: nicht allzuviel. Er hat nur von drei Ländern gesprochen. Ich weiß nur von Bayern, das es vom Land aus 600 000 DM für diesen Zweck verwendet.
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Nun verlangt die SPD eine Vervielfachung dieses Betrags in unserem Haushaltsansatz. Soll damit erreicht werden, daß auch die Länder ihren Ansatz vervielfachen? Da würde es sich doch empfehlen, einmal für das laufende Etatsjahr abzuwarten, ob infolge der Erörterung dieses Problems die beiden viehstärksten Länder der Bundesrepublik - das sind Bayern und Niedersachsen - von sich aus auch ihren Aufwand, der ja nicht hoch ist - es
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sind ja nur fünfmal 600 000 DM, 3 Millionen DM -, vervielfachen.
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Wenn wir das abwarten, dann haben wir vielleicht ein anderes interessantes Ergebnis festzustellen, nämlich welcher Unterschied zwischen dem Verhalten der Länderfinanzminister und dem des Bundesfinanzministers in dieser Frage besteht. Das ist das zweite, was dabei als interessant herauskommt. Wer es nicht weiß, den mache ich darauf aufmerksam: der bayerische Finanzminister gehört der SPD an, und er unterscheidet sich in seiner Auffassung hinsichtlich seiner Aufgaben in gar nichts von unserem Herrn Bundesfinanzminister.
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Es ist hier kein Unterschied.
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- Nein, ich für meine Person kann mir einen Finanzminister und einen Stadkämmerer in einer größeren Stadt - etwa in München - gar nicht anders vorstellen. Das nur dazu.
Auf eines muß ich aber noch aufmerksam machen. In gewisser Beziehung wird mit der Rindertuberkulose auch etwas Unfug getrieben. Die Wochenzeitungen, die sich damit beschäftigen, stellen die Dinge so hin, daß man sich als ein Mensch, der in einem vergangenen Jahrhundert geboren ist, darüber wundern muß, daß man sich überhaupt noch unter den Lebenden befindet.
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Sie schaffen auch eine psychologische, eine geistige
Verwirrung. Ich könnte Ihnen ein Beispiel anführen. Ich habe eine Zuschrift bekommen. Da protestiert jemand dagegen, daß man immer von der Rindertuberkulose spricht. Er schreibt:
Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, und die Behörden sind daran schuld, daß das Volk nicht auf die Gefahr aufmerksam gemacht wird, die durch die Kuhtuberkulose dem Volke drohen. Denn die Kühe geben Milch und nicht die Rinder.
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Ich möchte nur auf diese Begriffsverwirrungen hinweisen.
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Nun zum Tit. 618, Bundeswasserwirtschaftsfonds. Es ist absolut notwendig, die Mittel für die Bundeswasserwirtschaft, wie sie hier in diesem Titel ausgewiesen sind, endlich einmal zusammenzufassen und einem Ressort zu übertragen, damit sie auch planmäßig und zweckentsprechend eingesetzt werden.
Nur einige grundsätzliche Bemerkungen jetzt zur Wasserwirtschaft überhaupt! Sie ist Sache der Länder, interessiert uns aber auch im Bund. Das sei nur grundsätzlich festgestellt. Die lineare, schnurgerade Entführung des Wassers aus dem Land ist vielleicht technisch notwendig. Ich habe das nie bezweifelt. Die Wassernot von heute bedingt aber gleichzeitig eine örtliche Stauung, und zwar erstens zur Erhaltung des Grundwasserspiegels, und zweitens, damit immer ein Wasservorrat für die künstliche Bewässerung vorhanden. ist, der sich unsere fortschrittliche Landwirtschaft
Gott sei Dank immer mehr und mehr zuwendet. Dann ist es auch wichtig - darüber ist sich alles einig -, daß die klimatischen Bedingungen, wie sie sich in diesen Gebieten entwickelt haben, durch die Erhaltung eines bestimmten Wasservorrates aufrechterhalten werden können.
Nun zu dem neuen Tit. 950, Zuschüsse zur Förderung und Verwertung von Magermilchpulver. Hier fällt mir auf - und ich habe dem im Ausschuß bereits widersprochen -, daß die eingesetzten 5 Millionen DM laut unserem Antrag Drucksache 283 unter „Einmalige Ausgaben" erscheinen. Ist damit das Problem gelöst? Das ist die Frage. Das Problem bleibt. Darüber müssen wir uns klar sein. Diese Magermilchüberschüsse stammen aus Gebieten, in denen die Milcherzeugung so groß ist
- das ist klimabedingt -, daß die landwirtschaftlichen Betriebe nicht in der Lage sind, die Magermilch aus dieser Werkmilch zurückzunehmen. Wenn wir jetzt den Frischmilchkonsum um 10% steigern, dann ist ein Ausgleich möglich, aber nicht in diesen Gebieten; denn auch die Milchtrinker, die ich mehr gewinne, kann ich nicht dorthin bringen, wo dieser Magermilchüberschuß besteht.
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- Das Milchfett ist weg; das ist schon richtig. Ich meine nur, ich kann mit dem Frischmilchmehrverbrauch das Problem in diesen Gebieten nicht beseitigen. Ich kann auch den zusätzlichen Fettverbrauch durch Schulkinder, der durch den Antrag der SPD herbeigeführt werden soll, nicht auf diese Überschußgebiete abwälzen. Das ist genau so unwidersprochen.
Ich hätte aber eine Bitte: Der Vorrat von heute und der Zuwachs von Mai bis Juli bedingt, Herr Dr. Horlacher, daß diese Mittel - die Mittel sind gesperrt, steht drin - nicht im April nächsten Jahres, sondern im April 1954 ihrer Zweckbestimmung zugeführt werden.
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- Das ist gesperrt für Schokolade- und Süßwarenfabriken, also gut, nehmen wir das an. Aber es kommt noch etwas anderes hinzu, nämlich, daß das Problem auch nachher bestehenbleibt. Deshalb wäre es nötig, daß sich die Forschung einmal mit der Frage beschäftigt, ob die Überschußgebiete auf dem Ernährungssektor bzw. in welcher anderen Form von diesem Magermilchpulver entlastet werden können.
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- Das kommt von selber, der Bedarf wächst.
Zuschüsse zur Verbilligung der Zinsen für Darlehen zur Förderung vordringlicher agrarpolitischer Maßnahmen, Tit. 956. Hierzu hätte ich die Bitte, daß diese Zinszuschüsse nur für neu zu schöpfende Kredite verwendet werden, daß also bereits bestehende Kredite in diese Zinsbezuschussung nicht mit einbezogen werden. Von allen neuen Maßnahmen, die sich Herr Bundesminister Lübke vorgenommen hat, kann diese am schnellsten wirksam werden, aber nur dann, wenn sie sich nicht auf dieses Etatsjahr beschränkt, sondern sich laufend wiederholt.
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Würde das nicht geschehen, dann würden die Kredite, die notwendig sind, von den einschlägigen Bankinstituten nicht gewährt werden.
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Darum ist der Platz, an dem dieser Posten steht, unter „Einmaligen Ausgaben", haushalttechnisch gesehen der ungeeignetste.
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Ich hoffe, daß diese Position bis zum nächsten Etatsjahr an einer anderen Stelle erscheint.
Jetzt komme ich noch kurz zu Tit. 604 im außerordentlichen Haushalt, Zuschüsse zur Erschließung des Emslandes. Hier können alle im Haushalt mobil zu machenden Mittel am zweckmäßigsten eingesetzt werden. Neulandgewinnung ist das wichtigste. Neulandgewinnung ist in unserem übervölkerten Gebiet überhaupt die Voraussetzung für die Neusiedlung. Wenn sich die Agrarstruktur so entwickelt, wie es die Absicht des Herrn Ministers und, wie ich annehme, nicht nur meine, sondern auch unsere Absicht ist, dann wird infolge der derzeitigen Struktur unserer Bevölkerung in absehbarer Zeit Siedlungsland in den alten Siedlungsgebieten nicht in größerem Umfang zur Verfügung stehen. Deshalb ist es notwendig, daß man die Bemühungen, Land zu erschließen, das noch der Besiedlung zuzuführen ist - und dafür bietet das Emsland die schönste und beste Möglichkeit im ganzen Bundesgebiet -, mit allen Mitteln unterstützt. Alle Einsparungen, die sich im Laufe des Jahres und bei der Gestaltung des nächsten Haushalts ermöglichen ließen - ich habe vorhin gesagt, man könnte die Zuschüsse an die Länder eventuell etwas kürzen -, müßten meines Erachtens dieser Zweckbestimmung zugeführt werden.
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Aber jetzt noch etwas anderes. Im Protokoll Nr. 21 des Haushaltsausschusses ist bei der Beratung dieser Position folgendes vermerkt:
Eine Frage des Abg. Frühwald, ob bei der Erschließung des Emslandes auch Grundbesitz von nichtdeutschen Staatsbürgern betroffen sei, beantwortet der Regierungsvertreter dahin, ihm sei nicht bekannt, daß sich darunter Ausländerbesitz befinde.
Auf meine Anfrage hin teilt mir Herr Kollege Dannemann folgendes mit:
Als Direktor der Landwirtschaftskammer Oldenburg hatte ich den Dienststellen der Landwirtschaftskammer Anweisung gegeben, aus dem Emslandfonds den holländischen Grundbesitzern keine Beihilfen zu gewähren für ihre in Deutschland gelegenen Ländereien. Daraufhin hat der Kommissar für den Emslandplan, Herr Ministerialdirektor Lauenstein, angeordnet, daß auch den holländischen Grundbesitzern diese Mittel zur Verfügung stehen müßten. So wird auch heute durch ihn verfahren.
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Zu dieser Feststellung habe ich nur noch eine Frage: wie verträgt sich dieses Verhalten mit der Behandlung der Traktatfrage durch die holländische Regierung? Denn was von uns hier getan wird, ist das direkte Gegenteil von dem, was dort geschieht.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Herr Kollege Frühwald seine Ausführungen begann, habe ich mich eingemischt, und zwar aus folgendem Grunde. Herr Präsident Dr. Ehlers hatte dem Hause vorgeschlagen, daß zuerst die vorliegenden Anträge begründet und debattiert werden sollten und daß dann, wenn erforderlich, eine allgemeine Aussprache stattfinden solle.
({0})
In Verfolg dieser Feststellung hatte ich mich zu den beiden Anträgen Umdruck 33*) und 35**) zum Wort gemeldet. Der Präsident hat aber dann durch den Abgeordneten Frühwald die allgemeine Diskussion eröffnet, weil ihm anscheinend diese Abmachung von Herrn Dr. Ehlers nicht mitgeteilt worden war. Ich darf feststellen, daß ich damit in keiner Weise meinem Kollegen Frühwald zu nahe treten wollte.
Ein paar Bemerkungen zu diesen Anträgen, bei deren Begründung und Beratung immer wieder darauf hingewiesen wurde, es müsse unbenommen bleiben, im Plenum Anträge zu stellen, wenn man im Ausschuß nicht zum Zuge gekommen sei. Das stimmt. Aber, meine Damen und Herren, die beiden Anträge sind von der Opposition im Ausschuß nicht gestellt worden.
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- Sie sind im Ausschuß nach Feststellungen, die ich noch im Laufe dieser Sitzung habe treffen können, nicht gestellt worden.
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Wir lehnen diese Anträge ab, und zwar aus etatrechtlichen Gründen. Wir sind nicht bereit, über Anträge, die 10 oder gar 40 Millionen Mark erfordern, hier aus dem Handgelenk zu entscheiden, sondern wir halten es für notwendig, daß solche Forderungen in den Ausschüssen eingehend geprüft werden.
Damit aber draußen nicht erklärt wird, wir wendeten uns gegen die Schulspeisung, möchte ich feststellen, daß wir grundsätzlich der Schulspeisung zustimmen,
({3}) wann und wo sich das Erfordernis ergibt, sie durchzuführen. Die Situation ist heute aber eine andere als vor fünf Jahren. Es wäre sicherlich zweckmäßig gewesen, im Ausschuß auch einmal Berichte der Länder anzufordern, um festzustellen, wie sich die Dinge verhalten.
Frau Strobel wies darauf hin, daß die Verbraucher durch die Abschöpfung die Kosten zahlten. Demgegenüber darf ich mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß die Einfuhr- und Vorratsstellen geschaffen worden sind, um für die Landwirtschaft und die Konsumenten einen stabilen, ausgeglichenen Preis zu erhalten und zu sichern. Als in der Zeit der Korea-Krise Finanzminister Schäffer Hunderte von Millionen hat draufzahlen müssen, damit die Preise für die Verbraucher nicht bis zu einer unangemessenen Höhe anstiegen, hat man nichts gesagt. Nun soll man aber nicht umgekehrt immer wieder so argumentieren: der Verbraucher zahlt jetzt drauf. Meine
*) Siehe Anlage 13 Seite 938.
**) Siehe Anlage 15 Seite 940.
({4})
Damen und Herren, wir wollen hoffen, daß es nicht passiert, aber es kann der Augenblick kommen, wo am Weltmarkt wieder ein Durcheinander kommt, so daß wir, da wir ja nun einmal in allen Lebensmitteln einfuhrabhängig sind, im Interesse der Verbraucher wieder werden Millionen draufzahlen müssen.
({5})
- Also gut, wenn ich vom Finanzminister spreche, betrachte ich ihn eben als den Exponenten der Steuerzahler. Ich glaube, Herr Heiland, diese kurze staatsrechtliche Belehrung hätten Sie sich sparen können.
({6})
Ich hielt es für notwendig, diese Bemerkungen noch zu den Anträgen zu machen, um klarzulegen, aus welchen Gründen wir sie ablehnen müssen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Elsner zur Begründung des Umdrucks 20.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich den Änderungsantrag begründe, möchte ich vorweg an den Herrn Landwirtschaftsminister eine Anfrage richten. Mir ist bekanntgeworden, daß bei den Haushaltsberatungen im Kabinett über den Einzelplan 10 der Herr Finanzminister dem Herrn Landwirtschaftsminister zugesichert hat, er sei für den Fall, daß die Siedlungsmittel im laufenden Haushalt nicht ausreichen, bereit, einem Vorgriff auf den neuen Haushalt zuzustimmen. Ich frage den Herrn Landwirtschaftsminister, ob diese Zusicherung zutrifft. In diesem Fall würde meine Fraktion bereit sein, den gestellten Antrag zurückzuziehen.
({0})
- Ich stelle fest, daß der Herr Landwirtschaftsminister erklärt, die Zusicherung des Herrn Finanzministers sei zutreffend.
({1})
Jawohl, er hat erklärt, daß er gleich dazu Stellung nehmen wird; so habe ich ihn jedenfalls verstanden.
Dann darf ich Sie bitten, Herr Landwirtschaftsminister, dazu Stellung zu nehmen.
Darf ich es vom Platz aus tun?
Bitte sehr, Herr
Ich darf vielleicht zwischendurch auf diese Frage antworten. Der Herr Finanzminister hat es ja durch ein Kopfnicken bereits bestätigt, daß zwischen uns diese Vereinbarung besteht und daß deshalb im laufenden Haushaltsjahr finanzielle Schwierigkeiten bei der Siedlung nicht auftreten können:
Meine Dammen und Herren! Sie haben die Erklärung des Herrn Landwirtschaftsministers gehört und die Zusicherung des
Herrn Finanzministers zur Kenntnis genommen. Diese Erklärung genügt uns. Ich ziehe hiermit den gestellten Antrag zurück.
({0})
Das Wort zur Begründung des Umdrucks 26 hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der glücklichen Lage, dem Hause mitteilen zu können, daß auch wir den Antrag zurückziehen, da uns der Herr Ernährungsminister - ich darf ihn hier allerdings öffentlich beim Wort nehmen - zugesichert hat, daß er, zumindest was die Zinsverbilligungen für die Fischwirtschaft betrifft, großzügig verfahren und sogar noch etwas über die von uns gewünschten Maßnahmen hinaus tun will. Ich darf darum unseren Antrag zurückziehen und bitten, daß dementsprechend verfahren wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 34*).
Meine Damen und Herren, ich spreche zum Änderungsantrag unserer Fraktion Umdruck 34. Es handelt sich um den Posten für die Zwecke der Verbraucheraufklärung, der im Haushalt mit 350 000 DM angesetzt war. In diesem Posten waren noch geringere Mittel für die Absatzwerbung enthalten. Er lief bereits durch die gesamten früheren Haushalte. Infolge einer irreführenden Erläuterung über den Verwendungszweck ist in diesem Jahr im Haushaltsausschuß eine Kürzung um 100 000 DM beantragt und auch beschlossen worden.
Unser Antrag, den ich jetzt begründe, bezweckt, daß diese wichtige Aufgabe der ernährungswirtschaftlichen und -wissenschaftlichen Aufklärung noch nachhaltiger erfüllt werden kann, als es bisher geschehen ist. Wir haben deshalb beantragt, die Summe auf 500 000 DM heraufzusetzen. Auch die Erläuterung über den Verwendungszweck, deren alte Fassung zu der Irreführung im Haushaltsausschuß geführt hat, ist in unserem Antrag klarer formuliert. Sie werden daraus das Nähere entnehmen. Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.
Ich darf sagen, daß die bisherige Aufklärungs- und Erziehungsarbeit durch verständliche und gut gedruckte Broschüren, durch allgemeine Ernährungshinweise, durch Lichtbild- und Lehrbildreihen, vor allen Dingen auch durch Wanderausstellungen und Merkblätter für Warenkunde recht gut gewesen ist. Man müßte sie noch intensiver und besser gestalten, möglicherweise auch mit Filmen, die etwas Eindrucksvolles über Ernährungswerte und moderne Ernährungsweisen aussagen. Die Verbraucherberatung und -erziehung in andern Ländern wie Schweden, England, Schweiz und auch den USA ist schon lange mit bestem und nachhaltigstem Erfolg durchgeführt. Dort wird es als öffentliche Aufgabe angesehen, die Verbrauchererziehung in die Hand zu nehmen, um bei der Fülle des Warenangebots den Käufer einerseits urteilsfähiger zu machen, aber ihm andererseits auch, da er die schwächste Position im wirtschaftlichen Marktgeschehen hat, eine stärkere Stellung zu schaffen. Wir glauben, daß das in Deutschland ganz besonders notwendig ist, da die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse gerade bei uns dazu geführt haben,
*) Siehe Anlage 14 Seite 939.
({0})
daß Millionen von Familien jahrelang keinen eigenen Haushalt führen konnten. Dadurch ist auch bei den Kindern, vor allen Dingen bei den Mädchen, die traditionelle Belehrung und Unterweisung in hauswirtschaftlichen Fragen und in der Warenkenntnis durch die Mütter unterblieben. Unsere Mädchen sind aber doch die künftigen Hausfrauen! Wir meinen, daß diese Aufgabe, die großenteils nicht mehr ausreichend in den Familien erfüllt wird oder nicht mehr erfüllt werden kann, mit von den Schulen, vor allem von den Fach- und Berufsschulen, übernommen werden muß, die diese entstandene Lücke auszufüllen haben. Die Schulen brauchen aber dazu ausreichendes und gutes Lehrmaterial. Jede Lehrkraft wird Ihnen bestätigen, daß sie das bis jetzt nicht hat. Die öffentliche Pflicht zur Verbrauchererziehung und -beratung besteht auch deswegen, weil in der Lebens- und Arbeitsweise der Menschen von heute und auch infolge der modernen Ernährungsforschung erhebliche Veränderungen eingetreten sind. Diese Fragen treten den Hausfrauen heute entgegen, ohne daß sie sie richtig bewältigen können. Auch die sehr weitgehende chemische Bearbeitung von Nahrungsmitteln läßt es, im Interesse der Volksgesundheit geboten erscheinen, daß unsere Frauen, überhaupt die Konsumenten besser mit der Beschaffenheit der Nahrungsmittel, die sie für ihre Familien verwenden, vertraut gemacht werden. Ich meine, gerade wir in diesem Parlament haben alle Ursache, dafür zu sorgen, daß unter den Verbrauchern mehr Klarheit und besseres Wissen vorhanden ist.
Ich hoffe, dieser Antrag trägt dazu bei, vielleicht im Rahmen des Ministeriums für Wirtschaft und des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Verbrauchererziehung und -beratung in die Wege zu leiten, die etwa der ähnlich wird, wie sie in anderen Ländern seit langem besteht. Vielleicht ist dieser Antrag ein Anlaß, diese Frage etwas gründlicher, etwas intensiver zu behandeln, als wir es bisher getan haben.
Ich hoffe, daß wir Sie von dieser Notwendigkeit überzeugt haben und daß Sie unserem Antrag zustimmen, zumal es sich im Verhältnis zum Gesamthaushalt des Ernährungsministeriums nur um eine ganz geringe Summe handelt.
({1})
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan? - Bitte, Herr Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß noch mit einigen kurzen Worten auf den letzten Antrag, die 500 000 DM, eingehen. Wir haben uns im Haushaltsausschuß mit dieser Angelegenheit sehr ausführlich befaßt. Der Antrag, ursprünglich einen weit größeren Betrag als 100 000 DM zu streichen, kam ja aus Ihren Reihen. Wir haben uns nachher überzeugen lassen, und, ich glaube, es geschah nicht zuletzt im Zeichen der weiblichen Gleichberechtigung unter einem Druck, dem wir vor allem von seiten der weiblichen Mitglieder dieses Hauses ausgesetzt waren. Wir haben 80 000 DM unter diesen Titel eingestellt und in den Erläuterungen eine Bemerkung ausgebracht, wonach diese 80 000 DM der Gesellschaft für Ernährungswissenschaft zur Verfügung gestellt werden sollen. Dort sind sie, glaube ich, auch sehr richtig und gut angewandt.
({0})
- Kein Wort, Frau Kollegin, gegen die Notwendigkeit einer Unterrichtung der Schulen und einer Aufklärung auf diesem Gebiete! Aber es hieße die Aufgabe gerade dieser Abteilung und der sicher ausgezeichneten Kräfte, die hinter ihrem Ministerium stehen, überschätzen und sie in einer falschen Richtung auslegen, wollte man ihnen die alleinige Aufgabe zuweisen, durch Massenpublikationen alle diese überaus wertvollen Erkenntnisse in das Volk hineinzutragen. Die Hauptaufgabe besteht darin, derartige Erkenntnisse zu erarbeiten und weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Die Gewerkschaften, die vielen Frauenorganisationen, die Schulen usw. sollen sich nachher in ihrem Bereich um die Massenverbreitung der dort ausgearbeiteten Ideen, Ratschläge und Broschüren kümmern. Ich glaube, für diesen Zweck sind die 80 000 DM, die wir ja wieder eingeführt haben und die den Titel dann auf 330 000 DM bringen, ausreichend.
