Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die heutige Tagesordnung ist auf Grund interfraktioneller Vereinbarung erweitert um die Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen ({0}), Drucksache 3171. Er müßte unserer Gepflogenheit gemäß als erster Punkt der Tagesordnung erledigt werden.
Es stehen aber noch drei Fragen aus, die in der gestrigen Fragestunde wegen Abwesenheit des Herrn Bundesverkehrsministers nicht beantwortet werden konnten. Der Geschäftsordnung gemäß möchte ich sie jetzt beantworten lassen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Die erste Frage - des Herrn Abgeordneten Ritzel - betrifft die Benutzung des Flugplatzes Babenhausen durch Segelflieger, Frage 10 der gestrigen Fragestunde:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß schon vor dem zweiten Weltkrieg deutsche Segelflieger den Flugplatz Babenhausen benutzen konnten?
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um im Interesse der südhessischen Segelflieger die Benutzung dieses Platzes an jenen Tagen zu ermöglichen, an denen der Platz nicht von amerikanischen Fliegern benötigt wird?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung ist bekannt, daß schon vor dem zweiten Weltkrieg deutsche Segelflieger den Flugplatz Babenhausen benutzen konnten. Seit dem Jahre 1955 bemühen wir uns darum, das Einverständnis der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte zur Mitbenutzung des Flugplatzes Babenhausen durch deutsche Segelflieger herbeizuführen. Die 12. amerikanische Luftflotte stimmte nach wiederholten Anträgen einer Mitbenutzung des Flugplatzes durch deutsche Segelflieger im August 1956 zunächst zu. Sie hat aber Anfang 1957 ihre Zustimmung bedauerlicherweise widerrufen, da die Armee der Mitbenutzung widersprach. Die Armee benutzt diesen Flugplatz zum Teil auch für Übungszwecke. Jetzt haben wir die Botschaft der Vereinigten Staaten gebeten, die Zustimmung der beteiligten Militärbehörden zur Mitbenutzung des Flugplatzes Babenhausen durch deutsche Segelflieger herbeizuführen und auf die Dauer sicherzustellen.
Herr Abgeordneter Ritzel, haben Sie eine Zusatzfrage? - Bitte sehr!
Ist der Bundesregierung bekannt, daß vor allem an Sonntagen dieser Flugplatz von den Amerikanern gar nicht benutzt wird, und sieht die Bundesregierung hier nicht die erste Möglichkeit, eine deutsche Mitbenutzung zu erreichen?
Weiterhin eine Frage: Ist die Bundesregierung nicht etwa auf Grund der in den Pariser Verträgen statuierten Souveränität der Bundesrepublik in der Lage, mit etwas mehr Druck und Aussicht auf Erfolg dem Wunsch der Segelflieger zu entsprechen?
Zu der ersten Frage darf ich antworten, daß die Sonntagsfreistellung des Flughafens von uns ja immer vorgebracht worden ist, um wenigstens für diesen Tag die Benutzung zu erreichen. Die amerikanischen Streitkräfte sind aber der Auffassung, daß sie einzelne Tage nicht freigeben können, weil sie sich sonst zu sehr binden würden für den Fall, daß sie Sonderübungen machen müßten.
Zu der zweiten Frage darf ich bemerken, daß die Flughäfen im Rahmen des gesamten NATO-Planes zur Verfügung stehen und benutzt werden und daß es genau wie bei dem Flughafen Wahn eine endgültige Freigabe nur gibt, wenn die NATO dieser Freigabe zustimmt. Wir hoffen aber in diesem Falle den Interessen unserer Segelflieger Rechnung tragen zu können, ohne diesen schwierigen und langwierigen Weg zu gehen.
Danke sehr!
Die nächste Frage - des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann -betrifft Arbeiterrückfahrkarten für kinderlose geschiedene Ehefrauen, Frage 13 der gestrigen Fragestunde:
Warum erhalten kinderlose geschiedene Ehefrauen, von denen noch ein Elternteil oder beide Eltern leben. keine Arbeiterrückfahrkarten, sofern sie einen anderen Wohnsitz haben als die Eltern'?
Ich hoffe, daß es Ihnen, Herr Kollege, recht ist, wenn ich Ihre Frage wie folgt auffasse: Warum kann eine geschiedene Frau eine Arbeiterrückfahrkarte von ihrem Arbeitsort nur zum Wohnsitz ihrer Eltern und nicht auch zu ihrem eigenen Wohnsitz erhalten?
Dazu darf ich folgendes sagen. Die Arbeiterrückfahrkarten sollen den Familienzusammenhalt fördern. Demgemäß werden sie zur Fahrt zwischen Arbeitsort und Wohnort der nächsten Angehörigen ausgegeben, und zwar an Verheiratete nach dem Wohnort der Ehegatten und an nicht mehr Verheiratete nach dem Wohnort der Kinder, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und schließlich an Unverheiratete, Verwitwete und Geschiedene nach dem Wohnort der Eltern. Ausnahmsweise können Unverheiratete, Verwitwete und Geschiedene mit Arbeiterrückfahrkarten auch zum eigenen Wohnsitz fahren, und zwar dann, wenn sie elternlos sind. Es wird dabei unterstellt, daß an diesem Ort auch sonstige Familienangehörige wohnen.
Die Bundesbahn ist der Auffassung, daß es den Rahmen dieser Ermäßigung sprengt, wenn sie geschiedenen Ehepartnern die Karte nicht nur zur Fahrt nach dem Wohnsitz der Eltern, sondern auch, solange die Eltern leben, nach dem eigenen Wohnsitz zur Verfügung stellt. Eine solche Erweiterung des Tarifs müsse sie dann auch den Unverheirateten und den Verwitweten zugestehen. Ferner müsse sie dann die der Arbeiterrückfahrkarte angeglichene Schülerfahrkarte entsprechend ausweiten. Dadurch entstehen jedoch der Bundesbahn so erhebliche Fahrgeldausfälle, daß sie bei dem gegenwärtigen Stande ihrer Finanzen nicht vertretbar sind.
({0})
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Herr Bundesminister, können Sie mir erklären, was praktisch für ein Unterschied besteht zwischen einer geschiedenen kinderlosen Ehefrau mit Eltern und einer geschiedenen kinderlosen Ehefrau ohne Eltern, die von der Bundesbahn anstandslos die Arbeiterrückfahrkarte bekommt? Ich kann da einen logischen Unterschied in der Argumentation nicht sehen. Denn wie die geschiedenen Elternlosen, so haben auch die, die noch mindestens einen Elternteil haben, an ihrem Wohnort Freunde und Bekannte.
({0})
Ich kann also keinen logischen Grund für die unterschiedliche Behandlung dieser beiden Personengruppen bei der Bundesbahn sehen.
Herr Kollege, der Unterschied ist doch der folgende. Die eine geschiedene Ehefrau hat Eltern, und sie soll die Möglichkeit haben, durch verbilligte Fahrten mit diesen Eltern in engem Kontakt zu bleiben; deswegen bekommt sie die Arbeiterrückfahrkarte. Die andere geschiedene Ehefrau hat keine Eltern mehr, sie hat aber an ihrem ursprünglichen Wohnsitz noch irgendwelche familiären Bindungen. Deswegen ist man in Ausweitung des Prinzips diesen Frauen entgegengekommen. Man kann aber nun nicht einer geschiedenen Ehefrau, die Eltern hat und außerdem noch einen dritten Wohnsitz, nach zwei Wohnsitzen eine Arbeiterrückfahrkarte geben.
({0})
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Minister, Sie haben mich mißverstanden. Ich habe Sie gefragt, wieso Sie annehmen, daß ein Unterschied hinsichtlich der Bindungen familiärer Art und zu Bekannten am Wohnsitz der geschiedenen Ehefrau - wenn sie einen eigenen Wohnort hat - besteht, ob sie nun Eltern hat oder keine Eltern hat. Ich kann da keinen Unterschied sehen.
Der Unterschied besteht doch nur darin, daß die Bindungen zu den Eltern als die engeren Bindungen angesehen werden und daß die Bindungen zu irgendeinem anderen Platz, wo weiter entfernte Familienangehörige wohnen, nicht als so eng angesehen werden. Da man nur einmal eine Arbeiterrückfahrkarte bekommen kann, bekommt man sie also zum Wohnsitz der Eltern.
Frage 14 - der Abgeordneten Frau Rudoll - betreffend Gültigkeit der Sonntagsrückfahrkarten ab Freitagabend:
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, mit der Bundesbahndirektion Überlegungen anzustellen, daß in Anbetracht der verkürzten Arbeitszeit die Sonntagsrückfahrkarten bereits ab Freitagabend 18 Uhr Gültigkeit erhalten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin, darin zu, daß eine Lösung dieser Frage gefunden werden muß, wenn die verkürzte Arbeitszeit und insbesondere der freie Samstag in einer größeren Zahl von Betrieben eingeführt wird. Dabei ist zu prüfen, ob die Geltungsdauer der heutigen Sonntagsrückfahrkarte erweitert oder ob eine andere Form der Vergünstigung gewährt werden kann, etwa durch Einführung einer neuen Fahrkartensorte. Ich habe die Deutsche Bundesbahn gebeten, mir dazu Vorschläge zu machen.
Eine Zusatzfrage? - Nicht gewünscht. Damit, meine Damen und Herren, sind die drei zurückgestellten Fragen erledigt.
Ich rufe auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen ({1}) ({2}).
Ich erteile das Wort dem Herrn Berichterstatter, dem Herrn Senator Dr. Klein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat am 6. Dezember 1956 das sogenannte Körperbehindertengesetz beschlossen. Der Bundesrat hat am 21. Dezember des gleichen Jahres den Vermittlungsausschuß angerufen und in zwei Punkten eine Änderung des Gesetzes vorgeschlagen. Die Anrufungsgründe ergeben sich aus der Bundestagsdrucksache 3049. Der Vermittlungsausschuß hat vorgestern beschlossen, dem Hohen Hause eine Änderung des Gesetzes vorzuschlagen.
Es handelt sich bei dem ersten Vorschlag um die Änderung des § 5. Während der Bundestag der Meinung war, daß bei der Aufstellung eines Heil-und Eingliederungsplans für einen Körperbehinderten und bei der Festlegung der erforderlichen Heilmaßnahmen der Fürsorgeverband zu beteiligen sei, glaubte der Bundesrat, daß der Fürsorgeverband bei derartigen Maßnahmen stärker mitwirken sollte. Solche Maßnahmen sollten im Einvernehmen mit dem Fürsorgeverband getroffen werden. Der Bundesrat hatte dieses Begehren vorwiegend damit begründet, daß derjenige, der die Kosten zu tragen hat, auch mitreden sollte. Der Vermittlungsausschuß hat den Ausdruck „Kostenträger" vermieden wissen wollen. Er hat aber denjenigen an der Aufstellung der Maßnahmen beteiligen wollen, der die Hauptlast zu tragen hat und der über besondere Erfahrungen auf fürsorgerischem Gebiet verfügt. Das ist der Fürsorgeverband. Und so ist die Änderung des § 5 Abs. 2 Buchstabe e und des § 5 Abs. 4 Satz 2 zustande gekommen.
Der zweite Teil des Vermittlungsbegehrens bezieht sich auf § 7 und § 18. § 7 Abs. 2 Satz 1 soll gestrichen, und dem § 18, der jetzt § 19 werden wird, soll ein Abs. 2 angefügt werden. Damit wird bezweckt, eine Zuständigkeitsfrage zu regeln. Für die volljährigen Krüppelsiechen sollen in Zukunft die Landesfürsorgeverbände und nicht wie bisher die Bezirksfürsorgeverbände zuständig sein. Dieser technische Vorgang der Übertragung der Sorge auf den Landesfürsorgeverband wird besser entsprechend dem Vermittlungsbegehren des Bundesrates als durch die vom Bundestag beschlossene Gesetzesfassung erreicht. Deshalb hat der Vermitt({0})
lungsausschuß den Vermittlungsvorschlag, der Ihnen vorliegt, in diesen Punkten einstimmig beschlossen.
Drittens. Der Vermittlungsausschuß hat schließlich von sich aus den Vorschlag des Saarlandes aufgenommen, das Gesetz im Saarland nicht gelten zu lassen. Die Einführung des Gesetzes muß später geschehen. Die negative Saarklausel soll im neu einzufügenden § 18 enthalten sein. Der bisherige § 18 soll § 19 werden.
Gemäß § 10 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses wurde beschlossen, über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses im Bundestag gemeinsam abstimmen zu lassen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile das Wort zur Abgabe einer Erklärung ,dem Abgeordneten Könen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem in einer Besprechung mit dem Herrn Referenten - ({0})
Meine Damen und Herren, ich darf doch um ,etwas mehr Ruhe bitten.
Herr Präsident, ich gebe die Erklärung in erster Linie für das Protokoll ab.
({0})
Nachdem in einer Besprechung mit idem Herrn Referenten des Bundesinnenministeriums festgestellt worden ist, daß die Streichung des § 7 Abs. 2 Satz 1 keine Verschlechterung der Fürsorge für den betreffenden Personenkreis bedeutet, stellt die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei ihre Bedenken zurück.
Das Bundesinnenministerium hat weiterhin erklärt, daß die Landesfürsorgeverbände - unabhängig von ihrer Möglichkeit, die Bezirksfürsorgeverbände zu beteiligen - als Kostenträger verpflichtet bleiben. Die Siechenpflege für volljährige Körperbehinderte ist damit im Sinne des Körperbehindertengesetzes sichergestellt.
Die sozialdemokratische Fraktion stimmt dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu.
Wird weiter das Wort zur Abgabe von Erklärungen gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Vermittlungsvorschlag Drucksache 3171 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, wir fahren nunmehr, wie es ja das Haus schon gestern abend beschlossen hat, fort in der unterbrochenen
Ersten Beratung des Entwurfs eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes ({0});
Ersten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines
Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Haasler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Parteien der Regierungskoalition habe ich zu erklären, daß der vorgelegte Entwurf eines Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes uns eine brauchbare Grundlage für die Diskussionen in den Ausschüssen zu sein scheint. Wir werden beantragen, diesen Entwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
Lassen Sie mich bitte jetzt mit den Bedenken auseinandersetzen, die gestern vom Herrn Kollegen Bucher namens der FDP und vom Herrn Kollegen Arndt namens der SPD vorgetragen worden sind. Wir stimmen - und ich glaube, das gilt für alle Mitglieder des Hauses - Herrn Kollegen Arndt insoweit zu, daß man sich bei der Einführung neuer Strafbestimmungen auf dem Gebiete des Staatsschutzrechtes so weit als irgend möglich Beschränkungen auferlegen sollte. Herr Kollege Arndt hat von einer Entpönalisierung unseres Strafrechts gesprochen. Ich sagte schon, das soll unser aller Anliegen sein, aber, Herr Kollege Arndt, im Rahmen der Möglichkeiten!
Wir wollen einmal durch eine Betrachtung der Entwicklung unseres Staatsschutzrechts klarstellen, wie die Dinge bis heute gelaufen sind. Wir kamen zunächst mit recht wenigen Gesetzen aus. Es waren nur Strafbestimmungen über Hoch- und Landesverrat. Die Praxis zeigte aber, daß sich staatsfeindliche Elemente diesen sehr einfachen Bestimmungen recht bald ,anpassen konnten und daß unsere höchsten Gerichte, um den Staat wirksam schützen zu können, zu ausdehnenden Interpretationen kommen mußten. Ich erinnere insbesondere an die schließlich sehr extensiv gewordene Auslegung des Tatbestandsmerkmales „ein bestimmtes Unternehmen" in § 81 des Strafgesetzbuchs durch das Reichsgericht.
Sie haben gestern, Herr Kollege Arndt, hier eine Kritik an gewissen Entscheidungen unserer höchsten Gerichte anklingen lassen und gesagt - ich stehe nicht an, Ihnen da in gewisser Weise beizupflichten -, daß es unerwünscht sei, wenn die hohen Gerichte in ihrer Auslegung zum Teil über das hinausgingen, was der Gesetzgeber ursprünglich gewollt habe. Aber die hohen Gerichte stehen schon seit Jahrzehnten dort vor der Notwendigkeit einer extensiven Interpretation, wo der Gesetzgeber mit seiner Verpflichtung, Gesetze zu machen, die der Zeit und ihren Erfordernissen angepaßt sind, nicht nachkommt.
({0})
- Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden.
Dann kam das Republikschutzgesetz. Es brachte eine Erweiterung der Bestimmungen über Hochverrat und über Landesverrat im Hinblick auf einen Staatsschutz. Ich brauche Ihnen nicht näher darzulegen, wie wenig effektiv dieses Gesetz war. Es war ein vorsichtiges Gesetz, und es vermied, Grenztatbestände zu erfassen. Den Erfolg kennen wir alle.
Auf die Bestrebungen der nationalsozialistischen Zeit brauche ich nicht einzugehen. Ich brauche nur zu erwähnen, daß wir das Gegenteil dessen erlebten, was die vorsichtige Republik und das in dieser Beziehung auch sehr behutsame deutsche Kaiserreich auf dem Gebiet des Staatsschutzrechts getan haben. Es wurde sehr vieles, wenn nicht alles
({1})
übertrieben, und es ist zuzugeben, daß diese Beispiele schrecken; sie mögen uns aber einen Hinweis geben. Ich glaube, Herr Kollege Arndt, Sie auch da ganz richtig verstanden zu haben, daß Sie hier ein Fanal aufzeigen wollten: wir sollten uns ,diese Gesetze durchaus ansehen, um zu wissen, wie weit wir gehen können, ohne unsere demokratische Ordnung zu verletzen.
Wir haben dann im Jahre 1951 das Erste Strafrechtsänderungsgesetz gemacht. Wir haben damit Bestimmungen in unseren Staatsschutz eingeführt, von denen man Ihrerseits gestern zum Teil abgerückt ist.
Wir stehen nunmehr mit dem Vierten Strafrechtsänderungsgesetz vor einer weiteren Ausdehnung. Man hat gestern ausgeführt, das sei nicht notwendig, dieser Staat würde sich von innen her tragen, man dürfe nicht über das absolut erforderliche Maß hinausgehen. Soweit dieses theoretische Prinzip in Frage kommt, Herr Kollege Arndt, stimmen wir Ihnen bei. Wir dürfen wirklich über das absolut erforderliche Maß nicht hinausgehen. Wir werden uns nur in der Beantwortung der Frage unterscheiden, was das absolut notwendige Maß ist. Und hier, meine Damen und Herren, muß unser Staat - es sei denn um den Preis der Selbstaufgabe - sich mit seinen Schutzgesetzen eben dem Zustand anpassen, wie er heute in der Welt besteht. Wir können gegenüber einer Lehre wie dem Bolschewismus, wir können gegenüber absolutistischen Richtungen einfach nicht mehr mit den Strafbestimmungen auskommen, mit denen seinerzeit vielleicht Kaiser Wilhelm I. ausgekommen ist.
Die Methoden haben sich in der Welt geändert. Presse, Rundfunk, Druckschriften aller Art, Bild: das sind Beeinflussungsmittel, die in diesem Maße vor hundert Jahren nicht bekannt waren. Die Methoden des Kampfes gegen den Staat und gegen die demokratische Ordnung haben sich - meine Damen und Herren, das wird niemand in diesem Hause bestreiten können - verfeinert. Gegenüber neuen Waffen kann nur der bestehen, der sich selbst neue Waffen schafft, die den Waffen des Gegners gewachsen sind.
Sie haben gesagt, dieses Gesetz stelle einen gewissen Restbestand aus dem Kalten Krieg dar. Sie haben damit zweifellos recht. Es ist eine Waffe, die geschmiedet wurde, um im Kalten Krieg zu bestehen. Aber, Herr Kollege Arndt, ist denn der Kalte Krieg zu Ende, oder ist er nur durch beruhigende Erklärungen für den Augenblick etwas abgeflaut?
({2})
Haben wir nicht gerade aus den letzten Monaten sehr reale Erfahrungen, daß sich da in Wirklichkeit gar nichts geändert hat, daß sich an der Zielsetzung des Bolschewismus, an der Zielsetzung des Staates, den sich der Bolschewismus 'aufgebaut hat, im Endeffekt auch gar nichts ändern wird
({3})
und daß wir es hier nur vorübergehend mit anderen Methoden zu tun haben?
Und wenn Sie, Herr Kollege Arndt, - wir hoffen es ja alle, wir können es nur leider nicht glauben - recht haben sollten mit der Meinung, der Kalte Krieg sei zu Ende und ,deshalb brauche man auch diese Restbestände nicht mehr, dann passiert ja auch nichts Schlimmes, wenn wir die Waffen in der Hand behalten, die uns gegen die Fährnisse dieses Kalten Krieges schützen. Wir brauchen sie ja nicht anzuwenden. Wenn wir ein Gesetz machen, bedeutet es ja nicht, daß wir uns nun Hunderte von Leuten greifen, nur um das Gesetz zu erproben. Wir werden es nur exerzieren müssen, wenn der Kalte Krieg eben nicht zu Ende ist. Für diesen Fall brauchen wir das Gesetz.
({4})
Nun haben Sie, Herr Kollege Arndt, ausgeführt, außerdem enthalte dieses Gesetz Dinge, die in unserer Strafrechtsordnung völlig neu seien, es enthalte verschwommene Begriffe, es sei unpräzise, es arbeite mit unbestimmten, bisher im Strafrecht nicht eingeführten Begriffen, die man neu erfunden habe, es mangele - da haben Sie den subjektiven Tatbestand einzelner Gesetzesbestimmungen unter die Lupe genommen - die Feststellbarkeit, wie immer oder wie fast immer bei subjektiven Unrechtselementen. Aus all diesen Gründen, haben Sie gesagt, sei dieses Gesetz später in seiner Anwendung entweder sehr schwierig oder führe notwendigerweise zu Unübersichtlichkeiten oder gar Ungerechtigkeiten.
Sie haben insbesondere die Einführung, wie Sie meinten, „neuer" Begriffe beanstandet. Ich bin darüber unterrichtet, daß der Herr Bundesminister der Justiz zu den tatsächlichen Behauptungen, die Sie bei den einzelnen Bestimmungen angebracht haben, eine Erklärung als Minister abzugeben wünscht; ich möchte deshalb hier nur einzelne Beispiele herausgreifen. Sie beanstandeten z. B., daß von „gröblicher Entstellung" die Rede sei; das sei eine Erfindung des Nationalsozialismus. Dabei ist Ihnen, Herr Kollege Arndt, sicherlich entgangen, daß bereits der seit 1872 bestehende § 131 des Strafgesetzbuchs davon spricht, daß, wer erdichtete oder „entstellte" Tatsachen verbreitet, sich unter gewissen Umständen strafbar macht. Es mag sein, daß der Begriff „gröblich" erst in neuerer Zeit in das Gesetz gekommen ist. Aber wesentlich bei diesem Tatbestand war doch das Element des Entstellenden. Wenn Sie gegen das „gröbliche" Bedenken haben, dann könnten wir ,es ja weglassen. Aber das würde sicherlich nicht Ihrer Linie und auch nicht unserer Tendenz entsprechen, denn das gäbe einen noch weiteren Strafrahmen, den wir aber auch nicht wollen.
Sie haben dann gesagt, eine unerläßliche Voraussetzung dieser Strafgesetze sei das Vorliegen eines äußeren Tatbestandes, der bereits in gewisser Weise einen Unrechtstatbestand aufzeige. Sie meinten, daß im sachlichen Tatbestand etwas da sein müsse, was unabhängig vom Denken und Wollen schon als äußerer Anlaß die Grundlage für die Strafbarkeit abgebe. Man könne, so führten Sie aus, nicht auf die Täterpersönlichkeit abstellen, wie es dieses Gesetz an einigen Stellen tue. Dias sei etwas völlig Neues und etwas völlig Unerwünschtes.
Nun, Herr Kollege Arndt, das wäre weder im klassischen Staatsschutzrecht noch etwa im Bereich des Individualstrafrechts irgendwie neu. Ich erinnere z. B. an den Tatbestand der Begünstigung aus dem Individualstrafrecht. Es ist doch in keiner Weise verboten, sich eine Fahrkarte zu kaufen und die Fahrkarte einer dritten Person weiterzugeben. Es wird nur dann verboten und strafwürdig, wenn man das in der Absicht tut, einem Dritten, der zuvor ein Vergehen oder Verbrechen begangen hat, zur Flucht zu verhelfen.
Ganz ähnlich ist es im Staatsschutzrecht bei der Vorbereitung zum Hochverrat. Jeder Staatsbürger
({5})
kann sich straflos ein Büro mieten, er kann Hilfskräfte anstellen, er kann sich Papier kaufen, er k ann sich Vervielfältigungsmaschinen zulegen. Aber wenn er das tut zur Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens, dann ist .allein diese Absicht das Moment, das einen sonst völlig neutralen Tatbestand strafwürdig macht.
