Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet. Zur Tagesordnung wünscht zunächst der Abgeordnete Rasner das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt, in Abweichung von der gedruckten Tagesordnung die Tagesordnung für die ersten Punkte wie folgt festzusetzen. Punkt 1 bleibt: Wahl des Abgeordneten Dr. Furler zum Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Beratenden Versammlung des Europarates. Punkt 2: Gesetz über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Als Punkt 3 schlagen wir dein bisherigen Punkt 7 vor: Erste Beratung des von der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs, und als Punkt 4 den bisherigen Tagesordnungspunkt 6: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Adenauer, Dr. Erhard, Blank, Häussler usw. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand.
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Anschließend beantragen wir gemäß der gedruckten Tagesordnung zu verfahren.
Zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Atzenroth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir haben den Wunsch, einen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt zu bekommen, nämlich den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 15 des Grundgesetzes, Drucksache 3525. Wir bitten, wenn der Antrag der CDU angenommen werden sollte, diesen von mir erwähnten Antrag als Punkt 5 auf die Tagesordnung zu setzen. Da ,die Sozialdemokratische Partei erklärt hat, daß ihr Redner heute nicht anwesend sein kann, sind wir damit einverstanden, daß dieser Punkt nur eingebracht und kurz begründet wird, die Aussprache aber in einer der nächsten Sitzungen stattfindet.
Wird das Wort zur Tagesordnung noch gewünscht? Sie haben die Anträge gehört. Ich darf wiederholen: Punkt 1 soll nach dem Antrag Rasner bleiben. Punkt 2: Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall, Drucksache Nr. 3551. Punkt 3 soll die bisherige Nr. 7 der Tagesordnung sein, der Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs. Dann soll Punkt 4 die bisherige Nr. 6 der Tagesordnung sein, Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand. Punkt 5 soll nach dem Antrag Atzenroth die Drucksache Nr. 3525 mit der von ihm genannten Einschränkung sein. Dann soll die Tagesordnung so weiterlaufen, wie sie in der gedruckten Tagesordnung, die Ihnen vorliegt, vorgesehen ist. - Das Wort wird zur Tagesordnung nicht weiter gewünscht. Ich schließe die Debatte zur Tagesordnung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, welche dem Antrag des Abgeordneten Rasner zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen.
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- Das ist ja geschehen. Ich habe lediglich den Antrag Rasner zur Abstimmung gestellt. Ich bitte also
diejenigen, welche für diesen Antrag zu stimmen
wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. ({1})
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Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. ({3})
Enthaltungen? - Dann ist der Antrag Rasner zur Tagesordnung angenommen.
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Ich stelle weiter den Antrag Atzenroth zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Ergebnis ist unklar. Ich bitte, die Abstimmung wiederholen zu dürfen.
Ich bitte diejenigen, welche für diesen Antrag zu stimmen wünschen, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich danke Ihnen. Das Ergebnis ist unklar. Wir schreiten zur Auszählung. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes. Mit Ja haben 191 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 135 Abgeordnete, Enthaltungen zwei. Der Antrag Dr. Atzenroth, die Drucksache 3525 an die fünfte Stelle der Tagesordnung zu setzen, ist also angenommen.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 23. Mai 1957 unter Bezugnahme auf § 120 g der Gewerbeordnung die auf Grund des § 120 e der Gewerbeordnung erlassenen Rechtsverordnungen mitgeteilt. Sein Schreiben wird als Drucksache 3591 verteilt.
Der Herr Präsident der Versammlung der Westeuropäischen Union hat unter dem 16. Mai 1957 die von der Versammlung während des am 9. Mai 1957 abgeschlossenen ersten Teils ihrer dritten ordentlichen Sitzungsperiode angenommenen Empfehlungen sowie die Berichte der zuständigen Ausschüsse mit den Begründungen zu diesen Entschließungen zur Kenntnisnahme übermittelt. Sein Schreiben wird als Drucksache 3559 verteilt.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 29. Mai 1957 einige redaktionelle Berichtigungen der Vertragstexte über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft ({5}) übersandt, die als Nachtrag zu Drucksache 3440 verteilt werden.
Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Wahl des Abgeordneten Dr. Furler zum Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Beratenden Versammlung des Europarates.
Sie wissen, daß ,durch den Tod des Kollegen Dr. Otto Lenz ein Platz frei geworden ist. Die CDU/ CSU-Fraktion schlägt als Nachfolger den Abgeordneten Dr. Furler vor.
Wir haben in ähnlichen Fällen immer durch Zuruf abgestimmt, wenn kein Widerspruch erhoben wird. Ich darf annehmen, daß ein Widerspruch nicht erhoben wird. - Dann darf ich bitten, durch Handaufheben abzustimmen. Wer für die Wahl des Abgeordneten Dr. Furler zum Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Beratenden Versammlung des Europarates als Nachfolger des Abgeordneten Otto Lenz ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Ich darf feststellen, daß der Abgeordnete Furler einstimmig zum Nachfolger des Abgeordneten Otto Lenz gewählt ist.
Wir kommen zu Punkt 2 der nunmehr geänderten Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall ({6}).
Die Zusammenstellung der Beschlüsse des Bundestages in zweiter Beratung liegt Ihnen auf Drucksache 3551 vor.
Wir treten in die Generaldebatte ein. - Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe sie.
Ich rufe den § 1 auf. Hierzu liegen vor die Änderungsanträge Umdruck 1183 Ziffer 1, Umdruck 1113 Ziffer 1 und ein Antrag auf Umdruck 1183 Ziffer 2, der aber nur Eventualbedeutung hat.
Weiter liegt noch ein soeben schriftlich eingereichter Änderungsantrag Umdruck 1192 der Kollegen Stücklen, Schwarz, Stiller, Riederer von Paar und Genossen vor, der wie folgt lautet:
§ 1 erhält folgenden neuen Absatz 3:
Auf Antrag des Arbeitgebers nimmt die Krankenkasse die Auszahlung des Lohnausgleichsbetrages vor.
Schließlich möchte Herr Dr. Atzenroth noch einen Antrag stellen. Er hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten keine Gelegenheit, uns auf diese Debatte und die Abstimmung vorzubereiten, konnten also unseren Änderungsantrag bisher nicht schriftlich vorlegen. Wir stellen in der jetzt beginnenden dritten Lesung den Antrag, der zur zweiten Lesung unter Ziffer 1 des Umdrucks 1121 von uns gestellt war.
Sie haben also gehört, daß der Antrag, der zur zweiten Beratung unter Ziffer 1 des Umdrucks 1121 gestellt war, in dritter Lesung wiederholt wird. Er bezieht sich auf § 1 Abs. 2. Er liegt noch nicht schriftlich vor. Ich müßte ihn aber sehr bald haben, damit ich ihn bekanntgeben kann. Ist es Ihnen recht, wenn wir ein paar Minuten Pause machen? Ich höre soeben, daß der Umdruck 1183 zur Zeit erst verteilt wird.
({0})
- Er wird soeben auf den hinteren Rängen verteilt. Ich darf also aus Loyalitätsgründen Ihr Einverständnis damit erbitten, daß wir ein paar Minuten informelle Pause machen. Darf ich fragen, ob Sie damit einverstanden sind, daß ich den nach der Beschlußfassung über den Antrag Rasner dritten Punkt der Tagesordnung, nämlich den Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs, der allerdings eine Debatte bringen kann, vorziehe, damit die Experten für den Punkt 2 der Tagesordnung in der Lage sind, die Anträge durchzustudieren?
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- Dann darf ich also jetzt die Beratung zu Punkt 2 der Tagesordnung unterbrechen und ziehe dafür den Punkt 3 der Tagesordnung - das ist der bisherige Punkt 7 - vor.
Ich rufe also auf:
Erste Beratung des von der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs ({2}).
Ich eröffne die Aussprache. - Herr Abgeordneter Serres hat das Wort.
) Dr. Serres ({3}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU legt dem Hohen Hause den Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Zolltarifs vor. Im § 1 dieses Gesetzentwurfs ist vorgesehen, daß die Bundesregierung eine Ermächtigung erhält, zur Sicherung der Stabilität des Preisgefüges die Zollsätze für Waren der gewerblichen Wirtschaft durch Rechtsverordnung für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis zum 31. Dezember 1957 zu ermäßigen oder aufzuheben. Hierbei hat die Überlegung mitgesprochen, daß während der Legislaturperiode eine Notwendigkeit für die Erteilung einer Ermächtigung an die Bundesregierung nicht besteht, da wir die Möglichkeit des § 4 des Zolltarifgesetzes und des § 96 a der Geschäftsordnung haben, wonach Rechtsverordnungen der Bundesregierung über die Ermäßigung oder Aufhebung von Zollsätzen mit Zustimmung des Bundestages beschleunigt erledigt werden können. Mit Rücksicht auf das Auslaufen der Legislaturperiode dürfte es nunmehr aber zweckmäßig sein, der Bundesregierung für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember dieses Jahres eine Ermächtigung zu erteilen, im Falle der Gefährdung der Stabilität des Preisgefüges Rechtsverordnungen zur Ermäßigung oder Aufhebung von Zollsätzen zu erlassen.
Namens meiner politischen Freunde bitte ich Sie, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße diesen Antrag als ein Kind der sozialdemokratischen Fraktion. So, wie er hier gestellt worden ist, ist er natürlich nur der magere Ersatz für die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister - der bei solchen Gelegenheiten, wenn es peinlich wird, natürlich nie im Hause Ist - beantragte lineare 30 %ige Zollsenkung. Hier wird also ein kleiner Ersatz vorgeschlagen. Ich muß aber sagen, er wird noch kleiner, als es den Anschein hat, dadurch, daß man ihn zeitlich so begrenzt, daß er sich natürlich auf die Preispolitik - wie es ja, wenn ich Herrn Dr. Serres richtig verstanden habe, im Interesse der Antragsteller liegt - nicht auswirken kann.
Ich würde deshalb den Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion vorschlagen, ihren Antrag auf Drucksache 3564 zu erweitern und zu sagen: Diese Zollermächtigung soll bis auf weiteres gelten, nämlich so lange, wie die Preisentwicklung in Deutschland ein solches Instrument notwendig macht. Denn es ist ja ganz sinnlos, die Ermächtigung zeitlich zu begrenzen, wenn der Zweck, der erreicht werden soll, in dieser begrenzten Zeit, wie jedermann weiß, nicht zu erreichen ist. Wenn Sie von der CDU sich bereit erklärten, diese Änderung in Ihren Antrag aufzunehmen, wären wir sogar bereit, ihn sofort über die Bühne zu ziehen; denn das Ziel, das der Antrag verfolgt, ist ja Jahr für Jahr von uns mit unseren Anträgen zu erreichen versucht worden. Das ist bis heute gerade an dem Widerstand Ihrer Fraktion, die jetzt diesen Antrag einbringt, gescheitert.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, ich schließe die Aussprache. Es ist beantragt, die Vorlage an den Ausschuß für
Außenhandelsfragen zu überweisen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Es ist so beschlossen.
Nun kehren wir zu Punkt 2 der Tagesordnung, zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall - Drucksache 3551 -, zurück. Die Generaldebatte war abgeschlossen. Ich hatte § 1 und die dazu gestellten Änderungsanträge aufgerufen. Dazu kam noch der Antrag, den Kollege Dr. Atzenroth angekündigt hatte. Er wird soeben vervielfältigt und kann erst danach verteilt werden.
Wenn die Anträge begündet werden sollen, bitte ich um Wortmeldungen. - Herr Kollege Stücklen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu § 1 habe ich mit meinen Freunden einen Antrag auf Ergänzung dieses Paragraphen um einen Absatz 3 gestellt. Dieser Absatz 3 hat lediglich den Sinn, daß die Auszahlung des Arbeitgeberanteils - ich greife jetzt dem § 8 und auch dem Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion vor - über die Krankenkasse erfolgt, selbstverständlich zu Lasten des Arbeitgebers. Die Einziehung dieses besonderen Betrags geschieht dann über die Beitragsrechnung, die ohnedies dem Arbeitgeber wöchentlich, vierzehntäglich oder monatlich zugestellt wird.
Zur Begründung darf ich nur auf die Verhältnisse im Baugewerbe hinweisen, wo die Arbeitnehmer oft weit von ihrem Heimatort entfernt arbeiten. Wenn sie den Lohnausgleichsbetrag im Krankheitsfalle von der Krankenkasse und zum anderen an einem anderen Ort, durch den Arbeitgeber erhalten, treten unnötige Erschwernisse auf. Es können sich Verzögerungen und sogar arbeitsrechtliche Streitigkeiten ergeben.
Ich bitte Sie daher herzlich, diesem Änderungsantrag, der lediglich eine einfachere Lösung des Problems vorsieht, zuzustimmen.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1113 hat Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß uns der soeben angekündigte Antrag der CDU/CSU-Fraktion noch nicht vorliegt.
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- So? Auch dann ist es bedauerlich. Schließlich kann man ja viel besser Stellung nehmen, wenn man einen solchen Antrag schriftlich vor sich liegen hat.
Die SPD-Fraktion hat Ihnen unter Umdruck 1113 einen neuen Antrag unterbreitet. Sie sehen aus der Formulierung des § 1 in diesem Antrag, daß dort gegenüber der Vorlage Drucksache 1704 ein anderer Grundsatz angewendet wurde. Während der SPD-Gesetzentwurf - Drucksache 1704 - vorsah, daß dem Arbeiter während der Krankheit sein - Lohn in voller Höhe vom Arbeitgeber gezahlt wird, genau wie dem Angestellten und dem Beamten, sieht unser Kompromißantrag - ich bezeichne ihn bewußt so - vor, daß der Arbeitgeber dem Grundsatz nach verpflichtet ist, den Lohn an seinen Arbeitnehmer im Falle der Krankheit bis zur Dauer von sechs Wochen zu zahlen, daß aber dieser Ar({1})
beitgeber Anspruch auf das dem Arbeitnehmer gesetzlich zustehende Krankengeld bzw. Hausgeld oder Taschengeld hat.
Das ist nach unserer Auffassung die einzig mögliche, die einzig richtige Lösung, die den Grundsatz der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für den Arbeiter durch den Arbeitgeber anerkennt, so wie das für den Angestellten seit Jahrzehnten gesetzlich geregelt ist. Der Abs. 1 ist das Entscheidende.
Der Absatz 2 sagt, daß der Arbeitgeber nicht die vollen Leistungen aus seiner Tasche aufzubringen hat, sondern daß das Krankengeld im Regelfalle von der Krankenkasse gezahlt wird. Da das Krankengeld in der Regel 50 % des Bruttolohns beträgt, hat der Arbeitgeber den anderen Teil des Lohnes, also die weiteren 50 % zu zahlen.
Des weiteren sind wir der Auffassung, daß diese Zahlung nicht, wie vorhin von Herrn Stücklen vorgeschlagen wurde, durch die Krankenkasse erfolgen soll. Wir glauben, daß es viel richtiger ist, wenn die Zahlung durch den Arbeitgeber erfolgt. Ich verstehe nicht, warum sich ausgerechnet die Arbeitgeber vor dieser sozialen Tat drücken wollen - wenn ich so sagen darf; bitte, verstehen Sie das „Drücken" so, wie es gemeint ist -, das heißt, warum sie nicht auch während der Krankheit an ihren Arbeiter denken, warum der Arbeiter sie nur in den gesunden Tagen, während der Zeit, wo er arbeitsfähig ist, wo er ihnen seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, interessiert. Nur da wollen sie ihm seinen Lohn zahlen. Das war früher gerade beim Handwerk und bei der Landwirtschaft anders. Um so bedauerlicher ist es, daß gerade von dieser Seite die großen Schwierigkeiten bei der gesetzlichen Regelung dieser Frage kommen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte.
Herr Richter, sind Sie nicht der Meinung, daß es vor allem im mittelständischen Bereich der Wirtschaft, bei den Kleinbetrieben, eine ganze Reihe von Leuten gibt, die das wirtschaftlich nicht können und denen man das jetzt nicht zumuten kann?
Darauf komme ich noch zu sprechen; Sie sollten etwas Geduld haben.
Die SPD-Fraktion hat ohne Zweifel einen großen Schritt in dieser Richtung getan, indem sie grundsätzlich der Zweiteilung zustimmt und sagt: die Hälfte zahlt die Krankenkasse, das Krankengeld wird gewährt, und nur die andere Hälfte soll der Arbeitgeber für den Arbeiter zahlen.
Wenn Sie den Umdruck 1113 gelesen haben - ich hoffe, daß Sie dazu Zeit hatten, denn er wurde frühzeitig verteilt -, dann sehen Sie, daß wir in § 7 a einen Ausgleichsstock vorgesehen haben. Auch hier waren wir von ,dem Willen getragen, dem Handwerk, der Landwirtschaft, dem Mittelstand schlechthin, diese soziale Tat zu ermöglichen, indem wir den einzelnen Betrieb von dem Risiko befreiten, wenn mehrere seiner Gehilfen auf einmal krank werden und er nicht weiß, wie er die Mittel für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aufbringen soll. In diesem Falle soll die Ausgleichskasse einspringen. Hier handelt es sich um
eine gegenseitige Hilfe; das ist eine wahre, gute und schöne Sache. Um so mehr bedauern wir, daß Sie - obwohl das in der letzten Sitzung der zweiten Lesung im Ausschuß von Ihrem Sprecher angedeutet wurde - bis jetzt noch keine Bereitschaft in dieser Richtung gezeigt haben.
Wir sind aber auch dagegen, daß nur 90% des Nettolohnes gezahlt werden. Warum soll der Arbeiter weniger bekommen? Ist der Handwerker denn wirklich ein Mensch zweiter Klasse? Denken Sie allein an die Vielzahl der Berufe, die z. B. dieses Haus hier errichtet haben. Sind das keine Könner? Sind das wirklich Leute, die man schlechter behandeln muß als die Angestellten? Wenn dem nicht so ist, dann frage ich Sie, warum Sie das hier tun. Vielleicht lesen Sie Ihre Zeitungen nicht. Ich habe das Deutsche Handwerksblatt Nr. 8 vom 25. April dieses Jahres gelesen. Darin befindet sich ein Artikel mit einer Überschrift: „Der Handwerker hat mehr vom Leben - Eine handwerkliche Betrachtung zum 1. Mai." Dann heißt es:
Der Handwerker hat in der überwiegenden Mehrzahl seiner vielgestaltigen Berufe den großen, den aus der ganzen modernen Betriebswelt immer mehr entschwindenden Vorzug, an seiner Arbeit innerlich beteiligt zu sein.
Der gelernte Handwerker in seiner Werkstatt oder am Bau ist eben kein Greiferglied am Fließband, kein menschliches Zubehör an der Maschine, kein Arbeitstaktstück.
Die Menschen im Handwerk schaffen durchweg noch ganze und fertige Dinge, oder sie richten einen wichtigen Bestandteil in der tausendfältigen Güterwelt, die uns umgibt.
Zum Schluß heißt es in diesem hervorragenden Artikel, dessen Lektüre ich sehr empfehle - ich bedaure nur, daß Sie ihn nicht schon vor der heutigen entscheidenden Lesung dieses Gesetzes gelesen haben -:
Dreifach dünkt uns somit die lebensvolle Beziehung zu sein, in der wir den Handwerksberuf zu unserem ganzen Menschenwerk sehen:
1. das Handwerk ist der ständige Begleiter unseres tätigen Daseins,
2. das Handwerk spiegelt die farbenreiche Fülle der Welt,
3. das Handwerk beansprucht den ganzen Menschen.
Und .diesem Handwerker, dessen Beruf den ganzen Menschen beansprucht, wollen Sie im Krankheitsfall seinen Lohn nicht fortzahlen, was bei dem Angestellten im Handel, im Gewerbe und in der Industrie allüberall eine Selbstverständlichkeit ist. In dem § 1, der in zweiter Lesung angenommen wurde - Drucksache 3551 - heißt es: 90 %. Der Arbeitgeber zahlt einen Zuschuß, und zwar nur dann, wenn die Krankenversicherung überhaupt etwas leistet, d. h. die Basis der ganzen Sache ist das Krankengeld, ist die Leistung der Krankenkasse - wiederum grundsätzlich anders als bei den Angestellten.
Sie sind weiter der Auffassung, daß erst dann die Zuschußleistung erfolgen soll, wenn der Arbeitnehmer länger ,als vier Wochen beschäftigt ist. Damit können wir uns nicht einverstanden erklären.
({0})
Ich bitte Sie deshalb, den von Herrn Kollegen Stücklen begründeten Änderungsantrag ebenso wie den Änderungsantrag Umdruck 1183 abzulehnen und dem Antrag Umdruck 1113 zu § 1 zuzustimmen. Ich 'beantrage ,getrennte Abstimmung über die einzelnen Absätze unseres § 1 und zu § 1 Abs. 1 namentliche Abstimmung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Dr. Berg ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Umdruck 1183 enthält im wesentlichen die gleichen Änderungsvorschläge, die wir bereits in der zweiten Lesung zur Sprache gebracht haben. Ich kann mich daher sehr kurz fassen und auf das Grundsätzliche beschränken.
Erstens. Die Lösung der Ausschußfassung ist nach Ansicht der Antragsteller deswegen nicht tragbar, weil sie eine Sonderbelastung der lohnintensiven Mittel- und Kleinbetriebe und vor allem des Handwerks darstellt.
Zweitens. Sie hat zum Inhalt die Gefahr der Bevorzugung der jungen und gesunden Arbeiter zuungunsten der Älteren, chronisch Kranken und vor allem auch der Frauen. Ich habe hier auf diese Gefahr eingehend hingewiesen.
Drittens. Es ist eingewendet worden, daß die Krankenkassenbeiträge auf Grund einer reinen Krankenkassenlösung notwendigerweise steigen müßten. Auch darüber haben wir gesprochen. Die Krankenkassenbeiträge werden sowieso erhöht werden müssen; dazu zwingt uns schon die Lage der Krankenhäuser in der Bundesrepublik, dazu zwingt uns die von niemandem bestrittene, völlig unzureichende Honorierung unserer Kassenärzte usw.
Viertens. Diese Ausschußvorlage stellt einen sehr gefährlichen Einbruch des versorgungsstaatlichen Denkens in das Prinzip der Sozialversicherung dar, und hiergegen müssen wir uns mit allen Mitteln wehren.
Soviel zu Punkt 1 unserer Vorlage.
Zu § 2 kann ich mir die Begründung sparen - ich habe sie in der zweiten Lesung gegeben -, ebenso zu § 3, der die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts betrifft. Hier möchte ich noch zusätzlich darauf aufmerksam machen, daß die hier vorgelegte Fassung der Mustersatzung der Allgemeinen Ortskrankenkassen, die im Jahre 1953 von allen Sozialpartnern einhellig beschlossen worden ist, entspricht.
Nun möchte ich noch zu dem Paragraphen über die Heimarbeiterregelung etwas ausführen. Dazu ist eingewendet worden, daß, wenn die von uns vorgeschlagene Lösung Gesetz werden sollte, viele Heimarbeiter, vor allen Dingen solche Heimarbeiter, Idle weit weg von ihrem Arbeitgeber wohnen, nicht in den Genuß der Arbeitgeberzulage kommen würden. Nun, auch das kann man regeln. Wir konnten leider einen diesbezüglichen Antrag nicht mehr stellen; dazu war die Zeit zu kurz. Wir würden unter diesen Umständen empfehlen, in die Durchführungsbestimmungen einen Passus etwa in der Art aufzunehmen, daß in dem Entgeltbuch, das auf Grund des § 9 des Heimnarbeitergesetzes geschaffen worden ist, die entsprechenden Eintragungen auf einem besonderen, pflichtgemäß zu führenden Blatt zu machen sind. Das scheint uns eine gesetzlich genügende Sicherung für die Ansprüche der Heimarbeiter aus diesem Gesetz zu sein. Wir halten diese Lösung erstens für günstiger für die Heimarbeiter selbst und zweitens für systematisch wesentlich besser als den Vorschlag, den die Ausschußvorlage enthält.
Ich bitte um Annahme der Anträge.
Das Wort hat der AbDr. Atzenroth ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beziehen uns zur Begründung unseres Änderungsantrages auf die Ausführungen, die mein Kollege Jentzsch in der zweiten Lesung gemacht hat. Wir sind der Meinung, daß die Fürsorgepflicht, die wir durchaus bejahen und in jeder Weise anerkennen, eine gewisse Verbindung des Arbeitnehmers mit dem Betrieb voraussetzt. Diese Verbindung des Arbeitnehmers kann nicht in einer kurzfristigen Beschäftigung von vier Wochen bestehen, sondern dazu ist ein längerer Zeitraum notwendig. Erst dann kann die echte Verbindung des Arbeitnehmers mit dem Betrieb als hergestellt angesehen werden.
Deswegen stellen wir den Antrag, dem § 1 Abs. 2 die folgende Fassung zu geben:
Der Zuschuß nach Absatz 1 wird erst nach dreimonatiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber gewährt.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe den Änderungsantrag Umdruck 1190. Er hat die Wiedereinführung des § 8 zum Gegenstand, der, wie Ihnen bekannt ist, in der zweiten Lesung gestrichen worden ist.
({0})
- Ich bin gerne bereit, jetzt auf meine Wortmeldung zu verzichten und den Änderungsantrag nachher zu begründen, wenn Sie so wollen.
Wir sind bei § i und den dazu gestellten Anträgen Umdrucke 1113, 1183 und den neuen Anträgen, die folgende Nummern haben - wenn Sie sie sich freundlicherweise notieren wollen -: der Antrag, den Herr Atzenroth begründet hat, auf Umdruck 1191 und der Antrag Stücklen und Genossen auf Umdruck 1192.
Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, mich mit einigen wenigen Sätzen gegen den Antrag wenden zu müssen, den mein Fraktionskollege Stücklen soeben eingebracht und begründet hat. Darin ist beantragt, daß die Krankenkassen auf Antrag des Arbeitgebers den Arbeitgeberzuschuß ebenfalls mit auszahlen sollen und daß es dann Sache der Krankenkasse sein soll, ihrerseits diesen Anteil vom Arbeitgeber einzuziehen.
Ich bitte, die Privatgespräche etwas einzudämmen, damit sich der Redner verständlich machen kann. Es wäre auch erwünscht, wenn die Kollegen alle Platz nähmen.
Herr Kollege Stücklen hat zur Begründung des Antrages unter anderem darauf hingewiesen, daß, wenn nicht so verfahren würde, für den Arbeitgeber zu große Komplikationen in der Auszahlung oder Verrechnung der zum Teil geringfügigen Zuschüsse einträten. Er meinte, daß es eine erhebliche Vereinfachung des gesamten Verfahrens sei, wenn die Krankenkassen diese Aufgabe mit übernähmen.
Meine Damen und Herren, ich bin der umgekehrten Meinung, nämlich, daß es für die Krankenkassen eine unbillige Erschwerung wäre, wenn man sie zu all ihrer anderen Arbeit auch noch mit diesem Erhebungs- oder Beitreibungsverfahren belastete. In der Praxis müßten die Krankenkassen nämlich noch hinter diesen Beträgen - was weiß ich, wie groß die Zahl sein würde - herrennen und bei Klein- und Kleinstunternehmen unter Umständen mit Zwangsverfahren arbeiten. Das ist eine Komplizierung der ganzen Sache. Die Krankenkassen haben ohnehin genug zusätzliche Arbeit. Wir können daher nach Lage der Dinge eine solche Regelung einfach nicht vertreten. Ich muß Sie deshalb bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wir unterstützen den Antrag Stücklen. Wir sind im Gegensatz zu dem Herrn Kollegen Horn der Meinung, daß die Regelung, die der Antrag will, im Interesse der Arbeitnehmer liegt. Herr Stücklen hat schon ausgeführt, daß oft die Arbeitnehmer - das gilt besonders für alle Außenberufe - weit weg von ihrem Arbeitsplatz oder mindestens von dem Sitz des Unternehmens wohnen und daß diese Regelung für sie einfacher ist, weil sie den Weg zur Krankenkasse sowieso machen müssen, um ihr Krankengeld in Empfang zu nehmen. Wenn Sie den Änderungsantrag ablehnen, muten Sie ihnen den Weg zu zwei Stellen zu, um die Bezüge zu erhalten.
({0})
Auch der Einwand, daß den Krankenkassen vermehrte Arbeit auferlegt werde, ist nicht stichhaltig. An irgendeiner Stelle müssen die Arbeiten ausgeführt werden. Ob das von den Betrieben oder von den Krankenkassen, die den Krankheitsfall ja in ihren Büchern haben, geschieht, ist völlig gleichgültig. Wir sind eindeutig für den Antrag Stücklen, der eine gerechtere und bequemere Lösung für den Arbeitnehmer bedeutet.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion kann dem Antrag Stücklen nicht zustimmen. Es handelt sich hier keineswegs nur um eine technische Angelegenheit. Bereits vom Kollegen Horn wurde darauf hingewiesen, daß das Verfahren auch eine erhebliche Komplizierung mit sich brächte. Im Grunde geht es aber darum, daß man mit der Annahme dieses
Antrages weiter von der Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfalle wegkommen will.
({0})
Wir erstreben die soziale Gleichstellung. Deshalb ist es für uns unmöglich, diesem Antrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schellenberg, es geht hier nicht darum, mehr eine Gleichstellung oder mehr die Krankenkassenlösung vorzusehen.
({0})
- Nein, dahin sollten Sie die Lösung der Frage nicht schieben, Herr Kollege Schellenberg.
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- Herr Kollege Schellenberg, ich bin kein Spezialist auf diesem sozialpolitischen Gebiet und ich gestehe Ihnen gern zu, daß sie sehr viel mehr Spezielles dazu sagen können. Mir geht es um eine rein praktische Lösung.
Ich darf Ihnen mit wenigen Sätzen einmal nur den folgenden Fall darlegen. Bei einem Bauunternehmer. der Außenstellen hat, arbeiten Leute aus diesen Gebieten. Die Lohnzentrale liegt irgendwo. Am Zahltag kommt das Auto mit den Lohntüten gefahren und gibt diese den Arbeitnehmern. Alles in Ordnung. Die Arbeitnehmer, die krank sind, sind nun 'an einem anderen Ort und lassen bei ihrer zuständigen Krankenkasse durch die Frau oder durch die Kinder das Krankengeld abholen, oder sie tun es persönlich. Damit können sie nur diesen Teil, der jetzt mit 65 % von der CDU/CSU vorgeschlagen ist, in Empfang nehmen. Ob der Arbeitgeber den anderen Teil auch tatsächlich rechtzeitig schickt, müssen sie erst abwarten.
Ich wünsche ja nur, Herr Professor Schellenberg, daß der Arbeitnehmer im Krankheitsfall sofort in den Besitz der 90 % seines Nettolohns kommt. Die Verrechnung soll keinesfalls zu Lasten der Krankenkassen und keinesfalls zu Lasten des Arbeitnehmers gehen. Bei der Beitragsrechnung der Krankenkasse an den Arbeitgeber wird dieser Betrag als Belastung für den Arbeitgeber aufgeführt. Darüber sind wir uns völlig einig. Es wird nichts am Prinzip geändert, ,es wird nur vielen Arbeitnehmern, die gerade in Saisonbetrieben und in Außenstellen arbeiten, der Empfang des Krankengeldes und damit die Sicherung des Lebensunterhaltes auch zeitlich gerecht zugebilligt. Mehr soll gar nicht geändert werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Horn hat vorhin den Antrag des Kollegen Stücklen abgelehnt. Er hat die Ablehnung auch begründet. Ich habe die Aufgabe, Ihnen zu erklären, was unsere Fraktion zu den anderen Änderungsanträgen zu § 1 sagt.
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Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 1113 ist uns aus den Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß bekannt. Wir verkennen nicht, daß dieser Antrag eine Änderung des ursprünglichen Plans der SPD ist. Trotzdem haben wir uns nach eingehender Prüfung im Ausschuß - ich brauche die Begründung dafür nicht zu wiederholen - nicht entschließen können, ihn auzunehmen. Wir haben ihn abgelehnt. Ich muß bei dieser Gelegenheit betonen, daß es sich bei der Lösung, für die wir uns jetzt entscheiden, unter allen Umständen nur um eine vorläufige handeln kann, weil wir die Gesamtneuordnung der Krankenversicherung sicher erst im 3. Bundestag vornehmen werden. Wir müssen uns gegen den Grundsatz, daß festgelegt wird. den Lohn in Zeiten der Krankheit ohne weiteres fortzuzahlen, auch jetzt wieder wenden.
Auch der Änderungsantrag Umdruck 1191 der Fraktion der SPD ist uns aus der zweiten Lesung bzw. aus dem Ausschuß bekannt. Auch hier können wir eine andere Stellungnahme als dort nicht einnehmen. Wir müssen auch diesen Antrag ablehnen.
Das gleiche gilt für den Antrag der Abgeordneten Dr. Schild und Genossen, Umdruck 1183 Ziffer 1, sowie für den Eventualantrag unter Ziffer 2, den Zuschuß des Arbeitgebers erst nach 26wöchiger Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers zu gewähren.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Sache so einfach wäre, wie sie Herr Kollege Stücklen dargestellt hat, könnten wir sicherlich keine Argumente dagegen ins Feld führen. Aber es ist einfach unmöglich, daß von den Krankenkassen sowohl das Krankengeld wie auch der Zuschuß des Arbeitgebers gezahlt wird, weil keine Krankenkasse den Nettolohn eines ihrer Versicherten kennt. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir heute entsprechend dem SPD-Antrag beschließen, daß im Krankheitsfall der volle Nettolohn, bestehend aus Krankengeld und Anteil des Arbeitgebers, gezahlt wird, oder ob Ihr Antrag die Mehrheit bekommt - was wir bedauern würden; das verstehen Sie -, wonach nur 90 % des Nettolohns gezahlt werden sollen, wiederum bestehend aus Krankengeld der Krankenkasse und Zuschuß des Arbeitgebers. Einzig und allein der Arbeitgeber kann - ran Hand der Lohnliste - feststellen, welchen Nettolohn der Arbeitnehmer, der krank ist, bezogen hat, und deshalb kann nur er als die Sterile in Frage kommen, die die Differenz bezahlt. Diese Regelung ist also wohlüberlegt. Ich stimme den Ausführungen des Herrn Kollegen Horn und anderer Redner zu und bitte Sie, den Antrag des Kollegen Stücklen abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Sie ist sehr kompliziert.
Der weitestgehende Antrag ist der der DP ({0}) auf Umdruck 1183 unter Ziffer 1 a, die §§ 1 bis 7 zu streichen. Ich darf zunächst wohl die Zustimmung des Hauses dazu unterstellen, daß mit der jetzt vorzunehmenden Abstimmung die Angelegenheit endgültig entschieden ist, so daß ich den Antrag nicht bei jedem der §§ 2 ,bis 7 aufzurufen brauche. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses damit fest. Wer für den Antrag Umdruck 1183 Ziffer 1 a ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag Umdruck 1183 Ziffer 1 b, wonach § 8 in anderer Formulierung als § 1 eingesetzt werden soll.
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- Danke sehr!
Dann kommen wir zu den weiteren Änderungsanträgen. Davon ist nach meiner Ansicht der Antrag Umdruck 1113 Ziffer 1 b .der Fraktion der SPD der weitergehende; in ihm wird eine grundsätzlich neue Fassung des § 1 beantragt. Der Kollege Richter hat erklärt, daß er auf die getrennte Abstimmung über den Absatz 1 und die anderen Absätze, die er zunächst im Auge hatte. verzichtet, so daß nur eine einzige Abstimmung über diesen Antrag vorgenommen zu werden braucht, diese aber namentlich. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. -
Ich gebe das Ergebnis*) bekannt. Es haben 378 stimmberechtigte Abgeordnete und 15 Berliner Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Von den stimmberechtigten Abgeordneten haben 150 mit Ja gestimmt, 223 mit Nein; 5 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben 8 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 1113 Ziffer 1 abgelehnt.
Mir wird ein neuer Antrag vorgelegt. und zwar der Eventualantrag Umdruck 1118. Ich bin gebeten worden. zur Begründung dieses Antrags das Wort zu erteilen. Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt. daß wir mitten in der Abstimmung sind und daß es richtiger ,gewesen wäre, den Antrag vorher ,einzureichen, damit er als Eventualantrag hätte begründet werden können. Mir wird aber von den Antragstellern mitgeteilt, sie hätten sich mit der Verwaltung in Verbindung gesetzt, und die Verwaltung habe ihnen diesen modus procedendi empfohlen. Ich kann das meinerseits nicht nachprüfen und stelle es dem Hause anheim, ob es aus Loyalitätsgründen im Hinblick auf die Auskunft der Verwaltung die Begründung zulassen will oder nicht.
({2})
- Ich höre Meinungen verschiedener Art. Ich bitte diejenigen, die ausnahmsweise eine Begründung hierzu zulassen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste scheint mir die Mehrheit gewesen zu sein.
Ich darf dann Herrn Richter bitten, das Wort zu ergreifen. Aber ich darf bitten - so darf ich den Beschluß des Hauses interpretieren -, nur eine hoffentlich nicht zu lange Begründung zu geben und keine Debatte zu führen, damit Herr Kollege Schöttle mit der 12-Uhr-Abstimmung recht behält.
Ich danke dem Herrn Präsidenten und den Damen und Herren, die es uns ermöglicht haben, daß wir diesen Eventualantrag noch kurz begründen können.
Der Eventualantrag Umdruck 1118 enthält drei Punkte. Ich bitte deshalb, mir einige Sätze dazu zu gestatten.
*) Vgl. Seite 12641
({0})
Wir beantragen, in § 1 Abs. 1 Satz 1 die Worte „ohne daß ihn ein Verschulden trifft," zu streichen. Warum beantragen wir das? Wir wollen hier nicht ein neues Recht für den Arbeiter schaffen. Der Grundsatz, der in § 1 Ihrer Fassung vorgesehen ist, enthält für die Zahlung des Zuschusses durch den Arbeitgeber die Voraussetzung, daß die Krankenkasse Krankengeld zahlt. Wenn aber die Krankenkasse Krankengeld zahlt und damit alle Voraussetzungen der Krankenversicherung erfüllt sind, kann es doch nicht noch weitere Voraussetzungen gehen. Man schafft ja zweierlei Recht, wenn man a) die Voraussetzungen der Krankenversicherung - RVO Paragraph soundso - verlangt und b) die Voraussetzung des Bürgerlichen Gesetzbuches „ohne daß ihn ein Verschulden trifft". Meine Damen und Herren, hierin liegt ein Unrecht, und das wollen Sie sicherlich nicht.
Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Damit bleibt das geltende Recht der Krankenversicherung bestehen, und das ist sachlich einwandfrei.
Zu Ziffer 2 unseres Antrags, statt 90 v. H. das volle Nettoarbeitsentgelt zu gewähren, brauche ich nichts zu sagen Warum soll der Arbeiter, wenn er krank ist, für sich und seine Familie nicht seinen Nettolohn weitergezahlt bekommen? Das ist eine Frage des guten Willens, und ich nehme an, daß Sie den guten Willen haben. Ich nehme weiter an, daß Sie den Arbeiter und die Arbeiterin in ihrem Interesse an ihrer Arbeitsstelle und an der Erhaltung ihrer Arbeitskraft nicht ungünstiger beurteilen wollen als den Angestellten und Beamten.
Mit Ziffer 3 beantragen wir, in § 1 den Absatz 2 l zu streichen. Das bedeutet, daß die Voraussetzung der vierwöchigen Betriebszugehörigkeit entfallen soll. Meine Damen und Herren, denken Sie an das Baugewerbe, denken Sie an das Saisongewerbe! Was soll ich viele Worte machen! Da wird der Arbeiter gewechselt, nicht weil es der Arbeiter will, sondern weil er durch die Umstände dazu gezwungen ist. Wenn ein Bau fertiggestellt ist, soll sich der Arbeiter doch nicht krank melden oder etwa arbeitslos werden. Er geht zum anderen Handwerksmeister und errichtet dort einen neuen Bau. Wenn er jedesmal vier Wochen warten soll, bedeutet das praktisch, daß er, wenn er krank ist, überhaupt keinen Zuschuß zum Krankengeld erhält.
Deshalb bitte ich Sie, ,diese unsere Anträge zu akzeptieren.
({1}).
Wir fahren in der Abstimmung fort und kommen - nachdem die völlige Änderung des § 1 abgelehnt ist - zu den Einzeländerungen, die zu § 1 vorgeschlagen sind.
Zu § 1 Abs. 1 liegt der Antrag Umdruck 1118 Ziffer 1 vor, in Satz 1 die Worte „ohne daß ihn ein Verschulden trifft" zu streichen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Des weiteren liegt zu § 1 Abs. 1 der Antrag Umdruck 1118 Ziffer 2 vor, in Satz 2 die Worte „neunzig vom Hundert des Nettoarbeitsentgelts
({0})" durch die Worte „dem Nettoarbeitsentgelt ({1})" zu ersetzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Abs. 2 des § 1. Hierzu liegen, soweit ich es überblicken kann - ich bitte aber, mit zu prüfen -, drei Anträge vor. Der weitestgehende ist der der DP ({2}) - Umdruck 1183 Ziffer 2 -, nach dem der Zuschuß erst nach 26wöchiger ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber gewährt werden soll.
({3})
- Ich muß umgekehrt gehen. 26 Wochen; dann kommt der Antrag der FDP mit 3 Monaten, also 13 Wochen. Dazwischen steht in der Reihenfolge der Ausschußantrag. Dann kommt der Antrag der SPD. Der Antrag der SPD ist insofern der weitestgehende, als er das alles kassieren will, aber er ist der weitestgehende in der entgegengesetzten Richtung. Infolgedessen muß ich mit den anderen Anträgen beginnen. Ich stelle also den Antrag der DP ({4}) als den in dieser Richtung weitestgehenden zur Abstimmung. Es ist der Antrag Umdruck 1183 Ziffer 2. Wer ihm stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zu dem Antrag der FDP Umdruck 1191, der sich mit dreimonatiger Frist begnügt, aber einen weiteren Satz hat, den ich auch zu beachten bitte. Ich stelle also den Antrag Umdruck 1191 nunmehr zur Abstimmung und bitte diejenigen, welche für diesen Antrag stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu dem in der anderen Richtung weitestgehenden Antrag. Das ist der Antrag Umdruck 1118 Ziffer 3, in § 1 den Abs. 2 zu streichen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind wir mit den Änderungsanträgen zu § 1, soweit er bisher besteht, am Ende. Hinzu kommt aber jetzt der Antrag Umdruck 1192, der einen neuen Absatz 3 anfügen will. Es ist der Antrag Stücklen. Wer diesem Antrag stattzugeben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir haben also nunmehr über § 1 in der Ausschußfassung abzustimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 1 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe nunmehr den § 2 auf. Dazu liegen Änderungsanträge vor in Umdruck 1113 Ziffer 2 - ich bitte auch gleich Ziffer 3 zu beachten - und in Umdruck 1183 Ziffer 3. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
({5}) - Die Abstimmung hierüber entfällt also.
({6})
Ich rufe dann auf den Änderungsantrag der Fraktion der DP auf Umdruck 1183 Ziffer 3, der eine neue Fassung des § 2 mit der Überschrift „Nettoarbeitsentgelt" vorsieht. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr stelle ich den § 2 in der so geänderten Fassung zur Abstimmung. Ich darf wohl annehmen, daß sich die Abstimmung mit Rücksicht auf die Abstimmung über den Änderungsantrag erübrigt.
({7})
- Dann ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag auf Umdruck 1113 Ziffer 3, nach dem hinter § 2 ein neuer § 2 a eingefügt werden soll. Soll dieser Antrag der Fraktion der SPD begründet werden? - Bitte, Herr Kollege Richter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt, in diesem § 2 a vorzusehen, daß für die Dauer der Krankheit eines Arbeiters oder einer Arbeiterin, längstens jedoch für sechs Wochen, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung unter Zugrundelegung des Arbeitsentgelts, das der oder die Betreffende vor der Krankheit gehabt hat, weiter gezahlt werden, damit der Arbeiter oder die Arbeiterin kein geringeres Altersruhegeld erhält, als es der Angestellte bei gleichem Lohn und gleicher Beitragsleistung bekommen würde. Wir haben in ) dem Gesetz über die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten vorgesehen, daß für Krankheiten, die länger als sechs Wochen andauern, die Zeit, die über sechs Wochen hinausgeht, als rentensteigernd gilt. Wir haben dies im Ausschuß für Sozialpolitik und auch hier im Plenum einmütig beschlossen, weil wir der Auffassung waren, daß für die Angestellten und die Arbeiter hier das gleiche Recht gelten muß.
Wenn Sie jetzt diesem unserem Antrag nicht zustimmen, dann ist in dieser Frage der Arbeiter ungünstiger gestellt als der Angestellte. Der Angestellte bekommt die ersten sechs Wochen der Krankheit sein Gehalt weitergezahlt, und es wird eo ipso auch der Beitrag zur Rentenversicherung gezahlt; sowohl der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer zahlen die 7 % zur Angestelltenversicherung. Das gleiche Recht wünschen wir für den Arbeiter. Der kranke Arbeiter soll in den ersten sechs Wochen von seinem Zuschuß, den er durch den Arbeitgeber erhält, seinen seitherigen Beitragsanteil zur Rentenversicherung, d. h. die 7 %, weiterzahlen, und ebenso soll auch der Arbeitgeber den Rentenversicherungsbeitragsanteil von 7 % weiter gewähren, damit der Arbeiter im Alter nicht schlechter gestellt ist als der Angestellte. Wir wünschen hier soziale Gerechtigkeit und bitten um Ihre Zustimmung.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1113 Ziffer 3. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 3, dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 1113 Ziffer 4. Wird der Antrag begründet?
({0})
- Danke schön. Wenn keine Änderungsanträge mehr vorliegen, brauche ich § 3 nicht mehr aufzurufen.
Zu § 4 war ein Änderungsantrag unter Ziffer 5 des Umdrucks 1113 gemeldet. Wie mitgeteilt wird, ist auch dieser Antrag erledigt.
Nun rufe ich § 5 auf. Hierzu lag ein Antrag unter Ziffer 4 des Umdrucks 1183 vor, der ebenfalls erledigt ist. Inzwischen ist ein neuer Antrag
- Umdruck 1193 -, der vorhin schon erwähnt worden ist, eingereicht worden. Er wird von Herrn Atzenroth begründet.
Meine Damen und Herren! In § 5 ist eine Sonderregelung für die Heimarbeiter getroffen, denen statt des Krankengeldes eine Lohnerhöhung gewährt werden soll. Diese Lohnerhöhung soll die Risiken bei nicht in Betrieben Beschäftigten, die aber gleiche Arbeiten wie Arbeiter in Betrieben verrichten, ausgleichen. In der Ausschußvorlage ist dafür ein Satz von 2 % des Arbeitsentgelts errechnet worden. Bei Nachprüfung dieser Rechnung, deren Grundlage natürlich schwankend ist, hat sich ergeben, daß ein Satz von 1 % für einen wirklichen Ausgleich angemessen ist. Wir beantragen deshalb, in der Ausschußfassung die Worte „2 vom Hundert" in „1 vom Hundert" zu ändern.
Wird der Antrag der DP ({0}) auf Umdruck 1183 Ziffer 4 noch begründet? - Er ist damit begründet, danke schön.
Herr Kollege Karpf, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den jetzt beschlossenen Änderungen des Gesetzes würde die Fassung „2 vom Hundert" keine Gleichstellung mit den übriArbeitnehmern mehr sein. Wir stimmen deshalb dem Antrag, den Betrag auf 1 vom Hundert zu ändern, unter der Voraussetzung zu, daß Sie im übrigen der Formulierung des § 5 zustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst Ziffer 4 des Umdrucks 1183 auf. Er enthält eine Neufassung des § 5 und scheint der weitergehende Antrag zu sein. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr rufe ich Umdruck 1193 zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Dann rufe ich § 5 in der so geänderten Fassung auf. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
({0})
Zu den §§ 6, 7 liegen keine Änderungsanträge vor. In Ziffer 6 des Antrags Umdruck 1113 wird die Einfügung eines § 7 a vorgeschlagen. Zur Begründung Herr Kollege Regling, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung konnten wir die Hoffnung haben, daß Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, eine Änderung der Ausschußfassung des § 8 in der Form vorbringen, wie wie sie in unserem ursprünglichen Antrag vorgesehen hatten. Dieser Antrag bezog sich im Artikel 2 auf die Errichtung eines Ausgleichsstocks, und damit wäre erreicht worden, daß das Gesetz für einen großen Teil der gewerblichen Arbeitnehmer überhaupt erst praktizierbar wird. Wir sehen die ganz große Gefahr, daß die unmittelbare Belastung, das Risiko für den Klein- und Mittelbetrieb größer als für den Großbetrieb wird. In diesem Sinne äußerten sich auch alle Redner in der zweiten Lesung. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben jetzt eine andere Teillösung vorgeschlagen, die noch nicht an den Kern der Dinge herankommt. Sie sehen in Ihrem Vorschlag lediglich vor, dem Arbeitnehmer 65 % des Grundlohns durch die Krankenkasse zukommen zu lassen. Es ist zuzugeben, daß dadurch der Differenzbetrag, den der Arbeitgeber zu zahlen hat, kleiner wird. Aber trotz alledem müssen wir uns darüber klar sein, daß bei einem Zusammentreffen von mehreren Krankheitsfällen in einem Kleinbetrieb, selbst wenn der Arbeitgeber den guten Willen hat, den Ausgleich zu zahlen, dies nicht möglich sein wird; denn del. Kleinbetrieb muß im Gegensatz zum Großbetrieb noch eine Aushilfskraft einstellen. Die Belastung eines Großbetriebs durch Krankheitsfälle beträgt im Jahre durchschnittlich 3 %. Bei einem Kleinbetrieb, der nur ein oder zwei Leute beschäftigt, kann dadurch eine momentane Belastung von 100 % eintreten. Daran müssen wir doch auch denken; wir können an diesen Problemen nicht vorbeigehen.
Hinzu kommt, daß in den kleinen und mittleren Betrieben nicht jeder Arbeitnehmer das ganze Jahr hindurch beschäftigt werden kann. In den Baubetrieben und in den Saisonbetrieben werden Arbeitnehmer oft kurzfristig eingestellt. Was nun, wenn ein kurzfristig eingestellter Arbeitnehmer nach kurzer Zeit krank wird? Sie haben vorgesehen, dann soll er eventuell ganz und gar bei der Lohnfortzahlung ausscheiden. Mit sozialer Einstellung hat das allerdings nichts mehr zu tun. Dieser Mann würde ewig von Betrieb zu Betrieb wandern müssen. Wenn der Arbeitgeber erkennt, daß es sich um einen Mann handelt, der häufig krank ist, wird er keine Neigung verspüren, ihn überhaupt zu beschäftigen. Daran muß man doch auch denken. Sie wollen den kleinen Betrieben für die kurzfristig Beschäftigten damit eine Erleichterung gewähren. Ich sehe in Ihrem Vorschlag keine Erleichterung. Auch dem Arbeitgeber eines Klein- und Mittelbetriebes wird es unwohl sein, wenn er diesen Mann anders behandeln muß als die Beschäftigten, die schon lange bei ihm sind. Sie tun bestimmt auch dem Arbeitgeber in den Klein- und Mittelbetrieben keinen Gefallen, wenn Sie hier ungleiches Recht schaffen.
Sie müssen auch noch an folgendes denken. Nach Ihren Vorschlägen schaffen wir eine Teillösung; damit tut der Bundestag im Moment die Forderung ab. Diese Forderung - das kann ich wohl sagen, ohne Hellseher zu sein - wird aber weiter bestehenbleiben. Draußen werden in Lohn- und Tarifkämpfen die noch fehlenden Regelungen erkämpft werden. Denken Sie dabei an folgendes. In ein, zwei oder drei Jahren wird es gelingen, die Forderung in den Großbetrieben nach und nach durchzusetzen. Dann steht diese Frage auch für die Kleinbetriebe an. Sie werden dann gar nicht mehr umhinkönnen, gleichartige Verträge abzuschließen, weil ihnen sonst die Gesellen weglaufen und wegen der dort bestehenden sozialen Vergünstigung in die Großbetriebe hineingehen. Das wäre ein weiterer Nachteil. Die Kleinbetriebe stehen dann aber vor der Notwendigkeit, den gesamten Differenzbetrag, der dann viel größer ist, aus eigener Tasche zu zahlen.
Teillösungen und Kompromisse wird es immer geben; und dieser Weg wird oft gewählt, wenn er die Möglichkeit weiterer Verbesserungen zuläßt. In diesem Falle schaffen wir aber ein Faktum. Wir lassen den Ausgleichsstock nach der Ausschußvorlage heute weg, weil die Belastung Ihnen heute vielleicht noch tragbar erscheint. Wir müssen aber daran denken, daß einmal die Gesamtforderung wieder auf die Tagesordnung kommt. Wenn wir uns heute den Weg zum Ausgleichsstock verbauen, dann schafft man - ({0})
- Herr Stücklen, ich sagte, man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, daß diese Forderung draußen erkämpft wird und somit die größere Belastung auf uns zukommt,
({1})
- nicht über den Bundestag, aber draußen bei den Tarifverhandlungen. Daran geht kein Weg vorbei. Das sehen Sie genauso wie wir. Das wird, wenn nicht heute, so doch morgen kommen. Darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel.
({2})
- Das ist wieder ein ganz anderes Problem, Herr Dr. Atzenroth. Zunächst geht es um diese Forderung. Ich sehe es einfach so: sie wird kommen, und wenn wir dann den Ausgleichstock nicht eingebaut haben, trifft die Gesamtbelastung in der ganzen Härte auch hier den Klein- und Mittelbetrieb, dem Sie - die Sprecher aller Fraktionen haben das in der zweiten Lesung bekundet - das irgendwie tragbar machen wollen. Es besteht doch die Gefahr, daß sonst trotz des guten Willens die Verbesserungen, die für den Arbeitnehmer jetzt geschaffen werden sollen, einfach nicht zum Tragen kommen können, weil die Betriebe dazu nicht in der Lage sind. Dem Arbeitnehmer ist nicht damit gedient, wenn er sieht, daß der kleine Betriebsinhaber, sein kleiner Meister, das nicht kann, aber vor der gesetzlichen Verpflichtung steht. Beiden Teilen wäre geholfen, wenn wir diesen Ausgleichsstock schüfen.
Bitte stimmen Sie deshalb unserem Änderungsantrag auf Einführung eines Ausgleichsstockes zu. Sie ermöglichen dadurch die Durchführung des Gesetzes - wenn es auch nicht ganz unseren Wünschen entspricht -, Sie helfen mit zu einer besseren Regelung, Sie helfen dem Arbeitnehmer auch in den Klein- und Mittelbetrieben und Sie helfen dem kleinen Betriebsinhaber. Daß Sie das tun wollen, haben Sie verschiedentlich bekundet. Hier haben
({3})
Sie Gelegenheit, indem Sie unserem Antrag zustimmen.
({4})
Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Kollege Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat seine Ausführungen damit begonnen, daß er gesagt hat, er habe erwartet, daß auch von einem Teil unserer Fraktion irgendwie ein Antrag gestellt werden würde, der sich mit einem Ausgleichsstock beschäftigte. Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß die Frage eines Ausgleichs, namentlich für ¡die kleinen Betriebe, innerhalb unserer Fraktion sehr ernst überlegt worden ist. Aber diejenigen unserer Fraktion, die mit diesem Gedanken spielten, haben sich überzeugen lassen müssen, daß in diesem Gesetz kein Ausgleichsstock verankert werden kann. Die in dem Antrag der SPD-Fraktion vorgesehenen Bestimmungen genügen nicht. Um einen solchen Ausgleichsstock funktionsfähig zu machen, wären, um nur einige Beispiele zu nennen, Bestimmungen notwendig über die Aufbringung der Mittel, über die Verwaltung der Mittel, über Rücklagen, die bestimmt notwendig sind, über irgendeine Aufsicht, die geführt werden muß, über einen Rechtszug, an dem wir nicht vorbeikommen, und es wären noch Bestimmungen erforderlich für den sonstigen Verwaltungsverkehr. Weil diese Dinge so kompliziert sind, wollten wir das Gesetz schaffen, ohne daß irgendwie ein Ausgleich vorgesehen wird. Ein Ausgleich erscheint uns namentlich deshalb nicht erforderlich, weil wir eine persönliche Verbindung des erkrankten Beschäftigten mit seinem Betrieb anstreben und weil die Beträge nicht so horrend sind, daß sie von dem einzelnen nicht getragen werden können. Ich bitte Sie deshalb, den § 7 a, wie er von der SPD-Fraktion vorgeschlagen worden ist, abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! All das, was Sie, Herr Kollege Arndgen, uns soeben vorgetragen haben, hätte im Ausschuß besprochen werden können.
({0})
- Aber in dem Antrag und auch jetzt wieder ist vorgesehen, daß all diese Dinge über eine bestehende Einrichtung geregelt werden. Diese bestehende Einrichtung könnten notfalls die Krankenkassen sein. Durch Satzung und Regierungsbestimmung können weitere Möglichkeiten eingebaut werden.
({1})
- Die Einrichtung ides Ausgleichsstocks, den wir fordern. Der Ausgleichsstock geht natürlich zu Lasten des Arbeitgebers, und damit erreichen wir, daß der Arbeitnehmer auch tatsächlich in den Genuß dieser Verbesserungen kommt. Ich bin nicht der Meinung, daß Sie den Kontakt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fördern, indem Sie den Arbeitgeber mit dieser Zahlung belasten. Ich sagte Ihnen bereits vorhin: Es wird vielfach so sein, daß der Arbeitgeber, ohne daß er es will,
dazu einfach nicht in der Lage ist. Es kann vorkommen, daß von fünf, sechs Beschäftigten drei, vier Mann plötzlich krank werden.
({2})
- Entschuldigen Sie, Sie haben anscheinend nicht beachtet, daß wir dafür einen Ausgleichsstock wünschen. Das ist unser Anliegen. Ich bin auch der Meinung, daß wir in dieser Stunde noch, wenn Sie unserem Antrag Ihre Zustimmung geben, alle hier angesprochenen offenen Fragen über die Satzung durch Ermächtigung der Bundesregierung oder des zuständigen Ministers regeln können.
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Regling, Sie sind inkonsequent, wenn Sie auf der einen Seite die Auszahlung des Arbeitgeberanteils durch die Krankenkassen ablehnen und ,auf der anderen Seite eine Konstruktion schaffen wollen, die einen Ausgleich über die Krankenkassen ermöglicht. Wenn wir die Auszahlung über die Krankenkassen vorgenommen hätten, wäre es durchaus möglich gewesen, ,daß alle Arbeitgeber bis zu hundert Beschäftigten in den Krankenkassen zusammengefaßt werden und daß innerhalb dieser Arbeitgeber der Risikoausgleich vor sich geht.
Bei der Annahme Ihres Antrags würden wir zwar unter Umständen besondere Härten ausgleichen, aber die Belastung durch den SPD-Antrag wäre über die Ausgleichskassen noch ,das Vierfache größer als nach dem Antrag der CDU/CSU. Wir haben die Belastung des einzelnen Unternehmers durch die Heraufsetzung der Krankenkassenleistung abgemildert. Mit einer neuen Organisation außerhalb oder innerhalb der Krankenkassen wären aber die Verwaltungskosten wesentlich höher als der zu erwartende Ausgleichsbetrag; denn man müßte zuerst einmal individuell auszahlen und die individuelle Auszahlung der Krankenkasse melden. Die Krankenkasse müßte dann die Summe aller Auszahlungen bilden und die Ausgleichsbeträge errechnen. Herr Kollege Regling, wir haben das reiflich geprüft. Auch wir waren unsprünglich der Meinung, daß es -richtiger wäre, es so zu machen, wie Sie es vorschlagen. Wir haben uns jedoch in der Aussprache mit den Krankenkassen und mit den anderen Beteiligten davon überzeugt, daß das nur sehr schwer durchführbar ist.
Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, daß der Anteil des Arbeitgebers so wird, daß er nicht mehr existenzgefährdend wirkt. Wenn Sie nämlich die Tabelle nehmen, die auch Sie sicher errechnet haben, sehen Sie, daß bei einem Wochenlohn von 96,62 DM für den Arbeitgeber ein Ausgleichsbetrag in Höhe von ungefähr 5 DM in Frage kommt.
({0})
- Herr Richter, 90 % des Nettolohns ,bekommt der Arbeitnehmer. Für ihn ist es wichtig, wie sein Unterhalt im Krankheitsfalle sichergestellt wird. Das regeln wir dahin, daß er 90 % seines Nettoeinkommens erhält. Damit haben wir den Lebensunterhalt im Krankheitsfall für den Arbeitnehmer gesichert. Bei der Aufbringung der Mittelmacht die einzelne Belastung nur Pfennigbeträge aus, Herr Kollege Richter. Bei einem Wochenlohn von 100 DM er({1})
höht sich der Krankenversicherungsbeitrag des Arbeitnehmers in Zukunft um 43 Pfennig. Ich glaube, Herr Kollege Richter, jeder Arbeitnehmer, der mit einer Erhöhung von 43 Pfennig bei einem Wochenlohn von 100 DM im Krankheitsfall eine Sicherung von 90 % seines Wochenlohnes hat, wird dieser Regelung dankbar zustimmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stücklen, Sie haben davon gesprochen, der Kollege Regling sei bei seinem Anliegen inkonsequent. Wir sind der Auffassung, daß Ihre Darlegungen nicht folgerichtig sind. Man muß zweierlei unterscheiden: erstens die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung - das ist ein sozialpolitisches Anliegen - unid zweitens - und das ist ein finanzwirtschaftliches Anliegen - die Bewerkstelligung eines Ausgleichs unter den Arbeitgebern, eine Minderung der Risiken.
Herr Kollege Stücklein, in unserem Antrag wird zudem gefordert, daß der Ausgleichsstock bei bestehenden Einrichtungen zu schaffen ist; es entsteht deshalb kein neuer Verwaltungsapparat.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag ,auf Umdruck 1113 Ziffer 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag l ist abgelehnt.
Ich rufe § 8 auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, einer auf Umdruck 1113 Ziffer 7 - eine Neufassung -, der andere auf Umdruck 1190 Ziffer 1, ebenfalls eine Neufassung. Ein dritter Antrag zu § 8, der in dem FVP-Antrag enthalten war, ist vorhin als erledigt bezeichnet worden.
Ich darf fragen, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Herr Kollege Schellenberg, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten beantragen unter Ziffer 7, das Krankengeld nach Ablauf von sechs Wochen auf 75 v. H. des Grundlohnes zu erhöhen.
Es kann nicht bestritten werden, daß bei länger andauernder Krankheit ein Bedürfnis nach erhöhtem sozialem Schutz besteht. Nach den Beschlüssen der Mehrheit des Ausschusses soll das Krankengeld nach Ablauf von sechs Wochen auf 50 v. H. des Grundlohns gesenkt werden. Eine solche Regelung würde nach Auffassung der Sozialdemokraten jede sozialpolitische Konzeption geradezu auf den Kopf stellen. Diese Regelung - sie ist jetzt wieder zum Gegenstand des Antrags der CDU gemacht - entspricht auch nicht den Bedürfnissen der Angestellten, da auch bei ihnen eine wesentliche Minderung ihrer Bezüge bei Krankheit über sechs Wochen eintritt.
Wie hoch stellt sich der finanzielle Aufwand für unseren Antrag? Im Durchschnitt gerechnet bedeutet diese Regelung bei langandauernder Krankheit eine Erhöhung des Krankengeldes von 6 auf 9 DM für den Krankheitsfall. Die gesamten Mehraufwendungen bewegen sich in einer Größenordnung von jährlich '70 Millionen DM. Wenn aber dieser Mehraufwand, der erforderlich ist, um entsprechend unserem Antrag die Menschen bei langandauernder Krankheit ausreichend sozial zu sichern, in Beziehung zu dem gesamten Lohnaufkommen von 70 Milliarden DM gesetzt wird, so ergibt sich, daß er nur 0,1 v. H. des Lohnaufkommens ausmacht.
({0})
- Aber über die anderen Anträge ist gegen unsere Konzeption entschieden worden. Bei dieser Größenordnung ist es nach Auffassung der Sozialdemokraten auch zur Vorbereitung einer vernünftigen sozialen Neugestaltung auch finanziell vertretbar, dem dringenden Anliegen auf Erhöhung des Krankengeldes nach längerer Krankheit zu entsprechen, anstatt es zu senken, wie es in dem Antrag der CDU/CSU vorgesehen ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag Umdruck 1190 ({0}) will die CDU/CSU-Fraktion dem Gesetzentwurf wieder einen § 8 einfügen, der, wie Sie wissen, in der zweiten Lesung gestrichen worden ist. Die Ausschußfassung soll allerdings dahin geändert werden, daß das Krankengeld für die ersten sechs Wochen der Arbeitunfähigkeit nicht um 10 %, sondern um 15 %, also auf 65 % erhöht wird und die Familienzuschläge nicht jeweils 3 %, sondern 4 % und 3 % betragen.
Ich bitte Sie noch, in unserem Änderungsantrag hinter den Worten „für jeden weiteren" das Wort „solchen" einzufügen.
Außerdem darf ich darauf aufmerksam machen, daß in der Gegenüberstellung der Beschlüsse der zweiten Beratung von § 8 die Ziffern 5 bis 9 weggelassen sind. Diese Ziffern sollen in diesen neuen § 8 selbstverständlich wieder aufgenommen werden.
Wir sehen in diesem Vorschlag, den die CDU/ CSU-Fraktion Ihnen hiermit unterbreitet, eine notwendige Verbesserung, die insbesondere auf die kleinen und mittleren Betriebe Rücksicht nimmt. Sie wissen, daß die CDU/CSU-Fraktion das sozialpolitische Grundanliegen dieses Gesetzentwurfs bejaht. Sie ist allerdings der Ansicht, daß bei allen sozialpolitischen Maßnahmen, die wir zu treffen haben, auf die besonderen Bedingungen der kleinen und mittleren Betriebe Rücksicht genommen werden muß. Wir würden eine schlechte Sozialpolitik treiben, wenn wir dies nicht jeweils beachteten.
Zu dem Antrag der SPD, den soeben Herr Kollege Schellenberg begründet hat, darf ich erwähnen, daß auch bei Angestellten nach sechs Wochen der Krankengeldsatz wieder auf 50 % fällt.
({1})
- Wir wollen das beseitigen. Aber das können wir bei diesem Gesetz, Herr Kollege Schellenberg, nicht tun; das ist eine Aufgabe der Gesamtreform der sozialen Krankenversicherung. Sie wissen genauso wie ich, daß hierfür die Vorarbeiten in vollem Gange sind und ,daß die Reform der Krankenversicherung uns im Sozialpolitischen Ausschuß des
({2})
3. Bundestages als eine der ersten Aufgaben beschäftigen wird.
({3})
Diesen Grundsatz haben wir in diesem Gesetzentwurf aus guten Gründen durchgehalten, und ich halte es nach wie vor mit den Freunden von meiner Fraktion für richtig, daß man die kommende Reform nicht unnötig präjudizieren sollte.
Ich bitte Sie also, den Antrag der SPD abzulehnen und unserem Antrag auf Umdruck 1190 zuzustimmen.
({4})
Ich bin dem Herrn Kollegen Ruf sehr dankbar, daß er darauf aufmerksam gemacht hat, daß in der Drucksache 3551 zu § 8 ,die Ziffern 5 bis 9 aus der zweiten Lesung nicht mit abgedruckt sind. Ich lasse das eben noch einmal durch das Büro nachprüfen.
Darf ich fragen, ob zu den soeben begründeten Anträgen noch das Wort gewünscht wird. - Herr Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ruf hat soeben die Auffassung vertreten, daß man unserem Antrag, das Krankengeld nach Ablauf von sechs Wochen zu erhöhen, deshalb nicht zustimmen könne, weil man einer Reform der Krankenversicherung nicht vorgreifen wolle. Aber, Herr Kollege Ruf, gerade das beabsichtigen Sie ja! In Ihrem Antrag werden an neun Stellen die Vorschriften des Zweiten Buchs der Reichsversicherungsordnung - Krankenversicherung - geändert. Sie nehmen also eine Änderung in der Gestaltung der bisherigen Krankenversicherung vor. Was wir beabsichtigen, ist, eine solche Änderung wenigstens sinnvoll zu vollziehen. Eine sinnvolle Neugestaltung wird dadurch eingeleitet, daß den Menschen, die länger arbeitsunfähig sind, eine höhere und eine bessere soziale Sicherung gewährleistet wird.
Die Regelung, die hier namens der CDU/CSU-Fraktion begründet wurde, ist die sogenannte gespaltene Regelung. Was wird durch diese gespaltene Regelung bezweckt? Formal wird das Krankengeld während der ersten sechs Wochen erhöht. Aber der wirtschaftliche Sinn dieser Erhöhung ist nicht eine Verbesserung der Leistung für den erkrankten Menschen, sondern eine finanzielle Beihilfe für die Arbeitgeber. Wenn Sie das wollen, dann hätten Sie, Herr Kollege Stücklen, unserem Antrag auf Errichtung eines Ausgleichsstocks zustimmen müssen, nämlich den Risikoausgleich für die Selbständigen zu verbessern. Aber es ist doch sinnwidrig, wenn Sie unter der Bezeichnung Krankengelderhöhung eine Leistung normieren wollen, die überhaupt nicht dem Erkrankten zugute kommt, sondern die ausschließlich für den Betrieb bestimmt ist.
Bitte, machen Sie sich doch die praktischen Auswirkungen klar! Sie schlagen vor, das Krankengeld für die ersten sechs Wochen nach dem Familienstand zu erhöhen. Was ist die Wirkung jener Maßnahme, die so aussieht, als ob sie familienpolitisch gezielt sei? Tatsache ist aber: Je größer die Zahl der Familienangehörigen ist, um so mehr vermindert sich die Zuschußleistung des Arbeitgebers. Der Familienzuschlag kommt nicht
dem Erkrankten und seiner Familie zugute, sondern dient zur Entlastung des Betriebs.
({0})
Wenn Sie es durchrechnen, werden Sie feststellen, daß nach dem, was Sie beabsichtigen, die tatsächliche Leistung des Unternehmers für einen Beschäftigten mit drei Kindern auf 5 v. H. des Lohns absinkt. Das ist keine sinnvolle Regelung.
Das Anliegen, um das es uns hier geht, ist es, bei längerer Krankheit das Krankengeld zu erhöhen. Dies entspricht einem dringenden sozialpolitischen Gebot für Arbeiter und für Angestellte zugleich.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen zu diesen beiden Anträgen nicht vor. Ich möchte diese beiden Anträge, da bei Annahme eines von ihnen der bisherige § 8 im Text der zweiten Lesung praktisch erledigt sein würde, zunächst zur Abstimmung bringen. - Soeben wird mir ein Eventualantrag zu § 8 überreicht. Darf ich fragen, zu welcher Ziffer des § 8 dieser Antrag gestellt wird? - Herr Abgeordneter Schellenberg!
Der Inhalt dieses Eventualantrags ist, daß, sofern Ihre Konzeption angenommen wird, die Aufwendungen für die Erhöhung des Krankengeldes vom Arbeitgeber zu tragen sind.
Es bleibt immer noch die Frage, zu welcher Ziffer des bisherigen § 8 dieser Antrag gestellt wird oder ob durch ihn eine neue Ziffer eingefügt werden soll.
({0})
- Ich will erst klarstellen, um was es sich handelt; eventuell müssen wir eine Pause machen, sonst kommen wir nicht durch. Es liegt nämlich schon ein weiterer Antrag vor, durch den dem § 8 eine Ziffer 10 angefügt werden soll.
Der Antrag, der soeben eingereicht ist und noch bekanntgegeben wird, ist für die Abstimmung über die zunächst vorliegenden Anträge ohne Bedeutung; er käme nur eventualiter in Frage. Wenn die Anträge angenommen werden, daß der ganze bisherige § 8 fallen soll, brauchen wir über Zusatzanträge nicht mehr abzustimmen. Stellt sich heraus, daß die neuen Anträge nicht angenommen werden, dann müssen wir in einer Pause das, was Herr Kollege Ruf mit Recht angeregt hat, in ganz anderer Weise regeln; ich werde dann noch darauf zurückkommen. Ich bitte also damit einverstanden zu sein, daß wir zunächst die großen Anträge Umdruck 1113 Ziffer 7 und Umdruck 1190 bescheiden. Ich lege sie so aus - und bitte um Ihre Kontrolle -, daß mit der Annahme des Antrages 1113 Ziffer 7, der mir gegenüber dem Antrag der CDU der weitestgehende zu sein scheint, der ganze § 8 in der bisherigen Fassung erledigt sein würde. - Ich höre Ihre Zustimmung und darf das feststellen. Dann stelle ich jetzt also den Antrag Umdruck 1113 Ziffer 7 zur Abstimmung,
({1})
- getrennt nach den Buchstaben a, b und c. Zunächst stimmen wir ab über Ziffer 7, erste Reihe,
die lautet: „Die Reichsversicherungsordnung wird
({2})
wie folgt geändert und ergänzt:" Wer für diese erste Reihe ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ist erledigt. Buchstabe a - ist erledigt, das heißt: abgelehnt. Darüber sind wir uns einig.
Jetzt rufe ich Buchstabe b auf.
Ich beantrage zu Ziffer 7 Umdruck 1113 Buchstabe b namentliche Abstimmung.
Zu Buchstabe b wird namentliche Abstimmung beantragt. Dann frage ich zunächst das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir jetzt vor der namentlichen Abstimmung eine Pause eintreten lassen, und zwar aus folgenden Gründen: Im Präsidium war verabredet, daß die Pause von 12.30 bis 14 Uhr sein sollte, mit Rücksicht darauf, daß die Präsidenten nicht anders zur Verfügung stehen. Herr Abgeordneter Ruf hat ferner mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß durch Beschluß in der zweiten Beratung der ganze § 8 entfallen ist, also auch die Ziffern 5 bis 9. Daher muß durch einen Antrag aus der Mitte des Hauses vorgeschlagen werden, daß der § 8 durch die Ziffern 5 bis 9 wieder ergänzt wird. Das bitte ich schriftlich in der Pause vorzubereiten. Ferner liegt noch ein Antrag des Kollegen Sabel auf Einfügung einer Ziffer 10 vor, der noch vervielfältigt werden müßte, weiter der Eventualantrag, den soeben der Kollege Schellenberg gestellt hat und der auch noch vervielfältigt werden müßte. Wir müssen uns über die Tragweite dieser Abstimmungen klar sein.
Ich unterbreche also jetzt die Sitzung bis 14.05 Uhr.
({0})
Die Sitzung wird fortgesetzt.
Wir fahren in der dritten Beratung des anstehenden Gesetzentwurfs fort.
Wir stehen bei § 8. Die Aussprache ist schon geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 111.3 Ziffer 7 und Umdruck 1190. Zuerst stimmen wir über den Antrag Umdruck 1113 Ziffer 7 ab. Es ist vereinbart, getrennt nach den Buchstaben a, b und c abzustimmen. - Ich kann Übereinstimmung feststellen.
Wir stimmen also zuerst ab über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1113 Ziffer 7, § 8 Buchstabe a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Buchstabe b. Hierzu ist von der Fraktion der SPD namentliche Abstimmung über den Antrag der SPD auf Umdruck 1113 Ziffer 7 beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt, denn es sind mehr als 50 Abgeordnete der SPD anwesend. Wir treten in die Abstimmung ein. -
Ich gebe das Ergebnis') der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 1113 Zif-
*) Vgl. Seite 12633
fer 7 betreffend § 8 Buchstabe b bekannt. Es wurden 352 stimmberechtigte und 13 Berliner Stimmen abgegeben. Mit Ja haben 140 stimmberechtigte und 7 Berliner, mit Nein 209 stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete gestimmt; enthalten haben sich 3 stimmberechtigte und kein Berliner Abgeordneter. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Buchstabe c an der gleichen Stelle.
({0})
- Nach Angabe der Antragsteller erledigt; fällt damit weg.
Nunmehr kommen wir zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1196. Das ist ein Eventualantrag, der jetzt aktuell wird, nachdem der Hauptantrag abgelehnt ist.
({1})
- Auf meinem Umdruck steht 1196; ich kann nicht annehmen, daß die Maschine sich getäuscht hat.
({2})
- Ein Antrag Umdruck 1195 liegt überhaupt nicht vor.
({3})
- Bitte, Herr Professor Schellenberg, vielleicht können Sie es aufklären.