Das ist mir übrigens auch von der betreffenden Abteilung des Ministeriums selber bestätigt worden. Wir sollten keine Veranlassung nehmen, über einen solchen Betrag hinaus zusätzliche Mittel zu bewilligen; denn den Zweck, den Sie anstreben, würden Sie auch mit 500 000 Mark nicht erreichen, sondern dann müßten Sie einige Millionen dafür aufwenden; das wird auch Ihre Absicht nicht sein. Ich bitte also für meine Freunde, es bei dem alten Ansatz zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen mit steigender Ungeduld den Ablauf der Debatte verfolgen und auf die Uhr schauen, können diesmal eigentlich ganz zufrieden sein. Die Regierungsparteien haben teils keine Anträge gestellt, teils ziehen sie sie zurück; und zu den Anträgen, die die Opposition gestellt hat, wird kurzerhand erklärt, sie würden abgelehnt, teils weil es nicht gehe, teils weil es nicht so schlimm sei. Dieses Schicksal ist nun auch dem dritten Antrag widerfahren.
Lassen Sie Gnade vor Recht ergehen und verstehen Sie, daß ich den Versuch mache, wenigstens bei denen, die sich noch nicht festgelegt haben und die von einer agrarpolitischen Debatte auch einmal etwas haben möchten - wir wissen ja, daß der Kreis derjenigen, die in die Einzelheiten dieser Dinge eingedrungen sind, leider nicht so groß ist, wie diejenigen es wünschen, die speziell auf dem Gebiet zu arbeiten haben -, den Eindruck zu zerstören, wir hätten unsere Anträge - wie Herr Kollege Müller sagte - aus dem Handgelenk gestellt und forderten einfach mal so große Beträge, wodurch der Verdacht entstanden ist, den der Kollege Horlacher schon ausgedrückt hat, das würde nur aus Gemeinheit, aus Bosheit gemacht, um der Landwirtschaft draußen etwas vorzumachen und zu zeigen, wie tüchtig wir sind.
({0})
- Von meinem Christentum aus ist die Scheinheiligkeit auch eine Gemeinheit.
({1})
({2})
Aber ich gebe ohne weiteres zu, daß andere Leute da feinere Unterschiede machen und so etwas nicht gemein finden; ich jedenfalls finde es gemein.
({3})
Ich möchte mit Herrn Kollegen Müller nicht um die geistige Vaterschaft - Herr Kollege Frühwald, das zu Ihnen gesagt - streiten. Im Protokoll des Ausschusses können Sie nachlesen, daß beschlossen worden ist, hier zunächst nur die Reihenfolge zu ändern und erst im nächsten Jahr die Sache so zu machen, wie es jetzt passiert ist. Ich habe nur festgestellt - darüber braucht gar kein Streit zu 'sein, es ist nun einmal so -, daß es sehr schön' ist, daß die Mehrheit dem Antrag, den im Haushaltsausschuß, wo die Dinge nun einmal zum Schwur kommen, einer meiner Freunde gestellt hat, zugestimmt hat, so daß dieses Junktim, wie Sie es hier genannt haben, weggefallen ist.
Im übrigen braucht man darüber gar nicht zu streiten. Denn es gehört gar nicht viel Verstand dazu - dieses bißchen Verstand werden wir, Herr Kollege Müller und ich, uns gegenseitig bestimmt nicht streitig machen -, die unerhörte Schädlichkeit, die diskriminierende Wirkung dieses Junktims auf die Landwirtschaft zu erkennen. Ich frage mich nur, was dazu gehört hat, dieses Junktim überhaupt erst einmal in den Haushaltsplan hineinzubringen, den schließlich die Regierung - Ihre Regierung - uns vorgelegt hat. Im Ernährungsausschuß waren wir uns über die Wirkungen, die davon ausgehen müßten, die Wirkungen in einer sehr gefährlichen Richtung, nämlich in Richtung auf die Vertiefung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, auf die Vertiefung eines sehr künstlichen Gegensatzes zwischen Erzeugern und Verbrauchern, durchaus einig. Und Sie werden meine Entrüstung und meine Kritik dieses Junktims durchaus teilen, für das mir leider der parlamentarische Ausdruck nicht gewärtig ist. Ich glaube, daß es dafür überhaupt keinen parlamentarischen Ausdruck gibt. Da sind wir einig wie meistens, Herr Horlacher, wenn wir im Ernährungsausschuß unter uns sind.
Es kommt bei der Haushaltsberatung auf einige andere Dinge an. Gerade weil die Finanzminister nun einmal alle so sind und vielleicht gar nicht anders sein können, haben die anderen, die keine Finanzminister sind, aber auch Verantwortung tragen, nicht nur für die Zahlen, sondern für das eine oder andere Gebiet und für die Menschen, die auf diesem Gebiet ihre wirtschaftliche Existenz finden, die Verpflichtung, gegenüber dem Finanzministergesichtspunkt eben noch ein paar andere Gesichtspunkte durchzusetzen. Davon haben wir uns hier leiten lassen und haben uns zu Dingen geäußert, die für die Landwirtschaft absolut notwendig sind.
Ein Beispiel dafür, was man mit Zahlen so für falsche Eindrücke erwecken kann: Hier ist gesagt worden, wenn diese 40 Millionen DM für die TbcBekämpfung ausgegeben würden, würde u. a. der Landwirtschaft dadurch Schaden zugefügt werden, daß dann die auszumerzenden Tiere auf den Markt kommen und der Preis sinkt. Will einer von Ihnen bestreiten, daß, wenn es hochkommt, mit diesen Mitteln etwa 10 % der üblichen Schlachtungen auf den Markt kommen könnten? Will einer von Ihnen behaupten, daß wir davor Angst haben müßten? Will einer im Ernst behaupten, daß die Gefahr, die mit diesen 40 Millionen DM für die Landwirtschaft heraufbeschworen werden könnte, auch nur andeutungsweise so groß ist wie der Nutzen, der dadurch für die Landwirtschaft entstehen würde? Aber es kommt hier ja offenbar gar nicht auf die Sache selber an, sondern darauf, wie man mit ihr hier fertig wird, wo nun einmal der Rahmen des Haushalts gezogen ist, wo die Hürden gezogen sind, über die Sie aber wegspringen müssen, Herr Kollege Horlacher, wenn Sie einmal weiterkommen wollen mit all dem, was Sie selber immer wieder und mit guten Argumenten fordern.
({4}) - Nur im Haushalt können Sie doch die Mittel hinstellen, die Sie brauchen, um diese Aufgaben durchzuführen. Glauben Sie mir doch - das wissen Sie selber, ich brauche Sie gar nicht zu beschwören -, daß die beiden Dinge zusammengehören und daß die ganze Agrarpolitik sozusagen zu einem Gespött gemacht wird, wenn man sie in die beiden Gebiete zerteilt: einmal werden die Forderungen aufgestellt, und beim anderen Mal werden die Mittel dafür nicht bewilligt. Das gehört zusammen, und an Versprechungen ist niemand interessiert, wenn nicht - auch mit der Energie, die Ihnen sonst eigen ist - hier, wo die Entscheidung über die Mittel fällt, um diese Mittel gekämpft wird. Was heißt es schon, Herr Kollege Müller: Wir sind ja auch für die Schulspeisung, wo sie nötig ist, soll sie gemacht werden. Soll denn erst einmal festgestellt werden, wo die Schulspeisung nötig ist, und wollen wir uns erst dann über die Mittel unterhalten? Es dreht sich auch gar nicht - das möchte ich mit aller Energie unterstreichen - um irgendeine Notmaßnahme, und man kann sich davor nicht so leicht aus dem Staube machen, daß man sagt: Gott sei Dank geht es uns heute schon so viel besser, daß die anderen uns nicht mehr irgendwelche Spenden zu geben brauchen, und da brauchen wir die Schulspeisung nicht!
In unserem Antrag ist sehr wohl darauf aufmerksam gemacht worden, daß es sich hier auch noch um etwas anderes handelt, nämlich um einen Beitrag zur Überwindung des außerordentlich gefährlichen Absatzproblems.
Lassen Sie mich auch noch ein Wort über einen anderen Zusammenhang sagen, der hier beachtet werden soll. Wir haben die Marktordnung und die Marktordnungsgesetze gemeinsam geschaffen. Darüber wird also jetzt nicht diskutiert; sie wird weder angegriffen noch braucht sie hier verteidigt zu werden. Aus dieser Marktordnung ergibt sich seit geraumer Zeit für die Verbraucher eine nicht gerade sehr erfreuliche Konsequenz, nämlich die Abschöpfung der Preisspanne bei den eingeführten Lebensmitteln. Aus den vom Haushaltsausschuß berichtigten Zahlen können Sie sehen, daß das schon ein Betrag von über 200 Millionen DM ist. Wenn wir die Marktordnung aufrechterhalten und für sie Verständnis bei allen denen erwecken wollen, die nun einmal für sie Verständnis haben und sich zu ihr bekennen müssen, dann muß man auch einmal an die andere Seite denken, und dann kann man nicht etwa sagen: „Das laßt nur so! Wenn dermaleinst wieder irgendwo ein neues Korea kommt, dann muß das Geld dafür ja wieder ausgegeben werden!" Wir haben im Interesse der Marktordnung geradezu die Verpflichtung, hier auch einmal nach der Seite der Verbraucher etwas zu tun.
Wie die Stimmung im allgemeinen ist, darüber haben Sie ja in den Zeitungen, die Ihnen näher({5})
stehen als uns, einiges lesen können, als über das Marktordnungsgesetz für den Gartenbau berichtet wurde. Da noch von Sachlichkeit zu reden, ist doch nur am Rande möglich. Die Debatte war doch diktiert von einer geradezu fanatischen Wut gegen die Marktordnung als Prinzip. Haben wir etwa Veranlassung, diese Stimmung noch dadurch zu steigern, daß wir hier solche Einnahmen hinnehmen, uns aber nicht darum kümmern, wie denn nun den Verbrauchern etwas von dem zurückgegeben werden kann, was ihnen hier beim Brot, beim Zucker usw. mehr abgenommen wird, als im Augenblick eigentlich notwendig wäre? Haben wir nicht geradezu die Verpflichtung, wenn wir die Marktordnung wirklich in unserem Volke verankern und landwirtschaftliche Angelegenheiten so zu einer Angelegenheit des allgemeinen Interesses machen wollen, wie es in den anderen Ländern der Fall ist und bei uns leider nicht, daß wir hier auch einmal etwas tun, noch dazu, wenn wir das auf eine so elegante Weise tun können, daß wir bei der gleichen Gelegenheit nicht nur den Verbrauchern einen sehr wesentlichen Dienst erweisen, sondern auch hier den Kindern auf eine anständige, durchaus vertretbare und notwendige Weise helfen, sondern auch der Landwirtschaft? Denn vor welche Probleme wir angesichts der steigenden Erzeugung und dem längst nicht so weiterentwickelten Verzehr von Frischmilch in der Milchwirtschaft gestellt sind, das wissen Sie auch, und davon brauche ich hier nicht zu reden. Aber es sind eben zwei Dinge, Herr Horlacher: Forderungen aufstellen, Versprechungen machen, Notwendigkeiten erkennen auf der einen Seite; auf der anderen Seite aber alles das nun auch realisieren! Darauf kommt es an, und nur um das dreht es sich hier heute.
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem Antrag sagen, den eben meine Fraktionskollegin Frau Keilhack hier vertreten hat und zu dem Herr Dr. Vogel einige kritische Bemerkungen gemacht hat. Im Haushaltsausschuß ist, das ist hier schon gesagt worden, auf Grund eines Mißverständnisses ein Teilbetrag gestrichen worden. Dieses Mißverständnis ergab sich ganz einfach aus der, zugegeben, doch wohl außerordentlich unglücklichen Begründung für diesen Posten. Man kann nämlich nicht sagen: Weil jetzt durch die Liberalisierung der Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse beeinträchtigt wird, müssen wir die Verbraucher aufklären, damit sie wissen, wie sie sich richtig ernähren sollen. Diese Sorte von Verbraucheraufklärung ist einfach nicht glaubwürdig, und sie ist ebensowenig überzeugend wie die vielfache Propaganda einzelner Interessentengruppen für das eine oder andere Nahrungsmittel. Was wir, da es sich hier ja auch um ein Ernährungsministerium handelt, den Verbrauchern schuldig sind, ist eine objektive Unterrichtung, frei von irgendwelchen Interessentengesichtspunkten, frei von einer so durchsichtigen Werbung, wie sie nun einmal vorliegt, wenn es heißt: „Eßt mehr Fisch! - Die Fischindustrie" oder „Trinkt mehr Milch! - Die Milcherzeuger". Darauf reagieren die Leute nicht so, wie sie sollen. Wir haben gerade im Interesse einer anständigen, vernünftigen und planmäßigen Produktionspolitik alle Veranlassung, eine wirkliche Verbraucheraufklärung zu unterstützen. In anderen Ländern werden für diese Aufgabe sehr viel höhere Beträge eingesetzt. Wir werden uns also auch daran gewöhnen müssen und möchten hier von uns aus mit 500 000 DM einen ersten Anfang machen.
Wie Sie zu den Anträgen stehen, meine Damen und Herren, müssen Sie mit sich ausmachen. Aber Sie können uns nicht übelnehmen, daß wir hier mit allem, was uns möglich ist, um die Anerkennung unserer Gesichtspunkte kämpfen; und wenn wir etwa jetzt hier - ich fürchte, darauf wird es j a hinauslaufen - wieder einmal erfahren, daß die Anträge abgelehnt werden, weil man sagt: „Es geht jetzt einfach nicht!", dann werden wir Sie daran erinnern, wenn Sie nun Ihrerseits einmal wieder mit irgendwelchen Proklamationen kommen. Es liegt dafür ja schon einiges Material auf dem Tisch; wir werden demnächst hier über Forderungen in Richtung Parität debattieren. Da werden wir Sie wieder fragen, ob Sie wenigstens im nächsten Haushalt die Mittel dafür bewilligen oder ob Sie auch da wieder die Debatte zwischen dem trennen, was mehr ins Gebiet der Propaganda und der Beruhigung gehört, und dem, was in das Gebiet der praktischen Politik gehört, zu der wir uns hier um einen Beitrag bemüht haben.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Herr Minister Lübke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will mit einer Äußerung des letzten Redners, des Herrn Kollegen Kriedemann, anfangen. Er sagte: „Man hat hier den Eindruck, der Etat liegt vor, die Hürden sind gesetzt, daran ist nichts mehr zu ändern. - Wir sind in der zweiten Lesung." Es würde sich also durch Beschlüsse noch manches daran ändern lassen. Aber Sie wissen ja genau, daß letzten Endes ein Kampf um den Etat monatelang dauert und schließlich einmal zum Abschluß gebracht werden muß.
({0})
- Darauf wollte ich gerade kommen, Herr Kollege Kriedemann. - Der Etat lag im Rohentwurf vor, als ich mein Amt antrat, und es ist seitdem auf Grund meiner Unterhaltungen mit dem Herrn Finanzminister, im Kabinett und durch die sehr wirkungsvolle Unterstützung des Haushaltsausschusses - und zwar eine einmütige Unterstützung, wie ich ausdrücklich feststellen möchte - doch eine beachtliche Besserstellung im landwirtschaftlichen Haushalt erfolgt. Wenn auch sehr viele Wünsche offenbleiben,
({1})
ist doch zu sagen, daß das anerkannt werden muß.
Nun darf ich zu einigen Wünschen Stellung nehmen, die Ihnen besonders am Herzen liegen, zunächst zur Tuberkulosebekämpfung. „Die Mittel reichen nicht aus", heißt es. Nun, meine Damen und Herren, es war mir zunächst nicht gelungen, diesen Ansatz von 5 Millionen DM, der im Haushalt enthalten war, durchzusetzen. Ich handelte dafür aber die Steuerfreiheit für alle diejenigen Maßnahmen ein, die die einzelnen Bauern auf ihren Höfen und die Molkereigenossenschaften zur Tbc-Bekämpfung durchführen. Jetzt sind durch die Bemühungen des Haushaltsausschusses 10 Millionen DM zur TbcBekämpfung hinzugekommen. Es kommt nunmehr darauf an, die Länder stärker für diese Aufgabe zu
({2}) interessieren - Kollege Frühwald hat vorhin den Betrag genannt, den das große Agrarland Bayern zu dieser Aufgabe beiträgt - und darauf hinzuweisen, daß wir nicht wahllos Ausmerzungsbeihilfen geben können; systematisch müssen wir die vorhandenen Inseln vergrößern. Ich glaube, wir werden im kommenden Jahr auf diesem Gebiet eine ganze Menge neuer Erfahrungen machen und uns dann im nächsten Jahr über dieselbe Frage noch einmal an dieser Stelle unterhalten müssen.
Vielleicht darf ich einen Irrtum berichtigen, der Herrn Kollegen Dr. Schmidt unterlaufen ist. Herr Kollege Dr. Schmidt, Sie sagten, in Holland wende man 100 Millionen Gulden auf. Ich habe Sie so verstanden: „jährlich".
({3})
- Das bedeutet also für Holland 20 Millionen Gulden im Jahr. Dabei kommen von holländischer Seite 10 Millionen und aus ERP-Mitteln, die die Holländer heute noch von den Vereinigten Staaten bekommen, nochmals 10 Millionen. Holland hat nur 2,6 und die Bundesrepublik 11,6 Millionen Rinder. So gesehen darf man nach unserem ersten Erfolg noch nicht etwa zur Ruhe gehen und sagen: „Das wird ausreichen". Aber für den Anfang, um Erfahrungen zu sammeln, darf man sich damit einverstanden erklären.
Nun zur Frage der Schulmilchspeisung: Ich habe mich in Düsseldorf jahrelang darum bemüht und die Schulspeisung in Gang gebracht. Ich hatte geglaubt, wenn es sich darum handelt, Kinder mit Milch zu versorgen, würden die Gemeinden, das Land und alle sonstigen Instanzen an einem Strange ziehen. Weit gefehlt! Es waren bei der Schulmilchspeisung vor allem die Gemeinden, die darüber klagten, daß die entstehenden Kosten ihren Haushalt zu sehr belasten würden. Sie wandten sich an das Land mit der Bitte, die Kosten allein zu übernehmen. So würde es in Zukunft seitens der Länder und Gemeinden dem Bund gegenüber gehen. Wir müssen auf diesem Gebiete ein Zusammenwirken sämtlicher Instanzen auf allen Ebenen bekommen, sonst fahren wir uns fest; denn wenn die Gemeinden nicht mitziehen, geht es gar nicht.
({4})
- Sicher!
({5})
- Auch ich wollte, wir kämen den Dingen schneller näher. Ihnen gegenüber darf ich an das Wort erinnern, das Herr Frühwald gesagt hat: Langsam und mit Maßen!
({6})
-- Ja, ich hoffe, - ({7})
- Nein, ich möchte glauben, daß die einmütige Arbeit des Haushalts- und des Ernährungsausschusses sowie des zuständigen Ministeriums auf diesem Gebiet für die nächsten Jahre erhebliche Fortschritte erwarten läßt.
Obwohl das nun einmal als entschieden angesehen werden muß, darf ich sagen, daß mir die Verminderung der 350 000 DM für Verbraucheraufklärung um 100 000 DM sehr schmerzlich ist. Aber es läßt sich jetzt, nachdem die Dinge im Haushaltsausschuß abgeklärt sind, daran leider wohl nichts mehr ändern.
({8})
Wenn man weiß, welche Aufgaben auf diesem Gebiet zu tun sind, - ({9})
-.Ja, wir wollen das ruhig als höhere Gewalt bezeichnen; aber wenn man weiß, welche Aufgaben uns da bevorstehen, muß man es bedauern.
Nun zu den Fragen von Herrn Kollegen Frühwald. Er hat den Wunsch, daß das Referat IV A 6 - ORR. Herzog - stärker besetzt werden möge. Ich habe diese Klage in den Monaten, seit ich dieses Ministerium leite, schon mehrfach gehört. Durch gewisse Umbesetzungen im Hause werden wir versuchen, den zeitweise stärkeren Anfall zu bewältigen. Wir wollen für dieses Referat nicht etwa neue Kräfte anfordern, um die Besetzung unseres Hauses nicht erweitern zu müssen.
Herr Kollege Frühwald meinte, der Wind für den agrarischen Haushalt müsse sich doch im ganzen wohl gebessert haben. Er hat vielleicht den Herrn Finanzminister dabei im Auge gehabt. Der Herr Finanzminister ist durch die volle Einmütigkeit, die im Ernährungsausschuß und im Haushaltsausschuß hinsichtlich der agrarischen Wünsche bestanden hat, offenbar doch stark beeindruckt worden.
({10})
Ich könnte mir sonst nicht vorstellen, wie es hätte gelingen sollen, seinen Einspruch zu vermeiden. Jedenfalls darf ich ihm an dieser Stelle für seine Zustimmung zu diesen Anforderungen meinen besonderen Dank aussprechen.
({11})
Die Sorge von Herrn Frühwald, daß etwa im Zusammenhang mit der späten Eigentumsübertragung bei den Siedlern die Pachtform eingeführt werden solle, hat in der Praxis - das muß ich schon sagen - keinerlei Grundlagen. Herr Frühwald, man muß nicht hinter jeder Hecke - milde ausgedrückt - eine böse Absicht vermuten!
({12})
Das frühere Wehrmachtgelände ist zum Teil aus Gründen höherer Gewalt nicht rechtzeitig in den Besitz der Siedler übergegangen. Wir werden uns um klare Entscheidungen bemühen.
({13})
Ich weiß aber nicht, ob das in allen Fällen möglich sein wird, und es wäre vollkommen verfehlt, etwa frühzeitig derartiges früheres Wehrmachtgelände zu räumen; denn wenn es geräumt ist, besteht natürlich automatisch die Gefahr, daß es für andere Zwecke benutzt wird. Damit die Flurbereinigung schnell durchgeführt werden kann, dafür sind die Mittel ja angefordert. Wir haben nicht die Absicht, die angelaufenen Verfahren durch höhere Dotationen aus diesen 50 Millionen DM zu stützen.
Die Mittel für den Pflanzenschutz würde ich nicht weiter zu kürzen bitten, denn wir wissen nicht, wie weit wir mit diesen Beträgen reichen werden, wenn auf diesem Gebiet neue Gefahren und neue Anforderungen kommen.
Zur Frage, ob die Mittel für Magermilchpulver einmalig oder wiederholt zur Verfügung gestellt
({14})
werden: Der Finanzminister rechnet sie zu den einmaligen Ausgaben. Es wird also die Aufgabe des Haushalts- und des Ernährungsausschusses sein, dafür zu sorgen, daß diese Mittel, die zweifellos jedes Jahr notwendig sind, in diesem Rahmen immer wieder bewilligt werden.
