Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, die Sitzung ist eröffnet.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich bekanntzugeben, daß für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Lenz mit Wirkung vorn 5. Mai dieses Jahres der Abgeordnete Brenner in den Bundestag eingetreten ist. Ich wünsche unserem neuen Kollegen eine gute Mitarbeit in diesen letzten Wochen des 2. Bundestages.
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird heute zunächst der Einzelplan 04 aufgerufen. Es folgen dann die Einzelpläne 05 und 14. Nach der Mittagspause wird das Haus in die Beratung der Verträge über den Gemeinsamen Markt und Euratom eintreten. Wird das Wort zu diesen Vorschlägen gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Eine weitere amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 8. Mai 1957 die Verordnung zur Übertragung von Befugnissen nach dem Getreidegesetz übersandt. Sie liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Wir kommen dann zu Punkt 1 der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 ({1}) ({2}),
Einzelplan 04, Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes ({3}).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Giencke, hat auf eine mündliche Ergänzung seines Schriftlichen Berichts*) verzichtet.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache über den Einzelplan. Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen haben im Laufe der parlamentarischen Geschichte allmählich einen Bedeutungswandel erfahren. Als das Parlament praktisch nur über sein Etatsrecht auf die Politik der Regierung Einfluß nehmen konnte, war die Etatdebatte zugleich die Debatte, bei der auch über die großen Probleme der nationalen Politik gesprochen werden mußte. Heute haben wir für die großen politischen Fragen - ob es sich um die Fragen der Außenpolitik, der Wirtschaftspolitik oder der Atompolitik handelt - besondere Debatten und Auseinandersetzungen. So bleibt zumindest für die zweite Lesung des Haushalts außer der Begründung der Änderungsanträge eigentlich nur noch übrig, sich mit den Abfallprodukten der Kanzlerpolitik - so möchte ich in unserem speziellen Falle sagen - zu beschäftigen, wenn es sich um seinen Haushalt handelt. Mehr noch als um den Inhalt dieser Politik, der Gegenstand der großen Spezialdebatten ist, geht es um die Methoden der Politik des Herrn Bundeskanzlers. Es geht auch - ich möchte das gleich an den Anfang stellen - um einige Stilfragen, um ein oft gebrauchtes Wort hier wieder aufzugreifen.
*) Siehe Anlage 2
Da möchte ich zunächst ein paar Bemerkungen mehr am Rande machen, die man als Kleinigkeiten abtun könnte, wenn sie nicht symptomatischen Charakter hätten. Der Herr Bundesinnenminister hat gestern gesagt, daß oft an kleinen Dingen sehr viel deutlicher sichtbar werde, was sich im Großen abspiele, und daß die kleinen Dinge als erwähnenswerte Symptome sehr wohl debattiert werden sollten.
Ich habe Sie, Herr Bundeskanzler, gelegentlich in aufrichtiger Überzeugung gegen den Vorwurf des Militarismus verteidigt. Ich habe in Köln einmal in einer Versammlung gesagt, die einzigen Soldaten, die Ihrem Herzen besonders naheständen, seien die Kölner Roten Funken; bei denen würde Sie noch nicht einmal die Farbe stören.
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Ich habe das nicht getan in der Erinnerung an Worte, die Sie in früheren Jahren gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik ausgesprochen haben. Man könnte deren viele zitieren, wenn man nicht skeptisch gegenüber Kanzlerworten wäre, die ja sehr oft etwas an den propagandistischen Bedürfnissen des Tages orientiert sind. Ich habe es vielmehr getan, weil ich glaube, daß Sie Ihrem ganzen Wesen nach, als Persönlichkeit, eine unmilitaristische Erscheinung sind. Aber es ist oft so - man pflegt das auf einem anderen Gebiet zu sagen -, daß auch die Klerikalen in ihren Forderungen weitergehen als die Kleriker. So ist es oft so, daß manchmal unmilitaristische Menschen militaristischere Neigungen haben als die Berufsmilitärs, und darum geht es nun hier.
Wenn ich beispielsweise Ihre stahlhelmbewehrte Palaiswache vor Ihrem Hause sehe,
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dann denke ich, Herr Bundeskanzler, mit Wehmut an Downingstreet 10 in London, wo meist ein einsamer Bobby vor dem Hause steht und auch der Premier sich in seiner Sicherheit keineswegs geniert fühlt. Wenn ich an ein etwas repräsentativeres Beispiel, an den Amtssitz des französischen Premiers denke, muß ich zwar sagen, daß es da etwas dekorativer zugeht, aber vergleichsweise doch sehr friedlich gegenüber der feld- und kriegsmäßigen Hauptquartierwache,
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die Sie vor Ihrem Amtssitz haben. Halten Sie das aus Gründen der Repräsentation Ihres Amtes oder der Sicherheit Ihrer Person wirklich für erforderlich?
In dieses Kapitel gehört auch etwas, was gestern am Rande anklang, was aber sehr viel mehr in den Etat des Herrn Bundeskanzlers gehört: die Autokavalkade, mit der Sie durch das deutsche Gelände fahren. Da wird vorne mit Blaulicht und Sirene die Ankunft angekündigt, und hinten leuchtet ein rotes Stopplicht auf mit der Erklärung: ,,Überholen verboten!"
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- Wo auch immer es geschieht, meine Damen und Herren - sprechen wir uns doch einmal über diese Stilfragen ganz offen aus! -, ist es, glaube ich, unzulässig und untunlich, und mir scheint, daß der
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Regierungschef der Zentralregierung, der Bundesregierung, hier in diesen Stilfragen mit Vorbildlichkeit vorausgehen sollte.
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In Amerika sind unlängst einige Leute verurteilt worden, weil sie die Straßenverkehrsordnung durchbrochen hatten - sie hatten die Geschwindigkeitsgrenze überschritten -, und diese Leute gehörten zum Gefolge des Präsidenten der Vereinigten Staaten.
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In der Urteilsbegründung des amerikanischen Gerichts ist gesagt worden, daß die Straßenverkehrsgesetze auch für den Präsidenten der Vereinigten Staaten verbindlich sind.
Meine Damen und Herren, wir wollen diese Dinge nicht überbewerten, und wenn Sie auf andere Stellen in der Bundesrepublik hinweisen, wo dies auch geschieht, nehme ich es gerne zur Kenntnis; dann sollten wir uns in dem Bestreben verbünden, solche Dinge, die keine großen politischen Probleme sind, bei denen es aber um entscheidende Stilfragen geht, abzustellen. Ich glaube, es wäre hier bei dem Amt des Herrn Bundeskanzlers der geeignete Ort, ein Vorbild zu geben.
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Auch die Regierungschefs anderer großer Staaten leiden nicht an einem Übermaß an Zeit, und doch ist diese Art des Auftretens bisher nur in Systemen üblich, mit denen sich bei uns doch niemand gern vergleichen möchte.
Es lag mir am Herzen, dies einmal auszusprechen. Ich möchte das alles gewiß nicht als große Probleme hinstellen, aber auch nicht als nebensächlich; denn es sind min einmal Fragen des Staatsstils von mehr als nur arabeskenhafter Bedeutung. Die Fragen dieses Stils sollten wir doch in unserer Bundesrepublik nicht alleine den zeremonienfetischistischen Ambitionen „pappritziöser" Amtsdamen überlassen.
Nun zu unseren Änderungsanträgen! Ein Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1048*), und zwar zu Ziffer 4 dieses Umdrucks. Wir beantragen dort, Tit. 309 - Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen - zu streichen. Ich kann auf die umfänglichere Begründung verweisen, die wir im vorigen Jahr dafür gegeben haben. Sie wissen, daß wir diesem Titel unsere Zustimmung nicht geben können, weil er der Wehrpflichtpropaganda und der Atomwaffenpropaganda in unserem Volke dient. Er hat die Aufgabe, zur Verbreitung der, sagen wir, artilleristischen Entwicklungsphilosophie dies Herrn Bundeskanzlers zu dienen, jener unserer Überzeugung nach nicht zu verantwortenden Bagatellisierung der Gefahren einer nuklearen Auseinandersetzung rund auch der Verschleierung der Tatsache - das ist ja gestern abend bereits diskutiert worden -, daß ein wirkungsvoller Schutz der Zivilbevölkerung nahezu unmöglich geworden ist. Wenn man die zurechtweisende Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers an die Adresse der 18 Göttinger Professoren mit dem vergleicht, was in sehr ernster Form im Weißbuch der britischen Regierung gesagt warden ist, diese zurechtweisende und wegwerfende Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers zu den Motiven der 18 Professoren im Göttinger Manifest, dann versteht man sehr
*) Siehe Anlage 3
wohl, daß Sie, Herr Bundeskanzler, das Geld, das Sie in Tit. 309 beantragen, bitter nötig haben, um diese Ihre Argumentation vor dem Volk zu vertreten. Wir haben bereits im vorigen Jahr erklärt, daß wir auf keinen Fall bereit sind, Ihnen die Mittel zu bewilligen, die der Propagierung einer Politik dienen, die wir für falsch und verhängnisvoll halten.
In Ziffer 3 und Ziffer 2 - die ich zugleich damit behandeln möchte - beantragen wir die Streichung der 1 080 000 DM für das Bulletin des Presse- und Informationsamtes und der 180 000 DM, die für den Tätigkeitsbericht der Bundesregierung vorgesehen sind. Wir halben in der vorjährigen Haushaltsdebatte sehr klargemacht, daß dies keine Grundsatzentscheidung gegen die Existenz eines regierungsoffiziellen Informationsorgans ist. Aber zum Wesen eines korrekten Informationsorgans gehört, daß man nicht nur einer einseitigen Argumentation die Spalten öffnet, daß man die Standpunkte, gegen die man den Regierungsstandpunkt setzt, auch fair darstellt oder fair darstellen läßt.
Warum z. B. hat man nicht im Bulletin des Presse- und Informationsamtes auch das Manifest der 18 Professoren und dazu in aller Umfänglichkeit die Stellungnahme des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesverteidigungsministers veröffentlicht?
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Nur durch eine Darstellung der Standpunkte bei de r Seiten - wobei wir durchaus quantitativ-räumlich der Darstellung des Regierungsstandpunktes, dem Charakter dieses Organs entsprechend, einen größeren Umfang zubilligen -, nur dadurch, daß auch die andere Seite in dem notwendigen Umfang in sachlicher Darstellung zu Worte kommt, gewinnt doch ein solches Organ erst den Charakter eines Informationsorgans. Sonst ist es ein einseitiges Propagandaorgan.
In diesem Bulletin wäre auch der Ort gewesen, den Kanzlerbrief vom 23. Februar an den Kollegen dieses Hauses, den Bundestagsabgeordneten Kramel, offiziell abzudrucken.
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Sie wissen, worum es sich handelt. Der Herr Bundeskanzler hatte zur Neuregelung der Beamtengehälter Stellung genommen. In seinen Unterhaltungen mit den Vertretern des Beamtenbundes hatte er eine Stellung vertreten, die in der Öffentlichkeit so wiedergegeben wurde, daß der Herr Bundeskanzler für eine lineare Erhöhung der Beamtengehälter auf 170°A eingetreten sei. Das hat der Herr Bundeskanzler auch in jener Unterhaltung gesagt, und so kam es korrekterweise in die Öffentlichkeit. Der Herr Bundeskanzler hat dann dem Herrn Kollegen Kramel einen Brief geschrieben, in dem er sagte: „Bei unserer Besprechung war mir nicht bekannt" - und dann folgt, warum er die dort geäußerte Stellung nicht aufrechterhalten kann. Wenn man zuläßt, daß in die Öffentlichkeit ein Standpunkt kommt, den man als Regierungschef nicht mehr aufrechterhalten kann. dann ist das Bulletin der Bundesregierung der Ort, wo vor aller Öffentlichkeit auch die Berichtigung zu erfolgen hat. Verheißungen vor der Öffentlichkeit laut werden zu lassen und Rückzieher unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu machen, ist vielleicht propagandistisch wirkungsvoll, aber doch nicht ganz aufrichtig. Es geht hier nicht um den Sachgehalt - ihn wollen wir an dieser Stelle nicht dis({10})
kutieren -, sondern um die Methode, wie solche Angelegenheiten behandelt werden.
Ein Wort zur parlamentarischen Berichterstattung des Bulletins. Wir haben immer wieder Veranlassung gehabt 'festzustellen und gelegentlich darauf auch hingewiesen, daß 'die parlamentarische Berichterstattung im Bulletin besonders einseitig ist. Man kann den Eindruck verfälschen, indem man die Motive der anderen Seite verschweigt. So hatte mein Kollege Dr. Menzel vor einiger Zeit - um nur ein Beispiel aus einer ganzen Fülle herauszugreifen - Gelegenheit, Beschwerde an das Bundespresse- und Informationsamt zu richten wegen der Berichterstattung über die Wehrgesetzdebatte hier, bei der. wie Sie sich erinnern, die sozialdemokratische Fraktion sich gezwungen sah, das Haus zu verlassen, weil sie nicht bereit war, sich dazu herzugeben, den Vereinbarungen der Koalition gegenüber nur eine Kulisse abzugeben. Die Beratung in der zweiten Lesung war nach unserer Überzeugung eine Farce, nachdem die Koalition untereinander abgekommen war, auf keine sachlichen Argumente einzugehen, sondern alle Anträge der Opposition niederzustimmen. Das war für uns das Argument, das uns veranlaßte. an der Fortsetzung der zweiten Beratung nicht teilzunehmen, weil wir uns dazu nicht herabwürdigen lassen. Nun, wenn man den Tatbestand schildert und die Argumente der Koalition in breitester Form wiedergibt, dann gehört es zur Objektivität, auch den Standpunkt, die Argumentation der Opposition im Bulletin zum Ausdruck zu bringen.
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Und vorgestern haben wir dasselbe wieder erlebt. Ich darf an das Bulletin vom 7. Mai erinnern. Dort geht es um die Wiedergabe in der Berichterstattung über die Gleichberechtigungsdebatte. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht
- das mag ein bißchen pedantisch klingen -, zeilenweise nachzurechnen, wie hier verfahren worden ist. Da ist allein die Regierungsdarstellung mit 142 Zeilen bedacht; die Opposition kommt mit 9 Zeilen davon;
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und unter diesen 9 Zeilen befindet sich auch noch, nahezu die Hälfte in Anspruch nehmend, der Genesungswunsch für den Herrn Justizminister, der von der Opposition hier ausgesprochen worden ist.
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- Nun, meine Damen und Herren, ich sagte ja: ich habe etwas pedantisch nachgerechnet. Ich will natürlich nichts gegen den freundlichen Genesungswunsch an die Adresse des Herrn Bundesjustizministers sagen. Wir haben ja gelegentlich auch bei anderen Gelegenheiten sogar dem Herrn Bundeskanzler alles Gute für einen langen Lebensabend fern allen politischen Aufregungen gewünscht.
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Aber ich meine nur, es ist eine Einseitigkeit, den einen Standpunkt so umfassend und den anderen mit ein paar lausigen Zeilen abzufinden.
Man räumt in der gleichen Nummer vom 7. Mai
- und ich glaube, das ist etwas sehr Ernstes - dem sowjetischen Botschafter die Spalten dieses Bulletins ein; und ich finde, das ist korrekt und notwendig für eine Information. Aber hat dann
nicht die deutsche Opposition auch ein Recht, in
diesem Informationsbulletin zu Wort zu kommen?
In Ziffer 1 unseres Änderungsantrags*) nehmen wir Stellung zu dem Verfügungsfonds des Herrn Bundeskanzlers, der in diesem Jahr mit 111/2 Millionen ,beantragt ist. Er ist die am meisten umstrittene Position dieses Etats. Wir haben ihn den Reptilienfonds genannt und werden gezwungen sein, bei dieser Bezeichnung zu bleiben, solange nicht die Ziffer 2 unseres Antrags, die eine Änderung des Haushaltsvermerks beantragt, die die parlamentarische Kontrolle dieses Fonds vorsieht, angenommen ist. Solange Sie nicht eine Kontrolle nach der Maßgabe der Geschäftsordnung unseres Hauses, bestehend aus drei Mitgliedern dieses Hauses, sichern, werden wir uns gezwungen fühlen, diesen Posten so zu benennen, wie wir es in den vergangenen Jahren getan haben; denn eine unkontrolliert einer Regierung in einem derartigen Umfange zur Verfügung stehende Geldsumme ist ein Reptilienfonds, und wer es ablehnt, dem Parlament Einblick darin zu geben, muß sich diese Charakterisierung gefallen lassen.
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Man verweise uns nicht auf die vorgesehene Überprüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs. Zunächst einmal - ich darf wiederholen - ist die Überprüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs lediglich eine formale Überprüfung, eine, ich möchte sagen, kassentechnische Überprüfung, die also Einnahme- und Ausgabebelege in Übereinstimmung bringt, aber nicht eine politische Verwendungskontrolle. Und eben auf diese kommt es an, wenn es einem um die Klarheit und Sauberkeit des Staatswesens geht. Denn hier handelt es sich um Steuergelder der Allgemeinheit, die nicht zu Parteigeldern einer Koalition gemacht werden dürfen. Zweitens aber überzeugt uns der Hinweis auf die Überprüfung durch den Präsidenten dies Bundesrechnungshofs doppelt wenig, nachdem im vergangenen Jahre für die Kandidatur für den Posten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs eine Persönlichkeit zur Diskussion stand, die als Verwaltungsrat des Volkswagenwerks die monatliche Subventionierung des CDU-„Wirtschaftsbildes", jener Zeitschrift - wir haben es hier besprochen -, die von dem Bundesschatzmeister der CDU herausgegeben wird, in Höhe von monatlich 5000 DM zumindest durch unausreichende Aufsicht möglich gemacht hat.
Der Fonds in Höhe von 111/2 Millionen DM verharmlost sich auch nicht dadurch, daß man dieses Jahr - ich gestehe dies offen - entgegen unseren Erwartungen 1 Million DM weniger gefordert hat. Das wird ja Ihr triumphales Argument sein: Seht, im Wahljahr fordern wir, fordert die Regierung eine Million DM weniger! Nun, meine Damen und Herren, wenn Ihnen die in der Öffentlichkeit diskutierten Millionensummen an Wahlhilfsgeldern zur Verfügung stehen, werden Sie getrost auf diese eine Million verzichten können. Durch den Haushaltsvermerk, daß die Überschüsse aus den hinter uns liegenden Jahren übertragbar sind, hat ja Wahlvater Adenauer ein hübsches Sparsümmchen zusammengetragen, und zudem wird die Spendenfreudigkeit der Industrie schon dafür sorgen, daß Sie auf diese Haushaltsmillion verzichten können.
*) Siehe Anlage 3
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Es bleiben aber noch 111/2 Millionen, die Sie jeder parlamentarischen Kontrolle entziehen wollen. Wir haben nie geleugnet, daß jede Regierung einen solchen Fonds braucht, noch dazu da ja mit diesem Fonds auch die sogenannte Public-relationArbeit, die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere auch nach dem Ausland, bezahlt werden soll. Aber warum kann man nicht der parlamentarischen Kontrolle unterwerfen, was mit diesem Gelde - zu einem Teil 'berechtigterweise - geschehen soll? Wenn ein Ministerialrat des Bundespresse- und Informationsamtes neulich in einer Fernsehsendung diesen Etatposten zu rechtfertigen versuchte, indem er darauf hinwies, daß die „DDR" für diese Zwecke mehr zur Verfügung habe, so ist dazu doch wohl zu sagen, daß ein totalitärer Staat kein geeigneter Vergleichsmaßstab für das ist, was wir in diesem Staate tun. Nun, in der Tat sind wir aber zu einem Vergleich genötigt, da sich dort wie hier - ich glaube, das ist nicht gut; diesen Tatbestand dürfen wir nicht aufrechterhalten - solche Positionen der parlamentarischen Kontrolle, der Kontrolle durch die gewählte Volksvertretung, der Kontrolle der Offentlichkeit entziehen. Dias darf es nicht geben! Was hindert Sie, Herr Bundeskanzler, die für die Verteidigung und 'Verbreitung der Geltung und des Ansehens unseres Staates notwendigerweise ,auszugebenden Summen einer parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen? Ich habe nie ein sachliches Argument dafür gehört, weswegen eine solche parlamentarische Kontrolledurch einen besonders vertraulichen Ausschuß, der aus drei Persönlichkeiten dieses Hauses besteht, unmöglich sein sollte. Es gibt kein sachliches Argument dagegen.
Wir sind bereit, meine Damen und Herren, wenn eine objektive Verwendung dieses Geldes sichergestellt ist, auch mehr zu bewilligen, als hier beantragt worden ist. Wir sind dazu bereit, wenn man uns die Notwendigkeit für diese Verwendung darlegen und begründen kann und wenn man die parlamentarische Kontrolle sicherstellt. Gerade die Mitglieder dieses Hauses, die unlängst die Reise nach Asien haben machen können, haben eine ganze Menge von Mängeln im Informationswesen der Bundesrepublik nach außen feststellen können. Ich denkebeispielsweise nur an die geradezu jämmerliche Qualität des Informationsfunks, über dessen miserable Qualität sogar CDU-Mitglieder dieses Hauses - ich nehme an, daß auch in Ihrer Fraktion darüber gesprochen worden ist - ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht haben. Es gibt eine Reihe von Ausgaben, die zum Teil wahrscheinlich zweckmäßigerweise ganz offen auch an anderer Stelle, beispielsweise im Auswärtigen Amt, etatisiert wenden können. Soweit sie aber hier beim Kanzler zur Erledigung notwendiger Öffentlichkeitsarbeiten etatisiert zu sein haben, müssen sie genau wie alle anderen Haushaltspositionen der parlamentarischen Kontrolle offenstehen. Aber es handelt sich ja bei diesem Fonds im wesentlichen nicht um einen Titel, der der Erfüllung notwendiger Aufgaben dient, sondern um einen Reptilienfonds zur Fütterung innenpolitischer propagandistischer Kampfverbände, wie beispielsweise der sogenannten Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise
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oder, wie man besser sagen müßte, der Arbeitsgemeinschaft sogenannter demokratischer Kreise. Was geschieht nicht alles unter dem Tarnmantel
der Überparteilichkeit, diesem besonders glaubwürdig wirkenden Tarnmantel! Das hat mit Überparteilichkeit gar nichts zu tun. Damit wird versucht. für die Koalition und insbesondere für die CDU zu einem Teil den Zugang zu Institutionen zu eröffnen, an die sie als Partei sonst nicht herankommen würde. So hat man beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise in einer Reihe von Ländern in die Schulen hineingeschleust, und unter dem Mante überparteilicher demokratischer Information wird hier eine ganz klare Regierungs- und CDU-Propaganda betrieben.
Mein Freund Helmut Schmidt hat hier vor einiger Zeit auf den Tenor und auf die Formulierung der Reden hingewiesen, die von Vertretern der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise vor der Bundeswehr gehalten worden sind. Gegen Jahresende hat in Bückeburg - um ein Beispiel unter vielen herauszugreifen - eine sogenannte „Tagung unabhängiger vaterländischer Jugendverbände" stattgefunden, finanziert von dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise. Da war es sogar so, daß ein vom Bundesinnenministerium entsandter Kriminalrat einschreiten mußte, weil unerlaubte Uniformen getragen wurden,
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und androhen mußte, daß, wenn diese Uniformen weiter durch Bückeburg getragen würden, die Polizei gezwungen sei, einzugreifen. Da wurde in Schaftstiefeln und feldgrauen oder schwarzen Breeches aufmarschiert: Jungsturm, Stahlhelmjugend und wie sie alle hießen. Nun, wir wollen diese Dinge nicht dramatisieren. Es waren hundert Teilnehmer da, und der Bericht weist aus, daß sie sich meist in einem Alter befanden, das dem des Herrn Bundeskanzlers an Jahren näher steht als der Jugend, die sie zu repräsentieren behaupten.
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Man mag uns auch sachlich vielleicht dadurch zu entwaffnen versuchen, daß man sagt, man habe hier einen Missionsversuch unternommen. Nichts gegen Missionsversuche, aber in dem speziellen Fall der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise erhebt sich für mich Frage: wer missioniert hier wen?
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Denn ich kann nicht unterlassen, hier einige Fragen, zu denen wir uns verpflichtet fühlen, an den Herrn Bundeskanzler zu stellen, und ich glaube, er ist auch verpflichtet, darauf zu antworten, da ja dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise finanzielle und Amtshilfe geleistet wird. Sie wird in die Bundeswehr eingeführt, sie wird an die Schulen heranprotegiert, sie wird in Ministerien hereingelassen und zu Vorträgen verwendet. Als mein Freund Walter Menzel vor einiger Zeit beim Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen anfragte, ob man ihm nicht die Satzungen dieser Arbeitsgemeinschaft überlassen könne und mitteilen könne, wer im Vorstand sitze, da stellte sich heraus, daß das Bundesministerium, das zwar diese Arbeitsgemeinschaft favorisierte, nichts davon wußte, obschon der Herr Bundesminister hier vor einiger Zeit - nicht der gegenwärtig amtierende, um Mißverständnissen vorzubeugen - in einer Fragestunde erklärt hatte, daß es sich um eine überparteiliche Organisation handle, gegen deren Betätigung keine Bedenken bestünden.
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- „Sehr richtig!" nagen Sie. Um so wichtiger wird die Antwort sein, die Sie auf die Fragen zu erteilen haben. Nun sind die Kuratoriumsmitglieder solcher Tarnorganisationen, wie das sehr oft der Fall ist - das Bundesamt für Verfassungsschutz wird dafür Beispiele zu geben wissen -, aus Tarnungsgründen oft sehr reputierliche Persönlichkeiten. Es geht nicht um die Kuratoriumsmitglieder, sondern wir fragen den Herrn Bundeskanzler in bezug auf den Leiter dieser Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise: Stimmt es, daß Herr Hans Edgar Jahn seit 1931 Pg, hauptberuflicher Geschäftsführer der NSDAP, NS-Führungsoffizier gewesen ist und schon damals in der gleichen Branche der hauptberuflichen Regierungspropaganda tätig war? Uns würde diese Frage nach der Vergangenheit nicht interessieren, wenn sie nicht ihr Gewicht erst durch die gegenwärtigen Reden erhielte, die von diesem Mann stammen.
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Wir sind der Meinung, man soll nicht in der politischen Vergangenheit eines Menschen, noch dazu wenn sie in die Jugend fällt, herumkramen.
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- Meine Herren, ich sage das nicht etwa jetzt zum erstenmal.
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Es war in diesem Hause Dr. Schumacher, der sich als erster für die Jugendamnestie und für den Grundsatz eingesetzt hat, daß man jungen Menschen ihre politischen Irrtümer nicht nachtragen soll. Wir denken nicht daran, das zu einem Hauptgegenstand zu machen, wenn nicht die gegenwärtige politische Aktivität dieser Leute ihre Vergangenheit wieder wachruft.
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Der Herr Bundeskanzler selbst - auch wenn ihnen das peinlich ist - muß hier eine klare Auskunft geben können; denn hier handelt es sich um eine Organisation, der nach 'unseren Informationen siebenstellige Zahlen wahrscheinlich aus diesem Tit. 300 zur Verfügung stehen. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat am 10. Juni 1953 in einer Kleinen Anfrage gefragt, ob die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise Geld aus Bundesmitteln erhalte. Der Herr Bundeskanzler hat darauf festgestellt - ich zitiere wörtlich -, daß, soweit es sich um den Tit. 300 handle, seine Antwort folgendermaßen laute:
Aus 'grundsätzlichen Erwägungen ist die Bundesregierung nicht in der Lage, nähere Auskunft über die Verwendung der Mittel zu erteilen.
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Meine Damen und Herren, das ist keine Antwort. Deshalb wiederholen wir hier unsere Frage vom 10. Juni 1953: Erhält diese sogenannte Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise Geld aus Bundesmitteln, und für den Fall, ja, wieviel erhält sie aus dem Tit. 300? Wir wären dem Herrn Bundeskanzler für eine eindeutige. Antwort, auf die, glaube ich, das Haus einen Anspruch hat, dankbar. Wir würden auch gerne erfahren, wie viele aus diesen Mitteln subventionierte - oder wie immer man diese Zuwendungen nennen mag - Zeitschriften es gibt. Wie viele Bücher und welche verdanken ihr Erscheinen ähnlichen Mitteln aus diesem Titel?
Die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise ist ein Teil eines Propagandakonzerns, der die Bundesrepublik mit einem ganzen Netz von Organisationen und Vertrauensleuten Überspannt. Die Aufgabe ist, Regierungspropaganda, Koalitionspropaganda, Parteipropaganda zumachen. Uns würden die finanziellen Hintergründe im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung hier nicht interessieren, wenn sie aus privaten Subsidien finanziert würden. Dann wäre dies allein eine Frage der CDU und eventuell noch ihrer Koalitionsanhängsel, es interessierte uns nicht im Zusammenhang mit diesem Titel. Wenn jedoch ausschließlich oder auch nur teilweise Staatsgelder, d. h. Steuergelder, dafür zur Verfügung gestellt werden, dann ist dies unvertretbar, und es genügt keine ausweichende Antwort. Hier kann nur eines genügen: die Sicherung einer parlamentarischen Kontrolle dieser Fonds.
Ich habe im Rahmen der Debatte über die Praktiken der Parteifinanzierung aus Subsidien hier vor ein paar Monaten zu einem Thema Stellung nehmen müssen, dessen Gegenstand die monatliche Zuwendung von 5000 DM an den Herrn Bundesverteidigungsminister, nicht für seine Person, wohlweislich! - das hat nicht zur Diskussion gestanden -, aber zur parteipolitischen Verwendung, war. Die monatliche Zuwendung von 5000 DM, die aus den Quellen der Volkswirtschaftlichen Gesellschaft Bayern e. V. stammen, ist eine Angelegenheit, zu der wir am 27. Februar in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung Auskunft gewünscht haben, ob ihr der Vorgang bekannt sei. Ich habe damals in der Debatte hier gesagt: Was ist die Tatsache? Ein Minister als Manager einer politischen Finanzierungsvereinigung,
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Atomminister Balke, gibt als Manager der politischen Finanzierungsvereinigung Volkswirtschaftliche Gesellschaft Bayern, einem anderen Minister, dem Verteidigungsminister,
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monatlich 5000 DM aus Mitteln dieser industriellen Vereinigung, die sehr wohl - und das ist ihr gutes Interesse - an Rüstungsaufträgen interessiert ist. Das ist eine Frage, die in der Öffentlichkeit einen mehr als schiefen Eindruck, den Eindruck einer Ungehörigkeit erwecken muß,
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und hierüber kann nicht mit einer lapidaren Erklärung weggegangen werden, wie es in der Antwort des Herrn Bundeskanzlers geschehen ist. Die Antwort des Herrn Bundeskanzlers war bedauerlich, sie war unakzeptabel für uns, wenn er nämlich sagt, die Bundesregierung sei nicht verpflichtet, über parteiinterne Angelegenheiten der Kabinettsmitglieder Auskunft zu erteilen.
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Herr Bundeskanzler, nach unserer Meinung ist es nicht eine parteiinterne Angelegenheit, wenn ein Minister im Nebenberuf eine innenpolitische Finanzierungsgesellschaft managt, einem anderen Minister zu politischen Zwecken Geld von Leuten gibt, die als Fabrikanten an Aufträgen interessiert sind,
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die der empfangende Minister eben zu vergeben hat,
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sondern das, was in der Öffentlichkeit die Glaubwürdigkeit unseres Staates gefährdet. Bitte, meine Herren, an dieser Tatsache können Sie doch gar nichts ändern. Darum hat der Herr Bundeskanzler die ausweichende Antwort gegeben.
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- Wenn Sie etwas dazu zu sagen wünschen, tun Sie es nachher, oder tun sie es jetzt in Gestaltartikulierter Zwischenfragen, aber nicht in so einem Zwischengemurmel. Wir Legen Wert darauf, festzustellen, daß nach unserer Überzeugung sowohl die Tatsache, die unsere Anfrage verursacht hat, als auch die Antwort, die diese Anfrage seitens der Bundesregierung gefunden hat, Handlungen und Äußerungen sind, die wir in hohem Maße für bedenklich halten.
Ein paar Bemerkungen noch zu einer bestimmten Seite des Informationswesens und der Öffentlichkeitsarbeit des Herrn Bundeskanzlers. Ich habe in der vorigen Woche in der „Zeit" gelesen, daß ein Büchlein „Kanzlerworte` erschienen ist; selbst ist mir das Exemplar noch nicht vor Augen gekommen. In dem Blatte wird in einer Zuschrift Kritik daran geübt, es werden Vergleiche mit der Vergangenheit gezogen, und es wird auch gefragt, aus welchen Mitteln dieses Büchlein finanziert worden ist. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, ein paar der Kanzlerworte in die Erinnerung des Hauses zu rufen, die wahrscheinlich nicht in diesem Büchlein stehen, das in Schulen usw. verteilt werden soll. Es handelt sich um Zitate, die die Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit zahlreicher Kanzlerworte aufzeigen. Ich verstehe noch die widersprüchlichen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers in der Frage der Atomrüstung - das ist nicht Gegenstand der heutigen Diskussion, wir werden es ja morgen hier als Thema auf der Tagesordnung haben -, weil es drei Monate vor der Wahl dem Herrn Bundeskanzler gewiß unzweckmäßig erscheint, in ,die problematische Qualität eines Atomkanzlers hineinzuwachsen.
Aber eines in einem anderen Beispiel ist doch, mit Verlaub zu sagen, nicht zulässig, wenn man seine Worte als in staatsmännischer Verantwortung gesprochen gewertet wissen will. Ist es richtig, was der Herr Bundeskanzler am 2. Februar in Berlin gesagt hat, wo es heißt: „Nach meiner Überzeugung kann ich Ihnen, meine Freunde, sagen, daß die Entwicklung zum Guten begonnen hat", und am 5. April desselben Jahres - im Abstand weniger Wochen - sagt er wörtlich: „Ich kann leider nicht verhehlen, daß die außenpolitische Entwicklung in den letzten zwölf oder dreizehn Monaten ernster geworden ist, nicht leichter geworden ist." Was ist nun richtig, meine Damen und Herren?
Der aufmerksame Beobachter weiß schon lange, daß der Herr Bundeskanzler die Rolle der Kassandra - und das ist nicht ein einmaliges Vorkommnis - immer dann spielt und die Weltpolitik dramatisiert, wenn seine eigene innenpolitische Position prekär geworden ist.
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Aber ich glaube - man muß diesen Appell an einen Regierungschef richten -, es ist nicht statthaft, aus taktischen Gründen mit auswechselbaren Argumenten zu operieren. Das ist für idas ganze Haus und das ist für die Regierung und für den Staat nicht gut, und der Regierungschef verliert die Glaubwürdigkeit. Wenn ihm das als nebensächlich erscheint: ich glaube, wollte man all diese entgegengesetzten Kanzlerworte zusammenstellen, gäbe das ein ganz nettes Büchlein. Auf die Dauer würde sich die CDU-Fraktion nur retten können, indem sie eine Änderung des Grundgesetzartikels 65 beantragt: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinienlosigkeit der Politik und übernimmt dafür die Verantwortung."
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Lassen Sie mich noch ein Wort zu einem sehr ernsten Problem sagen, ein Wort, das gerade am Beginn einer großen innenpolitischen Auseinandersetzung hierhin gehört. Es ist ein Wort zu den Methoden der Unterstellung und der Verunglimpfung in der politischen Auseinandersetzung. Da ist die Methode des diffamierenden Analogieschlusses, alle in die Nähe der Kommunisten zu rücken, deren politische Position in Teilfragen die Kommunisten mit demagogischem Fleiß zu mißbrauchen versuchen. So war das in der Amnestie, so ist es in der Frage der Atomrüstung. Ich spreche nun zur CDU; aber wir haben ja den Herrn Bundeskanzler immer in seiner Doppeleigenschaft hier vor uns, und es ist nicht sehr leicht, immer die beiden Seiten seines Wesens auseinanderzuhalten, den Bundeskanzler und den Parteiführer. Er hat schon manchmal hier gestanden und mal das eine Kaninchen und mal das andere Kaninchen aus dem Doktorhut gezaubert.
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Wir müssen ihn als eine Ganzheit nehmen.
Hier ein sehr ernstes Wort, meine Damen und Herren. Sie lassen sehr häufig in Ihrer Argumentation jeweils nur eine Alternative zu. Wenn die Position Ihrer Gegner von den Kommunisten demagogisch mißbraucht wird, dann ist mehr oder weniger klar ausgesprochen Ihr Argument entweder: Die sind mit Absicht hier die Helfershelfer der Kommunisten, oder Sie lassen als Gipfel ihrer humanen Alternative noch die Dummheit zu. Ich spreche das beim Kanzleretat an, weil der Herr Bundeskanzler zumindest dafür sorgen könnte, daß solche demagogischen Formulierungen der CDU-Presse nicht im Pressespiegel der Bundesregierung abgedruckt werden. Insoweit geht es ihn auch als Kanzler und nicht nur als Parteiführer an. Das war bei der Atombewaffnung so, ,als es hieß: Das ist dieselbe Argumentation wie bei Gromyko. Das war bei der Argumentation gegen das Göttinger Manifest der 18 Professoren so. Ich denke nur an das, was die CSU .an die Adresse der 18 Professoren sagen zu müssen glaubte.
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An die Adresse dies Herrn Bundeskanzlers sei nun die spezielle Bitte gerichtet, sich mit einem besonderen Stück Öffentlichkeitsarbeit zu beschäftigen. Da ist in Hessen in einer CDU-Publikation - ich weiß nicht. ob auch die Subventionen aus dem Tit. 300 erhält ({39})
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eine Karikatur erschienen, die ich dem Hause doch schildern möchte. Da steht ein sowjetischer Panzer mit aufgeklapptem Deckel. aus dem Herr Ulbricht seinen Kopf steckt, und eine Fahne, auf der „Deutsche Wiedervereinigung" steht und oben Hammer und Sichel. Der Panzer schießt auf die gegenüber in Linie aufgestellten Deutschen. Der Rauch kommt noch aus dem Kanonenrohr des Panzers heraus. Darunter steht - rund das ist das Entscheidende -: „Wie sich Sozialisten, Marxisten, Kommunisten und Bolschewisten die Wiedervereinigung Deutschlands denken."
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Das geht weit über das hinaus. was wir in diesem Hause erlebt haben, als wir damals das perfide Plakat des 1953er Wahlkampfes diskutierten: „Alle Wege des Marxismus führen nach Moskau." Damals hat Herr Dr. Krone hier erklärt: „Ja, die Sozialdemokraten sind aber damit doch nicht angesprochen", obschon jeder von Ihnen weiß, gegen wen sich dieses Plakat richten sollte. Es war ein Plakat, das gegen uns gerichtet wurde. Jetzt aber fällt die Maske noch ein paar Zentimeter. Wir werden ganz offen in einem derartigen Ding angesprochen. Es gibt in diesem Pamphlet nur einen einzigen Druckfehler. Es wird hier im Impressum die CDU-Leitung angesprochen, und es heißt, ihr Sitz sei in der Schunkengasse dieser Stadt; „Schurkengasse" müßte es heißen.
({42}) Diesen Druckfehler sollten Sie bereinigen.
Warum wir diesen Fall, in dem sich die distanzierende Beziehung zur Aufrichtigkeit zu dem Freistil entwickelt, der nicht einmal im Catcher-ring gestattet ist, anführen, ist: Der Herr Bundeskanzler ist nicht nur Bundeskanzler und Regierungschef, sondern er ist auch Parteiführer, und ich glaube, er sollte in dieser Doppeleigenschaft, in der wir ihn hier nehmen, von sich aus einiges zur Entgiftung des Wahlkampfes tun.
Ich glaube, er hätte dazu auch eine besondere Veranlassung seit jener Affäre Schroth-Scharley, die wir in diesem Hause oft angesprochen haben und die für uns deshalb eine Wunde hinterlassen hat, weil nicht nur die Affäre als solche, sondern ihre Erledigung vor diesem Hause durch den Herrn Bundeskanzler uns unvergessen bleibt.
({43})
Die Antwort, die er damals unserem Kollegen Mellies hier gegeben hat, war nicht weniger schlimm als die Tatsache einer falschen Behauptung vor der Öffentlichkeit selbst.
Übrigens lassen Sie mich zum Fall SchrothScharley noch eine Frage stellen, die ich auch gern in diesem Zusammenhang von dem Herrn Bundeskanzler beantwortet haben möchte - ich glaube, auch hier schuldet er uns eine Antwort -: Stimmt es, daß der Nachrichtenhändler, der ihm damals das falsche Material in die Hand gespielt hat, das er prompt in den Wahlkampf brachte, vom Bundeskanzleramt dafür 2000 DM bekommen hat
({44})
und daß es nach behördlichen Ermittlungen heißt, daß Vertreter des Bundeskanzleramtes in Zusammenkünften mit diesem Nachrichtenhändler 500 bis 600 DM Verpflegungsspesen abgerechnet haben?
({45})
Wir wünschten gern von dem Herrn Bundeskanzler auch auf diese Frage so ganz am Rande eine Antwort zu bekommen. Solange diese Affäre noch in der Welt steht, muß es sich der Herr Bundeskanzler gefallen lassen, als Protektor einer Wahlkampfführung zu gelten, die die Rechtfertigung der Mittel dem Erfolg überläßt.
({46})
Seit jener Zeit mögen diejenigen, die sich solcher Methoden bedienen, glauben, daß die Wahrhaftigkeit im Wahlkampf eine unerlaubte Kompetenzüberschreitung der Moral in das Gebiet der Politik sei. Ich glaube, wir alle in diesem Hause, wo auch immer wir stehen, sollten eine solche Haltung nicht hinnehmen und sollten dem entgegentreten. Denjenigen, die sich auf Sie, Herr Bundeskanzler, glauben dabei berufen zu können, sollten Sie aus Ihrem Munde und von dieser Stelle aus einen warnenden Hinweis geben. Es ist an Ihnen, als Regierungschef und Parteiführer zu bekunden, daß Sie nicht wollen, daß der Bundestagswahlkampf 1957 noch unter das Niveau des Bundestagswahlkampfes von 1953 absinkt.
({47})
Ich wiederhole: der Bundeskanzler hat dazu eine besondere moralische Verpflichtung!
({48})
Im übrigen, meine Damen und Herren und Herr Bundeskanzler, werden Sie nicht erwarten, daß wir Ihnen als einem Kanzler, dessen Politik wir für falsch und verhängnisvoll halten, den Haushalt bewilligen.
({49})
Das Wort hat der Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Dr. Kühn hat ja nicht nur - ({0})
- Meine Damen und Herren, er kann doch noch einen bekommen!
({1})
- Also, meine Herren, ich nehme es zurück, wenn Sie das beruhigt.
({2})
Der Herr Kollege Kühn hat nicht nur die Anträge der SPD-Fraktion zum Haushaltsplan begründet, sondern auch eine Reihe mehr oder weniger persönlicher Bemerkungen gegen mich gemacht. Sie gestatten, daß ich zunächst vielleicht wenigstens auf ein paar eingehe.
Zunächst kann ich ihn beruhigen: ich bin noch genauso ein Antimilitarist, wie ich es jemals gewesen bin.
Nun zu dem, was er über die Sicherheitsvorkehrungen gesagt hat, denen ich unterliege. Ver({3})
ehrter Herr Kühn, wenn Sie Bundeskanzler wären, würden Sie genau denselben unterliegen!
({4})
Aber sehen Sie mal: trotz meines vorgerückten Alters hat man immer noch so etwas, sagen wir einmal, vom Jungen in sich. Ich freue mich immer, wenn ich den über mich verhängten Maßnahmen ein Schnippchen schlagen und wenn ich der Polizei entwischen kann. Aber immer geht das nicht. Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß die zuständigen Bundesstellen, die diese Vorschriften machen, wohl auch Gründe dafür haben, und zwar indem sie von gewissen Vorkommnissen ausgehen, die ich in der Öffentlichkeit nicht weiter erwähnen möchte.
Ich möchte dann etwas zu den „Kanzlerworten" sagen. Also, ich war überrascht, als ich das Büchlein sah. Ich wußte nicht, daß es geschrieben wurde.
({5})
Aber ich muß sagen: ich habe mit Genuß darin gelesen.
({6})
Ich will nicht behaupten, daß jedes Wort so ganz ausgezeichnet gewesen ist. Aber es waren viele gute Worte darin.
({7})
Meine Damen und Herren, man muß sich doch selbst kritisieren! Ich war auch aufrichtig erstaunt darüber, was ich schon alles gesagt habe.
({8})
o Meine verehrten Damen und Herren, Herr Kühn hat im Zusammenhang damit von Kassandra gesprochen. Es ist doch ein großer Teil dieses Raumes voll von Kassandras. Dann und wann darf ich mich zu dem Chor der Kassandras also auch einmal gesellen.
Aber ich will Ihnen doch erklären, warum ich eine solche Änderung der politischen Lage damals glaubte wahrnehmen zu können. Ich glaube, viele von uns, gleichgültig welcher Partei sie angehörten, haben seinerzeit, als wir von den Vorgängen in Polen und von den Vorgängen in Ungarn hörten, geglaubt, daß nun wirklich einmal eine Erweichung der ganzen Verhältnisse angefangen habe. Ich glaube, das war keine unberechtigte Hoffnung, und es war auch keine Hoffnung, die denjenigen zur Schande gereicht hat, die diese Hoffnung gehabt haben.
({9})
Aber dann sind Sie genau wie ich Zeugen der Entwicklung gewesen, die nicht das von uns allen erwünschte Ziel, daß diese Aufweichung einmal eintreten würde, gebracht hat. Infolgedessen habe ich - das wird wohl bei jedem Politiker naheliegen - meine Meinung eben ändern müssen, und wenn ich vorher dieser einen Meinung Ausdruck gegeben habe, dann muß ich nachher natürlich auch der anderen Meinung Ausdruck geben.
Meine Herren, was die Karikatur angeht, so muß ich sagen: ich kenne sie nicht, ich weiß nicht, wo sie erschienen ist. Ich würde eine solche Karikatur nicht gern sehen. Aber ich sehe auch manchmal die Karikaturen nicht gern, denen ich zum Opfer falle.
({10})
Zu der Anfrage wegen des Herrn Bundesverteidigungsministers Strauß und des Herrn Balke möchte ich zunächst feststellen, daß Herr Bundesminister Balke den Vorsitz dieser Vereinigung in dem Augenblick niedergelegt hat, in dem er Bundesminister wurde. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß Herr Strauß innerhalb der CSU eine sehr maßgebende parteipolitische Rolle spielt. Und jeder in diesem Hause weiß, daß auch Parteipolitik Geld braucht.
({11})
Aber, meine Damen und Herren, eines möchte ich gern sagen - bitte, lassen Sie mich das in aller Aufrichtigkeit sagen -: Wir wollen doch den Wahlkampf so honorig wie möglich führen.
({12})
- Sie werden sehen, meine verehrten Herren von der Linken, daß man auch bei honoriger Führung des Wahlkampfes Ihnen allerhand sagen kann.
({13}) Aber Sie werden es uns ja auch nicht gerade leicht machen.
({14})
Doch ich denke, ein solcher Wahlkampf erfrischt andererseits auch, und wir wollen ihm getrost entgegensehen.
Aber was ich nicht gut finde, das sind so dunkle Andeutungen wie z. B. eben die Andeutung des Herrn Kühn von „Leuten, die Aufträge bekommen". Da wird doch der unbefangene Leser sofort diese Auftragserteilung mit den 5000 DM in Verbindung bringen.
({15})
Das ist doch ganz selbstverständlich. Ich meine, wenn man einen begründeten Verdacht hat, dann soll man den begründeten Verdacht aussprechen, damit man dazu Stellung nehmen kann.
({16})
Ich finde alle diese dunklen Andeutungen nicht richtig, und ich meine, wir sollten sie uns gegenseitig ersparen,
({17})
denn derartige Andeutungen gereichen letzten Endes der ganzen parlamentarischen Demokratie zum Schaden.
({18})
Nun darf ich zu den beiden Anträgen übergehen. Ich spreche zunächst zu dem Antrag, in dem gefordert wird, daß Mittel für Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen nicht mehr bereitgestellt werden. Ich möchte vorweg feststellen, daß die Verwendung dieser Mittel der parlamentarischen Kontrolle unterliegt wie auch - mit wenigen Ausnahmen - die übrigen Ausgaben im Haushaltsplan, so daß also das Parlament durchaus in der Lage ist, festzustellen, was mit diesen Summen gemacht worden ist, wie sie verwendet worden sind, und daß es daran kritisieren kann.
({19})
({20})
Aber daß es nach all dem, was wir seit dem Jahre 1933 erlebt haben mit dem Nationalsozialismus, durch den Krieg, durch die erste Periode der Besatzungszeit, notwendig ist, bei der Entwicklung, die die ganzen Fragen in der Welt nun leider Gottes genommen haben, auch hierfür etwas zur Verfügung zu stellen, das kann doch im Grunde genommen niemand, der ernsthaft für den Bestand dieses demokratischen Staates ist, bestreiten.
({21})
- Er unterliegt ja der parlamentarischen Kontrolle!
({22})
- Darauf komme ich noch. Ich habe gesagt, ich will zuerst zu diesem einen Antrag und dann zu dem zweiten Antrag sprechen.
Dann hat Herr Kühn gesagt, er sei gezwungen, diesen Fonds Reptilienfonds zu nennen und dabei zu bleiben, bis die von der Fraktion der SPD geforderte parlamentarische Kontrolle eingesetzt sei. Nun möchte ich zunächst feststellen: es ist nicht richtig, daß diese Ausgaben unkontrolliert sind. Sie sind auch nicht nur durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs kontrolliert; denn wie wäre der Präsident des Bundesrechnungshofs dazu in der Lage! Sie werden vielmehr durch die ganze Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs geprüft und kontrolliert, und der Präsident des Bundesrechnungshofs, der die Arbeit seiner Herren nachprüft, übernimmt nachher die Verantwortung. Aber ich glaube, kein Mensch in der Welt wird be) streiten, daß es notwendigerweise gewisse Ausgaben gibt, deren Verwendung man nun eben nicht in der großen Öffentlichkeit klarlegen darf, wenn man nicht das Interesse des Staates schädigen will.
Sie wissen, woher der Name „Reptilienfonds" kommt: das war der Welfenfonds, der dem Reichskanzler Bismarck zur Verfügung stand, aber ohne jede Kontrolle, auch ohne Kontrolle des damaligen Rechnungshofes; darüber konnte er völlig frei und ohne zweckgebunden zu sein und ohne jede Nachprüfung verfügen. Deswegen glaube ich doch, Herrn Kühn bitten zu können - weil er gesagt hat, daß er gezwungen sei, bei dieser Namensgebung zu bleiben, bis eine Kontrolle einsetze; er hat allerdings gesagt, eine parlamentarische Kontrolle, nachdem er jetzt von mir gehört hat, wie genau die Verwendung dieser Gelder kontrolliert wird - ({23})
- Ja, meine Damen und Herren, schließlich kann man über alles lachen.
({24})
- Aber, meine Damen und Herren, glauben Sie denn, daß diese ganze Abteilung des Bundesrechnungshofes aus Leuten besteht, die ihre Pflicht nicht erfüllen? Das können Sie doch nicht glauben.
({25})
Ich will Ihnen in Prozentsätzen sagen, wofür dieser Betrag im Rechnungsjahr 1956 ausgegeben worden ist. Dann werden Sie sehen, daß es wirklich nicht so tragisch ist. Für Besuche und
Reisen ausländischer Publizisten und Korrespondenten in der Bundesrepublik sind 5 % ausgegeben worden; Verbreitung von Drucksachen im Ausland 6 %, Veröffentlichungen in der ausländischen Presse 4 %, Public-relations-Arbeit im Ausland 10 %.
({26}) - Nun, das wissen Sie doch genau!
({27})
- Glauben Sie denn, meine verehrten Herren, daß der Ruf der Deutschen durch die nationalsozialistische Zeit im Ausland so glänzend gewesen wäre, daß man nicht auch etwas tun müsse, um das Ausland über das heutige Deutschland zu unterrichten?
({28})
Förderung von Nachrichtenverbindungen zum Ausland 15 %; Film, Funk- und Fernsehvorhaben im Ausland 7 %. Das sind zusammen 47 % von den 100 %.
Nun komme ich zu der Verwendung im Inland: Drucksachen aller Art 38 %.
({29}) - Die bekommen Sie doch auch.
({30})
Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen 7 %, Informationsreisen inländischer Journalisten und Redakteure 3 %, Film-, Funk- und Fernsehvorhaben im Inland 5 %. Das ist der Reptilienfonds.
({31})
- Da ist wirklich nichts zu holen.
({32})
Wenn wir qua Bundesregierung in allem ein so gutes Gewissen hätten wie darin,
({33})
dann, glaube ich, würde der Wahlkampf sehr einfach verlaufen.
({34})
Mein Herr Vorredner hat verschiedentlich hervorgehoben, daß die Regierung in allen diesen Sachen die Regierungspolitik und die Koalitionspolitik verteidige. Wir sind eine Regierungskoalition. Es ist doch wohl ganz selbstverständlich, daß die Politik der Bundesregierung, dieser Koalitionsregierung, von kleinen Nuancen abgesehen, mit der Politik der Koalition zusammenfällt. Wenn wir unsere Politik verteidigen, verteidigen wir damit natürlich auch die Politik der Koalition. Das würden Sie doch genauso machen.
({35})
Ich wüßte nicht, wie Sie es anders machen sollen.
({36})
({37})
- Meine Herren, primitiv sprechen ist eine große Kunst.
({38})
- Ja nun, meine Herren, ich habe doch mich gemeint!
({39})
- Ich will mich über Primitivität nicht weiter verbreiten. Man kann für primitiv auch das Wort „einfach" gebrauchen,
({40})
- Nein, nicht billig, das ist etwas ganz anderes.
({41})
Jeder von uns kann froh sein, wenn ihm die Gabe gegeben ist, einfach zu sprechen.
({42})
Wenn ich, meine verehrten Damen und Herren, erst einmal darauf hinweisen würde, was andere, der Größe nach mit uns vergleichbare Länder für diese Dinge ausgeben, würden Sie sehen, daß wir weit, weit am Ende stehen.
({43})
Es ist doch in der Welt heutzutage so, daß man alle diese Verbindungen zum Ausland auf jede mögliche Weise pflegen muß. Ich wiederhole nochmals, was ich eben gesagt habe: Fast kein Land in der Welt hat es nach seiner Vergangenheit nötiger als Deutschland, diese Verbindungen mit dem Ausland zu pflegen.
({44})
Daß übrigens auch ein guter Teil dieser Beträge zur Unterrichtung der Landsleute, die von uns getrennt sind, verwendet wird, ist ja wohl auch eine Selbstverständlichkeit.
({45})
Daß man all diese Dinge nun nicht hier in aller Öffentlichkeit klarlegen kann, ich glaube, dafür müssen Sie doch im Grunde Verständnis haben.
({46})
Ich bitte Sie also, den Anträgen der Fraktion der SPD nicht stattzugeben. Es ist jede Kontrolle gewährleistet.
({47})
Die Mittel sind notwendig. - Ich will auf die Zwischenrufe gar nicht antworten; es hat keinen Zweck mehr. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren: Der Präsident des Bundesrechnungshofs, einer unserer höchsten Beamten, der unabsetzbar, der niemandem Rechenschaft schuldig ist, prüft nach Vorbereitung durch die Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofs, und schließlich müssen Sie doch zu einem solchen Mann auch ein gewisses Vertrauen haben.
({48})
Das Wort hat der Abgeordnete Neumann, Berlin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf von mir sagen, daß ich den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers mit Interesse gefolgt bin. Ich wäre über seine Worte, daß dieser Wahlkampf honorig geführt werden sollte, wirklich freudig gestimmt, wenn wir nicht böse Erfahrungen aus früheren Wahlkämpfen hätten.
({0})
- Herr Pelster, vielleicht rufen Sie nachher, wenn ich gesprochen habe; denn ich möchte einiges zu praktischen Erfahrungen sagen. Sie werden auch gleich etwas darüber hören, was das mit dem Etat des Bundeskanzleramtes zu tun hat. Sie wissen ja wohl, daß wir uns heute über den Etat des Bundeskanzleramtes unterhalten.
Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, er hätte gewünscht, daß mein Parteifreund Kühn nicht mit dunklen Andeutungen etwas gesagt hätte, sondern wenn man einen begründeten Verdacht habe, dann solle man ihn aussprechen. - Herr Bundeskanzler, Sie stimmen dem noch einmal durch Kopfnicken zu. Ich pflege Ihren Reden sehr genau zuzuhören. Sie haben in der bewußten Rede, die mein Kollege Heinz Kühn vorhin angeführt hat, im Falle Schroth-Scharley erklärt, wir könnten doch von Ihren Methoden lernen, wir sollten uns darum bemühen. Gerade als Jüngerer habe ich diesen Ihren Rat befolgt und habe mich seit geraumer Zeit mit diesem Fall beschäftigt, um etwas lernen zu können.
Herr Bundeskanzler, Sie haben die Gewohnheit, nur Fragen, die Ihnen genehm sind, zu beantworten. Sie haben jetzt eben wieder Ihre große Fähigkeit bewiesen, gerade der letzten Frage meines Freundes Heinz Kühn auszuweichen, und haben nichts dazu gesagt, ob es richtig sei, daß das Bundeskanzleramt dem Mann, der am 12. August 1953 Ihnen den Bericht zugesandt hat, 2000 DM gezahlt hat. Herr Bundeskanzler, bei meinen Nachforschungen auf Grund Ihres Rates ist nun die Frage aufgetaucht: Enthielt jener Brief, der an den Staatssekretär Dr. Lenz gerichtet war, nur die beiden von Ihnen in der Rede in Frankfurt am Main am 15. August 1953 genannten Namen? Waren diese Personen als Sozialdemokraten bezeichnet oder hieß es nicht in dem Bericht: der DGB-Ortsvorsitzende Hugo Scharley, der SPD-Ortsvorsitzende Heinrich Schroth? Ein DGB-Ortsvorsitzender kann der CDU angehören,
({1})
er kann unorganisiert sein.