Es liegt ein Antrag der Sozialdemokraten auf Umdruck 1196 vor, den ich vorhin dem Herrn Präsidenten überreicht habe. Es ist jetzt von einigen Kollegen der CDU ein Antrag Umdruck 1195 eingegangen. Inhaltlich stimmen beide Anträge überein.
Ach so, entschuldigen Sie. Es ist jetzt nur die Frage, ob wir zuerst über die Anträge auf Umdruck 1196 und Umdruck 1195 oder über den Antrag auf Umdruck 1190 abstimmen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Zeit haben wir überhaupt keinen § 8. Wir können über den Antrag Sabel und über den Antrag der SPD nicht abstimmen, weil es die vorhergehenden Ziffern des § 8 nicht gibt. Es muß also vorher der CDU/CSU-Antrag angenommen werden.
({0})
Das findet die Zustimmung des Hauses. Wir stimmen also zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1190 ({0}) ab. Wir diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann kommen wir zu den Anträgen auf Umdruck 1195 und 1196, die inhaltlich gleich sind. Ich muß also in der Reihenfolge des Eingangs abstimmen lassen. Oder einigen sich die Antragsteller?
({1})
- Herr Abgeordneter Sabel zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident, ich darf darauf hinweisen, daß diese Anträge noch nicht begründet worden sind. Ihr Vorgänger hat vor der Pause erklärt, daß wir die Anträge nach der Pause behandeln würden und daß sie dann noch begründet werden könnten.
({0})
Ist das Haus damit einverstanden, daß die Anträge noch begründet werden und daß wir notfalls in eine Aussprache eintreten? - Das ist der Fall.
Ich erteile das Wort zur Begründung Herrn Abgeordneten Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag sieht vor, dem § 381 der Reichsversicherungsordnung einen neuen Abs. 5 anzufügen, der besagt, daß die den Krankenkassen durch die Erhöhung des Krankengeldes während der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit entstehenden Mehraufwendungen vom Arbeitgeber in Form eines Zuschlags zum Arbeitgeberanteil zu tragen sind. Sinngemäß entspricht dieser Antrag dem SPD-Antrag auf Umdruck 1196. Ich glaube, man sollte diese Bestimmung dem § 381 RVO anfügen, weil dort die Beiträge zur Krankenversicherung behandelt werden.
In der Ausschußvorlage gingen wir davon aus, daß die Mehrbelastung der Krankenkassen anteilig übernommen werden sollte. Sie sollte von den Beitragsverpflichteten ohne Differenzierung übernommen werden. Die neue Fassung erhöht allerdings wesentlich die Leistung der Krankenkasse und entlastet den Arbeitgeber. Gegen die Regelung, die der Ausschuß gefunden hat, haben Kreise des Mittelstandes eingewandt, bei dieser Lösung könne unter Umständen eine zu starke Belastung der Kleinstbetriebe - die nun die Differenz zwischen Krankengeld und 90 % des Nettolohns zahlen müssen - in Fällen entstehen, in denen der einzige Arbeitnehmer erkranke. Hier ist nun sichergestellt, daß das Risiko verteilt wird. Dagegen haben sich ursprünglich auch die Vertreter des Mittelstandes nicht gewandt; sie haben nur das Risiko, das sich nach der vom Ausschuß vorgeschlagenen Regelung ergeben würde, als zu hoch angesehen. Nachdem die größere Leistung auf die Krankenkasse verlagert wird, wäre es unbillig, jetzt die Mehrbelastung durch den Beitrag wieder so zu verteilen, wie es ursprünglich vorgesehen war. Für die anderen Schichten - ich denke an den Angestellten - trägt ja der Unternehmer das Risiko in den ersten sechs Wochen der Krankheit ganz. Hier würden wir den Zustand erreichen, daß praktisch diese Mehrleistung für die sechs Wochen weitgehend auch durch den eigenen Beitragsanteil des Arbeitnehmers finanziert wird. Wir sind also der Meinung, diese neue Regelung erfordert es, daß diese Mehrbelastung der Krankenkassen nicht gemeinsam von Versicherten und Arbeitgebern getragen wird, sondern dem Arbeitgeber zufällt, der ja auch sonst in anderen Fällen dieses Risiko zu tragen hat.
Ich darf Sie deshalb bitten, dem Antrag zuzustimmen.
Soll auch der Antrag Umdruck 1196 begründet werden? - Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat bewußt das Hohe Haus ersucht, keine Erhöhung des Krankengeldes vorzunehmen, sondern das Krankengeld, so wie es seither üblich ist, auf 50 % des Grundlohnes d. h. praktisch 50 % ,des Bruttolohnes, stehenzulassen. Sie haben mit Mehrheit gegen unsere Stimmen festgelegt, daß das Krankengeld auf 65 % des Grundlohns erhöht werden soll, das bedeutet praktisch auf zirka 75, ja 80 % des Nettolohnes. Da Sie andererseits beschlossen haben, daß höchstens 90 % des Nettolohnes an Auszahlungen erfolgt, hat der Arbeitgeber praktisch höchstens 10 % zu zahlen. Andererseits ist eine um 15 % höhere Belastung der Krankenkassen hinzugekommen. Sie können diese erhöhte Belastung unmöglich den Arbeitnehmern, wenn auch nur anteilmäßig, zumuten. Sie wissen, wie hoch die gesamten Beiträge zur Sozialversicherung sind. Wir haben deshalb den Antrag gestellt, daß die Mehrkosten, die durch die Erhöhung des Krankengeldsatzes von 50 auf 65 % entstehen, vom Arbeitgeber getragen werden. Meiner Fraktion ist es gleichgültig, ob wir eine diesbezügliche Änderung des § 381 Abs. 5 oder des § 182 Abs. 1 Nr. 2 vornehmen. Wir schließen uns Ihrem Antrag auf Änderung des § 381 an.
Die beiden Anträge sind begründet.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Begründung dieser Anträge scheint mir nicht logisch zu sein. Das Grundprinzip, auf dem sich unsere Sozialversicherung aufbaut, ist das der Parität. Im 1. Deutschen Bundestag haben wir nach vielen Kämpfen und mit vielem Entgegenkommen von beiden Seiten das Prinzip der Parität aufgestellt, das früher ja nicht immer bestanden hat. Ich erinnere daran, daß gerade in der Krankenversicherung früher der Arbeitnehmer zwei Drittel und der Arbeitgeber nur ein Drittel getragen haben. Wir haben im Jahre 1951 in diesem Hohen Hause gemeinsam das Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltungen der Sozialversicherung beschlossen, und dabei sind wir zur Parität gekommen. Wir haben gesagt: Gleiche Rechte sollen für Arbeitnehmer und für Arbeitgeber gelten, in der Verwaltung, in der Beitragsleistung und überall. Eine kleine Ausnahme ist bei der Unfallversicherung geblieben, eine Ausnahme, die eigentlich nicht logisch ist.
Herr Abgeordneter Richter hat gesagt, daß sich durch die vorgeschlagene Regelung für den Arbeitnehmer zu hohe Beiträge ergeben. Meine Damen und Herren, führen Sie sich einmal vor Augen und überlegen Sie: Sind die Anträge in dieser Höhe immer berechtigt? Ist nicht tatsächlich bald ein Zustand erreicht, bei dem die Beiträge zu hoch sind, nicht nur für den Arbeitnehmer, sondern auch für den Arbeitgeber und damit für den Konsumenten zu hoch? Denn der Anteil des Arbeitgebers ist ja keine Leistung, die der Arbeitgeber aus seinen Taschen zahlt, sondern 'dieser Anteil findet in den Preisen seinen Niederschlag. Wenn wir uns, gerade Sie, meine Herren - Herr Richter insbesondere -. über die steigenden Preise beklagen, sollten wir bedenken, daß die Politik, die wir hier in den letzten Jahren getrieben haben, ein wesentlicher Grund dafür ist.
({0})
({1})
Ich möchte einmal an die 'beiden Herren, Herrn Richter und Herrn Sabel, die hier in trauter Gemeinschaft auftreten, die Frage richten, bis zu welcher Höhe nach ihrer Meinung die deutsche Wirtschaft mit Beiträgen und sozialen Aufwendungen noch belastet werden kann, ohne daß das zu entscheidenden Schwierigkeiten in unserer Wirtschaftspolitik führen wird. Diese Zahl sollten Sie mir einmal offen und ehrlich nennen. Wir sind der Meinung, daß sich hier die sogenannte Sozialgemeinschaft bewähren muß. Jeder hat die Hälfte zu tragen; jeder hat gleiche Pflichten und gleiche Rechte.
Infolgedessen müssen wir diesen Antrag ablehnen. Ich stelle darüber hinaus den Antrag, hierüber namentlich abzustimmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vor der Beratung dieses Änderungsantrags über den neuen § 8 abgestimmt. Die Mehrheit des Hauses hat diesen neuen § 8 angenommen, der besagt, daß das auf 65 % erhöhte Krankengeld von der Krankenkasse über die Beitragsleistung aufzubringen ist. Darüber hinaus sind Familienzuschläge bis zur Höchstgrenze von 75 % festgelegt worden. Nun wird der Antrag gestellt, daß die Aufwendungen für die Erhöhung des Krankengeldes von 50 % auf 65 % sowie für die Familienzuschläge einseitig vom Arbeitgeber aufgebracht werden sollen. Da muß ich doch mit aller Bescheidenheit fragen, was diese Teilung: hier Krankenkassenleistung und hier Sonderleistung des Arbeitgebers, überhaupt noch für einen Sinn hat, wenn der Arbeitgeber alles aufzubringen hat. Das ist doch eine Inkonsequenz. Vielleicht ist sie gar nicht gewollt; aber sie liegt darin.
Schauen wir uns nun einmal die große Belastung an und betrachten wir die 'absoluten Zahlen, die dafür in Frage kommen. Nach den Berechnungen des Arbeitsministeriums ist bei der Regelung, wie sie von der Mehrheit des Hauses für § 8 beschlossen worden ist, eine Erhöhung des Krankenkassenbeitrags um 0,85 % erforderlich. Diese 0,85 % verteilen sich nach dem bisherigen Prinzip, daß der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer an der Absicherung des Arbeitnehmers im Krankheitsfall beteiligt sind, auf jeden von beiden mit rund 0,43 %. Das würde bedeuten, daß bei einem Wochenlohn von 100 DM eine zusätzliche Belastung von 43 Pf in der Woche auf den Arbeitnehmer zukommt.
({0})
- Auf den Arbeitgeber genauso viel, Herr Kollege Richter. Aber keiner kann doch hier behaupten, daß bei den heutigen Lohnverhältnissen die Aufteilung der Beiträge in ,der Krankenversicherung: 50 % für den Arbeitgeber und 50 % für den Arbeitnehmer, etwa für den Arbeitnehmer oder den Arbeitgeber nicht tragbar sei.
Die Konsequenzen beim Arbeitgeber hat Herr Atzenroth hier klargelegt.
({1}) : Aha!)
- Ja, sehr verehrter Herr Hansen, es ist doch so, daß der Sozialbeitrag ein Kostenfaktor bei der Kalkulation ist - darüber gibt es gar keinen Zweifel
-, weil es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, daß er sich eine private Notenpresse anschafft und die Gelder für die Sozialbeiträge selbst druckt.
({2})
Er muß diese Beiträge irgendwie auf den Preis abwälzen. Daher ist dieser Beitrag von 0,43 %, den der Arbeitgeber zu zahlen hat, letzten Endes vom Verbraucher aufzubringen.
Aber hier geht es doch um ein Prinzip. Dieses Prinzip besagt, daß der Versicherte - ganz gleich, in welcher Versicherungsstufe er steht, ob es sich um die Krankenkasse oder Invaliden- oder eine andere Versicherung handelt - für die Aufbringung der Versicherungsleistung auch dadurch mitverantwortlich ist, daß er einen entsprechenden Beitrag zahlt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Sozialgesetzgebung nur so gesehen werden darf, daß die soziale Verpflichtung unteilbar ist. Jeder ist im Rahmen seiner finanziellen Lage dafür verantwortlich, daß seine Sicherung im Krankheitsfall, im Unglücksfall, im Alter sichergestellt wird. Deshalb wäre es eine meiner Meinung nach schlechte Übung, wenn wir nun begännen, einen so großen Teil der Arbeitnehmer aus der sozialen Verantwortung zu entlassen. Ich glaube, Sie würden diesem Kreis damit im Prinzip einen schlechten Dienst erweisen.
Ich darf hinzufügen - Herr Atzenroth hat das erwähnt -, daß die Zusammensetzung der Selbstverwaltung paritätisch erfolgt ist. Ich glaube, daß diese Zusammensetzung mit der Verantwortung und der Verpflichtung gleichlaufend sein muß. Man kann nun nicht auf der einen Seite hergehen, die Belastungen nur auf einen abzuwälzen, und auf der anderen Seite die paritätische Besetzung usw. aufrechterhalten wollen. Wir sollten jetzt, nachdem der § 8 angenommen ist und in ihm keine Ausgleichseinrichtungen vorgesehen sind, weil ein Arbeitgeberanteil gefordert wird, von dem wir annehmen und hoffen können, daß er individuell verkraftet werden kann, nicht einen Antrag annehmen, der diese Belastung einseitig auf den Arbeitgeber ohne diese Ausgleichseinrichtungen verlagern will. Ich halte es auch aus staatspolitischen Gründen angesichts der Verantwortung in der Sozialgesetzgebung für notwendig, daß wir diesen Antrag ablehnen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Dr. Berg ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben zur kritischen Würdigung der Vorlagen Umdrucke 1195 und 1196 'bereits alles gesagt; ich schließe mich dem an.
Ich möchte nur an den Herrn Kollegen Sabel eine kleine Frage richten, nämlich die, ob er gegebenenfalls bereit ist, bei der dadurch entstehenden Verletzung der Parität zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern dem Arbeitgeber einen höheren Anteil in der Selbstverwaltung einzuräumen, falls diese gefordert wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir notwendig zu sein,
({0})
noch einige aufklärende Worte zu sagen. Herr Kollege Atzenroth, Sie haben darauf hingewiesen, man salle die Grenze der Belastungsmöglichkeit sehen und beachten. Ich stimme Ihnen da vollkommen zu, muß Ihnen aber sagen, daß wir uns darüber in der Vergangenheit in den Ausschußberatungen sehr stark Gedanken gemacht haben. Ich hätte .gewünscht, daß Sie dabeigewesen wären; dann hätten Sie das gespürt.
Ich darf Ihnen noch folgendes sagen. Der Antrag der SPD, der dem Hause vorliegt, hätte nach den Feststellungen des Arbeitsministeriums bei Zugrundelegung der vorjährigen Lohnhöhe eine Gesamtbelastung von 1,8 Milliarden DM gebracht. Der Ausschußbeschluß bringt eine Gesamtbelastung in der Größenordnung von etwa 600 Millionen DM. Das Ist ein Drittel dessen, was ursprünglich gefordert wurde. Davon ist noch das abzusetzen, was bisher schon durch Branchentarife oder Werkstarife geleistet wird. Sie mögen daraus ersehen, daß wir uns darüber Gedanken gemacht haben; das ist hier ja auch schon einmal zum Ausdruck gekommen. Wir haben gesagt: was SPD will, ist nicht praktikabel, ist im Augenblick nicht durchführbar, weil die Belastung zu hoch ist. Deswegen haben wir den anderen Weg gesucht. Wir haben in der Vergangenheit also schon etwas Verantwortungsbewußtsein bewiesen, und ich wünsche, das wäre überall der Fall.
({1})
Nun zu der Frage der Parität der Beitragsleistung. Ich gebe zu, mir paßt das gar nicht, daß man hier von der Parität abweicht. Aber das wäre nicht notwendig gewesen, wenn man bei den Ausschußbeschlüssen verblieben wäre. Wir wollten ja diesen kleinen Mehrbetrag übernehmen, obschon das ein Schönheitsfehler ist. Also wir hätten uns über diese Frage nicht zu streiten brauchen. Aber nicht wir haben die Änderung des Ausschußbeschlusses herbeigeführt, sondern die anderen, und die müssen sich jetzt einmal Gedanken darüber machen, daß nun hier dieser Schönheitsfehler entsteht.
Dem Kollegen Stücklen möchte ich folgendes erwidern. Er sagt, die Differenz zwischen dem Krankengeld und 90 % des Nettolohns werde vom Unternehmer getragen, mehr könne man ihm aber nicht zumuten. Ich möchte dazu erklären: es verbleibt hier im Schnitt an Belastung etwa 5 % der Lohnsumme.
({2})
Herr Kollege Stücklen, das ist weniger an Belastung, .als sich aus den meisten Tarifverträgen schon heute ergibt. Wir haben für etwa zweieinhalb Millionen Arbeitnehmer Branchentarifverträge und für etwa zwei Millionen Arbeitnehmer Werkvereinbarungen. Was dort der Arbeitgeber zur Überbrückung der Differenz zwischen Krankengeld und Lohn an Leistung übernommen hat, beträgt mehr ,als 5 %.
({3})
- Die Tarifverträge sind natürlich verschieden. Ich gebe Ihnen zu, die Frist beträgt meistens nicht sechs Wochen, sondern vier Wochen; es wird zum Teil eine längere Betriebszugehörigkeit verlangt.
({4})
Aber sie sind materiell weitergehend, und das sollte man berücksichtigen.
Hier geht es einzig und allein darum: nachdem jetzt durch Mehrheitsbeschluß der § 8 geändert ist und die Belastung der Krankenkasse wesentlich höher geworden ist, halten wir es für ein Unrecht, diese Belastung auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Man kann nicht mehr von einer Gleichstellung mit anderen reden - hier ist der Angestellte in Parallele gezogen worden -, sondern hier kann man dann nur von einer Erhöhung des Krankengeldes sprechen, und diese wird eben von beiden Seiten getragen.
Das noch einmal festzustellen schien mir notwendig zu sein.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir müssen uns bei dieser Entscheidung, die zweifellos sehr wichtig ist, über die Grundsätze klarwerden, um die es bei diesem Gesetzentwurf geht. Der Sinn dieser Gesetzgebung soll doch wohl der sein - darin werden Sie hoffentlich zustimmen -, ,die sozialen Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten zu verringern.
({0})
- Dann bedaure ich es, daß Sie einer solchen Konzeption nicht zustimmen. Bisher war dies die Argumentation.
({1})
Durch diese Gesetzgebung sollten die sozialen Differenzierungen vermindert werden. Es steht jetzt offenbar fest, daß Sie dies nicht wollen.
Welche Auswirkung hätte es, wenn der Änderungsantrag nicht angenommen wird? Dann ergibt sich eine Beitragserhöhung, und zwar für die Arbeiter.
({2})
Damit wird der Unterschied in den Beiträgen bei Arbeitern und Angestellten, der schon bisher besteht, weiter vergrößert. Eine solche Regelung dient nicht dem Ausgleich der sozialen Differenzierungen, sondern verstärkt sie noch.
Herr Kollege Atzenroth, Sie haben von Parität gesprochen. Wie ist denn die Lage gegenwärtig? Heute sind die Arbeitgeber und die Angestellten, die einen geringeren Beitrag zu zahlen haben, nicht minder an der Selbstverwaltung beteiligt. Bis jetzt hat niemand von Ihnen erklärt, daß die Arbeiter, weil sie einen höheren Beitrag zahlten, auch stärker als Angestellte an der sozialen Selbstverwaltung hätten beteiligt werden sollen.
({3})
Der hier zur Abstimmung stehende Antrag ist aus Gründen einer besseren sozialen Sicherung berechtigt.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Weshalb sind wir denn von der Ausschußlösung mit 60 % abgekommen und haben wir 65 % vorgesehen? Das
({0})
braucht vor dem Plenum kein Geheimnis zu bleiben. Wir sind von 60 % auf 65 % gegangen, weil wir geglaubt haben, daß wir damit eine Sonderausgleichsregelung entbehren können. Wir hatten nämlich von den Allgemeinen Ortskrankenkassen und von den anderen Krankenkassen die Mittellung bekommen, daß eine Regelung des Ausgleichs in den Krankenkassen einen ungeheuren Verwaltungsaufwand verursachen würde. Da haben wir einen praktischen Weg gesucht, um den Verwaltungsaufwand zu vermeiden.
({1})
Den Weg mit den 65 % haben wir als gerecht und tragbar ,angesehen. Das bedeutet allerdings, daß die zusätzliche Belastung für den Arbeitnehmer, die bisher bei 60 % 35 Pfennig je 100 DM Wochenlohn betragen hätte, in Zukunft 43 Pfennig beträgt. Das glauben wir im Hinblick auf die höhere Leistung dem Arbeitnehmer zumuten zu können.
({2})
Ich würde sehr darum bitten, daß wir uns hier nicht so sehr um das Prinzip streiten, sondern die Sache viel mehr vom sozialen Gesichtspunkt aus sehen
({3})
- ja, vom sozialen Gesichtspunkt aus sehen -, um unseren Arbeitern sagen zu können, daß sie nach der Verabschiedung dieses Gesetzes keine Angst mehr zu haben brauchen, daß ihr Lebensunterhalt im Krankheitsfalle nicht gesichert sei; denn sie werden in Zukunft 90 % des Nettolohnes als Krankengeld erhalten.
({4})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Meine Damen und Herren, zwischen den Antragstellern der Umdrucke 1195 und 1196 besteht Einverständnis darüber, daß Grundlage der Abstimmung nur die Formulierung des Umdrucks 1195 ist.
Hierzu hat der Abgeordnete Atzenroth namentliche Abstimmung beantragt. Wer unterstützt den Antrag auf namentliche Abstimmung? - Das sind mehr als 50 Mitglieder des Hauses. Ich eröffne die namentliche Abstimmung über den Umdruck 1195. -
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1195 bekannt. Abgegebene Stimmen: 344 von Stimmberechtigten und 14 von Berliner Abgeordneten. Mit Ja haben gestimmt 152 Stimmberechtigte und 8 Berliner Abgeordnete, mit Nein 191 Stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete, Enthaltung 1 Stimmberechtigter. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit verbleibt § 8 in der Fassung des vorhin gefaßten Beschlusses.
Ich rufe auf den § 9 a, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1194. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse ,abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1194. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ent-
*) Vgl. Seite 12641 haltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse über ,den § 9 a in der neuen Fassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zur Überschrift. Hierzu liegt der Antrag Umdruck 1113 Ziffer 8 vor. Ist das inzwischen erledigt? -- Ist erledigt; dann brauche ich diesen Punkt nicht mehr zu behandeln.
Damit sind wir am Ende der Einzelberatung zu diesem Gesetzentwurf. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei bittet zur Abhaltung einer Fraktionssitzung um eine Pause von einer halben Stunde. Gemäß dem Brauch unterbrechen wir die Sitzung bis 15.40 Uhr.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir fahren nach der Unterbrechung der Sitzung fort. Wir stehen vor der Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall. Es sollen zunächst Erklärungen zur Abstimmung abgegeben werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und h erren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich zur Schlußabstimmung folgende Erklärung ab.
1. Vor anderthalb Jahren, im September 1955, hat die SPD den Gesetzentwurf über die Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall eingebracht. Die größte Fraktion dieses Hauses, die der CDU/CSU, hat daraufhin im April 1956 auf ihrem Parteitag unter anderem die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausdrücklich als einen ersten und wichtigen Schritt der Sozialreform bezeichnet und erklärt, daß im Interesse des Arbeiters und seiner Familie die Unterschiede zwischen Gehalts- und Lohnfortzahlung bei Krankheit beseitigt werden müßten. Bei der zweiten und dritten Beratung dieses Gesetzes hat niemand in diesem Hause bestreiten können, daß die soziale Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. Dennoch ist die Mehrheit offenbar nicht bereit, die Folgerungen aus dieser Auffassung zu ziehen. Die volle Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfall soll somit weiter nur ein Lippenbekenntnis bleiben.
2. Der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung verbessert zwar die Geldleistung im Krankheitsfall. So wichtig diese wirtschaftlichen Fragen sind, so nachdrücklich muß doch betont werden, daß es um mehr als wirtschaftliche Dinge geht. Es geht um die soziale Gleichstellung der Arbeiter, und diese wird durch den vorliegenden Gesetzentwurf leider nicht verwirklicht.
({0})
3. Durch die Beibehaltung von Karenztagen, die nur für Arbeiter in Betracht kommen, wird dem Arbeiter unterstellt, er sei im Krankheitsfall weniger verantwortungsbewußt als andere Arbeitnehmer. Die Beibehaltung von Karenztagen ist somit eine soziale Diffamierung der Arbeiter.
({1})
({2})
4. Die jetzige Regelung macht eine Erhöhung der Beiträge zur Krankenversicherung um etwa 8 % erforderlich. Die Erhöhung der Beiträge wird lediglich für Arbeiter wirksam. Schon heute haben Arbeiter höhere Krankenkassenbeiträge als andere Arbeitnehmer zu zahlen, obwohl sie bei Krankheit schlechter gestellt sind als ihre anderen Kollegen. Durch die Erhöhung des Beitrages für die Arbeiter wird somit die soziale Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten nicht bereinigt, sondern verstärkt.
5. Die Frage der Finanzierung steht in unlösbarem Zusammenhang mit der politischen Aufgabe, eine Gleichberechtigung aller Arbeitnehmer zu verwirklichen. Gemessen an dieser Zielsetzung kann ein Mehraufwand von anderthalb Prozent des Lohnaufkommens nicht als untragbar abgelehnt werden. Die SPD hat der Frage der Mittelaufbringung für die Gleichstellung der Arbeitnehmer ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet und eine Ausgleichsregelung vorgeschlagen, die den Selbständigen die Sorge um eine Belastung mit dem Risiko der Krankheit ihrer Beschäftigten genommen hätte. Der Gesetzentwurf in der jetzt zur Abstimmung stehenden Fassung schafft keine ausreichende Sicherung der Selbständigen für die erhöhten Zuschußleistungen.
6. Der Gesetzentwurf läßt das dringende sozialpolitische Anliegen, bei Krankheit von einer Dauer über sechs Wochen eine bessere soziale Sicherung durch Erhöhung des Krankengeldes vorzunehmen, ungelöst. Die Konstruktion des vorliegenden Gesetzentwurfs, wonach das Krankengeld bei längerer Krankheit gesenkt werden soll, ist sozialpolitisch völlig unbefriedigend.
Die SPD hat durch ihren Gesetzentwurf vom September 1955 den Anstoß zu einer sozialen Neuordnung zur Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfalle gegeben. Wenn auch dieses Ziel wegen der Entscheidung der Mehrheit dieses Hauses jetzt nicht zur Verwirklichung kommt, so wird die Sozialdemokratie dennoch dem Gesetzentwurf zustimmen, weil durch ihre Initiative eine gewisse, wenn auch unzureichende, Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiter im Krankheitsfalle erreicht wird.
({3})
Die volle soziale Gleichstellung aller Arbeitnehmer im Krankheitsfalle wird auch nach Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden, bis sie gesetzlich verankert ist.
({4})
Die Sozialdemokraten werden im neuen Bundestag sofort die Initiative ergreifen, um dieses berechtigte soziale Anliegen der Arbeiterschaft endlich zur Verwirklichung zu bringen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Dr. Berg ({0}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei ({1}) gebe ich folgende Erklärung ab.
Die Fraktion der Deutschen Partei ({2}) wird mit überwiegender Mehrheit der Vorlage ihre Zustimmung nicht geben. Die Vorlage
enthält nach Ansicht unserer Freunde zu viele Gefahrenelemente für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer. Es wäre besser gewesen - unsere Kollegin Frau Kalinke hat oft darauf hingewiesen -, man hätte sich an die notwendig gewordene Neuordnung der Krankengeldprobleme durch Teillösungen behutsam herangetastet, um der endgültigen Regelung in der Reform der Krankenversicherung nicht vorzugreifen.
Das Gesetz, das hier zustande gekommen ist, bedeutet Unrecht für den lohnintensiven gewerblichen Mittelstand. Es benachteiligt bei eingeschränkter Arbeitsmarktlage die Alten, die gesundheitlich Behinderten, die Frauen, und es bedeutet einen folgenschweren Einbruch des versorgungsstaatlichen Denkens in die bisher gültigen Versicherungsgrundsätze. Die Deutsche Partei ({3}) gibt ihrem Bedauern darüber Ausdruck, daß das auch von ihr bejahte Prinzip der Gleichwertigkeit der Arbeitnehmergruppen einer wirklichen und brauchbaren Lösung nicht nähergekommen ist.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Für die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Das hier zu verabschiedende Gesetz läßt den berechtigten Wunsch der Arbeiter nach Gleichstellung im Krankheitsfall unerfüllt. Wir bedauern, daß trotz des so oft zitierten deutschen Wirtschaftswunders diese längst fällige sozial gerechte Lösung für die Arbeiterschaft nicht erreicht wird. Das Profitdenken scheint Ihnen oft höher zu stehen,
({0})
obwohl gerade dem Fleiß und der Tüchtigkeit der Arbeiterschaft die wirtschaftlichen Erfolge mit zu verdanken sind.
Wir haben aus unserer sozialen Verpflichtung heraus allen Anträgen der SPD unsere Unterstützung gegeben. Wenn wir diesem Gesetz trotzdem mit großem Bedenken zustimmen, so nur deshalb, weil gewisse, wenn auch sehr unzulängliche Verbesserungen darin enthalten sind. Einer hoffentlich recht nahen Zukunft wird es vorbehalten bleiben, die leider weiterhin bestehende ungerechte Behandlung des Arbeiters restlos zu beseitigen und seinen berechtigten Wunsch nach sozialer Gleichstellung im Krankheitsfall voll und ganz zu erfüllen. Wir werden an diesem Ziele auch weiterhin festhalten und bis zu seiner Erreichung hieran mitarbeiten.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um die Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung und einigen wenigen Gegenstimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe als nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
({0})
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Adenauer, Dr. Dr. h. c. Erhard, Blank ({1}), Häussler, Arndgen, Hahn, Stücklen, Cillien, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU, Dr. Elbrächter, Dr. Brühler und Fraktion der DP ({2}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand ({3}).
Das Wort zur Begründung des Gesetzentwurfs hat der Abgeordnete Blank.
Blank ({4}) ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten Dr. Adenauer, Dr. Erhard, Blank, Häussler, Arndgen, Hahn, Stücklen, Cillien, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU, Dr. Elbrächter, Dr. Brühler und Fraktion der DP ({6}) legen dem Hohen Hause den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die Überführung der Anteilsrechte in private Hand vor. Gestatten Sie mir bitte, den Gesetzentwurf für meine Fraktion zu begründen.
Auf dem diesjährigen Hamburger Parteitag hat die Christlich-Demokratische Union durch Ihren Sprecher, Herrn Prof. Dr. Erhard, verkünden lassen, daß ihre Fraktion einen Initiativgesetzentwurf, der die Überführung des Volkswagenwerks in breitgestreuten Privatbesitz zum Inhalt habe, einbringen werde. Mit dem vorliegenden Entwurf erfüllt die Fraktion der CDU/CSU diese Ankündigung. Wir sind glücklich darüber, daß sich unser Koalitionspartner, die Fraktion der DP ({7}), unserem Antrag angeschlossen hat, dies um so mehr, da sich diese Fraktion schon im vergangenen Jahre bemüht hat, die Privatisierung des Volkswagenwerks zu erreichen.
({8})
- Meines Wissens gehört Herr Hellwege nicht zu dieser Fraktion. Ich sprach von der Fraktion.
So richtig es ist, daß der vorliegende Entwurf, der sich mit der Überführung eines ganz bestimmten Unternehmens in breitgestreuten Privatbesitz befaßt, erst kürzlich entstanden ist, so falsch wäre es, anzunehmen, daß sein Grundgedanke erst neuerdings bei der Christlich-Demokratischen Union Heimatrechte gefunden hätte.
({9})
- Herr Atzenroth, daß müßten Sie wissen; denn schließlich gäbe es die Wirtschaftspolitik, der Sie ja gar nicht ablehnend gegenüberstehen, nicht, wenn es nicht seit über acht Jahren die ChristlichDemokratische Union mit ihrer wirtschaftspolitischen Auffassung gäbe.
({10})
Der Grundgedanke, Eigentum an Produktionsmitteln breit zu streuen und allen Volksschichten zugänglich zu machen, ist in der CDU immer lebendig gewesen.
({11})
Ihr wirtschaftspolitisches Wollen ist geradezu auf diesen Gedanken ausgerichtet.
({12})
Ich habe in diesen Tagen die Wortprotokolle aller Parteitage der CDU und viele Reden ihrer führenden Männer nachgelesen und könnte Ihnen, meine Damen und Herren, so viele diesbezügliche Ausführungen zitieren, daß schon damit meine Rede zu lang würde.
({13})
- Ich fange ganz gern bei Karl Arnold an. Vielleicht haben Sie sich bemüht, wenigstens einiges darüber nachzulesen, was Karl Arnold in Bochum und auf dem Parteitag der CDU gesagt hat, als er über das Thema „Eigentum für alle" gesprochen hat.
({14})
Ich will aber Ihre Geduld nicht über Gebühr beanspruchen. Sie scheinen die Fähigkeit verloren zu haben, Meinungen zu hören.
({15}) Das ist sehr bedauerlich.
({16})
Es wäre besser, wenn Sie sich bemühen wollten, die Meinung, die ich vortrage, anzuhören und Ihre Meinung dagegenzusetzen. Die Entscheidung darüber, welche Meinung im Volke ankommt, werden wir ja in Kürze erleben.
Ich darf Sie daher bitten, mir zu gestatten, den Grundgedanken in gedrängter Kürze darzustellen. Wir gehen davon aus, daß die Entfaltung der menschlichen Person das Ziel aller Politik sein muß. Auch der Staat, die Gesellschaft und die Wirtschaft haben auf dieses Ziel hinzuwirken. Zur Entfaltung der menschlichen Person ist Eigentum eine der bedeutsamsten Voraussetzungen. Nur über das persönliche Eigentum geht der Weg zu mehr Freiheit, größerer Selbständigkeit und größerer Verantwortungsbereitschaft.
({17})
Das aber sind allein die Grundlagen, auf denen ein demokratischer, sozialer Rechtsstaat gedeihen kann. Ich hoffe, daß Sie das nicht bestreiten.
({18})
- Doch, Sie dürfen sehr viel sagen, Sie dürfen sich nachher sogar zu Wort melden, Sie dürfen auch Zwischenrufe machen; diese müssen allerdings dem Thema angepaßt sein.
Es gibt sehr viele Möglichkeiten der Eigentumsbildung. Einige sind mit Erfolg genutzt worden, z. B. im Familienheimgesetz. Bisher ist jedoch nichts geschehen, um breiten Schichten des Volkes Eigentum an Produktionsmitteln zugänglich zu machen. Gerade darauf kommt es aber an, um den unseligen Zwiespalt zwischen Arbeit und Kapital zu verringern und endgültig zu beseitigen.
Und nun, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Linken, möchte ich Ihnen ganz klar sagen: wir sind der Auffassung, daß die Sozialisierung keine Lösung dieses Problems bietet.
({19})
({20})
Ich weiß, daß bei Ihnen gegenwärtig Auseinandersetzungen über diesen Begriff stattfinden, und mir ist aus Pressemeldungen bekannt, daß es die eine Äußerung von Ihnen gibt und daß am nächsten Tag ein anderer diese Außerung anders interpretieren muß.
Ich möchte in aller Klarheit sagen, daß die Frage der Eigentumsbildung in privater Hand durch keine Sozialisierung gelöst werden kann, ganz gleich, in welchem Reformschema sie auftritt;
({21})
denn das gemeinsame Eigentum, das damit begründet werden soll, ist und bleibt eine Fiktion, und zwar deshalb, weil es nicht mobilisierbar und weil es für den einzelnen auch nicht realisierbar ist. Es ist nicht wahr, daß die wirtschaftliche und die soziale Lage der Arbeitnehmerschaft in Betrieben, die der Öffentlichkeit gehören, sei es dem Staat, sei es irgendeiner anderen Körperschaft, besser sei als in den Unternehmen, die sich in privater Hand befinden; das wissen wir aus leidvoller Erfahrung.
({22})
Wir sind im übrigen der Meinung, daß der Staat auch nicht die Aufgabe hat, Eigentum für sich zu erwerben. Nach unserer Auffassung hat der Staat vielmehr die Aufgabe, seinen Bürgern den Weg zu Eigentum zu eröffnen. Wir meinen des weiteren sogar, daß sich der Staat von dem Eigentum trennen soll, das zur Erfüllung seiner Aufgaben nicht unbedingt erforderlich ist.
Es wird niemand bestreiten, daß es Unternehmen gibt, die sich ihrer ganzen Natur nach im Eigentum des Staates oder einer Gebietskörperschaft befinden müssen und ihre Aufgaben gut erfüllen. Wir denken nicht daran, an diesem Zustand etwas zu ändern. Aber ebenso klar möchten wir zum Ausdruck bringen, daß der Umfang des Vermögens, das sich der Staat an Produktionskapital im Laufe der Jahre zugelegt hat, weit den Rahmen dessen übersteigt, was er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht, ja sogar, daß sich der Staat in vielen Fällen wirtschaftlich auf einem Gebiet betätigt, das überhaupt nicht sein Aufgabengebiet darstellt. Wenn die Staatsbürger die Möglichkeit zu wirtschaften haben, wenn die Staatsbürger die Möglichkeit haben, Eigentum zu erwerben, wenn die Staatsbürger die Möglichkeit haben, Verantwortung zu übernehmen, dann bildet sich - bei allen Schwächen, die menschlichem Werk anhaften -- eine Gesellschaft, die in sich gesund ist. Wir sind der Meinung, daß sich nur auf einer gesunden Gesellschaft ein gesunder Staat aufbauen kann.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir uns überlegt, wie wir dieser Frage nähertreten könnten. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es hier keine Patentlösung schlechthin gibt, die für alle nur denkbaren Fälle die richtige wäre. Ihnen ist ja genauso gut wie meinen Freunden bekannt, daß in den letzten Jahren eine Fülle von Literatur über diese Fragen entstanden ist, daß es die unterschiedlichsten Auffassungen und Meinungen gibt und daß die Diskussionen darüber zum Teil mit Leidenschaft geführt werden. Wir waren uns darüber klar, daß wir, wenn wir diese Diskussionen fortsetzen würden, wahrscheinlich zur weiteren Klärung beitragen könnten, daß damit aber ein Anfang nicht gesetzt werden könnte.