Bei den hier angesprochenen Holländern in Deutschland handelt es sich um solche, die seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten in Deutschland leben. Ihnen hat man dieselben Vergünstigungen gewährt oder man will sie ihnen gewähren wie den deutschen Staatsbürgern. Ich halte das für richtig, obwohl Holland durch die Wegnahme der Traktatländereien und durch die damalige Grenzberichtigung zweifellos uns gegenüber - milde ausgedrückt - in Verzug geraten ist. Zur Einstellung der holländischen Regierung gegenüber den Traktatländereien heute, darf ich darauf hinweisen, daß die Verhandlungen über Rückkäufe zwischen den Bauernverbänden beider Seiten im Gange sind, wobei sich die staatlichen Stellen nicht nur nicht entgegenstellen, sondern dieses Vorgehen in gewisser Weise fördern. Es wäre deshalb von uns sehr unklug, wenn wir diesen Gesinnungswechsel in Holland unsererseits dadurch gefährdeten, daß wir die holländischen Einwohner Deutschlands, die seit Jahrzehnten hier sind, anders behandeln wollten als deutsche Staatsbürger.
Ich sprach vorhin von der Einmütigkeit des Ernährungs- und des Haushaltsausschusses. Ich habe mich darüber gefreut, daß sich der Ernährungsausschuß und der Haushaltsausschuß nicht nur hinter die normalen, üblichen agrarpolitischen Maßnahmen und Forderungen gestellt haben, sondern gleichzeitig auch hinter das, was man so das neue Programm des neuen Ernährungsministers nennt. Mein Programm beinhaltet nicht etwa nur die Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur. Man kann ja nicht in jeder Rede von Selbstverständlichkeiten sprechen, noch weniger in einer Regierungserklärung. Es ist doch ganz selbstverständlich, daß die bewährten Maßnahmen zur Förderung der Landwirtschaft auf handelspolitischem Gebiet oder auf dem Gebiet der Marktordnung erhalten bleiben. Daß sich der Ernährungsausschuß und der Haushaltsausschuß völlig einmütig hinter alle Vorhaben gestellt haben, freut mich besonders deswegen, weil ich hieran die Bitte knüpfen kann, daß alle die Kollegen, die draußen über diese Dinge sprechen, doch mit mir zusammen für diese Maßnahme eintreten. Denn es wird draußen leider Gottes u. a. erzählt, daß die Flächen zur Aufstockung der kleinbäuerlichen Betriebe oder der Kleinstbetriebe aus solchem Land genommen werden sollen, das man Kleinbetrieben zwangsweise enteignet.
({15})
Ich vermag mir nicht vorzustellen, daß ein einziges Mitglied dieses Hauses Derartiges draußen mit gutem Gewissen verbreiten kann.
({16})
Ich möchte daher alle diejenigen, die sich durch die Beschlüsse hinter dieses Programm gestellt haben, bitten mitzuhelfen, die Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft, um die es uns allen geht, zu steigern.
({17})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu Einzelplan 10.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Ich weise noch einmal darauf hin, daß die Anträge auf Umdruck 26 der Abgeordneten Schneider ({0}), Dr. Schild ({1}), Müller ({2}) und Genossen und Umdruck 20 der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE zurückgezogen sind. Es bleiben also die drei Anträge der Fraktion der SPD Umdruck 33, Umdruck 34 und Umdruck 35.
Ich bitte die Damen und Heren, die dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 33*) zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck 34**) zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck 35***) zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das ist die Mehrheit; ist abgelehnt.
Über den Entschließungsantrag auf Umdruck 27****) wird in der dritten Beratung abzustimmen sein.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzelplan 10 entsprechend dem Antrag Drucksache 360 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; dieser Haushalt ist angenommen worden.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 2 des Antrags auf Drucksache 360 betreffend die Erledigung von Anträgen der FDP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen. Damit ist dieser Einzelplan erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu dem Einzelplan 13 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post-und Fernmeldewesen - ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ohlig. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Ohlig ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 13 besteht nur aus 2 Kapiteln, 1301 und 1303. Das Kap. 1301 enthält nur den Ansatz für die Bezüge des Herrn Ministers; sie regeln sich nach dem Ministergesetz.
Das Kap. 1303 betrifft die Bundesdruckerei in Berlin mit den Zweigstellen in Frankfurt und in Bonn. Zum erstenmal erscheint seit 1945 bei der Bundesdruckerei der Personaltitel 101 mit Dienstbezügen für planmäßige Beamte. Nach einer Verständigung zwischen Bundesfinanzministerium, Postministerium und Bundesrechnungshof wurden 65 Planstellen geschaffen, von denen 8 Stellen mit einem ku-Vermerk versehen wurden. Der beigegebene Erfolgsplan der Bundesdruckerei für 1954
*) Siehe Anlage 13 Seite 938. **) Siehe Anlage 14 Seite 939. ***) Siehe Anlage 15 Seite 940. ****) Siehe Anlage 12 Seite 937.
({5})
schließt mit einem Gewinn von 2 525 500 DM ab. Davon werden 1 277 600 DM zur Kapitalausstattung der Bundesdruckerei überlassen, 1 247 900 DM verbleiben dem Bund als Gewinn.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt die Annahme des Einzelplans 13 entsprechend seinen Beschlüssen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den kurzen Bericht. Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Diekmann.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Herr Berichterstatter hat schon darauf aufmerksam gemacht, daß es sich im Einzelplan 13 nur um zwei Positionen handelt. Uns interessiert in erster Linie die Position Gehalt des Herrn Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen.. Im Zusammenhang mit diesem Politikum möchte ich einige politische Betrachtungen anstellen. Der Herr Minister ist nach § 2 des Gesetzes über die Verwaltung der Deutschen Bundespost dafür verantwortlich, „daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik verwaltet wird".
Herr Minister, als ich nach Ihrer Ernennung zum Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die erste Unterhaltung mit Ihnen hatte, war ich außerordentlich erfreut - wie ich wirklich gestehen muß - über die Frische und Tatkraft, die aus Ihren Worten sprach. Als geübter Kaufmann und versierter Betriebswirtschaftler haben Sie durchaus die gegenwärtige Lage der Bundespost erkannt. Sie machten auf die Symptome aufmerksam, die zu den Verlusten bei der Bundespost geführt haben, und betonten, wenn nicht schnellstens Sanierungsmaßnahmen zur Konsolidierung der wirtschaftlichen Lage der Post getroffen würden, würde die Post einen ähnlichen Weg gehen wie die Bundesbahn.
Sie machten bei unserer Unterhaltung einige Vorschläge. Sie wiesen noch auf das große Defizit von 500 Millionen DM hin und auch darauf, daß die alljährlich in Zukunft entstehenden Betriebsverluste etwa 200 Millionen DM betragen würden, wenn nichts dagegen unternommen würde.
Ich muß wirklich gestehen, ich bin von Ihnen gegangen in dem Glauben, daß die Wahl Ihrer Person zum Minister nicht falsch gewesen ist und daß nunmehr, nachdem ein guter Verwaltungsbeamter hat gehen müssen, ein Minister mit kaufmännischem Blick an die Spitze des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen getreten ist.
Ich darf aber vielleicht auf eine kleine Erinnerung aufmerksam machen, die mir kam, als ich von Ihnen wegging. Ich möchte jedoch nicht von der gesamten Verwaltung erschlagen werden, wenn ich nun ein kleines Beispiel berichte, das ich selbst erlebt habe. Die Verwaltung, meine Damen und Herren, ist innerhalb der Grenzen ihres Ressorts leider eine außerordentlich souveräne Macht. Das ist auf ihre historische Entwicklung und auf ihre Tradition zurückzuführen. Jeder, der nicht unmittelbar zur Verwaltung gehört, wird es nicht ganz leicht haben, mit dieser Verwaltung fertigzuwerden. Das sage ich nicht nur der Verwaltung des Post- und Fernmeldewesens, sondern ganz allgemein.
Ich habe also einmal Gelegenheit gehabt, ein Gespräch zu hören, das zwei höhere Ministerialbeamte miteinander führten. Der eine dieser beiden Beamten beklagte sich außerordentlich darüber, daß er es mit einem sehr vitalen Minister zu tun habe, der sehr oft seine politische Konzeption zerstöre. Sein Herr Kollege sagte ihm daraufhin: Dem ist leicht abzuhelfen. Packe ihm einen Haufen Akten hin, möglichst kleine Sachen, dann wird er genug zu tun haben, und du kannst dann deine Politik weitermachen. ({0})
Das nur ganz allgemein gesprochen. Es kann einem aber auch dasselbe passieren, wenn man als Minister dauernd auf Reisen ist. Ich will hoffen, Herr Minister, daß dieses Beispiel aus der Reihe der Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe, auf Sie nicht zutrifft. Aber ich hielt es immerhin für notwendig, davon zu sprechen.
Die Deutsche Bundespost ist das zweitgrößte Unternehmen der Bundesrepublik. Es wäre für uns außerordentlich interessant gewesen, wenn wir uns hier über die Einnahmen und Ausgaben im Haushalt des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen hätten auseinandersetzen können. Aber das Parlament ist nicht dazu berufen. Es ist nunmehr ein Postverwaltungsrat gebildet worden, der in der Zukunft darüber zu befinden hat. Aber, wie gesagt, immerhin wäre es für uns außerordentlich interessant, wenn wir uns einmal mit dem Postministerium befassen würden; denn man darf nicht übersehen, daß Einnahmen und Ausgaben ungefähr 2,8 Milliarden DM umfassen und daß das gesamte Anlagevermögen der Post ungefähr 3,4, wenn nicht sogar 3,5 Milliarden DM beträgt. Genau kann ich diese Zahlen nicht angeben. Das wird dem Herrn Minister vielleicht vorbehalten sein, wenn er zu dieser Frage Stellung nimmt.
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In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit würde ich es für richtig halten, daß der Herr Minister in einer anderen Sitzung des Bundestages einmal zu diesen Fragen Stellung nimmt.
Ich darf vielleicht, weil ich auf die Gebührenerhöhung noch zu sprechen komme, darauf aufmerksam machen, daß die Einnahmen im Jahre 1953 an Postgebühren allein 1336 Millionen DM und an Fernsprechgebühren 1260 Millionen, DM betragen und daß dem auf der Ausgabenseite selbstverständlich noch entsprechende Posten gegenüberstehen, z. B. die Bezüge, die ungefähr 1370, wenn nicht sogar über 1400 Millionen DM betragen, Versorgungsbezüge usw. Das Ministerium hat nach § 21 des Postverwaltungsgesetzes alljährlich von seinen Betriebseinnahmen an das Bundesfinanzministerium abzugeben. Das Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen hat alljährlich etwa 150 bis 190 Millionen DM an den Bund abgegeben. Mit dieser Schilderung will ich darauf aufmerksam machen, daß die Bundespost in den Augen der deutschen Bevölkerung immerhin als ein rentables und sehr gesundes Unternehmen erscheint. Nun spricht man plötzlich und unerwartet von den großen Verlusten. Die deutsche Wirtschaft ist sich völlig darüber im klaren, daß diese Verluste wahrscheinlich von ihr aufgebracht werden müssen. Im Jahre 1951 hatte man noch einen Betriebsgewinn in Höhe von 102 Millionen DM, im Jahre 1952 einen solchen von 35 Millionen DM, und im Jahre 1953 stellte sich erstmals ein Verlust heraus, der sehr wahrscheinlich im Jahre 1954, wie ich vorhin schon gesagt habe, 200 Millionen DM betragen wird. Daß diese
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aufgezeigten Verluste und die zur Sanierung notwendige Gebührenerhöhung, von der gesprochen worden ist, in der deutschen Wirtschaft heftigste Reaktion hervorgerufen hat, ist doch wohl durchaus verständlich.
Man muß die Frage aufwerfen: Worauf sind diese Verluste zurückzuführen? Es wird angegeben, das Defizit der Berliner Post habe bei der Übernahme etwa 76 Millionen DM, die Ausgleichsforderungen hätten etwa 22 Millionen DM und die Gesamtpersonalkosten hätten ungefähr 500 Millionen DM mehr als im Jahre 1948/49 betragen. Mittlerweile sind die Materialkosten um 50 % gestiegen; denn die Post hat ganz erhebliche Investitionen gemacht. Nun müssen noch Leistungen für aufgenommene Hypotheken und Anleihen gezahlt werden. Die Post hat - das soll zugegeben werden - durchaus erhebliche Investitionen machen müssen, um ihre kriegszerstörten Gebäude - ungefähr 43 % ihres ganzen Gebäudekomplexes ist zerstört gewesen - wieder instandzusetzen. Sie hat ihre Fernsprecheinrichtungen modern gestalten müssen. Es ist Großes geleistet worden, das soll zugegeben werden. Aber um alle diese Investitionen durchführen zu können, hat sie sehr viel Fremdkapital aufgenommen.
Hier stehen wir einer weiteren Schattenseite gegenüber; denn die Relation des Eigenkapitals zum Fremdkapital ist mittlerweile sehr ungünstig geworden. Wenn man bedenkt, daß die Bundespost auch im kommenden Jahr Investitionen von etwa 841 Millionen DM zu übernehmen hat, ergibt sich von selbst, daß diese Relation noch viel schlechter werden wird. Im Fremdkapital ist zudem ein sehr großer Posten kurzfristiges Kapital, das außerordentlich drückend für die Post ist. Meine Damen und Herren, alle diejenigen, die in der freien Wirtschaft und in der Industrie zu tun haben, wissen, wie gefährlich es ist, kurzfristiges Kapital aufzunehmen. Die gesamte deutsche Wirtschaft hat in den Jahren von 1948 bis heute darunter zu leiden gehabt. Das ist kein Vorwurf, den ich der Bundespost hiermit machen will. Die Bundespost konnte nicht anders als die übrige deutsche Industrie nur diesen Weg der kurzfristigen Kredite nehmen. Wer weiß, wie teuer das kurzfristige Kapital ist, der kennt durchaus die prekäre Situation, in der sich die Bundespost im Augenblick befindet. Kurzfristiges Kapital ist meistens nur mit 12 und 13 % zu haben gewesen. Die deutsche Wirtschaft hat zum Teil mit diesem teuren Kapital aufbauen müssen, und es ist allseitig bekannt, wie schwer die deutsche Wirtschaft es gehabt hat und wie viele Betriebe leider daran zugrunde gegangen sind.
Daß die Post einmal diese Verluste haben würde, hat man nach meiner Auffassung zeitig genug gesehen. Aus den Protokollen der Ausschußsitzungen ist durchaus ersichtlich, daß man sich in den letzten beiden Jahren der vergangenen Legislaturperiode eingehend mit diesem Problem befaßt hat. Nur ist es nicht ganz verständlich, daß man nicht zu einem Abschluß und zu einem vernünftigen Vorschlag gekommen ist. Deshalb muß ich hier die Frage stellen, ob nicht übergeordnete politische Aspekte die zu treffenden Maßnahmen verhindert haben. Es gibt böse Zungen, die behaupten, daß man solche Maßnahmen vor der Wahl nicht habe treffen wollen.
Zur Gebührenerhöhung sind im Verlauf der Zeit so viele Vorschläge gemacht worden, daß man zuletzt gar nicht mehr weiß, welcher Vorschlag nun der richtige ist. Es darf wohl angenommen werden, daß die Vorschläge, die letztens dem Postverwaltungsrat gemacht worden sind, diejenigen sind, die nun zur Diskussion stehen. Ich bin überhaupt der Meinung, daß über dieses Problem nicht nur viel zuviel, sondern auch viel zu früh gesprochen worden ist. Es wäre besser gewesen, man hätte zunächst in der Regierung und nachher vor dem Verwaltungsrat dieses prekäre Kapitel behandelt und sich erst dann an die Öffentlichkeit gewandt.
Der Herr Minister hat in irgendeiner Versammlung einmal die Formulierung gebraucht, man könne ja weniger Briefe schreiben, man könne weniger telefonieren.
({3}) Ich will diese Formulierung gar nicht zum Gegenstand der Aussprache machen, denn die deutsche Volkswirtschaft hat entsprechend reagiert. Sollte tatsächlich vom Herrn Minister in dieser Weise formuliert worden sein, nun, so sehe ich das letzten Endes nur als rhetorischen Schnitzer an, der jedem von uns einmal passieren kann. Jedenfalls wird dieser Schnitzer nach meiner Auffassung in den Erfahrungsschatz des Herrn Ministers übergehen und wird dann sehr wahrscheinlich nicht wieder vorkommen.
Die Gebührenerhöhungen, die im einzelnen für Drucksachen, für Briefe und für das Fernsprechwesen vorgesehen sind, will ich jetzt gar nicht ansprechen.
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- Bitte schön, im Parlament kann man sich auch darüber unterhalten! Ich habe schon gesagt, wir werden wahrscheinlich dafür sorgen, daß auch dem Parlament einmal die Situation der Bundespost dargestellt wird; denn ich glaube, das Parlament hat auch ein Recht dazu, nicht nur der Verwaltungsrat. Das ist meine persönliche Auffassung als Parlamentarier; darüber kann man sich ja schließlich unterhalten. Ich mache dem Herrn Minister in bezug auf die Situation bei der Bundespost keinen persönlichen Vorwurf. Sie ist leider Gottes auf die etwas komische Entwicklung zurückzuführen, die die deutsche Wirtschaft nun einmal genommen hat.
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- Bitte schön, ich komme darauf noch näher zu sprechen, denn ich habe auch dazu noch einiges zu sagen.
Meine Damen und Herren, die Gebühren für Drucksachen sollen etwa um 50 bis 100 % erhöht werden. Für die kleineren Betriebe - ich denke da in erster Linie an die freien Berufe - sind diese Mehrbelastungen nicht gerade sehr angenehm. Wenn die Fernsprechgebühren, und zwar die Grundgebühren erhöht werden, dann trifft dies in erster Linie die kleineren Betriebe, beim Fernverkehr allerdings die Großbetriebe. Diese Vorlage, die im Postverwaltungsrat vorliegt, wird die deutsche Wirtschaft noch beschäftigen. Ich bin der Meinung, daß auch diese Vorlage die Betriebsausgaben der deutschen Wirtschaft noch erhöhen wird. Schon heute muß die deutsche Wirtschaft äußerst scharf kalkulieren. Ich habe gar nicht die Absicht, hier Schwarzmalerei zu treiben, ich mache nur darauf aufmerksam, daß mein Kollege Dr. Deist gestern schon von den Schwierigkeiten bei der Grundstoffindustrie gesprochen hat und daß es auch in der Investitionsgüterindustrie nicht mehr so aussieht wie vor einem Jahr. Es gibt bestimmte
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Wirtschaftszweige, die heute außerordentlich hart zu kämpfen haben und einer sehr scharfen Konkurrenz gegenüberstehen. Jeder Betrieb ist heute bestrebt, durch Betriebsanalyse und genaue Kostenrechnung die Betriebskosten zu senken. Je schärfer die Konkurrenz ist, desto größer wird auch die Werbung und damit die Belastung durch Postgebührenerhöhungen.
Meine Damen und Herren, ich bin mir darüber völlig im klaren, daß sich die verantwortlichen Männer der Deutschen Bundespost ihrer bedeutenden Stellung in der deutschen Wirtschaft voll bewußt sind. Deshalb darf ich wohl hier zum Abschluß sagen, daß die Behandlung der Gebührenerhöhung nicht aus der Perspektive der fiskalischen Kellerluke gemacht werden darf. Ich bin selber der Meinung, daß wir wahrscheinlich gar nicht um eine Gebührenerhöhung herumkommen. Nur sollte man sich, meine ich, die Vorschläge, die von der Post gemacht werden, noch sehr genau ansehen.
Ein Haushalt hat nicht nur eine Einnahmen-, sondern auch eine Ausgabenseite. Ich glaube, daß bei den Ausgaben nach Möglichkeit Einsparungen gemacht werden müssen. Ich hatte schon vorhin darauf aufmerksam gemacht, daß Investitionen fortlaufend gemacht werden müssen und daß damit zu rechnen ist, daß in diesem Jahre noch weitere 800 000 DM für die Instandsetzung von Gebäuden und die Herrichtung moderner Fernsprechanlagen ausgegeben werden müssen. Es ist außerordentlich erfreulich, daß nunmehr Deutschland das Land ist, das über das beste Fernschreibnetz verfügt. Gerade dieser Tage habe ich gelesen, daß wir mehr als 11 000 Anschlüsse haben und damit in Europa an der Spitze liegen.
Für diese Zwecke müssen also Mittel ausgegeben werden; dagegen können wir uns gar nicht sperren. Trotzdem bin ich sicher, daß es auf der Ausgabenseite noch einige Positionen gibt, die man sich genauer anzusehen hat. Ich habe nicht die Absicht, jetzt nochmals auf den Neubau in der Koblenzer Straße einzugehen. Soviel ich gelesen habe, hat sich dieses Parlament schon mehrere Male mit dieser Frage beschäftigt. An der Fertigstellung und den Ausgaben läßt sich wahrscheinlich nicht mehr sehr viel ändern. Vielleicht überlegt man sich, ob in der Betriebsorganisation noch einiges zu machen ist, ob es nicht Überschneidungen bei den Oberpostdirektionen und der Bahnpost gibt und ob nicht Leerlauf verhütet werden kann.
Nun noch ein sehr wichtiger Posten. Wenn er auch hinsichtlich der Einsparungen nicht von so großer Bedeutung ist, möchte ich doch darauf eingehen. Es handelt sich um die Ernennung der beiden Staatssekretäre.
({7})
- Erlauben Sie, ich kann als Parlamentarier auch
einiges dazu sagen; das wird man mir nie verbieten können. Beide Herren Staatssekretäre habe
ich kenengelernt und bin durchaus davon überzeugt, daß sie außergewöhnlich tüchtige Beamte
sind. Trotzdem bin ich der Meinung, man hätte
sich überlegen müssen, ob nicht einer ausgereicht
hätte. Wir haben uns doch gerade gestern mit der
Besetzung des Außenministeriums befassen müssen
und sind zu der Ansicht gekommen, daß es nicht
ausreichend mit höheren Beamten besetzt ist. Wir
haben für dieses Ministerium, das nur einen
Staatssekretär hat, einen zweiten Staatssekretär
gefordert. Ich bin durchaus. der Auffassung, daß im Ministerium für das Post- und Fernmeldewesen ein Staatssekretär genügt hätte. Aber, meine Damen und Herren, das ist keine persönliche Spitze gegen die beiden berufenen Herren.
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- Ich bin ja kein Minister; damit habe ich ja nichts zu tun.