({2})
- Es soll sogar vorkommen, meine Herren von der CDU/CSU, daß ein großer Teil Ihrer Freunde gewerkschaftlich überhaupt nicht organisiert ist; das soll noch viel mehr vorkommen. - Das sind die Fragen, die auftauchten. Ich bin bestürzt gewesen, als ich dann erfahren mußte, daß jener Brief an Herrn Staatssekretär Dr. Lenz nicht nur diese beiden Namen enthielt, sondern daß er insgesamt - ich kann mich jetzt nicht auf eine genaue Zahl festlegen - 14 oder 16 Namen enthielt. Ich weiß
({3})
nicht, ob die beiden genannten Namen in der Zahl von 14 schon enthalten sind. Das kann ich aber, wenn ich nach Berlin komme, wieder feststellen. Herr Bundeskanzler, Sie haben von der honorigen Art des zu führenden Wahlkampfes gesprochen. Könnten Sie uns vielleicht nachher Aufklärung geben, wie Sie dazu gekommen sind, aus diesen 14 Namen - ich nehme die geringste Zahl - zwei herauszupicken und dann zu erklären: das sind Sozialdemokraten, die vom Osten gespickt werden, von denen jeder 10 000 DM-West erhalten hat?
Das ist die interessante Frage, die auftauchte, und da man sich ja, Herr Bundeskanzler, nicht in dunklen Andeutungen ergehen soll, habe ich mich dann weiter mit dem Problem beschäftigt und bin auf einige interessante Dinge gekommen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, damit sie in diesem Wahlkampf nicht wieder eine Rolle spielen können.
Wir haben gesehen, meine Damen und Herren, daß insbesondere Herr Staatssekretär Dr. Lenz damals diese Fragen bearbeitet hat und daß er sie auch noch zu einer Zeit behandelt hat, als in aller Öffentlichkeit bekannt war, daß die beschuldigten Sozialdemokraten durch Gerichtsverfügung erreicht hatten, daß Sie, Herr Bundeskanzler, diese Behauptungen nicht weiter verbreiten durften. Zu dieser Zeit hat der Herr Staatssekretär einen Brief an den Mann gerichtet, der ursprünglich diese Nachrichten nach Bonn geschickt hat. Als vorsichtiger Mensch habe ich diesen Brief mitgebracht. Er lautet:
Der Staatssekretär des Bundeskanzleramtes Bonn, 17. August 1953
- Meine Damen und Herren, da es sich um Gelder dieses Jahres handelt, muß ich weit ausholen, um wirklich den Herrn Bundeskanzler von den Tatsachen zu unterrichten. Sehr geehrter Herr Stephan!
Sowohl Ihr Schreiben vom 1. wie vom 10. August 1953 sind hier eingegangen. Infolge der außerordentlichen Belastung durch den ganzen Wahlkampf bin ich nur noch nicht dazu gekommen, Ihnen für das wertvolle Material zu danken.
({4})
Ich habe Ihr Material beschleunigt an alle interessierten Stellen weitergegeben.
- Das war drei Tage später, nachdem Sie, Herr Bundeskanzler, in Frankfurt diese Nachricht verbreitet haben. - Und dann sagt der Herr Staatssekretär:
Ich verlasse mich dabei darauf, daß das Material auch wirklich zuverlässig ist. Andernfalls könnte es recht unangenehme Folgen haben.
({5})
Ich bin Ihnen jedenfalls für Ihre freundliche Unterstützung sehr verbunden.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Dr. Lenz
Meine Damen und Herren, das war zu einem Zeitpunkt, als schon sehr erhebliche Bedenken laut waren, als Sie schon wußten, Herr Bundeskanzler, daß die Richtigkeit der in dem Schreiben gemachten Angaben bestritten wurde.
Noch später wurde dann der Pressechef des Bundeshauses in Berlin, Herr Wrasmann, beauftragt, sich mit dem Mann, von dem diese Nachrichten stammten, in Verbindung zu setzen. Herr Bundeskanzler, ich habe den Zettel hier, den Herr Wrasmann dann durch den Briefschlitz gesteckt hat, da der Herr Stephan nicht zu Hause war. Er lautet:
Herr Stephan, ich muß Sie dringend sprechen im Auftrage von Bonn. Würden Sie mich bitte sofort anrufen, sobald Sie zurück sind? Ich komme dann sofort.
Wrasmann Bundeshaus Berlin, Telefon 240016
Meine Damen und Herren, ich habe den Bericht, aus dem ersichtlich ist, wie die Unterredung weiter durchgeführt worden Ist. In diesem Bericht heißt es - ich zitiere den Mann, mit dem Herr Wrasmann in Verbindung getreten ist -:
An dem Tage, an dem ich
({6})
die Pressemeldungen über die Frankfurter Wahlversammlung Adenauers gelesen hatte, am 18. August 1953, fand ich bei meiner Rückkehr nachmittags in meiner Wohnung den handgeschriebenen Zettel vor.
- den ich Ihnen eben vorlas -.
Ich rief also an und stellte zunächst einmal fest, daß die mir hinterlassene Rufnummer die Nummer des Berliner Bundeshauses war. Herr Wrasmann war zirka 20 Minuten später mit einer großen schwarzen Mercedes-Limousine bei mir.
- Herr Bundeskanzler. zu einem Zeitpunkt, als schon alle wußten, daß diese Nachrichten falsch waren! - Es geht aber weiter:
Ich kann Ihnen sagen, wie das Gespräch zwischen Herrn Wrasmann und Herrn Stephan verlief. Herr Wrasmann sagte damals, ihn schicke sein Freund Otto. Auf meine Frage, wer denn Otto sei, sagte er mir: Dr. Otto Lenz, der Staatssekretär des Bundeskanzlers. Herr Wrasmann bat mich meinen V-Mann zu bitten, wenn möglich noch dokumentarische Beweise für die Schroth-Scharley-Sache zu liefern; denn inzwischen sei der Alte von der SPD verklagt worden, und es ginge doch nicht an, daß er verurteilt würde. Ich sagte damals Herrn Wrasmann daß es doch sehr leicht gewesen wäre, diese Beschuldigungen ohne vorherige Nachprüfung in ,aller Öffentlichkeit zu erheben, zumal ich damals in meinem Berichte ausdrücklich geschrieben habe, daß dokumentarische Beweisunterlagen !aus Sicherheitsgründen für den V-Mann nicht beigebracht werden könnten. Wrasmann sah das .auch ein und sagte, daß man das wohl wisse, aber
- das stammt nicht vom mir sondern das stammt aus der Unterhaltung, Herr Bundeskanzler der Alte habe eben Mist gemacht, ihm sei meine Meldung in die falsche Kehle gekommen. und Dr. Lenz bäte mich durch ihn, uns zu helfen.
({7})
Am Sonnabend, dem 22. August 1953, war Wrasmann erneut in der Wohnung des Herrn Stephan. Er teilte mit, daß Otto beschlossen habe, mich als Mitarbeiter zu behalten.
({8})
Herr Bundeskanzler. das war mehr als eine Woche, nachdem Sie diese Meldung auf Grund der Unterlagen in die Welt gesetzt hatten und nachdem nicht nur die Herren Schroth und Scharley, sondern auch die Sozialdemokratische Partei offiziell bei Ihnen vorstellig geworden waren, um gegen diese falschen Behauptungen zu protestieren.
Also es heißt hier:
Er teilte mit, daß Otto beschlossen habe, mich als Mitarbeiter zu behalten,
({9})
daß ich also alle Nachrichten und Meldungen meines V-Mannes über Wrasmann in Zukunft an Dr. Lenz geben solle, natürlich gegen entsprechende Bezahlung.
Verehrter Herr Zwischenrufer - ich kenne Ihren Namen nicht -, jetzt haben Sie vielleicht verstanden, warum ich diese Dinge in der Debatte über den Etat Ides Bundeskanzleramtes vortrage. Ich möchte nämlich im Anschluß an die Frage meines Kollegen Kühn weitere Fragen über die Verwendung der Mittel aus dem Bundeskanzleretat stellen.
Es heißt dann weiter:
Herr Wrasmann sagte noch, daß er mir das erste Geld am Montag bringen werde.
Eine Stunde etwa nach dem Weggang Wrasmanns erschien er erneut mit Dienstwagen in meiner Wohnung und händigte mir ohne Quittung für Unkosten und Spesen den Betrag von 300 DM-West aus.
({10})
Gleichzeitig schlug er vor, meine Treffs mit ihm in Zukunft in Lokalen, die in der Nähe des Berliner Bundeshauses gelegen sein müßten, wahrzunehmen; denn seine Besuche in meiner Wohnung fielen sonst auf. Mit den anderen Gewährsmännern hielt er es auch so. Gleichzeitig riet er aber, mich zunächst des Decknamens „Schönberg" zu bedienen. Das wäre ,deswegen besser, weil ich ihn ja jeweils im Bundeshaus anrufen müsse und bei der Sekretärin meinen Namen nennen müsse. Ein Deckname
- Herr Bundeskanzler, hören Sie zu! sei auch deswegen besser, weil man nicht wissen könne, ob Bundeshaus Spitzel seien. Man habe dort zwar nur den Sozialdemokraten Germer, aber Vorsicht sei eben doch besser.
({11})
Stellen Sie sich diese Unterstellung vor, die ein Bundesbediensteter gegen die Sozialdemokratie ausspricht:
Man wisse nicht, ob Tim Bundeshaus Spitzel seien. Man habe dort zwar n u r den Sozialdemokraten Germer, aber Vorsicht sei eben doch besser.
Herr Bundeskanzler, ich habe diese Sache sozusagen als Einleitung vorgetragen; denn wir kommen jetzt zu sehr ,aktuellen Dingen:
Bei meinen nächsten Treffs mit Wrasmann, die Talle in Lokalen der Rankestraße stattfanden, gab ich ihm ausschließlich Situationsberichte über die sowjetische Besatzungszone. Kurze Zeit nach unserem Kennenlernen
- Sie hatten, Herr Bundeskanzler, inzwischen durch Ihren Rechtsanwalt vor Gericht erklären lassen, daß Sie einer Falschmeldung aufgesessen seien gab es dann neue Aufgaben im Auftrage Ottos, die darin bestehen sollten, unter lallen Umständen belastendes politisches und persönliches Material über Funktionäre der SPD zu beschaffen.
({12})
Ich sollte dafür meinen V-Mann, der damals als eine Art Verbindungsmann zum ZK der SED fungierte, einspannen.
- Herr Bundeskanzler, ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich jetzt nicht von Herrn Globke etwas sagen lassen würden; ich möchte Ihnen gern folgendes vortragen. ({13}) Wrasmann
- das ist der Bundesbedienstete, das ist der Pressechef im Bundeshaus Berlin -nannte mir in erster Linie 'die Namen folgender SPD-Funktionäre: Herbert Wehner, - ({14})
- und dann folgen ein halbes Dutzend weiterer Namen, die ich hier nicht nennen möchte.
({15})
- Weil ich nicht will, idaß sie von der CDU-Presse und der sogenannten neutralen Presse so durch die Gossegezogen werden wie mein Freund Herbert Wehner. ({16})
Mein V-Mann
- heißt es weiter in dem Bericht ({17})
sollte die Originalunterlagen des ZKs der SED besonders über Herbert Wehner beschaffen. Sollte er deswegen gefährdet sein, so solle er fliehen. Man werde ihn dann in die Bundesrepublik fliegen,
({18})
ihn dort ohne Formalitäten als politischen Flüchtling anerkennen und ihm eine sehr gute Position besorgen.
({19})
Gleichzeitig wolle man ihm eine größere Geldsumme geben.
({20})
Wrasmann
- Herr Bundeskanzler nannte damals die Summe von DM-West 20 000.
({21})
Meine Damen und Herren, ich könnte vieles weitere vortragen. Sie können verstehen, daß wir, die wir von diesen Dingen wissen, die ganze Aktion, die insbesondere gegen meinen Freund Herbert
({22})
Wehner gerichtet war, mit Interesse und Empörung verfolgten.
Ich möchte Ihnen zum Finanziellen noch folgendes vortragen. Dieses Thema „Material über Spitzenfunktionäre der SPD" war dann in der Folgezeit das Thema Nr. 1. Am Rande liefen nur die Informationen über den kommunistischen Osten und die Schroth-Scharley-Sache.
Wrasmann sagte wiederholt, daß Otto das Material ,dringend brauche, zumal besonders Wehner schon längst fällig sei.
({23})
Ich solle es besorgen, koste es, was es wolle.
({24}) Man werde da nicht kleinlich sein.
({25})
In Zusammenhang mit Herbert Wehner erzählte mir dann Wrasmann:
- Meine Damen und Herren, es ist immer 1953: dieselbe Version, die ich jetzt einem Zeitungsartikel - das ist 1957 - des Berliner „Tagesspiegel" entnahm; dieselbe Version also schon im September 1953! Weil mir das so bemerkenswert schien, rief ich am gleichen Tage Herrn XY an und stellte mich dafür als Zeuge zur Verfügung.
({26})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie dem Herrn Kollegen Dr. Kliesing eine Frage?
Aber selbstverständlich!
Darf ich Sie fragen, weshalb Sie nicht die Courage hatten, dieses „Material" zu Lebzeiten von Otto Lenz vorzubringen?
({0})
Herr Kliesing, damit Sie ganz beruhigt sind: An dem Morgen des Tages, an dem der Zusammenstoß Wehner-Schröder war, hatten Sie schon in der „Frankfurter Rundschau" einiges lesen können. Ich habe dort insbesondere auf Grund der Frage des parlamentarischen Berichterstatters der „Frankfurter Rundschau" erklärt, wie ich zu einem Zwischenruf an diesem Morgen hier im Plenum gekommen bin. Sie können außerdem beruhigt sein: Wenn Sie die Stellen fragen, die auch Parlamentarier beobachten, dann werden sie Ihnen sagen, daß auch der leider so früh verstorbene Kollege Dr. Otto Lenz von meinen Bemühungen, endlich Licht in dieses Dunkel zu bringen, Kenntnis hatte.
Ich möchte noch ein anderes Kapitel anschneiden, Herr Bundeskanzler, nämlich die Zusammenarbeit mit Organisationen, die ursprünglich einmal die Aufgabe hatten, gegen die kommunistische Unmenschlichkeit anzukämpfen. Diese Organisationen haben ja bis in die jüngste Zeit hinein Gelder aus dem Fonds, der zur Zeit zur Debatte steht, erhalten. Ich darf in diesem Zusammenhang aus einem Protokoll nur etwas vortragen, was sich an die Aktion gegen leitende Sozialdemokraten anschließt.
Vom Februar 1954 bis Juli 1954 arbeitete ich als freier Mitarbeiter der sogenannten KgU, und zwar persönlich für deren Leiter Ernst Tillich. Tillich über gab mir eines Tages im Februar 1954 eine Liste, enthaltend die Namen von angeblichen Kommunisten, Edelkommunisten, Ostagenten usw. usw. Diese Liste enthielt von der SPD folgende Namen: Herbert Wehner, . . .
({0})
und dann folgen eine Reihe von Namen; einige sind auch Mitglieder dieses Hauses. Aus den von mir genannten Gründen verzichte ich auch jetzt hier im Plenum, diese Namen der Öffentlichkeit zu übergeben.
Zu jeder Person übergab mir Tillich außerdem Einzelmaterial der KgU. Meine Aufgabe sollte es nun sein, für die einzelnen Personen belastendes Material in politischer und persönlicher Hinsicht zusammenzutragen und Tillich persönlich zu übergeben. Tillich selbst sagte mir, daß er das Material dringend für das Bundeskanzleramt benötige.
({1})
Meine Damen und Herren, das sind einige der Tatsachen, die ich hier vortragen wollte. Herr Bundeskanzler, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nunmehr - wahrscheinlich haben Sie es nur vergessen - auch zum Fall Schroth-Scharley Stellung nähmen.
Aber ich möchte doch über die Methoden zur Bekämpfung der Sozialdemokratie noch eines hinzufügen - vorerst eines hinzufügen -; ich bin gern bereit, die Diskussion weiterzuführen. Herr Bundeskanzler, ich frage mich, und ich frage Sie: Warum ist der Prozeß Stephan, der nun seit Jahren anhängig ist, bisher noch nicht über die Bühne gelaufen, damit die Öffentlichkeit durch das höchste deutsche Gericht erfahren konnte, was an den Angaben über Schroth-Scharley und andere nun eigentlich dran ist? Sollte es nicht möglich sein - das liegt im Interesse des Angeklagten und der deutschen Öffentlichkeit -, daß dieser Prozeß zum mindesten noch vor dem Wahlkampf im September durchgeführt wird, damit diese Fragen ausgeräumt werden?
Ich möchte noch einen Fall vortragen, Herr Bundeskanzler, damit Sie über die Verfilzung von Bundesbediensteten und anderen etwas erfahren, über Verfilzung zur Bekämpfung von Sozialdemokraten, die in leitenden Stellungen des Bundes in Berlin waren.
({2})
- Das hört die Ostzone gern, Herr Schneider, sagen Sie. Vielleicht hören Sie einmal zu: Es gab bis vor Jahresfrist einen einzigen Sozialdemokraten in leitender Stellung. Ich hätte gern Ihren Zwischenruf gehört, als ich zitierte: „daß man sich vor Spitzeln schützen müsse, aber es sei ja nur ein einziger Sozialdemokrat im Haus des Bundes in Berlin". Da hätte ich gern Ihren Protest gehört.
({3})
Herr Bundeskanzler, ich würde sehr gern die Bestätigung von. Ihnen haben, ob es richtig ist, daß in den Akten Stephan folgende handgeschriebene Notiz von einem Manne ist, der mit dem Bundes({4})
kanzleramt engste Zusammenarbeit gepflegt hat. Diese handgeschriebene Notiz lautet:
Lieber Mulert! Während Sie weiter politisches und persönliches Material über Germer zusammentragen wollen,
- das ist der einzige leitende Sozialdemokrat im Bundeshaus Berlin gewesen, Herr Schneider habe ich ein anderes Eisen im Feuer. In einer Besprechung mit Herrn Magen
- das ist der Leiter dieses Hauses gewesen, der
Vertreter des Gesamtdeutschen Ministeriums hat dieser mir zugesagt, Germer über Herrn von Zaluskowski
- das ist der persönliche Referent von Herrn Bundesminister Kaiser beobachten zu lassen
({5})
und ihm Fallen zu stellen. Ich werde Sie darüber auf dem laufenden halten. Es ist möglich, daß G. in seinem Dienst über eigene Genossen stolpert. E. T.
E. T. ist die Abkürzung des Namens des Leiters der KgU. Herr Bundeskanzler, Sie sehen, wie ein Mann einer privaten Organisation in Zusammenarbeit mit Bundesdienststellen gegen Herrn Germer, in diesem Fall den einzigen Vertreter der Sozialdemokratie, vorgegangen ist, um ihn aus dem Bundeshause Berlin zu entfernen. Er hat es geschafft, selbstverständlich, und ich frage Sie, Herr Bundeskanzler - Sie selbst kennen die Verdienste des Herrn Germer um die Erhaltung der demokratischen Verhältnisse in Berlin 1945/46 -: Was wird, nachdem wir von diesen Dingen Kenntnis erhalten haben, nun geschehen, um Herrn Germer von den Verunglimpfungen zu rehabilitieren, die unter der Führung eines Mannes erfolgten, der den Bund in Berlin vertritt? Herr Bundeskanzler, ich habe in einer anderen Debatte einmal gesagt
- der Herr Bundesminister Kaiser saß hier vorn -: Es ist schade, daß wir im Bundeshaus in Berlin an der Spitze keinen Kopf, sondern nur einen Magen haben; einen Mann, der in dieser von mir geschilderten Form den Dienst für die Bundesrepublik zu tun glaubte. Im übrigen können sich die Bonner glücklich schätzen; nach seiner Pensionierung ist Herr Magen 1956 Bürgermeister von Bonn geworden.
({6})
Meine Damen und Herren, das sind einige Fragen, die ich hier im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers vortragen wollte. Sie sind länger geworden, als ich es an sich wollte. Herr Bundeskanzler, sie sind aber nur ein Ausschnitt des Materials, das ich auf Ihre Empfehlung, wir sollten von Ihren Methoden lernen, gesammelt habe.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie dem Kollegen Brookmann eine Frage?
Bitte schön.
Verehrter Herr Kollege Neumann, stimmt es, daß das Material, das Sie zu Fall Scharley und Genossen heute morgen hier vorgetragen haben, im wesentlichen die Aussagen des Angeklagten Stephan sind, des Herrn Stephan, der, wie Sie wissen, wegen Nachrichtenfälschung angeklagt ist und dessen Verfahren noch schwebt?
({0})
Herr Brookmann, wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie diese Frage nicht gestellt. Wenn Sie es nachlesen, werden Sie es wissen. Ich habe Ihnen gezeigt, daß ich eine Serie von Photokopien habe; ich habe sie längst nicht alle vorgetragen. Ich bin bereit, weiter darüber zu diskutieren. Ich habe ausdrücklich gefragt, ob der Bundeskanzler mit seinen Möglichkeiten jetzt nicht Feststellungen treffen kann, die Ihre Fragen völlig erübrigen.
({0})
Ich habe weiterhin den Wunsch zum Ausdruck gebracht, ob es nicht richtig wäre, daß dieser Prozeß noch vor den Wahlen durchgeführt wird, damit die Richtigkeit dieser Dinge festgestellt werden kann.
Herr Brookmann, ich möchte mit einer weiteren Frage
({1})
- Sie haben die Möglichkeit, hierherzukommen - meine Ausführungen abschließen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zusatzfrage?
Ich möchte jetzt erst eine Frage unter anderem an den stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen stellen. Herr Bundeskanzler, in Berlin läuft ein Gerücht um.
({0})
-Ich möchte hoffen, daß es nicht wahr ist, ich möchte aber von diesem Gerücht hier sprechen. Es wird behauptet, daß in der CDU-Fraktion in Bonn neben einigen anderen insbesondere der Vorsitzende der CDU Wert darauf gelegt hat, daß die Maßnahmen durchgeführt werden, die bis zur Neuwahl eine Arbeit des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen unmöglich machen.
({1})
- Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler hat diese Frage verstanden.
({2})
Ich möchte als Berliner Ihnen folgendes sagen. Ich habe heute einige Hintergründe einer Aktion aufgezeigt, die gegen leitende Sozialdemokraten durchgeführt wurde. Herr Bundeskanzler, Sie haben Ihre Ausführungen mit der Feststellung bezüglich der Arbeit für den deutschen Osten geschlossen. Wenn in diesem Hause zwischen Herrn Wehner und Herrn Schröder auf beiden Seiten harte Worte gefallen sind, - sollte es nicht möglich sein, im Interesse der 17 Millionen in der sowjetisch besetzten Zone, im Interesse der Ostberliner doch zu einer weiteren Arbeit dieses Ausschusses zu
({3})
kommen, damit wir in unseren Bemühungen um die deutsche Einheit nicht eine Unterbrechung eintreten lassen müssen?
({4})
Herr Bundeskanzler, sollte es nicht möglich sein, durch Überprüfungen festzustellen, daß dieses Material, das ja zu einem großen Teil bei Behörden liegt, Zustände aufgezeigt hat, die nicht im Interesse der demokratischen Entwicklung liegen?
({5})
Der Bundeskanzler ist der Mann, der die erste Verantwortung für die Sicherung der demokratischen Entwicklung hat. Der Bundeskanzler hat erklärt, daß er in diesem Wahlkampf die Propaganda der CDU honorig führen will. Herr Bundeskanzler, es tat mir leid, daß ich diese Ausführungen machen mußte.
({6})
- Sie sollten nicht lachen über diese Dinge, sondern Sie sollten weinen über dieses Elend der deutschen Politik,
({7})
das in diesen Ausführungen wirklich aufgezeigt wurde. - Durch Ihr Lachen, meine Herren von der CDU/CSU, widerlegen Sie das Versprechen, das der Vorsitzende der CDU vorhin gegeben hat. Wir sollen das Volk befragen, wir sollen um die Seele dieses Volkes kämpfen, aber nicht mit solchen Mitteln, die die Demokratie vergiften!
({8})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brookmann?
Bitte!
Herr Kollege Neumann, da Sie leider meine Frage nicht beantwortet haben, gestatten Sie bitte eine Zusatzfrage! Halten Sie es nicht selber für mehr als bedenklich, sich bei Ihren Anklagen gegen den Herrn Bundeskanzler ausschließlich auf Aussagen zu beziehen, die ein Angeklagter in einem noch schwebenden Prozeß gemacht hat,
({0})
ein Angeklagter, der wegen Nachrichtenfälschung angeklagt ist.
Herr Brookmann, darf ich gleich sagen, daß Sie irren! In einem Teil meiner Ausführungen habe ich den Namen des Mannes genannt, der der Kronzeuge des Bundeskanzlers und langjährige Informant des Bundeskanzleramtes war; ich habe Ihnen eine Reihe anderer Namen genannt, und ich habe Dokumente verlesen, die mit diesem Mann überhaupt nichts zu tun haben.
({0})
Das Wort hat der Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Zu den Vorgängen des Jahres 1953 kann ich Ihnen, da ich selbstverständlich nicht auf die Einzelheiten vorbereitet bin, nur folgendes sagen. Staatssekretär Lenz war, als er mit diesen Nachrichten zu mir kam, fest überzeugt von der Richtigkeit dieser Nachrichten. Ich für meine Person stehe allen Nachrichten auf diesen ganzen Gebieten von vornherein außerordentlich skeptisch und zurückhaltend gegenüber.
({0})
- Meine Herren, Sie sollten es eigentlich nicht mit Lachen quittieren, wenn ich das sage!
({1})
Deswegen bin ich auch in meinen damaligen Besprechungen mit Staatssekretär Lenz sehr zurückhaltend und sehr vorsichtig gewesen. Ich wiederhole aber nochmals, daß Herr Lenz der festen Überzeugung gewesen ist, daß die Dinge so lägen, wie er sie mir vorgetragen hat. Ich habe später - das hat auch Herr Neumann soeben erwähnt - als ich die Überzeugung bekam, daß die Angaben falsch waren, keine Bedenken getragen, sie in aller Öffentlichkeit klarzustellen und zurückzunehmen.
({2})
Ich möchte aber noch etwas hinzufügen. Der Herr Staatssekretär Lenz ist es doch gewesen, der Herrn Wrasmann beauftragt hat, festzustellen, ob dies wahr sei oder nicht.
({3})
Von dem Verfahren gegen Stephan weiß ich überhaupt nichts. Ich wußte noch nicht einmal, daß, wie ich soeben hörte, dieses Verfahren schwebt. Ich habe wahrhaftig bessere Dinge zu tun, als mich hierum zu kümmern.
({4})
Infolgedessen kann ich Ihnen auch nicht sagen, warum dieses Verfahren beim Bundesgerichtshof nicht vorangeht. Ich weiß es nicht. Aber nachdem Herr Neumann das heute gesagt hat, werde ich versuchen, festzustellen, was da vorliegt und warum das Verfahren nicht vorangeht.
Ich möchte auf die Äußerungen des Herrn Brookmann sagen, daß ein großer Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Neumann nach dem, was mir eben im Hause mitgeteilt wurde, eine Wiedergabe der Erklärungen ist, die Herr Stephan als Angeklagter in diesem Prozeß abgegeben hat, und daß daraufhin zwei Ministerialdirigenten aus dem Gesamtdeutschen Ministerium dienstlich erklärt haben, diese ganzen Angaben seien unwahr.
({5})
- Bei Ihnen geht es auch aus!
({6})
Dann zu den letzten Fragen des Herrn Neumann. Ich habe weder als Bundeskanzler noch als Vor({7})
sitzender der Christlich-Demokratischen Union an den Besprechungen der Bundestagsfraktion der CDU/CSU über die Weiterarbeit des Gesamtdeutschen Ausschusses irgendwie teilgenommen.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat hier vorhin einen Ruhm der einfachen Ausdrucksweise vorgetragen. Ich möchte deshalb einige entscheidende Tatsachen aus dem, was mein Freund Franz Neumann ausgeführt hat, noch einmal in aller Einfachheit dem Herrn Bundeskanzler vorhalten und dem Hohen Hause sagen.
Der Oberbundesanwalt ist die höchste Anklagebehörde in der Bundesrepublik Deutschland. Aus der Anklageschrift des Herrn Oberbundesanwalts, die in Fotokopie vorliegt, gehen folgende Tatsachen als amtliche Ermittlungen der höchsten Anklagebehörde der Bundesrepublik Deutschland hervor.
Erstens. Als Sie, Herr Bundeskanzler, am 15. August 1953 in Ihrer Eigenschaft als Parteivorsitzender der Christlich-Demokratischen Union in Frankfurt am Main in der Messehalle in aller Öffentlichkeit die Bundestagskandidaten der SPD Schroth und Scharley beschuldigten, je 10 000 Mark Wahlgelder aus der Ostzone bekommen zu haben, lag Ihnen und Ihrem Amt ein einziger Brief vom 10. August, also von fünf Tagen vorher, vor, ein Brief, von dem weder Sie noch Ihr Amt wußten, ob der Mann, der ihn geschrieben hatte, existierte und den Namen führte, mit dem dieser Brief unterzeichnet war.
({0})
Das ist die erste Tatsache, die zu dem Punkt „honoriger Wahlkampf" zu nennen ist.
Die zweite Tatsache ist die, daß für diese Nachricht gegen parteipolitische demokratische Gegner aus Steuermitteln 2000 Mark aus den Fonds des Bundeskanzleramts gezahlt worden sind.
({1})
Denn der Oberbundesanwalt hat jetzt den Nachrichtenhändler wegen Betruges angeklagt wegen dieser 2000 DM aus Steuergeldern, und die Frage, die Sie nicht beantwortet haben, ist die, wie Sie als erster Chef des Bundeskanzleramts dazu kommen, 2000 DM Steuergeld und Staatsgeld auzugeben, um im Wahlkampf Nachrichten gegen andere Demokraten zu kaufen. Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.
({2})
Das dritte, was aus der Anklageschrift des Herrn Oberbundesanwalts hervorgeht, ist, daß noch nach dem 15. August aus Staats- und Steuergeldern 500 bis 700 Mark mit dem Nachrichtenhändler ver-frühstückt worden sind, um ihn dazu zu bewegen, nun die Dokumente zu liefern, die nie existiert haben.
Das ist in der einfachen Sprache der Sachverhalt auf Grund der amtlichen Ermittlungen des Herrn Oberbundesanwalt.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soviel ich weiß, schwebt gegen Stephan ein geheimes Verfahren.
({0})
Ein Teil dieses geheimen Verfahrens ist die Anklageschrift des Herrn Oberbundesanwalts.
({1}) - Ich kenne sie nicht.
({2})
Es würde mich interessieren, woher Kollege Arndt sie kennt.
({3})
Zweitens: Wie mir eben von meinen Herren berichtet worden ist, ist nicht festzustellen gewesen, daß 2000 DM oder ein anderer Betrag dorthin aus Mitteln des Bundeskanzleramtes gezahlt worden sind.
({4})
- Das wird doch kontrolliert!
({5})
Gegen den Zwischenruf, den Herr Mellies gemacht hat, möchte ich doch protestieren. Die ganzen Mittel des Bundeskanzleramtes, aus denen das gezahlt worden sein soll, wie eben gesagt worden ist, aus dem Dispositionsfonds, werden bis zum letzten Pfennig kontrolliert.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Neumann hat am Schluß seiner Ausführungen von der Nachricht gesprochen, daß in der Fraktion der CDU/CSU überlegt werde, den Gesamtdeutschen Ausschuß nicht mehr arbeiten zu lassen. Das ist mir völlig neu; davon ist in unseren Reihen überhaupt nie die Rede gewesen.
({0})
Ich hätte eher vermuten können, daß in Ihren Reihen ein solcher Plan besteht.
({1})
Ich kann nur sagen, die Erklärung, die ich abgegeben habe - nicht zur Person des Kollegen Wehner, sondern zu seinen Äußerungen hier im Hause -, halten wir aufrecht,
({2})
und daß der Fall Wehner eine Frage an die SPD und an das deutsche Volk ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Herr Bundeskanzler, zu Ihrem Protest gegen meinen Zwischenruf möchte ich nur ausdrücklich feststellen, daß Sie gesagt haben, es sei nicht festzustellen gewesen, ob dieses Geld gezahlt worden sei. Wer mit den Praktiken dieser Dinge vertraut ist, der weiß doch ganz genau, daß Sie damit nicht sagen wollten, das Geld ist nicht gezahlt worden.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Wenn ich eben gesagt hätte: es ist festgestellt worden, daß es nicht daraus gezahlt worden ist, dann würde mir gesagt worden sein: Also ist es gezahlt worden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Diese Bemerkung, Herr Bundeskanzler, legt Zeugnis dafür ab, daß Sie mit denselben Methoden, die Sie 1953 angewendet haben, weiter fortfahren wollen.
({0})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Kühn.
Meine Damen und Herren! Ich will zu dem letzten Komplex nichts mehr sagen, obschon noch eine Antwort übrig bleibt. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, nachdem ihm zur Kenntnis gelangt sei, daß das Material gegen SchrothScharley falsch sei, habe er keinen Anstand genommen, es zurückzunehmen. Ich muß feststellen: die Zurücknahme erfolgte sechs Monate nach der Wahl, nachdem die Aufrechterhaltung dieser Beschuldigungen ihren Dienst getan hatte. Dann hat der Herr Bundeskanzler es nicht einmal für notwendig befunden, als er in diesem Hause von Herrn Mellies daraufhin angesprochen worden ist, hier ein Wort des Bedauerns zu wiederholen. Hier lautete seine Formulierung wörtlich: „Wenn mein Auftreten im Wahlkampf Sie einige Millionen Stimmen gekostet hat, dann freut mich das." Das kann jedes Mitglied des Hauses im Protokoll nachlesen.
({0})
- Der Herr Bundeskanzler ist in dieser Sache angesprochen worden. Dieses Wort des Herrn Bundeskanzlers war nicht eine allgemeine Feststellung, sondern eine Feststellung im Zusammenhang mit seiner Antwort auf diese konkrete Frage.
({1})
Ihre Antwort, Herr Bundeskanzler - nur deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet -, auf die von mir im Namen meiner Fraktion gestellten Fragen war - gelinde gesprochen - unbefriedigend.
Ich besuche sehr gern mit meinem Jungen in Köln das „Hännesgen-Theater". Ich habe fast das Gefühl: ich kann mir e in en Besuch jetzt sparen, wenn ich mir Teile dieser Antwort ansehe.
({2})
Sie haben gesagt, es sei eine besondere Kunst, primitiv zu sprechen. Sie haben eine Kostprobe dafür gegeben, die eine einmalige Leistung war, auf sachliche Fragen primitiv zu argumentieren. Sie haben gesagt, Sie seien aufrichtig erstaunt gewesen, als Sie in diesem Büchlein „Kanzlerworte" nachgelesen hätten, was Sie alles gesagt hätten. Nun, wie erstaunt werden Sie erst sein, wenn einmal ein anderes Büchlein mit anderen Kanzlerzitaten - nicht zu Ihren Gunsten - zusammengestellt wird.
Eine Bemerkung war falsch, Herr Bundeskanzler. Sie haben gesagt, in Ihrer Berliner Rede, Sie hätten geglaubt zu Optimismus Veranlassung zu haben. Selbstverständlich hat ein Politiker das Recht, eine korrigierte Erkenntnis zum Ausdruck zu bringen. Aber diesen Ihren Optimismus haben Sie doch n a c h, nicht, wie Sie meinten, vor Ungarn zum Ausdruck gebracht. Es war im Februar 1957, nach den Ereignissen in Ungarn.
Zu einer Karikatur, die ich eben sehr eingehend erläutert habe, haben Sie - das hat mich etwas frappiert, Herr Bundeskanzler - nichts anderes zu sagen als das, daß Sie Karikaturen dieser Art „nicht gern sehen". Ich muß sagen, das ist zu einer ausgesprochenen politischen Perfidie etwas schwach. Ich hätte gern das Wort des Regierungs- und Parteichefs gehört, daß er eine solche Sache, die so aussieht, wie ich sie eben geschildert habe - ich stelle sie Ihnen gern im Original zur Verfügung -, auf das schärfste mißbilligt, von welcher Richtung auch immer sie kommt. Ich glaube, daß er als Parteiführer alle Veranlassung hat - ich wiederhole: gerade nach den eben so ausführlich diskutierten Ereignissen -, hier einmal den Versuch zu machen, als leuchtendes Vorbild voranzugehen. Das kann man nicht so abtun, daß man sagt: Auch mir gefallen manche Karikaturen nicht, deren Opfer ich bin. Natürlich muß man in der Politik hart im Nehmen sein. Auch uns gefallen manche Karikaturen nicht, denen Erich Ollenhauer zum Opfer fällt, wenn man so will. Aber im politischen Streit muß man hart im Nehmen sein. Aber diese Karikatur können Sie nicht unter den Appell der Notwendigkeit der Härte im Nehmen bringen. Härte im Nehmen bedeutet nicht Perfidie im Geben. Das ist es doch.
({3})
- Bringen Sie uns konkrete Dinge, und wir werden auf Ihre konkreten Fragen auch konkret antworten. Ich habe Ihnen soeben - Sie können es im Protokoll nachlesen - gesagt, es kommt darauf an, daß wir das mißbilligen, aus welcher Richtung das auch immer kommt. Aber hier liegt ein konkretes Ereignis vor, und es wäre Sache und Amt des Herrn Bundeskanzlers in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender, darauf konkret zu antworten.
({4}) Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Kollege Kühn, wenn Sie von Perfidie reden, habe ich eine Frage an Sie zu stellen. Ist Ihnen bekannt, daß der
({0})
Ihrer Fraktion zugehörige Abgeordnete Schmidt ({1}) - in diesem Hohen Hause hinlänglich genug bekannt durch seine rhetorischen Eskapaden ({2})
am letzten Sonnabend oder Sonntag auf einer Tagung der Evangelischen Studentenschaft in Rissen an der Elbe folgende Formulierung gebraucht hat: Herr Ulbricht in der Sowjetzone will die Wiedervereinigung nicht, und Herr Adenauer in der Bundesrepublik auch nicht? Ist Ihnen das bekannt?
({3})
Wenn Sie eine Frage an den Herrn Kollegen Schmidt ({0}) haben, stellen Sie sie an ihn.
({1})
Aber wenn Sie die gleiche politische Frage an mich richten, gebe ich Ihnen eine Antwort. Dann muß ich Ihnen mit aller Offenheit sagen: Ich persönlich bin davon überzeugt: Herr Ulbricht in der Sowjetzone hat alles Interesse daran, daß die dritte Regierung in der dritten Legislaturperiode dieses Bundestags wiederum eine Regierung der gleichen Konstitution ist,
({2})
weil er nur dankbar für eine Regierung sein kann, die in der Wiedervereinigungsfrage so wenig Initiative wie möglich entwickelt.
({3})
Es ist eine politische Feststellung, wenn ich sage: Wir sind der Meinung, daß Ulbricht nichts so sehr fürchtet wie eine deutsche vernünftige Aktivität in der Wiedervereinigungsfrage,
({4})
und das ist eine Kritik an der Bundesregierung, daß sie ihre Aktivität nicht in dem Umfang betreibt, wie es notwendig wäre. Darin steckt doch keinerlei Beleidigung für irgendwen.
Der Herr Bundeskanzler hat in der Frage der 5000 Mark an den Herrn Verteidigungsminister gesagt, daß der Herr Balke den Vorsitz der bayerischen Finanzierungsvereinigung niedergelegt habe. Tatsache ist aber, daß der Verteidigungsminister zu der Zeit die Mittel bekommen hat, als Herr Balke noch der Vermittler dieser finanziellen Mittel war. Wir haben gar nicht unterstellt, daß daran irgendwelche konkreten Auftragsvergebungen gebunden sind; wir sind nur der Meinung, daß es in der Öffentlichkeit einen für unseren Staat gefährlichen Eindruck erweckt, wenn von Minister an Minister Geld gegeben wird, und zwar aus Quellen, von Leuten, die der Natur ihrer Beschäftigung nach an der Vermittlung von Aufträgen interessiert sind, die der empfangende Minister zu vergeben hat. Das war keine Tatsachenbehauptung, sondern eine Frage, die das politische Klima unserer Bundesrepublik angeht.
({5})
Der Herr Bundeskanzler hat zu der Etatposition „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen" gesagt, daß sie ja der Kontrolle unterliege. Er hat dabei zwei Dinge vermengt. Mein Bedenken dagegen, daß es keine Kontrolle gibt, bezog sich nicht auf die Etatposition „Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen". Deren Ablehnung habe ich politisch begründet. Die Ablehnung aus Gründen der mangelnden Kontrolle bezog sich auf die 11,5 Millionen des persönlichen Fonds für den Herrn Bundeskanzler zu Zwecken der Informationsgestaltung. Hier ist uns der Herr Bundeskanzler jede konkrete Antwort schuldig geblieben. Es ist nicht interessant, wenn uns gesagt wird, in welchen Prozentsätzen diese Summe ausgegeben worden ist. Es ist auch nicht interessant, daß ein Teil davon für die Information des Auslandes ausgegeben wird. Wenn Sie meine Rede aufmerksam nachlesen, werden Sie feststellen, daß ich ausdrücklich gesagt habe, daß diese Public-Relations-Arbeit notwendig ist und daß wir sogar bereit sind, mehr Mittel dafür zur Verfügung zu stellen, wenn die sachliche Ausgabeberechtigung nachgewiesen ist. Dasselbe gilt für das, was im Hinblick auf unsere Landsleute jenseits der Zonengrenze geschieht. Niemals ist von unserer Seite eine Bemerkung gemacht worden, die dahingehend gedeutet werden könnte, daß wir die sachliche Berechtigung solcher Ausgaben bestreiten. Aber was wir verlangen, was wir fordern müssen, ist, daß diese Dinge, die die gemeinsame Aufgabe dieses Hauses und der Bundesregierung sind, der Kontrolle des höchsten Organs der Bundesrepublik unterliegen.
Der Herr Bundeskanzler hat uns keine einzige sachliche Antwort auf konkrete Fragen gegeben, beispielsweise auf die Frage betreffend die Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise. Wir haben zum Schluß an den Herrn Bundeskanzler die Frage zu stellen: Wann dürfen wir diese konkreten Antworten auf konkrete Fragen erwarten? Das läßt sich nicht durch muntere Plaudereien ersetzen, die wir in kölnischer Mundart zu anderer Zeit in einer anderen Stadt miteinander austauschen können.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Kollege Ollenhauer, von Herrn Kollegen Kühn ist hier die Behauptung des Inhalts aufgestellt worden, daß beide, Ulbricht und Adenauer, die Wiedervereinigung nicht wollten.
({0})
Vorher hat Herr Kollege Brookmann eine Frage an den Redner gestellt und sich auf eine in Rissen, glaube ich, gefallene Äußerung des Abgeordneten Schmidt ({1}) bezogen. In dem Versuch, Herrn Schmidt ({2}) zu verteidigen, hat Herr Kühn diese Behauptung hier erneuert.
({3})
Ich weise sie nicht nur mit Entschiedenheit zurück, sondern erwarte von der Sozialdemokratischen Fraktion und Partei, daß sie hier erklärt, daß sie diese Behauptung nicht teilt.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kühn ({0}).
Meine Damen und Herren! Die Frage, ob ich der Überzeugung bin, daß der Herr Bundeskanzler die Wiedervereinigung nicht will, ist nicht an mich gestellt worden. Ich hatte sie also auch nicht zu beantworten.
({0})
Die Frage, die an mich gestellt worden ist, war die, wie ich zu der Darlegung meines Fraktionskollegen Helmut Schmidt stehe.
({1})
Ich habe erklärt, daß ich mich dazu in vollem Umfange bekenne.
({2})
Es ist meine Überzeugung, daß Ulbricht an einer kommenden Bundesregierung interessiert ist, die ein Mindestmaß an Aktivität für die Wiedervereinigung entfaltet.
({3})
Meine Überzeugung war - und ich wiederhole diese Überzeugung -, daß die jetzige Bundesregierung in der Frage der Wiedervereinigung keine ausreichende Aktivität entwickelt hat.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Krone, nach der Erklärung, die Sie soeben abgegeben haben, frage ich Sie, aber auch den Herrn Bundeskanzler: Billigen Sie die Erklärung des Herrn Bundesfamilienministers Wuermeling im Essener Saalbau im Februar dieses Jahres, daß der 1. Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herr Ollenhauer, der Kandidat des Kremls sei?
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jedes Jahr erleben wir bei der Debatte über den Haushalt des Bundeskanzlers eine solche Zuspitzung bei der Aufdeckung gewisser Hintergründe des Dispositionsfonds. Herr Bundeskanzler, beenden Sie diese unerfreulichen Auseinandersetzungen, indem ,Sie hier erklären, daß Sie genauso wie beim Bundesnachrichtendienst den Fraktionsvorsitzenden Einsicht in die Verfügungsfonds Ihres Amtes geben!
({0})
Dann wird in Zukunft diese Debatte, die auch
heute wieder unerfreuliche Schärfen zeitigt, genauso überflüssig sein,wie bisher niemals der Bundesnachrichtendienst Gegenstand solcher Auseinandersetzungen zu sein brauchte.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Auf die Frage des Herrn Abgeordneten Menzel habe ich folgendes zu erklären.
Wenn der Herr Bundesminister Wuermeling dieses Wort gesprochen haben sollte - ich werde ihn selbstverständlich danach fragen -, so würde ich das auf das tiefste bedauern, weil es eine Beschimpfung des Herrn Kollegen Ollenhauer darstellen würde, die er wahrhaftig nicht verdient.
({0})
Meine Damen und Herren! Dem Herrn Kollegen Mende möchte ich folgendes antworten. Es handelt sich ja doch nicht um meinen Dispositionsfonds. Der Dispositionsfonds, den ich habe - ich weiß augenblicklich gar nicht, wieviel es ist; er ist nicht überwältigend groß -, unterliegt völlig der parlamentarischen Kontrolle. Aber hier handelt es sich um den Titel 300: „Förderung des Informationswesens".
({1})
- Ja, verehrter Herr Kollege Mende, ich glaube, Sie werden keinen Staat in der Welt finden,
,({2})
- nirgends -, wo die Verwendung dieser Mittel im einzelnen so dargelegt wird. Das ist ja vollkommen unmöglich.
({3})
Es ist doch ganz klar, daß die sogenannten V-Leute, die jeder notwendig hat, bezahlt werden müssen, und es ist doch auch ganz klar, daß man die Namen der Leute nicht preisgeben kann;
({4})
denn sonst werden sie gehängt, oder wir bekommen keine mehr.
({5})
- Ja, dort, wo sie wohnen, werden sie gehängt. Das ist doch ganz klar. Aber machen Sie sich doch auch einmal klar, meine Damen und Herren, daß wir in viel größerem Umfange der Bespitzelung unterliegen, als wir in anderen Ländern das selbst leisten können.
({6})
Und schließlich, meine Damen und Herren, sind wir doch dafür verantwortlich - Sie und wir! -, daß wir unser Volk möglichst schützen.
({7})
Und das ist der Zweck dieses ganzen Fonds. Ich verstehe wirklich nicht, wie man so in diese Sache
({8})
hineinbohren kann. Es wird als ein persönlicher Fonds bezeichnet. Meine Herren, ich erkläre Ihnen, daß ich über die Verwendung dieses Fonds überhaupt nichts weiß. Das sage ich Ihnen ganz offen.
({9})
Ich kümmere mich nicht darum, und ich will mich auch nicht darum kümmern.
({10})
Das mache ich nicht.
({11})
Aber ich möchte noch eines sagen, meine Damen und Herren. Der Herr Kollege Neumann hat soeben verschiedene Dinge angesprochen, auf die ich ihm nicht antworten kann, weil ich nicht vorbereitet bin. Ich werde aber diesen Sachen nachgehen, und ich denke dann in baldiger Zeit dem Hohen Hause einen schriftlichen Bericht darüber geben zu können.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Nur damit die Dinge nicht ganz durcheinanderlaufen, noch eine Bemerkung. Herr Bundeskanzler, Sie haben im vorigen Jahr der parlamentarischen Kontrolle der Fonds zugestimmt, die für den Bundesnachrichtendienst zur Verfügung stehen. Sie haben die Bedenken, die Sie heute hier vorgebracht haben, damals nicht zum Ausdruck gebracht, sondern Sie haben sich ausdrücklich einverstanden erklärt. Die Gefahren, die Sie eben hier so schwarz an die Wand gemalt haben, bestehen aber doch dort in viel stärkerem Maße als bei den Fonds, um die es sich hier handelt. Wenn Sie ¡damals keine Bedenken gehabt haben, der Kontrolle zuzustimmen, sollten Sie sie heute doch um so weniger haben.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache zu dem aufgerufenen Einzelplan 04.
Ich komme nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 1048*), der ja schon begründet ist. Ich halte es für sinnvoll, über die Ziffern einzeln abzustimmen. Ich unterstelle das Einverständnis der antragstellenden Fraktion.
Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1048 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer 'dem Änderungsantrag auf Umdruck 1048 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit ,abgelehnt.
Umdruck 1048 Ziffer 3. Wer dafür ist, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 1048 Ziffer 4. Wer dafür ist, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
1 Siehe Anlage 3
Weitere Änderungsanträge zu Einzelplan 04 liegen nicht vor.
Wer dem Einzelplan 04 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts ({0}).
- Der Berichterstatter Dr. Vogel verweist auf seinen schriftlich vorliegenden Bericht*). - Das Haus ist einverstanden.
Ich eröffne die Aussprache. - Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kahn-Ackermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß wenigstens zwei von unseren drei amtierenden Außenministern hier im Saale anwesend sind; gleich wird es nur noch einer sein. Wenn alle drei da wären, dann wäre das sehr schön; denn dann könnten gewisse Dinge, die ich hier vortrage, vielleicht besser geklärt werden.
Ich möchte meinen Ausführungen ein Kanzlerwort voranstellen, und zwar eines, das noch ganz frisch ist. Es ist vor kaum einer Stunde hier geprägt worden. Der Herr Bundeskanzler hat soeben gesagt: „Kein Land hat es nötiger, seine Verbindungen mit dem Ausland zu pflegen, als Deutschland." Das ist in der Tat ein Wort, diem man nur zustimmen kann. Ich möchte mich heute hier mit einem Teil dieser Pflege von Verbindungen zum Ausland beschäftigen, der in den allgemeinen politischen Debatten, die wir hier in diesem Hause über die Außenpolitik haben, meistens zu kurz kommt. Ich bitte Sie, sich an die letzte Haushaltsdebatte zu erinnern und sich dabei jenen Teil der Ausführungen des Herrn Bundesaußenministers vor Augen zu halten, in dem er zugab, daß in der Tat die Kulturabteilung das Stiefkind seiner Behörde sei und daß er sich mit allem Nachdruck dafür einsetzen werde, daß dies in der kommenden Zeit geändert werde. Wenn man die Ereignisse in den letzten zwölf Monaten, soweit sie sich auf die Verwaltung und auf die Politik im Bereich der Kulturarbeit des Auswärtigen Amtes beziehen, nur ein wenig nachprüft, muß man bedauerlicherweise feststellen, daß sich nur ein sehr geringer Teil Ihrer Versprechungen, Herr Minister, verwirklicht hat. Zum Beispiel berührt es einen stets merkwürdig, wenn man von den Organisationen, die von der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes schon seit 1949 betreut werden und die außerordentlich wichtige Aufgaben in der hier soeben durch den Herrn Bundeskanzler zitierten Pflege der auswärtigen Beziehungen zu erfüllen haben, hört, daß sie es in drei Jahren mit sieben verschiedenen Referenten, die sich einander auf dem zuständigen Posten abgelöst haben, zu tun hatten und daß es bei jedem Referenten hieß, die Beziehungen dieser Organisationen zum Auswärtigen Amt wieder völlig von vorn zu beginnen, weil Leute auf diese Posten gesetzt worden sind, die von ihrem Aufgabengebiet keine Ahnung hatten und sich erst einarbeiten mußten.
Herr Bundesminister, lassen Sie mich Ihnen sagen: Es ist sicherlich ein sehr löbliches Unterfangen, bei der angebrachten Sparsamkeit zu ver-
*) Siehe Anlage 4
({0})
suchen, Beamte mit verschiedenen Funktionen gegeneinander auszutauschen. Aber es gibt einen Bereich in Ihrem Hause - das haben Sie im letzten Jahr selber zugegeben -, in dem man diesen Austausch nicht so ohne weiteres vornehmen kann, weil ein Mann, der kulturelle Arbeit zu leisten und zu leiten hat, doch irgendwie von Hause aus mit den Dingen vertraut sein und aus dieser Atmosphäre kommen muß. Leider kann man eben nicht irgendeinen Verwaltungsbeamten oder einen Botschaftsrat oder Legationsrat eines anderen Dienstzweiges des Auswärtigen Amtes plötzlich an die Spitze solcher Referate mit derartigen Aufgaben setzen. Es ist doch sehr merkwürdig, wenn beispielsweise ein wichtiger Referent der Kulturabteilung Ihres Hauses sein Amt mit der Bemerkung antritt - natürlich intern, nicht nach außen hin -, er verstehe leider von den vor ihm liegenden Aufgaben gar nichts. Ich will den Mann gar nicht angreifen, Das ist sicher ein guter und pflichtgetreuer Beamter. Aber wahrscheinlich wäre es besser gewesen, ihn zu einer anderen Mission zu versetzen. Wenn ich deutlicher werden soll: ich glaube nicht, daß die jahrelange Betrachtung der Akropolis - und dazu hat dieser Beamte, der sicher besten Willens ist, sein Amt auszufüllen, die Möglichkeit gehabt - genügt, ¡daß man ihn an eine solche Stelle bringen könnte. Ich könnte Ihnen auch andere Fälle zitieren, wo Leute sich in der Kulturabteilung nach irgend etwas erkundigt haben und sie die Auskunft bekamen: Der Referent hat gerade gewechselt, oder der Referent sagte selbst, er sei völlig neu und habe noch ;keinen Überblick über die Materie und könne infolgedessen noch keine Entscheidungen treffen und keine Auskunft geben. Ich wiederhole noch einmal: Der Vorwurf richtet sich nicht geigen die Beamten bei Ihnen, sondern der Vorwurf richtet sich gegen die Art und Weise, in der die Personalpolitik in der Kulturabteilung Ihres Amtes gehandhabt wird.
Es berührt mich merkwürdig, daß der Leiter oder die leitenden Beamten dieses Amtes in einigen Fällen gar nicht gehört werden, wenn beispielsweise Leute in auswärtige Missionen entsandt werden, die dort die Kulturarbeit für die Bundesrepublik leisten sollen. Ich glaube, es wäre hoch an der Zeit, daß hier eine Änderung eintritt und daß Sie einmal versuchten, einige Leute für die Arbeit dieses Amtes zu gewinnen, die in der Atmosphäre der Arbeit zu Hause sind, und daß Sie dann danach trachteten, diese Leute auch dort zu behalten, daß also die betreffende Abteilung Ihres Hauses nicht als Durchgangsstation für allerlei Beamte dient, die man nun eben auch einmal dahin schickt. Daß das so ist, Herr Minister, hat in der Tat einen schädigenden Einfluß auf unsere Verbindungen mit dem Ausland; denn gerade das Thema, das der Herr Bundeskanzler hier vorher angeschnitten hat, hängt sehr weitgehend mit unserer kulturellen Arbeit zusammen. Aber das scheint sich im Auswärtigen Amt noch nicht herumgesprochen zu haben.
Für die allgemeine Bewertung dieses Teils der Beziehungen, die wir zu den anderen Staaten pflegen, gibt es für mich noch einen anderen Anhaltspunkt. Wir haben zur Zeit - wenn ich recht unterrichtet bin - in allen Ländern etwa 26 Kulturattachés, davon nur 19, die diese Aufgabe voll wahrnehmen. Sieben oder acht haben nebenbei noch das Pressereferat, obwohl, Herr Minister - das wissen Sie selbst sehr gut -, diese beiden Aufgaben sich letztlich sehr schlecht vertragen; denn die Wahrnehmung kultureller Aufgaben nimmt die
Leute so in Anspruch, daß sie nebenher nicht noch das Pressereferat haben können, das ja verhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nimmt, da die betreffenden Beamten viele Zeitungen lesen müssen. Wir haben also jetzt nach fast acht Jahren Bestehen der Bundesrepublik 19 eigentliche Kulturattachés draußen. In diesem Jahre aber - ich will nun gar nicht sagen, daß Sie dafür verantwortlich sind, aber die Gesamtregierung ist dafür verantwortlich - hat man bei den Haushaltsberatungen den Vorschlag gemacht, 24 Stäbe von Militärattachés ins Ausland zu entsenden, obwohl ich mich frage, ob es auf der Welt heute noch 24 Länder gibt, mit denen wir diplomatische Beziehungen unterhalten, ,die für die Militärs interessant sein könnten. Ich glaube, daß die Zahl wesentlich geringer ist. In diesen beiden Zahlen drückt sich eine sehr ungleichartige Bewertung der beiden Aufgaben und eine Unterbewertung der kulturellen Auslandsaufgaben der Bundesrepublik aus. Herr Minister, ¡es ist ja auch kein Zufall, daß die Bundesregierung beispielsweise bereit ist, in einem einzigen Jahre, in diesem Haushaltsjahr, für den deutschen Beitrag auf der Weltausstellung in Brüssel genauso viel Geld, nämlich 17 Millionen DM, auszugeben, wie sie für die gesamten kulturellen Aufgaben der Bundesrepublik im Ausland in einem Jahr bereitstellt. Diese Zahl drückt doch etwa das Mißverhältnis aus, das hier vorliegt.
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- Ich glaube nicht, daß die Vergleiche sehr hinken; denn für die Kulturarbeit, Herr Kollege Conring, sind 17 Millionen DM eingeplant - ich schweige von dem Schulsektor -, und für die Ausstellung sind 16,8 Millionen DM leingeplant.
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- Das sind in gewisser Hinsicht vergleichbare Größen für das Schwergewicht, das man den Dingen beimißt.
Sie selbst, Herr Minister, haben im vergangenen Jahr ein Motto für die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik aufgestellt. Sie haben eine Rede vor der Rektorenkonferenz der Bundesländer gehalten und sind später immer wieder auf diese Rede zurückgekommen, wenn Angriffe gegen die Art und Weise gekommen sind, wie im Ausland Kulturpolitik gemacht worden ist. Sie haben vor den Rektoren gesagt: Kultur darf nicht zum Vorspann der Politik gemacht werden, die objektive Darstellung kultureller Werte verleiht ihnen ihre Wirkung. - Es wäre sehr schön, Herr Minister, wenn diesem fabelhaften Grundsatz, dem auch ich voll zustimme, in allen Bereichen unserer auswärtigen Kulturarbeit wirklich entsprochen würde.