Es kommt darauf an, endlich einmal an einem Punkte zu beginnen.
Wir sind nicht so überheblich, von vornherein zu behaupten, daß unserem Vorschlage keine Mängel anhaften könnten. Wir sind nicht so überheblich, zu behaupten, daß damit diese Frage einer abschließenden Lösung zugeführt sei. Wir sind vielmehr heute wiederum genau wie im Jahre 1948, als wir mit dem Wirtschaftsleitsätze-Gesetz die Wirtschaftspolitik begründeten, deren Erfolge heute niemand in Deutschland und in der Welt ernsthaft bestreiten kann, der Meinung, daß es darauf ankommt, nicht mehr zu theoretisieren, sondern einen sichtbaren Anfang zu setzen.
({23})
Deshalb, und weil auch die Arbeiterschaft und breite Schichten des. Deutschen Volkes nunmehr in Einkommensverhältnisse hineinwachsen, die es ihnen ermöglichen, Ersparnisse anzulegen, meinen wir, daß es jetzt auch Wege geben müsse, diese Ersparnisse so anzulegen, daß damit der Sparer auch Eigentümer an Produktivkapital wird. Wir wissen, daß nicht alle Menschen gleichermaßen das Verlangen haben, Eigentum dieser Art zu erwerben. Wir wissen aber, daß weithin im deutschen Volke und auch in der deutschen Arbeiterschaft eine Bereitschaft besteht, diese Art Vermögensbildung zu betreiben, und wir wären töricht, wenn wir diesem Verlangen nicht Rechnung tragen wollten.
Aus diesem Grunde haben die von mir genannten Abgeordneten und die von mir genannten Fraktionen den Gesetzentwurf vorgelegt.
({24})
- Ich würde nicht so voreilig sein. Ich habe immer unter der Voraussetzung, daß diese Pressemitteilungen die Wahrheit genau wiedergeben - gelesen, daß nach Herrn Ollenhauers Worten die Sozialdemokratie gegen eine Privatisierung des Volkswagenwerkes sei, wie sie die CDU durch Ausgabe der Volksaktien vornehmen wolle, daß er aber hinzugefügt habe, man müsse erst den Initiativgesetzentwurf der Christlichen Demokraten abwarten, bevor man endgültig sagen könne, ob man diesem Entwurf die Zustimmung versage. Ich würde Ihnen also raten, sich zunächst einmal mit diesem Entwurf zu beschäftigen und, wie es Herr Ollenhauer gesagt hat, dann erst zu prüfen, ob Sie glauben, dem Entwurf Ihre Zustimmung geben zu können oder sie ihm versagen zu müssen.
Ich darf Sie noch daran erinnern, daß man in Österreich in einer ähnlichen Weise mit den Stimmen der Christlichen Demokraten und der österreichischen Sozialdemokraten eine Privatisierung vorgenommen hat. Sie wissen doch, daß dieses gemeinsame politische Werk beim österreichischen Volk sehr gut aufgenommen worden ist.
Dieser Entwurf kommt zwar spät - ich gebe unumwunden zu, daß wir allzulang in dieser Frage theoretisiert und uns erst reichlich spät zur Tat aufgerafft haben -, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nie zu spät, wenn man etwas Entscheidendes will, und einmal muß ein Anfang gesetzt werden.
Nun lassen Sie uns gemeinsam diesen Gesetzentwurf betrachten. Wir wollen einmal sehen, ob er in allem und jedem so konträr zu Ihrem Denken ist, daß er bei Ihnen unbedingt auf Ablehnung stoßen müßte. Ich darf daher, ohne Ihre Geduld
({25})
über Gebühr in Anspruch zu nehmen, einiges aus diesem Antrag erläutern.
Der Gesetzentwurf, den wir Ihnen vorlegen, muß, wenn wir unseren Plan verwirklichen wollen, zunächst einmal die Eigentumsverhältnisse am Volkswagenwerk regeln. Die Anteile der Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung lagen bis zum Zusammenbruch im Jahre 1945 bei zwei Tochtergesellschaften der Deutschen Arbeitsfront, bei der Treuhandgesellschaft für wirtschaftliche Unternehmungen der DAF und der Vermögensverwaltung der DAF GmbH. Diese beiden Gesellschaften sind nach den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 2 ohne Liquidation erloschen. Damit sind die Geschäftsanteile herrenlos geworden.
Lediglich die Verwaltung des Volkswagenwerks - das wird Sie vielleicht interessieren, Herr Stegner, der Sie soeben nach der Haltung des Herrn Hellwege fragten - ist durch die Verordnung Nr. 202 der Britischen Militärregierung dahingehend geregelt, daß die Kontrolle im Namen und unter Weisung der Bundesregierung vom Lande Niedersachsen ausgeübt wird. Dieses Verwaltungsrecht ermächtigt aber nicht zur Verfügung über die Anteile an der Gesellschaft. Hierzu muß durch das Gesetz die Inhaberschaft des Bundes hinsichtlich der Geschäftsanteile begründet werden.
Deshalb wird im § 1 des Gesetzes bestimmt, daß die Geschäftsanteile mit Wirkung vom 24. Mai 1949, dem Tage des Inkrafttretens des Grundgesetzes, der Bundesrepublik Deutschland zustehen. Ich glaube, damit ist ein Grundsatz ausgesprochen, über den wir uns auch mit der Sozialdemokratie unterhalten könnten; denn daß die Eigentumsfrage, die in der Schwebe befindlich ist, geklärt werden muß, bedarf keiner Frage.
Die Schaffung einer Volksaktie setzt voraus, daß die Volkswagenwerk Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die bisher das Volkswagenwerk betreibt, in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird.
Ferner muß das Grundkapital dieser Gesellschaft neu festgesetzt werden, da die bisherige Gesellschaft mit einem Stammkapital von 60 Millionen DM bei einem Anlagevermögen von rund 300 Millionen DM und bei einem jährlichen Umsatz von etwa 1,5 Milliarden DM sehr erheblich unterkapitalisiert ist. Das Grundkapital der neuen Gesellschaft muß nach Möglichkeit dem wahren Wert des Werkes sowohl der Substanz als auch der Ertragslage nach entsprechen.
Wenn es das Ziel des Gesetzes ist, die breiten Schichten unseres Volkes zu Eigentümern des Volkswagenwerks zu machen, dann müssen wir verhindern, daß einige wenige Große die Aktien des Volkswagenwerks aufkaufen und dieses Werk beherrschen. Um dies sicherzustellen, sollen die Aktien der neuen Gesellschaft als gebundene Namensaktien ausgegeben und nur unter bestimmten Voraussetzungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats der Gesellschaft veräußert und übertragen werden können.
Im wesentlichen soll damit nach dem § 4 unseres Gesetzesantrags sichergestellt werden, daß niemand Aktien mit einem höheren Nennbetrag als dem zwanzigtausendsten Teil des Grundkapitals erwerben kann. Das würde bedeuten, daß bei einem angenommenen Grundkapital von etwa 500 Millionen DM jeder höchstens Aktien mit einem
Nennbetrag von insgesamt 25 000 DM kaufen kann. Diese Aktien dürfen nicht an juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts oder an Personenmehrheiten übertragen werden. Insbesondere können deshalb auch Aktiengesellschaften, Handelsgesellschaften oder Gesellschaften des bürgerlichen Rechts Aktien nicht erwerben. Damit wird der Einfluß der großen Konzerne ausgeschlossen und auch sichergestellt, daß nicht etwa Konkurrenzfirmen das Volkswagenwerk aufkaufen.
Eine Ausnahme gilt für die Kapitalanlagegesellschaften, da sie ebenfalls den Zweck verfolgen, den kleinen Sparer am industriellen Eigentum zu beteiligen. Jedoch sollen diese Kapitalanlagegesellschaften in ihrer Gesamtheit nicht mehr als ein Drittel des Grundkapitals des Volkswagenwerkes erwerben dürfen, damit nicht der direkte Aktienbesitz zu sehr beschnitten wird. Um das Volkswagenwerk auch nicht unter den beherrschenden Einfluß dieser Kapitalanlagegesellschaften kommen zu lassen, ist ferner vorgesehen, daß das Stimmrecht, das einer einzelnen Kapitalanlagegesellschaft aus ihren Aktien zusteht, im Höchstfalle in Höhe der Stimmenzahl ausgeübt werden kann, die auf ein Hundertstel des Grundkapitals entfällt.
Eine weitere Ausnahme bildet die Übertragung auf eine Bank oder Sparkasse zur Ausübung des Stimmrechts, die eine Vertretung der Kleinaktionäre in der Hauptversammlung erleichtern soll. Aber auch insoweit ist, um nicht eine Machtkonzentration in der Hand der Banken zu ermöglichen, vorgesehen, daß die Gesamtheit derartiger Übertragungen des Stimmrechts auf Kreditinstitute nicht über ein Drittel des Grundkapitals hinausgehen darf.
Für den Fall der Ausgabe junger Aktien bei einer Kapitalerhöhung sieht unser Entwurf in seinem § 6 ähnliche Einschränkungen für den Erwerb junger Aktien vor.
Entsprechend der Beschränkung der Möglichkeit des Erwerbs von Aktien auf den zwanzigtausendsten Teil des Grundkapitals soll auch das Stimmrecht für den einzelnen Aktionär im Höchstfalle auf diesen Anteil beschränkt werden, selbst wenn sein Aktienbesitz zusammen mit einem z. B. durch Erbgang erfolgten Erwerb von Aktien größer als dieser Betrag sein sollte.
Ebenso soll sich auch das Stimmrecht des Bundes aus den noch bei ihm liegenden Aktien nach Ablauf von drei Jahren auf diesen Anteil beschränken, selbst wenn ,der Bund dann noch im Besitz eines größeren Pakets sein sollte. Wir wollen damit einen indirekten Zwang auf den Bund ausüben, sich um eine möglichst baldige Veräußerung der Aktien zu bemühen.
Bei einer breiten Streuung dieser Aktien wird damit zu rechnen sein, daß die kleineren Aktionäre nicht selber ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung ausüben. Sie werden es häufig den Kreditinstituten übertragen, bei denen sie die Aktien erworben und denen sie diese zur Verwahrung anvertraut haben. Ich habe bereits erwähnt, daß dieser Übertragung des Stimmrechts auf die Kreditinstitute eine gewisse Grenze gezogen ist.
Darüber hinaus will das Gesetz durch Vorschriften - Verpflichtung zur Einholung schriftlicher Weisung für jeden Tagesordnungspunkt einer Hauptversammlung, zur Einhaltung dieser Weisung, zur Stimmenthaltung bei Ausbleiben einer schriftlichen
({26})
Weisung - die Garantie schaffen, daß der wirkliche Wille der Kleinaktionäre durch die Kreditinstitute in der Hauptversammlung vertreten wird, wie wir es in § 4 Nr. 1 Buchstabe b und in § 5 niedergelegt haben.
Außer diesem eingeschränkten Stimmrecht, das die Kreditinstitute für die Kleinaktionäre ausüben können, sollen Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, also Personen, die nicht als wirtschaftliche Machtgruppen angesprochen werden können, aber dennoch die nötigen wirtschaftlichen und rechtlichen Erfahrungen besitzen, als Bevollmächtigte in der Hauptversammlung auftreten dürfen. Auch hier trägt jedoch das Gesetz, um von vornherein Ansatzpunkte für Konzentrationen auszuschalten, Sorge dafür, daß ein einzelner Bevollmächtigter das Stimmrecht nur für Aktien bis zu einem Gesamtbetrag ausüben darf, der dem 500. Teil des Grundkapitals entspricht. Man wird diese Grenze schwerlich niedriger festsetzen können, wenn man bei den guten Kräften dieser Berufsgruppen ein Interesse für diese Art der Betätigung ihres Sachverstandes wecken will.
Damit die wirtschaftlich schwächeren Schichten auch wirklich in der Lage sind, Aktien zu erwerben, bestimmt das Gesetz, daß das Volkswagenwerk im Gegensatz zu dem im Aktiengesetz vorgeschriebenen Mindestnennbetrag von 100 DM Aktien mit einem Nennbetrag von nur 50 DM ausgeben darf, und sieht ferner vor, daß die Gesellschaft von dieser Möglichkeit in angemessenem Umfang Gebrauch macht.
Als weitere Maßnahme zur Erleichterung des Aktienerwerbs für diese Personenkreise soll der Bund den Käufern mit einem mittleren oder kleinen Einkommen einen Preisnachlaß gewähren. Dieser soll bei Personen, die ein Einkommen bis zu 9000 DM jährlich haben, 20 % und bei Personen, deren Einkommen zwischen 9000 und 15 000 DM liegt, 10 % betragen. Dieser Preisnachlaß ist jedoch von einer Festlegung des Aktienbesitzes für die Dauer von drei Jahren in der Hand des Erwerbers abhängig.
Ferner räumt das Gesetz den Arbeitnehmern des Volkswagenwerks im Hinblick auf den Anteil, den sie durch ihre Mitarbeit am Aufbau und an der Fortentwicklung des Werks geleistet haben, beim Aktienerwerb eine Vorzugsstellung ein. Der Bund muß für sie so viele Aktien reservieren, daß jeder Arbeitnehmer Aktien in Höhe eines Nennbetrags von 1000 DM erhalten kann. Das Gesetz gibt also diesem Kreis des Volkswagenwerks ein Recht zum Bezug von Aktien, wobei entsprechend der Einkommensstufe der einzelne in den Genuß des eben genannten Preisnachlasses kommt. Darüber hinaus wird sichergestellt, daß der Arbeitnehmer des Volkswagenwerks die Aktien auf jeden Fall zum Einführungskurs oder, falls sich bis zum Zeitpunkt des Erwerbs ein niedrigerer Kurs gebildet haben sollte, zu diesem niedrigeren Kurs erwerben kann.
Nach der Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft sind die Aktien unverzüglich an der Börse einzuführen. Den Einführungskurs soll der Bundesminister der Finanzen auf Grund einer gutachtlichen Stellungnahme der Deutschen Revisions- und Treuhand-AG festsetzen, damit die Gewähr dafür gegeben ist, daß der Kurs der Aktie dem wahren Wert des Anteils entspricht und somit das Bundesvermögen nicht geschädigt und der Erwerber nicht übervorteilt wird.
Im Anschluß an die Einführung hat die Bundesregierung die Aktien dann möglichst zügig zu veräußern. Von der Setzung eines Termins, bis zu dem die Veräußerung durchgeführt sein muß, ist jedoch bewußt abgesehen worden, weil eine solche Befristung unter Umständen nachteilige Folgen für die Kursentwicklung haben könnte. Auch soll sich die Veräußerung der Lage des Kapitalmarkts anpassen. Infolgedessen hebt das Gesetz ausdrücklich hervor, daß die Veräußerung, abgesehen von dem Angebot an die Belegschaft des Volkswagenwerks, entsprechend der Börsennachfrage zu erfolgen hat.
Ferner wird im Interesse der Bildung eines stabilen Kurses bestimmt, daß bis zum Ablauf von sechs Monaten seit der Börseneinführung die Aktien nicht zu einem niedrigeren Kurse als dem Einführungskurse abgegeben werden dürfen. Es ist anzunehmen, daß sich nach Ablauf dieser Zeit ein angemessener Kurs eingespielt haben wird. Dann aber muß dieser Kurs auch als ein angemessener Preis gelten, der den Erfordernissen des § 47 Absatz 1 der Reichshaushaltsordnung entspricht, wonach Gegenstände, die im Eigentum des Bundes stehen, nur gegen einen dem vollen Wert entsprechenden Preis veräußert werden dürfen.
Diese Bestimmung des vorliegenden Gesetzes bedeutet gleichzeitig, daß nach Ablauf der sechs Monate die Aktien von seiten des Bundes nicht mit der Begründung zurückgehalten werden dürfen, der Börsenkurs sei zu niedrig.
Der Erlös aus der Veräußerung der Aktien des Volkswagenwerks soll der Wirtschaft in den Gebieten Deutschlands zugute kommen, die infolge ihrer Abtrennung von der Bundesrepublik nicht an der Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft der Bundesrepublik haben teilnehmen können. Dies gilt in erster Linie für die Wirtschaft in der sowjetisch besetzten Zone.
({27})
Wenn wir diese Bestimmung in das Gesetz aufnehmen, ist das zugleich auch ein wirtschaftspolitisches Bekenntnis für die Wiedervereinigung Deutschlands.
({28})
Ganz klar: Wir werden das dem Privateigentum
angetane Unrecht - auch an Produktionsmitteln
- in einer billigen Weise wiedergutzumachen haben, sobald Deutschland wiedervereinigt ist.
({29})
- Im Ahlener Programm, das Sie einmal sehr genau nachlesen sollten und dessen Bedeutung ganz groß war, - ({30})
- Ich mache Ihnen gleich klar, warum diese Bedeutung so groß war; denn damals drohte der deutschen Wirtschaft mehr als die Sozialisierung. Damals drohte der deutschen Wirtschaft -da die Alliierten von der Überlegung ausgingen, daß am Nationalsozialismus und dem von ihm angerichteten Unheil nur die deutschen Unternehmer die Schuld trügen - eine Ausplünderung, die, wenn sie vollends in die Tat umgesetzt worden wäre, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit auf Jahrzehnte hinaus bettelarm gemacht hätte.
({31})
({32})
Wir haben damals u. a. mit dem Ahlener Programm der Weltöffentlichkeit gezeigt, daß wir Christlichen Demokraten eine solche Ausplünderung nicht mitmachen, und wir haben klar in das Programm hineingeschrieben, wir könnten nicht zulassen, daß mit dem deutschen Eigentum so verfahren würde.
({33})
Im übrigen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, sollten Sie bei der Unklarheit in Ihren eigenen Reihen über das, was Sozialismus ist, weiß Gott nicht bei uns anfragen, wie es um das Ahlener Programm steht.
({34})
Damit aber in diesem Raum noch einmal das gesagt wird - was stehenbleiben muß -, was manchmal unklar damit ausgedrückt wird, daß die sozialen Errungenschaften im Falle der Wiedervereinigung Deutschlands beibehalten werd en müßten, sage ich Ihnen heute schon ganz klar: Wir sind glücklich darüber, durch unsere Wirtschaftspolitik in Deutschland eine Vermögensbildung betrieben zu haben, an der wir jetzt breite Schichten teilnehmen lassen wollen. Diese Vermögensbildung ermöglicht es uns, die sozialisierte Wirtschaft wieder zu einer Ertragswirtschaft in privater Hand zu machen.
({35})
Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands soll mit diesen Mitteln die Wirtschaft der Saar - ({36})
- Ich bin sehr daran interessiert, daß Sie sich in der Diskussion zu diesem Punkt äußern. Wir und die deutsche Öffentlichkeit warten darauf.
({37})
- Wir wissen es leider nicht genau von Ihnen, und wir begrüßen die Gelegenheit, daß Sie dazu Stellung nehmen müssen. Denn hier muß Klarheit bestehen. Hier müssen wir wissen, was gewollt ist.
({38})
- Aber, Herr Stegner, Sie gehören doch nicht zur Sozialdemokratie,
({39})
ich dachte nur Herr Heinemann und Frau Wessel; Sie sind doch inzwischen nicht übergetreten.
({40})
- Ich habe Sie leider nicht recht verstanden.
({41})
Bis zur Wiedervereinigung Deutschlands sollte mit diesen Mitteln die Wirtschaft des Saargebiets gefördert werden, deren Aufbau sich in den vergangenen Jahren nicht in dem gleichen Maße vollziehen konnte, wie er in der Bundesrepublik möglich war. Soweit die Mittel dort nicht benötigt werden, sollen sie für ein besonders dringendes Anliegen im Interesse der Allgemeinheit eingesetzt werden, nämlich für die Förderung der Wasserwirtschaft und der mittelständischen Wirtschaft.
Durch die Überführung des Volkswagenwerkes in Bundeseigentum und von dort in Privatbesitz wird praktisch das letzte bedeutende Vermögensstück aus der NS-Masse genommen, deren Verbindlichkeiten noch ungeregelt sind. Nahezu alle anderen Bestandteile des früheren NS-Vermögens sind auf Grund der Direktive Nr. 50 des Kontrollrats auf die Gewerkschaften und Konsumgenossenschaften und die Länder, denen man es früher genommen hatte, übertragen worden. In der Öffentlichkeit könnte daher bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck entstehen, die Übernahme und Veräußerung des Volkswagenwerkes durch den Bund laufe darauf hinaus, die Gläubiger der NS-Masse zu benachteiligen.
({42})
Die Ansprüche der NS-Gläubiger werden von diesem Gesetz nicht berührt. Das Gesetz stellt aber zur Vermeidung von Zweifeln klar, daß die Behandlung der NS-Schulden in einem besonderen Gesetz geregelt und dabei die Übernahme des Volkswagenwerkes durch den Bund nicht unberücksichtigt bleiben wird.
Zugleich wird durch diese Bestimmung etwaigen Einwendungen begegnet, daß durch dieses Gesetz in irgendeiner Form dem Ausgang des sogenannten Volkswagensparerprozesses vorgegriffen würde. Falls die Volkswagensparer Ansprüche gegen die DAF haben, würden diese in gleicher Weise wie die übrigen NS-Verbindlichkeiten durch den Bund geregelt werden. Falls den Volkswagensparern entgegen der jetzigen Prozeßlage Ansprüche gegen die Volkswagenwerk GmbH zustehen sollten, werden diese durch die Regelung der Eigentumsverhältnisse der Gesellschaft nicht beeinträchtigt; sie können ohne Rücksicht darauf gegen die Gesellschaft durchgesetzt werden. Der Bund würde allerdings in diesem Falle von den Volkswagensparern nicht in Anspruch genommen werden können.
Zur Durchführung der im Gesetz vorgesehenen Vergünstigungen bei dem Erwerb von Aktien durch Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen bis zu 15 000 DM und durch Arbeitnehmer des Volkswagenwerkes werden Einzelregelungen notwendig sein, die im Wege der Rechtsverordnung getroffen werden können. Eine Ermächtigung nach § 14 soll die Möglichkeit schaffen, dieses Verfahren zweckmäßig zu gestalten.
Meine Damen und Herren, ich babe Ihnen damit in gedrängter Kürze einen Überblick über den Inhalt des Gesetzes gegeben. Wir würden uns glücklich preisen, wenn Sie diesen Gesetzentwurf mit uns .demnächst in den Ausschüssen des Bundestages gemeinsam berieten, und wir würden uns glücklich preisen, wenn Sie glaubten, hierin Ansatzpunkte finden zu können, die uns alle zu einer gemeinsamen Lösung der Frage bringen, die, wie ich annehme, auch Ihnen am Herzen liegt, nämlich breite Schichten des deutschen Volkes in den Besitz von Eigentum an Produktionsmitteln kommen zu lassen.
({43})
- Besser spät als gar nicht.
({44})
({45})
I Wer aber immer nein sagt, auch dann noch, wenn es spät ist, setzt sich dem Verdacht aus, daß er gar nicht will.
({46})
Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, mit uns gemeinsam - ({47})
- Darauf habe ich gewartet. Sie scheinen also einige Sorgen zu haben, daß dieser Gedanke beim deutschen Volk gut ankommt;
({48})
sonst würden Sie ihn nicht als Wahlschlager bezeichnen.
({49})
- Meine Damen und Herren, das sollte Sie veranlassen, mit uns gemeinsam ganz ernsthaft zu prüfen, ob es sich hier nicht um ein Anliegen handelt, das im deutschen Volk außerordentlich populär ist. Ich würde Ihnen sogar neidlos den daraus entspringenden Wahlerfolg dann auch gönnen; denn Leistung soll bekanntlich belohnt werden.
({50})
Die Fraktion der CDU/CSU, für die ich hier gesprochen habe, bittet Sie also, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. Wir wollen uns dann bemühen, in gemeinsamer Beratung die dem Entwurf vielleicht anhaftenden Mängel zu beseitigen. Wir wollen uns gemeinsam bemühen, ein Gesetz zu schaffen,
({51})
das unserem Anliegen gerecht wird. - Sonntagsarbeit, Herr Stegner, wird niemand von Ihnen verlangen.
Im übrigen muß ich noch ankündigen, daß dies nicht ein einmaliger Versuch sein wird, sondern daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union auch entschlossen ist, in der Zukunft auf dem Wege weiter vorwärtszuschreiten, das Eigentum des Staates an Produktionsmitteln, dessen er nicht bedarf, wieder in private Hand zu überführen und so breit wie möglich zu streuen.
({52})
- Das große Privatvermögen befindet sich doch nicht im Besitz des Staates!
({53}) Sie wollen Privateigentum privatisieren.
({54})
Das ist allerdings ein Witz, der mir mehr als unlogisch zu sein scheint.
({55})
- Daß Sie, Herr Hansen, diesen Dingen nicht aufgeschlossen gegenüberstehen, ist mir vollkommen klar. Wenn das Werk gelingt und wenn es im
deutschen Volk an Boden gewinnt, dann ist allerdings für Vorstellungen, wie Sie sie haben, kein Raum mehr in Deutschland.
({56})
Ich bitte Sie deshalb namens meiner Fraktion, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wir werden uns bemühen, die Beratungen darüber so schnell wie möglich abzuschließen. Wir sind sicher, daß das deutsche Volk diesen unseren Schritt gutheißen wird.
({57})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Nach der ersten Überraschung von Hamburg war die Begründungsrede des Herrn Kollegen Blank die zweite große Überraschung. Bisher habe ich noch nie feststellen können, daß wir in so vielen Fällen so weitgehend mit Herrn Blank übereinstimmen, wie es bei Einbringung dieses Gesetzentwurfs der Fall gewesen ist.
({0})
- Jawohl, die Einschränkungen kommen gleich.
Herr Blank hat erklärt, in der Öffentlichkeit finde der Gedanke, daß sich die öffentliche Hand nicht im Erwerbsleben zu betätigen habe, größten Anklang und alle diejenigen, die sich an der Durchsetzung dieses Gedankens beteiligt hätten, würden durch ihre Leistung auch bei den Wahlen den Erfolg erringen. Ich habe also die große und zuversichtliche Hoffnung, daß die Bundestagswahlen für die FDP ein ganz großer Erfolg werden.
({1})
Denn wer von allen in diesem Hause hätte sich so für die Privatisierung der Unternehmen der öffentlichen Hand eingesetzt wie meine Partei und, ich kann hinzufügen: ich persönlich?!
({2}).
Daß die Sozialdemokratische Partei eine Privatisierung von öffentlichen Unternehmen ablehnt, wissen wir. Das entspricht ihrer politischen Haltung; darüber ist völlige Klarheit vorhanden.
Herr Blank hat weiter gesagt, daß seine Partei schon immer den Gedanken der Privatisierung gefördert und genährt habe. Dagegen muß ich allerdings eine Reihe von Zweifeln äußern.
({3})
- Der Zuruf „Schäffer" ist schon das schlagendste Argument für meine Ausführungen. In acht Jahren ist jedenfalls nichts in dieser Richtung getan worden. Acht Jahre sind Sie allein an der Regierung gewesen, sind Sie an der Regierung gewesen - ({4})
- Wenn Sie ruhig sind, kann ich weiterreden. ({5})
({6})
- Als wir mit Ihnen in einer Koalition waren, war dieses Anliegen Gegenstand eines der größten Widersprüche zwischen uns, die in dieser Zeit bestanden haben. Ich bitte Sie, die Drucksachen des Deutschen Bundestages aus diesen Jahren nachzulesen und festzustellen, in wie vielen Fällen Sie unseren Anregungen nicht gefolgt sind.
({7})
- Von der FDP ist in den sechs Jahren niemand im Kabinett gewesen.
Meine Damen und Herren, die FDP - ich wiederhole es - hat in diesem Punkt immer eine ganz eindeutige Haltung eingenommen. Sie hat niemals theoretisiert, wie Sie sagen, Herr Blank, sondern praktische, konkrete Anträge gestellt. Wir haben von Anfang an den Gedanken vertreten, daß Sozialismus am ehesten und am meisten den Ärmsten schädigt.
({8})
Wir haben schon im Jahre 1950 gefordert, daß dem Bundestag als erster Schritt - und er war notwendig für uns, die wir keinen Einblick in die Einzelheiten haben - eine lückenlose Übersicht über das Erwerbsvermögen des Bundes vorgelegt wird. Ein solcher Vermögensnachweis ist erst mit einer Verspätung von mehreren Jahren und dann noch völlig unzureichend und unvollständig gegeben worden. Ich darf daran erinnern, daß dann, als wir uns über diesen Vermögensnachweis einmal unterhalten haben, am schärfsten Ihr Kollege Vogel die Gegnerschaft gegen eine Privatisierung zum Ausdruck gebracht hat. Ich wäre froh, wenn Herr Vogel Herrn Blank heute unterstützt und ihm assistiert hätte.
({9})
Einen wirklichen Überblick über alle Verflechtungen und Verschachtelungen, über die Einflußnahme durch Kredite und Darlehen haben wahrscheinlich nur wenige Experten des Bundesfinanzministeriums. Die Bilanzierungen zu verschiedenen Terminen, die wir immer beanstandet haben und die Verschiebungen möglich machten, haben verhindert, daß wir einen echten Überblick bekamen, und das Bundesfinanzministerium hat sich mit Händen und Füßen gegen eine Feststellung der wahren Werte gewehrt.
Am 5. Februar 1954 - ich bitte, den Termin zu beachten - und am 9. April 1954 habe ich konkrete Vorschläge für eine Entstaatlichung gemacht. Ich habe nicht theoretisiert, Herr Blank, sondern konkrete Vorschläge gemacht. Ich habe die Bundesregierung wiederholt gefragt, welche Gründe für eine Betätigung der öffentlichen Hand im Erwerbsleben angeführt werden könnten. Man hat zunächst ausweichend geantwortet. Nur einmal hat mir der damalige Ministerialdirektor Professor Dr. Oeftering geantwortet und von der avantgardistischen Aufgabe solcher Unternehmen gesprochen. Er mußte sich aber recht bald davon überzeugen, daß diese Auffassung falsch ist; denn weder in der Preispolitik noch im wirtschaftlichen Erfolg konnten die von ihm betreuten Unternehmen ein Vorbild für die private Wirtschaft darstellen. Ich bin gespannt, ob Herr Professor Oeftering nunmehr die Mitgliedschaft zur CDU lösen wird, nachdem dieser Antrag eingebracht worden ist. Wenn Preise erhöht werden müssen, gehen die öffentlichen Betriebe meist voran.
({10})
- Das habe ich aber heute morgen bei der Beschlußfassung über meinen Tagesordnungsantrag nicht feststellen können; da waren Sie sehr verschieden in Ihrer Auffassung.
({11})
Andererseits hat der Bundeshaushalt noch keine nennenswerten Vorteile und Einnahmen aus diesem großen Bundesvermögen gezogen. Ichbitte den Herrn Bundesfinanzminister noch einmal, uns anzugeben, wieviel Einnahmen der Bundeshaushalt aus der Summe aller öffentlichen Unternehmungen in den acht Jahren gezogen hat. Es wäre eine erschreckend niedrige Zahl, die er uns dann nennen müßte. Die meisten der öffentlichen Betriebe sind bis heute noch ohne Ertrag. Von der Sozialdemokratie wird der Wirtschaft häufig der Vorwurf gemacht. daß sie ihre Investitionen über den Preis finanziert. Das trifft geradezu avantgardistisch auf die öffentlichen Unternehmungen zu; die haben nämlich lanes über den Preis finanziert.
Ich habe durch eine große Zahl von immer wieder auf die Bundesregierung einhämmernden Kleinen Anfragen versucht, der Forderung nach Offenlegung des Bundesvermögens und Überführung in privaten Besitz Nachdruck zu verleihen. Zunächst hat der Herr Bundesfinanzminister dadurch reagiert, daß er kleinere, unbedeutende Unternehmen - ich erinnere an die Strumpffabrik in Kiel - privatisiert hat. Dann entschloß er sich zu einem großen Schritt und machte den Versuch, die Howaldt-Werft in Hamburg an einen privaten Konzern zu veräußern. Wir haben diesen Weg niemals vorgeschlagen. Aber uns hat er den Vorwurf gemacht, wir hätten die Absicht, öffentliche Unternehmen zu verschleudern. Der Versuch mit der Howaldt-Werft hat einen peinlichen Nachgeschmack hinterlassen, und niemand weiß ganz klar, ob es ungeschickt oder Absicht war, daß dieses Vorhaben gescheitert ist.
Am 26. September 1956 haben wir, Herr Blank, wieder nicht theoretisiert, sondern haben dem Hause einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht bloß das Teilgebiet „Privatisierung des Volkswagenwerkes", sondern das ganze Grundproblem anpacken sollte. Darin ist das heute in Ihrem Gesetz angesprochene Teilgebiet enthalten. Dieser Gesetzentwurf blieb liegen. Der Ältestenrat, in dem wir nicht die Mehrheit haben, hat sich schließlich am 10. Januar dazu aufgerafft, den Gesetzentwurf in die erste Lesung zu bringen. In der ersten Lesung wurde er an ,den Wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen. Bis heute hat noch nicht eine einzige Sitzung über diesen Entwurf stattgefunden.
({12})
Es hat noch keine Sitzung stattgefunden, die sich mit unserem Gesetzentwurf beschäftigt hat.
({13})
({14})
- Ich bestreite das! Bitte, sagen Sie mir, Herr Dr. Hellwig, wann das gewesen sein soll!
Herr Abgeordneter,gestatten Sie dem Kollegen Hellwig eine Frage?
Herr Kollege Atzenroth, Sie erinnern sich doch hoffentlich, daß der Wirtschaftspolitische Ausschuß die Vorlage zur Bearbeitung zunächst dem Unterausschuß „Wirtschaftspolitische Beteiligungen" überwiesen hat und daß bei beiden Besprechungen des Unterausschusses Sie nicht zugegen waren, obgleich diese Sache mit besprochen werden sollte?!
Dann hat es nicht auf einer Tagesordnung gestanden. Sie setzen ja auch andere Punkte auf die Tagesordnung, wenn von den anderen Fraktionen niemand anwesend ist. Auf keiner Tagesordnung einer Ausschußsitzung hat es bisher gestanden in den fünf Monaten, die vergangen sind.
({0})
Wie können Sie da behaupten, Sie, die CDU, hätten aktiv an der Privatisierung des Bundesvermögens mitgewirkt? Das läßt sich hiernach doch wirklich nicht mehr behaupten. Es war eben unbequem, daß es eine Vorlage war, die nicht von Ihnen gekommen ist, sondern von einer ,anderen Partei. Bei dieser Sachlage nun verkünden Sie auf dem Hamburger Parteitag groß vor aller Öffentlichkeit, Sie wollen nunmehr die Privatisierung in Angriff nehmen - nachdem anscheinend die anderen Parteien in dieser Frage versagt haben.
)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie Idem Kollegen Hellwig eine Frage?
Jawohl!
Herr Kollege Atzenroth, warum erwähnen Sie hier nicht den Antrag der Kollegen Dr. Elbrächter, Dr. Blank, Dr. Vogel und einiger anderer Kollegen der Koalitionsparteien vom Juli 1956, der die Bundesregierung beauftragte, einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerkes vorzulegen, der also einige Monate älter war als der Ihre und der zusammen mit ,dem Ihren dann zur Bearbeitung überwiesen wurde?
Bin ich der Verfechter für den Kollegen Elbrächter und die anderen? Die sollen sich nach meiner Meinung auf dieses Podium begeben und dieselben Vorwürfe erheben. Das ist ihre Aufgabe.
({0})
Meine Damen und Herren, jetzt, also kurz vor der Auflösung dieses Parlaments, kommt die erste aktive Tat der CDU in dieser Frage. Herr Blank, daß dieser Gesetzentwurf von diesem Bundestag verabschiedet wird, glauben doch auch Sie nicht!
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Das wird doch kein Mensch in diesem Saale ernsthaft behaupten wollen. Und wenn Sie sagen: „Niemals ist es zu spät", dann muß ich Ihnen antworten: diesmal war es zu spät.
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Für diesen Bundestag war es zu spät. Der 3. Bundestag muß ja mit neuen Gesetzesvorlagen bedacht werden.
Ich wiederhole, daß wir diesem Gesetz in seinem Grundgedanken selbstverständlich zustimmen. Das brauchte ich gar nicht zu erwähnen. Wir halten es in seiner ganzen Formulierung für nicht besonders glücklich. Wir haben eine Reihe von Einwendungen dagegen, die uns aber nicht etwa dazu bewegen würden, das Gesetz abzulehnen; so weit werden diese Einwendungen niemals gehen. Wir haben das Gefühl, daß der Grundgedanke der Überführung öffentlichen Eigentums in die private Hand nicht bis zu Ende gedacht ist. Man hat überall Hemmungen gehabt. Es sind Hemmungen, die dann das Wort „Volks ..." mit hineingebracht haben, was mit diesem Gedanken an und für sich gar nichts zu tun hat. Wir sind der Meinung, daß die 50-Mark-Aktie keine sehr glückliche Lösung ist, daß die Kleinaktie eine sehr teure Angelegenheit ist und einen Teil der Dividende verschlingen wird.
Der § 12 löst bei uns überhaupt sehr starke Bedenken aus. Das Kriegsfolgenschlußgesetz ist ja noch nicht verabschiedet. Ich frage die Bundesregierung immer wieder: Warum ist der Schuldner Staat in diesem Fall nicht bereit, seine Gläubiger besserzustellen, wenn er hier wieder Vermögensgegenstände realisieren kann?
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Wir halten es auch nicht für zweckmäßig, daß in ein wirtschaftliches Gesetz steuerliche Elemente hineingebracht werden. Ich wiederhole: alle diese Bedenken wollen wir bei der sachlichen Beratung im Anschluß mit sorgfältiger Begründung vortragen. Aber leider können wir nicht daran glauben, daß wir zu dieser sachlichen Beratung noch in diesem Bundestag kommen werden. Im 3. Bundestag müssen alle Gesetze neu eingebracht werden. Daß w i r ein solches Gesetz wieder einbringen werden, darüber besteht in der deutschen Öffentlichkeit wohl kein Zweifel. Aber Sie werden wir im 3. Bundestag erinnern müssen, glaube ich,
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und dann werden wir Sie auch wieder fragen - wie in unserer Kleinen Anfrage Drucksache 3527 -, ob Sie auch bereit sind, weitere Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand in Privateigentum zu überführen, wie es von uns schon im September 1956 gefordert worden ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Blank, bei Ihren Ausführungen kam mir wieder so recht zum Bewußtsein, daß Sie offenbar die tragische Verpflichtung eingegangen sind, für Ihre Partei immer die unpopulären Dinge vertreten zu müssen und mit Ihrem Namen zu verbinden.
