Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Die amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in !den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat unter dem 8. April 1957 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 182. Sitzung über die Erleichterung der persönlichen und familiären Beziehungen der Bevölkerung in der SBZ zu derjenigen in der Bundesrepublik berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3392 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 4. April 1957 die Kleine Anfrage 345 der Fraktion der SPD betreffend Ausgleich des Gewerbesteuerausfalls durch Landeszuweisungen - Drucksache 3310 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3391 verteilt.
Der Herr Präsident des Bundesrechnungshofs hat unter dem 27. März 1957 ein Gutachten über die Organisation und Wirtschaftlichkeit des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten übersandt, das im Archiv zur Kenntnisnahme ausliegt.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der gedruckt vorliegenden. Tagesordnung fort.
Ich rufe Punkt 17 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes ({1}).
Als Berichterstatter hat Herr Minister Becher das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat zum Zweiten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes, das ,vom Bundestag ,am 21. Februar 1957 verabschiedet worden war, am 8. März 1957 den Vermittlungsausschuß angerufen. Dem Bundesrat ging es dabei um folgende Änderungen.
In Art. I wollte der Bundesrat die Nrn. 51 bis 56 gestrichen haben; ferner sollte Art. IV gestrichen werden, welcher den zuständigen Bundesministern die Ermächtigung gibt, das Personenstandsgesetz im jetzigen Wortlaut im ganzen neu bekanntzumachen. Das Streichungsbegehren zu den Nrn. 51 bis 56 des Art. I wurde vom Bundesrat damit begründet, daß durch die hier vorgesehenen Änderungen des Gesetzes in unzulässiger Weise in die Organisationsgewalt und in die Gesetzgebungskompetenz der Länder auf dem Gebiete des Gemeindeverfassungsrechts eingegriffen würde. Auch verfassungspolitische Bedenken wurden seitens des Bundesrates vorgebracht, weil unnötigerweise in die Behördenorganisation der Länder eingegriffen würde. Die Streichung des Art. IV war deshalb vorgeschlagen worden, weil die §§ 51 bis 59 nach Auffassung des Bundesrates Landesrecht geworden sind
({0})
und deshalb eine Berechtigung von Bundesinstanzen, das gesamte Personenstandsgesetz als Bundesrecht neu bekanntzumachen, nicht anerkannt werden könne.
Der Vermittlungsausschuß hat die hier aufgeworfenen verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Fragen nicht vertieft. Er hat sich im wesentlichen dem Streichungsvorschlag des Bundesrates angeschlossen, weil die seitherige Fassung der fraglichen Vorschriften zu 'keinerlei Schwierigkeiten Anlaß gegeben hat, also auch keine Notwendigkeit besteht, insoweit an ,dem Gesetz etwas zu ändern.
Allerdings soll die Nr. 55 a des Art. I bestehenbleiben, da es sich hier nur um ein gesetzestechnisches Anliegen handelt, nämlich um die Erwähnung der Zwangsgelder in § 57 Abs. 1 und 2. Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Bestimmung hierüber aus der Ersten Ausführungsverordnung zum Personenstandsgesetz in das Gesetz selbst übernommen werden.
Auch dem Vorschlag, Art. IV zu streichen, hat sich der Vermittlungsausschuß nicht angeschlossen, weil die Neubekanntmachung des ganzen Gesetzes sicherlich einem praktischen Bedürfnis entspricht.
({1})
Einen Augenblick, Herr Minister!
Meine Damen und Herren, ich bitte, doch etwas mehr Ruhe zu bewahren. Es ist schwierig, das eigene Wort zu verstehen.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Minister!
Die Bedenken des Bundesrates, daß durch die Neubekanntmachung auch die zu Landesrecht gewordenen Vorschriften des Gesetzes zu Bundesrecht würden, hat der Vermittlungsausschuß nicht geteilt. Die Neubekanntmachung, die ja nur technischen Charakter hat, könnte die Qualität einzelner Vorschriften des Gesetzes als Landesrecht ja auch gar nicht verändern.
Der zweite Punkt des Anrufungsbegehrens betraf § 61, also die Vorschrift, welche die Einsicht in die Personenstandsbücher, die Durchsicht dieser Bücher und die Erteilung von Personenstandsurkunden regelt. Der Bundesrat hatte hier, was das Recht der Behörden auf Einsichtnahme usw. betrifft, eine mittlere Lösung zwischen dem Regierungsentwurf und der vom Bundestag beschlossenen Fassung vorgeschlagen. Die Behörden sollen nicht durch die „Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses" beschränkt werden; es soll genügen, wenn sie bei ihrem Verlangen den Zweck angeben. Der Vermittlungsausschuß hielt diese Lösung für angemessen und ist deshalb auch in diesem Punkt dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt.
Ein weiterer Punkt des Anrufungsbegehrens betraf die Streichung des Abs. 2 in § 68 und die Einfügung eines neuen § 68 a. In § 68 Abs. 2 der Bundestagsfassung war gesagt, daß die Ordnungswidrigkeit des § 68 Abs. 1 mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Eine gleichartige Bestimmung fehlt jedoch für die Ordnungswidrigkeiten der §§ 67 und 67 a. Es schien dem Bundesrat notwendig zu sein, zur Klarstellung ausdrücklich auszusprechen, 'daß auch die Ordnungswidrigkeiten nach §§ 67 und 67 a mit Geldbuße belegt werden können. Die Tatsache allein, ,daß in den genannten Vorschriften von einer Ordnungswidrigkeit die Rede ist, genügt nicht. Nach § 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist eine Handlung nur dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie ausschließlich mit Geldbuße bedroht ist. Eine Ordnungswidrig({0})
keit wird also durch die Art der angedrohten Reaktion, d. h. durch die angedrohte Geldbuße, und nicht durch .die Bezeichnung der Handlung bestimmt.
Bei dem Änderungsvorschlag des Bundesrates - das darf ich hier ausdrücklich hervorheben - handelt es sich also nur um ein rechtstechnisches Anliegen. Mit der Grundsatzfrage, ob die Tatbestände der §§ 67 und 67a unter Sanktion gestellt werden sollen, hat diese Änderung nichts zu tun. Nachdem diese grundsätzliche Entscheidung im Bundestag bereits gefallen war und sie auch vom Bundesrat nicht beanstandet worden ist, konnte diese Frage im Vermittlungsausschuß auch gar nicht mehr behandelt werden. Da es sich wie gesagt nur um ein rechtstechnisches Anliegen handelt, hat der Vermittlungsausschuß auch hier den Vorschlag ides Bundesrates übernommen.
Dem Verlangen des Bundesrates, in Art. I Nr. 70 einen neuen § 69 e einzufügen, wonach der Bund in gewissen Fällen die Kosten der Anlegung des Familienbuchs übernehmen soll, ist der Vermittlungsausschuß dagegen nicht gefolgt. Wie seitens der Bundesregierung dargelegt wurde, handelt es sich bei den fraglichen Kosten um einen Betrag von etwa 5 Millionen DM, der sich auf fünf Jahre und auf 15 000 Standesämter verteilt. Auf jede Gemeinde entfällt also im Durchschnitt nur ein geringfügiger Betrag. Der Vermittlungsausschuß war der Ansicht, daß dies den entstehenden verwaltungsmäßigen Aufwand nicht lohnen würde.
In § 70.a Abs. 1 Nr. 2 hat der Bundesrat vorgeschlagen, das Einvernehmen mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften durch ein Benehmen zu ersetzen. Nach Auffassung des Bundesrates können die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigten staatlichen Organe nicht an die notwendige Mitwirkung außerstaatlicher Institutionen gebunden werden. Aber auch sachliche Gründe haben den Bundesrat zu diesem Änderungsvorschlag veranlaßt. Nach eingehender Erörterung ist der Vermittlungsausschuß zu idem Ergebnis gekommen, daß die ganze Vorschrift ides § 70 a Abs. 1 Nr. 2 ersatzlos gestrichen werden könne. Das Bedürfnis für eine solche Vorschrift war in der Vergangenheit noch nicht aufgetreten. Der Vermittlungsausschuß war der Auffassung, daß die Aufbewahrung, Fortführung und Benutzung der ,alten Kirchenbücher usw. am besten einer sachgerechten Vereinbarung zwischen den Ländern und den Kirchen überlassen bleibt.
Schließlich hat sich .der Vermittlungsausschuß noch den Vorschlag ödes Bundesrates zu eigen gemacht, wegen der fortgeschrittenen Zeit den Termin des Inkrafttretens der Novelle vom 1. Juli 1957 auf den 1. Januar 1958 zu verlegen und nur diejenigen Vorschriften, welche zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen ermächtigen, bereits am Tage nach der Verkündung in Kraft treten zu lassen. Im Zusammenhang damit war es dann auch notwendig, in einigen weiteren Vorschriften des Art. ,I die entsprechenden Daten zu ändern.
Namens des Vermittlungsausschusses darf ich dem Hohen Hause empfehlen, den Änderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses, wie sie aus der Bundestagsdrucksache 3358 ersichtlich sind, zuzustimmen. Ich darf noch ,bemerken, daß der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, daß eine gemeinsame Abstimmung nicht erforderlich ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Dr. Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die Fraktion der CDU/CSU hat stets die Beseitigung des § 67 des Personenstandsgesetzes, insbesondere die Beseitigung der darin enthaltenen, die Religionsdiener diskriminierenden Strafvorschrift gefordert. Sie hat es deshalb begrüßt, daß die Bundesregierung bei der Vorlage der Gesetzentwürfe zur Änderung des Personenstandsgesetzes sowohl in der Legislaturperiode des 1. Bundestages wie auch in der Legislaturperiode des 2. Bundestages die Streichung dieser Bestimmung vorgesehen hatte.
Maßgebend für diese Einstellung war neben der Erwägung, daß die Bestimmung Erinnerungen an die Zeit des unglückseligen Kulturkampfes weckte, vor allem die Erfahrung, daß in den über sieben Jahrzehnten der 'Geltung dieser Vorschrift kaum ein Verstoß dagegen gerichtlich geahndet worden ist, so daß die praktische Anerkennung der in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Forderung, daß die Ziviltrauung der kirchlichen Trauung voranzugehen habe, gesichert schien. Diese Auffassung war und ist um so mehr gerechtfertigt, als auch die Vertreter der beiden großen Kirchen stets versichert haben, daß sich auch nach Streichung des § 67 des Personenstandsgesetzes ,an der bisherigen Praxis nichts ändern werde. Als in den letzten Jahren einige Verstöße gegen diese Bestimmung bekannt wurden, die sich aus dem Problem der sogenannten Onkelehen ergaben, ist erfreulicherweise in den Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Heiligen Stuhl eindeutig darüber Klarheit geschaffen worden, daß das Bestehen eines sogenannten Rentenkonkubinats keinen sittlichen Notstand im Sinne des Konkordats begründen und deshalb nicht zur Vornahme der kirchlichen Trauung ohne vorangehende und auch wohl gar nicht beabsichtigte Ziviltrauung berechtigen könne.
Damit war, wie nochmals betont wird, auch nach Wegfall des § 67 des Personenstandsgesetzes die Beibehaltung der bisherigen Praxis gesichert. Deshalb hat die CDU/CSU in zweiter Lesung die Streichung des § 67 beantragt; der Antrag wurde auch angenommen.
In dritter Lesung wurden mit knapper Mehrheit die §§ 67 und 67 a eingefügt, die bestimmen, daß „eine Ordnungswidrigkeit begeht", wer die kirchliche Trauung vor der Ziviltrauung vornimmt oder wer eine so vorgenommene kirchliche Trauung nicht unverzüglich dem Standesamt anzeigt. Die Androhung einer Geldbuße ist in beiden Vorschriften nicht enthalten.
Nunmehr soll in diesem Punkte über die bisherige Bestimmung, die auf dem Antrag der Fraktion der SPD und auf der Entscheidung der Mehrheit dieses Hauses beruht, hinausgegangen werden; es soll die Androhung einer Geldbuße hinzugefügt werden.
Die Fraktion der CDU/CSU, die bisher für die Streichung jeder Straf- und Bußbestimmung
({0})
war, sieht keinen berechtigten Anlaß, nunmehr dieser Änderung zuzustimmen. Die Hinzufügung bringt gerade das zum Ausdruck, wogegen wir uns immer gewehrt haben: die Androhung einer Geldhuße.
Wir verstehen die §§ 67 und 67 a in der von der Mehrheit des Bundestages beschlossenen Form nach der Klarstellung im Vermittlungsausschuß als sogenannte lex imperfecta, eine rechtlich durchaus mögliche und rechtsstaatlich einwandfreie Lösung. Wir werden deshalb den Vermittlungsvorschlag zu den Ziffern 4 und 5 ablehnen. Wir bitten insoweit um getrennte Abstimmung. Im übrigen werden wir dem Vermittlungsvorschlag zustimmen.
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Das Wort wird nicht weiter gewünscht.
Ich lasse getrennt abstimmen, und zwar zunächst über die Ziffern 1, 2 und 3. Wer den Ziffern 1, 2 und 3 des Vermittlungsvorschlags zustimmen will. den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ziffer 4. Wer der Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Das ist die Mehrheit; Ziffer 4 ist abgelehnt.
Ziffer 5. Wer der Ziffer 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; Ziffer 5 ist abgelehnt.
Ziffern 6, 7 und 8. Wer ,diesen Ziffern zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Ziffern 6 bis 8 sind einstimmig angenommen.
Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes ({1}).
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Kuntscher.
Kuntscher ({2}). Berichterstatter Herr Prä_ sident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 8. März 1957 in der Angelegenheit der zweiten Novelle zur Änderung des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes den Vermittlungsausschu ß in einem Punkt angerufen. Gegenstand ist die Verteilung der Kosten, die durch diese Gesetzesänderung entstehen. Sachlich geht es um folgendes.
Das Flüchtlings-Notleistungsgesetz vom 9. März 1953 läßt die Beschlagnahme von Räumen außer von Wohnraum zum Zwecke der Unterbringung von Zonenflüchtlingen zu. Das galt bis zum 31. März 1955. Die Kosten dieses Gesetzes wurden mit dem Bund automatisch als Lageraufwendungen verrechnet. 1955 kam das erste Änderungsgesetz zum Flüchtlings-Notleistungsgesetz. Es war his zum 31. März 1957 terminiert. Inzwischen wurden durch das Vierte Überleitungsgezetz die Kosten durch die Pauschalierung der Kriegsfolgenhilfe abgegolten.
Die Ungarntragödie erforderte im November/ Dezember 1956 eine Überprüfung des bestehenden Gesetzes. Im Zweiten Gesetz zur Änderung des
Flüchtlings-Notleistungsgesetzes, das in diesem Hohen Hause am 21. Februar 1957 verabschiedet wurde, mußte eine Ausweitung des Personenkreises vorgenommen werden, und zwar wurden anerkannte ausländische Flüchtlinge und Vertriebene - Volksdeutsche aus Ungarn - einbezogen.
Das Vierte Überleitungsgesetz sah in § 2 Abs. 2 eine Pauschalierung der Kriegsfolgenhilfe vor; es waren auch die Leistungen aus dem FlüchtlingsNotleistungsgesetz einbezogen.
Der in Frage kommende § 38 des FlüchtlingsNotleistungsgesetzes sieht nach geltendem Recht bei der Pauschalierung allerdings nur die Lasten für den Personenkreis der Sowjetzonenflüchtlinge vor.
Durch die Ausweitung des Personenkreises im Zweiten Änderungsgesetz wurde durch den Bundesrat die Kostenfrage aufgeworfen; sie sollte durch eine Neufassung des § 38 geregelt werden. Der Antrag des Bundesrates lief darauf hinaus, daß die gesamten Kosten, die durch das Flüchtlings-Notleistungsgesetz und die beiden Änderungsgesetze entstehen, zu 80 % vom Bund getragen werden und damit aus der Pauschalierung der Kriegsfolgenhilfe herausfallen sollen.
Im Vermittlungsausschuß wurde diesem Änderungsantrag nicht ganz Rechnung getragen, sondern es wurde einstimmig beschlossen, nach Art. 1 einen neuen Artikel 1 a mit folgendem Wortlaut einzufügen:
Die Aufwendungen für die Entschädigungen und die Ersatzleistungen nach dem Flüchtlings-Notleistungsgesetz, die durch die Unterbringung von Personen, die als ausländische Flüchtlinge anerkannt worden sind, entstehen, trägt der Bund zu 80 vom Hundert. Soweit solche Aufwendungen durch die Unterbringung von Vertriebenen und von Deutschen, die aus der sowietischen Besatzungszone oder aus dem sowietisch besetzten Sektor von Berlin geflüchtet sind, entstehen, gilt § 38 des Flüchtlings-Notleistungsgesetzes.
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Meine Damen und Herren! Es ist eine solche Unruhe im Saal, daß man den Redner wirklich nicht mehr versteht. Teh muß dringend bitten, daß etwas mehr Ruhe eintritt.
Kuntscher ({0}), Berichterstatter: Damit wird der Bund 80 % der Kosten, die durch die Ausweitung des Personenkreises auf anerkannte ausländische Flüchtlinge entstehen, tragen.
Der Art. 4 soll nachstehende neue Fassung erhalten:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1957, hinsichtlich der Bestimmungen über Ordnungswidrigkeiten am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Ich erbitte die Zustimmung des Hohen Hauses zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses, wie er in der Drucksache 3359 vorliegt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 3359. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 26 der Ihnen vorliegenden Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}).
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders. - Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg, Sie wollten zuerst sprechen? - Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde hatten den Wunsch gehabt, die Auseinandersetzung über die Amnestie in politischen Straftaten heute möglichst ohne eine neue Diskussion abzuschließen, und es war jemand von uns nur für den Fall in Aussicht genommen, daß auch noch andere Redner sprechen würden. Nun hat meine verehrte Kollegin und Freundin aus alten, verklungenen Zeiten
({0})
den Wunsch gehabt, noch zu sprechen, und hat gleichzeitig den Wunsch geäußert, zuletzt zu sprechen. Es versteht sich von selbst, daß ich einer Dame den Rückvortritt lassen muß. Infolgedessen benutze ich jetzt zunächst die Gelegenheit, noch einmal die Ansichten meiner politischen Freunde zu dieser schwierigen und umstrittenen Frage in aller Ruhe und Sachlichkeit auseinanderzusetzen.
Man hat uns in der vorigen Sitzung wiederholt vorgeworfen, daß wir unsere ursprünglich ausgesprochene bejahende Einstellung zu diesem Anliegen inzwischen geändert hätten, und man hat allerlei merkwürdige und dunkle Einflüsse hinter dieser Änderung vermutet. Meine Damen und Herren, ich möchte mit allem Nachdruck feststellen, daß diese Auffassung unrichtig ist. Es ist keine Frage, daß eine Anzahl unserer Freunde von vornherein dem Anliegen mit großer Aufgeschlossenheit gegenübergestanden haben, ja daß einige von uns sogar mit den Vertretern einiger anderer Richtungen die Initiative hierzu ergriffen haben. Es hat aber niemals volle Klarheit darüber bestanden, in welcher Weise dieses unser Anliegen verwirklicht werden sollte.
Wir haben uns hierbei von einer Reihe von sehr dringenden Erwägungen leiten lassen, die auch heute noch für unsere Haltung bestimmend sind. Ich mache kein Hehl daraus, daß hierbei auch das Herz eine Rolle spielt. Wir haben den Wunsch gehabt, durch eine großzügige Regelung der politischen Straftaten zu einer politischen Entspannung beizutragen und zu erreichen, daß in einer gewissen Gegenwirkung auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs eine große Zahl unserer bedrängten und gequälten Brüder und Schwestern freigelassen würden. Wir brauchen uns dessen nicht zu schämen, daß wir hierbei auch das Herz
mitsprechen lassen. Das soll gerade eine Partei tun, die das christliche Wappenschild trägt.
({1})
- Meine Damen und Herren, das Herz scheint mir hierbei ein besserer Ratgeber zu sein als die Galle, von der wir aus der letzten Sitzung einen schlechten Nachgeschmack behalten haben.
({2})
Aber wir wären keine guten Politiker, wenn wir nicht auch die Vernunft, die abwägende, politisch verantwortliche Vernunft mitsprechen ließen. Es läßt sich doch nicht verkennen, daß seit dem vorigen Jahre, als diese Fragen zum ersten Male hier erörtert wurden, eine Reihe von wichtigen Änderungen eingetreten ist. Ich glaube, wir handelten unverantwortlich, wenn wir nicht die Folgerungen aus diesen veränderten Voraussetzungen ziehen wollten.
Zunächst einmal hat sich - ein bißchen sehr verspätet - herausgestellt, daß die Zahlen über die politischen Gefangenen in der Bundesrepublik und diejenigen, die womöglich in absehbarer Zeit in Strafhaft kommen werden, wesentlich niedriger sind, als wir früher angenommen haben. Ich sehe immer noch nicht recht ein, warum diese Ungewißheit so lange über uns gelegen hat, und vielleicht wäre manche Zuspitzung vermieden worden, Herr Bundesminister des Innern oder Herr Bundesminister der Justiz, wenn diese Zahlen etwas früher bekanntgegeben worden wären. Wir haben tatsächlich die Auffassung gehabt, daß es sich noch immer um eine sehr große Zahl von Personen handelt, die teils in Haft sitzen, teils in absehbarer Zeit in Haft sitzen werden. Wir haben auch - das möchte ich ausdrücklich sagen - die Sorge gehabt, daß das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Kommunistische Partei verboten hat, zu einer wesentlichen Erweiterung und Verschärfung der Strafpraxis und damit zu Rückwirkungen von unabsehbarer Bedeutung führen würde. Wir sind in bezug auf die Statistik beruhigt worden. Wir haben inzwischen den Erlaß des Herrn Oberbundesanwalts kennengelernt, der in sehr kluger Form und in sehr schöner rechtlicher und menschlicher Verantwortung die ihm unterstellten Behörden darauf hingewiesen hat
({3})
- ich möchte den Satz zu Ende sprechen, Kollege Wittrock -, daß man in der Strafrechtspraxis nicht mit dem mechanischen Holzhammer vorgehen dürfe. Ich glaube, die Anordnung des Herrn Oberbundesanwalts hat das, was uns am Herzen liegt, mehr gefördert als manche heftige und böse Rede in diesem Hause.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Ich darf Sie folgendes fragen. Trifft es zu, Herr Kollege, daß Sie sich noch vor etwa vier Wochen, nämlich Anfang März, als sowohl die Zahlen wie auch die sonstigen politischen Umstände, auf die Sie sich jetzt beziehen, bekannt waren, ausdrücklich für ein Straffreiheitsgesetz ausgesprochen haben?
Das ist mir nicht bekannt, Kollege Wittrock.
Erinnern Sie sich nicht, daß Sie sogar in dieser Richtung einer ausdrücklichen Zustimmung zu einem Amnestiegesetz korrespondiert haben?
Kollege Wittrock, Sie werden sicher meine Ausführungen mit Aufmerksamkeit hören. Vielleicht werden Sie dann den gewünschten Aufschluß erhalten.
({0})
Meine Damen und Herren, jedenfalls möchte ich für meine politischen Freunde feststellen, daß auch wir uns innerlich mit den hier vorgetragenen Wünschen verbunden fühlen und daß wir lediglich in der Form der Durchführung und bei dem Termin der Durchführung von den Antragstellern abweichen. Es hat sich nämlich inzwischen auch noch einiges andere verändert. Von maßgebender Stelle der Sowjetzonenregierung ist die Möglichkeit einer Gegenleistung mit höhnischen Worten abgelehnt worden. Die Bemühungen unserer Kollegen von der Freien Demokratischen Partei, die ich mit großem Interesse und - ich kann es nicht leugnen - auch mit einer gewissen Sympathie verfolgt habe, sind ebenfalls fehlgeschlagen. Es sind andere Versuche in der gleichen Richtung, die, wenn sie auch vielleicht nach außen weniger bekanntgeworden sind, mindestens in der gleichen tiefen, ernsten Verantwortung eingeleitet worden waren, völlig fehlgeschlagen. Diese wiederholten und teilweise fast bösartigen Ablehnungen unseres Anliegens müssen uns doch zu ,denken geben. Es wäre doch sehr töricht, wenn wir uns darüber hinwegsetzen wollten.
Endlich aber hat sich seit dem vorigen Jahr die Krisis in Ungarn ereignet, und diese Krisis in Ungarn hat verschiedene Auswirkungen auch für das heute behandelte Anliegen gehabt.
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- Herr Kollege Gille, hören Sie mich doch bitte an. - Sie hat zur Folge gehabt, daß man in der Zone geglaubt hat, die Ventile fester schließen und gewisse Erleichterungen, die man bis dahin glaubte einräumen zu können, wieder beseitigen zu müssen. Es ist keine Frage, daß jetzt in Ost-Berlin die Neigung, auf solche Erleichterungen einzugehen, wesentlich geringer ist als vor einem Jahr, wenn dazu überhaupt noch irgendeine Neigung besteht. Es ist außerdem nicht zu verkennen - und da möchte ich gerade auch im Namen meiner politischen Freunde sprechen -, daß auch in unserem Volke die ungarischen Ereignisse gewisse Sorgen ausgelöst haben und daß man heute vielleicht stärker als vor einem Jahre den Wunsch hat, schon den Anfängen zu steuern. die zu einer gefährlichen Entwicklung führen könnten. Man erwartet also in unserem Volke mehr als bisher von uns, daß wir in dieser Frage mit sehr großer Gewissenhaftigkeit und mit sehr großer Vorsicht vorgehen.
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Meine Damen und Herren, gestatten Sie eine persönliche Bemerkung. Ich bin gerade dabei, eines meiner 'Bücher, „Die Weimarer Republik", neu herauszugeben. In dem Schlußkapitel beschäftige ich mich mit den Gründen, die zum Sturz dieses
ersten demokratischen Staatsversuchs der Deutschen geführt haben. Ich bin hierbei - ich habe gerade in den letzten Tagen daran gearbeitet - noch einmal zu der klaren Erkenntnis gekommen, daß der Sturz der Weimarer Republik auf der einen Seite durch den Mangel an Nachsicht bei den außenpolitischen Gegnern und auf der anderen Seite durch übergroße Nachsicht gegenüber den innerpolitischen Gegnern herbeigeführt worden ist.
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Ich glaube, wir können uns, wenn wir verantwortlich handeln wallen, nicht der hieraus folgenden Erkenntnis entziehen. Gewiß, die Gefahren waren damals außerordentlich viel unmittelbarer und dringender - ich habe darauf auch öfters hingewiesen -; aber auch hier erwartet unsere Bevölkerung von uns, daß wir die Waffen gegen einen gefährlichen und rücksichtslosen Gegner nicht vorzeitig stumpf werden lassen oder aus der Hand legen.
Aus diesem Grunde wollen Sie bitte verstehen, daß wir auf Grund der Erfahrungen des letzten Jahres diesem ganzen Problem mit größerer Zurückhaltung gegenüberstehen, als das damals noch hätte verantwortet werden können. Wir hätten gewünscht - vielleicht darf ich mich da an die Kollegen von der ,Freien Demokratischen Partei wenden -, daß dieses ganze Gesetz nicht in einem Zeitpunkt verhandelt worden wäre, in dem nicht nur die die innerpolitischen Spannungen wegen der bevorstehenden Wahl besonders ernst geworden sind oder zu werden drohen, sondern in dem es uns auch die äußere Situation nicht erleichtert, Ihnen zuzustimmen. Ich habe den Wunsch - ich weiß nicht, ob Sie das noch fertigbringen -, daß Sie das Gesetz einstweilen überhaupt zurückstellen und uns der uns selbst sehr unangenehmen Notwendigkeit entheben, uns dagegen auszusprechen.
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- Meine Damen und Herren, Sie sehen unser Herzensanliegen in der Resolution,
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die wir eingebracht haben und mit der wir den Bedürfnissen des Augenblicks Rechnung zu tragen glauben.
Im übrigen sind wir uns ja wohl darin einig, daß die eigentliche Ursache für das, was uns bewegt, der Zustand unseres Landes ist. Dieser Zustand - das gebe ich den Herren auf der Linken gerne zu - ist auch einer der Gründe, die es uns nahelegen, in diesen Dingen weitherzig zu urteilen; denn bei dem jetzigen Zustand Deutschlands kann der einzelne gar nicht voll die Verantwortung dafür haben, daß er sich in dieser schrecklichen Situation nicht zurechtfindet.
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Um so mehr sollten wir aber, glaube ich, statt uns hier zu entzweien, statt uns über die Auswirkungen und die Bekämpfung der Auswirkungen im einzelnen Gedanken zu machen, unseren Scharfsinn und unsere Tatkraft daransetzen, daß dieser Zustand Deutschlands grundsätzlich geändert wird.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich die Absicht habe, die Sachdebatte erneut aufzurollen und Gegensätze und Meinungsverschiedenheiten erneut zu verschärfen. Ich beabsichtige, ganz das Gegenteil zu tun. Warum? Weil meines Erachtens die Diskussion vor einigen Tagen solche Schärfen enthalten hat, daß sie vielleicht doch Anlaß zu einigen ernsten Sorgen für uns alle geben sollte. Die Form und die Art, in der sie abgewikkelt worden ist, ist meines Erachtens unvereinbar mit der Würde des Hauses und mit dem Ansehen der Abgeordneten. Sie hat beiden erheblichen Schaden zugefügt. Warum das? Weil der abfälligen Kritik und Schlimmerem Tür und Tor erneut geöffnet worden ist, weil sie reichliche Nahrung gefunden hat, und diese Kritik wird von den Entgleisungen einiger einzelnen verallgemeinernd auf das gesamte Parlament und auf die Institution der Demokratie überhaupt übertragen. Sie läßt - und das schreckt mich In der Erinnerung - Parolen aufkommen, wie ich sie schon einmal mit großer Sorge und Angst erlebt habe.
Genauso, verehrte Kollegen, hat es vor langen Jahren angefangen, zu jener Zeit, als politische Gegnerschaft, gesteigert zu Feindschaft bis zum Haß, die Mienen, den Tonfall und die Worte bestimmte. Das bittere Ende jenes Verhaltens, dessen Zeugen nicht nur ich, sondern auch verschiedene andere Mitglieder dieses Hohen Hauses gewesen sind, ist noch in unser aller Gedächtnis.
Verehrte Kollegen, vestigia terrent. Vielleicht sollten wir das alle bedenken, damit das Volk uns bereitwillig als seine völlig ,anders gearteten Vertreter anerkennt und uns in unserer schweren Arbeit im Interesse des ganzen Volkes unterstützt. Ein jeder könnte allein oder zusammen mit seinen Freunden und besser noch auch mit Angehörigen anderer Parteien versuchen, ausgleichend zu wirken. Wer selber geachtet sein will, der muß zuerst Achtung vor anderen haben. Sonst glaubt man ihm einfach nicht.
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Meine Damen und Herren, ich will heute nicht auf das juristische Problem der Amnestie zurückkommen, das in unserem Antrag enthalten ist. Darüber sind lange Ausführungen gemacht worden. Ich will auch keine neuen Kronzeugen aufführen, wie etwa die Evangelische Synode, die meines Wissens große Hoffnungen auf den Erfolg unseres Anliegens gesetzt hat. Ich will aber fragen: Warum tut sie das? Ich glaube, sie tut es deshalb, weil es sich eben nicht nur um eine juristisch zu betrachtende und juristisch zu beurteilende Angelegenheit handelt.
Aber worum handelt es sich denn sonst noch? Mir scheint, es handelt sich um eine für unser ganzes Volk sehr ernste menschliche Angelegenheit.
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Mein verehrter Kollege Weber aus dem Rechtsausschuß führte kürzlich ein Erlebnis aus seiner Anwaltspraxis an. Er berichtete über einen jungen Mann, der auch unter dem Einfluß irreleitender Parolen in die Kreise staatsfeindlicher Elemente abgerutscht war. Es war +deutlich zu bemerken, welchen Eindruck seine Worte auf alle machten. Unser Kollege Gille meinte neulich befürwortend hier im Plenum, „und wenn es nur 50 oder 100 sind, die wir durch den Akt der Amnestie davor bewahrten, wieder den bösen Einflüssen des Kommunismus zu verfallen," so scheine ihm das schon die Amnestie wert zu sein. Diese Worte des Kollegen Gille riefen mir in die Erinnerung zurück - und viele von Ihnen werden sich auch aus der Kenntnis der Bibel daran erinnern -, wie Abraham fürbittend um die Rettung der Sodomiter gerungen hat. Er bat den Herrn zuerst, um 50 Gerechter willen die ganze Stadt zu verschonen. Und es wurden immer weniger und immer weniger, und schließlich blieben nur zehn Gerechte übrig, um derentwillen die ganze von Bösewichtern bewohnte Stadt verschont wurde.
Meine Damen und 'Herren, Vergleiche hinken immer, sowohl in der Sache wie in der Person; so auch im Rückblick auf eine noch nicht lange vergangene böse Zeit. Vielleicht sollten wir uns daran erinnern, für wie viele Zehntausende, die ebenfalls unter agitatorischen Einflüssen nur zu oft in staats- und gesellschaftsfeindliche, ja, in ausgesprochen verbrecherische Machenschaften verstrickt gewesen sind, wir uns bemüht haben, sie in die Gemeinschaft unseres neuen Staates zurückzuführen, sie als gleichberechtigte 'Mitglieder dieses Staates wieder einzuordnen. Für sie hieß es immer wieder - für mein Gefühl mit Recht -, daß man nicht alle über einen Kamm scheren solle und daß man sie nicht für ihre politischen Fehler, für ihre politischen Überzeugungen büßen lassen solle. Sie wurden keineswegs in persönlichen, einzelnen Gnadenakten, sondern meist in Bausch und Bogen von den Folgen ihres törichten und häufig verbrecherischen Tuns befreit.
Was für so viele in jener noch bedeutend unruhigeren Zeit, die nicht lange hinter uns liegt, möglich gewesen ist, sollte das nicht auch für einige Dutzend Kommunisten möglich sein?
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Sie werden nicht zweifeln, daß diese Frage für mich nicht bedeutet, daß ich beide Gruppen einfach identifizieren will, und noch viel weniger, daß ich etwa den Kommunisten Pardon heischend nachgeben möchte. Aber wir müssen doch auch noch bedenken, daß ja nicht allein die Täter, die jetzt abgeurteilt werden sollen, von dieser Maßnahme betroffen sind. Sie haben Familie, sie haben Eltern, sie haben Frauen und Kinder. Sollen wir auch nur die Möglichkeit geben, daß auch diese zu Staats-und Gesellschaftsfeinden werden, weil wir die psychologischen Wirkungen unserer Entscheidung, weil wir das Menschliche bei unserer Entscheidung vergessen haben?
Gerade dieses Menschliche - das ist unser Wunsch und unsere Hoffnung - soll auch das Los der Brüder und Schwestern im Osten erleichtern. Sie sollen wieder glauben können, daß Gerechtigkeit und menschliches Verständnis auch ihren Leiden ein Ende, hoffentlich bald, machen werden. Manche andere Versuche, die hinter uns liegen, haben in dieser Hinsicht ermutigende Erfolge gehabt. Mir scheint, die ewige Furcht, taube Ohren zu finden, sollte kein Grund sein, nicht immer neue Versuche zu machen. Wieviel Geduld müssen denn die Menschen auch mit jedem einzelnen von uns haben, wenn auch auf anderem Gebiet! Der Herr Kanzler selber ist ein gutes Beispiel dafür, wie man selbst stocktaube Ohren schließlich öffnen kann. Friedland, an das wir uns alle erinnern, hat es bewiesen.
Ein Wort noch, meine verehrten Kollegen. Die ganze Welt, auch wir, zittern in Furcht und Angst
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vor dem unbekannten Unheil, das über uns allen schwebt. Hat die Welt noch viel Zeit, um menschlich zu denken und menschlich zu handeln? Oder wird sich an ihr und an uns allen die Vision des Hesekiel durch einen höheren Richter erfüllen? Es heißt in ihr:
So will ich die Ärgsten unter den Heiden kommen lassen, daß sie sollen die Häuser einnehmen, und will der Gewaltigen Hoffart ein Ende machen. Der Ausrotter kommt; da werden sie Frieden suchen, und Frieden wird nicht sein.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist von der Fraktion der FDP fallengelassen warden.
Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,6, - 7, - 8, - 9, - ,die Einleitung und die Überschrift des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 2793. - Wer ,den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung 'und der Überschrift zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist in zweiter Lesung abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, DP ({0}) auf Umdruck 1001*) auf.
({1})
- Herr Abgeordneter, es gibt keine dritte Lesung. Der Entschließungsantrag kann auch in der zweiten Lesung zur Abstimmung gestellt werden. Es handelt sich hier nicht um eine Muß-Vorschrift.
Wird zu dem Entschließungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Wittrock!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stellt mit Interesse fest, daß nach dem letzten Satz des vorliegenden Entschließungsentwurfs nach Auffassung der Antragsteller durchaus Maßnahmen denkbar sind, deren positive Auswirkungen auf die Lage der politischen Gefangenen in der sowjetischen Besatzungszone in irgendeiner Weise im Bereich des Möglichen liegen. Der letzte Satz des Entschließungsentwurfs lautet - wenn ich ihn in Ihre Erinnerung zurückrufen darf -, es solle durch die in der Entschließung vorgeschlagenen Maßnahmen dazu beigetragen werden, daß das harte Schicksal der zahlreichen Opfer der sowjetzonalen Strafjustiz gemildert wird.
Meine Damen und Herren. durch diesen wesentlichen Gedanken Ihres Entschließungsentwurfs widerlegen Sie selbst einen wichtigen Teil Ihrer Argumente, die Sie gegen den Vorschlag einer Amnestie hier vorgetragen haben.
({0})
Die Antragsteller haben :sich jedoch bis zum Letzten, und zwar bis zum bitteren Ende, wenn ich so sagen darf, geweigert. aus einer an sich richtigen Erkenntnis. nämlich daß von hier aus Maßnahmen möglich sind. die dort hinfiherstrahlen können. die mutige Konsequenz der Zustimmung zum Straf*) Siehe Anlage 2
freiheitsgesetz zu ziehen. Der vorliegende Entschließungsentwurf ist nichts anderes als ein Dokument des mangelnden Mutes zu einer großherzigen Tat und der Ausdruck des schlechten Gewissens.
({1})
Aus dieser entscheidenden Erwägung kann die sozialdemokratische Bundestagsfraktion diesem Entwurf nicht zustimmen.
Ich muß jedoch auf einen anderen Gedanken hinweisen. Der Entschließungsentwurf verlangt vorn Deutschen Bundestag die ausdrückliche Zustimmung zu der bisherigen Praxis auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet der Strafrechtspflege. Es steht für uns außer Frage, daß zwischen der Justiz der sowjetischen Besatzungszone und ihrer Praxis auf der einen Seite und der Justiz im Bereiche der Bundesrepublik auf der anderen Seite keinerlei Vergleichsmöglichkeiten bestehen. Wir werden bei jeder Gelegenheit jede Art von Kritik, die vom Osten her an der Strafjustiz im Bereich der Bundesrepublik geübt wird, im Rahmen unserer Möglichkeiten mit Entschiedenheit zurückweisen. Die Justiz jenseits der Zonengrenze mit ihren erschütternden Urteilen muß in jeder Form und in jeder Weise immer wieder Gegenstand der mahnenden Kritik aller politischen Kräfte der Bundesrepublik sein.
Aber hier geht es nicht um die Distanzierung von einer Terrorjustiz jenseits der Zonengrenze, sondern in dem Entschließungsentwurf geht es unter anderem darum, daß zur Justiz auf dem hier in Betracht kommenden Gebiet ausdrücklich eine anerkennende Zustimmung ausgesprochen werden soll.
Meine Damen und Herren, soweit Sie an kritischen Erörterungen nicht teilgenommen haben, darf ich Ihnen eines sagen. Von Abgeordneten aller Fraktionen wird die Auffassung vertreten, daß nicht jede strafgerichtliche Erkenntnis auf dem gerade hier in Betracht kommenden Gebiet jeder Kritik standhalten kann. Wir haben uns in zahlreichen Fällen veranlaßt gesehen, darauf hinzuweisen. daß die Auslegung sehr entscheidender Tatbestände durch hohe und höchste Gerichte nicht in jeder Weise den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. Allein dieser Umstand verbietet es uns, durch die Zustimmung zu dieser Entschließung eine ausdrückliche Billigung dieser Strafjustiz auszusprechen.
Wenn wir das so in aller Offenheit sagen, üben wir das legitime, demokratische, einem rechtsstaatlichen Prinzip entsprechende und einem jeden Staatsbürger zustehende Recht aus. die eigene Justiz ständig kritisch zu übernrüfen und kritisch dazu Stellung zu nehmen. Das Öffentlichkeitsprinzip unserer Justiz fordert geradezu zu einer ständigen kritischen Überprüfung dieser Justiz heraus, und insoweit entspricht also die hier angedeutete Kritik dem legitimen Interesse des demokratischen Rechtsstaates.
Aus diesen Erwägungen, die ich Ihnen vortragen durfte, kann die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dem vorliegenden Entschließungsentwurf nicht zustimmen.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Stammberger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den vorliegenden Entschließungsantrag nicht zum Anlaß nehmen, die Sachdebatte von neuem zu beginnen. Ich habe bereits am vergangenen Donnerstag namens meiner politischen Freunde unsere Bedenken gegen diesen Antrag dargelegt. Der Bericht liegt Ihnen vor. Ich möchte mich daher hier nicht wiederholen und erlaube mir, auf das Protokoll zu verweisen. Aus den dort dargelegten Gründen wird sich die Fraktion der Freien Demokratischen Partei bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Wittrock und die von ihm für die sozialdemokratische Fraktion abgegebene Erklärung geben Veranlassung zu folgender Stellungnahme.
Wir verwahren uns dagegen, daß etwa mangelnder Mut, wie er sich ausdrückte, oder gar ein schlechtes Gewissen uns zu dieser Entschließung veranlaßt hätten.
({0})
Wer die Zahlen, die am letzten Donnerstag hier dargelegt worden sind, noch im Gedächtnis hat, kann nicht sagen, daß wir ein schlechtes Gewissen zu haben brauchen. Bei uns befindet sich keiner mehr im Zuchthaus, und dieses Beispiel sollte genügen und ist eine genügende Vorleistung, wie ich am Donnerstag bereits dargelegt habe,
({1})
so daß man drüben nachziehen sollte. Aber daß dieses Zeichen des guten Willens - daß der einzige, der bei uns je im Zuchthaus gewesen ist, entlassen wurde - drüben überhaupt kein Echo gefunden hat, liefert doch den Beweis dafür, daß auch eine allgemeine Amnestie nicht die Wirkung haben würde, die man sich von ihr verspricht.
({2})
- In einer Erklärung, Herr Kollege, werde ich mich nicht auf eine Diskussion einlassen!
({3})
Ich habe bereits am letzten Donnerstag erklärt, daß auch ein Amnestiegesetz weder ein Fanal sein kann noch einen politischen Effekt - wie Herr Kollege Stammberger meinte - erzielen kann, weil bei uns doch nur 22 oder 23 sich noch in Haft befinden.
Im übrigen besteht auch kein Anlaß, Herr Kollege Wittrock, an unserer Rechtsprechung eine solche Kritik zu üben, wie Sie es getan haben.
({4})
Ein einziger ist bisher zu Zuchthaus verurteilt worden, und nach Verbüßung eines Teils seiner Strafe ist er begnadigt worden. Deshalb sind solche Gnadenakte, wie wir sie in unserem Entschließungsentwurf vorschlagen, unseres Erachtens sehr geeignet, eine Bereinigung dieses Problems, das auch wir sehen, herbeizuführen. Wir bitten deshalb, der Entschließung zuzustimmen.
({5})
Abgeordneter Dr. Gille!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auffassung meiner politischen Freunde habe ich in der Debatte der vorigen Woche zum Ausdruck bringen können. Wir werden dem Antrag nicht zustimmen. Wenn man sich nicht entschließen kann, eine voll wirkungsvolle Maßnahme zu treffen, ist es nicht gerade sehr sinnvoll, eine nicht in gleicher Weise wirkungsvolle Maßnahme an ihre Stelle zu setzen.
({0})
Ein einziges Wort noch! Herr Kollege Weber hat wieder von einer Vorleistung gesprochen und hat gemeint, unsere Vorleistung sei bereits so ausreichend, daß die andere Seite genügend Gelegenheit hätte, nachzuziehen. In bezug auf menschliche Vorleistungen sind wir bereit, nicht nur diese eine zu erbringen, sondern viel, viel mehr zu tun, gleichgültig was das andere System darauf zu sagen hat.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 1001*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Minderheit; der Entschließungsantrag ist angenommen.
({0})
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über den Wehrbeauftragten
des Bundestages ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({2}) ({3}).
({4})
Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort? - Als Berichterstatter Herr Abgeordneter Majonica!
Maionica ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Grundgesetzänderung vom 19. März 1956 wurde der Art. 45 b in das Grundgesetz eingefügt. Er bestimmt:
Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
*) Siehe Anlage 2
({6})
Am 7. Juni 1956 hat die SPD-Fraktion und am 20. Juni 1956 haben eine große Anzahl von CDU/ CSU-Abgeordneten auf den Bundestagsdrucksachen 2441 und 2529 Gesetzentwürfe über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages eingebracht. In der 159. Sitzung des Deutschen Bundestages am 6. Juli 1956 fand die erste Lesung der Gesetzentwürfe statt. Durch Beschluß des Plenums wurden beide Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Verteidigung - federführend - und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung überwiesen. Der Unterausschuß „Wehrbeauftragter" erarbeitete dann aus beiden Vorlagen eine Vorlage - Ausschußdrucksache Nr. 176 - vom 26. November 1956. Nach einer Generaldebatte und einer Spezialberatung in erster Lesung wurde die veränderte Vorlage dem mitberatenden Rechtsausschuß zusammen mit den im Verteidigungsausschuß geltend gemachten Argumenten überwiesen. Der Rechtsausschuß hat in seiner Sitzung vom 4. Februar 1957 ,die Vorlage abschließend beraten. In seiner Sitzung vom 6. Februar 1957 hat der Verteidigungsausschuß mit Mehrheit beschlossen, den Entwurf des Rechtsausschusses zur Grundlage der Beratung zu machen. In seinen Sitzungen vom 6. Februar und vom 26. März 1957 hat der Verteidigungsausschuß diesen Entwurf beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen in der Bundestagsdrucksache 3336 vor.
Nach Art. 45 b des Grundgesetzes hat der Wehrbeauftragte für die Beachtung der Grundrechte in der Bundeswehr zu sorgen. Außerdem wird er als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle tätig. Damit ist eine Institution geschaffen, die es bisher in Deutschland
nicht gegeben hat.
Der § 1 des vorliegenden Entwurfs bezieht sich auf den Art. 45 b des Grundgesetzes. Er wurde in der Fassung des Rechtsausschusses angenommen. Durch diese Formulierung sollen die Aufgaben des Wehrbeauftragten nach dem Grundgesetz weder ausgeweitet noch verengt werden. § 1 stellt die materielle Rechtsgrundlage für die Betätigung des Wehrbeauftragten dar.
§ 2 Abs. 1 legt das Weisungsrecht des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses fest. Die Weisungsbefugnis ergibt sich aus der Stellung des Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Parlaments. Es steht also nicht im Ermessen des Wehrbeauftragten, ob er dem Ersuchen nachkommt oder nicht. Anders lautende Anträge der Abgeordneten Bausch und Schneider verfielen der Ablehnung. Im Antrag Bausch war ein Weisungsrecht des Parlaments oder des Ausschusses nicht gegeben. Entgegen dem Vorschlag des Rechtsausschusses kann die Weisung nur vom Verteidigungsausschuß selbst, aber nicht von einem Viertel seiner Mitglieder erfolgen. Der Ausschuß stimmte 'insofern Anträgen der Abgeordneten Dr. Jaeger und Dr. Kliesing zu. Von der Mehrheit wurden grundsätzliche Bedenken geltend gemacht; es bestehe ein moralisches Minderheitenrecht, da ja ein Viertel des Ausschusses den Ausschuß als Untersuchungsausschuß tagen lassen könne, wenn keine Weisung an den Wehrbeauftragten ergehe. Die Minderheit machte demgegenüber geltend, es solle eben verhindert werden, daß der Verteidigungsausschuß zu oft als Untersuchungsausschuß tätig werde.
§ 2 Abs. 2 regelt, daß der Wehrbeauftragte nach pflichtgemäßem Ermessen tätig wird. Er kann über
das Ergebnis einen Einzelbericht erstatten oder im Rahmen seines jährlichen Gesamtberichts berichten. Nach § 2 Abs. 3 muß der Gesamtbericht in schriftlicher Form erstattet werden.
§ 3 regelt die Befugnisse des Wehrbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Er hat danach das Recht, sich überall die notwendigen Auskünfte und Aufschlüsse zu verschaffen, vorbehaltlich eines gewissen Geheimhaltungsschutzes bei Vorliegen zwingender Gründe, bezüglich deren sich der Verteidigungsminister vor dem Verteidigungsausschuß zu rechtfertigen hat.
Abs. 1 wurde in der Fassung des Rechtsausschusses übernommen. Nur wurde in Satz 1 das Wort ,,Bericht" gestrichen. Es ist aber die Meinung des Ausschusses, daß die Auskunft selbstverständlich auch schriftlich sein kann.
Auf Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger wurden die Nummern 2 und 3 eingefügt. Nach Nr. 2 kann der Wehrbeauftragte den Verteidigungsminister oder andere dafür zuständige Stellen auf Tatbestände aufmerksam machen, die nicht strafrechtlich gewürdigt werden müssen, damit sie von sich aus abgestellt werden können.
Nr. 3 enthält materiell nichts Neues. Der Ausschuß war aber der Meinung, daß der darin enthaltene Gedanke hier ausgesprochen werden sollte.
Die Nummern 4, 5 und 6 regeln Informationsmöglichkeiten ,des Wehrbeauftragten. Die Nummern wurden unverändert angenommen.
§ 4 regelt die Amtshilfe von Bund, Ländern und Gemeinden.
In § 5 wurde auf Antrag der Abgeordnete Dr. Jaeger und Bausch der Abs. 1 eingefügt. Der Ausschuß war der Meinung, daß Bundestag und Verteidigungsausschuß, wenn sie Weisungen erteilen können, auch das Recht haben müssen, allgemeine Richtlinien für die Arbeit des Wehrbeauftragten aufzustellen. Unter Richtlinien ist nicht eine Sachweisung zu verstehen, sondern nur eine Anweisung über die Methoden der Arbeit, z. B. über die Mindestzahl der jährlichen Reisen zur Truppe. Zur Aufstellung der Richtlinien sind sowohl Plenum wie Ausschuß befugt. Es ist angebracht, daß der Ausschuß, wenn er Richtlinien erläßt, diese dem Herrn Bundestagspräsidenten mitteilt. Der Wehrbeauftragte kann mit seiner Arbeit beginnen, auch wenn noch keine Richtlinien vorliegen. Die Richtlinien sind durch Verfassung und Gesetz begrenzt.
