Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/21/1957

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, 'nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die vom Bundesminister der Finanzen auf Grund des § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Übersichten über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen. Es ist inzwischen eingegangen die Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im zweiten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1956 ({0}). Ich darf annehmen, daß das Haus mit einer Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. Ferner darf ich das Haus davon unterrichten, daß wir heute noch sieben Vorlagen über die Ratifizierung von Verträgen mit Österreich auf die Tagesordnung setzen sollten; es ist vorgesehen, daß diese Verträge ohne Aussprache an die Ausschüsse überwiesen werden. Schließlich muß über eine Vierundsechzigste, Fünfundsechzigste und Siebenundsechzigste Verordnung über Zollsatzänderungen Beschluß gefaßt werden. Da die Drucksachen noch nicht verteilt sind, schlage ich dem Hause vor, daß wir diese Punkte zu Beginn der Sitzung am Nachmittag aufrufen. - Das Haus ist damit einverstanden. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 15. Januar 1957 die Kleine Anfrage 299 der Fraktion des GB/BHE betreffend Anzahl der durch deutsche Gerichte abgeurteilten ehemaligen deutschen Soldaten, Angehörigen wehrmachtähnlicher Verbände oder anderer Personen ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3113 verteilt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 18. Januar 1957 die Kleine Anfrage 311 der Abgeordneten Lulay, Becker ({2}), Krammig und Genossen betreffend Beschäftigte bei den alliierten Streitkräften ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3120 verteilt. Jetzt kommen wir zu dem Hauptpunkt der Tagesordnung: Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter ({4}) und des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten ({5}) ({6}). Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({7}). ({8}) Ich eröffne die Beratung in der dritten Lesung. Allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Sprecher der Bundesregierung bezeichnete die Gesetzesvorlage, in deren dritte Beratung wir nun eintreten, als epochemachend. Wenn wir uns auch dessen bewußt sind, daß wir ein sehr bedeutsames Gesetzeswerk verabschieden, sollten wir uns doch davor hüten, zu sehr mit Superlativen zu arbeiten, ({0}) weil sonst Enttäuschungen bei denjenigen, für die dieses Gesetz bestimmt ist, nicht ausbleiben können. Wenn Sie sich die Gesetzesvorlage vornehmen und nur einen ersten Blick hineinwerfen, so sehen Sie schon aus der Gesetzessystematik, daß wir eine Änderung einer Reihe von - allerdings wichtigen - Abschnitten des Vierten Buchs der Reichsversicherungsordnung von 1911 vornehmen, und zwar der §§ 1226 bis 1437, und daß wir im Angestelltenversicherungsgesetz einige - allerdings auch sehr wichtige - Abschnitte neu regeln. Diese Gesetzessystematik zeugt doch nicht von einer epochemachenden Neugestaltung! Vielleicht der Inhalt; darauf will ich zu sprechen kommen. Wenn wir beim Beginn der dritten Lesung versuchen, ein wenig innezuhalten und zu überdenken, was an Grundsätzlichem in dieser gesetzlichen Neuregelung liegt, so stellen wir fest, daß in der bisherigen Diskussion ein Gedanke zu kurz gekommen ist - vielleicht war er für uns alle schon selbstverständlich -, nämlich daß wir hier ein gleiches Beitrags- und Leistungsrecht für die Arbeiter und für die Angestellten einführen. In unserer Rentenversicherung hatten wir bis 1942 unterschiedliche Beiträge, und seitdem haben wir noch unterschiedliche Leistungen für Arbeiter und Angestellte. Ich will hier gar nicht untersuchen, ob