Ich könnte hinsichtlich der Personalausgaben noch einiges sagen. Vielleicht ist es sogar notwendig, daß ich es tue. Ich weiß, daß die Anforderungen an das technische Personal seit 1935 oder 1936
- ich darf einmal dieses Jahr herausgreifen - um ein Beträchtliches gestiegen sind; denn die Technik hat sich fortentwickelt, man verlangt mehr von den Leuten. Soviel ich weiß, werden sie aber nicht entsprechend bezahlt. Deshalb ist zu überlegen, ob diese technischen Angestellten nicht in eine höhere Besoldungsgruppe gebracht werden können.
Damit habe ich zu dem Einzelplan 13 Stellung genommen. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß Postverwaltungsrat und Postministerium im Interesse der deutschen Volkswirtschaft bestens zusammenarbeiten. Weil wir aber in diesem Ministerium noch viele ungeklärte Verhältnisse haben, sieht sich die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei veranlaßt, den Einzelplan abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin eigentlich darüber erstaunt, daß Herr Diekmann soeben beantragt hat, den Einzelplan für das Post- und Fernmeldewesen abzulehnen. Aus seinen Ausführungen ging eigentlich nicht hervor, daß er sehr viele Ansätze zur Kritik sah.
({0})
Ich hatte vielmehr den Eidruck, daß das, was er sagte, mehr ein Kommentar zu der effektiven Lage war, in der sich das Bundespostministerium und insbesondere der Herr Bundespostminister befinden. Ich möchte aber doch noch zu einigen seiner Ausführungen Stellung nehmen.
Herr Diekmann, Sie haben beanstandet, daß die Relation zwischen Fremd- und Eigenkapital zu sehr nach der Fremdkapitalseite neige. Ich habe schon im Ausschuß darauf hingewiesen, daß ich mich dieser Auffassung nicht anschließen kann. Die Relation war früher bereits eins zu eins. Dieses Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital besteht nach meiner Untersuchung jetzt noch. Aber mir ist wichtig zu wissen, ob Sie damit etwa für eine Investition auf dem Weg über die Preise, also in diesem Fall über die Gebühren, eintreten wollen. Wenn das der Fall ist, möchte ich Ihnen schon jetzt ankündigen, daß Sie damit unsere schärfste Gegnerschaft herauslocken würden.
Zu den Ausführungen über die Gebühren gestatte ich mir auch noch einige Anmerkungen zu machen. Ich schließe mich durchaus der Auffassung an, daß die Wirtschaft mit etlicher Besorgnis dieser geplanten Gebührenerhöhung entgegensieht. Das ist verständlich. Aber man sollte darüber nicht allzuviel sagen, bevor man nicht konkret weiß, welche Gebührenerhöhungen das Bundespostministerium vorhat. Wenn es stimmen sollte, daß einzelne Tarife um 100 % erhöht werden sollen, dann würden wir uns allerdings auch den großen Bedenken
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anschließen, die Herr Kollege Diekmann zum Ausdruck gebracht hat.
Ich würde es für richtig halten, daß der Herr Bundespostminister bei der Erörterung einer Gebührenerhöhung gleichzeitig mit den Plänen über die Gebührenerhöhung eine Rationalisierung der Verwaltung bekanntgibt, und zwar eine spezifizierte Rationalisierung. Auf diesem Gebiet ist durchaus noch verschiedenes zu tun. Erlauben Sie mir deshalb, Herr Minister, daß ich noch einige Bemerkungen zu Einrichtungen mache, wo ich Verbesserungen durchaus noch für möglich halte. Ich weiß nicht, ob es heute noch erforderlich ist, beispielsweise die Instandsetzungswerkstätten für Kraftfahrzeuge in demselben Umfang wie bisher aufrechtzuerhalten. Diese Werkstätten sind vor einigen Jahrzehnten gegründet worden, als man in dem Gebiet unseres Landes noch nicht an jeder Ecke eine Kraftfahrzeugwerkstätte hatte. Heute hat sich die Situation völlig verändert. Es scheint mir doch etwas sonderbar, daß heute noch die Kraftfahrzeuge der Bundespost bei Reparaturen in die zentralen Werkstätten kommen müssen. Das bedeutet lange Zufahrtwege, so daß die Nebenkosten, die sich hierdurch ergeben, zu den tatsächlichen Kosten in gar keinem Verhältnis stehen. Ich weiß, daß Sie, Herr Minister, diese ungesunde Entwicklung erkannt und eine Verfügung erlassen haben, die sie zurückzudrehen sucht. Aber man scheint mir hier doch nicht weit genug gegangen zu sein. Ich könnte Ihnen mit einigen Beispielen aufwarten, sogar mit Zahlen; ich möchte darauf verzichten. Ein Beispiel nur! Mir ist bekanntgeworden, daß man an einem Dreitonner-Lastwagen ein Führerhaus hat herstellen lassen, einmal in einer Bezirkswerkstatt und ein anderes Mal - dasselbe Führerhaus - bei einer Privatfirma. Die Bezirkswerkstatt rechnete hierfür 1450 DM, die Privatfirma 1200 DM.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit aber auch darauf lenken, daß die Besetzung der Stellen doch reichlich verschieden vorgenommen worden ist und vorgenommen wird. Es wäre nötig, auch hierbei rationelle Gesichtspunkte zum Zuge kommen zu lassen.
Noch etwas Grundsätzliches! Herr Minister, ich glaube, daß es an der Zeit ist, eine wirklich grundsätzliche Verwaltungsreform auf dem Gebiete des Postwesens ins Auge zu fassen. Denn die jetzige Gliederung, nach der die Postverwaltung arbeitet, besteht - in Preußen jedenfalls - nun etwa 100 Jahre. Sie ist seinerzeit von dem verdienstvollen Leiter der Preußischen Post, Schmückert, eingeführt worden und hat sich lange Zeit hindurch bewährt. Aber schon vor wenigen Jahrzehnten haben sich Anzeichen bemerkbar gemacht, daß diese Gliederung nicht mehr ganz den Zeiterfordernissen entspricht. Das ist verständlich, denn zur Zeit der Festlegung dieser Gliederung lebten wir in einer Zeit, die in keiner Weise verkehrsintensiv war, während wir doch heute in einer verkehrsintensiven Zeit leben, in der es nicht mehr nötig ist, derart viele Mittelbehörden zu unterhalten, wie jetzt bestehen.
Ich weise auch darauf hin, daß die Mittelbehörden, die Oberpostdirektionen, in ihrer Funktion zum Teil schon etwas durch die technischen Ämter ausgekreist worden sind, nämlich durch das Fernmeldetechnische Zentralamt und das Posttechnische Zentralamt. Beide Ämter sind aus dem gesunden Erfordernis unserer Epoche entstanden, die technische Entwicklung und Installation im Postwesen zentral und einheitlich durchzuführen. Es würde aber durchaus genügen, diese Funktion den Zentralämtern zu überlassen. Statt dessen laufen noch die Oberpostdirektionen als Mitlaufwerke bei zahlreichen Funktionen dieser beiden Ämter mit. Hier sollte man Abhilfe schaffen, zunächst in dem Sinne, daß man den beiden Ämtern gegenüber den Oberpostdirektionen eine andere Stellung gibt. Ich darf Sie bitten, sich ernstlich zu überlegen, ob nicht, nachdem diese Verwaltungsform sich hundert Jahre bewährt hat, eine grundsätzliche Reform jetzt an der Zeit ist.
Noch etwas anderes. In der Öffentlichkeit wird, ich glaube, von seiten Ihres Ministeriums, als Begründung für die Gebührenerhöhung unter anderem immer wieder herausgestellt, daß sich seit 1949 die Personalkosten um etwa 500 Millionen DM erhöht hätten. Ich bin nicht auf diesen Satz gekommen, aber er mag stimmen. Immerhin wird nicht gesagt - und das scheint mir nicht ganz unwesentlich zu sein -, daß sich in derselben Zeit der Verkehr, also die Leistung des einzelnen, ganz erheblich erhöht hat, zum Teil bis auf 294%. Die niedrigsten Sätzen liegen bei 129 %. Auch dies sollte einmal erwähnt werden.
In dem gleichen Zusammenhang wird auch immer wieder auf das Defizit der Post in Berlin hingewiesen. Gestatten Sie mir, daß ich als Berliner Abgeordneter hierzu einiges sage. Diese Angaben könnten in der Öffentlichkeit ein falches Bild hervorrufen. Das Defizit in Berlin entsteht nicht etwa durch eine mangelhafte Bewirtschaftung des Postwesens dort. Es handelt sich um nicht ganz 60 Millionen DM, es sind 57 oder 58 Millionen DM. In den Verlautbarungen hört man immer von 70 Millionen DM. Die Ziffer von 70 Millionen DM ist nicht mehr effektiv. Weiter ist nicht berücksichtigt worden - das ist sehr beachtlich -, daß Berlin die Sozialausgaben für die Postangehörigen außerordentlich gesenkt hat. Die Einsparung sozialer Beihilfen hat dazu geführt, daß in Berlin nur 50 °/o der Kopfsätze des Postpersonals im Bund in Anspruch genommen werden. Das hängt allerdings zum großen Teil damit zusammen, daß in Berlin noch die Krankenversicherungspflicht für die Beamten besteht, die damit bei eigenen Krankheitsfällen in voller Höhe selber durch ihre Beiträge aufkommen. Es muß aber auch berücksichtigt werden, daß Pensionslasten, und zwar zum größten Teil Pensionslasten für verdrängte Angehörige der Post, in Höhe von 47,5 Millionen DM vorhanden sind.
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Noch ein weiterer Posten ist zu erwähnen, den man in Berlin einfach unverständlich findet, nämlich die Ablieferung.
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- Ich komme gleich zum Ende. Es ist immerhin für uns Berliner schon wichtig. Entschuldigen Sie, Herr Dr. Vogel, Sie haben auch mehrfach in der Debatte gesprochen. Ich fasse mich kurz, ich bin gleich am Ende. - Diese Ablieferung von 10 Millionen DM an den Bund ist bei der Lage Berlins, meine ich, in keiner Weise zu begründen.
Um nun wirklich zum Schluß zu kommen, Herr Minister, noch einen Wunsch und eine Bitte.
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Sie wollen natürlich Einsparungen vornehmen. Ich mache Ihnen hier im Zusammenhang mit Berlin einen konkreten Vorschlag. Das Fernmeldetechnische Zentralamt und das Posttechnische Zentralamt haben zur Zeit in Darmstadt ihr Domiziel in Mietunterkünften in Kasernen. In Berlin steht, vollkommen wiederhergestellt, das Gebäude des ehemaligen Reichspostzentralamtes zur Verfügung, das jederzeit bezogen werden könnte. Ich darf dabei erwähnen, daß dieses Gebäude mit technischen Anlagen von außerordentlichem Wert ausgerüstet ist, die zur Zeit so gut wie gar nicht ausgenutzt sind. Allein die Stromversorgungs- und Stromverteileranlage hat nach den Abschätzungen eines Angehörigen der Besatzungsmächte einen Gegenwartswert von rund 7 bis 8 Millionen DM. Ich möchte Sie dringend bitten, diesem Vorschlag näherzutreten und dafür zu sorgen, daß diese beiden Ämter bzw. eines dieser beiden Ämter dorthin zurückkehrt, wohin es von Natur aus gehört, nämlich nach Berlin.
Im übrigen gebe ich mich in der Frage der Beseitigung des Defizits der Hoffnung hin, daß sie nicht nur über die Inanspruchnahme der Wirtschaftskraft des Postbenutzers erfolgen wird, sondern daß sie auch mit dem Rotstift zuwege gebracht wird, der von einem zeitgerechten Denken geführt werden sollte.
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Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin noch nicht lange genug Minister, um zu wissen, ob es oft vorkommt, daß ein Minister seinen beiden Herren Kritikern zu danken hat, wie etwa seinen beiden Herren Staatssekretären. Die beiden Herren haben zum Faktischen, zur Finanzlage und zu den Problemen der deutschen Bundespost beinahe alles Wesentliche gesagt.
Ich darf vielleicht mit dem beginnen, was Herr Abgeordneter Diekmann zu der Frage des Verhältnisses Chef der Behörde und Ministerialbürokratie gesagt hat. In den ersten Monaten habe ich einige Maßnahmen auf personalpolitischem Gebiet durchführen müssen. Ich hoffe, es ist nicht der Eindruck entstanden, daß ich mich durch besondere Ängstlichkeit gegenüber der sogenannten Bürokratie ausgezeichnet hätte. Im übrigen darf ich feststellen, daß ähnliche Probleme nicht nur in einer Behörde, sondern auch in der Wirtschaft auftreten. Mit der Methode des Zusammenrauf ens werde ich, so glaube ich, die Gefahren bannen können, die bei einer solchen Zusammenarbeit auftreten können.
Was die durch Reisen bedingte Abwesenheit des Leiters einer so großen Behörde betrifft, so glaube ich, daß wir hier zu einem Kompromiß kommen können. Die Deutsche Bundespost hat 38 000 Betriebsstätten, die natürlich über das ganze Bundesgebiet verteilt sind, und ich glaube kaum, daß man von einem Schreibtisch in Bonn aus alle Probleme bewältigen kann, die bei diesen 38 000 Betriebsstätten auftreten.
Zur Finanzlage der Bundespost ist von Herrn Diekmann das Wesentliche gesagt worden. So ganz neu ist die schlechte Betriebslage der Bundespost eigentlich nicht; denn schon im Jahre 1952 wurde darauf aufmerksam gemacht, daß sich hier Gefahrenzeichen bemerkbar machen. Betriebswirtschaftlich gesehen ist die Lage der Bundespost dadurch gekennzeichnet, daß sie ihre Abschreibungen nicht mehr verdient. Die Summe von 200 Millionen DM, die als unbedingt notwendige Einnahmeerhöhung genannt worden ist, damit wenigstens der Substanzverzehr bei der Bundespost gestoppt wird, errechnet sich auf Grund der sogenannten kameralistischen Abschreibungen. Wenn man, wie es sich für ein Wirtschaftsunternehmen gehört, die Wiederbeschaffungswerte zugrunde legt, würde sich dieser Verlust noch um etwa 80 Millionen DM erhöhen.
Die Frage der Einsparungsmöglichkeiten auf der Ausgabenseite ist durch folgende Zahlen gekennzeichnet. Von den Betriebsausgaben der Bundespost entfallen 6,6 v. H. auf die Ablieferung an den Bund laut Postverwaltungsgesetz, 2,2 v. H. auf den Zuschuß im Durchschnitt an das Post- und Fernmeldewesen im Land Berlin, 1 v. H. auf die Verzinsung der Ausgleichsforderungen, 2,6 v. H. auf die Verzinsung von Schuldverpflichtungen und rund 74 v. H. auf Personalausgaben, so daß etwa 13 bis 14 v. H. für sachliche Ausgaben bleiben. Schon dadurch ist gekennzeichnet, ein wie kleiner Spielraum der sogenannten technischen Rationalisierung auf dem Postgebiet verbleibt. Wenn man einen Rationalisierungseffekt von 10 % - wie wir aus der Wirtschaft wissen, ist das schon eine beträchtliche Leistung - erzielen will, so hat man nur etwa 1,4 % der Gesamtausgaben der Bundespost damit erreicht.
Ich brauche nicht zu versichern, daß ich der Frage der Rationalisierung ein besonderes Augenmerk zuwende. Ich weiß sehr genau, daß eine Gebührenerhöhung so ziemlich die ultima ratio sein soll, die man der Wirtschaft zumutet. Ich habe aber mit diesem Vorschlag versucht, die Finanzlage der Post in eigener Zuständigkeit in Ordnung zu bringen, d. h. nicht auf dem Umweg über den Steuerzahler, d. h. den Herrn Bundesfinanzminister.
Zu den Fragen, die Herr Hübner angeschnitten hat - Rationalisierung z. B. auf dem Gebiet der Kraftwagenreparaturwerkstätten -: Wir haben gerade erreicht, daß von den 4000 Arbeitern und Angestellten, die in unseren Werkstätten beschäftigt waren, jetzt nur noch knapp 2000 beschäftigt sind. Die Rationalisierung ist also im Gange.
Zur Verwaltungsreform auf dem Postgebiet ließe sich sehr viel sagen. Ich möchte aber doch feststellen, daß hier ein gewisser Widerspruch besteht zwischen den Wünschen nach einer Reform auf dem Postgebiet, die an mich herangetragen werden, und anderen Wünschen, die z. B. darauf abzielen, Oberpostdirektionen, die früher bestanden, wieder zu errichten.
Was Berlin angeht, so möchte ich bemerken: Das Gebäude des früheren Reichspostzentralamts in Berlin ist tatsächlich voll ausgenutzt durch Ausbildungs- und Schulungseinrichtungen, durch die Außenstellen des fernmeldetechnischen Zentralamts und des posttechnischen Zentralamts.
Die Schwierigkeiten bei der Post liegen in der kurzfristigen Verschuldung, die bei einer Gesamtverschuldung von 2 Milliarden 1,1 Milliarden DM ausmacht, und zudem noch in der Überfremdung. Leider ist das Verhältnis 1 zu 1 Fremdkapital zu Eigenkapital zuungunsten des Eigenkapitals bei der Post schon überschritten. Ich bin selbstverständlich gern bereit, dem Wunsche des Herrn Kol({0})
legen Diekmann nachzukommen und diesem Hohen Hause auch Einzelheiten über die Finanzlage der Bundespost in den Sitzungen nach Ostern vorzulegen, ebenso wie die Einzelheiten der Gebührenvorschläge, die das Ministerium für Post und Fernmeldewesen an den Postverwaltungsrat gerichtet hat. Ich darf aber darauf hinweisen, daß die Beschlußfassung über diese Gebührenerhöhung beim Postverwaltungsrat liegt.
({1})
Herr Abgeordneter Neumann!
Meine Damen und Herren! Ich wollte an den Herrn Bundespostminister doch gern eine Bitte richten. Ich bin nicht der Spezialist für Postfragen in Berlin; aber ich möchte doch auf eine Schwierigkeit hinweisen, die aus Anlaß der Überführung der Landespostdirektion in eine Oberpostdirektion eingetreten ist. Wir hatten durch die Spaltung wahrscheinlich im Verhältnis zu anderen Oberpostdirektionen, im Verhältnis zum Bundesgebiet eine größere Zahl von Beamten, Arbeitern und Angestellten. Aber ich darf wohl auch darauf hinweisen, daß sich durch die Berliner Schwierigkeiten besondere Verhältnisse ergeben. Ohne, daß ich im Augenblick Unterlagen zur Verfügung habe, möchte ich Sie, Herr Minister, doch bitten, Ihr Augenmerk insbesondere auf die Schwierigkeiten in Berlin zu lenken. Es ist Tatsache, daß durch die Übernahme der Post auf den Bund jetzt eine erhebliche Unruhe unter den Beamten, Angestellten und Arbeitern der Post in Berlin eingetreten ist, weil in den letzten Wochen 700 bis 800 Herabgruppierungen vorgenommen, d. h. die Kündigungen für diese Herabgruppierungen ausgesprochen worden sind und weil eine größere Zahl von Angestellten in das Arbeiterverhältnis übergeführt werden soll.
Ich bin, wie gesagt, nicht Spezialist auf diesem Gebiet und kann im Augenblick nicht mit Einzelheiten aufwarten. Aber ich möchte Ihnen doch sagen, daß wir es gerade dem Personal der Post in Berlin verdanken, daß wir bei der Spaltung der Stadt alles Material retten konnten, das notwendig war, urn die Post wieder in Bewegung zu bringen. Das mußten wir bei der Spaltung zum zweitenmal machen. Sie alle, die Sie mit Postdingen etwas zu tun haben, wissen genau, mit welchen besonderen Schwierigkeiten wir 1945 in Berlin zu kämpfen hatten. Ich möchte Sie also nochmals bitten, Ihr Augenmerk auf diese Dinge in Berlin zu lenken und insbesondere daran zu denken, wie groß der persönliche Einsatz des Berliner Postpersonals in diesen schwierigen Zeiten gewesen ist. Infolgedessen sollte man hier in großherziger Weise verfahren und nicht Gruppenkündigungen oder Herabgruppierungen in größerem Ausmaße durchführen.
({0})
Meine Damen und Herren! Keine weiteren Wortmeldungen; ich kann die Besprechung schließen.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache 363. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag betreffend Einzelplan 13 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Haushalt ist mit Mehrheit angenommen worden.
Ich rufe auf:
Einzelplan 07 - Haushaltsplan für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({0}).
Meine Damen und Herren, es war eigentlich vereinbart, daß der Bericht schriftlich erstattet werden sollte. Der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Brandt, hat ihn nicht schriftlich zur Verfügung, so daß er ihn in Kürze mündlich erstatten will. Darf ich bitten!
Brandt ({1}) ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 07 zerfällt in drei Teile: einmal den Teil, der sich mit dem Ministerium der Justiz selbst befaßt, zum anderen den Abschnitt über den Bundesgerichtshof und drittens den Teil, der das Bundespatentamt betrifft.
Beim Ministerium ist wegen der starken Arbeitsbelastung und einer Reihe neuer Aufgaben eine Personalvermehrung erforderlich gewesen. Der Regierungsvorschlag hatte 11 zusätzliche Beamtenstellen und einen Zugang von 7 Hilfskräften vorgesehen. Als Ergebnis der Ausschußberatungen sind 4 weitere Beamtenstellen und 3 weitere Hilfskräfte beim Ministerium hinzugekommen. Dieses verfügt jetzt über 117 Beamte, 138 Angestellte und 57 Arbeiter, wozu im Rechnungsjahr 1954 etwa 30 beamtete Hilfskräfte kommen werden. Die übrigen Änderungen, die das Ministerium selbst betreffen, sind geringfügiger Art; ich darf dazu auf die Drucksache verweisen.
Beim Bundesgerichtshof hat sich wegen der außergewöhnlichen Zunahme der Strafsachen die Notwendigkeit ergeben, zur Bildung eines weiteren Strafsenats zu schreiten, der als erste und letzte Instanz in politischen Strafsachen entscheidet. Die Personalausgaben haben sich nach dem Regierungsentwurf gegenüber dem Vorjahr um die Gehälter für einen Senatspräsidenten und 4 Richter, ferner für einen Bundesanwalt und 12 weitere Beamte sowie 19 nichtbeamtete Kräfte erhöht. Als Ergebnis der Ausschußberatungen sind noch weitere 11 beamtete Kräfte hinzugekommen. Dadurch steigt die Zahl der Richter- bzw. Beamtenstellen beim Bundesgerichtshof auf 238.
Der Herr Regierungsvertreter hat in diesem Zusammenhang bei den Beratungen im Ausschuß eine Erklärung abgegeben, die ich an dieser Stelle wiedergeben möchte. Staatssekretär D r. Strauß hat erklärt - ich zitiere -,
daß der ständig steigenden Geschäftslast des
Bundesgerichtshofs durch Personalvermehrung
allein auf die Dauer nicht zu begegnen sei.