Abs. 2 stellt fest, daß der Wehrbeauftragte unbeschadet des § 2 Abs. 1 von Weisungen frei ist.
Nach § 6 können Bundestag und Verteidigungsausschuß jederzeit die Anwesenheit des Wehrbeauftragten verlangen.
§ 7 regelt das Recht jedes Soldaten, sich unmittelbar an den Wehrbeauftragten zu wenden. Auf Antrag des Abgeordneten Erler wurde ein Satz 2 eingefügt, ,der bestimmt, daß dem Soldaten aus der Tatsache der Meldung selbst keine Nachteile erwachsen dürfen. Stellt der Inhalt selbst einen disziplinär oder strafrechtlich zu ahndenden Tatbestand dar, so bleibt diese Ahndung durch die vorliegende Bestimmung unberührt.
§ 8 wurde auf Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger eingefügt. Er betrifft Eingaben und Beschwerden von jedermann, also nicht nur solche von Soldaten.
({7})
§ 9 betrifft die Publizierung der Tatsache der Beschwerde und des Namens des Beschwerdeführers.
Die §§ 10 und 11 sind dem Ministergesetz entnommen und wurden in der Fassung des Rechtsausschusses angenommen.
§ 12 regelt die Pflicht der Behörden, über die Art der Erledigung von Vorgängen, die ihnen vom Wehrbeauftragten zugeleitet worden sind, den Wehrbeauftragten zu unterrichten.
Auf Antrag des Abgeordneten von Manteuffel wurde der in § 12 der Ausschuß-Drucksache Nr. 194 - Entwurf des Rechtsausschusses - vorgesehene Stellvertreter des Wehrbeauftragten gestrichen. Der Antrag auf Streichung wurde mit der Gefahr politischer Kompensation begründet. Ein Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger hatte die Bestellung des Stellvertreters als Kann-Vorschrift vorgesehen. Die Abstimmung über den Wegfall des Stellvertreters erfolgte erst, nachdem das in § 13 der Vorlage Drucksache 3336 festgelegte Wahlverfahren des Wehrbeauftragten selbst angenommen worden war.
§ 13 regelt das Vorschlagsrecht für den Wehrbeauftragten und den Vorgang der Wahl. Der Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger forderte die Wahl des Wehrbeauftragten mit der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages. Die Mehrheit sprach sich gegen eine Zweidrittelmehrheit aus. Die Erfahrungen bei der Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts ermutigten nicht hierzu. Bei Zweidrittelmehrheit könne die Wahl des Wehrbeauftragten eventuell von einer Minderheit verhindert werden. Damit nicht eine Zufallsmehrheit entscheide, sei die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder erforderlich. - Die Minderheit sprach sich für eine Zweidrittelmehrheit aus. Es gehe nicht an, Vorgänge bei der Wahl des Bundesverfassungsgerichts anzuziehen, da diese Vorgänge in Zusammenhang mit der EVG gestanden hätten. Die Zweidrittelmehrheit schaffe einen heilsamen Zwang zur Auswahl; sie mache auch deutlich, daß der Wehrbeauftragte von der Opposition nicht nur hingenommen werde. Eine Minderheit könne es sich politisch zudem nicht leisten, die Wahl eines Wehrbeauftragten zu verhindern.
§ 14 Abs. 1. Auf Vorschlag des Rechtsausschusses ist die Altersgrenze auf 35 Jahre festgelegt.
Zu Satz 2. Der Wehrbeauftragte soll eigene militärische Erfahrungen haben. Da die Wehrpflicht nicht mehr als ein Jahr beträgt, ist der Ausschuß der Meinung, daß ein Jahr für diese militärische Erfahrung genügen muß.
Absatz 2: Befähigung zum Richteramt. Dieser Satz wurde auf Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger angenommen. Die Mehrheit trug vor, daß damit die Überparteilichkeit betont werde. Es sei gut, wenn er einen Sachverhalt auch juristisch würdigen könne. Er müsse einen Überblick über das Ganze haben. Ein Richter, der dazu noch militärische Erfahrungen habe, erscheine als überparteilicher Anwalt des gesamten Parlaments glaubwürdiger. Auch in Schweden sei der Wehrbeauftragte Jurist.
Demgegenüber wurde geltend gemacht, daß auch der Disziplinarvorgesetzte bei der Bundeswehr nicht Jurist sei. Nicht nur der Jurist habe die Fähigkeit zum Einfühlen und zur Beurteilung von
Vorgängen. Man könne dann geeignete Persönlichkeiten nicht wählen, wenn sie keine Juristen seien. Auch bei ,der Gesetzgebung wirkten Personen mit, die keine Juristen seien. Der Wehrbeauftragte solle seine Stellung nicht zu einem Gerichtshof ausbauen.
In Absatz 3 wurde neu eingefügt: „Wiederwahl ist zulässig."
In § 14 Abs. 4 ist in der vorletzten Zeile ein Druckfehler zu berichtigen. Statt „gesetzlichen Körperschaft" muß es „gesetzgebenden Körperschaft" heißen.
Bei § 15 war Absatz 1 Satz 2 strittig. Es stand zur Debatte, ob der Bundespräsident oder der Präsident des Bundestages den Gewählten ernennt. Ausschlaggebend war das Argument, daß der Wehrbeauftragte eine Institution des Parlaments selbst sei.
Zu Absatz 4 war strittig, mit welcher Mehrheit der Präsident vom Bundestag auf Antrag des Ausschusses für Verteidigung beauftragt werden kann, den Wehrbeauftragten abzuberufen. Der Vorschlag des Rechtsausschusses hatte eine Zweidrittelmehrheit vorgesehen. Es wurde aber darauf hingewiesen, daß man die Mehrheit, die zur Wahl, und die Mehrheit, die zur Abberufung notwendig sei, in Parallele setzen müsse. Ein mit knapper Mehrheit gewählter Wehrbeauftragter könne es sonst riskieren, nur noch von dem Vertrauen eines Drittels des Bundestages getragen zu sein. - Demgegenüber wurde darauf hingewiesen, daß, wenn die Abberufung zu leicht möglich sei, die große Gefahr bestehe, daß man für diese Aufgabe keinen tüchtigen Mann finde.
§ 16 war nicht kontrovers. In § 16 sind die Fragen des Dienstsitzes, der Hilfskräfte und des Haushalts der Dienststelle des Wehrbeauftragten geregelt.
§ 17 wurde neu eingefügt. Er war notwendig geworden durch die Streichung des Paragraphen über einen ständigen Stellvertreter. Der neue § 17 beruht auf einem Antrag des Abgeordneten Dr. Jaeger. Der Antrag wurde nur insofern abgeändert, als der Ausschuß für Verteidigung nur den Präsidenten des Wehrdienstsenats für die Dauer der Verhinderung benennen kann. Bedenken, daß sich hier Überschneidungen ergeben könnten, wurden von der Mehrheit des Ausschusses nicht geteilt, ebenfalls die Bedenken nicht, daß bei der Stellvertretung nach Absatz 2 ein Beamter die Geschäfte führe mit der in Satz 2 enthaltenen Ausnahme. Es wurde darauf hingewiesen, daß bei der Tätigkeit des Wehrbeauftragten selber der leitende Beamte oft ,beauftragt sei, Akten einzusehen.
§ 18. Der Wehrbeauftragte erhält seine Bezüge nach Besoldungsgruppe B 2 einschließlich der Zulagen. Die Festsetzung der Aufwandsentschädigung im Gesetz wurde abgelehnt. Laut Beschluß des Ausschusses soll der Wehrbeauftragte bezüglich der Aufwandsentschädigung dem Staatssekretär gleichgestellt sein.
({8})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Beratung der zweiten Lesung ein.
({0})
Ich rufe den § 1 auf. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 2. Es liegen zwei Änderungsanträge vor. Zunächst der Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Bausch auf Umdruck 1021*). Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe beantragt, den § 2 Abs. 1 zu streichen. Ich habe diesen Antrag deshalb gestellt, weil ich glaube, daß das, was in dieser Bestimmung gefordert ist, politisch falsch und verkehrt ist. Es scheint mir von außerordentlicher Wichtigkeit zu sein, daß bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs, bei der es sich darum handelt, eine Institution zu schaffen, die in der Militärgeschichte Deutschlands völlig neu ist, sehr sorgfältig darauf geachtet wird, daß schon im Ansatzpunkt, in der Grundkonstruktion die richtige Linie gefunden wird. Ich glaube, daß bei der vorliegenden Formulierung des § 2 Abs. 1 die Gefahr besteht, daß diese Grundkonstruktion irgendwie fehlerhaft und gefährlich pervertiert wird.
Meine Damen und Herren! Wenn ich versuche, dies im einzelnen zu begründen, so kann ich nicht darauf verzichten, darauf hinzuweisen, daß dem Bundestagsausschuß für Verteidigung, der sich in dieser Legislaturperiode mit der Schaffung dieses Gesetzes befaßt hat, und auch schon dem Bundestagsausschuß für Fragen der europäischen Sicherheit, der dieses Gesetz schon in der 1. Legislaturperiode vorgeschlagen und sehr gründlich vorberaten hat, für die Schaffung dieses Gesetzes eine Einrichtung als Vorbild diente, die in Schweden schon seit 100 Jahren Wirklichkeit geworden ist.
Wir haben schon in der 1. Legislaturperiode Vertreter des Bundestages nach Schweden geschickt mit dem Auftrag, zu untersuchen, welche Erfahrungen das schwedische Volk mit der Einrichtung eines Wehrmachtsbeauftragten des Parlaments gemacht hat. Diese Vertreter sind zurückgekommen und haben uns berichtet. Ausdiesem sehr interessanten Bericht scheint mir folgende Feststellung von besonderer Bedeutung zu sein:
Die Person und das Amt des Militärbeauftragten sind im schwedischen Staatsrecht mit völliger Unabhängigkeit sowohl gegenüber der Regierung als auch dem Reichstag ausgestattet. Er hat sich zwar in seiner Tätigkeit nach den einschlägigen Verfassungsartikeln und einer besonderen Reichstagsinstruktion zu richten; jedoch können ihm von keiner Stelle Weisungen irgendwelcher Art gegeben werden, auch nicht vom Reichstag selbst, der ihn eingesetzt hat.
Ich glaube, hier ist etwas ganz Wesentliches und Entscheidendes ausgesagt, das auch uns bei der Schaffung dieser Einrichtung als Vorbild dienen sollte. Es steht dort als selbständiges Verfassungsorgan eine Persönlichkeit im öffentlichen Leben, die eine ausgesprochene Vertrauensperson des Reichstags ist. Diese Persönlichkeit ist abgesehen von der Bindung an das Gesetz und eine allgemeine Dienstanweisung an Weisungen nicht gebunden und deshalb völlig selbständig. Jeder
*) Siehe Anlage 3 Soldat kann sich an diese Persönlichkeit wenden. Dieser Mann hat keinen großen Apparat. Er hat keine große Diensstelle. Er verfügt vielleicht über zwei oder drei Angestellte, die ihm Hilfsarbeiten leisten. Aber trotzdem hat dieser Mann offenbar einen außerordentlich großen Einfluß. Dies ist durch uns vorliegende Berichte bestätigt worden. Er hat diesen Einfluß einfach durch seine Existenz, durch sein Dasein und durch sein Sosein. Er stellt gewissermaßen eine „fleet in being" dar, die durch ihre bloße Existenz ein großes Gewicht hat. Er hat mehr psychologische als unmittelbar gestaltende politische Bedeutung.
Ich bedaure es außerordentlich, meine Damen und Herren, daß der Verteidigungsausschuß und noch viel mehr der Rechtsausschuß - ich komme gleich nachher darauf zu sprechen - dieses Vorbild völlig preisgegeben hat. Das Vorbild ist durch das, was jetzt beschlossen worden ist, im Wesen und an der Wurzel verändert.
Natürlich können wir das gutheißen. Wir sind gar nicht gezwungen, uns mechanisch an das schwedische Vorbild zu halten. Aber ich glaube, daß es sehr ratsam und sehr nützlich gewesen wäre, wenn wir das getan hätten. Es wäre uns keine Perle aus unserer Krone gefallen. Es ist außerordentlich bedeutungsvoll, daß diese Pervertierung, diese Änderung der Grundkonstruktion erst in der letzten Phase der Beratungen im Ausschuß erfolgt ist. Die beiden Grundentwürfe, die auf den Drucksachen 2441 und 2529 für die Schaffung dieses Gesetzentwurfs eingereicht worden sind, enthalten diese verhängnisvolle Änderung noch nicht. In diesen beiden Grundentwürfen der SPD und des Kollegen Dr. Jaeger wird noch daran festgehalten, daß dieser Mann eine völlige Unabhängigkeit haben und daß er an Weisungen nicht gebunden sein soll. Erst der Rechtsausschuß hat die Veränderung hereingebracht.
Meine Damen und Herren, betrachten Sie nun die Auswirkungen dieser Änderungen im einzelnen. Der Verteidigungsausschuß kann mit einer Mehrheit seiner Stimmen - ursprünglich war sogar vorgesehen: mit einer Minderheit von einem Viertel der Stimmen - dem Wehrbeauftragten Weisungen beliebiger Art geben. Dieser Weisungsbefugnis des Verteidigungsausschusses sind in dem § 2 Abs. 1 keinerlei Grenzen gesetzt. Es ist nicht etwa an dem, daß der Verteidigungsausschuß gehalten wäre, sich bei der Erteilung der Aufträge an gewisse, spezifisch den Wehrbeauftragten betreffende Aufgabengebiete zu halten, etwa dahingehend, daß sich die Aufträge nur auf die Einhaltung der Grundrechte oder die Einhaltung des inneren Gefüges der Wehrmacht beziehen sollen. Nein, diese Aufträge können sich auch darauf beziehen - ich will ein Beispiel gebrauchen -, daß der Wehrbeauftragte die dienstliche Tätigkeit des Verteidigungsministers nachprüfen, also etwa untersuchen soll, wie der Verteidigungsminister mit seinen Haushaltsmitteln umgeht, daß er in eine Kaserne gehen und nachprüfen soll, ob bei ihrem Bau etwa mit den Haushaltsmitteln des Bundestags irgendwie geast worden ist.
({0})
Es gibt hier überhaupt keine Grenze für den Verteidigungsausschuß. Herr Bundesverteidigungsminister, nehmen Sie sich in acht!
({1})
({2})
Seien Sie sich klar darüber: so wie dies jetzt geplant worden ist, kann ,der Verteidigungsausschuß diesem Mann Aufgaben stellen, die den gesamten Dienstbereich ,des Herrn Bundesministers für Verteidigung umfassen. Man mag das gutheißen; man mag sagen: Die Mehrheit des Verteidigungsausschusses wird .das schon richtig machen. Das Vertrauen darauf, daß die Mehrheit immer das Richtige und das Gute macht,
({3})
kommt hier wirklich in erstaunlicher Weise zum Ausdruck.
Aber, meine Damen und Herren, darüber kann wohl kein Zweifel bestehen: der Traum davon, hier könnte es sich dann um eine kleine, möglichst bescheidene, möglichst einfache, möglichst schlichte, möglichst nicht aufwendige Institution handeln, dieser Traum geht mit der Schaffung dieses Gesetzes wirklich den Bach hinunter, nachdem man die Befugnisse des Verteidigungsausschusses in dieser Weise ausgeweitet und ihm auch die Vollmacht gegeben hat, dem Wehrbeauftragten in Detailfragen Weisungen zu geben. Es handelt sich nicht etwa darum, ihm ein Reglement, eine allgemeine Dienstanweisung aufzuerlegen. Dies war von jeher selbstverständlich. Darüber, daß das notwendig ist, waren wir uns immer einig. Nein, in allen Detail fragen kann der Verteidigungsausschuß diesem Mann Weisungen irgendwelcher Art geben. Daß dann aus dieser Institution eine große bürokratische Institution werden wird,
({4})
ist so klar wie die Sonne. Ich habe immer geglaubt, unser Bedarf an großen Apparaten und Behörden in Bonn wäre eigentlich gedeckt.
({5})
Dieser neue Apparat wird auch viel Geld kosten. Darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel; darüber besteht nicht der leiseste Zweifel!
({6})
Meine Damen und Herren! Für besonders bedauerlich halte ich es, daß an die Stelle einer Persönlichkeit ein Apparat und eine Behörde treten soll und daß ein selbständiges Verfassungsorgan durch einen unselbständigen Funktionär des Verteidigungsausschusses, gewissermaßen durch den verlängerten Arm des Verteidigungsausschusses oder gar des Büros dies Verteidigungsausschusses ersetzt werden soll. Das halte ich für schlecht. Es ist wirklich schlecht, wenn man ein hochbedeutsames, hochpolitisches unabhängiges Verfassungsorgan durch einen abhängigen Justitiar ersetzt und damit grundsätzlich in den Bereich des Strafrechtlichen und des Bürokratischen abrutscht.
Herr Abgeordneter Bausch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte, Herr Kollege Kliesing.
Herr Kollege Bausch, mit welchem Recht bezeichnen Sie ein Organ, das im Text der Verfassung als Hilfsorgan des Deutschen Bundestags vorgesehen ist, als selbständiges Verfassungsorgan?
Nun - ({0})
Herr Kollege Kliesing, Sie fragen, wenn ich Sie recht verstehe, mit welchem Recht ich ein Organ, das als selbständiges Verfassungsorgan vorgesehen sei,
({1})
als einen Funktionär betrachte.
Sie hätten genau hinhören sollen,
({2})
dann hätten Sie das begriffen. Ich bin überzeugt, das wird zwangsläufig so werden, nachdem diese Weisungsbefugnis des Ausschusses aufgerichtet ist. Natürlich kann man den Mann auch nachher noch, wenn ihm diese Funktionen übertragen sind, als Hilfsorgan des Bundestags und als Verfassungsorgan bezeichnen - auch wenn er seine Unabhängigkeit verloren hat -, wie man überhaupt mit dem Art. 45 b des Grundgesetzes alles, aber auch wirklich alles anfangen kann. Aber ich glaube, daß das nicht gut ist und daß dafür vom Grundgesetz her keinerlei Notwendigkeit vorliegt. Ich meine, es wäre sehr gut und nützlich gewesen, wenn wir Deutschen auch einmal etwas gelernt hätten von einem anderen Land,
({3})
das hervorragende Erfahrungen damit gemacht hat, ein selbständiges Verfassungsorgan dadurch zu schaffen, daß man eine Persönlichkeit in Rechte eingesetzt und dann auf diese Persönlichkeit vertraut hat, ohne sie in Abhängigkeit zu zwingen und einen großen Apparat aufzubauen.
Es darf auch nicht übersehen werden, daß grundsätzliche Bedenken staatsrechtlicher Art dagegen bestehen, einem Parlamentsausschuß eine unmittelbare wirksame Exekutivgewalt in Einzelfragen zu geben.
Das schlimmste ist es aber nach meiner Auffassung, daß man aus einem Vertrauensmann, der die hervorragende Aufgabe gehabt hätte, eine Brücke zwischen dem Volk und dem Parlament einerseits, der Bundeswehr und ihren Soldaten andererseits zu schlagen, eine Institution schafft, die Anlaß zu ständigem Mißtrauen gegenüber der Bundeswehr bieten kann. Ein Journalist, und zwar ein sehr kluger Journalist, hat bei der Erörterung dieser Frage in einer sehr angesehenen Zeitung geschrieben, man mache aus einem Anwalt für die Bundeswehr einen Staatsanwalt gegen die Soldaten und gegen die Bundeswehr.
({4})
- Ja, das ist jetzt vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt. Aber, Herr Kollege Mellies, es ist das gute Recht der Journalisten, auch einmal etwas überspitzt auszudrücken, um die Dinge auf den Begriff zu bringen. Ich glaube, gerade Sie haben dieses gute Recht der Journalisten von jeher vertreten.
({5})
- Ich immer, Herr Kollege Paul. Ich bin bereit, Ihnen das jederzeit nachzuweisen, wenn Sie gewisse Bedenken gegen meine politische Praxis haben sollten.
({6})
Ich sage nochmals, man kann natürlich das, was jetzt geschehen ist, durchaus vertreten, Herr Kollege Kliesing, mit dem Hinweis auf den Art. 45 b. Man kann sagen, daß das, was hier gemacht worden ist, rechtlich gesehen völlig einwandfrei ist. Aber ich erlaube mir doch, hier die Auffassung zu vertreten - und ich hoffe, Herr Kollege Kliesing, daß Sie mir da wenigstens zustimmen -, daß etwas rechtlich völlig einwandfrei und doch, politisch gesehen, absolut falsch sein kann.
({7}) Wollen Sie mir hier zustimmen?
({8})
- Das ist nicht logisch. ({9})
- Ich sage: es besteht keinerlei Notwendigkeit, Art. 45 b des Grundgesetzes so auszulegen und so auszuschöpfen, daß aus einem guten politischen Sinn ein, ja, ich will nicht sagen: ein Unsinn, aber zumindest etwas politisch Verkehrtes und nicht so Fruchtbares und so Sinnvolles wird wie das, was wir ursprünglich ins Auge gefaßt haben.
Aus allen diesen Gründen möchte ich Sie sehr eindringlich bitten, meinem Antrag auf Streichung des § 2 Abs. 1 des Gesetzes zuzustimmen.
({10})
Wird zu diesem Antrag weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um dieses Gesetz haben das Hohe Haus, sein Verteidigungs- und sein Rechtsausschuß und die Fraktionen etwa eineinhalb Jahre gerungen - nicht in dem Sinne, daß die Sache selbst so lange umstritten gewesen wäre -, um die notwendige rechtliche Form zu finden; sie ist notwendig, wenn wir wie hier völliges Neuland im deutschen Verfassungsrecht und im deutschen Wehrrecht betreten.
Meine Damen und Herren, die grundsätzliche Entscheidung ist gefallen, als wir die Reform der Verfassung vor einem Jahr in diesem Hohen Hause durchgeführt haben. Wir haben uns gewiß dafür entschieden, nach dem Vorbild des in der Praxis und in der Verfassung Schwedens und Dänemarks vorhandenen Wehrbeauftragten des Parlaments eine solche Institution auch für die Bundesrepublik zu schaffen. Aber wir haben uns keineswegs dazu entschieden, das Vorbild dort sklavisch nachzuahmen, sondern diese Institution sollte in unser Verfassungsleben hineingebaut werden. Genauso wie wir von einem Justizbeauftragten allein schon deswegen absehen mußten, weil in Deutschland die Justizhoheit bei den Ländern liegt, worüber hier also gar nicht gesprochen werden kann, waren wir auf Grund der bei uns bestehenden Besonderheiten gezwungen, eine besondere Rechtsfigur für diesen Wehrbeauftragten zu schaffen, und zwar in der Weise, daß wir ihn in der Verfassung sowohl als ein Organ zum Schutze der Grundrechte als auch als ein Hilfsorgan des Bundestags zur parlamentarischen Kontrolle bestimmten und formten.
Die Rede, die mein Freund Bausch heute hier gehalten hat, hätte er vor einem Jahr hier halten
müssen, als wir uns um die Verfassungsbestimmungen bemühten.
({0})
Damals hätte er sich mit seinen Argumenten, wenn auch andere sie für zutreffend gehalten hätten - ich tue es durchaus nicht, aber vielleicht tun es andere - hier durchsetzen können. Meine Damen und Herren, jetzt ist nicht mehr die Frage, ob etwas, das rechtlich einwandfrei ist, vielleicht politischen Bedenken begegnet, sondern jetzt ist die Frage, ob das, was Herr Bausch hier vertritt, noch mit Sinn und Wortlaut des Grundgesetzes übereinstimmt, und ich erlaube mir, zu bemerken, daß ich den Antrag des Herrn Bausch für schlicht verfassungswidrig halte. Denn das Grundgesetz schreibt dem Gesetzgeber vor - nicht eine Möglichkeit, sondern eine Pflicht für ihn -, ein Organ zum Schutz der Grundrechte und ein Hilfsorgan zur parlamentarischen Kontrolle zu schaffen.
Der Rechtsausschuß hat bei seinen verdienstvollen Beratungen die Lösung gefunden, daß der Wehrbeauftragte zum Schutz der Grundrechte von sich aus tätig wird - dafür aber begrenzt auf dieses Gebiet des Schutzes der Grundrechte -, daß hingegen der Wehrbeauftragte ganz allgemein auf dem Gebiet der Verteidigung tätig wird, wenn er eine Weisung des Bundestages oder des Verteidigungsausschusses erhält.
Meine Damen und Herren, hier ist keine Ausweitung der Zuständigkeit des Verteidigungsausschusses gegeben. Denn dieser Verteidigungsausschuß hat nach derselben Grundgesetzergänzung, die wir damals beschlossen haben, bereits das Recht, eine jede Frage auf dem Gebiet der Verteidigung vor den Ausschuß als Untersuchungsausschuß zu bringen. Es wird also hier das Recht des Verteidigungsausschusses gar nicht erweitert, sondern es wird eine leichtere Art seiner Durchsetzung ermöglicht, indem nicht für jede Angelegenheit mindergroßer Bedeutung der ganze Ausschuß mit seinem Apparat und seinen 29 Mitgliedern tätig wird, sondern indem dieser Ausschuß dem Wehrbeauftragten den Auftrag geben kann, seine Erhebungen an Ort und Stelle anzustellen.
Ich bin davon überzeugt, daß eine solche Weisung des Verteidigungsausschusses ebenso selten sein wird wie sein Zusammentreten als Untersuchungsausschuß. Das soll ja eine Seltenheit sein; das soll ja nicht alltäglich sein. Wir gehen ja davon aus, daß wir nicht ständig zu kontrollieren und festzustellen haben, ob etwas nicht in Ordnung ist, sondern daß dies eine Ausnahmeerscheinung ist. Wenn man befürchtet, es sei etwas nicht in Ordnung, dann stellt man nach der Untersuchung in den meisten Fällen fest, daß es doch in Ordnung ist. Es liegt also keine Ausweitung der Verfassungsbestimmungen vor, sondern ihre Interpretierung, und es geht um die Möglichkeit, diese Verfassungsbestimmungen sowohl für das Parlament als auch für die Bundeswehr mit einer gewissen leichten Hand anzuwenden.
Es ist nicht wahr, daß der Wehrbeauftragte deshalb einen großen Apparat braucht. Die Feststellungen, die er an Ort und Stelle zu treffen hat, kann er nach dem Gesetz sowieso nur persönlich treffen. Den Apparat, den er braucht, braucht er nicht deshalb, weil ihm der Bundestag vielleicht alle halbe oder dreiviertel Jahr eine solche Weisung erteilt, sondern den braucht er wegen der wahrscheinlich anfänglich sehr großen Zahl der
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Beschwerden, die aus allen Kreisen an ihn gelangen werden. Ich nehme an, sie wird im Laufe der Zeit geringer werden. Aber wegen dieses zweiten Punktes, den Herr Bausch nicht gestrichen haben will, wird er einen gewissen, wie ich persönlich übrigens glaube, recht bescheidenen Apparat brauchen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie der Meinung sind, der Wehrbeauftragte würde zu einer Figur des Mißtrauens, müßten Sie daraus folgern, daß die parlamentarische Kontrolle überhaupt ein Ausfluß des Mißtrauens ist. Wir haben aber immer wieder erklärt, daß parlamentarische Kontrolle sowohl gegenüber der Regierung als auch gegenüber der Bundeswehr ebenso wie gegenüber der Bürokratie wie gegenüber jeder Form staatlicher Betätigung eine selbstverständliche Äußerung demokratischen Denkens und höchstens ein Ausdruck der Wachsamkeit, niemals aber ein Ausdruck des Mißtrauens sein kann. In diesem Sinne wird auch der Wehrbeauftragte gerade nach diesem Gesetz, das die Dinge wohlabgewogen geregelt hat, tätig werden.
Ich muß Sie namens meiner politischen Freunde bitten, den Antrag des Kollegen Bausch abzulehnen.
Ich darf der Vereinfachung halber noch zu einem anderen Antrag, der noch begründet werden wird, kurz Stellung nehmen. Das Hohe Haus kann seinem Hilfsorgan durchaus eine Weisung erteilen. Es könnte nicht der Regierung, die ein selbständiges Verfassungsorgan ist, eine Weisung erteilen. Die Regierung kann nur ersucht werden, aber seinem Organ kann der Bundestag eine Weisung erteilen. Ich bitte Sie also, auch bei dem Wort „Weisung" zu bleiben und die Ersetzung durch das Wort „Auftrag" abzulehnen.
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Wird zu dem Antrag des Abgeordneten Bausch weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Becker!
Ich bitte um die Erlaubnis, daß ich gleichzeitig auch unseren Antrag zu § 2 mit begründe.
Ich möchte zunächst dem Kollegen Majonica für seinen Bericht danken, insbesondere dafür, daß er das, was ich durch meine Krankheit zu tun verhindert war, seinerseits aufgenommen hat. Also herzlichen Dank, Herr Kollege!
Die Ausführungen des Kollegen Bausch bestanden aus zwei Teilen. Im ersten Teil wandte er sich
- und meiner vollen Überzeugung nach mit Recht
- dagegen, daß hier eine Organisation geschaffen wird, die sich in unerfreulicher Weise ausweiten könnte sowohl hinsichtlich des Aufgabenbereichs wie auch hinsichtlich des ganzen Tätigkeitsumfangs und der Kosten, die dadurch entstehen können. Herr Kollege Bausch, dabei haben Sie unsere volle Zustimmung. Aber was Sie dazu ausgeführt haben, begründet Ihren Antrag nicht.
Lassen Sie mich zum ersten Teil noch folgendes sagen. Wenn Sie mit einer Seitenwendung zum Herrn Minister Strauß meinten, der Beauftragte könne nun seinerseits auch die Einhaltung des Etats und was sonst alles damit zusammenhängt überprüfen, so trifft das nicht zu. Das kann er eben nicht. Denn das ist in § 1 klipp und klar gesagt. Ausdrückliche Bestimmungen, er habe auf die Einhaltung der Gesetze zu achten, die in den ursprünglichen Entwürfen enthalten waren, sind gestrichen worden, weil unter „Gesetz" vielleicht auch das Haushaltsgesetz hätte verstanden werden können. Also insofern rennen Sie offene Türen ein.
Aber mit Ihrer Tendenz, daß keine Ausweitung erfolgen soll, bin ich vollkommen einverstanden. Ich habe die Gelegenheit der Bekanntschaft mit Kollegen aus Schweden im Europarat benutzt, um mich meinerseits an sie um Auskunft zu wenden, wie das Institut dort funktioniert und was es kostet. Das zweite spielte für meine Entschließung eine große Rolle. Ich habe von Vertretern drei verschiedener Parteien übereinstimmend die Auskunft bekommen, daß das System ausgezeichnet funktioniert. Sie wissen ja, daß vor einem Jahr auch das Land Dänemark dieselbe Einrichtung geschaffen hat. Was den Kostenpunkt betrifft, so ist mir mitgeteilt worden, der Wehrbeauftragte in Schweden habe nur noch zwei Beamte unter sich, und etwas Schreibpersonal. Kostenpunkt: Personalausgaben 164 000 Kronen, Sachausgaben 19 000 Kronen. Ich bitte den Herrn Vertreter des Finanzministers und die verehrten Kollegen aus dem Haushaltsausschuß, sich diese Zahlen für später zu merken.
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Das zum ersten Teil der Ausführungen des Kollegen Bausch.
Bezüglich des zweiten Teils müssen wir folgendes bedenken. Zunächst ist doch die Möglichkeit gegeben, daß der Verteidigungsausschuß auf Antrag eines Drittels seiner Mitglieder sich jederzeit als Untersuchungsausschuß etablieren kann. Das steht fest. Ferner ist die Aufgabe des Wehrbeauftragten vor einem Jahr in der Verfassung klipp und klar festgelegt worden. Wenn es nun heißt, daß der Bundestagsausschuß an den Wehrbeauftragten, der ja ein Hilfsorgan des Bundestages sein soll, wie ich formulieren möchte, „Aufträge" erteilen kann, dann wird damit sein Tätigkeitsbereich nicht besonders ausgeweitet, insbesondere dann nicht, wenn Sie ihm von der Finanzseite her die Möglichkeit, sein Büro auszuweiten, kräftig beschneiden, und es wird dann nicht ausgeweitet, wenn sich der Verteidigungsausschuß selbst eine Beschränkung auferlegt.
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- Ja eben, wenn. Wenn er das nämlich nicht tut und Sie ihm dieses Ventil nehmen, dann wird er sich sehr viel öfter als Untersuchungsausschuß etablieren, weil er das auf Antrag der Minderheit muß, und dann mit einem wirklich viel größeren Apparat auch größere Kosten verursachen.
Ich schlage im Namen meiner Fraktion vor, das Wort „Weisung" in § 2 durch den Begriff des Auftrags zu ersetzen. „Weisung" bedeutet nach dem alten Sprachgebrauch der Exekutive, daß damit nicht nur der Auftrag gegeben wird, eine bestimmte Materie zu untersuchen, sondern daß auch für die Entscheidung schon feste Richtlinien und Bestimmungen gegeben werden. Dieses zweite möchten wir nicht, weil eben der Wehrbeauftragte als selbständiger Mensch nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden soll. Wir beantragen also, in § 2 das Wort „Weisung" jeweils durch „Auftrag" zu ersetzen.
Ich darf gleich den dazugehörigen Antrag mitbegründen, in § 5 Abs. 2 die Verweisung auf § 2 Abs. 1 zu streichen. Denn dort steht: Der Wehr({2})
beauftragte ist von Weisungen frei. Sie wollen ihn also grundsätzlich von Weisungen frei machen und ihn mit Recht nur an sein pflichtgemäßes Ermessen binden. Dann können wir auch im § 2 unserem Antrag entsprechend so verfahren. Nehmen Sie ein Beispiel: Wenn der Generalstaatsanwalt dem ihm unterstellten Staatsanwalt den Auftrag gibt, den und den Fall zu untersuchen, dann ist das ein Auftrag, aber dann ist der unterstellte Beamte nicht daran gebunden, wie er im einzelnen verfahren soll. Wenn er ihm aber die Weisung gibt, in der Sitzung fünf Jahre Zuchthaus zu beantragen, dann ist das eine Weisung. Eine derartige Weisung gegenüber dem Wehrbeauftragten wird, davon bin ich überzeugt, weder der Verteidigungsausschuß noch der Rechtsausschuß gewollt haben. Deshalb bitte ich, unseren Antrag zu § 2 und § 5 anzunehmen.
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Wird dazu weiter das Wort gewünscht? Jetzt ist der Antrag Umdruck 1016 Ziffern 1 und 2 begründet. - Das Wort wird dazu nicht weiter gewünscht; wir stimmen ab. Ich lasse zunächst abstimmen über den weitergehenden Antrag des Herrn Abgeordneten Bausch, Umdruck 1021*). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Änderungsantrag der Fraktion der FDP, Umdruck 1016**) Ziffer 1. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer dem § 2 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 2 ist in der Fassung des Ausschusses angenommen.
§ 3, keine Änderungsanträge, § 4 auch nicht. Wird zu den beiden Paragraphen das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 5; der Änderungsantrag auf Umdruck 1016 ist erledigt. Wer dem § 5 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Angenommen.
§§ 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12. - Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird zu einem dieser Paragraphen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir stimmen ab. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 13, Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1011***). Wird dieser Änderungsantrag begründet? - Herr Abgeordneter Paul zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die Institution des Wehrbeauftragten ihren vollen Sinn erfüllen soll, muß sie von einer breiten Mehrheit des Bundestags getragen sein. Sie muß von einer breiten Mehrheit des Volkes getragen sein, die in der breiten Mehrheit des
*) Siehe Anlage 3 **) Siehe Anlage 4 ***) Siehe Anlage 5
Bundestags ihren Ausdruck findet. Die Persönlichkeit, die vom Bundestag ausgewählt werden soll, bedarf des Vertrauens, das eine breite Mehrheit gibt. Sie kann ohne dieses Vertrauen ihre Funktion nicht erfüllen. Es muß aber auch jener, der sich an die Institution des Wehrbeauftragten um Schutz und Hilfe wendet, Vertrauen zu dieser Institution haben können. Er kann es in vermehrtem Maße haben, wenn er weiß, daß hinter dieser Persönlichkeit und hinter der ganzen Institution der Wille der übergroßen Mehrheit des Parlaments steht.
Aber auch das Parlament selbst sollte Wert darauf legen, zum Schutze der Demokratie, für den der Wehrbeauftragte mit verantwortlich sein soll, zum Schutze der Grundrechte der Soldaten diese Persönlichkeit mit dem großen Vertrauen auszustatten, das unser Antrag anstrebt. Die einfache Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Bundestags scheint uns nicht ausreichend zu sein. Dieses Verfahren scheint den Verdacht zu wecken, daß die einfache Mehrheit eine Persönlichkeit allein nach ihrem Willen bestimmt. Ist dieser Verdacht aber nicht gerechtfertigt, will die einfache Mehrheit eine Persönlichkeit präsentieren, zu der auch die Opposition ja sagen kann, dann wäre es doch erst recht gut, in der entsprechenden Vorschrift des Gesetzes die Zweidrittelmehrheit festzulegen.
Ich bitte Sie daher, im Interesse der Sache für den Antrag zu stimmen, den die SPD Ihnen vorgelegt hat. Ich appelliere an alle, denen es um die Sache geht, die diesen Wehrbeauftragten bejahen, die ihn haben wollen und die damit etwas Nützliches für die Menschen und für das Parlament bezwecken.
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Das Wort hat der Abgeordnete Josten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Paul hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Persönlichkeit, die einmal zum Wehrbeauftragten gewählt wird, das Vertrauen möglichst des ganzen Hauses haben soll. Diese Meinung teilen wir durchaus. Ich glaube, wir alle werden uns bemühen, hier eine breite Basis zu finden.
Herr Kollege Paul, Sie sprachen davon, daß der SPD die einfache Mehrheit nicht ausreiche. Wir haben uns im Ausschuß über dieses Problem eingehend unterhalten, und wir haben - das steht jetzt im Gesetzestext - nicht die einfache Mehrheit, sondern die Mehrheit der gewählten Mitglieder des Hauses vorgesehen. Es kann hier keineswegs eine Zufallsentscheidung entstehen, wie das bei einer einfachen Mehrheit durchaus möglich ist. Der § 13 in der Vorlage des Ausschusses lautet also dahin, daß der Bundestag in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder den Wehrbeauftragten wählt.
Ich darf aber noch auf einen anderen Grund hinweisen, den wir im Ausschuß auch bereits besprochen haben und der die CDU/CSU-Fraktion veranlaßt, von einer Zweidrittelmehrheit abzusehen. Es handelt sich hier um zwei Punkte. Erstens zeigt die Erfahrung mit der Wahl der Bundesverfassungsrichter, daß sich bei dieser Wahl die Zweidrittelmehrheit nicht bewährt hat. Darüber hinaus wissen wir, daß, wenn wir zu einer Zweidrittelmehrheit greifen würden, die Möglichkeit besteht, daß ein Teil des Hauses, also praktisch eine Min({0})
derheit, eine Verzögerung der Wahl des Wehrbeauftragten herbeiführen könnte. Sie werden verstehen - das ist doch wohl das Anliegen aller Mitglieder des Hauses und insbesondere des Ausschusses -, wenn wir diesen Wehrbeauftragten bald wählen wollen.
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- Sicherlich, Herr Kollege Paul, ich gebe Ihnen vollkommen recht; das wird nicht die Absicht der Mitglieder des Ausschusses sein. Sie werden aber nicht leugnen, daß quer durch die Fraktionen verschiedene Meinungen sind und daß, wenn einmal die Namen der Persönlichkeiten genannt werden, eine Minderheit die Möglichkeit hat, eine Verzögerung der Wahl herbeizuführen, falls für die Wahl eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.
Ich darf Sie daher bitten, der Vorlage des Ausschusses zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Argument dafür, daß die einfache Mehrheit der Mitglieder des Bundestages ausreichen soll, vermag ich wirklich nicht zu sehen. Es klang hier die Sorge auf, daß es quer durch die Parteien möglicherweise verschiedene Meinungen zum Prinzip des Wehrbeauftragten überhaupt gebe
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- nein, auch zum Prinzip; das klang auf - und daß man infolgedessen doch darauf achten müsse, daß sich nicht etwa eine Minderheit von einem Drittel zusammentue, um die schnelle Einsetzung eines Wehrbeauftragten überhaupt zu verhindern.
Herr Kollege Josten, Sie können sich fest darauf verlassen: meine Freunde sind entschlossen, das Ihre dazu zu tun, daß nicht nur dieses Gesetz, um das wir solange gerungen haben, schnell verabschiedet wird, sondern daß auch der Wehrbeauftragte schnelleingesetzt werden kann.
Wir sind auch davon überzeugt, daß der Wehrbeauftragte nur dann zum Wohle der Nation arbeiten kann, wenn er gar nicht erst in den Geruch gerät, nur der Beauftragte der Hälfte des Deutschen Bundestags zu sein. Der Wehrbeauftragte kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn man auch der Öffentlichkeit von vornherein klarmacht: Er vertritt, wie die Mehrheiten in diesem Hause auch aussehen mögen, die Nation als Ganzes.
Daher bitte ich Sie wirklich darum: helfen Sie mit dazu, daß dieses Prinzip, das Sie ja doch bei der ersten Einsetzung, wie mir gesagt worden ist, ohnehin zu akzeptieren bereit sind, dann auch künftig als Marschroute gilt. Nicht eine Mehrheit von vielleicht einer Stimme darf einen Wehrbeauftragten einsetzen können - das würde diese neue Einrichtung im Kern treffen -, sondern wir brauchen breite Zustimmung auf den verschiedenen Seiten des Hauses. Nur dann kann Segen aus dieser Institution erwachsen.
Daher bitte ich Sie, sich Ihren Entschluß noch einmal zu überlegen und doch der Forderung nach einer Zweidrittelmehrheit für die Einsetzung des Wehrbeauftragten zuzustimmen.
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Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch zwei Gedanken ausführen.
Die Bestimmung, die Ihnen der Ausschuß vorschlägt, ist ein Kompromiß. Meine politischen Freunde hatten die einfache Mehrheit, die sozialdemokratischen Kollegen eine Zweidrittelmehrheit beantragt. Wir haben uns dann auf meinen Vorschlag dahin geeinigt, daß die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl erforderlich ist, also nicht die gerade zufällig anwesende Mehrheit, die auch eine Minderheit sein kann, sondern die sichere Mehrheit dieses Hauses. Damit ist die Bestimmung strenger als etwa bei der Wahl des Bundestagspräsidenten, bei der im dritten Wahlgang die relative Mehrheit genügt, auch strenger ,als bei der Wahl des Bundeskanzlers, bei der nach vierzehn Tagen die relative Mehrheit genügt, auch strenger als bei der Wahl der Bundespräsidenten, bei der im dritten Wahlgang auch die relative Mehrheit genügt.
Ich glaube, daß dieser Kompromiß gut ist, weil er für die fernere Zukunft verhindert, daß ein Drittel, das in einem andern Zeitpunkt vielleicht ein anderes Drittel als das Ihre ist, das Funktionieren dieser Institution sabotiert durch die Verhinderung ,der Wahl des Wehrbeauftragten. Im Augenblick, Herr Kollege Erler, ist ja gar keine Gefahr. Sie wollen mithelfen, daß ein ordentlicher Mann gewählt wird. Ich darf Ihnen namens meiner politischen Freunde sagen, daß wir nicht die Absicht haben, einen Mann vorzuschlagen und durchzudrücken, den Sie dann erst sehen, wenn er gewählt ist, sondern wir haben die Absicht, mit Ihnen darüber zu sprechen, und zwar möglichst im Bundestagsausschuß für Verteidigung. Ich zweifle nicht daran, daß wir in der guten Atmosphäre dieses Ausschusses eine Mehrheit finden werden, die erheblich größer ist als zwei Drittel.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei unterstützt den Antrag, die Wahl des Wehrbeauftragten mit Zweidrittelmehrheit stattfinden zu lassen, aus dem Bemühen heraus, eine möglichst breite Mehrheit für dieses Institut des Bundestages zu finden. Wenn es uns gelungen ist, die schwierige Frage der Ergänzung des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheit zu lösen, ja sogar fast einstimmig die wichtigen Bestimmungen in das Grundgesetz einzufügen, sollte es bei gutem Willen auch möglich sein, ohne Verzägerung sich auf einen Wehrbeauftragten zu einigen, der das Vertrauen des g a n z en Hauses hat. Wir sind daher für die Änderung des Entwurfs im Sinne des Antrags der Sozialdemokraten.
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Herr Abgeordneter Erler!
Wenn der Herr Abgeordnete Jaeger entschlossen ist, bei der ersten Wahl des Wehrbeauftragten so zu verfahren, wie wir es in das Gesetz hineinschreiben wollen, kann er es auch in das Gesetz hineinschreiben; denn das Gesetz selbst wird nur mit einfacher Mehrheit gemacht.
Der Katastrophenfall, der hoffentlich nie eintritt, daß einmal ein besonders böswilliges Drittel in diesem Hause in künftigen Jahren die Einsetzung eines Wehrbeauftragten verhindern könnte,
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kann immer noch von einer Bundestagsmehrheit durch Änderung des Gesetzes korrigiert werden. Aber vermeiden Sie in Ihrem Interesse den Eindruck, daß eine Partei des Hauses auf alle Fälle entschlossen ist, in das Gesetzhineinzuschreiben: Den Wehrbeauftragten können wir notfalls auch allein bestimmen. Das wäre ein schlechter Akzent, und deshalb bitte ich Sie, diesen Akzent nicht erst zu setzen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1011*) ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich habe keinen Zweifel, daß das die Mehrheit ist. - Es wird bezweifelt. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Annahme des Änderungsantrages Umdruck 1011 ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist einwandfrei die Mehrheit. - Es wird bezweifelt. Wir kommen zur Auszählung.
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Auszählung beginnt.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Ich gebe das Ergebnis der Auszahlung bekannt: Mit Ja haben 150 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben 191 Mitglieder des Hauses gestimmt; ein Mitglied hat sich der Stimme enthalten. Der Änderungsantrag auf Umdruck 1011 ist abgelehnt.
Ich lasse über § 13 in der Fassung des Ausschusses abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 13 ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu § 14 liegen Änderungsanträge auf Umdruck 1014**) und auf Umdruck 1015***) vor. Beide Änderungsanträge sind völlig gleich. Zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck 1014 hat zunächst das Wort der Abgeordnete von Manteuffel ({0}).
von Manteuffel ({1}) ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag, den ich Ihnen auf Umdruck 1014 mir vorzulegen erlaubt habe, betrifft den § 14 Abs. 2, in dem steht, daß der Wehrbeauftragte die Befähigung zum Richteramt haben muß. Der Antragsteller hat in dem Ausschuß für Verteidigung den Antrag auf Aufnahme dieser Bestimmung damit
*) Siehe Anlage 5
**) Siehe Anlage 6
***) Siehe Anlage 7
begründet, daß der Wehrbeauftragte, der die Grundrechte innerhalb der Bundeswehr schützen soll, ein Volljurist deshalb sein müsse, weil er nur diesem in etwa ein einigermaßen objektives Urteilen im Denken zuerkennt.
Meine Damen und Herren, ich möchte diese Worte nicht auf die Goldwaage legen; aber welches ist denn die Aufgabe, die der Wehrbeauftragte nach dem Gesetzentwurf, der Ihnen vorliegt, haben soll? Er soll, wenn ich es einmal so nennen darf, Störungen im inneren Gefüge der Bundeswehr nachgehen. Ferner obliegen ihm die Nachprüfung der Handhabung der Disziplinarstrafgewait und die Nachprüfung bei möglichen Verletzungen der jedem Soldaten zugebilligten Grundrechte. Zur Beurteilung und zu den Vorschlagen, die er in dem nach § 2 Abs. 3 zu erstattenden Schriftlichen Bericht an den ,Bundestag zu machen hat, nämlich Vorschläge zur Abstellung von Mängeln, wird er zweifellos gewisse Rechtskenntnisse benötigen, und ich persönlich glaube, daß er ein ausgeprägtes Rechtsbewußtsein sein eigen nennen müßte. Aber um dem Grund der Störungen nachzugehen, um Ursachen und Zusammenhänge aufzuklären, und dann zur Abfassung des Berichts zwecks Vorbereitung der verfassungsmäßigen Entscheidung, die Sie zu treffen haben, scheint mir ein menschenkundiger Wehrbeauftragter, ich will nicht sagen: fast wichtiger, aber mindestens ebenso wichtig wie ein rechtskundiger zu sein. Dem Wehrbeauftragten steht ja kein Recht zur Jurisdiktion zu, insbesondere nicht die Entscheidung von Streitfällen auf Grund richterlicher Befugnisse. Es können ihm auch nicht etwa - das ist vorhin schon angeklungen, und der Herr Vorredner hat schon darüber gesprochen - quasi-judizielle Befugnisse eines Untersuchungsausschusses von uns zugebilligt werden.
Wenn Sie dem von mir und einigen meiner Freunde gestellten Antrag - auch aus den Reihen der CDU/CSU ist ein Antrag gekommen - zustimmen, braucht der Wehrbeauftragte in seinem kleinen oder mittelgroßen Stabe selbstverständlich irgendeinen Volljuristen als Referenten. Hiergegen ist im Ausschuß eingewandt worden, er mache sich damit von seinen Mitarbeitern abhängig. Ich glaube, dieser Einwand trifft wirklich nicht zu. Wenn man dies behauptet, müßte man unendlich vielen Behördenleitern auf allen Stufen der Verwaltung den ähnlichen Vorwurf machen, und der trifft doch ganz bestimmt nicht zu.
Ich habe die große Sorge, daß wir, wenn wir die Bestimmung über die Befähigung zum Richteramt aufnehmen, vielleicht auf eine besonders qualifizierte Persönlichkeit nur deshalb verzichten müssen, weil sie die Befähigung zum Richteramt eventuell nicht hat.
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Meine politischen Freunde werden selbstredend ihre Stimme auch einem Volljuristen geben, wenn er eine Persönlichkeit ist, die der Aufgabe und der Funktion, wie sie der Gesetzgeber für diesen Posten vorschreibt, gerecht wird. Aber ich meine, angesichts der politischen Wirksamkeit der Aufgabe sollte man nicht einen ganzen Kreis von Menschen nur deshalb ausschließen, weil sie nicht Volljuristen sind.