Ich möchte die Beispiele hier nicht ins Ungemessene vermehren. Ich möchte abschließend nur noch an den § 49a, die Strafvorschrift über die Verabredung zu Verbrechen, erinnern. Dort ist praktisch überhaupt kein sachlicher Tatbestand vorhanden, sondern da ist alles ausschließlich auf den verbrecherischen, auf den Täterwillen einzelner Personen abgestellt.
Also mit diesen Argumenten kann man gegen das vorgelegte Gesetz nicht polemisieren! Wenn Ihnen das gestern abend in wirkungsvoller Weise möglich war, so nur deshalb, weil wir - das sagte ich eingangs, Herr Kollege Arndt - alle bestrebt sind, neue Strafbestimmungen zu vermeiden. Wir wollen unser Recht nicht „pönalisieren". Aber da, wo es keinen anderen Ausweg gibt, wo es um die Erhaltung unserer Ordnung, unserer demokratischen Freiheit geht, muß man auch einmal von diesem Prinzip abweichen.
Nun lassen Sie mich bitte, ehe ich schließe, noch einige Worte zu dem Problem der Pressefreiheit sagen, 'das insbesondere in den Darlegungen des Herrn Kollegen Bucher anklang. Die Parteien der Regierungskoalition sind sich mit den Oppositionsparteien in dem Bestreben einig, die Pressefreiheit auf jeden Fall zu wahren. Wir halten das Grundrecht der freien Meinungsäußerung für ein so wichtiges, daß wir alles vermeiden wollen, was dieses Grundrecht irgendwie antastet.
({6})
Die Koalition wird sich gegen alle Versuche in dieser Richtung zur Wehr setzen. In der Wahrung unserer, demokratisch-freiheitlichen Ordnung gerade auf dem Gebiet des Pressewesens werden wir uns von niemandem übertreffen lassen.
({7})
- Wenn einzelne von Ihnen ,darüber lachen, dann nennen Sie uns doch einmal konkrete Tatbestände, die Sie zu diesem Lachen berechtigen!
({8})
- Sie brauchen uns, was die Wahrung der Pressefreiheit anbetrifft, nicht anzustoßen. Denn wir sind daran zur Erhaltung unserer Freiheit genauso, wenn nicht noch mehr als Sie interessiert.
({9})
Wer uns hier mahnt -- das sage ich hierzu noch einmal abschließend -, rennt nur offene Türen ein.
({10})
Es mag über den Begriff und den Inhalt der Freiheit hier und da verschiedene Meinungen geben.
({11})
Ich glaube aber, da werden wir uns gar nicht so sehr voneinander unterscheiden.
Uns ist bewußt und es mahnt auf jeden Fall zur Vorsicht, daß man auch durch ordnungsgemäß verabschiedete Gesetze praktisch eine Meinungsfreiheit einschränken kann, daß derartige Maßnahmen, wenn sie nicht im Hinblick eben auf die Erhaltung des Rechts der freien Meinungsäußerung genau überlegt sind, eine wirkliche Pressefreiheit unterhöhlen können. Das wollen wir nicht. Wir werden, wenn Sie in dieser Richtung Befürchtungen haben - und die haben Sie -, im Ausschuß Ihre Argumente mit sehr offenem Ohr anhören und sie prüfen.
Andererseits gibt es keinen ernsthaften Streit darüber, daß das Recht der freien Meinungsäußerung seine Grenze an den begründeten Schutzgesetzen findet, die den einzelnen Staatsbürger und den Staat betreffen. In die Rechtsgüter des einzelnen und in ,das Recht des Staates, sich selbst zu erhalten, darf man nicht eingreifen. Für die private Rechtssphäre hat die Praxis in Jahrzehnten hier sehr klare Abgrenzungen erarbeitet. Vielleicht mit der kleinen Einschränkung bezüglich des § 164 Abs. 5 ist das Prinzip unangefochten. Schwieriger liegen die Dinge da, wo es sich um den modernen Staatsschutz handelt; das wird zugegeben. Ich habe schon gesagt, es kann keinen Zweifel darüber geben, ,daß sich der Staat und damit auch die Bundesrepublik gegen Umsturz und dagegen wehren darf, daß man durch bewußte Lüge, durch Entstellung oder auf andere Weise dazu beiträgt, diese Ordnung zu untergraben, daß man sogar in der Beseitigung eben dieser Ordnung mit Mitteln arbeitet, die mit Wahrheit, mit ehrlichem politischem Kampf und mit freier Meinungsbildung nichts mehr zu tun haben. Der Staat darf sich da nicht nur wehren, der Staat muß das auch tun.
({12})
Denn nur durch wirksame Maßnahmen erhält er für uns alle und für die Presse die Freiheit, die Meinung, so wie es im Grundgesetz verbürgt ist, auch in Zukunft zu sagen.
({13})
Darüber sind wir uns, glaube ich, im ganzen Hause
Lassen Sie mich - ich möchte meine Redezeit nicht überschreiten - mit der Hoffnung schließen, daß trotz der Auseinandersetzungen hier im Plenum eine sachliche Arbeit in den Ausschüssen zu einem guten Gesetz führt.
({14})
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Arndt hat die angebliche Erweiterung des § 91 des Entwurfs angegriffen. Er verkennt dabei, daß die Änderung des Wortlauts keine irgendwie ins Gewicht fallende Erweiterung der Strafbarkeit, sondern nur eine aus rechtsstaatlichen Gründen gebotene Klarstellung seiner Tragweite enthält. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich daraus, daß die Bundeswehr ein öffentliches Sicherheitsorgan ist und daß die Bereitschaft zum Dienst für die Landesverteidigung
({0})
sachlich der Bereitschaft zum Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Die Kritik ,des Herrn Kollegen Dr. Arndt müßte sich daher auch gegen die bereits geltende Fassung des § 91 richten.
({1})
- Ich habe es auch so verstanden, Herr Kollege Dr. Arndt. Aber auch darin gehen Sie fehl; denn es ist unrichtig, daß kritische Äußerungen etwa der Opposition über die Gestaltung der Bundeswehr und Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Erreichung der ihr gestellten Aufgabe der Landesverteidigung von der Strafvorschrift nach ihrer geltenden oder nach der im Entwurf vorgesehenen Fassung überhaupt erfaßt werden. Sie liegen sowohl außerhalb des äußeren als auch außerhalb des inneren Tatbestandes, den das Gesetz umschreibt. Nicht die Kritik oder die Austragung von Meinungsverschiedenheiten über die Gestaltung der Bundeswehr wird durch die Vorschrift getroffen, sondern die geistige Sabotage, die darauf gerichtet ist, den Soldaten der Erfüllung der ihm durch das allgemeine Gesetz übertragenen Pflichten zu entziehen. Zwischen Kritik und Sabotage besteht ein ganz klarer Trennungsstrich. Kein Staat kann darauf verzichten, sich gegen die Sabotage zu wehren, wenn er sich nicht selber aufgeben will.
({2})
Es sollte eigentlich keines Hinweises auf die von einem erbarmungslosen kommunistischen Regime des Ostens betriebene Sabotage dieser Art bedürfen, um die Notwendigkeit einer Abwehr auch mit strafrechtlichen Mitteln darzutun. Die kriminalpolitische Notwendigkeit des § 91 des Strafgesetzbuchs zum Schutze der Bundeswehr ist bereits durch zahlreiche praktische Fälle bewiesen worden. Der Versuch, durch unmittelbare Agitation auf Offiziere und Soldaten einzuwirken, ist in planmäßigen aus dem Osten gesteuerten Aktionen .schon in zahlreichen Fällen gemacht worden. Besonders beliebt ist dabei die Versendung zersetzender Briefe an Offiziere der Bundeswehr mit der Anrede „Sehr geehrter Herr Kamerad!" und mit dem Ziel, sie zum Verlassen ihres Dienstes zu bewegen.
Ich darf hier am Rande nur auf das französische Gesetz vom 11. März 1950 hinweisen. Nach diesem Gesetz wird auch im Frieden jeder Franzose oder Ausländer mit Zuchthaus bestraft, der sich schuldig macht der wissentlichen Teilnahme an einem Unternehmen der Zersetzung der Armee, das darauf abzielt, der Landesverteidigung zu schaden.
({3})
- Im Frieden!
Weiter darf ich nun auf die Darlegungen eingehen, die Herr Kollege Dr. Arndt zu § 96 gemacht hat. An und für sich mag es Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, scheinen, daß diese Erörterungen eigentlich in die zweite Lesung gehörten, in der die Textkritik sonst erfolgt. Aber es handelt sich hierbei - und das hat auch Herr Kollege Dr. Arndt sehr deutlich gemacht - nicht nur um eine Textkritik, sondern um die Grundgedanken des Gesetzes, die von der Opposition durch ihren Sprecher in so scharfer Weise angegriffen worden sind. Ich muß deshalb schon, um nicht im Nebel des Verschwommenen zu bleiben, konkret an Hand der Bestimmung zu antworten versuchen.
Gegen den Vorschlag des Entwurfs, die Bundeswehr in § 96 ,des Strafgesetzbuches einzubeziehen und ihr den dort vorgesehenen Ehrenschutz zu geben, hat Herr Kollege Dr. Arndt rechtsstaatliche Bedenken gegen die Tatbestandsbildung nicht vorgetragen und auch nicht vortragen können. Hier sind seine Bedenken anderer Art. Er fürchtet, daß die Bundeswehr mit einer solchen Vorschrift zum Staat im Staate werden könnte. Ich bin der Meinung, daß es gerade die allgemeine Wehrpflicht, gegen die sich die Opposition so leidenschaftlich wehrt, sein wird, die von vornherein verhindert, daß die Bundeswehr ein Staat im Staate wird. Eine Ablehnung der Wehrpflicht hätte vielleicht eine solche Gefahr bedeutet, nicht aber die Änderung des § 96 des Strafgesetzbuches; denn nun wird die Bundeswehr eine Einrichtung sein, an der alle Schichten des Volkes, alle seine jungen Männer Anteil haben und nehmen werden. Warum soll man einer solchen gemeinsamen Institution des Volkes keinen 'besonderen Ehrenschutz geben, wenn sie ihn braucht? Darauf allein kommt es meines Erachtens an. Das Strafrecht verleiht einen derartigen Sonderschutz in zahlreichen Fällen, in deinen ein besonders Schutzwürdiger der Gefahr von Angriffen ausgesetzt ist. So schützt es z. B. wichtige Staatsorgane, es schützt ausländische Staatsmänner, es schützt alle Personen, die im politischen Leben des Volkes stehen, und es schützt die Flagge, die die Bundeswehr führt. Ich sehe nicht ein, warum nicht auch die Bundeswehr selbst, gegen die wir eine Flut von gehässigen Angriffen zu erwarten haben, in solcher Weise geschützt werden soll. Beispiele für das, was auf diesem Gebiet kommen wird, haben wir schon genug erlebt.
({4})
Herr Kollege Dr. Arndt hat nun noch vorgetragen, eine derartige Vorschrift erschwere sehr eine sachliche Kritik an der Bundeswehr. Verzeihen Sie, Herr Kollege Arndt, ich bin etwas überrascht,
({5})
daß Sie dieses Argument gebraucht haben, weil Sie .als ein vorzüglicher, die Judikatur genau kennender Jurist bekannt sind. Wie soll man ,dadurch, daß man Beschimpfen und böswilliges Verächtlichmachen verbietet, eine sachliche Kritik erschweren? Herr Kollege Dr. Arndt weiß doch als Jurist genau, was die Rechtsprechung unter Beschimpfen und bäswilligem Verächtlichmachen versteht.
({6})
- Leider, Herr Kollege Arndt, scheint es eine deutsche Krankheit zu sein, die auch in diesem Hause langsam aufkommt, daß wir in einer Kettenreaktion gegenseitiger Mißverständnisse stehen.
({7})
Aber ich habe ziemlich genau, wie sich das gehört, - ({8})
- Mir ist gestern schon aufgefallen, Herr Kollege Arndt, daß Sie in Ihrer Begründung etwas zwischen dem § 96 und dem § 109 b hin- und hergeschwankt sind. Darauf beruht es vielleicht.
({9})
Trotzdem bitte ich, mir zu gestatten, meine Gedanken hier weiter vorzutragen, weil eben die Qualifikation ides Beschimpfens und böswilligen Verächtlichmachens doch etwas ganz Grundsätzlich anderes ist als eine Kritik, die im Kern ein konstruktiver Beitrag zu sein hat. Wir alle sind der Kritik sehr bedürftig, und jede konstruktive Kritik hat von jeher eine Sache gefördert, ist aber doch etwas ganz anderes als Beschimpfen und böswilliges Verächtlichmachen.
({10})
- Schimpfen ist für manche eine seelische Erleichterung, das stimmt schon.
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- Sollte es wirklich ein Zitat von Goebbels sein - es stammt aber wohl mehr aus der Psychoanalyse, möchte ich glauben -, so gebe ich Ihnen darin durchaus recht, ,daß ein geistiges Gift tief in eine Zeit einzudringen vermag, und sollte ich mich dieser Sünde hier selber schuldig gemacht haben, so werde ich wahrscheinlich künftig nie wieder diesen Ausdruck gebrauchen, wenn er solchen Ursprung haben sollte. Herr Kollege Dr. Arndt weiß: sachliche Kritik wird und darf nie in den Formen des Beschimpfens und böswilligen Verächtlichmachens erfolgen. Auch der § 193 des Strafgesetzbuches, der die Wahrnehmung berechtigter Interessen schützt und gegenüber § 96 nicht gilt, verschließt sich gerade gegenüber solchen Formen der Kritik; denn sein tieferer Sinn ist gerade, die Kritik in sachliche Bahnen zu lenken. Solcher sachlichen Kritik steht § 96 in gar keiner Weise im Wege. Die unsachliche, beleidigende Form ist schon immer strafbar gewesen.
Auf einen sehr wesentlichen Gedanken, der sehr für die vorgeschlagene Änderung des § 96 spricht, ist Herr Kollege Dr. Arndt leider nicht eingegangen. Verzichtet man auf diese Änderung, so steht die Rechtsprechung vor der unerquicklichen Frage, ob sie die Bundeswehr als solche für beleidigungsfähig erklären soll oder nicht. Tut sie es nicht, so gibt es für die Bundeswehr als solche, als Ganzheit überhaupt keinen Ehrenschutz, nicht einmal über das allgemeine Beleidigungsrecht. Tut sie es aber - und wahrscheinlich wird es dazu kommen, daß sie es tut -, so wäre die Bundeswehr nicht nur gegen Beschimpfungen und böswilliges Verächtlichmachen, also gegen besonders krasse Formen der Beleidigung, sondern überhaupt gegen jede Beleidigung schlechthin, auch gegen die geringfügigste, geschützt. Der Ehrenschutz wäre also im Ergebnis viel weiter ausgedehnt als durch den von Herrn Kollegen Dr. Arndt als zu weitgehend angegriffenen § 96. Denn wird § 96 in der vorgeschlagenen Form Gesetz, so wird die Rechtsprechung darin eine Spezialregelung sehen, die eine weitere Ausdehnung des Ehrenschutzes für die Bundeswehr nicht zuläßt. Das allein sollte Grund genug sein, der Regierungsvorlage zu folgen.
Ich darf mich nun dem dritten Hauptpunkt des Angriffs der Opposition, der Kritik an dem § 109 b, zuwenden, einer Kritik, die auch weitgehend von der öffentlichen Meinung aufgenommen worden ist. Der Bundesminister der Justiz scheut sich nicht, sich dieser Kritik zu stellen. Denn es gibt Notwendigkeiten, die in der Vorlage auch dann berücksichtigt werden müssen, wenn sie zunächst nicht auf Gegenliebe in der Öffentlichkeit stoßen .
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Wo kommt man in einer Demokratie hin, wenn man diese Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit von vornherein scheut?
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Das ist keine Frage des Gekränktseins oder des Beleidigtseins, sondern es ist die Aufgabe der Regierung, auch unpopuläre Notwendigkeiten vor die Öffentlichkeit zu stellen und dann vorbehaltlos der Kritik die Stirn zu bieten.
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Ich muß sagen, die Ausführungen des Sprechers der Opposition zu § 109 b sind durch die gefährliche Tendenz gekennzeichnet, die Möglichkeiten staatlichen Strafens nur für einen Bereich anzuerkennen, der hinter dem Wirkungsbereich selbst des liberalsten Strafrechts unserer Vergangenheit weit zurückbleibt und der auch das in einer freiheitlichen Demokratie unerläßliche Mindestmaß des Strafschutzes nicht mehr gewährleistet. So sehr ich den scharfsinnigen theoretischen Ausführungen über die Grenzen des Strafrechts mit großem Interesse gefolgt bin, muß ich doch darauf aufmerksam machen, daß sich alle theoretischen Erkenntnisse auch in der praktischen Wirklichkeit zu bewähren haben. Die aufgestellte These, daß der Strafgesetzgeber das gleiche Verhalten von zwei Personen ohne Rücksicht auf ihre damit verbundenen inneren Beweggründe und Zweckvorstellungen gleich zu behandeln habe, ist nach den bisherigen Erkenntnissen von Strafrechtswissenschaft und -praxis einfach unrichtig. Es gibt zahllose Tatbestände, in denen ein an sich wertneutrales Verhalten erst durch eine bestimmte Absicht des Täters überhaupt strafrechtlich erheblich und zugleich strafwürdig wird, strafrechtlich erheblich und strafwürdig also erst durch einen inneren Tatbestand, eine subjektive Willenshaltung des Täters, die in seiner Brust verschlossen ist.
Unter diesem Gesichtspunkt gibt es jedenfalls keinen begründeten Einwand dagegen, das Aufstellen und Verbreiten unwahrer Tatsachenbehauptungen mit Strafe zu bedrohen, wenn mit ihnen ein für die Verteidigungsbemühungen gefährlicher Zweck verfolgt wird.
Herr Kollege Dr. Arndt hat die als Folge der Einführung der Vorschrift drohenden Gefahren in schwärzesten Farben gemalt. Er meint, daß die Beschränkung des Tatbestandes auf Behauptungen über Tatsachen ungeeignet sei, eine klare Abgrenzung gegenüber den Meinungsäußerungen und Werturteilen zugewinnen. Ich will nicht bestreiten, daß es Grenzfälle - vor allem im Bereich der sogenannten inneren Tatsachen - gibt, die im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten können. Aber es ist ja gerade ein Kennzeichen rechtsstaatlichen Denkens, daß sich das Recht in den Grenzfällen zu bewähren hat. Hier stellt doch gerade der Rechtsstaat in dem Grundsatz des Maßhaltens - wonach solche Grenzfälle im Zweifel zugunsten des Beschuldigten zu werten sind - eine Korrekturmöglichkeit zur Verfügung, die die Rechtsprechung beachten muß, wenn sie ihre Pflicht nicht verfehlen will.
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Der Unterschied zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen hat die Rechtsprechung schon
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seit vielen Jahrzehnten beschäftigt. Sie ist dabei zu durchaus befriedigenden Ergebnissen gekommen, was namentlich damit zusammenhängt, daß sie in Grenzfällen nicht auf den formalen Charakter der Äußerung abstellt, sondern auf ihren wirklichen materiellen Gehalt, d. h. auf die Frage, ob der Täter der Sache nach eine bestimmte Tatsache behaupten oder nur eine Meinung äußern wollte. Die Rechtsprechung wird deshalb die meisten Beispiele, die hier als typische Zweifelsfälle angeführt worden sind, ohne jedes Bedenken den Meinungsäußerungen zuordnen und sie damit dem Anwendungsbereich des § 109 b entziehen. Die Sorgen um eine ungerechtfertigte Ausweitung des Begriffs der Tatsachenbehauptung sind angesichts der vorhandenen und weitgehend geklärten Auslegungsgrundsätze zu diesem Begriff schlechthin unbegründet, unbegründet vor allem deshalb, weil hier der Rechtsstaat in der kontinuierlichen Praxis Auslegungsgrundsätze entwickelt hat, die beachtet werden müssen und die verhindern, daß aus solchen Tatbeständen zweckbestimmte Gummibestimmungen werden.
Nicht wesentlich anders verhält es sich mit den Angriffen, die gegen die angebliche Unbestimmtheit des Begriffs der „gröblichen Entstellung" erhoben worden sind. Es handelt sich hier keineswegs um eine Erfindung des Nationalsozialismus. § 131 des Strafgesetzbuchs, der den Tatbestand der Staatsverleumdung behandelt, spricht schon seit 1871 in einem völlig gleichliegenden Zusammenhang von dem Behaupten oder Verbreiten entstellter Tatsachen und erfaßt damit die Unwahrheiten, denen ein wahrer Kern innewohnt, die Halbwahrheiten oder Viertelwahrheiten, die bekanntlich viel gefährlicher sind als eine faustdicke Lüge. § 109 b soll und wird nach seinem Wortlaut - abgesehen von den gänzlich unwahren - nur solche Behauptungen treffen, bei denen der Wahrheitsgehalt hinter der Unwahrheit weit zurücktritt; denn nur dann kann man von einer gröblichen Entstellung sprechen.
Das stärkste Argument für die Beibehaltung des Begriffes ist jedoch folgendes: Wenn der Gesetzgeber ihn beseitigt, wird und muß die Rechtsprechung ein ähnliches Merkmal in den Tatbestand hineininterpretieren. Denn es kann kein Zweifel bestehen, daß vom Standpunkt der Logik aus jede Teilwahrheit zugleich auch eine Unwahrheit ist. Die Gerichte werden aber, wenn sich der Gesetzgeber auf das Merkmal der Unwahrheit beschränkt, diejenigen Behauptungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausscheiden müssen, die von der Wahrheit nicht wesentlich abweichen, sie also nur gering verfälschen. Sie werden deshalb mit dem Begriff der entstellten Tatsachenbehauptung arbeiten müssen, gleichgültig ob der Gesetzgeber es ausspricht oder nicht. Die Rechtsprechung zu § 164 des Strafgesetzbuches, der die falsche Anschuldigung betrifft, hat das eindeutig bewiesen. Unter diesen Umständen ist es vom gesetzgeberischen Standpunkt aus vorzuziehen, durch das Erfordernis gröblicher Entstellung auf eine einschränkende Auslegung hinzuwirken.
Was schließlich die in der Stellungnahme der Bundesregierung angeführten schweizerischen Strafvorschriften betrifft - Herr Kollege Arndt hat mich ausdrücklich darauf angesprochen -, so haben sie alle einen engen Zusammenhang mit dem Anliegen des § 109 b. Die in erster Linie genannten §§ 89 und 102 des schweizerischen Militärstrafgesetzes sind dem § 109 b so parallel gestaltet, daß der Zusammenhang offen zutage liegt. Der außerdem aufgeführte § 278 des schweizerischen Strafgesetzbuches - also nicht des Militärstrafgesetzes - bedroht den mit Strafe, der eine Militärperson in der Ausübung des Dienstes hindert oder - und nun sehen Sie den von Herrn Kollegen Arndt so gepriesenen Tatbestand rechtsstaatlicher Art - stört. Hier ist einfach und sehr schlicht das Wort „stören" verwandt worden.
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- Der Begriff der Störung, Herr Kollege Arndt, ist, wie ein Vergleich mit anderen Vorschriften des schweizerischen Gesetzes ergibt, außerordentlich weit zu fassen. Er umfaßt die beeinträchtigende Einwirkung auf die Dienstobliegenheiten von Soldaten und militärischen Behörden durch jedes irgendwie geartete unerlaubte Mittel, ist also sehr weit gefaßt. Damit wird auch die unwahre Propaganda erfaßt, wenn sie die Ausführung von Dienstobliegenheiten der Truppe erschwert. Insofern ist der Tatbestand des § 278 des Strafgesetzbuches der Schweiz mit unserem § 109 b des Entwurfs durchaus verwandt. Er geht aber durch die außerordentliche Weite des Tatbestandsmerkmals „stören" über die Grenzen der strafrechtlichen Begriffsbildung hinaus, die wir verwandt haben.
Der schließlich noch zu erwähnende - von Herrn Kollegen Arndt angesprochene - § 277 des Schweizer Strafgesetzbuches befaßt sich mit der Fälschung von Aufgeboten oder Weisungen der Militärbehörde. Die Vorschrift ist vor allem deshalb ausdrücklich genannt worden, weil sie gerade diejenigen Methoden der Zersetzung aus dem Osten erfaßt, die im ersten Abschnitt des Aufbaus der Bundeswehr besonders häufig angewendet und von mir stets als typische Anwendungsfälle des § 109 b bezeichnet worden sind. Sollte deshalb die letztere Vorschrift von dem Hohen Hause nicht gebilligt werden, so wird mindestens eine dem § 277 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs entsprechende Bestimmung unerläßlich sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe mich verpflichtet gefühlt, auf die drei Hauptangriffspunkte, zu denen sich in der ersten Lesung die Opposition durch ihren Sprecher, den Herrn Kollegen Arndt, geäußert hat, zu antworten. Ich kann es mir aber nicht versagen, auch auf den rechtsphilosophischen Hintergrund, den der Herr Kollege Arndt vor uns aufgebaut hat, kurz einzugehen.