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({1})
Wie Sie wissen, habe ich zehn Jahre lang den Gedanken der Volksaktie vertreten und auch viel darüber geschrieben.
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- Absolut! Sonst würde ich doch nicht hier stehen, Herr Lücke. Und darüber hinaus bin ich in der angenehmen Lage, dem Hause zu sagen, daß die Volksaktie im Parteiprogramm des Gesamtdeutschen Blocks/BHE verankert ist. Deswegen bin ich auch in der angenehmen Lage, Ihren grundsätzlichen Ausführungen, lieber Kollege Blank, in großem Umfange zuzustimmen. Nur wurde ich mir dabei wieder des großen inneren Bruches Ihres Vortrages bewußt. Wenn es so ist, wie Sie sagen - ich brauche es im einzelnen nicht zu wiederholen -, daß Privateigentum eine wesentliche Stütze des sozialen Rechtsstaates ist und daß die Aktien gestreut werden müssen, so stimme ich Ihnen hier vollkommen zu. Dann darf ich aber fragen: Wenn das so ist, wenn Sie das seit langem wissen, warum haben Sie das Gesetz dann nicht schon vor drei Jahren eingebracht? Das ist doch erstaunlich: Sie bringen es jetzt ein, wo Sie genau wissen, daß das Gesetz nicht mehr in die zweite und dritte Lesung kommen kann; denn Sie selbst, Herr Kollege Blank, haben auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die mit der Volksaktie verbunden sind, und wenn Sie noch ein paar Schwierigkeiten von mir hören wollen, sage ich sie Ihnen gern.
Dann ein Weiteres. Herr Blank, es bestand ja nicht die geringste Notwendigkeit, dieses Gesetz jetzt vorzulegen. Denn die vorbereitenden Arbeiten der Revisions- und Treuhandgesellschaft zur Bewertung, die Sie im Gesetzentwurf vorsehen, dauern mindestens ein bis anderthalb Jahre, und die kann das Volkswagenwerk heute schon in Auftrag geben. Deswegen brauchen Sie den Gesetzentwurf jetzt nicht mehr einzubringen. Also, Herr Blank, es sieht doch schlecht aus, wenn Sie fünf Minuten vor Toresschluß einen Gesetzentwurf vorlegen, von dem Sie wissen, daß er nicht mehr effektuiert werden kann.
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Sie haben das gute Recht, auf Ihrem Parteitag solche Dinge zu verkünden. Wir alle haben uns gefreut, daß da ein solcher Durchbruch sichtbar geworden ist. Aber es ist schlecht, wenn ein Parlament mit einem Parteitag verwechselt wird; damit tut man der Einrichtung der Demokratie keinen guten Dienst.
Ich weiß nicht, ob der Zeitpunkt für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs sehr glücklich gewählt wurde, wenn man auf der einen Seite liest, daß sich die Fraktion der Deutschen Partei hinter den Entwurf stellt, während es auf der andern Seite der Chef der Deutschen Partei, Herr Ministerpräsident Hellwege, als einen Verstoß gegen das Eigentum bezeichnet, wenn dieser Gesetzentwurf Gestalt gewinnen sollte, d. h. wenn der Bund über Eigentum verfügt, das ihm nach niedersächsischer Meinung nicht gehört. Die Geschichte wird noch skurriler, wenn ich in einem Fernschreiben eines niedersächsischen Regierungsmitgliedes lese, daß der der CDU angehörende Finanzminister Koch auf Grund eines Gutachtens zu dem Schluß gekommen ist, daß der Bund gar keine Gesetzgebungsbefugnis hat. Das mag stimmen, oder es mag nicht stimmen; diese Frage möchte ich hier gar nicht anschneiden und gar nicht behandelt wissen, da wir nicht dasjenige Gremium sind, das solche verfassungsrechtlichen Fragen abschließend entscheiden kann. Aber es ist merkwürdig, wenn ein Teil der Antragsteller die Dinge so und ein anderer Teil der Antragsteller sie in einem andern Licht sieht.
({4})
- Darum geht es ja gar nicht! Herr Elbrächter, ich danke Ihnen geradezu für diesen Zwischenruf. Wenn ein so fundamentaler Gesetzentwurf eingebracht wird, so kann der Wähler und können auch wir Abgeordnete verlangen, daß er vorher in den Gremien der Parteien abgesprochen worden ist; sonst legt man solche unreifen Gesetzentwürfe nicht vor.
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Meine Damen und Herren, ich habe den Gesetzentwurf soeben als unreif bezeichnet, und deswegen bin ich den Antragstellern noch eine Erklärung schuldig, weshalb ich ihn für unreif halte. Zunächst möchte ich, wenn ich jetzt Kritik übe, daran erinnern, daß gerade meine Fraktion den Gedanken einer echten Volksaktie am wärmsten befürwortet. Aber was Sie hier vorschlagen, hat mit einer Aktie überhaupt nichts mehr zu tun. Wir sind uns doch alle darüber einig, daß das Kriterium der Aktie ein Eigentumsanteil an einem Unternehmen ist, wobei der Begriff des Risikos und des Stimmrechts voll gewahrt ist; anders ist doch die Aktie nicht aufzufassen. Und nun sehen Sie bitte einmal, was Sie von der Aktie übriggelassen haben! Wenn man das Risiko und das Stimmrecht so modifiziert, dann muß man das Papier eben anders nennen als „Aktie". Ich würde Ihnen beispielsweise für Ihren nächsten Gesetzentwurf im 3. Bundestag vorschlagen: „vinkulierter Namensanteil eigenen Rechts am Volkswagenwerk". Dann erfassen Sie ungefähr den Sachverhalt; aber mit Volksaktien hat dieser Entwurf kaum etwas zu tun.
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- Herr Hellwig, bei den vinkulierten Namensaktien befinden wir uns ja auf einem Gebiet, auf dem wir in Deutschland keine Erfahrungen haben. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, nachzusehen, wie es in anderen Ländern gehandhabt wird, sind Sie sicher überrascht, wie schwierig es ist.
Herr Kollege Blank sprach vorhin davon, man wolle mit der Volksaktie zu einer Vermögensbildung kommen. Er hat allerdings kein Wort darüber gesagt, wie das möglich sein soll. Es ist in der Tat schwer, etwas dazu zu sagen. Hoffentlich ist doch nicht beabsichtigt, das Kapital des Volkswagenwerks schematisch in solche Anteile, wie sie der Entwurf vorsieht, zu zerlegen und an das deutsche Volk zu verschenken. Die Aktien sollen doch wohl verkauft werden? Das bedeutet aber keine Vermögensbildung, denn zuerst muß einmal bei dem einzelnen das Geld vorhanden sein, um die Aktien erwerben zu können.
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- Verzeihung, das mußte mal gesagt werden. Wie will denn Herr Blank da neues Vermögen bilden?
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- Herr Kollege Erhard, Sie verstehen von den Dingen mehr; das gebe ich zu. Aber ich bitte, mich doch mit meinem simplen Verstand zunächst weiter sprechen zu lassen.
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Wenn ich nicht irre, bringen Sie die Idee der Volksaktie mit dem Sparen in Verbindung. Sie werden mir recht geben, daß das Sparen ein mehrstufiger Vorgang ist. Man kann - zunächst einmal ganz primitiv - mit dem Sparbuch sparen, kann also sparkassenmäßig sparen, kann bankmäßig sparen. Dieses Sparen ist - damit komme ich zu dem Punkt, auf den ich hinaus will - verwaltungskostenfrei. Es gibt aber weitere Stufen des Sparens. Dazu gehört der Aktienkauf. Dieser ist selbstverständlich ein Dauersparen, also ein illiquides Sparen. Für den Kleinsparer ist diese Art des Sparens deswegen etwas schwieriger, weil er, wenn er Geld braucht, mit der Aktie durch Verkauf nicht immer schnell genug zu Geld kommen kann. Die Bank trägt diesem Zustand auch Rechnung. Sie erhebt nämlich für die Verwaltung und Verwahrung der Aktien Gebühren. Hierin besteht der Unterschied zu dem ersten Sparen, dem verwaltungskostenfreien Sparen.
Nun, Herr Kollege Erhard, darf ich Sie um eine Erklärung bitten. Die Verwaltungs- und Verwahrungsgebühr für eine Aktie beträgt nach den Erfahrungen in Deutschland und in der Schweiz im Jahre 6 DM. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob es sich um ein Stück von 1000 oder von 50 DM handelt; die Verwahrung und Verwaltung ist ja genau die gleiche.
Die Gebühr von 6 DM macht bei einer Aktie von 1000 DM 0,6 % aus, ist also ganz geringfügig im Verhältnis zum Werte der Aktie. Bei einer 50-Mark-Aktie, der Sie in Ihrem Gesetzentwurf den Vorrang geben wollen, macht die Verwahrungs-
und Verwaltungsgebühr von 6 DM bereits 12 % aus. Das heißt mit anderen Worten: wenn ein Kleinaktionär seine Aktie von der Bank verwahren und verwalten läßt, hat er einen Gewinn erst, wenn das Werk eine Dividende von mehr als 12 % abwirft. Das ist doch wohl richtig? Wenn Sie schon die üblichen Sparmethoden - deswegen habe ich diese Gedanken in diesem Zusammenhang vorgebracht - mit Ihrem Gesetz verdrängen oder ersetzen wollen, müssen Sie Ihre Volksaktie sehr viel reizvoller ausstatten.
Nun ein Zweites. Sie belasten durch die Volksaktien-Emission den Kapitalmarkt nicht unerheblich. Ich darf in diesem Zusammenhang etwas über die Bewertung sagen. Man ist hier mit der Bewertung sehr großzügig gewesen und hat gesagt: die Revisions- und Treuhandgesellschaft nimmt - nach den paar Andeutungen des Gesetzentwurfs - die Bewertung des Anlagekapitals vor. Ob das so einfach geht, müssen wir erst abwarten. Üblicherweise wird das Anlagekapital nach der Ertragslage bewertet. Ich verweise dazu auf Mellerowicz und andere, die darüber sehr eingehend geschrieben haben. Nun ist bei einer krisenempfindlichen Industrie - das ist die Automobilindustrie oder wird es zu mindestens; darüber sind wir uns doch wohl einig - eine Bewertung nach der Ertragslage sehr schwer. Im gegenwärtigen Zeitpunkt wird man wahrscheinlich hilfsweise das Vermögen oder die Substanz des Werkes zur Bewertung heranziehen oder vielleicht gar eine good-will-Berechnung eigener Art anstellen müssen. Wir wissen heute auch nicht, wie hoch der Anlagewert ist. Wir kennen Schätzungen auf 500 Millionen DM; davon sprachen Sie. Aber Herr Kollege Schäffer, der Herr Bundesfinanzminister, nannte einmal einen Verkehrswert des Volkswagenwerks von 1,1 Milliarden DM. Es liegen auch noch andere
Schätzungen darüber vor. Wir wissen also heute noch gar nicht, wie hoch das Anlagekapital bewertet wird. Infolgedessen müssen wir auch auf diesem Gebiete erst einmal abwarten. Wenn wir aber die voraussichtliche Höhe des Anlagekapitals nicht kennen, können wir auch die Folgen der Volksaktie für den Kapitalmarkt nicht bis ins Letzte übersehen.
Unterstellen wir nun ein Weiteres, Herr Kollege Blank: Wir werden eine Unsumme von Kleinaktien bekommen. Sie schreiben ja mindestens 25 % vor; es können aber viel mehr sein und werden voraussichtlich auch viel mehr sein, wenn Ihr Gesetz zum Zuge kommt. Wenn wir nun z. B. annehmen, wir hätten eine Milliarde Anlagekapital, dann würden Sie bei einer Stückelung von 50 DM allein 20 Millionen Aktionäre bekommen. Wenn Sie anders stückeln, nur zur Hälfte Anteile zu 50 DM, würden Sie immer noch 10 Millionen Aktionäre bekommen. - Herr Pelster, Sie lächeln darüber. Leider ist es so. - Nun kommt die Praxis der vinkulierten Namensaktie: Da die Aktie von der Firma verwaltet werden muß, in einem dicken Buch, das weit über die Bücher der Standesämter, über das Handelsregister und sonst etwas hinausgeht, entsteht hier eine Verwaltung, die nach sachverständiger Schätzung bei Zugrundelegung eines Kapitals von einer Milliarde etwa 500 Mann Personal haben muß, nur um diese vinkulierten Namensaktien zu verwalten.
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- Herr Kollege Schmitt ({11}), ich bedauere Ihren Zwischenruf sehr; denn da ich der erste bin, der darauf aufmerksam gemacht hat, hätte ich mich gefreut, wenn man diese Direktorenstellung beim Volkswagenwerk später einmal für mich vorgesehen hätte.
({12})
Ich habe ,diese wenigen Beispiele nur genannt, um Ihnen zu zeigen, daß in etwa drei Wochen Ausschußarbeit, abgesehen davon, daß ich nicht weiß, ob Herr Hellwig mit seinem Wirtschaftsausschuß bei den Belastungen, denen er noch unterliegt, diese Arbeit in den drei Wochen zeitlich schaffen würde, - ({13})
- Unterausschüsse sind schlecht, die Mitglieder haben ja auch alle keine Zeit. Ich glaube also, Herr Kollege Hellwig, selbst beim besten Willen werden Sie es auch mit einem Unterausschuß nicht schaffen. Ich wollte nur darauf hinweisen, wie schwierig !die Problematik ist, auf die hier zunächst einmal eingegangen werden muß, und daß es vollkommen unmöglich ist, in drei Wochen ein derartiges Gesetz durchzupauken. Der Erfolg wäre, Herr Kollege Blank - und das würden wir außerordentlich bedauern -, daß ein solcher verunglückter Entwurf und ein solches verunglücktes Gesetz in der Durchführung den Tod der wirklichen Volksaktie bedeuten würde.
Ich darf zum Abschluß noch einmal erklären: Wir bedauern sehr, daß gerade diese Idee, von der wir sehr viel halten in einer durchdachten und guten Form, die noch ausdiskutiert werden muß und hier im nächsten Bundestag ausdiskutiert werden kann, gewissermaßen zum Akt der Wahlpropaganda gemacht worden ist. Ich weiß, das
({14})
Wort ist hart. Es ist sicher das gute Recht jeder Partei, Wahlpropaganda zu treiben, und ich persönlich hätte mich mehr gefreut, Herr Kollege Blank, wenn sich die CDU lieber den netten Werbeballon von Underberg gemietet und damit ihre Propaganda gemacht hätte.
({15})
Ich gebe zu, das ist nur ein möglicher Weg der Wahlpropaganda.
({16})
- Nein, es soll ja nicht „Underberg" darauf stehen, sondern „CDU" mit den entsprechenden Wahlparolen.
({17})
Ich bedauere also, daß gerade dieses Gesetz zu solchen Überlegungen herausfordert. Ich hätte gewünscht, daß wir gemeinsam in einem neuen Bundestag nun wirklich an die Lösung dieser Probleme herangegangen wären.
Schließlich darf ich noch eins sagen: Warum, Herr Blank, wählen Sie denn im letzten Moment gerade das Volkswagenwerk, bei dem die Eigentumsverhältnisse, bei ,dem Tauch andere Verhältnisse unklar sind? Warum haben Sie - ich meine nicht Sie persönlich, sondern stellvertretend für die ganze Fraktion - nicht einen Privatisierungsvorschlag für die Hibernia-Herne gemacht? Oder wenn Sie glauben, Sie könnten an die Grundstoffindustrie nicht herangehen, - nun, ,die Hibernia hat ja noch ein paar Töchter, die nicht zur Grundstoffindustrie gehören. Hier war doch die beste Gelegenheit, Ihren guten Willen zu beweisen, und Sie hätten an uns die treuesten Anhänger gefunden. Es ist aber nicht geschehen.
Aus allen diesen Erwägungen wollen Sie es mir nicht verübeln, wenn ich hier die Dinge einmal so bezeichnet habe, wie es Ihnen nicht angenehm ist, wie ich aber verpflichtet zu sein glaubte.
Ich würde dem Hause empfehlen, da sowieso keine Aussicht auf Ausschußbehandlung besteht, auf Ausschußüberweisung zu verzichten.
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem ausgesprochenen Heiterkeitseffekt, der in diesem Hause durch diesen Gesetzentwurf entstanden ist, fällt es in der Tat schwer, über diese Sache ernst weiterzusprechen. Ich will es trotzdem versuchen.
Zunächst möchte ich Herrn Blank in einem gern zustimmen. Er hat gesagt: Es muß endlich mal begonnen werden. Dieser Meinung sind auch wir in der Tat schon sehr lange.
Ich will nicht verhehlen, daß wir zu Anfang dieser Legislaturperiode eine gewisse Hoffnung auf den Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" gesetzt haben. Ich kann allerdings auch nicht verheimlichen, daß wir dort bitter enttäuscht worden sind. Dieser Ausschuß hat seine praktische Arbeit vor zwei Jahren unter Umständen eingestellt, die uns keine Möglichkeit mehr gaben, weiter auf eine
wirklich nützliche Arbeit dieses Unterausschusses zu hoffen. Die Art und Weise, wie damals das Projekt Nord-Chemie und dann auch das Projekt Howaldtswerke von diesem Ausschuß behandelt worden sind - die Entscheidung bezüglich der Howaldtswerke ist Gott sei Dank vom Haushaltsausschuß korrigiert worden -, hat uns wenig ermuntert, in diesem Ausschuß weitere Anstrengungen zu machen.
Heute in der ersten Lesung - es wird in diesem Bundestag wohl bei der ersten Lesung bleiben - möchte ich mich nun allerdings nicht mit technischen Fragen beschäftigen. Das hat soeben der Kollege Stegner hier schon sehr eingehend getan. Außerdem hat z. B. der „Rheinische Merkur" auf die Kompliziertheit und die Kopflastigkeit dieses Verfahrens hingewiesen. Ich möchte auch nicht die schwierige Rechtsfrage ansprechen, die durch den Widerspruch der Landesregierung von Niedersachsen entstanden ist.
Schließlich möchte ich auch nicht die psychologischen Schwierigkeiten ansprechen. Es wird zweifellos nicht ganz einfach sein, die bisher Vermögenslosen dahin zu bringen, daß sie Vertrauen in diese Kleinaktien haben. Dazu bedarf es mehr als dieses „Luftschiffes", von dem Herr Stegner gesprochen hat. Dazu bedarf es, um nur ein Beispiel zu sagen, sehr viel besserer Publizität, als wir sie zur Zeit hier besitzen.
Ich habe mich nun allerdings über eines gewundert. Ich habe mich darüber gewundert, daß Herr Blank in keiner Weise auf die Diskussion Bezug genommen hat, die wir gelegentlich der Diskussion des Haushalts des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehabt haben. Ich weiß nicht, ob er sie nicht gelesen hat oder ob er sie bewußt übergangen hat.
Bei der Diskussion der Frage „Eigentum für alle" - oder, wie man vielleicht bescheidener sagen sollte: „Eigentum für mehr als bisher" - steht für uns Sozialdemokraten der Abbau des hohen Selbstfinanzierungsanteils an der Ersparnisrate im Vordergrund und gleichzeitig damit die Verlagerung der Sparkraft von den Unternehmungen auf die privaten Haushalte.
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Das hat soeben auch schon Herr Stegner angedeutet, und das scheint mir das Kernproblem zu sein. Es muß dazu Stellung genommen werden, wie dieses Problem gelöst werden kann. Ich habe schon bei der Diskussion über den Haushalt des Herrn Bundeswirtschaftsministers darauf aufmerksam gemacht, daß in der Tat auch der Herr Bundeswirtschaftsminister diese Frage in seinem Kapitalmarktgutachten angesprochen hat. Aber die Lösung für dieses Problem fehlt.
Es nützt daher nichts, wenn man wieder eine neue Sparfarm schafft. Das ausschließliche positive Ergebnis der Annahme dieses Gesetzentwurfs wäre, daß wir eine neue Sparform hätten. Wir Sozialdemokraten haben nichts gegen neue gute Sparformen. Wir haben deshalb auch dem Gesetz für Kapitalanlagegesellschaften gern zugestimmt und haben positiv daran mitgearbeitet. Aber wir halten es für keinen entscheidenden Beitrag zu dem Problem „Eigentum für alle".
Lassen Sie mich ein paar Zahlen aus der Debatte vom vorigen Donnerstag wiederholen. Es
({1})
handelt sich um die Frage, die 14 Milliarden DM Selbstfinanzierung in den Unternehmen zugunsten der privaten Haushalte wirksam einzuschränken. Das sind - um Ihnen einen Begriff zu geben - etwa 400 DM pro Jahr pro Wahlberechtigten. Es wäre möglich, diese Selbstfinanzierung durch einen wirksamen Preisdruck einzuschränken. Wir haben hier lange darüber diskutiert, wodurch man einen solchen Preisdruck zustande bringen könnte: z. B. durch Zollsenkungen - das hat die Koalition abgelehnt -, z. B. durch ein wirksames Antikartell- und Antimonopolgesetz. Meine Damen und Herren von der Koalition, ich bin überzeugt, daß wir bei Annahme des Gesetzentwurfs, so wie er jetzt im Wirtschaftspolitischen Ausschuß und im Rechtsausschuß durchlöchert worden ist, nach Gültigwerden dieses Gesetzes mehr Wettbewerbsbeschränkungen in der Bundesrepublik haben werden, als wir sie in den Jahren von 1948 bis jetzt gehabt haben.
({2})
Das vorliegende Gesetz bedeutet also keine neue Phase der sozialen Marktwirtschaft, wie sie Herr Professor Erhard in Hamburg angekündigt hat.
Abgesehen von diesen grundsätzlichen Mängeln ist das Gesetz aber auch in seiner quantitativen Wirkung nicht ausreichend. Das Grundkapital des Volkswagenwerkes beträgt bekanntlich 60 Millionen DM. Ich vermag nicht zu schätzen, wie man das Kapital vor der Ausgabe der Volksaktien neu festsetzen will. Man wird da ja nicht zu weit gehen können; denn schließlich muß ja noch etwas darin sein, damit auch ein wirklicher Kaufanreiz da ist. Nehmen wir einmal an, das Grundkapital würde wirklich verdreifacht; dann wären es also 180 Millionen DM. Damit würde man, wenn man das ganze Kapital in Volksaktien umwandelte, auf 6 DM pro Wahlberechtigten kommen. Setzen Sie einmal eine einmalige Verteilung von 6 DM pro Wahlberechtigten in Verhältnis zu 400 DM Selbstfinanzierung pro Jahr!
Nun kann man natürlich - das haben Sie ja auch getan - darauf hinweisen, daß noch weitere Bundesbeteiligungen da sind. Aber auch diese Zahlen sind durchaus begrenzt. In den Anlagen zum Haushalt ist der Wert der Bundesbeteiligungen mit 1,7 Milliarden DM angegeben worden. Vielleicht sind die Bundesbeteiligungen mehr wert. Aber auch da wird man ja nicht ein Nominalkapital festsetzen können, das voll dem inneren Wert entspricht. Damit ergibt sich für die gesamten Beteiligungen des Bundes an privatrechtlichen Unternehmungen ein Betrag von etwa 60 DM pro Wahlberechtigten.
Sie sehen daraus, daß wir auch schon von der quantitativen Seite her einen Ausgleich für die Selbstfinanzierung über die Preise überhaupt niemals finden können.
Der Erfolg einer etwaigen Privatisierung des Volkswagenwerkes steht also in keinem Verhältnis zu dem, was dadurch verlorengeht. Was geht denn dadurch verloren? Ich habe schon am vergangenen Donnerstag darauf hingewiesen, daß wir allerdings Wert darauf legen, ein gewisses Instrumentarium für die Konjunkturpolitik, für die Wettbewerbspolitik, für die Preispolitik in der Hand zu behalten. Nicht daß wir uns vom Volkswagenwerk alles versprächen; aber wir wissen,
daß ein umfangreiches und vielseitiges Instrumentarium dazugehört.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf ein paar Sätze hinweisen, die Herr Professor Erhard in seinem Buch: „Wohlstand für alle" geschrieben hat. Er schreibt dort auf Seite 219:
Auf dem CDU-Parteitag in Goslar am 22. Oktober 1950, zu einer Zeit also, als die Wellen der Preisbewegung recht hoch schlugen, konnte ich beispielhaft darauf verweisen, daß das Volkswagenwerk kurz zuvor trotz erhöhter Rohstoffkosten eine rund 10 %ige Preissenkung bei gleichzeitig 10 %iger Lohn- und Gehaltserhöhung vornahm, und erklärte hierzu, daß eine solche Politik „vollkommen der Zielsetzung der sozialen Marktwirtschaft entspreche".
Es ist doch wohl klar, daß Sie sich diese Möglichkeit, auf die Herr Professor Erhard damals im Jahre 1950 noch stolz war, entgehen lassen, wenn Sie dieses Projekt jetzt ausgerechnet bei diesem Objekt so verwirklichen, wie Sie es wollen. Auf dem Markt der Personenkraftwagen muß einfach ein wirksamer preisdrückender Einfluß möglich bleiben.
Ich brauche in diesem Zusammenhang nur darauf hinzuweisen, daß z. B. die Firma Opel im Jahre 1954 nach Bezahlung aller Steuern einen Gewinn hatte, der 70 % nicht etwa nur des Aktienkapitals, sondern 70 % des Aktienkapitals einschließlich aller offen ausgewiesenen Rücklagen betrug.
({3})
- Das mag einmal sehr hoch gewesen sein; hinterher kommen aber auch noch erhebliche Gewinne. Wenn Sie das Jahr 1955 nehmen, sehen Sie, daß der Gewinn auch noch außerordentlich hoch war.
Sie werden mir zugeben, daß es wirklich sehr nützlich wäre, wenn auf solchen Märkten irgend jemand da wäre, der dahin wirkt, daß die Preise nicht ins Ungemessene steigen können. Ich glaube aber, daß bei Einführung der Volksaktie eine mindestens Preissenkungen bremsende Tendenz zu befürchten ist. Das ist schon deshalb ganz klar, weil wir, wenn sich auf einem oligopolistischen Markte ein privatwirtschaftliches Gewinnstreben durchsetzt, mit einem Streben nach hohen Dividenden oder nach hoher Selbstfinanzierung - um zu höheren Kursen zu kommen - zu rechnen haben. Damit kommen wir ausgerechnet nicht dahin, wohin wir kommen wollen, 'nämlich zu einer Eindämmung der Selbstfinanzierung auf diesem Markte.
Zweifellos werden wir uns in den Beratungen, die vielleicht im nächsten Bundestag in Gang kommen werden, auch über die zukünftige Finanzierung des Volkswagenwerkes den Kopf zerbrechen müssen. Wer die Struktur auf diesem Markte kennt, weiß ganz genau, daß sämtliche namhafte Konkurrenten des Volkswagenwerkes im Hintergrund durch mächtige Finanzgruppen gestützt sind. Daraus ergibt sich das Problem, ob in Zukunft ein sogenannter Volksaktionär das Volkswagenwerk in derselben Art und Weise mit Finanzierungsmitteln wird versehen können, wie diese mächtigen Gruppen, die hinter Opel, Ford usw. stehen.
({4})
({5})
- Bitte, es ist aber ein großes Risiko für die 37 000 Menschen, die dort beschäftigt sind.
({6})
Alles das ergibt sich daraus. Uns hat in diesem Zusammenhang auch das Eindringen des Herrn Flick bei Mercedes sehr nachdenklich gestimmt. All das deutet darauf hin. daß bei diesen Firmen in der Zukunft schwierige Finanzierungsprobleme zu lösen sein werden.
Sie ersehen daraus, daß die SPD zu diesem konkreten Projekt wirklich sehr sachliche Bedenken zu äußern hat. Es ist daher völlig abwegig, wenn der Versuch gemacht wird, hier mit der primitiven Behauptung aufzutreten: Die SPD ist dagegen, weil ihr damit die Sozialisierungsfelle davonschwimmen werden. Das war heute morgen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen. Wer uns kritisiert, der möge sich mit unseren konkreten Argumenten auseinandersetzen!
Die SPD ist durchaus bereit, jeden denkbaren undogmatischen Weg mitzugehen, der erstens die Vermögensneubildung bei den Unternehmungen zu Lasten des Verbrauchers einschränkt und der zweitens gleichzeitig eine breite Eigentumsbildung wirksam fördert. Die Volksaktie ist ein ausgesprochenes Experiment. Ich erinnere daran, daß in der Propaganda gerade des Herrn Bundeswirtschaftsministers der Versuch, ausgerechnet uns als Experimentemacher zu bezeichnen, eine besondere Rolle gespielt hat. Es ist ein Experiment mit sehr begrenzten positiven Chancen, ein Experiment mit sehr bedenklichen Risiken gerade für den Verbraucher, für alle diejenigen, die bei dem, was sie in der Zukunft ihr Eigentum nennen wollen, begreiflicherweise auch an einen preiswerten Kleinwagen denken.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Dr. Elbrächter ({0}): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich darf im Namen meiner Freunde von der Fraktion der DP ({1}) zu dem vorliegenden Koalitionsantrag Stellung nehmen. Ausdrücklich darf ich bemerken: wir haben uns sehr darüber gefreut, daß die CDU sich endlich, wie ich sagen darf, unseren Vorstellungen in dieser Weise angeschlossen hat.
({2})
- Ich weiß nicht, warum es auf diese Feststellung hin einen Heiterkeitserfolg gibt; lassen Sie mich doch einmal aussprechen.
Entgegen den Darstellungen, die auch vom Kollegen Atzenroth gegeben worden sind, muß ich feststellen, daß eine große Anzahl von Abgeordneten gerade der CDU meine im Vorjahr ergriffene Initiative unterstützt hat. Hier darf ich insbesondere den bereits zitierten Abgeordneten Vogel nennen, der so aufgeschlossen, wie ein Kollege selten war, diesem Gedanken zugänglich war.
({3})
- Darüber spreche ich jetzt nicht, sondern ich möchte entgegen den in der Öffentlichkeit gegebenen Darstellungen feststellen, daß hier erfreulicherweise eine völlige Übereinstimmung zwischen den
Fraktionen der CDU und der DP herrscht. Ich bin sehr dankbar - -({4}) - Sind Sie fertig?
Ich bin sehr dankbar, daß dieser Antrag als Initiativantrag und nicht, wie ich es vor Jahresfrist gewünscht habe, als Regierungsentwurf gekommen ist, weil a) der politische Wille durch einen Initiativantrag viel besser als durch die Erstellung eines Regierungsentwurfs bekundet wird und weil b) vielleicht - ich betone: vielleicht - damit noch die Möglichkeit besteht, den Antrag in diesem Hause zu behandeln.
({5})
Bei einem Regierungsentwurf wäre sicherlich nicht mehr die Möglichkeit dazu gegeben, davon bin ich überzeugt.
Ich will nicht auf die Hintergründe eingehen, warum das Kabinett so lange gebraucht hat, ehe es diese Frage behandelte. Ich glaube, ich bin verstanden worden, ohne besonders nach dem Herrn Finanzminister zu schielen.
({6})
Nun lassen Sie mich zu einigen Fragen Stellung nehmen. Grundsätzliches brauche ich eigentlich nicht darzulegen. Ich bin verpflichtet, Herrn Kollegen Blank zu attestieren, daß die Begründung, die er gegeben hat, völlig in unserem Sinn ist. Wir können uns wortwörtlich anschließen. Es erübrigt sich daher, darauf noch einmal einzugehen.
Wir verbinden mit diesem Antrag drei Ziele. Erstens: die Schaffung von Eigentum. Sie haben schon deutlich genug gesagt, daß gerade das Bekenntnis zum Privateigentum eine der Grundlagen der westlichen Gesellschaft ist. Das muß noch einmal ganz betont herausgestellt werden. Neben der christlichen Ethik ist das Privateigentum und der juristische Schutz des Privateigentums eine der Grundlagen der westlichen Gesellschaft. Gerade wir Deutschen sollten im gegenwärtigen Zeitpunkt - -({7})
- Ich habe Zeit. Wenn Sie die Diskussion verlängern wollen, 'bitte schön.
Gerade wir Deutschen hätten im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo wir darum kämpfen, daß auch im Ausland der Schutz des Privateigentums respektiert wird, allen Grund, uns in diesem Hause einmütig zu diesem Gedanken zu bekennen.
({8})
- Schön wäre es. Sie sind doch nicht dagegen, Herr Kurlbaum?
({9}) - Na also, dann sind wir uns einig.
Das zweite Ziel, das wir zu erreichen versuchen, ist, daß die Aktie endlich aus der Diskriminierung herauskommt, der sie auf Grund historischer Ereignisse des vergangenen Jahrhunderts nun einmal unterliegt. Das ist, glaube ich, verständlich. Ich betrachte es geradezu als eine Ironie, daß in einer industriellen Gesellschaft, in der das Masseneinkommen laufend gesteigert worden ist, prozentual der
({10})
Anteil des einzelnen am Eigentum immer geringer geworden ist. Das liegt natürlich daran, daß die klassischen Formen des Eigentums - Besitz an Grund und Boden, Hausbesitz usw. - nur begrenzt vermehrungsfähig sind. Was aber praktisch unbegrenzt vermehrungsfähig ist, ist das Eigentum an Produktionsmitteln. Es kommt also darauf an, eine Form zu finden, in der ein Teilhaben an den Produktionsmitteln möglich ist. Gerade Sie, meine Herren von der sozialdemokratischen Opposition, sollten hierin eine alte Forderung wiedererkennen, die Sie von jeher in Ihrem Kampf um die Beteiligung und Gleichstellung des Arbeitnehmers in der Gesellschaft vertreten haben. Ich verstehe daher nicht ganz, warum Sie manchmal so erregt sind, warum. Sie das manchmal so erbittert ablehnen, ohne überhaupt auf die sachlichen Hintergründe einzugehen. Ich attestiere aber Herrn Kollegen Kurlbaum - ich komme gleich auf seine Diskussionsbeiträge zurück -, daß er die Dinge in ungemein sachlicher Form behandelt hart.
Ein drittes Ziel hängt eng mit der Kritik zusammen, die Herr Kollege Kurlbaum vorgebracht hat. Es handelt sich darum, daß wir gerade im jetzigen Augenblick unserer wirtschaftlichen Entwicklung einen Weg finden, dem Kapitalmarkt neue Schichten zuzuführen. Herr Kollege Kurlbaum, ich gebe Ihnen völlig recht, wenn Sie sagen, es sei im Prinzip volkswirtschaftlich unerwünscht, daß die Finanzierung der Investitionen in der deutschen Wirtschaft über den Preis getätigt wird. Darüber sind wir uns einig. Die Frage - der Herr Bundeswirtschaftsminister hat sie bereits in der Debatte zur zweiten Lesung seines Haushalts gestellt - ist aber: wie anders wollten wir denn eigentlich die volkswirtschaftlich notwendigen Investitionen tätigen? Wir sind damals von einem Nullpunkt ausgegangen; es war kein Spargeld mehr da, und es war absolut kein anderes Vermögen da, das realisiert werden konnte. Es blieb doch einfach nur diese nach klassischen volkswirtschaftlichen Vorstellungen schlechte Form, über den Preis zu finanzieren. Es gehört nach meiner Vorstellung mit zum Wesen der Marktwirtschaft, daß in einer solchen Lage das Objekt einen solchen Wert hat, daß der Käufer bereit ist, diesen Preis zu zahlen und damit die Voraussetzungen zu einer weiteren Erhöhung der Produktion zu schaffen. Das liegt im wohlverstandenen eigenen Interesse der Käufer.
({11})
- Darum geht es, und darum möchte ich mich mit Ihren ernsten Argumenten auseinandersetzen.
Die Kaufkraft der Arbeitnehmer ist nun so hoch gestiegen, daß diese in Konsumgewohnheiten hineingewachsen sind, die weit über das Lebensnotwendige hinausgehen. Darüber sind wir uns, glaube ich, auch einig, daß Fernsehempfänger und Autos und was nicht alles, so schön sie sind, nicht unbedingt lebensnotwendig sind. Ich neide das niemandem. Ich frage nur, ob es volkswirtschaftlich nicht richtiger ist, diesen Kreisen, die erfreulicherweise über eine solche Kaufkraft verfügen, einen echten Anreiz zu geben, sich ihrerseits an der Kapitalbildung zu beteiligen. Es ist also schief gesehen, wenn man das als eine neue Form der Spartätigkeit betrachtet. Was Herr Kollege Stegner ausgeführt hat - ähnliche Gedankengänge waren in der Ausgabe der Deutschen Zeitung und WirtschaftsZeitung vom Dienstag und in der Frankfurter Allgemeinen vom Mittwoch zu lesen -, trifft nicht das
Wesen unserer Zielsetzung. Es ist unsere Absicht - Sie sollten uns das glauben -, hier mit einem Experiment - zugegeben: es ist ein Experiment - den Versuch zu machen, die Finanzierung über den Preis unnötig zu machen. Das ist unser wesentliches Anliegen, Herr Kollege Kurlbaum. Sie sollten dieses Experiment einmal mitmachen. Es sollten nicht immer nur die Gefahren so groß herausgestellt werden. Auch wir verkennen gar nicht die Gefahren. Herr Kollege Blank hat ja gesagt: Wir sind weit davon entfernt, nun etwa anzunehmen, daß hier keine Mängel mehr da sind. Um Gottes willen, das ist völlig unmöglich. Aber man muß doch einmal den Mut haben, einen neuen Weg zu beschreiten; dies ist hiermit getan. Ich würde mich freuen, wenn wir hier einmal einmütig den Mut zu einem Experiment hätten. So groß ist das Experiment weiß Gott nicht!
In Österreich ist die Volksaktie gegenüber den Rechten der gewöhnlichen Aktie wirklich diskriminiert. Das hängt mit der dortigen Koalitionsarithmetik zusammen. Um überhaupt die österreichischen Sozialisten dafür zu gewinnen, hat man sich zu weitgehenden Kompromissen bereit erklären müssen. Trotzdem - Herr Kollege Kurlbaum, das muß ich Ihnen doch einmal entgegenhalten - ist in Österreich geradezu ein Run auf Volksaktien eingetreten, und zwar - nun kommt der springende Punkt - ohne daß die Sparkonten abgenommen haben. Damit ist das widerlegt, was Sie als wahrscheinlich oder als gegeben unterstellt haben, nämlich daß die Volksaktie praktisch nur ein drittes Instrument der Sparmöglichkeit ist. Das ist nicht der Fall, sondern hier ist wirklich ein Instrument geschaffen worden, das echtes Kapital bildet, weil der Konsument auf Konsum verzichtet und ein Kapitalpapier vorzieht.