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Ich befürchte, daß mit der Bestimmung, wie sie jetzt in dem Gesetzentwurf enthalten ist, der Wehrbeauftragte doch etwas in ,die Gefahr gerät, die mein Kollege Herr Bausch hier angeführt hat, daß er nämlich so etwas als, ich will nicht sagen: Staatsanwalt, aber als Untersuchungsrichter des Parlaments angesehen werden könnte; das wäre seiner Person und auch seiner Aufgabe und Funktion abträglich und würde ihn möglicherweise in der Durchführung seiner Funktion beschneiden.
Der Wehrbeauftragte braucht - das ist von allen Rednern hier angeklungen - das Vertrauen aller nicht nur in diesem Hause, sondern auch der Bundeswehr und des deutschen Volkes, um wirklich in dem Sinne wirksam werden zu können, wie der Gesetzgeber sich das vorstellt.
Deshalb bitte ich um Ihre freundliche Zustimmung zu dem Antrag, in § 14 den Absatz 2 zu streichen.
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Herr Abgeordneter Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer etwas heikel, mit den Juristen dieses Hohen Hauses anzubändeln, vor allem, wenn sie sich in den eigenen Reihen befinden. Aber ich halte es doch für notwendig, in diesem Punkt eine Auseinandersetzung mit unseren juristischen Freunden in diesem Hohen Hause zu wagen.
Wir sind uns darüber im klaren, daß an die Persönlichkeit des Wehrbeauftragten besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Es muß eine Persönlichkeit sein mit hohen menschlichen Qualitäten, von sauberem Charakter und vor allem auch von gesundem Menschenverstand.
({0})
- Das können auch Juristen sein!
({1})
Aber es wäre falsch zu sagen: Es können nur Juristen sein.
Bei den Beratungen im Verteidigungsausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß die Befähigung zum Richteramt deswegen eine Voraussetzung sein müsse, weil der Wehrbeauftragte sich in erster Linie mit Fragen der Gesetzgebung, der Grundrechte und des Grundgesetzes befassen müsse. Wenn man diese Argumentation anwendet, müßte man eigentlich zu der Schlußfolgerung kommen, daß auch für ein Mandat im Bundestag die Befähigung zum Richteramt die Voraussetzung sein müsse. Ich glaube, daß das im Ernst auch niemand wünschen würde. Ich darf auch darauf hinweisen, daß selbst der Herr Bundesjustizminister, der sich ja nun in allererster Linie oder ausschließlich mit Rechtsfragen zu beschäftigen hat, nicht die Befähigung zum Richteramt haben oder den Nachweis eines juristischen Studiums erbringen muß.
({2})
- Selbstverständlich wird es zweckmäßig sein,
eine rechtskundige Persönlichkeit mit diesem Amt
zu betrauen. Aber in einem demokratischen Staatswesen ist das nicht die einzige oder die wichtigste Voraussetzung.
Ich glaube, wir sind uns doch darüber im klaren, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß die Institution des Wehrbeauftragten in erster Linie eine politisch-demokratische Institution ist und die Aufgabe dieses Wehrbeauftragten nicht darin bestehen kann, Akten zu sammeln oder auf Paragraphen zu reiten.
({3})
Ich wundere mich offen gestanden, daß sich gerade die sozialdemokratische Fraktion für diese Bestimmung, die die Befähigung zum Richteramt zur Voraussetzung macht, ausgesprochen hat, eine Partei und eine Fraktion, die sich bei jeder anderen Gelegenheit mit Entschiedenheit gegen dieses Juristenmonopol wendet.
({4})
Die Institution des Wehrbeauftragten soll in allererster Linie eine Hilfe für die Angehörigen der Bundeswehr sein. Ich meine, den Angehörigen der Bundeswehr wird nicht damit geholfen, daß unter allen Umständen aus eventuell vorgetragenen Klagen eine Art Gerichtsverfahren entwickelt wird, sondern damit, daß eine rasche, vernünftige, menschlich richtige Entscheidung getroffen wird.
Aus diesem Grunde möchte ich noch einmal die wirklich dringende Bitte an das Hohe Haus richten, auf diese Prämisse für das Amt des Wehrbeauftragten unter allen Umständen zu verzichten.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Platner.
Platner ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie sehr eindringlich bitten, diesen Änderungsantrag abzulehnen, und zwar aus folgenden Gründen.
Ich muß den Ausführungen meines Herrn Vorredners, daß der Wehrbeauftragter keine juristischen Qualitäten zu besitzen brauche, im Prinzip mit aller Energie widersprechen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich verstehe ja, daß wir hier an einem ganz besonders kitzligen Punktangelangt sind.
({0})
Um so notwendiger ist es, daß wir diese grundlegende Debatte in aller Ruhe austragen.
Platner ({1}): Wir müssen uns doch ganz grundsätzlich über die Funktionsstellung des Wehrbeauftragten im klaren sein. Der Wehrbeauftragte soll im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle des Parlaments gegenüber der Exekutive der Garant einer rechtsstaatlichen Atmosphäre im Bereich der Bundeswehr werden.
({2})
({3})
Wenn man diese grundsätzliche Funktionsstellung des Wehrbeauftragten ins Auge faßt, dann ist es doch seine Pflicht, alle ihm unterbreiteten Probleme primär aus der Sicht des Rechts zu sehen und erst sekundär aus dem Blickpunkt militärischer Notwendigkeiten.
({4})
- Sicher! Das habe ich ja gesagt.
({5})
Ich darf weiter sagen: Aller Voraussicht nach wird dieser Wehrbeauftragte in Zukunft juristisch mit sehr schwierigen und sehr heiklen Fragen befaßt werden. Da ist es notwendig - und auch das ist hier schon aufgeklungen -, daß er nicht in eine relative Abhängigkeit von seinen Mitarbeitern gerät, sondern diese Frage in souveräner Selbständigkeit betrachten und beantworten kann.
Deshalb, glaube ich, ist es ein schlechtes Argument, wenn man hier mit einer generellen Animosität gegen die Juristen operieren will.
({6})
Damit sollte man in diesem Zusammenhang doch wahrlich nicht kommen, sondern man sollte der schwierigen Aufgabe des Wehrbeauftragten dadurch gerecht werden, daß man von ihm verlangt, daß er ein zum Richteramt befähigter Jurist ist.
({7})
Herr Abgeordneter Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es Sinn der Ausführungen meines Freundes Müller-Hermann war, hier irgendeine Animosität gegen Juristen zu erzeugen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß derjenige, der so urteilt, doch etwas nicht mitbringt, was man an sich in die politische Debatte mit hereinnehmen sollte, nämlich den Sinn für die Auflockerung und für Humor.
({1})
Ich habe die Argumente des Kollegen Platner sehr ernstgenommen. Auch ich bin der Auffassung, daß, wenn man verschiedene Kandidaten mit gleicher Eignung vor sich hat, man durchaus überlegen sollte, ob man dem Juristen unter ihnen, dem erfahrenen Juristen unter ihnen, wohlgemerkt, nicht den Vorzug geben sollte.
({2})
Die Frage, um die es hier geht, ist doch wohl die, ob die Argumente des Kollegen Platner so zwingend sind, daß wir dies im Gesetz verankern müßten.
({3})
Wenn ich hier lese, daß der Wehrbeauftragte die Befähigung zum Richteramt haben muß, dann überlege ich mir ernstlich, ob man es mit dem eigenen Gewissen überhaupt noch verantworten kann, als Nichtjurist Abgeordneter dieses Hohen Hauses zu sein.
({4})
Ich darf in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen, daß man in der Bundesrepublik Bundeskanzler, Bundesminister usw. werden kann, ohne Jurist zu sein, und ich glaube, auch diese Ämter beinhalten unter ihren Obliegenheiten die Verteidigung der Grundrechte. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß, wenn diese Juristenklausel bestehenbleibt, der groteske Zustand eintritt, daß unser sehr verehrter Herr Kollege Franz-Josef Strauß zwar Bundesverteidigungsminister sein kann, aber nicht Wehrbeauftragter werden kann,
({5})
weil er nicht Jurist, sondern - ich verhülle mein Haupt in Scham - nur Philologe ist.
({6})
Meine Damen und Herren! Die Frage der juristischen Kenntnisse mag hier zwar eine Rolle spielen; aber es gibt Dinge, die wichtiger sind. Ich darf Sie an die große Diskussion erinnern, die wir in den vergangenen Jahren um die Probleme der inneren Führung gehabt haben. Aus dieser Diskussion heraus ist doch der Gedanke des Wehrbeauftragten überhaupt entstanden. Ich darf Sie weiter an all das erinnern, was über den Staatsbürger in Uniform gesagt worden ist. Es kommt doch darauf an, daß der Wehrbeauftragte ein Mann ist, der die Probleme kennt, die mit unserer Vergangenheit zusammenhängen, und der die Probleme zu meistern versteht, die jetzt noch vor uns stehen. Es geht darum, daß der Wehrbeauftragte Voraussetzungen mit sich bringt, die nicht durch irgendein Examen nachgewiesen werden können. Die Persönlichkeit allein ist entscheidend. Es handelt sich um die charakterlichen und geistigen Voraussetzungen. Wir verlangen vom Wehrbeauftragten in erster Linie Aufgeschlossenheit für die staatspolitischen Anliegen unserer jungen Demokratie. Wir verlangen von ihm eine vertiefte Kenntnis der soziologischen, der sozialpsychologischen und vor allem der jugendpsychologischen Fragen unserer Zeit. Das ist viel wichtiger als der Nachweis juristischer Kenntnisse.
({7})
Es kommt darauf an,. daß er aus seiner eigenen Lebenserfahrung heraus mit den Schwierigkeiten vertraut ist, mit denen die junge Generation, die heute Soldat werden muß, zu ringen hat. Das sind die Dinge, um die es geht. Es geht, darum, daß er den schwierigen politischen und geistigen Problemen der jungen Bundeswehr überhaupt gewachsen ist. Ich meine, d a s ist die Frage der Qualifikation. Diese kann man nicht dadurch nachweisen, daß man sagt, man habe das juristische Assessorexamen bestanden.
Wenn also schon die Argumentation hier für den Juristen nicht zwingend ist, so möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß die große Gefahr einer Mißdeutung der Juristenklausel besteht. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß in der
({8})
Öffentlichkeit Verständnis dafür herrschen sollte, daß der Deutsche Bundestag in dieser doch sehr wichtigen Frage gerade den Nachweis juristischer Kenntnisse als einzige Qualifikationsbedingung im Gesetz verankert. Wenn wir die Juristenklausel stehenlassen, so belasten wir den Wehrbeauftragten von vornherein mit einem gewissen Odium.
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- Lassen Sie mich das bitte begründen, Herr Kollege Jaeger. Wir bringen ihn nämlich damit zu nahe an die Stellung eines Staatsanwalts heran.
({10})
Das will doch niemand von uns. Ich glaube, daß man schon eher dem Antrag der FDP zustimmen könnte - ich für meine Person werde das tun - und daß man den Wehrbeauftragten aus der parteipolitischen Schußlinie heraushalten und nach Möglichkeit keinen Bundestagsabgeordneten mit diesem Amt betrauen sollte.
Nun darf ich Sie noch auf eine merkwürdige Erscheinung .aufmerksam machen: Meine Argumente sind sehr lange Zeit auch von der SPD geteilt worden. Die SPD hat ihre Meinung in dieser Frage erst geändert, als die Entscheidung über die Zweidrittelmehrheit im Ausschuß gefallen war. Es wäre, glaube ich, für die Öffentlichkeit sehr interessant, von der SPD zu erfahren, welcher sachliche Zusammenhang zwischen der Frage der Zweidrittelmehrheit und der sogenannten Juristenklausel besteht.
Zusammenfassend darf ich sagen: die Frage nach der Qualifikation des Wehrbeauftragten ist eine Frage nach der staatspolitischen, charakterlichen und geistigen Qualifikation seiner Persönlichkeit. Darum bitte ich Sie: Streichen Sie die Juristenklausel!
({11})
Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der § 14 ist wohl der kitzligste Paragraph der ganzen Vorlage, weil in ,ihm die Eigenschaften beschrieben werden, die der künftige Wehrbeauftragte, für den es schon eine ganze Anzahl Kandidaten geben soll,
({0})
haben soll, und diejenigen Eigenschaften, die er nicht haben soll. Böse Zungen behaupten, daß, wenn jemand versucht habe, das Idealbild eines Wehrbeauftragten zu umreißen, er zunächst einmal in den Spiegel geschaut habe - ich meine nicht die 'Zeitschrift.
({1})
Daß der Wehrbeauftragte etwas von militärischen Dingen verstehen muß, ist wohl selbstverständlich. Aber merkwürdigerweise war diese Voraussetzung in den beiden uns vorgelegten Vorlagen überhaupt nicht genannt. Die habe ich nämlich erst im Ausschuß hineingebracht.
({2}) Diese Voraussetzung dürfte wohl nun unbestritten sein.
Jetzt kommt die zweite Voraussetzung: Jurist oder Nicht-Jurist? Ich habe auf ein Wort vergeblich gewartet das ist das Wort vom „gesunden Menschenverstand". Es ist bis heute noch nicht gefallen.
({3})
- Doch? Ich nehme alles zurück; ich hatte geglaubt, man würde mit anderen Argumenten arbeiten, die etwas origineller wären. Also ich habe mit diesem gesunden Menschenverstand schon recht komische Erfahrungen gemacht. Setzen Sie sich mal ,an einen Stammtisch, an dem Juristen und Nicht-Juristen sitzen und an dem die Männer frisch und fröhlich über den gesunden Menschenverstand im Gegensatz zum Verstand der Juristen reden. Was geschieht am anderen Morgen? Dann geht der mit dem gesunden Menschenverstand zu seinem Rechtsanwalt, um sich über etwas aufklären zu lassen. Oder nehmen Sie an, daß ein Landrat oder ein Bürgermeister gewählt worden ist, der nicht zu den Juristen gehört. Was geschieht sofort? Dann wird in dem betreffenden Kreis und den Gemeinden ein Justitiar zusätzlich bestellt, womit wir nun wieder auf die Sorgen kommen, denen der Kollege Bausch Ausdruck gegeben hat, nämlich daß sich das Ganze außerordentlich ausweiten würde.
({4})
- Er bildet keinen, aber er macht einen. Damit fängt es dann nämlich an.
Nun die dritte Voraussetzung, die wir durch unseren Antrag, den ich hiermit begründe, schaffen wollen. Das Motiv ist folgendes. Im Gesetzentwurf steht schon drin, daß der Wehrbeauftragte kein Abgeordneter und kein Mitglied der Regierung sein soll. Schön. Unsere Auffassung ist, daß er in den letzten zwei Jahren vor seiner Ernennung oder vor seiner Wahl auch nicht Mitglied irgendeines Parlaments oder einer Regierung gewesen sein soll,
({5})
damit nicht der edle Wettstreit noch mehr ausgeweitet wird, vielleicht noch mehr, sagen wir einmal, persönlich wirkende Argumente und Gegenargumente hervorruft, und damit in der Öffentlichkeit - das ist wohl unser aller Interesse - in unserem, der Volksvertreter Interesse klar gesagt wird: Na, die haben das Gesetz nicht ihretwegen gemacht. Und das ist was wert.
({6})
Das Wichtigste können wir in das Gesetz nicht hineinschreiben. Aber ich glaube, darüber sind wir uns alle einig. Das wichtigste ist, daß es ein Kerl sein muß, der sich schon durch die Autorität, die er ausstrahlt, einen derartigen Respekt verschaffen kann, daß seine Existenz - ohne großen Apparat, ohne Schmieren dicker Akten - genügt.
({7})
- Nein, gerade nicht, Herr Kollege! ({8})
Der Jurist versteht es z. B., sich auch in aufgeregten Momenten zu zügeln. Das ist ein Vorzug.
({9})
Das ist auch wichtig.
({10})
({11})
- Sie können ja nachher auch noch reden. Machen Sie es dann genauso wie ich.
Ich habe kürzlich in ,der Presse gelesen, daß jetzt nicht nur die Uniformen der Generäle Sterne bekommen sollen, sondern ,auch die Automobile, in denen sie fahren. Das soll Vorbilder 'im Ausland haben.
({12})
Das erinnert mich an eine Geschichte, über die der selige Hausdichter des „Kladderadatsch", Herr Trojan, einmal ein Gedicht geschrieben hat. Er schrieb nämlich ein Gedicht über die Hofequipage, die ein paar Backfische Unter den Linden sahen. Die Backfische sahen mit tiefem Gefühl diese Hofequipage mit ihren besonderen Zutaten und Zieraten, und dann sagt der Dichter - wie heißt es da so schön -: Diese Backfische
. . . faßten in einem tiefen Knicks zusammen die Wonne des Augenblicks, denn es war eine Hofequipage.
Sie war aber leer.
({13})
Ich will damit sagen: Soll der Wehrbeauftragte nun an seinem Auto etwa fünf Sterne haben, damit er die nötige Autorität bekommt, oder soll er lieber gar keine haben, oder wollen wir einen Mann aussuchen - damit komme ich wieder auf den zuvor genannten 'Gedanken zurück -, der, ganz gleich was er von Hause aus ist, die nötige Autorität und die nötigen Kenntnisse mitbringt, um sein Amt erfüllen zu können? Es wäre wünschenswert, wenn das der Fall wäre.
Damit habe ich unseren Antrag begründet und zu den anderen Anträgen Stellung genommen.
({14})
Herr Abgeordneter Dr. Mende!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sah zunächst so aus, als wenn die Alternative bezüglich der Stellung des Wehrbeauftragten lautete: General a. D. oder Senatspräsident! Inzwischen ist sie schon erweitert: General a. D., Senatspräsident oder Studienrat! Wer weiß, was möglicherweise noch dazukommt. Ich bin in der etwas schwierigen Lage, zehn Jahre meines Lebens als Soldat dem gleichen Beruf angehangen zu haben wie der Kollege von Manteuffel und die weiteren zehn Jahre als Jurist dem gleichen wie der Kollege Becker. In dieser Kollision der Lebenserfahrung von 20 Jahren möchte ich mich trotzdem für den Senatspräsidenten entscheiden.
Aber was mich veranlaßt, mich noch einmal zu Wort zu melden, ist das, was der Herr Kollege Kliesing eben sagte. Er muß nicht nur Jurist sein, er muß auch etwas von Jugendpsychologie, muß etwas von den menschlichen Dingen verstehen.
({0})
Hier möchte ich dem Philologen mit einem Satz aus dem Corpus Iuris
({1})
antworten, der Ihnen gleichzeitig eine Aufklärung darüber gibt, warum die Juristen im Grunde genommen so von sich eingenommen sind:
Iurisprudentia est scientia omnium rerum, divinarum atque humanarum, ars suum cuique tribuendi, ars boni malique.
Das heißt - für die Nichtlateiner -: Die Rechtswissenschaft ist die Wissenschaft aller Dinge dieser Erde, der göttlichen und der menschlichen, ist die Kunst,
({2})
- jedem das Seine zuzuteilen und zwischen Gut und Böse zu unterscheiden.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Meine Damen und Herren! Manchmal hat man in der Politik das Unglück, eine Rede gegen seine besten Freunde halten zu müssen, und so muß ich heute leider gegen meinen Freund Dr. Kliesing sprechen. Seine neue Erkenntnis, daß es nicht notwendig ist, ja, daß es schädlich ist, die Qualifikation zum Richteramt zu verlangen,
({0})
- daß es schädlich ist, gesetzlich eine Qualifikation zum Richteramt zu verlangen, ist für mich gar nicht überzeugend.
({1})
Meine verehrten Damen und Herren, ich habe mit meinen Parteifreunden den Antrag Drucksache 2529 eingebracht, den Entwurf eines Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. In jenem Entwurf vom 20. Juni 1956 heißt es in § 10:
Der Wehrbeauftragte muß das 40. Lebensjahr vollendet haben und die Befähigung zum Richteramt besitzen.
Dieser Antrag läuft, wie gesagt, unter der Nr. 2529 und trägt den Titel: „Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Kemmer ({2}), Dr. Kliesing und Genossen."
({3})
Unter diesen Umständen, meine sehr verehrten Damen und Herren, darf ich hoffen, daß Sie ohne Ressentiment, sozusagen mit geläutertem Geiste die Dinge noch einmal vor Ihrem Auge vorüberziehen lassen.
Ich glaube, wir sollten uns hier nicht von Sentiment und Ressentiment, sondern einzig von einer Überlegung leiten lassen: Was hat denn dieser Wehrbeauftragte eigentlich zu tun? Darüber ist noch gar nicht ausführlich gesprochen worden.
Der Wehrbeauftragte ist zuerst einmal ein Mann, der die Grundrechte der Soldaten schützen soll. Er schützt sie im allgemeinen auf Grund von Beschwerden, d. h. er schützt sie dann, wenn behauptet wird, daß diese Grundrechte verletzt sind. Um eine Rechtsverletzung festzustellen - das werden Sie mir zugeben -, ist das geistige Rüstzeug des Juristen geeigneter als das einer anderen Fakultät, die bestimmt zur Lösung anderer Aufgaben eher als die juristische Fakultät berufen ist.
({4})
Wenn also der Wehrbeauftragte in seinem Kerngebiet „Schutz der Grundrechte" - 90 % der Fälle, die er zu bearbeiten hat - tätig wird, wird er immer und ausschließlich juristische Erkenntnisse zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Wenn er in den übrigen Fällen als Hilfsorgan des Hohen Hauses tätig wird, muß er meistens Vernehmungen durchführen, und dazu - das werden Sie mir doch zugeben - ist die Befähigung zum Richteramt zumindest eine wesentliche Erleichterung.
Unter diesen Umständen glaube ich, daß es sehr zweckmäßig ist, die Qualifikation zum Richteramte vorzuschreiben. Mir täte ein Wehrbeauftragter leid, der fast bei jeder Entscheidung, vor allem aber bei jeder wichtigen Entscheidung vom Urteil seiner Mitarbeiter abhängig ist.
({5})
Im übrigen: Ist der Wehrbeauftragte selbst Jurist, kann die Dienststelle kleiner gehalten werden, als wenn er nicht Jurist ist, weil er dann in besonderem Maße juristische Mitarbeiter braucht.
Lassen Sie mich noch eines sagen! Ich bin im Unterschied zu anderen der Auffassung, daß das Amt des Wehrbeauftragten in erster Linie kein politisches Amt, sondern ein Amt des Rechtsschutzes ist. Auch deshalb haben wir die Abgeordneten ausgeschlossen. Auch deshalb wollen wir einen Mann, der von der Sicht des Richters her über dem Streit der Dinge steht. Leider hat Herr Kollege Dr. Kliesing davon gesprochen, es hafte dem Juristen als Wehrbeauftragtem das Odium des Staatsanwalts an. Meine Damen und Herren, der Staatsanwalt ist doch nicht mit einem Odium belastet! Der deutsche Staatsanwalt ist weiß Gott ein ehrenvoller Beruf, der sogar die andere Seite, die Seite des Angeklagten, mit zu berücksichtigen hat.
({6})
Im übrigen: Warum sprechen Sie vom Staatsanwalt? Sie könnten genausogut und noch viel eher - da es um den Schutz der Grundrechte geht - vom Rechtsanwalt sprechen.
({7})
In Wirklichkeit ist es weder das eine noch das andere, sondern ich möchte, wenn ich hier - soweit es in einer Republik erlaubt ist - den Begriff verwenden darf, sagen: Dieser Wehrbeauftragte soll eine Art Kronanwalt des Parlaments und der deutschen Soldaten sein.
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Ich glaube, die Qualifikation zum Richteramt ist auch am ehesten geeignet, Unberufene fernzuhalten, unter denen ich jetzt und in jeder Zukunft hauptamtliche Parteifunktionäre und dergleichen verstehen möchte. Solche wollen wir nicht. Gerade dann, wenn wir nur einen Wehrbeauftragten ohne Stellvertreter haben und wenn wir ihn mit einfacher Mehrheit wählen, ist dieses Qualifikationserfordernis in besonderer Weise notwendig. Außerdem glaube ich, daß ein höherer Richter in der Öffentlichkeit am ehesten die Glaubwürdigkeit findet, über dem Streit der Politik zu stehen. Er wird auch die Grenzen seines Amtes von selbst respektieren.
Es wäre traurig, wenn der Wehrbeauftragte nur Jurist wäre. Weiß Gott, er braucht eine ganze Reihe
psychologischer und charakterlicher Eigenschaften. Aber ein Mann, der nur den gesunden Menschenverstand hat, reicht in diesem Falle nicht aus. Für den Bundestagsabgeordneten, auch für den Minister, wo es um politische Willensentscheidungen, um politische Gestaltung geht, die Juristenklausel zu fordern, wäre dumm. Für den Richter aber, für den Rechtsanwalt und für den Wehrbeauftragten, die eben Rechtserkenntnisse als die Grundlage ihrer Handlungen haben, müssen wir sie allerdings fordern. Darum sage ich Ihnen: es reicht nicht aus, nur gesunden Menschenverstand zu haben, es reicht nicht aus, nur Jurist zu sein; wir müssen beides fordern. Den gesunden Menschenverstand kann ich in kein Gesetz schreiben, weil ich ihn nicht in einer Norm erfassen kann. Aber den Juristen kann ich ins Gesetz schreiben, und darum wollen wir den Juristen hier verankert haben, damit wir einen Mann bekommen, der das Handwerkszeug der Jurisprudenz besitzt und die hohen charakterlichen Eigenschaften hat, die wir von ihm fordern.
Ich bitte Sie also, den Antrag abzulehnen.
({9})
Herr Abgeordneter Dr. Reichstein!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Auffassung des Herrn Kollegen Dr. Jaeger in nahezu keinem Punkte teilen. Ich bin im übrigen der Meinung, daß die Debatte, die sowieso schon recht anregend ist, noch viel interessanter würde, wären auch die Namen bekannt, um die es hier im Schatten eigentlich immer geht.
Die zwingende Voraussetzung der Befähigung zum Richteramt wäre für diese Tätigkeit doch nur begründet, wenn sie sich aus der Art der Aufgabe dieses Mannes und den Anforderungen, die an seine Persönlichkeit gestellt werden, zwingend ergäbe. Das ist aber nicht der Fall. Was hier vorgebracht worden ist, sind nach meiner Auffassung in Wahrheit keine echten Argumente. Auch der Hinweis, Herr Dr. Jaeger, daß kein hauptamtlicher Parteifunktionär diese Stelle bekommen solle, ist kein Argument; den hauptamtlichen Parteifunktionär scheiden Sie mit der Juristenklausel auch nicht aus.
Im übrigen ist doch wohl klar, daß gerade der Mann in dieser Stellung nicht schwierige verwaltungsrechtliche oder sonstige juristische Entscheidungen treffen soll. Wir sollten kein Gesetz schaffen, das, wenn auch nicht expressis verbis, so doch in Gedanken bestimmte Berufsgruppen ausscheidet.
Ich kann das, Herr Dr. Jaeger, was Sie über den Unterschied zwischen einem solchen Mann und einem Minister gesagt haben, nicht für ganz richtig halten. Ich meine, daß wir in einem Altphilologen doch einen recht guten Verteidigungsminister bekommen haben.
Im übrigen möchte ich hier die klassischen Worte Ludwig Thomas zitieren: „Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand",
({0})
jedoch gleich hinzufügen, daß ich das für eine durchaus unberechtigte Verallgemeinerung halte.
({1})
({2})
Der, den wir hier wählen sollen, muß eben eine Persönlichkeit sein, ohne Furcht und Tadel, und diese Charaktereigenschaft ist nicht an eine bestimmte Berufsausbildung gebunden.
({3})
Ich bitte daher, dem vorliegenden Antrag auf Streichung dieses Qualifikationserfordernisses zuzustimmen.
({4})
Herr Abgeordneter Erler!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kliesing hat eine Frage an mich und meine politischen Freunde gerichtet. Ich will sie ihm hier in aller Klarheit beantworten. Ich hätte es lieber gesehen, wenn ein großer Teil der Debatte, die sich hier heute um die Weisheit der Forderung einer bestimmten juristischen Qualifikation für bestimmte Ämter entsponnen hat, nicht nur bei diesem Anlaß geführt worden wäre, sondern wenn die Gegner des Juristenmonopols, zu denen im Prinzip auch ich mich zähle, auf der anderen Seite des Hauses das gelegentlich auch zur Geltung gebracht hätten, als es um die Gestaltung von Vorschriften für den höheren Verwaltungsdienst oder ähnliche Aufgaben ging. Dann wäre die ganze Argumentation in ihrer Glaubwürdigkeit erheblich gestärkt worden. Deswegen kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man hier für den Wehrbeauftragten plötzlich eine andere Haltung einnimmt, als man sie sonst bei vielen anderen Aufgaben im öffentlichen Dienst doch mindestens in unsere Gesetze hineingeschrieben hat.
Es ist hier der Vergleich gebracht worden mit bestimmten - lassen Sie mich das ausdrücklich sagen - politischen Ämtern. Es ist gesagt worden, man könne Abgeordneter, Bundeskanzler, Bundesminister werden, ohne die Befähigung zum Richteramt zu haben. Das ist sicher richtig. Ich bin davon überzeugt, daß man auch ein guter Abgeordneter, ein guter Minister und ein guter Bundeskanzler sein kann - womit ich nicht von allen sagen will, daß sie es auch sind;
({0})
aber im Prinzip meine ich es jedenfalls -, ohne die Befähigung zum Richteramt zu haben. Aber das Gemeinsame bei all diesen Ämtern ist doch, daß die betreffenden Persönlichkeiten aus politischen Wahlen hervorgehen und von einer politischen Mehrheit notfalls der politischen Minderheit aufgezwungen werden.
Wir wollten hier eine andere Figur haben. Wir wollten nicht den Mann haben, den Sie leider durch die Ablehnung unseres Antrags zu § 13 jetzt zu schaffen im Begriffe sind, der als politischer Repräsentant der Mehrheit gegenüber der Minderheit wirkt, sondern wir wollten den Mann haben, der Vertrauen auf allen Seiten genießt. Sie haben das nicht haben wollen. Daher meine ich, daß es unter diesen Umständen eine Aufgabe ist, der einfachen Mehrheit des Bundestages in der ganz konkreten Situation, in der wir uns befinden, gewisse Beschränkungen in der Personenauswahl aufzuerlegen, die sich auf den beruflichen und persönlichen Werdegang beziehen. Ich meine, daß man, nachdem die Dinge so gelaufen sind, in erster Linie auf ein ganz klares, auch durch den bisherigen Lebensweg entwickeltes Gefühl für Gerechtigkeit und Unparteilichkeit Wert legen muß, um das auszugleichen, was durch den Fortfall der Zweidrittelmehrheit jetzt leider entstanden ist.
Sie schreiben vor, daß auch Erfahrungen als Soldat vorhanden sein müssen. Jawohl, das ist ein absolut richtiges Prinzip. Aber ich meine, daß es auch kein Übergewicht der militärischen Bedürfnisse geben darf und daß man nicht zu sehr auf die im bisherigen Lebensweg erworbenen Erfahrungen auf diesem Gebiet abstellen darf.
Im übrigen möchte ich dem Kollegen Bausch, der ein grundsätzlicher Anhänger der skandinavischen Lösung bis in alle Einzelheiten hinein ist, den § 2 des dänischen Gesetzes, der dem anderen nachgebildet ist, vorlesen:
Der Beauftragte, der nicht Mitglied des Folketing sein darf, muß eine juristische Ausbildung haben.
Das hat sich in Skandinavien also durchaus bewährt.
({1})
- Auch in Schweden. - Das stelle ich nur der Ordnung halber fest, damit diejenigen, die sich so gern dem skandinavischen Beispiel besonders eng anschließen wollen, in dieser Frage Gelegenheit haben, das zu tun.
({2})
Herr Abgeordneter Berendsen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, ausreichend darüber gesprochen worden, was wir wollen. Ich möchte für meine politischen Freunde feststellen daß wir es in keiner Weise ablehnen würden, als ersten Vertreter dieses Amtes einen Juristen zu wählen, wenn wir annehmen, daß er - ich sage das, weil vorhin das Wort fiel - ein Kerl ist. Und ich glaube, man kann das durchaus tun - lassen Sie mich das wiederum scherzhaft sagen, Herr Kollege -, wenn jemand der juristischen Bildung und der juristischen Tätigkeit ein Leben lang so weit standgehalten hat, daß er dann auch zum Schluß ein wirklicher Kerl geblieben ist.
({0})
- Es ist ein Scherz, Herr Kollege; ich habe es Ihnen doch gesagt.
Ich will damit sagen, daß wir in keiner Form dem Wunsche, daß wir einen Juristen wählen sollen, widersprechen. Wir wollen lediglich, daß das nicht in das Gesetz hineinkommt. Ich bitte also, dem Antrag zuzustimmen.
Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gang der Diskussion veranlaßt mich, noch ein paar Bemerkungen zu machen.
({0})
Der Herr Kollege Mende hat sich zum Sprecher der Juristen gemacht und darauf hingewiesen, daß ein Jurist eben besonders qualifiziert und überhaupt etwas Besonderes sei.
({1})
Herr Kollege Mende, das erinnert mich, was die Konsequenzen, die aus dieser Erkenntnis zu ziehen wären, anlangt, an das alte Studentenlied von der filia hospitalis, worin es heißt: „Der Jurist besucht nur feine Kreise." Ich weiß nicht, ob er, von da her gesehen, geeignet ist, das Amt eines Wehrbeauftragten auszuüben.
({2})
Nun zu den Ausführungen meines Freundes Jaeger. Es stimmt, daß ich meine Unterschrift unter seinen Gesetzentwurf gesetzt habe. Ich habe das trotz dieser Juristenklausel getan, und zwar weil mir das Problem des Wehrbeauftragten an sich so sehr am Herzen lag, daß ich die Entscheidung über die Frage meiner Unterschrift nicht davon abhängig machen wollte, ob der Wehrbeauftragte Jurist sein müsse oder nicht. Ich habe aber damit in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß ich mit der Juristenklausel einverstanden sei.
In den Ausführungen des Kollegen Erler war mir ein Punkt sehr interessant. Ich habe das mitgeschrieben. Er sprach davon, daß es unerwünscht sei, bei der Auswahl des Wehrbeauftragten die militärischen Lebenserfahrungen allzusehr überwiegen zu Lassen. Das ist eine Frage, über die man durchaus diskutieren kann. Aber dann, meine Damen und Herren, wollen wir es auch ganz klar und offen sagen. Ich bin der Auffassung, daß sehr vieles dagegen sprechen würde, hier nun einen
Mann mit, sagen wir einmal, vorwiegend militärischer Erfahrung hinzusetzen; aber ich wende mich dagegen, durch gesetzliche Festlegungen von vornherein einen bestimmten Stand zu disqualifizieren.
({3})
Außerdem gibt es gar keine Sicherung, Herr Kollege Erler. Gerade die SPD ist in wehrpolitischen Fragen mit der Kombination von Erfahrungen eines Stabsoffiziers und Erfahrungen eines Juristen, soviel ich weiß, recht gut gefahren.
({4})
- Es geht doch nicht darum.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, wenn das Ihre Hauptsorge ist, dazu sagen, daß erstens in meiner Fraktion meines Wissens keine in dieser Richtung tendierenden Vorstellungen bestehen und daß man zweitens dann hier einen falschen Text gewählt hat; es dürfte dann nämlich nicht heißen: er muß die Befähigung zum Richteramt haben, sondern dann müßte es heißen: er darf nicht General gewesen sein. Wenn es aber so bleibt, wie es hier steht, mißbrauchen Sie meines Erachtens die Juristenklausel als Feigenblatt, um die eigentlichen Absichten zu verbergen.
Herr Abgeordneter von Manteuffel ({0}).
von Manteuffel ({1}) ({2}): Meine Damen und Herren, wirklich nur einen ganz kurzen Satz! Ich hätte nicht geahnt, daß diese Debatte durch den Antrag von mir und von Herrn Müller-Hermann ausgelöst werden würde. Aber den Damen und Herren, die dem Perfektionismus huldigen, dem mein Kollege Jaeger als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses Ausdruck gegeben hat - daß der Wehrbeauftragte die Befähigung zum Richteramt besitzen muß -, muß ich folgendes sagen. Vom soldatischen Standpunkt aus kann ich etwas anderes geltend machen. Hier steht: Der Wehrbeauftragte soll mindestens ein Jahr Wehrdienst geleistet haben. Dann scheint mir eine Bestimmung wichtig zu sein, die besagt, er müßte wenigstens Kenntnisse und Erfahrungen in der Handhabung der Disziplinarstrafgewalt haben. Das wäre mindestens so sinnvoll wie die anderen Bestimmungen.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Jaeger? - Sie verzichten!
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse über den gleichlautenden Änderungsantrag auf den Umdrucken 1014*) und 1015**) abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag auf Streichung der Juristenklausel zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich bin der Meinung, das letztere ist die Minderheit. Aber ich wiederhole die Abstimmung. Wer für die Streichung der Juristenklausel ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Wir müssen durch Hammelsprung auszählen.
({0})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Abstimmung beginnt.
({1}) Die Auszählung ist beendet.
Das Ergebnis der Überprüfung ist, daß der Änderungsantrag auf Umdruck 1015**) angenommen ist.
({2})
- Ich verstehe, daß das eine besonders interessante Abstimmung ist. Das Ergebnis ist: 165 Ja-Stimmen, 158 Nein-Stimmen bei 3 Enthaltungen.
Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 1016***) Ziffer 3 zu § 14 Abs. 4. Der Antrag ist begründet. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 1016 Ziffer 3 - Antrag der Fraktion der FDP - zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun kommt der § 14 in der durch die Annahme der Änderungsanträge Umdruck 1014 und Umdruck 1015 geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 15. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1010****) Ziffer 1 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
*) Siehe Anlage 6 **) Siehe Anlage 7 ***) Siehe Anlage 4 ****) Siehe Anlage 8
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag der Fraktion der CDU/CSU darf ich den Änderungsantrag kurz wie folgt begründen.
Der Wehrbeauftragte soll auf die Dauer von fünf Jahren gewählt werden; darin sind wir uns einig. Er soll nicht vom politischen Vertrauen in dem Maße abhängig sein, wie es etwa der Bundeskanzler und im Prinzip die Bundesregierung ist. Er soll eine gewisse unabhängige Stellung auf die Dauer von fünf Jahren haben.
Dem würde es widersprechen, wenn er mit einfacher Mehrheit, nämlich mit der wechselnden Mehrheit dieses Hauses, abberufen würde. Dann könnten wir ihn gleich auf die Dauer der Wahlperiode wählen. Früher war von mir beantragt worden, ihn nur mit Zweidrittelmehrheit abzusetzen, in der Meinung, daß das nur dann geschähe, wenn schwerwiegende persönliche Gründe vorlägen. Nachdem man es aber nicht für zweckmäßig hielt, das aufrechtzuerhalten, schlagen wir Ihnen vor, diese Bestimmung überhaupt zu streichen. Wir haben dann die Lage wie bei einem Landrat oder Bürgermeister; diese sind auf eine bestimmte Zeit gewählt und üben während dieser Zeit das Amt aus. Dieses Hohe Haus wird sicherlich keinen Mann wählen - vor allem nicht für das Amt eines Wehrbeauftragten -, bei dem die Gefahr besteht, daß er silberne Löffel stiehlt. In diesem Notfall gäbe es außerdem noch andere Maßnahmen, um ihn schließlich zum Rücktritt zu bringen.
Ich darf Sie also bitten, unserem Antrag zuzustimmen und die Abberufungsmöglichkeit zu streichen; sie würde dazu führen, daß wir niemanden finden, der bereit ist, dieses Amt anzunehmen -falls es sich um einen Mann von persönlicher Qualität handelt -, weil er jederzeit Gefahr laufen muß, aus diesem Amt wieder vertrieben zu werden.
Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Ich bitte namens meiner Freunde, diesen Antrag abzulehnen. Der letzten Sorge, der der Vorredner Ausdruck gegeben hat - daß sich niemand melden würde, wenn eine Abberufung möglich wäre -, sind wir nach dem heutigen Stand der Dinge, soweit er uns bekanntgeworden ist, reichlich enthoben. Diese Sorge habe ich nicht.
Im übrigen widersprechen wir dem Antrag aus folgendem Grund. Es wäre richtig gewesen, den Wehrbeauftragten mit Zweidrittelmehrheit wählen und ihn nur mit Zweidrittelmehrheit abberufen zu lassen.
({0})
Das wäre der richtige Weg gewesen, aber er ist durch die erste Abstimmung versperrt.
Was haben wir nun nach dem jetzigen Stand der Abstimmung für ein Bild? Der Wehrbeauftragte kann mit einfacher Mehrheit gewählt werden; d. h. eine Fraktion dieses Hauses kann ihn wählen. Unser Antrag, daß bisherige Abgeordnete nicht gewählt werden sollten, ist nicht angenommen worden. Das ist die zweite Feststellung, die wir zu treffen haben.
Wenn nun als Drittes noch kommt, daß ein so gewählter Wehrbeauftragter praktisch nicht absetzbar ist, dann wird das ein Institut, das nur dann gutgehen kann, wenn der Betreffende, der ausgesucht ist, trotz der Bestimmungen, die ich soeben als nachteilig zitiert habe, wirklich der Mensch ist, der hoch über dem steht und hoch über den Bestimmungen steht, auf Grund deren er gewählt ist.
({1})
Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident Meine sehr verehrten Damen und Herren! zunächst möchte ich den zahlreichen Freunden der skandinavischen Lösung in den Reihen der CDU/CSU vorlesen, wie die Bestimmung dort heißt:
Wenn der Beauftragte nicht mehr das Vertrauen des Folketings besitzt, kann das Folketing ihn verabschieden, wonach eine neue Wahl eines Beauftragten stattfindet.
Zunächst ist das also einmal nichts Neues.
Zweitens. Ich bin allerdings nicht der Auffassung, daß wir uns hier sklavisch an das skandinavische Vorbild halten und etwa den Wehrbeauftragten als eine Art individuell für sich persönlich verantwortlichen Minister betrachten sollten, den wir jederzeit in die Wüste schicken können. Das ist der eine Pol. Der andere Pol aber ist doch der, daß Sie jetzt den Wehrbeauftragten auf seinem Gebiet zum Wahlmonarchen machen.
({0})
Beamter ist er nämlich nicht; infolgedessen gibt es keinerlei Möglichkeiten eines Dienststrafverfahrens gegen ihn, was er auch anrichten mag. Parlamentarisch verantwortlich ist er auch nicht. Den Bundeskanzler können wir schwer loswerden, da sind wir leidgeprüft;
({1})
aber nach der Verfassung gebt es immerhin diese Möglichkeit, wenn man gleichzeitig einen Nachfolger wählt. Daß aber ein demokratisches Parlament auf die Idee kommt, einen Mann praktisch völlig unabsetzbar zu machen, das wäre wirklich neu.
({2})
- Der Wehrbeauftragte ist eben auch kein Richter, sondern er ist Hilfsorgan der parlamentarischen Kontrolle und hat außerdem die Aufgabe der Wahrung der Grundrechte; aber Richter im Sinne einer Rechtsprechung ist er trotz allem nicht.
({3})
Ich meine daher wirklich, daß hier ein Interesse daran vorhanden ist, für den Fall, daß die Amtsführung des Wehrbeauftragten von einer Mehrheit der Mitglieder des Parlaments beanstandet wird, und zwar zu Recht beanstandet wird - das ist doch eine öffentliche Entscheidung, man kann ihn doch nicht in der Dunkelkammer wegjagen -, ein solches Ventil offenzulassen.
Ich glaube nicht, daß Sie deswegen keine guten Persönlichkeiten finden. Denn materiell sind sie gesichert durch die entsprechende Anwendung der Bestimmungen des Ministergesetzes, wie das in dem letzten Paragraphen dieser Vorlage vorgeschrieben ist.
({4})
Daher meine ich: Nachdem Sie nun schon beschlossen haben, daß uns eine einfache Mehrheit den Wehrbeauftragten bescheren kann, sollten Sie wenigstens sagen: Der Wehrbeauftragte sollte sich doch darum bemühen, in seiner Amtsführung das ihm einmal erwiesene Vertrauen auch künftig bei der gleichen Mehrheit zu rechtfertigen. Das ist wohl das Mindeste, was wir von ihm verlangen müssen.
({5})
Noch Wortmeldungen dazu? - Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 1010*) Ziffer 1. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - „Knapp, aber Mehrheit", sagte der eine Herr Schriftführer; der andere zaudert. Meine Damen und Herren: Hammelsprung!
({0})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Auszählung beginnt; ich bitte, die Türen zu öffnen.
({1})
Ich bitte, die Auszählung zu beenden und die Türen zu schließen. Die Auszählung ist geschlossen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 1010 Ziffer 1 bekannt. Mit Ja haben ge- stimmt 131 Mitglieder des Hauses, mit Nein 146 bei 18 Enthaltungen. Der Änderungsantrag Umdruck 1010 Ziffer 1 ist abgelehnt.
§ 15 in der Fassung des Ausschusses. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 15 ist in der Fassung ,des Ausschusses angenommen.
§ 16, - § 17. - Keine Änderungsanträge. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Angenommen.
§ 18. - Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU Umdruck 1010*) Ziffer 2. Zur Begründung Herr Abgeordneter Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gesetzentwurf ist in § 18 vorgesehen, daß der Wehrbeauftragte gemäß Besoldungsgruppe B 2 bezahlt werden soll, d. h. daß er im Range eines Staatssekretärs stehen soll. Ich möchte im Namen der Fraktion darum bitten, dies auf B 3a herunterzudotieren, was etwa dem Unterstaatssekretär entsprechen könnte. Ich möchte ferner zum Ausdruck bringen, daß diese Frage wohl auch mit der Gestaltung des Organisationsgesetzes zusammenhängt und wir im Rahmen dieses Organisationsgesetzes hierüber erneut sprechen könnten. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
({0}) *) Siehe Anlage 8
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem soeben begründeten Änderungsantrag Umdruck 1010*) Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Das erst war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Wer dem § 18 in der sogeänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 19, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Angenommen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Rasner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion bitte ich, die dritte Lesung in der ersten Sitzung mach Ostern durchzuführen. Wir widersprechen, gestützt auf die Geschäftsordnung, der Durchführung der dritten Lesung.
Sie haben den Antrag gehört. Die dritte Lesung kann infolgedessen heute nicht stattfinden.
Meine Damen und Herren, ich frage mich, wie wir nun in der Tagesordnung weiterfahren wollen. Mir ist vorgeschlagen worden, daß wir zunächst nicht das Knappschaftliche RentenversicherungsGesetz, sondern das Beamtenrechtsrahmengesetz beraten. Ich mache aber dem Haus folgenden Vorschlag. Jetzt ist es halb eins. Wir hatten für heute vorgesehen, nur von 1 bis 2 Uhr Mittagspause zu halten. Ich schlage dem Haus vor, daß wir jetzt Mittagspause machen und um 2 Uhr wieder zusammentreten. - Einverstanden. Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Becker wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir nehmen die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Ich rufe auf Punkt 42 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Rahmengesetzes zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts ({0}) ({1})
a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 ({3}) der Geschäftsordnung - ({4}).
b) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({5}) - ({6})
Der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht**) liegt vor. Der Herr Berichterstatter, Kollege Kleindinst, hat das Wort.
*) Siehe Anlage 8 **) Siehe Anlage 9
Dr. Kleindinst ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Angesichts des ausführlichen Schriftlichen Berichts*), den der Ausschuß vorgelegt hat, und der Zeitnot, unter der wir arbeiten, werden Sie es billigen, wenn ich mich kurz fasse.
Das Beamtenrechtsrahmengesetz überträgt die beamtenrechtlichen Rechtssätze, die von besonderer allgemeiner Bedeutung sind, unmittelbar auf die Länder und ermächtigt die Länder, innerhalb ihrer Befugnisse für ihre Beamten bestimmte rechtliche Vorschriften zu erlassen. Das war nötig, weil für die Beamtenschaft im Bund und in den Ländern zwar nicht hinsichtlich ihres Rechtscharakters, aber hinsichtlich ihrer Aufgaben unterschiedliche Regelungen gelten.
Wir haben eingehend geprüft, inwieweit das Bundesbeamtengesetz auf die Länder unmittelbar übertragen werden kann und inwieweit Ermächtigungen zur Ausführung in den Ländern notwendig sind. Dabei sind drei Gesichtspunkte besonders berücksichtigt worden:
Erstens ist die Einführung von sogenannten unabhängigen Stellen, also von Personalausschüssen wie im Bund oder von Personalämtern, vorgesehen.
Zweitens ist die Frage der Hochschulkräfte, insbesondere die Frage der Rechtsstellung der außerplanmäßigen Professoren, der Privatdozenten, der wissenschaftlichen Assistenten und der Lektoren behandelt. Diese Hochschulkräfte erhalten nunmehr eine rechtliche Grundlage für ihre Verwendung. Wir glauben damit einen beamtenrechtlichen Beitrag für die Aufgaben geleistet zu haben, die insbesondere der Forschung an den Hochschulen, also an den Universitäten und den Technischen Hochschulen, obliegen. Das ist eine wesentliche, neue Aufgabe, die sich das Gesetz gestellt hat. Sie ist also in diesem Rahmengesetz berücksichtigt.
Drittens war die Frage der Arbeitszeit sehr eingehend zu beraten. Über diese Frage werde ich mich in meinem mündlichen Bericht nicht weiter auslassen, weil sie ja Gegenstand von Anträgen ist und bei der Beratung dieser Anträge noch hier im Hause besprochen werden muß.
Nachdem der Bundestag den Gesetzentwurf wegen der Regelung der Arbeitszeit an die Ausschüsse für Beamtenrecht und Haushalt zurückverwiesen hatte, haben wir uns bemüht, die damals gestellten Anträge noch in ihn einzuarbeiten. Die interfraktionellen Anträge wurden vollständig übernommen, die übrigen, soweit es irgendwie möglich war, in den Gesetzentwurf eingearbeitet. Außerdem hat sich ergeben, daß dieser Gesetzentwurf mit anderen Gesetzentwürfen, die wir behandelt haben, sowohl mit dem Soldatenversorgungsgesetz wie mit dem früheren Bundesbeamtengesetz wie sogar mit den Rentenversicherungsgesetzen und auch mit der kommenden zweiten Novelle zu Art. 131 des Grundgesetzes, eng zusammenhängt. Infolgedessen ist eine enge Verflechtung dieser Gesetze und Gesetzentwürfe in Erscheinung getreten. Es müssen Änderungen wie hier des Bundesbeamtengesetzes, so des Soldatenversorgungsgesetzes, das Ihrer Beratung obliegt, und wiederum des Bundesbeamtengesetzes hingenommen werden. Das ist bei der Verflechtung der Rechtsmaterien notwendig. Wir werden eine abschließende Neufassung des Bundesbeamtengesetzes erst dann er*) Siehe Anlage 9
halten, wenn die übrigen Gesetzentwürfe behandelt sind. Auf diese grundsätzlichen Fragen möchte ich mich beschränken.