jene Formel vom „besseren Angestelltenversicherungsgesetz" der Realität entsprach. Uns erschien sie immer etwas mystisch. Denn wir alle wissen, daß bei langjährigem Arbeitsleben die bisherige Rentenformel der Angestellten keineswegs günstiger als die der Arbeiter war. Die Sozialdemokraten haben - das wird in diesem Hause wohl von niemandem bestritten werden - seit jeher, ungeachtet der soziologischen Besonderheiten der Angestellten, immer die Forderung nach gleichem sozialen Recht für Arbeiter und Angestellte erhoben. ({1}) Wir Sozialdemokraten sind glücklich, daß nun wenigstens in dieser Hinsicht etwas - wenn man es pathetisch sagen will - Epochemachendes in einem Gesetz verwirklicht wird. Es hat im Sozialpolitischen Ausschuß und ganz wenig hier im Plenum noch kleine Nachhutgefechte darüber gegeben, ob dieses gleiche Leistungsrecht für Arbeiter und Angestellte gelten sollte. Die Regierung hatte - wir bedauern es - in ihrer Gesetzesvorlage auch noch einen gewissen Unterschied der Leistungen in der Rentenversicherung der Arbeiter und der der Angestellten aufrechterhalten, vielleicht nur, wie man so sagt, aus optischen Gründen. Wir Sozialdemokraten sind aber froh, daß sich der Ausschuß und das Haus unserer Auffassung angeschlossen haben, daß gleiches soziales Recht für Arbeiter und Angestellte gelten muß. ({2}) - Frau Kollegin Kalinke, Sie machen einen Einwurf; deshalb zu Ihnen eine Bemerkung! Sie haben im Ausschuß immer wieder in bezug auf ({3}) die Besonderheiten der Angestellten - wir sprechen nicht von den soziologischen Besonderheiten, sondern wir sprechen hier vom besonderen Beitrags- und Leistungsrecht - den Finger erhoben - das geben wir zu - und erklärt, Sie hätten dazu grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Aber, Frau Kollegin Kalinke, was Sie sagten, waren gar keine grundsätzlichen Bemerkungen; Sie konnten sie nicht mehr anbringen. Frau Kollegin Kalinke, ich darf Ihnen das nach dieser Ausschußarbeit sagen: Niemand im Hause hat eine bessere Konzeption für die Rentenversicherung ,der Angestellten entwickelt, auch Sie nicht. Das, was Sie vorgetragen haben, waren doch Dinge, die sozialpolitisch ganz am Rande liegen. Sie haben beispielsweise beantragt, die Elternrente für Angestellte einzuführen und für Arbeiter nicht, ({4}) weil Angestellte häufiger mit ihren Eltern zusammenleben würden usw. Das war doch - darüber waren wir uns alle im Ausschuß klar - kein zentrales Problem. ({5}) - Wenn Sie es bestreiten, so verweise ich auf die Anträge, die Sie in der dritten Lesung einbringen wollen. Ich sehe in den Anträgen Ihrer Fraktion zur dritten Lesung, die ich nur kurz überfliegen konnte, nichts Grundsätzliches in bezug auf die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, gar nichts. Sie beginnen da mit Lehrlingen, einer Berufsausbildung, Beschäftigung bei Eltern usw. Das ist doch keine grundsätzliche Konzeption zur Angestelltenversicherung anderer Art. Darüber sollten wir uns doch gemeinsam im klaren sein und sollten nicht durch Nebensächlichkeiten die vielleicht epochemachende Bedeutung der Rechtsgleichheit zu verkleinern suchen. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, daß alle Mitglieder des Hauses - das darf ich ausdrücklich betonen - auch die Sozialdemokraten, an einer finanziellen Selbständigkeit der Rentenversicherung der Angestellten festhalten wollen - wir haben das auch in unserem Gesetzentwurf zum Ausdruck gebracht -, daß aber die überwältigende Mehrheit des Hauses jetzt den Grundsatz eines gleichen Beitrags- und Leistungsrechts für Arbeiter und Angestellte verwirklichen will. Wenn der Herr Präsident beim Aufrufen der einzelnen Paragraphen immer „links - rechts, links - rechts" aufruft, erlebt jeder, auch wer nicht an den