Aber lassen Sie mich nur von einem Thema reden, auf das wir fast jedes Jahr zurückkommen, nämlich von unserer Arbeit in Italien. Gewiß, Ihr Amt hat große Anstrengungen gemacht; es sind ein paar gute Leute dort unten. Aber die Situation ist im Augenblick dort für unsere kulturelle Tätigkeit besonders kritisch oder besonders interessant geworden, möchte ich einmal sagen, weil nämlich unsere Vettern in Pankow ebenfalls ein Kulturzentrum in Rom errichtet haben, das sogenannte Centro Thomas Mann, das sie mit Hilfe der Kommunistischen Partei Italien ins Leben gerufen haben, obwohl die sogenannte DDR ja keine normalen Beziehungen zu Italien hat. Da ist nun
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leider etwas passiert, von dem ich gern gesehen hätte, es wäre nicht passiert. In den zwei größeren Veranstaltungen dieses Centro ist wesentlich mehr Wirbel erzeugt worden, als das bisher unsere Arbeit in der Öffentlichkeit Italiens vermochte.
Das hat einen bestimmten Grund, Herr Minister. Ich will gar nicht sagen, daß die Arbeit, die bei uns in Rom auf diesem Gebiet geleistet wird, schlecht ist. Aber sie wird von zwei Männern bestimmt, die einer Weltanschauung sehr verhaftet sind, und häufig - ich will nicht sagen immer, aber überwiegend - prägt sich in den Darbietungen, die dort geboten werden, auch dieser Geist ein wenig aus. Es ist etwas diese weltanschauliche Hausmannskost - die mag gediegen, sehr gediegen sein, ich meine das ernsthaft -, die keine Rücksicht darauf nimmt, daß gerade in Rom eine sehr internationale, sehr moderne, sehr liberale Öffentlichkeit da ist, die viel lieber etwas von deutschem avantgardistischem Kunstschaffen erfahren würde als manches, was ihr heute mit großem Ernst routinemäßig geboten wird. Wenn ich auf den Zuhörerkreis zu sprechen komme, so möchte ich sagen, Herr Minister: Vornehme alte Damen sind nützlich besonders in kulturellen Beziehungen, aber sie sind nicht immer alles, und man muß auch verstehen, die Jugend eines anderen Landes bei solchen Veranstaltungen anzusprechen.
Wenn wir gerade bei dem Thema Italien sind und wenn es auch nicht direkt in Ihren Bereich fällt, Herr Minister, so scheint mir doch die Frage angebracht, warum es denn so schrecklich lange dauert, bis die Geschichten mit der Villa Massimo, die im deutschen Kultur- und Geistesleben als Gästehaus des Deutschen Reiches für bekannte Kulturschaffende eine große Rolle gespielt hat, ausgeräumt sind. Ich kenne die Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, dieses Haus zu räumen. Aber es sind immerhin eine Reihe von Vorbereitungen immer noch nicht getroffen worden. Wo bleibt der Förderungsverein, den Bund und Länder dafür gründen wollten? Wo bleibt das Kuratorium? Die Zeiten, in denen sich die Elite des deutschen Geistes einmal im Park an der Via Nomentana getroffen hat, sind halt leider Gottes vorbei. Es wäre auch die Aufgabe der gesamten Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß sie wiederkehren.
Ich möchte noch einmal auf Ihre Grundsätze, Herr Minister, zurückkommen und sagen, daß von der allgemeinen Tendenz unserer Kulturpolitik in Italien ein Schritt zu der etwas blamablen Kontroverse führt, die dadurch entstanden ist, daß Sie sich nach den Aussagen Ihres Herrn Staatssekretärs, die er uns hier gegeben hat, als Literaturkritiker für moderne Dramatik zu betätigen versucht haben. Ich meine die Angelegenheit, die mit dem Gastspiel des Bochumer Schauspielhauses in Paris zusammenhängt. In der offiziellen Verlautbarung des Auswärtigen Amts konnte man nachlesen, daß Dichter wie Wedekind und Bert Brecht bzw. die beiden zur Debatte stehenden Aufführungen des „Marquis von Keith" und der „Dreigroschenoper" keinen Aussagewert für die moderne deutsche Kultur hätten; so hieß es in der ersten Version. Später hieß es, die Mittel seien so knapp gewesen, und deswegen habe man hier abwägen müssen. Trotzdem ist man dann dabei geblieben, daß man abgelehnt habe, weil man eben diese Stücke nicht als repräsentativ für die moderne deutsche Dramatik gehalten habe, obwohl
- ungeachtet der politischen Einstellung von Bert Brecht - niemand wird bestreiten können, daß er zu den größten Dramatikern Deutschlands in den vergangenen Jahren zählt und immer zählen wird.
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- Verehrter Herr Kollege Müller, schon zu Ihren Zeiten hat man in der Schule Literaturbücher gehabt, die ausschließlich auf Schiller und Goethe Bezug genommen haben und die die Zeiterscheinungen in der Literatur in der Zeit, als Sie schon ein erwachsener Mann waren, ignoriert haben.
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Anscheinend ist es bei diesem alten Geist geblieben. Es scheint mir doch sehr symptomatisch zu sein, daß z. B. der Dramatiker und Dichter Wedekind unter drei Regimen offiziell mißbilligt worden ist, nämlich unter dem Kaiser Wilhelm, der es sogar fertiggebracht hat, ihn ins Exil zu bringen, unter Adolf Hitler und, leider, muß ich sagen, unter dem Bundeskanzler Dr. Adenauer, wo er anscheinend auch nicht persona grata im Bereich der deutschen Literatur ist.
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- Darüber könnte man vielleicht ein Kapitel für sich schreiben. Aber dessen ungeachtet, Herr Minister, finden Sie es erstrebenswert, daß sich die gelegentliche Bilderstürmerei Ihrer Parteikollegen, die z. B. in Frankfurt Bert Brecht überhaupt von der Bühne verbannen wollten, auch in der Kulturpolitik des Auswärtigen Amts widerspiegelt? Könnte es ein Beitrag für unsere Kulturpolitik sein - ich sage es offen -, etwa Schostakowitsch oder Katchaturian aus den Konzertsälen Deutschlands zu verbannen oder zu sagen, daß ein nunmehr in der Weltliteratur anerkannter Dichter der Sowjetunion - ich spreche hier gar nicht von anderen - wie Maxim Gorki oder dezidierte Kommunisten wie Sartre oder Picasso aus dem deutschen Kulturleben verbannt werden sollten, wie das nur unter diktatorischen Regimen immer der Fall ist? Eine solche Politik, wie sie sich anläßlich des Gastspiels der Bochumer gezeigt hat, führt doch letztlich in diese Richtung. Darüber gibt es doch gar keinen Zweifel. Das Auswärtige Amt und seine Kulturabteilung sollten die letzten Institutionen sein, die den Sünden der Intoleranz und der Verblendung politischen Spießbürgertums - darum handelt es sich doch letztlich - verfallen.
Bei dieser Gelegenheit lassen Sie mich noch auf zwei besonders aktuelle Ereignisse zu sprechen kommen, nämlich auf die Verweigerung der Visa für die drei russischen Schauspieler und auf die Visaverweigerung für den russischen Zirkus. Ich will im Augenblick einer Vertiefung der deutschsowjetischen Kulturbeziehungen gar nicht das Wort reden; darum dreht es sich hier gar nicht. Aber es erscheint mir fragwürdig, auf welche rechtlichen Bestimmungen Sie derartige Visaverweigerungen gründen. Meiner Ansicht nach hat die Bundesregierung hier doch bloß das Paßgesetz zu Gebote. Das Paßgesetz gibt Ihnen, nachdem wir sogenannte normale diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion etabliert haben, aber nur die Möglichkeit, Leute auszuschließen, von denen man annimmt, daß sie in der Bundesrepublik politische Wühl({7})
arbeit leisten würden. Ich glaube nicht, daß das Verbeugen dreier sowjetischer Filmschauspieler schwere politische Schädigungen in der Bundesrepublik nach sich zöge.
Die Sache hat nämlich noch eine andere Seite. Ich würde gar nichts sagen, wenn es sich nicht darum handelte, daß ja auch deutsche Filme in der Sowjetunion laufen. Man kann zwar verschiedener Meinung darüber sein, aber ich glaube, daß die Vorführung deutscher Filme, auch deutscher Theaterstücke und überhaupt die Berührung mit unseren Kulturerzeugnissen - wobei man bezüglich des Films ja immer Zweifel hat, ob es sich wirklich um kulturelle Äußerungen handelt - dazu beitragen können, daß in der Sowjetunion eine Entwicklung eintritt, die Ihnen doch nur erwünscht sein kann. Das Ergebnis Ihrer Visaverweigerung bei den drei sowjetischen Schauspielern, die nach Düsseldorf kommen wollten, um sich einmal zu verbeugen, ist jedenfalls gewesen, daß die Sowjetunion abrupt die Verhandlungen über den Export weiterer deutscher Filme ins Ostblockgebiet und in die Sowjetunion abgebrochen hat. Ich möchte einmal wissen, wessen Interessen dadurch mehr geschädigt sind: die der Sowjetunion oder die der Bundesrepublik.
In Ihrem Amte hat man diese Maßnahme - auch hinsichtlich des Zirkus - mit der Feststellung begründet, man befinde sich bei solchen Maßnahmen in Überinstimmung mit der Haltung der übrigen westeuropäischen Länder, die in den Kulturbeziehungen mit der Sowjetunion auch kurzträten. Ich muß Ihnen sagen: das ist einfach nicht wahr! Gehen Sie nach Großbritannien, gehen Sie nach Frankreich! Selbst in den Vereinigten Staaten macht man nicht einen solchen Wirbel wie bei uns, wenn einmal ein paar Leute aus der Sowjetunion in kulturellen Veranstaltungen auftreten. Ich bin nicht sicher, aber ich habe ein wenig den Verdacht, daß man nur versuchen wollte, mit der Visaverweigerung politische Effekte zu erzielen; und, Herr Minister, wie stimmt das mit Ihrem Grundsatz zusammen, daß Kultur nicht als Vorspann für politische Absichten benutzt werden sollte? Hier ist das ganz offensichtlich geschehen.
Es gäbe zu der Frage unserer kulturellen Beziehungen zu einer Reihe anderer Länder noch ziemlich viel zu sagen. Ich möchte aber nur das wichtigste herausgreifen, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn man nur eine kurze Analyse unserer zugegebenermaßen erfreulicherweise fruchtbaren Kulturbeziehungen zu den Vereinigten Staaten vornimmt, so muß man doch feststellen, daß hier unsere Anstrengungen in keinerlei Verhältnis zur Größe des Landes stehen. Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler jedes Jahr nach Amerika fährt und dort von einer Universität einen Ehrendoktorhut bekommt, kann noch nicht die vorhandene Lücke ausfüllen. Es gibt in Amerika 2000 Universitäten und Colleges, und die Mittel, die wir zur Verfügung stellen, um hier eine fruchtbare Arbeit zu entfalten, liegen in einer Größenordnung, als müsse man Kulturarbeit in einem Land wie etwa England oder Frankreich leisten.
Lassen Sie mich Ihnen einige Beispiele nennen, Herr Minister. Die selber förderungswürdige Republik Indonesien, der ja auch wir helfen wollen - darüber ist im letzten und auch in diesem Jahr gesprochen worden -, unterhält einen größeren Stab von für die Kulturarbeit tätigen Leuten in Washington als beispielsweise die Bundesrepublik.
Ich will gar nicht sagen, daß Quantität alles macht, Qualität ist entscheidend. Ich bin sehr glücklich, daß wir dort einen Mann haben. der vielleicht an erster Stelle unter all unseren Kulturattachés rangieren kann und der vorzügliche Arbeit leistet. Aber die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, und auch die personellen Möglichkeiten sind einfach völlig ungenügend. Dies, Herr Minister, ist ein typisches Beispiel dafür, daß Sie und Ihr Ministerium es nicht verstanden haben, sich bei den Etatberatungen so durchzusetzen und die Verhältnisse so zu schildern, wie sie wirklich sind, um zu erreichen, daß hier die notwendigen Personalvermehrungen durchgeführt werden. Nicht meine Freunde sind es gewesen, die Ihnen die drei Leute für die Kulturabteilung Ihres Amtes verweigert haben, Ihre eigenen Parteikollegen sind es gewesen, die das getan haben. Das führe ich darauf zurück, daß es immer noch nicht gelungen ist, der auswärtigen Kulturpolitik im Gesamtrahmen der Bundespolitik jenen Rang zuzumessen, der ihr eigentlich zukommt.
In den Vereinigten Staaten ist die Versorgung sowohl mit deutschen Filmen wie mit Büchern und Zeitschriften aller Art völlig unzureichend. Hunderte von Studenten und Oberschülern, die drüben sind, haben nicht die Möglichkeit, eine deutsche Zeitung zu bekommen. Ich habe selber viele Fälle nachgeprüft. Von hier aus werden auch nicht die notwendigen Erkundigungen danach vorgenommen, wer hinübergeht. Drüben mangelt es an Personal, um den Dingen nachzugehen. Da wäre eine große Aufgabe: denn viele Universitäten und Schulen drüben sind sehr an dem interessiert, was bei uns geschieht. Überall, wo ein Student oder ein Oberschüler eine deutsche Zeitung mitbringt, werden Artikel aus ihr in den Schulzeitungen und in der Lokalpresse abgedruckt.
Es wäre z. B. dringend notwendig. der Botschaft in Washington die Mittel an die Hand zu geben, damit ein, wenn auch nur kleines, bescheidenes kulturelles Bulletin herausgegeben werden kann. Dazu fehlen bis jetzt die Mittel. Für alle anderen Staaten ist das selbstverständlich. Man könnte aus den reichlich bemessenen Mitteln des Bundespresseamtes ohne weiteres ein paar tausend Mark abzwacken, um diese Aufgabe durchzuführen.
Es gäbe noch manches zu diesem Thema zu sagen. Aber ich möchte mich einem anderen Punkt zuwenden. Herr Minister, bei dem ganz offensichtlich ist, daß in Ihrem Amt die eine Hand manchmal nicht weiß, was die andere tut. Wir haben im letzten Jahre bemängelt, daß die Mittel für die deutschen Krankenhäuser im Ausland viel zu gering waren. Sie haben mir dann einen Brief geschrieben, in dem wortwörtlich steht, daß es zur Zeit nur wenige deutsche Krankenhäuser im Ausland gebe und daß die im Etat vorgesehenen Mittel in Höhe von 250 000 DM ausreichend seien. Wenig später ist mir ein offizielles Dokument Ihres Amtes in die Hand gekommen, in dem steht, daß die bisherige Mittelzumessung auf diesem Gebiet es nicht erlaubt habe, auch nur die ausdrücklich an die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts gerichteten dringendsten Anforderungen zu befriedigen.
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Im Anschluß daran sind sechs oder acht Einzelpositionen von deutschen Krankenhäusern im Ausland aufgezählt, deren dringende Bedürfnisse - Röntgenanlagen, Medikamente, medizinische Apparate - nicht befriedigt werden konnten. Also
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offensichtlich war hier wieder einmal ein Referent im Amt, der neu hinzugekommen war, von seinem Tätigkeitsgebiet nichts wußte und dem wenig später von einem anderen geholfen wurde, auf die tatsächliche Situation zu kommen. Nur so kann ich mir den großen Unterschied erklären, der zwischen Ihrem Brief und den Dokumenten, die aus Ihrem eigenen Amt kommen, besteht.
Zu Ihren Bemerkungen in Ihrem Brief, Herr Minister, bzw. zu Ihrer Bemerkung über die Prinzipien in der Kulturpolitik. Ich bin sehr für ,das Krankenhaus in Korea, und ich bin froh, daß es da ist. Aber es ist doch in einer politischen Situation unter politischen Aspekten hingekommen! Sie waren sofort bereit, für dieses Krankenhaus das Zehnfache der Mittel auszugeben, die für ,alle anderen deutschen Krankenhäuser in der ganzen Welt zusammen in einem Jahr ausgegeben werden. Es berührt mich etwas merkwürdig, daß da so wenig getan wird, obwohl in den offiziellen Dokumenten Ihres Amtes auch wieder zu lesen steht, wie ungeheuer wichtig die Arbeit in ,den deutschen Krankenhäusern sei und was sie für eine große kulturelle, ja sogar wirtschaftliche Werbewirkung für die Bundesrepublik habe.
Ein weiterer Punkt, Herr Minister, der uns Sorge macht und ein Beweis dafür ist, daß in Ihrem Amt einiges vernachlässigt wird, ,dem die Bundesregierung Aufmerksamkeit schenken müßte: Wir haben ,aus Veröffentlichungen vor nicht allzu langer Zeit erfahren, daß die Zahl der deutschen Studierenden im Ausland in den letzten dreieinhalb Jahren nahezu ,auf ,die Hälfte - ich glaube, es sind jetzt etwas über 5000 - zurückgegangen ist. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Bundesregierung .einer ,solchen Entwicklung ohne große Sorgen zusehen kann. Ich kann auch nicht begreifen, daß die Mittel für Stipendien im Ausland nicht höher angesetzt werden, als es jetzt der Fall ist, und daß die Bundesregierung - es ist ja nicht nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Mittel - nicht auch andere Anstrengungen macht, um hier einen Ausgleich zu schaffen. Sie können mit einer Zahl von Auslandsstudenten, die geringer ist als in der Weimarer Republik, 'die großen Aufgaben, die in den internationalen Beziehungen vor uns stehen, nicht läsen. Ich rufe noch einmal das Kanzlerwort in Erinnerung, das hier vor über einer Stunde gefallen ist: daß eben nichts verwirklicht werden kann, wenn man bei diesen Dingen die Zügel schleifen läßt.
In diesem Zusammenhang ein zweiter Punkt, der uns Sorge macht; betrifft die Art und Weise der Betreuung der auswärtigen Studierenden durch Ihr Amt. Das Parlament hat Ihnen dafür zwei Millionen bewilligt. Ich sage Ihnen offen, ich hätte es lieber gesehen, wenn ,diese zwei Millionen, die damals weniger durch die dezidierte Absicht als durch einen technischen Vorgang im Haushaltsausschuß zu Ihrem Amt gekommen sind, beim Bundesinnenministerium geblieben wären. In der Frage der Betreuung der ausländischen Studierenden liegt ein Schwerpunkt auf der Tatsache, daß etwa 5000 davon - mit den Praktikanten - Farbige sind. In den Zusammenkünften dieser Farbigen und auch auf den Treffen der Betreuungsorganisationen sind Sorgen laut und Mißstände bekanntgeworden, denen abgeholfen werden sollte. Es ist zunehmend schwieriger, für diese farbigen Studenten und Praktikanten Unterkünfte zu schaffen. Wenn sie zu privaten Wohnungsinhabern und zu Vermietern von möblierten Zimmern gehen, werden horrende Preise von ihnen verlangt. Zum Teil werden sie sogar abgewiesen. Ich glaube nicht, daß solche Vorkommnisse zum Ansehen der Bundesrepublik beitragen und unsere eben angelaufenen Bemühungen in den sogenannten Entwicklungsländern unterstützen. Hier hätte also das Auswärtige Amt die Pflicht gehabt, ein Programm in Angriff zu nehmen, das sich nicht bloß darauf stützt, für die spezifische Betreuung der Farbigen Klubräume anzumieten und Klubveranstaltungen zu machen. Allein mit der Bildung von Klubs in einzelnen Universitätsstädten ist diese Sache nicht gelöst, Herr Minister. Sie hat auch eine sehr menschliche Seite. Ich gebe zu, daß es durch die Regelungen des Grundgesetzes sehr schwierig ist, diese Dinge in die Hand zu nehmen. Aber die Anstrengungen, die bisher gemacht worden sind, sind unzulänglich. Ihr Amt hat sich zuwenig einfallen lassen. Bei dieser personellen Zusammensetzung ist mir klar, .daß ihm auch bei größter Anstrengung nicht mehr eingefallen ist. Der Schwerpunkt dieser Bemühungen müßte darauf liegen, daß man zum Beispiel Studentenheime schafft, in denen - nicht nur, sondern auch - Farbige wohnen können. Das erfordert allerdingsmehr Mittel; das gebe ich zu. Aber man hätte einen Anfang machen können. Mit den 2 Millionen DM hätte man schon allerhand Zuschüsse geben können, um den Bau solcher Studentenheime zu unterstützen. Ich weiß, daß solche Anträge an Sie herangekommen sind und daß Sie sie abgelehnt haben. Auf Grund Ihrer Vorstellungen hat man eine andere Zweckbestimmung für diese Mittel geschaffen.
Ich sagte Ihnen schon, daß ,die Zahl unserer Auslandsstipendien zu gering ist. Wir haben zur Zeit hier etwa 670. Nach Angaben der Organisationen, die hier für das Auswärtige Amt arbeiten, wären über 1000 notwendig, um den natürlichen Bedarf der Bundesrepublik an eigenen Leuten, die im Ausland studiert haben, decken zu können.
Herr Minister, ich komme noch einmal zu Ihrem Prinzip zurück: Kultur darf nicht zum Vorspann der Politik gemacht werden. Wenn ich mir die Liste der Regierungsstipendien betrachte, die die Bundesrepublik ,für 'ausländische Staaten gibt, so kann ich nicht übersehen, daß hier ein gewisser Schwerpunkt auch in politischer Hinsicht gebildet worden ist. Ich kann mir beispielsweise nicht erklären, Herr Minister, warum die Insel Formosa, deren größten internationalen Beitrag ich gegenwärtig im Export von geschnitzelten Ananasstückchen in Büchsen sehe - ({10})
- Ich weiß, Herr Majonica, daß Sie das trifft und daß Sie andere Vorstellungen haben.
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- Bitte schön, Herr Majonica.
Ist Ihnen bekannt, daß die Insel Formosa nach Kuba das zweitgrößte Zukkerexportland der Welt ist?
Das hat auch was mit den Ananas zu tun.
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- Herr Majonica, ich bin gern bereit, Ihnen auch noch den Zucker zuzugestehen.
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Ich habe gar nichts gegen die Leutchen aus Formosa, die hier studieren, im Gegenteil; sie haben aber 10 Regierungsstipendien. Die Inder haben 300 Studenten in Deutschland. Hier hat doch schon der Herr Bundeskanzler die größte Unterstützung zugesichert, und der Herr Vizekanzler hat eine Reise nach Indien gemacht, und man hat große Projekte angekündigt; die Verwirklichung geht übrigens - auch das wäre ein Punkt unserer heutigen Auseinandersetzung - außerordentlich schleppend voran. Für die 300 indischen Studierenden gibt es 9 deutsche Regierungsstipendien. Hier ist also ganz offensichtlich ein Mißverhältnis vorhanden. Ich könnte Ihnen die Liste noch weiter vorlesen.
Der Herr Bundeskanzler hat kürzlich eine Reise nach Teheran gemacht und dort prächtige Unterhaltungen gehabt und viele Museen besucht. Das ist alles sehr gut für unsere Kulturbeziehungen. Aber ich hätte es sehr nützlich gefunden, wenn in Teheran auch darüber gesprochen worden wäre, ob es nicht möglich ist, für die 2000 iranischen Studenten - die offizielle Zahl ist 1200, weil etwa 800 illegal hier studieren - mehr Stipendien als ausgerechnet 7 zu gewähren.
Sie werden mir also zugeben müssen, daß hier ein Mißverhältnis herrscht. In meinen Augen ist das nur darauf zurückzuführen, daß man sich in Ihrem Amte mit diesen Dingen nicht ausreichend beschäftigt hat.
Nun, Herr Minister, noch zu einem anderen Thema, den Bauten des Auswärtigen Amtes im Ausland! Es gibt - das gebe ich Ihnen offen zu - verschiedene Meinungen darüber, wie diese Bauten ausgefallen sind. Die Bundesregierung hat ja inzwischen für beträchtliche Millionenbeträge etwa neun Botschaften und noch einige andere Bauten ausgeführt. Lassen Sie mich Ihnen aber sagen, daß nach fest einhelliger Meinung diejenigen Bauten am besten geworden sind, die in freien Ausschreibungen an Architekten vergeben worden sind,
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und nicht diejenigen, die von der Bundesbaudirektion hergestellt worden sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich doch noch einmal die Frage der Auftragserteilung an den Schwiegersohn des Herrn Bundeskanzlers, den Herrn Architekten Multhaupt, aufwerfen. Man hat uns gesagt, die Auftragserteilung für den Bau von 27 Wohnungen in Paris sei auf Grund eines Wettbewerbs und in Übereinstimmung mit dem Bund Deutscher Architekten und mit Zustimmung der zuständigen Berufsorganisationen erfolgt. Meine Informationen sind anders. Eine Rückfrage beim Bund Deutscher Architekten hat ergeben, daß die Auskunft, die uns hier im Parlament vom Herrn Staatssekretär gegeben worden ist, nicht richtig ist. Ich würde Sie ,also bitten, sich bei Gelegenheit zu diesem Thema noch einmal zu äußern.
Lassen Sie mich noch etwas zu der Innenausstattung unserer auswärtigen Missionen sagen, die ja auch eine Visitenkarte nicht des alten, sondern des neuen Deutschland sein soll. Ich glaube, alle diese Innenausstattungen sollten nicht so aussehen wie die Generaldirektorenbüros, die heute in einer Reihe von Industriezweigen bei uns in der Bundesrepublik in einer gewissen Norm zu finden sind. Ich muß Sie fragen, Herr Bundesminister, warum von unseren auswärtigen Missionen auch nicht einer der großen und bedeutenden gegenwärtig lebenden Künstler zur Beratung oder zur Ausstattung herangezogen worden ist. Dort ist einfach ein Mangel an Repräsentation deutscher zeitgenössischer Kunst zu empfinden; kein Künstler von Namen ist bei der Ausgestaltung der ersten sechs Botschaften im Ausland vertreten gewesen.
Und nun, Herr Minister, noch eine Frage, die nicht unerwähnt bleiben darf, das Besucherprogramm der Bundesregierung, d. h. jenes Programm, wonach Bürger auswärtiger Staaten hierher kommen, damit ihnen die Bundesrepublik gezeigt wird. Wir alle sind sehr dankbar, daß vielen Mitbürgern unseres Landes von anderen Ländern häufig und ausreichend Gelegenheit gegeben worden ist, auf Kosten dieser Staaten in diesen Ländern zu reisen. Ich bin der Meinung, die Bundesrepublik ist nicht so arm, daß sie sich für diese Gastfreundschaft nur in einer so bescheidenen Weise revanchieren dürfte, wie sie es gegenwärtig tut. Das bezieht sich vornehmlich auf unser Gästeprogramm für die Vereinigten Staaten, Herr Minister.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf etwas anderes hinweisen. Es hat in bezug auf das mit der britischen Regierung verabredete Gästeprogramm Differenzen gegeben, und zwar deswegen, weil unser Auswärtiges Amt das britische Außenministerium einschaltet, um englische Persönlichkeiten zu fragen, ob sie in die Bundesrepublik kommen wollen. Dann wird verlangt, daß sie irgendwelche Fragebogen ausfüllen, Angaben zur Person machen. Wenn die Fragebogen zurück sind, kommen sie vor einen Ausschuß, der notabene als ,.Feigenblatt" auch einige Parlamentarier enthält. Ich sage das deswegen in dieser Schärfe, weil Beamte Ihres Ressorts später, als die Sache unangenehm wurde, die Verantwortung mit dem Einwand abgeschoben haben, es sind ja auch die Parlamentsabgeordneten darin, und die haben mitgemacht. In Wirklichkeit dienen diese nur als Verzierung. Kurzum, das britische Auswärtige Amt ist hinterher gezwungen, den angegangenen Leuten mitzuteilen: Es tut uns leid, die Bundesrepublik lädt Sie nicht ein, sie hat andere Leute ausgesucht - auf Wiedersehen! Das hat, soweit mir bekannt ist, dazu geführt, daß das britische Auswärtige Amt vorstellig geworden ist und gesagt hat, es werde sich in Zukunft nicht mehr anbieten, sich bei dieser Einladungsaktion der Bundesrepublik zu beteiligen. Ich bin also der Meinung, daß auf diesem Gebiet etwas mehr Takt am Platze wäre.
Schließlich lassen Sie mich, Herr Minister, noch zu einem kleinen, aber doch nicht ganz bedeutungslosen Punkt Ihres Ressorts eine Bemerkung machen. Das ist die Treuhandverwaltung für Kunstgut, für die wir seit Jahren 120 000 DM jährlich in Ihrem Etat auswerfen. Ich bin der Meinung - und aus einem Bericht dieser Organisation in München wird das bestätigt -, daß die Restitution von zweifelhaftem Kunstgut nunmehr abgeschlossen ist. Ich frage mich, wozu wir nunmehr Jahr für Jahr 120 000 DM ausgeben. Nur damit hier katalogisiert werden kann? Nur deswegen, weil die alten Kataloge schon abgegriffen sind? Das steht notabene in dem Bericht, Sie können es nachlesen. Ich frage mich, weshalb diese Institution am Leben erhalten wird. Lediglich deswegen, weil Bund und Länder - denn es handelt sich um die Verwaltung ehemaligen Reichsbesitzes, um die Verwaltung der Bilder, die für das Linzer Museum
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angekauft waren, von Bildern, die aus der Sammlung von Hermann Göring stammen - sich nicht darüber einigen können, wer diese Bilder bekommen bzw. treuhänderisch weiter verwalten soll? Ich glaube, daß es möglich wäre, die 120 000 DM einzusparen, indem man dieses ganze Kunstgut einfach Museen im Bundesgebiet treuhänderisch übergibt und die ganze Institution in München spätestens im nächsten Jahre auflöst. Dann können wir diese 120 000 DM einer nützlicheren Verwendung zuführen als der, für die sie augenblicklich dienen.
Auf die Gedanken, die ich ausgeführt habe, Herr Minister, gründet sich unser Antrag, trotz der organisatorischen Mängel der Kulturabteilung dem Kulturetat 1 Million DM mehr zu geben, und zwar erstens einen dringend notwendigen Zuschuß von 300 000 DM für die Krankenhäuser - aus Ihrem eigenen Amt ist mir gesagt worden, daß das der Mindestbetrag ist, der in diesem Jahr noch zusätzlich für diesen Zweck gebraucht wird -, zweitens einen Zuschuß von 200 000 DM für deutsche Gastspiele im Ausland, damit Sie nicht mehr in die Verlegenheit kommen, literaturkritische Überlegungen anstellen zu müssen, was man schicken kann und was man vielleicht nicht schicken kann, weil die Mittel so außerordentlich knapp sind, und damit wir uns nicht mehr der Blamage aussetzen müssen, daß Gastspiele, deren Finanzierung ursprünglich vom Auswärtigen Amt zugesagt war, dann aber nicht erfolgte, beispielsweise von der Stadt Venedig oder von ausländischen Staaten bezahlt werden. Das ist kein guter Stil, Herr Minister. Deswegen beantragen wir zusätzlich diese 200 000 DM. Schließlich beantragen wir 500 000 DM für die Vermehrung Ihres Bücherfonds. Ich glaube, Sie können sich selbst in Ihrem Amt davon überzeugen, daß das notwendig ist angesichts der gro-Ben Vorhaben in diesem Jahr in bezug auf Buchausstellungen im Ausland und zur Ergänzung von Büchereien. Das Buch ist das billigste und, wenn man die Aufwendung in ein Verhältnis zur Wirkung setzt, das rationellste aller unserer Werbemittel in der auswärtigen Kulturpolitik. Hier sollte man, glaube ich, nicht so knauserig wie bisher sein.
Herr Minister, lassen Sie mich zum Abschluß sagen: Das, was der Herr Bundeskanzler hier erklärt hat, wird sich nicht verwirklichen lassen, wenn die Kulturabteilung Ihres Amtes weiterhin, wie ich schon das letzte Jahr sagte, fünftes Rad am Wagen bleibt, Abstellgleis für Leute, die man einmal sechs Monate lang irgendwo verwenden will - ich sage nicht, daß das auf allen Gebieten dieser Abteilung der Fall ist, aber es ist vielfach der Fall -, und wenn Sie sich nicht darum bemühen, prominente Leute aus dem deutschen Kulturschaffen in diese Abteilung einzubauen, und wenn Sie nicht, wie ich sogar sagen möchte, an die Spitze dieser Abteilung einen Mann stellen, der wirklich Überblick und Fingerspitzengefühl für all diese Dinge hat, einen Mann, der sich auch in Ihrem Hause durchsetzen kann und nicht immer bei den Etatberatungen überfahren wird und unterlegen ist, weil er gar nicht aus der Atmosphäre heraus kommt. Kurzum, ich will gar keine weitere Kritik an Ihren Beamten üben; ich will nur sagen: es wäre Ihre Aufgabe und die der Bundesregierung, durch eine bessere und zweckmäßigere Personalauslese dafür zu sorgen, daß, wenn schon die Mittel fehlen, wenigstens durch Qualität das ersetzt wird, was bisher an Quantität auf diesem Gebiet nicht geleistet werden kann.
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Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte versuchen, auf einige wesentliche Bemerkungen des Herrn Kollegen Kahn-Ackermann einzugehen. Sie werden sicherlich verstehen, Herr Kollege, daß ich nicht alle Fragen heute beantworten kann. Aber ich werde, soweit mir das heute nicht möglich ist, die Beantwortung nachholen, sei es mündlich, sei es schriftlich.
Zunächst einmal glaube ich doch verpflichtet zu sein, ganz allgemein die Kulturabteilung meines Amtes gegen die, wie ich glaube, etwas generellen Vorwürfe in Schutz zu nehmen. Es ist mir kaum denkbar, daß tatsächlich ein Referent in der Kulturabteilung erklärt haben sollte, er verstehe von seiner Aufgabe nichts. Wenn das so ist, Herr Kollege Kahn-Ackermann, kann ich nur sagen: ich bedauere das. Ich wäre dann sehr dankbar, wenn Sie mir vielleicht einmal persönlich sagen würden, wer das ist. Denn es wird niemand im Auswärtigen Amt gegen seinen ausgesprochenen Willen in solche Abteilungen versetzt. Ich weiß, oder ich glaube zu wissen, daß man in solchen Fällen zu mir kommt. Jeder der Referenten hat jederzeit das Recht, solche Dinge unmittelbar mit mir zu besprechen, und ich würde weiß Gott nicht einen Mann, der mir sagt: „Ich bin hier fehl am Platz", ausgerechnet in die Kulturabteilung setzen. Aber solange ich nicht weiß, wer dieser Herr ist, kann ich natürlich an dieser Position nichts ändern.
Es ist aber nicht so - das bitte ich nicht anzunehmen! -, daß die Kulturabteilung etwa - wie hier gesagt wurde - als Durchgangsstation betrachtet würde. Wohl lege ich Wert darauf, daß wir nicht nur Spezialbeamte ausbilden. Ich lege großen Wert darauf, daß die jungen Beamten eine Zeitlang, soweit sie die Qualifikation dafür besitzen, auch in der Kulturabteilung Dienst tun. Denn es ist ja nicht nur die Aufgabe des Kulturattachés, draußen Kulturpolitik zu treiben, sondern es ist die Aufgabe der gesamten Botschaft. Ich halte es nicht für gut, wenn wir hier Spezialisten züchten. Ich weiß wohl, daß der eine mehr und der andere weniger geeignet ist. Darauf wird im Rahmen der personellen Möglichkeiten auch Rücksicht genommen.
Wenn Sie nun sagen, Herr Kollege, daß in einigen Ländern - Sie haben insbesondere z. B. die Vereinigten Staaten genannt - die Voraussetzungen für eine wirklich durchschlagende Kulturpolitik nicht gegeben seien, so kann ich Ihnen in dieser Feststellung nur recht geben. Aber, meine Damen und Herren, es sind uns naturgemäß finanzielle Grenzen gesetzt, und es sind uns auch dadurch Grenzen gesetzt, daß die Auswahl der Personen, die wir brauchen, nicht leicht ist. Wenn Sie in den letzten Wochen so haben anklingen lassen, man solle doch in die Kulturabteilung und auf die Posten der Kulturattachés hoch- und höchstqualifizierte Leute berufen, dann darf ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren, daß das schon nicht möglich ist, weil wir nicht in der Lage sind, Gehälter zu zahlen wie etwa große Zeitungen, wie
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der Rundfunk oder andere Institutionen. Ich habe selbst schon Verhandlungen mit hochqualifizierten Leuten geführt, die ich gern in meiner Kulturabteilung gehabt hätte. Diese Leute haben Verträge, etwa bei den deutschen Rundfunkanstalten, die ich ihnen mit dem besten Willen nicht bieten kann. Die Folge war, daß ich diese Leute eben nicht für die Kulturabteilung des Auswärtigen Amts oder für einen Posten im Ausland gewinnen konnte.
Sie haben weiter über die Kulturpolitik in Italien gesprochen. Ich weiß nicht, ob es ganz richtig gezeichnet ist, wenn Sie sagen, in Italien oder in Rom gebe es doch einen gewissen Kreis von Liberalen, die etwas mehr an fortschrittlicher Gesinnung hätten. Ich glaube, man muß es offen und nüchtern aussprechen: Es gibt in Italien und Rom leider einen großen Teil von Menschen, die eindeutige Kommunisten sind, Leute, die die volle Unterstützung der Sowjetunion und die sämtlicher kommunistischer Staaten genießen, Hochschul und Universitätsprofessoren, Menschen, die im öffentlichen Leben stehen, die natürlich in der Lage sind, dort Kulturpolitik zu treiben, und die eben in der Lage sind, dieses „Centro Thomas Mann" zu gründen und andere Dinge mehr. Meine Damen und Herren, da werden wir niemals konkurrieren können. Ich glaube aber nicht, daß es richtig ist, diesen Personenkreis etwa als einen Kreis anzusprechen, der etwas mehr liberale Gesinnung habe und deswegen vielleicht von dem Kulturattaché in Rom nicht richtig bedient werden könne. Ich glaube, damit tut man dem Kulturattaché ein bitteres Unrecht an.
Die Frage der Rückgabe der Villa Massimo haben Sie angeschnitten. Sie haben selbst darauf hingewiesen, daß es nicht so leicht ist, sie ihrem ursprünglichen Zweck wieder zuzuführen. Sie ist ja erst vor etwa einem Jahr zurückgegeben worden, und Sie wissen es selbst, Herr Kollege, welche unsagbaren Schwierigkeiten es mit sich bringt, die Leute, die dort seit Jahren und Jahrzehnten wohnen, zu exmittieren. Hier spielen auch politische Dinge eine nicht unerhebliche Rolle. Die Leute, die darinsitzen, haben zum Teil auch recht gute Beziehungen zu gewissen Stellen der Stadtverwaltung, so daß wir uns schwer daran tun. Ich glaube, es wird noch eine geraume Zeit dauern, bis wir die Villa Massimo dem ursprünglichen Zweck wieder in vollem Umfang zuführen können. Daß inzwischen schon einiges geschehen ist, wissen Sie, glaube ich, selbst.
Sie haben dann die Frage des Gastspiels des Bochumer Schauspielhauses noch einmal angeschnitten und mir vorgeworfen, ich hätte den Anspruch angemeldet, Literaturkritiker für moderne Dramatik zu sein. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir dazu ein sehr offenes Wort. Ich maße mir nicht an, Literaturkritiker zu sein und Zensuren über deutsche Dramatiker auszuteilen. Ich maße mir aber wohl an - und ich glaube, daß ich dazu verpflichtet bin -, zu prüfen, für welche Zwecke ich Mittel aus dem Kulturfonds zur Verfügung stelle.
Sie waren der Meinung, daß Bert Brecht einer der größten Dramatiker der Gegenwart sei. Man mag darüber diskutieren. Aber ich bin wohl der Meinung, daß die späte Lyrik des Herrn Bert Brecht nur mit der Horst Wessels zu vergleichen ist.
({1}) Ich bin nicht in der Lage und habe nicht die Absicht, Mittel des Kulturfonds zur Verfügung zu stellen, um den Politiker Bert Brecht im Ausland zu fördern.
({2})
Ich bin nicht so unerbittlich, wie es etwa die Norweger waren, die bis zur Stunde dem Herrn Knut Hamsun, von dem ich glaube, daß er ein größerer Schriftsteller war als Bert Brecht, nicht verziehen haben, daß er sich einmal politisch geirrt und gegen sein Vaterland gehandelt hat. Meine Kritik an Bert Brecht ist schärfer und härter als die an Knut Hamsun. Deswegen habe ich allerdings den Vorschlag geprüft und habe mich gefragt - und ich stelle die Frage auch hier an das Haus -, ob es wirklich ein bei den nicht reichlichen Mitteln förderungswürdiger Plan war, wenn ein deutsches Theater, dessen Qualität ich nicht bestreite - ich kenne die Bühne in Bochum und kenne Schalla -, nach Paris fahren wollte, um dort die „Dreigroschenoper" von Brecht-Weill zu bringen, ein Stück, das mir - ich gebe es gern zu -, als ich es seinerzeit im Schiffbauerdamm-Theater unter Piscator gesehen habe, einen großen Eindruck gemacht hat. Ich bin sehr froh, daß ich es damals gesehen habe. Der Bert Brecht von damals war mir allerdings sympathischer als der von heute.
Dieses Theater machte also den Vorschlag, die „Dreigroschenoper", die seit 30 Jahren in der ganzen Welt über die Bühne geht, als einen besonderen Ausdruck deutschen Kulturschaffens der Gegenwart dort aufzuführen, und zweitens stand dort auf dem Spielplan „Der Marquis von Keith" von Wedekind. Ich hoffe, es war wirklich nur ein etwas mißlungener Scherz, wenn Herr Kollege Kahn-Ackermann meinte, daß ich nun hier in die Fußstapfen Kaiser Wilhelms II. und des „Dritten Reichs" getreten sei, um Herrn Wedekind zu verdammen. Ach nein, meine Damen und Herren! Ich kenne Wedekinds Stücke sehr gut. Sie haben mir zu früheren Zeiten schon sehr viel Freude gemacht. Ich weiß aber nicht, ob es ein sehr sinnvoller Ausdruck deutschen Kulturdenkens ist, wenn wir im Jahre 1957 den „Marquis von Keith" in Paris aufführen.
({3})
Darüber kann man doch wohl verschiedener Meinung sein. Und das dritte Stück auf dem Spielplan war ein Stück von Sartre in deutscher Übersetzung, das dieselbe Bühne im Jahre vorher schon in Paris aufgeführt hatte. Meine Damen und Herren, wenn ich Mittel aus dem - ich wiederhole - knappen Kulturfonds zur Verfügung stelle, Mittel des deutschen Steuerzahlers, dann halte ich mich allerdings für verpflichtet, auch den Sinn und den Zweck einer solchen Ausgabe zu prüfen, und ich war nun einmal der Auffassung - und Sie werden mich nicht davon überzeugen können, daß ich unrecht hatte -, daß es andere Dinge gab und gibt, die mehr Förderung verdienen als ein solches Gastspiel.
({4})
Deswegen habe ich diese Entscheidung getroffen. Dias ist keine Entscheidung über Wert oder Unwert der schauspielerischen Leistung der Bochumer Bühne. Das ist keine Entscheidung über Wert oder Unwert eines Dichters namens Wedekind oder eines Dichters namens Sartre. Was ich über Bert
({5})
Brecht als Politiker denke, habe ich vorhin gesagt. Ich glaubte aber, die Entscheidung treffen zu müssen. Wie soll ich denn sonst entscheiden!
({6})
- Klammern wir uns doch nicht an dieses Wort „Aussagewert"! Reden wir doch davon: Sind Sie der Meinung, daß die „Dreigroschenoper" wirklich Ausdruck der gegenwärtigen deutschen kulturellen Auseinandersetzung ist? - Nein! Sind Sie der Meinung, daß Sartre das ist? - Nein!
({7})
Sind Sie der Meinung, daß Wedekind das ist? - Nein!
({8})
- Ich weiß nicht, ob man hier das Wort „klassisch" gebrauchen soll. Aber man kann darüber diskutieren. Ich habe Ihnen aber gesagt, daß ich im Fall Bert Brecht allerdings auch politische Erwägungen angestellt habe. Das mögen Sie mir übelnehmen, aber Sie können mich nicht davon überzeugen, daß ich unrecht habe. Wenn Sie mich fragen, ob ich etwa der gleichen Meinung sei wie meine Freunde in Frankfurt, die es nicht für sehr sinnvoll hielten, daß das Frankfurter Theater nun zur bevorzugten Bühne der neuesten dramatischen Werke von Bert Brecht geworden ist, dann kann ich Ihnen allerdings sagen, daß ich voll und ganz den Standpunkt meiner politischen Freunde in Frankfurt verstehe und teile.
({9})
In diesem Zusammenhang kam mir auch die Frage nach der Erteilung oder Verweigerung der Visa für drei russische Filmschauspieler und für einen Zirkus. Nun, Herr Kollege Kahn-Ackermann, Sie haben mich mit Recht daran erinnert, und ich stehe durchaus zu meiner Erklärung, daß Kulturpolitik nicht Vorspann der Politik sein dürfe. Ich bin wohl der Meinung, daß diese politischen Aufgaben auf einem anderen Gebiet gelöst werden müssen und daß es nicht gut ist, wenn man die Kultur dazu mißbraucht, politische Effekte zu erzielen. Das letzte ist Ausdruck einer Gesinnung, die wir gottlob nicht mehr haben. Wir wissen aber leider, daß diese Erkenntnis nicht allgemein ist und daß sie beispielsweise in dem Land nicht gilt, das für seinen Zirkus die Visa beantragt hatte. Man kann nun überhaupt darüber streiten, ob es wirklich zum Thema Kulturpolitik gehört, ob ein Zirkus ein Visum bekommt. Ich halte das nicht für ganz eindeutig geklärt. Aber ich wiederhole eine Erklärung, die ich über die Frage abgegeben habe: Solange die sowjetrussische Regierung Hunderttausenden von deutschen Menschen das Visum für die Heimreise verweigert, sehe ich keinen zwingenden Grund dafür, einem russischen Clown das Visum für die Einreise zu erteilen.
({10})
- Meine Damen und Herren, ich bin allerdings überzeugt, daß ich durch meine Entscheidung dieses Anliegen fördere; denn in solchen Fällen und in solchen Situationen ist, glaube ich, die ständige Nachgiebigkeit die falscheste Politik.
({11})
- Ach, jetzt kommt die abgespielte Platte von der Politik der Stärke. Meine Damen und Herren, machen wir hier doch keine Scherze! Sehen Sie es als einen Ausdruck der Politik der Stärke an, wenn ich einem russischen Zirkus das Visum verweigere? Machen Sie sich doch nicht lächerlich mit solchen Zwischenrufen! Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir vielleicht einmal eine Aussprache darüber führten, warum die Sowjetunion, wie gesagt, bisher deutsche Menschen gegen ihren Willen zurückhält, warum die Sowjetunion es nicht zuläßt, daß deutsche Menschen die deutsche Botschaft aufsuchen, um sich dort über ihre Rückreisemöglichkeiten zu unterhalten, warum die Sowjetregierung die deutschen Menschen, die in Moskau ansässig waren, zwangsweise in andere Gegenden transportiert hat, um ihnen die Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes mit der deutschen Botschaft zu nehmen.
({12})
Diese Fragen interessieren mich mehr als ein Zirkus.
({13})
Es ist weiter davon gesprochen worden, daß in dem Austausch der Studenten, einmal der deutschen Studenten nach dem Austauschland, zum zweiten der ausländischen Studenten nach dem Inland, mehr geschehen müsse. Meine Damen und Herren, wir wissen - das ist übrigens nicht eine Frage, die in meinen Haushalt und in meine Zuständigkeit fällt -, daß leider, wie Sie gesagt haben, Herr Kollege, die Zahl der deutschen Studenten, die ins Ausland gehen, abgenommen hat. Ich kann nur sagen: leider. Als ich vor einiger Zeit einmal darüber sprach, habe ich mich erkundigt. Es ist heute nicht mehr leicht, qualifizierte Studenten überhaupt zu veranlassen, einmal im Ausland zu studieren. Sie wollen alle fertig werden, sie glauben, daß sie Zeit verlieren, und wir erfahren es tatsächlich, daß der Wunsch an uns nicht mehr herangetragen wird. Ich wiederhole: von qualifizierten Studenten. Wir können sie ja nicht mit Zwang hinausschicken. Hier teile ich voll und ganz das Bedauern, das Sie ausgedrückt haben, und ich würde es begrüßen, wenn etwa von den Kultusministern der Länder, von den Universitäten und den Rektoren am Ort ein bißchen Einfluß auf die jungen deutschen Studenten ausgeübt würde, wenn ihnen gesagt würde, wie ungeheuer wichtig ein einigermaßen ausreichender Aufenthalt im Ausland ist. Daß ich persönlich mich dafür einsetzen würde, hier zu helfen, kann ich nur mit Nachdruck versichern.
Herr Minister, wissen Sie, daß z. B. der Grund, warum sie nicht gern im Ausland studieren, in der Nichtanerkennung der Examina und der Nichtanrechnung der Semester liegt und daß es auch in der Verantwortung
({0})
Ihres Ressorts liegt, die europäischen Kulturabkommen, die geschlossen worden sind, Wirklichkeit werden zu lassen? Da, glaube ich, gäbe es manches zu tun, was an Initiative von seiten der Bundesregierung versäumt worden ist!
Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich weiß, daß das Tauch ein Grund ist; ich weiß, daß deswegen viele Studenten nicht hinausgehen. Ich weiß, daß leider auch sehr viele Wissenschaftler nicht hinausgehen, weil sie nicht wissen, ob sie den Platz, den sie bisher eingenommen haben, wiederfinden, wenn sie zurückkommen. Aber ich glaube, Sie überschätzen meine Möglichkeiten. Das sind Fragen, die letztlich nur in der Zuständigkeit der Kultusminister der Länder liegen.
({0})
Was ich hier tun kann, meine Damen und Herren, davon dürfen Sie überzeugt sein, tue ich. Aber es ist nicht ganz einfach, hier mit den Kultusministern, mit denen ich eine sehr gute Zusammenarbeit habe - ich möchte mich gar nicht beschweren -, über die Frage ,der Anrechnung vom im Ausland verbrachten Semestern einig zu werden. Herr Kollege Kahn-Ackermann, ich würde Sie bitten, vielleicht selbst einmal bei den einzelnen Kultusministern, die Ihnen zum Teil persönlich bekannt sind, ,anzufragen. Sie werden hören, daß wir in dieser Frage nichts unterlassen haben, daß wir aber Schwierigkeiten bei den Referenten der Kultusminister hatten. Das soll keine Anklage sein. Es soll Ihnen aber sagen, daß hier meine Möglichkeiten eben eine Grenze haben.
Das gilt auch für die von Ihnen angeschnittene Betreuung der ausländischen Studenten in der Bundesrepublik. Wir haben Ausschüsse dafür gegründet zusammen mit den Länderregierungen, mit den Rektoren, mit den Vertretern der Studentenschaften. Aber es ist ja nicht möglich, daß das Auswärtige Amt nun die Betreuung dieser Studenten übernimmt. Dazu würde auch meine Kulturabteilung wirklich nicht ausreichen. Das ist eine Frage, die natürlich wieder in ,die klare Zuständigkeit der Länder fällt.
Sie sagten: Wohnheime bauen! Ich wäre sehr froh, wenn mir die Mittel zur Verfügung stünden, in Deutschland und auswärts Wohnheime für Studenten zu bauen und sie dort aufzunehmen. Aber ich fürchte, daß ich die Bewilligungen dafür nicht durchsetzen werde. Ich weiß auch nicht einmal, ob die Länder, die ja nicht wünschen, daß wir uns unmittelbar in Angelegenheiten und Aufgaben einschalten, die ihrer Zuständigkeit unterliegen, mit einer solchen Malnahme einverstanden wären.
Was wir tun können, um die ausländischen Studenten bei uns zu fördern, ich glaube, geschieht, und es ist noch niemals ein Anliegen an mich herangetragen worden, ,das ich nicht bearbeitet hätte. Es ist auch niemals eine Beschwerde an mich herangetragen worder.
Aber wenn Sie etwa das Problem der Unterbringung von sogenannten farbigen Studenten nennen - ich habe mich damit natürlich beschäftigt, und ich habe einiges darüber gelesen. Ich versichere Ihnen, daß ich nicht wüßte, was ich selbst tun könnte; es sei denn, daß ich selbst - unid das habe ich getan - die Länderregierungen, die Rektoren und Professoren und die Studentenschaf ten anschreibe und sie bitte, sich hier einzuschalten und das zu tun, was Sie vorgeschlagen haben: diese Menschen als Gäste aufzunehmen, so wie sie es verdienen, ihnen behilflich zu sein, wenn Vorurteile laut werden, ,die ihren Aufenthalt erschweren könnten. Mehr zu tun bin ich allerdings leider nicht in der Lage.
Sie haben dann noch von den Auslandsbesuchen gesprochen. Ich will mich gern erkundigen, wie diese Sache steht, von der Sie sprachen, daß die britische Regierung es abgelehnt habe, Einladungen weiterzugeben. Ich weiß aber, daß es sich hier, wenn ich recht unterrichtet bin, um einen Ausschuß handelt, dem auch Parlamentarier angehören, die nun gebeten haben, daß ihnen Unterlagen über diejenigen vorgelegt werden, die eingeladen werden sollen. Ob das ein glückliches Verfahren ist, weiß ich nicht. Ich bin bereit, es zu revidieren und es auch mit diesem Ausschuß der Abgeordneten zu besprechen, wenn sich Unzuträglichkeiten herausgestellt haben sollten.
Sie sprachen zum Schluß noch von der Treuhandverwaltung. Ich darf auf Bemerkungen verweisen, die in der Position 33 der Anlage zum Haushaltsplan enthalten sind. Ich habe darauf hingewiesen, daß viele der Gegenstände, die von dem Collecting Point übernommen worden sind. noch vorhanden sind, weil ja die Eigentumsverhältnisse noch nicht geklärt sind. Es ist nicht nur die Frage: Eigentum Bund oder Land?, sondern es wird noch der Eigentümer oder sein Erbe gesucht. Dieser Treuhandverwaltung sind auch andere im „Dritten Reich" abhandengekommene und wieder aufgefundene Dinge unterstellt, um ebenfalls den rechtmäßigen Eigentümer zu finden. Zu diesem Aufgabenbereich gehört auch die Suche nach Kunstgegenständen, die im Krieg oder in den Wirren der Nachkriegszeit abhandengekommen sind, zum Teil vielleicht ins Ausland oder sonst in unrechte Hände. Ich 'bin mit Ihnen der Meinung, daß diese Position selbstverständlich auslaufen sollte. Ich weiß nicht, wann der Zeitpunkt gekommen ist. Aber ich bin gern bereit, darüber, wenn Sie das einmal wünschen, nähere Auskunft zu erteilen.
Im übrigen - ich wiederhole - behalte ich mir vor, zu Einzelfragen, die Sie, Herr Kollege Kahn-Ackermann, gestellt haben und auf die ich im Moment keine erschöpfende Auskunft zu geben weiß, noch zurückzukommen, eventuell durch einen Brief, wenn mir das Stenogramm Ihrer Rede vorliegt.
(Beifall bei ({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat leider auch in diesem Jahr wieder Veranlassung, ihr Bedauern auszudrücken, daß die personelle Ausstattung der Unterabteilung Osten, insbesondere der Referate, die eine deutsche Ostpolitik tragen müssen, völlig unzureichend ist.
({0})
Als ich den Schriftlichen Bericht des Kollegen Dr. Vogel*) zur Hand nahm und gleich im zweiten Absatz las, daß die Personalkosten des Auswärtigen Dienstes um 10 Millionen DM erhöht worden sind,
*) Siehe Anlage 4.
({1})
hatte ich eigentlich die Hoffnung, daß ich, wenn ich den Bericht zu Ende lese, endlich erfahren werde, daß die für uns so entscheidenden Referate in der Unterabteilung Osten von diesen 10 Millionen wenigstens etwas abbekommen haben. Aber, Herr Kollege Dr. Vogel, diese hoffnungsvolle Bemerkung am Anfang Ihres Berichtes hat leider völlig getrogen. Nicht einmal eine halbe Schreibmaschinenkraft ist dabei für die Referate abgefallen, ohne deren ausreichende Ausstattung eine deutsche Ostpolitik einfach nicht möglich ist.
({2})
- Ich komme gleich darauf.
Ich weiß nun wirklich nicht, wohin ich meine Ausführungen richten soll. Ich freue mich, daß der Herr Bundesfinanzminister bei der Beratung dieser Fragen heute anwesend ist.
({3})
Wir haben von dem Herrn Bundesaußenminister im Auswärtigen Ausschuß so häufig die Zusicherung bekommen, daß er alles tun wolle, um diesen Vorwürfen und Beanstandungen, die von den verschiedensten Fraktionen im Laufe der Jahre gekommen sind, Rechnung zu tragen. Es mag deshalb vielleicht sein, daß der Herr Bundesaußenminister dem Herrn Bundesfinanzminister bereits im Kabinett unterlegen ist. Das mag der Grund sein, weshalb die Regierungsvorlage nur eine einzige Oberregierungsratsstelle von uns gefordert hat. Dann ist es vielleicht ganz gut, einmal den Herrn Bundesfinanzminister auch hier im Plenum sehr dringend darum zu bitten, diese Personalwünsche nicht unter die allgemeine Rubrik zu bringen, in die man solche Vermehrungswünsche leicht zu bringen geneigt ist, sondern einzusehen, daß es hier um weitaus mehr geht.
Ich habe auch den Eindruck, daß das Parlament selbst mit all seinen Mitgliedern noch gar nicht einmal recht weiß, wie unerhört dürftig die personelle Ausstattung dieser wichtigen Referate ist. Es wird gewöhnlich von der Abteilung Osten mit, was weiß ich, 25 oder 26 Referenten und Hilfsreferenten gesprochen. Das ist keineswegs die Frage, um die es hier geht. Denn die Unterabteilung Osten erstreckt sich von den Ostgrenzen der Bundesrepublik bis China und Japan, und der ganze asiatische Raum hängt mit dran.