Ich darf noch hervorheben, daß die Einarbeitung der damals gestellten interfraktionellen und fraktionellen Anträge eine Umarbeitung des Gesetzentwurfs und des Berichts unter einem starken Zeitdruck notwendig gemacht hat und daß sie nicht möglich gewesen wäre ohne die wirksame Unterstützung und die Hilfsbereitschaft der Herren des Bundesministeriums des Innern, für die ich auch an dieser Stelle nochmals danken möchte.
Ich bitte, den Anträgen des Ausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
({8})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es liegt noch ein weiterer Bericht vor, Drucksache 3364*), Berichterstatter Herr Abgeordneter Niederalt. Soll noch mündlich berichtet werden? Ich glaube, das ist angesichts des Inhalts des Schriftlichen Berichts, der hier vorliegt, wohl nicht erforderlich. Ich darf feststellen, daß weiter kein Bericht gewünscht wird. -
Wir kommen dann zur Einzelberatung. Zuvor hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu gestatten, daß ich namens der Bundesregierung der abschließenden Beratung des Entwurfs des Ersten Beamtenrechtsrahmengesetzes eine kurze zusammenfassende Bemerkung vorausschicke.
Die Bedeutung des Gesetzentwurfs liegt vor allem darin, daß er die beim Neuaufbau der staatlichen Ordnung nach dem Zusammenbruch von 1945 verlorengegangene Rechtseinheit auf dem Gebiet des Beamtenrechts weitgehend wiederherstellt. Diese Rechtseinheit ist notwendig, um ein Gefälle in der Rechtsstellung der Beamten zwischen Bund und Ländern einerseits und zwischen den einzelnen Ländern andererseits nach Möglichkeit zu vermeiden. Wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, so wird spätestens mit Ablauf der vorgesehenen Übergangszeit das Beamtenrecht in der Bundesrepublik bei voller Wahrung des föderativen Aufbaues des Bundes für alle Dienstherren und für alle Beamten im wesentlichen einheitlich gestaltet sein. Dieses Gesetz wird maßgeblich dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiete des Personalwesens künftig noch enger und fruchtbarer zu gestalten.
Der umfassende Schriftliche Bericht des Herrn Vorsitzenden des Beamtenrechtsausschusses und die mündlichen Ausführungen, die er soeben gemacht hat, zeigen, wie schwierig und weitverzweigt die Probleme waren, mit denen sich die beteiligten Ausschüsse des Hohen Hauses bei diesem Gesetzesvorschlag zu befassen hatten. Die Bundesregierung weiß, welch großes Maß an Mühe und persönlichen Opfern die Bearbeitung dieser umfangreichen Vorlage von den Mitgliedern des Beamtenrechtsausschusses und hier in ganz besonderem Maße von
*) Siehe Anlage 10
({0})
dem Vorsitzenden dieses Ausschusses, Herrn Abgeordneten Dr. Kleindinst, verlangt hat. Die Bundesregierung möchte allen Beteiligten für die von ihnen geleistete umfangreiche und fruchtbare Arbeit an dem wichtigen Gesetzgebungswerk aufrichtig danken.
({1})
Nachdem in zweiter Lesung eine Generaldebatte nicht stattfindet, kommen wir zur Einzelberatung. Ich rufe die §§ 1,
- 2, - 3, - 4, - 4 a, - 5, - 6, - 7, - 8, -9, - 10 auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich darf diejenigen, die diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, bitten, die Hand zu erheben. - Danke schön. Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Damit sind die ersten zehn Paragraphen angenommen.
Wir kommen dann zum 3. Titel. Ich rufe auf die § § 11, - 12, - 13, - 14, - 15, - 16, - 4. Titel : § 17, - § 18, - 5. Titel: § 19, - § 20, - 6. Titel: §§ 21, - 22, - 23, - 24, - 25, - 26, - 27, -28, - 29, - 30, - 31, - 32. - Das Wort hierzu wird anscheinend nicht gewünscht. Die Debatte ist geschlossen. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 33, - 33 a, im II. Abschnitt die §§ 34, - 35, - 35 a, - 35 b, - 36, - 37,
- 38, - 39, - 40, - 42, - 43, - 44, - 45, - 46,
- 47, - 48, - 48 a, - 49, - 49 a, - 50, - 51, - 52, - 52 a. - Ich darf unterstellen, daß das Wort nicht gewünscht wird. Wer den bis jetzt aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe weiter folgende Paragraphen auf: 53, -54,-56,-57,-58,-59,-60,-61,-62,63, - 64, - 65, - 66, - 67, - 68, - 69, - 70, -71, - 72, - 73, - 74, - 75, - 76. - Ich sehe, daß das Wort nicht gewünscht wird. Wer den bis jetzt aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe weiter folgende Paragraphen auf: 77, -78,-79,-80,-81,-82,-83,-84,-85,87, - 89, - 90, - 91, - 92, - 93, - 94, -95,-96,-97,-97a,-98,-99,-102,-103a,
- 104. - Damit habe ich alle die Paragraphen aufgerufen, zu denen kein Änderungsantrag gestellt ist. Das Wort wird, wie ich sehe, nicht gewünscht.
({0})
- Stimmt, also wird § 41 Absätze 2 und 3 mit aufgerufen. Das Wort wird aber sonst wohl nicht gewünscht. Ich danke dem Herrn Kollegen. Wer also den bis jetzt aufgerufenen Paragraphen einschließlich § 104 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Paragraphen sind angenommen.
Wir kommen zu § 105. Hierzu liegen Anträge vor auf Umdruck 1012*) und Umdruck 1013**) unter den Nrn. 1, 2 und 3.
*) Siehe Anlage 11 **) Siehe Anlage 12
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 1012 hat der Abgeordnete Schmitt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch der Herr Innenminister in den letzten Monaten nicht zu den Reiseministern der Bundesregierung gehört hat, so bedauern wir doch, daß er heute bei der Verabschiedung des Beamtenrechtsrahmengesetzes nicht hier ist. Er hat kürzlich die Zeit gehabt, bei dem Deutschen Beamtenbund in Bad Godesberg zu sein, und es wäre sehr gut gewesen, wenn der Herr Minister zur Verabschiedung dieses Gesetzes auch den Weg in das Parlament gefunden hätte.
({0})
Nun zu unserem Antrag! Wie Sie aus der Überschrift des 3. Titels „Hochschullehrer, wissenschaftliche Assistenten und Lektoren" ersehen, hat der Gesetzgeber der besonderen Stellung der Hochschullehrer hier in einem bestimmten Rahmen Rechnung getragen. Insbesondere der § 105 enthält die Vorschriften, die auf die Hochschullehrer nicht anzuwenden sind. Wir glauben, daß hier in gewissem Umfang eine Korrektur und Ergänzung dahingehend notwendig ist, daß das Erfordernis der deutschen Staatsangehörigkeit bei der Berufung von Hochschullehrern entfällt. Anderenfalls wird die Bestimmung des § 105 der besonderen Lage der Hochschulen und der Hochschullehrer nicht gerecht, weil gerade die Wissenschaft keine Grenzen kennt. Ich darf darauf hinweisen, daß der Austausch von Hochschullehrern aus dem gesamten deutschen Sprachgebiet - aus Deutschland, Österreich und der Schweiz - immer sehr rege war. Mit der von uns beantragten Änderung würden wir vor allem diesen Austausch weiterhin fördern und damit dokumentieren, daß die Wissenschaft nicht an Nationen gebunden ist. Es ist ja kein Sonderfall, daß ein ausländischer Gelehrter .an eine deutsche Hochschule berufen wird und trotzdem seine Staatsangehörigkeit beibehält. Wir glauben daher nicht, daß es richtig ist, das Erfordernis einer Ausnahmegenehmigung, die im übrigen noch durch besondere dienstliche Notwendigkeiten gerechtfertigt sein muß, vorzusehen. Vielmehr sollten wir eine Bestimmung schaffen, die grundsätzlich den freien Wechsel der Wissenschaftler ermöglicht.
Gleichzeitig beantragen wir, daß die Bestimmung des § 79 Abs. 1 Nr. 1 auf Hochschullehrer nicht anzuwenden ist. Diese Bestimmung betrifft das Ruhen der Versorgungsbezüge von Versorgungsberechtigten, die nicht Deutsche sind. Durch unseren Antrag soll die Transferierung von Versorgungsbezügen in das Ausland ermöglicht werden. Wir müssen, wenn wir die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 1 - insofern bitte ich unsern Antrag Umdruck 1012, wo hinter „§ 4" die Worte „Abs. 1 Nr. 1" weggelassen worden sind, zu berichtigen - in § 105 Abs. 2 einfügen, loyalerweise auch den § 79 Abs. 1 Nr. 1 dort hinzunehmen, damit Berufungen ausländischer Wissenschaftler nicht zum Schaden der Wissenschaft dadurch gefährdet werden, daß der Berufene Sorge um die Auszahlung seiner Pensionsbezüge hat.
Ich darf das Hohe Haus bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Darf ich den Kollegen bitten, auch zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 1013 zu demselben Paragraphen Stellung
({0})
zu nehmen, damit das Haus sich ein Bild darüber machen kann, welches der weitergehende Antrag ist.
({1})
Es scheint mir richtig zu sein, die Anträge auf Umdruck 1013, die sich auch auf den § 105 Abs. 2 beziehen, mitbegründen zu lassen, damit die Debatte über die Anträge - bei getrennter Abstimmung - einheitlich stattfinden kann. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung der Anträge Umdruck 1013*) Nrn. 1 und 2 hat der Abgeordnete Dr. Berg das Wort.
Dr. Berg ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, aus unserem Änderungsantrag Umdruck 1013*) Ziffer 1 die Worte „und die Mitwirkung unabhängiger Personalstellen ({3})" zu streichen. Die Antragsteller konnten sich inzwischen davon überzeugen, daß diese Personalstellen nicht die von ihnen kritisierte Funktion haben.
Dagegen liegt uns sehr daran, ,daß die durch die Staatsangehörigkeitsbestimmung gegebene Eingrenzung für Hochschullehrer wegfällt. Es muß ohne weiteres möglich sein, auch ohne einen besonderen Dringlichkeitsnachweis Hochschullehrer aus dem Ausland nach Deutschland hereinzurufen.
Ich bitte das Hohe Haus, dabei auch zu bedenken, daß in der Zeit der nationalsozialistischen Verfolgung eine große Anzahl von Hochschullehrern das deutsche Vaterland verlassen mußten und daß seinerzeit eine ganze Reihe von Ländern die- sen Hochschullehrern ohne jede Rücksicht auf die deutsche Staatsangehörigkeit und ohne jede Rücksicht auf vielleicht vorhandene Bestimmungen Asyl gewährt haben. Im Interesse der internationalen Gültigkeit der Freiheit von Forschung und Lehre möchte ich doch bitten, die Möglichkeit, Ausländer an die deutschen Hochschulen zu berufen, uneingeschränkt zu lassen.
Ich habe also recht verstanden, daß in dem Antrag Umdruck 1013 Ziffer 1 die Worte „und die Mitwirkung unabhängiger Personalstellen ({0})" gestrichen sind?
({1})
- Danke schön.
Dann darf ich fragen, wer den Antrag Umdruck 1013 Ziffer 2 begründet, der sich auch auf den § 105 Abs. 2 bezieht. ({2})
- Der Herr Kollege Dr. Bergbegründet den Antrag unter Ziffer 3 des Umdrucks 1013*), der sich auf § 105 Abs. 3 bezieht, gleich mit.
Dr. Berg ({3}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier um neu einzufügende Bestimmungen, die für Hochschullehrer nicht anwendbar sind. Dabei handelt es sich vor allen Dingen um die Vorschriften, daß Nebeneinkünfte von Hochschullehrern, die im Ruhestand leben, eventuell auf die Versorgungsbezüge angerechnet werden dürfen. Emeritierte Hochschul*) Siehe Anlage 12
professoren verzichten normalerweise, wenn sie mit ihrem vollen Gehalt in den Ruhestand versetzt werden, auf ihre Kolleggeldgarantien usw.; dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Sie werden aber gern noch herangezogen, um Prüfungen abzuhalten oder um Lehraufträge zu übernehmen. Es ist selbstverständlich, daß die Einkünfte, die ihnen daraus zufließen, nicht auf die Versorgungsbezüge angerechnet werden, die ohnehin gegenüber ihrem früheren gesamten Einkommen gekürzt sind.
Den größten Nachdruck legen die Antragsteller aber auf den Antrag unter Ziffer 3. Der Abs. 3 des § 105 in der Fassung der Regierungsvorlage, die vom Ausschuß unverändert übernommen worden ist, sieht vor, daß der Hochschullehrer durch ein Gesetz im Rahmen seiner wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit nebenamtlich zu einer Tätigkeit herangezogen werden kann. Die Antragsteller sehen in dieser Möglichkeit eine Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre. Es ist dagegen eingewandt worden, daß erstens die Nebentätigkeit sich ausschließlich auf den Bereich erstrecken soll, der ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit entspricht, und daß zweitens Gesetze zugrunde liegen müssen, die selbstverständlich nur von dem Landesgesetzgeber ausgehen können. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß durch derartige Aufträge, auch wenn sie nur unter den Einschränkungen, die die Ausschußfassung vorsieht, erteilt werden können, die Professoren unter Umständen gegen ihren Willen ihren sonstigen Forschungsaufgaben, die sie sich ja bekanntlich selber stellen, entzogen werden können. Falls der Abs. 3 in der Form, wie ihn die Regierungsvorlage vorsieht, bestehen bleibt, handelt es sich um eine echte Beeinträchtigung der Freiheit von Forschung und Lehre, und das steht im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes, der die Freiheit von Forschung und Lehre eindeutig garantiert.
Herr Abgeordneter Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den gestellten Änderungsanträgen möchte ich der Reihe nach Stellung nehmen und die Anschauung des Ausschusses zur Geltung bringen.
Da ist zunächst der Antrag, daß bei der Berufung des Hochschullehrers die Staatsangehörigkeit keine Rolle spielen dürfe. Diese Meinung kann der Ausschuß nicht teilen. Bei aller Anerkennung der Bedeutung der Hochschullehrer in Gegenwart und Zukunft können wir doch nicht eine Ausnahmestellung nach jeder Richtung hin begründen. In § 4, in dem es im Abs. 1 Nr. 1 heißt, daß in das Beamtenverhältnis nur berufen werden darf, wer Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist, wird in Abs. 2 die Möglichkeit gegeben, Ausnahmen von Abs. 1 Nr. 1 zuzulassen, „wenn für die Gewinnung des Beamten ein dringendes dienstliches Bedürfnis besteht". Wenn die Notwendigkeit der Berufung eines Hochschullehrers aus einem anderen Staat vorliegt, besteht eben ein dringendes Bedürfnis, und dann wird der Verwaltungsakt ohne weiteres vollzogen.
Von dem Herrn Kollegen Schmitt ist ja schon hervorgehoben worden, daß immer ein großer Austausch zwischen deutschen Hochschulen und Hochschulen des Auslands stattgefunden hat, und zwar, wie ich wohl sagen darf, bereits seit 150 Jahren.
({0})
Es ist nie eine Schwierigkeit hervorgetreten. Ich erinnere nur daran, daß z. B. der grobe Internist Friedrich Müller nach Basel berufen wurde und dann von Basel an die Universität München kam. Oder ich nenne Wölfflin, den bekannten Kunstwissenschaftler, oder aus neuester Zeit die Romanisten Wenger und Koschaker. Auch aus dem Baltikum sind vor 1914 eine Reihe von Professoren berufen worden, darunter der berühmte Adolf Harnack. Das hat nie zu Schwierigkeiten geführt. Wir sollten deshalb diese Sonderstellung gar nicht dadurch hervorheben, daß wir in § 105 die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 1 nicht für anwendbar erklären.
Nun komme ich zu dem nächsten Änderungsantrag. Es wurde hervorgehoben, daß die Anrechnung von Einnahmen bei im Ruhestand befindlichen, emeritierten Professoren zu Unzutraglichkeiten führe. Diese Befürchtung ist nicht begründet. In § 78 heißt es: „Verwendung im öffentlichen Dienst im Sinne des Absatzes 1 ist jede Beschäftigung ...". Eine „Verwendung" ist immer nur gegeben, wenn die Beschäftigung Ausfluß eines Status als Beamter, als Angestellter oder als Arbeiter ist. Infolgedessen kommt gar nicht in Frage, daß den Professoren, die emeritiert sind und noch Vorlesungen halten und zu Prüfungen herangezogen werden, diese Bezüge auf ihre Emeritenbezüge angerechnet werden. Diese Besorgnis ist also nicht begründet. Deshalb bitte ich, den Antrag Umdruck 1013 Ziffer 2 ebenfalls abzulehnen.
Herr Kollege Berg hat hervorgehoben, man könne den Hochschuliehrern nicht zumuten, Aufträge zu übernehmen, insbesondere Gutachten zu erstatten, wenn dies von der jeweiligen Landesregierung verlangt werde. Wir haben ausdrücklich die Vorschrift vorgesehen, nach der der Hochschullehrer zur Übernahme einer Nebentätigkeit nur insoweit gesetzlich verpflichtet werden kann, als die Nebentätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit der Lehr- und Forschungstätigkeit des Hochschullehrers steht; ein Hochschullehrer soll also nicht durch die Forderung einer Nebentätigkeit von seinem Forschungsgebiet abgedrängt werden können. Aber, meine Damen und Herren, wenn ein Land einem Hochschullehrer ein wissenschaftliches Institut mit der gesamten Ausrüstung und mit den Assistenten zur Verfügung stellt, dann kann es auch verlangen, daß dieser Hochschullehrer bestimmte, im Interesse der Landesregierung liegende Aufträge übernimmt, namentlich - und das ist das Wesentliche - soweit sie Gutachten betreffen. In diesen Fällen einem Hochschullehrer, dem ein Institut zur Verfügung steht, die Möglichkeit einer Verweigerung zu geben, können wir nicht konzedieren. Die Fassung des § 105 Abs. 3 ist ausdrücklich so gewählt, daß dem Hochschullehrer nichts zugemutet werden kann, was außerhalb seiner Forschungstätigkeit liegt oder was geeignet wäre, ihn von dieser Forschungstätigkeit abzudrängen. Eine Verweigerung eines derartigen Auftrags können wir ihm deshalb, wie gesagt, nicht zugestehen. Ich bitte aus diesem Grunde, bei aller Anerkennung der Bedeutung der Hochschullehrer in der Gegenwart und in der Zukunft, diese Sonderstellung im Gesetz nicht anzuerkennen und die gestellten Anträge abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt ({0}).
Ich darf die Redner bitten, sich noch darüber zu äußern, ob sich der Antrag der DP ({1}) Umdruck 1013*) Ziffer 1 bezüglich des Wortes ,,Staatsangehörigkeit" mit dem SPD-Antrag inhaltlich deckt, der die Worte „sowie die §§ 4 und 79 Abs. 1 Nr. 1" einschalten will, oder ob das Wort „Staatsangehörigkeit" noch weitere Bestimmungen umfassen soll. - Bitte, Herr Kollege Schmitt!
Ich glaube, daß, da wir uns auf die Deutschen im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes beziehen, unser Antrag der weitergehende ist. Wenn die DP ({0}) ihren Antrag nicht in dem von uns vorgeschlagenen Sinne berichtigt, müßte zunächst über Ziffer 1 unseres Antrags abgestimmt werden.
Ich darf noch einiges zu den Ausführungen des Kollegen Kleindinst zu unserem Antrag sagen. Sehr verehrter Herr Kollege Kleindinst, Sie haben die schönen Zeiten des 19. Jahrhunderts bezüglich des Austausches von Professoren beschworen. Ich darf daran erinnern, daß es damals noch keine Pässe und Grenzen wie von 1914 ab gab, so daß der Austausch noch viel leichter war. Auch hatte das deutsche Beamtenrecht eine ganz andere Konstruktion, indem es mit der Berufung in das Beamtenverhältnis den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vorsah, so daß von dieser Seite damals keine Hemmungen bestanden, die unter den heutigen Umständen doch vorhanden sind. Das dienstliche Interesse ist bei einem Laufbahnbeamten natürlich jederzeit ein praktikabler Begriff, aber bei einem Hochschullehrer kann man doch wohl schwerlich von einem dienstlichen Interesse für eine Berufung sprechen und diese wohl nur sehr schwer damit begründen. Deshalb möchte ich Sie noch einmal bitten, unserem Antrag zuzustimmen.
Ergänzend darf ich darauf hinweisen, daß wir kein Sonderrecht und keine Ausnahmestellung für die Hochschullehrer - wie Sie meinen, Herr Kollege Kleindinst - wollen, soweit es nicht im Gesetz bereits festgelegt ist, sondern wir wünschen nur eine Erweiterung der Möglichkeit, Hochschullehrer aus anderen Ländern leichter heranzuziehen. Wenn in den letzten Jahren noch keine größeren Schwierigkeiten aufgetreten sind, die offenkundig geworden sind, so möchte ich meinen, daß sicher auch manche Berufung unterblieben sein dürfte, weil gewisse Hemmnisse auf dem Gebiet des Beamtenrechts vorhanden waren.
Ich bitte das Hohe Haus nochmals, unserem Antrag auf Umdruck 1012**) zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Berg.
Dr. Berg ({0}): Unser Antrag betreffend Staatsangehörigkeit ist mit dem Antrag der SPD identisch. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, wenn Ihr Antrag auch etwas weitergeht.
Auch ich möchte mich gegen die Argumentation des Herrn Kollegen Dr. Kleindinst bezüglich der Forschungstätigkeit und bezüglich der Übernahme von Nebentätigkeit mit oder gegen den Willen des Hochschullehrers wenden. Herr Kollege Dr. Kleindinst, Sie haben nämlich in etwa die Katze aus dem Sack gelassen, als Sie sagten, das Land
*) Siehe Anlage 12 **) Siehe Anlage 11
({1})
stelle den Professoren die wissenschaftlichen Institute und Einrichtungen zur Verfügung, also könne es von seinen Professoren auch Gegenleistungen erwarten. Gerade das wollen wir nicht. Wir wollen, daß der Hochschullehrer in seiner Entscheidung darüber frei ist, auf welchem Gebiet er forschen will oder nicht. Diese Freiheit wollen wir ihm bewahren. Außerdem bitte ich Sie, zu überlegen, daß dann ganze Kategorien von Hochschullehrern aus dieser sogenannten Gegenleistung ausgeschlossen sind. Denn wie oft wird ein Theologe oder Orientalist etwa aufgefordert, ein Gutachten abzugeben! Dagegen wird wahrscheinlich eine ganze Reihe von Hochschullehrern mit Gutachtertätigkeit so überschwemmt werden, daß sie zu ihrer eigentlichen wissenschaftlichen Forschung nicht mehr kommen. Denken Sie heute an die Physiker, an die Chemiker, an die Geologen, an die Hygieniker .und Bakteriologen und an ähnliche Leute, deren Forschungstätigkeit mehr im Rahmen dessen liegt, was von einem Lande oder von Landesbehörden erwartet wird. Hinzu kommt, daß das Land schließlich durch Gesetz zu solchen Tätigkeiten nur die Hochschulen heranziehen kann, die in seinem eigenen Bereich liegen. Das heißt, das Land Schleswig-Holstein, das nur eine einzige Landesuniversität hat, muß sich, falls es keinen Spezialisten für das betreffende Gebiet hat, nach Erlangen, nach Bonn oder was weiß ich wohin, wenden. Schon da zeigt sich die Grenze der Möglichkeit, Professoren gesetzlich zu verpflichten, eine Nebentätigkeit zu übernehmen.
Auch daraus resultiert die Ungleichheit der Behandlung der Professoren der verschiedenen Kategorien, einmal nach ihren Fächern und zweitens nach ihrer territorialen Zugehörigkeit zu einem der Länder in Deutschland. Also die Schwierigkeiten grundsätzlicher Art, die sich aus dieser Fassung des Abs. 3 ergeben, sind doch recht vielfältig. Weiterhin ist zu bedenken, daß die meisten Professoren es schließlich doch wohl gern tun, vor allen Dingen zum Teil aus finanziellen Gründen, weil sie ihrem Institut durch eine solche Nebentätigkeit und durch solche Aufträge noch gewisse Finanzquellen eröffnen, die sie sonst nicht haben. Sie wissen alle, daß unsere wissenschaftlichen Institute nicht über allzuviel Geld verfügen. In Erwartung ihrer Freiwilligkeit kann man ihnen doch erst recht ihre Freiheit lassen. Dadurch wird man dem Geist und dem Sinn des Art. 5 Abs. 3 unseres Grundgesetzes gerecht.
Ich bitte Sie also, die Ziffer 3 unseres Antrags, die die ausdrückliche Einwilligung der Hochschullehrer für Nebentätigkeit im Rahmen der gegebenen Bestimmungen vorsieht, anzunehmen.
Herr Kollege Kleindinst hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen diese Argumentation muß ich mich doch wehren und den Beschluß des Ausschusses verteidigen.
Zunächst einmal kann von einer Überschwemmung der Professoren mit Nebenaufgaben nicht die Rede sein. Es ist immer der Fall gewesen, daß ein Spezialist zu einem bestimmten Gutachten herangezogen worden ist. Man hat niemals einem Hochschullehrer zugemutet, ein Gutachten gegen seine Überzeugung abzugeben. Dann ist man eben an den Herrn gar nicht herangetreten, von dem
man wußte, daß er in einer bestimmten Frage
schon eine bestimmte Überzeugung gewonnen hat.
Was die Herren befürchtet haben - das haben sie uns ja gesagt -, ist nur das eine, daß sie von ihrer spezifischen Forschungsaufgabe abgedrängt würden, wenn ihnen Aufgaben außerhalb der Forschungsaufgaben übertragen würden. Das haben wir in der Fassung des Gesetzentwurfs ausdrücklich berücksichtigt. Von einer Überschwemmung mit Gutachten und von einem Abdrängen von der Forschungstätigkeit kann gar ,keine Rede sein, vor allem nicht von einer Beeinträchtigung der Forschungs- und Lehrfreiheit, die im Grundgesetz festgelegt ist, die in der Weimarer Verfassung festgelegt war und die in allen Verfassungen der vorausgehenden Zeit seit 1815, soweit sie überhaupt Grundrechte anerkannt haben, oder in Sondergesetzen festgelegt war. Also das geht weit darüber hinaus.
Ich habe den Eindruck, ,daß hier mit einem Mückenseiher Vorschriften gesucht wurden und in den Gesetzentwurf hineingeschrieben werden sollen, die absolut entbehrlich sind.
Aber das eine müssen wir doch in den Grenzen dessen, was ich gesagt habe, anerkennen: Wenn ein Land wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, Institute, Seminare, Bibliotheken zur Verfügung stellt, muß es auch das Recht haben, einem Hochschullehrer einen Auftrag in bezug auf ein Gutachten - darum handelt es sich ja hauptsächlich - zu geben. Wie gesagt, das muß unter Berücksichtigung seiner persönlichen Überzeugung und seiner üblichen Forschungsaufgaben geschehen. Einen solchen Auftrag darf er nicht ablehnen, und ein solcher Auftrag ist auch nie abgelehnt worden.
Die Ziffer 3 des Änderungsantrags Umdruck 1013*) dürfte man auch deshalb nicht annehmen, weil diese Bestimmung den Ländern in ihrem Hochschulrecht Schwierigkeiten bereiten würde. Die Länder würden diese Bestimmung nie anerkennen und würden wegen ihrer Einfügung in das Gesetz zweifellos den Vermittlungsausschuß anrufen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf das nachdrücklichste für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 1013*) einsetzen, besonders für die Ziffer 1. Ich glaube, daß hier ein echtes europäisches Anliegen vorhanden ist.
({0})
- Nein, es ist nur der eine Teil gestrichen. Der Antrag besteht weiter, daß bei Professoren die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erforderlich sein soll.
({1})
Herr Kollege, darf ich den Streit schlichten. Herr Kollege Berg hat ausdrücklich erklärt, daß der Begriff „Staatsange-
*) Siehe Anlage 12
({0})
hörigkeit" in seinem Antrag genau den gleichen Inhalt hat wie die im Antrag der SPD genannten Paragraphen. Im Antrag der SPD Umdruck 1012 sind die Paragraphen, auf die es ankommt, genau zitiert. Er ist daher nach meiner Ansicht, gesetzestechnisch gesehen, präziser ,gefaßt und würde später keine Auslegungsschwierigkeiten bieten, wie sie vermutlich jetzt den Anlaß zu Ihren Ausführungen gegeben haben.
Ich bitte fortzufahren.
Ich darf die Anträge demnach sinngemäß zusammenfassen und folgendes hinzufügen.
In diesem kombinierten Antrag, für den ich mich einsetzen möchte, scheint mir ein echtes europäisches Anliegen enthalten zu sein. Wir sprechen über Europa, wir sprechen über die Einheit der freien Welt; und hier ist nun eine Möglichkeit, das in die Praxis zu übersetzen. Die Grundlage der europäischen Universitäten, des europäischen Geisteslebens ist zu finden in der facultas hic et ubique docendi, verkündet zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Die venia legendi, verliehen an irgendeiner anerkannten Hochschule, hatte Gültigkeit an jeder Hochschule dieser uns alle umfassenden abendländischen Welt. Heute sind die Vereinigten Staaten ein besonders gutes Beispiel für die Bedeutung dieses Gedankens. Daß heute an den Hochschulen der Vereinigten Staaten viele der führenden Männer Europas, und nicht nur Europas, sondern aller Erdteile tätig sind, hat mit dieser wahren Liberalität in der Auffassung des Berufs des Wissenschaftlers und Erziehers zu tun.
Ich möchte daher das Hohe Haus auch von diesem Gesichtspunkt bester europäischer Tradition aus bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Nachdem, wie ich eben schon sagte, der Herr Kollege Berg zum Antrag Umdruck 1013 Ziffer 1 erklärt hat, daß der dort genannte Begriff „Staatsangehörigkeit" identisch ist mit dem Inhalt des Antrags der SPD, schlage ich, wenn das Haus einverstanden ist, vor, über den Antrag der SPD abzustimmen, weil darin die präzisen Paragraphenangaben enthalten sind; dann würde der Antrag damit praktisch auch beschieden sein. Ich darf wohl das Einverständnis annehmen. - Dann stelle ich also den Antrag auf Umdruck 1012 *) zur Abstimmung.
({0})
- Mit der Einfügung. Ich bitte zu notieren, daß hinter „§§ 4" die Worte „Abs. 1 Nr. 1" eingeschaltet werden sollen. Es sollen also hinter dem Wort „Arbeitszeit" die Worte: „sowie die §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 79 Abs. 1 Nr. 1" eingefügt werden. Sind wir uns darüber einig? - Das scheint der Fall zu sein. Ich stelle den Antrag in dieser Fassung zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, welche für diesen Antrag zu stimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Auch der Antrag Umdruck 1013 Ziffer 1 ist damit beschieden.
*) Siehe Anlage 11
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 1013 **) Ziffer 2. Danach sollen eine Reihe von Vorschriften auf Hochschullehrer nicht angewendet werden. Ich glaube, ich muß, da vielleicht der eine Kollege diesen, der andere jenen Paragraphen nicht angewendet wissen möchte, einzeln über die Paragraphen abstimmen lassen, die für nicht anwendbar erklärt werden.
Ich bitte also diejenigen, welche für die Nichtanwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 4 sind, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, welche den § 33 Abs. 2 nicht angewendet wissen wollen, um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die den § 78 Abs. 1 nicht angewendet wissen wollen, um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die den § 79 Abs. 1 Nr. 2 nicht angewendet wissen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch abgelehnt.
Dann darf ich also feststellen, daß von der Ziffer 2 im Umdruck 1013 der erste Satz von „Ferner sind . . . " bis „ . . . nicht anzuwenden." damit praktisch abgelehnt ist. Es bleibt abzustimmen über den zweiten vorgeschlagenen Satz: „§33 Abs. 1 gilt für Hochschullehrer sinngemäß." Wer diesem Teil des Antrags zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist auch abgelehnt.
Wir kommen dann zu Ziffer 3 des Umdrucks 1013**). Dieser Antrag bezieht sich auf § 105 Abs. 3; er will die Übernahme einer Nebentätigkeit von der ausdrücklichen Einwilligung der Hochschullehrer abhängig machen. Ich darf wohl zur Erläuterung noch feststellen, daß die, etwa in der Zivilprozeßordnung und der Strafprozeßordnung, vom Gericht angeforderten Gutachten nicht unter den Begriff Nebentätigkeit im Sinne dieses Antrags fallen sollen. Wenn wir darüber einig sind, stelle ich jetzt Ziffer 3 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Dann stelle ich fest, daß die zu § 105 gestellten Anträge abgelehnt sind.
Ich stelle § 105 in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, welche ihm zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 106, - 107, - 108, -10 9, - 110, - 111, - 112, - 113, - 114 a, - 115, - 117, - 118 a, - 119, - 120 und 121. - Ich bitte diejenigen, welche diesen Paragraphen in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf Kapitel II §§ 122, - 123, - 124, - 125, - 125 a, - 126, - 128, - 129, - 130, - 131, - 132, - 133, - 134, - 135, - 136, - 137, -137 a, - und 138 in der vom Ausschuß vorgelegten Fassung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Paragraphen in der vorliegenden Fassung
**) Siehe Anlage 12
({1})
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen jetzt zu § 139. Hierzu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 1017**) Ziffern 1 und 2 vor. Die Anträge sind von einer Reihe von Fraktionen gestellt. Werden sie begründet? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der politischen, staatspolitischen, wirtschaftlichen und beamtenrechtlichen Bedeutung, die die Regelung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst hat, wäre es sicherlich reizvoll, Ausführungen über die historische Entwicklung zu machen. Eine solche Erörterung müßte sich auf die letzten Jahrzehnte erstrekken. Aber angesichts der Zeitnot, in der wir uns nun einmal befinden, möchte ich mich auf wenige grundsätzliche Ausführungen beschränken.
Herr Kollege Kleindinst hat vorhin einen eingehenden Bericht über die Beratungen im Ausschuß erstattet. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, daß der Beamtenrechtsausschuß ursprünglich der Einführung der 45-Stunden-Arbeitswoche mit einer knappen Mehrheit zugestimmt hatte. Der Ausschuß hat die Frage auf Grund eines Beschlusses des Plenums dann noch einmal beraten. Das war ein glücklicher Gedanke, denn wir konnten uns daraufhin im Beamtenrechtsausschuß mit all den Änderungsanträgen befassen, die im Plenum gestellt worden waren. Dies hat dazu geführt, daß der größte Teil der Änderungsanträge in das Gesetz hineingearbeitet worden ist, so daß wir uns heute in der zweiten und nachher in der dritten Lesung damit nicht zu befassen brauchen.
Meine Damen und Herren, Sie haben aus dem Änderungsantrag Umdruck 1017 ersehen, daß die antragstellenden Fraktionen die Frage, ob für den öffentlichen Dienst die 48-Stundenwoche oder die 45-Stundenwoche gelten soll, noch einmal im Plenum behandeln wollen. Das ist eine Kardinalfrage, über die hier nochmals zu reden sich lohnt. Vielleicht ist es gut, einmal festzustellen, wie die Arbeitszeit im öffentlichen Dienst in den anderen Ländern Europas geregelt ist. Ich habe eine Zusammenstellung vor mir, aus der sich ergibt, wie diese Frage in anderen Ländern geregelt ist. Auf die Länder, die außerhalb Europas liegen, will ich nicht eingehen; da liegen die klimatischen und sonstigen Verhältnisse völlig anders. Aber ich darf Ihnen einmal zur Kenntnis bringen, wie die Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst in Europa geregelt sind. In Belgien beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden, in Finnland 35, in Frankreich 42, in Island 38, in Irland 42, in Luxemburg 44, in den Niederlanden 41, in Norwegen 36, in der Schweiz 45, in Schweden 42, in der Türkei 36, in England 42 und in Jugoslawien 42 Stunden. Sie sehen daraus, daß außer in der Bundesrepublik, wo noch die 48-Stunden-Arbeitswoche im öffentlichen Dienst gilt, überall in Europa eine wöchentliche Arbeitszeit von 45 und noch weniger Stunden eingeführt worden ist.
In der Bundesrepublik liegen die Dinge im Augenblick folgendermaßen: 6,5 Millionen Arbeiter der freien Wirtschaft haben bereits auf Grund von Tarif- und Arbeitsverträgen die 45-Stunden**) Siehe Anlage 13
Woche. Für weitere 3 Millionen soll sie in Kürze eingeführt werden. Sie wissen auch, daß die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes mit ihren Dienstherren bzw. mit ihren Tarifpartnern in Tarifverhandlungen stehen. Auch hier ist in Aussicht genommen, die 45-Stunden-Woche in absehbarer Zeit einzuführen. Kürzlich ging durch die Presse die Nachricht, daß auch im sogenannten halböffentlichen Dienst bei den Giroverbänden, d. h. den Sparkassen und den Sparkassenverbänden, die 45-Stunden-Woche eingeführt wird.
Es ist für jeden, der in diesen Dingen Bescheid weiß, klar, daß in der allgemeinen und inneren Verwaltung die Einführung der 45-Stunden-Woche, also die Kürzung um drei Stunden in der Woche, überhaupt keine Schwierigkeiten bereiten wird. Ich habe mit einer Reihe von hohen Beamten der allgemeinen und inneren Verwaltung in anderen Ländern gesprochen. Ich habe mich um die Verhältnisse bei der Bahn und der Post, die uns besonders interessieren, gekümmert und habe überall wieder festgestellt, daß in der Übergangszeit zumindest mit der 45-Stunden-Woche gerechnet werden darf. Der Innenminister unseres größten und wirtschaftlich bedeutungsvollsten Landes, Herr Biernat, hat vor kurzem erklärt, daß er in seiner Verwaltung, insbesondere auch bei der Polizei, die 45-Stunden-Woche ohne weiteres einführen könnte.
({0})
In dem Zusammenhang ein anderes Moment. Sie wissen, daß wir uns ungefähr seit dem Jahre 1910 um die Probleme der Vereinfachung der Verwaltung kümmern. Das Hohe Haus hat einen besonderen Ausschuß eingesetzt. Dieser Ausschuß sollte sich mit der Vereinfachung der Verwaltung befassen. Ich selber gehöre ihm an, und ich muß sagen, es ist kaum anzunehmen, daß dieser Ausschuß zur Vereinfachung der Verwaltung zu besonders erfreulichen Ergebnissen kommen wird. Vielleicht kann das dann der 3. Bundestag machen.
Bei den Überlegungen, die 45-Stunden-Woche einzuführen, haben uns insbesondere die Verhältnisse bei der Bahn und bei der Post interessiert. Die Männer bei Bahn und Post üben immerhin eine etwas andere Tätigkeit aus als der Mann am Schreibtisch. Wir sind damals im Ausschuß überwiegend der Meinung gewesen, daß gerade hier etwas geschehen müsse und daß man die 48-Stunden-Woche um drei Stunden verringern könne. In unserem Zeitalter werden Rationalisierung, Mechanisierung und Automatisierung großgeschrieben. Diese drei machen vor der freien Wirtschaft draußen nicht halt, sie werden gerade auch in den großen Betriebsverwaltungen vorangetrieben. Ich bin der Meinung, daß man dadurch erhebliche Kräfte einsparen kann und daß es bei dieser Einsparung von Kräften auch mäglich ist, die 45-Stunden-Woche einzuführen.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß sich der Ausschuß für Beamtenrecht in Nürnberg ein neues Gleisbildstellwerk angesehen hat, ein mechanisches und automatisches Wunderwerk, wo für eine Strecke von 100 km von Nürnberg bis nach Regensburg an einem Tisch, möchte ich sagen, die Dinge reguliert werden, wobei man natürlich eine große Menge von Personal einspart. Ich darf auch auf die Ersparnis aufmerksam machen, die, das wissen wir alle, durch die Automatisierung des Fernsprechers erzielt werden kann. Die
({1})
Entwicklung all dieser Dinge geht ja vorwärts, sie bleibt nicht stehen. Die Entwicklung wird weiterhin zur Einsparung von Kräften führen. Deshalb glaube ich unbedingt, daß die Möglichkeit besteht, die Arbeitszeit der Beamten um diese drei Stunden zu verkürzen, zumal diese Verkürzung langsam, schrittweise durchgeführt werden soll.
Ich glaube auch, daß die Angaben über die notwendige Mehreinstellung von Kräften und über die dann neu entstehenden Kosten, die wir im Ausschuß bekommen haben, in dieser Form nicht zutreffen. Außerdem bleibt doch für Beamte die alte gesetzliche Regelung des § 72 des Bundesbeamtengesetzes bestehen, in dem es heißt:
Der Beamte ist verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern. Wird er dadurch erheblich mehr beansprucht, so ist ihm nach Möglichkeit Dienstbefreiung zu anderer Zeit zu gewähren.
Gerade bei der Bahn und bei der Post tätige Menschen haben mir immer wieder versichert, daß die jetzt geltende Arbeitszeit von 48 Stunden dort kaum inngehalten, sondern sogar überschritten wird. Wenn man die Verkürzung der Arbeitszeit überhaupt als einen sozialen Fortschritt ansieht, sollte man diesen Fortschritt auch dem öffentlichen Dienst zukommen lassen. Der öffentliche Dienst, das habe ich vorher schon ausgeführt, geht hier nicht voran, sondern wir ziehen für den öffentlichen Dienst nur die Konsequenzen aus der Entwicklung in der freien Wirtschaft. Dort gibt es die 45-Stunden-Woche zum Teil schon lange, und sie wird in immer größeren Teilen der Wirtschaft eingeführt.
Sie werden sich daran erinnern, daß schon seit längerer Zeit an uns der Wunsch herangetragen wurde, man möchte doch die 40-Stunden-Woche einführen, also die Arbeitszeit um 8 Stunden verkürzen. Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber klar, daß eine solche Verkürzung um 8 Stunden nicht ohne weiteres durchgeführt werden kann.
({2})
- Die Forderung hat man in der Presse gelesen.
({3})
- Ich habe gesagt: die Forderung ist erhoben worden.
({4})
- Hier im Hause nicht, nein. ({5})
Wir haben damals gesagt, eine Verkürzung um 8 Stunden könne man nicht durchführen, dagegen sei es möglich, von 48 auf 45 Stunden herabzugehen.
Nun ist es klar, daß, wenn ein Gesetz verabschiedet wird, in dem es heißt, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an die 45-Stunden-Woche eingeführt wird, sehr große, insbesondere auch technische Schwierigkeiten eintreten werden. Deshalb haben wir den Änderungsantrag so formuliert, daß die Bestimmungen des Bundesbeamtengesetzes - und
nur um die handelt es sich; im Beamtenrechtsrahmengesetz steht darüber nichts mehr - ({6})
- Das wollte ich eben gerade sagen. Die Länder haben nach den Bestimmungen des Beamtenrechtsrahmengesetzes noch drei Jahre Zeit, diese Vorschrift einzuführen.
Aber es mußte eine Bestimmung für das Bundesbeamtengesetz - und zwar handelt es sich hier um den § 72 des Bundesbeamtengesetzes - in das Beamtenrechtsrahmengesetz aufgenommen werden. Das ist in § 139 Nr. 9 a geschehen. Ich habe vorhin schon gesagt, daß man eine solche Regelung nicht von einem Tag auf den anderen einführen kann. Deshalb haben wir uns entschlossen, hier einen Änderungsantrag einzubringen, der besagt, daß die Arbeitszeit alle neun Monate um je eine Stunde verkürzt werden soll. Das bedeutet, daß man überhaupt erst ab 1. Oktober 1959, also in zweieinhalb Jahren, mit der 45-Stunden-Woche beginnt. Zwischen den einzelnen Terminen - Sie werden das in unserem Änderungsantrag auf Umdruck 1017 Ziffer 2 gesehen haben - liegen immer neun Monate. Ich glaube, daß auf diese Weise all das geschehen kann, was zur reibungslosen Einführung der 45-Stunden-Woche erforderlich ist.
Ich bitte deshalb, den Antrag auf Umdruck 1017 anzunehmen, und möchte bei der grundsätzlichen Bedeutung, die die Verkürzung von 48 auf 45 Stunden in sich birgt, namentliche Abstimmung beantragen.
Meine Damen und Herren! Es liegen eine Reihe Wortmeldungen vor, darunter die des Herrn Kollegen Kleindinst. Darf ich fragen, ob Sie als Berichterstatter sprechen wollen.
({0})
- Dann muß ich nach der Reihe vorgehen. Herr Platner hat das Wort.
Platner ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Änderungsantrag ruft doch gewisse verfassungsrechtliche Bedenken wach. Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes sagt: „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln." Zu diesen Grundsätzen gehört auch die Treuepflicht des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn, dem Staat.
({2})
- Selbstverständlich, die besteht auf der anderen Seite. - Nun ist in den Debatten des Ausschusses deutlich geworden, daß eine derartige Verkürzung der Arbeitszeit auf der Ebene der unmittelbaren Bundesverwaltung ein Mehr von ungefähr 50 000 Beamten erfordern würde. Zum anderen ist klargeworden, daß diese dann fehlen.
({3})
- Herr Matzner, ich darf Ihnen die konkreten Zahlen vorlesen, die uns im Ausschuß vorgetragen worden sind: Bei der Zollverwaltung, ist gesagt worden, wird ein Mehr von 2513 Beamten benötigt, bei der Bundesbahnverwaltung ein Mehr
({4})
von 28 000 und bei der Bundespost ein Mehr von 17 910.
({5})
- Lassen Sie mich doch mal meinen Gedanken zu Ende führen. - Diese in der Debatte genannten Zahlen bedeuten, daß, wenn man den Grundsatz der 45stündigen Arbeitswoche entsprechend diesem Antrag realisiert, insoweit ein gewisser Notstand des Staates eintreten muß.
({6})
Dann wird der Grundsatz der Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Staat wahrscheinlich insofern berührt, als der Beamte dann unter Umständen seine persönlichen Forderungen nicht mehr den Forderungen des Allgemeinwohls und der staatlichen Verwaltung in dem entsprechenden Maße unterordnen würde. Aus diesen Gedankengängen heraus halten wir es für bedenklich, unter den jetzt obwaltenden Umständen, die ich bloß durch einige Zahlen gekennzeichnet habe, diesem Antrag zu entsprechen. Deshalb bitte ich Sie, meine Damen und Herren, den Antrag abzulehnen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Hübner ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen, die mein Freund Platner für die Fraktionsgemeinschaft der Deutschen Partei ({1}) eben gemacht hat, einiges hinzufügen.
Der Kollege Kühn sagte, daß sich im Ausschuß die Frage gestellt habe, ob die 48- oder die 45Stunden-Woche gelten soll. In dieser Form, Herr Kollege Kühn, ist die Frage meines Wissens nicht behandelt worden. Die Frage lautete vielmehr: Unter welchen Umständen kann die 45-StundenWoche eingeführt werden? Der Streit ging also letztlich nur um den Zeitpunkt. Gewehrt hat man sich dagegen, daß die 45-Stunden-Woche eingeführt werden soll ohne vorherige Prüfung der Auswirkungen in der Verwaltung. Da liegt aber gerade das Kriterium, das für unsern Entscheid, wann wir eine Arbeitszeitverkürzung einführen wollen, maßgeblich ist. Daß wir sie einführen wollen und anstreben, steht außer Frage. Wir wollen aber in keinem Fall eine Leistungsverminderung der Verwaltung damit einhergehen lassen.
({2})
Nun noch einige Ausführungen zu Ihren speziellen Angaben, Herr Kollege Kühn. Sie sagten, daß Sie erfahren hätten, bei der Bahn und Post würde eine solche Umstellung keine Schwierigkeiten machen. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie sind so vorsichtig gewesen, im Ausschuß diese Ausführungen nicht zu machen. Da wäre ausgiebig Gelegenheit dazu vorhanden gewesen, diese Angaben sachlich zu widerlegen.
({3})
- Sie sind nicht bewiesen worden. Es ist nicht bewiesen worden, daß die 45-Stunden-Woche ohne
Leistungseinschränkungen bei der Post und bei der Bahn durchführbar ist. So ist die Situation.
({4})
Dann muß ich Ihnen auch noch folgendes sagen. Sie haben als Beispiel die Automatisierung des Fernsprechers angegeben. Entschuldigen Sie, ich will keine harten Worte gebrauchen; aber wenn dieses Argument angeführt worden ist, dann ist Ihnen ein sehr oberflächliches Argument angehängt worden.
({5})
Wenn Sie dieses Argument im Ausschuß gebraucht hätten, hätten Sie bestimmt sofort wieder darauf verzichtet. Wenn Sie aber sagen, bei der Bahn und Post wird die 48-Stunden-Woche doch kaum eingehalten, dann kann ich das nur als totale Sachunkenntnis hinstellen.
({6})
Meine Damen und Herren, dieser Antrag der Parteien gliedert sich ja im Prinzip in zwei Forderungen. Zunächst einmal soll die 45-StundenWoche als Höchstarbeitszeitdauer eingeführt werden. Dann soll in bestimmten Intervallen dieser Abbau auf 45 Stunden erreicht werden. Diese Intervalle - und zwar schon der erste Termin - sind in eine Zeit verlegt, die in die nächste Legislaturperiode fällt. Ich verstehe nicht so ganz, weshalb Sie hier Entscheidungen vorwegnehmen, die ebensogut in der nächsten Legislaturperiode getroffen werden könnten, wenn man es überhaupt für nötig hält, einen solchen Termin gesetzlich einzuführen. Mir ist das nicht ganz klar. Ich könnte höchstens verstehen, daß Sie dasselbe Mißtrauen, das Sie gegenüber der Bereitschaft der Regierung haben, die 45-Stunden-Woche in Anpassung an die realen Möglichkeiten einzuführen, auch bereits dem kommenden Bundestag entgegenbringen. Ich weiß nicht, soll ich darin schon einen Wahlpessimismus Ihrerseits erblicken?