Mit dem Wesen der Autorität des höchsten
Gerichtshofs auf dem Gebiet der ordentlichen
Rechtspflege sei es nicht vereinbar, daß der
Gerichtshof ein bestimmtes Optimum der Zahl
der Richter überschreite. Es sei dann ausgeschlossen, die Qualität zu halten, wie sie das
frühere Reichsgericht aufzuweisen gehabt
habe. Es müsse zu anderen Mitteln gegriffen
werden. Unter anderem seien Überlegungen
notwendig, inwieweit die Zulassung von Revisionen eingeschränkt werden könne, um dem
Bundesgerichtshof den Charakter zu verleihen, den das Reichsgericht seinerzeit gehabt
habe, den Charakter eines Grundsatzgerichts.
Die 11 zusätzlichen Planstellen, die ich erwähnt
habe und für die 11 Angestelltenstellen bei Tit. 104
wegfallen, waren erforderlich im Zusammenhang
mit der ab 1. April dieses Jahres wirksamen Über({3})
nahme des Zentralstrafregisters in Berlin als Bundesstrafregister in den Geschäftsbereich des Oberbundesanwalts. Diese Stellen waren auch deshalb notwendig, um die zur Zeit beim Auslandsstrafregister vorhandenen Beamten in den Bundesdienst übernehmen zu können. Auf die gleiche Ursache ist es zurückzuführen, daß sich die Ansätze bei den Tit. 870 und 871 erhöht haben; es handelt sich um Ausgaben für erstmalige Anschaffung von Einrichtungsgegenständen sowie von Schreibmaschinen usw.
Bei Tit 103, Dienstbezüge der beamteten Hilfskräfte, sind die Erläuterungen wie folgt vervollständigt worden:
Die Voruntersuchungen in erstinstanzlichen Strafsachen steigen ständig. Das bisherige Verfahren, für jedes Land aus seinen Richtern auf Vorschlag der Landesjustizverwaltungen Ermittlungs- und Untersuchungsrichter des Bundesgerichtshofs zu bestellen, hat sich nicht bewährt. Um die Voruntersuchungen ordnungsmäßig und in kürzester Frist durchzuführen, ist es unabweisbar notwendig, daß eine Anzahl geeigneter Richter aus den Ländern an den Bundesgerichtshof abgeordnet und mit der Wahrnehmung der Geschäfte der Ermittlungs- und Untersuchungsrichter betraut werden. In Frage kommen zunächst je zwei Richter der Besoldungsgruppen A 1 b und A 2 b. Die für die zusätzlichen beamteten Hilfskräfte erforderlichen Mittel können aus Einsparungen durch zeitweise nichtbesetzte Planstellen bei Tit. 101 gewonnen werden, so daß die Anforderung zusätzlicher Mittel nicht erforderlich ist.
Ich komme zum Bundespatentamt. Der steigende Geschäftsanfall hat die Errichtung eines weiteren Beschwerdesenats erforderlich gemacht. Darüber hinaus war wegen des seit Jahren infolge von Patentanmeldungen und aus anderen Gründen gestiegenen Geschäftsanfalls eine allgemeine Personalvermehrung erforderlich. Als Grundlage für einen Nettozugang von 120 Beamten diente hierbei ein Gutachten des Bundesrechnungshofs. Es will jedoch zweifelhaft erscheinen, ob die vorgeschlagene Personalvermehrung ausreichen wird. Falls die erwähnten Stellen bewilligt werden, wird das Patentamt über 1734 Kräfte verfügen, 777 Beamte, davon 506 im höheren Dienst, 755 Angestellte und 202 Arbeiter.
Das Patentamt erfordert bei gut 22 Millionen DM Einnahmen einen Zuschuß von etwas über 500 000 DM. Der Haushaltsausschuß hat dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß das Justizministerium darauf hinwirkt, daß sich das Patentamt im nächsten Rechnungsjahr wieder selbst trägt. Vom Haushalt 1955 ab kann - das darf ich vielleicht in diesem Zusammenhang erwähnen - in Auswirkung der geplanten Gebührenreform mit einer erheblichen Steigerung der Einnahmen gerechnet werden, so daß der Haushalt des Patentamts wieder Überschüsse abwerfen wird. Im übrigen darf ich auch hier wegen einiger kleiner Änderungen auf die Drucksache 357 verweisen.
Der Einzelplan 07 enthält erstmalig einen außer- ordentlichen Haushalt. Beide darin enthaltenen Posten sind während der Ausschußberatungen unverändert geblieben. Bei A 0701 Tit. 710 sind die dort vorgesehenen 300 000 DM allerdings nicht für den Neubau eines weiteren Bürobehelfsgebäudes für das Ministerium vorgesehen, sondern jetzt für eine Erweiterung des Dienstgebäudes. Bei A 0705
Tit. 710 sind - wie im vorhergehenden Fall gesperrt - 350 000 DM als Planungskosten für die Fortführung des vom Freistaat Bayern begonnenen Neubaus eines Dienstgebäudes für das Deutsche Patentamt in München eingesetzt. Das Patentamt ist zur Zeit in Mieträumen im Deutschen Museum untergebracht, die bis 1958 zurückgegeben werden müssen. Der vorgesehene Neubau, der voraussichtlich 22 Millionen DM erfordern wird, soll im Rechnungsjahr 1955 begonnen werden. Im Ausschuß wurde von einigen Mitgliedern der Meinung Ausdruck gegeben, daß durch die Planung dieses Vorhabens nicht darüber vorentschieden werden dürfe, daß Berlin als künftiger Sitz des Patentamtes ausscheide. Dem Berichterstatter wurde aufgegeben, vor dem Hohen Hause zu betonen, daß die Frage der endgültigen Niederlassung des Patentamtes durch diese Bewilligung nicht berührt werde.
({4})
Der Regierungsvertreter hat erklärt - ich zitiere -,
es sei hierdurch keine Vorentscheidung über den endgültigen Sitz des Patentamtes getroffen. Mit dem bayerischen Staat werde ein Vertrag dahingehend abgeschlossen werden, daß der bayerische Staat das Gelände kostenlos, wahrscheinlich im Erbbaurecht, mit der Maßgabe zur Verfügung stelle, daß, wenn das Patentamt das Gebäude nicht benötige, dem bayerischen Staat ein Heimfallrecht zustehe. Es sei vorgesehen, daß bei Inkrafttreten des Heimfallrechts dem Bund die Kosten, die er getragen habe, nach Abzug des als Wertminderung durch Abnutzung zu ermittelnden Betrages zu erstatten seien.
Ich darf noch auf die Veränderung der Abschlußziffern hinweisen, die sich aus den vorgetragenen und im übrigen in der Drucksache enthaltenen Änderungen der Ansätze ergeben. Für den Einzelplan 07 betragen die Gesamteinnahmen nunmehr nicht 24 659 800 DM, sondern 24 729 800 DM, die Gesamtausgaben nicht 33 719 200 DM, sondern 34 170 000 DM. Der Zuschußbedarf unter Inrechnungstellung der Kürzung gemäß § 4 des Haushaltsgesetzes beträgt nicht 7 640 900, sondern 8 169 600 DM.
Ich darf Sie namens des Haushaltsausschusses ersuchen, den Einzelplan 07 mit den aus der Drucksache 357 ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen annehmen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, es war in den Fraktionen abgestimmt, daß man eine Aussprache nicht benötige. Ist das die Meinung des Hauses? - Offenbar. Dann kann eine Einzelaussprache entfallen.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 07, Drucksache 357. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Einzelplan zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Einzelplan ist angenommen. Damit ist dieser Punkt erledigt.
Ich rufe den Einzelplan 06 auf:
Einzelplan 06 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern ({0}).
({1})
Ich habe Wortmeldungen zu den einzelnen Anträgen. Wird eine Aussprache über den Einzelplan insgesamt gewünscht?
({2})
Oder sollen wir wieder die Aussprache sich bei der
Beratung der einzelnen Anträge entwickeln lassen?
({3})
- Das scheint zweckmäßig zu sein. Es liegen Anträge auf den Umdrucken 36, 48, 37, 38 und 39 vor. Sämtliche Anträge sind von der Fraktion der SPD gestellt.
Zur Begründung also Herr Abgeordneter Maier, bitte!
({4})
- Ich bitte um Entschuldigung, meine Damen und Herren, ganz so schnell kann es allerdings nicht gehen. Berichterstatter sind Herr Abgeordneter Niederalt und Herr Abgeordneter Willeke. Ich bitte also zunächst Herrn Abgeordneten Niederalt, das Wort zu nehmen.
Niederalt ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 06 des Bundesministeriums des Innern ist wegen der Verschiedenartigkeit der Aufgaben dieses Ministeriums und wegen der Vielzahl der nachgeordneten Behörden und Institute sehr umfangreich. Daher hat sich der Haushaltsausschuß entschlossen, die Berichterstattung im Haushaltsausschuß und im Plenum des Bundestags auf zwei Mitglieder des Haushaltsausschusses zu verteilen. Der Herr Kollege Dr. Willeke wird den Bericht über die Haushaltsfragen der Beamtenrechtsabteilung, der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten, der Abteilung für das Gesundheitswesen, der Sozialabteilung sowie der Unterabteilungen für Staatsrecht und Verwaltung erstatten. Meine Berichterstattung dagegen wird den Haushalt des Ministeriums selbst, die Abteilung für öffentliche Sicherheit, das Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt und den Bundesgrenzschutz einschließlich Seegrenzschutz umfassen. Ich habe Ihnen ferner über die Haushaltsfragen des zivilen Bevölkerungsschutzes einschließlich der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz und des Technischen Hilfswerks und schließlich über den Haushalt der Bundeszentrale für Heimatdienst und der Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu berichten.
Ich will mich dabei bemühen, mich auf das Wichtigste zu beschränken, muß Sie aber doch im Hinblick auf die Fülle der Probleme um etwas Geduld bitten.
Zunächst darf ich Ihnen einen Überblick über den Gesamtabschluß des Einzelplans 06 geben. Nach der Regierungsvorlage sah der Gesamtabschluß des Einzelplans 06 Ausgaben von rund 332 Millionen DM vor, nach Abzug der vorgesehenen 4%igen Streichung noch rund 319 100 000 DM. Bei Berücksichtigung der vorgesehenen Einnahmen und des Ergebnisses der Beratungen im Haushaltsausschuß wird der Einzelplan 06 im Rechnungsjahr 1954 einen Gesamtzuschuß von 317 434 300 DM erfordern. Dies bedeutet gegenüber dem Rechnungsjahr 1953 eine Erhöhung des Gesamtzuschusses um etwa 82 Millionen DM. Diese Mehrausgaben beruhen im wesentlichen auf folgenden Faktoren: 12 Millionen DM für die gesetzliche Besoldungsverbesserung, 6,4 Millionen DM für die verstärkte Fürsorge für Kriegsgräber, 10,5 Millionen DM für die Entschädigungen an ehemalige Bedienstete jüdischer Gemeinden, 4 Millionen DM für die Fortsetzungsrate für den Neubau des Statistischen Bundesamts und 65 Millionen DM fürdie Vermehrung des Bundesgrenzschutzes. Diese fünf Faktoren zusammen bedeuten eine Mehrausgabe von 97,9 Millionen DM. Da der gesamte Zuschuß von 1953 auf 1954 nur um rund 82 Millionen DM erhöht wird, sind also im gesamten Einzelplan 06 gegenüber 1953 Einsparungen von rund 16 Millionen DM zu verzeichnen.
Im Stellenplan des Innenministeriums wird die Hebung einer Ministerialratsstelle in eine Dirigentenstelle vorgeschlagen. Es handelt sich um die Stelle des Unterabteilungsleiters für Verfassungsfragen. Stellenvermehrungen sind für das Ministerium selbst weder bei den Beamten noch bei den Angestellten und Arbeitern vorgesehen.
Im Einzelplan des Innenministeriums ist ein Ansatz von 350 000 DM zum Ausgleich überhöhter Fahrtkosten im Verkehr mit Berlin vorgesehen. Der Haushaltsausschuß hat das Innenministerium ersucht, Richtlinien darüber herauszugeben, unter welchen Voraussetzungen Reisende nach Berlin eine Fahrtverbilligung oder Flugverbilligung erhalten.
Der Haushaltsausschuß hat ferner nach eingehender Beratung den Ansatz für die Abschlußkosten des Sachverständigenausschusses für die Neugliederung des Bundesgebietes von 75 000 DM auf 120 000 DM heraufgesetzt. Dies erwies sich als zweckmäßig, da der Ausschuß durch der. erhöhten Ansatz in die Lage versetzt wird, seine Arbeiten bestimmt im Rechnungsjahr 1954 abzuschließen. Der Ansatz wurde daher mit einem kw-Vermerk versehen. Eine bindende Erklärung des Vorsitzenden des Sachverständigenausschusses über den Abschluß der Arbeiten im Rechnungsjahr 1954 liegt vor.
Die Deutsche Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Wehrmacht in Berlin wird von dem Land Berlin bearbeitet. Durch eine Vereinbarung mit der Bundesrepublik werden die Gesamtkosten dieser Dienststelle dem Lande Berlin durch das Bundesinnenministerium erstattet. Eine Überprüfung der Dienststelle hat ergeben, daß sie infolge unzulänglicher Personalausstattung außerordentlich viele Rückstände hat. Von den Auskünften der Dienststelle hängen wichtige Entscheidungen der Gerichte, Versorgungsämter und sonstiger Behörden ab. Der Haushaltsausschuß hat sich daher entschlossen, den in der Regierungsvorlage vorgesehenen Zuschußbetrag von 2 800 000 DM um rund 500 000 DM zu erhöhen. Um die Bearbeitung der Rückstände nicht zu erschweren, wurde Übereinstimmung dahingehend erzielt, daß dieser Zuschuß nicht von der vierprozentigen Streichung betroffen wird.
Bei dem Bundesamt für Verfassungsschutz beschloß der Haushaltsausschuß nach längerer Diskussion, der von der Bundesregierung beantragten erheblichen Personalvermehrung zuzustimmen. Dementsprechend wird die Beamtenzahl von 34 um 17 auf 51 und die Zahl der Angestellten und Arbeiter von 158 um 101 auf 259 erhöht werden. Der Haushaltsausschuß will jedoch nach Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes die Stellenbesetzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz an Ort und Stelle durch Mitglieder der Fraktionen überprüfen lassen. Durch die Überprüfung soll festgestellt werden, ob nunmehr der Aufbau des Amtes abgeschlossen ist oder welche Maßnahmen in Zukunft zu ergreifen sind.
({6})
Bei Tit. 300 des Bundesamts hat die Bundesregierung die Erhöhung des Ansatzes von 3 Millionen DM auf 3,9 Millionen DM vorgeschlagen. Bei dem Ansatz dieses Titels ist wie in den früheren Jahren vermerkt, daß der Titel nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegt. Über diesen Titel konnte eine Übereinstimmung im Haushaltsausschuß nicht erzielt werden. Mit Stimmenmehrheit wurde jedoch beschlossen, diesen Vermerk wieder in den Haushaltsplan aufzunehmen.
({7})
Da ein Teil dieses Titels, in allerdings geringerer Höhe als in den früheren Jahren, nicht vom Bundesamt, sondern vom Ministerium selbst bewirtschaftet wird, wurde beschlossen, diese Bewirtschaftung durch zwei verschiedene Stellen in einem Vermerk bei dem Haushaltsansatz zum Ausdruck zu bringen. Der für das Bundesamt für Verfassungsschutz erforderliche Gesamtzuschuß erhöht sich von 1953 auf 1954 um 2 400 000 DM auf insgesamt 7 686 000 DM. Im außerordentlichen Haushalt ist ferner eine zweite Baurate von 1,5 Millionen DM für den Neubau des Bundesamtes vorgesehen. Dieser Neubau erfordert insgesamt einen Aufwand von 3 Millionen DM.
Ebenso wie beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist auch beim Bundeskriminalamt der personelle und sachliche Aufbau mit dem Haushaltsjahr 1953 noch nicht abgeschlossen worden. Das Bundeskriminalamt war zunächst in Hamburg untergebracht. Inzwischen hat die Stadtgemeinde Wiesbaden ein Gebäude für das Bundeskriminalamt errichtet und es dem Bund vermietet. Der Umzug des Bundeskriminalamtes von Hamburg nach Wiesbaden wurde am 1. August 1953 durchgeführt. Infolge des Raummangels in Hamburg konnten die für die Sachaufgaben erforderlichen Kräfte nicht eingestellt werden. Deshalb wurden auch erst in den Haushaltsplan 1954 die hoffentlich abschließend erforderlichen Beamten- und Angestelltenstellen eingesetzt. Die Zahl der Beamtenstellen wurde von 247 um 59 auf 306 erhöht. Demgegenüber sieht der Haushaltsplan 1954 eine Verringerung der Zahl der Angestellten und Arbeiter um 31 vor, so daß sich eine Gesamterhöhung des Personals um 28 Kräfte ergibt. Die Vermehrung der Arbeitskräfte tritt hauptsächlich bei den Abteilungen für Ermittlungen und für Daktyloskopie ein. Da diese Arbeitsgebiete ausschließlich hoheitliche Aufgaben umfassen, wurden die genannten 31 Angestelltenstellen in Beamtenstellen umgewandelt. Auf Wunsch des Haushaltsausschusses wird das Innenministerium veranlassen, daß der Beauftragte für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung die Notwendigkeit der Stellenvermehrung und Stellenumwandlung überprüft. Das Innenministerium hat zugesagt, daß es bis zum Eingang des Gutachtens auch nach Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes nur die notwendigsten Stellen besetzt.
Die Bundesregierung hat durch Organisationserlaß vom 11. Dezember 1953 die Bundesanstalt für zivilen Luftschutz als nicht-rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts gebildet. Die Bundesanstalt wird am 15. Mai 1954, zunächst in provisorischen Räumen in Godesberg, ihre Tätigkeit beginnen. Durch die Bundesanstalt sollen die Grundlagen für einen neuzeitlichen zivilen Luftschutz geschaffen und die leitenden Luftschutzkräfte für die Hilfeleistung und Betreuung der Bevölkerung bei Luftangriffen unterwiesen werden. Die Bundesanstalt soll ferner die Entwicklung und Fertigung des Luftschutzgerätes lenken. Es ist beabsichtigt, den Vertrieb des Geräts in einem Gesetz für zulassungspflichtig zu erklären, um sicherzustellen, daß nur geeignetes Gerät, und zwar zu tragbaren Preisen, in den Handel kommt. Die sich hieraus ergebenden Aufgaben der technisch-wissenschaftlichen Prüfung und der Erteilung von Vertriebsgenehmigungen sollen der Bundesanstalt übertragen werden. Nach den vom Haushaltsausschuß genehmigten Ansätzen werden der Bundesanstalt im Rechnungsjahr 1954 rund 850 000 DM zur Verfügung stehen. Zu diesem Betrag treten weitere rund 500 000 DM für einmalige Ausgaben, die bereits in früheren Haushaltsplänen veranschlagt sind und die für mehrere Jahre zur Verfügung stehen.
Im Haushaltsausschuß wurde die Frage aufgeworfen, ob mit den beabsichtigten Maßnahmen und mit den eingesetzten Beträgen überhaupt ein wirksamer Schutz für die Bevölkerung erreicht werden könne. Bei Kap. 0602 Tit. 674 sind für die Erforschung, Entwicklung, Erprobung und Aufklärung auf dem Gebiet des Luftschutzes sowie für den Luftschutzwarndienst weitere 5 Millionen DM eingesetzt. Von diesem Betrag entfallen auf den inzwischen gebildeten Bundesluftschutzverband rund 3,5 Millionen DM. Außerdem sind bei Tit. 956 300 000 DM für Beschaffung von Luftschutzgerät und bei Tit. 958 4,5 Millionen DM für den Aufbau des Luftschutzwarndienstes eingesetzt. Daraus ergibt sich insgesamt ein Betrag von etwa 11 Millionen DM für Zwecke des Luftschutzes. Dieser Betrag ist nach Auffassung des Haushaltsausschusses bei der ungeheuren Bedeutung der Aufgabe sehr gering. Es darf allerdings nicht übersehen werden, daß die meisten Maßnahmen für den Luftschutz noch einer gesetzlichen Grundlage bedürfen.
Das Technische Hilfswerk hat durch Erlaß der Bundesregierung vom 25. August 1953 den Charakter einer nicht-rechtsfähigen Bundesanstalt erhalten. Der Gesamtzuschußbedarf des Technischen Hilfswerks hält mit 5 284 400 DM die Höhe des Vorjahres. Von der Möglichkeit der Schaffung von Planstellen für Beamte ist auch für das Jahr 1954 kein Gebrauch gemacht worden. Die Zahl der Angestellten und Arbeiter ist mit 276 Kräften dieselbe wie im Vorjahr.
Umfangreiche Diskussionen entstanden im Haushaltsausschuß über die Frage, ob das Kapitel für das Bundesamt für Landbeschaffung erneut in den Haushaltsplan aufgenommen werden soll. Dieses Kapitel befindet sich seit dem Rechnungsjahr 1952 im Haushaltsplan, ohne daß bisher die gesetzliche Grundlage für die Schaffung eines solchen Bundesamtes zustande gekommen wäre. Bei Landbeschaffungen für künftige militärische Zwecke muß eine Rechtsgarantie dafür geschaffen werden, daß der Ankauf und notfalls die Enteignung sowie der Kaufkreis und die Entschädigung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen bearbeitet werden. Der Haushaltsausschuß war übereinstimmend der Auffassung, daß man die Aufgaben der Landbeschaffung sowie der Entschädigung nicht einer militärischen Dienststelle übertragen solle. Dagegen erscheint es zweifelhaft, ob für die Bearbeitung dieser Fragen wiederum eine neue Bundesoberbehörde geschaffen werden muß. Das Bundesministerium der Finanzen bearbeitet mit seiner Liegenschaftsverwaltung die umfangreichen Grundstücke, die früher in der Hand der Wehrmacht waren und die heute dem Bund gehören. Es liegt daher nahe, daß das Bundesministerium der
({8})
Finanzen auch die Fragen der Landbeschaffung für die künftigen militärischen Zwecke bearbeitet. Es wird auch zu prüfen sein, ob es überhaupt nötig ist, daß Bundesbehörden zur Bearbeitung der Landbeschaffung herangezogen werden. Bei den Landräten und Regierungspräsidenten der Länder befinden sich in ausreichender Anzahl Fachkräfte, die geeignet sind, die Fragen der Landbeschaffung geordnet zu bearbeiten. Der Haushaltsausschuß sah sich zwar nicht in der Lage, endgültig dazu Stellung zu nehmen, wie die Zuständigkeiten in einem künftigen Gesetz über die Landbeschaffung geregelt werden sollen. Da aber die Regelung im Gesetz noch nicht erfolgt ist, hielt es der Haushaltsausschuß für richtig, das Kapitel über das Bundesamt für Landbeschaffung nicht auch noch ein drittes Jahr im Haushaltsplan stehenzulassen, sondern es zu streichen. Die Streichung wurde mit 17 gegen 4 Stimmen beschlossen.