Davon reden wir nicht. Wir sprechen von den Referaten, die wirklich die deutsche Ostpolitik tragen sollen. Das ist einmal das Referat Sowjetunion; ich will es hier ausklammern. Das Referat Sowjetunion war ursprünglich wohl das einzige, das nicht nur den Bereich der Sowjetunion, sondern auch den Bereich der ganzen Ostblockstaaten, der Satellitenstaaten, mit umfaßte. Der Bereich der Satellitenstaaten, der für die Entwicklung der deutschen Ostpolitik gar nicht überschätzt werden kann, wird im Augenblick von einem einzigen Referenten und einem Hilfsreferenten verwaltet und betreut, denen nicht einmal ausreichende Hilfskräfte zur Verfügung stehen.
({4})
Herr Bundesfinanzminister, das ist die Situation!
Herr Dr. Vogel, Sie haben doch während Ihrer Anwesenheit bei den Beratungen im Auswärtigen
Ausschuß erfahren, daß von den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen - nicht etwa nur von meiner Fraktion -, die für diese Fragen besonderes Interesse zeigen, immer wieder gesagt worden ist, hier müsse doch etwas geschehen. Es ist bedauerlich, wenn die Regierung nicht mehr als eine Oberregierungsratsstelle verlangt. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie bewilligt ist; vielleicht können Sie es mir sagen. Aber bei einer Personalvermehrung um 10 Millionen DM hätten einige hunderttausend Mark - ich weiß nicht, ob es überhaupt die Summe von mehreren hunderttausend Mark erreicht hätte - bereitgestellt werden müssen. Denn daß die personelle Ausstattung dieser wichtigen Referate völlig unzureichend ist, hat auch der Bundesaußenminister, wenn ich seine Worte recht in Erinnerung habe, im Auswärtigen Ausschuß bei wiederholten Gelegenheiten nicht bestreiten können. Ich richte also diese sehr herzliche und dringende Bitte sowohl an das Auswärtige Amt, an seinen Minister, aber auch an das Bundesfinanzministerium. Herr Dr. Vogel, so oft haben sich in dieser Beziehung die Hoffnungen auf Ihre Person gerichtet, weil Sie ja der Berichterstatter und der Referent des Haushaltsausschusses sind; daß aber auch in diesem Jahre all die zähen Bemühungen wieder völlig ohne Ergebnis gewesen sind, ist ein Zustand, den wir aufs tiefste bedauern. Dabei scheinen doch, wie ich auch aus Ihrem kurzen Schriftlichen Bericht ersehe, einige Möglichkeiten durchaus vorhanden zu sein, um etwa unzulässige, unerwünschte und unnötige Vermehrungen zu vermeiden.
Sie haben an einer Stelle die interessante Bemerkung gemacht, man erkenne allgemein an, daß der höhere Wirtschaftsdienst im Auswärtigen Dienst übersetzt sei. Nun, da es sich, wie ich gesehen habe, um TO.A.-2-Stellen handelt, in Mehrheit also um Stellen im Angestelltenverhältnis, wäre doch nichts einfacher gewesen, als die allgemein anerkannte Übersetzung des höheren Wirtschaftsverwaltungsdienstes zu beseitigen. Diese wirtschaftlich qualifizierten Kräfte werden doch sicherlich irgendwo anders eine Beschäftigung finden, meinetwegen im öffentlichen Dienst, meinetwegen in der Wirtschaft. Mit den freiwerdenden Mitteln hätte man endlich eine ausreichende personelle Ausstattung dieser Referate erreichen können.
Meine Damen und Herren, ich bitte, diese nun, glaube ich, zum vierten Male von uns vorgebrachten Beanstandungen doch mit dem Ernst zur Kenntnis zu nehmen, der der Bedeutung dieser Frage entspricht. Ich richte meine Bitte an alle Beteiligten und erwarte auch, daß die Bundesregierung die Bereitwilligkeit des Parlaments, vielleicht auch des Haushaltsausschusses, auf diesem Gebiet etwas zu tun, dadurch unterstützt, daß sie im Hinblick auf die Bedeutung dieser Frage im Kabinett erst einmal zu einem Beschluß und dann zu einer Vorlage kommt, die sich wirklich vertreten läßt.
Dann eine zweite Frage! In dem Schriftlichen Bericht des Herrn Kollegen Dr. Vogel wird - als Meinung des Herrn Bundesaußenministers - angekündigt, der Herr Bundesaußenminister erwäge zur Vermeidung gewisser Zweigleisigkeiten die Zusammenlegung der Politischen Abteilung und der Länderabteilung. Ich entsinne mich noch sehr genau einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses, wenige Wochen nachdem der Herr Bundesaußenminister sein Amt übernommen hatte. Auch damals wurde diese Frage besprochen, und auch damals sagte uns der Herr Bundesaußenminister, daß er diese Dinge sehr gut kenne und daß er selbstver1 ({5})
ständlich in eine Erwägung eintreten werde, diese Zweigleisigkeit, die nach meiner Überzeugung eine völlige Anomalie der ganzen Organisation des Amtes darstellt, zu ändern.
Inzwischen ist wieder mindestens ein Jahr vergangen. Wir haben uns gefreut, daß die Bemerkung des Herrn Außenministers, er werde in Erwägungen eintreten, sogar in dem Bericht des Haushaltsausschusses enthalten ist und damit ins Protokoll geht. Ich möchte daran die sehr herzliche Bitte knüpfen, diese Erwägungen so weit voranzutreiben, daß die Zweigleisigkeit in der Bearbeitung außenpolitischer Angelegenheiten im Auswärtigen Amt sehr bald aufhört. Man muß einmal selbst, wie es mir mehrfach gegangen ist, folgendes Erlebnis gehabt haben, um sich sagen zu können, daß es so doch nicht weitergehen konnte. Wenn Sie mit Referaten der Länderabteilung, um ein Beispiel zu nennen, irgend etwas zu besprechen haben und zu einer Frage kommen, in der ein gewisser politischer Gehalt steckt, dann hören Sie häufig die Antwort: Hier hört meine Zuständigkeit auf, jetzt beginnt die Zuständigkeit der Politischen Abteilung.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es braucht nicht vieler Worte, um zu begründen, daß es so nicht richtig sein kann. Sie teilen hier die Arbeit des auswärtigen Dienstes an einer Stelle, wo es keine echte Scheidungslinie gibt. Wir wissen ja alle, wie es zu der Bildung der politischen Abteilung gekommen ist, die auch einmal als der Kreis der Halbgötter des Auswärtigen Amts bezeichnet worden ist. Herr Außenminister, Sie täten dem Amt und den schweren Aufgaben, die Ihrem Amt bevorstehen, den besten Dienst, wenn Sie schnell eine ' Gliederung Ihres Amtes unter Beseitigung dieses Kreises der Halbgötter vornähmen und jedem Referat und jeder Abteilung die volle politische Verantwortung für das zuwiesen, was zu bearbeiten sie übernommen haben.
Zum Schluß aber noch einmal die herzliche Bitte - auch wenn ich keinen besonderen Antrag stellen kann; hinsichtlich der personellen Vermehrung muß uns die Regierung selber Vorschläge machen; jedenfalls weiß ich, daß ich die Zustimmung vieler Kollegen im Hause habe -: Wege zu suchen, um die wenigen Mittel, die zu einer wirkungsvollen Verbesserung der personellen Ausstattung der Referate für den Osten notwendig sind, irgendwie zu beschaffen; wenn ich die Dinge richtig sehe, muß das möglich sein. Das ist das Anliegen, das ich für meine Freunde vorzubringen habe.
({6})
Meine Damen und Herren, ich habe zur allgemeinen Aussprache noch zwei Wortmeldungen vorliegen. Es hat wohl keinen Sinn, daß ich jetzt, fünf Minuten vor 1 Uhr, noch das Wort erteile. Sonst müßte der Redner, wenn wir die Vereinbarung, rum 13 Uhr Pause zu machen, einhalten wollen, mitten in seinen Ausführungen unterbrechen. - Das Haus ist damit einverstanden, daß ich die Sitzung jetzt unterbreche.
Ich mache das Haus darauf aufmerksam, daß nach interfraktioneller Vereinbarung im Anschluß an die Unterbrechung nicht mit der Beratung des Haushalts, sondern mit Punkt II a und b, also der ersten Lesung der Verträge, fortgefahren wird. Im
Anschluß daran werden die Haushaltsberatungen fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 30.
({0})
Die Sitzung wird fortgesetzt. Ich rufe Punkt II der heutigen Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu den Verträgen vom 25. März zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft ({0});
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Euratom ({1}).
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung lege ich hiermit die Verträge über die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft dem Bundestag vor und bitte das Hohe Haus, diesen Verträgen zuzustimmen.
Lassen Sie mich daran erinnern, daß heute vor sieben Jahren der damalige französische Außenminister Robert Schuman den Vorschlag machte, die Europäische Montangemeinschaft zu errichten. Dieser Vorschlag eines weitblickenden europäischen Politikers war der Ausdruck der Erkenntnis, daß die Zeit vorüber war, in der zu klein gewordene europäische Nationalstaaten ihr Leben so gestalteten, daß sie ihre Interessen gegeneinander führten. Er war der Ausdruck einer neuen Bereitschaft, einer Umstrukturierung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in der Welt Rechnung zu tragen. Darum war auch die Bundesregierung damals sofort bereit, sich diesem Appell nicht zu verschließen, sondern alles zu tun, um den darin enthaltenen wirklich neuen, ich möchte sagen, revolutionären Gedanken zu verwirklichen.
Es ist begreiflich, daß solche Erkenntnisse sich nicht an einem Tage durchsetzen. Es bedarf einer gewissen Entspannung, es bedarf einer Zeit des Umdenkens. Ich glaube, daß wir mit den Verträgen, die ich heute vorlege, einen Ansatzpunkt erreicht haben, von dem wir sagen können: Wenn diese Verträge ratifiziert werden - ich zweifle nicht daran, daß in allen sechs Ländern die Entschlossenheit dazu besteht -, dann wird damit der erste reale Ansatzpunkt für die Verwirklichung des Fernziels geschaffen, eine echte europäische wirtschaftliche u n d politische Gemeinschaft zu errichten.
Es war damals ein Schritt, der überall in der Welt Aufsehen erregte, ja auch Verstimmung weckte, als die Regierungen der Bundesrepublik, Frankreichs, Italiens, Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs sich für die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl einsetzten. Man hat damals vorgesehen - es wurde später auch verwirklicht -, dieser neuen Gemeinschaft ein Verwaltungs- und Exekutivorgan in der Form der Hohen Behörde zu geben, das einem gemeinsamen Parlament - wenn auch nicht voll
({0})
und ganz - verantwortlich sein sollte. Der Zweck dieser Montangemeinschaft - ich darf daran erinnern - war die Schaffung eines großen Gemeinsamen Marktes ohne Zölle, ohne Diskriminierungen und ohne Beschränkungen, vorläufig ¡allerdings nur auf dem Gebiete von Kohle und Stahl.
Wenn die Bundesregierung damals diesem Gedanken zustimmte und alles tat, um ihn zu verwirklichen, geschah das nicht aus opportunistischen, nicht aus vorwiegend ökonomischen Erwägungen, obwohl die deutsche Grundstoffindustrie damals ja noch einer besonderen Kontrolle unterlag und ein solches Interesse legitim gewesen wäre.
Wir haben auch dem Schuman-Plan nicht zugestimmt, um gewisse technische Fortschritte in der Vereinheitlichung und Rationalisierung des europäischen Wirtschaftsprozesses zu erzielen. Auf diesem Gebiete hatte der im Jahre 1948 bereits gegründete Europäische Wirtschaftsrat sehr nützliche und in mancher Hinsicht vorbildliche Arbeit geleistet.
Für die Schaffung der Montangemeinschaft im Sinne des Vorschlags von Robert Schuman haben wir uns damals eingesetzt, weil wir in ihm eine Vorstufe des politischen Zusammenschlusses der europäischen Völker gesehen haben. Ich darf daran erinnern, daß uns in der Debatte, die wir seinerzeit in diesem Hause führten, auch von allen Rednern dieses Hauses gesagt wurde, es könne und dürfe nicht bei dieser Teilintegration bleiben. Sie habe nur Sinn und Aussicht, bestehen zu können, wenn ihr eine fortschreitende Integration auf anderen Gebieten, insbesondere wirtschaftlichen Gebieten, folge.
1 Nun, heute wissen wir, was es bedeutet hat, daß zu Beginn des Jahres 1953 der Gemeinsame Markt für Kohle und für Stahl errichtet worden ist. Es entstand - so wie wir das :erhofft und erwartet hatten - eingroßer, einheitlicher Wirtschaftsraum für die Grundstoffindustrien unserer sechs Länder, ein Wirtschaftsraum, dessen Stahlproduktion heute unmittelbar jener der Vereinigten Staaten folgt und 20 % der Weltproduktion umfaßt, ein Wirtschaftsraum, dessen Kohleproduktion nur noch von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion übertroffen wird.
Keine der zahlreichen pessimistischen Prognosen ist eingetreten, die damals eine Verkümmerung der europäischen Wirtschaftsinitiative und des europäischen technischen Fortschritts unter der neuen Integration voraussagten. Vielmehr hat sich erfüllt, was wir erhofft und erwartet hatten: eine unablässige Steigerung der Produktion in allen Bereichen, namentlich auch im Bereich der Schwerindustrie.
Wir waren uns damals in Deutschland und in den übrigen Staaten der Montangemeinschaft darüber im klaren, daß 'diese Teilintegration - ich sagte es schon - nicht für sich allein bleiben dürfe, sondern daß ihr ein umfassender Zusammenschluß folgen sollte. Ich darf daran erinnern, daß unmittelbar nach Inkrafttreten der Kohle- und Stahl-Gemeinschaft von parlamentarischer Seite aus, unter Beteiligung auch von Abgeordneten dieses Hauses, der Versuch unternommen wurde, ein Statut für eine europäische politische Gemeinschaft auszuarbeiten. Der darin vorgesehenen politischen Behörde sollten nicht nur die durch den Montangemeinschaftsvertrag und den damals noch nicht ratifizierten und später im französischen Parlament abgelehnten Vertrag über die Verteidigungsgemeinschaft vorgesehenen Organe eingegliedert werden, sondern diese Behörde sollte auch konkrete Vollmachten auf dem Gebiete der Außenpolitik, der Finanzen, der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik erhalten.
Wir wissen, daß sich diese Vorstellungen nicht verwirklichen ließen. Aber ich kann mit Befriedigung feststellen, daß auch die Enttäuschung, die das Scheitern dieser Pläne und dieser Hoffnungen ausgelöst hatte, nicht dazu geführt hat, daß nun in den beteiligten Ländern die Verantwortlichen die Hände in den Schoß legten, sondern überall haben sich wieder die politischen Menschengefunden, die sagten, daß man dann auf anderem Gebiet, mit anderen Methoden und in anderen Formen diese Politik der europäischen Integration vorantreiben müsse.
Das wesentlichste Ergebnis dieser gemeinsamen Arbeit liegt Ihnen heute in Form der beiden Verträge vor. Vielleicht ist es für die Stabilität dieses Organismus, den wir schaffen wollen, ganz gut und vorteilhaft, daß dieser Zusammenschluß, dieser Gemeinsame Markt nicht einem Überschwange des Gefühls sein Entstehen verdankt, sondern seine Grundlage findet in einem mühsam ausgehandelten - aber, so glaube ich -, darum auch traigfähigen Kompromiß.
Ich kann nur, wenn ich an diese Arbeit denke, ein Wort der Dankbarkeit und der Anerkennung für denjenigen finden, der sich unermüdlich bemüht hat, diese europäische Zusammenarbeit zu verstärken, der sich unermüdlich bemüht hat, auch dann, wenn unüberwindliche Hindernisse im Wege zu stehen schienen, eine Verständigung zu suchen. Es ist der belgische Außenminister Paul Henri Spaak.
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Er war es 'auch - ich darf daran erinnern -, der in seinem Memorandum vom Frühjahr 1955, das er an die übrigen Mitgliedstaaten der Montanunion richtete, die Schaffung eines einheitlichen europäischen Wirtschaftsraums durch die Bildung eines großen Gemeinsamen Marktes, den Ausbau gemeinsamer Institutionen, die fortschreitende Verschmelzung der nationalen Wirtschaften und die allmähliche Angleichung ihrer Sozialpolitik forderte.
Daneben kam der Gedanke einer Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Atomforschung auf, jenem hochspezialisierten Gebiet wissenschaftlicher Arbeit und industrieller Fertigung, dessen Investitionskosten heute in allen seinen Bereichen schon so gewaltig sind, daß selbst die größten Weltmächte diese Aufwendungen nur mit Mühe zu tragen vermögen. Angesichts des unbestreitbaren Rückstandes der industriellen Entwicklung der Bundesrepublik in diesem Bereich war eine gemeinschaftliche Betätigung zusammen mit 'anderen Staaten besonders naheliegend.
Das sind, meine Damen und Herren, in kurzen Worten die wesentlichen Erwägungen, die die Bundesregierung veranlaßt haben, in die Vertragsverhandlungen über die Schaffung eines europäischen Gemeinsamen Marktes und einer Europäischen Atomgemeinschaft einzutreten.
Ich möchte vermeiden, das zu wiederholen, was in meiner Vertretung der Herr Staatssekretär Professor Hallstein in der 200. Sitzung des Deutschen
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Bundestages am 21. März zu diesem Thema gesagt hat. Ich möchte mich vielmehr darauf beschränken, auf diese Erklärungen Bezug zu nehmen und darauf hinzuweisen, daß alle Beweggründe, die für die Bundesregierung bei dem Zustandekommen dieses bedeutungsvollen Vertrages maßgebend waren, dort angesprochen worden sind.
Die Debatte hier im Bundestag, die sich an diese Erklärung angeschlossen hat, war, ich darf das mit Dankbarkeit feststellen, wertvoll und fruchtbar, und sie hat Anregungen auch für die künftige materielle Ausfüllung des ganzen Vertragswerkes gegeben.
Ich möchte weiter Bezug nehmen auf die Begründung des Gesetzentwurfes, der Ihnen vorliegt. Sie finden darin auch detaillierte Erläuterungen zu jeder wesentlichen einzelnen Vertragsbestimmung.
Ich habe schon gesagt, es ist eine Unsumme von Kleinarbeit in diesen beiden Vertragswerken enthalten, und es mußten - ich leugne das nicht - zahlreiche Kompromisse zum Ausgleich der nun einmal widerstrebenden Interessen geschlossen werden. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß die beteiligten Länder in Jahren und Jahrzehnten der Vergangenheit in einer nationalwirtschaftlichen, zum Teil mit der Vorstellung der Autarkie gewachsenen Wirtschaftsordnung sich gegenüberstanden und daß es schwer - aber möglich - war, diese widerstrebenden, zum Teil legitimen Interessen und Vorbehalte in diesem Vertragswerk miteinander in Einklang zu bringen.
Meine Damen und Herren! In der ersten Debatte hier im Bundestag ist von allen Rednern des Hauses eine grundsätzliche Zustimmung zu den Zielen und Vorstellungen dieser Verträge zum Ausdruck gebracht worden. Ich glaube deswegen, daß ich mich auf kurze grundsätzliche Bemerkungen beschränken darf.
Ich habe gesagt, daß diese Debatte wertvolle Anregungen gab, und möchte das noch einmal unterstreichen und auf zwei besonders wichtige Punkte eingehen.
Der deutsche Interzonenhandel hat in den letzten Besprechungen in Rom am 25. März unmittelbar vor der Unterzeichnung der Verträge eine Regelung gefunden, die den Anregungen entspricht, die in diesem Hohen Hause am 21. März vorgebracht worden sind. Es ist nunmehr ausdrücklich festgestellt, daß der Handel zwischen den deutschen Gebieten innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik und den deutschen Gebieten außerhalb dieses Geltungsbereichs Bestandteil des innerdeutschen Handels ist und daß die Anwendung des Vertrags über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Deutschland keinerlei Änderung des bestehenden Systems des Interzonenhandels nach sich zieht.
Die Regierungen der sechs vertragschließenden Staaten haben ferner in einer gemeinsamen Erklärung im Hinblick auf die besondere Lage Berlins die Notwendigkeit seiner Unterstützung durch die freie Welt ausdrücklich anerkannt und zugesagt, sich in der Gemeinschaft dafür einzusetzen, daß - ich zitiere - „alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins zu erleichtern,
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seine Entwicklung zu fördern und seine wirtschaftliche Stabilität zu sichern."
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Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir unseren Vertragspartnern doch Dank schulden für das Verständnis, das sie durch diese Erklärung diesem besonderen Anliegen unserer deutschen Politik entgegengebracht haben. Wieder ein Zeichen dafür, meine Damen und Herren, daß das Bewußtsein dieser europäischen Solidarität ständig im Wachsen ist und daß wir wirklich nur eine deutsche Aufgabe, eine Aufgabe der deutschen Politik erfüllen, wenn wir durch die Zustimmung zu diesen Verträgen diese Entwicklung fördern.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, der sich mit den Abänderungswünschen beschäftigt, die vom Bundesrat anläßlich seiner Zustimmungserklärung geäußert worden sind. Ich stelle zunächst mit großer Befriedigung fest, daß der Bundesrat sich entschlossen hat, diesen beiden Verträgen einstimmig zuzustimmen.
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Ich begrüße das besonders, weil ich wohl weiß, daß diese Verträge auch in die Wirtschaft der Länder eingreifen und daß man mit Recht einmal gewisse Sorgen äußern kann. Sie sind auch angesprochen worden, aber der Bundesrat hat doch die politische und wirtschaftliche Bedeutung des Gesamtwerks, wie ich glaube, richtig erkannt und seine Bedenken zurückgestellt, als er - ich sagte es schon -diesen Verträgen einstimmig seine Zustimmung erteilte.
Die Wünsche des Bundesrates beziehen sich einmal auf die Beteiligung des Bundesrates bei der Bestellung der Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Gemeinschaft. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat zu dieser Frage, die, wie ich glaube, sehr sorgfältiger Prüfung bedarf, noch nicht materiell Stellung genommen. Aber ich möchte der Meinung Ausdruck geben, daß, wie auch die Entscheidung zu dieser Frage ausfällt, sie nur einheitlich für die verschiedenen europäischen parlamentarischen Versammlungen getroffen werden sollte. Ich darf mir vorbehalten, den Standpunkt der Bundesregierung bei der Beratung im Ausschuß noch zu präzisieren.
Der zweite Änderungsvorschlag des Bundesrates bezieht sich auf die Mitwirkung bei der Erteilung von Weisungen an die deutschen Regierungsvertreter im Ministerrat der Gemeinschaft. Die Bundesregierung wird der ihr schon durch das Grundgesetz aufgegebenen Informationspflicht gegenüber dem Bundesrat in weitestem Umfang nachkommen. Schon die Vertragsvorbereitungen haben die Nützlichkeit solcher gemeinsamen Beratungen von Bundesrat und Bundesregierung in Fragen, die die Länder unmittelbar berühren, ergeben. Ich verkenne auch in keiner Weise das berechtigte Interesse des Bundesrates, an einer solchen rechtzeitigen Unterrichtung, an einer, ich möchte sagen, laufenden Konsultation. Aber, meine Damen und Herren, ein unmittelbares Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei der Erteilung von Weisungen an die Mitglieder des Ministerrats scheint mir kaum denkbar, und ich weiß auch nicht, ob dieser Gedanke sich mit der verfassungsmäßigen Ordnung überhaupt in Einklang bringen ließe. Mitglieder des Ministerrats sind zunächst die Minister. Also ein Mitglied der deutschen Bundesregierung wird
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in dem Ministerrat der Gemeinschaft die deutsche Bundesrepublik vertreten. Dieser Minister, dieses Mitglied der Bundesregierung, ist einmal an die Kabinettsbeschlüsse gebunden und zum zweiten dem Deutschen Bundestag verantwortlich. Ich glaube daher, ein mitbestimmendes Weisungsrecht des Bundesrates könnte hier unter Umständen zu Schwierigkeiten führen, die auch von dem, der die Weisungen auszuführen hätte, kaum gelöst werden könnten. Wenn auf der anderen Seite nicht ein Minister, sondern ein Beamter eines Ministeriums im Ministerrat oder in einem Ausschuß des Ministerrats tätig wird, dann erhält er seine Weisungen naturgemäß von dem Ressortminister. Ich kann mir auch nicht denken, daß eine Weisungserteilung durch eine dritte Stelle, durch den Bundesrat, gut und nützlich wäre.
Meine Damen und Herren, ich meine, daß wir auch diese Frage im Ausschuß in aller Offenheit diskutieren sollten. Denn ich bin durchaus bereit - und ich glaube, das auch im Namen der Bundesregierung sagen zu können; wie gesagt, wir haben diese Frage im Kabinett noch nicht diskutiert -, den von mir durchaus anerkannten und berechtigten verständlichen Wünschen der Länder in jeder Weise entgegenzukommen. Ich unterstreiche noch einmal, daß ich wohl verstehe und bereit bin, auch anzuerkennen, daß die Länder ein echtes Interesse an dieser Entwicklung haben und daß wir auch gemeinsam alles tun sollten, um nachteilige Einwirkungen der Entwicklung von dem einen oder anderen Lande fernzuhalten. Ich zweifele nicht, daß wir hier eine uns beide befriedigende Lösung finden werden.
Ich habe auf die politische Bedeutung dieser Verträge hingewiesen. Ich möchte aber auch noch ein Wort zu der wirtschaftspolitischen Bedeutung sagen. Ich möchte daran erinnern, daß der Anteil der sechs Länder der Gemeinschaft am Welthandel heute etwa 25 % beträgt. Die Bedeutung ihrer industriellen Produktion - wenn man sie zusammenfassen wollte - ist schwer abzuschätzen. Aber ich glaube, man darf sagen, daß ihre industrielle Produktion und ihre Leistungsfähigkeit nicht hinter der anderer großräumiger Wirtschaftsgebilde der Welt zurückstehen dürften. Die Handelsflotte dieser Gemeinschaft beträgt heute schon wieder 15 Millionen BRT und befindet sich in einem ständigen Ausbau. 162 Millionen Menschen leben in diesem Wirtschaftsraum, der über gesunde Rohstoffgrundlagen, Kohle, Erze und auch Öl, verfügt. Ich glaube doch sagen zu dürfen, daß auch in diesem Teil der Welt, in diesem europäischen Kontinent mit seinen 162 Millionen Menschen ungeheure noch unerschlossene Energien liegen und daß die Arbeitskraft, die Tüchtigkeit und das Wissen dieser Völker, wenn sie einmal zusammengeführt werden, nur dazu beitragen können, die gesamte Entwicklung nach oben zu führen und den Lebensstandard und damit die soziale und politische Sicherheit dieses Teils der Welt zu heben.
Ich möchte einer Vorstellung ausdrücklich begegnen, die oft geäußert wird, wenn über die wirtschaftspolitische Bedeutung dieser Verträge gesprochen wird. Man hört oft, diese neue europäische Zollunion, durch die der Gemeinsame Markt nach außen in Erscheinung treten muß, könne die guten weltwirtschaftlichen Beziehungen der einzelnen Staaten der Gemeinschaft zur Außenwelt verschlechtern. Ich glaube, daß dagegen wirklich jede wirtschaftliche Erfahrung spricht. Große Wirtschaftsräume haben in sich die Tendenz zu gesteigerter eigener Produktion, zu steigendem Lebensstandard und damit auch zu einem verstärkten Warenaustausch mit der Außenwelt. Die Entwicklung in der Montanunion, von der ich vorhin sprach, hat, wie ich glaube, die Richtigkeit dieser These schon überzeugend bewiesen.
Es kommt aber noch eins hinzu: Die Bundesrepublik hat sich in dem Nachkriegsjahrzehnt tatsächlich im Welthandel wieder einen der vordersten Plätze erworben, und man wird uns glauben, man wird uns aber auch verstehen, wenn ich es ausspreche, daß wir alles tun werden, um diesen Vorsprung, der wirklich in bestem friedlichem Wettbewerb mit anderen Nationen errungen worden ist, zu halten und wenn möglich zu verbessern. Aber auch die anderen Länder der Gemeinschaft wie gerade Belgien und Holland, auch Frankreich und Italien sind auf einen steigenden Export angewiesen, und darum glaube ich auch, wir können ohne weiteres davon ausgehen, daß niemand in dieser Gemeinschaft für einen übermäßigen Protektionismus eintreten wird, der ja seiner eigenen Wirtschaft nachteilig wäre. Ich bin vielmehr überzeugt, daß die Erleichterung des Welthandels gerade durch die Schaffung des größeren Wirtschaftsraumes und durch die Beseitigung der Binnenzölle gegeben sein und dieser Vorgang sich ,für alle einzelnen Wirtschaften und für den Welthandel selbst nur positiv auswirken wird.
Ich möchte auch noch einmal darauf hinweisen, weil es in mancher Darstellung mißverständlich interpretiert wird, daß der kommende gemeinsame Zolltarif der Gemeinschaft ja nur ein Ausgangspunkt, ein Ausgangstarif für die Verhandlungen sein wird und daß es an dem Ergebnis dieser Verhandlungen selbst liegen wird, welche Höchstzollsätze in der Gemeinschaft endgültig eingeführt werden. Ich glaube kaum darauf hinweisen zu müssen, daß wir im Rahmen der Gemeinschaft und in der Zusammenarbeit mit den anderen Partnern der Gemeinschaft alles tun werden, um unseren Partnern die Nützlichkeit einer Senkung der Zollsätze vor Augen zu führen. Das entspricht ja der Wirtschaftspolitik der letzten Jahre, deren Erfolg auch von unseren Partnern nicht bestritten werden kann.
Noch ein Weiteres. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, und ich möchte es auch hier betonen, daß die neuen Gemeinschaftsverträge keine Tendenz zur Ausschließlichkeit besitzen. Vielmehr stehen sie jedem anderen Staat in Europa offen, der ein Minimum an innerer und äußerer Homogenität mitbringt, jedem Staat, der bereit ist, durch seinen Beitritt in irgendeiner Form Rechte und Pflichten gegenüber der Gemeinschaft zu übernehmen. Es gibt bei allen sechs vertragschließenden Staaten - das ist in den Beratungen, Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Regierungen zum Ausdruck gekommen - keine Tendenz zu einer kleineuropäischen Blockbildung. Ich kann es darum nur begrüßen, daß die Verhandlungen, die jetzt in Paris über die Möglichkeit einer europäischen Freihandelszone geführt werden, die Unterstützung aller finden und daß diese Freihandelszone auch von einer Reihe von Ländern - ich erinnere insbesondere an Großbritannien - als ein nützliches und wichtiges Akzessorium zum Gemeinsamen Markt angesehen wird.
Sie werden dem Kommuniqué, das gestern zum Abschluß des Besuchs des englischen Premierministers und seines Außenministers veröffentlicht worden ist, entnommen haben, daß auch diese Frage
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Gegenstand der deutsch-englischen Gespräche gewesen ist und daß wir uns mit der englischen Regierung voll und ganz darüber verständigt haben, daß die Ratifizierung der Verträge, so wie sie vorliegen, notwendig ist und möglichst schnell erfolgen soll; unser gemeinsames Bemühen soll aber darauf gerichtet sein, neben diesem Kern der europäischen Gemeinschaft, die den Gemeinsamen Markt bildet, einen erweiterten Bereich in der Freihandelszone zu schaffen.
Ich zweifle nicht daran, daß nicht nur Großbritannien, sondern auch andere Staaten bereit sind, sich dieser Freihandelszone anzuschließen. Ich erinnere an die Tendenzen in den skandinavischen Staaten, insbesondere Dänemark. Ich weiß aus persönlichen Gesprächen, die mit mir geführt wurden, daß auch andere Länder ein Interesse daran haben, sich in irgendeiner Weise zu assoziieren - es gibt ja sehr viele Möglichkeiten der Assoziation -: Österreich, unter Umständen die Schweiz, Portugal und vielleicht auch Staaten im Mittelmeerraum.
Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen: wir sind - und das kommt auch in dem gemeinsamen Kommuniqué von gestern zum Ausdruck - allerdings davon überzeugt, daß die Schaffung des Gemeinsamen Markts eine unerläßliche Voraussetzung für das Zustandekommen einer Freihandelszone ist, so daß wir also unsere erste Energie darauf verwenden müssen, diese Verträge zu ratifizieren, um dann um den Kern, wie ich schon sagte, diese Freihandelszone zu errichten.
Auch die ersten Diskussionen in dem großen weltwirtschaftlichen Gremium, dem GATT, die über den Gemeinsamen Markt geführt wurden, lassen erkennen, daß sich ein großer Teil der Handelspartner, die nicht dieser Gemeinschaft angehören, des Vorteils bewußt sind, den ihnen das vergrößerte Absatzgebiet und der Gemeinsame Markt der sechs in Zukunft einmal bieten können. Es ist das ein wirtschaftliches und ein politisches Interesse, wie es beispielsweise in der Politik der Vereinigten Staaten zum Ausdruck kommt. Sie wissen selbst - ich verrate damit kein Geheimnis, wenn ich das wiederhole -, daß die Regierung der Vereinigten Staaten entscheidendes Gewicht auf die fortschreitende Integrierung legt und der Ratifizierung der Ihnen heute vorgelegten Verträge eine außerordentliche Bedeutung beimißt. Sie glaubt - ich meine nicht mit Unrecht - aus der Entscheidung entnehmen zu können, ob sich Europa vielleicht in später Stunde auf sich selbst und seine eigenen Möglichkeiten besinnt oder ob es weiter in einer hoffnungslosen Zersplitterung Kostgänger und Unterstützungsempfänger anderer Teile der Welt sein und damit auch auf eine politische Einflußnahme verzichten will, die dem einzelnen europäischen Land heute schlechthin unmöglich ist.
Was ich über die Assoziation, über die Schaffung der Freihandelszone und über die Ausweitung des Welthandels sagte, gilt auch gegenüber unterentwickelten Ländern. Ich habe in meinen Gesprächen mit der indischen Regierung, wo ich mit Sorge gerade darauf angesprochen wurde, ob etwa die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Indien auf den Gebieten, auf denen man unsere Unterstützung wünscht, unter dieser Entwicklung leiden könne, darauf hingewiesen, daß wir nicht die Absicht haben, diese Aufgaben hinter denen des Gemeinsamen Marktes zurücktreten zu lassen, sondern vielmehr der Überzeugung sind, daß uns die Stärkung unserer Wirtschaftskraft und die unserer
Partner noch mehr als seither in Stand setzen wird, einen Beitrag zu einer gesunden Entwicklung in den unterentwickelten Ländern zu leisten.
Wir haben in den Verträgen auch der Tatsache Rechnung getragen, daß die Wirtschaft ihrer Struktur nach in unseren Ländern eine - ich möchte sagen - mittelständisch aufgebaute Volkswirtschaft ist. Wir haben es uns außerdem angelegen sein lassen - das ist auch in dem Vertrag zum Ausdruck gekommen -, die besonderen Interessen der Unternehmen sicherzustellen, die durch ihre geographische Lage unmittelbar an der Zonengrenze betroffen sein können. Die Verträge sehen ferner gemeinsame Bemühungen zur Erhaltung und Steigerung der Produktion der Landwirtschaft vor, und darüber hinaus ist der Vertrag über den Gemeinsamen Markt ein erster Versuch, eine sozialpolitische Aufgabe gemeinsam zu lösen. Denn es sind hier in der Tat Maßnahmen vorgesehen, um Unternehmen und Arbeitnehmern helfen zu können, sie vor den Folgen einer Umstellung zu schützen, wie sie durch die Schaffung des Gemeinsamen Marktes etwa notwendig werden kann. Ich glaube, daß dieses sozialpolitische Anliegen, das wir mit diesem Teil des Vertrages vertreten, gut ist und daß es auch für die Zukunft Schule machen könnte.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte über den Vertrag über die Europäische Atomgemeinschaft hinzufügen. Er ist ja in vieler Hinsicht nicht mehr und nichtsanderes als die Fortsetzung und Erstreckung des Gemeinsamen Marktes auf ein besonders wichtiges spezialisiertes Gebiet unserer Volkswirtschaft. Der Grundgedanke, diese Atomgemeinschaft zu schaffen, ist der Erkenntnis entsprungen, daß die umwälzende Entwicklung der Kernenergie, ihre überaus kostspielige Erzeugung und ihre entscheidende Bedeutung für alle Zweige des wirtschaftlichen Lebens eben eine neue Form gemeinsamer zwischenstaatlicher Arbeit notwendig machen. Der Vertrag sieht eine solche gemeinsame Nutzung und die Schaffung von Anlagen, die der Erzeugung dienen, vor.
Es ist gewiß eine Lebensfrage für uns und für die anderen Partner, daß wir uns rechtzeitig in die Lösung der mit der Nutzung der Atomenergie verbundenen Fragen einschalten. Im letzten Jahre - wenn ich diese Zahl nennen darf - hat die Bundesrepublik etwa 5 % ihres Energiebedarfs vom Ausland beziehen müssen. Wir schätzen aber, daß in wenigen Jahren, etwa im Jahre 1965, das Energiedefizit bereits zwischen 15 und 20 % liegen wird. In den darauffolgenden Jahren würde es in einem Ausmaß anwachsen, daß wir überhaupt keine Möglichkeit mehr hätten, das Defizit auszugleichen. Mit eigener Kraft werden wir diesen Ausgleich nicht schaffen können; ,denn die Möglichkeiten sind beschränkt. Die Wasserkraft ist in Europa weitgehend ausgenutzt, und, soweit ich weiß, stehen hier keine erheblichen Reserven mehr zur Verfügung. Die Kohle als Grundlage der Energiegewinnung ist nicht nur teuer, es ist auch nicht die nötige Quantität vorhanden.
Zur Durchführung all der großen Forschungs- und Investitionsaufgaben, die mit der Entwicklung der Kernenergie nötig sind und die sich uns ja sehr plötzlich und ohne Vorbereitung stellen, fehlt es uns an Kapital, an Arbeitskräften und an Kenntnissen und Erfahrungen. Der Zusammenschluß der sechs Staaten wird es uns möglich machen, diese Forschungs- und Entwicklungsarbeiten voranzutreiben, um unsere Energieeerzeu({8})
gung zu steigern. Die Zusammenarbeit wird hier sicherlich von Nutzen für alle Partner sein.
Der Kern der beiden Verträge, die Ihnen vorliegen, ist - ich habe es schon ausgesprochen und möchte es zum Schluß noch einmal sagen - letztlich ein politischer, und die Ziele, die wir mit diesen Verträgen verbinden, sind naturgemäß politische. Wir hoffen und wünschen, daß diese Verträge mit dazu beitragen, die politische Einigung Europas voranzutreiben, die Solidarität der europäischen Völker zu stärken, gleichzeitig sie aber auch in ihrer Abwehrkraft zu stärken; Aufgaben, die uns gemeinsam sind.
Wir glauben auch - und auch das ist ein politischer Aspekt dieser Verträge -, daß ,dieses Europa gemeinsam mit dazu beitragen kann, mehr als jeder einzelne der Sechs, mehr auch als die Bundesrepublik allein, der Wiedervereinigung zu dienen. Denn das Europa, das hier entsteht, dieses Europa der Freiheit, das sich nach oben entwikkelt, wird seine anziehende Kraft ausüben und wird bei allen Menschen auch jenseits der Zonengrenze und bei ,allen Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs in Europa das Gefühl stärken, daß man sich hier seiner Freiheit bewußt ist und sie auszubauen, zu erhalten und zu sichern wünscht, um sie denen, die noch auf sie warten müssen, zu vermitteln.
Meine Damen und Herren, ich habe schon gesagt, ich bin dankbar dafür, daß die Verträge in der ersten Debatte eine grundsätzliche Zustimmung aller Redner dieses Hohen Hauses gefunden haben. Sie werden jetzt in den Ausschüssen weiter beraten werden. Ich habe nur die Bitte an Sie, daran mitzuarbeiten, daß wir diese Verträge noch verabschieden können, bevor sich das Hohe Haus hier von der Arbeit trennt. Ich würde glücklich sein, wenn die Bundesrepublik ,der erste Staat wäre, der diese Verträge ratifiziert. Auch davon wird ein gewisser Einfluß ausgehen auf andere, die dieser Entscheidung vielleicht noch zögernd gegenüberstehen. Ich hoffe, wie gesagt, daß diese Verträge noch im Laufe dieses Jahres in Kraft treten, um sehr bald Folgen und Früchte zu zeigen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Bundesregierung entgegengenommen. Die Große Anfrage der Fraktion der FDP wurde bereits in der 200. Sitzung begründet und beantwortet. Unter diesen Umständen hat der Ältestenrat vereinbart, daß jetzt getrennt zuerst die Aussprache über den Gemeinsamen Markt und dann die Aussprache über Euratom - sowohl Vertrag als auch Große Anfrage - durchgeführt werden.
Wir treten damit in Idle Aussprache über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Furler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen vorliegenden Verträge sind das Ergebnis jahrelanger und zäher Verhandlungen. Sie sind der Ausfluß des Willens der sechs Regierungen, trotz aller Rückschläge und Enttäuschungen in der Europapolitik an dem mit der Montanunion begonnenen Werk der europäischen Einigung weiterzuarbeiten und es wenigstens auf wirtschaftlichem Gebiet zu einer gewissen Vollendung zu führen.
Die Verträge zeigen zunächst, daß man aus den Erfahrungen der europäischen Politik gelernt hat. Was diese Politik an hochfliegenden Plänen einbüßte, gewann sie an gründlicher, realistischer Arbeit. Wir wissen, daß man einen Kontinent, der sich Jahrhunderte hindurch auseinandergelebt hat, nicht von heute auf morgen zu einer wirtschaftlichen oder gar politischen Einheit zusammenfügen kann. Es entspricht daher einer realistischen Einstellung, die widerstreitenden Interessen nicht einfach zu leugnen, sondern sie als Faktoren, mit denen man rechnen muß, hinzunehmen. Wenn also der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine - kritisierte - Übergangszeit von 12 bis 15 Jahren vorsieht, so geschieht dies nicht, um den unvermeidlich auftauchenden Schwierigkeiten auszuweichen. Diese Frist soll allen Beteiligten den notwendigen zeitlichen Spielraum lassen, um die erforderliche Anpassung ihrer Wirtschaftsstruktur mit einem Minimum von Beeinträchtigung durchzuführen. Dasselbe gilt für die auch oft kritisierten Schutzklauseln und zeitlich begrenzten Ausnahmebestimmungen, die es jedem Land ermöglichen sollen, sofort der Gemeinschaft beizutreten und nicht erst, wenn alle von den einzelnen Wirtschaftszweigen für erforderlich gehaltenen Startbedingungen erfüllt sind. Denn wenn wir warten wollen, bis alle Wirtschaftszweige aller sechs Länder den richtigen Moment für den Gemeinsamen Markt für gekommen halten, würden wir den Zusammenschluß nie verwirklichen können.
Was man den Verträgen als Mangel vorwerfen kann, ist genau betrachtet aus der Sorge um ihre realistische Gestaltung entstanden. Die Aufgabe bestand nicht darin, irgendein europäisches Idealgebilde zu entwerfen, sondern darin, aus dem, was wir an politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten in Europa vorfinden, das Bestmögliche zu machen. Eine Kritik der Verträge muß fairerweise von der Wirklichkeit, mit der wir es zu tun haben, ausgehen.
Die Gegner der Wirtschaftsgemeinschaft stellen es oft so dar, als würden wir durch die Verträge auf eine Wirtschafts- oder Außenhandelspolitik festgelegt, die, einmal grob gesprochen, so definiert werden kann, daß das wirtschaftliche Tempo des Stärkeren innerhalb der Gemeinschaft auf den Rhythmus des Schwächsten herabgedrückt werden soll. Diese Kritik verkennt die Ziele der Gemeinschaft ebenso wie die Einstellung der beteiligten Staaten. Der Gemeinsame Markt soll ja überall wirtschaftliche Kräfte wecken und entwickeln. Es gibt innerhalb der Gemeinschaft sicherlich Partner, die über stärkere aktivierbare Reserven verfügen, als bei uns oftmals angenommen wird. Es ist durchaus nicht sicher, daß die Verhältnisse innerhalb der Gemeinschaft so bleiben, wie sie gegenwärtig sind. Während die Bundesrepublik im Augenblick auf eine sehr günstige Wirtschaftskonjunktur hinweisen kann, vermag Frankreich beispielsweise geltend zu machen, daß seine Wirtschaft, wie die Erfahrungen von 1929/1932 zeigen, bedeutend weniger krisenempfindlich ist als die deutsche, erst recht als die Wirtschaft der Bundesrepublik. Wenn eines Tages die von der Weltwirtschaft stark abhängige deutsche Wirtschaft unter allgemeinen Krisenerscheinungen leiden würde - wir hoffen, daß das nicht eintreten wird -, müßte sehr deutlich werden, welche positiven Momente in der inneren Kraft des gemeinsamen europä({0})
ischen Marktes liegen. Es ist nämlich sicher, daß große Wirtschaftsräume in der Überwindung von Rückschlägen über vielfältigere Möglichkeiten verfügen als ein isoliertes, fast einseitig auf Export angewiesenes Land.
Ich will damit nur deutlich machen, daß es einfach unmöglich ist, den Vertrag über den Gemeinsamen Markt allein auf Grund dessen zu beurteilen, was im jetzigen Augenblick an wirtschaftlichen Aufgaben vorliegt. Der Vertrag bedeutet nur einen Anfang. Er befreit uns nicht davon, auch in Zukunft um wirtschaftspolitische Lösungen zu ringen; im Gegenteil, erst von der Wirtschaftspolitik, mit der wir den Vertrag ausfüllen, hängt sein Gelingen ab. Die Inkraftsetzung der Verträge schafft lediglich die Voraussetzungen dafür, die Wirtschaftspolitik der Zukunft in einem weiteren, großen Rahmen verwirklichen zu können.
Es ist auch ganz deutlich, daß nicht an irgendwelche Blockbildungen oder Autarkiebestrebungen gedacht ist. Wir werden doch nicht mit so viel Mühe die Grenzen des nationalwirtschaftlichen Denkens, beseitigen, um dem Geist einer anderen Abkapselung zu verfallen. Die Wirtschaftsgemeinschaft hat ihren Platz in der Weltwirtschaft. Sie wird sich aber dort besser behaupten können als das einzelne europäische Land.
In diesem Zusammenhang muß ich auch auf die Freihandelszone hinweisen. Wir wissen um die besonderen Rücksichten, die England den Ländern seines Commonwealth schuldet. Aber wir werden nicht müde werden, einen gangbaren Weg zu finden, der die Beteiligung Englands am Gemeinsamen Markt in der einen oder anderen Form ermöglicht. Wir sehen in der geplanten Freihandelszone eine wertvolle Ergänzung des Gemeinsamen Marktes und eine Verbindung zu dem, was die Europäische Kommission für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die OEEC, in den letzen Jahren über den Rahmen der sechs europäischen Länder hinaus an wirtschaftlicher Aufbauarbeit geleistet hat. Wir wissen aber auch, daß die Tätigkeit der OEEC Grenzen hat, die nur überschritten werden können um den Preis eines unwiderruflichen, auch institutionellen Zusammenschlusses in einer Gemeinschaft, wie ihn der vorliegende Vertrag vorsieht.
Bei aller Betonung der Notwendigkeit der Freihandelszone unter möglichst großer Beteiligung europäischer Länder wollen wir nicht übersehen, daß die Bildung der Wirtschaftsgemeinschaft der Sechs in jedem Fall die Voraussetzung für das Entstehen dieser Freihandelszone darstellt. Nur der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft öffnet den Weg zu einer größeren Gemeinschaft. Auch hier müssen wir realistisch handeln und immer das Mögliche anstreben, es aber auch mit Geduld und Zähigkeit verwirklichen.
Es sind gewisse Kritiken an den gemeinsamen Außenzoll geknüpft worden. Ich glaube nicht, daß die Verhältnisse eintreten werden, die man in Verbindung damit befürchtet. Zunächst beginnt der gemeinsame Außenzolltarif sich überhaupt erst nach vier Jahren zu entwickeln, und er wird erst am Ende der Übergangszeit in vollem Umfange in Kraft treten. In diesen Jahren haben die Wirtschaften der Länder die Möglichkeit, sich auf die neuen Tatsachen einzustellen. Die europäische Wirtschaft ist derart intensiv mit der Weltwirtschaft verbunden, daß die Außenzollpolitik der neuen Gemeinschaft geradezu zwangsläufig die
Tendenz zu einer Senkung der Zölle haben wird, wenn sie den Notwendigkeiten der europäischen Wirtschaft gerecht 'werden soll. Wir dürfen nicht vergessen, daß es eines der ersten und wichtigsten Ziele des Gemeinsamen Marktes ist, durch einen größeren Raum eine Rationalisierung der Produktionen zu ermöglichen, so daß die Wettbewerbsfähigkeit steigt und ein Zollschutz immer weniger notwendig wird.
Es ist nun - etwas sehr Wichtiges - vielfach gesagt worden, man hätte die wirtschaftliche Integration auf dem monetären Sektor beginnen oder mindestens ausreichend vorbereiten sollen. Sicherlich wäre es zu begrüßen gewesen, wenn zugleich mit der Herstellung der Zollunion eine Vereinheitlichung oder wenigstens eine Anpassung der Währungen der sechs Mitgliedstaaten hätte erfolgen können. Wir wissen aber, daß die wirtschaftlichen und vor allem die politischen Voraussetzungen für gewisse, an sich notwendige währungspolitische Maßnahmen im Augenblick nicht vorliegen. Wir sind jedoch davon überzeugt, ,daß der ständig enger werdende wirtschaftliche Zusammenschluß der Volkswirtschaften durch den Gemeinsamen Markt einen positiven Einfluß auf die Sanierung nationaler Währungen haben wird. Wir wollen nicht vergessen, daß die Wirtschaftsgemeinschaft nicht ein Kartell wohlhabender Staaten ist, sondern die Grundlagen schaffen soll, die Prosperität der europäischen Staaten zu stabilisieren und sie in steigender Tendenz dem Niveau der Vereinigten Staaten wenigstens anzunähern.
Es wäre aber verkehrt, auf die Bildung der Wirtschaftsgemeinschaft zu verzichten, weil währungsmäßige Disparitäten bestehen. Wir sind uns über die hier gegebene Problematik völlig im klaren. Der Vertrag selbst nimmt sich dieser wichtigen Fragen in einem positiven Sinne an. Dort ist ausdrücklich festgelegt, daß jeder Mitgliedstaat eine Wirtschaftspolitik zu betreiben hat, die erforderlich ist, das Gleichgewicht seiner Zahlungsbilanz zu sichern und das Vertrauen in seine Währung aufrechtzuerhalten. Zur Verwirklichung des Ziels sollen die Wirtschaftspolitiken der verschiedenen Staaten koordiniert werden. Ein beratender Ausschuß entsteht. Von Hilfen wird gesprochen. Und was ich für sehr wesentlich halte, ist, daß ausdrücklich gesagt wird: Jeder Mitgliedstaat hat seine Politik auf dem Gebiet der Wechselkurse als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu behandeln. Man wird auf alle Fälle nicht leugnen können, daß die innerhalb der Gemeinschaft geschaffene Lage größere Möglichkeiten zur Überwindung gewisser währungspolitischer Schwierigkeiten bietet, als wenn die westeuropäischen Staaten völlig getrennt voneinander und ohne Rücksicht auf gemeinschaftliche Interessen handeln.
Damit bin ich an einem sehr entscheidenden Punkt der Rechtfertigung des vorliegenden Vertragswerks, angelangt. Wenn nämlich das große Experiment des Gemeinsamen Marktes gelingt, dann hat Westeuropa den Beweis erbracht, daß Freiheit und Einzelinitiative sehr wohl mit einer gemeinschaftlichen Haltung zu vereinbaren sind. Wir wollen nicht vergessen, daß bei allem berechtigten Streben nach Rationalisierung und einer freien Entfaltung der Wirtschaft der tiefere Sinn unserer europäischen Politik darin besteht, die nationalen wirtschaftlichen und über sie die politischen Interessen in ein neues Verhältnis zu den Interessen der Gemeinschaft zu bringen.
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Und nun einige wenige politische Gesichtspunkte. An erster Stelle steht für uns die Frage, ob die Einbeziehung in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Wiedervereinigung Deutschlands erschwert. Dies ist nach meiner Überzeugung nicht der Fall. Die von der Bundesregierung bei den Verhandlungen abgegebene und von den übrigen Vertragspartnern akzeptierte Erklärung beinhaltet eine klare Revisionsklausel. Darüber hinaus wirkt sich die nach allgemeinem Völkerrecht bestehende Entschließungsfreiheit des wiedervereinigten Deutschlands aus. Eine Zollgrenze wird innerhalb des gesamtdeutschen Gebiets nicht entstehen. Das System des Interzonenhandels ist in einem besonderen Protokoll ausdrücklich anerkannt. Weiterhin haben sich alle Vertragspartner bei der Unterzeichnung in Rom für die Unterstützung Berlins festgelegt. Wir sind davon überzeugt, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine die Wiedervereinigung fördernde Ausgangsposition schafft. Für die Deutschen in der Sowjetzone können wir nicht besser handeln als dadurch, daß wir zur Konsolidierung und zur wirtschaftlichen Stärkung Europas als eines Teiles der freien Welt beitragen. Und das geschieht unserer Überzeugung nach durch diese Wirtschaftsgemeinschaft.
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Politisch von entscheidender Bedeutung ist weiterhin das Verhältnis der Gemeinschaft der Sechs zum übrigen Europa und zur gesamten freien Welt. Wie schon dargelegt, lehnen alle Vertragspartner es ab, die Gemeinschaft unter dem Gesichtspunkt der Abschließung zu betrachten. Sie sind entschlossen, diese Gemeinschaft auf ganz Europa zu erweitern, aber hier realisierbaren Möglichkeiten nachzugehen. Ich habe schon gesagt, daß wir die besonderen Gründe verstehen, die England davon abhalten, dieser Gemeinschaft zu den gleichen Bedingungen beizutreten, wie sie für die sechs Staaten bestehen. Andererseits ist aber von maßgeblichen britischen Staatsmännern wiederholt - und erst jetzt wieder bei den gestrigen Verhandlungen durch den Premierminister Macmillan - versichert worden, daß Großbritannien gegenüber den europäischen Integrationsbestrebungen durchaus positiv eingestellt sei.
Die Schaffung einer Freihandelszone brächte in der Tat die richtige Lösung. Gemeinsamer Markt und Freihandelszone würden das Europa der Sechs und die übrigen europäischen Staaten in eine organische und die besondere individuelle Situation berücksichtigende Verbindung bringen. Allerdings müssen wir hier, wie ich schon sagte, zunächst einmal die Verträge realisieren und dann ständig daran arbeiten, möglichst große Teile Europas in diese weitere Verbindung hineinzubringen. Und den ganz großen Zusammenhang stellt die freie Welt dar, innerhalb deren der Gemeinsame Markt nur ein Teilgebiet bildet, das durch die eigene Kräftigung einen Beitrag auch zur allgemeinen Entwicklung leisten will.
Nun noch am Ende ein kurzes Wort zu den überseeischen Gebieten, die ja immer wieder im Vordergrund der Diskussion stehen. Die überseeischen Gebiete der Mitgliedstaaten sollen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft assoziiert werden. Die hierdurch entstehenden Probleme sind naturgemäß noch nicht gelöst. Sie sind aber in einer Art und Weise gestellt, daß wir hoffen können, sie in demselben Geist lösen zu können, der die
Wirtschaftsgemeinschaft beherrschen wird. Deutlicher kann man den Unterschied zur früheren Kolonialpolitik wohl kaum darstellen. Die Völker Afrikas befinden sich heute Europa gegenüber in einer abwartenden Haltung. Aber bereits die Ankündigung des Gemeinsamen Marktes hat in diesen Gebieten, wie wir hören, Hoffnungen geweckt. Wir dürfen diese nicht enttäuschen. Die mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingeleitete Entwicklung bildet einen konkreten Anfang, um die Probleme Afrikas im fortschrittlichen Sinne anzupacken. Schon heute zeigt sich in jenen Gebieten ein Wettlauf außereuropäischer Mächte. Wenn wir hier bestehen wollen, wenn wir Afrika als die natürliche Ergänzung des europäischen Wirtschaftsraums nicht verlieren wollen, wenn wir unsere politische und moralische Pflicht, an der Hebung des Lebensstandards jener Völker mitzuarbeiten, nicht vernachlässigen wollen, dann müssen wir auf dem Wege weitergehen, den wir zu beschreiten begonnen haben. Es wird allerdings - und das sage ich ganz deutlich - die Erfahrung der ersten Jahre für die weitere Gestaltung der Beziehungen zu den überseeischen Gebieten besonders entscheidend sein. Wir betreten hier Neuland, tun es aber in dem Bewußtsein, eine europäische Verpflichtung zu erfüllen, und mit dem Willen, dies im Sinne des großen Gedankens der Hilfe für solche Gebiete zu tun, deren eigene Kraft bisher nicht ausgereicht hat, diejenige wirtschaftliche und politische Stellung zu erhalten, auf die die große und freiheitliche Entwicklung der Welt einen Anspruch gibt.
Der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildet einen Ausgangspunkt für bedeutende Entwicklungen. Über sein endgültiges Schicksal entscheidet nicht die Ratifizierung, sondern das aus ihm hervorgehende Leben. Es wird ausschlaggebend sein, wie die Chancen genützt werden, die die Wirtschaftsgemeinschaft gibt. Wir müssen daher unsere ganze Kraft einsetzen, um zu guten Ergebnissen nach Inkrafttreten der Verträge zu gelangen. Unsere Haltung wird maßgeblich sein und der Geist, aus dem heraus die Gemeinschaft gestaltet wird. Wir wollen dies tun in dem festen Willen, die Grundlage für einen immer engeren Zusammenschluß der europäischen Völker zu schaffen, entschlossen, durch gemeinsames Handeln den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu sichern, indem wir die Europa trennenden Schranken beseitigen, entschlossen, durch diesen Zusammenschluß der wirtschaftlichen Kräfte den Frieden und die Freiheit zu wahren und zu festigen, und mit der Aufforderung an alle anderen Völker Europas, sich diesem Bestreben anzuschließen.