Der Herr Kollege Arndt hat die Erfordernisse eines rechtsstaatlichen Straftatbestands sehr formal gekennzeichnet. Ich glaube, daß er in seinen Darlegungen zu weit gegangen ist, insbesondere die ganze Problematik der subjektiven Haltung des Täters gegenüber seinen Handlungen unzutreffend dargestellt hat. In einem aber gebe ich ihm vollkommen recht: Unsere freiheitlich-rechtsstaatliche Gesetzgebung zum Schutze des Staates sollte nicht die Gloria des Staates schützen, sondern seinen Bestand und seine freiheitlichen Grundlagen. Sie sollte Notrecht sein, nicht sozusagen ein Glanz-Schützen. Aber gerade bei diesen Worten des Herrn Kollegen Arndt, in denen er die Zeit in ihrer Färbung darstellte, konnte ich eine gewisse innere Traurigkeit nicht ganz überwinden. Denn wo ist aller Glanz geblieben, wo ist Gloria in unserem Dasein? Das ist längst vorbei. Wir stehen in einer Notlage und müssen Notständen begegnen.
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- Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht nur der Opposition erlaubt, in die Tiefe der Dinge hineinzugehen und Bilder vor das Auge dieses Hauses zu stellen. Auch die Regierung darf ihre Sache aus den geistigen Grundlagen heraus verteidigen, die von dem Herrn Kollegen Arndt aufgezeichnet worden sind. - Staatsschutzrecht wird immer ein Notrecht sein, trägt die Grenze in sich selbst, wenn es ein rechtsstaatliches Recht ist. In einer kleinen Nebenbemerkung hat sich Herr Kollege Arndt dagegen gewandt, daß Beamte auch wohl meines Hauses in der Öffentlichkeit als - wie hat er sich ausgedrückt? - „propagandistische Vorkämpfer" aufträten. Herr Kollege Arndt, wenn ein Beamter des Justizministeriums in Kontakt mit der Öffentlichkeit steht und in einem Forum-Gespräch oder in einem Vortrag in der Öffentlichkeit auftritt, so tut er dies im Auftrag und gedeckt von der Verantwortlichkeit seines Ministers.
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Nicht er ist ein Propagandist, sondern sein Minister hat das dann angeordnet. Ich weiß nicht, welchen speziellen Vorgang Sie im Auge haben. Ich möchte auch keinen Namen nennen; vielleicht tun Sie das persönlich, damit ich mich darüber unterrichte. Aber ich bin der Auffassung, daß gerade in einer modernen Demokratie Grundgedanken des Gesetzgebers in der Öffentlichkeit diskutiert werden müssen, bevor ein Entwurf eingebracht wird. Auch der Fachmann soll die Öffentlichkeit über die Motive unterrichten und diesen Kontakt herstellen. Es ist ja nicht ein propagandistischer Halleluja-Gesang auf die Werke der Regierung, was der betreffende Beamte sagt. Der Beamte soll auch nicht für eine Partei oder für eine einzelne politische Richtung tätig sein und dort als Propagandist auftreten; das würde ich zutiefst ablehnen. Aber die sachliche Unterrichtung der Öffentlichkeit auch über den politischen Gehalt und den politischen Willen einer Vorlage, die im Entstehen ist, halte ich für eine absolute Notwendigkeit, und da kann man nicht auf die guten Dienste des Sachkenners und Beamten verzichten. Soweit Herr Kollege Arndt, hier möchte ich sagen: die absolut aus dem Parteipolitischen herausgehaltene und neutrale Stellung des Beamten berührt hat, handelt es sich um ein Anliegen, das der Bundesminister der Justiz mit dem Herrn Kollegen Arndt vollkommen teilt. Auf der anderen Seite muß der Kontakt mit der Öffentlichkeit aber durch den Fachmann - und das ist der Sachbearbeiter eines Ministeriums - wahrgenommen werden. Soweit daraus eine politische Schwierigkeit entsteht, trifft die Verantwortlichkeit ausschließlich und allein den Minister.
Sie haben, Herr Kollege Arndt, was das Kennzeichen totalitären Strafrechts und den Unterschied des Rechtsstaatlichen zum Totalitären betrifft, vor allen Dingen darauf hingewiesen, daß die Tatbestände so gefaßt werden müssen, daß nur das Beweisbare gilt. Die Anerkennung dieses Prinzips für den Aufbau der Tatbestände ist vollkommen richtig. Aber damit werden Tatbestände, wie wir sie hier gebildet haben, nicht angegriffen; denn es geht hier ja nicht um die zollfreien Gedanken, Vorstellungen und Phantasien, die der Mensch hat, und um Utopien, die er mit sich herumträgt; es geht um äußere Wirkungen, die aus seinem inneren Zentrum entstehen.
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Darum und nur darum geht es, und das ist das eigentlich Rechtsstaatliche, was bewiesen werden muß.
Herr Kollege Arndt, es lohnt sich sehr, über das, was Sie über die Grenzen des Rechtsstaatlichen gesagt haben, nachzudenken. Vor allem aber glaube ich, daß der Unterschied zwischen totalitärem Strafrecht und einem freiheitlich-rechtsstaatlichen Strafrecht in erster Linie darin beruht, daß totalitäres Strafrecht eben ein Instrument der Herrschaft ist, die mit Furcht und Terror das Rückgrat der Menschen zu brechen trachtet. Im Grunde genommen ist es natürlich so, daß alle totalitäre Gesetzgebung möglichst überhaupt keine Norm haben möchte, möglichst auf das Gesetz und seinen Tatbestand verzichten möchte, damit je nach Opportunität und Zweckmäßigkeit willkürlich gestraft und gerichtet werde, obwohl die Willkür, der Verstoß gegen die Gleichbehandlung der Fälle, gegen eine Forderung der Gerechtigkeit sehr zur Unterhöhlung einer Herrschaftsordnung überhaupt beiträgt.
Es wäre noch sehr viel zu dem zu sagen, was Herr Kollege Arndt vorgebracht hat, auch gerade zu dem rechtsphilosophischen und politischen .Hintergrund. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit hier nicht weiter in Anspruch nehmen. Es kam auf die drei Hauptangriffe der Opposition gegen unsere Vorlage an.
Bemühen wir uns alle in den Ausschüssen! Das Bundesministerium der Justiz wird alle Hilfe zur Verfügung stellen. Wenn noch präzisere Formulierungen einfallen, wenn man diese Tatbestände in ihren äußeren Merkmalen noch, sicherer, klarer, noch begrenzter und maßvoller machen kann, ohne damit das Schutzinteresse aufzugeben, dann werden Sie die Hilfe des Bundesministeriums der Justiz jederzeit haben. Auch unser sehr ernstes Bemühen ist es, die notwendigen Bestimmungen für den Staatsschutz in Grenzen, die Strafen maßvoll und den Gesetzestext so klar und so sauber wie möglich zu halten, damit sie niemals Instrumente der Willkür der einen oder der anderen politischen Richtung werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Platner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zu den uns mit dem Entwurf eines Fünften Strafrechtsänderungsgesetzes vorgelegten neuen strafrechtlichen Bestimmungen, insbesondere zu den darin formulierten neuen §§ 130 a und 189 Abs. 3 des Strafgesetzbuches, einige kritische Ausführungen machen.
Wir anerkennen rückhaltlos den Beweggrund, der zu dieser Vorlage geführt hat, nämlich das Ansehen eines aus Überzeugung geleisteten Widerstandes gegen eine Gewalt- und Willkürherrschaft zu schützen. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen doch sehr ernsthaft die Frage stellen, ob derartig formulierte Bestimmungen gut und zweckmäßig sind, ob sie dem Wesen und der Würde des Widerstandes entsprechen, und schließlich, ob es notwendig ist, den Aufstand des Gewissens in einem so gestalteten Tatbestand zu erfassen.
Wir müssen diese Fragen aus verschiedenen Gründen verneinen. Zunächst einmal sind wir der Auffassung. daß es dem Andenken der Toten dieses
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Widerstandes nicht dienlich sein kann, wenn die praktische Anwendung derartiger Bestimmungen den Richter zur Analysierung der ganzen Problematik des Widerstandes und des Verhaltens des einzelnen Widerstandskämpfers zwingt. Denn nach den uns vorgelegten Formulierungen müßte der Richter im Einzelfall die näheren Umstände klären. Das kann aber den Widerstand und seine Träger im Ansehen unseres ganzen Volkes unseres Erachtens nur entwerten.
Ferner haben wir folgendes Bedenken geltend zu machen. Der § 130 a, wie er uns vorgelegt ist, dürfte die rechtsstaatlichen Grenzen des Strafrechts überschreiten. Nach dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung darf der einzelne Staatsbürger seine Auffassung über die Frage des Widerstandes gegen den Staat, über die Frage des soldatischen Gehorsams, über die Frage des Eides und dessen Bindung für den Soldaten äußern. Die Problematik dieser Begriffe muß dem Staatsbürger Raum für Kritik lassen. Der § 130 a mit seinen dehnbaren Begriffen muß aber doch bei Strafanzeigen in der Praxis zu Mißbrauch führen. Was wäre die Folge? Das Bekenntnis der eigenen Meinung zu diesen Problemen würde dem Druck, eine strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen, ausgesetzt. Dies um so mehr, als der juristische Laie bei dieser Fassung des Tatbestandes die Grenze des Strafwürdigen kaum erkennen kann!
Schließlich ein weiterer Grund. Die vorgelegte Formulierung des § 130 a des Strafgesetzbuches mit ihren normativen Tatbestandsmerkmalen kann die Fundamentalfunktion des strafrechtlichen Tatbestandes, nämlich die klare Absonderung strafbaren Unrechts von nicht strafbarer Meinungsäußerung, überhaupt nicht erfüllen. Hier wird der Richter, wie bereits gestern Herr Kollege Dr. Arndt meines Erachtens zutreffend ausgeführt hat, überfordert. Ihm würden nämlich in der Praxis sehr häufig Meinungsäußerungen zur Aburteilung unterbreitet, welche von vornherein als Verächtlichmachung gedeutet worden sind. Und da soll nun der Richter mit Begriffen, die eine verschiedene und wechselnde richterliche Wertausfüllung nicht ausschließen, die qualitative Grenze zwischen Verächtlichmachung und Meinungsäußerung feststellen. Das ist für den Richter eine geradezu unmögliche Aufgabe.
Der § 130 a, der uns in diesem Entwurf vorgelegt wird, strebt den Schutz des Rechtsgutes der Ehre der Widerstandskämpfer an. Es handelt sich also bei ihm um einen abgewandelten Tatbestand der Beleidigung. Aber wir müssen die Frage stellen: Ist denn nicht der mit dieser geplanten Bestimmung angestrebte Ehrenschutz bereits durch die Bestimmungen der §§ 185 ff. des Strafgesetzbuchs hinreichend gewährleistet? Das müssen wir bejahen. Angesichts dessen besteht in unserer Sicht der Problematik keine Notwendigkeit für die Schaffung weiterer diesbezüglicher abgewandelter Tatbestände. Die Strafbestimmungen der §§ 185 ff. des Strafgesetzbuchs geben dem Richter auch Strafrahmen an die Hand, mit denen er ein den in dem § 189 Abs. 3 genannten straferschwerenden Umständen entsprechendes konkretes Strafmaß im einzelnen Falle finden kann. Hier sollten wir nicht eine relative Freiheit des Richters in der Findung des gerechten Strafmaßes durch perfektionistische Bestimmungen einengen.
Aber, meine Damen und Herren, wir sehen auch keine äußere Notwendigkeit für die Schaffung dieser strafrechtlichen Tatbestände. Denn es sind in der Öffentlichkeit unseres Volkes nicht etwa zahlreiche Fälle grober Verunglimpfung der Widerstandskämpfer hervorgetreten. Die Schaffung derartiger Bestimmungen würde auch, so fürchten wir, in unserem Volke längst verblaßte, ja fast schon vergessene Gegensätze erneut bewußt machen und aktualisieren. Damit aber wäre dem inneren Frieden unseres Volkes nicht gedient. Wenn wir diese uns vorgeschlagenen Strafbestimmungen nicht schaffen, dann, glaube ich, dienen wir dem inneren Frieden unseres Volkes mehr. Wir würden damit zugleich auch der Aufgabe dienen, zu deren Erfüllung wir alle in diesem Hause berufen sind: der Erhöhung unseres Volkes und seines Staates durch Recht und Gerechtigkeit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die tiefschürfenden Ausführungen, die wir gestern aus dem Munde des SPD-Sprechers, des Herrn Kollegen Dr. A r n d t, zu der ganzen Problematik, die in dieser Strafrechtsnovelle angeschnitten wird, gehört haben, war nicht nur eine Angelegenheit für juristische Feinschmecker, sondern ich glaube, daß wir alle ohne Unterschied, wie immer wir zu den Problemen im einzelnen stehen und zu welchen endgültigen Beschlüssen wir kommen werden, dankbar sein sollten, daß die unerhörte Problematik, die mit diesem Thema zusammenhängt, derart klar aufgerissen und umrissen worden ist.
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Eigentlich war das eine Aufgabe, Herr Bundesjustizminister, die der schriftlichen Begründung des Entwurfs seitens des Bundesjustizministeriums obgelegen hätte!
Lassen Sie mich nur ganz wenige Bemerkungen machen. Ich glaube, daß die Ausführungen der ersten Lesung uns ein ausgezeichnetes Fundament für eine sehr sorgfältige, sehr verantwortungsbewußte Erörterung im Rechtsausschuß bieten werden.
Zu den Ausführungen von Herrn Dr. Arndt möchte ich auch für meine politischen Freunde hier gleich einen Vorbehalt oder einen Einwand geltend machen. Auch ich habe den Eindruck, daß die Begrenzung des rechtsstaatlichen Strafrechts, die Herr Dr. Arndt gefordert hat, nicht überzeugend ist und wahrscheinlich auch der rauhen, harten Wirklichkeit nicht gerecht wird. Ich glaube, es geht unter allen Umständen zu weit, an das rechtstaatliche Strafrecht die Forderung zu stellen, sämtliche inneren Tatsachen zu eliminieren. Es kann sein, daß ich Sie nicht recht verstanden habe, Herr Dr. Arndt. Sie haben doch Ihr formales Mittel, mit dem Sie die Grenzziehung vornehmen, nämlich daß es beweisbar sein muß durch Zeugen oder Urkunden, immer exemplifiziert auf die Schwierigkeit, bei der Feststellung des strafrechtlichen Tatbestandes innere Tatsachen zu erfassen. Ich jedenfalls habe Sie so verstanden, daß Sie unter dem Gesichtspunkt der Rechtsstaatlichkeit glauben, solche inneren Tatbestände in weitgehendem Umfang eliminieren zu müssen.
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- Habe ich Sie falsch verstanden? Wir werden uns darüber ja noch unterhalten können. Ich habe aber auch vom Bundesjustizminister den Eindruck, daß er Sie in etwa so verstanden hat.
Wenn es so wäre, dann gingen wir vielleicht einem Idealbild nach, würden damit aber kaum der harten, rauhen Wirklichkeit, die wir rechtlich ordnen sollen, beikommen können.
Die Kritik zu § 109 b wird auch in den Reihen meiner politischen Freunde sehr deutlich erhoben. Aber, meine Damen und Herren, auch hier werden wir nicht mit einer Schwarzweißmalerei den Dingen gerecht werden. Herr Dr. Arndt hat sehr viel Gewicht darauf gelegt, daß die freie Meinungsäußerung und Meinungsbildung durch derartige Staatsschutzbestimmungen nicht gefährdet werden dürften. Dazu gehört auch die Pressefreiheit, eines der Grundrechte unserer Verfassung. Aber es hieße doch die Augen vor dem verschließen, was sich in der Wirklichkeit zuträgt, wenn man nicht das Bedürfnis empfindet, sich auch mit dem Tatbestand des Mißbrauchs der öffentlichen Meinungsbildung und der Pressefreiheit sehr, sehr verantwortungsbewußt zu beschäftigen. Es sind hier Wertbegriffe, die in eine richtige Relation zueinander gebracht werden müssen.
Meine politischen Freunde bejahen die Notwendigkeit eines Ehrenschutzes für die Bundeswehr auch als Institution. Ob dieser Ehrenschutz richtig formuliert und richtig untergebracht ist in § 96, wo nur der Ehrenschutz der eigentlichen verfassungsrechtlichen Organe formuliert und niedergelegt ist, ist eine zweite Frage. Deshalb sollte man aber doch der Forderung nach einem besonderen Ehrenschutz für die Bundeswehr, die in der Novelle zum Ausdruck kommt, mit großer Sorgfalt nachgehen und einmal prüfen, ob hier nicht wirklich eine Notwendigkeit besteht. Wir kennen alle die sehr harte politische Auseinandersetzung nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit über alles, was mit Aufrüstung, Bundeswehr und Verteidigungsbeitrag verbunden ist. Die wenigen Dinge, die sich in den letzten Monaten oder im letzten Jahr zugetragen haben, sollten uns doch aufhorchen lassen. Wir können doch eine Institution, genannt Bundeswehr, die hier im Parlament mit Gesetzeskraft beschlossen worden ist und der freiwillig junge Menschen folgen und sich zur Erfüllung ihrer Pflicht zur Verfügung stellen, nicht weiter in dieser Weise Angriffen ausgesetzt sein lassen, die doch wirklich auf böswilligen Motiven beruhen. Auch hier wird nach meiner Auffassung genau abzuwägen sein, wie weit wir gehen dürfen, aber auch wie weit wir gehen müssen;
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denn daß die Verteidigungsbereitschaft, die sich heute für uns in der Institution der Bundeswehr darbietet, nicht schutzlos gelassen werden kann, ist auch die Meinung meiner politischen Freunde.
Wir sollten mit genügend Zeit, mit genügend Sorgfalt und Verantwortungsbewußtsein an die Beratung im Rechtsausschuß herantreten. Wir sind zu dieser Aufgabe bereit.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre sehr reizvoll, Mißverständnisse richtigzustellen und grundsätzliche Irrtümer aufzuzeigen. Wenn ich es mir jetzt versage, mit der gebotenen Gründlichkeit auf die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz und des Herrn Kollegen Dr. Gille einzugehen, so unterlasse ich dies ausschließlich deshalb, weil es die Geschäftslast des Hauses unter keinen Umständen erlaubt. Nur zwei Bemerkungen möchte ich nicht unterdrücken.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat das große Wort gesagt, daß jede Teilwahrheit eine Unwahrheit sei. Herr Bundesminister, Hand aufs Herz: Hat dann einer von uns je schon die volle Wahrheit gesagt, und ist es überhaupt einem Menschen möglich, die volle Wahrheit zu sagen?
Das andere will ich nur als einen Satz hinstellen: Es ist nicht möglich, die Freiheit auf unfreie Weise zu verteidigen, wenn man die Freiheit dadurch nicht selber von vornherein verlieren will.
Meine Damen und Herren! Wenn wir der Überweisung an den Rechtsausschuß zustimmen, so allein deshalb, weil im Vierten Strafrechtsänderungsgesetz eine Reihe von Bestimmungen vorgeschlagen werden, die ohne Zweifel sinnvoll und erforderlich sind, und weil das Fünfte Strafrechtsänderungsgesetz Anlaß zu der Erwägung geben kann, ob und wie man antisemitische Verunglimpfungen oder das verwerfliche Anpreisen nationalsozialistischer krimineller Verbrechen strafrechtlich eindämmen könnte. Aber diese Zustimmung zur Ausschußberatung steht unter dem klaren Vorbehalt, daß die bereits vom Bundesrat verworfenen Paragraphen des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes, die den Namen „Maulkorbgesetz" nicht mehr verlieren werden, nach unserer Überzeugung nicht beratungsfähig und rechtsstaatswidrig sind.
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Das Wort hat der Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, zu den vom Kollegen A r n d t gestern vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkten hier irgendwie Stellung zu nehmen. Federführend für dieses Gesetz ist der Herr Bundesminister der Justiz. Aber, Kollege Arndt, Sie haben gestern im Zusammenhang mit Ihren rechtlichen Ausführungen auch einige politische Hintergründe erwähnt. Sie haben in Zusammenhang damit auch das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition berührt, insbesondere zwischen Bundeswehr und SPD. Sie haben im Anschluß daran einige Stellen aus dem Heft 4 der „Informationen für die Truppe" erwähnt und sie als Musterbeispiele für „bundesstaatliche Ethik" oder „bundeswehreigene Metaphysik" bezeichnet oder ähnliche dekorierende epitheta ornantia gebraucht. Ich darf deshalb im Zusammenhang damit einige politische Bemerkungen machen.
Vielleicht erlauben Sie mir zunächst noch eine persönliche Bemerkung. Es war einer der Kollegen - ich weiß nicht mehr, aus welcher Fraktion -, der mich vor Beginn Ihrer Ausführungen in irgendeiner speziellen Angelegenheit sprechen wollte. Ich stand vor der Tür, und nach Ihrer Ankündigung als Redner habe ich den Saal wieder
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betreten. Sie waren deshalb vielleicht in etwas schlechter Disposition, als Sie sagten, ich hätte es nicht für nötig gehalten, bei der Lesung dieser Gesetze im Bundestag anwesend zu sein.
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Ich warte ja nicht sechs Stunden auf diese Debatte, um dann, wenn Sie Ihre lang erwartete Rede beginnen, wegzugehen. Dann wäre es um die vorhergehenden sechs Stunden schade gewesen!
Darf ich jetzt zu dem, was Sie gestern über das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition und über 'das Heft 4 der „Informationen für die Truppe" gesagt haben, einige Bemerkungen machen. Ich darf mit den „Informationen für die Truppe" beginnen und dann abschließend das Verhältnis zwischen Bundeswehr und Opposition mit einigen Bemerkungen von mir aus beleuchten.
Sie sagten gestern, Sie unterstellen, daß dieses Heft „Informationen für die Truppe" in der besten Absicht verfaßt wurde. Sie sagten allerdings weiter, es sei unerheblich, ob der eine oder andere namhafte und verdiente Offizier daran mitwirke, denn die politische Verantwortung vor dem Bundestag und vor der Öffentlichkeit trage ausschließlich der Minister selbst.
Diese Bemerkung ist unbestreitbar richtig. Ebenso unbestreitbar richtig ist aber, daß gerade von Ihren Freunden der von Oberst Graf von Baudissin geleiteten Unterabteilung des Bundesverteidigungsministeriums im Sicherheitsausschuß und bei anderer Gelegenheit ein weitgehendes Maß an Selbständigkeit und Unabhängigkeit erkämpft worden ist und für dieses Maß immer eingetreten worden ist.
Ich ziehe aber aus Ihren Bemerkungen eine Konsequenz. Ich bin nicht in der Lage, jede Zeile, die täglich das Bundesverteidigungsministerium in Form von Briefen oder ähnlichen geschriebenen Erzeugnissen verläßt, persönlich zu sehen. Damit ich das alles lesen könnte, müßte der Tag 48 Stunden haben. Aber parlamentarisch trägt der Minister, wenn auch nach dem Grundgesetz etwas eingeschränkt, dafür die Verantwortung. Wohl aber bin ich, gerade nach dieser Ihrer gestern angebrachten Kritik, die ich nicht mit verhärtetem Herzen oder mit verschlossener Gesinnung gehört habe, dann der Meinung, daß das, was an Druckerzeugnissen das Ministerium verläßt, um den Weg zur Truppe zu gehen, vom Minister persönlich gelesen, kontrolliert und durch Mitarbeiter seines besonderen Vertrauens daraufhin geprüft werden muß, ob es in jeder Hinsicht stichhaltig ist. Aber ich fürchte, daß, wenn die von mir gewährte und von Ihnen gewünschte Selbständigkeit einer bisherigen Unterabteilung im Sinne einer strengeren Unterstellung unter den Minister geändert wird, von Ihrer Seite wieder die erste Kritik kommt, daß hier eine Einschränkung stattfinde, die nicht im Sinne Ihrer Kritik liege,
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- um mich noch sehr maßvoll und sehr zurückhaltend auszudrücken.
Nun darf ich zu einigen konkreten Bemerkungen von Ihnen Stellung nehmen. Sie haben die Frage des Bruderkrieges erwähnt. Sie sagten, in dieser „Information" heiße es, letzten Endes sei jeder Krieg ein Bruderkrieg. Das sei aber nicht gemeint im Sinne der Organisation Ihres guten Freundes
Wenzel, jeder Krieg sei deshalb überhaupt ein unzulässiger Krieg. Das sei nicht gemeint, sondern gemeint sei, man könne auf jeden Bruder schießen. So lauten Ihre Ausführungen von gestern wörtlich. Sie haben dann fortgefahren, sofort zeige sich das Grundproblem, ob es angehe, von Staats wegen den Soldaten der Bundeswehr Unterricht in Ethik zu erteilen, und ob sich nach dem geplanten § 91 Abs. 1 nicht schon der strafbar mache, der diese Ethik für irrig halte und einen Soldaten vor ihr warne. - Das in indirekter Rede, was Sie gestern in direkter Rede gesagt haben.