Darin liegt auch begründet, warum wir nun gerade das Volkswagenwerk herausgenommen haben. Selbstverständlich könnte man irgendein anderes Werk auch nehmen. Der Herr Bundesfinanzminister hat z. B. die Preußag vorgeschlagen. Ich könnte mir aber vorstellen - ohne meinen Kollegen von der CSU zu nahe treten zu wollen -, daß allein der Name Preußag in Süddeutschland nicht so sehr attraktiv ist und vielleicht zu einer Ablehnung dieses Experiments führt. Ich bin mit Ihnen, meine Herren von der Opposition, völlig einig: wenn dieses Experiment mißlingt, ist wahrscheinlich für alle Zeiten die Idee der Volksaktie in Deutschland begraben. Gerade das wollen wir verhüten. Deswegen müssen wir ein konkretes Objekt herausnehmen, bei dem die Wahrscheinlichkeit am größten ist, daß gerade die Angehörigen der werktätigen Bevölkerung dort mitmachen. Ich bin fest überzeugt - ich habe diese Überzeugung mehrmals in diesem Hause zum Ausdruck gebracht -, daß, wenn wir das Volkswagenwerk zu privatisieren versuchen, indem wir Volksaktien schaffen, dieses Experiment gelingen wird.
Nun zu einem zweiten Einwand der sozialdemokratischen Opposition, den Kollege Deist vorgebracht hat. Er hat sich damals an der Finanzierung über den Preis gestoßen und daraus eine sehr merkwürdige Folgerung gezogen. Ich glaube, es muß in diesem Hause festgehalten werden, zu welchen Konsequenzen Herr Kollege Deist gekommen ist. Er hat nämlich gesagt: Überall da, wo über den Preis finanziert worden ist, hat die Allgemeinheit Anrecht auf das Eigentum. Ich weiß nicht, ob ich es wortwörtlich zitiert habe.
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({13})
- Das würde mich freuen. deswegen habe ich den Punkt angesprochen. Ich habe Sie damals so verstanden, Herr Kollege Deist. Diese Konsequenzen wären doch sehr merkwürdig. Das würde bedeuten, daß der Konsument praktisch überall Eigentümer werden müßte. Ich glaube nicht, daß das der Sinn Ihrer Ausführungen sein konnte. Sie haben das im Januar gesagt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Dr. Elbrächter ({0}): Bitte.
Ich habe zwei Fragen an den Kollegen Elbrächter. Erstens einmal: wann ist es gewesen? Solch eine Formulierung habe ich bestimmt nicht gebraucht.
Dann eine zweite Frage: wäre es nicht, wenn Sie hier darüber sprechen wollten und sich darauf vorbereitet haben, zweckmäßig gewesen, daß Sie sich den doch zur Verfügung stehenden Wortlaut meiner Ausführungen vorher angesehen hätten, um hier nicht mit solchen Fragen aufzukreuzen?
Dr. Elbrächter ({0}): Herr Kollege Deist, ich darf die zwei Fragen beantworten.
Zur ersten Frage: Ich erinnere, daß Sie das im Januar gesagt haben. Ich glaube, da haben wir zu dem Antrag, den ich vor Jahresfrist eingebracht habe, gesprochen, und in der Diskussion haben Sie dann ähnliche Ausführungen gemacht.
Zum zweiten haben Sie natürlich objektiv recht. Aber ich wurde durch die Ausführungen von Kollegen Kurlbaum daran erinnert und hatte es vorher nicht im Gedächtnis. Während Herr Kurlbaum zu der Finanzierung über den Preis sprach, kam mir die Erinnerung. Ich bitte um Entschuldigung. Es war nicht böse Absicht und war auch nicht Fahrlässigkeit, sondern ich erinnerte mich einfach während der Ausführungen von Kollegen Kurlbaum an Ihre damaligen Ausführungen. Wir verstehen uns? - Aber ich werde hinterher nachlesen, und Sie werden das gleiche tun. Wir werden uns dann darüber einmal verständigen müssen. Ich freue mich, feststellen zu können, daß diese Konsequenzen hinsichtlich des Eigentums wegen der unerwünschten Methode der Finanzierung über den Preis nicht gezogen werden können.
Ich habe mir einen weiteren Einwand der SPD aus der zweiten Lesung des Haushalts vorgemerkt, den Herr Kurlbaum hier vorgebracht hat. Herr Kurlbaum, Sie haben gesagt, Sie seien nicht gegen das Eigentum. Die Grenze liege dort, wo das Eigentum mißbraucht werden könne. Wir sind uns einig hinsichtlich des Sinnes Ihrer Ausführungen? Darf ich demgegenüber eine andere These aufstellen. Ich glaube nicht, daß in der heutigen Zeit, wo der Staat so weit Ordnungsfunktionen durch die Gesetzgebung ausübt - ich denke an die Ausgestaltung des Arbeitsrechts und an das Betriebsverfassungsgesetz, aber auch daran, daß die Tarifpartner sich gegenseitig sehr stark kontrollieren -, mit dem Eigentum seitens der Wirtschaft noch Mißbrauch getrieben werden kann.
({1})
- Wenn Sie die Finanzierung über den Preis als Mißbrauch bezeichnen, in dem engen Sinne ja. Ich
habe Ihnen aber auch die historische Notwendigkeit dieser Methode und die Begrenzung auf unsere heutige Zeit gezeigt. Ich glaube, diese Konsequenz darf man nicht ziehen. Das Problem scheint mir heute das zu sein, daß man den Bürger, das Individuum vor dem Mißbrauch gegenüber dem Staat schützt. Es war ein sehr interessanter Beitrag, den die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" am Mittwoch über das Verhalten des hessischen Staates hinsichtlich der Technischen Überwachungsvereine gebracht hat, denen Funktionen, die von ihnen vereinsmäßig bestens wahrgenommen worden sind, einfach aus einem Mißbrauch der Staatsgewalt abgenommen und staatlichen Organen übertragen wurden. Ich glaube, die Gefahr, daß heute der Staat gegenüber dem Bürger Mißbrauch treiben kann, ist sehr viel größer. Es ist eine unserer vornehmsten Aufgaben - aus dieser Sorge ist ja wohl die Institution der parlamentarischen Demokratie gewachsen -, das zu verhindern. Das Parlament muß verhindern, daß die Bürokratie sich Übergriffe leistet. Ich glaube, das sollte hier einmal ganz deutlich herausgestellt werden.
Nun komme ich zu einzelnen Einwendungen; ich brauche zu dem Grundsätzlichen wohl nichts mehr zu sagen. Ich freue mich, als niedersächsischer Abgeordneter zu der Eigentumsfrage Stellung nehmen zu können. Ich fühle mich als niedersächsischer Abgeordneter besonders legitimiert, zu diesem Problem, das mir gar nicht heikel erscheint, hier Ausführungen zu machen. Zunächst muß wohl einmal festgehalten werden, daß es sicherlich kein Zufall ist, daß die Gründer des Volkswagenwerkes den Raum um Wolfsburg gewählt haben. Ich kenne die Gründe im einzelnen nicht, aber ich nehme an, daß das geplant worden ist.
({2})
- Natürlich! Aber es ist doch reiner Zufall gewesen, daß der niedersächsische Staat, der zur Zeit der Gründung des Werkes noch gar nicht existent war, dort in die Verwaltung, in die treuhänderische Verwaltung - so heißt, glaube ich, der Auftrag, den die Militärbehörden damals dem Land Niedersachsen gegeben haben -, gekommen ist. Fest steht, daß der niedersächsische Staat zu dem eigentlichen erstmaligen Aufbau des Volkswagenwerkes nichts beigetragen hat. Nach meiner Kenntnis steht auch fest, daß der niedersächsische Staat zu dem Wiederaufbau nach der fast völligen Zerstörung des Volkswagenwerkes ebenfalls nichts beigetragen hat. Das ist ja ein Teil der vorhergegangenen Kritik, daß das Volkswagenwerk den Wiederaufbau aus eigenen Mitteln - Finanzierung über den Preis - finanziert hat. Woher diese Eigentumsansprüche des Landes faktischer, moralischer und rechtlicher Art kommen sollen, ist mir völlig schleierhaft.
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- Herr Schmitt, ich komme gleich darauf zurück; warten Sie ab! Nur daraus, daß der Bund in dem Zeitpunkt, als man die Treuhänderschaft dem Land Niedersachsen übertrug, noch nicht existent war, kann man doch mit Fug und Recht keine Ansprüche herleiten. Das sollte doch mal ganz klargestellt werden. Ich verstehe zwar durchaus, daß die Länder einen gesunden Egoismus haben; dafür habe ich volles Verständnis. Aber höher als aller
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Länderegoismus müssen doch die eigentlichen Grundsätze stehen, und da steht das Bekenntnis zum Privateigentum voran. Das ist der oberste Grundsatz auch der Deutschen Partei, und damit gilt das auch für den Herrn Niedersächsischen Ministerpräsidenten.
({5})
- Ich bin als Abgeordneter völlig frei, das zu sagen, was meine persönliche Meinung ist,
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und ich glaube, daß diese meine persönliche Meinung gut untermauert ist.
({7})
Ich darf daran erinnern, daß im Jahre 1953 die damalige Besatzungsmacht die Meinung vertreten hat, daß der Bund das Recht hat, die Eigentumsverhältnisse festzustellen. Das kann sicherlich nicht die Bundesregierung als solche sein, sondern das muß der Gesetzgeber sein. Wir also sind berechtigt, durch Gesetz den Eigentümer festzustellen und einfach zu benennen. Das scheint mir zwingend und logisch zu sein.
Ich glaube auch nicht, daß man sich dort auf den Art. 14 Abs. 3 berufen kann, eben weil das Land Niedersachsen gar nicht Eigentümer sein kann. Infolgedessen kann man den Art. 14, der nach meiner Auffassung - aber ich bin kein Staatsrechtler - im wesentlichen eine Schutzbestimmung, eine Bestimmung zum Schutze von natürlichen und juristischen Personen bei Enteignungen durch den Staat sein sollte, hier gar nicht anführen. Ich habe zwar die Erfahrung gemacht - ich glaube, wir alle -, daß Finanzminister, seien es Bundes- oder Länderminister, einen sehr guten Appetit haben, wenn es sich darum handelt, neuen Besitz hereinzunehmen. Sie leiden aber regelmäßig an Verdauungsstörungen und bekommen Leibschmerzen, wenn sie etwas herausrücken sollen. Es scheint mir ein falsch angewandter Konservativismus zu sein, wenn die Wahrung des dem Staat gehörenden Besitzstandes dazu führt, die Bildung von neuem Privateigentum zu verhindern. Mir ist das Bekenntnis zum Privateigentum und die Verpflichtung, neues Privateigentum zu schaffen, so ernst, daß ich in diesem Hause zu meinem Bedauern einen von dem des Herrn Niedersächsischen Ministerpräsidenten und des Herrn Niedersächsischen Finanzministers abweichenden Standpunkt vertreten muß.
Ich glaube auch nicht, daß wir es uns in Deutschland leisten können, das Prinzip der föderalen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern dazu zu benutzen, eine vernünftige Neuregelung gerade auf diesem Gebiet der Schaffung von neuem Privateigentum zu verhindern. Man leistet dem Föderalismus damit einen schlechten Dienst. Ich darf daran erinnern, daß die antragstellende Koalitionspartei sich zum Privateigentum bekennt. Dieses Bekenntnis erscheint mir vorrangig vor allen anderen Grundsätzen und muß auch dann angewandt werden, wenn es einmal zum eigenen Nachteil ist.
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- Ich spreche hier qua Fraktion, wie Sie wissen; dieser Vorstoß der Niedersächsischen Landesregierung ist für mich genauso überraschend gekommen und erscheint mir wahrscheinlich genauso unbegründet wie Ihnen.
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- Das hat hier gar nichts damit zu tun! Nicht der Bundesvorsitzende der Deutschen Partei, sondern der Herr Niedersächsische Ministerpräsident hat gesprochen, - ebenso wie er sich auch im Verein mit dem CDU-Parteigenossen, dem Finanzminister Koch, befindet.
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- Tun Sie das nicht, meine Herren? Ich glaube, Sie von der sozialdemokratischen Fraktion hätten Grund, manchmal sehr eingehend die Standpunkte Ihrer Finanzminister in den einzelnen Ländern unter die Lupe zu nehmen, ob sie mit dem Ihrer Partei grundsätzlich in Übereinstimmung sind.
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Meine Herren, wir wollen uns hier doch nicht gegenseitig als Abgeordnete des Bundestages Schwierigkeiten und Vorwürfe machen, die völlig unberechtigt sind, in Dingen, die nicht die Fraktionen dieses Hauses zu verantworten haben.
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Eine andere Frage ist, ob man nicht Niedersachsen als Treuhänder bei der Verwendung des Erlöses in einem gewissen Umfang vorrangig hätte berücksichtigen können. Ich könnte mir vorstellen, daß gerade Niedersachsen als Zonengrenzland einen gewissen Anspruch hat. Ich gebe gern zu - daran sollten auch die Forderungen Niedersachsens gemessen werden -, daß dieses Haus Niedersachsen gerade vor wenigen Tagen noch zum Ausgleich des niedersächsischen Etats eine recht namhafte Summe aus Bundesmitteln überwiesen hat. Auch das sollte bei der Erledigung dieser Frage nicht vergessen werden. Ich stelle also fest, daß in jenem Fall der Draht zwischen Bonn und Hannover, der manchmal so gut funktioniert hat, wohl gerissen gewesen zu sein scheint.
Das soll mich aber nicht hindern, mit aller Deutlichkeit zu erklären, daß meine Fraktionsfreunde die Meinung vertreten, daß der Bundestag berechtigt ist, so wie es in § 1 geschehen ist. den Eigentümer festzustellen. Gerade von den Gegnern der Privatisierung des Volkswagenwerkes wird immer wieder argumentiert: Wir können das gar nicht machen, solange der Eigentümer nicht feststeht. Darauf muß ich sagen: umgekehrt wird ein Schuh daraus. Da ,der Eigentümer nicht feststeht, haben wir die Aufgabe, festzustellen, wer nun eigentlich gesetzmäßiger Eigentümer ist. Es ist doch ein kurioser und abstruser Zustand, daß ein so großes Vermögen keinen Eigentümer hat. Das ist in einem Staat doch unhaltbar. Die Eigentumsfrage ist kein Hindernis, sondern sollte geradezu Ansporn sein, dieses Problem zu lösen.
Als zweites ist der Volkswagensparer-Prozeß angesprochen worden. Ich bin der Auffassung, daß hier eine billige Lösung in Form eines Vergleichs gefunden werden kann. Ich spreche hier nicht als
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Jurist, der ich nicht bin, sondern spreche als Wirtschaftler. Es ist immer vernünftiger, einen Vergleich zu machen, der beide Teile befriedigt. Ich muß allerdings sagen, daß mir die Forderungen, die mir von dem Verein der Volkswagensparer bekanntgeworden sind, in ihrer Höhe bislang sehr unbillig erscheinen. Die Herren sollten die Auswirkengen der Währungsreform nicht übersehen. Es ist nun einmal notwendig, das damalige Geldvermögen zusammenzulegen. Ich glaube nicht, daß eine einzelne Gruppe daran vorbeigehen kann. Dies möchte ich hier insofern auch als meine Meinung und als Meinung meiner politischen Freunde festgestellt haben.
Zu dem technischen Problem möchte ich nicht mehr sprechen. Herr Kollege Stegner hat dankenswerterweise hier eine Reihe von Bedenken angeführt. Ich möchte nur noch zu einem Vorwurf sprechen, der hier häufig gemacht worden ist. Es wurde so getan, als wenn es sich hier um einen Wahlschlager handelte. Es ist möglich - jeder vernünftige Mann in diesem Hause wird ,die Möglichkeit nicht leugnen können -, daß dieser Bundestag nicht mehr die Zeit haben wird, das Gesetz abschließend zu behandeln.
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- Herr Atzenroth, lassen Sie mich aussprechen! - Dennoch ist es richtig gewesen, diesen Antrag zu dieser Zeit einzubringen als politische Willensbekundung und als Ausdruck der Verpflichtung einer jeden neuen Koalitionsregierung.
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Ich wäre noch nicht einmal - jetzt spreche ich wieder meine persönliche Meinung aus - unglücklich darüber, wenn der Gesetzentwurf vielleicht nicht mehr zur Verabschiedung käme; denn ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Stegner, durchaus der Meinung, daß die technischen Schwierigkeiten so groß sind, daß wir wohl 12 bis 15 Monate Zeit nötig haben werden, um lalle diese Fragen richtig ,ausreifen zu lassen. Ich würde das also nicht bedauern, gerade weil dies ein mutiges Experiment ist, das gelingen muß. Deswegen sollten wir uns die Zeit nehmen, das gehörig ausreifen zu lassen. Ich muß aber auch feststellen, daß alle die Forderungen, die seinerzeit in dem Antrag Elbrächter, Vogel und Genossen erhoben worden sind, hier berücksichtigt warden sind und daß die Lösungen, die hier vorgesehen sind, mir gangbar erscheinen. Gerade die Frage des Stimmrechts und der Übertragung des Stimmrechts scheint mir hier durchaus gut gelöst zu sein.
Ich bin nicht der Auffassung, daß die Schwierigkeiten hinsichtlich der verwaltungsmäßigen Behandlung von vinkulierten Aktien so groß sind, wie es hier ausgeführt worden ist; denn schließlich, Herr Kollege Stegner, hat sich auch in der Verwaltung etwas getan. Auch dort gibt es so etwas wie Automation. Man kann solche gleichartigen Massenvorgänge heute sehr viel besser erledigen, als das zu früherer Zeit möglich war, als das Aktienrecht konzipiert worden ist. Ich machte auch hier nicht verschweigen, daß, wenn wir den Gedanken der Aktie nicht weiterhin diskriminieren wollen, unbedingt auch ihre steuerliche Behandlung verbessert werden muß, insbesondere die Doppelbesteuerung wegfallen muß. Auch das muß parallel hiermit geklärt werden.
Lassen Sie mich zum Schluß sagen: ich freue mich, daß die Koalition endlich einen Antrag vorgelegt hat, der nach meiner und meiner Freunde Auffassung eine ganz große Popularität hat und der dem Gedanken ,des Privateigentums, also der Gleichstellung aller Menschen, sie seien Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, auch wirtschaftlich Rechnung trägt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Erhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf meine Zusammenfassung der Diskussion in der Reihenfolge der vorgebrachten Argumente vortragen.
Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Atzenroth. Ich glaube, niemand wird Sie oder auch Ihre Partei verdächtigen wollen, es sei Ihnen mit der Privatisierung bundeseigenen Vermögens nicht ernst. Aber gerade deswegen scheint mir Ihre Auffassung nicht ganz konsequent fortgeführt zu sein. Denn wenn Sie Zweifel haben, ob die CDU das gleiche will, ob die CDU wirklich geneigt ist, diesen Weg zu gehen, und wenn Sie da manche kritische Anmerkung zum Ahlener Programm usw. gemacht haben, dann verstehe ich nicht, warum Sie glauben, daß Ihr Anliegen im Bündnis mit der SPD besser erfüllt werden soll.
({0})
- Entschuldigen Sie, das ist doch keine logische Konsequenz! Sie sind unzufrieden mit der CDU, mißtrauen ihr, daß eines Ihrer wesentlichsten Anliegen im Bündnis, d. h. in der Koalition mit der CDU hätte erfüllt werden können -, und dann machen Sie das Bündnis mit der SPD, als ob Sie da mehr Hoffnung haben könnten.
({1})
Aber nun zu Herrn Kollegen Stegner. Es ist hier wiederholt ein Zweifel zum Ausdruck gekommen, ob dieser Gedanke populär sei. „Populär" scheint mir überhaupt ein viel zu flaches Wort für das Anliegen zu sein, um das es hier geht.
({2})
Ob die Idee in den Herzen und in den Geistern der
Menschen Anklang findet, überlassen Sie ruhig der
Zukunft. Ich bin meiner Sache hier ganz gewiß.
Was den Zeitpunkt der Einbringung anlangt, so kann man darüber verschiedener Meinung sein. Ich bin auch nicht der Auffassung, daß es jetzt gezielt der richtige Tag wäre;
({3})
aber daß der Zeitpunkt der Einbringung in einer inneren Beziehung zu der sozialen Lage unseres Volkes stehen muß, kann doch füglich nicht geleugnet werden. Zu einem Zeitpunkt, in dem die Produktivität noch nicht so sehr fortgeschritten war, in dem die Löhne noch niedriger waren, die Realkaufkraft nicht ausreichte, um diesem Gedanken
({4})
auf breiterer Grundlage Raum geben zu können, hätte auch die Privatisierung des Volkswagenwerks wahrscheinlich aus rein materiellen Gegebenheiten heraus nicht zum Erfolg geführt werden können. Insofern hängen diese Dinge unlösbar zusammen.
({5})
- Da haben Sie recht. Es ist aber eine meiner Ansicht nach unberechtigte Verdächtigung - und die wird Ihnen auch niemand abnehmen -, wenn Sie die Bevölkerung glauben machen wollen, die CDU und ihr Koalitionspartner hätten diesen Initiativgesetzentwurf aus nur reißerischen, wahltechnischen Gründen eingebracht.
({6})
- Meine Herren, ich würde an Ihrer Stelle vorsichtiger sein. Die CDU ist damit eine verpflichtende Bindung eingegangen, und die CDU hat vor dem deutschen Volk noch immer das gehalten, was sie versprochen hat.
({7})
So oft Sie das in der Öffentlichkeit bestritten haben, so oft haben Sie sich blamiert.
({8})
- Aber Sie werden doch nicht glauben wollen. daß die CDU diesen ihren Willen in so deutlicher Form bekundet, um dann einige Monate später wieder davon abzurücken.
({9})
Das wird sich ja herausstellen. Im übrigen, Herr Kollege Stegner, scheinen mir Ihre Bemerkungen zur Form und zur Technik nicht durchschlagend zu sein. Sicher tauchen damit Probleme auf, z. B. auch steuerlicher Art wie etwa die Frage der Doppelbesteuerung der Aktie. Aber diese Dinge können und dürfen uns nicht hindern. Ich bin der Meinung: wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, und wir haben wirklich schon schwierigere Dinge gemeistert als die Privatisierung des Volkswagenwerkes.
({10})
Ich bin der Meinung - Herr Kollege Elbrächter hat diesen Punkt besonders deutlich herausgestellt -, daß auf die Dauer der Zustand unerträglich ist, daß das Volkswagenwerk als herrenloses Gut angesehen wird. Ich sage nicht, daß die Rechtslage schon völlig klar sei, darf Ihnen jedoch das in meinen Akten befindliche Protokoll über eine Verhandlung im Bundesministerium für Wirtschaft am 8. Oktober 1949 vorlesen. Dieses Protokoll ist von Oberst Radclyffe von der britischen Militärregierung, von mir und von dem Vertreter des Landes Niedersachsen, Herrn Haverbeck, unterschrieben. Es lautet:
Bei einem Besuch des Oberst Radclyffe bei dem Bundesminister für Wirtschaft, Professor Dr. Erhard, überträgt Oberst Radclyffe auf Grund der britischen Militärregierungsverordnung Nr. 202 die Treuhänderschaft über die Volkswagenwerk-GmbH auf die Bundesregierung. Die Bundesregierung übernimmt die Treuhänderschaft und überträgt die Verwaltung über die Gesellschaft auf das Land Niedersachsen, vertreten durch Ministerialrat Haverbeck. Das Land Niedersachsen wird die Verwaltung im Namen und unter der Weisung der Bundesregierung ausüben.
({11})
Das scheint mir immerhin einen klaren Willen zum Ausdruck zu bringen. Das Land Niedersachsen hat auch nicht protestiert. Sein Versuch im Jahre 1953, die Rechtsverhältnisse zugunsten des Landes Niedersachsen zu klären, war nicht erfolgreich.
({12})
- Ich sagte ja: damit ist die Rechtsfrage noch nicht endgültig geklärt. Aber es ist doch immerhin eine sehr starke Vermutung begründet.
Gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Minister, würden Sie uns Auskunft geben, wie es bei dieser Sachlage, die Sie eben dargestellt haben, möglich gewesen ist, daß der Herr Staatssekretär Hartmann bei der Beratung meines Gesetzentwurfs gesagt hat, die Rechtsgrundlage für die Privatisierung des Volkswagenwerkes sei noch nicht geklärt, so daß die Behandlung des Gesetzentwurfs praktisch noch nicht möglich sei?
Ich habe ja eben selber betont, daß ich die Rechtsfrage damit nicht als völlig geklärt erachte, daß aber immerhin in der Willensbezeugung eine Vermutung liegt.
Ich möchte noch etwas ganz anderes sagen. Herr Kollege Kurlbaum, wenn Sie mit Ihrer Bemerkung nach der Rede von Herrn Kollegen Stegner, daß Heiterkeit herrsche, meinten, es herrsche eine frohe Stimmung, dann schließe ich mich dem gern an. Aber wenn Sie damit die ganze Aktion lächerlich machen wollten, möchte ich Ihnen sagen: Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
({0})
Lassen Sie mich etwas sehr Ernstes sagen: Ich glaube - und ich möchte es ganz deutlich machen -, daß wir mit der Privatisierung bundeseigenen Vermögens fortfahren müssen. Das Volkswagenwerk soll ja nur ein erster Schritt sein. Wenn wir das Volkswagenwerk anstatt Hibernia oder irgendein anderes Objekt gewählt haben, dann sicher auch deshalb weil, um breite Bevölkerungsschichten überhaupt an die Aktie heranzuführen, ein attraktives Unternehmen gewählt werden mußte. Es liegt ja schließlich rauch im Interesse der kleinen Einkommensbezieher und der kleineren Sparer, wenn man ihnen gerade dieses Werk, das so attraktiv ist und in dem zweifellos große Chancen liegen, zu Eigentum überträgt,
({1})
Es gibt meiner Ansicht nach noch einen weiteren Gesichtspunkt: Die Aktie ist doch - und ganz bestimmt nicht ohne das Zutun Ihrer Partei ({2}) - in der Öffentlichkeit sehr lange Zeit, ja bis in die Gegenwart hinein diffamiert worden; sie ist als ein Instrument des Teufels zu Zwecken kapitalistischer Ausbeutung gebrandmarkt worden. Dieser Zustand ist auf die Dauer unerträglich.
({3})
- Ich habe Ihre Aussprüche nicht gesammelt; aber es würde mir leicht fallen, aus Ihrem Lager solche Äußerungen zum Aktienbesitz hier vorzubringen. Das kann ja gar nicht geleugnet werden. So war es doch, ganz im Gegensatz z. B. zu angelsächsischen Ländern, in denen die Stellungnahme und die Haltung der Arbeiterschaft, weniger beeinflußt, eine ganz ,andere gewesen ist. Dort begegnet man gerade in diesen Schichten der Aktie mit großem Interesse und Wohlwollen.
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- Bitte sehr!
Herr Professor, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Börsenreform der 90er Jahre und der ganze Kampf gegen Börsenaktien in Deutschland von der extremen Rechten und von niemand anders geführt worden ist?
({0})
Daß es in Deutschland reaktionäre Kreise gegeben hat, ist mir genauso gut bekannt; aber Sie werden mich wahrscheinlich nicht mit diesen Kreisen identifizieren wollen.
({0})
Es gilt meiner Ansicht nach, in Deutschland ein neues staatsbürgerliches Bewußtsein zu wecken. Wenn es uns gelingt - und das sollte eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein -, in einer breiten Streuung des Eigentums auch dem kleinen Mann, und hier sogar mit einer gewissen Vorgabe, die Möglichkeit der unmittelbaren Beteiligung am Produktivvermögen in freier eigener Verfügung zu schaffen, dann wäre das ein großes Werk. Denn wir leiden doch darunter, daß man in einer völlig falsch verstandenen Arbeitsteilung bisher der Meinung war, es sei Aufgabe des Staates, um die Schaffung und Erhaltung von Produktivvermögen besorgt zu sein; das andere sei eine Sache der Unternehmer. Nein, das ist auch eine Sache der Arbeiter und der Angestellten, aller in abhängiger Arbeit stehenden Menschen. Je besser und je deutlicher wir dem ganzen Volke über alle Berufskreise und alle Schichten hinweg deutlich machen können, daß keine Volkswirtschaft, unter welcher Ordnung sie auch stehen mag, ohne die Erhaltung, die Erneuerung und die Verbesserung ders Kapitals und der Produktivität leben kann, ohne in die Primitivität versinken zu müssen, um so mehr wird auch jeder einzelne Staatsbürger die persönliche Verantwortung empfinden, an dieser schicksalhaften Gestaltung unserer Volkswirtschaft aktiv mitzuarbeiten, und dann auch eine Mitverantwortung tragen wollen.
({1})
So lese ich z. B.: IG Metall protestiert gegen Privatisierung, und Herr Brenner äußert sich dahin - ich möchte die Auslassungen von Herrn Brenner zwar nicht mit dem Standpunkt der SPD identifizieren,
({2})
aber immerhin ist das ja nicht von ungefähr -, die Privatisierung des Volkswagenwerks wie überhaupt ,die Privatisierung öffentlicher Unternehmungen sei eine Grundsatzfrage. Er erklärt wörtlich:
Wir müssen den Verfechtern der Privatisierung nicht nur den Vorwurf machen, daß sie Volksvermögen verschleudern und die Sicherheit der Arbeitnehmer in diesen Betrieben beeinträchtigen, sondern daß sie mit diesen Absichten auch der weiteren Monopolisierung und Kartellierung in der Wirtschaft der Bundesrepublik Vorschub leisten.
Ich muß also wirklich sagen: Diese Auffassung kann doch unmöglich in Übereinstimmung gebracht werden mit manchen immerhin verständnisvollen Äußerungen, die Sie zu diesem Thema hier vorgebracht haben. Hier ist wieder einmal eine Kluft sichtbar geworden. Ich glaube, je eher es uns gelingt, in dieser Frage eine Versöhnung zustande zu bringen, um so besser wird es für unser ganzes Volk sein. Das Volk will eine klare Konzeption sehen und einen klaren Willen erkennen. Es will auch, daß der Weg beschritten wird, den wir hier vorgezeichnet haben.
({3})
Die Selbstfinanzierung, von der Sie gesprochen haben, ist ein Problem, das ich selbst angeschnitten habe. Es ist eher irreführend, Herr Kollege Kurlbaum, wenn Sie die angegebenen Zahlen ohne weitere Kommentare bekanntgeben. Zu dem Selbstfinanzierungsbetrag, den Sie hier genannt haben, gehören z. B. auch die Ersparnisse aller Selbständigen überhaupt. Ich glaube, insoweit kann man die Selbstfinanzierung doch nicht gerade mit einem negativen moralischen Vorzeichen werten. Im übrigen sind unsere Auffassungen hier gar nicht so grundsätzlich verschieden, wie überhaupt diese meine Darlegungen nicht einer Polemik dienen sollen, sondern einem echten Anliegen entspringen, das uns, meiner Ansicht nach, alle verbinden könnte.
Man kann auch nicht sagen: Hier wird überhaupt nur eine neue Sparform geschaffen, aber eine echte zusätzliche volkswirtschaftliche Ersparnisbildung findet nicht statt. Ich glaube, diese Rechnung geht nicht ganz ohne Rest auf, weil auch hier wieder einmal der Mensch und die menschliche Reaktion nicht mit in das Kalkül einbezogen wurden.
Wir müssen es durch die veränderte geistige Haltung, von der ich vorhin sprach, zuwege bringen, daß der Arbeiter, wie überhaupt jeder einzelne Mensch in der Volkswirtschaft, wo immer er steht, sich dessen bewußt ist, daß sein Schicksal von morgen und das seiner Kinder und Kindeskinder von seinem eigenen Verhalten abhängt und daß die Alternative „Sparen oder Verbrauchen" je nach der wirtschaftlichen Entwicklung in der Akzentverlagerung sich verschiebt. Aber da wir mit Fug und Recht hoffen und erwarten können, daß wir
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in dem weiteren Fortschreiten unserer Volkswirtschaft zu immer besserer Eigentumsbildung für alle kommen, wird diese Überlegung nicht nur zu der Fragestellung führen: „Spare ich so oder spare ich so oder verzichte ich überhaupt?", sondern es wird den Menschen der volkswirtschaftliche, der soziale Sinn für das Sparen aufgehen, und die äußeren Möglichkeiten sind ja auch so geartet, daß auch effektiv mehr gespart werden kann. Insofern lautet die Alternative nicht: entweder - oder, entweder in dieser oder in jener Form sparen, sondern mit jedem weiteren Fortschritt, mit zunehmender Produktivitätssteigerung, mit der weiteren Verbesserung des sozialen Seins aller Menschen ist auch die andere Alternative gegeben: nicht nur eine qualitative, sondern auch eine quantitative Veränderung des ganzen Sparvolumens herbeizuführen.
Im übrigen schien mir auch manches von Ihnen Gesagte nicht ganz logisch zu sein, so als Sie z. B. von der Preispolitik in der Automobilindustrie sprachen und sich in diesem Zusammenhang über die möglichen oder notwendig werdenden Finanzierungen innerhalb des Volkswagenwerks äußerten. Sie wiesen auf andere Automobilfabriken hin, die sich im Besitz von wenigen mit großen Aktienpaketen befinden, und stellten dem das Volkswagenwerk als im Besitz der öffentlichen Hand befindlich gegenüber. Soll das heißen, daß es Bereiche unserer Wirtschaft gibt, die überhaupt nur in finanziellen und technischen Großformen gedacht werden können, und es also zwingend vorgeschrieben wäre, daß einerseits massenhafter Kapitalbesitz und massenhaftes Eigentum an solchen Werken bestehen müsse oder auf der anderen Seite nur der Staat als Eigner in Erscheinung treten könne? Gerade wenn ein Konzentrationsprozeß Platz greift - und das mag aus manchen Gründen, auch aus technischen Gründen, der Fall sein -, muß uns - ich glaube, ich habe das hier schon ausgeführt - um so mehr daran gelegen sein, daß dieser Konzentration gegenüber eine Dekonzentration der Besitz- und Eigentumsverteilung stattfindet.
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Im übrigen war ja doch - das ist gewiß keine Kritik an der Leitung des Volkswagenwerks - die Preispolitik innerhalb der Automobilindustrie nicht etwa so geartet, daß das Volkswagenwerk immer vorausgelaufen wäre und alle anderen dann hatten nachfolgen müssen. Diese Entwicklungen schieben sich aneinander vorbei. Sie wissen, daß jetzt z. B. ganz neue Typen von Kleinautos herauskommen. Dadurch wird wieder ein neuer Einfluß auf die Preispolitik, auch auf die des Volkswagenwerks und auf alle anderen Werke, ausgeübt werden. So viel Vertrauen können wir zu einem im privaten Eigentum befindlichen Volkswagenwerk - damit ist ja doch gar nichts über die Produktion, über Preise, über die Geschäftsführung usw. ausgesagt - haben, daß es die Funktion, die es bisher erfüllt hat, auch in Zukunft zu leisten vermag. Es ist also nicht ein Experiment, das wir da machen; auch das ist eine völlig falsche und irreführende Bezeichnung. Was wir hier anstoßen, liegt in dem natürlichen Trend der eingeschlagenen Wirtschaftspolitik, die wir durch neun Jahre immerhin mit einiger Stetigkeit durchgeführt haben und auf die das deutsche Volk vertraut.
Das ist das, was ich zu diesem Thema sagen möchte. Auch ich bin überzeugt, daß das, was wir hier tun wollen, vielleicht noch nicht der Weisheit letzter Schluß ist und in der Form noch nicht Vollkommenes bedeutet. Aber ich hoffe, daß wir in einer so schicksalhaften Frage - wir zeigen neue Wege auf, setzen ein neues wirtschaftspolitisches Ziel ({6})
zusammenarbeiten können. Es ist meine Überzeugung, daß wir das tun sollten. An uns jedenfalls, das kann ich für meine Partei - ich spreche heute als Abgeordneter - und zugleich für die Koalition sagen, soll es nicht fehlen, damit aus diesem Plan etwas Gutes und Segensreiches werden wird. Und wer sagt uns denn, wenn dieser Plan gelingt und der Gedanke zündet, dann nicht auch innerhalb der privaten Wirtschaft bei neuen Emissionen Wege gefunden werden, die sich diesen Vorstellungen in etwa nähern!
Ich glaube, wir müssen einige Phantasie aufbringen.
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- Ja, das ist Ihnen immer schwergefallen.
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Wir müssen einige Phantasie aufbringen. Das Leben ist gerade auch in diesen Dingen nicht rechenhaft. Da ich nun schon einmal mit meinem Buch „Wohlstand für alle" zitiert worden bin, muß ich Ihnen sagen, daß ich noch etwas mehr meinte als nur materielle Sicherheit und primitiven Wohlstand in der Addition des Konsums. Sie wissen, daß ich nichts dagegen habe, im Gegenteil; das habe ich ja oft genug betont. Hier aber meine ich vor allen Dingen auch eine geistige und seelische Befreiung des Menschen von zu viel Staat und von zu viel kollektiver Abhängigkeit.
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Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Deist!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! - Herr Präsident! Ichbitte um Verzeihung; die Debatte hat einen so heiteren Charakter angenommen, daß ich selbst das vergessen habe.
- Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister, der Herr Abgeordnete Erhard hat soeben verkündet, daß es sich hier um viel mehr handle als um eine einfache wirtschaftliche Maßnahme, daß hier gewissermaßen ein neuer Geist in Erscheinung trete. Ich denke dabei auch an Herrn Professor Röpke ,auf der letzten Tagung
- „Marktwirtschaft ist nicht alles!" -, auf der so einige Bedenken gegenüber 'unserer Marktwirtschaft von heute zum Au s d ruck gekommen sind. Röpke sagte, daß einiges Weitere hinzukommen müsse, und zog dann die überraschende Schlußfolgerung, hier müsse eine Elite auftreten, die in Formen eines vorbildlichen Denkens jenseits von Gut und Böse dem Volke in der Wirtschaft so etwa die Ziele weise.