Mit diesen Worten, entnommen der Präambel des Vertrags über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, und im Sinne dieser Grundsätze bitte ich im Namen der Fraktion der CDU/CSU, den Verträgen in erster Lesung zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ebenso wie mein Kollege Dr. Deist am 21. März möchte ich heute zum Ausdruck bringen, daß wir es sehr bedauern, keine Gelegenheit gehabt zu haben, als Parlament zu den vor({0})
liegenden Verträgen Stellung zu nehmen, bevor I sie eine endgültige Form erreicht haben.
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Die Debatte am 21. März war Anlaß, wenigstens in zwei Punkten gewisse Anregungen für eine Verhandlung aufzugreifen, die vier Tage später zum Abschluß kam. Das zeigt sehr deutlich, daß es im Interesse des deutschen Volkes und insbesondere auch im Interesse der arbeitenden Bevölkerung gewesen wäre, die Verhandlungsposition der Regierung auch früher ein wenig mehr zu beleuchten und dabei diese und jene Tönung etwas besser herauszuarbeiten. Vielleicht wäre dann die Verhandlungsposition insgesamt gesehen auch ein wenig besser geworden.
Vor uns liegt ein Vertrag, der in Eile fertiggestellt worden ist, und wir haben zu ihm Stellung zu nehmen. Er ist im Augenblick nicht mehr zu ändern. Aber es ergeben sich als Konsequenz aus diesem Vertrag ohne Zweifel unmittelbar gesetzgeberische Notwendigkeiten in der Bundesrepublik, auf die ich nachher noch eingehen will. Wir werden angesichts der Entwicklungen, die dieser Vertrag in Gang setzen wird, auf einigen Gebieten Änderungen gewisser Gesetze ins Auge fassen müssen. Darüber hinaus wird Zug um Zug mit der Verwirklichung dieser Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Notwendigkeit bestehen, auch die Stellungnahmen, die jeweils im Ministerrat herbeizuführen sind, durch das Parlament zu beeinflussen. Es ist schon hier darauf hinzuweisen, daß das Parlament sich dieser Aufgabe nicht entziehen darf.
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat nicht erst nach dem zweiten Weltkrieg den Weg zu Europa gefunden. Sie hat schon immer die Auffassung vertreten, daß auf die Dauer nur ein vereintes Europa der freien, gleichen und gleichberechtigten Völker uns die Grundlagen für eine freiheitliche, rechtsstaatliche Ordnung geben kann. Es haben viele Gründe für den Zusammenschluß Europas gesprochen: die Beseitigung von Machtrivalitäten, die Herbeiführung eines Verhältnisses echter Freundschaft zwischen den Völkern, darüber hinaus die Auswertung gemeinsamer Hilfsquellen. Natürlich waren auch die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Völker jeweils in Rechnung zu stellen. Wirtschaftliche Maßnahmen, wirtschaftliche Vorhaben boten erste Lösungsmöglichkeiten.
Wir haben uns insbesondere nach 1945, selbst in der Situation, als Deutschland noch am Boden lag, zur Solidarität der europäischen Völker bekannt. Wir haben anschließend alle Schritte unterstützt, haben alles getan, diese Solidarität auf der Basis der Gleichberechtigung zu untermauern. Ich erinnere an unsere Stellungnahmen zur OEEC, zur Entwicklung der Europäischen Zahlungsunion.
Ich möchte dabei allerdings betonen, daß wir immer wieder die Frage gestellt haben: Darf eine Wirtschaftsentwicklung in Europa begünstigt werden, die unter Umständen zu einer Integration der Bundesrepublik mit dem Rücken zur Zone führt? Das war die Grundfrage, die immer wieder untersucht wurde. Wir wollten keine Bindungen eingehen, die uns Auflagen machten, die vielleicht auch für ein entstehendes Gesamtdeutschland eine Bindung und eine Festlegung sein könnten. Aus diesem Grunde haben wir bei verschiedenen Gelegenheiten auch gegen den Mißbrauch der Bezeichnung „Europa" und „Europäisierung" für sehr einseitige Zwecke protestieren müssen. Ich erinnere dabei nur an die langen und langwierigen Verhandlungen um die Zugehörigkeit des Saargebietes zur Bundesrepublik, zu Deutschland. Wir sind glücklich, daß nunmehr diese Frage ausgeräumt ist.
Hier ist auch einiges zu der damaligen Idee des Schuman-Plans gesagt worden, zu der Zusammenfassung der Schwerindustrien und zu der Gestalt, die diese Idee in dem Vertrag über die Montan- union bekommen hat. Hier muß - um die Dinge richtig zu beleuchten - betont werden, daß es in der damaligen Zeit in den Bestimmungen des Schuman-Plans, wie sie nachher im Vertrag ihren Niederschlag fanden, immerhin eine gewisse Fortsetzung besatzungsrechtlicher Regelungen gab. So hätten sich insbesondere die Artikel 58 und 59 des Vertrags in bestimmten Situationen sehr schwerwiegend für die Kohlesituation in Deutschland auswirken können, und dies nicht nur in dem Sinn, daß die Kohle als eine Grundlage für eine eigenständige Wirtschaftsausweitung hätte von Bedeutung sein können, sondern auch in dem Sinn, daß die Kohle als ein Kompensationsobjekt - das spielte damals noch eine Rolle - in Handelsvertragsverhandlungen, in der Handelspolitik schlechthin einen bedeutenden Platz hatte.
Ich darf gleich anfügen: Wir sind glücklich darüber, daß die allgemeine Wirtschaftskonjunktur uns alle davor bewahrt hat, die Montanunion dieser Belastungsprobe ausgesetzt zu sehen, jener Belastungsprobe, die sich bei Beantwortung der Frage ergeben hätte: Wo liegen denn noch Möglichkeiten für eine autonome Konjunktur- und Beschäftigungspolitik in Deutschland, wenn Kohle und Stahl aus der unmittelbaren Zuständigkeit einer deutschen Bundesregierung herausgenommen sind?
Die Schwierigkeiten sind auch insofern überwunden worden - wir würden es heute deutlich spüren, wenn es nicht so wäre -, als durch die Europäische Zahlungsunion genügend Dollarmittel in die Kassen der Bundesrepublik geflossen sind. Daraus wird die Kohleeinfuhr finanziert, auf die unsere Wirtschaft heute angewiesen ist. Wenn sie auch zu höheren Preisen - Einstandspreisen - erfolgt, so ist immerhin dadurch eine echte politische Bewährungsprobe doch vermieden worden. In dem vorliegenden Vertrag sehen wir eine Möglichkeit, unter Umständen über diesen Engpaß hinaus-, aus dieser Situation herauszukommen. Wir werden das noch ein wenig näher untersuchen.
Hier liegen die Verträge. Sie werden einerseits politisch mit der Notwendigkeit, die Nationalstaaten zu überwinden, begründet, andererseits ökonomisch in erster Linie damit, daß man einen wirtschaftlichen Großraum entstehen lassen müsse, der keine Grenzen und keine Beschränkungen für den Verkehr von Menschen, Gütern und Kapital kennt. Daraus ergebe sich eine verbesserte Arbeitsteilung, eine verbesserte Ausschöpfung der Hilfsquellen, und das führe zu einer Steigerung der Produktivität und damit zur Voraussetzung auch für eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in diesem Bereich. So weit die ökonomische Begründung.
Zur wirtschaftspolitischen Seite möchten wir allerdings herausstellen, daß allein das Beseitigen von Grenzen noch keine Lösung ist, sondern daß
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eine stetige Aufwärtsentwicklung auch auf wirtschaftlichem Gebiet nach unserer Auffassung durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik mit dem Ziel der ständigen Beschäftigungsausweitung oder Beschäftigungssicherung und der Wohlstandshebung gewährleistet werden muß.
Nun haben wir in der Präambel des Vertrags und auch an einigen anderen Stellen Hinweise und Willensbekundungen, die in diese Richtung deuten. Aber wir haben im Vertrag selbst nur schwache Ansatzpunkte für eine solche bewußte Wirtschaftspolitik, ausgerichtet auf die Beschäftigungssicherung und die Wohlstandssteigerung. Die Frage, die wir stellen und um deren eingehende Beantwortung wir in den Ausschüssen bitten, geht in die Richtung: Hat die Bundesregierung die Ansatzstellen für eine solche gemeinsame Wirtschaftspolitik - in erster Linie Konjunkturpolitik - gestärkt? Hat sie einen Beitrag dazu geleistet, daß hier wirklich ein Fundament geschaffen wird, oder hat sie im Gegenteil Anregungen, die von anderer Seite kamen, noch abgeschwächt und damit dazu beigetragen, daß überhaupt nur Bruchstücke übernommen worden sind? - Das ist die Grundsatzfrage, die im Wirtschaftspolitischen zu stellen ist, und wir wüßten gern, aus welchen verschiedenen Vorschlägen heraus die Kompromißlösungen entstanden sind, die wir jetzt vor uns haben.
Wir haben schon vor Jahren die Rolle der OEEC und der Europäischen Zahlungsunion betont und haben herausgearbeitet, wie trotz ihres intergouvernementalen Charakters eine positive Arbeit geleistet werden konnte. Es hat dort zeitweise Situationen gegeben, die zu einer echten Solidaritätsbekundung einzelner Nationen geführt haben. Zeitweise war es nötig, dort auf die deutsche Wirtschaft besondere Rücksicht zu nehmen, und sie ist gewährt worden. Auf der anderen Seite hat es Situationen gegeben, in denen auch von der Bundesrepublik her gewisses entgegenkommendes Verhalten an den Tag gelegt werden mußte.
So ist hier nun die Frage zu stellen: Wie kann man unter Auswertung der praktischen Erfahrungen dieser Institutionen und in engster Zusammenarbeit mit ihnen im Rahmen der neuen Gemeinschaft eine solche gemeinsame Wirtschaftspolitik entwickeln? Dabei interessieren uns in erster Linie die Mittel und Wege, die es gestatten sollen, die Arbeitnehmer nicht nur vor eventuellen ungünstigen Auswirkungen der jetzigen Strukturveränderung, sondern unter Umständen auch vor den ungünstigen Auswirkungen zu schützen, die aus einer Abschwächung auf dem Weltmarkt entstehen können.
Ich möchte bei der ersten Lesung der Verträge nicht Einzelpunkte nacheinander vornehmen, sondern möchte Ihnen eine gewisse Vorstellung von den Kriterien vermitteln, die der sozialdemokratischen Fraktion dazu dienen werden, die Verträge zu beurteilen, und dann gewisse Schlüsse daraus ziehen. Dabei werden wir natürlich immer wieder die Frage stellen: Wird die Vereinigung Europas, wird eine Untermauerung auch des Lebens-. standards der freien Völker gesichert und gefördert, oder werden gewisse Entwicklungen durch diesen Vertrag vielleicht verbaut?
Die überragende Aufgabe, die wir sehen, ergibt sich nach unserer Auffassung daraus, daß ein größerer Wirtschaftsraum nicht in sich automatisch und auf die Dauer nur Expansionstendenzen bringen wird. Es wird vielmehr die Frage sein, ob es hier nicht ein Zentrum geben muß, ob es hier nicht Wirkungen geben muß, die diese Expansion durch eine bewußte Politik sicherstellen.
Ich möchte wieder betonen: wir stellen in Rechnung, daß auch die Weltkonjunktur nicht automatisch für alle Zeit gut sein wird. Vielleicht heißt es hier, die Sozialdemokraten sehen schwarz, deswegen bringen sie einen solchen Ton in die Debatte. Ob sich eine Regierung mit Arbeitslosigkeit, wenigstens einer Teilarbeitslosigkeit abfinden könnte, ist schlechthin die politische Grundfrage für freie Nationen. Diesen Möglichkeiten haben wir bereits in den jetzigen Arbeiten Rechnung zu tragen.
Die Vereinten Nationen haben in „World Economic Survey" aus dem Jahre 1955 gesagt, es wäre töricht, anzunehmen, daß das Problem, ein angemessenes langfristiges Nachfragevolumen zur Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und der vollen Ausnutzung der Hilfsquellen zu sichern, bereits für immer gelöst sei. Diese Frage wird hier also offen gestellt. Ich darf vielleicht mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auch eine Stellungnahme des Direktors des Ifo-Instituts in München, Herrn Dr. Langelütke, verlesen, die ebenfalls auf diese Frage als zentralen Punkt hinweist. Dort heißt es:
So sind in der letzten Zeit von der einen Seite sehr optimistische Meinungen laut ,geworden, etwa wie die des Belgiers Baudhuin und bei uns die von Professor Meinhold. Sie rechnen mit einer Prosperitätsperiode von weiteren
10 Jahren und mehr. Dieser Auffassung stehen pessimistische Beurteilungen gegenüber, wie die des bekannten amerikanischen Nationalökonomen Seymour E. Harris, von L. Albert Hahn und Colin Clark, sowie auch Paul Binder, der das Heraufziehen einer depressiven Phase nach seiner neuesten Schrift über „Die Stabilisierung der Wirtschaftskonjunktur" offenbar als bevorstehend oder wenigstens als möglich ansieht.
Diese Grundfrage sollte von uns nicht leichthin beantwortet werden. Wir sind deshalb der Meinung, daß dann, wenn sich die Nationalstaaten in bezug auf ihre eigne Wirtschaftspolitik gewisser Instrumente begeben, die Frage zu klären ist: Wo werden diese Zuständigkeiten wahrgenommen? Gibt es die entsprechenden Vorkehrungen? Gibt es die Sicherungen, die es gestatten, dieses Risiko zu übernehmen? Gibt es wenigstens die Ansatzpunkte dazu?
Vielleicht wäre eine wirklich durchschlagende Begründung dieser Wirtschaftsgemeinschaft zu finden, wenn man der Auffassung .stattgibt, aus einer solchen größeren Wirtschaftsgemeinschaft könnte doch dann, wenn gemeinsame Anstrengungen zur Konjunkturbeherrschung unternommen werden, ein viel stärkerer Impuls erwachsen, als von den einzelnen Nationalstaaten je ausgehen könnte. Es kommt nicht darauf an - darin sind sich die Wirtschaftswissenschaftler einig -, eine Konjunkturpolitik mit nachhaltigen Mitteln erst im Angesicht seiner Depression in Gang zu setzen, wenn sich schon gewisse Anzeichen dafür finden; man muß vorher, rechtzeitig vorher, die entsprechende Bereitschaft entwickeln, man muß die entsprechenden Methoden und auch die Maßnahmen soweit vorbereitet haben, daß sie alternativ jederzeit getroffen werden können.
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Dabei ist zu beachten, ,daß Wirtschaftsschwankungen nicht rein rational zu erfassenden Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Es gibt hier dien Zusammenhang mit der Labilität menschlicher Verhaltensweisen, den Neurosen. Es sind also, und zwar jetzt, Umstände zu schaffen und in der öffentlichen Atmosphäre Maßnahmen vorzubereiten, die ein solches Verhalten ausschließen. Man darf sich nicht damit trösten: „Wir verlassen uns ,auf unser gutes Glück" und „das wird ja so nicht eintreffen", sondern das, was man an Anstrengungen unternimmt, muß überall die Überzeugung wachsen lassen: Es gibt wirksame Mittel und Wege, sie sind vorbereitet, diese Mittel können jederzeit eingesetzt werden.
Mein Vorredner, Herr Professor Dr. Furler, hat bereits betont, daß gerade die Bundesrepublik in dieser Beziehung eine durchaus labile Struktur hat, und angedeutet, wie schwierig es ist, für die Bundesrepublik allein auf diesem Stand des Beschäftigungsniveaus eine entsprechende Vorsorge zu treffen. Ich möchte ,das unterstreichen, möchte sogar noch weiter &hen. Herr Mendes-France hat in der Debatte ,in Frankreich, die sich mit diesem Gegenstand befaßte, gesagt: „Sehen Sie, warum soll eigentlich Frankreich sich einer solchen Gemeinschaft anschließen? Wir, die Franzosen, sind in früheren Weltkrisen viel besser durchgekommen als die übrigen Industrieländer; deswegen haben wir kein Interesse daran, ein solches Risiko zu übernehmen." Ich glaube, Herr Mendes-France macht seine Rechnung nicht richtig auf. Wenn nämlich in den Nachbarländern Frankreichs - trotz eines gewissen Wohlstandes in Frankreich - eine Depression zur Verelendung führte, wäre es auch mit der politischen Stabilität Frankreichs in der Welt sehr schlecht bestellt.
Weil es Überlegungen gibt, die in diese Richtung drängen, müssen wir uns alle ,die Frage vorlegen: Wo sind in diesem Vertrag ,die Ansatzpunkte? Und: Hat die Bundesregierung Beiträge dazu geleistet, diese Ansatzstellen zu verstärken, oder hat sie sich anders verhalten?
Nun glaube ich, daß wir in Deutschland zwar vielleicht in den Jahren 1950, 1951 und 1952 noch gewisse Grundlagen hatten, um eine eigenständige Beschäftigungspolitik zu betreiben. Allerdings sind hier durch die Entwicklung der letzten Jahre Niveaustände erreicht worden, die uns im Hinblick auf die inzwischen weitergeführte internationale Wirtschaftsverpflichtung zwingen, dieser Abhängigkeit - in erster Linie von ,außen - Rechnung zu tragen und unseren Beitrag dazu zu leisten, daß diese Abhängigkeit durch gemeinsame Handlungen mit anderen ,an einer Stabilität interessierten reduziert werden kann.
Ich sagte, die neue Gemeinschaft nimmt den nationalen Regierungen gewisse Instrumente. Ich verweise auf die Zollpolitik, auf die Handelspolitik, auf das Verbot der Subventionen, in erster Linie aber auch auf das Verbot der Diskriminierung. Das Verbot der Diskriminierung, das wir bejahen, hat zur Konsequenz, daß z. B. monetäre Mittel für eine Krisenbekämpfung in ihrer Wirksamkeit außerordentlich begrenzt worden sind und daß es deswegen ohne eine Abstimmung dieser monetären Politik überhaupt nicht mehr zu einer wirksamen Krisenbekämpfung kommen kann. Hier liegt nun wieder 'der Ansatzpunkt für die Frage: Wo ist im Vertrage die Verantwortung festgelegt?
Wenn wir uns 'den Wortlaut des Vertrages ansehen und auch gewisse Vergleiche zwischen dem französischen und dem ,deutschen Text anstellen, kommen wir zu der Vermutung, daß hier gerade von deutscher Seite immer wieder unter der Vorstellung, es könne sich so etwas wie ein Dirigismus einschleichen, versucht wurde, nun ,aber auch jede Vorsicht walten zulassen und ja nichts in Gang zu setzen, was unmittelbare Verpflichtungen zur Aufstellung von Programmen und Schaffung von Institutionen mit sich bringen könnte. Hier ist also noch keine Vorarbeit ,auf lange Sicht geleistet. Ich darf im Namen meiner politischen Freunde sagen. damit keine Mißverständnisse aufkommen: Auch wir - die Sozialdemokratische Partei - rechnen mit dem Anhalten der guten Wirtschaftskonjunktur, aber wir wollen vorbereitet sein und wissen, daß die Verantwortlichen vorbereitet sind.
Hier möchte ich die Stimme eines Herrn zitieren, die vor rund einem Jahr in Bad Godesberg erklungen ist, eines Herrn, den viele hier in ,diesem Saale doch etwas genauer kennen, des Herrn Dr. Günther Kaiser, der sich folgendermaßen geäußert hat - ich darf kurz zitieren -:
Meine Damen und Herren, seien wir uns doch klar darüber: letztens ist ein solcher Zollunionsvertrag auch nur ein Stück Papier. Wenn die Zahlungsbilanz Frankreichs oder Deutschlands als Folge einer extremen Gestaltung ,des Güterstromes ernstlich in Unordnung gerät, wenn einem Land das Wasser am Hals steht, dann platzt dieser Vertrag in kürzester Zeit auf. Deswegen sehe ich mit großer Sorge, daß die Herren, die diesen Vertrag mit so viel Mühe und Sorgfalt gemacht haben, es dem Zufall, dem guten Willen und der Vernunft der 'beteiligten Regierungen überlassen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dieser Vertrag funktionieren kann, nämlich dafür zu sorgen, daß das Preisniveau, daß die Löhne, daß das Spiel von Angebot und Nachfrage sich in den einzelnen Ländern mit einem gewissen Gleichklang entwickelt.
Nun kann niemand entgegenhalten, daß gegen über der damals ins Auge gefaßten Fassung des Vertrages eine Verstärkung in der Richtung, wie sie Herr Kaiser wünschte, erfolgt sei. Im Gegenteil: nach unseren Einblicksmöglichkeiten gab es sogar eine Rückwärtsentwicklung. Vielleicht bleibt und wir würden hier einen eigenen Beitrag zu leisten haben - genügend Zeit, durch gemeinsame Arbeit auf internationaler Ebene das nachzuholen, was in diesem Vertrag noch nicht drinsteht. Nach unserer Auffassung erfordert das aber auf der deutschen Seite eine gewisse Veränderung der inneren Einstellung zu dem Gesamtproblem. Das ist außerordentlich wesentlich.
Eine solche Einstellung. wie sie vorherrschte und wie wir sie nicht aufrechterhalten möchten, zeigt sich auch 'deutlich bei der Analyse der Konstruktion der Investitionsbank oder des damals in Aussicht genommenen Investitionsfonds. Aus der Bank heraus wird wohl eine gewisse europäische Solidaritätshandlung überhaupt nur unter sehr schwierigen Bedingungen möglich sein. Es müssen außerhalb des Vertrages, zusätzlich zum Vertrag Lösungen für die Probleme gefunden werden, 'die nach unserer Auffassung eine gemeinsame Anstrengung aller sechs Länder erfordern..
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Ich glaube, daß die Koordinierung von öffentlichen Großinvestitionen ein Beitrag zu einer Stabilisierung und auch zu einer Ankurbelung der Konjunktur sein kann. Wir zweifeln, ob es unter diesem Gesichtspunkt immer richtig ist, zu fragen: Wo kommen die Mittel her? Wer ist der Beitragspflichtige? Besteht nicht dabei vielleicht die Gefahr, daß die Bundesrepublik über Gebühr in Anspruch genommen wird? - In diesem Punkt glauben wir, daß die Gegenüberstellung von Heller und Pfennig bei Aufwand und Ertrag uns unter Umständen der Möglichkeit berauben würde, eine Gesamtausweitung ,der Wirtschaft durch gemeinsame Maßnahmen rechtzeitig in Gang zu bringen. Es kann hier Vorteile geben, ,die eben nicht in Heller und Pfennig festzulegen sind und die vielleicht gewisse Anreizfinanzierungen, gewisse zusätzliche Hilfen durchaus voraussetzen.
Ich .habe das betont, weil ich glaube, daß hier auch außerhalb des Vertrags Lösungsmöglichkeiten bestehen. Ich möchte zudem darauf hinweisen, daß alle diese Dinge natürlich nicht eine unmittelbare Verpflichtung bedeuten, ,dies und das in materieller Hinsicht, in bezug auf die Durchführung von Programmen jetzt zu tun. Alles, was ich damit betonte, war, daß hier ein Bereitsein, ein Bereitmachen, ein Vorbereiten notwendig ist.
Einen Punkt möchte ich noch hervorheben, nämlich ,die Notwendigkeit, sich auf Konsequenzen einzustellen, die - vielleicht auf kürzere Sicht - unmittelbar in Erscheinung treten werden. In erster Linie spielt da in unseren Vorstellungen die Möglichkeit eine Rolle, daß die Preisauftriebstendenzen in der Bundesrepublik gefördert werden könnten durch gewisse Entwicklungen infolge dieses Vertrages. Einfach deswegen, weil die Wechselkursrelationen nicht eindeutig und nicht realistisch sind. Wir sähen es gern, wenn in der Öffentlichkeit auch noch ein wenig näher die Frage diskutiert würde, ob die Schutzklauseln ausreichen, ob es nicht vielleicht überhaupt dazu kommen wird. daß am Anfang, wenn der Vertrag gerade in Gang kommt, der eine oder andere Partner schon gleich eine Ausnahmebestimmung anziehen und sich helfen muß. Ich denke vor allen Dingen an die Wirkung, die dabei von der inneren Einstellung zumindest der französischen Regierung ausgehen kann.
Meine Kritik richtete sich dagegen, daß von der Bundesregierung in bezug auf das unmittelbar Positive, in bezug auf die institutionellen und die programmäßigen Voraussetzungen nicht genügend getan worden ist, daß im Gegenteil sogar reduziert worden ist, wo es zu reduzieren ging. Ich glaube, daß eine solche Einstellung bei der Bundesregierung auch vorgeherrscht hat, soweit es um sozialpolitische Dinge ging; lassen Sie mich das ganz offen ausprechen.
Ich beginne mit der Behandlung des Sozialfonds. Hier war noch im sogenannten Spaak-Bericht die Vorstellung vorhanden: Wennschon durch diesen wirtschaftlichen Zusammenschluß gewisse Arbeitnehmergruppen zusätzlich Risiken auf sich zu nehmen haben, so ist damit Zug um Zug die Garantie zu schaffen, daß sie vor diesen Lasten unmittelbar und wirksam geschützt werden. Nun kann nicht bestritten werden: die Zollsenkungen, das Verbot von Beihilfen, das Verbot der Diskriminierung, das alles führt dazu, daß wenigstens in gewissen Gruppen von Unternehmungen Befürchtungen ,auftauchen werden, und manchmal werden sie sich als begründet erweisen.
Nach den jetzigen Bestimmungen über den Sozialfonds ist es doch wohl so, daß eine 50%ige Hilfe erst dann gewährt wird, wenn sich die betroffenen Arbeitnehmer bereits sechs Monate in einem neuen Beschäftigungsverhältnis befinden oder sechs Monate an einem neuen Ort tätig sind. Die Frage ist also offen, wie die Arbeitnehmer in der Zwischenzeit wirksam geschützt werden. Das könnte durch die deutsche Gesetzgebung geregelt werden, wenn man der Auffassung ist - und offensichtlich hat Idle Regierung diese Meinung -, daß die Schaffung eines internationalen Fonds nicht zweckmäßig sei. Die deutsche Regelung kann sich aber, das möchte ich betonen, keinesfalls auf eine Verweisung auf die jetzige Regelung im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beschränken. In den Ausschußberatungen muß das alles so weit vorgeklärt werden, daß den Arbeitnehmern Gewißheit gegeben ist.
Meine Damen und Herren, hier gibt es politische Gefahren, die nicht nur daran zu messen sind, welche finanziellen Aufwendungen zu machen wären. Wir haben in der Montanunion einmal an Ort und Stelle die Auswirkungen solcher Umstellungsmaßnahmen geprüft. Die Ausführung war, obwohl in der Montanunion ein Anpassungsfonds vorhanden ist, sehr schlecht; die Arbeitnehmer mußten eine Lohneinbuße bis zu 40 % hinnehmen.
Wir können uns auf keinen Fall solche Entwicklungen leisten, weil es sonst - wir haben es im Lyoner Becken erlebt - bei diesen Gruppen von Arbeitnehmern zu der Einstellung kommt: wenn das Europa ist, wenn es ,also auf unsere Kosten geht, wollen wir lieber nichts davon wissen.
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Weil wir diese politische Gefahr sehen, müssen wir noch einiges andere an Garantien auf sozialpolitischem ,Gebiet fordern. Infolge der Einstellung der Bundesregierung sind diese Garantien nicht oder nicht genügend in :den Vertrag eingebaut worden. Ich möchte erklären, daß jeder von uns die Herstellung der Konkurrenzfähigkeit ablehnen würde, wenn sie ,auf besonders niedrigen Löhnen und Sozialleistungen beruhen müßte. Es müßten im Zusammenhang mit dem Vertrag Instrumente entwickelt werden. die es ermöglichen, zu beurteilen. ob und wo das der Fall ist. Es müßten dann Mittel vorhanden sein, solchen Zuständen entgegenzuwirken.
Im allgemeinen wird eingewendet, daß es selbst in einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet wesentliche Lohnunterschiede gebe, ohne daß das zu besonderen Schwierigkeiten führe. Dazu kann ich Ihnen aus meiner eigenen Erfahrung ein Beispiel sagen. Im Jahre 1948 vollzogen sich im Bereich von New York gewisse Abwanderungen der Textilindustrie nach dem Süden der Vereinigten Staaten, aber nicht deswegen, weil dort bessere Standortbedingungen gegeben gewesen wären, sondern weil im Süden keine funktionierende Gewerkschaftsbewegung vorhanden war. Es waren also Kapitalabwanderungen, die gar nicht mit wirklichen Standortvorteilen zusammenhingen, sondern sich aus einem sozialen Gefälle ergaben.
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- Ich war selbst dort und habe das geprüft. Ich habe feststellen können, daß die Unternehmer im Süden den unorganisierten Arbeitskräften Löhne zahlen konnten, die weit unter dem lagen, was zu zahlen ihnen an sich möglich gewesen wäre.
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Solche Verhältnisse kann man nur durch zusätzliche Industrialisierung ändern, wenn es einen Überschuß an Arbeitskräften gibt, oder aber durch eine Sozialgesetzgebung mit einer anderen Bewertung des „Kostenfaktors" Arbeit. Für Europa bestehen solche Möglichkeiten durchass, und ich stehe mit meiner Auffassung nicht allein.
Die Überlegungen gehen sogar noch ein wenig weiter, und zwar in der Richtung, ob den Gebieten in Europa, deren Arbeitskräften man den Vorteil der Gemeinschaft zukommen lassen will, nicht gleichzeitig mit dem Abschluß des Vertrags Entwicklungshilfen gegeben werden sollten, damit sie wirtschaftlich gesund werden. Ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten aus einer Ausarbeitung von sechs Sachverständigen, die vom Internationalen Arbeitsamt beauftragt wurden, näher erläutern.
In der Schrift „Soziale Aspekte der europäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit", Genf 1956, heißt es:
Länder, die an struktureller Massenarbeitslosigkeit leiden, können deshalb mit Recht ihren Beitritt zu Plänen der Handelsliberalisierung von der Inangriffnahme einer internationalen Lösung des Problems der unausgenützten Arbeitskräfte in Europa abhängig machen.
Ich glaube, das ist eine Verbindung, die durchaus logisch ist und die man zu bejahen hat.
Nunmehr komme ich aber zu einem Teil der Erläuterungen, die die Bundesregierung diesem Vertragswerk beigegeben hat, gerade soweit sozialpolitische Bestimmungen eine Rolle spielen. Hier heißt es z. B.:
Nicht zum wenigsten hat für eine Ablehnung einer sozialen Integration die Überlegung mitgesprochen, daß es in einem Raum mit so erheblichen Unterschieden des sozialen Lebens sehr schwierig sein würde, gemeinsame sozialpolitische Regelungen zu schaffen. Das Gewicht des sozial schwächsten Gliedes könnte für die übrigen Teile der Gemeinschaft den sozialen Fortschritt über Gebühr hemmen, so daß es nicht der Hebung des Lebensstandards großer Teile der Arbeitnehmerschaft dienen würde, wenn zu frühzeitig die Sozialpolitik zum Gegenstand einer gemeinsamen Politik der Sechs gemacht würde.
Wir können uns mit dieser Abstinenz nicht abfinden. Hier muß eine positive Einstellung gewonnen werden. Der Ausgangspunkt muß bei dem Recht zur ausreichenden Information und Nachprüfung in bezug auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen liegen. Dieses Prüfungsrecht muß der internationalen Institution gegeben werden. Heute ist auf diesem Gebiet keine Sicherheit gegeben, daß wirklich vergleichbare Daten miteinander verglichen und daß überhaupt entsprechende Unterlagen mit Durchschlagskraft aufbereitet werden.
Es wäre zweckmäßig gewesen, in diesen Vertrag eine Verpflichtung der Bundesrepublik mit hineinzunehmen, im Zuge der Verhandlungen den sogenannten Europäischen Sozialkodex anzuerkennen. Hier haben in den Beratungen, die die Sachverständigen bisher angestellt haben, aber immer die Tendenzen vorgeherrscht, ja nicht das Niveau durch Maßnahmen von uns aus in die Höhe zu treiben, sondern darauf hinzuwirken, daß eher eine möglichst weite Fassung gefunden wird, die den einzelnen Ländern genügend Spielraum läßt, statt auch hier auf die Einhaltung von Mindestnormen zu dringen, wie wir sie zu fordern hätten.
Wir sind zwar nicht der Auffassung, daß ein solcher Zusammenschluß die vorherige Angleichung der Lohn- und Arbeitsbedingungen, der Sozialbestimmungen, automatisch zur Voraussetzung haben müßte, aber man darf dies auch nicht nur dem Wirken des Marktes und vielleicht auch ein wenig der Koordinierung überlassen, sondern hier hat eine bewußte politische Gestaltung einzusetzen. Unseres Erachtens ist die Zusammensetzung des vorgesehenen Sozial- und Wirtschaftsrates nicht allzu überzeugend. Es ist nicht zu erkennen, wie stark die Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt sein werden. Davon, wie man die Gruppierungen zusammenstellt, wird sehr weitgehend abhängen, ob hier ein wirksamer Antrieb für eine stetig in Richtung auf Wohlstandshebung und Sicherung der Arbeitnehmerrechte ,gehende Politik gegeben ist.
Man hat zwar, als der Vertrag über die Montanunion in Kraft gesetzt wurde. die Auffassung vertreten, man könne auf dem Gebiet der Sozialpolitik nicht sehr viel tun. denn da sich dieser Vertrag nur auf Kohle und Stahl beschränke, würde das bedeuten, daß man die allgemeine Sozialpolitik im eigenen Lande sich desintegrieren läßt. Diese Auffassung ist sicher richtig. Aber wenn man nun zur Gesamtintegration übergeht. dann wäre doch die Schlußfolgerung, daß wenigstens einige Möglichkeiten, die sich hier anbieten, einige Forderungen bereits im Vertrag ihren Niederschlag zugunsten der Arbeitnehmer finden sollten.
In bezug auf die langfristige Preisentwicklung ist es für uns natürlich entscheidend, ob die Freihandelszone zustande kommt oder nicht. Hier folge ich weitgehend den vorgebrachten Argumenten. Diese Freihandelszone wird erst dann kommen und sie wird nur dann kommen. wenn vorher die Zollunion als absolut gewiß hingenommen werden kann. Für diesen Gedanken gibt es eine gewisse Begründung. Aber das führt dazu, daß letzten Endes bei diesen Sechs auch die wirkliche Bereitschaft vorhanden sein muß, so mit den dritten Ländern zu verhandeln, daß ein Ergebnis erzielt wird und man nicht unter Umständen in der Gefahr verbleibt, daß sich verschiedene Gravitationszentren in Europa entwickeln, daß es dazu kommt, daß vielleicht einige Staaten versuchen, zunächst einmal unter sich gewisse Mindestforderungen aufzustellen, um dann auf diese Art und Weise mit den Sechs als Kollektiv zu verhandeln.
Unser Interesse führt dahin, daß die Verhandlungen im Rahmen der OEEC geführt werden und daß es dabei zu einer Einstellung im Bereich der Sechs kommt, die eine Anpassung und eine Assoziierung der übrigen Länder erleichtert.
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- Ich glaube, daß das nicht ganz die Grundlage des Vertrages ist. Es gibt hier vielmehr die Möglichkeit, daß man sich sagt: Ob diese Freihandelszone kommt oder nicht, lassen wir dahingestellt sein; denn zunächst werden diese Sechs auf jeden Fall dies und jenes tun. Wir haben bei der Montanunion gesehen, wie sehr leicht eine neue Institution plötzlich auf ein sehr hohes Roß gerät, wenn es um gewisse Unterhandlungen geht. Aus diesem
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Grunde fordern wir die Festlegung, die Freihandelszone auch urn den Preis gewisser Zugeständnisse zu erreichen.
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- Ich bin der Auffassung, daß die Frage, ob das Ratifizierungsgesetz entsprechende Formen zu finden hat, ob wir entsprechende Maßnahmen einbauen können, noch durchaus offen ist. Man wird versuchen, eine entsprechende Regelung zu finden. Wir haben dazu noch eine Möglichkeit in den Ausschüssen, wenn diejenigen Warenströme ein wenig aufgedeckt werden und zu sehen sind, die hier beeinflußt werden könnten, für den Fall, daß eine zu lange Zeit zwischen dem Abschluß der Zollunion und der Errichtung der Freihandelszone verfließt.
Es bleibt mir nicht genügend Zeit, wenigstens andeutungsweise etwas zur Agrarpolitik und zur Verkehrspolitik zu sagen. Wir wünschen für die Agrarpolitik einen Einfluß, der auch zur Auflockerung in Deutschland führt. Wir sind gewiß, daß die verkehrswirtschaftlichen Regelungen in jeder Weise dem Rechnung tragen müssen, was in Deutschland aus der gewordenen Wirtschaftsstruktur heraus erforderlich ist.
Nun noch eine kurze Bemerkung zu der Frage, welche Rückwirkungen dieser Vertrag auf die deutsche Einheit haben kann. Zwar ist - der Herr Bundesaußenminister hat es bestätigt - durch gewisse Veränderungen im Protokoll klargestellt, daß der innerdeutsche Handel nicht berührt wird und daß auch keine Gefahr einer Zollgrenze für den Fall einer gesamtdeutschen Regelung vorhanden
ist. Außerdem ist im Vertrag Vorsorge dafür getroffen, daß gewisse Beihilfen und Unterstützungen für die Zonenrandgebiete zulässig sind. Aber es kann nicht bezweifelt werden, daß die Zollunion wie überhaupt der Zeitablauf, die Entfernung von dem Zeitpunkt, als Deutschland noch ein geschlossenes Wirtschaftsgebiet war, die Spaltung verstärkt und daß dabei eine gewisse Versteinerung Platz greift.
Wir glauben allerdings, daß sich diese Regelungen nicht mit dem vergleichen lassen, was bei früheren Integrationsversuchen, in erster Linie bei den militärischen Integrationsversuchen, versucht wurde. Gleichwohl beschleicht auch uns ein gewisses ungutes Gefühl, wenn wir erkennen, daß eine solch intensive politische Aktivität in Richtung Westen entfaltet wird, während das Gegenstück auf der innerdeutschen Linie und unter Umständen auch in einem gewissen Sinne nach Osten durchaus fehlt.
Wir wissen, daß ein Unterschied zu den Auffassungen der Bundesregierung besteht. Die Erklärung, die Herr Botschafter Ophüls zur Frage des Gebundenseins Gesamtdeutschlands abgegeben hat, genügt uns nicht. Wir hätten nach wie vor lieber gesehen, daß die Vertragsbestimmungen diesen Vorbehalt ausdrücklich enthalten hätten.
Mit der Frage der Organe und mit dem, was dazu zu sagen ist, sollten wir unsere jetzige Debatte nicht allzusehr belasten. Die Gefahr einer Technokratie wird überall gesehen. Dabei ist allerdings ein Grundsatzproblem noch zu klären: ob dann, wenn der Ministerrat in Zukunft nicht einstimmig, sondern mit qualifizierter Mehrheit beschließt, überhaupt noch irgendwo auch nur der Schein einer parlamentarischen Kontrolle gegeben ist, da es auch auf dem Umweg über die nationalen Parlamente hier praktisch gar nichts mehr zu machen gibt. Das ist eine Frage, die wir noch näher zu untersuchen haben. Dabei müssen wir mit dahin wirken, daß, obwohl die geschriebene Verfassung, dieser Vertrag, in dieser Beziehung außerordentlich unbefriedigend ist, die öffentliche Meinung und die Tagesarbeit vielleicht auch des Parlaments doch eine Entwicklung begünstigen, die wiederum zu einer Unterordnung der höheren Bürokratie unter das Kontrollrecht des Parlaments führt.
Die finanziellen Belastungen sollten auch angesichts der Haushaltsdebatte und der Hartnäckigkeit, mit der hier um gewisse Probleme gerungen wurde, Beachtung finden. Wir stecken in den Investitionsfonds für die überseeischen Gebiete allein im Laufe von fünf Jahren den Betrag von über 800 Millionen DM. Das mag eine Größenordnung sein, die wir als ein industrialisiertes Land im Verhältnis zu den in der Entwicklung befindlichen Gebieten in ihrer Gesamtheit durchaus für angemessen halten. Wir sind dabei durchaus der Auffassung: hier kann etwas zusätzlich getan werden. Aber es ist die Frage, ob nicht durch diese Bindung an die französischen Überseegebiete letzten Endes unsere Beziehungen zu den übrigen Teilen der Welt, wo auch etwas zu tun wäre, außerordentlich belastet werden, vor allen Dingen angesichts der Hartnäckigkeit, mit der um die bekannten 50 Millionen für die Entwicklungsländer gerungen wird.
Allerdings ist das Wesentliche in diesem Zusammenhang noch nicht einmal die finanzielle Belastung, sondern das Wesentliche ist die politisch-psychologische Belastung, die sich daraus ergibt, daß vielleicht in den betroffenen Ländern - in Übersee, in erster Linie in dem Teil der Welt, wo es Völker gibt, die erst jetzt zur Selbständigkeit gefunden haben - der Verdacht entsteht, hier werde versucht, eine alte Machtordnung, eine alte Machtbeziehung mit neuen Methoden zu untermauern. Dieser Eindruck darf auf keinen Fall entstehen, und er darf nicht mit unserer Zustimmung entstehen. Deswegen sind wir auch der Auffassung, daß das, was hier geschieht, auf keinen Fall die Vorwegnahme einer endgültigen Lösung sein kann.
Bei dieser Betrachtungsweise ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß über den Betrag, den wir einbringen, eine gewisse Verlagerung von Kosten stattfindet, die z. B. Frankreich auf Grund des Algerien-Konflikts zu tragen hat, eine Verlagerung insofern, als hier Lasten übernommen werden, die sonst Frankreich allein getragen hätte. Wir wollen deswegen auch hier alle Vorbehalte anmelden und neue Lösungen anstreben, die in erster Linie dahin führen müssen, daß die betroffenen und beteiligten Länder eine wirkliche Gleichberechtigung in den Beziehungen erfahren und daß keinerlei unmittelbare Bindung erfolgt, die eine Art Kompensation auf dem Rücken der in der Entwicklung zur Selbständigkeit befindlichen Völker sein könnte. Ich weiß, daß gerade diese Frage in den Verhandlungen, da sie erst sehr spät hineingebracht worden ist, von der Bundesregierung nicht sehr freudig aufgegriffen wurde. Aber vielleicht hat man sich auf der anderen Seite, bei den Franzosen, davon leiten lassen: der Herr Bundeskanzler wird sowieso inner({12})
halb einer gewissen Frist unterschreiben, und deswegen konnte das nicht mehr mit der Sorgfalt behandelt werden, die es eigentlich verdient hätte.
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Bei all diesen Hauptfragen ist jeweils zu untersuchen: Was steht im Vertrag? Wie ist die Kompromißlösung zustande gekommen? Welche Vorstellungen haben auf deutscher Seite eine Rolle gespielt und die Fassung des Vertrags, wie sie uns jetzt vorliegt, beeinflußt? Wir werden diese Unvollkommenheiten, Schwierigkeiten und Gefahren den unbezweifelbaren Vorteilen und der möglichen Dynamik gegenüberstellen. Dabei werden wir angesichts der Revidierbarkeit dieses Vertrags, d. h. angesichts der Möglichkeit, den Vertrag zu ergänzen, im Rahmen dessen, was dem Ministerrat an Zuständigkeiten überwiesen ist, auch dahin streben, Kräftekombinationen zum Zuge kommen zu lassen, die eine positive, wirklich solidarische europäische Entwicklung begünstigen. Wir werden uns daher mit den Einzelheiten noch eingehend befassen. Wir erwarten von den Ausschußberatungen eine Aufklärung, insbesondere in bezug auf die Haltung der Bundesregierung in den von mir betonten wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Elbrächter.
Dr. Elbrächter ({0}): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich will mich ganz kurz fassen; denn ich habe bereits in der Debatte vom 21. März im Namen meiner Fraktion mitteilen dürfen, daß wir diesem Vertragswerk positiv gegenüberstehen, ja, daß wir es geradezu als ein epochales Ereignis begrüßen. Die Tatsachen, die sich inzwischen ergeben haben, sind nicht dazu angetan, irgend etwas an unserer Einstellung zu ändern. Wir kennen die Schwierigkeiten genau. Sie sind hier bereits von Herrn Professor Furler und auch von Herrn Kollegen Birkelbach eingehend und, ich glaube, zum großen Teil ,auch mit Recht hervorgehoben worden. Es sind die Schwierigkeiten materieller Art, die sich daraus ergeben, daß wir für einen gewissen Teil unserer Waren zu einer Zollerhöhung gezwungen sein werden. Die eigentliche Gefahr, die darin liegt, ist die Tendenz zu einer europäischen Autarkie, - genau das, was wir mit diesem Vertragswerk nicht wollen. Das sehen wir alles. Wir glauben aber, daß die dynamischen Kräfte - und damit schließe ich an das an, was der Herr Außenminister gesagt hat - viel stärker sein werden als die, ich darf mal sagen: statischen Kräfte.
Ich glaube, daß wir uns darüber nicht mehr so ausführlich unterhalten können, weil das keine Vertragsformulierung, sondern die Entwicklung selber entscheiden wird.
Die zweite Sorge ist mit dem ausgesprochen, was man soziale Harmonisierung nennt. Herr Kollege Birkelbach hat das so eingehend behandelt, daß ich auf Ausführungen hierzu verzichten möchte.
Ich komme nur auf einen Fragenkomplex zurück, der mich inzwischen sehr stark beschäftigt hat, weil ich ,dort neue Erkenntnisse gewinnen durfte. Es ist die Assoziierung der afrikanischen Gebiete. Ich darf dem Hause mitteilen, daß ich Gelegenheit hatte, mit idem leider verstorbenen Kollegen Lenz und dem Kollegen Höcherl vor wenigen
Wochen ,diese Gebiete zu bereisen. Aus meiner Anschauung muß ich sagen, daß meine Befürchtungen, es könnte sich dort ein Antikolonial-Komplex bilden, grundlos gewesen sind. Ich habe dort erfreulicherweise meine Ansicht revidieren können.
Ich darf meine Erkenntnisse - ich glaube, hier auch im Namen der Kollegien sprechen zu dürfen - auf zwei Formulierungen bringen.
Erstens. Es lohnt sich sicherlich, diese Gebiete zu entwickeln. Es sind große Möglichkeiten zur Ausbeutung von Rohstoffen da. Ich denke an die Eisenerz- und Bauxit-Gruben, ich denke aber auch an die Energiegewinnung, die dazugehört. Es wird also einen unmittelbaren Gewinn bringen, wenn wir dort investieren. Ich bin aber der Überzeugung, daß sich die Gebiete Französisch-Westafrikas, die ich jetzt besonders im Auge habe und die wir bereist haben, weniger dazu eignen, dort etwa eine Konsumgüterindustrie aufzubauen. Ich würde es vielmehr für richtig halten, das dringendste Bedürfnis der Bevölkerung dort zu befriedigen: die Landwirtschaft zu entwickeln. Eis liegt mir am Herzen, zu betonen, daß die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht etwa in Konkurrenz zu den heimischen Erzeugnissen stehen, damit bei unseren Kollegen von der Grünen Front keine falschen Befürchtungen erweckt werden; denn es handelt sich im wesentlichen um Südfrüchte, Kaffee, Kakao,also um Erzeugnisse, die hier sehr willkommen sind. Ich habe auch feststellen müssen, daß die berühmten schlechten Bananen des Herrn Ministers Erhard durchaus gut waren und sehr wohl in Konkurrenz mit denen aus anderen Bananenausfuhrländern stehen. Das sei hier einmal festgestellt.
Ich möchte, da ich mich 'absichtlich beschränken will, hier nicht weiter ausführen, welche Möglichkeiten industrieller Art dort liegen. Ich komme aber gleich im Zusammenhang mit den Ausführungen von Herrn Kollegen Birkelbach darauf zurück.
Ein zweites, vielleicht das gravierende Ergebnis: Die Menschen jener Länder - ich spreche jetzt nur von Französisch-Westafrika - sind absolut aufgeschlossen. Herr Kollege Furler, Sie haben durchaus recht mit Ihrer Darstellung. Sie warten aber nicht nur lab, sondern sie fordern geradezu eine europäische Beteiligung. Wir haben den Eindruck gewonnen, daß ihnen ,die Zusammenarbeit mit Frankreich allein nicht mehr genügt. Sie betonen immer wieder, welch großen Wert sie darauf legen, und sie stellen darauf ab, daß ganz Europa sich beteiligt. Ein naheliegender Grund: sie erwarten selbstverständlich leine schnellere Entwicklung ihres Landes, und daran liegt ihnen sehr. Ich betone aber, daß die sozialen Probleme dieser Landstriche nicht etwa so gelagert sind, wie ich es in Indien :erleben mußte. Hier bestehen ganz andere Verhältnisse: die Leute haben sehr viel mehr Zeit zur Entwicklung, und das ist ein Faktor in der Entwicklung jener Länder, der in den Verhandlungen berücksichtigt werden sollte.
Nun ist in das Vertragswerk eine Forderung eingebaut, auf die wir Deutsche sehr großen Wert gelegt haben, nämlich daß die parlamentarischen Institutionen, die Selbstverwaltungskörperschaften gefragt werden und daß sie ihre Zustimmung zu den Investitionsprogrammen geben müssen. Ich hatte bei der Behandlung dieser Frage eine gewisse Skepsis, ob so etwas wie parlamentarische Institutionen in jenen Gegenden existiert. Es war vielleicht die größte Überraschung für uns alle,
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festzustellen, wie ausgezeichnet diese parlamentarischen Institutionen entwickelt sind und welche Rechte sie bereits haben. Sie haben seit einigen Monaten das Budgetrecht, so daß die Forderung, die auf deutschen Wunsch in das Vertragswerk eingearbeitet worden ist, sicherlich berücksichtigt werden wird. Ohne bzw. gegen ;den Willen der dortigen Bevölkerung können Investitionen auch jetzt schon nicht vorgenommen werden. Sie hat die letzte Entscheidung, welche Investitionen dort als notwendig betrachtet werden.
Ich kann hier wegen der Kürze der Zeit nicht auf die interessante Frage eingehen, wie in jenen Gegenden die parlamentarische Demokratie funktioniert. Das ist eine Frage für sich. Ich habe aber den Eindruck gewonnen, sie funktioniert. Ich fühle mich verpflichtet, dem Hause mitzuteilen, daß dort eine intelligente und regsame politische Führerschicht vorhanden ist, eine Führerschicht, die keinerlei Aversionen und auch keine Minderwertigkeitskomplexe hat. Das erscheint mir sehr bedeutsam. Nun müßte man nach den Gründen fragen, warum das so isst. Da war es sehr interessant, zu erfahren, daß es in jenen Gebieten für Europäer so gut wie ausgeschlossen ist, Land zu erwerben. Bei den Afrikanern dieser Gegenden kann also nie der Eindruck entstehen, daß sie von ihrem Boden verdrängt werden sollen. Das scheint mir der fundamentale Gegensatz zu den Verhältnissen in Nordafrika zu sein.
Ich darf das algerische Problem hier ausklammern. Dort sind Sonderregelungen getroffen. Die Gelder aus dem Investitionsfonds fließen nicht automatisch nach Algerien, soweit ich die Dinge richtig sehe. Wir müssen abwarten. Aber ich darf doch die Hoffnung aussprechen, daß sich die Franzosen endlich einmal auf eine nationale Lösung der algerischen Frage einigen werden, damit das Problem überhaupt gelöst wird. Es erscheint den Außenstehenden zunächst als ein auswegloses Problem. Das liegt an der Haltung jener Völker. Aber ich glaube doch, daß sich mit der Zeit -einer sehr langen Zeit, wie ich gleich sagen möchte - ein Weg zu einer friedlichen Zusammenarbeit finden wird.
Ich fühle mich verpflichtet, auf Grund der zwar sehr kurzen, aber doch sehr eingehenden Information, die ich dort bekommen habe, festzustellen, daß es nicht so ist, daß die Franzosen dort ein schlechtes Kolonialsystem errichtet haben. Vielmehr ist das, was die Franzosen dorrt geschaffen haben, nach meiner Überzeugung ausgezeichnet. Von einer Ausbeutung kann man nicht gut reden. Als die Franzosen im Jahre 1830 dort landeten, lebten dort eine Million Muselmanen; heute leben 10 Millionen Menschen da. Ich glaube nicht, daß die Bevölkerung aus eigener Kraft sich so hätte vermehren und den jetzigen Standard erreichen können. Ich fühle mich verpflichtet, das hier ausdrücklich zu sagen, um Mißdeutungen auszuräumen, die einmal in der Presse erschienen sind und denen auch ich einmal unterlegen bin. Es ist nützlich, wenn wir versuchen, die Dinge objektiv zu sehen, und uns nicht von Vorurteilen leiten lassen.
Ich betone: Das Algerien-Problem ist das heikelste Problem. Es gehört in diesen Zusammenhang nicht hinein, da es das schwierigste politische Problem des Mittelmeerraums zu sein scheint.
Ich darf zum Abschluß auf einige Bemerkungen des Herrn Kollegen Birkelbach eingehen. Herr Kollege Birkelbach, ich bin mit Ihnen einig. Selbstverständlich sind diese Vertragswerke unvollkommen. Sie haben recht: Je größer ein Wirtschaftsraum ist, desto schwieriger ist eine Konjunkturpolitik. Was Sie zu diesem Thema gesagt haben, faßt man unter dem Schlagwort „aktive Konjunkturpolitik" zusammen. Sie ist natürlich sehr viel schwieriger geworden. Ich freue mich, daß gerade auch Sie das Heilmittel erkannt haben, das in dieser Lösung liegt: Die Räume sind größer geworden. Sie werden mit mir einer Meinung sein: die Weltwirtschaftskrise von 1928 bis 1932 ist doch deswegen so schwer ,geworden, weil in jenen Zeiten eine Abkapselung auf ganz enge Räume vorgenommen worden ist, so daß - ich darf mal sagen - eine natürliche Heilung nicht möglich war. Im Gegenteil, es war ein verhängnisvoller Circulus vitiosus da.
Ich bin der Auffassung, daß sich jetzt Investitionsmöglichkeiten ergeben, die wir damals nicht hatten. Auch Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, das zum Ausdruck gebracht. Die Investitionen werden in verhältnismäßig kurzen Zeiträumen zum Tragen kommen. Eine Krise - auch eine europäische Krise - erscheint mir aus diesen Gründen nicht mehr möglich. Deutschland ist nämlich erfreulicherweise in der Lage, in einer solchen Zeit über Mittel - Gold und Devisen -zu verfügen. Diese Mittel gestatten für eine befristete Zeit auch einen Einsatz in Form von Investitionen in jenen Gebieten.
Ich freue mich, daß der Außenminister ausdrücklich erklärt hat, daß von uns nicht beabsichtigt ist - ich habe das damals schon ausgesprochen -, die wirtschaftlichen Beiträge, die wir den Entwicklungsländern geben wollen, zu kürzen. Ich bin hier seiner Auffassung, daß gerade der Anschluß der afrikanischen Wirtschaftsgebiete uns in den Stand setzen wird, diese Aufgabe auf lange Sicht besser zu lösen, als das sonst der Fall wäre.
In bezug auf die politische Entwicklung bin ich mit dem Herrn Außenminister der Auffassung, daß das letzten Endes keine wirtschaftliche Frage, sondern ausschließlich eine politische Frage ist. Ich freue mich, als ein weiteres Ergebnis unserer mit Parlamentariern aller sechs Länder unternommenen Reise von einer Beobachtung berichten zu können, die ich auch früher schon habe machen können. Mir ist sehr bewußt geworden, daß eigentlich zu keiner Zeit der gemeinsamen Geschichte Deutschlands und Frankreichs, die meist gegensätzlicher Art war, der Zeitpunkt psychologisch und politisch so günstig war wie jetzt, zu einer Verständigung zu kommen. Es wäre nach meiner Auffassung ein verhängnisvoller Fehler, wenn wir ein so gutes politisches Klima in den Beziehungen zu Frankreich nicht ausnützen würden, um endgültig für Europa ein politisches Gebilde zu schaffen, das jeden Konflikt in Europa unmöglich machen wird. Ich glaube trotz aller Formulierungen, die vielleicht hinsichtlich der Frage der Wiedervereinigung zu beanstanden sind, daß darin letzten Endes auch das politische Gewicht liegt. Es kommt bei diesen Verträgen nicht ausschließlich auf Formulierungen an. Vertragstexte schaffen noch keine politischen Aktionen. Wenn sich in diesem großen gemeinsamen Europa in absehbarer Zeit ein solches politisches Gewicht entwickelt, dann wird auch, selbst wenn wir noch nicht am Ziele sind, idle deutsche Wiedervereinigung gefördert werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion habe ich schon am 21. März diesem Hause die strukturellen und wirtschaftlichen Bedenken vorgetragen, denen sich heute die SPD in großem Umfang angeschlossen hat. Ich brauche das also nicht noch einmal zu wiederholen. Wir freuen uns und stellen mit Befriedigung fest, daß anläßlich der !Unterzeichnung in Rom am 25. März dieses Jahres noch einige Verbesserungen erreicht wurden. Es gehört also nicht viel Phantasie dazu,, sich vorzustellen, wieviel besser das deutsche Interesse hätte gewahrt werden können, wenn die Bundesregierung das Parlament rechtzeitig über ihre Absichten unterrichtet und diese Absichten zur Diskussion gestellt hätte.
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Nun muß ich etwas auf die Ausführungen des Herrn Furler eingehen. Ich habe immer das Gefühl, wir reden aneinander vorbei. Es gibt doch gar keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß wir eine europäische Einigung anstreben, daß wir einen größeren europäischen Markt wünschen, daß wir eine Integration Europas haben möchten. Ich glaube, darüber ist hier im Hause kein Streit, und man braucht das auch nicht immer wieder zu betonen. Die Frage ist nur, ob man diesem Ziel mit den jetzt vorliegenden Verträgen näherkommt.
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Herr Professor Furler, Sie haben in rasendem Tempo eine Reihe von Behauptungen vorgelesen. Es ist also kaum möglich, darauf im einzelnen einzugehen. Aber selbst durch häufige Wiederholung wird die Behauptung doch nicht richtiger, daß die Freihandelszonen Kinder des Gemeinsamen Marktes seien. Das ist doch nur eine Behauptung. In Wirklichkeit stehen diese beiden Gedanken in den GATT-Verträgen nebeneinander, und es blieb den Initiatoren überlassen, welchen sie verfolgen wollten.