Wenn es der Herr Präsident mir erlaubt, dann darf ich im Zusammenhang bringen, was dort steht; und damit darf ich auf eine von Ihnen und auch von manchen Ihrer Freunde manchmal angewandte Methode zurückkommen, bestimmte, an sich durchaus bestreitbare oder jedenfalls der Diskussion würdige Formulierungen aus dem Zusammenhang herauszugreifen und ihnen damit für den, der den Gesamtzusammenhang nicht kennt, einen anderen Sinn zu geben, als gemeint ist. Es heißt dort wörtlich:
Die ethische Antwort: Letzten Endes ist jeder Krieg ein Bruderkrieg, denn vor dem Schöpfer sind alle Menschen Brüder. Darum ist im Grunde jeder Krieg als Bruderkrieg abzulehnen. Es ist klar, daß es auf dieser Ebene keinen Unterschied mehr gibt zwischen Deutschen und anderen Menschen, so, als ob man zwar auf andere Menschen schießen dürfe, auf Deutsche aber nicht.
Ich glaube, Mer ist keine Zeile enthalten, der Sie nicht - soweit ich Ihre Grundeinstellung zu kennen glaube - zustimmen würden.
Aber auch auf dem Boden dieser Überzeugung sind noch zwei Haltungen möglich, die beide respektiert werden müssen. Man kann sich entweder auf den Standpunkt stellen, daß man im Falle eines Angriffs das Recht habe, sich zur Wehr zu setzen, oder man kann die Überzeugung vertreten, nicht einmal gegen einen Angreifer dürfe Gewalt angewendet werden. Wer diese zweite Auffassung, den Standpunkt der absoluten Gewaltlosigkeit, vertritt, der ist bei uns durch das verfassungsmäßige Recht zur Kriegsdienstverweigerung vom Waffendienst ausgenommen. Es ist bezeichnend für das System der Zone,
- so heißt es hier daß deren „Verfassung" kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung kennt. Damit ist das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen verweigert. Aber auch wer bei uns einen Verteidigungskrieg gegen einen Angreifer für vertretbar hält - und das sind alle, die den Aufbau der Bundeswehr bejahen -, der weiß, daß nur gegen einen kämpfenden Gegner gekämpft wird.
Ich glaube, daß es in diesen Formulierungen keinen einzigen Satz gibt, der vom politischen Standpunkt aus, auch vom Standpunkt der Opposition aus, zu beanstanden wäre; denn diese - nicht von mir, sondern von dem Leiter dieser Unterabteilung, Graf von Baudissin, wie ich die Dinge kenne, verfaßte - Darstellung wird doch dem Standpunkt dessen, der die Verteidigung gegen einen angreifenden und kämpfenden Gegner für notwendig hält, aber auch dem Standpunkt dessen, 'der prinzipiell die Gewaltlosigkeit vertritt, mit einem Höchstmaß an Objektivität gerecht.
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Ich darf Sie daran erinnern, daß Ihr Freund Erler, wenn ich auch sicherlich in der Gesamtkonzeption der Verteidigung eine ganz andere Auffassung vertrete als er, mehrfach - sonst hätten ja Ihre ganzen Erklärungen über das Berufsheer als Gegengewicht zur Volkspolizei überhaupt keinen Sinn - davon gesprochen hat, daß es nicht unsere Aufgabe sei, im Verteidigungspotential der Großen irgendwie eine Lücke zu füllen, aber daß es wohl unsere Aufgabe sei, ein Gegengewicht zur Volkspolizei zu schaffen. Es ist von seiner Seite wörtlich - so habe ich es in einigen Artikeln gelesen - der Ausdruck „schwere Polizei" gebraucht worden. Ja, wofür denken denn Ihre Militärexperten in der Fraktion an eine solche schwere, verstärkte Polizei statt eines Militärs? Doch für den Fall, daß an unseren Grenzen ein Übergriff von bewaffneten Volkspolizeiverbänden kommt, um diesen Übergriff abzuwehren, und aus keinem anderen Grunde! Die von Ihnen gewünschte schwere Polizei würde doch nicht deshalb aufgestellt werden, um nach Feststellung, daß der Angreifer die Volkspolizeiuniform trägt, mit der Überzeugung, daß man auf Brüder nicht schießen darf, davonzulaufen, sondern die Aufgabe der Polizeiverbände wäre doch in diesem Fall, Übergriffe von drüben schon zur Verhinderung von größeren Aktionen abzuwehren, und deshalb verstehe ich nicht, warum Sie diese Feststellung, die ja in einem weitestgehenden Sinne jeder Gewissensmöglichkeit Rechnung trägt, gestern in dieser Weise attackiert haben.
Im übrigen werden Sie sicherlich mit mir darin übereinstimmen, daß die Feststellung: Mensch ist gleich Mensch, und jeder Mensch ist ein Bruder, doch sehr wohl etwas für sich hat. Man kann sehr wohl der Meinung sein, daß der erste und der zweite Weltkrieg Bruder- oder Bürgerkriege gewesen sind. Im historischen Ergebnis stimmt ,das auf alle Fälle. Sollte aber jemand aus fanatischer Einstellung für die bolschewistische Weltanschauung sich als kämpfender Gegner, als Angreifer, auch wenn er deutscher Herkunft ist, zur Verfügung stellen, - glauben Sie, daß der Genickschuß aus einer deutschen Pistole etwas Angenehmeres wäre als aus einer sowjetrussischen Pistole?
({4})
Ich glaube, in diesem Fall gibt es keinen Unterschied. Die entscheidende Haltung liegt eben darin, daß es sich um eine rein defensive Haltung handelt, und mehr sollte hier nicht zum Ausdruck gebracht werden.
Sie haben dann weiterhin erwähnt:
Gewiß wird die Bundeswehr auf ein sittliches Verhalten ihrer Soldaten bedacht sein müssen, also auf die Pflege der bürgerlichen und militärischen Tugenden der Kameradschaftlichkeit, der Wahrheitsliebe, der Pflichttreue, der Opferbereitschaft und alles das mehr, was Sie wissen. Aber das Sittengesetz zu entwickeln und zu lehren, dazu ist die Bundeswehr und ist das Bundesministerium für Verteidigung nicht berufen. Die Bundeswehr ist keine seelsorgerische Instanz und darf es in einem konfessionsgespaltenen und freiheitlich toleranten Staatswesen nicht sein. Denn so einfach, wie man es sich hier macht, ist die Frage nach dem Bruderkrieg leider nicht.
Es gibt, sehr verehrter Herr Kollege Arndt, gerade für den Soldaten der Bundeswehr, von dem
Sie gestern sagten, er sei für Sie kein Übel, er sei
auch kein notwendiges Übel in Ihren Augen, ja nicht den Beruf des Soldatseins in einem ethisch luftleeren Raum. Er muß wissen, warum er Soldat geworden ist, und er muß wissen, warum er seinen Dienst versieht.
({5})
Wenn er das nicht wüßte, wäre er nichts anderes als ein treudeutscher, auf Pensionsberechtigung wartender Landsknecht,
({6})
um es einmal sehr deutlich zu sagen, einer, der seinen Beruf genau so ausübt, wie irgendein anderer durch seine Tätigkeit eine Lücke in der Wirtschaftsordnung ausfüllt.
Ich bin allerdings auch der Meinung: wenn wir heute keine Soldaten bräuchten, dann sollten wir uns auch keine Soldaten halten. Aus den Zeiten, in denen man Soldaten um der Ehre, um des Prestiges, um der nationalen Ambitionen willen hielt oder deshalb, weil es nun einmal zu der geheiligten Tradition gehörte, das Bild der Uniform zu sehen, vom Manöverball bis zur Parade, aus diesen Kinderkrankheiten des embryonalen Nationalismus sind wir doch hoffentlich längst herausgekommen.
({7})
Wenn wir aber den Soldaten sagen müssen: Du hast eine ganz bestimmte Aufgabe, du dienst einem ganz bestimmten Ziele - einem Ziele, über das sich auch, wie ich glaube, trotz der verschiedenen außenpolitischen Grundsätze angesichts des gespaltenen Deutschlands Regierungsparteien und Opposition sehr wohl einigen könnten -, dann konnen wir nicht als Bundesregierung eine andere Haltung einnehmen, und auch Sie würden um kein Jota von Ihrer Haltung abweichen. Sie müßten sonst Ihrer 300 000- oder 200 000-Mann-Berufsarmee sagen: Eigentlich ist dein Dasein überflüssig, aber weil wir dich nun einmal haben, füttern wir dich weiter; weil die Institution steht, muß sie auch stehen bleiben. Das wäre doch eine Haltung, die wir nicht einnehmen könnten. Wir haben --ich sage: Gott sei Dank - viele Sozialdemokraten bei der Bundeswehr. Der Ausgangspunkt der Bundeswehr ist Gott sei Dank auch in ihrer - entschuldigen Sie, daß ich das Wort gebrauche - gesellschaftlichen Struktur anders als seinerzeit der Ausgangspunkt der Reichswehr. Die zahlreichen, neulich vom Kollegen Schmidt verlesenen Mitteilungen, die diesem aus ihm unmittelbar zugegangenen Briefen ihm politisch nahestehender Offiziere oder Unteroffiziere zuteil geworden sind, gegen die ich auch kein Wort sagen möchte, zeugen doch davon, daß sich auch eine Menge junger Leute, gedienter und ungedienter, aus Ihren Reihen zur Verfügung gestellt haben.
({8})
Diese jungen Menschen sind doch nicht in die Bundeswehr eingetreten, weil sie Landsknechte sind oder weil sie glaubten, der Bundeswehr durch ihre Anwesenheit eine demokratische Balance geben zu müssen, sondern sie sind hineingegangen, weil sie im Soldatsein in der Bundeswehr nicht nur einen Beruf, sondern auch eine ethische Aufgabe gesehen haben.
({9})
Diese ethische Aufgabe kann man nun einmal nicht
im luftleeren Raum lösen. Dafür muß man ihnen
({10})
auch ein ganz bestimmtes Ziel geben, auch wenn es ein negatives ist: die Erhaltung der Freiheit - das wäre positiv - und die Verhinderung eines Krieges - das wäre negativ ausgedrückt. - Das müssen wir ihnen doch sagen dürfen. Wenn leider schon unser Volk infolge dieser unheilvollen Gegensätze manchmal außenpolitisch in eine Art schizophrenen Zustandes gekommen ist, dann kann man doch nicht verlangen, daß dieser schizophrene Zustand, nämlich; ich bin überflüssig oder ich bin nicht überflüssig, auch in die Truppe hineingetragen wird.
({11})
Dann können wir uns ihren Aufbau von vornherein ersparen. Mit dieser Art eines dualistischen, kasuistischen Denkens werden wir nur Versorgungsanwärter, aber auf keinen Fall Soldaten haben, die das tun sollen, was sie tun müssen.
({12})
Sie haben im Zusammenhang mit der Kriegsdienstverweigerung gestern noch einmal den auf Seite 105 der „Information für die Truppe" erwähnten Passus bezüglich des § 25 des Wehrpflichtgesetzes erwähnt und neulich schärfstens kritisiert. Dabei haben Sie das bei Ihnen etwas häufig vorkommende Wort „Quatsch" verwendet. Sie wissen, Kollege Arndt, was ich meine. Sie haben 'damals den Kollegen Jaeger abgekanzelt und erklärt: Noch nie in der Literatur seit 1945 sei die Rede davon gewesen, daß etwas geltendes Recht sei, wogegen ein verfassungsrechtlicher Streit schwebe, wenn es sich um ein Grundrecht handle wie in diesem Fall. Ich darf Ihnen aus dem Kommentar des Bundesverfassungsrichters Geiger zum Gesetz über das Bundesverfassungsgericht folgendes nur als Literatur verlesen - Seite 249 Abs. 4 -:
Die Wirkung der Feststellung, daß eine Norm nichtig ist, ist ähnlich wie die Feststellung der Verwirkung eines Grundrechts: Die Vorschrift wird nicht erst durch die Entscheidung vernichtet. sie ist schon vorher nichtig; aber ihre Nichtigkeit kann erst auf Grund der Entscheidung des BVG „geltend gemacht" werden. Sie wird erst von diesem Zeitpunkt an rechtlich erheblich.
Das heißt. wenn in der Interpretation eines Verfassungsartikels mit der verfassungsmäßig vorgeschriebenen Mehrheit auf dem durch Verfassung, Gesetz und Geschäftsordnung vorgeschriebenen Weg ein Gesetz zustande gekommen ist, so ist dieses Gesetz für den Staatsbürger so lange verbindlich. bis durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - dann allerdings rückwirkend bis zum Erlaß dieses Gesetzes - dieses Gesetz oder ein Teil dieses Gesetzes aufgehoben ist. So heißt es auch auf Seite 251:
Bei der Suche nach der Abgrenzung der Folgen einer abstrakten Normenkontrolle, die mit der Feststellung der Nichtigkeit einer Rechtsvorschrift endet, geraten notwendig zwei Maximen miteinander in Widerstreit: Die Rücksicht auf die Rechtssicherheit und die Rücksicht auf die Gerechtigkeit.
Wenn man davon ausginge, daß jedes Gesetz, das in Interpretation oder in Auslegung eines Verfassungsartikels in diesem Hause ergangen ist, so lange nicht verbindliches Recht ist, als dagegen eine Verfassungsbeschwerde oder ein Verfassungsstreit läuft, dann hätten wir überhaupt nichts in
Kraft setzen können, dann wäre der Lastenausgleich hängengeblieben, dann wären das Gesetz zu Art. 131, die Kaminkehrerordnung und unzähliges andere, was wir hier erlassen haben, nicht durchgegangen. Ich erlaube mir nur, das festzustellen. Ich hätte es gar nicht gebracht, wenn Sie nicht neulich, Herr Kollege Arndt - Sie haben sich über den Ton bei uns empört -, Ausführungen eines meiner Freunde mit Ausdrücken wie: „Das ist ja Quatsch, das ist ja offenkundiger Unsinn" zensiert hätten, wie das selbst nach der Prügelstrafenverordnung kaum einem Schulmeister gegenüber seinen Schülern mehr möglich wäre.
({13})
Sie haben dann aus der „Information für die Truppe" einige Sätze zitiert, die auf Seite 113 stehen, und haben gesagt - ich muß das Wort leider noch einmal erwähnen -: „Was soll sich ein zwanzigjähriger Offizier unter dem ersten Reichspräsidenten vorstellen, wenn er solchen Quatsch liest, der hier bundeswehramtlich verzapft wird?" Auch hier, Kollege Arndt, die Methode, gegen die wir uns mit 'allem Nachdruck wenden müssen,
({14})
aus einem Zusammenhang heraus einen Satz zu reißen und damit wieder das ganze Bild - ich muß es so sagen - zu verfälschen. Ich darf, wenn es mir der Herr Präsident noch genehmigt, auch hier den Zusammenhang herstellen, damit in diesem Hause, worum wir uns alle bemühen und auch ich mich - ich hoffe nicht ganz ohne Erfolg - Laufe der letzten Jahre bemüht habe, ein großes Maß an Objektivität hergestellt wird. Ich bitte, sich einmal anzuhören, wie es in diesem Artikel heißt, den Sie gestern dem Sinne nach als eine für die Sozialdemokratie und ihre Geschichte negative Information an die Truppe bezeichnet haben:
Die deutsche Mehrheitssozialdemokratie - Situation November 1918 stand vor gewaltigen Aufgaben: Die Revolution „aufzufangen" und den zu erwartenden Zusammenstoß der bürgerlichen mit der proletarischen Welt abzuschwächen, den Bolschewismus zu bekämpfen und zugleich der monarchistischen „Reaktion" zu wehren, vor allem aber, trotz des Zusammenbruchs, die Einheit des Reiches zu bewahren.
Diesen Aufgaben ist sie unter schwierigsten Verhältnissen gerecht geworden. Die Kraft reichte jedoch nicht aus, außerdem noch ihre sozialistischen Ziele zu verwirklichen. Denn die erste Regierung, der Rat der Volksbeauftragten, bestand aus zwei Gruppen, die sich untereinander aufs schärfste bekämpften: Während bei Ebert, Scheidemann und Landsberg die demokratische Zielsetzung überwog, d. h. der Wunsch, die von der Revolution übertragene Gewalt bald in die Hände einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu legen, forderten Haase, Dittmann und Barth das Rätesystem, d. h. die Diktatur des Proletariats.
Dann heißt es, und das sind die von Ihnen angeklagten Sätze:
Keiner dieser Männer war eine so überragende Persönlichkeit, daß er durch Überzeugungskraft und revolutionäre Dynamik die Massen mit sich fortgerissen hätte. Eine klare außenpolitische Zielsetzung wie ein durchführbarer innenpolitischer Aufbauplan fehlten.
({15})
Das große Vertrauen vieler Sozialdemokraten auf die internationale Kraft der demokratischen pazifistischen Ideale war durch die harte Wirklichkeit tief enttäuscht worden. Nur gegen starken Widerstand konnte Ebert am 12. November 1918 einen Aufruf mit der Ankündigung einer verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung und kurz danach eine Verordnung über die Wahlen zu dieser Nationalversammlung durchsetzen. Gleichwohl gingen die Diskussionen, ob Deutschland eine Räte-Republik oder eine demokratische Republik werden sollte, in unverminderter Schärfe weiter. Sie führten zu blutigen Aufständen und Revolten, die nur durch den Einsatz von Truppen niedergeschlagen werden konnten. Zeitweise wurde Ebert festgesetzt - über einen direkten Telefondraht vermochte er von der OHL in Kassel Hilfe anzufordern. Welcher Gegensatz!: Als ,der Kaiser 1914 zur Verteidigung des Vaterlandes aufrief, folgten auch die Arbeiter seinem Rufe. Als im Winter 1918/19 Ebert zum Schutze ,der jungen Republik aufforderte, versagten sich die Arbeiter dieser Aufgabe. Dagegen stellten sich Freikorps unter monarchistisch eingestellten Führern zur Verfügung.
Ich identifiziere mich persönlich nicht mit jedem Satz dieser Geschichtsbetrachtung.
({16})
- Zum Teil falsch! Richtig ist, daß der Versuch des Aufbaus eines republikanischen Schutzkorps, mit dessen Aufbau man auf Freikorps hätte verzichten und ihren Aufbau verhindern können, damals - und das ist ohne jeden Vorwurf gesagt, weil es einfach nicht möglich war - nicht gelungen ist. Es ist offensichtlich richtig, ,daß Ebert in seinem Bündnis mit der Obersten Heeresleitung, in dem berühmten Telefongespräch Ebert-Groener das unbestreitbare Verdienst hat, das damalige Deutsche Reich in seinem Bestand erhalten und die bolschewistischen Angriffe in Deutschland zunichte gemacht zu haben.
({17})
Es ist unbestreitbar richtig, daß damals durch die Haltung der deutschen Mehrheitssozialdemokratie und gerade durch Maß und Können Eberts - ich sage das nicht, weil ich hier irgend jemandem nach Wunsch reden will - damals die Hoffnung Lenins, daß der im Krieg zusammengebrochene größte Industriestaat Kontinentaleuropas der Bannerträger der proletarischen Revolution sein werde, durch das Bündnis der Mehrheitssozialdemokraten mit dem Militär zunichte gemacht worden ist. Das ist ihr Verdienst.
({18})
Vielleicht wäre heute über eine europäische Einigung oder eine europäische Verteidigung überhaupt nicht mehr zu reden, wenn damals der Bolschewismus nicht nur über das Riesenreich des sowjetrussischen Imperiums, sondern auch über die hochentwickelte Industrie des Deutschen Reiches hätte verfügen können.
Ich glaube, daß diese Zitate im Zusammenhang dargestellt beweisen, daß eine einseitige Beeinflussung der Truppe mit „bundeswehreigener Metaphysik" oder nach parteipolitischen Wunschvorstellungen der Regierungspartei eine durch nichts zu beweisende Unterstellung ist, Kollege Arndt.
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Nun darf ich noch zum Schluß zu der Frage Bundeswehr und Opposition Stellung nehmen. Ich habe ja einige Bemerkungen in diesem Zusammenhang gemacht. Sie sagten, der Soldat als Person - wenn ich das noch einmal zitieren darf - dürfe nicht als Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate angesehen werden. Sie verlangten aber auch - und Sie hätten einen Grund zu dieser Bemerkung -, daß man in Kreisen der Bundesregierung auch nicht die Opposition, insbesondere die SPD, als ein Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate ansehen dürfe.
Ich gebe Ihnen völlig recht. Wenn Sie sagen „die Opposition, insbesondere die SPD", dann wissen Sie, warum die Gefahr einer solchen Oppositionsstellung auf Ihrer Seite größer 'ist als beispielsweise bei der FDP oder dem BHE als Oppositionspartei. Sie haben das mit Ihrem sehr gut entwikkelten Fingerspitzengefühl ohne Zweifel richtig herausgestellt, und Sie sagen: wenn aber überhaupt heute ,ein solches Problem entstehe, dann sei das nichtsanderes als die Schuld der Bundesregierung, insbesondere des Bundesverteidigungsministeriums, und der Mehrheit des Bundestages, die sittlich-politisch dieser Aufgabe - offensichtlich nach der Rede Jaeger zu urteilen, sagten Sie - kaum gewachsen seien.
Hier darf ich allerdings sagen, Kollege Arndt, daß, wenn es ein Problem Bundeswehr-SPD überhaupt gäbe, der Ausgangspunkt dafür, daß ein solches Problem entsteht, ohne Zweifel die Auseinandersetzung mit der militärischen Vergangenheit in Deutschland ist,
({20})
daß aber, wenn für die Bundeswehr dieses Problem neu entsteht, auch die Haltung wenn nicht der ganzen SPD oder in ihrer Mehrheit, dann zumindest einzelner gewichtiger Exponenten
({21})
bei der Schaffung dieses Problems einen bedeutenden Beitrag geliefert hat.
({22})
Sie sprechen von Soldaten der Bundeswehr. Ich wäre froh, wenn wir von Ihnen ein Bekenntnis bekämen, daß Sie die Bundeswehr nicht als ein Übel ansehen, und ich wäre Ihnen dankbar dafür, wenn Sie bekennen würden, daß Sie die Bundeswehr wenigstens als notwendiges Übel ansehen. Schon damit wären wir zufrieden.
({23})
Aber Ihre ganze Ausgangsstellung ist doch die, daß Sie sagen: Die Bundeswehr ist erstens überflüssig, und zweitens stellt sie sogar eine Gefahr dar; sie erschwert unsere politische Situation, sie bedeutet immanent sogar eine Erhöhung der Kriegsgefahr, sie ist eine Provokation für den Partner, mit dem wir eines Tages im Osten zu verhandeln haben. Das liegt doch all dieser Argumentation der letzten Monate zugrunde: daß eine Institution und die dieser Institution mit innerer Hingabe dienenden Menschen - auch Ihrer politischen Überzeugung
({24})
- Vorbehalte haben, wenn man ihnen sagt: a) Ihr seid überflüssig, b) ihr seid gefährlich und c) ihr seid sogar schädlich. Wenn einmal diese Antithese aus Ihrer Argumentation verschwände, dann gäbe es bestimmt kein Problem Bundeswehr/Opposition und auch kein Problem Bundeswehr/SPD mehr.
({25})
- Ich sage Ihnen damit ja nichts Neues. Es hat ja keinen Sinn, daß man hier in Klischees oder einfach in vorgefaßten Meinungen miteinander spricht.
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Aber daß die Bundesregierung in der Bundeswehr nicht eine Animosität oder einen Geist der Ablehnung gegen die SPD und ihre politische Konzeption erzeugt hat, das darf ich nur als eine schlichte, selbstverständliche Wahrheit darstellen.
({27})
Wenn Sie aber beanstanden, daß in der „Information für die Truppe" die außenpolitische Konzeption der Regierung mit dem etwas merkwürdigen Soupçon - wie es sich in der letzten Versammlungsrede oder in der letzten Bundestagsdebatte darstellte; das sind so die kleinen Nebenabfälle ihrer Hiebe, Herr Kollege Erler! - vertreten wird, dann sagen Sie mir einmal: was sollen wir unseren Soldaten, deren Existenz wir für notwendig halten, denn sagen? Sollen wir sagen: Ihr seid überflüssig, weil wir keine Konzeption haben? Auch hier haben Sie die Dinge wieder aus dem Zusammenhang herausgerissen. Ich muß noch einmal um die Erlaubnis bitten, den Zusammenhang wiederherzustellen. Es heißt hier:
Die Ereignisse der letzten Wochen im Nahen Osten wie auch in Ungarn haben in der Bundesrepublik mancherlei Illusionen zerstört. Viele Briefe, Anfragen und Entschließungen, insbesondere aus Kreisen der Zonenrandbevölkerung erreichten das Bundesministerium für Verteidigung. Bei großer Verschiedenheit in Stil und Diktion gaben sie alle der bangen Sorge Ausdruck, in der die deutsche Bevölkerung während des kritischen Zeitraumes schwebte.
Das ist doch wahrlich keine Übertreibung!