Ausschußberatungen teilnehmen konnte, daß wir im Prinzip - das ist sozialpolitisch wirklich entscheidend - ein gleiches Recht für Arbeiter und Angestellte verwirklichen. Bei dieser Neugestaltung des Rechts sind Sie, meine Damen und Herren, im Begriff - und das bedauern wir Sozialdemokraten außerordentlich -, in einem Punkte eine Beeinträchtigung des Rechts der Angestellten vorzunehmen, gegen die wir Sozialdemokraten uns immer gewehrt haben. Wir haben in der Entscheidung über diese Frage im Hause vier namentliche Abstimmungen durchführen müssen. Es handelt sich um die Frage: Soll der bisher günstigere Begriff der Berufsunfähigkeit, wie er seit jeher in der Angestelltenversicherung gilt, nun in der neuen Rentenversicherung fortgeführt werden, oder soll der bisherige Begriff der Berufsunfähigkeit zum Nachteil der Angestellten - ich will mich vorsichtig ausdrücken - neu formuliert werden? Alle Sprecher der Angestellten sind mit uns - und darin sind wir uns wieder einig, Frau Kollegin Kalinke - darin der gleichen Auffassung, daß Sie sich anschicken, durch diesen neuen Begriff der Berufsunfähigkeit für die Angestellten eine Verschlechterung einzuführen. Das ist gerade in dem Augenblick, in dem wir gleiches Leistungs- und Beitragsrecht schaffen wollen, wirklich keine gute Sache, und zwar nicht nur für dieses Gesetz, sondern auch hinsichtlich der weiteren sozialpolitischen und politischen Auswirkungen für das Verhältnis von Arbeitern und Angestellten. Sie erwekken hier leider bei den Angestellten die Befürchtung, daß ein neues, gleiches Recht mit Benachteiligungen für sie verbunden sein könne. Gegen eine solche Benachteiligung wehren wir uns, und deshalb werden wir dazu auch in der dritten Lesung noch unseren Antrag stellen. ({6}) Herr Bundeswirtschaftsminister, ich wäre dankbar, wenn auch Sie - ({7}) Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie hatten die Freundlichkeit, in die Debatte über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rentenversicherung einzugreifen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie auch von den Argumenten der Opposition Kenntnis nähmen, indem Sie zuhörten. Würden Sie so liebenswürdig sein? ({8}) Wir wollen uns in dieser Beratung über grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten auseinandersetzen. Noch in einem weiteren Punkte enthält die gesetzliche Neuordnung der Rentenversicherung eine Benachteiligung der Angestellten, die zwar nicht neu ist, die schon im bisherigen Recht bestand - ({9}) - Ja, aber wir wollen Benachteiligungen für die Zukunft ausschalten! Das ist unser Anliegen, und deshalb muß ich darauf aufmerksam machen. Ich meine eine Benachteiligung der Angestellten in einem Punkte, in dem eine Benachteiligung nicht so ohne weiteres erkennbar ist. Es soll nämlich für die Angestellten eine Versicherungspflichtgrenze eingeführt werden, was praktisch bedeutet, daß die Angestellten mit einem Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze ihre Altersversicherung aus eigenen Mitteln bestreiten müssen. Wir Sozialdemokraten bezeichnen das - und das wird auch die Meinung vieler Angestellten sein - als eine Benachteiligung. Denn die betreffenden Angestellten müssen, falls sie sich freiwillig weiterversichern wollen, die vollen Mittel für diese freiwillige Weiterversicherung aufbringen, da der Arbeitgeberanteil entfällt. Hier im Hause wurde davon gesprochen, daß die Versicherungspflichtgrenze erweitert werde. Das ist formal richtig. Aber wir denken hier in wirtschaftlichen Zusammenhängen. Ich möchte Sie daran erinnern, daß im Jahre 1913 die Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung, wenn ich nicht irre, 5000 Mark betrug. Wir gestalten hier eine Anpassung der Rentenversicherung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse. Wenn