Aber ich muß leider noch eine persönliche Bemerkung an Sie richten, Herr Professor Furler. Ich war aufs äußerste entsetzt, als ich Ihre - des großen Europäers - Unterschrift unter dem Petitum las, wonach das Land Baden-Württemberg wieder getrennt werden soll.
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Das ist doch eigentlich nicht ganz in Einklang mit den großen europäischen Gedanken zu bringen, die Sie uns hier vorgetragen haben.
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Der Herr Außenminister hat vorhin mit Recht darauf hingewiesen, daß keine der pessimistischen Prognosen eingetroffen sei, die seinerzeit bei der Unterzeichnung des Montanunionvertrages abgegeben wurden. Ich möchte :ausdrücklich zugestehen, daß ich seiner Meinung bin. Dieser Pessimismus hat sich als unberechtigt herausgestellt, aber die optimistischen Prognosen sind ebensowenig eingetroffen. Praktisch hat sich also durch diese Montanunion nichts Wesentliches ereignet. Der Beweis, der mit der Montanunion geliefert werden sollte, daß wirtschaftliche Vereinigungen eine politisch integrierende Kraft hätten, ist leider ausgeblieben.
Etwas überrascht hat mich die Bitte des Herrn Außenministers, der Bundestag möge diese römischen Verträge zuerst ratifizieren. Meines Wissens gibt es doch eine Vereinbarung, daß die Bundesrepublik erst nach der Französischen Republik ratifizieren wird, unid unsere Erfahrungen berechtigen uns doch, daran festzuhalten,
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nicht nur aus bestimmten außenpolitischen Gründen, sondern doch auch aus Gründen der Zeit, in der wir uns jetzt befinden. Dieser Bundestag hat noch vier Arbeitswochen vor sich, und es ist mir völlig unklar, wie in der Ausschußberatung all die schwierigen Fragen, die einstweilen noch offengeblieben sind, in dieser Zeit bewältigt werden sollen.
Wenn ich gleich auf eine dieser Fragen eingehen kann: Die FDP bedauert sehr, daß sich die Bundesregierung bisher nicht zu dem Vorwurf geäußert hat, daß in den Verträgen eine parlamentarische Kontrolle der gemeinsamen Institutionen und der gemeinsamen Politik nicht vorgesehen ist. Es muß erneut darauf hingewiesen werden, daß mit der Abgabe einer Reihe von Rechten und Funktionen an die supranationalen Organe die legislative Funktion und die parlamentarische Kontrolle des Deutschen Bundestages entfallen. Eine Weisungsmöglichkeit dies Bundestages gegenüber dem deutschen Mitglied des Ministerrats besteht nicht, weil wir keine Ministerverantwortlichkeit haben. Die in den Verträgen vorgesehene Versammlung hat aber keinerlei gesetzgeberische Funktion und kaum ein Kontrollrecht. Es gibt kein Minderheitsrecht, die Einberufung der Versammlung zu verlangen. Die Versammlung kann nur den Gesamtbericht der Kommission erörtern und allenfalls mit Zweidrittelmehrheit der Kommission das Mißtrauen aussprechen. Die Kommission wird ebenso wie der Rat von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt. Die Erläuterungen zum Vertrag führen hierfür die eigenartige Begründung 'ins Feld, die Mitglieder eines Organs sollten nicht von einem anderen Organ berufen werden. Das eben verlangt aber der Grundsatz der Gewaltenteilung, der durch diesen Vertrag verletzt wird.
Das Ratifikationsgesetz spiegelt diesen Zustand schon sehr deutlich wider; denn es besteht überwiegend aus Ermächtigungen. Einen so weitgehenden Verzicht auf die Grundrechte des Parlaments hält die FDP-Fraktion für kaum vereinbar mit dem Grundgesetz. Dies fällt um so mehr ins Gewicht, als beim Vertrag über den gemeinsamen Markt im 'Gegensatz zur Montanunion die Beschlüsse der supranationalen Gremien unmittelbar innerstaatliches Recht werden und somit jeden Staatsbürger auch der Bundesrepublik direkt binden. Eine so weitgehende Wirkung einer supranationalen Exekutive, die keiner legislativen Kontrolle unterliegt, bis in die Bundesrepublik hinein halten wir für unverträglich mit dem Grundgesetz.
Auch weitere Unklarheiten bedürfen noch der Aufklärung, und wir hoffen, diese in der Ausschußberatung zu erhalten. Der uns wichtigste Punkt ist die Frage nach dem Stand der Verhandlungen über die Ergänzung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch eine europäische Freihandelszone. Wir hören mit Besorgnis, daß einesteils Voraussetzungen gefordert werden, die etwa den Bedingungen der engeren, kleineuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft entsprechen, während andererseits dezidierte Erklärungen ver({5})
antwortlicher Minister anderer europäischer Staaten vorliegen, die hinsichtlich der Einbeziehung der Agrarprodukte diametral entgegengesetzte Standpunkte einnehmen.
Unsere hier schon einmal vorgetragene Auffassung geht dahin, daß für die FDP-Fraktion die Frage einer europäischen Freihandelszone ein entscheidendes Kriterium in der Beurteilung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, weil wir befürchten, den europäischen Markt sonst zu spalten. Wir stehen auch mit 'dieser Furcht nicht allein; denn ich lese hier eben in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", daß Mr. Macmillan die Erklärung abgegeben hat: „Der gemeinsame Markt könne nur dann der europäischen Einheit dienen, wenn gleichzeitig eine weiter gespannte Freihandelszone entstehe." Wenn aber der Herr schwedische Handelsminister im Rat der OEEC eine skandinavische Zollunion ankündigt, dann sehen wir doch mit großer Sorge am Ende eines mit so viel gutem Willen und mit ehrlicher Begeisterung begonnenen Weges zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes eine Aufspaltung eben dieses europäischen Marktes in eine Zollunion der sechs westeuropäischen Staaten, in eine skandinavische Zollunion und in die außerhalb stehenden weiteren sechs europäischen Staaten, die doch jetzt alle zusammen den europäischen Markt darstellen.
Ich bin auch nicht der Meinung, die Herr Birkelbach hier vorgetragen hat, daß man unter allen Umständen das Vertragswerk über die römischen Verträge ratifizieren müsse, um damit einen Druck auf die Verhandlungen über die Freihandelszone auszuüben. Die Schwierigkeiten, die da noch auszuräumen sind, wollen wir gar nicht unterschätzen, und es besteht doch dann die Gefahr - mit all den Konsequenzen, die ich eben vorgetragen habe -, daß wir nachher auf dem Vertragswerk über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sitzenbleiben. Dem werden wir uns doch kaum aussetzen wollen.
Meine Damen und Herren, 'die Außenzölle sind mehrfach angesprochen worden. Man kann das doch nun nicht mit einer Handbewegung wegdisputieren. Diese Gruppen sperren sich doch gegeneinander durch Außenzölle ab. Wir selbst kennen bisher noch nicht einmal die endgültige Höhe der vereinbarten Außenzölle nach der Übergangszeit. Nach Lage der Dinge, nämlich wegen der Umrechnung auf die europäische Zollnomenklatur - die wir, glaube ich, als erste bereits im Außenhandelsausschuß verabschiedet haben -, wird sicherlich eine gewisse Zeit nötig sein. Aber vielleicht ließen sich in diesem Falle einmal die Elektronenrechner vor der Ratifizierung einsetzen, damit ,dem Parlament rechtzeitig ein Bild darüber verschafft wird, ob und inwieweit mit den römischen Verträgen eine Abkehr von unserem Welthandel verbunden ist, ein Bild darüber., ob sie eine Aufgabe der nur unter besonders günstigen Umständen in harter Arbeit wiedergewonnenen überseeischen Märkte zur Folge haben könnten, und damit das Parlament rechtzeitig darüber unterricht würde, ob es unter diesen Umständen überhaupt noch einen Sinn hat, Investitionen in den entwicklungsfähigen Ländern vorzunehmen und junge Menschen aus diesen Ländern in deutschen Schulen und Betrieben auszubilden, wenn wir möglicherweise gar nicht mehr in der Lage sind, unseren Handel mit diesen Ländern aufrechtzuerhalten oder gar auszubauen.
Wir hoffen, in der Ausschußberatung auch Klarheit darüber herbeizuführen, wie sich die Regierung die Behandlung der Agrarprodukte vorstellt. Die Verträge ibeschränken sich für diesen Bereich auf einige allgemeine Grundsätze. Wir glauben I nicht, daß man einfach dem Ministerrat überlassen kann, zu entscheiden, welcher der drei vorgesehenen Wege eingeschlagen werden soll. Sicherlich wird gerade auf diesem Gebiet eine Einigung nicht leicht herbeizuführen sein und jedenfalls sehr viel Zeit beanspruchen. Inzwischen läuft aber der Zollabbau, werden die bestehenden Kontingente global und von Jahr zu Jahr aufgestockt, so daß auf unsere Landwirtschaft, soweit sie nicht durch die Marktordnungsgesetze gedeckt ist, ein Wettbewerb mit den doch unter sehr viel günstigeren klimatischen Bedingungen und mit geringeren Kosten produzierenden Ländern zukommt, der gerade für unsere Spezialkulturen, also für die nicht so not-leidenden landwirtschaftlichen Bereiche, eine recht ernsthafte Bedrohung sein könnte.
Wir hören jetzt von der Absicht, langfristige Lieferverträge zu Mindestpreisen abzuschließen, die dann möglicherweise Preissteigerungen bei uns hervorrufen, insbesondere bei Kolonialprodukten. Das aber wäre eine sehr ernste Frage, die eingehend untersucht werden muß. Denn dies würde ja eine Umkehr der bisher von der Bundesregierung in dieser Frage vertretenen Auffassung bedeuten.
Auch hinsichtlich des Verkehrswesens beschränkt sich der Vertrag auf einige Generalklauseln. Angesichts der schmerzlichen Trennung Deutschlands mit der daraus herrührenden wirtschaftlichen Bedrohung der Zonengrenzgebiete bedarf es der Betonung, daß wir nicht in der Lage sein werden, die diesen Gebieten eingeräumten Vergünstigungen zu irgendeinem Zeitpunkt, es sei denn dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung, fallenzulassen, daß wir nicht in der Lage sind, sie etwa als Äquivalent für andere Zugeständnisse aufzugeben. Aus den gleichen Gründen dürfte es sich von selbst verstehen, daß wir nicht davon abgehen können, der besonderen Situation der deutschen Seehäfen in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen.
Ein besonders wenig befriedigendes Kapitel stellt unserer Auffassung nach die Frage der Währungsrelationen dar. Die hierüber getroffenen Abreden besagen doch recht wenig Konkretes über den Willen, die Verzerrungen, die nach Auffassung der FDP das Haupthindernis der westeuropäischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit darstellen, in einem vertretbaren Zeitraum zu beseitigen. Aber sie besagen um so mehr über die Möglichkeiten für diejenigen, die aus eigener Kraft nicht imstande sind, ihre eigenen finanziellen Angelegenheiten zu ordnen, die Hilfe der anderen in Anspruch zu nehmen, die durch eine gute finanzielle Ordnung dazu in der Lage sind. Nach unserer Meinung kann eine europäische Wirtschaftsordnung ohne eine gleichzeitige Reorganisation der Währungsverhältnisse nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen.
Endlich erfordert die Einbeziehung der überseeischen Gebiete dringend eine Aufklärung über die Absichten der Regierungen. Insbesondere beunruhigt meine Fraktion die Gefahr, durch die Zuschüsse zur Entwicklung dieser überseeischen Gebiete in die ja auch in Frankreich recht umstrittene Kolonialpolitik verwickelt zu werden. Wir haben nun eben von unserem Kollegen Elbrächter auf Grund einer offenbar sehr langen und gründlichen Untersuchung dieser Gebiete gehört, daß der Kolo({6})
nialismus da nicht so sehr gefährlich sei, und ich bin sicher, daß er über seinen dreiwöchigen Aufenthalt da unten auch noch ein dickes Buch schreiben wird. Das werden wir dann mit Aufmerksamkeit lesen. Aber bis dahin sind wir doch der Überzeugung, daß angesichts der ganzen Verhältnisse, wie wir sie kennen, die Gefahr der Einbeziehung in eine recht umstrittene Kolonialpolitik mindestens nicht von der Hand gewiesen werden kann. Es wäre daher dringend erwünscht, daß schon vor Inkrafttreten der Verträge in gleichberechtigter Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten ein langfristiges Entwicklungsprogramm aufgestellt wird, das die Mitarbeit dieser Gebiete und ihrer Bevölkerung sichert. Mindestens sollten unverzüglich Verhandlungen geführt werden, in denen Klarheit darüber geschaffen wird, inwieweit den Beteiligten eine Zusammenarbeit überhaupt möglich erscheint. Das wird für unser Urteil über die Verträge von wesentlicher Bedeutung sein.
Die hier erbetenen Aufklärungen, die ja sicher in der Ausschußberatung erteilt werden, umfassen nicht alle Punkte, die in der FDP-Fraktion mit Sorge betrachtet werden. Aber wir sind uns selbstverständlich auch darüber im klaren, daß ein solches Abkommen immer ein Kompromiß darstellt, in dem gewisse Nachteile hingenommen werden müssen. Das Ziel, einen gemeinsamen europäischen Markt zu schaffen, hält die FDP-Fraktion für erstrebenswert, und sie hofft, daß es mit Hilfe der OEEC möglich sein wird, zu befriedigenden Lösungen zu kommen. Auf jeden Fall sind wir bereit, in der Ausschußberatung daran mitzuwirken, Mittel und Wege zu suchen, die uns zu einer echten europäischen Zusammenarbeit führen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben bereits eine derartige Fülle von Einzelheiten aus dem Vertragswerk teils positiv, teils negativ bewertet, daß mir selbst nicht allzuviel übrigbleibt, diesen Katalog zu verlängern. Im übrigen bedaure ich das mangelnde Interesse des Hauses, aber auch der Regierung. Ich freue mich, daß der Herr Ressortminister anwesend ist, aber ich kann leider weder den Herrn Wirtschaftsminister noch seinen Staatssekretär noch auch seinen Ministerialdirektor Müller-Ackermann erblicken.
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-Das spielt gar keine Rolle. Sie brauchen ein Parlament überhaupt nicht einzuschalten, wenn sich die Regierung von ihrer Bank aus nicht die Mühe macht, einmal den Einwendungen zuzuhören. Ich gebe zu, man kann das auch lesen. Aber wir können das ganze parlamentarische Verfahren ja schließlich nicht in ein schriftliches Verfahren umwandeln.
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Es ist bedauerlich, daß bei Verträgen von einer so ungeheuren Tragweite kein größeres Interesse aufgebracht wird.
Ich möchte nicht der Verlockung erliegen, heute die politische Zielsetzung der Verträge und das Verfahren, wie die politischen Ziele erreicht werden können, herauszuarbeiten, obwohl der Herr Bundesaußenminister noch einmal auf die Zielsetzung 'ausdrücklich hingewiesen hat. Vielmehr möchte ich mich darauf beschränken, einige wenige wirtschaftspolitische Gesichtspunkte für die Ausschußbearbeitung herauszustellen. Ich glaube, die wirtschaftspolitische Seite der Verträge ist hier wohl die grundlegende; denn jeder im Hause wird mir darin recht geben, daß ,auf einem Fundament wirtschaftlicher Torheit niemals ein Gebäude wirtschaftlicher Vernunft ,aufgebaut werden kann. Deswegen ist die Untersuchung der wirtschaftspolitischen Verhältnisse von entscheidender Bedeutung.
Seit unserer letzten Debatte, ,aus der wir heute vieles wiederholt hörten, sind einige Tatsachen bekanntgeworden, die für die Beurteilung der Verträge nicht uninteressant sind. Ich meine einmal den Bericht, den die Montanunion ihrem Parlament fur die nächste Session vorgelegt hat, besonders aber auch die Sitzung des Intersessional Committee des GATT, die vom 24. bis 27. April in Genf stattgefunden hat. Diese Sitzung eines Ausschusses hatte beinahe die Bedeutung einer Hauptversammlung, was man sowohl aus der Anzahl der Delegierten wie auch aus der ganzen Intensität der Tagung ersehen konnte. Ich erwähne das eigentlich nur, Herr Kollege Furler, weil mir beim Anhören Ihrer Rede etwas offenbar wurde. Sie glaubten ziemlich bestimmte Voraussagen für die Zukunft machen zu können. Bei der Tagung des Inter-sessional Committee des GATT war es etwas anders. Man war zwar im allgemeinen gedämpft für den Gemeinsamen Markt. Die Gegner haben sich sehr stark zurückgehalten aus Motiven, die wir hier in diesem Hause nicht zu interpretieren brauchen. Aber eins war doch sehr deutlich, nämlich, daß keiner der Delegierten - und in dem Committee sitzen ja nur versierte Außenhandelsfachleute - mit Sicherheit gewisse wirtschaftspolitische Wirkungen voraussehen konnte. Man hat sich ja auch auf den sehr glücklichen Kompromißvorschlag geeinigt, einen Fragebogen über alle strittigen Fragen aufzustellen und diesen Fragebogen an das Büro in Brüssel zu senden, um dann eine Working Group zu beauftragen, einmal den Standpunkt des GATT für die nächste Mitgliederhauptversammlung vorzubereiten. Leider können wir nicht solche Fragebogen versenden; sonst würden sehr viele Fragen, in denen Zweifel angeklungen sind, geklärt werden.
Das GATT hat ein berechtigtes Interesse daran, sich mit dem Problem. des Gemeinsamen Marktes auseinanderzusetzen, und zwar schon vom Grundsätzlichen her; denn hier stoßen zwei wirtschaftspolitische Prinzipien aufeinander - wahrscheinlich würde sich Herr Müller-Armack freuen, wenn er hören könnte, was ich jetzt sage -, von denen das eine auf die Produktion, das andere auf die Konsumtion ,ausgerichtet ist. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß das GATT mit seiner weltoffenen Politik letzen Endes eine Wirtschaftspolitik fördert, die den Verbrauchern als der nicht organisierten großen sozialen Masse dient, während solche lokalen oder Teilzusammenschlüsse, wie die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eine darstellt, immer lauf die Beibehaltung des Status quo gerichtet sind und natürlich in erster Linie dem Produzenteninteresse dienen; sie sind protektionistisch.
Hier stoßen also zwei verschiedene Wirtschaftsprinzipien zusammen; ihre Auseinandersetzung
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steht noch bevor. Dieses Vertragswerk ist überhaupt durch weitere merkwürdige Zweiheiten charakterisiert. Es ist aus den Ausführungen der Vorredner deutlich geworden, daß noch eine solche Zweiheit besteht, deren Gegensätzlichkeiten zu bewältigen sind: Wir haben in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf der einen Seite Staaten, die die freie Marktwirtschaft zum Grundprinzip und als Folge davon eine verhältnismäßig disziplinierte Geldpolitik haben. Demgegenüber stehen dirigistisch denkende Staaten wie Frankreich mit einer ausgesprochen inflationären Geldpolitik. Es ist nicht zu erkennen, wie diese Gegensätze ohne weiteres verschmolzen werden können oder wer in dem Wettstreit der beiden Prinzipien die Oberhand behalten wird. Nach den bisherigen Erfahrungen wird es das dirigistische Staatswesen mit seiner inflationären Politik sein; aber mit Sicherheit weiß man das nicht.
In dieser Zweiheit der Wirtschaftssysteme liegen ja die eigentlichen großen Schwierigkeiten für die Zukunft begründet. Der Vertrag trägt dem auch Rechnung, aber merkwürdigerweise völlig negativ, indem er nämlich die Finanz-, Geld- und Währungpolitik praktisch ausnimmt. Ich sage: praktisch, denn gewisse Festlegungen sind in dem Vertrag erfolgt, nur reichen sie für meine Begriffe nicht aus, um die Situation zu meistern.
Wir sehen aus Frankreich schon wieder gewisse Schwierigkeiten kommen. Wenn es z. B. aus Gründen der Zahlungsbilanz gezwungen sein sollte, die schon heute bestehende Importrestriktion noch weiter zu verschärfen - und nach einer der letzten Verhandlungen in der Nationalversammlung sieht es eigentlich so aus - und damit den Außenhandel weitgehend zu entliberalisieren, kann für den Gemeinsamen Markt eine Situation entstehen, die tödlich ist. Frankreich wird ja auch - darüber muß man sich klar sein - vor die Frage gestellt werden, ob es den fiktiven Frankenkurs abwerten und seine soziale Lohnpolitik in den Grenzen der Produktivität halten will. Wenn es das nicht tut, ist die berühmte Harmonisierung der sozialen Leistungen unmöglich.
Noch eine kurze Feststellung. Ein gemeinsamer Markt kann nur entstehen, wenn das Preis- und Kostenniveau in den Wechselkursen unverfälscht zum Ausdruck kommt, d. h. bei einem echten Wechselkurs und schließlich bei völlig freier Konvertierbarkeit der Währungen. Wir wollen uns darüber klar sein, daß die Konvertibilität der Währungen durch nichts ersetzt wenden kann. Wie dieses Problem mit dem Vertrag angegangen werden soll, weiß ich nicht. Ich befinde mich aber in der glücklichen Lage, daß das auch kaum ein anderer weiß. Wir werden eben abwarten müssen, wie die Dinge laufen.
Nun möchte ich noch etwas bezüglich des Problems derjenigen Warengruppen sagen, die von dem Vertrag nicht berührt werden. Wir haben gehört, daß die Zölle - es geht um den Außenzoll und die Abschaffung der Binnenzölle - das Charakteristikum des Vertrages ausmachen. Aber nicht alle Warengruppen werden davon erfaßt, und ich bin eigentlich überrascht, daß dieser Komplex hier noch nicht hervorgehoben wurde. Es gibt eine ganze Reihe von Warengattungen, die durch die Abschaffung der Zollgrenzen überhaupt nicht berührt werden. Denken Sie z. B. nur an die Reißwollerzeugnisse, die aus Italien kommen und so billig geliefert werden, daß sie bisher jede Zollgrenze spielend übersprungen haben. Die Befürchtung der deutschen verarbeitenden Industrie der Reißwollerzeugnisse, daß bei einer Niederlegung der innereuropäischen Zollschranken die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie stark beeinträchtigt werde, ist durchaus berechtigt.
Wir haben noch andere sehr bedeutende Artikel, die im Export eine Rolle spielen, aber durch Zolländerungen gar nicht berührt werden, z. B. den weiten deutschen Markt der Arzneimittel. Wenn die inneren Zollgrenzen fallen, hat diese Tatsache überhaupt keine Wirkung für einen verbesserten Umlauf der deutschen Arzneimittel in Europa. Warum? Weil die Arzneimittel in den einzelnen europäischen Ländern einem Zulassungs- oder einem Lizenzverfahren unterworfen sind. Also ist es jedem Lande, z. B. Frankreich, durchaus möglich, die Einfuhr deutscher Arzneimittel zu verhindern, indem es in die Lizenz solche Schwierigkeiten hineinlegt, daß keine Einfuhr stattfinden kann. Umgekehrt ist es so, daß Deutschland keine Lizenzierung ausländischer Arzneimittel kennt und daher eine erhebliche Einfuhr in die Bundesrepublik möglich ist, die keinen Ausgleich durch Exportmöglichkeiten in die Vertragsländer findet, so daß kein Gleichgewicht hergestellt wird. Man muß also berücksichtigen, daß es eine ganze Reihe Warengruppen gibt, die sich der Manipulation durch die Zollpolitik entziehen und die doch im Außenhandel eine nicht unerhebliche Rolle spielen.
Zum Schluß möchte ich noch auf eine Problematik eingehen, von der ich eigentlich gehofft hatte, daß sie von Ihnen, Herr Kollege Furler, angesprochen würde. Es handelt sich um den Bericht der Montanunion, der dem Montanparlament demnächst vorliegen wird. Er ist außerordentlich interessant zu lesen und stellt nicht gerade ein positives Dokument für wirtschaftliche Zusammenarbeit ails Vorstufe für eine politische Integration dar. Ich will auf diese Dinge im einzelnen nicht eingehen, obwohl sie bemerkenswert sind. Aber die Frage des Ministerrats hat mich dabei besonders interessiert. Aus dem Bericht geht deutlich hervor, daß der Ministerrat, der ja parallel zum Montanvertrag institutionsmäßig auch in den Verträgen, die heute zur Debatte stehen, vorhanden ist, sich eine verhältnismäßig starke Stellung gegenüber der Hohen Behörde geschaffen hat. Das kann man als erfreuliche Tatsache buchen. Denn in dem Ministerrat kommen ja auch die nationalen Parlamente dadurch zu Wort, daß sie in der Lage sind, ihren Ministern Weisungen zu erteilen.
Aber das Negative ist im Bericht auch deutlich vermerkt - ich bitte, mich zu korrigieren, Herr Furler, wenn ich hier eine etwas zu extreme Äußerung tue, aber ich glaube, richtig gelesen zu haben -, wenn darin steht, daß es nicht gelungen sei, im Ministerrat die nationale Montanpolitik der Länder so weit zu koordinieren, daß es heute schon zu einem gemeinsamen Markt auf dem Gebiet Eisen und Kohle gekommen sei. So ungefähr ist wohl der Sinn der Darlegungen. Ziehen Sie daraus die Nutzanwendung für den gesamten Gemeinsamen Markt. Offenbar ist es außerordentlich schwer, die nationalen Belange über den Ministerrat so zu koordinieren und zu harmonisieren, daß sich damit ein gemeinsamer funktionsfähiger Markt ergibt. Dieses Beispiel der Montanunion sollte nicht unbeachtet bleiben. Der Montanbericht wird ja in der Öffentlichkeit noch eine Rolle spielen, sobald er dem Montanparlament vorliegt.
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Es ist müßig, heute weitere Erwägungen über die Fragen des Gemeinsamen Marktes anzustellen, da sehr viel Kleinarbeit im Ausschuß dazu gehören wird, ein wirklich übersichtliches Bild zu gewinnen. Bei diesen internationalen Verträgen ist die Prophetie immer die schlechteste politische Richtlinie, die es gibt. Das Vorurteil ist immer schlechter als ,das Urteil, weil es eben vor dem Urteil kommt. Es wird einer sehr intensiven Arbeit bedürfen, um eine Schau in die Zukunft zu ermöglichen.
Entscheidend dürfte es aber für die Partner des Gemeinsamen Marktes und besonders für die Bundesrepublik darauf ankommen, daß es bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft nicht zu einem dirigistischen und sterilen kleineuropäischen „Hühnerhof" kommt, sondern zu einer liberalen und weltoffenen Gemeinschaft, die in erster Linie dazu bestimmt ist, den Interessen der Verbraucher in den Ländern des Gemeinsamen Marktes zu dienen. Gerade wir Deutsche sollten nicht vergessen, daß es neben der europäischen wirtschaftlichen und politischen eine ebenso bedeutsame weltwirtschaftliche Verantwortung und Verpflichtung gibt.
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Weitere Wortmeldungen zum Thema Gemeinsamer Markt liegen nicht vor; die Aussprache hierüber ist geschlossen. Die Beschlußfassung erfolgt zusammen mit der Beschlußfassung über Euratom.
Ich rufe jetzt auf zur Aussprache über Euratom. Verbunden damit ist die Fortsetzung der Beratung der Großen Anfrage der FDP, die schon in der 200. Sitzung begründet und beantwortet worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Auftrag und im Namen meiner Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion, folgende Ausführungen zu dem vorgelegten Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft machen.
Die Welt befindet sich am Anfang einer Epoche, in der sich die Kernenergie als eine neue Hilfsquelle für die Verbesserung unserer Lebensbedingungen, für die Fortentwicklung der Wirtschaft und den sozialen Fortschritt darbietet. Ein ohne Verzug unternommenes gemeinsames Vorgehen aller an der Nutzung der Kernenergie interessierten oder beteiligten Länder der Erde würde die beste Gewähr dafür bieten, daß die neue Naturkraft der Menschheit zum Segen gereicht und Unheil verhütet wird. Wir wissen, daß dieses Ziel gegenwärtig nicht erreichbar ist. Dies soll aber die Völker nicht hindern, wo immer eine solche Bereitschaft besteht, sich in dem Bestreben zusammen- zuschließen, gemeinsam die Voraussetzungen für die Entwicklung einer den Wohlstand ihrer Völker mehrenden Nutzung der Kernenergie zu schaffen, des weiteren die Sicherheiten zu schaffen, die erforderlich sind, um alle Gefahren für das Leben und die Gesundheit ihrer Völker auszuschließen, und nicht zuletzt auch andere Länder zu dieser Zusammenarbeit zu gewinnen.
Dies sind die Grundgedanken, von denen die sechs Länder der Montanunion ausgingen, als sie am 25. März dieses Jahres in Rom den Euratom-Vertrag paraphierten. Diesem Tage der Unterzeichnung des Euratom-Vertrages durch die Regierungen
der sechs Länder gingen Verhandlungen voraus, die zweieinhalb Jahre zurückreichen und zum ersten Male im September 1954 eine konkrete Form annahmen, als die Beratende Versammlung des Europarats eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Atomenergie empfahl. Wenige Monate später hat die Versammlung der Montanunion dieselben Gedanken vertreten. Von hier aus wurden die entscheidenden Vorschläge in der Messina-Konferenz vom Juni 1955 formuliert. Die Absicht, Länder einzuschließen, die außerhalb der Montanunion stehen, bestand bereits damals: Großbritannien wurde zur Beteiligung an den Arbeiten eingeladen. Das Vertragswerk kam jedoch nur unter den sechs Ländern der Montanunion zustande, die sich in einer Außenministerkonferenz im Mai vergangenen Jahres für die Annahme eines Vertrages zur Errichtung einer Atomgemeinschaft erklärten. Der Beitritt zum Euratom-Vertrag wie übrigens auch zum Gemeinsamen Markt steht jedem europäischen Staat offen. Diese kurze Vorgeschichte des Euratom-Vertrags sich ins Gedächtnis zurückzurufen, ist zu seinem Verständnis wichtig. Daß der Vertrag für alle europäischen Länder offensteht, kennzeichnet ihn in seiner besonderen Art.
Die Fraktion der CDU/CSU billigt den Vertrag im Grundsätzlichen und sieht in ihm ein bedeutsames und wichtiges Instrument zur Förderung der friedlichen Zusammenarbeit der europäischen Völker; sie kann daher den Beitritt anderer Länder nur wünschen und begrüßen.
Beim Studium des Vertragswerkes werden sofort drei Hauptprobleme sichtbar, die einer Regelung zugeführt wurden. Es sind dies die Frage nach dem Eigentum an Kernbrennstoffen, das Versorgungsmonopol und die Abgrenzung der friedlichen von der militärischen Nutzung.
Bei der Frage nach dem Eigentum an Kernbrennstoffen standen sich zwei Thesen gegenüber. Nach der einen These sollte das Eigentum an Kernbrennstoffen, jedenfalls an angereicherten Kernbrennstoffen, ausschließlich bei der Europäischen Atomgemeinschaft liegen. Im Gegensatz dazu forderte die andere These, daß das Eigentum jedenfalls dann bei privaten Unternehmen bleiben sollte, wenn diese Stoffe durch private Unternehmen erzeugt werden. Die juristischen Bedenken bei der Festlegung des Eigentums an Kernbrennstoffen bei der Atomgemeinschaft dürfen nicht übersehen werden, da die Kernbrennstoffe im Zuge ihrer Verwendung im Reaktor physikalische und chemische Umwandlungsprozesse durchmachen und sich am Ende der Verwendung als eine andere Materie darbieten, als sie vor ihrem Einsatz sind. Trotzdem wird im Euratom-Vertrag das alleinige Eigentum bei der Atomgemeinschaft festgelegt. Die historische Entwicklung bei denjenigen Staaten innerhalb und außerhalb der Atomgemeinschaft, die die Kernenergie auch für militärische Zwecke nutzen, läßt diese Regelung in etwa erklärlich erscheinen.
Die Fraktion der CDU/CSU vertritt aber die Auffassung, daß die Regelung, das Eigentum an den Kernbrennstoffen der Atomgemeinschaft zu übertragen, sich keineswegs aus dem Wesen der neuen Naturkraft ergibt, auch keinen erhöhten Schutz vor Mißbrauch bewirkt, und daß die Regelung, Kernbrennstoffe in Privateigentum zuzulassen, in keiner Weise mit Nachteilen für die einzelnen Staaten noch für die Atomgemeinschaft noch für die Bevölkerung verbunden und daher durchaus eine
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zweckmäßige Regelung gewesen wäre. Der Schutz des einzelnen vor Mißbrauch der Kernenergie liegt nicht in der Regelung der Eigentumsfrage, sondern darin, wie die Schutz- und Kontrollbestimmungen ausgebaut und überwacht werden.
Die zweite große Frage aus dem Gebiet des Euratom-Vertrags betrifft das Versorgungsmonopol. Es geht darum, ob die Unternehmungen, wenn sie sich mit Kernbrennstoffen versehen wollen, die Hilfe einer zu diesem Zwecke zu errichtenden Agentur in Anspruch nehmen müssen oder ob sie unter gewissen Voraussetzungen ihren Bedarf in der Weise befriedigen können, daß sie das Material bei einem unabhängigen Lieferanten erwerben. Es ist bekannt, daß unsere Unterhändler in dieser Frage einen schweren Stand hatten. Denn die Errichtung einer Monopolagentur bedeutet letzten Endes eine Behinderung unserer Entwicklung, d. h. die Einholung des Vorsprungs der anderen Länder kann verzögert werden. Bedauerlicherweise war es nicht möglich, die anderen fünf Staaten von der Errichtung einer Monopolagentur abzubringen. Die Monopolagentur ist nunmehr im Euratom-Vertrag verankert und mit ihr alle Nachteile eines bürokratischen Beschaffungssystems und für die Agentur die Möglichkeit, in alle Verbrauchsvorgänge einen gewissen Einblick zu erhalten. Immerhin haben unsere Unterhändler erreicht, daß das ganze System der Monopolagentur auf sieben Jahre befristet wird. Eine Fortsetzung ist mit einfacher Mehrheit möglich, die dann zustande gebracht werden müßte. Die Tatsache, daß eine Prüfung erforderlich ist, wird Gelegenheit geben, das System zu verbessern; und das ist eine gewisse Beruhigung für uns.
Das dritte Hauptproblem, die Abgrenzung der friedlichen von der militärischen Nutzung für den Fall, daß Mitgliedstaaten die Absicht haben sollten, die Kernenergie für militärische Zwecke zu nutzen, berührt die deutsche Bundesrepublik nicht unmittelbar, da ein Verzicht auf militärische Verwendung im Pariser Vertrag seit langem feststeht. Es ist wohl klar, daß Euratom nicht die geeignete Stelle sein kann, die Kontrolle bis hinein in den militärischen Bereich auszuüben. Sie endet an dieser Schwelle. Um so mehr aber werden wir, die wir einen freiwilligen Verzicht auf militärische Nutzung der Kernenergie ausgesprochen haben, darauf achten müssen, daß wir dadurch in der Belieferung mit Kernbrennstoffen nicht benachteiligt werden. Die reibungslose Wirksamkeit des Euratom-Vertrages wird wesentlich davon abhängen, daß im Punkte der militärischen Verwendung der Kernbrennstoffe alles vermieden wird, was ein Mißtrauen unter den Vertragspartnern auslösen könnte.
Meine Damen und Herren, ich darf mich nun von den Hauptproblemen abwenden und möchte mich verschiedenen Punkten zuwenden, die gleichfalls wichtig sind und das Vertragswerk in seinem Wesen kennzeichnen.
In dem Vertrag wird das Forschungs- und das wissenschaftliche und technische Ausbildungs- und Nachwuchsprogramm als eine wichtige Zukunftsaufgabe herausgestellt. Die Gemeinschaft errichtet auch ein gemeinsames Forschungszentrum. Hieraus dürfen wir eine nachhaltige Förderung der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft erwarten. Umgekehrt wird aber auch die übrige Welt aus den Arbeiten unserer deutschen Gelehrten und Erfinder Nutzen ziehen können, wie das insbesondere auf dem Gebiet der
Kernphysik in der Vergangenheit der Fall war. Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt die Vereinbarungen über die Förderung des Fortschritts auf dem Gebiet der Kernenergie und erwartet durch die Koordinierung der Forschungsvorhaben ein rationelles Arbeiten. Voraussetzung ist allerdings, daß damit nicht eine Beschränkung der freien privaten Forschungstätigkeit verbunden ist.
Eng verbunden mit den Fragen der Forschung ist das Kapitel des Austausches der Kenntnisse. Es ist bedeutsam, daß der Vertrag Zwangsmaßnahmen zur Lizenzerteilung patentierter nuklearer Kenntnisse vorsieht. Sie kommen aber nur zur Anwendung, wenn eine angemessene Entschädigung gewährt wird und die Bedarfsdeckung durch den Patentinhaber nicht gewährleistet ist und alle privaten Verhandlungsmöglichkeiten über eine Lizenzvergebung erschöpft sind. Die Verhängung von Zwangslizenzen ist nur unter Beachtung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten möglich. Bei der Handhabung der Grundsätze des Euratom-Vertrages werden wohl noch manche Probleme auftauchen. Der Geist, in dem diese Probleme gemeistert werden, wird über Wert oder Unwert dieser Bestimmungen entscheiden.
Sehr zu begrüßen sind die in einem weiteren Kapitel des Vertrages niedergelegten Bestimmungen über den Gesundheitsschutz. Auf diesem Gebiet wird die internationale Zusammenarbeit reiche Früchte zum Wohle der Menschheit und des einzelnen bringen können. Die Arbeiten werden sich auf die in manchen Punkten noch umstrittenen Grundnormen, d. h. auf die Höchstdosen sowie die Höchstgrenzen schädlicher Einflüsse beziehen. Auch werden die Grundsätze für die ärztliche Überwachung der Arbeitskräfte gemeinsam erarbeitet werden.
Die von diesem Hohen Hause bereits beschlossenen Maßnahmen zur ständigen Überwachung des radioaktiven Gehalts der Luft und des Wassers sowie auch des Bodens werden den Mitgliedstaaten zur Pflicht gemacht. Die Fraktion der CDU/CSU wird diesen Arbeiten und Maßnahmen stets ihre volle Unterstützung geben.
In dem anschließenden Kapitel über Investitionen kommt eingangs in Artikel 40 der Grundsatz zum Ausdruck, daß die Initiative der Personen und Unternehmen angeregt werden soll, ein Grundsatz, der auch in Artikel 2 Buchstabe c des Vertrages deutlich herausgekehrt ist. Auf der anderen Seite soll die Entwicklung der Investitionen erleichtert werden durch eine gegenseitige Abstimmung, bei der auch der Wirtschafts- und Sozialausschuß der Gemeinschaft eingeschaltet wird. Wenn diese Programme von Dirigismus freigehalten werden, dürfen wir für die Mitgliedstaaten eine nachhaltige Förderung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung erwarten. Die Fraktion der CDU/CSU wird der Handhabung der einschlägigen Bestimmungen stets ihre Aufmerksamkeit widmen, um sie zum Segen der Gemeinschaft zur vollen Auswirkung zu bringen.
Ebenso wichtig sind aber die Bestimmungen zur Überwachung der Sicherheit. Allen Bestrebungen, die Entwicklung in der friedlichen Nutzung der Kernenergie vorwärts zu bringen, muß die Verpflichtung vorangehen, Leben und Gesundheit derjenigen zu schützen, die an irgendeiner Stelle in irgendeiner Tätigkeit im Dienst der Nutzung der neuen Naturkraft stehen oder irgendwie mit ihr in
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Berührung kommen können. Niemals darf etwa im Interesse eines schnelleren Fortschritts der Schutz der Menschen vernachlässigt werden. Die Fraktion der CDU/CSU begrüßt daher die Überwachungsbestimmungen und wird ihre strenge Handhabung stets befürworten.
Wenn ich damit die Stellungnahme zu dem Vertragswerk abschließe, so komme ich bei einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis, daß hier wie bei jedem internationalen Vertragswerk, das auf freiwilliger Basis beruht, unsere Unterhändler nicht alle unsere Wünsche zur Verwirklichung bringen konnten. Trotzdem steht die Fraktion der CDU/ CSU positiv zum Euratom-Vertrag. Sie ist sich darüber im klaren, daß die Euratomgemeinschaft ihren Mitgliedern nicht nur Vorteile, sondern auch Verpflichtungen auferlegt. Die Mitarbeit an der Versorgung der Gemeinschaft mit Kernbrennstoffen ist eine dieser Aufgaben, die ich noch nicht gestreift habe. Deshalb müssen wir auch unsere heimischen Uranvorkommen nach Möglichkeit auswerten und unseren heimatlichen Boden nach neuen Uranvorkommen durchsuchen. Dies liegt auch im Interesse unseres eigenen Landes.
Wir stehen am Anfang einer Epoche der Menschheit und am Anfang eines völkerverbindenden Vertrages, der diese Epoche mit einleitet. Der Geist, in dem dieser Vertrag gehandhabt wird, wird über das Wohl der Völker entscheiden, die sich verbunden haben.
Zum Schluß möchte ich dem Wunsch Ausdruck geben, daß es der Euratomgemeinschaft gelingen möge, der Menschheit, die durch die neue Naturkraft verwirrt worden ist, das Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens zurückzugeben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ratzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei hat sich bereits frühzeitig dafür eingesetzt, daß gemeinsame europäische Anstrengungen auf dem Gebiet der Atomenergie ermöglicht werden. Der Vorsitzende der Sozialdemokratie hat am 17. und 18. Januar des vergangenen Jahres in Paris die Entschließung mit unterzeichnet, welche die Gründe für eine gemeinsame Erklärung zu diesem Thema darlegte. Daß der Deutsche Bundestag bereits am 22. März des vergangenen Jahres diese gemeinsame Erklärung des Aktionskomitees sich zu eigen machte, war nicht zuletzt auf die Initiative der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses zurückzuführen.
Unser Eintreten für eine Europäische Atomgemeinschaft zur Nutzung der Kernenergie für friedliche Zwecke ist in einer Reihe von Überlegungen begründet. Nicht nur für die anderen europäischen Staaten, sondern auch für uns selber wird die Dekkung des steigenden Energiebedarfes aus den - wenn ich so sagen darf - klassischen Energieträgern ein immer schwierigeres Problem. Die ausreichende Versorgung mit Energie ist aber eine unabdingbare Voraussetzung für die Steigerung des Lebensstandards der breiten Schichten der Bevölkerung. Die europäischen Völker, die einmal in Wissenschaft und Technik führend waren, sind hinter den USA, der Sowjetunion und in geringerem Maße auch hinter Großbritannien zurückgeblieben, vor allem was die Anwendung dieser neuen Erkenntnisse betrifft. Sie können, jedes einzelne Volk auf sich allein gestellt, diesen Vorsprung - das dürfte entscheidend sein - auch nicht mehr einholen, da die Entwicklung der Kernenergie die Kraft kleinerer Völker sowohl in materieller als auch in personeller Hinsicht übersteigt. Gemeinsame Anstrengungen liegen deshalb im Interesse eines jeden einzelnen Volkes.
Die auch bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie möglichen Gefahren, insbesondere die Gefahren durch Steigerung des Strahlenpegels, machen eine möglichst breite internationale Zusammenarbeit notwendig. Kontrollen hinsichtlich der Strahlengefahren, die sich nur auf ein Staatsgebiet erstrecken, sind nicht ausreichend. Das gilt im besonderen Maße für unsere Verhältnisse in Europa. Schließlich ist es auch die Unüberschaubarkeit der Folgen, die sich aus der Anwendung der Kernenergie ergeben können, die nach Meinung aller verantwortlich denkenden Menschen eine lückenlose Kontrolle des spaltbaren Materials notwendig macht. Das ist unserer Auffassung nach nur möglich, wenn sich die Kernbrennstoffe nicht in privater Hand befinden.
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Eine Europäische Atomgemeinschaft, die sich auf die ausschließlich friedliche Nutzung der Kernenergie beschränkt, stellt für niemanden eine Bedrohung dar, und das ist für uns auch ausschlaggebend. Wir glauben, daß im Gegenteil durch sie manche Spannungen und Ursachen von Spannungen und Konflikten beseitigt werden.
Ich darf noch einige Bemerkungen zur Frage des Energiebedarfs machen. Der Energiebedarf in der Welt steigt immer mehr. Das hat verschiedene Gründe: Ausweitung der Produktivität, Zunahme der Bevölkerung und Beteiligung neuer Völker an der industriellen Entwicklung. Was Westeuropa betrifft, so gibt es keinen Zweifel, daß die Lücke zwischen Energiebedarf und Energieangebot ständig größer wird. Der Schließung dieser Lücke müssen wir volle Aufmerksamkeit widmen. Wir sind aber durchaus nicht der Meinung, daß man dieses Problem dramatisieren muß. Man soll versuchen, einen vernünftigen Maßstab zu finden, insbesondere deshalb, weil die Entwicklung der neuen Energie gewisse Vorsichtsmaßnahmen notwendig macht; ein allzu rasches Tempo könnte hier schädlich sein. Es kommt hinzu, daß die Hauptenergiequelle, die Kohle, in immer größerem Maße als chemischer Rohstoff benutzt wird. Deshalb sollten hier rechtzeitig vorausschauende Maßnahmen getroffen werden.
Über diese Energielücke für Europa haben wir gerade in diesen Tagen von einem Bericht der drei Atomweisen gehört, die angeben, daß augenblicklich die Energielücke nahezu 100 Millionen t Steinkohleeinheiten ausmacht, daß sie 1965 etwa 200 und 1975 gar 300 Millionen t Steinkohleeinheiten betragen soll. Man mag sich über die Genauigkeit dieser Zahlen im einzelnen noch streiten. Man kann der Auffassung sein, hier liegen etwas zu pessimistische Schätzungen vor. Aber am Vorhandensein dieser Energielücke ist nicht zu zweifeln, und wir wissen, was diese Lücke bedeutet. Das gilt nicht nur für Westeuropa insgesamt, sondern das gilt auch für die Bundesrepublik; auch bei uns bestand 1955 eine Energielücke, und zwar von 21 Millionen t Steinkohleeinheiten. Sie soll nach An({1})
gaben des Bundeswirtschaftsministeriums 1965 bei einem Gesamtbedarf von 245 Millionen 45 Millionen t betragen. Ich glaube, wir sind uns alle im klaren darüber, daß diese ständig wachsende Energielücke unsere Aufmerksamkeit erfordert und daß sie ein vorausschauendes Handeln notwendig macht.
Nun zu den der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben! Ich darf vielleicht einige Worte über die Frage der gemeinsamen Forschung sagen. Wie aufwendig die Atomforschung ist und daß sie die Kraft von Nationalstaaten unserer Größenordnungen übersteigt, wissen wir. Deshalb ist es notwendig, daß gemeinsame Forschung betrieben wird, weil wir einfach sonst nicht in der Lage sind, mit den großen Atommächten Schritt zu halten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Artikel 5 des Vertrags. Dort sind die Grundsätze niedergelegt. Da heißt es, daß die Kommission auf noch unzureichend erforschte Gebiete hinweisen soll, daß sie darüber hinaus in regelmäßigen Veröffentlichungen berichten und durch Stellungnahmen von überflüssiger Doppelarbeit abraten soll.
Das halten wir im Hinblick auf die Zweckforschung zweifellos für richtig. Aber wir können nicht umhin, in diesem Zusammenhang an eine Debatte zu erinnern, die wir hier vor einigen Wochen anläßlich unseres Gesetzesantrags betreffend einen Deutschen Forschungsrat geführt haben. Ich glaube, das, was wir damals vorgeschlagen haben, war viel vorsichtiger und viel freiheitlicher formuliert als das, was in den Verträgen vorgesehen ist. Dort hat man dann von „Dirigismus" gesprochen. Dieses Wort haben wir heute wieder gehört. Es ist ein Modewort geworden,
wenn man irgend etwas, was man mit guten Gründen nicht ablehnen kann, mit einem solchen Schlagwort beseitigen will.
Wir begrüßen es auch, daß gemeinsame Ausbildungsstätten - auch eine solche, die Universitätscharakter hat - vorgesehen sind. Wir haben gerade vor einiger Zeit Gelegenheit gehabt, das europäische Kernforschungsinstitut in Genf zu besichtigen. Wir konnten sehen, daß dort eine wirklich gute Zusammenarbeit möglich ist, obwohl es sich nicht um 6, sondern sogar um 12 europäische Staaten handelt. Wir stellen ja eigentlich dadurch, daß wir eine gemeinsame Forschung betreiben wollen, nur einen Zustand wieder her, der gerade auf dem Gebiet der Atomwissenschaft bis 1933 in Europa bestanden hat. Wir wissen, daß die großen Fortschritte auf dem Gebiet der Atomenergie zwischen 1900 und 1933 gerade durch die europäische Zusammenarbeit erreicht worden sind, sei es in England unter Rutherford, in Kopenhagen unter Bohr oder in Paris unter Madame Curie.
Was die patentrechtlichen Bestimmungen betrifft, so glaube ich, daß bei der Schwierigkeit dieser Materie in den Ausschußberatungen über die einzelnen Bestimmungen und ihre Bedeutung Aufschluß erreicht werden muß. Aber wir bedauern es, daß in dem Vertrag Geheimhaltungsvorschriften sind, die es ermöglichen, daß ein einzelnes Land, ein einzelner dieser sechs Staaten aus militärischen Gründen die Geheimhaltung fordern kann. Der Verzicht auf die ursprüngliche Absicht, daß nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die einzelnen Mitgliedstaaten sich ausschließlich auf die friedliche Verwendung der Kernenergie beschränken sollten, ist in jeder Hinsicht zu bedauern. Durch eine solche Beschränkung wäre unseres Erachtens nicht nur der Schaffung von Vertrauen in der Welt ein großer Dienst geleistet worden, sondern wir sind der Meinung, daß dadurch die Chance, den Vorsprung der großen Atommächte aufzuholen, wesentlich größer gewesen wäre. Die militärischen Anstrengungen des einen oder anderen Landes auf dem Atomsektor verhindern doch mit Sicherheit eine Konzentrierung der Kräfte auf dem Gebiete der friedlichen Nutzung. Die Fachkräfte der Kernenergie, die sicherlich nicht allzu dicht gesät sind, werden ebenso absorbiert wie die materiellen Mittel. Wir begrüßen es deshalb in diesem Zusammenhang auch, daß die 18 führenden deutschen Atomwissenschaftler ihrerseits erklärt haben, sie setzten sich nur für die friedliche Atomforschung ein. Wir wollen hoffen, daß sie darüber hinaus nicht nur in Deutschland, sondern auch im Gebiet der Gemeinschaft und in der übrigen Welt Nachahmung finden.
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Es würde uns aber interessieren, welche Haltung die Bundesregierung in dieser Frage eingenommen hat, nämlich auf die Bestimmung zu verzichten, daß nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die einzelnen Mitgliedstaaten auf die militärische Anwendung verzichten.
Ein wichtiger Punkt in dem Aufgabenbereich der Gemeinschaft ist der Gesundheitsschutz. Herr Kollege Geiger hat bereits ausgeführt, daß er eine internationale Zusammenarbeit in möglichst großem Rahmen erfordert. Das gilt für die europäischen Verhältnisse in ganz besonderem Maße. Wir wissen, daß auch die friedliche Anwendung der Atomenergie nicht ohne Gefahren ist. Wir wollen die Dinge gar nicht übersteigern; aber es ist notwendig, daß hier von Anfang an eine vernünftige Weichenstellung vorgenommen wird, daß man dafür sorgt, daß wir nicht zu einem ähnlichen Zustand gelangen, wie wir ihn auf dem Gebiet der Luft- und der Gewässerverunreinigung haben. Dabei ist den Gewässern eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wir sind der Meinung, daß die in Aussicht genommenen Mindestnormen anfänglich vielleicht ruhig etwas schärfer sein können, weil wir auf diesem Gebiet noch nicht über konkrete und endgültige Erfahrungen verfügen, wie uns ja von den Sachverständigen ausführlich dargelegt wurde.
Weiterhin sind wir der Meinung, daß auch die Haftungsbestimmungen in dem Vertrag von Bedeutung sind und daß hier - es ist ja vorgesehen, daß zwei Jahre nach Inkrafttreten Richtlinien zu erlassen sind - solche Maßnahmen getroffen werden sollten, daß die Abdeckung der Schäden in jedem Falle die gleiche ist, unabhängig davon, auf welchem Territorium sich der Verursacher befindet.
Es ist auch eine Aufgabe der Gemeinschaft bzw. der Kommission, regelmäßige Veröffentlichungen mit hinweisenden Programmen zu machen, insbesondere hinsichtlich der Ziele für die Erzeugung von Kernenergie und der im Hinblick hierauf erforderlichen Investitionen. Wir haben dieser Tage das Programm der „drei Weisen" kennengelernt. Sie hatten einen Auftrag, ein solches Programm zu erarbeiten. Wenn wir die in diesem Programm angegebenen Zahlen betrachten, wird uns, glaube ich, klar, daß einiges auch an finanzieller Beanspru({3})
chung auf uns zukommt. Dieses Programm sieht vor, daß bis 1967 15 000 Megawatt zu installieren sind. Sowohl nach den Angaben, die man aus dem Programm der englischen Regierung ausrechnen kann, als auch nach den Angaben der „drei Weisen" selbst bedeutet dieses Programm, daß bis 1965 etwa eine Summe von runden 30 Milliarden DM zu investieren ist. Die englischen Zahlen geben darüber hinaus auch Aufschluß, daß ein Kraftwerk von der Leistung 250 Megawatt 450 Millionen DM kostet - das ist ganz grob umgerechnet, aber in der Größenordnung sicherlich eine richtige Zahl -, und die Erstausstattung mit Kernbrennstoffen für ein solches Kraftwerk kostet 100 Millionen DM.
Es kommen auch noch andere Investitionen auf uns zu, die nicht minder umfangreich sind. Eine Isotopentrennanlage - und eine solche wird ja im Bereich der Gemeinschaft sicherlich errichtet werden - kostet nach einem Bericht der OEEC, wenn sie 1000 t Uran im Jahr verarbeiten soll, 1 Milliarde bis 1,3 Milliarden. Nun, das sind Zahlen, die zeigen, wie hoch die Belastungen sein werden. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang der Hinweis nicht uninteressant, daß im Jahre 1956 die gesamte westdeutsche Industrie an Netto-Anlageinvestitionen nur 8 Milliarden DM ausgegeben hat.
Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage: Wie will die Privatwirtschaft diese Kosten tragen? - Wir sind der Meinung, daß hier doch in erster Linie die öffentliche Hand, d. h. die Gesamtheit der Steuerzahler, die Leistungen aufzubringen hat.
Trotzdem sind unseres Erachtens der privatwirtschaftlichen Initiative auf diesem Gebiet große Möglichkeiten gegeben. Ich brauche nur an den Bau und die Entwicklung der Reaktoren selbst zu erinnern oder an die Dampfturbinen oder an die elektrischen Anlagen und Kontrolleinrichtungen. Da ergibt sich für die private Industrie ein weites Feld der Betätigung.
In diesem Zusammenhang ist ein Bericht der „Deutschen Zeitung" vom 13. März dieses Jahres nicht uninteressant, der über Amerika berichtet und die Überschrift trägt „Private Atommeiler nicht gefragt". Nach diesem Bericht finden amerikanische Geschäftsleute die Suppe der Atomwirtschaft noch sehr heiß und wollen zum Erstaunen der amerikanischen Regierung und des amerikanischen Volkes keine Pionierarbeit leisten, zumindest nicht mit eigenen Finanzmitteln. So weit die „Deutsche Zeitung". Frage: Wird die europäische Wirtschaft risikofreudiger sein als die amerikanische?
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- Ich habe bei der Beratung in Frankfurt, Herr Kollege Hellwig, in einer Unterhaltung mit Vertretern der chemischen Industrie nicht den Eindruck gehabt, daß diese Industrie sehr risikofreudig ist. Sie war noch nicht einmal willens, 3 Millionen DM für die Gefährdungshaftung aufzubringen.
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Sie hat generall eine Staatshaftung gefordert.
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- Ja, ich glaube, das ist eine altbekannte Tatsache.
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Nun, ich meine aber, angesichts der Lasten und Risiken, die die Allgemeinheit bei der Entwicklung der Kernenergie auf sich zu nehmen und zu tragen hat, ist ein Anspruch auf Privateigentum an Kernbrennstoffen zumindest in absehbarer Zeit noch nicht gerechtfertigt. Entscheidender noch dürfte jedoch bei der Frage des Eigentums die besondere Gefährlichkeit der spaltbaren Stoffe sein und der unübersehbare Umfang möglicher schädlicher Auswirkungen ihres Mißbrauchs in bezug auf die äußere und innere Sicherheit der Staaten sowie auf die Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung. Sie haben in allen Staaten, welche auf dem Gebiet der Erforschung und Nutzung der Kernenergie Fortschritte erzielt haben, zu einem solchen Maße an einschränkenden Vorschriften öffentlich-rechtlichen Charakters im Hinblick auf den Gebrauch und die Nutzung dieser Stoffe geführt, daß der herkömmliche zivilrechtliche Eigentumsbegriff für diese Stoffe so gut wie völlig seine praktische, insbesondere wirtschaftliche Bedeutung verloren hat.
Ich habe jetzt nicht etwa eine sozialdemokratische Begründung gegeben, sondern ich habe aus der Begründung der Bundesregierung zu den Verträgen vorgelesen. Wenn man diese Begründung mit der Begründung des Atomgesetzentwurfes vergleicht -- wo man immer gesagt hat: wir brauchen eine privatwirtschaftliche Betätigung; daß in Amerika oder in England die öffentliche Hand so engagiert ist, beruht nur auf der historischen Entwicklung, also darauf, daß man dort im Kriege die Sache angefangen hat -, dann muß man doch offensichtlich den Eindruck haben, daß die linke Hand der Bundesregierung nicht weiß, was die rechte tut. Es ist ja in der deutschen Öffentlichkeit nicht unbekannt, daß auch der Herr Bundesatomminister dem Euratomvertrag wenig aufgeschlossen - um es etwas gelinde auszudrücken - gegenübersteht. Ich glaube, sein Verhältnis zum Euratomvertrag bringt der Bundesatomminister auch dadurch zum Ausdruck, daß er bei der Beratung dieses Vertrages, der ihn zweifellos auch angeht- denn hier wird ja das wirkliche Atomgesetz gemacht -, nicht anwesend ist.