Was geschieht, so lautet ihre Frage, wenn die Sowjets, die günstige Gelegenheit nutzend, zu einer Agression antreten? Hält es die Bundesregierung
- so wurde fragend gefordert nicht für notwendig, durch Aufstellung von Milizverbänden, durch Ausrüstung der Polizei mit panzerbrechenden Waffen oder durch sonstige Sofortmaßnahmen für einen ausreichenden Schutz der Grenze zu sorgen?
Ich darf in Klammern bemerken: eine Sorge, die in der Schweiz - weiter vom Schuß als bei uns -ganz erhebliche Wellen geschlagen und dort auch zu Forderungen der Bevölkerung nach Sofortmaßnahmen geführt hat. Ich habe dem entgegengesetzt:
Solche Gedanken sind menschlich verständlich, doch dürfen sie für die Bundesregierung nicht Anlaß sein, den Aufbau der Bundeswehr hysterisch zu überstürzen oder sonstige Notstandsmaßnahmen nach Art der Aufstellung eines Volkssturms zu treffen. Das hätte keinesfalls die gewünschte Wirkung. Der Aufbau der Streitkräfte muß ruhig und organisch fortgesetzt werden nach dem Grundsatz: Qualität geht vor Quantität.
Ich glaube, daß man auch von Ihrem Standpunkt aus gegen diesen Grundsatz kaum etwas einwenden kann, wenn man sich gegen überstürzte Sofortmaßnahmen wendet. Ich habe dazu die Antwort gegeben:
Was aber sichert die Bundesrepublik in dieser Zeit, in der sie selbst noch kein ausreichendes Instrument besitzt, um zu ihrer Verteidigung beizutragen?
Ich habe gesagt:
Hier erweist sich der Wert der deutschen Mitgliedschaft in der NATO. Die Bundesrepublik steht nämlich nicht allein. Ein Angriff auf sie bedeutet eine Agression gegen alle in der NATO verbündeten Staaten. Ein Bruch des Friedens durch die Sowjetunion würde den großen Krieg auslösen, der für die Sowjetunion das Risiko ihrer völligen Vernichtung in sich schlösse.
Inhaltlich genau dasselbe, was Kollege Erler neulich in einem Artikel zu Papier gebracht hat!
Durch die Geschehnisse der jüngsten Zeit bestätigt sich die Erkenntnis, daß im Hinblick auf die latente Bedrohung der Freiheit durch das bolschewistische Gewaltsystem eine unbewaffnete Neutralität ausgeschlossen ist,
- für die Bundesrepublik gemeint eine bewaffnete Neutralität die Kräfte der Bundesrepublik weit übersteigen würde, daß also nur die Mitarbeit an einem Sicherheitsbündnis mit gleichen Rechten und Pflichten dem Schutzbedürfnis unseres Landes gerecht wird. Das Ziel dieses Bündnisses ist nicht, einen Krieg zu gewinnen, sondern, den Ausbruch eines Krieges zu verhindern.
Wenn das eine unzulässige Beeinflussung der Truppe ist, Kollege Arndt, dann weiß ich nicht mehr, was man überhaupt außer dem Abschreiben von Gesangbüchern oder mittelalterlichen Gedichtbüchern der Truppe noch bieten kann.
({28})
Sie sprachen gestern mit Recht - und ich teile Ihre freiheitliche Auffassung, wenn wir auch in den Methoden verschiedener Meinung sind - vom notwendigen Kampf gegen den totalitären Gedanken. Die Gefahr des totalitären Gedankens, d. h. die innere Neigung zum Mißbrauch der Macht ist überall gegeben, ist in jeder, auch in den demokratischen Parteien gegeben. Dafür braucht es eben die notwendigen Gegengewichte. Ich wäre aber froh, wenn in jedem von Ihren Gesinnungsfreunden - sicherlich mit gutem Willen und uns auch sichtbaren Leistungen - regierten Land das Maß an Objektivität im Gebrauch der staatlichen Propaganda gewahrt würde, wie es hier in diesen Artikeln gewahrt wird.
({29})
Wenn Sie fragen: warum überhaupt ein Gegensatz?, darf ich Ihnen bloß einmal zwei Notizen zur Kenntnis geben; dann brauche ich Ihnen keine Antwort mehr zu geben, warum das Problem „Bundeswehr und SPD" ohne Zweifel da ist. Dann wird klar, daß wir die Aufgabe haben - gleichgültig, in welchem Lager wir stehen -, dieses Problem zu lösen.
({30})
Es ist ja nicht ein Problem Bundeswehr gegen jeweilige Opposition in Konformismus mit der jeweiligen Regierung. Wenn Ihre Wünsche in Erfüllung gehen und die CDU/CSU in Opposition gehen sollte: Sie können versichert sein, die Bundeswehr würde nicht in Opposition zu uns stehen, weil wir sie auch dann noch in ihrem Aufbau fördern und in ihren Aufgaben unterstützen würden.
({31})
Die folgende Notiz bezieht sich auf eine Meldung, die viele Monate zurückreicht, also nicht ad hoc konstruiert worden ist, wie man mir bei besonders negativer Einstellung unterstellen könnte. Es ist ja nicht das erste Mal, daß ich heute davon spreche, daß Sie, meine Damen und Herren in der Opposition, wenn Sie eines Tages in die Verantwortung kommen, sich sehr schwer tun werden, bei Ihrer eigenen, jahrelang in diesem gegen den Aufbau der Bundeswehr gerichteten negativen Geist erzogenen Jugend Verständnis für die Verteidigung unserer Heimat zu finden. Die Notiz heißt folgendermaßen:
Anläßlich der Beisetzungsfeierlichkeiten des
Frankfurter Oberbürgermeisters Kolb wurden
Offiziere des Wehrbereichskommandos IV, dabei der Chef des Stabes Oberst Dissel, auf dem
Wege zur Paulskirche von Roten Falken mit
Mißfallenskundgebungen, mit Pfui-Rufen bedacht.
({32})
Auf Grund dieser Vorkommnisse sahen die Offiziere davon ab, nach der Feierlichkeit im Trauerzuge zu folgen, um sich nicht noch einmal einer derartigen Situation auszusetzen.
({33})
Das Bundesverteidigungsministerium hatte damals selbstverständlich die Offiziere des Wehrbereichs-kommandos IV in Mainz angewiesen, bei der Beisetzung dieser von jedem Demokraten Deutschlands hochverehrten Persönlichkeit die letzte Ehre zu erweisen. Als die ersten Uniformen auf den Stufen der Paulskirche sichtbar werden, kommen die Pfui-Rufe. Da liegt das Problem: daß hier seit Jahren eine Arbeit der negativen Propaganda geleistet worden ist, ,die Ihnen mehr Sorge machen wird als uns.
({34})
Wenn dann im Bonner General-Anzeiger in einer AP- oder UP-Meldung vom 27. November 1956, also aus jüngster Vergangenheit, steht, daß der Arbeitsagemeinschaft der Kriegsdienstverweigerer die Deutsche Friedensgesellschaft sowie verschiedene Jugendorganisationen angehören, darunter die sozialistischen Falken und der Sozialistische Studentenbund, dann brauchen Sie doch nicht zu fragen, woher das Mißtrauen aus diesen Kreisen kommt. Wir stehen doch nicht im Gegensatz - auch hier in den Regierungsparteien - zu Ihnen, Herr Kollege Arndt, wir stehen doch nicht hie Reaktion, hie Fortschritt, wobei die Begriffe oft sehr leicht austauschbar sind.
({35})
Wir sind ja nicht der Meinung, daß wir nurmehr das Militär in den Sattel zu heben haben, um uns alsbald von ihm am Gängelband führen zu lassen. Ich bin genau wie Sie ein überzeugter Anhänger des Primats der Politik und des Primats der zivilen Seite. Aber gerade deshalb, weil wir die Bundeswehr, wie Sie gestern zum Ausdruck gebracht haben, als Bestandteil unseres Volkes, als eine genauso anerkannte Schicht wie jede andere betrachten - reden wir in diesem Zusammenhang nicht über Freiwilligenheer, Berufsheer oder Wehrpflichtheer -, ist dieser mögliche, in den Ansätzen erkennbare Gegensatz für Sie nicht angenehm und für uns - das darf ich hier ausdrücklich versichern - in keiner Weise erwünscht.
Wir haben nur eine einzige Bitte an Sie: daß Sie Ihre Autorität und Ihre Einfluß- und Wirkungsmöglichkeiten ausnutzen. Bei manchen Jugendlichen ist in der jahrelang betriebenen Agitation ein sicherlich verständliches, ihnen nicht persönlich anzurechnendes, aber nun einmal vorhandenes System von Vorbehalten entstanden, daß Soldat identisch mit Mörder sei, wie man landauf, landab immer wieder in einer gewissen Propaganda gehört hat. Rotten Sie das mit uns gemeinsam aus und schaffen Sie den Typ des demokratischen Soldaten, der eine konkrete Aufgabe und ein echtes Ethos hat und den zu überwachen und zu kontrollieren unser gemeinsames Ziel ist.
({36})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Verteidigung pflegt sehr effektvoll zu sprechen.
({0})
Aber richtiger werden seine Ausführungen dadurch nicht. Ich bedaure sehr, Herr Strauß, sagen zu müssen, daß Sie offenbar alles, was ich gestern gesagt habe, mit zwei verschlossenen Ohren nicht gehört haben. Sonst hätten Sie sich das jetzt nicht leisten können, was Sie hier wieder einmal sehr propagandistisch und sehr auf Erfolg hin gesagt haben.
({1})
Ich will nur auf einzelne Punkte eingehen, und zwar deshalb, weil mir eine ganze Reihe Ihrer Ausführungen - und ich sage dais jetzt mit Schärfe - einer Beantwortung einfach nicht würdig erscheinen.
({2})
Ich fange mit dem leichtesten Punkt an. Sie haben mir unterstellt, ich hätte behauptet, ein Gesetz sei so lange unverbindlich, als ein Streit darüber herrsche, wenn nur irgend jemand geltend mache, das Gesetz sei etwa mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, oder wenn von irgendeiner Seite ein Prozeß in Karlsruhe angestrengt werde, dann sei das Gesetz unverbindlich. Niemals habe ich etwas Derartiges gesagt.
({3})
Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, sich über das zu vergewissern, was ich gesagt habe, ehe Sie solche Behauptungen in die Welt setzen.
({4})
Ich habe gesagt, daß ein Gesetz, wenn es mit dem Grundgesetz unvereinbar ist , nichtig ist. Genau das haben Sie aus dem Geigersehen Kommentar vorgelesen. Und Nichtigkeit heißt, daß es nicht bindet. Kein Gericht darf es anwenden; die Gerichte müssen es in Karlsruhe vorlegen. Die Behörden
({5})
dürfen es nicht befolgen, und die Bürger sind dadurch nicht gebunden. Sie haben nichts aus dem Geigersehen Kommentar verlesen können, was irgendwie gegen das spräche, was ich gesagt habe. Aber die Dinge mit einer solchen Leichtfertigkeit zu behandeln, um hier bloß einen Augenblicksapplaus zu bekommen,
({6})
das geht weiß Gott zu weit.
Zweitens. Nichts in meiner Rede, die ich gestern abend gehalten habe, berechtigt Sie zu der Feststellung, einem Soldaten solle gesagt werden, er habe keine Aufgabe. Offenbar haben Sie alles, was ich über das Ethos des Soldaten zu sagen mich bemüht habe, nicht gehört. Nirgendwo ist bestritten oder gar von meiner Partei nichtanerkannt, daß die Bundeswehr mil der Zielsetzung der Kriegsverhütung und der Angriffsabwehr errichtet ist und daß, wie ich gestern auszuführen mich bemüht habe, ein durch einen solchen Dienst verbundener Verband ohne ein Ethos selbstverständlich nicht leben kann. Also, was sollen Ihre Ausführungen?
({7})
- Ja, darauf komme ich noch. - Das alles stößt nicht nur ins Leere, sondern ich behaupte, daß es einfach nicht verantwortlich ist, wenn ein Bundesminister hier vor dem Hause eine solche Polemik führt.
({8})
Ich habe auch kein Wort davon gesagt, daß die Bundesregierung oder Ihr Ministerium oder Herr Jaeger oder die Mehrheit eine Schuld daran trage, wenn es - angeblich - die Frage oder die Sorge um eine Kluft zwischen Bundeswehr und Sozialdemokratie gebe. Im Gegenteil! Von Schuld kein Wort! Ich habe gesagt, das ist eine gemeinsame Verantwortung, Ihre und unsere. Ich glaube, das werden Sie nicht bestreiten können. Ich habe hinzugefügt - und das ergibt sich aus der Natur der Sache -, daß ein besonders hohes Maß von Verantwortung dabei bei den Amtsstellen und bei der Mehrheit liegt, weil sie ja gegenwärtig die Macht in der Hand haben und weil sie auch die Exekutive besitzen. Auch das wird niemand 'hier im Hause bestreiten können.
Also wozu wieder Angriffe gegen etwas, was von keiner Seite, insbesondere nicht von mir, gestern hier gesagt warden ist? Ja, es ist so weit bei Ihnen gegangen, daß Sie uns mit irgendwelcher Agitation, ,daß Soldaten Mörder seien, dentifizieren zu können glaubten. Wo ist irgend etwas hinsichtlich der Bundeswehr von der Sozialdemokratie verantwortlich gesagt, das zu einer so unerträglichen und so unwahrhaftigen Unterstellung Veranlassung geben könnte? Nirgends! Und einfach dem Andersdenkenden zu sagen, er erziehe Jugend im negativen Geist! Ich weiß nicht, ob die Sache mit den „Roten Falken" bei der Beerdigung von Walter Kolb stimmt.
({9})
- Ja, ist alles wahr, was in der Presse steht, Herr Kollege Kliesing? - Wenn sie stimmt, wird keiner von uns auch nur eine Sekunde zögern, das auf das schärfste zu mißbilligen. Es gibt niemand unter Ihnen, der nicht weiß, ,daß das weder sozialdemokratischer Überzeugung noch sozialdemokratischer Gesittung entspricht.
({10})
Herr Bundesverteidigungsminister, wollte ich Sie für jede Entgleisung, die künftig irgendwann einmal einem Ihrer Soldaten passiert, die in ganz anderer Zucht stehen, verantwortlich machen und sagen, das sei Ihre Auffassung oder das sei das Bundesamtliche, - ich möchte nicht hören, was Sie mir dann 'entgegnen würden!
({11})
So, meine Damen und Herren, können wir nicht miteinander sprechen! Die Ausführungen, die Herr Strauß hier auf meine Rede hin gemacht hat und zu denen meine Rede ihm nicht die Spur irgendeiner Veranlassung gegeben hat, und Ihr jedesmaliger Jubel, wenn Sie glauben, Sie könnten hier der Sozialdemokratie irgend so etwas anhängen, - das ist eine ganz böse und nichtswürdige Vergiftung der politischen Atmosphäre gewesen.
({12})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Bundesminister für Verteidigung!
Kollege Arndt, es tut mir leid, daß ich die Zeit des Hohen Hauses noch mit einigen wenigen Richtigstellungen in Anspruch nehmen muß.
({0})
Wenn Sie sich gestern auf Ihre von mir sehr sorgfältig gehörten und mit viel Interesse verfolgten rechtlichen und politischen Bedenken gegen dieses von Ihnen abgelehnte Gesetz beschränkt hätten, hätte ich überhaupt nicht das Wort ergriffen.
({1})
Ihre Bemerkungen, daß die Informationen an die Truppe bei uns zur Schaffung einer bundeswehreigenen Metaphysik, zur Schaffung einer bundesregierungseigenen Wehrmachtsseelsorge sozusagen und zu einer parteipolitisch einseitigen Beeinflussung der Truppe im Sinne einer Regierungskonzeption gebraucht, man kann genauso gut sagen: mißbraucht würden, waren doch der Ausgangspunkt dafür, daß ich überhaupt gesprochen habe.
({2})
Es war die Unterstellung, daß wir die Möglichkeiten, Informationen an die Truppe zu geben, in einem einseitigen, der Opposition abträglichen, das Geschichtsbild verfälschenden Propagandakampf mißbrauchten. Das muß ich in aller Entschiedenheit und mit aller Eindeutigkeit ablehnen.
({3})
Ich habe mich neulich schweigend darüber geärgert, daß Sie für die Meinung, die meine juristischen Kollegen in unserer Fraktion vertreten und aus dem Munde Jaegers zum Ausdruck gebracht haben, kein anderes Wort übrig hatten als etwa „nackter Unsinn", „Quatsch" und ähnliche Dinge; das Wort „Quatsch" jedenfalls war drin. Wir halten Ihre Meinung weder für Unsinn noch für einen Quatsch, wenn sie auch manchmal mit einer meisterhaft kasuistischen Dialektik vorgetragen wird.
({4})
({5})
Daß Sie aber einfach mit einer Serie von „Quatsch" und „Unsinn" ständig, sei es von hier, sei es von unten, über uns herfallen, auch das möchten wir uns verbitten. Ich habe nur reagiert; ohne Ihre Aktion würde das bestimmt nicht in Betracht kommen.
Um Sie in einem konkreten Beispiel zu widerlegen: Sie haben soeben behauptet, Sie hätten der Regierung und ihrer Mehrheit niemals irgendwelche Vorwürfe bezüglich der Haltung der Bundeswehr gegenüber der SPD gemacht, wenn ich Sie recht verstanden habe. Nach dem von Ihnen bereits korrigierten Protokoll - ich bin an sich kein Zettelkastenleser, ich bin etwas zu schlampig, um einen Zettelkasten zu führen; ich habe das heute nur geholt, um Ihnen antworten zu können - haben Sie gestern gesagt:
Es gibt leider auch Anlaß zu der besorgten Bemerkung, daß man ebenso in Kreisen der Bundeswehr auch die Opposition, insbesondere die Sozialdemokratie, nicht als ein Übel, auch nicht als ein notwendiges Übel im Staate ansehen darf.
- In der Sache einig. Die Verantwortung dafür, wenn solche Stimmungen oder Atmosphären aufkommen, trifft die Bundesregierung.
({6})
Sie haben doch damit unterstellt, daß es ein solches Problem gibt, daß eine solche Stimmung in der Bundeswehr vorhanden ist und daß sie künstlich von der Bundesregierung gegen die SPD erzeugt worden ist.
({7})
- Herr Kollege Arndt, können Sie mehr Deutsch lesen? Das ist wieder eine Ihrer zensurähnlichen Bemerkungen. Ich habe vielleicht nicht so viel gelesen in meinem Leben wie Sie; das liegt gewiß am Unterschied der Jahre. Aber ich habe auch einiges gelesen, und ich bilde mir ein, genauso gut Deutsch zu können wie Sie. Hier ist doch unterstellt: Wenn irgendwo in der Bundeswehr jemals ein besorgtes oder ein negatives oder ein gehässiges Wort gegen die SPD gesagt wird, trifft die Schuld die Regierung, die die Bundeswehr nicht genügend politisch kontrolliert.
({8})
- Eine Verantwortung trifft in diesem Fall nicht nur den, der die politische Kontrolle hat, Kollege Schoettle, sondern auch den, der sich in der Vorgeschichte des Aufbaues der deutschen Bundeswehr so verhält - hier handelt es sich um eine gesamte Organisation, Kollege Arndt, und nicht um ein besonderes Vorkommnis wie etwa Trunkenheit eines Kraftfahrers bei der Bundeswehr -, daß man sich kollektiv der Kriegsdienstverweigererbewegung anschließt. Sie sagen, wenn solche Entgleisungen vorkommen, liege das ausschließlich an der mangelnden politischen Kontrolle der Bundeswehr durch die Regierung. Ich sage Ihnen: Das kann kein Verteidigungsminister verhindern, auch wenn er den ehrlichsten Willen hat, daß solche Stimmungen aufkommen können, wenn wir uns in den letzten Grundsätzen über die Verteidigung unseres
Staates notfalls auch mit Waffengewalt zwischen den demokratischen politischen Parteien nicht einig werden können.
({9})
Wenn Sie sagen, es sei ein Mißbrauch des Rechts der Information der Truppe, ihr zu sagen, warum sie da ist, daß sie eine kriegsverhindernde Funktion ausübt und warum sie Aussicht hat, diese kriegsverhindernde Funktion ausüben zu können, nämlich durch die Stärke des NATO-Systems, das wir durch unseren Beitrag erst schließen zu einem kompletten System, zur Verhinderung des Krieges beizutragen, - wenn ich das nicht mehr sagen darf, Kollege Arndt, ja, was soll ich denn dann der Bundeswehr noch sagen? Wenn Sie Ihren politischen Willen hätten durchsetzen können, gäbe es doch heute überhaupt keine Bundeswehr. Das ist doch nicht zu bestreiten. Die Reihenfolge, die ich vorher genannt habe, stimmt doch: erstens überflüssig, zweitens gefährlich und drittens sogar schädlich. Das ist doch der Ausgangspunkt gewesen, von dem Sie an die Wiederbewaffnung nach dem Kriege herangegangen sind. Daß hier bei den Leuten, die sich dieser Aufgabe im Sinne auch einer ethischen Verpflichtung und nicht nur als Versorgungsanwärter unterziehen, und nicht, um irgendeinen Beruf auszuüben, innere Schwierigkeiten auftauchen, daß bei den Leuten Vorbehalte sind gegen eine solche Grundthematik, das ist menschlich doch eine Selbstverständlichkeit. Das würden Sie, wenn Sie sich als Freiwilliger zur Bundeswehr meldeten, genauso empfinden, Kollege Arndt, da gibt es doch gar keinen Zweifel.
Ich habe hier ausdrücklich betont, daß uns nicht nur nichts daran liegt, sondern daß es uns unerwünscht ist, wenn solche Stimmungen in der Bundeswehr aufkommen, und daß wir bis zum Maximum des Möglichen alles tun, um auch Ihrer Meinung innerhalb der Bundeswehr Verbreitung zu gewähren. Ich habe niemals, wenn eine Anfrage eines Kommandeurs kam, ob er einen sozialdemokratischen Redner einladen dürfe, gesagt - beweisen Sie mir das Gegenteil! -, weder mit direkter noch indirekter Beeinflussung: Tun Sie es nicht! Als jüngst eine Anfrage eines norddeutschen Bataillons kam, Kollege Erler werde gebeten, dort zu sprechen, und als dagegen von gewisser Seite Bedenken geltend gemacht wurden, habe ich gesagt: Und er spricht dort! - Ich fühlte mich in meiner persönlichen politischen Ehre getroffen, wenn Sie mir unterstellten, daß ich den Machtapparat der Bundeswehr oder die in der Bundeswehr vorhandenen sehr geringen finanziellen Propagandamittel zu einer einseitigen parteipolitischen Beeinflussung der Bundeswehr benutzte; denn das würde gerade gegen den Grundsatz verstoßen, sie herauszuhalten.
Sie sagen hier: Trotz aller Versicherungen, die Bundeswehr aus dem parteipolitischen Streit herauszuhalten, bemerken wir eben doch allerlei Anzeichen, und die Verantwortung dafür trifft auch die Mehrheit, die sich dieser Verantwortung angesichts der letzten so beklagenswerten Rede des Abgeordneten Dr. Jaeger kaum gewachsen gezeigt hat ! - Das sind sittliche Werturteile, Herr Dr. Arndt, die so subjektiv sind, daß sie - wenn ich einmal Ihren Ausdruck gebrauchen darf - keiner Antwort würdig sind.
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({11})
Ich glaube, Sie haben in der Erwiderung manches deshalb ausgespart, weil Ihnen die rechte Antwort darauf fehlt.
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Es ist leicht, sich auf diese für mich auch beleidigende Feststellung, das sei keiner Antwort würdig, zurückzuziehen. Da kommt wieder der große erhabene Philosoph mit billigen Zensuren zum Vorschein, der einfach glaubt, über unsere Argumente hinweggehen zu können.
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So kann man mit uns nicht reden, Kollege Arndt, so kann man auch nicht mit der Bundesregierung reden. Ich bin jeder Diskussion zugänglich und jedem Argument gegenüber aufgeschlossen. Aber es ist einfach unwahr, wenn Sie sagen, ich hätte mit zwei verschlossenen Ohren nicht zugehört. Dann hätte ich gleich draußen bleiben können. Nicht um mich hier körperlich zu präsentieren oder aus Höflichkeit bin ich hereingekommen, nein, ich wollte Sie hören! Das war der Grund, weshalb ich hereingekommen bin, weil ich verpflichtet war, Sie zu hören, und ich habe Sie auch gehört und habe Ihre Rechtsmeinung hier in keiner Weise herabgesetzt.
Es ist schade, wir haben das Protokoll der Sitzung vom Freitag nicht da. In Protokollen soll man nicht wühlen. Aber Sie waren doch der Meinung, Herr Kollege Arndt, und Sie haben diese Ihre Meinung hier noch einmal bestätigt, daß wir in Teilen eines in der Interpretation eines Grundrechts erlassenen Gesetzes mit der Verfassung offensichtlich, wie Sie hier sagten, nicht übereinstimmen. Ja, wer stellt denn das fest?