Sie die gleiche Anpassung auch für die Beitrags- und Versicherungspflichtgrenze der Jahre 1913 bis 1957 vornehmen würden, dann würden Sie nicht auf eine Versicherungspflichtgrenze von 15 000, sondern ({10}) von 20 000 Mark kommen müssen, in der Größenordnung etwa, und es geht ja hier um Größenordnungen. Sie ist wichtig wegen des Prinzips der Rentenneuordnung. Bei der Versicherungspflichtgrenze wurde so viel von den Generaldirektoren gesprochen. Der Angestellte mit über 1250 DM Monatsgehalt ist noch längst kein Generaldirektor. ({11}) Hätten Sie eine höhere Grenze festgesetzt, dann wären Ihre Argumente besser gewesen. Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß Sie mit der Einführung der Versicherungspflicht-grenze die Angestellten benachteiligen; denn in der Rentenversicherung der Arbeiter existiert eine solche Versicherungspflichtgrenze nicht. Wir Sozialdemokraten sagen es auch an dieser Stelle deutlich: wir sind der Meinung, daß diese Versicherungspflichtgrenze über kurz oder lang fallen wird. Sie muß sogar nach Ihrer eigenen Konzeption fallen; denn Sie haben sie im Gesetz statisch und nicht dynamisch gestaltet. Sie sind sonst recht stolz darauf, daß in das Gesetz eine gewisse Dynamik hineingebracht wird, die Versicherungspflichtgrenze gestalten Sie aber statisch. Damit geben Sie selbst praktisch die Möglichkeit, sie wieder zu verändern; und das wird der Fall sein. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß auch dieser Schönheitsfehler, auf lange Sicht gesehen, noch beseitigt werden wird, weil seine Beseitigung im Interesse der Angestellten selbst liegt. Meine Damen und Herren, da wir von Schönheitsfehlern in der Neugestaltung sprechen, will ich noch eine Bemerkung machen, auf die wir später noch näher eingehen werden: Ein Schönheitsfehler liegt in der Neuordnung des Rechts auch insofern, als Sie durch indirekte Aufrechterhaltung der bisherigen Mindestrenten bei den Sonderzuschüssen noch eine Unterschiedlichkeit in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für rückwärtige Zeiträume beibehalten. Wir werden 'deshalb dazu aus den grundsätzlichen Erwägungen, die unsere sozialdemokratische Konzeption bestimmen, noch einen Antrag stellen müssen. Nun darf ich zur Frage des Kreises der Versicherten noch eine Bemerkung machen. Epochemachend ist Ihre Regelung bezüglich der freiwilligen Versicherung zweifellos nicht. Sie ist nicht fortschrittlich. Was Sie hier beschlossen haben, bedeutet eine Geltendmachung rückläufiger Tendenzen. Mir ist auch aus der Entwicklung im Ausland kein Fall bekannt, in dem ein Gesetzgeber eine Möglichkeit zur Rentenversicherung wieder zurückrevidiert, wie Sie es hier durch Einschränkung der Selbstversicherung und freiwilligen Versicherung vornehmen wollen. Meine Damen und Herren, kommen Sie nicht mit dem Argument, das geschehe im Interesse der Bereinigung, weil Sie hier eine reine Rentenversicherung der Arbeiter und dort eine solche der Angestellten schaffen wollten und die Selbstversicherung sowie die freiwillige Weiterversicherung in der bisherigen Form hier nicht hineinpassen würden. Dieses Argument wird durch Ihre eigene Regelung ad absurdum geführt; denn Sie schaffen im Gesetz keineswegs eine reine Rentenversicherung der Arbeiter und eine reine Rentenversicherung der Angestellten, sondern Sie behalten für einen kleinen Teil der Selbständigen eine Pflichtversicherung bei; diese müssen Sie beibehalten, weil Sie bisher in bezug auf die soziale Sicherung der Selbständigen keine neue Konzeption entwickeln konnten. Was in den Übergangsvorschriften in der Handwerkerversicherung gestaltet werden soll, kann wahrlich niemand als eine neue Konzeption bezeichnen; das hat mit dem Gedanken einer sinnvollen