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Ich darf also feststellen, daß wir die Regelung der Eigentumsfrage im Euratomvertrag begrüßen, weil sie den Verhältnissen in den USA und in Großbritannien entspricht und sich dort bewährt hat. Die Begründung der Bundesregierung zu dem Vertrag bestätigt nachträglich die Haltung der Sozialdemokratischen Partei.
Wir Sozialdemokraten wünschen auf alle Fälle, daß die Europäische Atomgemeinschaft nicht mit der militärischen Verwendung der Kernenergie belastet wird.
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Die Bundesrepublik hat sich durch die Pariser Verträge verpflichtet, keine Atomwaffen herzustellen. Der Herr Bundesminister für Atomfragen hat im Atomausschuß und in der Öffentlichkeit wiederholt betont, daß in seinem Ministerium nur für die
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Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken gearbeitet wird und daß er jede Arbeit an der militärischen Verwendung in seinem Ressort ablehnt. Er hat auch wiederholt die Atom- und Wasserstoffbombenversuche als Unfug bezeichnet. Ich glaube, hier können wir mit ihm einer Meinung sein. Wir wären natürlich noch mehr erfreut, wenn diese Äußerungen nicht vom Bundesatomminister, sondern vom Bundeskanzler gemacht worden wären.
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- Kann ja noch kommen!? Wir lassen uns gern angenehm überraschen.
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Der Art. 84 des Euratomvertrages sagt aus, daß sich die Sicherheitskontrolle nicht auf das besondere spaltbare Material erstreckt, das für die Zwecke der Verteidigung bestimmt ist, und nach Art. 86 ist es auch nicht Eigentum der Gemeinschaft. Ich möchte die Bundesregierung bitten, uns genau darüber aufzuklären, woher dieses besondere spaltbare Material kommt. Wir sind insbesondere daran interessiert, daß nicht irgendwo Fließgrenzen bestehen, so daß z. B. Plutonium, das in einem Reaktor im Bundesgebiet entsteht, auf dem Wege einer solchen Fließgrenze in ein militärisches Sondergerät, wie es da heißt, eingebaut wird. An der 'Beantwortung dieser Frage sind wir besonders interessiert.
Ich glaube, es ist bei der Vielfalt der in diesem Vertragswerk angeschnittenen Probleme nicht möglich, auf alle Dinge einzugehen. Ich möchte jedoch das, was mein Freund Birkelbach hinsichtlich des Wirtschafts- und Sozialausschusses gesagt hat, noch einmal unterstreichen. Wir sind daran interessiert, daß dieser Ausschuß, dem Vertreter der verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen angehören, einen Einfluß darauf hat, daß die Entwicklung der Atomenergie in diesem Rahmen des Sechser-Europas der gesamten Bevölkerung zugute kommt.
Nun noch einige wenige Bemerkungen zur Frage „Euratomvertrag und Atomgesetz". Zweifellos bestehen zwischen dem Atomgesetz und dem Euratomvertrag gewisse Zusammenhänge, Berührungspunkte und Überschneidungen. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen hat in seiner Antwort auf die Große Anfrage der FDP sehr vorsichtig formuliert: „Zwischen dem Entwurf des Atomgesetzes und der Verpflichtung im Rahmen von Euratom bestehen keine Unvereinbarkeiten." Nun, damit ist doch wohl gesagt, daß hier noch einiges abzustimmen und zu vereinbaren ist. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß das Atomgesetz und der Euratomvertrag in ihrer Grundkonzeption schlecht miteinander zu vereinbaren sind. Auch ist es etwas eigentümlich, daß die Programmvorstellungen, die der Herr Bundesminister für Atomfragen entwickelt hat - er hat ausgeführt, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, daß bis 1965 etwa 500 Megawatt Leistung in der Bundesrepublik zu installieren seien -, so gar nicht mit dem Programm übereinstimmen, das von den drei „Atomweisen" entwickelt wird. Sie sind der Auffassung, daß bis 1965 insgesamt 15 000 Megawatt zu installieren seien. Das wäre immerhin, wenn nur 10 % auf die Bundesrepublik entfielen, was sicherlich zuwenig sein wird, schon das Dreifache von dem, was der Bundesatomminister in seinem Programm angibt. Man hat also den Eindruck, daß unter den Bundesministerien ein sehr schlechter Kontakt besteht.
Weiterhin sind wir Sozialdemokraten der Meinung - darüber werden wir uns bei der Beratung des Atomgesetzes noch zu unterhalten haben -, daß hinsichtlich des Gesundheitsschutzes die Formulierung des Euratomvertrags unbedingt in das Atomgesetz übertragen werden muß. Im Atomgesetz darf der Strahlenschutz nicht auf den Schutz gegen radioaktive Substanzen beschränkt, sondern muß generell auf ionisierende Strahlen erstreckt werden. Darauf müssen wir bestehen.
Ich darf abschließend zusammenfassen. Wir Sozialdemokraten halten gemeinsame Bemühungen möglichst vieler europäischer Staaten zur Schließung der Energielücke für notwendig und wünschenswert. Die Europäische Atomgemeinschaft kann ein erster Schritt in dieser Richtung sein. Es wird allerdings notwendig sein, daß die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Staaten und mit anderen Organisationen - ich denke an USA, England, OEEC und UNO - voll ausgeschöpft werden.
Da eine Europäische Atomgemeinschaft, die sich ausschließlich auf die friedliche Verwendung der Atomenergie beschränkt, für kein Land eiñe Bedrohung darstellt, gilt das auch für die Sowjetunion. Besonders die großen Atommächte sollten aus ihren eigenen Erfahrungen am besten wissen, daß die Entwicklung der Atomenergie wirtschaftliche, materielle und personelle Voraussetzungen fordert, wie sie eben in kleineren Staaten nicht gegeben sind.
Wenn es uns gelingt, in diesem Sechser-Europa und, wie wir hoffen, auch in dem größeren Europa die Atomenergie für friedliche Zwecke voll nutzbar zu machen, leisten wir nach unserer Meinung einen Beitrag dazu, daß Spannungen beseitigt werden, die in der Welt wegen der Energieprobleme immer bestanden haben und gerade jüngst wieder von Bedeutung gewesen sind.
Wir werden der Prüfung des Vertrages im Ausschuß aufgeschlossen gegenüberstehen und voraussichtlich dem Vertrag unsere Zustimmung geben können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Euler ({0}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei ({1}) begrüßt die Europäische Atomgemeinschaft außerordentlich. Wenn auf irgendeinem Gebiet die engste Zusammenarbeit aller europäischen Staaten geboten ist, dann auf dem der friedlichen Anwendung und Entwicklung der Kernenergie.
Es hat seine Ursache in den politischen Konfliktsituationen unserer Zeit, daß Euratom zunächst auf einen Teilnehmerkreis von sechs europäischen Staaten beschränkt ist und daß die Konstruktion einer supranationalen Gemeinschaft gewählt werden mußte. Aber wir halten auch gegenüber dieser Euratom die Betrachtungsweise für angebracht, die uns schon seit einigen Jahren geleitet hat: daß es verkehrt wäre, gar nichts zu unternehmen, wenn das Angestrebte nicht sofort in Idealform erreicht
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werden kann. Wir müssen Europa eben Schritt für Schritt verwirklichen. Nur so wird man zu einem echten föderativen Europa gelangen, und dann werden eines Tages auch die Hilfskonstruktionen der Übergangs- und Entwicklungszeit entbehrlich sein.
Wir danken den deutschen Unterhändlern, daß sie ihren ganzen Einfluß geltend gemacht haben, urn dem Vertragswerk einen weniger planwirtschaftlich-dirigistischen Charakter zu geben, als nach dem ursprünglichen französisch-belgischen Entwurf vorgesehen war. Für ¡das Funktionieren des Vertrages in der Zukunft war es außerordentlich wichtig, daß die Bezieher maßgebenden Einfluß auf die Bezugsverträge und die gesamte Geschäftspraxis der Agentur gewinnen können. Es ist ein wesentliches Verdienst der deutschen Delegation, daß die Initiative der Privatwirtschaft im europäischen Bereich weit mehr gestärkt worden ist, als das nach dem ursprünglichen Vertragswerk gedacht war.
Wir befürchten nicht, daß Euratom in der Konstruktion, die schließlich vereinbart wurde, in Gegensätzlichkeit zu dem deutschen Atomgesetz stehen könnte. Ich bin überzeugt, die genaue Prüfung des Euratom-Vertragswerks und andererseits des deutschen Gesetzentwurfs in der kommenden Ausschußarbeit wird zu dem Ergebnis führen, daß wir keinen Anlaß haben, den Entwurf des Atomgesetzes zu ändern. Das Atomgesetz ist übrigens inzwischen in den beiden Ausschüssen, denen es zur Bearbeitung übertragen war, verabschiedet worden, und damit kann als gewährleistet angesehen werden, daß das Atomgesetz als wichtigste deutsche Rechtsquelle ,auf dem Gebiet der friedlichen Verwendung der Kernenergie fast zur selben Zeit gültig wird, wie die Euratom durch die Ratifikation in den verschiedenen europäischen Teilnehmerstaaten.
Wir begrüßen es, daß das Vertragswerk eine Bestimmung enthält, von der wir hoffen, sie werde insbesondere dazu beitragen, der europäischen Entwicklung stärkere Impulse zu geben. Dias ist die Vorschrift des Art. 108 Abs. 3, die vorsieht, daß die Versammlung der Europäischen Atomgemeinschaft Entwürfe für allgemeine, unmittelbare Wahlen in allen Mitgliedstaaten nach einem einheitlichen Verfahren aufstellt. Wir hoffen, die europäischen Parlamentarier der sechs Mitgliedstaaten in der zukünftigen Versammlung werden bald von diesem ihnen statutgemäß verliehenen Recht Gebrauch machen, so daß wir möglichst schnell zu einer europäischen Versammlung im Rahmen von Euratom kommen, die auf unmittelbaren Wahlen beruht. Diese Versammlung hätte dar wohl auch die Aufgabe, die verschiedenen Parlamente in den supranationalen Gemeinschaften zu vereinheitlichen und zusammenzuführen, um von daher mit erweiterten Funktionen die Entwicklung zur europäischen Föderation zu betreiben.
Besonders wesentlich ist noch: wenn sich die Entwicklung so durchsetzt, wie wir es hoffen, wenn sich also die Zusammenarbeit wirklich überzeugend gestaltet, wird auch ,die Bestimmung des Vertrags zum Zuge kommen, die anderen europäischen Nationalstaaten, die jetzt der Euratom noch nicht angehören, den freien Zutritt ermöglicht.
Was das Gebiet des Strahlenschutzes anbelangt, wird man ohnehin mit besonderer Zielstrebigkeit daran festhalten müssen, daß die internationale
Zusammenarbeit in einem größeren Kreise der europäischen Nationen sofort verwirklicht wird, also über die Gemeinschaft der Sechs von Euratom hinaus im Rahmen der OEEC.
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Dort werden bereits Strahlenschutzmaßnahmen und Strahlenschutzverordnungen vorbereitet. Man braucht nur an die Inbetriebnahme des Schweizer Reaktors mit allen möglichen Gefährdungen nach dem deutschen Gebiet hin zu denken, um zu wissen, wie wesentlich unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes, des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung, die Zusammenarbeit über Euratom hinaus in dem größeren Kreise der OEEC ist. Ja, man wird es, wenn man an die Auswirkungen der Atomexplosionen denkt, für nötig halten müssen, die internationale Atomorganisation möglichst schnell zu verwirklichen, die mit der Weltagentur in Wien ein Instrument schaffen soll, das für die Abrüstung von größter Bedeutung wäre. Diese internationale Atomorganisation mit einer Weltagentur geht auf den Vorschlag des amerikanischen Präsidenten Eisenhower zurück, einen Atompool zu schaffen, der dafür Sorge trägt, daß alle zur Erzeugung von Kernenergie geeigneten Stoffe über die Agentur der kriegerischen Verwendung in nuklearen Bomben entzogen werden, um ausschließlich der friedlichen Verwendung unter internationaler Kontrolle zugeführt zu werden.
Wir möchten der Erwartung Ausdruck geben, daß dieses Vertragswerk über die internationale Atomorganisation mit der Weltagentur möglichst schnell, nachdem es in der Bundesregierung verabschiedet worden ist, dem Bundestag zur Ratifikation zugeleitet wird. Es wäre von erheblicher Bedeutung, daß das Vertragswerk noch in dieser Legislaturperiode ratifiziert wird, damit, wenn es zur Wiener Atomkonferenz im Rahmen der internationalen Organisation kommen sollte, was im Augenblick wohl davon abhängt, ob der amerikanische Kongreß dem Gesetz zustimmt, die deutsche Teilnahme nicht dadurch in Frage gestellt ist, daß der Bundestag das Gesetz nicht ratifiziert hätte. Wir sind der Auffassung, daß nur durch das allgemeine Streben nach engster, vertrauensvoller internationaler Zusammenarbeit das Jahrhundert der Entfesselung der atomaren Energie segensreich für die Menschheit werden kann. Nur den gemeinsamen Bemühungen aller Gutwilligen wird es gelingen, die Gefahren, die mit der Entfesselung der Kernenergie für die Menschheit gegeben sind, zu bannen, damit sie ausschließlich der produktiven Verwendung zugeführt werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Drechsel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ratzel ist wohl auch auf die Große Anfrage eingegangen, die meine Fraktion eingereicht hatte und die eigentlich gar nicht zur Debatte in diesem Hause gekommen ist, sondern nur eine schriftliche Antwort des Herrn Staatssekretärs erfahren hat, die auch unserer Auffassung nach durchaus nicht befriedigend und etwa erschöpfend gewesen ist. Insofern stimme ich Herrn Kollegen Ratzel zu. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß ich zu diesem Fragenkomplex schon eingehende Ausführungen bei der Begründung
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dieser Anfrage am 21. März dieses Jahres in diesem Hause gemacht habe. Ich möchte mich heute auf die Stellungnahme beschränken, die ich im Namen meiner Fraktion zur ersten Lesung des Euratom-Vertrags selbst abzugeben habe.
Am Beginn dieser Stellungnahme möchte ich mit vollem Ernst sagen, daß die Grundgedanken einer internationalen Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie von uns ohne allen Vorbehalt anerkannt werden. Zu den Aufgaben einer solchen Zusammenarbeit gehören zweifellos die Förderung der Forschung, ein vollkommener Erfahrungsaustausch, die Ausarbeitung von Sicherheitsnormen und eine Koordinierung der Aufgaben, die die Möglichkeiten eines Einzelstaates übersteigen. Diese Aufgaben müssen mit aller Sorgfalt zwischenstaatlich geregelt werden; wir halten eine solche Regelung, wie ich eingangs schon andeutete, für unerläßlich.
In Verbindung mit dem jetzt vorliegenden Euratom-Vertrag ist nur die Frage zu stellen, ob die Basis, die mit den sechs Mitgliedstaaten gewonnen wird, nicht zu klein ist und ob ,es überhaupt notwendig sein wird, trotzdem auf dieser Basis zu beginnen, oder ob nicht von vornherein ein größerer Rahmen erreichbar gewesen wäre.
In 'der Sitzung des Bundestages am 21. März, die ich bereits erwähnte, habe ich .darauf hingewiesen, daß schon eine Reihe internationaler Organisationen bestehen, die auf dem Gebiete der friedlichen Nutzung 'der Kernenergie tätig sind; im europäischen Raum wurden sie bereits umfassender gestaltet, und in einem Fall erstreckt sie sich über 81 Staaten der Welt.
3) Die Probleme, die beim Zusammenschluß des Gemeinsamen Marktes bestehen, sind bei der Atomwirtschaft nicht vorhanden. Dort ist bereits die Bereitschaft der Staaten, die sich in diesen internationalen Organisationen zusammengeschlossen haben, herbeigeführt, die Zusammenarbeit auf den obengenannten Aufgabengebieten zu betreiben. Euratom würde in diese Entwicklung unserer Auffassung nach nur eine Unterorganisation bringen, die die geforderte internationale Zusammenarbeit im größeren Rahmen 'behindert. Es gibt bereits gemeinsame internationale Forschungstätigkeit in gemeinsam geschaffenen Institutionen. Hier wird durch Euratom keineswegs Neuland betreten, wie es vielleicht auf dem Gebiete des Gemeinsamen Marktes der Fall sein mag. Es dürfte nicht einfach sein, Mißstimmungen zu vermeiden, wenn Forscher der Partnerstaaten von Euratom ihre Erkenntnisse, die sie unter Mitwirkung anderer Staaten gefunden haben, vertragsmäßig der Euratom-Gemeinschaft offenbaren müssen. Von einem der Herren Vorredner ist schon auf die gemeinsame Forschungsstelle in Genf hingewiesen worden, bei der mehr als die sechs Partnerstaaten, die jetzt Euratom bilden, beteiligt sind. Überschneidungen beim Aufbau gemeinsamer Anlagen unter Betätigung der Wissenschaftler aus den verschiedensten Ländern in solchen Instituten werden dann im europäischen Bereich unvermeidbar und hinderlich werden.
Die Vorteile, die die Bundesrepublik mit dem Euratom-Vertrag erhalten könnte, sind unserer Auffassung nach bisher nicht erkennbar geworden, jedenfalls nicht so deutlich, daß man eine Berechtigung sieht, auf diesem Gebiet die gleiche enge Basis zu wählen wie beim Gemeinsamen
Markt. Bei den Beratungen über den Euratom-Vertrag muß diese grundsätzliche Frage gestellt und befriedigend beantwortet werden. Weder in der Begründung, die der Herr Bundesaußenminister heute bei der Vorlage der Vertragswerke gegeben hat, noch von einem der Herren Vorredner ist diese doch recht wesentliche Frage aufgegriffen und beantwortet worden.
Im Euratom-Vertrag sind allerdings noch einige zusätzliche Aufgaben aufgenommen worden, so die Überwachung der Verwendung der Kernenergie,. die bis zum Eigentumsrecht an diesen Stoffen geht, die Bildung eines gemeinsamen Marktes auf dem Gebiet der Kernkraft und die Förderung des Zugangs zum freien Kapitalmarkt. Hinsichtlich der letzten beiden Punkte ist zu prüfen, ob nicht die zweifellos notwendige Ausdehnung der Absatzmärkte durch andere Vereinbarungen, beispielsweise über die OEEC, kurzfristig ebenso gut erreichbar ist und ob die Gemeinschaft der Partnerstaaten gerade im Hinblick auf die in Zukunft voraussichtlich erforderlichen großen Kapitalmittel :auf dem internationalen Kapitalmarkt mehr Möglichkeiten hat als der einzelne Staat. Es dürfte von den Vertragspartnern kaum angenommen werden, daß die notwendigen Kapitalien in der Zukunft im eigenem Bereich aufgebracht werden können.
Eine Überwachung der Verwendung der Kernbrennstoffe ist selbstverständlich in jeder Hinsicht erforderlich. Wir sind jedoch der Auffassung, daß man hier nicht so weit zu gehen braucht, Euratom das Eigentum an den besonderen Kernbrennstoffen zu übertragen. Der Sprecher der Fraktion der CDU/CSU hat in seinen Ausführungen hierzu ebenfalls Bedenken 'angemeldet und betont, was ich wiederholen möchte, daß mit der Frage des Eigentums an einem Stoff die notwendigen Sicherheits- und Schutzvorschriften, die bei der Verwendung eines solchen Stoffes erlassen werden müssen, durchaus nicht im Zusammenhang stehen. Es wurde gesagt, auch die CDU/CSU bedaure, daß hier eine Monopolagentur geschaffen worden sei, die so weit gehe, daß sie das Eigentumsrecht für sich in Anspruch nimmt, man tröste sich aber damit, daß diese Vorschrift nur für sieben Jahre geschaffen werde und man dann die Möglichkeit habe, diese Bestimmung mit einfacher Mehrheit wieder aufzuheben oder zu ändern. Das scheint mir ein recht magerer Trost für diese jetzt aufgenommene Bestimmung zu sein. Ich möchte sogar sagen, daß sie von einem übermäßigen Optimismus getragen wird. Denn ich bezweifle, daß es, wenn eine Bestimmung einmal für sieben Jahre in einem solchen Vertragswerk aufgenommen worden ist, leicht möglich sein wird, bei der dann vorgesehenen Abstimmungsmethode eine Änderung herbeizuführen. Dazu sollte man die Mentalität der Partnerstaaten, mit der sie an diese Frage herangehen, genau genug kennen.
Wir sind der Auffassung, daß man bei derartigen Eingriffen in das Eigentum sehr vorsichtig sein muß. Denn einmal begonnen, haben sie die Neigung. sich auf andere Gebiete auszudehnen und das Grundrecht Ides Eigentums immer mehr auszuhöhlen. In letzter Konsequenz führt der Weg zum allmächtigen Staat, der die Produktionsmittel besitzt und die Menschen in immer größere Abhängigkeit von der Bürokratie und dem Funktionärstum bringt. In dieser Hinsicht unterscheiden wir uns absolut von der hier vorgetragenen Begrüßung der Eigentumsgestaltung über Euratom.
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Im einzelnen möchte ich noch einige recht bedenkliche Artikel erwähnen, die dringend der Klarstellung bedürfen. Auch von unserer Seite sei besonders auf den Artikel 84 Abs. 3 in Verbindung mit dem Artikel 52 hingewiesen. Nach dem Vertragstext muß Euratom besondere Kernbrennstoffe ohne Diskriminierung zuteilen, wenn der Verwendungszweck zulässig ist. Das bedeutet für einige Mitgliedstaaten, nicht für die Bundesrepublik, auch den Einsatz für militärische Zwecke. Dann gehen diese Kernbrennstoffe, wie bereits von anderer Seite erwähnt worden ist, aus der Kontrolle von Euratom heraus. Nun fallen solche besonderen Kernbrennstoffe wie Plutonium oder ähnliche hochwertige Stoffe auch beim Betrieb eines Reaktors an, der beispielsweise in der Bundesrepublik aufgestellt wird. Das ist ein zwangsläufiger technischer Prozeß, den man gar nicht ändern kann. Euratom hat dann das Options- und Eigentumsrecht an diesen besonderen Kernbrennstoffen und kann sie für militärische Zwecke in andere Mitgliedstaaten überführen, wo diese Verwendung statthaft ist. Wir würden also letzten Endes ohne unser Wollen unid ohne unsere Zustimmung der Lieferant von Kernbrennstoffen werden, mit denen in Partnerstaaten Atomwaffen aller Art hergestellt werden können.
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Wir können uns nicht vorstellen, daß diese Bestimmung so bestehenbleiben kann. Wir erheben die Forderung, daß diese Frage ein besonderer Aussprachepunkt in dem zuständigen Ausschuß wird.
Die Komplikationen, die dadurch entstehen, daß einzelne Partnerstaaten die Kernenergie für militärische Zwecke anwenden können, erstrecken sich auch auf die damit verbundene unterschiedliche oder beschränkte Offenbarung der wissenschaftlichen und praktischen Erkenntnisse. Einige Partnerstaaten können dann, wenigstens zum Teil, dafür die Geheimhaltungsbestimmungen in Anspruch nehmen, worauf Herr Kollege Ratzel ebenfalls schon hingewiesen hat.
In diesem Zusammenhang sei auf die Artikel 14 bis 22 aufmerksam gemacht, die sehr weitgehend in das geistige Eigentum an Patenten, vorläufig geschützten Rechten und Gebrauchsmustern eingreifen. Hier wird sich ebenfalls ,das Grenzgebiet zwischen den militärischen und .den friedlichen Zwecken gar nicht genau feststellen lassen; es wird immer Überschneidungen geben.
Weiterhin möchte ich auf den Artikel 45 verweisen, der nach unserer Auffassung nicht genügend erkennen läßt, ob gemeinsame Unternehmen nur neu errichtet werden können oder ob auch schon bestehende durch Beschluß der entsprechenden Organe von Euratom in ein gemeinsames Unternehmen umgebildet werden können. Auch der französische Text läßt das nicht in aller Klarheit erkennen.
Artikel 29 sagt, daß Abkommen oder Verträge, die die Unterzeichnung durch einen Mitgliedstaat erfordern, von der Kommission zu schließen sind. Demnach entgeht ein Partner, der eine nichtstaatliche Organisation einschaltet, diesen Verpflichtungen. Ich habe auf diesen Punkt bereits der Sitzung am 21. März hingewiesen. Ich weiß nicht, ob inzwischen eine Klarstellung vorgenommen worden ist; uns ist das nicht bekannt.
Für die vogesehenen Institutionen gilt das gleiche wie für den Gemeinsamen Markt. Die
Machtposition von Rat und Kommission ist erheblich, wobei eine parlamentarische Kontrolle praktisch völlig ausgeschaltet ist. Die immer wieder vorgesehenen Einriffsbefugnisse der Kommission lassen einen Dirigismus befürchten, der, verbunden mit einer entsprechenden Bürokratie, die Durchführung größerer Verarbeitungs- und Verwendungsprogramme nicht erleichtern wird. Dabei kann so weit gegangen werden, daß die Einrichtung von Anlagen und die Ausnutzung von Patenten auf dem weiten Gebiet der Atomwirtschaft - nicht etwa nur auf dem Gebiet der Kernbrennstofferzeugung oder der Kernbrennstoffverwendung - unter Beeinträchtigung ,der ,eigentlichen Entwicklung stärker gefördert und gelenkt wird.
Es wird immer wieder als ein wesentlicher Vorzug von Euratom angesehen, daß die Beschaffung der erforderlichen Kernbrennstoffe für die Partnerstaaten besser gesichert sei, als wenn jedes Land sich selbst darum bemühen müßte. Man geht dabei von der wahrscheinlich richtigen Voraussetzung aus, daß in der näheren Zukunft diese Kernbrennstoffe nicht im Übermaß, ja nicht einmal zur Dekkung des notwendigen Bedarfs zur Verfügung stehen werden. In einigen Äußerungen wird sogar behauptet, daß ohne Euratom beispielsweise von den Vereinigten Staaten von Nordamerika der Bundesrepublik keine Kernbrennstoffe mehr zur Verfügung gestellt würden. Diese Behauptung ist nach unserer Auffassung durch nichts erwiesen, Der Herr Bundesminister für Atomfragen - leider ist er nicht anwesend - hat im März/April dieses Jahres eine Reise nach Großbritannien, Kanada, und ,den USA gemacht. Sein Bericht über die dabei gesammelten Erfahrungen beweist, daß die Annahme, die anderen Länder seien nicht bereit, uns Kernbrennstoffe zu liefern, es sei denn über Euratom, nicht zutreffend ist. Mit den Mengen, die wir nach bereits ,abgeschlossenen bilateralen Verträgen zur Verfügung gestellt bekommen, und den Mengen, die nach den bei dieser Reise getroffenen zusätzlichen Abkommen geliefert werden, ist nach den eigenen Worten des Herrn Ministers die Durchführung des beabsichtigten deutschen Programms der nächsten Jahre in vollem Umfang gesichert. Auch in dieser Beziehung würde man die Einschaltung von Euratom jedenfalls für die Bundesrepublik nicht nötig haben.
Aufgaben, die vor uns stehen, müssen zweifellos zwischenstaatlich gelöst werden. Sie sollen von Euratom übernommen werden, sie gehören aber auch in das Aufgabengebiet anderer Organisationen, unid unserer Auffassung nach könnten sie in größerem Rahmen besser gelöst werden. Es erscheint uns sehr zweifelhaft, warum man Euratom überhaupt bilden muß. Wir werden diese Fragen im Ausschuß zu behandeln haben, und wir bitten, sie gründlich zu prüfen. Hinsichtlich unserer Bedenken gegen dieses Vertragswerk wünschen wir eine Klarstellung. Die nicht erkennbaren Vorteile des Euratom-Vertrags für die Bundesrepublik und die nach unserer Auffassung damit verbundenen Nachteile müssen in der Ausschußberatung einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Erst dann wird es meinen Freunden möglich sein, zum Euratom-Vertrag endgültig Stellung zu nehmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
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Ehe wir zur Ausschußüberweisung kommen, müssen wir über einen Antrag Beschluß fassen, wonach dieser besondere Ausschuß gebildet werden soll. Der Antrag liegt auf Drucksache 3505 vor. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Auf Grund von § 62 der Geschäftsordnung wird der 3. Sonderausschuß - Gemeinsamer Markt/Euratom - gebildet, der aus 31 Mitgliedern besteht.
Der Antrag ist von Mitgliedern sämtlicher Fraktionen unterschrieben. Ich stelle ihn zur Debatte. - Das Wort wird wohl nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Wir haben jetzt darüber zu beschließen, daß die soeben erörterten Vorlagen über den Gemeinsamen Markt und Euratom diesem Ausschuß überwiesen werden. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Der Ausschuß wird vermutlich morgen vormittag um 8.30 Uhr zusammentreten; es wird noch bekanntgegeben werden, wo. Die Mitglieder werden gebeten, sich einzufinden, damit der Ausschuß sofort seine Arbeit aufnehmen kann.
Ich darf dann weiter bitten, damit einverstanden zu sein, daß der Punkt III der heutigen Tagesordnung
Beratung des interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschösse - Umdruck 1050 jetzt erledigt wird. Das ist eine Sache von wenigen Minuten. Ich darf fragen, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diejenigen, die diesem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen bitten. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Überweisung ist beschlossen.
Wir erfahren in der Beratung des Einzelplans 05 des Haushaltsplans fort. Wortmeldungen lagen noch seitens des Herrn Dr. Vogel und des Prinzen zu Löwenstein vor. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Vogel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesaußenminister hat vorhin schon zu einer Reihe von Fragen Stellung genommen, die in Zusammenhang mit seinem Haushalt hier erörtert worden sind. Ich möchte sofort mit einzelnen Punkten beginnen, die nicht nur während der Beratung des Haushaltsausschusses eine Rolle gespielt, sondern das Hohe Haus schon seit geraumer Zeit bewegt haben.
Lassen Sie mich zunächst auf die Äußerungen meines letzten Vorredners, Herrn Gille, eingehen, der ausführliche Darlegungen über die Ostabteilung gemacht hat. Das Problem der Ostabteilung wie das Problem der Organisation des Auswärtigen Amtes überhaupt beschäftigen uns seit geraumer Zeit. Aber ich möchte diese Fragen zusammen mit einem ausgedehnteren Problem als nur dem einer Ostunterabteilung behandeln.
Der äußere Rahmen des Auswärtigen Amtes weitet sich von Jahr zu Jahr aus. Heute ist das
Auswärtige Amt mit annähernd 5500 Bediensteten eine so gewaltige Behörde, daß sich hier automatisch Führungsprobleme schon rein von der Verwaltungsseite her einstellen müssen. Die Zeit des Aufbaues ist immer noch nicht vorbei. Sie werden in dem kurzen Bericht, den ich Ihnen vorlegen durfte, bereits gesehen haben, daß die Errichtung neuer Gesandtschaften, Botschaften und Konsulate zwar auf der anderen Seite vom Abbau einiger Auslandsmissionen begleitet wird; aber der Neuaufbau geht trotzdem noch weiter fort und er erfordert - überall da, wo es sich um neue Vertretungen handelt - alljährlich auch neue Kräfte.
Wir haben allein für Auslandsmissionen - Kap. 3 - nicht weniger als 134 Bundesbedienstete in diesem Haushaltsjahr neu ausgebracht, obwohl wir auf der anderen Seite auch ganz erhebliche Einsparungen vorgenommen haben.
Auch haben wir - und das möchte ich hier mit allem Nachdruck betonen - das Auswärtige Amt keinesfalls von der sehr scharfen Durchsicht ausgenommen, der wir alle Ressorts unterzogen haben; denn auch für das Auswärtige Amt, eine immer noch im Aufbau befindliche Behörde, gilt das Gesetz der Sparsamkeit - auch im Personal - wie für jedes andere Ressort.
Nun komme ich zu der Gliederung dieses Amtes. Die seit Jahren anhängige Zusammenlegung der Abteilungen 2 und 3 ist schon angesprochen worden. Wir von der CDU/CSU hoffen, daß diese jetzt schon, soviel ich weiß, seit zwei Jahren als in Gang befindlich bezeichnete Angelegenheit dem Abschluß entgegengeführt wird. Ich wüßte nicht, was das Auswärtige Amt eigentlich gerade nach den jüngsten Ereignissen - auch im Zusammenhang mit dem vorhin behandelten Komplex Euratom und Gemeinsamer Markt - noch hindern sollte, diese beiden Abteilungen zu verschmelzen.
Sie müssen auch Verständnis dafür haben, Herr Kollege Gille - das möchte ich Ihnen vor allen Dingen gesagt haben -, daß wir von seiten des Haushaltsausschusses von einer Behörde, die annähernd 5500 Bedienstete hat, verlangen müssen, daß sie neu auftauchende Sonderaufgaben innerhalb eines so großen Personalkörpers zu lösen imstande ist. Das muß von jedem Ressort verlangt werden, auch vom Auswärtigen Amt.
Es ergeben sich neue Aufgaben; dafür treten aber auch andere Aufgaben zurück. Sie sprachen schon einige dieser zurücktretenden Dinge an, z. B. den Wirtschaftsdienst im Rahmen der auswärtigen Missionen, der sicherlich etwas zu stark ausgebaut ist. Hier ergeben sich Möglichkeiten; zum Teil sind sie schon genutzt. Aber es gibt noch ganz andere Möglichkeiten im Rahmen des Auswärtigen Amtes. Wir haben z. B. im vergangenen Jahr und in diesem Jahr diejenigen höheren und mittleren Beamten, die zwar für die Auslandsmissionen ausgebracht sind, aber aus irgendwelchen Gründen doch nicht sofort eingesetzt werden können, für den Dienst im Inland freigestellt. Das ist diesmal, wenn ich die Zahl richtig im Kopfe habe, eine Zahl von rund 70 Beamten, die sozusagen die ständige Einsatzreserve des Auswärtigen Amtes darstellen. Wenn Sie sich weiter aus meinem kurzen Bericht die jetzt neu hinzukommende Zahl der in der Ausbildung befindlichen Kräfte ansehen, so ist das eine weitere Reserve. Denn diese jungen Attachés sind zu einem großen Teil ausgebildete Referendare, zum Teil Assessoren; es befinden sich dar({0})
unter auch Regierungsinspektoren, die übernommen worden sind. Sie sind alle nicht dermaßen ungeschult, daß sie nicht auch - wenigstens zeitweise
- da und dort zur Verstärkung des allgemeinen Personals mit eingesetzt werden könnten. Und dann gibt es außerhalb der Ziffern, die Sie in meinem Bericht gesehen haben, noch die ungefähr 200 Angestellten, die über Geldtitel laufen, die in dem ordentlichen Haushalt gar nicht in Erscheinung treten.
Um hier gleich auf einen Punkt hinzuweisen, der auch in der deutschen Öffentlichkeit Aufsehen erregt hat: Es ist uns - ich glaube, sehr zu Unrecht
- im Haushaltsausschuß der Vorwurf gemacht worden, wir hätten keine Vorkehrungen getroffen, damit die Fälle der Wiedergutmachung bei den Auslandsmissionen beschleunigt behandelt werden. Jetzt ist ein entsprechender Geldtitel von 600 000 DM neu ausgebracht worden, der z. B. allein 42 neue Stellen für das Ausland ermöglicht.
Nun aber die entscheidende Frage: Für die Unterabteilung Osten steht ein bestimmter Personalstab zur Verfügung. Sie haben ihn als zu gering bezeichnet. Ich möchte zunächst dahingestellt sein lassen, ob er - absolut betrachtet - zu gering ist. Mir scheint das Wesentlichste zu sein, daß es dem Auswärtigen Amt gelingt, aus der sehr geringen Zahl der zur Verfügung stehenden Fachleute eine Persönlichkeit von sehr hohem Rang als Leiter dieser Unterabteilung zu gewinnen. Das scheint mir wirklich das Hauptproblem zu sein. Wir alle wissen, welche Sorgen wir überhaupt mit der Gewinnung von Fachleuten auf diesem Gebiet haben. Die Neuerrichtung der Botschaft in Moskau hat in diesem Punkt in der Inlandsabteilung einen Aderlaß herbeigeführt, der von uns in mancher Hinsicht beklagt wird, der aber unvermeidlich ist.
Auf der anderen Seite wird vielfach übersehen, daß das, was früher, vor 1939 und auch vor 1933, innerhalb der Abteilung Osten im Auswärtigen Amt an Arbeit geleistet wurde, heute zu einem Teil in der Auslandsabteilung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung geleistet wird. Als damals diese Auslandsabteilung von uns geschaffen wurde, wurden mit voller Absicht Beamtenstellen ausgebracht, um erstens eine Austauschbarkeit mit dem Auswärtigen Amt zu schaffen und um zweitens dem Auswärtigen Amt Arbeit abzunehmen, die nicht unbedingt in das Auswärtige Amt selbst gehört. Dem gleichen Zweck dient auch der sehr starke und, ich glaube, von allen Parteien des Hauses anerkannte Ausbau der vier oder fünf Osteuropa-Institute, die wir gegenwärtig in der Bundesrepublik haben. Die Kräfte, die im Amt selbst tätig sind, werden also schon in einem Ausmaße vorbereitetes Material erhalten, wie das früher nie der Fall war, und sie sind auch in die Lage versetzt worden, Aufträge zu erteilen und Forschungsarbeiten außerhalb des Hauses leisten zu lassen, zu denen sie früher auch nicht ohne weiteres in der Lage waren. Aber es bleibt das Problem, ich möchte einmal sagen, der Qualität. Die Quantität allein wird es sicherlich nicht tun.
Nun, ich habe jetzt von diesen Aufgaben gesprochen. Ich möchte das eigentlich zentrale Problem nicht unangesprochen lassen. Ich sagte: eine Behörde von 5500 Köpfen wirft automatisch Führungsprobleme auf. Wir wissen, daß das Zeitalter der Konferenzen, das nach der zweiten Weltkriegskatastrophe angebrochen ist, die führenden Kräfte aller Regierungen in einer Weise beansprucht, die manchmal die Frage berechtigt erscheinen läßt und zwar nicht nur in bezug auf den Außenminister, sondern generell -, ob der Aufwand an Konferenzen eigentlich noch in einem angemessenen Verhältnis zu deren Resultaten steht.
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Das gilt nicht nur für die Minister, sondern das gilt heute, Gott sei's geklagt, auch für die Wissenschaftler. Ich. kenne Kultusminister und Universitätsrektoren genug, die lebhaft Klage führen über die Zahl der Konferenzen, zu denen gerade ihre wertvollsten Kräfte auch an den Universitäten dauernd reisen und während ihrer Abwesenheit schmerzlich entbehrt werden müssen.
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Ich möchte doch darum bitten, daß die Privatgespräche, wenn sie schon stattfinden müssen, in der Lautstärke so reduziert werden, daß man auch dem Redner zuhören kann.
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Jeder Redner, der sich die Mühe gibt, bei so wichtigen Debatten zu sprechen, sollte darauf rechnen können, daß die Herren und Damen, die zuhören wollen, auch zuhören können.
Ich bitte fortzufahren.
Ich danke recht sehr.
Ich war beim Führungsproblem. Lassen Sie mich angesichts der Tatsache, daß der Außenminister selber derart über Gebühr in Anspruch genommen ist und sein Stellvertreter, der Staatssekretär, mit ihm das Schicksal teilt, zu sehr vielen Konferenzen im Ausland weilen zu müssen oder im Inland durch Konferenzen gefesselt zu sein, einmal einen Vergleich mit der Besetzung der Spitze des Foreign Office ziehen. Sie sehen dort an der Spitze einen Außenminister, zwei Staatsminister, zwei parlamentarische Staatssekretäre und dann erst den sogenannten Permanent Secretary. Das ist die Position, die der unseres Staatssekretärs entspricht. Aber der Permanent Secretary übt eine reine Beamtenfunktion aus; das ist der Mann; der ständig dableibt, der für die Ordnung, die Stabilität und die Kontinuität im Hause sorgt. Wir haben an der Spitze den Außenminister und nur einen Staatssekretär, der aber praktisch die Funktionen ausübt, die in England von Staatsministern ausgeübt werden.
Es wird also für uns automatisch das Problem akut, wie wir uns für die Zukunft das Auswärtige Amt in seinen Führungsstellen vorstellen. Ich glaube, es muß eine Lösung gefunden werden, die auch bei Abwesenheit von Außenminister und Staatssekretär eine konstante und feste Führung dieses großen und eminent wichtigen Apparats gewährleistet. Wie diese Lösung aussieht, ob man das Amt eines Staatsministers schafft oder ob man Unterstaatssekretäre schafft, ist eine Angelegenheit, die ich der Organisationskompetenz der Bundesregierung überlassen möchte. Es ist nicht unsere Aufgabe, hier einen Beschluß darüber herbeizuführen. Aber ich glaube, es ist unsere Aufgabe, die Bundesregierung darauf aufmerksam zu machen, daß hier, ich möchte sagen, ein akuter Notstand eingetreten ist. Ich halte es nicht für gut, wenn das Amt von einem Vortragenden Legationsrat geführt wird, wie das in einer Zeit tagelang der Fall war, weil nicht nur der Minister und der Staatssekretär aus dringendem Anlaß im Ausland waren, sondern
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auch die Abteilungsleiter durch unzählige Verhandlungen - denken Sie doch nur einmal vor allem an die Rückgabe der Vermögen, an die Grenzverhandlungen und was alles an kleineren Problemen noch zu lösen ist - vom Hause abwesend waren. Wir müssen also besorgt sein, eine neue Lösung zu finden, und wir müssen der Bundesregierung dringend anraten, hier bald zu einem Beschluß zu kommen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch eine Reihe von Problemen ansprechen, die mit der Kontrolle der Auslandsmissionen zusammenhängen, mit dem Funktionieren dieses großen Apparates, dem Austausch der Meinungen zwischen den Auslandsmissionen und dem Außenminister selbst, dem ständigen lebendigen Kontakt, der hier hergestellt werden muß. Es wird heute vielfach darüber geklagt, daß die Auslandsmissionschefs nicht im entferntesten mehr die Funktionen der Gesandten und Botschafter früherer Zeiten hätten, daß sie im Zeitalter der raschen Übermittlung durch den Funk im Grunde genommen nur noch Briefträger seien. Wer aber selbst draußen derartige Missionen gesehen hat - ich hatte im Laufe der letzten Jahre die Möglichkeit, bei ungefähr 30 Auslandsmissionen zu weilen; ich habe also auf einem Teilgebiet einen bestimmten Eindruck gewinnen können -, der wird ganz anderer Überzeugung sein. Ich kenne Botschafter der Bundesrepublik draußen, von denen eine so starke Ausstrahlung auf das betreffende Land ausgeht, daß wir nur erfreut darüber sein können, derartige tatkräftige, umsichtige und auch deutsches Wesen in das Ausland ausstrahlende Persönlichkeiten draußen zu besitzen.
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Ich möchte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, gerade auch unseren Auslandsmissionen für ihre schwierige und häufig genug doch ihre Gesundheit und eigene Entschlußkraft sehr stark beanspruchende Arbeit hier den Dank meiner Freunde auszusprechen.
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Aber Funk und Telegraph können nicht das ersetzen, was das Fluidum des Kontakts zwischen dem Inlandsamt und den Auslandsmissionen nun einmal bedeutet. Aus diesem Grunde begrüße ich die Botschafterkonferenzen, die in der letzten Zeit stattgefunden haben. Eine fand in Südamerika statt, wir hatten eine für den vorderen Orient in Konstantinopel, eine in Tokio und die jüngste in Berlin mit den europäischen Botschaftern unter Hinzuziehung des Botschafters in den USA. Ich habe mir schildern lassen, wie glücklich gerade die Missionschefs darüber waren, nicht nur mit Außenminister und Staatssekretär hier einmal direkt sprechen zu können, sondern wie glücklich sie vor allen Dingen darüber waren, einmal untereinander ihre Meinungen über ein großes Problem austauschen zu können.
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Ich glaube, man sollte mit dieser erfolgreichen Praxis fortfahren.
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Ich möchte auch wünschen, daß die Möglichkeiten, diesen Kontakt noch enger zu gestalten, verstärkt werden.
Ich spreche damit auch das Problem der Umzugskosten und der Reisekosten generell an. Wir im Haushaltsausschuß waren nie sehr glücklich dar über, daß fortgesetzt, beinahe periodisch wiederkehrend Nachforderungen für diese Zwecke kamen. Sicherlich läßt sich einiges durch eine größere Zurückhaltung bei den Versetzungen etc. lösen. Auf der anderen Seite darf man nicht verkennen, daß der Austausch von persönlichen Erfahrungen gerade für ein solches Amt unentbehrlich ist. Dias gilt vor allen Dingen für die Missionsspitzen. Man sollte hier lieber eine gewisse Freizügigkeit walten lassen, um dafür auf der unteren Ebene vielleicht ein wenig stärker als bis jetzt Versetzungen und auch Reisekosten einzuschränken.
Wir hatten in der kleinen Kommission, der auch ich die Ehre hatte ,anzugehören, Gelegenheit, einmal einen Einblick in das interne Getriebe des Auswärtigen Amts zu nehmen. Nach zwei Sitzungen sind wir der Überzeugung, daß die Maßnahmen, die da besprochen worden sind, wohl mit dazu dienen werden, hier die notwendigen, von uns gewünschten Einsparungen zu erzielen.
Damit komme ich zu einem weiteren Problem: warum hier Einsparungen notwendig sind und warum aber auch neue Ausgaben unvermeidlich sein wenden. Sie finden in dem Haushalt neue erweiterte Titel für die Einrichtung von Wohnungen für unsere Auslandsbediensteten. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man nach Möglichkeit in den Tropen fertig eingerichtete Wohnungen mit tropenfesten Möbeln und Einrichtungen, die dem Tropenklima gewachsen sind, zur Verfügung stellen sollte und daß man diejenigen, die dorthin versetzt werden, nur einen Teil ihrer persönlichen Habe mitnehmen lassen sollte, vielleicht Teppiche, Bilder, Andenken und sonstige Ausstattungsgegenstände, mit denen sie eine persönliche Note in die Wohnung hineintragen können. Andere Missionen tun das auch unid haben das in den letzten Jahrzehnten mit großem Erfolg durchexerziert. Denn was nutzt es z. B. dem Konsulatssekretär X, der neulich bei mir war, wenn ihm das Auswärtige Amt erlaubt, für vielleicht 15 oder 20 000 DM mit seinen Kindern und seinen deutschen Möbeln in die Tropen zu ziehen, und er nach anderthalb Jahren entdeckt, daß die Termiten ihm seine guten deutschen Möbel kunstvoll bis aufs letzte ausgehöhlt haben und er keinerlei Ersatzansprüche stellen kann. Wir sollten das Personal vor derartigen Verlusten bewahren. Die Mittel, die dafür erforderlich sein werden, sind sehr hoch. Ich muß Sie im voraus darauf aufmerksam machen. Aber auf weite Sicht gesehen werden sie sich schnell ,amortisieren, weil dann nämlich bei den Umzugskosten ganz erhebliche Einsparungen gemacht werden können, dire bei einem Millionenbetrag von Umzugs- und Versetzungskosten schon ins Gewicht fallen. Lassen Sie mich nur an einem Beispiel dokumentieren, worum es hier geht. Der Konsulatssekretär Sowieso ist nach einer Hauptstadt Südamerikas versetzt worden. Der Umzug mit seinen Möbeln nach dorthin hat vielleicht 20-, 30 000 DM gekostet. Nach zwei Jahren wird er von dort nach Hinterindien versetzt. Die Umzugskosten betragen 30 000 DM. In diesem Fall, da er nach vier Jahren Tropenaufenthalt einen Rechtsanspruch darauf hat, wieder in ein gemäßigtes Klima zurückzukehren, ist abzulesen, daß er binnen zweier Jahre mit diesen Möbeln, die bereits jetzt 50 000 DM Umzugskosten im Minimum, ohne die Reisekosten, verschlungen haben, nun wahrscheinlich unter neuen 25 000 DM Kosten in der Heimat - hoffentlich mit dem Rest seiner Möbel - anlangen wird, und in der Zwischenzeit haben die Umzugskosten
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wahrscheinlich das Fünf-, Sechsfache von dem wirklichen Wert dieser Möbel verschlungen. Derartige Dinge müssen sehr sorgfältig überlegt und geplant werden, und dieses eine Beispiel zeigt Ihnen vielleicht die ganze Problematik der Personalverwaltung und auch der Versetzungen innerhalb des Auswärtigen Amtes auf.
Nun lassen Sie mich ein weiteres Problem ansprechen, das auch schon in einer Reihe von Berichten erörtert worden ist, das Problem der Spezialisten innerhalb des Auswärtigen Amtes. Ist es in der Zukunft notwendig, wie bis jetzt Presseattachés aus der Presse herauszuholen, Kulturattachés aus den Kulturbereichen, Sozialattachés aus den Gewerkschaften oder aus anderen Bereichen und Agrarattachés nur aus der Landwirtschaft, oder wäre es nicht besser, hier auch innerhalb des Auswärtigen Amtes so vorgebildete Leute dafür zu gewinnen, daß sie später auch notfalls in anderen Zweigen eingesetzt werden können? Das Auswärtige Amt neigt zu der letzten Auffassung und arbeitet jetzt zielbewußt daran, an Stelle von Spezialisten Leute heranzubilden, die in all diesen Funktionen sattelgerecht sind und überall eingesetzt werden können. Es hat sich bemüht - ich glaube, mit gutem Erfolg -, die fähigsten Leute der Wirtschaftsabteilung, der Presseattachés und der Sozialattachés nach einer Auslandsperiode in das Inland zurückzuberufen, sie dort umzuschulen, ihnen die Möglichkeit zu geben, vor dem Bundespersonalausschuß zu erscheinen, um dann verbeamtet zu werden und in den allgemeinen Dienst überzutreten. Ich glaube, daß diese Praxis, wenn man sie konsequent betreibt, sicherlich ihre Früchte zeitigen wird. Ich bin andererseits auch der Überzeugung, daß in einigen großen Zentren das Auswärtige Amt auf Spezialkräfte niemals wird verzichten können.
Eine ganz besondere Sorge machte uns in der diesjährigen Haushaltsberatung das völlig neue Problem der Militärattachés. Ich weiß, daß sehr viele Auslandsmissionen nicht gerade freudig überrascht waren, als sie eines Tages Telegramme auf den Tisch des Hauses bekamen, die ihnen kurz und bündig ankündigten, daß ihr Stab sich um soundsoviel Offiziere, Mannschaften und Begleitpersonal vergrößern werde. Das wirft für jeden Auslandsmissionschef zuerst einmal die Frage auf: Wo bringe ich die Leute unter? Wie schaffe ich Wohnungen für sie? Wird dadurch nicht der Personalaufbau und die Disziplin innerhalb meines eigenen Büros empfindlich gestört?
Hier darf ich vielleicht gleich eine Zahl korrigieren. Herr Kollege Kahn-Ackermann hat vorhin die Zahl von 24 Militärattachés genannt. Es sind nur 16. Eine ganze Reihe sind den Anträgen, die ich gestellt habe, zum Opfer gefallen. Wir haben gerade hier eine sehr scharfe Sonde angelegt, und ich glaube, das, was wir hier an Kürzungen zustande gebracht haben, war eine sehr nützliche Arbeit; denn zunächst sollte man überall mit einem kleinen Stab anfangen und erst einmal zusehen, wie die Herren überhaupt beschäftigt werden können, die jetzt draußen ihre neuen Funktionen wahrzunehmen haben.
Über eines haben wir allerdings keine Unklarheit gelassen: daß jeder Militärattaché draußen mit seinen Leuten dem Botschafter unterstellt ist und daß er Mitglied der betreffenden Auslandsmission ist und unter keinen Umständen etwa wieder eigene
Politik, wie das einmal in der kaiserlichen Zeit der Fall war - Sie erinnern sich an die historischen Berichte des Marineattachés in London -, treiben darf. Wir haben auch durch einen Vermerk im Protokoll klargestellt, daß auch das Personal der Militärattachés dem Kanzler der betreffenden Botschaft oder Gesandtschaft unterstellt ist, um auch hier keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Wenn diese Dinge beachtet werden, dann kann der Militärattaché eine sehr wertvolle Stütze auch des Botschafters werden, und er kann ja schließlich auch Funktionen übernehmen, die nicht unbedingt nur zu seinem militärischen Bereich gehören. Wir glauben, daß in sehr vielen Ländern die Informationsmöglichkeiten des Botschafters erheblich wachsen werden, wenn der betreffende Militärattaché und seine Leute gut einschlagen.
Ich möchte im Zusammenhang mit den sehr erheblichen baulichen Veränderungen, die mit der Vergrößerung der Gesandtschaften und Botschaften durch die Militärattachés eintreten, nicht nur zu den Neubauten an sich, sondern auch zu dem, was noch auf uns zukommt, ein Wort sagen. In diesem Zusammenhang kann ich eine Bemerkung nicht unterdrücken. Herr Bundesaußenminister, ich wäre sehr glücklich gewesen, wenn Sie in Verbindung mit den jüngsten Verhandlungen gerade mit Frankreich und mit England dem Haushaltsausschuß hätten mitteilen können, daß die früheren, noch im Regierungsbesitz befindlichen deutschen Missionen in London und Paris der deutschen Regierung wieder zurückgegeben worden seien. Meine Freunde hätten eine solche Mitteilung außerordentlich begrüßt
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und möchten auf das gute Beispiel der Vereinigten Staaten und anderer Länder hinweisen, die da, wo sie es nicht taten, wenigstens durch Zahlungen und durch Hergabe von Bauplätzen uns den Wiederaufbau von Auslandsmissionen wesentlich erleichtert haben. Aber hier ist noch eine Lücke. Ich glaube, es würde als Geste der engen Verbundenheit zwischen Frankreich, England und uns in Deutschland sehr gut aufgenommen werden, wenn diese Regierungen sich bald entschließen könnten, einmal eine solche Geste vorzunehmen.
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Vorhin ist noch an der baulichen Gestaltung unserer Auslandsmissionen Kritik geübt worden. Ich glaube, es war Herr Kollege Kahn-Ackermann, der es getan hat. Nicht alle Gebäude finden auch meinen Beifall. Die meisten haben wir nur im Modell gesehen; sie wurden im Haushaltsausschuß vorgeführt. Ich habe neulich in Mailand das neue Schulgebäude sehen können. Es macht auf mich im Rohbau einen ganz ausgezeichneten Eindruck. Ich habe die Vorhaben in Stockholm sehen können. Auch dort entsteht, glaube ich, ein recht gutes Gebäude. Aber im allgemeinen möchte ich doch glauben, daß es nicht das Bestreben des Auswärtigen Amtes sein sollte, in eine Konkurrenz mit gewissen neuen amerikanischen Dienstgebäuden einzutreten. Ich kenne einen Platz, an dem das gesamte diplomatische Korps einen sehr modernen amerikanischen Bau die „amerikanische Großtankstelle" genannt hat. Ich möchte nicht, daß auch unsere neuen Dienstgebäude im Ausland mit ähnlichen Titeln von seiten anderer Auslandsmissionen bedacht werden. Wir sollten uns bemühen, lieber eine
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etwas konservativere Linie einzuhalten. Wir sollten den entschlossenen Versuch machen, etwas von dem, was wir in Deutschland an wirklich guter Baukunst aufzuweisen haben, im Ausland darzustellen. Es muß nicht immer der letzte Schrei eines phantasievollen Architekten sein, der dann als Ausdruck deutschen Bauwillens draußen in Erscheinung treten soll.
Lassen Sie mich auch noch zu der hier bereits aufgeworfenen Frage der Verwendung unserer Kulturfonds ein Wort sagen, die einen sehr erheblichen Umfang angenommen haben. Ich möchte dazu gleich zwei Anträge begründen, die von meiner Fraktion ausgehen. Ich darf dem Herrn Präsidenten den einen Antrag sogleich überreichen. Er lautet auf Erhöhung des Tit. 302, des sogenannten allgemeinen Kulturfonds, um eine Million auf 18 Millionen DM mit der Maßgabe, daß diese Million zunächst gesperrt ist, bis über den Verwendungszweck besondere Verhandlungen stattfinden. Um diesen meinen Antrag gegenüber dem SPD-Antrag abzugrenzen, der auch eine Erhöhung um eine Million vorsieht, möchte ich ausdrücklich sagen, daß wir die Unterteilung dieses Betrags in dem SPD-Antrag nicht mitmachen können. Vielmehr ist diese Million dazu gedacht, um Instituten wie z. B. der Gesellschaft Inter Nationes neue Möglichkeiten zu erschließen, die jetzt schon zusammen mit dem Auslandsinstitut in Stuttgart und mit dem Goethe-Institut in München sehr nützliche Arbeit auf kulturellem Gebiet in engster Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt leisten.
Ich möchte ferner einen zweiten Antrag kurz begründen. Bei dem Afrika-Institut soll der alte Regierungsbetrag von 150 000 DM wiederhergestellt werden. Der Antrag liegt Ihnen bereits im Umdruck vor. Angesichts der Debatte, die Sie gerade vorher in Anspruch genommen hat, braucht wohl nicht viel Zeit darauf verschwendet zu werden, noch näher darauf einzugehen. In der Zwischenzeit sind personelle Einsparungen vorgenommen worden, nachdem auch wir im Haushaltsausschuß die Besetzung zuerst beanstandet hatten, und ich glaube, in dieser neuen Gestalt könnte der Wirtschaftsplan der Afrika-Gesellschaft genehmigt werden. Denn es besteht tatsächlich - und dieses Argument hat mich überzeugt - ein starkes Interesse daran, neben der Regierung eine Institution zu haben, die parallel zu der Vergabe neuer großer Summen in Afrika eine gewisse Beratung ausübt, die Vorschläge machen kann und die von seiten der Wirtschaft und aller sonstigen beteiligten Forscher helfend der Regierung beistehen kann, damit sie dabei nicht allein auf französische Institutionen angewiesen ist.