({7})
Dasselbe könnte man auch annehmen gegenüber der kommenden Regierung, die aus dem 3. Bundestag hervorgehen wird. - Aber Herr Matzner, entschuldigen Sie, ich habe das Wort und ich nehme Stellung zu den Fragen, wie ich will. Ich mache es hier auch anders als Sie im Ausschuß, Herr Matzner, der Sie selbst sehr viel reden, ohne das Wort zu haben.
({8})
Meine Damen und Herren, Sie machen hier etwas ganz Einmaliges. Sie stellen eine Gesetzeskonserve für den späteren Verbrauch her. Ich weiß nicht, was Sie damit erreichen wollen.
Lassen Sie mich aber nun doch einmal ein Wort zum Arbeitszeitproblem überhaupt sagen. Sie glauben, das Arbeitszeitproblem mit einer generellen Arbeitsdauerbegrenzung zu lösen. Ich bin der Meinung, daß Sie damit an die Kernpunkte des Arbeitszeitproblems gar nicht herankommen. Sie verfallen dem Irrtum, anzunehmen, daß die generelle Arbeitsdauerbegrenzung einen Maßstab dar({9})
stellt. Das ist keineswegs der Fall; darüber können Sie sich jederzeit bei den in Frage kommenden Beamtenkategorien überzeugen. Die Betroffenen werden beispielsweise niemals einsehen, daß eine solche Arbeitsdauerbegrenzung gerecht ist, solange man den Nachtdienst dem Tagesdienst gleichsetzt, solange man den unregelmäßigen Dienst dem regelmäßigen Dienst gleichsetzt und dergleichen mehr. Da liegen die Probleme, und dort sind die Kreise zu suchen, die Erleichterung brauchen. Das haben Verwaltungen auch schon eingesehen, womit ich allerdings nicht sagen will, daß sieh diese Einsicht schon in wünschenswertem Maße verbreitet hat. Ich gebe als Beispiel dafür an, daß durch die Arbeitszeitordnung der Bundespost die Arbeitsdauer teilweise auf 42 Stunden begrenzt ist. Insgesamt beträgt der Anteil derjenigen bei der Bundespost, die weniger als 48 Stunden arbeiten, rund 10 %.
Wenn Sie jetzt die Arbeitsdauer auf 45 Stunden herabsetzen, dann ist damit denjenigen, die noch in schwerster Anspannung 42,5, 43 und 44 Stunden arbeiten müssen, gar nicht geholfen,
({10})
und darin liegt das Kernproblem. Das erkennen Sie nur nicht.
({11})
- Sehr gut, Herr Arnholz, Sie sagen, eine derartige Regelung stehe frei. Ich bin nur der Meinung, wenn man schon mißtrauisch ist gegenüber der Bereitschaft der Verwaltung, dann muß man in diesem Mißtrauen auch konsequent sein. Sie sagen, eine derartige Regelung stehe frei. Gesetzlich ist sie nicht vorgesehen. Dann erwarten Sie also eine derartige Regelung von der Bundesregierung, der gegenüber Sie sonst aber mißtrauisch sind. Da verstehe ich Sie nicht ganz.
Gestatten Sie eine Frage?
Hübner ({0}): Bitte sehr!
Herr Kollege, ist es Ihnen nicht klar, daß es ein Unterschied ist, ob die allgemeine Regelung, von der abzuweichen für die Regierung die Möglichkeit besteht, 48 oder nur 45 Stunden beträgt? Ist es nicht vollkommen klar, daß, wenn schon jetzt die Differenz - ich hoffe Sie recht verstanden zu haben - 5 Stunden beträgt, dann selbstverständlich die Regierung viel eher gehalten ist, weiter auf 40 Stunden herunterzugehen, um die Differenz von 5 Stunden einzuhalten?
Hübner ({0}): Ich halte das Vertrauen gegenüber der Regierung für unteilbar. Ich weiß nicht, weshalb man hier einen anderen Maßstab anlegen soll.
Ich darf einige Worte zum Arbeitszeitproblem allgemein sagen. Man sollte die Frage der Arbeitszeit endlich von den Spruchbändern herunternehmen und sie einer Objektivierung zuführen. Man würde damit der Beruhigung der Diskussion um das Arbeitszeitproblem dienen. Ich würde es begrüßen, wenn die Regierung Veranlassung nähme, das Arbeitszeitproblem auf der Basis von wissenschaftlichen Untersuchungen einer Lösung zuzuführen, die dann tatsächlich als gerecht empfunden wird. Eine solche Lösung wird allerdings eine Differenzierung mit sich bringen, aber das wird dann eine gerechte Differenzierung sein.
Im übrigen kann die Frage, ob die 45-StundenWoche angestrebt werden soll, in gar keiner Weise strittig sein, wie ich eingangs schon gesagt habe. Strittig ist nur, wann dieses Ziel erreicht werden kann. Auf keinen Fall aber darf eine Leistungseinschränkung der Verwaltung damit verbunden sein.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß die Frage der Festlegung der Arbeitszeit in aller Ruhe und Sachlichkeit behandelt. Ich glaube, daß wir in dieser Weise auch hier unsere Gründe einander gegenüberstellen können.
Zunächst möchte ich hervorheben, daß unsere Haltung in dieser Frage keine Stellungnahme gegen die Bestrebungen der Wirtschaft bedeutet, auf dem Wege über Tarifverträge die Arbeitszeit zu verkürzen. Bei den Tarifverträgen stehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber einander gegenüber. Der Arbeitgeber macht je nach der Lage seiner Aufträge, seiner Kostenrechnung, seiner Preise usw. Zugeständnisse.
Eines ist in all diesen Auseinandersetzungen nicht genügend unterstrichen worden: daß der öffentliche Dienst der Allgemeinheit, den Staatsbürgern, den Einwohnern gegenüber verpflichtet ist, nicht etwa nur den Steuerzahlern; dabei will ich nicht verhehlen, daß die Verbrauchsteuern alle treffen. Der öffentliche Dienst ist der Allgemeinheit gegenüber verantwortlich. Im Bundesbeamtengesetz steht ausdrücklich - das ist nicht neu, sondern das ist überkommenes Recht -: Der Beamte dient dem ganzen Volke.
({0})
Das ist das, was hier an erster Stelle stehen muß. Das ist unsere Pflicht, und darin liegt unsere Verantwortung; das hängt auch mit der staatssittlichen Auffassung des Beamtentums zusammen.
Wir haben noch immer die Arbeitszeitverordnung. Darauf ist bei uns besonders hingewiesen worden. Diese Arbeitszeitverordnung kennt noch immer die 48-Stunden-Woche. Die Verordnung ermöglicht, von ihr in Tarifverträgen abzuweichen. Wir würden die ersten sein, die sie - ausgerechnet für den öffentlichen Dienst - auf gesetzlichem Wege ändern würden.
Wenn wir der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet sind, müssen wir die weitere Frage stellen, ob der Stand der öffentlichen Aufgaben so ist, daß es gerechtfertigt ist, die Forderung der Arbeitszeitverkürzung zu stellen.
({1})
Sie müssen doch zugeben, daß die Verwaltung und die Rechtsprechung heute in einem außergewöhnlichen Maße belastet sind. Angesichts dieser Belastung, die mit jedem größeren Gesetz immer wieder vermehrt wird, kann es nicht gerechtfertigt sein, jetzt an die Verkürzung der Arbeitszeit heranzugehen.
Der Herr Kollege Kühn hat darauf hingewiesen, daß sich ein Ausschuß des Bundestages mit der Frage der Vereinfachung und Verbilligung der
({2})
Verwaltung befaßt, ein Problem, das ich kenne, seit ich im öffentlichen Dienst stehe, das sehr leicht gelöst werden könnte, wenn die Regierungen und die Parlamente dazu entschlossen wären. Man kann nicht in einem Ausschuß des Bundestages die Frage der Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung beraten und andererseits durch eine Verkürzung der Arbeitszeit eine Vermehrung der Arbeitskräfte und damit eine Verteuerung der Verwaltung beschließen.
({3})
Es ist unbestreitbar, daß eine Vermehrung der Arbeitskräfte notwendig wäre. Über statistische Zahlen wird sehr leicht gestritten; das wissen wir. Zunächst verlangt man sie, und wenn sie dann nicht den Vorstellungen entsprechen, dann bezweifelt man sie. Bei einer so großen Belegschaft, wie sie die Bundesbahn und die Bundespost haben, ist ohne weiteres einzusehen, daß eine Vermehrung des Personals entsprechend der Verkürzung der Arbeitszeit eintreten müßte. Ob es sich nun um 25- oder 20 000 Personen handelt, ist jetzt nicht maßgebend. Es ist uns aber bewiesen worden, daß es sich allein bei der Bundesbahn um Mehrausgaben von etwa 150 Millionen DM handeln würde. Meine Damen und Herren, Sie kennen alle die Lage der Bundesbahn und der Bundespost. Die Bundesbahn muß jetzt über den Bundeshaushalt mit finanziert werden. Beide große Betriebe sind im Wiederaufbau begriffen und müssen bestrebt sein, technisch vollkommen auf der Höhe zu bleiben. Aber es handelt sich nicht nur um diese beiden Einrichtungen, sondern auch noch um die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, um den Wetterdienst und um die Flugsicherung; das sind alle durchlaufenden Dienste. Das muß man besonders unterstreichen.
Der Herr Kollege Kühn hat die verkürzten Arbeitszeiten in anderen Ländern hervorgehoben. Da ist die Sache genauso wie bei den Tarifverträgen. Zwischen der gesetzlichen Festlegung der verkürzten Arbeitszeit und der Wirklichkeit besteht häufig ein sehr großer Unterschied. Wir haben mit Beamten der Bahn verhandelt, die heute noch unter französischem Recht arbeiten. Diese haben uns gesagt: Wir haben die 40-Stunden-Woche, arbeiten aber 48 Stunden und erhalten für 8 Stunden Überstundenzuschläge. Meine Damen und Herren, das ist doch nicht der Sinn der Verkürzung der Arbeitszeit!
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- Meine Damen und Herren, wenn die Verwaltung das nicht nötig hätte, würde sie es wahrscheinlich anders machen; es liegen einfach finanzielle und wirtschaftliche Notwendigkeiten vor. Also, man muß diesen Zahlen gegenüber sehr vorsichtig sein.
Ich stelle die Frage: Können wir die Entwicklung voraussehen? Wissen wir nicht, daß unsere ganze wirtschaftliche Entwicklung von vielen Faktoren bestimmt wird?
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- Aber, Herr Kollege Matzner, die Suez-Affäre hat doch sofort sehr weitgehende wirtschaftliche Rückwirkungen gehabt.
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- Es hat seine Rückwirkungen auf die Preise.
Meine Damen und Herren, der Gemeinsame Markt kommt auf uns zu. Da wird es sehr schwierige Anpassungen geben.
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- Jedenfalls nicht mit Terminen, die man der Regierung stellt. Sie stellen doch hier obendrein noch Termine bis zu neun Monaten, und dabei kennen wir noch gar nicht die Entwicklung.
Das Gesetz hat eine Höchstarbeitszeit festgelegt. Wir haben auch eine Regelung getroffen, um den erforderlichen Schutz vor Überarbeitung zu gewähren. Und für die Bundesbahn haben wir die Zeit des Bereitschaftsdienstes von 72 Stunden auf 60 Stunden heruntergesetzt. Was überhaupt geschehen kann, haben wir beschlossen.
Ich möchte Ihnen aber noch eines sagen. Zu unserer laufenden Gesetzgebung bekommen wir Tausende von Briefen und Eingaben. In bezug auf die Arbeitszeit habe ich kein einziges Schreiben, außer von Verbänden, bekommen.
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Das eine möchte ich noch unterstreichen. Wir sind der Allgemeinheit gegenüber verpflichtet; das ist der Grundsatz. Der öffentliche Dienst dient dem ganzen Volk. Hier liegt das hauptsächliche Hindernis, um in einer Zeit der Überbeanspruchung der staatlichen Verwaltung und der Rechtsprechung, wenn auch nur gradatim binnen je neun Monaten, zu einer Verkürzung der Arbeitszeit überzugehen. Deshalb lehnen wir den Antrag ab und begrüßen es, daß in namentlicher Abstimmung darüber entschieden wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Kühn auseinandersetzen und besonders auf drei seiner Argumente eingehen. Herr Kollege Kühn hat eben gesagt, daß die Einführung der Arbeitszeitverkürzung in der allgemeinen Verwaltung keine Schwierigkeiten mit sich bringen würde. Darauf, Herr Kollege Kühn, würde Ihnen wahrscheinlich ein mit der Sache vertrauter Personalwirtschaftler sagen müssen: Gut, wenn das keine Schwierigkeiten macht, war bisher die Stelle überbesetzt!
({0})
Zum anderen haben Sie gesagt, Herr Kollege Kühn, die Bahn und die Post hätten erkennen lassen, daß sie sich bereits auf die Dinge einstellten. Es ist schon von den anderen Herren Vorrednern darauf hingewiesen worden, Herr Kühn, daß das nicht der Wahrheit entspricht. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Kühn, außerordentlich dankbar für die warmen Worte, die Sie heute für die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost gesprochen haben.
({1})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Matzner, das interessiert mich im Augenblick nicht, was Sie sagen.
({2})
({3})
Aber ich glaube, wir sollten uns hier gegenseitig genauso anhören, wie wir es im Ausschuß tun. Da nehmen Sie, Herr Matzner, dieses Recht für sich in Anspruch; hier gönne ich es Ihnen auch.
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- Herr Kollege Matzner, den ersten Antrag im Ausschuß für Beamtenrecht, hinsichtlich des § 72 Abs. 3 von der 72-Stunden-Woche zur 60-StundenWoche überzugehen,
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habe ich gestellt, und Sie, Herr Kollege Arnholz und Herr Kollege Matzner, haben geholfen!
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- Entschuldigen Sie! Ich habe den Antrag gestellt, und Sie haben geholfen.
({7})
- Entschuldigen Sie, Herr Arnholz; lassen Sie doch andere Leute auch mal sprechen!
In diesem Zusammenhang ist folgendes interessant. Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich aus dem Kurzprotokoll der 64. Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht einige Sätze verlese. Da steht:
Abg. Kühn ({8}) spricht sich gegen eine Streichung der Worte „nach Möglichkeit" aus. Den Betriebsverwaltungen sollte man vertrauensvoll eine gewisse Elastizität zugestehen. Manche Mißstände könnten auch durch eine bessere Organisation ausgeglichen werden. Was die 40-Stunden-Woche angehe, so könne der öffentliche Dienst damit keineswegs vorangehen.
({9})
Ich verstehe nun, Herr Präsident Kühn, nicht ganz
({10})
- ja, er ist für mich der Herr Präsident Kühn! -, wenn Sie sich auch heute halbiert haben, daß Sie sich wieder so warm dafür einsetzen.
({11})
- Ich habe es zunächst mit dem Herrn Präsidenten
Kühn, Herr Arnholz; nachher komme ich zu Ihnen!
({12})
- Ich weiß nicht, ob er darankommt!
Nun, Herr Präsident, haben Sie gesagt: Die Angaben, die uns von der Verwaltung gemacht worden sind, treffen in dieser Form nicht zu. - Ich finde es eigenartig - ich bitte, mir das zu entschuldigen -, daß ein höherer Beamter dem anneren nicht mehr traut.
({13})
Denn wir haben diese Angaben zu wiederholten Malen dort vorgetragen bekommen.
Als seinerzeit der Antrag gestellt worden ist, eine Begrenzung der Arbeitszeit einschließlich der Bereitschaftszeit vorzunehmen, haben sich die erschienenen Herren der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn, unter anderem auch Herr Präsident Hatje - er ist kein CDU-Mann und kein FDP-Mann -, mit aller Entschiedenheit gegen diesen Antrag gewandt.
Nun darf ich Ihnen aber folgendes sagen: Ich begrüße durchaus, daß man, sobald es möglich ist, die Sache macht. Aber mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung trifft man das Problem, beispielsweise bei der Bahn, nicht. Es ist nämlich so, wie es eben der Herr Kollege Hübner gesagt hat: Wenn Sie draußen in den Versammlungen herumkommen, werden Ihnen beispielsweise die Eisenbahner etwas ganz anderes vortragen. Sie werden auf die sogenannten Dienstdauervorschriften hinweisen. Durch die Eigenart des Eisenbahnbetriebes werden von diesen Dienstdauervorschriften 300 000 Menschen erfaßt, 180 000 Beamte und 120 000 Arbeiter. Ich bin mit meinen politischen Freunden der Meinung, bevor man eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung einführt, sollte man diese Dienstdauervorschriften einmal gründlich überprüfen.
({14})
Hier liegt für die Eisenbahn das Problem. Ich bin der Meinung, daß in der Zukunft, wenn irgendwelche Möglichkeiten durch Technisierung, durch Rationalisierung gegeben sind, Herr Präsident Kühn
({15})
- entschuldigen Sie, ich sage zum Herrn Kollegen Kühn Herr Präsident Kühn, ich weiß, was dem Mann gebührt -, hier etwas geschehen muß. Mein Hauptanliegen und auch das Hauptanliegen meiner politischen Freunde ist, daß hier hinsichtlich der Bereitschaftszeiten, insbesondere auch der Wendezeiten und der auswärtigen Pausen, etwas geschehen muß. Insbesondere hinsichtlich der Wechseldienstschichten und des unregelmäßigen Wechseldienstes im Früh-, Spät- und Nachtdienst muß eine Verbesserung erfolgen. Hier muß in der Zukunft angesetzt werden, bevor man das generell macht.
({16})
- Ja, natürlich, das können wir im Gesetz gar nicht befriedigend lösen. Das hat sich auch in der Diskussion ergeben. Wir werden zur dritten Lesung dieses Gesetzes einen entsprechenden Entschließungsantrag vorlegen. Uns kommt es darauf an, daß die Dinge dort angepackt werden, wo wirklich eine Revision notwendig ist.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Sornik.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE bejaht die Einführung der 45-Stundenwoche im öffentlichen Dienst. Die Ausführungen, die Herr Kollege Kühn zu dieser Frage gemacht hat, unterstreichen wir vollinhaltlich. Herr Kollege Brück, Sie haben jetzt in Ihren etwas erregten Ausführungen erklärt, daß wir uns bei dieser Diskussion der Ruhe befleißigen sollten. Ich glaube, der Herr Kollege Brück hat dafür kein Beispiel gegeben. Sie haben Ihre Ausführungen in sichtlicher Erregung gemacht.
({0})
Tragen Sie die Argumente in Ruhe vor, und Sie werden das Ziel genauso erreichen.
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Die Frage der 45-Stundenwoche ist für uns keine Frage mit dramatischen Akzenten. Denn niemand denkt daran, die 45-Stundenwoche von heute auf morgen einzuführen. Man soll sich vielmehr zweieinhalb Jahre Zeit dazu nehmen und den Abbau sukzessive bis zum Jahre 1959 durchführen. Die Länder haben für die Lösung dieser Frage drei Jahre Zeit. Daher kann man diese Frage wirklich ohne Erregung behandeln.
Nun ist es aber so, daß 7 Millionen Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft bereits zwischen 40 und 45 Stunden arbeiten. Weitere Millionen kommen in der Folgezeit hinzu. Die Tarifverträge im öffentlichen Dienst sind gekündigt. Was ist die Folge? Wenn die Gewerkschaften sich bezüglich der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst durchsetzen, entsteht eine Sogwirkung auf die Beamtenschaft, daß man im öffentlichen Dienst ganz einfach zur 45-Stundenwoche kommen muß. Denn Sie werden mir doch zugeben, daß es völlig unsinnig wäre, wenn die Angestellten und Arbeiter 45 Stunden und die Beamten 48 Stunden arbeiteten. Aber das ist ja eine Frage, die erst in drei Jahren spruchreif ist.
Wir denken nun nicht besonders daran, daß die Beamten des gehobenen oder des höheren Dienstes die Vergünstigung der 45-Stundenwoche erhalten sollen, obwohl diese natürlich wegen der Einheitlichkeit mit erfaßt würden. Aber die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes, die den größten Teil der Beamten darstellen und die die große Last der Arbeit in der Öffentlichkeit tragen, haben einen Anspruch darauf, in bezug auf die Arbeitszeit entlastet zu werden.
Darüber hinaus muß der Beamte, wenn es zwingende dienstliche Verhältnisse erfordern, ohnedies über die 45 Stunden hinaus arbeiten. Man muß doch im öffentlichen Dienst nicht unbedingt 48 Stunden arbeiten, um sein Pensum zu erledigen. Warum zwingt man denn den Beamten, unbedingt 48 Stunden als Mindestarbeitszeit in der Woche da zu sein? Gebe man ihm die 45-Stundenwoche, und hat er mehr Arbeit, dann wird er diese Aufgaben in weiteren Arbeitsstunden erfüllen müssen!
Herr Kollege Kühn hat sehr eindrucksvoll dargelegt, was in den europäischen Ländern an Arbeitszeit im öffentlichen Dienst gültig ist.
Vielfach hat man als wichtigen Gegengrund gehört - auch Herr Kleindinst hat diesen Grund aufgezeigt -, daß die Beamten vorangingen und daß man hier eine gesetzliche Regelung träfe, die an sich den Tarifpartnern vorbehalten sein sollte. Diese Begründung sehe ich nicht ein. Wenn man davon überzeugt ist, daß die Beamten des einfachen und mittleren Dienstes die Arbeitszeitentlastung brauchen, ist es gleichgültig, ob die Tarifpartner es machen oder der öffentliche Dienstherr.
Ein weiterer Gegengrund, der angeführt worden ist, ist der, daß man vom Nachholbedarf spricht. Ich habe diesen Einwand recht oft gehört. Ich muß Ihnen sagen, daß ich mir darunter nicht viel vorstellen kann. Man spricht von einem Nachholbedarf nach der Katastrophe von 1945. In welchen Ausmaßen will man denn das wiederherstellen, was einstens war? Stehen wir nicht vor vollkommen neuen Problemen? Einen Nachholbedarf gibt es für mich nur in der wissenschaftlichen Forschung. Da haben wir einen gewaltigen Nachholbedarf. Wir sind durch die unselige Hitlerzeit in der Entwicklung zurückgeworfen und haben in bezug auf Technisierung und Automatisierung sehr viel nachzuholen. Aber der Forscher ist nicht an eine bestimmte Arbeitszeit gebunden. Zur Automatisierung und zur Technisierung aber soll sich nun der öffentliche Dienst bequemen, wenn die 45-Stundenwoche eingeführt wird und die Rationalisierung aus diesem und jenem Grunde dringend notwendig wird.
Herr Kollege Platner hat auf die Treuepflicht des Beamten hingewiesen und hat von der Unmöglichkeit gesprochen, die Arbeitszeit zu verkürzen. Herr Kollege Platner, mit der Treuepflicht ist aber gleichzeitig die Fürsorgepflicht des Dienstherrn verbunden. Der Dienstherr, der in der Vergangenheit seinen Pflichten ganz gewiß nicht immer so genau nachgekommen ist, wie es für seine Beamten wünschenswert gewesen wäre, sollte daran denken, daß die überlasteten Beamtengruppen unter allen Umständen von der Überlast, von der übermäßigen Arbeitszeit befreit werden. Daß dies im Gefolge der Einführung der 45-Stunden-Woche sicherlich erreicht werden kann, ist unsere Überzeugung.
Herr Kollege Hübner hat darauf hingewiesen, es werde keineswegs bestritten, daß die 45-Stunden-Woche einmal kommt, daß es lediglich um den Zeitpunkt gehe. Herr Kollege Hübner, Sie sind nicht in der Lage, einen Zeitpunkt zu nennen. Wir sind der Ansicht, daß der Zeitpunkt im Zeichen des großen Wirtschaftswunders wohl da ist und daß es im Verlaufe von drei Jahren - es kommt ungefähr ein Dreivierteljahr für den Abbau jeweils einer Stunde in der Woche in Frage -, also bis zum Jahre 1959/60, möglich sein dürfte, die 45Stunden-Woche einzuführen. Da können Sie dagegen sein, wie Sie wollen; wir stehen im Sog einer sozialen Entwicklung, die man sozialen Fortschritt nennt; und ob Sie dagegen sind - die 45Stunden-Woche kommt doch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten nicht Bremser des Fortschritts sein. Wir möchten uns nicht den sozialen Forderungen der Gegenwart verschließen. Der Mensch steht für uns im Mittelpunkt der Erwägungen. Wir wissen um die großen Schwierigkeiten, die der kleine Mann zu tragen hat. Helfen wir ihm, indem wir die 45Stunden-Woche im öffentlichen Dienst einführen!
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Das Wort hat der Abgeordnete Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie zu diesem Problem einem alten Beamten einige ernste Bemerkungen. Ich sehe mit Sorge, daß unser Beamtentum, dem ich selber angehört habe wie mein Vater, mein Großvater und mein Urgroßvater und dem auch mein Sohn angehört, in wachsendem Maße an Ansehen und Achtung in der Bevölkerung verliert. Das ist nicht nur eine Frage des persönlichen Prestiges oder der persönlichen Eitelkeit für die Betreffenden, sondern das macht für die Wirksamkeit der staatlichen Verwaltung außerordentlich viel aus. Ein Beamter, der Achtung genießt, pflegt mit der Hälfte an Aufwand das zu erreichen, was ein anderer mit noch so viel Fleiß und noch so viel Bemühen nicht erreichen kann.
Es ist kein Zweifel - meine Damen und Herren, ich glaube, das aus sehr gründlicher eigener
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Erfahrung bestätigen zu sollen -, daß das sinkende Ansehen des Beamten auch darauf beruht - neben manchen anderen Ursachen -, daß zwischen der Arbeitszeit eines sehr großen Teils unserer Bevölkerung und derjenigen unserer Beamten eine erhebliche Differenz besteht. Ein Bauer, der seine vierzehn, fünfzehn Stunden am Tag arbeitet,
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der Handwerker, der Kleinhändler, der morgens um 4 Uhr aufstehen muß, damit er seine Waren einkaufen kann, der Kassenarzt und wen immer Sie nehmen - diejenigen Klassen, die nicht in der angenehmen Lage sind, die Verantwortung für verkürzte Arbeitszeit und höhere Löhne auf andere abschieben zu können, sehen mit zum Teil vielleicht unberechtigter Übertreibung, aber doch auch wiederum nicht ganz ohne Berechtigung, wie die Menschen, die von ihrem Arbeitsertrag mit unterhalten werden, sich das Leben immer bequemer gestalten möchten.
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Ja, das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, an der wir auch als Volksvertretung nicht vorübergehen sollten. Denn es ist unsere Sache, die von solcher Entwicklung berührt wird. Da können wir es uns, glaube ich, nicht so leicht machen, wie es unbegreiflicherweise Kollege Kühn gemacht hat. Er kommt aus demselben Stall, der alten preußischen Verwaltung, wie ich, und ich habe seinen Worten, ich kann nur sagen, mit großem Kummer zugehört.
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Wir können es uns nicht so leicht machen und sagen: Das glaube ich nicht, das wird schon irgendwie anders sein, das wird schon gehen, und man wird mit 45 Stunden wie mit 48 Stunden auskommen. Es ist hier schon mit Recht gesagt worden: wenn die innere Verwaltung mit 45 Stunden durchkommt, dann hat sie bisher verantwortungslos gehandelt, wenn sie nicht längst ihr Personal eingeschränkt hat.
Aber nun stehen wir, und gerade wir hier im Hause, nicht nur bei den Haushaltsberatungen, sondern auch bei anderen Gelegenheiten vor der Verpflichtung, unseren Apparat zu vermehren. Ja, wo bleibt denn da die Automation und die Technisierung und die Rationalisierung? Ich glaube, Sie zäumen das Pferd von hinten auf, Kollege Kühn.
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Erst wollen wir einmal rationalisieren und technisieren und automatisieren, und wenn sich herausstellen sollte, daß dabei wirklich Arbeitszeit gespart werden kann, dann werden wir die letzten sein, die unseren Beamten die Ergebnisse, die Erfolge dieser Entwicklung vorenthalten werden.
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Man kann aber nicht sagen: Das wird schon gehen, weil wir ja rationalisieren und automatisieren können. Erstens, Herr Kühn, entzieht sich ein sehr großer Teil der Beamtentätigkeit doch der Rationalisierung,
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und gerade die Tätigkeit der wertvollsten und
wichtigsten Beamten in allen Kategorien entzieht
sich der von Ihnen so gerühmten Rationalisierung.
Vielfach handelt es sich hierbei auch nur um Verschiebungen. Wenn man in der Verwaltung mit irgendwelchen Apparaten rationalisiert, wird die Tätigkeit nur an andere Stellen verschoben, und darin liegt keine echte Ersparnis. Ich glaube, wir können uns in unserem Staate angesichts der furchtbaren Lasten, die der Krieg hinterlassen hat und mit denen wir uns in diesem Hause täglich herumschlagen, doch nicht einfach sagen, wie es Herr Sornik so schön getan hat: Wir folgen einem allgemeinen Sog; das ist nun einmal sozial, und dem können wir uns nicht entziehen; selbst wenn wir nicht wollen, wird es ohne uns geschehen. Meine Damen und Herren, es ist unsere Aufgabe und unsere Pflicht, darüber zu entscheiden, und niemand anders kann uns das abnehmen.
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Dann noch eine zweite, nicht minder ernste Betrachtung. Es gibt ein gewisses optimales Verhältnis zwischen Arbeit und Ruhe. Es ist nicht so, daß es für den Menschen gut ist, wenn er immer weniger arbeitet und immer mehr ruht. Es gibt da gewisse gesetzliche Beziehungen.
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- Ja, Herr Kollege, glauben Sie mir: das ist so, und wenn es nicht so wäre, warum haben dann die Gewerkschaften das von mir geleitete Institut zusammen mit einigen anderen Verbänden mit dem Auftrag betraut, einmal zu untersuchen, welche Beziehungen da bestehen? Die Beziehungen sind sicherlich etwas verwickelt zu ergründen;
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1 aber sie können ergründet werden, und es scheint mir nicht sehr sinnvoll, daß man zwar ein derartiges Gutachten in Auftrag gibt, aber das Ergebnis des Gutachtens schon vorwegnimmt und sagt: Hier handelt es sich um einen Sog, dem wir uns nicht entziehen können. Meine Damen und Herren, die Völker sind zugrunde gegangen, die nicht mehr arbeiten wollten.
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Ob es sich um die Bezahlung und die Hilfe von fremden Sklaven gehandelt hat oder ob es sich um Automaten handelt, - ein gewisses Maß an Arbeit ist für den Menschen lebensnotwendig.
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Es mag sein, daß wir noch zuviel arbeiten; das lasse ich dahingestellt. Aber dieses Maß sollte einmal sehr gründlich, sehr gewissenhaft geprüft werden, und ich lehne es jedenfalls ab, einfach zu sagen: Es ist ein Sog, und dem können wir uns nicht entziehen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?
Bitte!
Herr Kollege Friedensburg, wollten Sie mit dem Hinweis „Völker, die nicht mehr arbeiten wollten, sind zugrunde gegangen" die Beamtenschaft vergleichen?
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Denn Sie haben das in diesem Zusammenhang gesagt.
Ich glaube, das in meinen Worten zu suchen, ist ganz abwegig. Aber ich komme auch schon zum Schluß, und Sie sind dann ja in der Lage, darauf zu antworten.
Meine Damen und Herren, ich möchte jedenfalls dringend bitten, daß wir hier in diesem Hause die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit gerade auch bei den Behörden zunächst einmal unter dem Gesichtspunkt der Auswirkung auf unsere Staatsfinanzen und auf die Leistung unserer Staatsbehörden untersuchen und daß wir auf diesem Gebiete im allgemeinen nicht so oberflächlich dahintreiben,
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wie es leider aus verschiedenen Äußerungen hier zu entnehmen war, sondern die sehr ernste Problematik dieser Frage eingehend prüfen, ehe wir uns auf solche Experimente einlassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Faller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute die Diskussion verfolge und sie mit der Diskussion vergleiche, die wir gestern über die Heiligung des Sonntags geführt haben, dann muß ich sagen: ich bin eigentlich sehr verwundert.
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Gestern haben Diskussionsredner aller Parteien erklärt, es sei selbstverständlich, daß die Arbeitszeit verkürzt werden müsse. Man hat uns von verschiedenen Seiten erzählt, welche Institutionen gemeinsam für eine Verkürzung der Arbeitszeit eintreten. Man hat hier Stellungnahmen der beiden Kirchen zitiert, die sich ebenfalls für eine Verkürzung der Arbeitszeit einsetzen. Gestatten Sie mir ein offenes Wort. Wenn ich der Diskussion folge, dann beschleicht mich das Gefühl, daß man hier wieder einmal einer Entscheidung aus dem Wege gehen will.
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Kollege Brück hat das klar und deutlich gesagt, indem er erklärt hat, Sie wollten in der dritten Lesung eine Entschließung annehmen. Wir kennen diese Art von Entschließungen, die man immer dann faßt, wenn man sich zu einem Problem nicht entscheiden will.
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Die Ausführungen des Herrn Kollegen Friedensburg zwingen mich, noch etwas dazu zu sagen. Er hat gemeint. man dürfe über ein solches Problem nicht so oberflächlich diskutieren. Herr Kollege Friedensburg, Sie können versichert sein, daß wir genauso ernst wie Sie alle diese Probleme durchdiskutiert und daß wir die Anträge erst dann gestellt haben, als wir überzeugt waren, daß das auch in der Praxis durchzuführen ist.
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Nun steht das Problem nicht erst seit gestern und heute zur Debatte. Seit Jahren diskutiert man darüber, ob die Arbeitszeit auch im öffentlichen Dienst verkürzt werden soll. Wenn Sie, Herr Kollege Friedensburg, meinen, der Beamte verliere zusehends an Ansehen, weil die Öffentlichkeit
zwischen dem schwerarbeitenden Landwirt oder dem Einzelhändler, der frühmorgens beginnen müsse, und dem Beamten Vergleiche anstelle, dann geben Sie doch zu der Zwischenbemerkung meines Kollegen Arnholz Anlaß, der gefragt hat, ob Sie mit diesen wenig Arbeitenden die Beamten gemeint haben. Sie sagen doch, hier verliert der Beamte an Ansehen, weil der andere ihn als denjenigen betrachtet, der nicht so viel oder nicht genügend zu arbeiten braucht.
Herr Kollege Brück, ich bin mit Ihnen völlig einig, daß die Frage der Dienstdauervorschriften eine der wichtigsten Fragen ist. Aber Sie wissen genau, daß die Gewerkschaft, der wir beide angehören, seit Jahren den Kampf um die Änderung dieser Dienstdauervorschriften führt und es leider bisher nicht gelungen ist, diese Änderung zu erreichen. Wir haben hier gesetzliche Beschlüsse zu fassen und nicht die Verwaltung auf irgendwelche Fehler hinzuweisen und zu verlangen, sie solle der Regelung folgen, die hier gesetzlich getroffen worden ist.
Ich darf noch einmal auf das Problem selbst zurückkommen. Mir geht es in erster Linie um die Beamten der großen Betriebsverwaltungen. Betrachten wir einmal, was dort geschieht. Kollege Brück, Sie wissen genauso wie ich, daß die 48Stunden-Woche bei der Bundesbahn auch etwas bedeutet und der 8-Stunden-Tag heute leider nur in sehr kleinem Umfang verwirklicht ist. Ich darf feststellen, daß z. B. für das fahrende Personal wohl ein 8-Stunden-Tag festgesetzt worden ist - reine Arbeitszeit -, daß aber das fahrende Personal eine Ausbleibezeit - und das nicht nur in Einzelfällen, sondern in einem großen Ausmaß - von 12 Stunden täglich hat, d. h. vom Antritt des Dienstes bis zum Schluß des Dienstes. Wir haben gerade in dieser Sparte von Beamten leider eine sehr frühe Invalidität und eine sehr frühe Pensionierung zu verzeichnen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil eine starke Überlastung dieser Gruppe zu verzeichnen ist.
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Nun zu den Zahlen, die immer wieder in den Vordergrund gestellt werden. Meine Damen und Herren, mit Zahlen läßt sich bekanntlich trefflich streiten.
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Ich will Ihnen ein praktisches Beispiel sagen. Ich kann Ihnen den Nachweis sofort erbringen, daß in einem Bahnbetriebswerk, das ich sehr genau kenne, in diesen Tagen 18 % der Belegschaft auf Grund der Maßnahmen freigestellt werden, die durchgeführt wurden, nämlich auf Grund der Elektrifizierung und Verdieselung.
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Und das ist nicht nur in diesem einen Bahnbetriebswerk der Fall, weil sich diese Maßnahmen ja auf das ganze Bundesgebiet erstrecken. Überall muß dann Personal freigestellt werden, das dann an anderen Orten eingesetzt werden kann, wenn die Arbeitszeitverkürzung Platz greift. Sie winken ab, Herr Kollege Brück. Sie können anderer Meinung sein. Aber das sind die Tatsachen, die ich festgestellt habe. Man stellt immer die starke Personalanforderung in den Vordergrund, um wirkliche Maßnahmen zu verhindern.
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Herr Kollege Brück, Sie haben gesagt, die Verwaltung habe nicht zugegeben, daß die Einführung der 45-Stunden-Woche möglich sei.
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- Die Verwaltung hat ausdrücklich erklärt, daß es nicht möglich sei, die 45-Stunden-Woche sofort einzuführen, daß die Einführung durchaus möglich sei, wenn sie auf einige Jahre verteilt würde.
({9})
Und genau das, was die Hauptverwaltung hier zugestanden hat, daß es im Verlaufe einiger Jahre durchaus möglich sei, die 45-Stunden-Woche einzuführen, steht in dem Antrag, den wir hier gestellt haben.
Herr Kollege Kühn hat bereits einen Vergleich mit dem Ausland angestellt. Ich kann mir das deshalb ersparen. Ich möchte aber zum Schluß doch noch einmal auf die gestrige Diskussion verweisen und Sie alle bitten, es durch die Zustimmung zu diesem Antrag auch den Eisenbahnern endlich einmal zu ermöglichen, ein Familienleben zu führen, wie wir es uns alle vorstellen. Wir wollen ihre Arbeitszeit endlich so gestalten, daß auch ihnen ein freier Sonntag zur Verfügung steht und sie ihren Pflichten als Familienväter nachkommen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kortmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es erscheint mir notwendig, noch einmal auf einen Gesichtspunkt zu sprechen zu kommen und damit von vornherein der Gefahr einer Mißdeutung unserer Haltung zu begegnen. Anscheinend will man uns, weil wir den Antrag auf Arbeitszeitverkürzung ablehnen, in den Verdacht bringen, wir seien überhaupt gegen eine Besserung der Arbeitsverhältnisse. Auch wir sind nicht gegen eine Arbeitszeitverkürzung, wenn sie sich im Zuge der allgemeinen Entwicklung als berechtigt erweist. Wir werden selbstverständlich jede Maßnahme ergreifen, die sich aus der Entwicklung ergibt. Aber wir sind der Meinung, daß wir in dieser Beziehung von der Entwicklung der Gesamtwirtschaft und der gesamten soziologischen Verhältnisse abhängig sind. Wenn im Zuge dieser Entwicklung in der Privatwirtschaft generell eine Verkürzung der Arbeitszeit eintreten kann, sollen nach unserer Meinung selbstverständlich auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes davon nicht ausgeschlossen sein. Vielmehr sollen auch ihnen dann die entsprechenden Verbesserungen zugute kommen. Wir glauben allerdings in aller Deutlichkeit sagen zu müssen, daß nach unserer Meinung nicht ausgerechnet der öffentliche Dienst auf diesem Wege vorangehen kann.
({0}) - Jawohl geht er voran das wissen Sie selber!
Außerdem würden wir. wenn wir diesem Antrage stattgäben und diesen Paragraphen in das Gesetz hineinbrächten. das Kuriosum erleben, daß die erste gesetzliche Festlegung einer Verkürzung der Arbeitszeit ausgererechnet im öffntlichen Dienst erfolgt. Denn bisher ist eine solche gezetliche Festlegung noch auf keinem Gebiet erfolgt Wo bisher eine Verkürzung der Arbeitszeit durchgeführt
worden ist, da ist dies im Wege der Tarifverhandlungen zwischen einzelnen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vereinbart worden.
Ich glaube, es ist notwendig, auch folgendes einmal auszusprechen. Wenn es so ist, wie mir berichtet worden ist, daß noch heute im deutschen Bergbau Untertagearbeiter 45 Stunden und ihre Kollegen über Tage 48 Stunden arbeiten, dann sollte man daran abmessen, welche Wirkungen es haben würde, wenn wir jetzt mit einem Schlage im öffentlichen Dienst zur 45-Stunden-Woche übergehen wollten.
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Ich möchte Sie selber mal fragen, was Ihre Kollegen, die aus der schwer arbeitenden Industrie kommen, zu einer solchen Lösung im Augenblick sagen würden.
Nun wende ich mich an Herrn Kollegen K ü h n. Ich bin der Meinung, daß selbst in der Beamtenschaft diese Frage heute mit sehr geteilten Gefühlen gesehen wird. Jedenfalls wenn ich aus meiner eigenen Erfahrung spreche, kann ich nur sagen, daß ich in allen Gesprächen und Versammlungen, die ich in der letzten Zeit gerade auch unter Beamten geführt habe, immer wieder erlebt habe, daß die Verkürzung der Arbeitszeit für sie absolut nicht im Vordergrund des Interesses steht. Das ist durchaus zu verstehen. Was die Beamtenschaft will und was sie mit Recht fordert, ist, daß ihre Lebensverhältnisse an die allgemeinen heutigen Lebensverhältnisse angeglichen werden. Wir wünschen uns mit aller Macht, gerade dieses Ziel zu erreichen. Sie wissen, daß neben diesem Beamtenrechtsrahmengesetz augenblicklich auch die Verabschiedung des Beamtenbesoldungsgesetzes vorbereitet wird. Man tut den Beamten im Augenblick im Volke keinen besonderen Dienst, wenn man daneben auch noch die Frage der Arbeitszeit in den Vordergrund schiebt.
({2})
Ich möchte zum Schluß wiederholen, was ich am Anfang gesagt habe. Ich möchte von vornherein dem begegnen, daß uns nachher etwa gesagt wird, wir wendeten uns gegen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst schlechthin.
({3})
Davon kann nicht die Rede sein, und wenn das gesagt wird, dann entspricht das einfach nicht den Tatsachen.
({4})
Ich bitte Sie dringend, meine Damen und Herren, den Antrag abzulehnen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine persönliche Bemerkung zuvor. Ich stamme selber aus der alten, kleinen Welt, die mein Kollege und Freund Friedensburg soeben apostrophiert hat. In dieser alten, kleinen Welt war es üblich, daß, wenn ein Mensch fleißig gewesen war, ihm als Lob das Prädikat ausgestellt
({0})
wurde: „Er hat sich zu Tode gearbeitet." Ich persönlich habe mich in dieser Hinsicht dieser Welt etwas entwunden und suche einen Kompromiß mit einer gewissen Lebensfreude herzustellen. Das hat mich denn auch dazu geführt, daß ich gestern dem Herrn Präsidenten einen Brief geschrieben habe, als mir die Arbeitszeit zu lang wurde, ich sei kein nietzschescher Übermensch, und jetzt machte ich Schluß.
({1})
Aber nur ein ernsteres Wort. Ich kann hier nicht von den großen Betriebsverwaltungen der Post und der Bahn sprechen, denn davon verstehe ich zuwenig; höchstens daß ich mal Briefmarken kaufe und Fahrgast der Eisenbahn bin.
({2})
Ich spreche wohl auch kein unbekanntes Wort aus, wenn ich sage, daß in vergangenen Zeiten die Unterbringung von Arbeitskräften vornehmlich des einfachen Dienstes bei Bahn und Post eine Art produktive Erwerbslosenfürsorge dargestellt hat. Das ist heutzutage nicht mehr möglich; der Mangel an Arbeitskräften verbietet es.
Ich möchte einiges über Fragen gewisser Hoheitsverwaltungen sagen, vor allen Dingen der allgemeinen inneren Verwaltung, Herr Kühn, der Kommunalverwaltung und der Finanzverwaltung. Meine Damen und Herren, das Arbeitsquantum dieser Hoheitsverwaltungen richtet sich vornehmlich nach dem, was in diesem Saale in der Gesetzgebung beschlossen wird.
({3})
Die öffentlichen Funktionen machen unter Umständen einfach ein erhöhtes Arbeitsquantum und eine erhöhte Arbeitszeit notwendig. Verlorene Kriege und in ihrem Gefolge die Zerstörungen des Geldeigentums-damit das Gebot erhöhter Staatsvorsorge - vermehren einfach die öffentlichen Funktionen. Damit ist eine Rückkehr zu romantischen Vorstellungen, wie sie mir manchmal auf dem platten Lande entgegengebracht werden, nicht mehr möglich. Es sind romantische Vorstellungen, wenn da z. B. gesagt wird: Früher saß auf dem Landratsamt der Landrat und ein Sekretär oder ein Assistent dazu. Eine Schreibkraft hat er auch niemals gehabt. Das tat er mit der Hand. Heute sitzen da soundso viele Beamte. Das sind Vergleiche an ungleichartigen Objekten; denn dazwischen liegen zwei verlorene Kriege mit ihren entsetzlichen Folgen, insgesamt einer verstärkten und vermehrt en Staatsvorsorge.
Aber was wir in diesem Hohen Hause manchmal beschließen, scheint mir über das hinauszugehen, was eine solche - auch verstärkte - Staatsvorsorge notwendig macht. Wir sind nämlich allmählich dabei, jeden Vorgang des menschlichen Zusammenlebens durch zwingendes Recht zu regeln,
({4})
ob das nun der Ladenschluß ist, ob es die Berufsordnung ist - damit spreche ich vornehmlich Freunde aus meiner Partei an - oder ob es nun die anderen Dinge aller Art sind, die hier zu nennen wären. Meine Damen und Herren, zwingendes Recht schafft vermehrte Verwaltungstätigkeit. Ich brauche Ihnen aus den letzen Monaten ja wohl nur das Beispiel der Steuergesetzgebung vor Augen zu führen, wo Gesichtspunkte in die Steuergesetzgebung hineingetragen wurden, die mit Abgabewesen überhaupt nichts mehr zu tun haben.
Ich möchte also folgendes feststellen: Es ist im wesentlichen Schuld des Gesetzgebers - und das sind wir -, wenn die Arbeitszeiten in den Hoheitsverwaltungen, die unsere Gesetze durchführen sollen, noch nicht in dem entsprechenden Maß gekürzt werden konnten. Wir sind mit unserer Gesetzgebung auch die Ursache dessen, daß eine Verwaltungsvereinfachung, wie sie soviel beredet wird, noch nicht in genügendem Umfang durchgeführt werden konnte. Denn das Thema der Verwaltungsvereinfachung ist kein organisatorisches, sondern vorwiegend ein funktionales Problem.
({5})
Ein allgemeines Schlußwort dazu: Wer ständig die Verwaltungsfunktionen durch zwingendes Recht, durch eine Vermehrung der entsprechenden Gesetzgebung kompliziert, verliert das moralische Recht, für eine Arbeitszeitverkürzung in den Hoheitsverwaltungen einzutreten. Mögen wir uns doch dieses Schuldeingeständnis zur Richtschnur machen! Ich glaube, wir machen uns und den Verwaltungsbeamten die Arbeit leichter.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich frage, ob sich der Antrag auf namentliche Abstimmung nur auf Ziffer 1 des Antrags Umdruck 1017*) bezieht. Ich nehme an, daß der Antrag so zu interpretieren ist.
({0})
- Also zwei getrennte Abstimmungen? Sie können nicht zwei Anträge in einer Abstimmung erledigen, denn der eine kann so und der andere so abstimmen wollen. Ich glaube, wir kommen eher zum Ziel, wenn ich erst über Ziffer 1 abstimmen lasse.
({1})
- Sie hängen inhaltlich natürlich zusammen. Aber wie Sie wollen.
Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung genügend unterstützt? - Diejenigen, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen, bitte ich, sich zu erheben. - Der Antrag ist genügend unterstützt.
Ich bitte die Stimmkarten einzusammeln. - Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich hiermit die Abstimmung.
Ich gebe das Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt. Es wurden 362 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten und 14 Stimmen von Berliner Abgeordneten abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 154 stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete, mit Nein 202 stimmberechtigte und 6 Berliner Abgeordnete; enthalten haben sich 6 stimmberechtigte und 2 Berliner Abgeordnete. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich komme nun zur Abstimmung über den § 139 in der Fassung der Ausschußvorlage. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
*) Siehe Anlage 13 **) Vgl. Seite 11695
({2})
- Bei Nichtteilnahme einer Anzahl Abgeordneter an der Abstimmung angenommen.
({3})
Ich rufe auf die §§ 139 a, - 140, - 141, - sowie die Einleitung und die Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Damit ist die zweite Lesung beendet.
Wir treten in die
dritte Lesung
ein. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe das ganze Gesetz von § 1 bis § 141 mit Einleitung und Überschrift auf. Wer dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
In dem Antrag des Ausschusses ist ein zweiter Punkt enthalten, der besagt, mit der Annahme dieses Gesetzes die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären. Ich darf die Abstimmung dahin interpretieren, daß dem auch zugestimmt wird.
Es liegt ferner vor ein mir eben überreichter Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, DP ({4}) zur dritten Beratung des Entwurfs eines Ersten Beamtenrechtsrahmengesetzes - Drucksachen 3363, 1549 -:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag ersucht die Bundesregierung, zu veranlassen, daß die bei der Deutschen Bundesbahn geltenden Dienstdauervorschriften ({5}) einer Prüfung unterzogen werden, obwohl die wöchentliche Arbeitszeit einschließlich der Dienstbereitschaft eine Begrenzung auf sechzig Stunden erfahren hat.
Dann folgen die Unterschriften.
({6})
- Deshalb habe ich ihn vorgelesen.
({7})
- Ich dachte, es käme ein formeller Einwand, weil wir ja an sich die dritte Lesung geschlossen hatten; aber ich darf annehmen, da die Entschließung in der zweiten Beratung schon in einer Rede angekündigt worden ist, daß von dem Einwand abgesehen wird. Ich lese also den materiellen Inhalt der Entschließung noch einmal vor: der Deutsche Bundestag ersucht die Regierung, zu veranlassen, daß die bei der Deutschen Bundesbahn geltenden Dienstdauervorschriften einer Prüfung unterzogen werden, ob die wöchentliche Arbeitszeit einschließlich der Dienstbereitschaft eine Begrenzung auf sechzig Stunden erfahren hat. Die Bundesregierung, d. h. der Bundesverkehrsminister, soll also ersucht werden, sich mit der Bundesbahn in Verbindung zu setzen. um die Verwirklichung dieses Petitums zu erreichen.