sozialen Sicherung der Selbständigen wenig zu tun. Wir Sozialdemokraten erkennen ohne weiteres an, daß man diese Fragen nicht isoliert für Handwerker und sonstige Selbständige sehen kann. Wir haben immer gesagt - und das darf ich auch bei der dritten Lesung erklären und unsere Forderung daraus anmelden -, daß auch die Selbständigen einen Anspruch auf soziale Sicherung haben; ({12}) denn ihre wirtschaftliche Lage ist oft noch unsicherer als die der Arbeiter und Angestellten. Wir haben immer erklärt: keinen Schematismus! Man kann die soziale Sicherung der Selbständigen nicht in der gleichen Weise und nicht in den gleichen organisatorischen Formen durchführen wie die der Arbeiter und Angestellten. Die Selbständigen benötigen eine soziale Sicherung, die ihren besonderen Verhältnissen entspricht. An dieser Forderung nach einer entsprechenden sozialen Sicherung der Selbständigen, die ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angepaßt ist - die in diesem Bundestag nicht mehr verwirklicht wird -, werden die Sozialdemokraten festhalten. Davon müssen Sie heute bei der dritten Lesung Kenntnis nehmen. ({13}) Wir werden daran festhalten, weil diese Forderung einem Bedürfnis der ,Selbständigen entspricht. Nun zur Frage der Leistungen. In der Begründung der Regierung und in vielen Erklärungen wurde schon seit Jahren angekündigt, daß dieses Gesetz einen grundsätzlichen Wandel in der Leistungsgestaltung insofern bringen werde, als der Gedanke der Krankheitsvorbeugung und der Wiederherstellung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, also der Gedanke der Prävention und der Rehabilitierung, eine maßgebende, eine fundamentale Bedeutung erhalten werde. Man hat davon gesprochen, daß das geradezu die Wende in der sozialen Rentenversicherung darstellen werde. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen jetzt einmal nüchtern das überdenken, was Sie in der Mehrheit beschlossen haben. Die Sozialdemokraten haben eine andere Konzeption entwickelt. Wir haben gesagt, daß diese Frage in einem ganz anderen Bereich neu geregelt werden muß, und wir haben das auch in unseren Anträgen in der zweiten Lesung zum Ausdruck gebracht. Mein Kollege Preller hat sich mit großem Nachdruck und mit Begeisterung dafür eingesetzt. Was Sie aber jetzt bei der Rehabilitierung gestalten, das ist - wenn Sie es sachlich überlegen - wahrlich kein fundamentaler Wandel, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens. Diese Leistungen bleiben Kann-Leistungen. Meine Damen und Herren, wenn man hier etwas grundsätzlich Neues formen will, dann muß man doch diese Leistungen mindestens mit einem Rechtsanspruch versehen und darf sie nicht als Kann-Leistung regeln. Den Antrag der Sozialdemokraten, diese Leistungen zu Pflichtleistungen mit Rechtsanspruch zu machen, haben Sie abgelehnt. Auch andere Parteien im Hause, die Freien Demokraten, haben unseren Antrag unterstützt. ({14}) Zweitens haben Sie - was bei einer Neugestaltung notwendig gewesen wäre - den Personenkreis bei der Rehabilitierung nicht erweitert. Sie erstrecken ihn auf Versicherte. Sie haben unseren Antrag abgelehnt, diese Leistungen allgemein den Rentnern zugute kommen zu lassen, die in einer engen Beziehung, in der engsten Beziehung zur Rentenversicherung stehen. Deshalb weist das, was Sie in diesem Abschnitt verabschieden wollen - damit komme ich zum dritten Punkt -, einen entscheidenden Mangel auf. Alle diese Leistungen sind nicht auf die Gesundheit des Menschen, sondern auf die Erhaltung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit abgestellt. Das können Sie nicht bestreiten, denn Sie haben es selbst in der Überschrift zum Ausdruck gebracht und unsere diesbezüglichen Anträge, hier die Gesundheit in den Mittelpunkt zu