Ich finde, man sollte sachliche Probleme, die in ihrem Rahmen wirklich ihre sachliche Berechtigung haben, nicht in eine Atmosphäre hineinheben, in der sie so behandelt wenden, wie das heute - zu({0})
mindest in der .ersten Hälfte der Diskussion geschehen ist. Dann kann man ein solches Problem einfach nicht mehr ernst nehmen.
Ich bin nämlich der Auffassung, Herr Professor Erhard, daß es sich hier um ein ernstes Problem handelt und daß man infolgedessen mit dem gebotenen Ernst an die Erörterung und auch an die Festsetzung des Zeitpunkts, wann man ein solches Problem zur Debatte stellt, herangehen sollte.
Aus dem, was uns heute in ,einem Kaleidoskop dargeboten wurde, muß ich nun doch einige Dinge herausgreifen, die es mir zweifelhaft erscheinen lassen, ob das Verfahren, das hier angewandt worden ist, wirklich den Rückschluß zuläßt, daß es sich um eine ernsthafte, seriöse Angelegenheit handelt.
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Unter dem Antrag stehen eine Reihe von Namen. Der erste Name ist Adenauer und der zweite Erhard. Ich glaube mich zu entsinnen, daß der erste seit ,acht Jahren Bundeskanzler und der zweite seit acht Jahren Bundeswirtschaftsminister ist.
({2})
Ich glaube mich weiter zu entsinnen, daß Sie, meine Damen und Herren, 8 Jahre lang über eine wenn auch gelegentlich unterschiedliche, aberimmerhin kompakte Mehrheit in diesem Bundestag verfügt haben.
({3})
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister hier sagt, es sei eigentlich unerträglich, daß das Volkswagenwerk seit dem Jahre 1949, seit der Anordnung der Besatzungsbehörde, als herrenloses Eigentum herumschwebe, kann ich nur fragen: Warum hat diese Bundesregierung und warum haben die beiden ersten Unterzeichner nicht Gelegenheit genommen, dieses Problem zu lösen?
({4})
- Warum?
({5})
- Herr Bundeswirtschaftsminister, wir wollen die Debatte nicht verschieben. Ich sprach im Augenblick davon, daß es seit dem Jahre 1949 möglich war, die Eigentumsfrage ,durch Gesetz zu regeln. Das hat mit der psychologischen und der wirtschaftlichen Situation nicht ,das mindeste zu tun.
({6})
Die Bundesregierung und ihre Mehrheit hat nicht einmal die Möglichkeit gefunden, diese primitive Rechtsfrage zu lösen.
({7})
- Jawohl, sie wäre zu lösen gewesen.
Sie waren auch nicht imstande, eine andere Frage zu lösen. Immer noch steht die Frage offen
- wir haben das auch hier diskutiert, und der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat bestätigt, daß die Frage noch nicht
gelöst ist -, wem das übrige öffentliche Vermögen des früheren Landes Preußen und des früheren Reiches eigentlich gehört. Nicht einmal diese Aufgabe, deren Erfüllung Ihnen durch die Verfassung aufgegeben ist, 'haben Sie bis heute lösen können.
({8})
Nun so zu tun, meine Damen und Herren, als ob ausgerechnet der gegenwärtige Zeitpunkt der sachlich richtige wäre, scheint mir doch - um ein Wort ,des Herrn Professor Erhard zu wählen - etwas über die Hutschnur zu gehen.
({9})
Herr Kollege Elbrächter und Herr Kollege Blank haben erklärt, sie seien zur Überprüfung von Einwendungen bereit; natürlich seien gewisse Unebenheiten vorhanden, man müsse einige Dinge klären, die Fragen müßten gründlich geprüft und etwaige Fehler beseitigt werden; das könne eventuell 10 bis 12 Monate dauern. - Diese Ausführungen sind die Antwort darauf, aus welchen Gründen ,dieser und kein anderer Termin gewählt worden ist.
({10})
Ein Zweites: Sie wissen doch, meine Damen und Herren - und der Herr Kollege Blank, der den Antrag begründet hat, hat es hier bestätigt -, daß das ganze Projekt mit dem Risiko des Volkswagensparerprozesses belastet ist. Sie wissen ebenfalls, daß selbst dann, wenn Sie versuchen sollten, diese Frage durch einen Vergleich zu lösen, darüber 'wahrscheinlich viel längere Zeit als nur Monate vergehen werden. Die Versuche, einen Vergleich herbeizuführen, sind ja nicht neu, Herr Kollege Blank. Solche Versuche sind schon früher gemacht worden, und es hat bisher eben keine Möglichkeit gegeben, einen Vergleich herbeizuführen. Das heißt also, bis das Risiko des Volkswagensparerprozesses beseitigt, ein Vergleich zustande gekommen und die Bewertung durch die Treuhandgesellschaft erfolgt sein wird, haben wir längst den nächsten Bundestag, und kein Mensch wird es Ihnen dann noch abnehmen, daß ausgerechnet der jetzige Zeitpunkt richtig und nötig gewesen sei, um diesen Gesetzentwurf einzubringen.
({11})
Eine andere Frage! Herr Bundeswirtschaftsminister, es tut mir leid, daß ich idarauf zu sprechen kommen muß; aber wenn Sie solche Ausführungen machen, muß man ja schließlich darauf eingehen. Sie haben ausgeführt - und das war ein sehr unvorsichtiges Wort -, die CDU habe bisher immer gehalten, was sie versprochen habe, und werde dies auch in Zukunft tun.
({12})
Nun, Herr Bundeswirtschaftsminister, was haben Sie über ,die Zollsenkung gesagt, was haben Sie über die Zollsenkung versprochen, und was ist daraus geworden?
({13}) Sie können sich die Antwort selber geben.
Eine weitere Frage: Herr Bundeswirtschaftsminister, was haben Sie über das Kartellgesetz gesagt? Was ist aus der Durchführung des Kartellgesetzes in all den Jahren bis heute geworden? In welchem Umfange ist dieses Kartellgesetz mit
({14})
seinem Verbotsprinzip bereits durchlöchert worden? Was für Bestrebungen sind augenblicklich bei Ihnen im Gange, um die Kartellbehörde zu einem völlig unfruchtbaren Instrument zu machen? Was ist mit diesen Versprechungen, die Sie bisher gegeben haben? Schon das bisher vorliegende Ergebnis entspricht in keiner Weise den Versprechungen, die Sie gemacht haben.
({15})
Dann eine dritte Frage, Herr Bundeswirtschaftsminister: meinten Sie vielleicht mit den Versprechungen, die Sie gemacht haben, auch ,das Ahlener Programm? Was hier geschehen ist, ist doch wohl einmalig in der deutschen Parteigeschichte.
({16})
- Ich danke Ihnen für das Stichwort. Selbstverständlich kann jeder stolz darauf sein, wenn er aus den Ereignissen und aus der fortlaufenden Entwicklung zulernt. Wir Sozialdemokraten leugnen das nicht: wir haben im Laufe der Jahrzehnte au ch etwas hinzugelernt und sind stolz darauf. Wir sind stolz auf unsere ganze Vergangenheit und verleugnen auch diese nicht einen Augenblick.
({17})
Aber was haben Sie mit dem Ahlener Programm gemacht? Sie haben nicht etwa gesagt: Wir halben hinzugelernt. Sie haben nicht einmal gesagt: Wir stützen uns heute auf starke Gruppen, denen zuliebe wir solche Vorschläge nicht mehr durchführen dürfen. Herr Meyers hat ,auf einer Pressekonferenz in Hamburg erklärt: Im Grunde genommen wollten wir die Sozialisierung damit verhindern. Das heißt, daß dieses Programm von Ihnen niemals aufrichtig gemeint war.
({18})
Das ist der Unterschied, und darum sollten Sie vorsichtig sein. Sehen Sie sich die Äußerungen des Herrn Meyers auf der Pressekonferenz des Parteitages an!
({19})
Dann ist hier ein großes Wort gefallen: die Volksaktie bzw. das Projekt des Volkswagenwerks sei außerordentlich populär.
({20})
Das Projekt ist so populär, daß die Urheber des Gesetzentwurfs nicht einmal wagen durften, ihn in die Bundesregierung zu bringen, weil selbst in der Bundesregierung keine Möglichkeit gewesen wäre, darüber eine Einigung herbeizuführen.
({21})
Es ist so populär, daß die Regierung von Niedersachsen sich mit aller Gewalt gegen diesen Gesetzentwurf stemmt. Es ist so populär, daß die Leitung des Volkswagenwerks erklärt hat, ein solcher Gesetzentwurf sei unmöglich.
({22})
- Das wundert mich bei dieser Regierung gar nicht. Es ist so populär, daß die Belegschaft des Werkes sich mit aller Gewalt dagegen wendet. Es ist so populär, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund und die angeschlossenen Gewerkschaften sich dagegen ausgesprochen haben.
({23})
Es ist so populär, daß auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft sich dagegen ausgesprochen hat.
({24})
- Meine Damen und Herren, Sie leugnen doch wohl nicht, daß das immerhin Organisationen sind, hinter denen auch einige Millionen deutsche Bürger stehen. Es ist doch wohl etwas übertrieben zu sagen, das Projekt sei eine völlig populäre Angelegenheit.
Nun zur Sache. Der Gesetzentwurf über das Volkswagenwerk und die Volksaktie werden unter dem Gesichtspunkt „Wohlstand für alle" gestartet. Wir wissen, daß etwa 70 % der gesamten Erwerbstätigen unselbständige Erwerbstätige sind und daß dieser Anteil ständig steigt. Wenn Sie wirklich Wohlstand für alle, eine breite Streuung von Eigentum haben wollen, dann müssen Sie dafür sorgen, daß diese breiten Schichten der Unselbständigen in der Lage sind, sich an dem Vermögenszuwachs zu beteiligen.
({25})
- Ich bin am Anfang; vielleicht warten Sie noch etwas, bis ich weitergesprochen habe. - Sie könnten wissen, daß z. B. die Sozialdemokratische Partei sich in verschiedenen Ausschüssen ernsthaft mit dem Problem befaßt, wie eine Beteiligung breiterer Schichten auch der Unselbständigen an dem ständigen Vermögenszuwachs in Deutschland zu ermöglichen ist. Sie dürften auch, wenn Sie sich ernsthaft mit diesen Dingen befaßt haben, wissen, daß auch innerhalb der deutschen Gewerkschaften ernste Diskussionen über das Problem im Gange sind. Der Kollege Kurlbaum hat schon einige Zahlen genannt. Ich will gar nicht auf das Volkswagenwerk abstellen. Aber selbst wenn Sie das ganze Bundesvermögen ausverkauften, welche Möglichkeiten zu weitgehendem Wohlstand für alle stecken da eigentlich drin? Sie legen doch hier ein Windei, um das zu reden es sich gar nicht lohnt.
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Wenn Sie es mit dem Problem Wohlstand für alle - dazu gehören eben die 70 % Unselbständigen - ernst meinen, dann müssen Sie an den Vermögensbesitz und den Vermögenszuwachs in den großen privaten Unternehmungen herangehen.
({27})
Ich habe mit sehr viel Interesse vorhin die Ausführungen des Herrn Kollegen Blank gehört. Er sagte, für diese Aktion komme doch eigentlich nur das öffentliche Vermögen in Frage, denn das private Vermögen befinde sich ja in privater Hand.
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Herr Kollege Häussler, Ihr Kreis, der sich, glaube ich, ein Verdienst dadurch erworben hat, daß er sich mit diesen Fragen ernsthaft befaßt hat, weiß doch sehr genau, daß Wohlstand für alle, eine breite Streuung von Eigentum und eine wirksame Auflockerung ,des Vermögenszuwachses in der deutschen Wirtschaft, nur möglich ist, wenn die Gesamtheit oder wenigstens ein größerer Teil des
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deutschen Volkes an diesem ständigen privaten Vermögenszuwachs beteiligt werden kann.
Da handelt es sich allerdings um Beträge, über die zu reden es sich lohnt; denn das gewerbliche Vermögen in Deutschland beträgt mehrere hundert Milliarden DM. In den letzten Jahren seit der Währungsreform ist - nach Abzug der Abschreibungen bzw. Ersatzbeschaffungen - ein Nettozuwachs von etwa 150 Milliarden DM hinzugekommen. Von diesem Nettozuwachs stammen rund 100 Milliarden DM aus der Selbstfinanzierung. Wenn Sie es mit der breiten Streuung des in Deutschland angehäuften und angesammelten Vermögens wirklich ernst meinen, dann müssen Sie dieses Problem lösen und nicht die Frage der 21/2 Milliarden DM in der Hand des Bundes.
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- Was war notwendig, um Dauerarbeitsplätze zu schaffen?
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- Ich sprach von der Größenordnung, die eine Rolle spielt, wenn Sie von Wohlstand für alle sprechen, und von der Größenordnung des Bundesvermögens, die hierfür uninteressant ist.
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Jetzt frage ich Sie hier in der Mitte wirklich: Warum bringen Sie ein solches Projekt „Volkswagenwerk" vor, mit dem Sie alle gesunden und brauchbaren Ansätze zu einer Diskussion über das Ziel, eine wirklich breite Streuung des Vermögens herbeizuführen, zerstören und die psychologischen Voraussetzungen für weitere Gespräche nehmen? Denn wenn Sie dieses Projekt jetzt in den Wahlkampf bringen - schließlich stehen wir ja in einigen Monaten vor der Wahl, und Sie haben es doch wohl auch wahltaktisch gemeint - und es den wahltaktischen Auseinandersetzungen aussetzen, dann zerstören Sie doch die Grundlage für jede vernünftige Erörterung des Problems, wirklich Eigentum in breiter Hand auch für die Unselbständigen zu schaffen.
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Zu dieser Frage gehört doch wohl etwas mehr, als einige Aktien auszuschütten. Dazu gehört doch, daß Sie zunächst einmal nicht nur einigen wenigen auch unter den Unselbständigen - ich will das gar nicht bestreiten -, sondern der großen Masse der Unselbständigen durch die Steigerung ihres Lebensstandards die Möglichkeit geben, einen größeren Teil .ihres Einkommens in Vermögen anzulegen. Dann wäre es schon besser gewesen, Herr Bundeswirtschaftsminister, die Gewerkschaften hätten ihre Lohnkämpfe nicht gegen den erbitterten Widerstand der hinter Ihnen stehenden Gruppen durchführen müssen. Dann hätten Sie darauf aufmerksam machen müssen, daß hier eine tragfähige Grundlage geschaffen wird, auf der die Ersparnisbildung von den großen Unternehmungen auf die breiten Schichten der Bevölkerung verlagert werden könnte.
Ich konzediere Ihnen auch gern ein Weiteres. Bei ständiger Steigerung der Masseneinkommen muß Vorsorge getroffen werden, daß sich der höhere Lebensstandard in Ersparnissen und Investitionen
niederschlägt. Aber, Herr Professor Erhard, der Weg, den Sie vorschlagen, nämlich eine lineare Steuersenkung, ist doch wohl nicht geeignet, eine breite Streuung von Eigentum gerade bei den Eigentumslosen herbeizuführen.
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Ich habe mich sehr gewundert - ich glaube, die Pressemeldungen stimmen -, daß Sie die lineare Steuersenkung ausgerechnet damit begründet haben, daß sie eben denen zugute komme, die nach der augenblicklichen Situation sparen könnten. Das ist wirklich der falscheste Weg, um Wohlstand für alle, nämlich auch für alle diejenigen, die heute nicht in ausreichendem Umfang beteiligt sind, herbeizuführen.
({35})
Und dazu gehört weiter - die Voraussetzungen dafür sind doch da -, daß Sie gesetzliche, verwaltungsmäßige und steuerliche Möglichkeiten schaffen, damit bei gehobenem Lebensstandard genügend Anreize für das Sparen gegeben sind; denn ich möchte annehmen: auf das Zwangssparen würden Sie doch wohl auch nicht gern abstellen wollen. Alles das sind Dinge, die geschehen müssen, bevor Sie eine angebliche Initialzündung in Bewegung setzen, bevor Sie wertvolles Volksvermögen veräußern, ohne daß es diesen Zweck „Volkswohlstand für alle!" erfüllen kann.
Das ist der große Vorwurf, der Ihnen, meine Damen und Herren, hier von halbrechts bis rechts, gemacht werden muß. Sie werfen in diesem Augenblick ohne entsprechende Vorbereitung ein Projekt in die Debatte, das nur einigen wenigen einen Anteil an einer so lukrativen Unternehmung wie dem Volkswagenwerk gewähren kann. Sie bringen es in diesem Augenblick hervor, ohne daß all die übrigen Vorbereitungen für eine wirklich neue Atmosphäre getroffen worden sind, und stören damit die Ansätze zu einer gesunden Entwicklung außerordentlich. Wer wirklich Volkswohlstand für alle will, sollte sich scheuen, in dieser Weise ein solches Dokument vorzulegen, das nicht einmal den Namen eines ernstgemeinten Gesetzentwurfs verdient.
({36})
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat davon gesprochen, es gebe doch bei dieser Art Unternehmungen nicht nur die Wahl zwischen großer privater Konzentration und dem Staat als Eigentümer, sondern es komme darauf an, den Besitz und die Eigentumskonzentration zu dezentralisieren. Schön! Zu welchem Zweck? Herr Professor Erhard meinte, man solle ein Volk von Eigentümern schaffen. Wir haben sehr wohl gehört, wie er sich dafür begeisterte, wie Menschen, die bisher die Aktie als ein Teufelswerkzeug betrachteten, Freude an dieser Aktie bekommen, weil sie nunmehr Besitz haben, weil sie Eigentum haben, weil sie von ihrem Eigentum Gebrauch machen können, weil sie verfügen können, weil sie Herren der deutschen Industrie damit sind.
({37})
- Darauf lief das hinaus. Herr Kollege Pelster, Sie
müssen mir schon gestatten, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister seiner Phantasie - er
sprach ausdrücklich von Phantasie - so freien
Lauf läßt, daraus einige Konsequenzen zu ziehen.
({38})
({39})
Der Ausdruck „Volk von Eigentümern" ist nämlich
auch eine solche Übertreibung. Und sie stammt
nicht von mir, sondern von Ihrem Kollegen Erhard.
Herr Kollege Erhard! Echtes Eigentum - das steht sehr schön im § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - heißt: Der Eigentümer darf über eine Sache, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, verfügen, wie er will, und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Was macht dieser phantastische Eigentümer mit seiner Aktie? Wie verfügt er über sein Unternehmen, an dem er beteiligt ist, insbesondere wenn Sie, was durchaus richtig und vernünftig ist, das Aktienkapital breit streuen? Das möchte ich gerne einmal wissen. Sie haben mit Recht einige Versuche unternommen - ob diese Versuche glücken werden, ist noch eine andere Sache -, durch Vinkulierung und andere zahlreiche Bestimmungen zu verhindern, daß sich allzu viele Aktien in einer Hand sammeln. Aber Sie haben auch die Möglichkeit gegeben, daß Banken für ihre Depotkunden ein Drittel der Aktien halten und sie in den Hauptversammlungen vertreten.
({40})
- Nein, eine Bank!
({41})
- Alle Banken zusammen, schön! Es ist dann noch interessanter, viel interessanter, als Sie denken. Es gibt dann nämlich bei diesen Unternehmungen breit gestreutes Eigentum und einige wenige darüber hinausragende Verfügungsberechtigte, die Depotbanken. Es ist eine aus der privaten Wirtschaft bekannte Tatsache, daß, wenn der Aktienbesitz ganz breit gestreut ist, ein Aktionär, der z. B. 7 oder 8 % der Aktien besitzt, den Ton im Unternehmen angibt; insbesondere dann, wenn er eine Bank ist und durch seine Bankverbindungen ernsthaften Einfluß auf das Unternehmen gewinnt. Dann haben wir das, was nicht sein soll und nicht sein darf, daß nämlich über Riesenvermögen eine ganz kleine Gruppe von Menschen verfügt.
({42})
- Herr Kollege Erhard, die Frage ist nicht, was Sie wollen, sondern was mit Ihren Vorschlägen geschieht. Wir haben es einstweilen mit Ihrem Vorschlag hier zu tun, und in diesem Vorschlag ist zugelassen, daß sich bei Banken in größerem Umfang Kapital konzentriert, und sei es nur in ihren Depots, und daß diese Banken für ihre Depotkunden in den Unternehmen stimmen bzw. über einen Wirtschaftsprüfer stimmen lassen. Da haben Sie die Expropriation der Eigentümer, die in Wirklichkeit von ihrem Eigentumsrecht nicht den winzigsten Gebrauch machen können. Das sollten Sie nicht vergessen, Herr Kollege Erhard! Und darum sollte man nicht so große Töne von dem „Volk von Eigentümern" reden, wenn in Wirklichkeit die Inhaber dieser Aktien in ihren Unternehmungen praktisch nicht ein Jota zu sagen haben.
Dann ein Zweites. Sie haben davon gesprochen, daß mit den Volksaktien nicht nur eine neue Sparform, sondern zusätzliches Sparen geschaffen werde.
Herr Abgeordneter Deist, verzeihen Sie! Gestatten Sie eine Frage!
Gerne!
Dr. Elbrächter ({0}): Herr Kollege Deist, darf ich auf Ihr voriges Argument zurückkommen. Sind Sie auch dagegen, daß die Banken für Gemeinwirtschaft das Stimmrecht für Arbeitnehmer wahrnehmen?
Herr Kollege Elbrächter, ich weiß nicht, ob Ihre Frage ganz ernst zu nehmen ist; denn Sie könnten bemerkt haben, daß ich keinerlei Unterschied zwischen den verschiedenen Banken gemacht habe, sondern daß ich von dem Institut des Bankdepots und von dem Depotstimmrecht gesprochen habe. Ich habe gesagt, daß beim Depotstimmrecht das Volk der Eigentümer,, die Mitbestimmung der riesigen Masse von Aktionären eine Farce ist, ganz gleich, ob das die Bank für Gemeinwirtschaft oder die Deutsche Bank ist.
({0})
Wenn Sie das Problem wirklich ernst nähmen, müßten Sie doch auf diese Argumentation eingehen. Sie brauchen das, was ich zuerst polemisch gegen Ihre Polemik gesagt habe, nicht anzuerkennen. Aber daß der kleine Aktionär in dieser großen Unternehmung mit breit gestreutem Aktienkapital in Wirklichkeit kein echter Eigentümer ist und keine echte Verfügung hat, ist doch ein Tatbestand, den man nicht so versimpeln sollte. Es ist vielmehr ein Tatbestand, mit dem man sich ernsthaft auseinandersetzen muß. Dann sollte man aber nicht davon reden, daß man mit diesem Gesetzentwurf ein Volk von Eigentümern schafft, denn das kann man mit diesem Gesetzentwurf nicht.
Dann noch eine letzte Bemerkung. Sie wollen mit dieser Aktion Kapital für die Wiedervereinigung beschaffen. Das Stammkapital beträgt heute 60 Millionen, die Rücklagen betragen 48 Millionen. Schön, mögen Sie noch einiges durch die Neubewertung hinzutun, - nach heutiger Bewertung beträgt das ganze Aktienkapital des Bundesvermögens 21/2 Milliarden. Was sind denn das eigentlich für Patrioten, die meinen, man könne die Kosten der Wiedervereinigung mit dem Ausverkauf des Bundesvermögens bezahlen?
({1})
- Nein, nein, meine Damen und Herren! ({2})
- Selbst wenn Sie einen größeren Teil des Bundesvermögens als Volksaktien veräußern, bringen Sie dann wirklich einen nennenswerten Grundstock zusammen, um die schweren Probleme der Wiedervereinigung zu lösen?
({3})
Ist die Veräußerung des deutschen Bundesvermögens wirklich die Methode, mit der man sich
({4})
die Lösung einer so großen nationalen Aufgabe,
nämlich der Wiedervereinigung und des wirtschaftlichen Zusammenschlusses, erkaufen kann?
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, Sie haben Ihrem Projekt der Volksaktie nicht nur durch den Zeitpunkt, sondern auch durch diese Methode, so zu tun, als ob Sie damit einen wesentlichen Beitrag für die Wiedervereinigung leisteten, einen sehr schlechten Dienst erwiesen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Häussler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Vorredner, Herr Kollege Deist, so freundlich war, mich zu zitieren, sei es mir gestattet, einige Ausführungen, sagen wir, gesellschaftspolitischer und nachher allgemeiner Art zu diesem Gesetzentwurf zu machen.
Es ist deutlich, daß die Christlich-Demokratische Union, und zwar wirklich nicht erst seit dem Beginn des Wahlkampfs 1957, als Ziel die Eingliederung des Arbeitnehmers als Kapitaleigner in die Eigentumsstruktur unserer Wirtschaftsgesellschaft verfochten hat. Auf dem Fundament einer gesunden Wirtschaft ist diese Aufgabe auch nicht unlösbar. Freilich nicht mit einem gesetzgeberischen Federstrich, wie Sie es sich vielleicht vorstellen, wohl aber mit einem über Jahre sich erstreckenden Eingliederungs- und Reformprozeß, dessen Initialzündung aber immerhin einmal erfolgen muß. Bei dem vorliegenden Gesetzesantrag handelt es sich um eine solche Initialzündung. Es wäre sicher falsch, zu sagen: Entweder alles oder nichts! Ich darf weiter daran erinnern, daß der erste Schritt in dieser Richtung bereits getan ist, nämlich mit dem von der CDU eingebrachten und nunmehr in Kraft getretenen Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften. Damit ist das bisher fehlende risikoausgleichende finanztechnische Instrument für den Erwerb und die Handhabung von Aktienkapital durch den kleinen Mann bereitgestellt und eine der entscheidenden Lücken geschlossen, die dem Arbeitnehmer den Weg zur Kapitalbeteiligung bisher im allgemeinen erschwerten. Aber Sie haben recht: es bedarf zweifellos zusätzlicher Förderungsmaßnahmen.
Hier taucht die Frage auf: Wo beginnt die Möglichkeit des gesetzlichen Zwangs, wo endet die Möglichkeit eines, sagen wir, starken, anregenden Förderns? Wir sehen, daß die in den zurückliegenden Jahren bereits bewältigten sozialpolitischen Aufgaben ebenfalls nicht ohne Förderungsmaßnahmen gelöst wurden. Weder die Frage des Wohnungsbaus noch des Lastenausgleichs noch der Rentenreform konnten ohne einen starken Einsatz auch staatlicher Förderungsmittel einer befriedigenden Lösung zugeführt werden. Die Beseitigung dieser sozialen Krisenherde war eine staatspolitische Notwendigkeit erster Ordnung. Es ist kaum vorzustellen, welche Ansatzpunkte die Nichtlösung auch nur einer dieser sozialpolitischen Aufgaben der Unterwühlung unserer freiheitlich-demokratischen Staatsordnung geboten hätte. Folgerichtig muß nunmehr auch die Ausräumung des zugegebenermaßen gefährlichsten sozialen Krisenherdes
und ständigen Ansatzpunktes für die östlichen Demagogen des Klassenkampfes, nämlich die weithin noch bestehende klassenmäßige Trennung des Arbeitnehmers von Kapitaleigentum und Kapitalertrag, in Angriff genommen werden.
Der Kapitalbildungsvorgang beim Arbeitnehmer soll nun gefördert werden durch die Ermöglichung des vorzugsweisen Erwerbs von Kapitalanteilen bei der Privatisierung des erwerbswirtschaftlichen Kapitalvermögens des Staates, wie es im Gesetzentwurf heißt. Diese Privatisierungsaktion sollte keineswegs etwa nur auf das Volkswagenwerk beschränkt bleiben; darin sind wir uns einig. Auch der Bundeswirtschaftsminister hat bereits angekündigt, daß noch mehr aus dem rein erwerbswirtschaftlichen Vermögen des Bundes dafür herausgegriffen werden soll.
Nun sehen wir uns den Gesetzentwurf selbst an! Er hat ohne allen Zweifel folgende Vorteile. Die Volksaktie ist ein erster Schritt zum Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit. Zweitens gewinnt der Eigentumsgedanke zweifellos an Durchschlagskraft und erschließt vor allem den unteren Einkommensbeziehern direkte Vorteile. Drittens: Die Einzahlungen sind gut gesichert durch die Aktien wie auch durch die Kreditforderungen gegen die Geldnehmer. Zum vierten werden Mittel für Investitionen in kreditarmen Zweigen der Volkswirtschaft frei.
Sie haben die Frage gestellt, Herr Kollege Deist: Warum staatliche und nicht private Unternehmen? Hier kann ich Ihnen antworten, daß es sicher gut und richtig ist, wenn der Staat mit gutem Beispiel vorangeht. Erst dann wird er erwarten können, daß die Kapitalbeteiligung in einer Atmosphäre der Auflockerung besprochen werden kann. Mancher Kapitalgeber äußerte schon, daß der Staat mit seinen gewerblichen Betrieben, die nicht zwingend in seiner Hand sein müssen, zunächst ein Exempel schaffen soll. Ich glaube, daß der Gesetzentwurf hierzu die erste, aber nicht die letzte Gelegenheit gibt.
Dann das Ahlener Programm vom Februar 1947 Sie sehen es als Einbruchsstelle in der Entwicklungsgeschichte der Christlich - Demokratischen Union. Dazu muß zunächst folgendes festgestellt werden. Das Ahlener Programm, dessen Geltung sich übrigens nur auf die britische Zone erstreckte, sah die Vergesellschaftung des Bergbaus und der eisenschaffenden Großindustrie vor.
Daneben aber heißt es - und das haben Sie anscheinend übersehen -: „In Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe ist die private Unternehmertätigkeit zu erhalten und zu entwickeln." Auch das steht im Ahlener Programm: „Rechtmäßig erworbenes Eigentum ist zu achten." Ich möchte also wissen, in welchem Widerspruch unser Gesetzentwurf zu diesem Ahlener Programm stehen soll.
Nun ist es zweifellos richtig, daß heute vor allem den unteren Einkommensschichten und nicht zuletzt den Arbeitnehmern neue Sparformen erschlossen werden müssen. Ich glaube, das bejahen Sie. Diese neue Sparform tritt neben die Sparkasse und die Bausparkasse mit den besonderen Anreizen, die dieser Gesetzentwurf und kommende Gesetzentwürfe aufgreifen müssen.
In der Diskussion ist auch die Frage aufgetaucht, woher der Arbeitnehmer das Geld nehmen soll,
({0})
wenn er Kleinaktien kaufen möchte. Hier können wir zunächst einmal feststellen, daß das Realeinkommen des Arbeiters und damit auch seine Sparmöglichkeiten zweifellos gestiegen sind. Das wird niemand bestreiten können. Wir sind auch dafür, daß in Zukunft noch weitere Förderungsmaßnahmen veranlaßt werden, sei es über den Staat, sei es über die Unternehmen. Sie wissen, daß in den Reihen der Christlich-Demokratischen Union gerade über diese Frage schon ausgedehnte Diskussionen stattgefunden haben und daß konkrete Vorschläge vorgelegt worden sind. Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit einmal fragen, wo bis heute Ihre konkreten Gesetzesvorschläge zur Erreichung Ihres wirtschafts- und sozialpolitischen Ziels geblieben sind.
({1})
Wir werden auch bei dieser Frage nur mit einem Rahmengesetz weiterkommen. Daß der Staat Eigentum nicht bindend aufteilen kann, dürfte, glaube ich, Ihnen wie uns klar sein.
Teilweise glaubt man, daß der deutsche Arbeiter vielleicht noch gar nicht, sagen wir, eigentumsfähig sei. Dazu möchte ich sagen, daß er wahrscheinlich gar nicht so unvernünftig ist, wie man ihm - wohl mehr von der FDP her - unterstellt. Man hat z. B. gemeint, nach der Rentenerhöhung würde der Konsum eine Ausweitung ohnegleichen erfahren. Das ist nicht der Fall gewesen; vielmehr haben wir gesehen, daß die Spareinlagen in dieser Zeit wesentlich gestiegen sind. Ich bin der Überzeugung, daß die Arbeiter bei sachlich guter Information nicht unvernünftiger sind als andere Aktionärkreise; denn der Arbeiter ist lebensnah, und auch er weiß, daß man die Kuh nicht gleichzeitig melken und schlachten kann. Er weiß, daß Dividenden aus der Substanz sich durch einen entsprechenden Kursverlust rächen würden. Deswegen glaube ich auch, daß man die Unvernunft als Legende abtun sollte. Man sollte vielmehr erkennen, daß der Arbeiter ebenso berufen ist, und hier werden wir zweifellos zum Frieden zwischen Kapital und Arbeit gelangen können.
Nun sind noch manche technischen Probleme aufgetaucht. Ich weiß, daß mein Kollege Hellwig anschließend auf diese Probleme eingehen wird. Ich möchte mir daher Ausführungen in dieser Richtung schenken und nur noch auf einen Einwand eingehen, den Herr Kollege Dr. Deist vorhin gemacht hat. Er hat erklärt, daß der Arbeiter und die Gewerkschaften das in diesem Gesetzentwurf vorgesehene Verfahren ablehnen würden. Ich möchte nur sagen, daß hier, wenn man das Volkswagenwerk in Wolfsburg meint, in etwa ein Irrtum besteht. Es ist richtig, daß der Betriebsrat seine Ablehnung ausgesprochen hat. Er hat aber nach meiner Meinung für derartige Erklärungen kein Mandat der Belegschaft. Er hätte vielmehr nach entsprechender Aufklärung eine Urabstimmung in diesem Werk durchführen müssen. Zweifellos gehen derartige Erklärungen sowohl der Gewerkschaft wie des Betriebsrats auch über ihren Aufgabenkreis nach dem Betriebsverfassungsgesetz hinaus. Ich glaube, daß die Erklärung des Betriebsrats von außen inspiriert ist. Versuchen Sie es einmal mit der Freiwilligkeit! Es ist ja keiner der Werksangehörigen gezwungen, sondern sie werden nur bevorzugt, wenn sie eine Aktie übernehmen wollen.
Sie haben leider wieder damit operiert, das sei ein Wahlschlager. Sie wissen aber so gut wie wir,
daß die Zeit reif sein muß. Durch Verzögerung ist bis zur Stunde niemandem ein Schaden entstanden. Die sozialdemokratische Fraktion hätte ja, wenn sie meinte, daß der Arbeitnehmerschaft durch Verzögern Nachteile entstanden seien, schon längst einen Antrag einbringen können. Die Christlich-Demokratische Union kann es sich mit Wahlversprechungen nicht leicht machen. Sie muß damit rechnen und rechnet auch damit, daß sie sie nach der Wahl in der Regierungsverantwortung einlösen muß; das ist wahrscheinlich der Unterschied zwischen unserer und Ihrer Konzeption.
({2})
Die CDU wird entsprechend handeln; sie hat ja auch das Versprechen einer Rentenreform anno 1953 eingelöst.
Zum Schluß ein Wort darüber, was mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser Aktien - und zwar im Hinblick auf die Wiedervereinigung - geschehen soll. Man kann sich durchaus darüber unterhalten, was die beste Verwendung des Erlöses sei. Aber es ist gegenüber allen blassen Theorien ein praktischer Vorschlag, den Erlös dafür zu verwenden, daß wir für die kapitalmäßig ausgeblutete Zone für den Tag der Wiedervereinigung Geld zur Verfügung haben. Ich glaube auch, daß das ein Gedanke ist, der über den bloßen Antikommunismus hinausgeht. Die Reaktion auf die sogenannte Volksaktie, die wir in der Sowjetzone bemerkt haben, zeigt, daß dort ein höchst unangenehmes Gefühl über diesen Vorschlag entstanden ist. Der Erlos soll also - ich gebe das zu - neben weiteren Mitteln aus anderen Quellen zunächst als revolvierender Kredit für mittelständische und landwirtschaftliche Unternehmen bereitgestellt werden. Die Bereitstellung der Mittel für einen Kreditstrom zur kapitalmäßigen Wiederausrüstung der kleineren und mittleren Unternehmen der Zone sowie für den sozialen Wohnungsbau ist, glaube ich, eine praktische Tat zur Vorbereitung der Wiedervereinigung, und sie wiegt mehr als die Forderungen und Vorwürfe. Wer die Wiedervereinigung will, muß auch die Vorbereitung dazu bejahen, auch wenn sie zunächst nur geringfügig zu sein scheint. Ich bin überzeugt, daß gerade im Deutschen Gewerkschaftsbund das Verständnis und der Wille zu einer solchen praktischen Tat vorhanden ist. Sie sollten mit uns auf diesem Wege gehen, damit wir - die Bedeutung für die Wiedervereinigung habe ich schon hervorgehoben - in der westdeutschen Bundesrepublik dem Gedanken Rechnung tragen, daß ein sozialer Rechtsstaat letzten Endes auch den Frieden zwischen Kapital und Arbeit herstellt.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben einige platonische Zustimmungserklärungen zu dem Grundgedanken einer Privatisierung von bundeseigenen Unternehmungen sowie Bekenntnisse zu einer weitgehenden Streuung der Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand gehört. Aber manche dieser Erklärungen waren so merkwürdig, daß man nur das Wort anwenden kann: „Man sagt vergebens viel, um zu versagen, der andere hört von allem nur das Nein." Noch jeder konkrete Vorschlag zur Privatisierung eines bundeseigenen Unternehmens
({0})
ist, wenn an die Durchführung gegangen werden sollte, auf den erbitterten Widerstand derer gestoßen, die uns zuletzt ihre Mitwirkung im Grundgedanken platonisch versichert haben.
Ein Wort gegenüber dem Vorwurf, es gehe um einen Wahlschlager. Denen, die hier diesen Vorwurf auswgesprochen haben, sollte eigentlich bekannt sein, daß die CDU/CSU und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion seit langem in bestimmten Gremien Vorarbeiten für dieses Ziel eingeleitet haben und daß seit nunmehr beinahe einem Jahre ein Antrag einer größeren Zahl von Abgeordneten der Regierungsparteien vorliegt, der die Regierung aufforderte, einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerkes vorzulegen. Weil wir bei ¡den Arbeiten in diesen Jahren immer wieder gemerkt haben, daß bei einer Teilprivatisierung zu viele rechtliche Probleme uns als ständige Verzögerungsgründe entgegengehalten werden, darum wird hier der Vorstoß gemacht, endlich einmal durch ein Gesetz des Bundestages die Klärung der Eigentumsfrage zu erzwingen.