Wird das Wort zu diesem Entschließungsantrag gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen zu Punkt 27 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der knappschaftlichen Rentenversicherung ({8}) ({9})
Ich rufe auf zur Generaldebatte. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Generaldebatte.
({10})
Änderungsanträge liegen auf dien Umdrucken 1022 und 1023 vor, ferner ein Entschließungsantrag auf Umdruck 1020.
({11})
Meine Kolleginnen und Kollegen, es wird mir soeben von einem Kollegen mitgeteilt, daß einige Kollegen, die in der Generaldebatte zur dritten Lesung hätten sprechen wollen, außerhalb des Saales gewesen seien
({12})
- aber, meine Damen und Herren, lassen Sie mich doch erst einmal ausreden; wir wollen doch nicht alles in einer solchen Erregung machen! - und daß die im Saal anwesenden Kollegen die anderen hätten benachrichtigen sollen; es betreffe sowohl die eine Partei als auch die andere Partei. Es sind mir auch die Namen der in Aussicht gewesenen Redner genannt worden. Ich bin formell nur dann in der Lage, in eine Generaldebatte noch einmal einzutreten, wenn das Haus seine Zustimmung erteilt.
({13})
- Mit Nein und Ja ist mir nicht gedient; ich lasse darüber abstimmen. Wer aus Entgegenkommen gegen die Kollegen dafür ist, daß in die Generaldebatte eingetreten wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Ergebnis der Abstimmung ist unklar. Ich bitte diejenigen, die eine Generaldebatte noch bewilligen wollen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte, jetzt bei der Gegenprobe ebenso zu verfahren. - Ich danke Ihnen. Das Präsidium ist einig, daß das letzte die Mehrheit war.
({14})
Ich bin also leider nicht in der Lage, in die Generaldebatte einzutreten.
Wir kommen jetzt nur zur Einzelberatung der vorliegenden Anträge.
Der erste Antrag liegt zu § 44 vor, und zwar auf Umdruck 1023*) Ziffer 1. Wird der Antrag begründet? - Bitte schön, Herr Kollege!
({15})
- Der Kollege begründet gleichzeitig auch den Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 1023.
*) Siehe Anlage 14.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gestern schon in einer scharfen Debatte über die §§ 45 und 49 wegen der einschränkenden Bestimmungen gegenüber dem jetzt geltenden Recht gesprochen worden. Den Knappschaftssold erhalten bis jetzt alle Bergarbeiter, die, wie es heißt, wesentlich bergmännische Arbeitenausüben. Wir Sozialdemokraten haben gestern in der zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfs beantragt, diese Voraussetzung zur Erlangung des Bergmannssoldes als eine Voraussetzung bei der Wartezeit für die Bergmannsrente in § 49 Abs. 2 einzusetzen. Die Mehrheit dieses Hauses hat das leider abgelehnt. Dadurch, daß mit diesem Gesetz durch die Bergmannsrente der Bergmannssold fortfällt, werden - die Zahl ist gestern schon mehrfach genannt worden - 60 000 bis 70 000 Bergarbeiter unter Tage, die keine Hauerarbeiten oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichten, keinen Sold erhalten. Sie erhalten also in Zukunft nichts. Ich frage Sie, wo es bisher der Fall gewesen ist, daß eine gewährte Leistung ersatzlos gestrichen wird, noch dazu im Bergbau. Sie können sich vorstellen, daß bei den Bergarbeitern darüber nicht eitel Freude herrscht. Großer Unmut ist gezeigt, und harte Worte darüber sind in Bergarbeiterkreisen und -versammlungen schon gefallen.
Hier möchte ich ein Wort an den Kollegen Scheppmann richten. Herr Kollege Scheppmann, man spricht davon, daß z. B. ein Holzsteiger oder Staubsteiger nach dieser Vorlage eine Bergmannsrente erhalten könnte. Aber die mit solchen Arbeiten betrauten Arbeiter würden sie nicht erhalten. Vertun wir uns nicht! Die Untertagebelegschaft ist eine Schicksalsgemeinschaft. Wenn der Tod in Form von Explosionen und Schlagwetterexplosionen kommt, fragt er nicht danach, wer es ist. Aber ein paar Tage später kann man wieder hören, was noch für den Bergarbeiter getan werden muß. Wir sind daher der Ansicht, daß für diesen Personenkreis das alte Recht in Form von Bergmannssold wiederhergestellt werden sollte.
In diesem Zusammenhang müssen wir noch eine andere Frage beachten. Gleichgültig, ob es 60 000 oder 50 000 sind, entsteht hier dann doch wahrscheinlich, da ein bisheriges besonderes Vorrecht für diesen Personenkreis fortfällt, ein Trend nach Übertagearbeit. Oder man kann umgekehrt sagen, daß in Zukunft weniger, zum Teil sogar Fachleute und Facharbeiter, geneigt sind, solche Tätigkeiten unter Tage auszuüben. Im Ausschuß wurde schon auf die unterschiedlichen Tätigkeitsmerkmale hingewiesen.
Unser Anliegen ist es, daß der Bergmannssold für diesen Personenkreis wie bisher erhalten wird. Es geht um die Wahrung des bisherigen Rechtsstandes. Unser Änderungsantrag auf Umdruck 1023 geht dahin, in § 44 vor Nr. 1 eine neue Nr. 01 einzufügen, wonach auch Knappschaftssold gezahlt werden kann, während ein neuer § 44 a zum Ausdruck bringen soll, daß auch dieser Personenkreis unter denselben Bedingungen wie bisher, wenn nämlich eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten zurückgelegt ist und während dieser Zeit mindestens 180 Kalendermonate wesentlich bergmännische Arbeit verrichtet wurde, Knappschaftssold erhält. Ich glaube, daß auch Sie - hier spreche ich bewußt und besonders die Mehrheit dieses Hauses an - mit uns der Auffassung sein können, daß das bisherige Recht für diesen Personenkreis auch im neuen Gesetz verankert werden sollte. Es geht also darum, daß ein bisher gültiges Recht nicht abgebaut, sondern weiter gewährt wird.
Ich bitte hierfür um Ihre Zustimmung. Darüber hinaus beantrage ich für meine Fraktion namentliche Abstimmung.
Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache. - Herr Scheppmann hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Änderungsantrag beantragt die SPD-Fraktion, daß der Bergmannssold wiederum eingeführt wird. Ich darf dazu folgendes sagen.
Wir haben in dem neuen Gesetzentwurf, den wir gestern in zweiter Lesung beraten haben, eine Vielart von Renten festgelegt. Wir kennen nach dem Entwurf, der gestern in der zweiten Beratung verabschiedet wurde, einmal die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Wir kennen die Bergmannsrente, die nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 gegeben werden soll, wenn der betreffende Versicherte 50 Jahre alt ist, 300 Beitragsmonate nachweisen kann und in dieser Zeit 15 Jahre Hauertätigkeit bzw. Tätigkeiten, die der Hauerarbeit gleichgestellt sind, verrichtet hat. Außerdem haben wir in § 46 des Gesetzes die Berufsunfähigkeitsrente, die gegeben wird, wenn der Versicherte mehr als 50 % arbeitsunfähig ist, mit 1,2 % Steigerungsbetrag, wenn er im Betrieb verbleibt, und mit 2 % Steigerungsbetrag, wenn er aus dem Betrieb ausscheidet. Sodann kennen wir nach dem Gesetz die Erwerbsunfähigkeitsrente mit dem Steigerungsbetrag von 2,5 %, außerdem das Knappschaftsruhegeld generell bei 65 Jahren mit dem gleichen Steigerungsbetrag und bei den besonderen Voraussetzungen für diejenigen, die Hauerarbeiten und diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet haben, bei 60 Jahren. Wir haben dann noch die besondere Bestimmung, daß der Personenkreis, der durch Krankheit oder Unfall verhindert war, die 15jährige besondere Tätigkeit der Hauer-arbeit oder der gleichgestellten Arbeit zu verrichten, diese Zeit angerechnet erhält, um die Alterspensionen zu bekommen.
Nun wird hier ein neuer Antrag eingebracht, daß der Knappschaftssold wieder eingeführt werden soll, der ursprünglich nie eine Leistung im Knappschaftsrecht gewesen ist und der 1942 aus kriegsbedingten und anderen Gründen eingeführt wurde. Man hat damals dem Bergmann das Recht genommen, auf Antrag eine Rente zu bekommen, und hat deshalb damals den Bergmannssold auf 50 Mark, später auf 60 Mark festgesetzt. Dabei war der Ausschuß, Herr Kollege Bergmann, einstimmig der Meinung, daß der Knappschaftssold abgeschafft werden soll.
({0})
Ich darf noch erwähnen, daß sowohl bei der Industriegewerkschaft Bergbau als auch im Rechts- und
Grundsatzausschuß der Arbeitsgemeinschaft der
westdeutschen Knappschaften zwischen den Sozialpartnern die einstimmige Auffassung bestand, den
Knappschaftssold endgültig zu beseitigen. Und
warum? Nun, ich will es gleich sagen: weil dieser
Knappschaftssold eine Ungerechtigkeit bedeutete,
weil - wie ich gestern bereits sagte - der
Mann, der mit 25 Jahren die Arbeit im Bergbau aufnahm und die Voraussetzung der wesentlich bergmännischen Arbeiten erfüllte, mit 50 Jahren den Betrag bekam und der andere Versicherte,
({1})
der - wie es allgemein im Bergbau ist - schon mit 16 Jahren anfing, mit 50 Jahren, also nach 34 Versicherungsjahren, den gleichen Satz bekam. Diese Ungerechtigkeit haben wir beseitigt. Wir haben den Knappschaftssold aber auch wegen des Versicherungsprinzips beseitigt; wir sind der Meinung und werden sie auch weiterhin vertreten, daß die Rente, die bis dahin erdient ist, dann auch gezahlt werden soll.
So ist gestern beschlossen worden. Wir sehen uns aus den dargelegten Gründen nicht in der Lage, dem Antrag der SPD zuzustimmen. Es ginge meines Erachtens viel zu weit, wollte man jetzt, nur um irgendeinem Personenkreis, der keine Hauerarbeit und keine der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeit verrichtet, irgendetwas zu geben, hier beschließen, ({2})
- Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Professor Schellenberg. Wir haben in ganz bewußter Absicht den Knappschaftssold abgeschafft und an seine Stelle die Bergmannsrente nach Abs. 1 Nr. 2 gesetzt. Man kann also gar nicht davon reden, „die Rechte zu erhalten"; wir haben ja etwas mehr getan: daß dann der Mann den errechneten Betrag seiner Rente bekommt. Ich habe Ihnen gestern schon nachgewiesen, daß in diesem Falle nicht 60 DM gezahlt werden, sondern fast das Doppelte - zu dem vollen Einkommen. Der Mann ist nicht mehr gezwungen, irgendeine andere Tätigkeit zu verrichten.
({3})
- Dann will ich Ihnen sagen, daß das nicht stimmt. Wenn hier von 30% dieser Beschäftigten geredet worden ist, dann sage ich Ihnen aus der Kenntnis der Dinge, daß die meisten dieser Beschäftigten all die Voraussetzungen erfüllt haben.
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Man kann hier nicht einfach von einem Prozentsatz reden. Ich bin der festen Überzeugung, daß diejenigen Beschäftigten, die nach dem alten Recht Anspruch auf den Knappschaftssold haben, fast ausnahmslos auch das Recht auf die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 haben.
Ich sage nochmals ganz ausdrücklich: Es liegt in unserem Willen, den Mann, der echte bergmännische Arbeit leistet, also den Mann am Kohlenstoß und denjenigen, der die echten bergmännischen Arbeiten leistet, die der Hauerarbeit gleichgestellt werden, besonders herauszustellen. Man kann den Mann, der diese schwere, gesundheitsgefährdende Arbeit verrichtet, nicht mit anderen gleichstellen, die diese schwere, gefährliche Arbeit nicht verrichten.
Ich bitte daher, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen die Debatte von gestern nicht wieder aufgreifen. Deshalb haben wir die Anträge, die wir gestern gestellt haben, nicht wiederholt. Es handelt sich jetzt auch nicht um den Antrag, den wir gestern gestellt haben. Gestern wollten wir den Begriff der Hauer- und der hauerähnlichen Tätigkeit durch den Begriff „im wesentlichen bergmännisch" ersetzen. Nachdem das Hohe Haus unsern Änderungsantrag gestern abgelehnt hat, wollen wir ihn heute nicht wieder aufgreifen. Wir sind aber davon überzeugt, daß wir dem davon betroffenen Personenkreis, der nach bisher geltendem Recht einen Anspruch wenigstens auf den Knappschaftssold hatte, diesen Rechtsanspruch auch weiter erhalten müssen. Allein aus diesem Grunde haben wir und hat mein Kollege Bergmann diesen Änderungsantrag gestellt.
Wenn Herr Scheppmann nun als Grund für die Abiehnung u. a. ausführt, daß dadurch die Zahl der Rentenarten erhoht würde, dann meine ich demgegenüber, daß es nicht auf die Zahl der Rentenarten, sondern auch bei dieser Frage auf den Menschen im Bergbau ankommt, der davon günstig oder ungünstig betroffen wird. Weiter wird gesagt, es stimme nicht, was der Kollege Bergmann gesagt hat; die Zahl sei nicht so groß, wie er sie genannt hat. Sie, Herr Scheppmann, haben in Ihrem Artikel davon gesprochen, daß rund 20 % der unter Tage Beschäftigten nicht in den Genuß dieser Bergmannsrenten kommen. Wenn man sich aber die Zahl der unter Tage Beschäftigten ansieht, dann kommt man nach Ihrer Aussage, daß es 20% seien, zu dem Ergebnis, daß 60- oder 70 000 Menschen davon ausgeschlossen werden. Es hat doch keinen Sinn, meine Damen und Herren, hier Tatsachen zu verdrehen. Die Zeitschrift „Bergbau und Wirtschaft", das Organ der Industriegewerkschaft Bergbau, hat in ihrer Februarnummer davon gesprochen, daß die Untertagebelegschaft nur im Ruhrbergbau Ende 1956 rund 306 700 Bergleute betragen hat, darunter 171 726 Hauer, so daß 134 973 Schichtlöhner übrigbleiben. Zugegeben, daß ein Teil dieser Schichtlöhner die Voraussetzungen der Hauerzeit aufzuweisen hat. Das gebe ich unumwunden zu. Der Personenkreis ist nicht so groß, wie er hier angenommen oder angegeben wird. Dennoch stimmt es, daß wenigstens 20 % dieser Menschen keine Hauertätigkeit aufzuweisen haben, also weder in den Genuß der Bergmannsrente nach neuem Recht kommen noch den Knappschaftssold nach altem Recht behalten, und darauf kommt es an.
Wenn es sich um den Bergmann, auch um den unter Tage beschäftigten Schichtlöhner, handelt, dann darf man in den Ablehnungsgründen es nicht auf die Zahl der Rentenarten abstellen. Meine Damen und Herren, auch der im Schichtlohn beschäftigte Mensch gehört derselben Schicksalsgemeinschaft an wie alle unter Tage Beschäftigten.
({0})
Auch er muß in einem langen Arbeitsleben während seiner Tätigkeit auf die Sonne verzichten. Auch er muß mit seinem Leben zahlen, wenn größere Unfälle, größere Unglücke vorkommen. Das Unglück nimmt keine Rücksicht darauf, ob jemand Gedingearbeiter, Hauer oder Schichtlöhner ist. Wenn der Brand durch die Grube geht, dann leidet darunter der Schichtlöhner genauso wie der im Gedinge Beschäftigte.
({1})
({2})
Wenn Sie das nicht als ein echtes Anliegen sehen wollen, dann verkennen Sie doch den Tatbestand und die Beweggründe, die uns veranlassen, hier noch einmal in allerletzter Stunde den Versuch zu unternehmen, diesem Personenkreis wenigstens das bisher geltende Recht zu erhalten.
Herr Scheppmann hat darauf hingewiesen, daß es auch Auffassung der Gewerkschaft gewesen und heute noch ihre Auffassung sei, man solle auf den Knappschaftssold verzichten. Ich bestreite das gar nicht, sondern gebe unumwunden zu, daß Sie recht haben. Aber Sie hätten dabei erwähnen müssen, Herr Scheppmann, daß die IG Bergbau diese Auffassung nur unter der Voraussetzung, daß eben allen unter Tage Beschäftigten die Bergmannsrente gewährt wird, vertreten hat. Der Begriff „wesentlich bergmännische Tätigkeit" war doch Grundlage für die Zustimmung zum Verzicht auf den Knappschaftssold.
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Die von uns vertretene Auffassung ist ja nicht neu und kommt jetzt nicht plötzlich auf Sie zu. Auch der erste Regierungsentwurf, der den Sozialpartnern zugeleitet wurde, sah den Weiterbestand des Knappschaftssoldes vor. Sie können daraus ersehen, daß die Notwendigkeit der Einbeziehung der Schichtlöhner unter Tage in eine gewisse Leistungsart damals bei dem ersten Referentenentwurf auch von seiten des Bundesarbeitsministers beachtet wurde.
Noch eine letzte Bemerkung. Sie haben gesagt, Herr Scheppmann, daß Sie in einer bewußten Absicht nun den Knappschaftssold abschaffen wollen. Der Personenkreis ist nach Ihrer Auffassung zu weit gefaßt, so sagten Sie. Ich komme immer wieder darauf zurück, daß es einheitliche Auffassung dieses Hauses sein sollte, dem Beruf des Bergmanns die Achtung und das Entgegenkommen zu zeigen, auf das er wegen der Schwere und Gefährlichkeit seiner Arbeit Anspruch erheben kann, auch der Mann im Schichtlohn. Ich habe gestern auch von dem Handwerker gesprochen und gesagt, daß er nicht nur in frischer Wetterführung, sondern auch in ausziehendem Wetterstrom mit all den Gefahren, die damit verbunden sind, arbeiten muß. Ist es denn nun zuviel verlangt, wenn man fordert, daß diesem unter Tage beschäftigten Menschen wenigstens der Rechtsanspruch erhalten bleiben soll, den die Bergleute bis jetzt gehabt haben? Das ist die entscheidende Frage, und nicht die Vielzahl der Rentenarten. Ich komme zu dem Schluß, daß sie bewußt und mit voller Absicht auch im Rentenrecht bei den unter Tage Beschäftigten unterschiedliches Recht festlegen wollen. Sie wollen ein unterschiedliches Recht für den im Schichtlohn unter Tage Beschäftigten und den im Gedinge Beschäftigten. Das allein ist die Frage. Wir sind überzeugt, daß das nicht nur dem Arbeitsfrieden der Bergarbeiter, sondern auch dem Bergbau schädlich ist; denn nicht jeder Mensch, der im Bergbau Untertagearbeit aufnimmt, ist körperlich in der Lage. Gedingearbeit zu verrichten. Der Bergbau braucht auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nur Schichtlohnarbeit ausüben können.
Schon heute zeigt sich, wie wenig junge Menschen gewillt sind, Bergmannsarbeit aufzunehmen. Sie werden sich von den einzelnen Bergbaugesellschaften darüber unterrichten lassen müssen, um
wieviel Prozent - um 50 %! - der Zustrom junger Menschen in den Bergbau abgesunken ist. Sie werden sagen, es liege vielleicht an den geburtenarmen Jahrgängen. Zum Teil! Zum Teil liegt es aber auch daran, daß nicht mehr das genügende Interesse für diese Bergmannsarbeit vorhanden ist.
Ich möchte deshalb noch einmal in letzter Stunde an Sie appellieren, diesen Menschen wenigstens das Recht, das sie bisher gehabt haben, auch weiterhin zu erhalten.
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Meine Damen und Herren, zu Ihrer Orientierung: Es war namentliche Abstimmung beantragt. Wir haben Alarm gegeben, als die Rednerliste beinahe erschöpft schien. Sie hat sich inzwischen wieder verlängert. Aber deshalb bleiben Sie doch hier?!
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Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dannebom hat hier soeben dargelegt, daß im ersten Referentenentwurf des Arbeitsministeriums der Bergmannssold noch vorgesehen gewesen sei. Das ist vollständig richtig. Ich habe aber bei der Erarbeitung dieses Gesetzes das allergrößte Gewicht darauf gelegt, mit den direkt Beteiligten in allernächster Verbindung zu bleiben. In meinem Ministerium hat ein Besprechung mit den führenden Leuten der Knappschaft, sowohl mit den Leuten aus der Verwaltung als auch mit den Leuten aus der Selbstverwaltung, stattgefunden. Diese haben einheitlich die Meinung vertreten, daß der dem Knappschaftsrecht vollständig entgegenstehende Knappschaftssold, der ja in der nationalsozialistischen Zeit als Konzession oder, besser gesagt, als Prämie an die Bergleute gezahlt wurde, gar nicht in das System einer Versicherung hineinpaßt. So waren die Dinge, und deshalb haben wir uns nach sehr langen Aussprachen mit diesen ganz bestimmt sachverständigen Leuten zu einer Umstellung der Regierungsvorlage entschlossen.
Wenn man eine derartig weitgehende neue Ordnung für einen Versicherungszweig erarbeitet, muß man auch den Mut haben, Fehlentwicklungen aus der vergangenen Zeit auszugleichen, so daß das neue Gesetz nachher auch versicherungstechnisch gesehen wieder etwas Einheitliches und in sich Abgestimmtes ist.
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Ich bitte Sie deshalb, die Dinge so zu sehen, wie sie sich tatsächlich entwickelt haben, und nicht darauf zu bestehen, daß etwas, was einmal unter ganz anderen Voraussetzungen in einer ganz anderen Zeit für gewisse politische Zwecke eingeführt worden ist, unbedingt für alle Ewigkeit beibehalten wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spies ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, um das es hier heute in der dritten Lesung geht, ist nach
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meiner Auffassung fast geklärt. Was ist der Tatbestand? Die SPD beantragt die Wiedereinführung des Knappschaftssoldes für diejenigen, von denen sie glaubt, daß sie nach dem neuen Gesetz, das wir gestern in zweiter Lesung verabschiedet haben, weniger bekämen. Das ist das Problem, von dem sie glaubten, es sollte geklärt werden. Sie sind also der Meinung, wir sollten den Knappschaftssold wiedereinführen.
Gestern haben wir beschlossen, daß die Leute, die 25 Jahre unter Tage gearbeitet haben und 50 Jahre alt sind, wenn sie die Voraussetzung erfüllen, Anspruch auf Bergmannsrente haben, die an die Stelle des Soldes treten soll. Die Bergmannsrente errechnet sich aus den Leistungen und den Jahresbeträgen, ist also eine verbesserte Einrichtung. Worin besteht nun der Unterschied? Es kann vorkommen, daß der eine oder andere - das ist wahr, aber keine 20 .oder 30 %; das ist viel zu weit gegriffen - bei der Bergmannsrente nicht berücksichtigt werden kann. Aber, meine Damen und Herren, jetzt passen Sie mal gut auf; lassen Sie sich mal die Dinge vom fachlichen Standpunkt aus sagen. Wenn jemand 25 Jahre lang in der Grube beschäftigt war und 50 Jahre alt ist, hat er dann nicht auf Grund seiner Leistung und des Verschleißes schon Anspruch nicht nur auf die Bergmannsrente, sondern sogar auf die Berufsunfähigkeitsrente? Ich glaube, daß diejenigen Leute, die vielleicht bei der Bergmannsrente nicht berücksichtigt werden können, ohne weiteres die Berufsunfähigkeitsrente bekommen werden; damit ist alles ausgeglichen. Die Dinge sind gar nicht so schlimm, wie sie sich anzeigen. Ich bin der Meinung, daß dadurch im allgemeinen eine Verbesserung erreicht wird.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zwei Bemerkungen zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat. Er sprach, als er sich auf den Knappschaftssold bezog, von einer Fehlentwicklung, die unter unnormalen Zeitverhältnissen entstanden sei. Herr Bundesarbeitsminister, es wäre notwendig gewesen, daß Sie in demselben Zusammenhang auch erwähnt hätten, daß der Personenkreis, der seit 1942 Anspruch auf diesen Knappschaftssold hatte, von 1926 bis 1942 Anspruch auf die damalige Alterspension hatte. Wir wollen dem Personenkreis, den wir hier ansprechen, der bis 1942 wie der Gedingearbeiter Anspruch auf die Alterspension hatte, die dann aus kriegsbedingten Gründen in den Knappschaftssold umgewandelt wurde, weil die Leute weiter ihre produktive Arbeit leisten sollten, wieder sein Recht geben. Sie wollen es nicht. Wenn Sie den Knappschaftssold als eine unnormale Zeiterscheinung hinstellen, ist es notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Alterspension auch in der normalen Zeit von 1926 bis 1942 gewährt wurde. Das möchte ich mit aller Deutlichkeit hier sagen.
Die zweite Bemerkung. Sie haben sich auch hier wieder auf die Stellungnahme der Industriegewerkschaft Bergbau als eines der Sozialpartner berufen. Sie haben, Herr Bundesarbeitsminister - ich glaube, Sie richtig verstanden zu haben - auf den ersten Referentenentwurf Bezug genommen, den ich hier erwähnt habe, wo der Knappschaftssold enthalten war. Sie haben dann von einer Rücksprache mit der Knappschaft, mit der Verwaltung und auch mit den Sozialpartnern gesprochen.
Dieser eine Sozialpartner, die Industriegewerkschaft Bergbau hat auf ihrer Generalversammlung in Kassel, auch durch einen Vorstandsbeschluß zum Ausdruck gebracht, daß auf den Knappschaftssold nur dann verzichtet werden könnte, wenn die Bergmannsrente auch den Schichtlöhnern gewährt werden würde, nämlich all denen, die wesentlich bergmännische Arbeit verrichten. Das - und das alleine! - ist der Standpunkt der Industriegewerkschaft Bergbau. Es hat also keinen Sinn, die Dinge hier entstellt wiederzugeben. Ich möchte Sie deshalb also noch einmal bitten, auch diesem Personenkreis nun nach dem neuen Recht wenn schon nicht die Bergmannsrente, dann aber den Knappschaftssold wiederzugeben, weil dieses Recht, Alterspension zu beziehen, von 1926 bis 1942 bestand und dann in den Knappschaftssold umgewandelt wurde.
Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu den Ausführungen meines Herrn Vorredners einiges sagen. Folgendes ist richtig: Die Vertreter der IG Bergbau haben in dem Selbstverwaltungsorgan der westdeutschen Knappschaften in Übereinstimmung mit den Vertretern des Unternehmensverbandes - und zwar von 21 Vorstandsmitgliedern insgesamt 14 - erklärt, daß sie für die Einführung der Bergmannsrente und für die Abschaffung des Knappschaftssoldes sind. Dabei ist ausdrücklich gesagt worden, daß diese Rente nur die Hauer und die Personen, die der Hauertätigkeit gleichgestellte Arbeiten verrichten, erhalten sollen. Ich kann es protokollarisch belegen, daß ein ausdrücklicher Beschluß in diesem Sinne gefaßt worden ist.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß nach § 49 Abs. 6 der Bundesminister für Arbeit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats den Begriff der Hauerarbeiten unter Tage und der diesen gleichgestellten Arbeiten für die einzelnen Bergbauarten bestimmt. Wenn der Knappschaftssold in der Weise wieder eingeführt werden sollte, wie es von der SPD beantragt wird, wäre eine solche Rechtsverordnung gar nicht notwendig. Wir haben sie vorgesehen, um eine Überprüfung des Begriffs der Hauerarbeit und der gleichgestellten Arbeiten in dem Katalog zu veranlassen, damit dann die Berechtigten den Anspruch auf die Bergmannsrente erhalten.
Ich kann Sie deshalb nur noch einmal bitten, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bergmann.
Werter Herr Kollege Scheppmann, ich glaube, Sie wollen die Rollen vertauschen. Sie sprechen hier vom Selbstverwaltungsorgan der Sozialversicherung der Knappschaft, wir sprechen von der Industriegewerkschaft Bergbau. Sie wissen genausogut wie ich, daß noch Montag dieser Woche der Vorstand einen Beschluß nach dieser Richtung gefaßt hat. Die Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses haben die Verbandszeitung
({0})
dieser Woche der Industriegewerkschaft Bergbau mit der Stellungnahme erhalten. Darum geht es, Kollege Scheppmann!
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es war namentliche Abstimmung beantragt. Ich frage die Antragsteller, ob sich das auf Nr. 1 oder Nr. 2 oder beide Nummern des Umdrucks 1023 bezieht.
({0})
- Gemeinsam: Sie haben also die Überzeugung, daß jeder Abgeordnete in beiden Punkten die gleiche Meinung äußern wird?
({1})
Ich nehme an, daß der Antrag auf namentliche Abstimmung hinreichend unterstützt ist. Ich bitte die Abstimmungskarten einzusammeln. - Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann schließe ich die Abstimmung.
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Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 1023 bekannt. Es haben sich beteiligt 352 stimmberechtigte Abgeordnete und 14 Berliner Abgeordnete. Mit Ja haben gestimmt von den stimmberechtigten Abgeordneten 133, von den Berliner Abgeordneten 6, mit Nein von den stimmberechtigten Abgeordneten 217, von den Berliner Abgeordneten 8; enthalten haben sich 2 stimmberechtigte Abgeordnete und kein Berliner Abgeordneter. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Wir kommen zu § 53 und dem Änderungsantrag Umdruck 1023 Ziffer 3. - Herr Abgeordneter Dannebom!
Herr Präsident! Meine Damen das wir gestern hier vorgetragen haben, wiederholen. Sie finden es in dem Änderungsantrag Um-und Herren! Ich darf noch einmal unser Anliegen, druck 1023 in den Ziffern 3 a und 3 b.
Hier werden zwei Probleme angesprochen: erstens der Steigerungsbetrag für die Bergmannsrente in Höhe von 0,8 %, wie er gestern nach dem Ausschußvorschlag hier beschlossen worden ist, und zweitens der Steigerungsbetrag für die Berufsunfähigkeitsrente. Wir haben gestern schon darauf hingewiesen, daß wir den Gedanken aufgreifen, den Sie in Ihren Gesetzentwurf aufgenommen hatten. Wir möchten Sie bitten, noch einmal zu überlegen, ob es nicht - entgegen Ihrer gestrigen Einstellung - richtig ist, dem Bezieher einer Bergmannsrente, wenn er neben seiner Rente kein Entgelt mehr bekommt, den Steigerungsbetrag von 1,5 % zu geben. Das Arbeitsministerium hat dem Ausschuß Berechnungsbeispiele unterbreitet. Aus ihnen ist klar ersichtlich, daß der Untertagebeschäftigte, der die Wartezeit von 60 Monaten er*) Vergleiche Seite 11695
füllt hat, nach neuem Recht bei einem Steigerungsbetrag von 0,8 % eben nur eine Rente von 20 Mark, bei 10 Jahren von 40 Mark, bei 20 Jahren von 80 Mark hat. Nach dem bisherigen Recht hatte der Mann Anspruch auf den Steigerungsbetrag von 1,5 % mit einer Rente von 70 Mark nach 5 Jahren, von 117 Mark nach 10 Jahren und von 210 Mark nach 20 Jahren. Das ist doch eine echte Verschlechterung. Im ersten Fall sind es 50 Mark weniger, im zweiten Fall sind es 77 Mark und im dritten 130 Mark weniger. Wir wollten deshalb den Versuch unternehmen, das aus dem Gesetzentwurf herauszubekommen.
Es könnte nun gesagt werden: Diese Beispiele sind ganz schön, aber man muß ja auch noch das Entgelt in Betracht ziehen. Demgegenüber müssen wir folgendes feststellen. Bisher hatte der Mann - das habe ich schon gestern gesagt, möchte es aber heute mit allem Nachdruck wiederholen - mit dem Steigerungsbetrag von 1,5 % gleichzeitig den Anspruch auf seinen Lohn in der Lohngruppe 3, in der er nun beschäftigt war. Heute wollen Sie das nicht mehr. Das wird sicher bei den Rentnern - ({0})
- Warum streiten Sie das denn ab? Heute bekommt der Mann den halbierten Steigerungsbetrag zu dem Lohn seiner Berufsgruppe.
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- Eben, ohne Kürzung, Herr Schüttler! Warum sollen wir uns denn streiten? 1,5 % waren Sie zu geben bereit, und dann sollten beim Zusammentreffen von Rente und Entgelt Kürzungen eintreten. Sie waren also auch der Auffassung, beim Ausscheiden sollte der Mann den vollen Steigerungsbetrag haben.
Jetzt wollen Sie das nicht mehr. Unser Anliegen ist doch nur, das wiederherzustellen, was auch Sie damals gefordert und für richtig gehalten haben.
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- Nein, ich habe nicht zwei Dinge vergessen, Herr Kollege Arndgen! Können Sie widerlegen, daß Sie in Ihrem Gesetzentwurf den Steigerungsbetrag von 1,5 % vorgesehen hatten?
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Das können Sie nicht! Sie hatten in § 74 vorgesehen, beim Zusammentreffen von Rente und Entgelt sollte halbiert werden, also um 50 % gekürzt werden, - nur beim Zusammentreffen von Rente und Entgelt! Und jetzt haben Sie im Ausschuß beschlossen - und Sie vertreten das hier mit aller Entschiedenheit -, daß der Mann, der ausscheidet, auch nur diesen gekürzten Steigerungsbetrag haben soll. Das ist doch das Anliegen, das uns bewegt, die wir Ihr Verhalten einfach nicht verstehen können.
Dasselbe gilt auch für die Berufsunfähigkeitsrente. Zu den Gründen, die wir gestern dazu angeführt haben, hat Herr Scheppmann gesagt - es war die Auffassung des Grundsatzausschusses der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften -, daß auch bei der Berufsunfähigkeitsrente der gespaltene Steigerungsbetrag gegeben werden solle. Das haben Sie, Herr Scheppmann, gestern mit aller Klarheit und Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht.
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Mir liegt die Niederschrift der Sitzung des Grundsatzausschusses vom 10./11. Dezember 1956 vor. Zu § 53, der die Berufsunfähigkeitsrente behandelt, hat Herr Dr. Auerbach die Frage gestellt, ob die Relation zwischen den Steigerungssätzen von 1,8 - der war in Ihrem Entwurf damals enthalten - und 2,5 für Invalidität und Erwerbsunfähigkeit als richtig angesehen werde. Auf diese Frage von Herrn Dr. Auerbach hat Herr Scheppmann - Herr Scheppmann, jetzt hören Sie einmal schön zu; gestatten Sie, daß ich Ihr Zwiegespräch unterbreche! - folgende Antwort gegeben:
Abgeordneter Scheppmann - so nach der Niederschrift war der Meinung, daß die Unterteilung der Knappschaftsvollrente auf die Fälle der Invalidität und Erwerbsunfähigkeit nicht gerechtfertigt sei.
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Man könne von den Ärzten eine solche Unterscheidung nicht erwarten, und sie bringe außerdem eine Erschwerung mit sich.
So steht es wörtlich in der Niederschrift. Ich frage Sie nun, Herr Scheppmann: hat sich Ihre damalige Einstellung zu diesen Fragen bis heute so grundsätzlich geändert, daß Sie Ihre damalige Einstellung heute nicht mehr wahrhaben wollen? Wie können Sie, wenn es in dieser Frage zu solchen Meinungsverschiedenheiten in diesem Grundsatzausschuß gekommen ist, hier nun sagen, dieser gespaltene Steigerungsbetrag ist auch die übereinstimmende Auffassung dieses Grundsatzausschusses gewesen? Warum sage ich das? Ich sage das deshalb, weil wir in diesen Dingen hier im Parlament vollständige Klarheit schaffen müssen. Sie können hier doch nicht Behauptungen aufstellen, die - das liegt protokollarisch fest, das kann bewiesen werden - zu der Einstellung im Widerspruch stehen, die Sie im Dezember vertreten haben. Darauf allein kommt es mir an, wenn ich das hier anspreche. Ich meine, man dient der Sache der Bergarbeiter nicht, wenn man sich dort anders verhält als hier. Dort haben Sie sich ebenfalls gegen den gespaltenen Steigerungsbetrag ausgesprochen, und hier vertreten Sie den entgegengesetzten Standpunkt. Das ist der Sache nicht dienlich, und die Bergarbeiterschaft wird eines guten Tages darauf die Antwort finden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Hohen Hause natürlich eine Erklärung zu den Ausführungen schuldig, die mein Herr Vorredner soeben gemacht hat. Ich gebe diese Erklärung gern und möchte eine Sachdarstellung über die seinerzeitigen Verhandlungen geben. Zunächst möchte ich etwas richtigstellen. Herr Dannebom, es war nicht der Rechts- und Grundsatzausschuß, sondern es war der Beirat im Arbeitsministerium. Ich finde es recht eigenartig, daß hier solche Protokolle zitiert werden,
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nicht, weil ich fürchte, daß das wiedergegeben wird, was ich dort gesagt habe; ich werde das jetzt richtigstellen.
Zunächst möchte ich auf die alte Rechtslage eingehen; das hat Herr Dannebom soeben nicht getan. Nach dem jetzt geltenden Recht ist es so: der berufsunfähige Bergmann erhält die Rente, wenn ein ärztliches Attest vorliegt. Dann gilt die zwingende Vorschrift, daß der Mann seine alte Berufstätigkeit nicht mehr verrichten darf; er darf beispielsweise statt der Hauertätigkeit nur noch eine Tätigkeit im Schichtlohn, mit einer Bezahlung nach der Lohngruppe 3 in Höhe von 15,22 DM verrichten, während der tarifliche Hauerlohn 21,45 DM beträgt. Hierin liegt schon eine Lohneinbuße von rund 7 DM pro Schicht. Das ist von Herrn Dannebom nicht gesagt worden.
Wir haben in dem sogenannten Beirat beim Arbeitsministerium den ersten Entwurf überprüft und besprochen. Herr Dannebom, Sie waren nicht dabei. In diesem Entwurf, in dem 1,8 % als Steigerungsbetrag für die Berufsunfähigkeitsrente drinstand, war gleichzeitig noch die Bestimmung über die 50%ige Kürzung enthalten. Deshalb habe ich erklärt, daß diese Rente mit 1,8 % Steigerungsbetrag und Anwendung der Kürzungsbestimmung - wodurch sich in Wirklichkeit 0,9 % ergeben - für den Bergmann untragbar ist.
Dann darf ich noch einmal auf das zurückkommen, was wir im Sozialpolitischen Ausschuß besprochen haben. Auch dort stand zunächst der alte Satz von 1,8 % bei Berufsunfähigkeit, 'und wenn dann noch eine Tätigkeit verrichtet werden sollte, Kürzung um 50 %. Da nach unserer Meinung diese Kürzungsvorschriften in einem Versicherungsgesetz nicht gerade schön sind und da sie ständig Arger und Verdruß erregen, haben wir bei der Bergmannsrente statt des bisherigen Steigerungsbetrages von 1,5 % mit Kürzungen den Steigerungsbetrag auf 0,8 % festgesetzt; wir haben ihn also praktisch gehoben. Bei der Berufsunfähigkeitsrente, wo der Steigerungsbetrag auf 1,8 % mit Kürzungsvorschriften angesetzt war, haben wir ebenfalls sofort echte Steigerungsbeträge schaffen wollen und haben bei Weiterbeschäftigung nicht etwa die Hälfte von 1,8 %, also 0,9 %, sondern haben 1,2 % angesetzt. Wenn der Betreffende aus dem Betrieb ausscheidet, bekommt er nicht 1,8 %, sondern 2 %.
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Das sind die Tatsachen. Und nun frage ich, inwieweit ich mir widersprochen habe, wie es Herr Dannebom vorhin ausgelegt hat. Ich glaube, es dürfte nunmehr geklärt sein, wie sich das verhält.
Ich möchte jetzt zu den gestellten Anträgen Stellung nehmen. Sie haben zu § 53 Abs. 1 beantragt, daß der Versicherte, wenn er im Betrieb arbeitet, eine Bergmannsrente mit dem Jahresbetrag 0,8 % erhalten soll - da bleibt es bei
unserer Auffassung -, und wenn der Versicherte keine Tätigkeit verrichtet, 1,5 %.
Jetzt darf auch ich einmal ein überspitztes Beispiel nehmen, wie das gestern wiederholt gemacht worden ist. Es könnte also ein Versicherter mit einer verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit aus dem Betrieb herausgehen, der, wie das der Fall sein kann, zu Hause einen Betrieb hat, der nicht auf seinen Namen läuft, und nun ist er im Betrieb seiner Ehefrau tätig. Der Mann bekommt bei dieser Tätigkeit 1,5 % Steigerungsbetrag, und der Mann, der noch im Untertage({2})
betrieb arbeitet, im knappschaftlichen Betrieb, bekommt 0,8 %. Das ist also die praktische Auswirkung.
Diese Dinge muß man doch klarer sehen! Wir sprechen hier bewußt von der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit. Der Versicherte mit verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit - man denkt hier an eine Minderung von etwa 20 %, so daß er noch zu 80 % arbeitsfähig ist -, kann nach dem neuen Recht Rente beziehen und dabei noch im Schichtlohn tätig sein. Nach dem augenblicklichen Tarifvertrag für den Bergbau könnte der Mann die Rente mit dem Steigerungsbetrag von 0,8 % beziehen und dabei noch eine Tätigkeit verrichten, die nach der Lohngruppe 1 im Bergbau bezahlt würde.
Ich meine, wir sollten hier ,doch keine Rentenregelung treffen, nach der nun irgendeinem, der vermindert bergmännisch berufsfähig ist, eine nach all diesen Zeiten berechnete Rente zu geben wäre. Es kommt darauf an, meine Damen und Herren, daß man das echte Anliegen des Bergmanns sieht;
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der Bergmann soll, wenn er alt ist, wenn er berufsunfähig ist, wenn er erwerbsunfähig ist, für die von ihm geleistete bergmännische Arbeit die Rente bekommen, die ihm zusteht, in der Höhe, wie wenn er noch im Betrieb arbeitete. Er soll keine Einbuße haben.
({4})
Das ist Sinn und Zweck der gesamten Rentenregelung, nicht aber, Männern, die noch zu 80 % berufsfähig sind, eine solche Rente zu geben. Dagegen wehre ich mich.
({5})
Deshalb möchte ich Sie bitten, dafür zu stimmen, daß allen Berufsunfähigen, wenn sie im Betrieb arbeiten oder aus dem Betrieb gehen, ein gleicher Steigerungsbetrag gegeben wird; ich beziehe mich auf das, was hier unter b) gefordert wird. Sie wissen aus den Beispielen, die das Bundesministerium für Arbeit errechnet hat, daß, wenn noch eine Tätigkeit im Betrieb verrichtet wird, ein Steigerungsbetrag von 1,2 % plus Arbeitsverdienst das gleiche ausmacht wie das Einkommen aus der Hauptberufstätigkeit. Wenn der Mann aus dem Betrieb ausscheidet, dann hat er mit dem Steigerungsbetrag von 2 % mehr als heute mit dem Steigerungsbetrag von 2,4 %, weil in den Fällen die Ersatzzeiten und Ausfallzeiten hinzugerechnet werden.
Es besteht in Wahrheit kein Grund, diese Anträgeanzunehmen. Ich bitte daher um Ablehnung.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
({0})
Ja, meine Damen und Herren, es bleibt Ihnen nichts erspart; es muß noch einmal klargestellt werden. Meine Damen und Herren, habe ich oder hat einer von uns eine ungerechtfertigt hohe Bergmannsrente gefordert? Sie haben gesagt, Herr Kollege Scheppmann, wir verlangten für den Mann, der noch 80 oder wieviel Prozent einsatzfähig ist, eine unberechtigt hohe Rente.
({0})
Kein Mensch hat das verlangt, auch ich nicht.
({1})
- Bitte, seien Sie doch einmal ganz ehrlich und verschieben Sie die Dinge nicht.
({2})
Ich bin immer mit Ihnen derselben Auffassung gewesen, daß ein Steigerungsbetrag von 0,8 % für den Mann, der weiter beschäftigt wird, als gerechtfertigt anzusehen ist, weil dann keine Kürzung notwendig ist. Wie können Sie mir unterstellen, daß ich 1,5 % fordere! Das habe ich doch niemals gefordert. Ich habe doch nur gefordert, wenn der Mann - ({3})
- Herr Kollege Arndgen, das ist doch eine Unterstellung! So lesen Sie doch den Antrag. - Nur wenn dieser Bergmannsrentenberechtigte aus dem Betrieb ausscheidet, kein Arbeitsentgelt mehr hat, soll ihm der volle Steigerungsbetrag von 1,5 % gegeben werden.
({4})
- Darin liegt das Unrecht? Dann haben Sie, meine Damen und Herren, als Sie Ihren Gesetzentwurf einbrachten, das in einer Stunde so zwischen 12 und 2 Uhr getan, wo man nicht mehr ganz klar denken konnte.
({5})
- Das hat doch mit der Kürzung hier gar nichts zu tun! Damals haben Sie gesagt: „Nur dann soll die Kürzung eintreten, wenn Entgelt dazu gegeben wird." Sie können mir doch nicht unterstellen, Herr Kollege Winkelheide, daß wir das nicht auseinanderhalten könnten. Sie können das genauso auseinanderhalten. Nur auf Grund irgendeiner - na, ich will mal sagen, eines hinter verschlossenen Türen gefaßten Beschlusses dürfen Sie das nicht akzeptieren.
({6})
- Ja, sonst hätten Sie doch das nicht in Ihren Gesetzentwurf hineingeschrieben.
({7})
- Nun, Herr Kollege Dr. Weber, Sie haben sich doch sicher Gedanken gemacht - diese große CDU-Fraktion mit diesen guten Sozialpolitikern -, als Sie diesen Gesetzentwurf einbrachten.
({8})
- Nun, wenn Sie es für besser halten, daß der aus dem Berufsleben Ausscheidende nur auf diese Bergmannsrente mit dem Steigerungsbetrag 0,8 % angewiesen ist, dann sollen Sie das verantworten. Aber Sie können uns doch nicht zumuten, wenn wir das als Ungerechtigkeit ansehen, daß wir nicht dagegen sprechen. Das ist ein Recht, das uns zusteht.
({9})
Nun noch eine Bemerkung, Herr Kollege Scheppmann. Sie haben die Lohngruppe 3 der unter Tage Beschäftigten, die Ausbauhelferlohngruppe angezogen. Die hat doch mit der Berufsunfähigkeitsrente, für die der Steigerungsbetrag von 1,2% und 2 % gewährt werden soll, gar nichts zu tun. Die Lohngruppe 3 bezog sich doch auf den alten Berufsunfähigkeitsbegriff. Nach § 46 kann doch nur derjenige die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit beantragen, dessen Erwerbseinkommen unter 50 % gesunken ist. Eine Bezugnahme auf die Lohngruppe 3 hat hiermit doch weiß Gott nichts zu tun.
({10}) - Was sagt denn der § 46?
Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist.
„ . . .auf weniger als die Hälfte"! Sie können das
aber nicht isoliert sehen, sondern Sie müssen auch den Kreis der Tätigkeiten beachten:
Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Das ist die Formulierung dieses Paragraphen.
Nun wissen Sie doch alle, daß der Bergmann in der Regel als Bergjungmann auf der Zeche anfängt. Er fängt am Leseband an, wo er die Steine aus den Kohlen herausklauben muß. Er geht dann den Ausbildungsgang in seinem Beruf weiter, und bei zunehmendem Alter und Nachlassen seiner Leistung endet dieser Mann an demselben Leseband, an dem er angefangen hat.
({11})
- Nicht immer. Aber Sie wissen doch genausogut wie ich, daß der Bergmann in ungezählten Fällen an dem Leseband endet, an dem er angefangen hat. Das ist eine Tatsache. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir alles tun sollten, um den Bergmann, der aufhören will und muß, in den Genuß einer Berufsunfähigkeitsrente mit einem Steigerungsbetrag von 2 % zu bringen, damit er in der Lage ist, ausscheiden zu können. Das ist die Frage, um die es hier geht, und es ist nicht richtig, hier die Ausbauhelferlohngruppe heranzuziehen.
Dann haben Sie, Herr Scheppmann, gesagt, es sei jetzt alles geklärt, nachdem Sie eine Erklärung zu dem Protokoll abgegeben haben. Sie sind in diesem Protokoll sogar viel weiter gegangen, als wir beantragt haben. Wir wollten nur den gespaltenen Steigerungsbetrag bei Berufsunfähigkeitsrente beseitigen. Dagegen haben Sie gesagt, die Unterteilung der Knappschaftsvollrente nach den Fällen der Invalidität und der Erwerbsunfähigkeit sei nicht gerechtfertigt. Wenn das Ihre Auffassung gewesen ist, müßten Sie sich auch bei der Berufsunfähigkeitsrente für den Steigerungsbetrag von 2,5 % einsetzen. Das wäre logisch. Deshalb meine
ich, Herr Kollege Scheppmann - es tut mir sehr leid, das sagen zu müssen -: Sie haben das, was Sie damals ausgeführt haben, jetzt nicht entkräftenkönnen. Sie haben auch keine Aufklärung geschaffen. Die Entscheidung muß jetzt fallen. Wir halten den gespaltenen Steigerungsbetrag für ungerecht, weil von Ihnen für denselben Tatbestand der Berufsinvalidität zweierlei Recht gesetzt wird. Sie wollen dem Mann, der im knappschaftlichen Betrieb weiter beschäftigt wird - und er kann es eben praktisch nicht; da auch der niedrigste Lohn im Bergbau mehr als 50 % des Hauerlohns ausmacht -, einen Steigerungsbetrag von 1,2 % geben und für denselben Tatbestand, wenn er ausscheidet, wollen Sie den Steigerungsbetrag von 2 % geben. Wir sind der Meinung, daß das sozial ungerecht ist, und bitten noch einmal, unserem Antrag zuzustimmen.
({12})
Meine Damen und Herren, die Frage, ob wir zustimmen oder ablehnen, werden wir durch die Abstimmung selbst entscheiden.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Ich nehme an, daß wir über den Antrag Umdruck 1023 Ziffer 3 im ganzen abstimmen. - Die Antragsteller sind damit einverstanden.
Wer dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1023*) Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr § 58 auf, dazu den Änderungsantrag Umdruck 1023 Ziffer 4. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Gesetzentwurfs wurde insbesondere von den Sprechern der CDU - auch in der Öffentlichkeit - immer wieder der Eindruck erweckt, als ob durch dieses Neuregelungsgesetz der gegenwärtige Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung gegenüber der allgemeinen Rentenversicherung in wesentlichen Punkten verbessert werde.
({0})
- Herr Winkelheide, ich werde Ihnen das im einzelnen darlegen.
({1})
- Ich werde Ihnen das noch darlegen.