stellen, abgelehnt. Herr Kollege Moerchel, Sie haben hier den Versuch unternommen - vielleicht unternehmen müssen -, die Ausschußfassung zu vertreten. Aber Sie waren es doch selbst, Herr Kollege Moerchel, der bei den Ausschußberatungen jenes bedenkliche Wort, das nach Ihrem Gesetzesinhalt richtig ist, gesprochen hat: alle diese Leistungen beziehen sich - ich zitiere wörtlich - auf den „potentiellen Rentner". - Was bedeutet das? Das bedeutet, in die Sprache des Volkes übersetzt, nichts anderes als „Rentenquetsche". Sie haben sich dagegen verwahrt. Aber wenn Sie im Zusammenhang mit der Rehabilitierung von „potentiellen Rentnern" sprechen, so sagt das nichts anderes, als daß diese Maßnahmen den Sinn haben sollen und müssen, Rentenleistungen zu ersparen, und das wird eben allgemein so scharf bezeichnet, wie ich es erklärte. Mein Damen und Herren, das ist keine gute Regelung, insbesondere deshalb, weil Sie es damit dem alten Menschen verweigern, eine Leistung im Heilverfahren zu erhalten, weil Sie damit demjenigen, der 65 Jahre alt ist und der an Rheuma oder an einem Herzleiden erkrankt ist, keine Möglichkeit geben, ein Heilverfahren der Rentenversicherung zu erhalten. 'Das ist keine fortschrittliche Regelung. Nun, meine Damen und Herren, kommen Sie nicht mehr mit 'dem, was Sie hier immer wieder vorgebracht haben - nicht begründet vorgebracht haben -, indem Sie erklärt haben, die Leistungsverbesserung gehe finanziell nicht. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Regierung selbst den Ansatz für diese gesundheitliche Maßnahme seit der Regierungsvorlage verschlechtert hat, und zwar in einer Weise, die hart an die Grenze des parlamentarisch Zulässigen ging, indem sie nämlich nicht einen Ausschußbeschluß darüber herbeigeführt hat, sondern in einer allgemeinen Vorlage zur Finanzierung unter Position X den Ansatz für Leistungen des Heilverfahrens gegenüber der Regierungsvorlage um, genau gesagt, 285 Millionen DM reduziert hat. ({15}) Sie 'beschließen jetzt ein Gesetz, in dem die Aufwendungen für Heilverfahren um 285 Millionen DM geringer sind als in dem Entwurf Ihrer eigenen Regierung. ({16}) Meine Damen und Herren, das sagt deutlicher als alle Worte, die Sie über den Sinn der Rehabilitierung hier äußern, was wirtschaftlich und gesundheitlich hinter der Gesetzesfassung steckt. ({17}) Jetzt zu dem Zentralpunkt 'der Neugestaltung, 'dem, was man als dynamische Rente, Produktivitätsrente, Lohnwertrente usw. bezeichnet hat. Ich möchte hier nicht in einen Dogmenstreit darüber eintreten, welcher Begriff richtig ist. Wir wissen alle, worum es geht, und ich meine, wir sollten uns jedenfalls jetzt in der dritten Lesung nicht mehr darüber unterhalten, welcher Wissenschaftler zuerst den Begriff der dynamischen Rente als Idee formuliert hat. Wenn man darüber etwas sagen will, dann muß man weit zurückgehen. Da können böse Menschen anfangen bei den Utopisten oder bei den Kathedersozialisten, die im sozialen Inhalt zum Teil ähnliche Gedankengänge vertreten haben. Darauf kommt es heute nicht an. Wir befinden uns hier nicht im Bereich der Sozialphilosophie, in dem wir untersuchen, wer Ideen dieser und jener Art zuerst gehabt hat. Wir Sozialdemokraten können viele Beweise anführen, daß unsere Freunde solche Ideen über Lohnwertrente vertreten haben und wissenschaftlich begründet haben. Das ist nicht entscheidend. Wir befinden uns im politischen Raum, und im politischen Raum sind nicht nur die großen Ideen maßgebend, sondern da ist entscheidend, wer zuerst Ideen klar und konsequent zu Ende denkt und in 'die Form eines Gesetzentwurfs bringt. ({18}) Das entscheidet im Raum der Politik. Und da kann niemand bestreiten, daß es die Sozialdemokraten gewesen sind, die zuerst den Gedanken der Lohnwertrente, der