({1})
Eine Klärung des Problems, um das es sich handelt, ist immer mit dem Hinweis auf die angeblich so schwierigen Rechtsfragen verzögert worden. Ich will hier nicht untersuchen, von wem. Es sind eine Reihe von denjenigen, denen dieser neue Vorschlag der Regierungsparteien nicht gefällt. Herr Kollege Deist hat das mit mangelnder Popularität verwechselt. Es sind dieselben, die immer wieder gesagt haben: ehe die Eigentumsfragen und die anderen Rechtsfragen nicht gelöst sind, kann nichts geschehen!
Wir machen es nicht mit, daß sich hier große Blöcke herrenlosen Eigentums in der Wirtschaft betätigen
({2})
und daß sich dann die Masse ¡der Bürger im Grunde genommen mit dem Lied trösten kann: „Was nützet mir ein schöner Garten, wenn andre drin spazierengehn",
({3})
wenn andere drin regieren und sogar - das hat sich bisher gezeigt - ohne eine solche neue gesetzliche Grundlage auch für den Bundestag die Einwirkungsmöglichkeit äußerst beschränkt bliebe.
Nun haben wir Prophezeiungen gehört, es würde mit Sicherheit schief gehen. Herr Kollege Deist, wir sind seit Jahren gewohnt, Prophezeiungen von dieser Seite des Hauses ({4}) entgegenzunehmen; aber noch jede solche negative Prophezeiung ist durch unseren Weg widerlegt worden.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Dr. Hellwig: Bitte sehr!
Würden Sie mir sagen, welche Prophezeiungen Sie gemeint haben?
Herr Kollege Dr. Deist, ich möchte das Haus schonen und nicht einen ganzen Katalog von Zitaten bringen über die von Ihnen
({0})
- ich sagte: von der anderen Seite des Hauses, ich habe nicht von Ihnen persönlich gesprochen - uns gegebenen Prophezeiungen über den Zusammenbruch des sozialen Wohnungsbaues, über den Zusammenbruch der Marktwirtschaft, und was nicht alles an Prophezeiungen gekommen ist.
({1})
Ich brauche nicht die Zeit des Hauses zu stehlen, um Ihnen eine Blütensammlung aus Ihren eigenen gesammelten Reden - ich meine: von dieser Seite des Hauses, nicht von Ihnen persönlich - hier vorzutragen.
Nun aber zu den besonderen Problemen, die hier noch im Hinblick auf die Konstruktion der ganzen Sache angesprochen warden sind! Herr Dr. Deist und Herr Kurlbaum, Sie haben hier wieder die Milliardensumme der Selbstfinanzierung gebracht. Sie wissen so gut wie ich, daß in dieser Selbstfinanzierung alles zusammengefaßt wird, was bei der Finanzierung der Netto-Sachvermögensbildung in unserer Volkswirtschaft nicht hinsichtlich seiner Quelle aus der Bank- und Börsenstatistik und aus anderen Berechnungen einwandfrei festgelegt werden kann, so daß sich darin zusammenfaßt: erstens die sogenannte Selbstfinanzierung über den Preis mit oder ohne Steuerbegünstigung, dann vor allem aber die Ersparnisbildung durch den Konsumverzicht von Millionen Selbständiger in Handwerk, Handel und freien Berufen, weiter auch die Eigenfinanzierungsbeiträge im Wohnungsbau und eine ganze Reihe von nicht näher zu definierenden Quellen. Niemand bestreitet, Herr Dr. Deist, daß eine Selbstfinanzierung dieses Ausmaßes ein Kind ¡der Not war und daß aus dieser Not nun nicht eine Tugend für die Zukunft gemacht werden soll.
({2})
Aber entscheidend ist doch dann, den Weg der Selbstfinanzierung umzusteuern und die breite Masse der Einkommensempfänger, die heute in sparfähige Einkommen hineingewachsen sind, für die Beteiligung an diesen Finanzierungsaufgaben zu gewinnen.
({3})
- Sie bejahen dieses Ziel. - Wo wäre diese Wirkung psychologisch eher und schneller zu erreichen als bei einem Wirtschaftsunternehmen, dessen Erzeugnis in aller Munde ist, dessen Erzeugnis sich einer Popularität erfreut wie kein anderes deutsches Wirtschaftserzeugnis!
({4})
Ich meine, zu der Überwindung dieser psychologischen Schwelle, die Gesamtheit der Bevölkerung an dieser Form der Finanzierung zu beteiligen, mit eben dem Vorschlag, der in unserem Gesetzentwurf enthalten ist, ist eigentlich Ihr Ja zu erwarten.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Hellwig, ist Ihnen nicht mehr bewußt daß wir eine neue Sparform durchaus begrüßen, daß wir aber trotzdem immer wieder darauf hingewiesen haben, daß es auf Ihrer Seite an Maßnahmen fehlt, um die hohe Selbstfinanzierungsrate herabzusetzen? Ist Ihnen
({0})
nicht bewußt, daß wir darauf hingewiesen haben, daß das durch Zollsenkungen und durch Druck auf die Preise geschehen könnte? Darauf haben wir eine Antwort erwartet, und die haben Sie nicht gegeben.
Herr Kurlbaum, Sie kommen mir zuvor, Sie sind so ungeduldig; ich wollte gerade einiges zu dieser Frage sagen.
Sie bestreiten doch - das haben Sie auch in den letzten Sitzungen noch gesagt -, daß das Einkommen der Masse der deutschen Arbeitnehmer ausreiche, Ersparnisse auch auf diesem Wege zu bilden. Ich glaube, das haben Sie auch in der letzten Woche noch gesagt.
Die SPD nimmt doch für sich in Anspruch, daß in ihr die Masse der deutschen Arbeitnehmer politisch ihre Heimat habe. Nun habe ich vor kurzem die Anzeige einer Ihrer Partei sehr nahestehenden Zeitung in einer Zeitschrift gelesen, wo sie bei der Wirtschaft um Anzeigen für ihr eigenes Blatt wirbt. Man höre und staune, was hier über den Leserkreis eines sozialdemokratischen Blattes angepriesen wird: Der Werbewert unseres Blattes - so ungefähr hieß es - ist dadurch gekennzeichnet, daß die durchschnittlichen Einkommen der Leser unseres Blattes über dem Einkommensdurchschnitt der Bundesrepublik liegen und daß die Leser unseres Blattes in der Lage sind, sich in zunehmendem Maße Güter für den gehobenen Konsum - und dann kommt eine ganze Aufzählung - zu kaufen.
Sehen Sie, hier ist man ehrlicher! Hier hat man zugegeben, daß die Masse der deutschen Arbeitnehmer eine wesentliche Einkommensverbesserung erfahren hat und daß sie über ihren eigenen Verbrauch hinaus durchaus auch Geld anlegen kann. Aber warum bestreiten Sie das denn immer von dieser Stelle her?
({0})
- Doch! Herr Kurlbaum, Sie haben es in der letzten Woche im gleichen Zusammenhang noch bestritten, indem Sie gesagt haben, die Entwicklung, die wir wollten, könne man nicht dadurch einleiten, daß nur neue Sparformen begründet würden, sondern zunächst müßten überhaupt einmal sparfähige Einkommen entwickelt werden. Da wollte ich Ihnen gerade mit einem Zitat aus einem Ihrer Parteiblätter hier nachweisen, daß das offenbar doch schon stärker der Fall ist, als Sie es hier zumindest wahrhaben wollten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Bitte sehr!
Herr Dr. Hellwig, kann ich aus dem, w 4s Sie sagen, entnehmen, daß Sie also die augenblickliche Verteilung des Ertrags der Volkswirtschaft auf die privaten Haushalte und auf die ,Unternehmen endgültig für richtig halten? Oder schließen Sie sich der Meinung an, wie sie der Bundeswirtschaftsminister in seinem Gutachten vertreten hat, daß das geändert werden soll?
Verehrter Herr Kurlbaum, Sie haben offenbar nicht genau zugehört. Ich habe gesagt, daß man nicht aus der Not der Selbstfinanzierung, d. h. zum Teil der jetzigen Einkommensverteilung, die Tugend auch für die Zukunft machen sollte und daß wir zusammenwirken sollten, um ,die Finanzierung der Wirtschaft in dem Ausmaß, das sie braucht, zu ermöglichen, daß wir also hier gemeinsam die Popularisierung derjenigen Finanzierungs- und Sparformen betreiben sollten, die wir brauchen, wenn wir die Selbstfinanzierung als Kind der Not wirklich ablösen wollen. Bitte, genau das habe ich soeben gesagt.
Nun zu der Frage des Herrn Kollegen Kurlbaum hinsichtlich anderer Maßnahmen, die, sagen wir einmal, den Druck auf die Preise ausüben. Herr Kuribaum, ich glaube, Sie können sich in allen freien Ländern Europas erkundigen, wo der Druck auf die Preise am stärksten war, und werden feststellen: in der Bundesrepublik. In der Bundesrepublik ist doch tatsächlich die Stabilisierung dies Preisniveaus gegenüber den Versuchungen der Hochkonjunktur, der Vollbeschäftigung usw. in dien letzten zwei Jahren viel stärker und besser gelungen als in irgendeinem anderen der westlichen Länder. Warum also immer der Vorwurf, das sei hier nicht geschehen, das sei hier nicht gelungen?
({0})
Dann, Herr Kurlbaum, zu dem Thema „Zollsenkung". Ich glaube, wir stimmen in ,der Inanspruchnahme dieses Mittels, im Einsatz dieses Mittels immer wieder überein.
({1})
Aber mit den globalen Maßnahmen, wissen Sie, ist es etwas problematischer. Es trifft einfach nicht zu, Herr Kurlbaum, daß nichts geschehen sei, um die Einfuhr zu vergrößern. Sehen Sie sich doch an, daß in den Jahren, in denen wir in die hohe Konjunktur gekommen sind, seit 1953, die gesamte deutsche Einfuhr viel stärker zugenommen hat als die Ausfuhr im gleichen Zeitraum. Das können Sie doch nicht bestreiten, daß wir jetzt zwei Jahre hindurch Einfuhrzollsenkungen machen.
({2})
Die gesamte deutsche Einfuhr hat seit 1953 stärker zugenommen als die Ausfuhr. Sehen Sie sich doch einmal die Zahlen an.
({3})
- Verzeihen Sie, das liegt ja wieder an anderen Entwicklungen.
({4})
Aber daß die Einfuhr stärker 'gestiegen ist als die Ausfuhr - wenn Sie auf das Jahr 1953 zurückgehen -, können Sie doch nicht bestreiten.
({5})
Sie sind doch kluge Leute; Sie können doch Zahlen lesen und können doch selber zu dieser Statistik greifen.
({6})
Zum nächsten Punkt, diem Kartellgesetz. Verehrter Herr Kurlbaum, die Frage, ob das Kartellgesetz noch rechtzeitig in diesem Bundestag verabschiedet wird, wird eine Probe auf den guten Willen aller Ausschußmitglieder sein und ebenso die Frage, ob die Kartellbehörde wirklich arbeitsfähig sein wird oder nicht. Die Forderungen, die die Kar({7})
tellbehörde überlasten würden, sind jedenfalls
nicht von meinen politischen Freunden gekommen.
Ein weiteres Wort zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Deist über die Frage der privaten Eigentümer und ihrer Vertretung in der Volkswagenwerk-AG. Herr Kollege Deist befürchtet hier die sogenannte Expropriierung der Eigentümer durch das Stimmrecht, welches kumuliert von Banken usw. ausgeübt werden könne. Herr Dr. Deist, lesen Sie bitte ,den Entwurf! Es stehen mehrere Gruppen darin, die durchaus Aktionäre vertreten können, und wir erwarten, daß eine bestimmte Gleichgewichtigkeit zwischen diesen Gruppen eintritt. Aber ich habe mit großer Befriedigung Ihre Warnung vor der Expropriation der Kleinaktionäre gehört und mich eigentlich gewundert, welche Wandlung in Ihrer eigenen Einstellung seit dem Beginn der Mitbestimmung bei Kohle und Eisen - die wir ja als ersten Schritt dieser Expropiierung der Aktionäre bezeichnen mußten-eingetreten ist. Ich kann nur sagen: nur so weiter auf diesem Wege; dann wird voraussichtlich auch das, was Sie in der „Neuen Gesellschaft" über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse geschrieben haben, eine Revision erfahren. Sie haben da doch geschrieben, daß die Ableitung der Herrschaftsrechte des Management aus dem Eigentum sich als leere Fiktion erwiesen habe. Nun müßte dann ja eigentlich eine Neuordnung im Rahmen der sozialen Bindungen des Eigentums in einer Stärkung der Rechte und Funktionen der Aktionäre als der Eigentümer der Unternehmen liegen. Aber von Ihnen wurde dort gesagt, daß nicht die Vertreter derer, die als Eigentümer das Risiko zu tragen haben, in der Kontrolle über und im Einfluß auf die Unternehmensleitung weiter tätig sein sollten, sondern daß sie endgültig abgelöst werden sollten - nun wörtlich -„durch die großen gesellschaftlichen Gruppen, die sich im Bereich der Wirtschaft als Repräsentanten des Volkswillens herausgebildet haben."
Daraus kann man doch nur entnehmen, daß die Kontrollfunktionen, die die Eigentümer offenbar nicht mehr wahrnehmen können und für die die Eigentümer auch keine Vertreter mehr beauftragen sollen, übergehen sollen auf die großen gesellschaftlichen Gruppenbildungen. Und das heißt: Herrschaft der Verbände und der politischen Parteien in den großen Unternehmungen unserer Volkswirtschaft. Gerade weil wir das nicht wollen, weil wir dieser Entwicklung in den öffentlichen Unternehmungen endlich einmal Paroli bieten wollen, darum unser Gesetzentwurf! Denn, Herr Dr. Deist, wir vermissen immer noch Ihre Antwort auf die Frage: Wer soll denn diese Kontrolleure nachher kontrollieren? Hundertausende von Kleinaktionären an großen Aktiengesellschaften werden als öffentliche Meinung eine viel wirkungsvollere Kontrolle ausüben als die Vorstände einiger Gewerkschaften oder anderer Berufsverbände
({8})
oder als die Vorstände einiger politischer Parteien und Fraktionen.
({9}) Das ist doch die Aufgabe, vor der wir stehen.
Der Durchbruch zum Volkskapitalismus ist in Amerika doch nicht durch politische Parteien und durch die Gewerkschaftsführer erfolgt, sondern dadurch, daß Hunderttausende von Aktionären sich an diesen Aktiengesellschaften beteiligt haben.
({10})
Hundert Aktionäre, meine Damen und Herren, sind machtlos. Hundert Aktionäre haben keinen Einfluß in der öffentlichen Meinung. Hunderttausend Aktionäre haben Einfluß in der öffentlichen Meinung. Über diese kann auch ein Management nicht einfach hinweggehen.
Wer von den Mitgliedern des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat denn irgendeinen kontrollierenden Einfluß darauf, wie der Gewerkschaftsvorstand die Aufsichtsrats- und Arbeitsdirektorensitze in den mitbestimmten Gesellschaften verteilt?
({11})
Hier bleiben Sie die Antwort schuldig. Wer kontrolliert die Kontrolleure?
({12})
Weil wir diese Fehlentwicklung in großen öffentlichen Unternehmungen seit Jahren sehen, darum ist es Zeit! Deswegen bekenne ich mich auch zu dem Zeitpunkt ,der politischen Entscheidung vor den Wahlen. Wir müssen dem deutschen Volk endlich einmal klarmachen, daß es vor der Entscheidung steht, ob wir weiterhin die Wirtschaft unter der Herrschaft der Funktionäre großer Verbände lassen oder ob wir die Gesamtheit der Bevölkerung als Aktionäre beteiligen wollen.
({13})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.
Es ist beantragt, den Gesetzentwurf auf Drucksache 3534 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß und an die Ausschüsse für Geld und Kredit sowie für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitarbeit zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Bevor ich fortfahre, muß ich folgendes bekanntgeben. Sie wissen, daß der Ältestenrat inzwischen getagt hat. Der Ältestenrat hat - so wird mir gesagt - einmütig vereinbart, den heute vormittag zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzten Antrag auf Drucksache 3525 wieder abzusetzen. Weiter sollen die Punkte 13 und 20 heute von der Tagesordnung abgesetzt werden. Bezüglich der letzten beiden Punkte habe ich bis jetzt keinen eigentlichen Widerspruch aus dem Hause gehört. Bezüglich der Absetzung des Antrags auf Drucksache 3525 ist mir gesagt worden, daß die Antragsteller mit dieser Vereinbarung im Ältestenrat nicht einverstanden sind.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Für die FDP widerspreche ich dem Antrag des Ältestenrats. Das Plenum hat heute morgen in einer Kampfabstimmung beschlossen, den Antrag auf Drucksache 3525 auf die Tagesordnung zu setzen.
({0})
Der Punkt ist jetzt an der Reihe. Wir haben, weil
die Fraktion der SPD ihre Sprecher nicht bereit
({1})
hatte, loyalerweise vereinbart, daß dazu nicht debattiert werden soll, und ich habe mich gegenüber den Kollegen der SPD auch verpflichtet, bei der Einbringung nicht zur Sache selbst zu sprechen, also nicht zu polemisieren. Wir müssen auf dem Verfahren, das vom Plenum beschlossen wurde, bestehen. Für uns ist dieser Antrag einer der wichtigsten Anträge, die wir in diesem 2. Bundestag noch stellen. Wir haben die feste Hoffnung, daß der Antrag noch in diesem Bundestag Gesetz werden wird. Deswegen können wir dem Antrag des Ältestenrats nicht zustimmen.
Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig, daß das Haus heute morgen beschlossen hat, bei der Abwicklung der Tagesordnung diesen Punkt zu diesem Zeitpunkt zu behandeln. Fairerweise muß aber auch wiedergegeben werden, daß der Ältestenrat eben mit Zustimmung aller Fraktionen, auch der Fraktion der Freien Demokraten, beschlossen hat, diesen Punkt heute abzusetzen.
Schließlich ist festzuhalten, daß der Ältestenrat kein Beschlußgremium ist. Er hat keine Anträge an das Haus zu stellen. Das hat er nie getan, und das ist auch nicht sein Recht. Der Präsident hat lediglich den Tatbestand einer für das Haus nicht verbindlichen interfraktionellen Vereinbarung, der allerdings alle Fraktionen einschließlich der Freien Demokraten zugestimmt haben, mitgeteilt. Wenn der Beschluß des Ältestenrates auch nur von einer Fraktion angezweifelt wird, gilt unzweifelhaft der Beschluß des Plenums von heute vormittag. Das Plenum ist in jedem Falle souverän, über seine eigene Tagesordnung zu beschließen.
({0})
Wird weiter zur Tagesordnung das Wort gewünscht? ({0})
- Einen Moment, ich kann nur einen Punkt nach dem anderen erledigen. Jetzt bin ich bei der Frage, ob der Antrag Drucksache 3525 auf der Tagesordnung bleibt oder abgesetzt wird. Herr Abgeordneter Rasner, wollen Sie einen förmlichen Antrag stellen, daß der Antrag Drucksache 3525 abgesetzt wird?
({1})
- Ja, meine Damen und Herren, der Ältestenrat - das hat Herr Kollege Rasner gesagt, und das ist ja auch feststehend - ist kein Beschlußorgan. Dort können nur einmütige Vereinbarungen getroffen werden.
({2})
Wenn eine Gruppe von dieser einmütigen Vereinbarung abrückt, ist sie eben nicht mehr einmütig, und wenn ich keinen förmlichen Antrag bekomme, daß der Punkt abgesetzt wird, bleibt es bei dem Beschluß des Plenums von heute vormittag, und der Punkt wird behandelt. Damit ist diese Frage erledigt.
Jetzt hatte sich noch Herr Abgeordneter von Buchka zum Wort gemeldet, und zwar wegen der Behandlung des Punktes 13 der Tagesordnung, dessen Absetzung der Ältestenrat empfohlen hatte. Bitte, Herr von Buchka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Absetzung des Punktes 13 der Tagesordnung - zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Wasserhaushaltsgesetzes - möchte ich widersprechen. Der Sonderausschuß Wasserhaushaltsgesetz hat sich noch heute in zwei Sitzungen sehr eingehend mit diesem Gesetzentwurf befaßt. Er legt seinerseits allergrößten Wert darauf, daß noch heute, in dieser Plenarsitzung über den Gesetzentwurf beschlossen wird. Ich halte den Entwurf für so eilbedürftig und wichtig, daß ich, wie gesagt, der Absetzung von der Tagesordnung widersprechen möchte.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU pflegt sich an die Absprachen, die im Ältestenrat getroffen sind, zu halten. Die Fraktion der CDU/ CSU hat im Ältestenrat der Absetzung zugestimmt. Das war eine Fraktionsmeinung. Sie muß infolgedessen dem Antrag ihres eigenen Fraktionskollegen von Buchka widersprechen.
Wird weiter das Wort gewünscht?
({0})
- Ja, ich habe aber keinen Antrag. Was soll ich?
({1})
Herr von Buchka hat beantragt, entgegen den Vereinbarungen im Ältestenrat den Punkt auf der Tagesordnung zu belassen.
({2})
- Das wollte ich wissen. Sie reden immer, der Ältestenrat sei kein Beschlußorgan, und dann stellen Sie mir nicht die notwendigen Anträge. Sie beantragen ,also Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung. Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Absetzung des Punktes 13 - zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts - zustimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Mit Mehrheit abgesetzt.
Dann hat der Ältestenrat vereinbart - immer unter der Voraussetzung, daß der Antrag auf Drucksache 3525 abgesetzt wird -, alle Punkte, angefangen bei Punkt 8, die keine Debatte auslösen, und dann die Punkte 2, 3, 4, 5 - das sind die Steuervorlagen -, geschlossen zu behandeln und auch eine geschlossene Aussprache, Generaldebatte, wenn Sie wollen, durchzuführen. Schließlich ist noch vereinbart worden, ein neues Gesetz, das Vierte Zolländerungsgesetz, Drucksache 3561, zusätzlich auf die Tagesordnung zu setzen.
Dazu zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Lindrath.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen aller Fraktionen dieses Hohen Hauses beantrage ich, noch die erste Beratung des Entwurfs eines Vierten Zolländerungsgesetzes auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Das Fünfte Zolländerungsgesetz befindet sich bereits im Ausschuß. Das
({0})
Vierte Änderungsgesetz bildet das Verbindungsstück zwischen dem Dritten und Fünften Gesetz. Es soll ohne Beratung den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend - und den Ausschuß für Außenhandelsfragen - mitberatend
- überwiesen werden. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen, da auch die Behandlung ,dieses Punktes keine Debatte erfordert.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer zustimmen will, daß die Drucksache 3561 noch auf die Tagesordnung gesetzt wird, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit beschlossen.
Meine Damen und Herren, das ist ja alles sehr schön. Es ist aber nun schon gegen 20 Uhr. Wenn wir nun noch zusätzliche Punkte auf die Tagesordnung setzen und um 21 Uhr Schluß sein soll, dann darf dich darum bitten, die Abwicklung so zu straffen, daß die Möglichkeit besteht, noch alles zu erledigen, denn sonst bleibt alles graue Theorie.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich durchaus möglich und vielleicht auch zweckmäßig, noch eine Reihe von Punkten zu erledigen, die mehr oder weniger nur einer formellen Behandlung bedürfen, wie z. B. Vorlage, deren Beratung der Herr Kollege Lindrath eben noch beantragt hat. Es ist aber nicht angängig, heute abend nach die große Steuerdebatte anzufangen. Wir haben schon einmal eine sehr schlechte Situation erlebt. Damals versuchte man auch noch um 1/29 Uhr, eine Beratung anzufangen, und das endete nicht gut. Ich glaube, es hat keinen Sinn, daß man heute eine Generaldebatte über die Steuern anfängt und dann abbricht. Die Dinge gehören im Zusammenhang behandelt. Es steht aber fest, daß die Steuergesetze insgesamt, also die Punkte 2 bis 5, heute nicht mehr behandelt werden können. Wegen des Sachzusammenhangs möchte ich sehr dringend bitten, die Punkte 2 bis 5 abzusetzen.
({0})
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Abgeordneten Miessner, die Punkte 2, 3, 4 und 5, das heißt alle Steuervorlagen, die zusammen behandelt werden müssen, heute abzusetzen, zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen mit Mehrheit so beschlossen. Dann wäre zumindest theoretisch der Ablauf der Tagesordnung klar.
Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 15 des Grundgesetzes ({0})
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Dr. Atzenroth ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben dem Hohen Hause einen Antrag zur Änderung des Art. 15 des Grundgesetzes vorgelegt. Es handelt sich um eine in diesem Zeitpunkt unserer Beratungen sehr schwerwiegende Maßnahme; die Beschlußfassung erfordert eine Zweidrittelmehrheit. Entsprechend der getroffenen Vereinbarung will ich mich darauf beschränken, nur die Gründe für die jetzige Vorlage vorzutragen, und zur Sache selbst erst später sprechen.
Der Art. 15, wie er jetzt im Grundgesetz verankert ist, ist im Jahre 1949 entstanden, in einem Zeitpunkt, in dem die deutschen Menschen noch unter den Nachwirkungen einer zwölfjährigen Diktatur standen. Unter den damaligen Zeitläuften mußten auch wir Freien Demokraten zufrieden sein, daß nicht schärfere Wege des Sozialismus Eingang in das deutsche Grundgesetz fanden. Wir standen als kleine Minderheit zwischen den großen Parteien, die ganz andere Anschauungen auf wirtschaftspolitischem Gebiet vertraten. Von der Sozialdemokratischen Partei wußte man, daß sie damals für eine weitgehende Sozialisierung eintrat. Die CDU hatte gerade in Ahlen ihr bekanntes Aktionsprogramm beschlossen. Ich will darauf verzichten, einige Artikel im Wortlaut wiederzugeben. Unter diesen Umständen mußten die Wünsche meiner Partei nach einer liberalen Gestaltung des Grundgesetzes zurücktreten.
Wir haben unsere Hoffnung, die Bundesverfassung doch noch ändern zu können, niemals aufgegeben, konnten aber nichts unternehmen, weil wir nicht über die notwendige Stimmenzahl verfügten, um unsere Gedanken durchzusetzen.
Da drangen plötzlich in diesem Monat aus Hamburg ganz neue Klänge an unser Ohr. Es hieß jetzt, das Ahlener Programm mit seinen Sozialisierungsforderungen sei nur dazu ausersehen gewesen, die Sozialisierung zu verhindern. Man erklärte, daß der heute erreichte Lebensstandard und unsere Wirtschaftskraft nur zu erhalten seien, wenn die freie Initiative nicht dem Moloch einer allmächtigen Planungsbürokratie geopfert werde. Herr Professor Erhard sprach von einer neuen Phase der sozialen Marktwirtschaft, die sich gegen Sozialismus in jeder Tarnung wende. Man setzte sich schließlich auch für die Privatisierung von Staatsbetrieben ein. Das waren alles Formulierungen, die bei uns wohltuend ankamen; denn sie entsprachen der Wirtschaftsauffassung, aus der wir seit Bestehen der Bundesrepublik kein Hehl gemacht haben.
Wer ist also erstaunt, daß wir in diesem Augenblick den Mut fanden, den schon seit Jahren fälligen Antrag auf Änderung des Art. 15 des Grundgesetzes zu stellen? Wir können hoffen, die breite Mehrheit zu finden, die für eine solche Grundgesetzänderung erforderlich ist, und müssen diese Gelegenheit unter allen Umständen nützen. Das, was Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in Hamburg vor der breiten Öffentlichkeit verkündet haben, das wollen wir hier in die Tat umsetzen. Es ist spät - das gebe ich zu - und kurz vor Ende des Bundestages, aber für ein solches an Umfang kleines Gesetz, das nur einen Grundsatz aufstellen will, ist noch genügend Zeit zur Verabschiedung vorhanden.
Wir bitten Sie, den Entwurf an den Ausschuß zu überweisen, der hierfür besonders geschaffen worden und noch niemals zusammengetreten ist.
({2})
Dort könnte er in einer Sitzung beraten und ein Beschluß gefaßt werden, und wir könnten hier in der großen Aussprache in der zweiten Lesung die Meinungen und die Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen abklären und dann noch in diesem Bundestag zu einer Beschlußfassung über den Antrag kommen.
({3})
An welchen Ausschuß, Herr Abgeordneter Atzenroth?
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Abgeordneter Atzenroth, beantragen Sie, die Drucksache dem Ausschuß nach Art. 15 des Grundgesetzes, den wir irgendwann einmal gebildet haben, zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Deist.
Wenn ich die Beschlußfassung im Zusammenhang mit der Beschlußfassung von heute vormittag recht verstehe, bestand Übereinstimmung darüber, daß wir uns heute auf die formelle Begründung bei ,der Einbringung beschränken, daß wir nicht ohne Debatte an einen Ausschuß verweisen, sondern die Debatte bis zum nächsten Turnus der zwei Sitzungswochen vertagen wollten. Es darf jedenfalls ohne Debatte keine Überweisung an einen Ausschuß erfolgen.
({0})
Ich schlage daher Vertagung der Debatte vor.
Meine Damen und Herren! Der Antragsteller hat seinen Überweisungsantrag inzwischen zurückgezogen. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist, daß erst debattiert werden soll, ehe darüber beschlossen wird, an welchen Ausschuß die Drucksache überwiesen wird. Habe ich das richtig verstanden?
({0})
- Dann wäre der Punkt damit für heute erledigt. Ich rufe auf den neu auf die Tagesordnung gesetzten Punkt:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes ({1}) ({2}).
Wenn ich Herrn Kollegen Lindrath richtig verstanden habe, hat er die Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden und an den Ausschuß für Außenhandelsfragen als mitberatenden Ausschuß beantragt. Stimmt das?
({3})
Auf Einbringung und Beratung in der ersten Lesung soll verzichtet werden.
Ich schlage 'dem Haus Überweisung an die soeben bezeichneten beiden Ausschüsse vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist die Überweisung beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8:
Erste Beratung des Entwurfs eines Siebenten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({4}).
Auch hier soll in der ersten Beratung auf Einbringung und Debatte verzichtet werden.
Ich schlage dem Haus Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme einer Kursgarantie für eine Devisenanlage der Bank deutscher Länder bei der Bank of England ({5}).
Hier wird die Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß vorgeschlagen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Übereinkommen über ein einheitliches System der Schiffsvermessung ({6}).
Auch hier wird auf Beratung verzichtet.
Ich schlage dem Haus Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rude auf Punkt 11:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Maier ({7}), Engel, Dr. Schranz, Dr. Kihn ({8}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke ({9}).
Wird in der ersten Beratung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann treten wir in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - Einleitung und Überschrift, wie sie Ihnen 'auf Drucksache 3552 vorliegen. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, der erhebe sich, bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Verabschiedet.
Ich rufe Punkt 12 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({10}) über den Entwurf einer Achtundsechzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({11}) ({12}).
Das Haus verzichtet auf die Berichterstattung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
({13})
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 3563 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Verabschiedet.
Punkt 13 ist abgesetzt. Punkt 14:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Greve, Dr. Böhm ({14}), Dr. Strosche und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ({15}) ({16});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung ({17}) ({18}).
({19})
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht?
({20})
- Der Berichterstatter nimmt Bezug auf seinen Schriftlichen Bericht; danke sehr.
Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 1a, - Art. 1 b, - Art. 2, Einleitung und Überschrift, alles in der Ausschußfassung. - Wird das Wort in der zweiten Beratung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit sind wir am Ende der zweiten Beratung.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung, da Änderungsanträge nicht vorliegen. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe jetzt Punkt 16 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts ({21}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({22}) ({23}).
({24})
Hierzu liegt der Schriftliche Bericht des Abgeordneten Hoogen vor. Das Haus verzichtet wohl auf mündliche Berichterstattung.
Dann treten wir in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Art. 6, - Art. 7, - Einleitung und Überschrift, alles in der Ausschußfassung. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift in der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit, soviel ich sehen konnte, in zweiter Lesung verabschiedet.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 17 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1957 ({25}) ({26});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({27}) ({28}).
({29})
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Klingelhöfer!
Klingelhöfer ({30}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Schriftlichen Bericht so ausführlich gehalten, um dem Hause den mündlichen Vortrag zu ersparen. Da aber bei ,der Drucklegung ein Satz ausgelassen worden ist, bin ich genötigt, diesen Satz mündlich zu sagen, damit er ins Protokoll kommt. Wenn ein mitberatender Ausschuß tätig wird, ist nach der Geschäftsordnung seine Stellungnahme wörtlich mitzuteilen, oder der mitberatende Ausschuß hat selber einen Bericht zu machen. Der mitberatende Ausschuß war der Haushaltsausschuß. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat außer der Mitteilung, daß der Haushaltsausschuß keine sachlichen Änderungen vorschlägt, dem Vorsitzenden des federführenden Wirtschaftspolitischen Ausschusses geschrieben:
Der Haushaltsausschuß hat mich beauftragt, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorzuschlagen, den ERP-Wirtschaftsplan künftig in gemeinsamen Sitzungen mit dem Haushaltsausschuß zu behandeln.
Dieser Wunsch des Ausschusses ist für die Behandlung in der Zukunft von Bedeutung und muß daher im Protokoll stehen. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß ist auch durchaus damit einverstanden.
Die Empfehlungen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses finden Sie in dem Bericht des Berichterstatters auf den Seiten 3 und 4. Diese Empfehlungen sind in den Wirtschaftsplan eingearbeitet, so daß ich das Haus nur bitten kann, dem Antrag des Ausschusses, den Wirtschaftsplan zu genehmigen, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich erteile das Wort dem Herrn Vizekanzler Dr. Blücher.
Dr. h. c. Blücher. Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit: Meine Damen und Herren! Ich möchte den Anregungen des Haushaltsausschusses sehr gern im Sinne auch Ihrer Äußerung, Herr Kollege Klingelhöfer, zustimmen. Allerdings muß ich darauf aufmerksam machen, daß hier wahrscheinlich das gleiche nötig sein wird wie z. B. bei den Baumaßnahmen: es erweist sich immer mehr als notwendig, den Wirtschaftsplan auf das Kalenderjahr abzustellen. Es dürfte deshalb vielleicht eine der ersten Aufgaben des zukünftigen Haushaltsausschusses und Wirtschaftspolitischen
({0})
Ausschusses sein, den neuen Wirtschaftsplan zu beraten und dann in Kenntnis dieses Wirtschaftsplans später die Haushaltsberatungen abzuschließen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache in zweiter Lesung.
Ich rufe § 1, - § 2, - § 3, - § 4 - sowie Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfs in Drucksache 3266 auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich komme zur
dritten Beratung,
zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 18 auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({1}).
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache 3494 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Punkt 19:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen betreffend Veräußerung der Krankenhaus-Sonderanlage Huntlosen an die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen ({2}).
Ich schlage dem Hause Überweisung dieses Antrags an den Haushaltsausschuß vor. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Punkt 20 ist gemäß Vereinbarung im Ältestenrat abgesetzt.
Damit kehre ich zu dem einzigen noch übriggebliebenen Punkt der Tagesordnung, zu Punkt 15 zurück:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Tuberkulosehilfe ({3}) ({4}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge ({5}) ({6}).
({7})
Als Berichterstatterin Frau Abgeordnete Bennemann bitte!
Frau Bennemann ({8}), Berichterstatterin: Meine Herren und Damen! Der Schriftliche Bericht liegt Ihnen vor; ich kann deswegen auf einen mündlichen Vortrag verzichten.
Ich darf nur bitten, folgende redaktionellen Änderungen im Gesetzestext vorzunehmen: in § 9 Abs. 3 letzter Satz muß es statt „24. Februar 1924" heißen „4. Dezember 1924". In § 27 muß Nr. 3 lauten:
3. Voraussetzungen, Art und Umfang der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ({9})
Ich bitte Sie im Namen des Ausschusses, dem Gesetzentwurf in der von ihm vorgelegten Fassung zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wir treten in die zweite Lesung ein.
Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 2 a, - 3, - 4, - 5 und 6 in der Ausschußfassung. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe 'die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in 'der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 6 a. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck 1181 vor.
({0})
- Änderungsantrag der Fraktion' der DP ({1}): Der Bundestag wolle beschließen:
1. In § 6 a Abs. 4 werden die Worte „durch einen amtlich bestellten Arzt" gestrichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Geschäftsordnung ist es zu jedem Zeitpunkt zulässig, die Beratung eines Gesetzes zu unterbrechen. Ich beantrage, die Beratung dieses Gesetzentwurfs jetzt zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt die zweite Lesung fortzusetzen.
({0})
Wir waren uns generell darüber einig, keine streitigen Materien mehr zu behandeln. Weiterhin sind zum Tuberkulosehilfegesetz, das ein Gesetz von besonderer Bedeutung ist, noch Ausführungen zu machen, die in dieser vorgerückten Stunde nicht mehr gemacht werden können.
({1})
Ich bitte, dem Antrag auf Unterbrechung der zweiten Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, ich muß ,dem Antrag widersprechen. Der Ältestenrat hat in einer Sitzung, die gegen halb acht beendet worden ist, ausdrücklich beschlossen, daß wir diesen Tagesordnungspunkt heute noch erledigen. Die antragstellende Fraktion wußte also, daß wir damit in die Abendstunden kommen.
Weiter wird das Wort nicht gewünscht.
({0})
- Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, ich habe es gehört! Ich stelle nur fest, daß das Wort weiter
({1})
nicht gewünscht wird. Ich hätte es auch nicht ereilt, denn nach der Geschäftsordnung sollen in solchen Fällen nur zwei Redner sprechen, einer dafür und einer dagegen.
Der Abgeordnete Rasner hat den Antrag gestellt, die weitere Beratung des gegenwärtig behandelten Gesetzentwurfs abzusetzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit.
Damit ist die weitere Behandlung des Gesetzentwurfs von der heutigen Tagesordnung abgesetzt.
Wir sind am Ende der Tagesordnung.
Ich darf den Damen und Herren des Hauses wünschen, daß sie alle ,ein recht heiteres und fröhliches Pfingstfest verleben und daß sie die Arbeitspause von drei Wochen - soweit sie die einzelnen betrifft - dazu benutzen können, sich recht gut zu erholen, damit wir alle gestärkt in den letzten Spurt dieser Legislaturperiode eintreten können.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den 26. Juni 1957, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.