Etwas ausführlicher muß ich noch auf die Kapitel des Bundesgrenzschutzes und Seegrenzschutzes eingehen, da die Ausgaben für diese Einrichtungen von besonderer Bedeutung für den Bundeshaushalt sind. Die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes von 10 000 auf 20 000 Beamte wurde durch den Deutschen Bundestag bekanntlich am 19. Juni 1953 beschlossen. Es lag nahe, daß unmittelbar nach dem Zustandekommen des Beschlusses mit der Verstärkung begonnen würde. Dies war aber nicht möglich, weil sich bei der angespannten Finanzlage des Bundes erhebliche haushaltsmäßige Schwierigkeiten ergaben. Auf Grund des Haushaltsgesetzes 1953 hatte der Finanzminister durch Sparerlasse vom 28. Juli und 5. August 1953 angeordnet, daß die gesperrten letzten 10 % aller Ansätze des Bundeshaushalts nicht mehr zur Verausgabung freigegeben würden. Nach längeren Verhandlungen zwischen Innenminister und Finanzminister wurde dann im November 1953 vereinbart, daß der Innenminister die in seinem Einzelplan einzusparenden 10 % für die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes im Rechnungsjahr 1953 verwenden könne. Der nach dieser Einigung für 1953 zur Verfügung stehende Betrag dürfte sich auf etwa 15 Millionen belaufen. Dieser Betrag reichte selbstverständlich nicht aus, weitere 10 000 Mann unterzubringen, zu besolden, zu bekleiden, auszurüsten und zu verpflegen. Der Innenminister beschränkte sich daher im Rechnungsjahr 1953 auf Anschaffungen zur Vorbereitung der Vermehrung des Bundesgrenzschutzes und auf zahlenmäßig unbedeutende Einberufungen.
Im Rechnungsjahr 1954 würde der Innenminister mindestens etwa 110 Millionen für die zweite Welle des Bundesgrenzschutzes brauchen. Diese Zahl beruht auf den bereits in dem Aufstellungsjahr der ersten 10 000 Mann gesammelten Erfahrungen. Infolge der schwierigen Finanzlage des Bundes sieht der Haushaltsplan für die zweite Welle des Bundesgrenzschutzes jedoch nur einen Mehrbetrag von 65 Millionen vor. Das Personalsoll des Bundesgrenzschutzes in dem vorliegenden Haushaltsplan 1954 sieht 19 970 Planstellen für Vollzugsbeamte, Verwaltungsbeamte und Medizinalbeamte des Bundesgrenzschutzes vor.
Wie ich bereits ausführte, reichen, die 65 Millionen DM für die zweite Welle des Bundesgrenzschutzes nicht aus. In erster Linie mußten daher in den Haushaltsplan diejenigen Ausgabeansätze eingestellt werden,. die für die Unterbringung und Bekleidung erforderlich sind. Hinsichtlich der
Unterbringung stellte der Haushaltsausschuß fest, daß die Abteilungsunterkünfte nicht gleichmäßig längs der Zonengrenze verteilt sind. Es wird daher im Interesse der Grenzbevölkerung zu erwägen sein, ob unbedingt an der Unterbringung in Abteilungsstärke festgehalten werden muß. Als erste Auflockerungsmaßnahme und in Würdigung der besonderen wirtschaftlichen Lage des dortigen Grenzlandes beschloß der Haushaltsausschuß, dem Plenum des Bundestags zu empfehlen, die Bundesregierung zu ersuchen, im Raum Cham, Furth im Walde und in Ratzeburg je eine Hundertschaft des Bundesgrenzschutzes unterzubringen.
Der Gesamtzuschuß für den Bundesgrenzschutz einschließlich Seegrenzschutz in den fortdauernden und einmaligen Ausgaben beträgt nach der Beschlußfassung des Haushaltsausschusses 147,1 Millionen DM. In dieser Summe sind rund 6,5 Millionen DM für den Paßkontrolldienst enthalten, der 1954 als echter Teil des Bundesgrenzschutzes kein eigenes Kapitel mehr im Haushaltsplan bekommen hat. Im Rahmen des Solls von 20 000 Mann wurde die Zahl der im Paßkontrolldienst beschäftigten Beamten von 723 auf 850 heraufgesetzt. Über diese Stellenvermehrung konnte im Haushaltsausschuß keine einheitliche Auffassung erzielt werden. Bei der Liberalisierung des Reiseverkehrs erscheint es unlogisch, daß immer mehr Beamte für die Paßkontrolle eingesetzt werden sollen. Da aber der Reiseverkehr stark angestiegen ist und eine schnelle Abfertigung der Reisenden notwendig erscheint, beschloß der Haushaltsausschuß mit geringer Mehrheit, der beantragten Stellenvermehrung um 127 Beamte zuzustimmen. Der Haushaltsausschuß erwartet jedoch, daß sich die Bundesregierung auf internationaler Ebene weiterhin und verstärkt darum bemüht, die Paßkontrolle zu beseitigen.
Im Rahmen des Bundesgrenzschutzes besteht eine zentrale Beschaffungsstelle. Sie arbeitet nicht nur für den Bundesgrenzschutz, sondern führt im Rahmen der inneren Verwaltung auch Beschaffungen z. B. für den Luftschutz, für das Technische Hilfswerk und andere Organisationen durch. Die Beschaffungsstelle trägt die Verantwortung für die Bewirtschaftung außerordentlich hoher Geldbeträge. Zur Konsolidierung der Verhältnisse bei dieser Beschaffungsstelle stimmte der Haushaltsausschuß der Regierungsvorlage zu, wonach 6 Angestelltenstellen in Beamtenstellen umgewandelt und gleichzeitig 5 weitere Beamtenstellen geschaffen werden.
Ebenso wie bei der Verstärkung des Paßkontrolldienstes entwickelten sich im Haushaltsausschuß grundsätzliche Erörterungen auch bei der Beratung über das Büro für Aufenthaltsgenehmigungen. Der Haushaltsausschuß hält es für bedenklich, daß trotz der Liberalisierung des Reiseverkehrs noch immer die Reisenden-Zentralkartei unterhalten wird. Er nahm zwar von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis, daß durch diese Kartei nur noch ein- und ausreisende Ausländer und Staatenlose erfaßt werden und j eden-falls an dieser Form der Kartei ein Interesse deutscher Stellen nicht mehr besteht; aber er hält es nicht für ausreichend, daß sich die Bundesregierung mit dem jetzigen, aufwendigen Zustand dieser Kartei abfindet. Bei dieser Auffassung sah sich der Haushaltsausschuß auch nicht in der Lage, die von der Bundesregierung beantragten 8 Angestelltenstellen für die Verfeinerung der Kartei
({9})
zu genehmigen. Es verbleibt also bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern bei den Zahlen des Vorjahres. Der Haushaltsausschuß gibt dringend der Hoffnung Ausdruck, daß durch organisatorische Änderungen schon im Rechnungsjahr 1954 erhebliche Einsparungen eintreten.
Der Zuschuß für die Bundesstelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Valka bleibt mit rund 350 000 DM gegenüber dem Vorjahr fast unverändert.
Als letzte in meine Berichterstattung gehörende Dienststelle des Innenministeriums darf ich die Bundeszentrale für Heimatdienst erwähnen. Die Ausgabenansätze für sie halten sich im wesentlichen im Rahmen der Sätze des Vorjahres. Bei dem Sachtitel 300 dagegen ist eine Erhöhung des Ansatzes von 3 Millionen DM um 300 000 DM auf 3,3 Millionen DM vorgesehen. Aus diesem Titel werden z. B. die Unkosten für die Wochenzeitschrift „Das Parlament", für die staatsbürgerlichen Informationen für Schulen usw. bezahlt.
Damit bin ich am Ende meines Berichts. Zur weiteren Berichterstattung über den Haushaltsplan des Innenministeriums darf ich Sie, Herr Präsident, bitten, nunmehr dem Herrn Kollegen Dr. Willeke das Wort zu erteilen.
({10})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und bitte den zweiten Berichterstatter, Dr. Willeke, das Wort zu nehmen.
Dr. Willeke ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Berichterstattung kurz fortsetzen. Der Bund hat mit der Evangelischen und mit der Katholischen Kirche vor einigen Jahren vereinbart, daß die Kirchen die Versorgung der heimatvertriebenen und verdrängten versorgungsberechtigten Seelsorger und Kirchenbeamten sowie ihrer Hinterbliebenen regeln. Zu den Kosten dieser Versorgung gewährt der Bund einen Zuschuß. Der Zuschuß betrug in den letzten Jahren jährlich 6 Millionen DM. Für das Rechnungsjahr 1954 sind 4,5 Millionen DM vorgesehen, wie überhaupt anzunehmen ist, daß sich der Betrag nunmehr von Jahr zu Jahr senkt.
Im Haager Abkommen wurde vereinbart, daß die Bundesrepublik den jüdischen Bediensteten der jüdischen Kultgemeinden nach rentenähnlichen Grundsätzen eine Entschädigung zahlt. Nach Inkrafttreten der Vereinbarung sind inzwischen die Anträge der Berechtigten eingegangen. Aus den Anträgen geht hervor, daß wahrscheinlich 6,3 Millionen DM jährlich für diese Entschädigung benötigt werden. Dieser Betrag mußte in den Haushaltsplan 1954 eingesetzt werden. Für die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 31. März 1954 ergab sich aber noch ein Nachholbedarf in der gleichen Höhe, so daß der Gesamtbedarf für 1954 12,5 Millionen DM beträgt.
Im Aufbau der Disziplinargerichtsbarkeit des Bundes ist erfreulicherweise mit dem Haushaltsplan 1953 ein Abschluß zu verzeichnen. Bei dem Bundesdisziplinarhof und bei dem Bundesdisziplinaranwalt brauchte im Haushaltsplan 1954 - abgesehen von geringfügigen Berichtigungen - kein neues Personal mehr beantragt zu werden.
Zu längeren und wiederholten Erörterungen führten im Haushaltsausschuß die Ansätze für die wissenschaftliche Forschung. Durch die Verhältnisse seit 1933 ist die deutsche wissenschaftliche
Forschung gegenüber dem Ausland auf weiten Gebieten des Wissens erheblich zurückgeblieben. Nach Auffassung des Haushaltsausschusses sollte die Bundesrepublik alle Bemühungen darauf verwenden, den Rückstand in der wissenschaftlichen Forschung gegenüber dem Ausland so bald wie möglich aufzuholen. Der Haushaltsausschuß bedauerte es, daß die Bundesregierung auch im Jahre 1954 zur Förderung von Schwerpunkten in der deutschen wissenschaftlichen Forschung wiederum nur 10 Millionen DM in den Haushaltsplan einsetzen konnte. Die Regierungsvorlage sah die Kürzung des Zuschusses für die Deutsche Forschungsgemeinschaft von 3 Millionen DM auf 2,5 Millionen DM vor. Der Haushaltsausschuß glaubte diese Einsparung nicht verantworten zu können und erhöhte den Ansatz wieder auf den vorjährigen Stand von 3 Millionen DM.
Das Institut für Zeitgeschichte in München erhielt im Vorjahr einen Zuschuß von 192 000 DM. Der Haushaltsausschuß glaubte eine Kürzung auf 150 000 DM gemäß der Regierungsvorlage nicht vertreten zu können und setzte den Zuschuß auf 170 000 DM fest. Der Haushaltsausschuß setzte ferner den mit 30 000 DM vorgesehenen Zuschuß an die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien auf 70 000 DM herauf. Ebenso wurde der Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes von 600 000 DM auf '750 000 DM erhöht. Der Ausschuß folgte damit dem Beispiel der Länder, die den Betrag für die Studienstiftung auf 11/2 Pfennig pro Kopf der Bevölkerung erhöht haben. Ferner erhöhte der Haushaltsausschuß entsprechend dem Antrag der Bundesregierung den allgemeinen Kulturtitel des Innenministeriums von 600 000 DM auf 770 000 DM, um u. a. einen Zuschuß für die Bayreuther Festspiele geben zu können.
Schließlich stellte der Haushaltsausschuß den vorjährigen Ansatz für die Bekämpfung der Suchtgefahren in Höhe von 150 000 DM wieder her. Mit Bedauern nahm der Haushaltsausschuß davon Kenntnis, daß auch in dem Haushaltsplan 1954 wieder nur 690 000 DM zur Förderung der volksgesundheitlichen Bestrebungen und zur Bekämpfung menschlicher Krankheiten eingesetzt sind. Insbesondere erwartet der Haushaltsausschuß, daß im nächsten Jahre der Betrag für die Bekämpfung der Kinderlähmung erheblich heraufgesetzt wird.
Für den Bundesjugendplan sind wie im Vorjahre 30 Millionen DM eingesetzt. Entsprechend den Vorschlägen des Ausschusses des Bundestages für Jugendfragen wurde vom Haushaltsausschuß eine eingehende Aufgliederung dieses Betrages festgelegt.
Die Ausnutzung der Bestimmungen des Grundgesetzes hat zu einer außerordentlich starken Belastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit geführt. Das Bundesverwaltungsgericht wurde erst durch Gesetz vom 23. September 1952 errichtet und hat seine Tätigkeit mit einer Verspätung von etwa einem Dreivierteljahr aufgenommen, da sich die Wahl der Bundesverwaltungsrichter verzögerte. Die ursprünglich vorgesehene Zahl von 16 Bundesrichtern ist nunmehr auf 23 erhöht worden, nach den Ansätzen des Haushaltsplans die Anzahl der juristischen Regierungsräte von 4 auf 9. Man darf nicht verkennen, daß dieses neue höchste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit sofort einen Rückstand von über 1000 Verfahren vorfand.
({1})
Bei dem Statistischen Bundesamt ist mit dem Rechnungsjahr 1953 der personelle Aufbau leider ebenfalls noch nicht abgeschlossen. Das Personal ist inzwischen auf 1865 Kräfte angewachsen, wozu noch 200 Angestellte kommen, die aus Sachmitteln vorübergehend für Einzelstatistiken beschäftigt werden. Diese Personalvermehrung ist zu einem erheblichen Teil durch die Ausweitung der Außenhandelsstatistik bedingt, im übrigen durch eine Fülle von Einzelaufträgen und durch die Bundesgesetze, die statistische Erhebungen in diesem Umfange verlangen. Der Gesamtzuschußbedarf des Statistischen Bundesamtes, für das ein neues Gebäude errichtet wird, ist im Rechnungsjahr 1954 auf 23,7 Millionen DM angestiegen. Für das neue Gebäude sind inzwischen bereits 10,9 Millionen DM zur Verfügung gestellt, für 1955 wird noch ein Restbetrag von 2,2 Millionen DM erforderlich sein.
Das Bundesgesundheitsamt in Koblenz wurde vor etwa einem Jahr als Nachfolgeorganisation des früheren Reichsgesundheitsamtes eingerichtet. Es muß hervorgehoben werden, daß, zum Bundesgesundheitsamt noch so bedeutsame Institute gehören wie das Robert-Koch-Institut, das Pettenkofer-Institut und das Institut für Boden-, Wasser- und Lufthygiene. Diese Institute wurden nach dem Zusammenbruch in dankenswerter Weise von dem Lande Berlin betreut. Die Gebäude wurden durch die Kriegsereignisse beschädigt und zum Teil zerstört. Der Aufbau schreitet mit Hilfe von Bundesmitteln und Mitteln des Marshallplans fort. Um die volle Arbeitsfähigkeit der Institute nach Übernahme auf den Bund zu gewährleisten, ließ sich eine Vermehrung des Personals für das Rechnungsjahr 1954 nicht vermeiden. Der Zuschußbedarf des Bundesgesundheitsamtes einschließlich der genannten Institute beträgt 1954 rund 5,2 Millionen DM gegenüber 4,4 Millionen DM im Vorjahr.
Das Bundesamt für Auswanderung hat in seinen personellen und in seinen Sachausgaben bereits mit dem Haushaltsjahr 1953 seinen Endzustand erreicht. Angeschlossen ist die Bundesstelle für Staatsangehörigkeitsangelegenheiten.
Die Bundesregierung sieht für das Bundesarchiv eine Personalvermehrung von 92 Kräften im Haushaltsjahr 1953 um 30 Kräfte auf 122 Kräfte im Haushaltsjahr 1954 vor. In dieser Personalvermehrung sind 1 Beamter, 18 Angestellte und 11 Arbeiter enthalten. Die Personalvermehrung ist fast ausschließlich auf die Errichtung der Zentralnachweisstelle in Kornelimünster zurückzuführen. Dort werden die personellen Wehrmachtunterlagen gesammelt, die bisher in der Bundesrepublik an mehr als 100 verschiedenen Stellen lagerten. Die Zusammenfassung ist erforderlich, da sonst die für weite Personenkreise notwendigen Auskünfte aus den Unterlagen nicht beschafft werden können.
Für das Institut für Raumforschung in Bad Godesberg ergab sich eine Ermäßigung des Zuschusses um rund 100 000 DM auf annähernd 600 000 DM. Der Bundesrat hat angeregt, festzustellen, ob nicht eine Zusammenlegung der Institute für Raumforschung in Bad Godesberg und für Landeskunde in Remagen vorgenommen werden kann. Auch der Haushaltsausschuß erwartet, daß diese Prüfung durchgeführt wird. Die Überprüfung ist bereits im Gange.
Das Institut für Angewandte Geodäsie erfordert eine erhebliche Personal- und Kostenvermehrung. Das liegt aber daran, daß erstens bisher das Land Berlin diese Stelle betreut hat, und daß zweitens dieses Institut Aufgaben übernehmen muß, die bisher von den Alliierten wahrgenommen wurden.
Die Bundesausgleichsstelle einschließlich Bundesstelle für Entschädigung der ehemaligen Bediensteten jüdischer Gemeinden weist einen geringfügigen Rückgang der Ausgaben auf.
Zum Schluß darf ich noch auf das Deutsche Archäologische Institut hinweisen. Den Bemühungen der Bundesregierung, insbesondere des Herrn Bundeskanzlers, ist es gelungen, daß im Laufe der letzten zwei Jahre die Auslandsabteilungen des Archäologischen Instituts in Rom, Athen, Istambul und Madrid zurückgegeben wurden. Auch die Abteilung Frankfurt am Main, also die Römisch-Germanische Kommission, geht in diesen Tagen wieder in die Verwaltung des Bundes über. Durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse hat die Arbeit der Auslandsinstitute zum Teil geruht. Diese Institute erfreuten sich früher eines hervorragenden internationalen Rufes. Es liegt durchaus im Interesse des deutschen Ansehens und der Forschung, erhebliche Mittel aufzuwenden, damit diese Institute wieder entsprechend ihrem früheren Ruf aktionsfähig werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei dem Deutschen Historischen Institut in Rom.
Ich bin am Ende meiner Ausführungen und darf noch kurz folgendes wiederholen. Der Einzelplan des Innenministeriums für das Jahr 1954 sieht eine Erhöhung der Ausgaben um etwa 82 Millionen DM und damit einen Gesamtzuschuß von 317 434 900 DM vor. Ohne Berücksichtigung des von Herrn Niederalt behandelten Bundesgrenzschutzes sieht der Haushaltsplan des Innenministeriums eine Vermehrung um 121 Beamte, 181 Angestellte und 67 Arbeiter vor. Diese Vermehrung betrifft ausnahmslos nicht das Ministerium, sondern die zum Bereich des Innenministeriums gehörenden oberen Bundesgerichte und die nachgeordneten Dienststellen und Institute. Mit Ausnahme des Luftschutzes und überhaupt des Schutzes der Zivilbevölkerung dürften in Zukunft kaum weitere erhebliche Aufgaben für das Bundesministerium des Innern anfallen. Wir dürfen daher hoffen, daß auch in diesem Ressort eine gewisse Konsolidierung eingetreten ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Damit wir nicht wieder durcheinandergeraten wir vorhin, darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist, daß ich die Damen und Herren, die sich zu Wort gemeldet haben, frage, ob sie allgemein zum Einzelplan 06 oder zu bestimmten Anträgen sprechen wollen. Dann nehme ich die Begründung der Anträge voraus und erteile die Wortmeldungen zur allgemeinen Debatte hinterher. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich habe folgende Wortmeldungen vorliegen: Maier ({0}), Ritzel, Frau Dr. Hubert, Prof. Dr. Gülich, Schmitt ({1}), ferner beschränkte Wortmeldungen für einen Antrag von den Abgeordneten Seiboth und Frau Dr. Lüders.
Wer will allgemein sprechen? Herr Maier?
Zu den Anträgen.
Frau Dr. Hubert? Frau Dr. Hubert ({0}): Allgemein!
Herr Ritzel?
Zu den Anträgen!
Professor Gülich? Dr. Gülich ({0}): Allgemein!
Und Abgeordneter Schmitt. - Ich danke schön. Das Wort hat der Abgeordnete Maier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn meine Fraktion sich auf die Stellungnahme zu einzelnen Kapiteln des Etats des Bundesministeriums des Innern - Einzelplan 06 - beschränkt, dann soll das nicht besagen, daß wir zu anderen Kapiteln nichts zu sagen hätten. Wir sind aber der Meinung, daß beispielsweise die Frage des THW, die noch im Stadium der Verhandlungen zwischen dem Bundesinnenministerium und den Gewerkschaften steht, durch Ausführungen hier nicht gestört werden sollte und daß die Probleme der Organisierung des Grenzschutzes noch diskutiert werden, so daß wir durch die Einbeziehung dieser Frage in die heutige Debatte nur störend in den Gang der Dinge eingreifen würden. Wir werden bei der Beratung des Nachtragshaushalts noch Gelegenheit haben, unsere Meinung zu den offenen Fragen zum Ausdruck zu bringen.