dynamischen Rente, der Produktivitätsrente - ganz gleich, wie sie genannt ist - in eine Form gebracht haben, die als eine Gesetzesvorlage jetzt vorliegt. ({19}) - Ja, Herr Kollege Hahn, Ihnen ist es vielleicht nicht sehr lieb, wenn ich das sage. Aber, meine Damen und Herren, Sie sollten hier in der dritten Lesung sich einmal die Vorlage ansehen, die Sie auf dem Tisch liegen haben. Da mußte als erstes der sozialdemokratische Gesetzentwurf aufgeführt werden - Drucksache 2314 vom 18. April 1956 -, ({20}) in dem die Sozialdemokraten den Grundsatz der Lohnwertrente konsequent behandelt haben. Meine Damen und Herren von der CDU, das 'haben objektive Sprecher - ich unterstelle Ihnen die Objektivität, aber in besonderer Weise die Damen und Herren beispielsweise der Freien Demokraten oder der Deutschen Partei hier im Hause - anerkannt, indem sie erklärt haben, daß die Sozialdemokraten immer konsequent gewesen sind und diesen Grundsatz der Dynamik- und der Lohnwertrente zuerst entwickelt haben, was man von der Regierungsvorlage wahrlich nicht behaupten kann, ({21}) die von der tragenden Regierungspartei in entscheidenden Punkten wieder abgeändert wurde ({22}) und - das war der Hauptfehler all jener Auseinandersetzungen der letzten Monate - nicht konsequent zu Ende gedacht wurde. '({23}) ({24}) Das sind die Tatsachen. Ich darf auch bei der dritten Lesung erklären, daß die Sozialdemokraten diesen Grundsatz der dynamischen Rente und die Lohnwertrente - um es mit den großen Worten des Regierungssprechers zu sagen: diesen epochemachenden Grundsatz - für richtig halten und auch nach Verabschiedung dieser Gesetzesvorlage an ihm festhalten werden. Wir sind uns wohl alle darüber klar - Sie ({25}) vielleicht noch nicht; Sie ahnen es vielleicht nur düster -, ({26}) daß der Gedanke der Lohnwertrente aus der politischen Diskussion in Deutschland nicht mehr verschwinden wird, bis er Wirklichkeit ist. ({27}) Er kann nicht mehr verschwinden, weil er bedeutet, daß der Alte und Arbeitsunfähige in gleichem Maße an der wirtschaftlichen Entwicklung, an der Lohnentwicklung teilnimmt wie sein Kamerad und Kollege, der noch im Arbeitsprozeß steht. ({28}) Dieser große Gedanke ist von Ihnen erheblich verwässert worden, aber er wird Inhalt aller weiteren Bemühungen der Sozialdemokraten sein, bis er in einem Gesamtdeutschland Wirklichkeit wird. ({29}) Zu den Renten im einzelnen. Die Hauptform der Rente ist die Altersrente. Als wir nach der ersten Lesung in die Ausschußberatungen gingen, hatten wir Sozialdemokraten bezüglich der Altersrente sehr große Sorgen. Sie erinnern sich vielleicht noch, daß der Herr Wirtschaftsminister - er hat den Saal wieder verlassen; aber man muß es festhalten - in der Konjunkturdebatte eine Regierungserklärung abgab, in der es in bezug auf die Altersrente wörtlich folgendermaßen hieß: Bei der parlamentarischen Beratung der dem Hohen Hause zugegangenen Gesetzentwürfe zu einer Reform der Rentenversicherungen wird die Bundesregierung Vorschläge zur Begünstigung solcher Arbeitnehmer zur Erörterung stellen, die bereit sind, über die Altersgrenze - 65 Jahre - hinaus weiter beruflich tätig zu sein. ({30}) Aber diese Regierungserklärung hat an die Grundfesten der sozialen Altersversicherung in Deutschland gerührt, indem sie nämlich die Altersgrenze von 65 Jahren praktisch aufweichen wollte. Wir Sozialdemokraten haben dagegen scharf und hart Stellung genommen, und die Regierung hat sich in dieser Hinsicht schnell wieder auf den Rückzug begeben. Die Regierung hat nicht, wie ursprünglich angekündigt, einen derartigen Vorschlag im Sozialpolitischen Ausschuß eingebracht. Auch die Regierungsparteien sind also rasch über diesen bedenklichen Punkt hinweggegangen. Wir freuen uns darüber. Wir freuen uns