Was den hier berührten Studienaustausch anlangt, so geht dieses Problem in erster Linie das Innenministerium an. Ich habe mich im Ausschuß lebhaft für eine klare Kompetenzteilung, eine klarere, als es bis jetzt der Fall ist, zwischen Außenministerium und Innenministerium eingesetzt. Ich bin mit meiner Ansicht nicht ganz durchgedrungen, werde aber nicht nachlassen, auf eine solche Klärung der Kompetenzen zu dringen, weil ich glaube, es kann dem Ausland auf die Dauer nicht zugemutet werden, sich mit zwei deutschen Regierungsstellen auseinanderzusetzen, während alle anderen Länder nur ein Auswärtiges Amt haben, das derartige Verhandlungen mit dem Auswärtigen Amt des betreffenden anderen Landes führt. Das führt für die Studenten, die Professoren und die Betroffenen selbst zu unerquicklichen Auseinandersetzungen und zu einem Briefverkehr, den man einsparen könnte.
Ich nehme an, daß die jetzt neu zur Verfügung gestellten Mittel innerhalb des Bundesjugendplans - Herr Bundesaußenminister, das werden Sie wahrscheinlich gar nicht wissen - auch Mittel für den Bau von Studentenheimen enthalten, die solchen Zwecken dienen könnten, wie sie vorhin hervorgehoben worden sind. Ich bin auch der Überzeugung und glaube, daß wir als erste diese Notwendigkeit vor dem Hohen Hause ausgesprochen haben, daß wir mehr als bis jetzt dafür tun müssen, um den Auslandsstudenten, wenn sie schon zu uns kommen, eine wirkliche Heimat in Deutschland zu bieten. Wir sollten es nicht erleben, daß sie gerade den Kreisen in die Hände fallen, zu deren Vermeidung ihre Väter sie ausgerechnet in die Bundesrepublik geschickt haben.
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Lassen Sie mich dazu ein zweites offenes Wort sagen. Eine solche Betreuungsarbeit wird niemals allein von der Regierung oder auch den Länderregierungen geleistet werden können. Hier geht der Appell an die Studenten selbst und an die Professorenschaft.
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Sie müssen mehr als bisher tun, um den ausländischen Studenten eine Heimat zu geben. Es darf nicht sein, daß sich alle Gruppen abkapseln. Ich bin nicht müde geworden, wo ich Gelegenheit hatte, zu Studenten und Professoren zu sprechen, sie gerade auf ihre Pflicht in dieser Hinsicht kräftig hinzuweisen und die Universitäten aufzufordern, Dozenten für diese Arbeit mit freizustellen, und auch die Studenten zu ermuntern, sich mehr als bisher der Gäste aus dem Ausland anzunehmen; denn eine Freundschaft, die in Deutschland geschlossen worden ist, wirkt viel mehr nach als das in einer Vorlesung Gehörte oder das in einem Seminar Erprobte. - Damit möchte ich meine Ausführungen schließen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen meiner politischen Freunde unseren Antrag zu Einzelplan 05, Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, Kap. 05 02 Tit. 302, 303 und 304, Umdruck 1051, zu begründen. Es sind sehr bescheidene Anträge in Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei den kulturellen Beziehungen zum Ausland um den geistigen Kern der deutschen Außenpolitik selber handelt. Auch unsere politischen Beziehungen werden nur dann gesund sein, wenn unsere kulturellen gesund und fruchtbar sind. Dazu zwei allgemeine Bemerkungen.
Niemand wird die Notwendigkeit einer Verwaltung bestreiten. Aber damit allein, und bei noch so gewissenhafter bürokratischer Arbeit, ist es nicht getan. Im Reiche des Geistes ist es schon notwendig, ein wenig die Phantasie walten zu lassen und die menschlich regsten Kräfte heranzuziehen. Für die Kulturattachés sollten nur die allerbesten, allerbegabtesten, allergebildetsten Männer und Frauen in Frage kommen.
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Gegen die Führung des Auswärtigen Amts als solches haben wir keine Bedenken. Wir werden dem Einzelplan 05 daher zustimmen. Aber ich kann dem Auswärtigen Amt einen Vorwurf doch nicht ganz ersparen. Seine auswärtigen Beziehungen lassen zu wünschen übrig, wenigstens was den Bundestag anbelangt. Wenn man sich an die Herren vom Auswärtigen Amt wendet, so bekommt man allerdings jede erbetene Hilfe und in wirklich zuvorkommendster Weise alle nur möglichen Auskünfte. Aber ich hätte gern gesehen, daß sich das Auswärtige Amt etwas früher an uns gewandt hätte. Warum ist z. B. dieses wesentliche Gebiet der kulturellen Beziehungen niemals im Auswärtigen Ausschuß besprochen worden? Ich meine, daß im Deutschen Bundestag doch eine ganze Reihe von Abgeordneten sind, die vielleicht einige gute Gedanken hätten beitragen können. Es handelt sich, wenn man sich so die wissenschaftlichen und literarischen Leistungen des Bundestages ansieht, sogar um ein recht gebildetes Haus. Vielleicht, daß aus der Mitte dieses Hauses wirklich gute Beiträge zu den Kulturbeziehungen geleistet werden können. Zum mindesten hätte man versuchen können, das zu tun. Auch was die Bewilligung der Mittel anlangt, hätte da schon einiges Gute erreicht werden können.
Das Umfassende dieses Gebiets der kulturellen Beziehungen macht es nötig, daß ich mich jetzt auf einige Schwerpunkte beschränke, einige besonders wesentliche Probleme herausgreife.
Tit. 302, für den wir eine Erhöhung von 3 Millionen DM beantragen, bezieht sich auf die kulturellen Beziehungen zum Ausland, und zwar sowohl i m Ausland wie in der Bundesrepublik. Es fallen darunter z. B. die Zuschüsse für ausländische Lektoren an deutschen Universitäten, die Betreuung ausländischer Studenten und die Förderung ausländischer Gastspiele. Einige Mittel sind allerdings beim Innenministerium etatisert.
Tit. 303, für den wir eine Erhöhung von 1 Million DM beantragen, ist im wesentlichen der Fonds für die deutschen Schulen und das gesamte deutsche Erziehungswesen im Ausland. Es gibt ungefähr 300 Auslandsschulen. Diese deutschen Auslandsschulen haben eine alte, ehrenvolle Tradition. Sie gehen zum Teil auf die Zeit der Hanse zurück. Seit 1900 sind sie unter der Betreuung des Deutschen Reichs. Weitere Verwendungsgebiete, meine Damen und Herren, bitte ich den Fußnoten zu diesen Titeln zu entnehmen. Von großer Bedeutung ist die Sprachförderung im Ausland und in diesem Zusammenhang das wichtige Goethe-Institut in München, auf das ich noch zurückkomme.
Tit. 304, den wir von 559 000 auf 700 000 DM erhöhen möchten, dient dem Austauschprogramm der Bundesregierung, nämlich den Einladungen an ausländische Gäste zu Informationsreisen bei uns. Hierzu kann ich die Begründung mit einigen wenigen Sätzen abschließen. Wir haben viele Jahre hindurch Gastfreundschaft empfangen, und wirempfangen sie immer noch. Wir sind als Staat nicht mehr zu jung, daß wir uns immer nur einladen lassen können, ohne uns zu revanchieren. Es ist heute morgen schon zum Ausdruck gebracht worden, daß es nötig ist, im größeren Umfang die Gastfreundschaft zu erwidern. Das ist die beste Werbung und gleichzeitig ein konstruktiver Ausdruck unserer Dankbarkeit.
Tit. 302 und Tit. 303 möchte ich gemeinsam behandeln. Von den europäischen Ländern sind einige Beispiele zu nennen. Italien, über das heute morgen schon gesprochen wurde, steht uns aus geschichtlichen, geistesgeschichtlichen und politischen Gründen ganz besonders nahe. Die deutsche Kulturarbeit in Italien ist leider etwas fragmentarischer Natur. Die deutschen wissenschaftlichen Institute in Rom und das Kunsthistorische Institut in Florenz leisten ausgezeichnete Arbeit. Es scheint mir wesentlich, das hier ganz besonders anzuerkennen. Drei dieser Institute sind beim Innenministerium etatisiert. Sie kommen ihrer Natur nach nur an bestimmte Kreise des wissenschaftlichen und geistigen Lebens heran.
Für die aktuellen Beziehungen besteht seit anderthalb Jahren die Deutsche Bibliothek mit der Aufgabe eines Kulturinstituts im weitesten Sinne des Wortes. Sie ist in dem bezaubernden Palais Laetitia Bonaparte untergebracht, aber ihre Arbeit scheint mir, sehr guten Informationen zufolge, die ich ,durch persönliche Beobachtungen ergänzt habe, noch durchaus verbesserungsfähig zu sein. Wenn man eine Schillerfeier abhält und dabei eine Schallplatte mit einer Schillerrezitation abspielt, glaube ich nicht, daß damit dem Geiste dieser Feier wirklich Rechnung getragen wird. Gleichzeitig hat das österreichische Kulturinstitut in Rom die besten Kräfte des Wiener Burgtheaters nach Rom eingeladen, wobei ich allerdings hinzufügen muß, daß es mich als geborenen Österreicher durchaus beglückt, daß Wien wieder so sehr in den Mittelpunkt des geistigen Lebens rückt. Die Vorträge der Deutschen Bibliothek sind in den letzten Monaten verbessert worden, aber im großen und ganzen haben sie immer noch den Volkshochschulcharakter. Der Leiter des Instituts, Herr Raffalt, ein I junger musikfreudiger Mann, der vom Bayerischen Rundfunk stammt, sieht seine Hauptaufgabe in der Musik. Es sei fern von mir, etwas gegen die Musik zu sagen, aber nach den Berichten aus Rom und nach meinen 'eigenen Beobachtungen kann auch des Guten zuviel getan werden. Eis scheint mir so zu sein, als ob es sich bei der Kulturarbeit in Italien ein wenig um eine Flucht in die Musik handelt. Als zu Beginn des Jahrhunderts Henriette Hertz Bach in Hauskonzerten hervorragenden Musikern vorstellte, war das etwas Großes; man kannte Bach noch nicht. Heute kennt ihn jeder. Am Rundfunk kann man deutsche Musik und Musik aller Länder hören. Es gibt keinen führenden deutschen Musiker, der nicht in den Konzertsälen Italiens und im italienischen Rundfunkaufgetreten wäre. Diese .Flucht in die Musik scheint in dem Mißtrauen in die tragende Kraft der deutschen Sprache begründet zu sein. Man kann da nur sagen: Diese Kleingläubigen! Die deutsche Sprache findet in Italien sicherlich seit Winkelmann, Goethe und Platen eine Heimat. Die Gefahr sowjetischer Einflußnahme, pseudo-deutscher Einflußnahme steht vielleicht mit diesen nicht ganz adäquaten Arbeiten des deutschen Instituts im Zusammenhang. Es wurde heute morgen darüber gesprochen, daß das „Centro Thomas Mann" von linksradikalen Kräften sozusagen als Filiale des sowjetzonalen „Kulturbundes" errichtet worden ist. Ich warne aber auch vor einer Überschätzung dieses Einflusses. Ich meine, daß der große Besuch, den die ersten Veranstaltungen dieses sowjetdeutschen Unternehmens gehabt haben, irgendwie mit der Neugierde des Publikums im Zusammenhang steht. Man soll das also nicht allzu tragisch nehmen. Aber man soll es als Warnung nehmen und
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vielleicht auch als eine Aufforderung, unsererseits besser zu arbeiten.
Fragmentarisch ist die Arbeit auch ein wenig deswegen, weil man in Italien auf die anderen Städte nicht genügend Rücksicht nimmt. Es gibt z. B. kaum Orte, wo es deutsche Zeitschriften gibt. Ich denke daran, daß man in Florenz etwa bei Vieusseux wohl englische, französische und spanische, aber kaum deutsche Zeitschriften findet.
Wir haben eine Schule in Rom, die bis jetzt noch kein eigenes Gebäude hat. Wir würden gern sehen, daß diese Schule in Rom Heimat findet. Im Augenblick läuft noch ein Prozeß um das alte Schulgebäude tin der Via Savoia. Wenn dieser Prozeß gewonnen. werden sollte, wäre das natürlich eine ausgezeichnete Lösung. Zu erstreben wäre auch ein Internat für die Schule in Rom und die Möglichkeit des Abiturs, damit die Eltern auch aus anderen Städten ihre Kinder ,dorthin schicken können. In Mailand ist ein eigenes Schulgebäude 'errichtet worden. Zu :erstreben wäre außerdem für all diese Schulen die Gleichstellung mit den :französischen Schulen. Die deutschen Schulen haben heute nur für deutsche und österreichische Schüler Abiturberechtigung.
Da ich Frankreich erwähnt habe, lassen Sie mich hier einschalten, daß Frankreich ein Vielfaches an Mitteln aufbringt von dem, was wir auf dem Gebiet der kulturellen Beziehungen tun. Es ist schwer, die genauen Zahlen zu erhalten. Nach zuverlässigen Schätzungen dürfte esaber das Vier-bis Fünffache von dem sein, was wir in unseren Haushalt eingestellt haben.
In Frankreich ist nun in der Cité Universitaire das Deutsche Haus für Studenten eröffnet worden. Es ist nicht ganz 'geklärt, ob sie Stipendien aus deutschen Mitteln bekommen werden oder ob das nur im Austausch möglich ist. Die Hoffnung auf Reziprozität hat sich bis jetzt noch nicht erfüllt.
Wir haben in Berlin-Friedenau das Collège Français eröffnet, eine Art Nachfolge des Französischen Gymnasiums, der Gründung des Großen Kurfürsten. Das Collège Français in Berlin-Friedenau wird zu 90 % aus deutschen Mitteln erhalten. Wir hatten die Hoffnung, daß dafür das Deutsche Haus in Paris .ein 'entsprechendes Entgegenkommen seitens Frankreichs finden möge. Nur ist bis jetzt noch nichts geschehen, aber ich möchte diese Hoffnung hier noch einmal aussprechen.
Die Bühnenwoche war nach allen Berichten, die man erhielt, kein sehr großer Erfolg. Und da, meine Damen und Herren, müßte eigentlich eine sehr ernste Frage aufgeworfen werden, die zwar nicht unmittelbar mit den Ausslandsbeziehungen zu tun hat, aber doch mit dem, was wir durch die Auslandsbeziehungen erreichen wollen. Wieweit haben wir eigentlich seit diesem Kriege auf große eigene geistige Leistungen hinzuweisen? Ist es nicht so, daß französische Kunst, französische Theater, französische Literatur in vielen Dingen uns über sind und daß wir noch ein wenig von unserem früheren Ruhm, unserem früheren Glanz, von den Leistungen zur Zeit der Weimarer Republik leben, aber daß wir an wirklich Neuem wahrscheinlich nicht so viel zu bieten haben wie etwa Frankreich?
Ich höre übrigens 'aus Paris, daß es zur Förderung der kulturellen Beziehungen außerordentlich wichtig wäre, die Wiedergutmachung ein wenig zu beschleunigen. Dasselbe gilt auch für die Vereinigten Staaten.
Was England anbelangt, so ist dort der Boden weniger geeignet für deutsche Schulen. Das ergibt sich aus der ganzen Struktur der britischen Erziehung. In England muß man mehr durch Zeitungen, Zeitschriften und Bücher wirken, die den verschiedenen Universitäten und Instituten zur Verfügung gestellt werden. Es besteht noch ein großer Mangel an deutscher Literatur. Am 1. Oktober wird das deutsche Kulturinstitut eröffnet werden mit ziemlich erheblichem, aber nötigem Kostenaufwand. Der Leiter, der dafür ausersehen worden ist, ist sicherlich ein ausgezeichneter Mann. Aber man kann dennoch idle Frage aufwerfen, ob es wirklich richtig ist, zum Leiter des deutschen Kulturinstituts in London einen britischen Staatsangehörigen zu berufen.
Die Arbeit in England muß unaufdringlich sein. Gleichzeitig sollte sie sich von jeder Art Liebedienerei fernhalten. Kulturelle Aufklärung und geschichtliche Aufklärung in England könnten zweifellos verbessert werden. Ich denke hier an den Fall Elizabeth Whiskeman. In England selber ist von der Botschaft leider nichts getan worden, um hier für ein klares 'historisches Bild zu sorgen.
- Wir hatten in London eine ausgezeichnete Ausstellung bayrischen Barocks, und es drängt sich eigentlich die Frage auf: warum nicht auch einmal eine Ausstellung schlesischen Barocks? Ich glaube, daß das sehr überzeugend wirken würde.
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Weil ich gerade bei diesem Thema bin: Ich finde heute morgen in der Presse eine kleine Notiz, die der Aufmerksamkeit des Hohen Hauses nicht entgehen sollte. Es heißt da: Angesichts der Wahrscheinlichkeit, daß beim Besuch Kardinal Wyschinskis in Rom die Frage der deutschen Ostprovinzen angeschnitten wird, hat es in diplomatischen Kreisen Roms Verwunderung ausgelöst, daß der neu benannte Botschafter beim Heiligen Stuhl, Graf Strachwitz, in Rom erst eintreffen wird, wenn der polnische Kardinal wieder abgereist ist.
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Ich frage mich, ab hier ein Versehen vorliegt, ob nicht bei einem so wichtigen Anlaß der neu ernannte Botschafter, der den ausgezeichneten Botschafter Jaenicke nunmehr ersetzt, welcher in den Ruhestand versetzt wird - -({4})
- Aber er ist nicht mehr amtierender Botschafter. Er hätte doch sonst keinen Abschiedsbesuch gemacht!
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- Ich lasse mich gern korrigieren; aber meines Wissens ist doch ein Botschafter, wenn er seinen Abschiedsbesuch gemacht hat, nicht mehr berufen, Amtsgeschäfte wahrzunehmen.
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- Ich freue mich über diese diese außerordentlich positive Auskunft. Ich bin überzeugt, Herr Minister, daß sich dies auf das Thema, das ich ansprach, in konstruktiver Weise auswirken wird.
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Die kulturellen Beziehungen zu Griechenland sind ebenfalls von größter kulturgeschichtlicher Bedeutung. Wer dächte nicht an den Vers Stefan Georges: ,,Hellas ewig unsere Liebe"? Wer möchte nicht, daß die große Tradition von Männern wie Caro und Wilberg wieder aufgenommen und fortgesetzt werde? Das Goethe-Institut in Athen, das heute 2400 Hörer hat, aber 4000 bis 5000 haben könnte, leistet nach unseren Informationen eine ausgezeichnete Arbeit. Wir haben dort 17 Dozenten, von denen sechs aus Deutschland kommen. Wir könnten mindestens drei mehr gebrauchen. Die Dinge gehen über das Goethe-Institut in München. Von der Erhöhung der Mittel, die das Hohe Haus, wie ich zuversichtlich hoffe, bewilligen wird, soll dem Goethe-Institut in München ein entsprechender Betrag - mindestens 500 000 DM - zur Verfügung gestellt werden. Die Schule in Athen hat heute bereits 200 Schüler. Sie könnte 300 bis 400 haben, wenn die entsprechenden Gebäude und Lehrer da wären. Als Vergleichszahl dazu darf ich erwähnen, daß das Institut Français in Athen 150 Dozenten und 10 000 bis 11 000 Hörer hat. Es wird dort eine weit stärkere Arbeit geleistet, als es uns bis jetzt möglich war.
Ein Wort zu dem Goethe-Institut in München. Es ist ein privater Verein, der vom Auswärtigen Amt unterstützt wird, und der die Dozenten aussendet und Deutschlehrer aus der ganzen Welt empfängt und ihnen in Kursen in Reichenhall nicht nur in deutscher Sprache, sondern auch in deutscher Geschichte und deutscher Literatur, die deutsche Kultur in weitestem Sinne zugänglich macht. Es war möglich, im letzten Jahr 40 Dozenten auszusenden. Aber die Erhöhung dieser Zahl wäre dringend notwendig. Allein in Ankara gibt es heute 1700 Teilnehmer an deutschen Sprachkursen. Die Errichtung von sechs neuen Dozenturen ist ein Gebot der Stunde. In Kalkutta, Djakarta, Bangkok, Rangun, Mexiko und Bogotá drängen sich Hunderte von potentiellen Hörern. Schweden bittet um 10 neue Dozenten. Im Augenblick arbeitet man auch an Lehrbüchern medizinischer und naturwissenschaftlicher Art für Ausländer. Ohne die Erhöhung, um die wir bitten, wäre es nur möglich, einen einzigen Dozenten auszusenden, und zwar nach Kalkutta. Die Weltkarte des Goethe-Instituts ist außerordentlich eindrucksvoll. Sie können darauf sehen, daß Lehrgänge abgehalten werden von Santiago bis nach Tokio, von Mexiko, Columbien, Brasilien, über die Goldküste zum Nahen Osten und bis nach Finnland.
Im Nahen wie im Fernen Osten ist ein besonders starkes Interesse für die deutsche Sprache festzustellen, aber auch im Mittleren Osten, z. B. in Persien und Afghanistan. Die Besucherzahl der Schule in Teheran, die mit einem Kindergarten anfängt, ist von 85 Schülern im Jahre 1955 auf über 200 gestiegen; die Schule erwartet 300 bis 400.
Die deutsche Sprache ist gefragt. Der deutsche geistige Kredit im Ausland ist so groß, daß man in dieser Sprache den Zugang zur westlichen Zivilisation und zum technischen Fortschritt, wie Deutschland ihn heute vertritt, erkennt. Nicht übersehen werden darf die Gefahr sowjetischer Einflußnahme, vor allem in Syrien. Es ist bis jetzt, soviel ich weiß, nicht möglich gewesen, dort Schulen demokratischen Geistes zu errichten, da der sowjetzonale Einfluß sehr stark ist. Wir bekommen diesen Einfluß auch in Ägypten zu spüren. Wir haben hier zwar zwei Schulen - eine in Kairo und eine in Alexandria - mit 12 deutschen Lehrern. Aber es ist ein gewisser Druck aus der Sowjetzone festzustellen.
Libanon hat zwei deutsche Schulen. In Jordanien, nämlich in Bethlehem und im jordanischen Teil von Jerusalem, sind mehrere Schulen. Besonders erwähnenswert ist vielleicht darunter die wichtige Handwerker- und Blindenschule der Kaiserin-Viktoria-Stiftung auf dem Ölberg.
Hier möchte ich einen weiteren Gedanken vortragen, der mir von großer Bedeutung zu sein scheint. Ich möchte nämlich die Hoffnung aussprechen, daß es nicht auf die Dauer einen ausgesparten Fleck auf der Landkarte des Nahen Ostens gibt, sondern daß es bald möglich ist, zumindest kulturelle Beziehungen zu Israel herbeizuführen. Wenn ich diese Forderung nach kulturellen Beziehungen zu Israel stelle, kommt mir die ganze Tragik der Weltlage zu Bewußtsein. Als ob es nicht seit den Tagen Theoderichs des Großen und Karls des Großen, ja, hier am Rhein wahrscheinlich seit römischen Tagen untrennbare Beziehungen zwischen dem jüdischen und dem deutschen Geiste gegeben hätte! Es ist eine so integrale Verbindung, daß man eine Abgrenzung überhaupt nicht machen kann. Ich meine, daß eine Periode des Grauens und der Schande nun endgültig überwunden werden könnte. Sie wird durch die Beseitigung dieses, wie ich es nannte, leeren Flecks auf der Karte überwunden werden, wobei die kulturellen Beziehungen die Vorstufe zu den politischen Beziehungen sind.
Im ganzen Nahen Osten ist die deutsche Sprache heute zu diesem Mittel - von dem ich geredet habe - des Anschlusses an die westliche Zivilisation geworden. Ich möchte aber nicht verschweigen, daß ich darin auch eine gewisse Gefahr für die deutsche Kultur sehe. Die deutsche Sprache ist heute - um das noch einmal auszuführen - Mittel der industriellen und der wirtschaftlichen Werbung geworden, die Ausländer nach Deutschland bringt und die außerdem den Zugang zu der technischen Zivilisation vermittelt. Darin liegt die Gefahr, daß Deutsch zu einer technischen Sprache wird, zu einer Formelsprache.
Daran sind wir ein wenig mitschuldig, wenn wir noch weiter zu der Sprachverwirrung -einer schauerlichen Sprachverwirrung -, einer geistigen Bolschewisierung des Deutschen beitragen. Es fehlt uns ein Karl Kraus, der uns zur Ordnung ruft. Begriffe wie „Krad" und „Atü" und „Akku" und „Lkw" und „Anliegen" und „Querschießen" und „Abschießen", „Belange", „Auffordern" und solche Dinge - -
Herr Kollege, ich glaube, es ist sehr interessant, was Sie vortragen. Aber mit dem Außenministerium hat es wohl nicht mehr viel zu tun.
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Herr Präsident, ich füge mich der Mahnung und gehe der Betrachtung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten über. Ich hoffe, daß ich das in wenigen Minuten abschließen kann.
Mit dem eben Ausgeführten wollte ich folgendes sagen: Kulturelle Beziehungen müssen in fruchtbarer Weise gestaltet werden, und die Kultur, die
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dahintersteht, muß lebendig bleiben. Diese Kultur darf sich nicht in einer nur technischen Formulierung auflösen.
Mit den deutschen Schulen in den Vereinigten Staaten ist es im Augenblick noch nicht sehr gut bestellt. Wir haben in der Hauptsache Sonnabendschulen. Es gibt deutsche Abteilungen der Universitäten, und wir haben eine Reihe von Vortragenden, die diese Universitäten besuchen. Ich möchte zur Förderung dieser Beziehungen zu Amerika die persönlichen Kontakte verstärkt sehen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, wenn man in unmittelbare Beziehungen zu der amerikanischen Studentenschaft, zu den amerikanischen Professoren kommen kann. Auch hier spielt eine Dankesschuld mit; ich möchte nicht versäumen, in diesem Zusammenhang die Errichtung des Goethe-Hauses aus amerikanischen Mitteln in New York zu erwähnen.
Außerdem wäre es für die deutschen kulturellen Beziehungen wesentlich, das Rundfunkprogramm in Amerika auszubauen und es durch ein gut durchdachtes Fernsehprogramm zu ergänzen. Soviel ich weiß, ist die Bundesrepublik das einzige große Land, das kein eigenes Fernsehprogramm in den Vereinigten Staaten besitzt.
Ein weiterer Hinweis, wie wir vielleicht die Beziehungen in der privaten Sphäre weiter ausgestalten könnten: Es gibt in Amerika sehr viele private Stiftungen, die sogenannten Foundations oder Endowments. Der Deutsche hingegen verläßt sich immer auf den Staat. Ich meine, daß wir den Ruf erheben sollten: Mäzene an die Front! Die Bemühungen des Auswärtigen Amtes zur Förderung der kulturellen Beziehungen könnten wesentlich ergänzt werden durch eine deutsche private Initiative. In Amerika hat man die private Initiative seit vielen Jahren. Ich brauche nur Namen wie Rockefeller. Carnegie oder Ford zu erwähnen. In Frankreich ist es dasselbe; die Mittel zur Förderung der französischen Kulturbeziehungen werden weitgehend aus privaten Quellen ergänzt. Mit einer Ergänzung durch private Mittel könnten wir auch das ganze Gebiet von Südamerika - Brasilien, Argentinien - mit seinen wichtigen deutschen Zentren stärker in den Radius unserer Aktivität hineinziehen.
Sehr zu begrüßen ist die Unterstützung, die von seiten des Auswärtigen Amtes der Europäischen Schule in Luxemburg gegeben wird. Hier handelt es sich um die erste übernationale Schule. Wir hoffen, daß bereits im Jahre 1959 ein Abitur abgehalten werden kann, das in allen sechs Montan-Staaten anerkannt wird. Die Schule besteht aus fünf Grundklassen und bis jetzt sieben Klassen der Oberschule. Hier würde sich wirklich etwas darstellen, was man als internationale Erziehung bezeichnen könnte und was die politischen und die wirtschaftlichen Verträge über Europa auf der geistigen Ebene ergänzen könnte.
Leider hat neulich der Bundestag eine Gelegenheit versäumt, stärker zu einer übernationalen Erziehung beizutragen. Das war, als dem Hause der Antrag vorlag, nicht die deutsche Staatsangehörigkeit zu verlangen für die Berechtigung, in Deutschland als Professor zu wirken. Wir könnten unsere geistigen Beziehungen nach außen wesentlich verstärken und verbessern, wenn wir hier klar aussprächen, daß es im Reiche des Geistes keine Staatsangehörigkeit gibt, und wenn wir unsere
Universitäten, wie es Amerika seit Jahren tut, allen denen öffneten, die zu uns kommen wollen im Geiste der gemeinsamen Kultur, des gemeinsamen Erbes der Freiheit.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Im geistigen Sinne und damit auf der Ebene der letzten politischen Wirklichkeit geht es hier um die Verteidigung unseres geistigen Erbes, es geht um unsere Stellung in der Geschichte und damit um unsere heutige Stellung als ein freies Volk in der Gemeinschaft der anderen Völker. Nehmen wir das im eigentlichen und wörtlichen Sinne! Wir werden gegen die Gefahr eines kriegerischen und brutal-revolutionären Angriffs, gegen eine gewaltsame Eroberung um so besser geschützt sein, je mehr wir, um mit Bismarck zu sprechen, imstande sind, moralische Eroberungen zu machen. Unter diesen moralischen Eroberungen verstehe ich, die freien Völker davon zu überzeugen, daß nicht nur unsere wirtschaftlichen, sondern auch unsere geistigen und kulturellen Leistungen für alle von Bedeutung sind. Hier sehe ich einen weiteren Weg zur Wiedervereinigung, wenn es uns gelingt, die Welt davon zu überzeugen, daß ein freies Deutschland nötig ist, um als geschlossenes freies Gemeinwesen der Kultur und dem friedlichen Fortschritt aller Völker zu dienen, und daß ein solches wahrhaft demokratisches Deutschland, ein freies Gesamtdeutschland mehr für die Kultur und den Frieden der Welt beitragen kann als ein geteiltes und zur Hälfte versklavtes Deutschland.
Auch von diesem Standpunkt bitte ich das Hohe Haus, unseren Anträgen zu den genannten Titeln zustimmen zu wollen.
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Meine Damen und Herren, ich bitte sich zur Vorbereitung der nach Anhörung von noch drei Rednern folgenden Abstimmung schon einmal über folgende Fragen klarzuwerden. Wir haben zum Titel 302 jetzt drei Anträge vorliegen. Der eine will die Summe von 17 Millionen DM um 3 Millionen DM erhöhen; der andere, der der SPD, will sie um 1 Million DM erhöhen - mit einer ganz bestimmten Zweckbestimmung -, der Antrag, den Herr Kollege Vogel vorhin begründet hat - er ist noch nicht verteilt, ich habe ihn aber vorgelesen -, will idle Summe von 17 Millionen DM ebenfalls um 1 Million DM erhöhen, aber gesperrt.
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„Gesperrt" soll heißen: bis ein Verwendungszweck tatsächlich gegeben ist.
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Ich bitte die drei Antragsteller, sich vielleicht zwischenzeitlich schon einmal zu verständigen, a) ob auch die 3 Millionen DM etwa in der gleichen Weise gesperrt werden sollen, wie es in dem Antrag Vogel vorgesehen ist, und b) ob die Zweckbestimmung Teil des Antrages sein soll oder nur ein frommer Wunsch, der dabei ausgesprochen ist.
Ich darf dann dem Herrn Kollegen Manteuffel-Szoege das Wort geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Punkte darf ich dem verehrten Kollegen Gille - er ist, glaube ich, nicht mehr anwesend - ein wenig widersprechen. Ich meine, daß man, wenn man
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den Wunsch nach Ausbau und Entwicklung einer Behörde hat, nicht den Finanzminister verantwortlich machen sollte; dafür ist der betreffende Minister zuständig.
Ich teile die Auffassung des Herrn Kollegen Vogel, daß es bei einer so großen Behörde möglich sein muß, die Kräfte dahin zu verteilen, wo die Entscheidung und die Hauptnotwendigkeit liegt.
Der Ausbau und die Entwicklung der Ostabteilung ist ein ständiges Anliegen im Ausschuß und im gesamten Parlament. Über diese Notwendigkeit herrscht wohl eine solche Einigkeit, daß man sie eigentlich gar nicht zu begründen braucht.
Ich glaube, Ihnen einmal vor Augen halten zu dürfen, wie die Abteilung aussieht. 22 oder 21 - legen Sie mich nicht auf die Zahl fest - Referenten und Sachbearbeiter bearbeiten ein Gebiet, das meinem Eindruck nach den größeren Teil des Erdkreises und wahrscheinlich die Hälfte seiner Bewohner umfaßt. Hinzu kommt, daß ein großer Teil davon - ich denke an die Sowjetunion, ich denke an die Satelliten, ich denke an China und manche anderen Länder - hermetisch abgeschlossen ist, daß keine Mittel der Information vorhanden sind wie in anderen, freien Ländern, kein parlamentarisches Leben, keine Presse und vor allen Dingen keine deutschen diplomatischen Vertretungen. Dadurch wird die Belastung der Ostabteilung noch außerordentlich gesteigert.
Es kommt ein Weiteres hinzu: Sie muß sich mit einer Welt auseinandersetzen, die nicht unsere Welt ist, sich also hineindenken in eine andere Mentalität, andere Methoden, andere Techniken und andere Tendenzen. Auf der anderen Seite muß sie mit den wenigen freien Repräsentanten dieser unterdrückten Welt, die nach dem Westen kommen, Kontakt pflegen.
Und dieser Abteilung stehen 6 bis 7 Schreibkräfte zur Verfügung!
Der Kollege Vogel hat darauf hingewiesen, daß zur Erleichterung die Wissenschaftlichen Institute zur Verfügung stehen. Ich möchte umgekehrt sagen, daß diese Institute, die an sich, glaube ich, ausgezeichnet arbeiten und durch Mittel des Bundes verstärkt worden sind, erhöhte Anforderungen an diese 22 Männer stellen; denn sie müssen ja auch die Arbeitsergebnisse dieser Institute bearbeiten.
Schließlich möchte ich sagen, daß ich den kritischen Worten über die Qualität nicht zustimmen kann. Diese Abteilung arbeitet ausgezeichnet, und es ist ein Vergnügen, mit ihr zu tun zu haben. Auch dem Leiter dieser Abteilung möchte ich allen Dank und alle Anerkennung zollen. Ich möchte dabei hinzufügen: Wer die Aufgabe hat, mit vielen Ministerien zu verkehren, entwickelt zwangsläufig eine gewisse Erfahrung darin, wo es schnell und bequem und wo es langsam geht. Und da kann ich sagen: Mit dem Auswärtigen Amt ist besonders angenehm zu arbeiten. Nicht nur die Courtoisie der Briefform und die Urbanität des Verkehrs, sondern auch die sachliche Behandlung der Dinge berühren angenehm.
Wenn man immer wieder den Gedanken des Friedens betont, wenn man wie wir eine friedliche Politik treibt, so muß man die Behörde, deren Aufgabe es ist, den Frieden zu wahren, zu fördern und zu entwickeln, besonders stark machen und sich für sie einsetzen.
In diesem Zusammenhang bildet die Ostabteilung ein zentrales Problem.
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Es ist auf die Schwierigkeit hingewiesen worden, qualifizierte Kräfte zu bekommen. Wenn man Personen von außerhalb empfiehlt, so stößt man auf Widerstand, weil sie nicht die erforderliche Berufslaufbahn hinter sich haben.
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Welcher große Staatsmann in der Geschichte hat eine Berufslaufbahn hinter sich? Ich weiß nicht, ob man nur aus der Anstalt in Speyer die geeigneten Kräfte nehmen sollte oder ob man nicht versuchen sollte, auch freie Kräfte von außerhalb zu finden und zu gewinnen.
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Da sind, glaube ich, echte und große Möglichkeiten vorhanden, und ich kann nur die Bitte wiederholen: Macht die Ostabteilung stark!
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Ich glaube, diese Tendenz, die wohl das ganze Haus
vertritt, sollte auch vom Außenministerium mit
Befriedigung aufgenommen werden, denn sie zeigt
doch den Wunsch nach solidarischer und gemeinsamer Arbeit. Daher bringe ich noch einmal den
Wunsch zum Ausdruck und hoffe, daß er zum
letztenmal in diesem Hause zum Ausdruck gebracht werden muß: Macht die Ostabteilung stark!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preiß.
Dr. Preiß ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen lediglich einen Änderungsantrag, den Sie auf Umdruck 1088*) finden, kurz begründen. Nach diesem Änderungsantrag soll im Rahmen des Geschäftsbereichs des Auswärtigen Amts in Kap. 05 02 ein neuer Tit. 681 mit einem Betrage von 125 000 DM ausgebracht werden. Die 125 000 DM sollen als Zuschuß für den Erwerb eines Gebäudes für die Osteuropaforschung in München verwendet werden.
Ich kann mich zur Begründung auf ganz wenige Bemerkungen beschränken. Meine Damen und Herren, das Deutsche Heimstättenwerk für Wissenschaftler und Künstler, das im Jahre 1953 ins Leben gerufen worden ist, hatte es sich zunächst nur zum Ziele gesetzt, zahlreichen Wissenschaftlern und Künstlern aus dem deutschen Osten, die wohnungsmäßig sehr ungeeignet untergebracht waren, in Universitätsstädten oder an für künstlerische Arbeiten besonders geeigneten Wohnstätten Wohnmöglichkeiten zu beschaffen. Im Rahmen dieser Bemühungen hat sich herausgestellt, daß vielen, ja den meisten dieser Personenkreise nicht damit ausreichend gedient ist, daß sie die für ihre Arbeiten geeigneten Wohnungen gefunden haben, sondern daß sie auch Einrichtungen für ihr Schaffen und Wirken benötigen. Da sich das Hauptinteresse auf den süddeutschen Raum und auf die Universitätsstadt München konzentrierte, wird seit längerem vom Deutschen Heimstättenwerk der Plan eines Osteuropahauses in München verfolgt. Dieser Plan ist aber noch nicht projektreif und konnte deshalb nicht in einem Antrag vorgelegt werden.
*) Siehe Anlage 5
({1})
Es hat sich aber eine außerordentlich günstige Möglichkeit zum Erwerb eines geeigneten Gebäudes ergeben, das zunächst das führende Ostforschungsinstitut unter Leitung von Professor Dr. Dr. Koch aufnehmen soll neben einigen kleineren Einrichtungen, die sich mit ähnlichen Fragen beschäftigen. Der Erwerb dieses Anwesens kann nicht Angelegenheit des bayerischen Staates allein sein, sondern nur unter Mitbeteiligung des Bundes erfolgen, wobei auch das Heimstättenwerk noch in der Beschaffung von Spenden sein Äußerstes tun will, um die Finanzierung im ganzen sicherzustellen.
Der Antrag ist erst vor wenigen Tagen von den Kollegen der verschiedensten Fraktionen gestellt worden, als eine entsprechende Zusage vom Land Bayern über eine Mitbeteiligung unter der Voraussetzung der Mitwirkung und Mitbeteiligung des Bundes ergangen war. Ich glaube, nach all dem, was gerade in den letzten zwei Stunden an Notwendigkeiten stärkerer kultureller Arbeiten und Leistungen angesprochen worden ist, dürfte die Erhaltung und Intensivierung der wissenschaftlichen und künstlerischen Arbeiten von Deutschen aus dem deutschen Osten, die an ihren dortigen früheren Stätten auch maßgeblich die Osteuropaforschung betrieben haben, eine außerordentlich förderungswürdige Angelegenheit sein.
({2})
Ich darf Sie namens der Kollegen aller Fraktionen sehr herzlich bitten, diesem bescheidenen Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
({3})
Als vorläufig letzter Redner hat 'der Abgeordnete Pusch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und ,Herren! ich bitte, Ihre Aufmerksamkeit auf den Änderungsantrag Umdruck 1046 ({0}) *) Ziffer 2 zu richten. Es handelt sich um den Tit. 314 im Einzelplan 05. Wir bitten Sie, den dortigen Ansatz von 200 000 DM für die deutschen Hilfsvereine um 20 000 DM zu erhöhen. Diese 20 000 DM entsprechen auch den ursprünglichen Wünschen dies Auswärtigen Amtes. Es wäre bedauerlich, wenn sie wegfielen; denn es wird damit eine gute Arbeit geleistet. Aufgabe der Hilfsvereine ist es, die Deutschen, die im Ausland leben und arbeiten, zu unterstützen, zu beraten und ihre Verbindung mit der Heimat herzustellen. So wird z. B. besonders in Frankreich eine sehr segensreiche Arbeit geleistet. Dort leben etwa 60 000 Deutsche. Sie werden von dem deutschen Hilfsverein in Paris in sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen beraten. Ihre Beziehungen zu den französischen Behörden werden hergestellt und erleichtert. Es werden deutsche Kinder nach Deutschland in Ferienaufenthalt geschickt, und in Einzelfällen, wo amtliche Mittel nicht zur Verfügung stehen, werden auch Unterstützungszahlungen geleistet. Der Stab dieses deutschen Hilfsvereins ist sehr klein. Seine Zusammenarbeit mit den deutschen Auslandsvertretungen ist ausgezeichnet, was von beiden Seiten bestätigt wird.
Nun brauchte man aber dort wie auch in manchen ,anderen deutschen Hilfsvereinen zur Bestreitung der dringendsten Personal- und Sachausgaben eine Erhöhung der Zuwendungen. Es sind z. B. für den deutschen Hilfsverein in Paris 75 000 DM vor-
*) Siehe Anlage 7 gesehen. Nach der Auffassung dieser Organisation selbst wären aber 100 000 DM dringend nötig. Die Notwendigkeit solcher Erhöhungen gilt mehr oder weniger auch für die Hilfsvereine in London, in der Schweiz und in den südamerikanischen Ländern.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen. Leider ist diese Frage im Haushaltsausschuß nicht ausführlich erörtert worden. Es wäre aber schade, wenn aus solchen rein formalen Gründen eine gute Sache leiden müßte. Wir bitten Sie deshalb um Ihre Zustimmung.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme ja in diesem Hause wohl nicht in den Verdacht, gegen Osteuropaforschung zu sein. Ich halte sie für nicht entwickelt genug in der Bundesrepublik, wie sie es auch früher im Deutschen Reich nicht gewesen ist. Auf meinen Antrag sind im vorigen Jahr im Haushaltsausschuß die Mittel für die Osteuropa-Institute beträchtlich erhöht und besondere Mittel für das Südostinstitut in München, welches die Südostforschung als eine eigenständige Forschung betreibt und betreiben muß, eingesetzt worden.
Den Antrag Umdruck 1088, den ich hier vor mir sehe, habe ich noch nicht ganz begriffen:
Zuschuß zum Ankauf eines Gebäudes des Deutschen Heimstättenwerkes für Wissenschaftler und Künstler für Zwecke der Osteuropaforschung in München.
Es soll sich also offensichtlich um ein Wohngebäude für Wissenschaftler und Künstler handeln. Was nun wiederum Künstler mit der Osteuropaforschung zu tun haben, ist mir nicht klar. Ich habe den Eindruck, daß dieser Antrag noch nicht etatreif ist.
({0})
Deswegen möchte ich meine Bedenken aussprechen.
Ich spreche diese Bedenken nicht für meine Fraktion aus, von der ich keinen Auftrag habe, zu reden. Es sind auch einige von mir sehr geschätzte Kollegen aus meiner Fraktion unter den Antragstellern. Aber als Kenner der ganzen Materie glaube ich persönlich nicht, daß es sinnvoll ist, jetzt einem solchen Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte sind die Stellen im Auswärtigen Amt, die sich mit dem Schicksal der deutschen Vertreibungsgebiete, der deutschen Gebiete im Osten, zu befassen haben, mehrfach angesprochen worden. Ich drücke mich absichtlich vorsichtig aus, weil ich den Eindruck habe, daß man hier mit Formulierungen gearbeitet hat, die nicht ganz zutreffen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, gibt es keine Ostabteilung, sondern eine Länderabteilung und darin eine Unterabteilung Ost. Aber diese Unterabteilung Ost ist nicht die Stelle, die wir ansprechen wollen. Es handelt sich hier um ein altes Anliegen meiner Fraktion. Es geht uns um die Stellen, die die Aufgabe haben, sich um das Schicksal der deutschen Gebiete
({0})
zu kümmern, die vorübergehend unter fremder Verwaltung sind, und das ist meines Wissens nur ein Referat in der Unterabteilung Ost.
Die Ausführungen .des Herrn Kollegen Vogel haben einwandfrei ergeben, daß auch er die Kritik, die Herr Dr. Gille an der personellen Ausstattung dieser Referate geübt hat, anerkennt. Herr Dr. Vogel hat darauf hingewiesen, daß nach seiner Auffassung Ausweichmöglichkeiten bestehen. Das würde die Kritik tatsächlich etwas verschieben. Aber wenn auch die Aasführungen des Herrn Dr. Vogel einleuchtend waren, so hat sich auf der anderen Seite der Herr Bundesaußenminister vor anderthalb Jahren mir gegenüber in einer Unterredung ausdrücklich dahin geäußert, daß die Schuld entweder am Finanzminister oder am Haushaltsausschuß liege. Es wäre mir deshalb sehr wertvoll, wenn der Herr Bundesaußenminister zu dieser Frage Stellung nähme und sich dazu äußerte, ob er sich jetzt der Auffassung seines Parteifreundes Vogel anschließt, daß es genügend Ausweichmöglichkeiten in diesem Hause gebe, um auch ohne neue Etatmittel dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Ich möchte aber noch in einem Punkte auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Manteuffel eingehen. Wenn er gesagt hat, die Abteilung habe ausgezeichnet gearbeitet, so muß ich demgegenüber darauf hinweisen, daß gerade Herr Vogel es war, der mit großem Recht die Frage der Qualität aufgeworfen hat. Ich will nicht etwa sagen, daß die Herren nicht das beste täten; sie tun, was sie tun können. Aber sie können eben meiner Ansicht nach keine ausgezeichnete Arbeit leisten, well ihre Zahl zu klein ist. Und ich stimme mit Herrn Kollegen Vogel in vollem Umfange darin überein, daß eben
noch die Persönlichkeit fehlt, die durch ihre überragenden Fähigkeiten diese Arbeit in Gang setzen und leisten kann, die notwendig ist, um einem der wichtigsten Anliegen des deutschen Volkes entsprechen zu können.
Da .ich nicht noch einmal zum Rednerpult gehen möchte, bringe ich schon jetzt zum Ausdruck, daß wir wegen der Haltung, die der Herr Bundesaußenminister im letzten Jahre zu unserem wichtigsten Anliegen eingenommen hat, gegen den Etat stimmen werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preiß.
Dr. Preiß ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte Herrn Professor Gülich lediglich gebeten haben, seine vorhin zu dem Antrag Umdruck 1088*) geäußerten Bedenken zurückzustellen. Herr Professor, ich habe eigens angekündigt, den Antrag nur in aller Kürze zu begründen. Ich könnte natürlich viel ausführlicher auf die Notwendigkeiten und auf den großen Raumbedarf von Instituten im Raum München, die sich mit Ostforschungsfragen beschäftigen, verweisen. Ich weiß nicht, ob Sie anwesend waren, als ich darauf hinwies, daß der Plan eines größeren Osteuropahauses, in dem bis jetzt die Unterbringung von zehn bis zwölf derartigen Ostforschungsinstitutionen und -instituten vorgesehen ist, vorliegt; er ist allerdings noch nicht projektreif. Um dem dringendsten derzeitigen Bedürfnis abzuhelfen, soll ein Objekt, das zu einem - ich will die
*) Siehe Anlage 5 Zahl nicht nennen - wesentlich günstigeren Preis angeboten ist, als der Verkehrswert darstellt, dazu benutzt werden, einige Unterbringungen dort zu ermöglichen. Das ist also nicht das eigentliche Ziel in Verbindung mit München, sondern eine erste Maßnahme, um besonders dringenden Bedürfnissen abzuhelfen. Bei einer Ortsbesichtigung haben sowohl Vertreter des Ministeriums für Kultus und Unterricht des Landes Bayern wie auch des Osteuropainstituts von Professor Dr. Koch dieses Projekt als ungewöhnlich günstig angesehen. Es wäre schade, Herr Professor, wenn sich dieser Bundeszuschuß nicht ermöglichen ließe.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Preiß, Ihre Ausführungen haben mich sehr interessiert, aber mich in meiner Auffassung bestärkt, daß der Antrag nicht bundesetatreif ist. Wenn die Sache so außerordentlich glücklich dort liegt, wird sich wohl der Staat Bayern oder die Stadt München bereit finden, etwas zu tun. Ich habe noch vor wenigen Wochen den bayerischen Kultusminister aufgesucht, um ihn gerade für die Ost- und Südosteuropaforschung zu interessieren. Ich halte München auch für ein hervorragendes Zentrum zum mindesten für die Südostforschung. Aber Ihre Ausführungen haben mir gezeigt - ich bin ja nun leider ein Haushaltmann -, daß der Antrag wirklich nicht etatreif ist. Ich würde sonst gern meine Zustimmung geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nur der sachlichen Richtigkeit wegen feststellen, daß irgendein Wunsch, diese Etatposition für das Gebäude des Deutschen Heimstättenwerks für Wissenschaftler und Künstler zu erhöhen, von keinem der beteiligten Herren an das Bundesfinanzministerium herangetragen worden ist.
({0})
Ich bemerke weiter, daß meines Wissens auch an das beteiligte Auswärtige Amt kein solcher Wunsch herangetragen worden ist. Ich glaube, wenn wirklich ein Bedürfnis bestünde, hätten die Beteiligten ihre Wünsche vorgetragen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, daß Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Tit. 302 auf Seile 24 richten. Dazu liegen der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 1051*) Ziffer 1, der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1046 ({0})**) Ziffer 1 und der vorhin von Herrn Kollegen Vogel begründete Antrag vor, den ich, weil er noch nicht verteilt ist, noch einmal vorlese. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Bei Einzelplan 05 Kap. 02 Tit. 302 ist der Betrag von 17 Millionen auf 18 Millionen zu erhöhen. Davon ist 1 Million gesperrt.
({1})
({2})
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7
({3})
- Er ist noch nicht verteilt, sagte ich. Deshalb habe ich ihn nochmals vorgelesen. Es sind die drei Anträge, derentwegen ich vorhin schon die Experten der Fraktionen gebeten hatte, sich darüber schlüssig zu werden, ob die 3 Millionen im FDP-Antrag etwa auch als gesperrt gelten sollen wie im CDU-Antrag und ob die Zweckbestimmung im einzelnen nur ein frommer Wunsch oder eine res iudicata werden soll. - Ich höre eben von der FDP-Fraktion, daß auch hier der Betrag mit einem Sperrvermerk versehen werden soll. Das erleichtert etwas die Abstimmung. Dann bitte ich, jetzt in folgender Weise abstimmen zu wollen. Ich stelle zunächst als den weitergehenden Antrag den FDP-Antrag zur Abstimmung, Erhöhung um 3 Millionen, aber mit Sperrvermerk. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich stelle nunmehr den Antrag, den der Kollege Vogel gestellt hat - Erhöhung um 1 Million mit Sperrvermerk -, zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich müßte nun eigentlich logischerweise weiter darüber abstimmen lassen, ob zu dem eben angenommenen Antrag zusätzlich die von Ihnen gewünschten Zweckbestimmungen gelten sollen.
({4})
- Der Sperrvermerk bedeutet dann nur, daß das Geld, wenn für die von Ihnen genannten Positionen ein Bedarf vorhanden ist, dafür ausgegeben wird und nur, wenn da nichts ist, in anderer Weise ausgegeben werden kann. Der Antrag wird nicht gestellt?
({5})
- Gut. Wer also dem Antrag der SPD, nämlich der zusätzlichen Zweckbestimmung für die 1 Million, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Zusatzantrag ist abgelehnt.
Ich komme dann zu Tit. 303. Ich bitte, Seite 25 aufzuschlagen und den Antrag Umdruck 1051*) zur Hand zu nehmen, mit dessen Ziffer 2 eine Erhöhung von 14 Millionen auf 15 Millionen DM - um 1 Million DM - beantragt wird. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich bitte, den Umdruck 1051 zur Hand zu nehmen, mit dessen Ziffer 3 beantragt wird, in Tit. 304
- Seite 25 - den Ansatz von 559 000 DM um 141 000 DM auf runde 700 000 DM zu erhöhen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen dann - ich bitte Seite 29 aufzuschlagen - zu dem Antrag Umdruck 1046 ({6})**) Ziffer 2, den vorhin der Herr Kollege Pusch begründet hat, eine Erhöhung um 20 000 DM auf 220 000 DM vorzunehmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand-
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 zeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich bitte jetzt den Umdruck 1075***) zur Hand zu nehmen. Er bezieht sich darauf, daß die Zuschüsse an die Deutsche Afrika-Gesellschaft gemäß der Fassung der Regierungsvorlage in Höhe von 150 000 DM eingesetzt werden; ich bitte, den Ausschußbericht, Seite 5, nachzulesen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich bitte, Umdruck 1088 zur Hand zu nehmen; das ist der Antrag, über den die Debatte Dr. Preiß - Dr. Gülich stattgefunden hat. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Dann stelle ich den Einzelplan 05 mit den beiden soeben beschlossenen Änderungen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 05 mit den soeben beschlossenen Änderungen in Tit. 302 und in Tit. 607 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist dieser Einzelplan angenommen.
Ehe wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung übergehen, gebe ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Wuermeling zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Stenogramm der heutigen Vormittagssitzung hat Herr Kollege Dr. Menzel heute morgen behauptet, ich hätte im Februar dieses Jahres im Essener Saalbau erklärt, daß der Erste Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herr Ollenhauer, der Kandidat des Kreml sei.
Ich lege Wert darauf, dazu folgendes festzustellen. Erstens. Ich habe im Februar dieses Jahres weder im Saalbau noch in einem anderen Saale der Stadt Essen oder überhaupt im Ruhrgebiet gesprochen.
({0})
Zweitens. Ich habe auch sonst nirgends die mir in den Mund gelegte Äußerung getan.
({1})
Wir haben von dieser Erklärung Kenntnis genommen. Der Fall ist damit erledigt. Wir gehen über - ({0})
- Er ist hier geschäftsordnungsmäßig erledigt!
Wir gehen jetzt zum nächsten Punkt der Tagesordnung über. Heute früh war vorgesehen worden, jetzt zunächst den Einzelplan 14 aufzurufen. Da es schon 20 Uhr 20 Minuten ist, hätte dies keinen großen Zweck. Es hat, wie mir mitgeteilt worden ist, eine Verständigung dahin stattgefunden, daß
***) Siehe Anlage 8
({1})
jetzt zunächst der Einzelplan 03 - Bundesrat - und anschließend eventuell noch der Einzelplan 07 - Justiz - beraten werden soll.
Ich rufe auf den
Einzelplan 03, Bundesrat ({2}). Berichterstatter ist der Herr Kollege Dr. Schild.
Dr. Schild ({3}) ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen des Haushaltsausschusses habe ich auf den Mündlichen Bericht zu verweisen und das Hohe Haus zu bitten, die Vorlage mit den Änderungen, die im Mündlichen Bericht zu vier Titeln enthalten sind, anzunehmen. Die Erhöhungen in diesen vier Titeln resultieren im wesentlichen aus der Tatsache, daß das Saarland ebenfalls seine Vertreter in den Bundesrat entsendet. Im übrigen ist es zu einer Tradition geworden, den Organen des Bundesrats in ihren Wünschen, die sie diesem Hohen Hause auch in dem Etat vortragen, zuzustimmen, und ich bitte deshalb, dem Einzelplan 03 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 03 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan 07, Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz ({0}).
Frau Dr. Hubert ({1}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) vor.
({2})
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 07 - Bundesministerium der Justiz - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
({0})
Einzelplan 19, Bundesverfassungsgericht ({1}).
({2})
- Die Frau Kollegin verzichtet auf Berichterstattung und verweist auf den Schriftlichen Bericht**). Ich danke ihr.
Ich eröffne die Aussprache. - Änderungsanträge zu dem Einzelplan liegen nicht vor. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um
*) Siehe Anlage 9 **) Siehe Anlage 10
das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Mir wird eben mitgeteilt, daß zum Einzelplan 32 ein Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck 1089 vorliegt. Er ist gekoppelt mit einem Änderungsantrag zum Einzelplan 12 und wahrscheinlich deshalb übersehen worden, weil Einzelplan 12 noch nicht aufgerufen war.
({3})
- Dieser Änderungsantrag -wird jetzt also dahin erläutert, daß Ziffer 2 zum Einzelplan 32 gehört, während die Ziffer 1 zum Einzelplan 12 gehört. Ich möchte mir zunächst die Frage an die Schriftgelehrten erlauben, ob die beiden Anträge nicht in einem gewissen Zusammenhang miteinander stehen, so daß es zweckmäßig wäre, auch die Ziffer 2 zusammen mit dem Einzelplan 12 zu behandeln, natürlich unter der Voraussetzung, daß eine Änderung des Einzelplans 32 nachher noch erfolgen kann. Das würde ,allerdings bedeuten, daß wir den Einzelplan 32 dann noch einmal aufrufen müssen.
({4})
- Wennschon; wenn ein Antrag vorliegt, muß darüber abgestimmt werden. - Mir wird eben von sehr sachverständiger Seite im Hintergrund mitgeteilt, daß die Ziffer 2 des Antrags Umdruck 1089 nur in Verbindung mit Ziffer 1 erledigt werden kann. Es bleibt dann nur übrig, den Einzelplan 32 jetzt abzusetzen und zurückzustellen, bis Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, erledigt ist. Sind Sie damit einverstanden?
({5}) - Das ist der Fall.
Ich rufe auf:
Einzelplan 33, Versorgung ({6})
Berichterstatter ist der Herr Kollege Seidl ({7}). - Wir begnügen uns mit dem Schriftlichen Bericht*).
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor, Anträge ebenfalls nicht. Ich schließe die Aussprache.
Wer dem Einzelplan 33 - Versorgung - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Damit wäre Idas behandelt, mit dessen Erledigung nach Vereinbarung der Fraktionen die heutige Tagesordnung abgeschlossen werden soll.
Es hat keinen Zweck, heute abend noch die Beratung eines Einzelplans, der eine große Debatte hervorruft, etwa mit der Berichterstattung zu beginnen und die Debatte auf morgen zu vertagen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 10. Mai 1957, mit der Ihnen bekannten Tagesordnung.
Die Sitzung ist geschlossen.