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Sie antizipieren ja die verfassungsgerichtliche Entscheidung in diesem Falle! Sie sagen, Sie rufen das Verfassungsgericht an, und stellen fest: der Rechtsstreit ist schon entschieden! Sie rufen es also bloß noch der Form nach an, denn daß das Gesetz verfassungswidrig ist, haben Sie schon festgestellt! Das Verfassungsgericht ruft man doch an, um bei verschiedenen Interpretationen festzustellen: hat der oder jener recht? Wenn wir in unserer Interpretation Unrecht bekommen, dann allerdings haben Sie recht, dann ist das Gesetz nichtig mit dem Tage seines Inkrafttretens einschließlich aller Rechtsverhältnisse, die aus diesem Gesetz irgendwie geschaffen worden sind.
Und bitte, unterstellen Sie mir auch eines nicht: Ich habe niemals hier behauptet und werde es ohne eine Änderung der Verhältnisse auch niemals sagen, die Sozialdemokratie habe Soldaten und Mörder gleichgesetzt. Ich möchte das hier ausdrücklich feststellen, daß niemals eine Bemerkung dieser Art aus meinem Munde gekommen ist und kommen wird. Ich habe aber gesagt, daß unter der jahrelangen negativen Beeinflussung gewisser Teile unserer Jugend gegen die Bundeswehr draußen die Agitation „Soldat gleich Mörder" in unseren Versammlungen - ich bin ja doch nicht als Geist von Hamlets Vater hingegangen, sondern war persönlich in diesen Versammlungen anwesend - doch landauf landab uns entgegengetreten ist. Fragen Sie einmal!
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Wenn Sie für sachliche Auseinandersetzungen zugänglich sind, Kollege Arndt, dann will ich Ihnen einmal das Protokoll einer Versammlung vorlegen, die von der Gesamtdeutschen Volkspartei und von der SPD gemeinsam für die Kriegsdienstverweigerungsbewegung - ich glaube, in München war es - einberufen worden ist, wo ein gewisser Professor Rauhut gesprochen hat. Wenn Sie lesen, was dort an Unterstellungen, an Infamien, an Pfui-Rufen, sobald nur einer unserer Namen in Verbindung mit diesen Unterstellungen auftauchte, von ihren Zuhörern gegen uns als Massensuggestion zum Ausdruck kam, und wenn Sie damit vergleichen, wie gesund unsere Jugend denkt trotz der Härte des Militärdienstes und trotz der Unpopularität der Musterungen,
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dann sollten Sie manchmal auch an Ihre eigene, gelegentlich sehr dialektische Brust klopfen. Wenn wir schon sagen müssen „pater peccavi", dann können wir es in diesem Fall gemeinsam sagen, und ich fürchte, die höhere Beteiligung läge dann bei Ihnen, Herr Kollege Arndt.
Ich wollte mit diesen Bemerkungen in keiner Weise irgendeine Verschärfung bestehender Gegensätze hervorrufen.
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- Sie können von uns nicht eine totale Kapitulation verlangen, daß wir uns jeweils Ihrer Meinung anschließen,
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andernfalls wir die Gegensätze verschärfen. Was ich hier wiedergegeben habe an Erfahrungen von draußen oder an Dokumenten oder Berichten, das sind doch wörtliche Zitate oder Erlebnisse nicht von mir allein, sondern Erlebnisse beinahe aller unserer Freunde gewesen, die seit Jahr und Tag in dieser für unser Volk nicht erfreulichen und auf lange Sicht schädlichen Auseinandersetzung sich haben abraufen müssen. Das abzustellen, sollte für Sie genauso ein Gegenstand des Nachdenkens wie für uns der ernsten Bemühungen sein.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Gesetzentwürfe enthalten eine Reihe von Bestimmungen, die ganz bestimmte Kreise unter einen verstärkten strafrechtlichen Schutz stellen. Zu diesen strafrechtlich besonders geschützten Kreisen gehören auch die Widerstandskämpfer. Ich will nach der prinzipiellen Seite hin dieses Problem nicht vertiefen. Ich fühle mich nur verpflichtet, an dieser Stelle und heute schon mitzuteilen, daß in den Kreisen der Widerstandsleute aus den Verfolgtenverbänden die allergrößte Beunruhigung über diese Bestimmung besteht. Ich habe in der letzten Zeit eine große Reihe von Zuschriften und Vorsprachen gehabt.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch etwas um Ruhe.
Diese Kreise waren um so beunruhigter, als auch das Gerücht in Umlauf war, offenbar sei eine Initiative für diese Gesetzesbestimmung von mir ausgegangen.
Diese Stimmen sagten ohne Ausnahme: Diejenigen, die am Widerstand beteiligt sind, wünschen keinen besonderen Strafrechtsschutz; sie wünschen keinen Strafrechtsschutz, den nicht jeder andere Bürger auch hat. Der ganzen Sache des Widerstandes kann nichts Schlimmeres geschehen, als wenn man den Widerstand unter Naturschutz stellt. Wir wünschen diese Dinge nicht. Außerdem fühlen wir uns Manns genug, gegen Verunglimpfungen aufzutreten.
Es ist sehr interessant, das zu sehen, weil hier eine gute Absicht des Gesetzgebers bestanden hat, der sich aber in diesem Punkt offenbar nicht auf die Wünsche und Interessen derjenigen, die er schützen wollte, stützen kann.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlußfassung über die Überweisung. Beantragt ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht für die Gesetzentwürfe Drucksache 3039 und Drucksache 3067. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs einer Wehrdisziplinarordnung ({0}) ({1});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({2}) ({3}). ({4})
Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort zum Bericht nimmt. - Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Götz.
Dr. Götz ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt Ihnen zwar mit der Drucksache 3126 bereits ein ausführlicher Schriftlicher Bericht*) über den Entwurf einer Wehrdisziplinarordnung vor.
({6})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren, wir sind mit unserer Tagesordnung so in Verzögerung. Ich muß dringend um die Aufmerksamkeit des Hauses bitten. Ich bitte, Gespräche, die hier stattfinden, nach draußen zu verlegen. Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte fort.
Dr. Götz ({0}), Berichterstatter: Wenn ich es trotzdem wage, Ihre Aufmerksamkeit noch für ganz kurze Zeit für mündliche Ausführungen in Anspruch zu nehmen, so deswegen, weil ich glaube, daß die Bedeutung dieses Gesetzes für die Disziplin der Truppe, ihre Aufrechterhaltung und ihre Förderung noch einige ergänzende Ausführungen über die Grundsätze und Normen dieses Gesetzentwurfs rechtfertigt. Außerdem glaube ich, durch diese Aus-
*) Siehe Anlage 2. führungen die Diskussion über die bereits vorliegenden Änderungsanträge wesentlich abkürzen zu können.
Meine Damen und Herren! Die Wehrdisziplinarordnung, die Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegt, will mehr sein als eine Betriebsordnung, die nur dazu dienen soll, zu erreichen, daß die Truppe nach außen hin einen „guten Eindruck" macht; sie will dazu dienen, den Soldaten zur gewissenhaften Pflichterfüllung anzuhalten, und sie gibt dem verantwortlichen Disziplinarvorgesetzten die Möglichkeit, auch in den Fällen, in denen die normalen Erziehungsmittel, wie Lob, Tadel, Zurechtweisung usw., nicht mehr ausreichen, dem einzelnen Soldaten nach seinen Beweggründen und nach seinen Taten gerecht zu werden.
Der Grundgedanke, der dem Disziplinarstrafrecht zugrunde liegt, ist der Erziehungsgedanke. Von ihm ist diese Wehrdisziplinarordnung beherrscht. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf trägt diesem Gedanken besonders Rechnung. Die Wehrdisziplinarordnung ist nicht nur ein Aufguß der alten Wehrdisziplinarstrafordnung, sondern sie ist, wie ich meine, eine gute und gelungene Synthese zwischen althergebrachten bewährten Grundsätzen und neuen Gedanken, die sich aus dem Bestreben, die Rechtsstaatlichkeit auch im militärischen Bereich herzustellen, ergeben.
Die Beratungen und die Beschlußfassungen aller beteiligten Ausschüsse wurden dadurch erleichtert, daß die Bundesregierung einen sehr ausgewogenen und gründlich vorbereiteten Gesetzentwurf vorgelegt hat, der außerdem bereits in seinen Grundgedanken von der Arbeitsgruppe III unseres früheren Ausschusses für europäische Sicherheit im 1. Bundestag gründlich durchberaten wurde und dessen Beratungsergebnisse hier bei der Regierungsvorlage weitgehend berücksichtigt worden sind.
Die Wehrdisziplinarordnung ist in der Hand des verantwortlichen Disziplinarvorgesetzten ein wichtiges Hilfsmittel einer verantwortungsbewußten und gerechten Menschenführung. Sie dient, wie ich schon sagte, der Erhaltung und Förderung der Disziplin, die auf zwei Säulen ruht, einmal auf der Autorität des Vorgesetzten und andererseits auf dem militärischen Gehorsam des Untergebenen. Die Notwendigkeit des militärischen Gehorsams ist unbestritten. Auch in einem demokratischen Staat sind die Grundvoraussetzungen für die Disziplin in der Truppe Gehorsam und Befehl. Aber das besagt nicht, daß dieser Gehorsam ein Kadavergehorsam ist, das besagt auch nicht, daß er blind ist und daß er willenlos ist. Im Gegenteil, es sollte die vornehmste Aufgabe der soldatischen Führung, Ausbildung und Erziehung sein, in dem Soldaten Verständnis für einen freien und verantwortungsbewußten Gehorsam zu wecken und zu vertiefen. Dieses Ziel kann nur dann erreicht werden, wenn der Gehorsam auf der gegenseitigen Achtung und auf dem gegenseitigen Vertrauen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen beruht. Das Gegenstück zu dem Gehorsam ist die Autorität des Vorgesetzten und seine damit verbundene Disziplinargewalt. Die Dienstordnung gewährt jedem Vorgesetzten Autorität, und sie gewährt bestimmten Vorgesetzten Disziplinargewalt. Beides, Autorität und Disziplinargewalt, ist durch Gesetz geschützt. Aber der gesetzliche Schutz der Autorität allein genügt nicht für das Bestehen einer guten und unerschütterlichen Disziplin in der Truppe. Mit der gesetzlichen
({1})
Autorität muß die an keine Grenze gebundene persönliche Autorität des Vorgesetzten verknüpft sein.
Und nun, meine Damen und Herren, ein Wort zu den Neuerungen des Gesetzes, zunächst einmal zu der förmlichen Anerkennung für vorbildliche Pflichterfüllung und für hervorragende Einzeltaten. Über die Frage der Erteilung solcher förmlicher Anerkennungen gab es weder im Bundesrat noch in irgendeinem Ausschuß, der sich mit diesem Gesetzentwurf befaßte, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten. Anerkennungen wurden als Erziehungsmittel für notwendig und für zweckmäßig gehalten. Strittig war, vor allem im Bundesrat, lediglich die Frage, ob diese Anerkennungen gesetzlich, und zwar in der Wehrdisziplinarordnung, geregelt werden sollten. Der Bundesrat vertrat die Auffassung, daß dadurch das Verfahren, das der Entwicklung vorbehalten bleiben sollte und zweckmäßigerweise durch Verwaltungsvorschriften zu regeln wäre, in zu enge gesetzliche Grenzen gezwungen würde, und schlug daher die Streichung der §§ 2 bis 5 dieses Gesetzentwurfs vor. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht aber hatte keinerlei verfassungsrechtlichen und auch keine rechtspolitischen Bedenken gegen die Hereinnahme der förmlichen Anerkennungen in die Wehrdisziplinarordnung. Die Bundesregierung hat ihre Stellungnahme zu den Bedenken des Bundesrates dahin zum Ausdruck gebracht, daß sie erklärt hat: Die Anerkennungen sollen als gleichwertige Einwirkungsmöglichkeiten neben den Disziplinarstrafen stehen. Dieser Auffassung hat sich auch der Ausschuß für Verteidigung einstimmig angeschlossen und die Wehrdisziplinarordnung als den gegebenen Ort für die Regelung der Anerkennungen anerkannt. Der Ausschuß ist damit auch den Vorstellungen der Arbeitsgruppe III des von mir schon erwähnten früheren Ausschusses für europäische Sicherheit gefolgt und hat sich ebenfalls für die Aufnahme förmlicher Anerkennungen in die künftige Wehrdisziplinarordnung ausgesprochen.
Noch ein kurzes Wort zur Frage der Disziplinargewalt. Die Disziplinarordnung sieht keinen Zwang für Disziplinarvorgesetzte vor, Anerkennungen zu erteilen oder Strafen zu verhängen. Das bleibt grundsätzlich ihrem pflichtgemäßen Ermessen überlassen, und selbst höhere Disziplinarvorgesetzte haben kein Recht, in die Handhabung der Disziplinargewalt einzugreifen. Die Disziplinarstrafe ist in erster Linie eine erzieherische Maßnahme, mit der ein Verstoß gegen die militärische Ordnung geahndet werden soll. Der Vorgesetzte, der eine Disziplinarstrafe verhängt, ist nicht Richter, sondern in erster Linie Erzieher und in seiner erzieherischen Aufgabe daher auch an keine Strafnorm gebunden. Er kann seine Maßnahmen vielmehr danach bestimmen, wie er den Erziehungszweck in Kenntnis der Persönlichkeit des zu bestrafenden Soldaten und der Umstände am besten zu erreichen glaubt.
Die Anwendung der Disziplinargewalt bedeutet natürlich eine Belastungsprobe des Verhältnisses zwischen Vorgesetzten und Untergebenen. Ich habe schon erwähnt, daß dieses Verhältnis auf gegenseitige Achtung und auf gegenseitiges Vertrauen aufgebaut sein soll. Diesem Gedanken trägt die neue Bestimmung über die Anhörung des Vertrauensmannes durch den Disziplinarvorgesetzten vor der Entscheidung über die Verhängung einer
Disziplinarstrafe Rechnung. Die Anhörung des Beschuldigten ist ein alter Grundsatz, der selbstverständlich auch in die neue Wehrdisziplinarordnung Eingang gefunden hat.
Aus dem Katalog der einfachen Disziplinarstrafen sei der Arrest besonders hervorgehoben. Der Arrest stellt ohne Zweifel einen erheblichen Eingriff in die Freiheit des einzelnen dar. In der bereits erwähnten Arbeitsgruppe III begegnete die Einführung des Arrestes zunächst starken Bedenken. Gegen den Arrest wurde angeführt, daß eine Erziehungsmaßnahme, deren Vollstreckung sich hinter Gittern vollzieht, immer bedenklich sein muß. Andererseits glaubte man, auf die Arreststrafe, auch in der strengen Form des verschärften Arrests, nicht verzichten zu können. Schließlich hat man sich davon überzeugt, daß ihr doch eine erzieherische Aufgabe zukommt und ihr wesentlicher Sinn in der Konfrontierung des Bestraften mit sich selbst liegt. Am Rande möchte ich bemerken, daß sich bereits damals auch die Jugendbünde für die Arreststrafe ausgesprochen haben. Die Arreststrafe soll allerdings die seltene Ausnahme bilden, und man darf wohl annehmen, daß jeder Disziplinarvorgesetzte versuchen wird, ohne Arreststrafe auszukommen. Es wäre wünschenswert, daß dieser Grundsatz auf allen Offiziersschulen gelehrt würde.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat gegen die Arreststrafe in verfassungsrechtlicher Hinsicht und auch gegen ihre Wiedereinführung keine Bedenken erhoben. Neu an den Bestimmungen über den Arrest ist, daß die Strafe nicht mehr wie bisher bereits vom Kompaniechef, sondern erst vom Bataillonskommandeur an aufwärts verhängt werden kann, nachdem ein richterliches Mitglied des zuständigen Truppendienstgerichts über die Rechtmäßigkeit der Arreststrafe entschieden hat. Die Mitwirkung eines Richters entspricht dem Grundsatz des Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes. Dadurch tritt zwar in der Bestrafung eine Verzögerung ein, aber diese Verzögerung muß aus verfassungsrechtlichen Gründen und im Hinblick auf die Auswirkungen gerade dieser Strafe auf den Bestraften in Kauf genommen werden. Gegen die Einführung der Arreststrafe hatte auch der Ausschuß für Verteidigung keine Bedenken erhoben. Von der Opposition wurde lediglich der Antrag gestellt, die Arreststrafe im zweiten Abschnitt zu streichen und in den dritten Abschnitt des Gesetzes aufzunehmen. Das würde allerdings bedeuten, daß der Arrest wie die Laufbahnstrafen dem disziplinargerichtlichen Verfahren vorbehalten bleiben soll. Wo der Arrest im Gesetz steht, ist an sich keine verfassungsrechtliche Frage, sondern eine Frage der Zweckmäßigkeit, und die Mehrheit des Ausschusses hielt die in der Regierungsvorlage vorgeschlagene Fassung für die zweckmäßigere, weil im anderen Falle das Truppendienstgericht in voller Besetzung und in einer förmlichen Hauptverhandlung entscheiden müßte, wodurch nicht nur eine nicht beabsichtigte Gewichtsverschiebung des Charakters der Arreststrafe, sondern auch eine ungebührlich lange Verzögerung und Komplizierung eintreten würden.
Ich darf im übrigen auf meine Ausführungen im Schriftlichen Bericht verweisen und dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzes in der Fassung des Verteidigungsausschusses empfehlen. Abschließend nur noch die Bemerkung, daß die heute von Ihnen zu beschließende Wehrdisziplinarordnung für die Bundeswehr, verglichen mit den Disziplinar({2})
ordnungen der Armeen anderer Staaten, mit guten Gründen und zu Recht als die fortschrittlichste bezeichnet werden kann.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zur Beratung in zweiter Lesung, und ich rufe den § 1 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 937 ({0})*) vor. Wird der Änderungsantrag begründet? - Der Herr Abgeordnete Lotze hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das uns vorliegende Gesetz hat in seinem Ersten Teil einen Abschnitt „Würdigung besonderer Leistungen durch Anerkennungen". - Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, mir zu gestatten, daß ich gleich die §§ 2 bis 5 mitbehandle, weil ein Zusammenhang besteht. - Dieser Erste Teil regelt die Anerkennung besonderer Leistungen, aber er regelt nicht die Anerkennung aller Leistungen; es ist also nicht etwa eine ausschließliche Regelung, sondern es sind nur einige einzelne Leistungen aufgeführt. Warum das geschehen ist, ist mir völlig unklar. Dadurch, daß man nur einzelne förmliche Anerkennungen aufgeführt und die anderen im Belieben gelassen hat, hat man in das Gesetz ein Rankenwerk hineingebracht, das überflüssig ist.
Wir haben in der Diziplinarordnung eine alte Tradition. Wir haben es bisher in keiner Disziplinarordnung, weder in einer militärischen noch - und das halte ich für besonders wichtig - in einer beamtenrechtlichen, für nötig befunden, die Anerkennungen und Belohnungen zum Gegenstand einer besonderen Regelung zu machen, weil das selbstverständliche Dinge sind. Selbstverständliches braucht man nicht erst noch einmal besonders zu sagen. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß der Beamtenrechtsausschuß den Wunsch gehabt hat -und der Wunsch ist nach meiner Ansicht berechtigt -, dieses Gesetz, soweit es die Belange zulassen, im Einklang mit idem Beamtendisziplinarrecht zu wissen. Infolgedessen hatte der Beamtenrechtsausschuß eine Reihe von Wünschen angemeldet. Gerade weil man auch in unserem Beamtenrecht einen Teil „Würdigung besonderer Leistungen durch Anerkennungen" nicht keimt und gerade weil er hier auch nicht nötig ist - er ist überflüssig -, bitte ich Sie, meinem Antrag zuzustimmen und in § 1 die Worte „die Würdigung besonderer Leistungen durch Anerkennungen" zu streichen sowie ,den ganzen Ersten Teil, §§ 2 bis 5, fallenzulassen. Was soll ¡denn dieser ganze Absatz? Er soll weiter nichts sagen, als daß der Vorgesetzte besondere Leistungen anerkennen kann. Das kann jeder Vorgesetzte; das ist selbstverständlich. Es fehlt nur noch, daß man hier auch hineingeschrieben hätte, daß der ,Bundespräsident dem Soldaten Orden verleihen kann. Das ist nämlich auch selbstverständlich und braucht deshalb nicht hier hinein, und es steht mit Recht nicht drin.
Ich bin der Meinung, wenn wir schon ein solches Gesetz machen, sollten wir nicht ohne Not von bewährten Grundsätzen abgehen. Wir wollen nur dann von den Grundsätzen des allgemeinen Disziplinarrechts abgehen, wenn wirklich zwingende Gründe dafür da sind. Diese zwingenden Gründe sehe ich nicht.
*) Siehe Anlage 4.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, den soeben begründeten Antrag meines Fraktionsfreundes Lotze abzulehnen. Kein Mensch in diesem Hohen Hause wird verkennen, daß bei der Regelung des Disziplinarwesens in der Truppe in einem gewissen eingeschränkten Rahmen beamtenrechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Aber es ist doch unmöglich, daß man die Disziplinarordnung einer Truppe, die sich aus Berufssoldaten, freiwillig längerdienenden Soldaten und wehrpflichtigen Soldaten zusammensetzt, einzig und allein nach beamtenrechtlichen Gesichtspunkten regelt.
Es kommt hier noch das ,andere große Anliegen, das wir alle miteinander haben, zutage, nämlich daß die geistige, psychologische und soziologische Problematik, die die Aufstellung der Bundeswehr mit sich bringt, uns dazu führt, hier andere Wege zu gehen. Hiermit sind alle Fragen angesprochen, die mit dem Komplex der inneren Führung zusammenhängen und in diesem Hohen Hause bereits sehr eingehend diskutiert worden sind.
Wir beschreiten hier keineswegs grundsätzlich neue Wege, sondern es ist doch eine alte Erkenntnis der Pädagogik, daß man Höchstleistungen - und es geht doch hier darum, Höchstleistungen zu erzielen - nicht allein mit Zwangs- und Strafmaßnahmen erreicht. Gerade die Anerkennung, die Würdigung eines Verdienstes ist das gegebene Mittel, um solche Leistungen zu erreichen. Es hat schon zu allen Zeiten sehr bewährte Truppenführer gegeben, die sich bei ihrer Truppenführung diese Erkenntnis zunutze gemacht haben. Es geht hier nur darum, das, was diese fortschrittlichen und in die Zukunft schauenden Männer schon praktiziert haben, in einen gesetzlichen Rahmen zu bringen und zum System zu erheben.
({0})
- Zu dem Zweck, durch Ansporn höhere Leistungen zu erzielen.
Ich bitte Sie aus den angeführten Gründen, den Antrag des Kollegen Lotze abzulehnen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 937*) Ziffer 1 a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Wer dem § 1 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 2. Herr Abgeordneter Lotze, die Begründung zu dem Änderungsantrag haben Sie schon gegeben. Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 937*) Ziffer 1 b zur Abstimmung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen die Stimme des Antragstellers abgelehnt.
Wer dem § 2 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
*) Siehe Anlage 4.
({0})
§§ 3, - 4, - 5. - Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§§ 6, - 7, - 8. - Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 9, dazu Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 935**) Ziffer 1.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, in § 9 Abs. 1 einige Worte hinzuzufügen, um den Charakter der vorläufigen Festnahme etwas deutlicher zu machen, als er aus dem Wortlaut des Gesetzes hervorgeht. Wir möchten nämlich, daß die vorläufige Festnahme durch den Disziplinarvorgesetzten eine ganz seltene Ausnahme ist, und diesen Ausnahmecharakter wollen wir bereits im Wortlaut des Gesetzes darlegen. Der Vorgesetzte soll durch das Gesetz gezwungen werden, die Umstände zu prüfen, die eine vorläufige Festnahme gerechtfertigt erscheinen lassen, und er soll sie nur dann anordnen dürfen, wenn sie das letzte und einzige Mittel zur Aufrechterhaltung der Disziplin ist. Wir wollen damit verhindern, daß die vorläufige Festnahme weniger unter dem Gesichtspunkt der Disziplin, als vielleicht wegen des damit verbundenen dramatischen Effektes erfolgt.
Ferner soll der Dienstvorgesetzte sich von vornherein darüber klar sein, daß er nicht etwa bei ihm vorhandene mangelhafte Qualität der persönlichen Autorität durch Möglichkeiten ersetzen kann, die ihm durch dieses Gesetz gegeben werden.
Ohne Zweifel ist diese Bestimmung nach den Erörterungen im Ausschuß und vielleicht auch im Hinblick auf Art. 104 des Grundgesetzes so gemeint gewesen, daß sie nur in Ausnahmefällen das Recht zur sofortigen und vorläufigen Festnahme geben soll. Wir glauben, daß man das dann aber auch im Gesetz mit aller nur irgendwie möglichen Deutlichkeit zum Ausdruck bringen soll, und schlagen Ihnen vor, am Schluß des § 9 Abs. 1 - wo es heißt: „wenn es die Aufrechterhaltung der Disziplin gebietet" - einzufügen:
... , wenn es die Aufrechterhaltung der Disziplin nach pflichtgemäßer Prüfung der Umstände zwingend gebietet.