Es besteht Einvernehmen darüber, daß sich aus der Dynamisierung, die wir in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten beschlossen haben und die wir selbstverständlich auch für die Knappschaftsversicherung einführen müssen, im Prinzip eine Verbesserung ergibt. Aber die entscheidende Frage ist doch, ob der Vorsprung der
*) Siehe Anlage 14
({2})
knappschaftlichen Rentenversicherung verbessert, erhalten oder verschlechtert wird.
({3})
Wir sind der Auffassung, daß sich bei den Vorschriften des § 58, nämlich bei den Fragen der Zurechnung, eine Verschlechterung ergibt, die den Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung entscheidend verringert. Wie ist die Lage in der allgemeinen Rentenversicherung? In der allgemeinen Rentenversicherung wird dem Arbeiter und dem Angestellten, der vor Erreichen des 55. Lebensjahres vorzeitig arbeitsunfähig wird, eine Rente gewährt, als ob er bis zum 55. Lebensjahr gearbeitet hätte. Das ist der allgemeine Grundsatz. Ein solcher Grundsatz ist doch zweifellos für die Bergarbeiter, die in ihrem Berufe besonderen Gefahren ausgesetzt sind, die früher arbeitsunfähig werden als ihre Kollegen in allen anderen Branchen, von besonderer Bedeutung. Jetzt soll aber die Vorschrift über diese Zurechnung in § 58 für den Bergarbeiter nicht positiver, sondern negativer als für andere Arbeiter und Angestellte gestaltet werden. Das ist der entscheidende Gesichtspunkt.
Ich möchte Ihnen, weil es offenbar selbst Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses noch nicht deutlich ist, an den einzelnen Rentenarten, die Sie gerade beschlossen haben, klarmachen, wie negativ sich die unzureichende Anrechnung der sogenannten Zurechnungszeiten, wie Sie sie hier in § 58 vorsehen, auswirkt und in welchem Maße sich dadurch der Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung reduziert.
Ich beginne bei der Bergmannsrente, die - darüber sind wir uns alle klar - die typische Rente des im Bergbau tätigen Menschen und vor allen Dingen des Hauers, sein soll. Aus den Unterlagen, die uns das Bundesarbeitsministerium vorgelegt hat, ergibt sich folgendes. Diese Rente hat gegenwärtig - das kann man nicht nur diesem Material entnehmen, das kann man sich errechnen, und das wird jeder bestätigen, der die Dinge kennt - eine Durchschnittshöhe von etwa 150 DM monatlich. Es ist die gleiche Rente wie die jetzt vorgesehene Bergmannsrente; nur der Name hat sich geändert. Sie werden mir bestätigen müssen, und auch die Regierung wird es bestätigen müssen: dadurch, daß jetzt bei einem Steigerungsbetrag von 0,8 % keinerlei Zurechnung gewährt werden soll, wird die zukünftige Bergmannsrente nach diesem Gesetz im Durchschnitt von 150 DM um 50 DM auf 100 DM absinken. Das ist eine Tatsache, die Sie einfach nicht bestreiten können. Die Rente sinkt für jeden Bergmann ab, der von morgen an einen Anspruch auf sie erhält. Der Kollege, der sie jetzt hat, erhält 150 DM, und der andere bekommt 100 DM!
Wie können Sie angesichts dieses Tatbestandes davon sprechen, daß der Vorsprung der Knappschaftsversicherung verbessert wird? Er wird noch nicht einmal gehalten. Der Vorsprung für diese Sonderleistung in der knappschaftlichen Rentenversicherung wird verringert. Das ergibt sich, wenn man die Dinge einmal ernsthaft durcharbeitet, und das ist nicht zu bestreiten.
({4})
- Bitte schön, antworten Sie darauf!
({5})
- Aber Herr Kollege Schüttler,
({6}) haben Sie sich nicht die Mühe gemacht
({7})
- wenn nicht, wäre es peinlich -, das Material des eigenen Arbeitsministeriums durchzuarbeiten?
({8})
- Aber, meine Damen und Herren, es ist doch einfach unbestreitbar - soll ich Ihnen die Zahlen des Arbeitsministeriums hier zitieren? -, was der Steigerungsbetrag von 0,8 % bewirkt. Wenn ein Bergarbeiter - um ein Beispiel zu geben - 500 DM im Monat verdient, so erhält er bei dem Steigerungsbetrag von 0,8 % für ein Arbeitsjahr eine Rente von 4 DM. Das ist die praktische Wirkung. Wir sprechen von Steigerungsbeträgen als technischem Ausdruck. Für ein Jahr seines Arbeitslebens erhält der Bergmann 4 DM Bergmannsrente, wenn er 500 DM verdient hat. Sie können unterstellen, daß er durchschnittlich 25 Hauerjahre hat. So kommen wir auch auf einem anderen Wege zur Feststellung, daß die Bergmannsrente im Durchschnitt 100 DM monatlich beträgt. Gegenwärtig beträgt sie nach den Untersuchungen der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften im Durchschnitt aber 150 DM. Sie wollen diese Leistungen also reduzieren. Sie sind sich anscheinend darüber bisher leider noch nicht klargeworden. Das wäre bedauerlich. Deshalb muß es Ihnen hier in der dritten Lesung nochmals eindringlich gesagt werden.
Diese negative, Wirkung ergibt sich vor allen Dingen dadurch, daß Sie bei dieser Bergmannsrente keinerlei Zurechnung für vorzeitige verminderte bergmännische Berufsfähigkeit vorsehen. Das beantragen wir mit unserem Antrag Ziffer 4 a. Wir wollen, daß der Hauer, der vorzeitig in seiner bergmännischen Berufsfähigkeit gemindert wird, wie jeder andere Arbeiter und Angestellte so gestellt wird, als wenn er bis zum 55. Lebensjahr diese Tätigkeit hätte verrichten können. Das ist für alle Arbeiter und Angestellten beschlossen und wird von Ihnen für die typische bergmännische Rentenleistung verweigert.
Ich komme jetzt zur zweiten Rentenart, nämlich der sogenannten Knappschaftsrente. Für die Knappschaftsrente bestimmt § 58, daß keine volle Zurechnung erfolgt, sondern nur eine Zurechnung zu zwei Dritteln. Das bedeutet praktisch, daß derjenige, der unter 55 Jahren aus dem Beruf ausscheiden muß, der berufsunfähig oder erwerbsunfähig wird, nicht wie sein Kollege in der eisenschaffenden Industrie oder wie jeder andere Arbeiter und Angestellte in allen anderen Wirtschaftszweigen so gestellt wird, als wenn er bis zum 55. Lebensjahr gearbeitet hätte. Vielmehr soll dem Bergmann nur eine teilweise Zurechnung gegeben werden. Ihm wird ein Drittel der Zeit bis zum 55. Lebensjahr abgezogen, die sein anderer Kollege voll zugerechnet erhält. Wir sind der Auffassung und wir können es Ihnen beweisen, daß das zu einer Reduzierung des Vorsprungs der knappschaftlichen Rentenleistung führt. Wenn Sie jeden anderen Arbeiter und Angestellten so stellen, als wenn er bis zum 55. Lebensjahr gearbeitet hätte, und das bei den Bergarbeitern nur teilweise tun, dann verringern Sie zwangsläufig den Vorsprung der Knappschaftsversicherung. Das können Sie doch nicht bestreiten. Sie können vielleicht sagen, daß S e das aus diesen und jenen Gründen nicht wollen. Sie können aber nicht bestreiten, daß
({9})
Sie diesen Vorsprung verringern. Davon müssen nicht nur Sie Kenntnis nehmen, sondern davon muß die Öffentlichkeit Kenntnis nehmen.
({10})
Es wird eine falsche Vorstellung erweckt, wenn man sagt, der Vorsprung werde weiter ausgebaut. Er wird tatsächlich verringert. Und wie wird er verringert? Sie haben vorhin beschlossen, daß der Berufsunfähige, dessen Fähigkeit, in seinem Beruf tätig zu sein, um mehr als 50 vom Hundert gemindert ist und der infolgedessen einen erheblich verminderten Arbeitsverdienst hat, einen Steigerungsbetrag von 1,2 % erhält, sofern er im Betrieb verbleibt. Dies heißt, um beim praktischen Beispiel zu bleiben, bei 500 DM Lohn für ein Jahr der Arbeit 6 DM Knappschaftsrente. Der gleiche Bergarbeiter erhält heute einen Steigerungsbetrag von 2,4 %. Er erhält also praktisch heute für ein Arbeitsjahr nicht 6 DM - wie nach diesem Gesetz -, sondern 12 DM für jedes Arbeitsjahr. Sie wollen den Steigerungsbetrag jetzt halbieren, und Sie halbieren damit die Rentenleistung. Das wird vielleicht durch die Dynamisierung ausgeglichen; aber sie kommt jedem Arbeiter und auch jedem Angestellten zugute. Sie verringern also damit, daß Sie den Steigerungsbetrag für diesen berufsunfähigen Bergarbeiter halbieren, den Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung, und darum handelt es sich doch hier bei unserer Auseinandersetzung.
Wie wirkt sich das praktisch aus? Auch das kann man rechnerisch nachprüfen.
({11})
- Das kann man nachprüfen, wenn man sich die Mühe macht. Man kann feststellen, daß die Rente desjenigen, der mit 1,2 % im Betrieb verbleibt, jedoch mit geminderter Arbeitsfähigkeit. diese Rente, die gegenwärtig als sogenannte Knappschaftsrente im Durchschnitt bei 200 DM liegt, sich um 60 DM auf 140 DM verringert. Das ergibt sich nicht nur aus den Unterlagen des Bundesarbeitsministeriums, sondern es ergibt sich bei einer sorgfältigen Nachprüfung, die jeder anstellen kann, wenn er sich die Zeit dafür nimmt.
Wir Sozialdemokraten stellen fest, daß sich also durch § 58 trotz der Dynamisierung die faktische Leistung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand verringert, verringern muß, weil auf der einen Seite der Steigerungsbetrag halbiert und auf der anderen Seite dem Bergarbeiter nicht die gleiche Zurechnung gegeben wird wie allen anderen Arbeitern und Angestellten. Dem Bergarbeiter wird praktisch ein Teil der Zurechnung, nämlich ein Drittel der Zeit bis zur Vollendung des 55. Jahres. abgezogen. Damit verringern Sie weiterhin auch bei der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit den gegenwärtigen Vorsprung dieser Rente. Das kann man nicht bestreiten. Wenn man es bestreitet, erweckt man Illusionen, und Illusionen haben in dieser Hinsicht kurze Beine.
Sie können bis zum 15. September dadurch über die Hürde kommen, daß Sie eine Bestandssicherungsklausel eingebaut haben, wonach die gegenwärtig gezahlte Rente nicht verringert wird. Wir wollen aber doch hier gemeinsam ein Gesetz schaffen, das weiter wirkt. Dann ist es aber eine gefährliche Sache. zu verbreiten, die Leistungen der knappschaftlichen Rentenversicherungen würden im Vergleich zu denen der Arbeiter und Angestellten noch weiter erheblich verbessert. In
Wirklichkeit wird die Leistung für denjenigen, der heute im Bergbaubetrieb steht und morgen Rentner wird, im Vergleich zur Leistungsverbesserung der anderen Arbeiter und Angestellten nicht in gleicher Relation verbessert.
({12})
- Ich möchte nicht auf die Bemerkung des Herrn Bundesarbeitsministers von gestern zurückkommen. Wir haben uns ausgesprochen. Damit ist die Sache für mich erledigt.
Nun ergibt sich auch bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit durch die Reduzierung des bisherigen Steigerungsbetrags trotz Dynamisierung und trotz Anrechnung von Zeiten der Arbeitslosigkeit - die auch jeder andere Versicherte hat - eine Verringerung des Vorsprungs der knappschaftlichen Rentenversicherung. Das können Sie nicht bestreiten. Sie können erklären, weshalb Sie das wollen oder weshalb Sie das für richtig halten, aber bestreiten können Sie es nicht.
Wir kommen jetzt zur dritten Form der Rentenleistung.
({13})
- Ja, Herr Kollege Schüttler, es scheint offenbar dringend notwendig zu sein,
({14})
daß Sie diese Dinge in der dritten Lesung noch kennenlernen; denn Ihre Bemerkungen vorhin haben gezeigt, daß Sie sich über diese Auswirkungen nicht im klaren sind.
({15})
Keiner von Ihnen hat negative Auswirkungen angesprochen, sondern im Gegenteil, in allen Mitteilungen, die Sie an die Öffentlichkeit gegeben haben, hieß es: „Vorsprung der Knappschaft bleibt erhalten und wird ausgebaut." Das ist auch in der Öffentlichkeit der Eindruck, lesen Sie die heutige Tagespresse! Das ist also der Eindruck aus dem, was Sie und die Regierung vertreten haben, und das muß klargestellt werden. Denn bevor wir zur entscheidenden Schlußabstimmung kommen, muß die Öffentlichkeit wissen, worum es sich sozialpolitisch handelt.
({16})
- Sie reden nicht für die Öffentlichkeit? Wir reden für das Haus und für die Öffentlichkeit, wir reden für jeden Menschen, den es angeht; das ist unsere Aufgabe.
({17})
- Ich möchte darauf nicht eingehen, nachdem die Angelegenheit mit dem Herrn Bundesarbeitsminister bereinigt ist; sonst können wir uns darüber einmal in aller Öffentlichkeit unterhalten.
({18})
Bei der Rente wegen Berufsunfähigkeit für denjenigen, der aus dem Betrieb ausscheidet, also den erhöhten Steigerungsbetrag von 2 % erhält, ergibt sich, wie Sie wissen, im Vergleich zur bisherigen Knappschaftsvollrente eine Erhöhung der Leistun({19})
gen. Das geben wir zu, das ist klar und unbestritten. Die Frage ist, wie hoch diese Erhöhung im Vergleich zu den entsprechenden Rentenverbesserungen für die sonstigen Arbeiter und Angestellten ist. Die Bundesregierung hat uns mitgeteilt - und wir unterstellen es bis zum Beweise des Gegenteils -: für alle Arbeiter und Angestellten wird die Rente um 60 bis 70 % erhöht. Und für die Bergarbeiter beträgt die faktische Erhöhung - ({20})
- Nein, Kollege Schüttler, Sie wissen es nicht, Sie müssen doch noch zuhören! Was sollen die andern sagen, wenn selbst Sie als Ausschußmitglied es nicht wissen, Kollege Schüttler! - Wie ist die Sachlage? Bisher hat dieser Arbeiter für 500 DM Lohn bzw. Gehalt pro Arbeitsjahr einen Steigerungsbetrag von 12 DM erhalten, nämlich 2,4 %; jetzt erhält er, wenn er aus dem Betrieb heraus ist, einen Steigerungsbetrag von 2 %, d. h. faktisch von 10 DM gegenüber 12 DM nach bisherigem Recht. Auch das können Sie nicht bestreiten, das ist ein Tatbestand. Sie können sagen, daß das durch andere Momente ausgeglichen werde, durch die Dynamisierung; aber die Dynamisierung führen wir nicht nur für Bergarbeiter ein, sondern wir haben sie für alle gemeinsam eingeführt - mit Ausnahme von Frau Kollegin Kalinke -, für die Arbeiter und Angestellten. Das ist kein Argument zur Sache. Sie verringern auch in dieser Hinsicht den Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung.
Jetzt komme ich zum Knappschaftsruhegeld. Beim Knappschaftsruhegeld ergibt sich in der Tat ein echter weiterer Vorsprung. Das bestreiten wir nicht. Der bisherige Steigerungsbetrag beträgt 2,4 %, und wir wollen jetzt einen Steigerungsbetrag von 2,5 % beschließen. Diese Leistung bei Erwerbsunfähigkeit und bei Ruhegeldgewährung - und nur diese Leistung - wird also im Steigerungsbetrag von bisher 2,4 % auf 2,5 % erhöht. Dabei muß man aber bedenken, welchen Personenkreis das betrifft, wie groß er zahlenmäßig ist. Man kann es ziemlich genau feststellen. Zwar weiß niemand genau, wer nach dem neuen Recht erwerbsunfähig sein wird. Aber aus der Praxis beispielsweise bei den Kriegsbeschädigten und den anderen Schwerbeschädigten wissen wir, daß der Kreis der Erwerbsunfähigen, der Menschen also, die nicht nur nicht ihren Beruf, sondern überhaupt keine Tätigkeit, die mehr als geringfügiger Art ist, ausüben können, sich höchstens auf 20 % ,der vorzeitig Arbeitsunfähigen beläuft. Sie werden das noch feststellen. Wir wissen das aus anderen Erfahrungen ziemlich genau. Wir haben ferner die genauen Statistiken der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften durchgearbeitet. Wir wissen daraus, daß beispielsweise die gegenwärtige Altersrente bei einem Gesamtzugang von 37 000 im Jahr nur für rund ein Drittel des Zuganges gewährt wird. Nur für rund ein Drittel der als Rentner zugehenden Bergarbeiter wird diese Erhöhung der Leistung von 2,4 auf 2,5 % in Frage kommen. Das wird auch durch das Bundesarbeitsministerium bestätigt, das gesagt hat, daß wegen des besonderen Berufsschicksals der Bergarbeiter die überwiegende Zahl bereits im Alter von 53 oder 54 Jahren aus dem Beruf ausscheidet.
Dadurch, daß Sie demjenigen, der berufsunfähig ist, oder der völlig erwerbsunfähig ist, keine Zurechnung in der Art und Weise wie allen anderen Arbeitern und Angestellten gewähren, verwirklichen Sie auch in den Fällen, in denen der Steigerungsbetrag von 2,4 auf 2,5 % erhöht wird, nicht das, was Sie verkünden, nämlich eine weitere Erhöhung des Vorsprungs der knappschaftlichen Rentenversicherung. Die Wirkung, die erzielt wird, ist, daß der Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung gegenüber der Rentenversicherung aller anderen Arbeiter und Angestellten verringert wird. Das ist ein Tatbestand, der Anlaß zu sehr sorgsamen Überlegungen bei dieser Abstimmung ist.
Die Angelegenheit hat nämlich nicht nur sozialpolitische, sondern auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Wenn wir bei einer Neuordnung der knappschaftlichen Rentenversicherung den Vorsprung der knappschaftlichen Rentenversicherung wesentlich vermindern, kann das - darüber muß man sich klar sein - auch erhebliche wirtschaftspolitische Auswirkungen haben. Sie können diese negativen Auswirkungen jetzt noch verhindern, indem Sie die Bergarbeiter, die vorzeitig arbeitsunfähig werden, nicht schlechter behandeln als alle anderen Arbeiter und Angestellten, sondern ihnen die vollen Zurechnungszeiten wie den Arbeitern und Angestellten der gesamten Wirtschaft gewähren.
({21})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem, was der Herr Professor Schellenberg hier vorgetragen hat, nur einige kurze Bemerkungen machen. Wir stehen bei allen Zweigen der Rentenversicherung, sowohl der Rentenversicherung für die Arbeiter und die Angestellten wie der Rentenversicherung für die Bergleute, vor einer neuen Ordnung. Bei den Besprechungen, die diesen Gesetzesvorlagen vorausgegangen sind, war es immer einheitliche Meinung aller Beteiligten, daß die Rente nicht höher sein kann als der volle Verdienst eines gleichwertigen Arbeiters und daß bei Teilrenten die Rente und der Lohn die volle Lohnhöhe nicht übersteigen sollen. Dieser Grundsatz ist von allen anerkannt worden.
Herr Professor Schellenberg spricht nun davon, daß der Vorsprung, den die Bergleute seither gehabt haben, in der neuen Ordnung nicht beibehalten sei. Wenn ich in der Relation zwischen den bisher niedrigen Renten der Invalidenversicherung und den bisherigen knappschaftlichen Renten den Multiplikator für die neuen Renten in der Knappschaftsversicherung gesucht hätte, dann lägen die Renten in der Knappschaftsversicherung allerdings weit höher als das, was einer verdienen kann, wenn er arbeitet.
Herr Professor Schellenberg, wir wollen doch nicht an den Dingen vorbeireden. Wir haben nun einmal in allen Gruppen, auch beim Bergbau, die lohnbezogene Rente geschaffen. Wir nehmen die Beiträge, die in einer früheren Zeit bei einem viel geringeren Verdienst oder bei einer ganz anderen Kaufkraft der Währung geleistet worden sind, nicht in der nominellen Höhe, sondern setzen sie in Beziehung zu dem heutigen Arbeitslohn. Dadurch kommen wir zu ganz anderen Ergebnissen. Wenn wir für den Bergbau mit den Prozentsätzen rechnen, die für die einzelnen Renten vorgesehen sind, kommen wir zu dem, was auch die Beteiligten wollten, daß nämlich die Rente nicht höher ist
({0})
als das, was einer durch Arbeit verdienen könnte.
Deshalb ist das, was hier von Ihnen gesagt worden ist, meines Erachtens weitgehend theoretisch.
Die Dinge sind nicht so, Herr Professor Schellenberg, wie Sie es vorhin dargelegt haben. Wir haben im Jahre 1956 ungefähr eine Milliarde DM insgesamt für die knappschaftlichen Renten gezahlt. Wir zahlen im Jahre 1957 nach diesem Gesetz 1,420 Milliarden DM. Das sind die nackten Zahlen, die jeder sehen muß. Ich bin der Meinung, daß danach auch klar ist, wie man sich jetzt bei der Abstimmung zu verhalten hat.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will auf das Zahlenspiel von Herrn Professor Schellenberg gar nicht eingehen.
({0})
Das ist gestern und heute schon soundsovielmal wiederholt worden,
({1})
daß es dadurch nicht wahrer wird. Wir verschweigen gar nicht, daß der bisherige Abstand zwischen den Invaliden- und Angestelltenrenten einerseits und den Knappschaftsrenten andererseits nicht aufrechterhalten werden kann. Mit Absicht wollen wir diesen weiten Abstand nicht aufrechterhalten. Wir wollen doch nicht von dem Prinzip abgehen, daß eine Rente nicht ein normales Einkommen überschreiten darf. Ich glaube, jeder denkende Mensch, auch der Bergmann wird diesen Grundsatz anerkennen und nicht mehr Rente haben wollen, als er als Arbeitseinkommen nach Hause bringen würde. Wir müssen bei diesem Prinzip den Abstand zwischen Angestellten- und Invalidenrente und Knappschaftsrente verringern, wenn wir nicht den anderen darben und an der Peripherie stehen lassen wollen. Wir wollen doch auch den Invaliden- und Angestelltenrentner auf ein angemessenes Lebensnivau heben. Wenn wir beides zusammen wollen, müssen wir den Abstand verringern, der bisher bestanden hat.
Das ist das ganze Problem, und ,da haben alle Berechnungen und Zahlenspielereien keine Bedeutung. Die Dinge sind von uns so gewollt, und jeder draußen im Lande, auch jeder Knappschaftsrentenempfänger wird das bejahen. Wir sind nun einmal so ehrlich, lassen das ganze Zahlenspiel beiseite und sagen mit Deutlichkeit: wir sind beiden Gruppen jetzt gerecht geworden, ohne auch nur im geringsten den Knappschaftsrentner zu benachteiligen. Das ist die Wahrheit über die Dinge.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schüttler, ich gebe Ihnen sehr gern zu, daß Sie - wie auch viele andere Kollegen - von der Fülle des Zahlenmaterials verwirrt sein können und daß Sie deshalb einen solchen Ausdruck wie „Zahlenspiel" gebrauchen. Aber, meine Damen und Herren, wir haben doch gemeinsam die Verantwortung, uns die praktischen Auswirkungen klarzumachen. Diese stellen sich in der Höhe der Rente dar, und die Höhe der Rente mißt sich an einer Zahl. Deshalb muß man, wenn man etwas über die Höhe der Rente aussagen will, leider vielfältige Zahlen nennen. Das tut mir sehr leid, aber es liegt in der Natur der Sache. Wenn wir es nicht tun, verlieren wir uns in allgemeinen Redensarten, und das wollen wir doch nicht. Deshalb nenne ich Ihnen hier Zahlen, um die Auffassung meiner politischen Freunde, die ich hier vertrete, und die Anträge, die ich hier stelle. zu untermauern.
Herr Kollege Schüttler, ich stimme mit Ihnen völlig darin überein - wir Sozialdemokraten alle -, daß die Rente selbstverständlich nicht höher sein soll als der Arbeitslohn.
({0})
Aber eine solche Auffassung haben wir uns doch an den Schuhsohlen abgelaufen, das bedarf doch nicht der Erwähnung. Als ob wir das nicht wüßten! Deshalb soll man uns nicht gewissermaßen unterstellen, wir beabsichtigten das.
Um aber eine genaue Feststellung treffen zu können, muß man sich über die gegenwärtige Rentenhöhe in der knappschaftlichen Rentenversicherung im klaren sein. Deshalb muß ich Ihnen leider wieder Zahlen nennen, hier aus dem offiziellen Material der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften. Daraus ergibt sich, daß von den gegenwärtig 95 000 Empfängern von Knappschaftsrenten 50 %, also die Hälfte dieser Rentner, eine Rente beziehen, die niedriger als 150 Mark monatlich ist. Das ist eine Tatsache! Wie Sie da behaupten können, es entstehe ein Konflikt mit dem Arbeitslohn, wenn diese Rente, die jetzt als Bergmannsrente bezeichnet wird und die leider - wie ich Ihnen nachgewiesen habe und wie die Regierung nicht bestreiten kann
- noch verringert wird, das verstehe ich nicht!
Die Knappschaftsvollrente erhalten gegenwärtig 240 000 Bergarbeiter und -angestellte. Die Hälfte davon, über 120 000 Bergarbeiter, die Knappschaftsvollrente erhalten, bekommen gegenwärtig eine Rente, die unter 180 Mark monatlich liegt. Für einen Teil dieser Rentner wird in Zukunft bei Rentenbewilligung diese Rente von 180 Mark noch niedriger. Aber Sie haben die Unterlagen nicht genau gelesen; ich müßte hier jetzt wieder zitieren, um Ihnen die Dinge genau darzulegen.
({1})
- Aber ich bezweifle, Herr Kollege Arndgen, daß Sie sich so gründlich mit den Zahlenunterlagen Ihrer eigenen Regierung beschäftigt haben.
({2})
- Ihre Zwischenbemerkungen jedenfalls lassen keinen hohen Stand Ihrer Kenntnis dieser Zusammenhänge erkennen.
({3})
Das wollte ich Ihnen sehr deutlich sagen.
Ich hätte noch etwas anderes anzuführen: die Zurechnung wirkt sich auch aus.
({4})
- Auf die 400 Millionen komme ich noch!
Meine Damen und Herren, ich glaube, durch Vermeidung der Zwischenrufe würden Sie zur Verkürzung der Reden wesentlich beitragen!
Alle die Zurechnungszeiten, von denen wir sprechen, wirken sich auch auf die Renten der Witwen aus. Wir wissen alle, daß die Zahl der Bergarbeiterwitwen besonders hoch ist, daß wir über 200 000 Bergarbeiterwitwen haben. Für etwa die Hälfte aller Witwen beträgt die durchschnittliche Witwenrente gegenwärtig unter 100 DM monatlich. Dadurch, daß Sie bei vorzeitigem Tod des Bergmannes nicht volle Zurechnung gewähren, stellen Sie die Witwen der Bergarbeiter im Verhältnis zu den sonstigen Witwen - deren Renten, wie wir wissen, durch die Tabellen für Arbeiter und Angestellte nicht unbeachtlich erhöht werden - ungünstiger.
Noch ein letztes Wort zu der Angabe, daß der Mehraufwand 420 Millionen DM betragen werde. Das bedeutet praktisch, daß der gegenwärtige Rentenaufwand für die Knappschaftsversicherung sich nach Angabe der Regierung um etwa 40 % gegenüber 70 % - wie dieselbe Regierung gesagt hat - bei den Arbeitern und Angestellten erhöht. Wenn der Herr Bundesarbeitsminister erklärt hat, diese 400 Millionen DM seien sorgfältig berechnet, so bestreite ich das nicht. Aber niemand kann wissen, ob diese Angabe über 400 Millionen DM stimmt. Denn, Herr Bundesarbeitsminister, wer das feststellen will, der muß wissen, wieviel Bergarbeiter erwerbsunfähig sind, wieviel berufsfähig sind, wieviel als Berufsunfähige ausscheiden und wieviel als Berufsunfähige im Betriebe bleiben, wie die Zurechnung bei Witwen sein wird, und so weiter. Jeder Sachkenner, mit dem ich gesprochen habe - und ich habe mit verschiedenen gesprochen -, hat mir gesagt, hat mir sagen müssen, die 400 Millionen müssen Schätzungen sein. Ich weiß aber, was in diesen Schätzungen nicht enthalten ist. Darin sind nämlich die Anrechnungen auf sonstige Sozialleistungen nicht enthalten; diese hat die Bundesregierung nicht berücksichtigt. Deshalb findet unsere Auffassung, daß die 400 Millionen DM eher zu hoch als zu niedrig gegriffen sind, eine gewisse Stütze. Ich habe niemals behauptet, daß die 400 Millionen DM eine falsche Schätzung darstellen; niemand kann es wissen. Aber man muß hinter diese Aussagen über die Höhe des zukünftigen Aufwandes doch ein Fragezeichen setzen, besonders deshalb, weil schon, wie ich gestern nachweisen konnte, in den Zahlenangaben des Jahres 1596 bei den Bundeszuschüssen, die feststehen müssen, eine Differenz von 114 Millionen DM vorhanden ist. Deshalb sage ich, die Angaben über den zukünftigen Aufwand können stimmen; es ist jedoch nicht sicher, ob sie stimmen. Was wir genau wissen, ist, daß die Steigerungsbeträge für einen großen Teil der Versicherten verringert werden und daß die Zurechnungszeiten für Bergarbeiter - das steht ja hier zur Abstimmung - ungünstiger als für alle anderen Arbeiter und Angestellten gestaltet werden sollen.
({0})
Meine Damen und Herren! Das Wort wird nicht mehr gewünscht.
({0})
- Ich bitte, doch hier keine Privatgespräche zu führen, die praktisch die Debatte fortsetzen. - Ich schließe in diesem Punkt die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1022 *) Ziffer 4. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe den § 130 auf, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1023 **) Ziffer 5 und den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1022. Beide Anträge sind inhaltlich völlig gleich. Unter diesen Umständen möchte ich Ihnen vorschlagen, auf eine Begründung zu verzichten.
({1}) - Sie wünschen das Wort? - Ich kann Sie nicht daran hindern. Aber ich bitte Sie, sich kurz zu fassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern dem Hohen Hause einen Antrag vorgelegt, nach dem die Beitragsbemessungsgrenze verändert werden soll, wenn das Dreifache der allgemeinen Bemessungsgrundlage überschritten wird. Trotz der guten Argumentation des Kollegen Professor Schellenberg hat das Hohe Haus gestern diesen Antrag abgelehnt. Im Interesse der Versicherten haben wir den Antrag insoweit verändert, daß wir Ihnen heute vorschlagen, die Veränderung der Beitragsbemessungsgrenze durchzuführen, wenn die allgemeine Bemessungsgrundlage um das Zweieinhalbfache erhöht worden ist.
Es freut uns, daß Sie dieser Argumentation insoweit entsprechen konnten und diese Meinung ebenfalls in einem Antrag zum Ausdruck gebracht haben. Wir danken Ihnen dafür.
({0})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich kann über die beiden Anträge auf den Umdrucken 1022 *) und 1023 **) Ziffer 5 gemeinsam abstimmen lassen, weil sie das gleiche beinhalten. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. Angenommen.
Wer den § 130 in dieser neuen Fassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme nunmehr zum Artikel 2 und rufe auf § 25. Hier ist der Änderungsantrag Umdruck 1023 Ziffer 6 gestellt. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Schellenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie wissen alle, die Sie in der politischen Arbeit stehen, daß die Frage der Anrechnung der Rentenerhöhung nach dem Arbeiter-und Angestelltenversicherungsgesetz auf andere Sozialleistungen zu einer erheblichen Unruhe geführt hat. Das kann niemand bezweifeln, und das wird Ihnen sicher ebenso Sorge bereiten wie uns.
*) Siehe Anlage 15 **) Siehe Anlage 14
({0})
Wir wissen, daß wir durch die Sechste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, durch die Achte Novelle zum Lastenausgleichsgesetz versuchen, die Kürzung teilweise abzufangen. Gerade in der knappschaftlichen Rentenversicherung werden sich solche Anrechnungen besonders schwerwiegend bemerkbar machen. Die Erhöhungen, die wir nach dem Achten Änderungsgesetz zum Lastenausgleichsgesetz oder nach der Sechsten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz beschließen werden und beschlossen haben, werden, wie wir alle hoffen, bald wirksam werden. Aber die Erhöhungen nach dem vorliegenden Gesetz zu errechnen, wird, da eine Einzelberechnung stattfinden muß, mehrere Monate, vielleicht sogar ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen. Dann sind das Achte Änderungsgesetz und die Sechste Novelle in der praktischen Auswirkung längst in Vergessenheit geraten. Die Menschen spüren vorwiegend den für sie entscheidenden Tatbestand, daß sie nach dem Knappschaftsversicherungsgesetz eine Erhöhung erhalten und daß diese Leistung praktisch voll auf andere Sozialleistungen angerechnet werden kann. Dieser Sachverhalt sollte uns Anlaß zu sorgfältiger Überlegung geben.
Wir haben nicht beantragt. die Erhöhungen völlig anrechnungsfrei zu lassen. Wir sind in einem vernünftigen Rahmen geblieben. Wir sind in dem Rahmen des Sonderzulagengesetzes geblieben und in dem Rahmen, den wir selber gemeinsam damals beschlossen haben, nämlich 21 DM für den Versicherten und 14 DM für Witwen bei den Erhöhungen nach diesem Gesetz grundsätzlich anrechnungsfrei zu lassen.
({1})
- Wir wollen nicht annehmen, daß ein Bergarbeiter zusätzlich Fürsorgeleistung erhält.
({2})
Meine Damen und Herren, gerade weil Sie wiederholt die Vorrangstellung des Bergmanns betont haben, sollten Sie wenigstens hier in der knappschaftlichen Rentenversicherung keine volle Anrechnung vorsehen, sondern einen Betrag von 21 DM für den versicherten Bergarbeiter und 14 DM für seine Witwe freilassen.
Um Ihnen die Sorge zu nehmen, das koste vielleicht zu viel und werde den Bundeshaushalt in Unordnung bringen, weil, wie wir wissen, das Defizit der knappschaftlichen Rentenversicherung vom Bund gedeckt werden muß: Der Tatbestand, daß die Bundesregierung in ihrer Berechnung des Aufwandes dieses Gesetzes die Einsparungen in den anderen Sozialhaushalten überhaupt nicht erwähnt hat, kann doch, wenn man der Regierung die gebotene Fairness unterstellt - was ich ohne weiteres tue -, nur bedeuten, daß die Bundesregierung die finanziellen Auswirkungen für geringfügig hält. Um so mehr könnten und sollten Sie unserem Antrage zustimmen.
({3})
Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1023 *) Ziffer 6. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
*) Siehe Anlage 14
- Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 31, dazu den Änderungsantrag Umdruck 1023 Ziffer 7.
({0})
- Ist der hinfällig?
({1})
-- Ich kann ihn also als erledigt betrachten.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Schlußabstimmung.
Zu einer Erklärung hat das Wort der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen der sozialdemokratischen Fraktion vor der Schlußabstimmung folgende Erklärung abgeben.
Erstens. Wir begrüßen, daß nach der Verabschiedung der beiden Rentengesetze für Invaliden- und Angestelltenversicherung nun auch das Rentenrecht der Knappschaft neu geregelt werden soll. Wir bedauern jedoch, daß eine gleichzeitige Verabschiedung mit den vorher genannten Gesetzen nicht möglich war. Diese verspätete Verabschiedung wird zur Folge haben, daß die Knappschaftsrentner und die Hinterbliebenen auf die Umrechnung ihrer Renten eine erheblich längere Zeit warten müssen. Diese Verzögerung wäre nach unserer Auffassung nicht notwendig gewesen, wenn die Bundesregierung der Aufforderung der SPD entsprechend dem Antrag Drucksache 2560 vom 26. Juni 1956 entsprochen hätte, wonach die Bundesregierung aufgefordert wurde, dem Bundestag baldmöglichst den Entwurf eines Bundesknappschaftsgesetzes vorzulegen. Erst am 9. Januar 1957 brachte die CDU/ CSU-Fraktion dann ihren von der Bundesregierung übernommenen Gesetzentwurf ein. Auch die Begründung für die Verspätung, daß bei den vielen Wanderversicherten in der Knappschaft eine Verabschiedung dieses Gesetzes zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen müsse, um die Bestimmungen über die Wanderversicherung aufeinander abzustimmen, ist nicht stichhaltig; denn in einer der letzten Sitzungen des Sozialpolitischen Ausschusses brachte die CDU einen Antrag ein, wonach die Bestimmungen über die Wanderversicherung für die Invaliden- und Angestelltenversicherung schon wieder geändert werden sollen.
Zweitens. Zu dem Recht des Bergmanns im einzelnen darf ich folgendes sagen. Ich glaube, es war seit jeher gemeinsame Auffassung, daß die Knappschaftsversicherung für den im Bergbau Beschäftigten von außerordentlicher Bedeutung war und bleiben wird. Der Mensch, der unter Tage Leben und Gesundheit täglich aufs neue bei seiner schweren Arbeit einsetzt, hat - so glauben wir - ein besonderes Anrecht auf sozialen Schutz nicht nur für sich, sondern auch für seine Familie.
Nur einige Zahlen darf ich hier noch ganz kurz nennen, weil sie bei der Verabschiedung dieses wichtigen Gesetzes beachtet werden müssen. Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang im Bergbau 1594: 738. Von 1929 bis 1955 an entschädigungspflichtiger Silikose verstorben: 26 901. Diese wenigen Zahlen dürften beweisen, welche schwierigen Tatbestände im Bergbau vorhanden sind, und sollen auch beweisen, warum wir uns mit dieser Leidenschaft für die hier gestellten Anträge eingesetzt haben.
({0})
Wir begrüßen es, daß nun auch im Knappschaftsrecht eine echte Lohnbezogenheit der Rente eingeführt wird, leider wie auch in anderen Gesetzen eine um drei Jahre zurückverlegte Lohnbezogenheit.
Zweitens begrüßen wir es, daß die Ausgaben für die knappschaftliche Rentenversicherung nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums von 1184 Millionen 1956 um 425 Millionen auf 1609 Millionen oder um 35,9 % angehoben und damit die Renten entsprechend erhöht werden. Leider bleibt die Erhöhung prozentual gesehen - das hat vorhin auch Kollege Schellenberg gesagt - gegenüber derjenigen in der Invaliden- und Angestelltenversicherung zurück.
Drittens begrüßen wir als weiteren Fortschritt die Einführung der Bergmannsrente vom 50. Lebensjahre an. Wir sind besonders stolz darauf, daß es uns gelungen ist, die im CDU-Gesetzentwurf vorgesehene Altersgrenze von 52 Jahren zu beseitigen, d. h. zu verbessern. Wir begrüßen es auch, daß das Altersruhegeld dem Bergmann, wenn er die Voraussetzungen erfüllt hat, vom 60. Lebensjahr an gewährt wird.
Wir bedauern jedoch, meine Damen und Herren, daß die Mehrheit dieses Parlaments während der zweiten Lesung und auch vorhin wieder unseren Antrag, die Bergmannsrente allen unter Tage Beschäftigten zu gewähren, soweit sie wesentlich bergmännische Arbeiten zu verrichten haben, abgelehnt hat. Damit kommen die zirka 60- bis 70 000 unter Tage Beschäftigten weder in den Genuß der Bergmannsrente noch auch in den Genuß des Knappschaftssoldes, auf den sie bisher einen Rechtsanspruch hatten. Ebenso wird es nach unserer Auffassung für den Bergbau schwierig sein, angesichts dieses Tatbestandes in Zukunft in genügender Anzahl Arbeitskräfte für Schichtlohnarbeit zu bekommen. Nach bisher geltendem Recht hatte der Bergmann bei voller Berufsunfähigkeit einen Rechtsanspruch auf den vollen Steigerungsbetrag von 2,4 %. Jetzt haben Sie beschlossen, einen unterschiedlichen Steigerungsbetrag von 1,2 und 2 % zu gewähren. Wir halten das nicht für sinnvolle Fortentwicklung des knappschaftlichen Rentenrechts, sondern für eine Verschlechterung. Die Behandlung der Zurechnungszeit bei Berufsunfähigkeit sowie das Nichteinbeziehen der Bergmannsrente in die Zurechnung ist ebenfalls nicht das, was wir uns vorgestellt haben.
Abschließend darf ich folgendes als Auffassung meiner Fraktion erklären. Die Schwere und Gefährlichkeit des Bergmannsberufs bedeutet für den Bergmann wirtschaftliche und soziale Unsicherheit. Die Ausübung des Bergmannsberufs muß mit einem relativ kurzen Arbeitsleben und einem verkürzten Lebensabend bezahlt werden. Erstens muß der Bergmann durchschnittlich im 50. Lebensjahr seine Hauptberufstätigkeit aufgeben und eine minderentlohnte Beschäftigung übernehmen. Zweitens ist seine Erwerbsfähigkeit im Durchschnitt bereits mit 55 Jahren so weit gesunken, daß er völlig aus dem Erwerbsleben ausscheiden muß. Diese beiden Risiken sind durch die knappschaftliche Rentenversicherung abzudecken, und zwar so, daß eine Senkung des Lebensstandards nicht eintritt. Nach unserer Auffassung muß deshalb erstens der Bergmann bei Aufgabe des Hauptberufs durch die Bergmannsrente entschädigt werden, und zweitens muß ihm beim Ausscheiden aus dem Erwerbsleben die entsprechend hohe Altersrente gesichert werden. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, wird der
Gesetzgeber und werden wir alle gemeinsam den berechtigten Wünschen und Forderungen der Bergarbeiter gerecht werden.
Einiges ist - und das habe ich vorhin im Auftrag der Fraktion als positiv herausgestellt - geschaffen worden. Einige andere, und zwar wesentliche Dinge, sind unbefriedigend gelöst worden. Dennoch ist es die Meinung meiner Fraktion, daß wir dem Gesetz zustimmen dürfen und können.
({1})
Meine Damen und Herren, ich habe das Positive und das Negative aufgezählt. Ich habe hervorgehoben, daß über 400 Millionen in die knappschaftliche Rentenversicherung auf Grund der Reform hineinfließen. Das haben wir anerkannt; dafür haben wir uns eingesetzt. Aber auch das Negative muß vor der Schlußabstimmung noch einmal erwähnt werden. Ich darf Ihnen versichern, daß die Bergarbeiterschaft die Verbesserung, die das zu beschließende Gesetz bietet, dankbar anerkennen wird; für berechtigte Forderungen wird die Bergarbeiterschaft weiter kämpfen. Der Hilfestellung der SPD wird die Bergarbeiterschaft gewiß sein.
({2})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Frau Kalinke ({0}): Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der Deutschen Partei/Freien Volkspartei folgende Erklärung abzugeben.
Bei der Verabschiedung der Rentenreformgesetze hat die Mehrheit dieses Hauses für die beginnende Sozialreform den Standort gegenüber den Prinzipien und Leitbildern der deutschen Sozialgesetze der Vergangenheit bestimmt. Nicht eindeutig bestimmt wurden Standort und Weichenstellung unserer staatlichen Sozialpolitik gegenüber der Zukunft. Offen blieben die vielfach gestellten Fragen nach der sozialen und volkswirtschaftlichen Wirksamkeit der begonnenen Rentenreform.
Die Entscheidungen über die Reform der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten haben die heute zur Beratung stehende Reform der Knappschaftsversicherung weitgehend präjudiziert. Die alten Ordnungsprinzipien, unter denen auch im Bergbau die sozialpolitischen Probleme der Vergangenheit gelöst worden sind und die auch in Zukunft das Leitbild einer sinnvollen Neuordnung sein sollten, sind die Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzipien. Diese Prinzipien der Eigenverantwortlichkeit und der wechselseitigen Verbundenheit in einem gleichen Berufsschicksal sind leider weitgehend verlassen worden. Der Mangel an Koordinierung bei der Planung und Vorbereitung der einzelnen Reformgesetze, das Fehlen einer umfassenden Konzeption für die Gesamtreform unserer Sozialleistungssysteme haben sich bei den Beratungen dieses Gesetzes deutlich gezeigt. Trotz aller Deklamationen über die Sonderstellung des Bergmanns und seiner durch Beiträge erworbenen Mehransprüche hat das heute zu verabschiedende Gesetz die Gleichschaltung mit der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten weitgehend vollzogen. Die Fraktion der Deutschen Partei bedauert diese Mehrheitsentscheidung. Sie bedauert, daß die
({1})
Bemühungen der Deutschen Partei um die Erhaltung des besonderen Angestelltenrechts bei der Reform der Rentenversicherungen im Interesse auch der Privilegien des Bergbaus erfolglos geblieben sind. Die Auseinandersetzung um die Besitzstandswahrung in den Beratungen der Knappschaftsversicherung ist zugleich eine Auseinandersetzung mit allen Tendenzen einer fortschreitenden Gleichmacherei, die wir im Interesse aller Arbeitnehmer bedauern.
Angesichts der besonderen volkswirtschaftlichen Bedeutung und angesichts der sozialpolitischen und arbeitsmarktpolitischen Situation des deutschen Bergbaus sind hier eine besondere staatliche und betriebliche Sozialpolitik und die besondere Belastung des Bergbaus mit einem so ungewöhnlich hohen Sozialaufwand notwendig. Wegen der außerordentlichen Unfallgefährdung im Bergbau, wegen der schon früh einsetzenden Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit, wegen der anhaltenden Fluktuation der Arbeitskräfte, wegen des steigenden Wohnungsbedarfs sowie angesichts der Tatsache, daß die im Bergbau Beschäftigten durch hohe Beiträge größere Ansprüche erworben haben, bedauert es die Deutsche Partei, daß dem Bergbau die sozialen Privilegien, auf die er sich durch seinen besonderen Einsatz und durch hohe Beiträge einen Anspruch erworben hat, nicht nach einem individuellen, der Fortentwicklung des Knappschaftsrechts entsprechenden besonderen Leistungsrecht erhalten werden konnten.
({2})
Die gleiche Mehrheit, die sich für die Grundprinzipien in der Rentenversicherung der Angestellten und Arbeiter einsetzte, hat die von uns bedauerte Gleichschaltung in diesem Gesetz präjudiziert. Die Deutsche Partei ist davon überzeugt, daß im Bergbau auch für die Zukunft die Aufrechterhaltung des individuellen Lebensstandards der Bergarbeiter und ihrer Hinterbliebenen, der Bergbauangestellten und ihrer Hinterbliebenen aus dem Renteneinkommen allein nicht garantiert werden kann. Die solidarische Selbsthilfe und Selbstvorsorge, die im Bergbau immer eine besondere Rolle spielte, muß erhalten und die Chance zur zusätzlichen individuellen Sicherung muß gefördert werden.
Wir fürchten, daß die Ausweitung der Personenkreise und die steigende Beitragsbelastung der im Bergbau Tätigen die Eingliederung der alten Menschen in den Familienhaushalt, den Erwerb und das Erhalten von Eigenheimen und persönlichem Eigentum, dessen Förderung wir wünschen, einengen könnten.
Dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, die einheitlich das ganze Reichsgebiet umfassende Reichsknappschaft, die 1924 an die Stelle von 110 selbständigen knappschaftlichen Organisationen getreten war und die 1945 dem Zusammenbruch zum Opfer fiel, wieder zu errichten, werden wir zustimmen. Wir hoffen aber, daß im nächsten Bundestag neben dem Organisationsgesetz vor allen Dingen auch die Voraussetzungen für die Beseitigung eines dem Bergbauangestellten zugefügten Unrechts geschaffen werden. Die bis 1943 bei der Reichsknappschaft getrennten Abteilungen der Arbeiter und Angestellten sollten durch getrennte Kassen- und Buchführung für Arbeiter und Angestellte wiederhergestellt werden. Auch die getrennten Selbstverwaltungsorgane, die bis 1943 für Arbeiter und Angestellte bestanden, sollten bei dieser Gelegenheit wieder errichtet werden.
Ebenso notwendig erscheint uns die Vorbereitung der Reform der knappschaftlichen Krankenversicherung, die unverzüglich eingeleitet werden sollte. Dabei sollten das Sprengelarztsystem reformiert, die Ausdehnung der freien Arztwahl garantiert und die Trennung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Vertrauensarzt durchgeführt werden.
Die Güte dieses Gesetzes wird sich darin zeigen, ob die Anziehungskraft des Bergbaus erhalten bleibt, ob es uns in Zukunft gelingt, qualifizierten Bergarbeitern ein individuelles System der staatlichen und betrieblichen Sozialpolitik zu erhalten. Sie ist zugleich eine Frage sozialer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft. Die Konkurrenzfähigkeit der westdeutschen Kohlengruben, die Meisterung der Probleme der Montanunion, des Gemeinsamen Marktes und des Weltmarktes werden davon berührt, wie die Vorrechte des Bergmanns erhalten bleiben.
Die Deutsche Partei wünscht, daß die Hoffnungen und Erwartungen, die vor allem die unter Tage Tätigen und ihre Angehörigen an dieses Gesetz knüpfen, erfüllt werden. Sie bekennt sich auch zu dem Gedanken dieses Gesetzes, diejenigen besonders zu belohnen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens die schwerste Belastung des Hauerberufs auf sich nehmen.
Die Deutsche Partei begrüßt die materiellen Verbesserungen dieses Gesetzes. Die Fraktion der DP ({3}) wird daher trotz grundsätzlicher Bedenken diesem Gesetz ihre Zustimmung geben, damit die Knappschaftsrentner nicht länger warten müssen. Die Beratungen dieses Gesetzes als Teilstück der Sozialreform haben gezeigt, daß es von einem einmal beschrittenen Weg ein Zurück nicht gibt. Wer A sagt, sagt auch B, zur Not das ganze ABC! Möge ein künftiges Parlament die hohe Einsicht und den ungewöhnlichen Mut haben, die Sonderstellung des Bergmanns und der Angestellten in der Sozialpolitik wieder deutlich zu machen!
({4})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Freien Demokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab.