Ich möchte zunächst zum Antrag auf Umdruck 48 *) sprechen, einem Antrag, der in einer anderen Form gestern schon einmal bei dem Geheimfonds des Bundeskanzlers gestellt und der vom Hause abgelehnt worden ist. Bei dem Ersuchen meiner Fraktion zu Kap. 0609 Tit. 300 handelt es sich aber um einen Antrag, der sich von dem bei Einzelplan 04 gestellten insofern unterscheidet, als dieser Tit. 300 zweierlei Beträge beinhaltet: einmal die Ausgaben für den Nachrichtendienst durch das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln, zum anderen einen Teil, der im Bundesinnenministerium verwaltet wird und dem sogenannten konstruktiven Verfassungsschutz dient. Diese Zweiteilung des Titels gibt uns Veranlassung, hier wie bei den Geheimfonds überhaupt zu beantragen, ein Dreimännerkollegium zu schaffen, das diesen Titel, soweit er vom Innenministerium selbst beansprucht wird, kontrolliert. Ich glaube, es läge auch im Interesse des Herrn Ministers selber, daß keinerlei Zweifel etwa über mißbräuchliche Ausgaben aus diesem Titel bestehen. Für die Kontrolle der Ausgaben, die der Nachrichtenapparat des Bundesverfassungsschutzamtes erfordert, genügt uns die alleinige Kontrolle durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Ich möchte das Hohe Haus bitten, unserem Antrag auf Schaffung einer solchen Kontrollinstanz, wie sie in dem Ihnen in Umdruck 48 vorliegenden Antrag vorgesehen ist, zuzustimmen.
Von wesentlicher Bedeutung ist uns das Kapitel 0618 - Bundesanstalt für zivilen Luftschutz -. Zu diesem Kapitel haben wir den Ihnen vorliegenden Ergänzungsantrag - Umdruck 37 **) - gestellt, wonach in diesem Kapitel nach Tit. 302 ein neuer Titel 302 a eingefügt werden soll, in dem Bauten und Einrichtungen für den Luftschutz der zivilen Bevölkerung mit einem - zunächst - Gesamtkostenaufwand von 1 Milliarde DM gefordert
*) Siehe Anlage 20 Seite 943 A. **) Siehe Anlage 17 Seite 941 B.
werden. Ziffer 2 des Antrags enthält die Deckungsvorlage: In Einzelplan 35 Kap. 3501 Tit. 300 ist der Beitrag der Bundesrepublik an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft - zum Teil Stationierungsbeitrag - um diese Milliarde zu kürzen.
Seit vielen Monaten füllt die Diskussion über die Wirkungen der verschiedenen neuen AtomMassenvernichtungswaffen die Spalten -der Zeitungen der ganzen Welt, und in jüngster Zeit angestellte Versuche mit der Wasserstoffbombe haben offenbar werden lassen, was der Menschheit wartet, wenn aus dem kalten ein heißer Krieg entstehen sollte.
Während ein Teil der Wissenschaft alle Kräfte darauf verwendet, mit immer neuen Atomwaffen einen Wirkungsgrad höchster Vernichtung zu erzeugen, ist ein anderer dabei, in den Laboratorien und Forschungsinstituten nach Schutz- und Gegenmitteln zu suchen, die die Wirkung dieser Vernichtungswaffen abschwächen und damit einen Teil der Todgeweihten retten könnten. Freilich stehen diesem Teil der im Dienst der Menschlichkeit tätigen Forscher nicht die gleichen ungezählten Gelder zur Verfügung wie der die Atomwaffen entwikkelnden Waffenindustrie. Die Ergebnisse bei der Forschung nach Gegen- und Schutzmitteln werden also immer länger auf sich warten lassen und deshalb der Entwicklung der Zerstörungsmittel nachhinken. Eines ist deshalb gewiß: wenn es zu einem dritten Weltkrieg kommen sollte, dann dürften die Gefahren für die am Kampfgeschehen unbeteiligte Zivilbevölkerung ungeahnte Ausmaße erreichen. Gegenüber dem ersten Weltkrieg, der etwa 800 Bombentote forderte, und dem zweiten Weltkrieg, bei dem wir im Reichsgebiet rund eine halbe Million Menschen aus Kreisen der Zivilbevölkerung als Todesopfer zu beklagen hatten, würde ein Vielfaches an Menschenverlusten entstehen, wenn diese Atomwaffen zum Einsatz kämen und wenn nicht von Bundes wegen Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung getroffen würden.
Wenn wir über die Grenze unseres Landes hinausschauen, um festzustellen, was andere Nationen auf dem Gebiet des Luftschutzes seit langem geleistet haben und noch fortgesetzt leisten, dann wird uns die eigene fast als trostlos zu bezeichnende Situation erst klar, und wir könnten in Resignation verfallen, wenn wir allein an den uns erwachsenden Nachholbedarf auf dem Gebiete des Luftschutzes und des Katastrophenschutzes denken. Der Gedanke, daß der zivile Schutz der Bevölkerung eines Landes eine reine Defensivmaßnahme ist, die mit der möglichen militärischen Beteiligung an einem Kriege in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, hat gerade die Länder, die an den beiden Weltkriegen unbeteiligt gewesen sind, die Schweiz und Schweden, schon sehr früh auf den Plan gerufen. Beide Länder wenden alljährlich große Haushaltssummen auf, um entsprechende Einrichtungen zum Schutze ihrer Zivilbevölkerung zu schaffen. Zahlen verdeutlichen diese Anstrengungen am besten. Während die Vereinigten Staaten zur Zeit jährlich pro Kopf der Bevölkerung etwa 2,30 DM, England 4,10 DM und Schweden 8 DM ausgeben, weist der Haushalt, der Ihnen vorliegt, auf dem Gebiet des Luftschutzes, auf unsere Bevölkerungszahl umgerechnet, je Kopf ganze 20 Pfennig aus.'
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Ziehen wir einen Vergleich zwischen dem im gleichen Haushalt vorgesehenen Wehrbeitrag von rund 9 Milliarden und den in verschiedenen Titeln ausgebrachten Beträgen für Zwecke des Luftschutzes von insgesamt 12 Millionen, dann muß uns die jüngst beschlossene Verfassungsergänzung, die die zivile Verteidigung in den Aufgaben- und Kompetenzbereich des Bundes einbezieht, als eine reine Deklamation erscheinen. Der EVG-Vertrag weist die zivile Verteidigung den Nationen als Aufgabe zu, und deshalb haben die Alliierten wohl auch stillschweigend geduldet, daß sich die Bundesregierung auf dem Gebiete des Luftschutzes insofern bereits betätigt hat, als sie in die letzten Haushalte immer wieder Beträge für Luftschutzzwecke eingesetzt hat.
Wiederholt hat der Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr im Bundestag und in den Ausschüssen die Vorlage des Entwurfs eines Luftschutzgesetzes in Aussicht gestellt, und noch im Dezember des vergangenen Jahres hat das amtliche Bulletin der Bundesregierung den Entwurf für das 1. Quartal dieses Jahres angekündigt. Es wurde in dieser Verlautbarung allerdings der Zusatz gemacht, daß die Kostenfrage noch nicht endgültig geklärt sei. Als Hinweis für die Realisierung eines solchen Entwurfs eines Luftschutzgesetzes war in der Bulletin-Verlautbarung angegeben, daß man auf der Grundlage der Etattitel im schwedischen Haushalt rund 350 Millionen DM für die deutschen Zwecke errechnet habe. Wenn wir aber in Betracht ziehen, daß Schweden uns schon um viele Jahre voraus ist und daß dieses Land keine Kriegszerstörungen erfahren hat, muß uns Angst werden um den Nachholbedarf. Die im Bulletin erwähnten Mittel dürften also nicht ausreichen, den Forderungen des Tages gerecht zu werden. Angesichts des Dilemmas, in das die Bundesregierung durch die Verfassungsergänzung gekommen ist, aus der seither dilatorischen Behandlung des Luftschutzproblems zu einem wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung zu kommen, vermeidet man in Regierungskreisen begreiflicherweise, Schätzungen der wahrscheinlichen Kasten für einen einigermaßen sinnvollen passiven Luftschutz bekanntzugeben.
Was bisher auf dem Gebiet des Luftschutzes geschehen ist, beschränkt sich auf informatorische, organisatorische und wissenschaftliche Forschungsmaßnahmen. Keine Mark stand und steht für echte Luftschutzeinrichtungen zur Verfügung. Nun läuft demnächst das neue Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung an, und es ist höchste Zeit, sich darüber schlüssig zu werden, wie die erforderlichen Luftschutzräume in die Neubauten eingebaut werden können. Wie man hört, soll das Wohnungsbauministerium wertvolle Vorarbeiten geleistet und Pläne verfügbar haben, deren Vorschläge auf den Erfahrungen im Ausland beruhen. Es wäre nur zu wünschen, daß sich die Bundesregierung dieser Vorarbeiten bedient und sie möglichst bald im Interesse unserer Zivilbevölkerung nutzbar macht. Eine Initiative wäre auch deshalb wichtig, weil die Städteneuplanung der 82 Städte mit über 100 000 Einwohnern, die als besonders luftgefährdet angesehen werden, erfordert, daß der Planer bei seiner Aufgabe die luftempfindlichen Gebiete besonders berücksichtigen kann.
Nun taucht die Frage auf: Wer soll die Kosten solcher Schutzeinrichtungen übernehmen? Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Zivilverteidigung eine Aufgabe des Bundes ist und deshalb auch die Kosten für den Luftschutz vom Bund zu tragen sind. Weder die Länder noch die jetzt schon unter dem Druck immer neuer Lasten seufzenden Gemeinden werden in der Lage sein, anteilige Kosten zu übernehmen. Desgleichen scheint uns auch inopportun, Mittel dadurch zu gewinnen, daß man das neue Wohnungsbauprogramm um etwa 7 bis 8 % der vorgesehenen Wohnungen kürzte. Wir glauben, daß der Herr Bundesfinanzminister den Schlüssel zur Lösung des Problems in der Hand hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich zwar heute schon bei der Beratung eines anderen Etattitels über unseren Antrag, in dem wir eine Milliarde für Luftschutzeinrichtungen fordern, und über den Deckungsvorschlag, diese Milliarde dem EVG-Beitrag zu entnehmen, dahin ausgelassen, eine solche Maßnahme hätte zur Folge, daß wir bei den Alliierten wegen Vertragsuntreue in Mißkredit kämen und die Gefahr für das deutsche Volk noch steigen würde, weil dann die Verteidigung unseres Gebietes nicht mehr gewährleistet sei. Wir sind anderer Auffassung, Herr Bundesfinanzminister. Wir sind nämlich der Meinung, daß nach der Entwicklung, soweit sie überhaupt bezüglich des Zustandekommens oder des Nichtzustandekommens des EVG-Vertrages mindestens zu überschauen ist, ein Zustandekommen vor Herbst nicht erwartet werden kann. Daher bleibt Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, für die ersten sechs Monate dieses Haushaltsjahres immerhin die Differenz zwischen den reinen Besatzungskosten und den für die EVG vorgesehenen Beträgen, also rund 150 Millionen DM je Monat, übrig. Zur Erfüllung des Luftschutzprogramms stünden also 6 mal 150 Millionen DM zur Verfügung, und damit käme man nahe an die von uns geforderte Einsparung in Höhe von einer Milliarde DM heran. Wenn deshalb der Herr Bundesfinanzminister, anstatt das Wehrbeitragskonto anschwellen zu lassen, diese sechs Monatsbeträge dem Herrn Bundesinnenminister zur Verfügung stellte, würde der Herr Bundesinnenminister, wie wir meinen, angesichts der Vorbereitungsarbeiten, die in seinem Ministerium geleistet worden sind, in der Lage sein, die Luftschutzmaßnahmen so in Angriff zu nehmen, daß das Volk das Gefühl haben kann, in der Stunde der Gefahr den höchstmöglichen Schutz zu genießen. Es obläge dann dem Bundeskabinett, schnellstens die erforderlichen Maßnahmen zu beschließen.
Wie bekannt, läuft im Frühsommer dieses Jahres die Frist für den ersten festgesetzten Wehrbeitrag ab. Es wird also vermutlich schon in den nächsten Wochen oder spätestens im Monat Mai zu weiteren Verhandlungen kommen, die der Herr Bundesfinanzminister mit den Partnern des Vertrags zu führen hat. Der Herr Minister hat also Gelegenheit, bei diesen Verhandlungen seinen Verhandlungspartnern erneut die besondere Notlage Deutschlands auf dem Gebiet des Luft- und Katastrophenschutzes, die überall in der Welt anerkannt wird, vor Augen zu führen. Es genügt dabei die Feststellung, was es heißt, im Zeitalter der Atombombe unmittelbar am Eisernen Vorhang in so dicht besiedeltem Gebiet zu leben, wie es bei uns der Fall ist. Es wäre unverantwortlich, einseitig die militärische Aufrüstung zu betreiben und die Zivilbevölkerung praktisch ihrem Schicksal zu überlassen. Wir treiben ja beinahe auf den grotesken Zustand hin, daß man sagt: Der Staat hat kein Geld, also muß das Volk im Kriegsfall sterben.
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Wenn auch mit noch so großem Aufwand an Mitteln ein totaler Schutz unmöglich ist, so stimmen
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doch die Erfahrungen der Sachverständigen darin überein, daß das Ausmaß der Vernichtung im Katastrophenfall wirksam begrenzt werden kann. Jeder Mensch, der dabei vor dem Tod geschützt werden kann, ist es wert, daß wir entsprechende Mittel aufwenden.
Glücklicherweise stehen wir keiner unmittelbaren Kriegsgefahr gegenüber, und auf mehrere Jahre verteilt könnte es gelingen, gute, zuverlässige Arbeit zu leisten. Geschieht das nicht, so würde unmittelbar nach dem Ausbruch von Feindseligkeiten, ja, schon vorher, wenn sich ernste politische Spannungen ankündigten, in der Bundesrepublik die Gefahr von Massenpanik bestehen, und weder Polizei noch Militär könnten ihrer Herr werden.
Der zivile Luftschutz ist, wie ich schon einmal betonte, eine reine Defensivmaßnahme, die in keinem Zusammenhang mit der EVG steht, die eigentlich Vorrang vor der Organisierung einer militärischen Verteidigung haben müßte. Meine Fraktion ist sich ihrer Verantwortung der Zivilbevölkerung gegenüber bewußt und erwartet von Ihnen, meine Damen und Herren, daß Sie ihr mit Ihrer Zustimmung zu unserem Antrag auf dem Wege folgen, alles zu tun, was zum Schutz der Zivilbevölkerung möglich ist, was wir auch von der Regierung erwarten dürfen.
Nun lassen Sie mich noch kurz zu einem anderen Kapitel sprechen, nämlich zum Umdruck 39*), wo wir einen Antrag zu Kap. 0635 - Bundeszentrale für Heimatdienst - gestellt haben. Der Herr Präsident hat heute nachmittag im Anschluß an die Diskussion über das Handbuch des Bundestags gesagt: Jedes Mittel, um die Bevölkerung und vor allen Dingen unsere Jugend über die Tätigkeit des Bundestages und der anderen Organe der Bundesrepublik aufzuklären, ist es wert, daß wir die Kosten dafür aufwenden. Diesen Gedanken möchte ich aufgreifen, wenn ich Sie bitte, unserem Antrag auf Erhöhung des Titels für die Bundeszentrale für Heimatdienst von 3 300 000 DM auf 4 500 000 DM zuzustimmen.
Die Bundeszentrale für den Heimatdienst ist eine Einrichtung, die von uns in bezug auf das Aufgabengebiet, das ihr gestellt ist, durchaus bejaht wird. Wir befürworten und unterstützen alle Bestrebungen und Bemühungen der demokratischen Aufklärung, ganz gleichgültig, in welcher Form - ob durch Druckschriften, durch Vorträge, durch Filme, durch Preisausschreiben usw. - der demokratische Gedanke propagiert wird.
Die Bundeszentrale für Heimatdienst unterliegt der Kontrolle eines Kuratoriums, das aus Mitgliedern dieses Hauses gebildet ist und dem Abgeordnete aller Parteien angehören. Dieses Kuratorium gibt uns die Gewähr dafür, daß die Mittel gemäß den gestellten Aufgaben verwendet werden. Meine politischen Freunde arbeiten in diesem Kuratorium positiv mit, auch durch konstruktive Kritik. Um der Bundeszentrale eine Ausweitung ihrer Tätigkeit zu gestatten, möchten wir Sie bitten, unserem Vorschlag auf Erhöhung dieser Mittel zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
*) Siehe Anlage 19 Seite 942 B.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe von meiner Fraktion den Auftrag, einen Antrag zu vertreten, der Ihnen auf Umdruck 38 vorliegt. Unter der Voraussetzung, daß dieser Antrag angenommen wird, glaube ich sagen zu dürfen, daß das Hohe Haus damit Balsam auf das wunde Herz unseres verehrten Herrn Bundesfinanzministers träufeln wird. Es handelt sich um das Kap. 0628 - Büro für Aufenthaltsgenehmigungen beim Bundesminister des Innern -, und zwar um die Tit. 101 bis 110 und um den Tit. 200. Dieses Büro für Aufenthaltsgenehmigungen hat zwei große Aufgaben. Nur eine interessiert uns in diesem Zusammenhang. In der Einführung zu dem Kapitel heißt es:
Eine neue Aufgabe hat das Büro für Aufenthaltsgenehmigungen auf Grund der Vereinbarungen der Bundesregierung mit der Alliierten Hohen Kommission vom 29. August 1952 durch die Einrichtung des AusländerZentralregisters und der Reisendenkartei erhalten.
Wenn Sie im Etat auf Seite 327 nachsehen, finden Sie allein bei den Sachausgaben eine Steigerung von 15 500 DM im Vorjahr auf 150 000 DM in diesem Jahre und in der Erläuterung folgende Bemerkung:
Mehr infolge Zentralbeschaffung von Karteikartenvordrucken, und zwar für 12 Millionen Zählkarten 90 000 DM, für 300 000 Ausländerzentralkarteikarten 20 000 DM, für 7200 Vormerklisten 10 000 DM.
Eine Seite vorher finden Sie bei den Personalausgaben einen Ansatz von insgesamt 415 700 DM. Im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat diese Frage auch bereits eine Rolle gespielt. Meine Fraktionsfreunde haben dort angekündigt, daß sie zur Etatberatung einen entsprechenden Antrag stellen würden. Dieser Antrag liegt Ihnen nun, wie gesagt, auf Umdruck 38 vor. Er verlangt, das Hohe Haus wolle beschließen, die Personalkosten von 415 700 DM um 215 700 DM auf den Betrag von 200 000 DM und die Sachkosten, soweit sie durch die Geschäftsbedürfnisse verursacht sind, von 150 000 DM um 110 000 DM auf 40 000 DM zu senken.
Zur Begründung darf ich ganz kurz sagen, daß nach unseren Feststellungen auch bei den westlichen Alliierten ein sehr geringes Interesse an dieser Registerkartei vorliegt und daß eine Beschränkung dieser Kartei auf Staatenlose und Personen aus Satellitenstaaten möglich ist. Dann verbleiben noch etwa 10 % des Personenkreises, um den es sich theoretisch hier handelt. Ich glaube, hier liegt eine echte Möglichkeit zur Einsparung von 325 700 DM vor. Ich wäre dankbar, wenn dieser Antrag entsprechend der Haltung der Vertreter der Regierungsparteien im Fachausschuß die Zustimmung des Hohen Hauses finden würde.
Gestatten Sie mir nun noch zu einer ganz anderen Sache eine kurze Bemerkung. Nachher wird wohl noch über die Verwendung der Forschungsmittel, die in diesem Haushalt enthalten sind, gesprochen. Ich möchte im Zusammenhang mit Kap. 0602, ohne einen Antrag auf Mehrausgaben zu stellen, eine Lanze für eine Sache brechen, die in der deutschen Öffentlichkeit sowohl vom Standpunkte der Gesundheitswahrung und der Überwindung von Gesundheitsschäden als auch vom Standpunkte der Entwicklung der Technik noch nicht genügend berücksichtigt wird. Wir haben im
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Tit. 617 des Kap. 0602 einen Betrag von 10 Millionen DM für die Förderung von Schwerpunkten in der deutschen wissenschaftlichen Forschung, der vorhin schon erwähnt wurde. Ich möchte Ihnen vorschlagen, Ihrem Willen dahin Ausdruck zu geben, daß entsprechend der Feststellung von wissenschaftlichen Organen, so des Wissenschaftlichen Beirats des Präsidiums des Deutschen Ärztetages vom 6. Februar 1954 in München, und entsprechend einem eingehenden Gutachten der Fraunhofer-Gesellschaft vom 20. November 1953 aus diesem Schwerpunktprogramm zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ein erheblicher Betrag ohne zusätzliche Belastung des Etatansatzes durch das zuständige Ministerium zugunsten der Ultraschallforschung bewilligt wird. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten drei Sätze aus dem Gutachten des Deutschen Ärztetages verlesen. In diesem neuesten Gutachetn, das jetzt zwei Monate alt ist, heißt es u. a.:
Die günstige Wirkung des Ultraschalls ist bei bestimmten Erkrankungen durch gründliche wissenschaftliche und praktische Untersuchungen der letzten zehn Jahre nachgewiesen worden. Dazu gehören z. B. bestimmte Formen von Erkrankungen des peripheren Nervensystems wie Neuritiden, Neuralgien sowie Erkrankungen des Bewegungsapparates, Erkrankungen der Haut usw. Die Ultraschallbehandlung kann daher auch den Versicherten der RVO und Ersatzkassen und sonstigen Empfängern sozialer Leistungen nicht grundsätzlich vorenthalten werden.
Damit das einmal kommt und in hoffentlich nicht allzu ferner Zeit kommt, sind gewisse Voraussetzungen zu erfüllen. Die Fraunhofer-Gesellschaft hat in einem eingehenden Gutachten vom 20. November 1953 festgestellt, daß Ultraschall in Medizin, Landwirtschaft und Nahrungsmitteltechnologie zur Erzielung bestimmter biologischer Wirkungen, zur Anregung des Zellenwachstums, Abtötungen usw., als Mittel der Meßtechnik und als Form der zuzuführenden Energie in der Verfahrenstechnik große Bedeutung besitzt.
Meine Damen und Herren, wir stehen in einem heftigen Konkurrenzkampf besonders mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Vereinigten Staaten haben nicht wenige hervorragende deutsche Wissenschaftler wegengagiert. Wenn wir diesen Konkurrenzkampf, der für unsere Gesundheitspflege und für die Wirtschaft, besonders auch für unseren Export von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist - es gibt auf diesem Gebiet ganz verblüffende Tatsachen -, nicht verlieren wollen, dann müssen innerhalb des Rechnungsjahres 1954 auch vom Bund erhebliche Anstrengungen gemacht werden zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet des Ultraschalls.
Ich verzichte, wie gesagt, auf einen Antrag. Aber mein Appell richtet sich an die Bundesregierung, auf allen Gebieten, wo das möglich ist, besonders im Bereich des Bundesinnenministeriums, alles zu tun, um der Ultraschallforschung weiter voranzuhelfen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe von meiner
Fraktion den Auftrag, den in Umdruck 36 Ihnen vorliegenden Antrag zur Erhöhung des Ansatzes in Kap. 0602 Tit. 640 von 140 900 DM auf 640 900 DM, also um 500 000 DM, zu begründen.