Dies wäre eine Verdeutlichung im Sinne meiner Ausführungen.
Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Götz!
Ich darf Sie bitten, den Antrag abzulehnen, und zwar aus folgendem Grund: Ich bin zunächst einmal der Meinung, daß die vorläufige Festnahme durch den Disziplinarvorgesetzten die seltene Ausnahme bilden wird. Auch der Unterausschuß hatte bei seinen Beratungen geglaubt, dem Verteidigungsausschuß die Einfügung der gleichen Worte vorschlagen zu müssen, deren Einfügung eben Kollege Merten für die SPD-
**) Siehe Anlage 3. Fraktion beantragt hat. Wir haben uns aber dann im Verteidigungsausschuß davon überzeugen lassen, daß die pflichtgemäße Prüfung der Umstände ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist und daher nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden muß.
Das Bedenken wegen des Übereifers eines Disziplinarvorgesetzten in der Handhabung der Bestimmungen über die vorläufige Festnahme wird doch weitgehend einmal durch das Beschwerderecht des Soldaten und zum andern durch die Institution des Wehrbeauftragten ausgeräumt. Damit ist der Vorgesetzte ohnehin von vornherein zu einer gewissen Zurückhaltung in der Anwendung dieser Bestimmung veranlaßt.
Außerdem hat der Ausschuß in der Ihnen vorgeschlagenen Fassung den Ausdruck „gebietet" gewählt. Damit ist ohnehin eine schärfere Formulierung gewählt worden als in der Regierungsvorlage.
Weitere Wortmeldungen? - Nicht. Wir stimmen über den Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 1 ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem § 9 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 10 liegt unter Ziffer 2 des Umdrucks 935 ein Änderungsantrag vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Kollege Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 10 der Vorlage sieht sechs Arten der einfachen Disziplinarstrafen vor, und die sozialdemokratische Fraktion wünscht, daß hier die Strafe der Soldverwaltung völlig gestrichen und die Arreststrafe unter die Disziplinarstrafen im disziplinargerichtlichen Verfahren eingeordnet wird, also in die §§ 43 ff.
Zunächst einige Worte zur Soldverwaltung! Die Soldverwaltung entzieht, wie es aus der Begründung der Regierungsvorlage hervorgeht, dem einzelnen Soldaten die freie Verfügung über die Besoldung; sie soll den Zweck haben, die Soldaten - und zwar diejenigen, die nicht mit Geld umgehen können - an Ordnung zu gewöhnen. Ohne jeden Zweifel ist die Soldverwaltung ein sehr schwerer Eingriff in die private Sphäre der Persönlichkeit des einzelnen Soldaten. Dieser schwere Eingriff könnte nur gerechtfertigt sein, wenn damit ein Zweck erreicht würde, der der Aufrechterhaltung der Disziplin in der Truppe zugute kommt. Es erscheint aber mehr als zweifelhaft, ob dieser Zweck mit dieser Disziplinarstrafe erreicht werden kann. Ich glaube, daß dazu die übrigen zur Verfügung stehenden Disziplinarstrafen völlig ausreichen. Sie müssen bedenken, daß rechtliche Verpflichtungen des einzelnen Soldaten, wie z. B. zur Bezahlung von Schulden, zur Leistung von Ratenzahlungen und anderes mehr, gerade bei denen, auf die man hier einwirken will, die Durchführung einer derartigen Strafe völlig illusorisch machen. Die Wehrdisziplinarordnung kennt 13, und je nach dem, was wir für Beschlüsse fassen, sogar 14 verschiedene Arten von Disziplinarstrafen. Diese müßten eigentlich völlig ausreichen, um allen Möglichkeiten der disziplinären Einwirkung gerecht zu werden. Wir glauben daher, daß man auf die Soldverwaltung
*) Siehe Anlage 3.
({0})
verzichten kann, weil sie über das Maß des Notwendigen hinaus in die Sphäre der Persönlichkeit eingreift, weil sie einen praktischen Zweck nicht erreichen wird und weil zur Aufrechterhaltung der Disziplin in der Truppe genügend andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Der zweite Punkt, um den es hier geht, ist die Arreststrafe. Die Arreststrafe soll nach unserer Ansicht hier gestrichen und - wie aus Ziffer 16 des Antrags Umdruck 935 hervorgeht - als Disziplinarstrafe im disziplinargerichtlichen Verfahren in der Wehrdisziplinarordnung verankert werden. Nach dem vorliegenden Entwurf des Ausschusses kann Arrest von drei Tagen bis zu drei Wochen vom Bataillonskommandeur aufwärts verhängt werden. Vorher aber muß der Richter des Truppendienstgerichtes die Arreststrafe ihrer Art und Dauer nach für rechtmäßig erklärt haben, und im Falle von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Richter und dem verhängenden Vorgesetzten muß sich das Truppendienstgericht in der vollen Besetzung mit der Arreststrafe befassen. Der Richter kann außerdem die Angelegenheit auch von sich aus an das Truppendienstgericht weitergeben, und nicht zuletzt kann die Arreststrafe im Beschwerdeweg an das Truppendienstgericht, und zwar diesmal als erste Instanz, kommen. Es wird also ohnedies nach dem vorliegenden Entwurf in voraussichtlich sehr zahlreichen Fällen vom Truppendienstgericht über die Arreststrafe zu entscheiden sein. Der Herr Berichterstatter hat bereits in seinem Bericht darauf hingewiesen, daß es aus Zweckmäßigkeitsgründen und um eine lange Verzögerung zu vermeiden besser sei, die Arreststrafe hier zu verankern, als sie bei den disziplinargerichtlichen Strafen unterzubringen. Aber gerade die Fragen der Zweckmäßigkeit und der damit zusammenhängenden langen Verzögerung haben die SPD-Fraktion auch veranlaßt, hier eine Änderung vorzuschlagen. Wir denken nämlich auch an die Dienstvorgesetzten, die diese Strafe zu verhängen haben und die nach dem Entwurf, wie er vorliegt, bereits einen ganz erheblichen Papierkrieg im Zusammenhang mit der Arreststrafe zu führen haben. Sie müssen ja alle Vorgänge, alles, was mit der Strafe zusammenhängt, an den Richter des Truppendienstgerichtes ohnedies weitergeben.
Noch ein weiteres Bedenken muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Der Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes sagt, daß nur der Richter über Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden hat. Bei jeder Freiheitsentziehung, die nicht ein Richter ausgesprochen hat, ist also eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. In diesem Gesetz nun ist die richterliche Entscheidungsfreiheit unseres Erachtens doch erheblich eingeschränkt. Er entscheidet nicht über die Freiheitsentziehung an sich, sondern nur über ihre Rechtmäßigkeit bezüglich Art und Dauer. Dem Geiste des Grundgesetzes würde in vollem Umfang dadurch Rechnung getragen, daß man die Arreststrafe, weil sie eine Freiheitsstrafe ist, ganz in die Entscheidungsbefugnis des Gerichts legt.
Gerade in diesem Zusammenhang muß auch beachtet werden, daß die Arreststrafe wahrscheinlich zu den seltenen Strafen in der Disziplinarordnung gehören wird. Die Auswahl der Dienstvorgesetzten, die strafen dürfen, wird doch in erster Linie unter dem Gesichtspunkt erfolgen müssen, daß sie die Charaktereigenschaften mitbringen, auf Grund deren sie von den Soldaten als Autorität anerkannt werden, und daß sie durch ihre persönliche Einwirkung die Disziplin aufrechterhalten können. Es ist immer eine mißliche Sache, wenn ein Vorgesetzter einen Soldaten zur Verteidigung der Freiheit dadurch erziehen soll, daß er dem Soldaten selber die persönliche Freiheit nimmt. Hierzu sollten in der Bundesrepublik einzig und allein die Gerichte befugt sein. Wir bitten daher, diesem unserem Antrag stattzugeben.
Nun wird in demselben Antrag Umdruck 935*) Ziffer 2 am Schluß verlangt, in § 10 den Abs. 2 zu streichen. Dieser Antrag soll dahin geändert werden, daß nur die Streichung des Abs. 2 Satz 1 verlangt wird, während der zweite Satz, der da lautet: „Im übrigen darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine Disziplinarstrafe verhängt werden", stehenbleiben soll; nur müßte es statt „Im übrigen" heißen „Es". Danach würde Abs. 2 lauten: „Es darf wegen desselben Dienstvergehens nur eine Disziplinarstrafe verhängt werden." Ich bitte den Herrn Präsidenten, den Antrag dann in dieser veränderten Form zur Abstimmung zu bringen.
Ich bitte Sie, unserem so geänderten Antrag Umdruck 935 Ziffer 2 Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Herr Abgeordneter Merten, dann darf ich davon ausgehen, daß Sie sinngemäß die Ziffern 3 und 4 Ihres Antrags auch begründet haben; das ist ja das gleiche Problem.
({0})
- Eben!
Wird zu dem eben begründeten Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Götz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst zu der beantragten Streichung der Soldverwaltung und damit gleichzeitig zu der Ziffer 3 der Änderungsanträge auf Umdruck 935 Stellung nehmen. Die Soldverwaltung besteht darin, daß die Besoldung in Teilbeträgen ausgezahlt wird, und zwar in Teilbeträgen, die vom Disziplinarvorgesetzten nach pflichtgemäßem Ermessen festgesetzt werden. Sie bewirkt keineswegs eine Verkürzung der Bezüge der Soldaten und ebensowenig eine Beeinträchtigung der freien Verfügung des Soldaten über seine Bezüge, die ihm ausgezahlt werden. Der bestrafte Soldat erhält im Ergebnis den ihm zustehenden Sold, und zwar nicht später als der nichtbestrafte.
Der Anwendungsbereich dieser Disziplinarstrafe beschränkt sich im wesentlichen auf ganz wenige typische Fälle und vor allem auf den Kreis der jüngeren, insbesondere nur der unverheirateten Soldaten. Ich halte gerade die Soldverwaltung für ein ausgezeichnetes Erziehungsmittel in den Fällen, in denen der junge Wehrpflichtige erwiesenermaßen im Geldausgeben eine etwas leichte Hand hat. Hier handelt es sich nach meiner Meinung um eine echte Erziehungsmaßnahme, die durchaus geeignet ist, einen in Geldsachen leichtsinnigen Soldaten an Sparsamkeit und Ordnung zu gewöhnen. Ich möchte noch darauf hinweisen, daß auch der
*) Siehe Anlage 3.
({0})
Bundesgrenzschutz die Einführung der Soldverwaltung dringend gewünscht hat. Ich bitte also, den Streichungsantrag der SPD abzulehnen.
Nun zu der beantragten Streichung des Arrests im Zweiten Abschnitt und. seiner Hinübernahme in den Dritten Abschnitt, also in den Abschnitt, der vom disziplinargerichtlichen Verfahren handelt. Ich habe bereits als Berichterstatter darauf hingewiesen, daß im Ausschuß der von der SPD gestellte Antrag abgelehnt worden ist. Der Grund war einmal der, daß dadurch eine untragbare Verzägerung und Komplizierung des Verfahrens eintreten würde, zum andern, daß damit eine nicht beabsichtigte Veränderung des Charakters dieser Strafe verbunden wäre. Herr Kollege Merten hat als wesentliche Gesichtspunkte für die Verlagerung des Arrests in den Dritten Abschnitt genannt: erstens, die Anwendung des disziplinaren Arrests möglichst einzuschränken, zweitens, die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens zu sichern.
Ich darf zum ersten Gesichtspunkt sagen, daß bereits die grundsätzliche Tendenz des Gesetzentwurfs dahin geht, die Anwendung des Arrests weitgehend einzuschränken. Er soll erst dann verhängt werden, wenn alle anderen Erziehungsmittel und die leichteren Disziplinarstrafen nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt haben. Auch der zweite Grundsatz, nämlich die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens zu sichern, ist beachtet worden. Dem Grundsatz des Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes, daß Freiheitsentziehungen nur auf Grund richterlicher Entscheidung zulässig sind, ist bereits dadurch Rechnung getragen, daß der Arrest nur verhängt werden darf, nachdem ein Richter seine Rechtmäßigkeit geprüft hat.
Damit entfallen eigentlich die beiden - gewiß beachtlichen - Gesichtspunkte als Begründung für die Gleichsetzung der Arreststrafe mit den Laufbahnstrafen.
Ich habe vorhin erwähnt, daß durch die Verlagerung des Arrests in die Laufbahnstrafen eine ungebührliche Verzögerung eintritt. Ich will nur ganz kurz auf den dann erforderlichen Gang des Verfahrens hinweisen. Zunächst müßte eine förmliche Einleitung des Verfahrens durch die Einleitungsbehörde stattfinden. Es müßte eine Anschuldigungsschrift durch den Disziplinaranwalt gefertigt werden. Die Anschuldigungsschrift müßte dem Betreffenden unter Fristsetzung für die schriftliche Äußerung zugestellt werden. Er muß zur Hauptverhandlung geladen werden. Hierfür ist wieder eine Frist notwendig. Dann findet eine mündliche Hauptverhandlung statt. Der Disziplinararrest könnte nur durch Urteil ausgesprochen werden. Der Bestrafte hat die Möglichkeit der Berufung beim Bundesdisziplinarhof. Für die Einlegung und für die Begründung der Berufung ist wieder eine Frist von vier Wochen erforderlich. Sie sehen also, wir würden damit eine Verzögerung erreichen, die dem Arrest den Charakter einer Besinnungs- oder einer Denkzettelstrafe unter dem Gesichtspunkt, daß die Strafe der Tat möglichst auf dem Fuße folgen soll, völlig nehmen würde.
Noch ein Wort zu dem zweiten Gesichtspunkt, der nicht beabsichtigten Gewichtsverschiebung, die dadurch eintritt. Dadurch, daß die Arreststrafe unter die Laufbahnstrafen genommen wird, wird der Charakter der Arreststrafe völlig verändert. Könnte der Disziplinararrest nur durch ein gerichtliches Urteil verhängt werden, so wäre er in den Augen der Beteiligten kaum noch von dem wegen krimineller Verfehlung verhängten gerichtlichen Strafarrest zu unterscheiden, und seine Wertung würde sich zum Nachteil des Bestraften verschieben, was von niemand beabsichtigt ist.
Aus den angeführten Gründen bitte ich Sie, den Antrag abzulehnen.
({1})
Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 2. Wie vorhin für die Antragsteller ausgeführt worden ist, wird beantragt, nur den Satz 1 des Abs. 2 zu streichen. Ist das ,klar? - Wer dem so geänderten Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es sind 5 Stimmen mehr; also ist der Änderungsantrag abgelehnt.
Wer § 10 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 11! Wer dem § 11, der unverändert ist, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 11 ist angenommen.
§ 12! Der Änderungsantrag Umdruck 935 Ziffer 3 ist schon begründet worden. Wollen Sie ihn jetzt zurückziehen?
({0})
- Er ist erledigt; dieser Antrag wird also gestrichen.
Wer dem § 12 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen eine Reihe von Nein-Stimmen angenommen.
§§ 13 und 14! Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den §§ 13 und 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 15! Hier liegen Änderungsanträge vor. Zunächst zum Antrag Umdruck 935 Ziffer 4. Herr Abgeordneter Merten?
({1})
- Zunächst also der Änderungsantrag Umdruck 939 [neu]**) Ziffer 1.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berichterstatter erklärte hier, daß das vorliegende Gesetz eine der fortschrittlichsten Disziplinarordnungen darstellt. Das ist leider in einem Punkt keineswegs der Fall. Denn diese Disziplinarordnung übernimmt Vorstellungen, die nach unserer Auffassung in die heutige Zeit nicht mehr hineingehören, weder in das sogenannte neue innere Gefüge noch in unser Grundgesetz; ich denke dabei an Artikel 1 des Grundgesetzes. Ich meine den sogenannten verschärften Arrest, den der so Bestrafte bei Wasser und Brot auf hartem Lager zu verbringen hat. An die Stelle des friderizianischen Prügelstocks der Korporäle damaliger Zeit tritt also die Kalorienpeitsche, die wir alle aus der Zeit nach 1945 in unseliger Erinnerung haben,
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 5.
({0})
die insbesondere jene in unseliger Erinnerung haben, die in Sibirien auf hartem Lager bei Wasser und Brot Jahre der Gefangenschaft verbracht haben. Es ist daher kein Zufall, daß auch der Kollege Kliesing mit einem anderen Änderungsantrag das Anliegen unterstützt, den verschärften Arrest zu streichen. Er gehört schließlich zu denen, die besonders spät aus sibirischer Gefangenschaft heimkamen. Wir rufen bei Hunderttausenden Spätheimkehrern die Erinnerung an ihre bitterste Zeit wach, wenn wir den neuen Soldaten zumuten, den Arrest bei Wasser und Brot auf hartem Lager zu verbringen.
Ich bin ferner der Meinung, daß diese Bestimmung mit Art. 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist, in dem es heißt:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß im Gefängnis und im Zuchthaus nicht die Ermächtigung gegeben ist, den Arrestanten auf Wasser und Brot zu setzen. Nur nach veralteten Vorstellungen des Jugendstrafrechts ist das leider noch möglich, ich hoffe, auch nicht mehr lange. Sie muten also dem neuen Soldaten etwas zu, was nicht einmal im Gefängnis und im Zuchthaus üblich ist. Wo bleibt hier die berühmte „Gnade des Nullpunktes" beim Aufbau unserer Bundeswehr? Wir haben doch alle in diesem Hause die Auffassung, daß das Persönlichkeitsbild des neuen Soldaten entwickelt werden und daß man nicht mit dem Mittel der Willensbrechung arbeiten soll. Einen Menschen auf hartem Lager nur durch Wasser und Brot zu ernähren Ist aber ein Mittel der Willensbrechung, ist ein Mittel, ihn mit den primitivsten Methoden gefügig zu machen.
Nun werden manche sagen: Es gibt Rowdys, denen kommt man mit dem normalen Freiheitsentzug nicht bei. Sie empfinden die Freiheitsbeschränkung nicht als Strafe, sie haben kein ausgeprägtes Ehrgefühl, sie empfinden vielmehr einen normalen Arrest bei voller Verpflegung und üblicher Lagerstatt gewissermaßen als Erholung. Das ist durchaus möglich! Aber das sind doch die Ausnahmefälle! Im normalen Falle dürfte eine Freiheitsbeschränkung ein ganz großes Übel für jeden Menschen mit Ehrgefühl sein. Und die Menschen ohne Ehrgefühl sind die Ausnahmen. Wenn man schon Rowdys hat, denen man mit den üblichen Erziehungsmethoden nicht beikommen kann, dann soll man sie mit den harten Methoden der allgemeinen Gerichtsbarkeit anfassen, aber nicht mit diesen nach unserer Auffassung überlebten Methoden des verschärften Arrestes.
Sowohl nach dem ersten wie nach dem zweiten Weltkrieg ist es die Auffassung der Disziplinarvorgesetzten gewesen, daß vom verschärften Arrest keine Erziehungswirkung ausging. Im Gegenteil, der Mensch kam erst recht verstockt und verbittert aus dem verschärften Arrest, und bei manchen ist dieses Auf-Wasser-und-Brot-Setzen, dieses Aufhartes-Lager-Legen als eine moderne Form des Sadismus empfunden worden. Mancher hat diesen Sadismus, der an ihm geübt wurde, nachher an anderen abreagiert. Eine Erziehungswirkung des geschärften Arrests ist also nicht gewährleistet.
Auch andere Kollegen aus allen Fraktionen in diesem Hause unterstützen unseren Antrag. Ich freue mich, daß insbesondere so alte Soldaten mit jahrzehntelanger Praxis darunter sind, wie beispielsweise unser Kollege Heye.
Ich bitte daher das Haus, der Streichung des verschärften Arrests sowohl in § 15 wie in § 38 zuzustimmen und so diese Disziplinarordnung zu einer dann fortschrittlichen zu machen. Im Augenblick ist sie durch die „Kalorienpeitsche" eine sehr rückständige Disziplinarordnung.
Dieser Antrag ist völlig identisch mit dem Antrag auf Umdruck 944*) Ziffer 1. Herr Abgeordneter Merten, möchten Sie nun das Wort zu diesem Antrag?
({0})
- Das ist klar. - Herr Abgeordneter Kliesing!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich habe mich mit dem Problem des sogenannten Vater Philipp auseinanderzusetzen, der Frage, ob wir den geschärften Arrest wieder einführen sollen oder nicht. Ich habe die Ehre, den Antrag der Abgeordneten Dr. Kliesing, von Manteuffel, Dr. Reichstein, Schneider ({0}) und Genossen zu begründen. Herr Kollege Mende hat schon einiges gesagt, dem man zustimmen kann. Insbesondere glaube ich, daß das, was er über die Möglichkeiten des Vergleichs mit dem Jugendstrafgesetz gesagt hat, zutreffend ist.
In den letzten Tagen ging durch die Presse zum Schmerz aller Altertumsfreunde die Nachricht, daß aus städtebaulichen Notwendigkeiten in Erlangen der letzte historische Karzer abgerissen werden müsse. Das zeigt uns, wie sehr sich im Laufe der Zeit auch die Auffassung über den erzieherischen Wert von Strafmaßnahmen ändert. Die moderne Pädagogik ist hinsichtlich des erzieherischen Wertes des Arrests überhaupt sehr skeptisch. Wir sollten es uns aber nicht zu leicht machen, diesen alten Zopf abzuschneiden, sondern wir sollten uns wenigstens mit den Argumenten, die für seine Beibehaltung vorgebracht werden, auseinandersetzen.
Es erscheint mir sehr bedenklich zu sein, wenn man sagt, man solle den geschärften Arrest beibehalten, weil er ein Mittel sei, um den Soldaten gegebenenfalls noch vor dem Strafrichter zu bewahren. Wir sprechen immer vom Staatsbürger in Uniform. Das bedeutet, daß wir ihn auch hier mit den gleichen Pflichten ausstatten müssen und daß wir auf diesem Gebiete kein Privileg für den Soldaten schaffen dürfen.
Noch bedenklicher erscheint es mir, wenn man sagt, der verschärfte Arrest sei notwendig, um die Disziplin der Truppe aufrechtzuerhalten. Es gibt genug alte Offiziere, die mit Stolz von sich sagen können, daß sie bei ihrer Truppenführung niemals zu diesem Mittel haben greifen müssen. Wenn wir soviel über den modernen Geist in der Bundeswehr reden, dann müssen wir die Frage stellen, ob ein Truppenführer, der ohne dieses erzieherische Mittel nicht auskommen zu können glaubt, tatsächlich geignet ist, das zu leisten, was von ihm in der Bundeswehr verlangt wird.
Man sagt dann, der Arrest, insbesondere der verschärfte Arrest, sei ein Mittel, um den Delinquenten zur Selbstbesinnung zu bringen. Ich habe mir zwar sagen lassen, daß Wasser und Brot und hartes Lager sehr zur Meditation anregen. Aber
*) Siehe Anlage 6.
({1})
ich glaube, es kommt dabei doch auch auf die psychologischen Voraussetzungen an, auf die Freiwilligkeit. Wenn man den Mann zur Selbstbesinnung bringen will, kann man das bereits mit einfachem Arrest erreichen. Wasser und Brot verleiten schließlich zu einer mehr renitenten Haltung und zerstören die Voraussetzungen einer derartigen fruchtbringenden Meditation.
Nun zu der Frage, ob der verschärfte Arrest einen Appell an das Ehrgefühl darstellt. Da ist zweifellos etwas dran. Aber ich persönlich bin der Auffassung, daß derjenige, dessen Ehrgefühl in einfachem Arrest nicht angesprochen wird, auch bei geschärftem Arrest in solchen Dingen nicht reagiert.
Ein Argument bleibt schließlich bestehen; das will ich ohne weiteres zugeben. Es gibt nämlich zweifellos Leute, die in puncto Ehrgefühl etwas dickfällig sind, die gegebenenfalls den Arrest ohne Verschärfung einem strammen Dienst draußen bei Wind und Wetter vorziehen werden. Aber hier möchte ich Sie darauf hinweisen, daß einige meiner Freunde bereits einen Antrag angekündigt haben, den sie vorlegen werden, der dieses Problem löst. Das ist die österreichische Lösung, nämlich auch die Möglichkeit des einfachen Arrestes zu schaffen mit der Verpflichtung, gleichzeitig am Dienst teilzunehmen. Dadurch geht doch manch einem die Lust, sich hier einen zusätzlichen Erholungsurlaub auf Kosten des Staates zu verschaffen, etwas verloren. Hinzu kommt, daß es auch ernstzunehmende Stimmen unter den Ärzten gibt, die der Auffassung sind, daß die Verschärfung des Arrestes, jedenfalls die Schmälerung der Kost, aus gesundheitlichen Gründen nicht zu vertreten sei.