Das Knappschaftsgesetz ist in seiner Problemstellung wesentlich komplizierter als dasjenige der allgemeinen Rentenversicherung. Dieser Umstand ergibt sich einmal aus der starken beruflichen Fluktuation des einfachen Bergmannes - fast jeder Bergmann hat im Laufe seines Arbeitslebens für eine mehr oder weniger große Zahl von Jahren der Arbeiter- oder der Angestelltenversicherung angehört - zum anderen aus einem berechtigten lohnmateriellen Führungsanspruch. Daraus ergibt sich, daß wir es bei der Gestaltung der knappschaftlichen Renten mit vielfachen Überschneidungen mit der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung zu tun haben und zudem mit der Frage: Wie machen wir die knappschaftliche Rentenversicherung so anziehend, daß möglichst viele bereit sind, sich der körperlich besonders schweren bergbaulichen Arbeit zu widmen?
Trotz der Vielschichtigkeit des sich daraus ergebenden Rentenproblems hat man aus Gründen der gesetzlichen Systematik hier den Versuch unternommen, den Aufbau der knappschaftlichen Ren({0})
tenversicherung mit dem allgemeinen Rentenrecht rechtsmateriell zu koordinieren. So ist es zu erklären, daß der nunmehr vorliegende Ausschußbericht eine Gesetzesvorlage darstellt, die in fast allen Punkten eine weitgehende Übereinstimmung mit den Bestimmungen der allgemeinen Rentenversicherung aufweist. Ebenso ist auch die Rentenformel wie in der allgemeinen Rentenversicherung auf dem System der Lohnbezogenheit aufgebaut. In Konsequenz unseres Neins zur allgemeinen Rentenversicherung lehnen wir allein schon aus dem letzten Grunde das Knappschaftsversicherungsgesetz ab. In dem ernsten Willen, den Bergmann ebenfalls im Ablauf seines Lebensabends an dem steigenden Wohlstand unseres Volkes teilhaben zu lassen, wie es ihm auf Grund der Bedeutung seiner Arbeit für die gesamtwirtschaftliche Produktivität zukommt, läßt sich die FDP von keiner Partei übertreffen.
({1})
Indessen sieht sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Erfüllung ihrer politischen Wünsche.
({2}) )
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der Debatte in der zweiten und dritten Lesung dieses Gesetzentwurfs sind zu wiederholten Malen Vorwürfe gegen unseren Kollegen Scheppmann erhoben worden, und zwar mit starkem Nachdruck. Diese Vorwürfe sind deshalb erhoben worden, weil er hier im Hause nicht die Auffassungen vertreten habe, die die IG Bergbau beschlußmäßig als Forderungen für die Gestaltung der knappschaftlichen Rentenversicherung festgelegt habe. Es ist ihm der Vorwurf gemacht worden, daß er sich als geschäftsführendes Vorstandsmitglied dieser Gewerkschaft an diese Beschlüsse hätte halten müssen.
Wir sehen in diesen Vorwürfen einen schlechten politischen Stil,
({0})
und wir sind der Auffassung, daß gerade hier in einer echten Weise unter Beweis gestellt worden ist, daß der Abgeordnete lediglich seinem Gewissen unterworfen ist und sich an irgendwelche Beschlüsse von Interessenverbänden und Organisationen gleich welcher Art nicht zu halten hat.
({1})
Ich möchte weiter feststellen, daß die Arbeit an dieser Vorlage im Sozialpolitischen Ausschuß im wesentlichen von der Christlich-Demokratischen Union und von der sozialdemokratischen Fraktion geleistet worden ist
({2})
und daß sich die übrigen Fraktionen im wesentlichen an diesen Beratungen nicht beteiligt haben.
({3})
Zu den Endergebnissen dieser Beratungen dürfen wir als Fraktion der CDU/CSU mit hoher Befriedigung feststellen, daß wir den beiden im Januar verabschiedeten Rentenversicherungsgesetzen der Arbeiter und der Angestellten mit dem heutigen Gesetz über die Neuregelung des knappschaftlichen Leistungsrechts in der Rentenversicherung der
Bergleute ein Gesetz an die Seite gestellt haben, das eine gleich große soziale Tat darstellt und ein weiterer Baustein in der fortschrittlichen Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung ist.
({4})
Wir haben in den Wochen, die seit der Verabschiedung der beiden anderen Gesetze hinter uns liegen, draußen im Lande in Versammlungen, in Flugblättern und in Plakatierungen immer wieder lesen müssen: „Rentenerhöhungen, erkämpft durch die SPD".
({5})
Ich darf dazu feststellen, daß diese Gesetze über die fortschrittliche Neugestaltung der Rentenversicherungen ursächlich und praktisch im wesentlichen der Erfolg der Arbeit der Fraktion der CDU/CSU in diesem Hause gewesen ist.
({6})
Ebenso wie sich das in zunehmendem Maße unter den Rentnern und den versicherten Menschen draußen herumgesprochen hat,
({7})
so werden auch die Bergleute an Rhein und Ruhr dann,
({8})
wenn der wahre und tatsächliche Inhalt, der fortschrittliche Inhalt auch dieses Gesetzes sich herumgesprochen haben wird, von dieser sozialen Tat genau so überzeugt sein, wie es die Versicherten und die Rentner der übrigen Rentenversicherungen inzwischen auch geworden sind.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei, dann weiter draußen wieder die gleichen Plakate aufstellen: „Rentenerhöhungen in der knappschaftlichen Rentenversicherung, erkämpft durch die SPD", dann werden wir diesen Behauptungen die Tatsachenbeweise gegenüberstellen, und wir sind der Überzeugung, daß die versicherten Bergleute das Vertrauen auf die richtige Seite verlagern werden.
({9})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe keine Regierungserklärung zu dem Gesetz abzugeben, sondern ich möchte die Gelegenheit benutzen, denjenigen, die bei der Erstellung der Gesetzesvorlage mitgearbeitet haben, und auch denjenigen, die im Sozialpolitischen Ausschuß dieses Gesetz in einer geradezu übermenschlichen Arbeit in verhältnismäßig kurzer Zeit zur Verabschiedung gebracht haben, den recht herzlichen Dank des Arbeitsministeriums, aber darüber hinaus auch den Dank der gesamten Regierung auszusprechen. Wir haben jetzt die drei Gesetze für eine Neugestaltung der Leistungen in den Rentenversicherungen hinter uns, und ich glaube, dieser Bundestag wird einmal auch mit diesen Gesetzen in die Geschichte eingehen. Ich spreche hier von keiner Partei, denn letzten Endes haben sich alle guten Kräfte in diesem Hause zusammengefunden, wenn auch der eine
({0})
glaubte mehr verlangen zu müssen und der andere glaubte es nicht tun zu können, um die Sicherheit unserer neuen sozialen Ordnung für die Zukunft zu gewährleisten. Noch einmal herzlichen Dank an alle, die mitgearbeitet haben! Ich glaube, wir brauchen uns dieser Gesetze nicht zu schämen.
({1})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist endgültig geschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz in dritter Lesung. Wer dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich komme nunmehr zum Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1020 *). Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg! - Sie wollen den Antrag der CDU/CSU begründen?
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zur Kenntnis geben, daß die Sozialdemokraten in ihrem Antrag vom 26. Juni 1956 das gleiche gefordert haben und daß wir deshalb diesem Entschließungsantrag zustimmen.
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Ob dieser erfreulichen Einigkeit des Hauses hat sich niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe die Aussprache hierzu.
Wer dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 1020 *) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zum Ausschußantrag Nr. 2. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus um eine Minute Geduld, damit ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten eine Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung abgeben kann.
Während der Rede des Herrn Kollegen Dr. Friedensburg am heutigen Vormittag in der Aussprache über die Amnestie habe ich ihn gefragt, ob es zutreffe, daß er sich vor etwa vier Wochen, als sowohl die Zahlen wie auch die sonstigen politischen Umstände, auf die er sich jetzt beziehe, bekannt waren, ausdrücklich für ein Amnestiegesetz ausgesprochen
*) Siehe Anlage 16
habe. Herr Dr. Friedensburg hat geantwortet, dies sei ihm nicht bekannt. Ich habe ihn dann gefragt, ob er sich erinnere, in dieser Richtung korrespondiert zu haben. Der Abgeordnete Dr. Friedensburg hat diese Frage nicht beantwortet.
Bei dieser Sachlage könnte der Eindruck entstehen, als hätte ich eine unwahre Tatsache behauptet. Ich darf deshalb zur Klarstellung folgendes ausführen. Am 9. März 1957 hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg in einem Schreiben ausgeführt -- ich zitiere das Schreiben -:
Auf Ihr Schreiben vom 2. März teile ich mit, daß ich mit vielen meiner Freunde durchaus entschlossen bin, für eine großzügige und baldige Amnestierung aller politischen Delikte in der Bundesrepublik einzutreten. Ich habe das schon bei vielen Gelegenheiten getan; einer besonderen Mahnung wird es also jedenfalls bei mir nicht bedürfen. Zu den von Ihnen angeführten Gesichtspunkten kommt der meiner Überzeugung nach entscheidende, daß diejenigen, die sich bei der unnatürlichen Lage unseres Landes nicht zurechtfinden, dafür nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollten, wie wenn es sich um zwei miteinander ringende fremde Staaten handelte. Soweit man überhaupt von einer „Schuld" sprechen kann, so liegt sie bei den Verursachern des Zustandes Deutschlands und nicht bei denen, die unter dem Druck dieses Zustandes mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
({0})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gebe ich nach § 36 der Geschäftsordnung folgende Erklärung ab.
Herr Kollege Wittrock irrt. Eine Antwort, daß mir der Vorfall nicht bekannt sei, erweckt durchaus noch nicht den Eindruck der Unaufrichtigkeit des Anfragenden. Bei dem Umfang meines Schriftverkehrs war mir der Wortlaut des Schreibens, auf das er angespielt hat, tatsächlich nicht erinnerlich.
Während meiner Rede hätte es im übrigen dem Kollegen Wittrock bei einiger Aufmerksamkeit nicht verborgen bleiben können, daß ich noch heute eine großzügige und humane Straferlaßregelung für alle wünsche, die unter dem unseligen Zustand unseres Landes politisch straffällig werden, und daß deshalb ein Widerspruch zwischen meinen Erklärungen und dem von ihm wiedergegebenen Schreiben nicht besteht. Ihm hätte aber auch nicht verborgen bleiben können, wie ernst ich mich in meiner Rede heute vormittag bemüht habe, in dieser das ganze Haus bewegenden Frage - gerade nach den Vorfällen vom letzten Freitag - zu einer Formulierung zu gelangen, die den Gefühlen und Wünschen eines großen Teiles der Kollegen entspricht.
({0})
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Zur Schlußerklärung des Herrn Kollegen Horn erkläre ich gemäß § 36 der Geschäftsordnung: Sprecher der SPD haben dem
({0})
Herrn Kollegen Scheppmann nicht daraus einen Vorwurf gemacht, daß er als Abgeordneter die Beschlüsse seiner Organisation, der IG Bergbau, nicht hier im Hause vertreten hat, sondern wir haben lediglich kritisiert, daß Herr Scheppmann Beschlüsse nicht erwähnt hat, an denen er selbst als Vorstandsmitglied der IG Bergbau mitgewirkt hat.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung wird bis 20 Uhr unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 20 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Es ist interfraktionell beschlossen worden, daß die dritte Beratung des Gesetzentwurfs über den Wehrbeauftragten des Bundestages gemäß Art. 45b des Grundgesetzes jetzt vorgenommen werden soll. Ich rufe also auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages ({0}),
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({1});
Berichterstatter: Abgeordneter Majonica. ({2})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
({3}) - Bitte, Herr Abgeordneter Jaeger!
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir auf die allgemeine Aussprache jetzt verzichten, da eine Stellungnahme doch erst möglich ist, wenn die wichtigen Sachabstimmungen stattgefunden haben, und daß wir nach Abschluß der Einzelberatung den Fraktionen Gelegenheit geben zu sprechen.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ist das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden? - Ich stelle das fest.
Dann rufe ich § 13 auf, dazu den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 1026.*) Wer begründet? - Herr Abgeordneter Paul, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache am heutigen Vormittag über das Gesetz, das jetzt zur dritten Beratung ansteht, hat deutlich gezeigt, wie wichtig und gut es im Interesse der Sache gewesen wäre, wenn das Hohe Haus dem Antrag der SPD die Zustimmung gegeben hätte. Im Gespräch mit verschiedenen Kollegen über den Antrag der SPD, nach dem der Wehrbeauftragte mit zwei Dritteln der Mitglieder dieses Hohen Hauses gewählt werden soll, konnte man erfahren, daß viel mehr Abgeordnete mit dieser Regelung einverstanden sind, als es sich bei der
*) Siehe Anlage 17 Abstimmung ergeben hat. Wir wollen Ihnen nochmals die Gelegenheit geben, dem Wehrbeauftragten jene breite Basis zu verschaffen, die er zur Ausübung seines Amtes benötigt. Ich appelliere nochmals an das gesamte Hohe Haus, in der dritten Lesung unserem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Änderungsantrages gehört. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU habe ich zu erklären, daß wir uns diesem Antrag der Sozialdemokratischen Partei nicht anschließen können. Wir befürchten hierdurch eine Verzögerung der Wahl des Wehrbeauftragten. An einer beschleunigten Wahl des Wehrbeauftragten liegt uns wohl allen besonders viel. Ich bitte also, diesen Antrag der Sozialdemokratischen Partei abzulehnen.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu dem aufgerufenen Paragraphen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1026*) zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
({0})
Ich rufe auf § 15 mit dem Umdruck 1027. Soll der Änderungsantrag begründet werden? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
({1})
Meine Damen und Herren! Der Umdruck ist bereits abgegeben; er wird Ihnen sofort vorgelegt werden. Ich darf ihn vorlesen; er ist nämlich sehr kurz.
Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU zu § 15 Abs. 4 sieht vor, daß der Absatz 4 wie folgt neu gefaßt wird:
Der Bundestag kann auf Antrag des Bundestagsausschusses für Verteidigung seinen Präsidenten beauftragen, den Wehrbeauftragten abzuberufen.
- Bis hierher ist es genau derselbe Wortlaut wie bisher. Jetzt kommt der neue Satz:
Dieser Beschluß bedarf der Zustimmung von
zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages.
({0})
- Ich weiß nicht, Herr Kollege Ollenhauer, ob der Zuruf „Provokation" von Ihnen kam. Aber ich muß ihn mit Entschiedenheit zurückweisen; denn
*) Siehe Anlage 17
({1})
das entspricht weder dem subjektiven noch dem objektiven Tatbestand.
({2})
- Meine Damen und Herren, wenn ich den Antrag begründet habe, werden Sie mir vielleicht sogar zustimmen.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen heute vormittag schon ausgeführt, daß ich es für im höchsten Grade bedenklich halte, wenn der Wehrbeauftragte mit der einfachen Mehrheit abberufen werden kann. Er wird damit zu einer rein politischen Figur.
({4})
- Ach, Herr Kollege Mellies, ich glaube, im Augenblick haben Sie mehr Angst vor den Wahlen als wir.
({5})
Aber ich möchte doch die Wahlen hier nicht in die Diskussion hineinbringen, sondern wir wollen uns trotz der vorgeschrittenen Zeit bemühen, sachlich zu sein. Ich begründe den Antrag. Sie haben so viele vorzügliche Redner, daß sicherlich einer auftreten wird, der mir dann mit schlüssigen, wenn auch vielleicht nicht begründeten Argumenten hier widersprechen kann.
({6})
Wir wollen doch hier in Ruhe diskutieren.
Meine Damen und Herren! Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Abberufbarkeit mit einfacher Mehrheit den Wehrbeauftragten zu einer rein politischen Institution macht. Wenn wir dies gewollt hätten, hätten wir besser daran getan, dafür zu sorgen, daß er alle vier Jahre nach der Wahl des Bundestagspräsidenten vom jeweiligen Bundestag auf die Dauer seiner Wahlperiode aufgestellt wird. Das haben wir alle in allen Parteien nicht gewünscht. Wir waren der Meinung: Er ist in erster Linie keine politische Institution, sondern eine Institution zum Schutz von Rechten, und er soll insofern in einer gewissen Freiheit vom Parlament stehen.
In dem Antrag, auf den ich mich heute früh schon bezogen habe, den ich mit meinen politischen Freunden vor bald einem Jahr eingebracht habe, hatte ich bereits die einfache Mehrheit für die Wahl und die Zweidrittelmehrheit für die Abberufung vorgeschlagen. Meine Damen und Herren, wir sind Ihnen inzwischen entgegengekommen, weil wir statt der einfachen Mehrheit für die Wahl, die ja auch eine Zufallsmehrheit, also in Wirklichkeit eine Minderheit sein könnte, die Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl vorgeschlagen haben.
({7})
Der Hauptgrund, warum wir den Mann nur mit Zweidrittelmehrheit abberufen wollen, ist der, daß wir ihn prinzipiell überhaupt für nicht abberufbar halten. Er ist wie ein Landrat oder Bürgermeister auf fünf Jahre gewählt. Nur haben wir gegenüber einem Landrat oder Bürgermeister wie gegenüber einem Beamten Mittel der Disziplinarordnung, wenn er silberne Löffel stiehlt. Diese Mittel haben wir hier nicht. Deshalb soll, falls der Mann persönlich etwas verbricht, was man ihm zur Last legen muß, oder wenn er sich politisch in einer Weise benimmt, die nicht mehr parteipolitisch, sondern staatspolitisch für das ganze Volk untragbar ist, die Möglichkeit bestehen, ihn abzuberufen. Das ist dann gegeben, wenn wir zwei Dritteln der Mitglieder des Hauses diese Möglichkeit verschaffen.
Meine Damen und Herren, ich betone: Die Wahl und die Abberufung stehen in keinem logischen Zusammenhang, was die Frage der Mehrheit, die hierfür erforderlich ist, betrifft.
({8})
- Ich darf Sie daran erinnern, verehrter Herr Kollege Mellies, daß jede Verfassung mit einfacher Mehrheit von einem Parlament beschlossen wird und vom nächsten nur mit Zweidrittelmehrheit abgeändert werden kann.
({9})
- Gut, Sie sagen, die Verfassung spielt eine noch größere Rolle. Sie sind sicherlich mit mir der Meinung: Die Verfassung spielt eine größere Rolle als der Wehrbeauftragte. Bürgermeister und Landräte spielen eine geringere Rolle als der Wehrbeauftragte. Ich erinnere daran, daß die Hessische Gemeindeordnung durch eine Änderung dahin ergänzt wurde, daß nach dieser Gemeindeordnung die Kommunalbeamten mit einfacher Mehrheit gewählt werden und mit Zweidrittelmehrheit abberufen werden können. Das hat der Hessische Landtag beschlossen, in dem nicht die Union die Mehrheit hat, sondern die Partei regiert, der Sie angehören.
({10})
Es ist also gar nichts Ungewöhnliches, was wir machen, und ich wiederhole noch einmal den Sinn. Der Mann soll gewählt werden von der sicheren, von der absoluten Mehrheit des Hauses; er soll auf fünf Jahre gewählt werden und nur abberufen werden, wenn ganz außerordentliche Umstände vorliegen, die praktisch dem ganzen Hause die Abberufung nahelegen. Das ist der Sinn der Sache.
Deshalb bitte ich, unserem Antrag zuzustimmen. Er ist vielleicht noch nicht verteilt, aber ich glaube, er ist so einfach, daß Sie ihn verstanden haben, selbst wenn Sie ihn nicht billigen sollten.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin aufrichtig betrübt, daß die Gewissenserforschung der größten Fraktion dieses Hauses in ihrer letzten Fraktionssitzung zu diesem beklagenswerten Ergebnis geführt hat - beklagenswert für die Nation.
({0})
Herr Kollege Dr. Jaeger hat eine Reihe von Argumenten und von Vergleichen gebracht, die eindeutig zeigen, daß es nicht die Abberufbarkeit, sondern die von Ihnen beschlossene Art der Wahl
({1})
ist, welche aus dem Wehrbeauftragten eine politische Figur macht.
({2})
Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Über die Abberufbarkeit mit einer Mehrheit von zwei Dritteln dieses Hauses ließe sich sofort reden, wenn sie nicht dieser Entscheidung praktisch doch den Stempel aufdrückte, daß eine Partei, die weiß, daß sie nicht mit der absoluten Mehrheit in dieses Haus zurückkehrt,
({3})
in dieser Stunde entschlossen ist, noch dazu, wie uns Kollege Berendsen verraten hat, möglichst rasch, d. h. also unter dem Druck: „Es soll gar nicht lange darüber gesprochen werden!" diesem Hause einen Wehrbeauftragten ausschließlich ihres Vertrauens zu bescheren und dann diesen Wehrbeauftragten auch noch unter Denkmalschutz zu stellen.
({4})
Meine Damen und Herren, seien Sie sich klar darüber, daß Sie dieser Institution, um die wir uns alle ehrlich bemüht haben, einen sehr schweren Stoß versetzen, wenn Sie den Antrag, den Sie selbst gestellt haben, in dieser Form annehmen. Seien Sie sich klar darüber, daß der Wehrbeauftragte nicht hervorgehen darf aus dem Zwiespalt der Parteien, sondern daß er getragen werden muß von einer breiten Zustimmung in diesem Hause.
({5})
- Nein; dann hätten Sie unseren Antrag zu dem vorher behandelten Paragraphen angenommen.
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Sie haben diese Möglichkeit für eine breite Vertrauensgrundlage schon sehr weitgehend zerstört; mit der Bestimmung, die Sie jetzt schaffen, zerstören Sie sie ganz. Ich warne dringend davor.
({7})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Bevor ich abstimmen lasse, lese ich den Antrag noch einmal vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
In § 15 wird Absatz 4 wie folgt neu gefaßt:
Der Bundestag kann auf Antrag des Bundestagsausschusses für Verteidigung seinen Präsidenten beauftragen, den Wehrbeauftragten abzuberufen. Dieser Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages.
Ich komme zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, ich wiederhole die Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Präsidium ist sich einig: das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist 'angenommen.
Meine Damen und Herren, weitere Änderungsanträge zur dritten Lesung liegen nicht vor. Das Haus hat vorhin sein Einverständnis erklärt, daß wir die sogenannte allgemeine Aussprache nicht am Anfang, sondern am Ende vornehmen. Ich eröffne also die allgemeine Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die fortgeschrittene Zeit legt es nahe, die allgemeine Aussprache nicht allzusehr auszudehnen. Ich habe deshalb auch nicht die Absicht, hier sehr weitgehende Ausführungen zu machen. Aber die Bedeutung des Gesetzes macht es doch erforderlich, einige wenige Worte, die ich namens der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union spreche, hier zu sagen.
Anderthalb Jahre hat es von dem Zeitpunkt, in dem der Gedanke seinerzeit gefaßt wurde, über die verfassungsmäßige Verankerung bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes gedauert. Meine Damen und Herren, wir wollen uns nicht um ein Urheberrecht streiten. Ich habe festgestellt, daß der Gedanke dieses Gesetzes und die Forderung dieses Gesetzes am gleichen Tage von der ChristlichSozialen Union einerseits und der Sozialdemokratischen Partei andererseits in einer Pressekonferenz in Bonn verkündet wurde, wobei die CSU einen Vorsprung von zwei Stunden hatte, den wir aber nicht ausnützen wollen, um das Urheberrecht i ür uns zu beanspruchen.
({0})
Vielmehr glaube ich, daß wir uns darauf einigen sollten, das Urheberrecht an diesem Gedanken dem Königreich Schweden zu überlassen und auch den schwedischen Regierungsstellen, die uns bei der Beschaffung von Material für dieses Gesetz ebenso wie die dänischen unterstützt haben, unseren ' Dank hierfür auszusprechen.
({1})
Meine verehrten Damen und Herren! Wir haben uns bei der Verfassungsreform für diesen Gedanken ausgesprochen. Ein Teil meiner Fraktion, zu dem ich selber gehöre, hat es aus innerer Überzeugung von der Notwendigkeit dieser Institution getan. Ein anderer hat es nach reiflicher Überlegung getan, um das Gesamtwerk der Verfassungsreform damit zu fördern. Auf alle Fälle hat die Gesamtfraktion ihr Wort gegeben, diese Verfassungsbestimmung einzulösen, und dies Wort ist am heutigen Tage von unserer Fraktion, die jeden ihrer Beschlüsse ernst nimmt, eingelöst worden.
({2})
- Wenn Sie anderer Meinung sind, haben Sie ja Gelegenheit, durch Ihren Sprecher, der sich wahrscheinlich schon gemeldet hat, das zu sagen.
({3})
- Herr Kollege Paul ist ein ausgezeichneter Kenner der Materie; er wird Ihre Meinung viel besser zum Ausdruck bringen als Sie dahinten mit Ihren Zwischenrufen.
({4})
Meine Damen und Herren! Der Grundgesetzgeber - und das waren in diesem Falle wir - hat beschlossen, dem Wehrbeauftragten die doppelte Funktion zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle zu geben. Wir haben in § 2 die notwendigen Voraussetzungen hierfür
({5})
geschaffen. Wir haben uns dagegen gewehrt, den Wehrbeauftragten zu parlamentarisieren, ihn für eine Legislaturperiode wählen zu lassen, ihn mit einfacher Mehrheit abberufen zu lassen, auch ihn überhaupt nur als Hilfsorgan des Bundestages zu betrachten. Er hat eigene Funktionen, die das Schwergewicht seiner Tätigkeit ,darstellen; aber er ist auch in bestimmten Fällen weisungsgebunden, um dem Ausschuß und damit dem Hohen Hause die Möglichkeit der parlamentarischen Kontrolle zu erleichtern. Damit haben wir das Grundgesetz durch dieses Gesetz realisiert. Wir haben es weder eingeengt noch ausgeweitet.
Wir haben mit diesem Gesetz auch genau nach der Bestimmung des Grundgesetzes keinen Eingriff in die Exekutive vorgenommen. Die militärische Hierarchie von Befehl und Gehorsam bleibt aufrechterhalten, weil sie Voraussetzung einer gut funktionierenden Armee auch und gerade im demokratischen Staat ist.
Wir sind der Meinung, daß in normalen Fällen für den Soldaten die Beschwerdeordnung, die in vielen Punkten gegenüber der früheren Beschwerdeordnung verbessert wurde und die Zustimmung des ganzen Hauses gefunden hat, maßgebend sein soll. Um aber menschliche Mängel oder auch ein gewisses Ressentiment zu beseitigen und die Grundrechte auf alle Fälle zu schützen, ist die Möglichkeit geschaffen worden - und wir begrüßen sie -, daß der Soldat sich, sogar unter der Voraussetzung, daß sein Name vertraulich bleibt und seinen Vorgesetzten nicht genannt wird, an den Wehrbeauftragten wendet. Wir begrüßen es ebenso, daß auf unseren Antrag anonyme Eingaben nicht bearbeitet werden, weil wir Denunzianten nicht wünschen und Querulanten nicht beachtet sehen wollen. Wir haben das Gesetz gemacht, ohne an einen bestimmten Kandidaten zu denken.
({6}) So wahr ich hier vor Ihnen stehe,
({7})
hat die Fraktion der CDU/CSU keine einzige Besprechung über einen Namen geführt.
({8})
Ein Gesetz wird um so besser, je weniger man eine bestimmte Person sieht,
({9})
weil man dann rein sachlich arbeitet. Das haben wir getan. Wir haben beschlossen, daß der Wehrbeauftragte mit der Mehrheit der gesetzlichen Mitgliederzahl dieses Hauses gewählt wird. Wir haben damit einen Schritt auf Ihren Antrag hin getan; wir haben ihn nicht ganz angenommen.
Meine Damen und Herren, es wird gesagt, die Autorität des Wehrbeauftragten werde sicherlich in hohem Maße von der Mehrheit abhängen, die er in diesem Hause findet. Ich will diesen Satz gar nicht bestreiten. Die Autorität des Wehrbeauftragten hängt aber nicht davon ab, daß das Gesetz vorschreibt, daß er mit Zweidrittelmehrheit gewählt wird, sondern sie hängt auch davon ab, daß er vielleicht einmal von diesem Hause nahezu einstimmig gewählt wird.
({10})
Ich bin von meiner Fraktion beauftragt, zu erklären, daß das, was ich heute früh bereits in ihrem Namen erklärt habe, unser wirklicher Wille ist, daß wir Ihnen also nicht einen Mann vorsetzen, hier abstimmen, und nachher erfahren Sie erst in der Debatte, wer er ist, und sehen ihn erst später,
({11})
sondern daß wir mit allen Fraktionen dieses Hauses, mit Ihnen von der SPD und mit den Herren auf der Rechten und in der Mitte, diese Frage besprechen, vor allem im Rahmen des Verteidigungsausschusses, der nach meiner Meinung der eigentliche Antragsteller sein soll. Ich habe die zuversichtliche Hoffnung, daß wir diese Persönlichkeit finden, wenn alle guten Willens sind. Dazu gehören zwei. Den guten Willen unsererseits erkläre ich hiermit.
({12})
- Ich wage an dem Ihren nicht zu zweifeln, auch wenn Sie jetzt schreien! Wenn wir die Persönlichkeit mit Zweidrittelmehrheit gewählt haben, dann wird es völlig gleichgültig sein, was im Gesetz drinsteht; denn wir haben nicht wegen jetzt, sondern wegen der Fernwirkung diese Zweidrittelmehrheit abgelehnt, weil wir nicht wissen, ob es nicht eines Tages zu einer Blockierung dieser Institution führen würde, die wir in der Gesamtfraktion der CDU/CSU nicht wollen, weil wir auf dem Boden der Bestimmung des Grundgesetzes stehen.
Meine Damen und Herren, ich darf mit dieser Erklärung abschließen, von der ich hoffe, daß sie als ein ernstes, aufrichtiges und versöhnliches Wort empfunden wird.
({13})
- Wenn es nicht so empfunden wird, kann ich nichts dafür; denn mehr als meinen guten Willen und den meiner Freunde zu erklären, bin ich nicht in der Lage. Ich werde ihn allerdings auch beweisen; da können Sie sicher sein.
Meine Damen und Herren, ich habe jetzt nur noch zu erklären, daß die Fraktion der CDU/CSU einstimmig dem Gesetzentwurf zustimmt.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erklärung, die wir soeben gehört haben, hätte an innerem Wert viel gewonnen, wenn der darin beschworene gute Wille sich darin geäußert hätte, daß man schon die Diskussion um die Person des Wehrbeauftragten nicht unter den Druck gestellt hätte: Notfalls können wir das auch allein erzwingen.
({0})
Das ist doch die Atmosphäre, die Sie damit erst geschaffen haben und die Sie hätten vermeiden können, wenn Sie sich entschlossen hätten, in das Gesetz die Vorschrift aufzunehmen: jede Mehrheit dieses Hauses, wo sie auch sitzen mag - auf den anderen Bänken auch -, ist gehalten, um Vertrauen für den Wehrbeauftragten des ganzen Deutschen Bundestages zu werben. Nur dann wäre diese Institution auch für die Dauer so geworden, wie wir sie ursprünglich doch eigentlich haben wollten.
Was sollte dieser Wehrbeauftragte? Er ist doch keine rein technische Institution, etwa ein Brief({1})
kasten, in den man einen Brief abwirft und durch den man eine Apparatur in Bewegung setzt, sondern es handelte sich doch darum, daß eben nicht einfach ein neues Organ geschaffen wird, von dem der Staatsbürger den Eindruck hat, daß es genauso wie die Regierung sein Vertrauen nur von der Regierungsmehrheit bezieht, daß es damit in Wahrheit nichts anderes ist, als eben doch ein Stück Ausführungsorgan der gleichen Regierung, die doch der Wehrbeauftragte mit kontrollieren soll. Die Kontrollfunktion wird nicht ausgeübt für einen Teil des Parlaments, sondern die Kontrollfunktion wird ausgeübt für das ganze Parlament. Der Schutz der Grundrechte wird vom Staatsbürger nur dann als ausreichend empfunden werden, wenn er das Bewußtsein hat: Der Mann, an den ich mich wende, ist in seinen ganzen institutionellen Befugnissen und in seinem Herkommen so beschaffen, daß ich mich damit nicht nur an die im Amt befindliche Regierung wende, sondern an die Volksvertretung und ihren Repräsentanten im ganzen. Das ist der Sinn des Wehrbeauftragten. Das haben Sie zerstört.
Mir bleibt bei dieser Situation nur eine Hoffnung übrig: die Hoffnung, daß ein anderer Bundestag so zusammengesetzt ist, daß man das Gesetz in jene Form gießen kann, die aus dem Wehrbeauftragten einer Partei den Wehrbeauftragten der Nation machen wird.
({2})
Solange das nicht erreicht ist, werden wir diesem Gesetz - dessen ursprüngliche Konzeption von uns, es ist hier dargelegt worden, mühsam miterarbeitet worden ist -, weil es jetzt der Machterhaltung einer Partei zu dienen imstande ist, unsere Zustimmung versagen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fraktion der Freien Demokratischen Partei liegt genauso viel wie den übrigen Fraktionen daran, daß der Wehrbeauftragte, wie er vom Grundgesetz vorgeschrieben ist, möglichst bald in die Lage gesetzt wird, sein Amt anzutreten. Wir sehen das Schwergewicht des Gesetzes im § 3, der die Aufgaben des Wehrbeauftragten aufzählt, und möchten, daß er diese Aufgaben möglichst bald erfüllen kann. Deshalb - das erwähne ich gleich - stimmen wir dem Gesetz zu.
Ich verheimliche allerdings nicht, daß uns diese Zustimmung heute schwergemacht worden ist. Denn wenn man sich auch im ganzen Hause gerade bezüglich der Aufgaben des Wehrbeauftragten einig war, so ist doch hier nun eine sehr bedauerliche Uneinigkeit über die Art seiner Berufung und seiner Abberufung entstanden. Hier hat sich eine Atmosphäre des Mißtrauens ausgebreitet, die gerade dieser Institution nicht von Anfang an mit auf den Weg gegeben werden sollte, ein Mißtrauen, das man nicht, wie es schon einmal in diesem Hause gesagt worden ist, als das herzliche Mißtrauen bezeichnen kann, das zwischen Regierung und Koalition einerseits und Opposition andererseits herrschen soll, sondern ein sehr böses Mißtrauen.
Dazu hat zunächst beigetragen, daß man nicht die Zweidrittelmehrheit für die Bestellung des Wehrbeauftragten wollte, daß man ihm also nicht von vornherein eine breite Basis im Parlament verschaffen wollte. Vor allem hat dazu aber nun der letzte Antrag beigetragen, den Wehrbeauftragten zwar mit einfacher Mehrheit zu berufen, ihn aber nur mit Zweidrittelmehrheit abzuberufen. Dieser Antrag hat zwar theoretisch manches für sich; das gebe ich ohne weiteres zu. Man kann sagen: damit soll verhindert werden, daß ein ordnungsgemäß berufener Wehrbeauftragter von einer besonders böswilligen - dieses Wort ist in Anführungszeichen zu lesen - Mehrheit eines nächsten Parlaments einfach mir nichts dir nichts abberufen wird.
Wir müssen aber doch den Fall so betrachten, wie er hier und heute ist. Und hier und heute wurde eben zunächst von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, beantragt, den Wehrbeauftragten überhaupt nicht abberufbar zu machen. Das hat uns mit Mißtrauen erfüllt. Denn das, was Sie jetzt beantragt haben, ist nur ein leichtes Zurückgehen von der ursprünglichen Forderung, läßt sie aber praktisch bestehen. Trotz diesem Mißtrauen, wie gesagt, stimmen wir zu. Denn wir möchten auch die Hoffnung aussprechen, daß niemand in diesem Hause diese Institution mißbräuchlich benutzen wird.
({0})
- Ja, ich bin ein Optimist, Herr Kollege.
({1})
Ich möchte hier nochmals auf das hinweisen, was der Kollege Erler gesagt hat. Dieses Gesetz kann von einem kommenden Bundestag jederzeit mit einfacher Mehrheit geändert werden. Ich würde es aber nicht als eine glückliche Entwicklung betrachten, wenn etwa ein kommender Bundestag dieses Gesetz allein zu dem Zweck ändern würde, um den Wehrbeauftragten mit einfacher Mehrheit abberufen und einen neuen berufen zu können. Ich möchte nur deshalb darauf hinweisen, um damit sozusagen zu Protokoll zu geben, daß die Quelle für ein solches unerfreuliches Verhalten dann nicht im nächsten oder übernächsten Bundestag wäre, sondern bei denen, die heute diese Bestimmung hineingebracht haben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht erlauben Sie mir als Vertreter einer Fraktion, die nicht so im leidenschaftlichen Meinungsstreit in dieser Frage steht, ein besinnliches Wort, und vielleicht glauben Sie mir auch, was ich Ihnen sage.
Ich halte es nicht für sehr fair, auch im parlamentarischen Leben nicht für sehr fair, eine Grundgesetzänderung mit zwei Dritteln der Mehrheit dieses Hauses durchzuführen, damit man einen Wehrbeauftragten schaffen kann, und dann bei
({0})
dessen Bestellung auf diese zwei Drittel in keiner Weise Rücksicht zu nehmen.
({1})
Es ist ein schlechter parlamentarischer Stil, am Anfang die Verantwortung auf zwei Drittel des Hauses zu laden und die Durchführung dann mit Hilfe der einfachen Mehrheit auf andere Weise zu erzwingen.
Wir haben, meine Damen und Herren, bereits mehrmals, ohne darüber Freude zu empfinden - und wenn Sie die Freundlichkeit haben, unsere Stellungnahmen zu Fragen der Wehrpolitik in Ihrer Erinnerung vorübergehen zu lassen, werden Sie wissen, daß ich die Wahrheit sage -, zu unserem Bedauern Gelegenheit gehabt, festzustellen, daß Sie wichtige Gesetze, die unsere Bundeswehr berühren, schon in ihrer Geburtsstunde dem Schicksal der wechselnden Mehrheiten dieses Hauses ausliefern.
({2})
- Natürlich, es ist nicht undemokratisch; aber es ist nicht klug.
({3})
Sie haben das auch in diesem Falle mit der von Ihnen soeben geübten Methode der Durchsetzung Ihres Standpunktes wieder getan. Dabei kann es doch gar keinem Zweifel unterliegen, daß eine Persönlichkeit, die vorgeschlagen worden wäre und die die von uns allen erwarteten Voraussetzungen erfüllt, sofort eine klare Zweidrittelmehrheit gehabt hätte. Ich bin nicht autorisiert, für die Damen und Herren Kollegen der SPD zu sprechen. Für meine Fraktion kann ich das sagen: Wenn eine 1 Persönlichkeit vorgeschlagen worden wäre, die die Voraussetzungen, die man an den Wehrbeauftragten zu stellen hat, erfüllt hätte, wäre die Zweidrittelmehrheit ganz sicher gewesen.
Aber wenn nun schon die Geburtsstunde des Wehrbeauftragten unter einem sehr unglücklichen Stern steht, so lassen Sie mich jetzt wenigstens einiges zu seiner Arbeit sagen, wie wir sie uns denken. Mit dem Wehrbeauftragten wird auch das Problem der Stellung der bewaffneten Macht in einer parlamentarischen Demokratie aufgeworfen und damit auch die Stellung des einzelnen Soldaten und das Problem, daß er eine unseren Vorstellungen entsprechende Stellung auch behält. Wir sind uns klar darüber, daß auf dem Gebiete der Wehrpolitik nicht alle Jugendblütenträume reifen werden. Wir mußten schon manches von unseren Vorstellungen ändern und werden das auch in Zukunft noch tun müssen. Ich erwähne nur zweifellos kommende Änderungen auf dem Gebiete der Verwaltung. Aber es gibt Grundzüge, von denen wir und sicher Sie alle wünschen, daß sie unter allen Umständen erhalten bleiben, und dazu gehört eben diese Stellung der Bundeswehr und des einzelnen Soldaten in unserem Staatswesen.
Der Wehrbeauftragte wird sich mit vielen Beschwerden zu befassen haben, die sich aus unerfüllten Versprechungen ergeben. Er wird mit manchen Beschwerden zu tun haben, die sich aus einer unnötigen Erschwerung des Dienstbetriebs durch eine schlechte Ausrüstung ergeben. Er wird mit ganz besonderer Sorgfalt zu überwachen haben, daß das, was auf dem Gebiet der inneren Führung getan werden soll, auch wirklich getan wird. Er muß - und das wird eine, wie ich glaube, seiner wesentlichsten Aufgaben sein - auf dem
Gebiet der inneren Führung darauf achten, daß der Soldat für die Militärs nicht nur der sehr kostspielig ausgebildete Spezialist ist, sondern daß er darüber hinaus - und das ist allgemein abhängig vom Niveau überhaupt - auch das Maß von Freiheit als Person behält, das wir wünschen, und daß sich die zunehmende Kriminalisierung der Kriege in der Ausbildung nicht so bemerkbar macht, daß die humanitären Grundlagen unserer Staatsform darunter leiden. Wir wünschen, daß diese auch im soldatischen Leben ungefährdet erhalten bleiben. Dies wird zweifellos eine der vornehmsten Aufgaben des Wehrbeauftragten sein. Wir haben die begründete Hoffnung, daß hier nicht auch wieder der Wechsel das einzig Beständige auf dem Gebiet der Wehrpolitik sein wird, wie wir es in vielen anderen Fragen erlebt haben.
Der Wehrbeauftragte wird unter allen Umständen sorgfältig darauf zu achten haben, daß durch das, was an Literatur und Büchern den Soldaten zur Verfügung steht - insbesondere auch an Zeitschriften -, bei aller Bereitschaft zum Schutz, zur Verteidigung von Land und Freiheit nicht ein pathetisches Hingabebedürfnis und eine idealistische Verklärung des Krieges erzeugt wird. Wir wünschen, daß der Wehrbeauftragte seine Aufgabe insbesondere darin sieht, zur Wahrung des Rechtes der freien Persönlichkeit auch bei den Soldaten beizutragen, den Soldaten, die ja zur Verteidigung unserer freien Lebens- und Staatsform bestimmt sind.
So soll er seine parlamentarische Kontrolle durchführen und so mit diesem Blickpunkt auf den Schutz der Grundrechte achten. Wir haben trotz der nicht sehr glücklichen Art, die hier praktiziert wurde, die Hoffnung, daß sich eine Persönlichkeit ohne Furcht und Tadel finden wird, die sich dann nicht nur auf die nun einmal im Gesetz vorgesehene Mindestmehrheit dieses Hauses stützen kann, sondern das Vertrauen des ganzen Hauses besitzt.
Wir bedauern, daß wir aus den Gründen, die ich anfangs erwähnte und die im Zustandekommen des Gesetzes liegen, diesem Gesetz nicht zustimmen können.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist mit Mehrheit verabschiedet.
({0})
Ich rufe Punkt 6 der heutigen Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Durchbeförderung von Häftlingen auf den Eisenbahnstrecken Mittenwald ({1}) - Griesen ({2}) und Ehrwald ({3}) - Vils ({4}) ({5});
({6})
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({7}) ({8}).
({9})
Gleichzeitig rufe ich Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Regelung der Amtshaftung aus Handlungen von Organen des einen in grenznahen Gebieten des anderen Staates ({10});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({11}) ({12}).
({13})
Das Haus ist damit einverstanden, daß der Berichterstatter, der Herr Abgeordnete Dr. Stammberger, gleich beide Berichte zu diesen Punkten der Tagesordnung erstattet. - Sie sind einverstanden. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Stammberger das Wort.
Dr. Stammberger ({14}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 14. September und am 28. Oktober 1955 haben die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich eine Reihe von Abkommen abgeschlossen, in denen der Grenzverkehr mit Österreich geregelt wird. Die Zustimmungsgesetze zu diesem Abkommen sind in der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 21. Januar 1957 in erster Lesung beraten worden. Zwei dieser Abkommen, nämlich das Abkommen über die Durchbeförderung von Häftlingen auf den Eisenbahnstrecken MittenwaldGriesen und Ehrwald-Vils und das Abkommen zur Regelung der Amtshaftung aus Handlungen von Organen des einen in grenznahen Gebieten des anderen Staates sind dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen worden, der Ihnen auf den Drucksachen 3314 und 3315 die unveränderte Annahme der Vorlagen empfiehlt.
Gestatten Sie mir, daß ich zur Vereinfachung die Anträge des Ausschusses gemeinsam begründe.
Das Häftlingsdurchbeförderungsabkommen ist dadurch notwendig geworden, daß die Strecken Mittenwald-Griesen und Ehrwald-Vils von den Eisenbahnverwaltungen beider Staaten betrieben werden, d. h. daß die österreichische Eisenbahn ihre Strecke durch deutsches Gebiet hindurch und umgekehrt die deutsche Eisenbahn ihre Strecke durch österreichisches Gebiet hindurchfährt. Es ist notwendig oder jedenfalls zweckmäßig, daß dort gelegentlich auch Häftlinge durchbefördert werden, um einen sonst notwendigen großen Umweg zu ersparen. Eine solche Durchführung wirft natürlich eine Reihe von Problemen auf, die sich insbesondere aus Art. 16 Abs. 2 des Grundgesetzes ergeben, wonach kein Deutscher an das Ausland ausgeliefert werden darf und politisch Verfolgte Asylrecht genießen. Art. 1 des Abkommens sieht daher vor, daß die Durchbeförderung von Personen, die in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind, und der begleitenden Exekutivorgane auf den Eisenbahnstrecken Mittenwald-Griesen und Ehrwald-Vils durch das Gebiet des jeweils anderen Staates nach Maßgabe dieses Abkommens gestattet wird. Im übrigen trifft das Abkommen unter anderem Bestimmungen über die Voraussetzungen der Durchbeförderung, über die Pflichten und Rechte des Begleitpersonals, über die Regelung von Meinungsverschiedenheiten bei der Auslegung und Anwendung dieses Abkommens sowie über das Inkrafttreten und die Kündbarkeit. Das Abkommen über die Amtshaftung aus Handlungen von Organen des einen in grenznahen Gebieten des anderen Staates ist dadurch bedingt, daß das eben dargestellte Häftlingsdurchbeförderungsabkommen sowie eine Reihe weiterer Abkommen, die ebenfalls noch auf der Tagesordnung stehen, die Möglichkeit eröffnen, daß der eine Staat auf dem Gebiet des anderen Staates Hoheitsakte vornimmt. Diesem Recht muß die Pflicht entsprechen, in Fällen von Amtspflichtverletzungen durch eine hoheitliche Betätigung Schadensersatz zu leisten. Dieses Prinzip ist auch in Grenzabkommen mit anderen Nachbarstaaten verwirklicht. Art. 1 des Amtshaftungsabkommens legt daher den Grundsatz fest, daß der Staat, in dessen Gebiet das Organ des anderen Staates eine Amtspflichtverletzung begeht, für die Amtspflichtverletzung schadensersatzpflichtig ist, und zwar nach den Vorschriften, nach denen sich seine Haftung für seine Organe bestimmt. Art. 2 macht von diesem Grundsatz einige Ausnahmen, denen der Gedanke zugrunde liegt, daß eine derartige Haftung des Gebietsstaates dann nicht angebracht erscheint, wenn der Geschädigte in engeren Beziehungen zum Nachbarstaat steht. Im übrigen trifft das Abkommen unter anderem Regelungen insbesondere hinsichtlich der Zuständigkeit zur Entscheidung solcher Ansprüche, zur Auskunftserteilung und zur Regelung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung und Anwendung dieses Abkommens.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hatte sich in seinen Beratungen auch mit der Frage zu befassen, ob die beiden Abkommen zustimmungsbedürftig sind, da der Bundesrat in seiner Stellungnahme die Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung in die Einleitungsformel gewünscht hatte. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß aus Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes eine Zustimmungsbedürftigkeit der beiden Vorlagen nicht begründet werden könne. Zwar war sich der Ausschuß darüber im klaren, daß die Entscheidung dieser Frage letztlich in die Kompetenz des Herrn Bundespräsidenten fällt, hielt sich aber verpflichtet, zu dieser Frage Stellung zu nehmen.
Ich darf Sie bitten, den beiden Anträgen des Ausschusses, die Vorlagen unverändert anzunehmen, Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Lesung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 3085 ein. Ich rufe Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - die Einleitung und die Überschrift auf. - Ich frage: wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Lesung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Ich frage: wird das Wort gewünscht? ({0})
Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe von dem Gesetzentwurf auf Drucksache 3088 die Artikel 1, - 2, - 3, - die Einleitung und die Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
des aufgerufenen Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache. Änderungsanträge zur dritten Beratung liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetzentwurf im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. April 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Filmfragen ({1});
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}).
({4})
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter Abgeordneten Richarts.
({5})
- Verzichtet das Haus auf Berichterstattung? - Das ist der Fall.
Wir treten in die Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2. - Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer den aufgerufenen Artikeln zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe den Änderungsantrag auf Umdruck 1002**) betreffend Einfügung der Saarklausel in das Gesetz auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 1002 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Art. 3, die Einleitung und die Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Art. 3, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
*) Siehe Anlage 18
**) Siehe Anlage 19
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Wir treten in die
dritte Lesung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 15. Juli 1931 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({7}) ({8}).
({9})
Der Herr Berichterstatter Stegner hat mir mitgeteilt, daß sein Mündlicher Bericht als Berichterstattung angesehen werden möge. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich rufe Art. 1, Art. 2, Art. 2 a, Art. 3, Einleitung und Überschrift auf und eröffne die Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Aussprache. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 10 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr ({10});
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({11}) ({12}).
({13})
Der Herr Berichterstatter Abgeordneter Lindrath verzichtet wohl auf Berichterstattung?
({14})
- Das Haus ist damit einverstanden. Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe Art. 1, Art. 2, Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. Ich frage: Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln des Ge-
- *) Siehe Anlage 20
11672 2. Leutscher Bundestag ({15})
setzes, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Ich rufe Punkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den erleichterten Straßendurchgangsverkehr zwischen Salzburg und Lofer über deutsches Gebiet und zwischen Garmisch-Partenkirchen und Pfronten/Füssen über österreichisches Gebiet ({16});
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Verkehrswesen ({17}) ({18}).
({19})
Berichterstatter ist Abgeordneter Peters.
({20})
- Das Haus verzichtet auf Berichterstattung? Das ist der Fall. Dann treten wir in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe Art. 1, Art. 2,
Art. 3, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
des Gesetzes ein. Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache, die ich hiermit eröffne, gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Wer dem aufgerufenen Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig verabschiedet.
Meine Damen und Herren, es ist nunmehr 21 Uhr. Es wurde mir vorhin die Anregung überbracht, zu fragen, ob das Haus noch eine Zeitlang so weitermachen möchte.
({21})
Ich frage: wollen wir uns an die Vereinbarung im Ältestenrat halten?
({22})
- Gut, dann sind wir am Ende der heutigen Sitzung.
Ich berufe die nächste, die 205. Sitzung des Deutschen Bundestags, auf morgen, Freitag, den 12. April 1957, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.