Leipzig, jahrhundertelang Hauptplatz des deutschen Buchhandels, ist durch die Trennung Deutschlands seiner früheren Stellung beraubt worden. In Leipzig befand sich seit vielen Jahren die deutsche Nationalbibliographie in Gestalt der Deutschen Bibliothek. Diese Einrichtung wurde zur Hälfte vom Deutschen Reich, zu einem Drittel von der Stadt Leipzig und zu einem Sechstel vom Lande Sachsen getragen. Schon im Jahre 1946 ergab sich die Notwendigkeit, eine ähnliche Einrichtung in den damaligen Westzonen, im Gebiet der heutigen Bundesrepublik, zu schaffen. Die Stadt Frankfurt, unterstützt durch das Land Hessen und die damaligen Landesverbände des Deutschen Buchhandels, ergriff damals die Initiative, und in Anlehnung an die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt wurde die Deutsche Bibliothek unter Leitung von Professor Dr. Eppelsheimer, dem verdienten Literarhistoriker, begründet. Nach der Bildung der Bundesrepublik haben die Bundesregierung, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt im Benehmen mit dem Börsenverein die Deutsche Bibliothek als Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt und unterhalten sie jetzt zu gleichen Teilen. Der Führung dieser Bibliothek, ihren persönlichen und sächlichen Aufgaben dienen die 140 900 DM, die im Haushaltsplan des Ministeriums des Innern veranschlagt sind.
Nun ist der Zustand festzustellen, daß seit zwei Jahren die Bibliothek völlig unzulänglich untergebracht ist. Die Bestände in Frankfurt können nicht mehr sachgemäß eingeordnet werden. Die Bibliothek mußte einen Luftschutzbunker in einem Vorort von Frankfurt am Main mieten und dort die Bände unterbringen. Das ist für eine Bibliothek ein unmöglicher Zustand, und hier muß baldigst Abhilfe geschaffen werden, wenn der eigentliche Zweck der Bibliothek erhalten bleiben soll.
Die Stadt Frankfurt hat sich großzügigerweise bereit erklärt - Herr Bürgermeister Dr. Leiske ist in diesem Hause als Mitglied und Kollege -, das Baugelände für den Bau einer neuen Deutschen Bibliothek zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus wird sie sich an dem Neubau mit einem Drittel der Baukosten in Höhe von 500 000 DM beteiligen. Das Land Hessen hat ebenfalls einen Zuschuß in Höhe von 500 000 DM vorgesehen. Es geht nunmehr darum, das letzte, das Bundesdrittel für einen Neubau zu erhalten. Dies ist der Zweck unseres heutigen Antrages, der Ihnen in dem Umdruck 36 vorliegt.
Ich glaube, ich brauche die Bedeutung der Deutschen Bibliothek, die eine ähnliche Einrichtung wie die französische Nationalbibliothek in Paris und die Bibliothek des britischen Museums in London darstellt, nicht noch besonders hervorzuheben. Jedes Land braucht seine Nationalbibliographie, nicht nur für den Buchhandel, nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Technik, die Wirtschaft und die Industrie. Ich glaube, Sie sollten daher heute dem Antrag meiner Fraktion zustimmen. Die Sache drängt; denn wenn nicht schnell gehandelt wird, dann wird das Chaos in den Beständen, die schon heute unübersichtlich gelagert sind, so groß werden, daß eine Änderung nachher nur mit Riesenkosten und großen Umständen möglich sein dürfte. Ich möchte Sie daher im Namen meiner Freunde bitten,
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unserem Antrag, wie er Ihnen in Umdruck 36 vorliegt, zuzustimmen.
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Bevor ich weiter das Wort erteile, frage ich den Abgeordneten Seiboth, ob er nur zu dem neuen Umdruck 61 oder allgemein sprechen will.
Zur Auswanderung, auch allgemein!
Dann hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen Lebens, auf dem der Bund nicht helfend und fördernd auftritt. Wir finden in verschiedenen Einzelplänen Millionensummen für die verschiedensten Aufgaben und Zwecke. Für die Erhaltung der menschlichen Gesundheit finden sich aber nur im Haushaltsplan des Ministeriums des Innern zwei kleine Posten von insgesamt nicht mehr als 840 000 DM,
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einmal 150 000 DM für die Bekämpfung der Suchtgefahren, zum anderen 690 000 DM für gesundheitliche Volksbelehrung und für die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten. Wenn wir nun noch die Unterteilung dieses Titels betrachten, wo 100 000 DM für die Bekämpfung der Krebskrankheit, 100 000 DM für die Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit, 100 000 DM für die Bekämpfung der Kinderlähmung und 100 000 DM für Volksbelehrung gesundheitlicher Art angesetzt sind, so muß man sich bei der Geringfügigkeit dieser Summen fragen, welche Wirkungen hier eigentlich erzielt werden sollen. Fast hat man den Eindruck, daß es nur noch Erinnerungsposten sind. Vielleicht wird hier eingewandt - und ich nehme an, daß es die Einwendungen des Herrn Finanzministers sind daß das Gesundheitswesen Angelegenheit der Länder und nicht des Bundes sei. Nun, zumindest die Bekämpfung der gemeingefährlichen Krankheiten gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung und somit auch zur Kompetenz des Bundes.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit einen Augenblick gerade auf die Bekämpfung der Kinderlähmung lenken. Die Schrecklichkeit und Unheimlichkeit dieser Krankheit liegt ja darin, daß zwar das akute Stadium abheilt, daß aber dann die betroffenen Menschen schwerste Schädigungen und Körperbehinderungen für ihr ganzes Leben davontragen. Nun haben die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt, daß hier langdauernde und langjährige Nachbehandlung sehr wohl weitgehende Erfolge, die fast bis zur Heilung gehen, erzielen kann. In Amerika ist man in dieser Beziehung schon sehr weit und hat auch sehr energische Maßnahmen ergriffen. Bei uns in Deutschland scheitert es meistens an der Kostenfrage. Die Kranken sind aus ihren Krankenkassen ausgesteuert. Für die Angehörigen ist eine langjährige Nachbehandlung infolge der Kosten einfach nicht tragbar. Hier klafft eine Lücke. Ich hoffe sehr, daß sich der Herr Bundesminister des Innern den Wunsch des Haushaltsausschusses zu eigen macht, im nächsten Bundeshaushaltsplan Mittel für die Nachbehandlung der Kinderlähmung und damit die Bekämpfung dieser Krankheit selbst einzusetzen.
Wir begrüßen es zwar, daß man jetzt einen Bundesausschuß für gesundheitliche Volksbelehrung gegründet hat; aber das ist nicht genügend. Wahrscheinlich werden auch hier Mittel notwendig sein. Bei all dem, was heute in der Presse, besonders den Illustrierten, über Krankheiten veröffentlicht wird und verwirrend und irreführend wirkt, ist es wirklich notwendig, sachliche Aufklärung zu treiben. Daß die Säuglingssterblichkeit bei uns noch 4 bis 5 % beträgt - in Holland ist sie nur 2,1 % -, müßte uns ebenfalls zu denken geben. Es ist auch allgemein bekannt, daß durch frühzeitige Erkennung des Krebses viele Menschen geheilt werden können.
Ich bin aber der Meinung, daß die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiete der Gesundheit noch sehr viel weiter gehen. Kriegs- und Nachkriegszeiten sind keineswegs spurlos an der Gesundheit unserer Bevölkerung vorübergegangen. Ich glaube, man kann hier wirklich auch von Kriegsschäden und Kriegsfolgen sprechen, deren Beseitigung ja eine Aufgabe des Bundes ist. Wir sanieren unsere Wirtschaft, wir sanieren unser Verkehrsnetz, aber wir sanieren nicht den Menschen,
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ja wir sanieren nicht einmal die Einrichtungen, die zur Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit dienen, nämlich unsere Krankenanstalten. Wir müssen in der Notlage der Krankenanstalten auch eine Folge des Krieges sehen. Diese Notlage hat - wir haben es in diesem Hause schon einmal besprochen - auch Auswirkungen auf das Problem des Schwesternnachwuchses, der AngestelltenÄrzte, ja des ärztlichen Nachwuchses überhaupt. Schon lange ist ein Bundesrahmengesetz für das Krankenhauswesen verlangt worden, ein Gesetz, das eigentlich ein Finanzierungsgesetz für die Krankenanstalten sein müßte. Man streitet sich aber hier über die Kompetenzen, streitet sich darüber, ob es der Bund oder ob es die Länder tun müßten. Man sollte den Kompetenzstreit fallenlassen und die Notlage der Krankenhäuser als eine echte Kriegsfolge ansehen und von seiten des Bundes nun endlich einmal die Initiative ergreifen.
Das Recht auf Schutz und Erhaltung der Gesundheit ist zwar nicht ausdrücklich in unserem Grundgesetz niedergelegt, aber doch so sehr allgemeines Gedankengut geworden, daß wir dem auch in unserer Gesetzgebung mehr Rechnung tragen müßten. Dazu gehört allerdings eine zielbewußte Gesundheitspolitik, die auch die Gesundheitsfürsorge und -vorsorge einbezieht. Eine solche haben wir von seiten der Bundesregierung in diesen ganzen Jahren leider vermißt. Wenn man hört, daß der Leiter der Gesundheitsabteilung nun schon zum zweiten Male wechseln soll, fragt man sich doch, ob er für seine Aufgaben immer das nötige Verständnis des Herrn Ministers gefunden hat.
Das Ziel und die Aufgabe der Gesundheitspolitik ist aber nicht nur Schutz und Erhaltung der Gesundheit; sie soll auch dazu dienen, den Menschen gesundheitlich in die bestmögliche Verfassung zu bringen. Das gilt nicht bloß für den Gesunden, sondern in verstärktem Maße für den Behinderten. Im Hinblick auf unsere Kriegsversehrten möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister die Förderung des Versehrtensports besonders ans Herz legen und hoffe, daß er gerade für diese wichtige Aufgabe stets die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellt.
Um gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Gebiete des Gesundheitswesens durchführen zu können, braucht man auch einen Überblick über den Gesundheitszustand unserer Bevölkerung. Hier sind allgemeine Untersuchungen notwendig. Ich weiß, daß mit ERP-Mitteln Repräsentativuntersuchungen
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an Schulkindern begonnen und zu sehr interessanten Ergebnissen geführt haben. Ich meine, daß solche Untersuchungen nicht nur fortgesetzt werden müssen, sondern auf weitere Bevölkerungskreise auszudehnen sind. Die Gesundheit ist das kostbarste Gut des Menschen. Sie ist auch die Voraussetzung für jede Lebensleistung. Dem sollten wir auch von seiten des Bundes stärker Rechnung tragen.
Meine Fraktion hat darauf verzichtet, zu diesem Einzelplan heute Anträge auf Einsetzung bestimmter Summen zu stellen. Aber ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß im Bundesinnenministerium die notwendigen Vorbereitungen getroffen werden und entsprechende Mittel für gesundheitliche Maßnahmen in den nächstjährigen Etat eingesetzt werden.
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Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Seiboth, wobei ich ihn gleichzeitig bitte, sich möglichst so einzurichten, daß er 19 Uhr 30 zu Ende ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE hat den Änderungsantrag Umdruck 61*) gestellt. Der in Kap. 0602 Tit. 605 für Zuschüsse für gemeinnützige Einrichtungen auf dem Gebiet des Auswanderungswesens eingesetzte Betrag von 207 000 DM soll gesperrt werden.
Gestatten Sie mir, daß ich namens meiner Fraktion zu diesem Antrag und zur Aussiedlungspolitik im allgemeinen folgendes bemerke. Wir sind im Prinzip gegen die staatlich geförderte Auswanderung; und zwar so lange, als nicht alle Möglichkeiten der innerdeutschen Eingliederung und, auf dem Sektor der Landwirtschaft, der innerdeutschen Kolonisation erschöpft sind. Wir geben in diesem Jahr 1954 einschließlich der im Einzelplan 40 eingesetzten Beträge rund 27 Millionen DM für Auswanderungszwecke aus. Wenn man diese Summe auf vier Jahre umrechnet - auch in den vorhergehenden Jahren ist ja für diesen Zweck Beträchtliches ausgegeben worden, und das wird auch im nächsten und übernächsten Jahr der Fall sein -, dann bedeutet das, daß wir in vier Jahren über 100 Millionen DM für die Auswanderung deutscher Menschen, für die Ansetzung deutscher Menschen im Ausland zur Verfügung stellen. Mit diesen Mitteln, die wir in vier Jahren etwa für diese Zwecke ausgeben, könnten wir innerhalb Westdeutschlands über 3000 landlose Bauernfamilien auf Bauernhöfen ansetzen. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung im Oktober vorigen Jahres beim Kapitel „Landwirtschaft" erklärt hat, trotz Intensivierung, Modernisierung und Technisierung der deutschen Landwirtschaft sei es nur möglich, den deutschen Inlandsbedarf an Nahrungsmitteln zu zwei Dritteln aus eigener Produktion zu decken; ein Drittel müsse nach wie vor aus dem Ausland gegen Devisen bezogen werden. Auf der anderen Seite wird unbestritten behauptet, in Deutschland gebe es genügend Landreserven, nämlich zur Zeit - die Zahlen schwanken - zwischen 600 000 und 1,2 Millionen Hektar unbebauten oder unkultivierten Landes. Wir sind der Meinung, bevor man das Hauptaugenmerk bei der Ansiedlung landloser Bauern auf die Auswanderung, auf die Ansetzung im Ausland, in Übersee
*) Siehe Anlage 21 Seite 943 B. richtet, sollte man sich darüber im klaren sein, daß hier in Westdeutschland selber bei dieser Situation ein ausgesprochener Siedlungs- und zum Teil Ernährungsnotstand vorliegt.
Dabei handelt es sich nicht in erster Linie, wie das vielleicht hier und da dargestellt werden mag, um ein soziales Problem, das bei den heimatvertriebenen Bauern oder bei den Flüchtlingsbauern aus der Sowjetzone auftritt, sondern es handelt sich dabei in erster Linie um ein gesamtdeutsches, nationales Anliegen.
Bei der Auswanderung Deutscher in andere Länder müssen nicht nur die Mittel von uns aufgebracht werden, die im Bundeshaushalt dieses Jahres mit insgesamt 27 Millionen DM veranschlagt sind. Es ist errechnet worden, daß jeder voll Arbeitsfähige, der ins Ausland geht, den deutschen Staat und den deutschen Steuerzahler allein durch den Schulbesuch und seine Ausbildung mehrere tausend D-Mark gekostet hat. Das heißt, daß dieses arme Deutschland sozusagen die Ausbildungskosten für jene Menschen übernimmt, die wir bei einer intensiv betriebenen inneren Kolonisation hier ansetzen könnten. Das bedeutet weiter, daß wir die Kosten für die Ausbildung dieser Menschen übernehmen, damit sie uns von den anderen Ländern her nach Jahren vielleicht oder erst in anderen Generationen wirtschaftliche Konkurrenz machen.
Diese Erwägungen bestimmen uns, im Prinzip so lange gegen jede vom Staat geförderte Auswanderung eingestellt zu bleiben, als es noch Möglichkeiten der innerdeutschen Kolonisation und Eingliederung gibt. Wir wollen selbstverständlich dem einzelnen Menschen, der, weil er hier zu lange auf Eingliederung oder Ansetzung warten muß, weil er es nicht mehr aushalten kann, es vorzieht, sich für die Auswanderung zu melden, und sich an dieser Auswanderung beteiligt, keinen Vorwurf machen. Wir meinen aber, daß bei der staatlichen Hilfestellung für solche Vorhaben Vorsorge getroffen werden muß, daß diese Menschen nicht aus einem Elend in ein noch größeres Elend hineinrennen.
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Gerade in den letzten Wochen sind in der deutschen Presse vielfach Berichte und Nachrichten über das Versagen der Auswanderungspolitik erschienen, wie sie besonders von der Deutschen Gesellschaft für Siedlung im Ausland betrieben wird. Namhafte Zeitungen wie die „Frankfurter Allgemeine", die „Berliner Morgenpost", „Der Volkswirt", „Der Wiesbadener Kurier", selbstverständlich auch die Blätter der Heimatvertriebenen, der „Ost-West-Kurier", der „Wegweiser für Heimatvertriebene", haben in den letzten Wochen besonders auf den Fall La Serena hingewiesen. Ich habe vor wenigen Wochen Gelegenheit gehabt, mit einem der aus La Serena auf eigene Kosten zurückgekehrten Siedler zu sprechen. Dieser Siedler namens Knobel, der in Marburg an der Lahn wohnt, hat mir erzählt - er hat es im übrigen, soviel ich weiß, auch den Fraktionen des Bundestages schriftlich zugeleitet -, daß er vor etwa eineinhalb Jahren vom St. Raphaels-Verein - der hier wohl von der Degesa, wie diese Gesellschaft abgekürzt genannt wird, für die Anwerbung der Siedler für das Projekt La Serena in Chile mit eingeschaltet war - mit 19 anderen auswanderungslustigen Familien unter Versprechungen angeworben wurde, die, als diese Gruppe von
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20 heimatvertriebenen Bauernfamilien drüben in Chile landete, in keiner Weise zu verwirklichen waren.
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Wie mir zum Teil nachgewiesen worden ist, ist diesen Auswanderern damals hier in Deutschland erklärt worden, sie würden drüben in Chile bereits gepflügte Felder vorfinden, es würden fertige Häuser, Bewässerungsanlagen dasein, man würde ihnen Saatgut zur Verfügung stellen, und die im Gange befindliche Inflation in Chile würde sich für die Siedler sozusagen positiv und fördernd auswirken. Von den Siedlern, von denen ich in charakterlicher wie fachlicher Hinsicht einen tadellosen Eindruck gewonnen habe, ist erklärt worden, daß nicht eine dieser Zusagen eingetroffen sei. Statt gepflügter Felder seien ihnen verqueckte, versteinte Felder, zum Teil Steinwüsten zur Verfügung gestellt worden. Es seien keine fertigen Häuser dagewesen, und die Kühe, die ihnen versprochen wurden, hätten sie nicht bekommen. Die Fabrik in La Serena, von der es hieß, dort könnten ihre Frauen zusätzlich Geld verdienen, sei überhaupt noch nicht erbaut gewesen. Darüber hinaus wird von diesen Siedlern berichtet - ich behaupte nicht, daß es so sein mag, aber die Zeitungen berichten es, und die Siedler haben es mir gesagt -, daß drüben die Degesa, also die Deutsche Gesellschaft für Siedlung im Ausland, oder ihre Vertreter sich diesen Siedlern gegenüber in einer Art und Weise verhalten hätten, die vielleicht vor 100 Jahren in jenen Breitengraden, wo die Siedlungen angelegt wurden, bei der Behandlung von Menschen üblich war, aber nicht in diesem Jahrhundert und in Europa üblich ist. Mir ist berichtet worden, daß einem Chile-Deutschen, der seit vielen Jahren drüben ansässig ist und sich für diese Auswanderer in ihrer Not eingesetzt hat - den Brief dieses Mannes habe ich selbst gelesen -, von seiten der Degesa gedroht worden sei, er würde seine eigene Existenz gefährden, wenn er sich weiter um die deutschen Siedler kümmere.
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Von den Siedlern ist weiter berichtet worden, daß der Vertreter der Degesa in La Serena einem der angesetzten Siedler beispielsweise eine Rechnung über sogenannte Traktorentagwerke vorgelegt habe, auf der 98 Tagwerke verrechnet worden seien, obwohl dieser Siedler, wie alle dort bezeugen wollen, nur 15 Tagewerke in Anspruch genommen habe. Als dieser Siedler sich geweigert habe, die Rechnung anzuerkennen, seien ihm die Unterstützungen solange gesperrt worden, bis er diese Rechnung anerkannte.
Einige dieser Siedler sind nun auf eigene Kosten, indem sie alles, was sie noch besaßen, in Chile verschleuderten, nach Deutschland zurückgekehrt. Die amtlichen oder mehr oder weniger amtlichen Berichte über das Verhalten der Siedler und die Zustände in La Serena besagen eigentlich, daß nicht die Degesa, sondern die Siedler und zum Teil die Inflation in Chile an diesen Zuständen schuld sein sollen.
Ich hatte vor etwa eineinhalb Stunden Gelegenheit, hier mit einem maßgebenden Herrn der Degesa zu sprechen. Ich habe ihm die Dinge genau so, wie ich es hier tue, vorgetragen, und es wurde mir von diesem Herrn eben diese schon in den amtlichen Berichten zum Ausdruck gekommene Gegendarstellung gegeben. Man behauptet dort, nicht die Degesa habe versagt, sondern die Siedler hätten versagt. Ich bin der Meinung: ich und wir können das ja von hier aus nicht beurteilen! Aber Tatsache ist doch eines: daß diese Siedler von der Degesa oder ihren Beauftragten in Deutschland für dieses Vorhaben in La Serena ausgesucht worden sind; und wenn man mir heute sagt, gerade dieser Herr Knobel, der sich an die Fraktionen des Bundestages gewandt hat, sei der Allerunfähigste, und er sei schon deshalb für die Siedlung und für das harte Leben der Neusiedler ungeeignet, weil seine Frau an Zuckerkrankheit leide, so kann ich dazu nur sagen: diese Zuckerkrankheit hätte doch vor anderthalb Jahren hier von den Vertretern der Degesa oder von den Ärzten festgestellt werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind der Meinung, -
Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ich komme zum Schluß. Wir sind der Meinung, daß es notwendig ist, im Interesse sowohl der Siedler wie auch im Interesse dieser Gesellschaft, der Degesa, die vom Innenministerium vorher schon auf Grund der in den vergangenen Jahren bewilligten Haushaltspläne finanziert wurde, daß das Innenministerium als das zuständige Ministerium eine eingehende Untersuchung einleitet. Wir werden uns gestatten, in den nächsten Tagen schon eine große Anfrage dieserhalb einzubringen.
Wir beantragen, bis das Ergebnis dieser Untersuchungen bekannt ist, die Mittel, die in Tit. 605 des Kap. 06 02 für die Unterstützung der Degesa vorgesehen sind, zu sperren. Ich bitte Sie, im Interesse dessen, was ich vorgetragen habe, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind damit durch Zeitablauf am Ende unserer heutigen Sitzung.
Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß der Ältestenrat gemäß einem Beschluß jetzt gleich im Anschluß an das Plenum in Zimmer 119 P tagen wird.
Ich gebe noch bekannt, daß der Herr Bundesinnenminister morgen früh als Erster sprechen wird.
Ich berufe die nächste, die 25. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 9. April 1954, 9 Uhr vormittags, und schließe die heutige Sitzung.