Nun, was bleibt dann noch übrig? Die SPD hat sich, wie ich sehe, in ihrem Antrag auf das harte Lager beschränkt. Meine Damen und Herren, ich möchte mal in aller Offenheit die Frage stellen: Wenn es nur dabei bleibt, wo steckt dann noch der sittliche Nährwert, besonders wenn Sie sich vor Augen halten, daß es Menschen gibt, die auf einem harten Lager besser schlafen als auf einer Schaumgummimatratze? Also praktisch gesehen steckt in dem verschärften Arrest alter Prägung nichts mehr an erzieherischen Werten. Auf der anderen Seite aber besteht die Gefahr, daß man unsere Absichten mißversteht, daß man draußen sagt: Aha, es bleibt also beim 08/15-Kommiß mit dem alten Philipp und all dem altgewohnten, traditionellen Beiwerk! Man soll den jungen Wein nicht in alte Schläuche füllen! Der Herr Justizminister hat vorgestern hier ein sehr schönes Wort gebraucht. Er hat gesagt: Wir können uns nicht mit Lösungen aus einer versunkenen Zeit begnügen. - Sehen Sie, darum geht es hier! Schneiden wir den alten Zopf ab, indem Sie unserem gemeinsamen Antrag zustimmen!
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, wir sind uns darüber einig, daß die Änderungsanträge ,auf Umdruck 939*) ({0}) Ziffer 1 und auf Umdruck 944**) Ziffer 1, ,die inhaltlich gleich sind, die weitergehenden sind. Wir stimmen also zunächst über diese beiden Änderungsanträge ab.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6.
Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist das ganze Haus!
({1})
Damit ist der Änderungsantrag .auf Umdruck 935***) Ziffer 5 erledigt.
Wir stimmen nun ab über den § 15 in der so veränderten Fassung. Wer dem § 15 in der durch die Annahme dieser Änderungsanträge veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 16. Hier sind keine Änderungsanträge gestellt. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer ,dem § 16 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen
Ich rufe auf § 17. Hier liegt ein Änderungsantrag :auf Umdruck 935***) Ziffer 6 vor, der schon begründet worden ist.
({2})
- Der Antrag entfällt. Dann lasse ich abstimmen. Wer dem § 17 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Beschlossen.
Zu §§ 18, 19 und 20 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den :aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 21 liegt ein Änderungsantrag vor auf Umdruck 935***) Ziffer 7. Wird ,das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei § 21 geht es um die Einschaltung des Vertrauensmannes bei der Verhängung einer Disziplinarstrafe. Der Vertrauensmann soll nach dem Entwurf, den ,der Ausschuß hier vorlegt, gehört werden. Damit ist also gesagt, daß nur zwingende Gründe dazu führen können, ,daß er von dem Dienstvorgesetzten einmal übergangen wird, bevor dieser eine Disziplinarstrafe verhängt. Der Fall, daß der Vertrauensmann nicht gehört wird, soll also nur äußerst selten vorkommen. Es kann aber sein, daß ,der Vertrauensmann dienstlich längere Zeit ,abwesend ist und daß er praktisch nicht erreichbar ist. Es soll aber nicht möglich sein, daß er deshalb nicht gehört wird, weil er zufällig an dem einen Tage oder an den wenigen Tagen, in die die Disziplinarstrafe fällt, abwesend ist und man nicht warten will, bis er wieder zurückkommt. Wenn er aber nun .aus zwingenden Gründen, wie sie das Gesetz vorschreibt, nicht gehört werden kann, dann soll nach der Auffassung der SPD-Fraktion dem Beschuldigten diese Tatsache mitgeteilt werden, wenn die Strafe verhängt wird, damit im Falle einer Beschwerde dann auch die Tatsache nachgeprüft werden kann, ob der Vertrauensmann zu Recht nicht gehört worden ist. Wird ,dem Beschuldigten dieser Umstand aber nicht bekannt, dann wird auch eine Nachprüfung im Beschwerdeverfahren nur in den seltensten Fällen möglich sein. Es muß also zwingend auf diese Tatsache hingewiesen werden.
***) Siehe Anlage 3.
({0})
Aus diesem Grunde haben wir den Antrag gestellt, in § 21 dem Abs. 4 folgenden Satz hinzuzufügen:
Ist der Vertrauensmann nicht gehört oder ist ihm der Sachverhalt nicht vorher bekanntgegeben worden, so ist dieser Umstand dem Beschuldigten bei Verhängen der Strafe zu eröffnen.
Wir beantragen die Hinzufügung dieses Satzes aus den Gründen, die ich bereits erläutert habe und 'die insbesondere beim Beschwerdeverfahren eine wesentliche Rolle spielen. Ich bitte, unserem Antrag stattzugeben.
Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Götz.
Wir haben zur Zeit noch kein Gesetz über den Vertrauensmann und seine Stellung in der militärischen Einheit. Aber ich bin sicher, daß dieses Gesetz für den Fall längerer Abwesenheit des Vertrauensmanns auch einen Stellvertreter vorsehen wird. Der Stellvertreter kann dann von dem Disziplinarvorgesetzten zu dem betreffenden Disziplinarfall gehört werden.
Im übrigen halte ich die Einfügung des hier vorgeschlagenen Satzes deswegen für überflüssig, weil die Bestimmung in Absatz 4 ohnehin eine Soll-Vorschrift enthält. Beachtet der Disziplinarvorgesetzte diese Soll-Vorschrift nicht, so handelt er pflichtwidrig und macht sich eines Dienstvergehens schuldig. Ich glaube, ,daß diese Tatsache genügt und die Hinzufügung des hier beantragten Satzes aus diesem Grunde nicht erforderlich ist.
Herr Abgeordneter Merten!
Herr Kollege Götz hat den Sinn unsres Antrags völlig mißverstanden. Der Absatz 4 bleibt ja in dem Wortlaut stehen, den er hat. Es handelt sich nur um die Verpflichtung des die Strafe verhängenden Dienstvorgesetzten, in der Strafentscheidung mitzuteilen, ob der Vertrauensmann gehört worden ist. Die Möglichkeit, daß der Vertrauensmann nicht gehört warden ist, ist durchaus gegeben. Unser Antrag hat nur den Sinn, daß der Betreffende, der sich über seine Strafe beschwert, dann auch die Tatsache, daß ,der Vertrauensmann nicht gehört worden ist, zum Gegenstand der Beschwerde machen kann und daß diese Tatsache nachgeprüft werden kann. Wenn das im Urteil nicht erwähnt wird, woher soll der Betreffende das dann erfahren? Es steht nirgends und kann also nicht zum Gegenstand einer Nachprüfung gemacht werden.
Ich verstehe nicht recht, wie man sich dagegen wehren kann, daß auch ,das Verhalten des Dienstvorgesetzten beim Verhängen 'der Strafe Gegenstand der Nachprüfung im Beschwerdeverfahren wird. Damit wird ja gerade dem, was Sie sagen, Rechnung getragen: der Vorgesetzte würde sich einer Pflichtverletzung schuldig machen. Voraussetzung ist aber, daß der Beschuldigte Kenntnis von dieser Pflichtverletzung erhält. Das soll ihm zwangsläufig zur Kenntnis gebracht werden. Dadurch wird die ganze Angelegenheit wesentlich vereinfacht. Sonst müßten nämlich zwei Beschwerden behandelt werden: eine über die Strafe und eine zweite über den Dienstvorgesetzten wegen seines
Verhaltens bei dem, was der Strafe vorausgeht. Diese Dinge werden hier in einem Gang zusammengefaßt. Darum geht es in diesem Antrag.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 7 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
§§ 21, - 22, - 23, - 24. - Ich nehme an, daß zu den §§ 22 bis 24 das Wort nicht gewünscht wird. - Wer den aufgerufenen Bestimmungen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 25. Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 8. Wird begründet?
({0})
- Entfällt. Wer dem § 25 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Angenommen.
§ 26 Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 9.
({1})
- Entfällt. Wird das Wort ,gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 26 in der Ausschußfassung zustimmen will, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Angenommen.
§ 27. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 27 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 28; dazu Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 10.
({2})
Änderungsantrag Umdruck 944 Ziffer 2. Wird er begründet? - Umdruck 944**) Ziffer 2, Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Kliesing und Genossen. - Es wird auf Begründung verzichtet. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 944 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 944 Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Nun kommt die Abstimmung über den § 28 in der durch ,die Annahme des Änderungsantrags Umdruck 944 Ziffer 2 geänderten Fassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 27 ist in der so geänderten Fassung angenommen.
§ 29. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 29 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 29 ist angenommen.
§ 30; dazu Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 11.
({3})
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 6.
({4})
- Entfällt. Wir stimmen über § 30 in der unveränderten Ausschußfassung ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 31. Keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 32; dazu Änderungsantrag Umdruck 935 Ziffer 12.
({5})
- Entfällt. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer ,dem § 32 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§§ 33, 34 und 35. - Wortmeldungen? - Keine Wortmeldung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 36, dazu Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 13.
({6})
- Entfällt. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 36 in der Ausschußfassung zustimmen will, ,den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 37. Wortmeldungen? - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 38; dazu Änderungsantrag Umdruck 939 ({7})**) Ziffer 2. Er ist bereits begründet. - Es ist ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP, identisch mit dem Änderungsantrag Dr. Kliesing Umdruck 944 Ziffer 3. Wird diesem Änderungsantrag
- also Umdruck 944***) Ziffer 3 und Umdruck 939 Ziffer 2 - zugestimmt? - Ich bitte um ein Handzeichen. - Angenommen.
Wer dem § 38 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Angenommen.
§ 39; keine Änderungsanträge. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 40. Hierzu Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 935 Ziffer 14.
({8})
Wer dem § 40 in der Ausschußfassung zustimmt,
den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Angenommen.
§ 41. Keine Änderungen. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ,das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Angenommen.
§ 42. Änderungsantrag der SPD Umdruck 935*) Ziffer 15. - Herr Abgeordneter Merten zur Begründung.
In § 42 Abs. 4 dreht es sich um die Tilgung von Disziplinarstrafen. Der vorliegende Entwurf sieht diese Tilgungsmöglichkeit nur bei Wehrpflichtigen, aber nicht 'bei Soldaten auf Zeit und bei Berufssoldaten vor. Wir halten es nicht
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 6. für zweckmäßig, ,daß eine einfache Disziplinarstrafe den Berufssoldaten oder den Soldaten auf Zeit bis zu seinem Ausscheiden und seiner Pensionierung begleitet. Die Folgen einer einmaligen Unbesonnenheit zu Beginn seiner Dienstzeit können diesem Soldaten unter Umständen während seiner ganzen Dienstzeit immer wieder Schwierigkeiten bereiten und schädlich sein. Das kann aber niemals der Sinn einer Disziplinarstrafe sein. Aus diesem Grunde beantragen wir, daß die Tilgungsmöglichkeit von einfachen Disziplinarstrafen für alle Soldaten in ,gleicher Weise - ganz gleich, ob sie Soldaten auf Zeit, Berufssoldaten oder wehrpflichtige Soldaten sind - geregelt wird, indem die Bestimmung, daß 'einfache Disziplinarstrafen bei Soldaten getilgt werden können, wenn der Bestrafte drei Jahre lang weder strafgerichtlich noch ,disziplinarisch bestraft worden ist, für alle Soldaten gilt und die Ausnahmebestimmung des Abs. 4: „die nicht Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit sind", gestrichen wird. Ich bitte Sie, gerade im Interesse der betroffenen Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit unserm Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Berendsen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als alter Berufssoldat bin ich den Gedankengängen, die eben hier entwickelt worden sind, durchaus zugänglich. Wir haben im Ausschuß sehr eingehend darüber gesprochen. Ich habe mich dann aber ebenso wie meine Freunde davon überzeugen lassen, daß die Gleichheit mit den Beamten eine gewisse Änderung dieses Antrags dahingehend :erfordert, daß den Berufssoldaten und den Soldaten auf Zeit bei ihrem Ausscheiden und bei ihrer Bewerbung für einen späteren Beruf keine Nachteile dadurch entstehen sollen, daß sie mal disziplinarisch bestraft worden sind. Ich glaube deshalb, daß dem Gedanken, den Sie, Herr Kollege, vorgetragen haben, durch die Bestimmung Rechnung getragen worden ist, daß bei Bewerbungen eine Auskunft über Disziplinarstrafen nicht gegeben werden darf. Dadurch sind die Nachteile, die Sie erwähnt haben, vermieden. Ich bitte also, den Antrag der Sozialdemokratie abzulehnen.
Herr Abgeordneter Merten!
Herr Kollege Berendsen hat erwähnt, was schon im Laufe ,der Diskussion gesagt worden ist, daß mit Rücksicht ,auf ,das Beamtenrecht gewisse Dinge nicht getan werden könnten. Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Auffassung, daß das augenblicklich geltende Beamtenrecht oder die augenblicklich geltende Bundesdisziplinarordnung der Weisheit letzter Schluß wäre, sondern ich bin durchaus der Ansicht, daß wir auch hier fortschrittlichere Regelungen treffen müssen. Wenn nun schon im Beamtenrecht rückschrittliche Regelungen enthalten sind, dann ist das für mich erst recht ein Grund, bei Gelegenheit der Neufassung eines Gesetzes, wie hier der Wehrdisziplinarordnung, dem Fortschritt Bahn zu brechen in der Hoffnung, daß das Beamtenrecht dann nachkommt; denn wenn hier einer auf den anderen wartet, können wir noch lange auf einen Fortschritt warten.
Gewiß, Herr Kollege Berendsen, wird über Disziplinarstrafen keine Auskunft gegeben. Aber sie stehen in den Personalpapieren, und bei Be({0})
werbungen von Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit um Stellen im öffentlichen Dienst wandern die Personalpapiere mit. Die Behörden erhalten also doch Kenntnis davon; infolgedessen treten die Folgen ein, die ich befürchte. Das, was Sie sagen, gilt nur dann, wenn sich der Betreffende um eine Stellung in der freien Wirtschaft oder bei anderen Stellen außerhalb des öffentlichen Dienstes bewirbt.
Uns ist im Ausschuß erklärt worden, daß die praktischen Maßnahmen, die Disziplinarstrafen aus den Personalpapieren zu entfernen, auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würden. Ich glaube aber, daß es der Verwaltung möglich sein wird, einen Weg zu finden, die Disziplinarstrafen in den Personalpapieren so zu führen, daß sie daraus entfernt werden können, ohne daß später irgendjemand feststellen kann: in diesen Papieren war einmal eine Disziplinarstrafe. Sie müssen dann eben in einem Sonderband oder in einer eigenen Akte geführt werden, damit man das nicht durch die Numerierung der Seiten oder durch andere Kennzeichen herausbekommen kann. Also die praktischen Möglichkeiten sind da. Die Möglichkeiten einer Schädigung der Berufssoldaten und der Soldaten auf Zeit sind ohne weiteres gegeben, soweit es den öffentlichen Dienst betrifft, und wir sollten das Gesetz benutzen, um die Möglichkeit für diesen Personenkreis auszuschalten ohne Rücksicht darauf, daß zur Zeit noch bei den Beamten eine andere Regelung gilt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lotze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte das Anliegen der SPD, auch die Strafen der Berufssoldaten zu tilgen, für gerechtfertigt, und muß Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege Berendsen, sagen: Sie haben auf Grund der Vergleiche mit dem Beamtenrecht an Ihrer ursprünglichen Auffassung nicht festgehalten; diese Überlegung trifft aber nicht ganz zu. Denn gerade hier ist ein Punkt, an dem sich das Beamtenrecht wesentlich von unserem Disziplinarrecht unterscheidet. Es ist keineswegs so, daß derartige Strafen, wie wir sie in einer Wehrmacht auf ganz anderen Grundlagen haben müssen und haben, nun im Beamtenrecht genauso verwandt werden. Solche kleinen Strafen, die aus der Notwendigkeit der Autorität, aus der Notwendigkeit der Erziehung verhängt werden müssen, sind im Beamtenrecht nicht praktikabel. Gerade weil eben in der Wehrmacht anders und wahrscheinlich etwas mehr gestraft werden muß, ist es auch gerechtfertigt, hier vom Beamtenrecht abzugehen und eine andere Regelung zu schaffen, nämlich die Strafen nach einer bestimmten Zeit zu tilgen. Beim Beamten liegt das Schwergewicht der Disziplinarstrafgewalt auf dem, was wir im ersten Entwurf Laufbahnstrafen genannt haben. Anders beim Soldaten. Jeder, der Soldat gewesen ist, weiß, daß die Bestrafung im militärischen Rahmen öfter notwendig wird, als sie bei den Beamten in der Verwaltung notwendig ist. Wenn wir uns gleich zu Anfang nicht dem Beamtenrecht angeglichen haben, so ist es gerade hier am wenigsten angebracht, dieser Tilgung mit beamtenrechtlichen Gründen zu widersprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Antrag des Herrn Kollegen Merten und vor allem seinen letzten Worten widersprechen. Es ist nicht wahr, daß die Bestimmungen des Beamtenrechts rückschrittlich sind, daß sie gar aus einer alten Zeit stammen. Der Deutsche Bundestag hat das Beamtengesetz geschaffen.
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- Es ist kein veraltetes Recht. Wir haben das Beamtengesetz mit der Mehrheit verabschiedet, die in diesem Hause vorhanden ist, und diese Mehrheit wird gar keinen Anlaß haben, das Beamtengesetz zu ändern. Es ist also nicht so, daß hier einem neuen Gedanken, erst bei den Soldaten und später bei den Beamten, zum Durchbruch verholfen werden soll, sondern wir lehnen den Antrag ab, weil wir die Bestimmungen des Beamtenrechts dort schon für richtig halten.
Das zweite. Ich halte es für sehr bedenklich, wenn Akten so angelegt werden, daß daraus eines Tages Blätter verschwinden können. Wenn das erst angeht, dann ist überhaupt eine geordnete Personalführung gar nicht mehr möglich.
Das dritte. Ich muß dem Herrn Kollegen Lotze entschieden widersprechen. Der Staat muß an seine Diener besonders hohe Anforderungen stellen, und ich glaube, die Anforderungen, die an einen Offizier gestellt werden, liegen noch erheblich über denen, die an einen Beamten gestellt werden. Wenn also schon beim Beamten Disziplinarstrafen weiterhin im Akt bleiben, dann müssen sie erst recht beim Offizier im Akt bleiben. Aus diesen Gründen bitte ich Sie, den Antrag Merten abzulehnen.
Herr Abgeordneter Merten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, feststellen zu müssen, daß Herr Kollege Dr. Jaeger das eigentliche Anliegen dieser ganzen Sache nicht verstanden hat. Ich muß mich darüber wundern, denn es ist doch sonst nicht seine Sache, etwas schwer zu verstehen.
Das Beamtenrecht, Herr Dr. Jaeger, das wissen Sie genau, ist von diesem Bundestag nicht neu erlassen worden, sondern es sind lediglich im Wege der Rechtsangleichung des vorhandenen Rechts die alten Bestimmungen des Beamtenrechts mit wenigen Modifikationen wieder neu gefaßt worden.
Daß die Disziplinarstrafen eines Beamten nicht gelöscht werden, sondern daß sie bleiben, ist nichts Neues; das war früher genauso, und es steht heute genauso wieder drin. Das ist eine alte Geschichte. Ich halte das für verkehrt, und ich halte es erst recht für verkehrt - und da komme ich zu dem letzten, was Sie gesagt haben - bei den Staatsdienern, die wir Soldaten nennen. Sie sagen, es müssen hohe Anforderungen an den Offizier gestellt werden. Vollkommen richtig! Aber warum soll einen Mann, wenn er als Neunzehnjähriger wegen einer Unbesonnenheit eine Disziplinarstrafe bekommen hat, diese Disziplinarstrafe bis zu seinem 60. Lebensjahr, wenn er in Pension geht, begleiten? Das hat doch mit den Anforderungen, die an einen Staatsdiener gestellt werden, gar nichts zu tun. Ein Beamter kommt gar nicht in eine vergleichbare Situation. Sie wissen, wenn jemand
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Regierungsrat ist, dann ist er es in einem Alter, das weit über dem Alter liegt, das wir für die Wehrpflicht festgesetzt haben; selbst über das Höchstalter für die Wehrpflicht ist er schon hinaus. Er ist in einer ganz anderen Weise in der Lage, zu kontrollieren, was er tun und was er nicht tun darf.
Sie verankern durch diese Bestimmung, daß nicht nur die Strafe, die ein Hauptmann bekommt, in seinen Akten bleibt - darüber ließe sich noch reden -, sondern daß auch die kleine Disziplinarstrafe, die er während der Ableistung seiner Wehrpflicht oder seines freiwilligen Grundwehrdienstes bekommen hat, ihn bis zu seinem Ausscheiden begleiten und allen Stellen, bei denen er später einmal im öffentlichen Dienst verwendet werden soll, und auch allen Stellen innerhalb der Bundeswehr, die mit seiner Beförderung und seiner Einteilung zu tun haben, bekannt wird, ohne daß er in jedem Einzelfall Gelegenheit hat, den Leuten in einer stundenlangen Unterhaltung klarzumachen, daß es sich nur um eine Kleinigkeit oder um eine jugendliche Unbesonnenheit gehandelt hat,
Was die Akten anlangt, Herr Dr. Jaeger, so sind wir vollkommen einig. Wir wissen beide, daß es nicht angeht, aus Akten Blätter zu entfernen. Deshalb habe ich vorhin gesagt, man kann die Personalakten so anlegen, daß die Disziplinarakten gesondert geführt werden, daß sie mit den andern Akten nicht in Zusammenhang stehen, und fortlaufend innerhalb der Akten numeriert werden. Den praktischen Weg für diese Sache wird unsere Verwaltung, die ja sonst sehr erfindungsreich ist, ohne eden Zweifel ermitteln. Ich kenne kein Gesetz, das auszuführen unsere Verwaltung nicht in
der Lage wäre. Wir haben viel schwierigere Gesetze gehabt, und auch sie hat unsere Verwaltung ausgeführt. In der Beziehung befürchte ich also keine Konsequenzen und Schwierigkeiten.
Ich bitte Sie nochmals, im Interesse derjenigen, die es angeht, nämlich der Soldaten auf Zeit und der Berufssoldaten, diese Bestimmung aus dem Gesetz zu streichen.
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Herr Abgeordneter Kleindinst wünscht noch zu dieser Frage zu sprechen. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nur in Erinnerung rufen, daß wir im 1. Bundestag die Bundesdisziplinarordnung völlig neu gestaltet haben, und zwar, wie ich glaube, sogar mit einhelliger Zustimmung des ganzen Hauses. Wir sind in einzelnen Punkten verschiedener Meinung gewesen. Aber die Bundesdisziplinarordnung ist völlig neu gestaltet gewesen, und wir hätten es gerne gesehen, wenn sie auch die Grundlage der Wehrdisziplinarordnung geworden wäre. Aber darüber wollen wir heute gar nicht weiter sprechen; es liegt eine Vorlage vor.
Zweitens: Darüber, daß eine Löschung von Disziplinarstrafen nicht möglich ist, sind wir uns doch auch völlig klar; denn es ist bei den Anforderungen, die an den öffentlichen Dienst gestellt werden, notwendig, daß diese Disziplinarstrafen festgehalten werden. Inwieweit sie später gewürdigt werden, ist natürlich - wenn weit zurückliegende Fälle vorliegen - Sache einer verantwortlichen vorgesetzten Behörde. Aber erstens müssen diese
Strafen festgehalten werden, sie dürfen nicht gelöscht werden, und zweitens müssen die Akten vollständig sein.
Herr Abgeordneter Lotze!
Ich möchte Herrn Kollegen Jaeger noch einmal ganz kurz erwidern: Der springende Punkt, auf den Sie nicht eingegangen sind, ist gerade der, daß das Beamtendisziplinarrecht und das Wehrmachtdisziplinarrecht nicht miteinander kongruent sind, und zwar weder vom Gesetzgeberischen noch viel weniger von der praktischen Anwendung her. Aus diesem Grunde bin ich dafür, daß im Wehrmachtdisziplinarrecht eine Löschungsmöglichkeit und eine Tilgungsmöglichkeit gegeben sind.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 935*) Ziffer 15. Wer diesem Änderungsantrag der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit. ({0})
Wiederholen wir die Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 935 Ziffer 15 ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das Präsidium ist sich über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig. Wir müssen auszählen.
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Haben alle stimmberechtigten Mitglieder des Hauses den Saal verlassen? - Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.
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Meine Damen und Herren, die Auszählung hat begonnen. Ich bitte, sich zu beeilen.
Ich bitte die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Für den Änderungsantrag haben 122, dagegen 120 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten hat sich niemand. Der Änderungsantrag wäre angenommen, aber der § 50 der Geschäftsordnung sagt:
Der Präsident eröffnet die Abstimmung. Wird vor ihrem Beginn die Beschlußfähigkeit von mindestens 5 Abgeordneten bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht, so ist in Verbindung mit der sachlichen Abstimmung
- die soeben stattgefunden hat die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen . . . festzustellen.
Ich stelle fest, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses vorher zwar nicht beweifelt worden ist; aber jetzt ist die Beschlußunfähigkeit objektiv festgestellt. Infolgedessen bleibt mir gar nichts anderes übrig, als die Sitzung aufzuheben.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 21. Februar, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.