darüber, daß es über diese Frage nicht zu einer harten Auseinandersetzung kommen mußte. Der Grundsatz der Sozialdemokraten war und ist, daß die Altersgrenze nicht auf kaltem Wege heraufgesetzt werden sollte, sondern daß die Bemühungen darauf gerichtet sein müssen, die Altersgrenze herunterzusetzen, mindestens für bestimmte Gruppen der Menschen. Deshalb unsere Forderung: Altersgrenze für Frauen, die nicht mehr berufstätig sind, 60 Jahre; deshalb unsere Forderung: Altersgrenze für Schwerbeschädigte 60 Jahre. Diese Forderungen sind für uns von so prinzipieller Bedeutung, daß wir sie auch in der dritten Lesung zu einem Antrag erheben werden; denn bei der Neuregelung der Rentenversicherung wird die Richtung bestimmt, in die die weiteren sozialen Leistungen gehen sollen. Wir sind froh, daß es - im wesentlichen auf Grund der sozialdemokratischen Initiative - gelungen ist, den Gedanken, die Altersgrenze indirekt heraufzusetzen, zu Fall zu bringen, und daß die Überlegungen dahin gehen, die Altersgrenze herabzusetzen. Zur Berufsunfähigkeitsrente. Wir verwirklichen in diesem Gesetz den wichtigen Grundsatz, daß bei vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit nicht eine reine Beitragsrente gewährt werden soll, sondern gewisse Aufstockungen bewilligt werden müssen. Die Sozialdemokraten standen und stehen auf den Standpunkt, daß die Rente bei Berufsunfähigkeit eine Mindestsicherung bringen muß, wenn sie für denjenigen gewährt wird, der aus dem Arbeitsleben kommt. Deshalb unsere Forderung: Berufsunfähigkeitsrente für denjenigen, der aus dem Arbeitsleben kommt, mindestens 50 v. H. seines Lohndurchschnitts. Jede andere Regelung kann keinen Bestand haben, weil sie sozial nicht gerecht ist. Ihr Vorschlag, die Berufsunfähigkeitsrente im Wege der Aufstockung bis zum 55. Lebensjahr auf 40 % festzusetzen, ist eine Regelung, die bald wieder korrigiert werden muß; denn bei einer Neugestaltung der Renten können wir nicht für Menschen, die aus dem Arbeitsleben kommen, die Rente auf 400/o des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes festsetzen. Das geht nicht. Dann muß der Betreffende die zusätzliche Hilfe der Fürsorge in Anspruch nehmen, oder er muß versuchen, nebenbei schwarzzuarbeiten, alles Folgen, die wir nicht wollen. Deshalb werden die Sozialdemokraten auch dazu noch einen Antrag zur dritten Lesung stellen. Die Regelung der Hinterbliebenenrente entspricht den sozialdemokratischen Forderungen. Der Grundsatz; Hinterbliebenenrente 60 % der Rente des Versicherten - in Analogie zum Beamtenrecht - wurde von den Sozialdemokraten zuerst aufgestellt. ({31}) Er ist in diesem Gesetzentwurf verwirklicht, und wir sind froh darüber. ({32}) Das besagt nicht, daß wir mit jeder Regelung der Hinterbliebenenrenten einverstanden sind; die Grundlagen der Renten sind hier wie auch bei der Altersrente zu niedrig. Aber im Prinzip ist hier ein Fortschritt zu verzeichnen. Wir sind auch froh über die Regelung der Waisenrente. Sie entspricht voll unserem Antrag, mit dem wir gefordert haben, für jedes Waisenkind einen festen Kinderzuschlag in der Größenordnung des Kinderzuschlags für Waisenkinder von Beamten zu gewähren. Dieser Grundsatz wird hier verwirklicht. Die Sozialdemokraten haben diese Forderung erhoben, und sie wurde im Ausschuß angenommen. Wir sind darüber glücklich. Es gibt aber noch andere Hinterbliebenenrenten, die Sie nicht einführen wollten. Sie haben unseren Antrag auf Elternrente abgelehnt. Die Ablehnung des Antrages auf Elternrente war sozialpolitisch keine sehr glückliche Entscheidung. Derjenige, der als Alleinstehender mit seinen Eltern zusammen({33}) lebt und ihnen Unterhalt gewährt, betont besonders den Familienzusammenhang. Durch die Ablehnung des sozialdemokratischen Antrags wird der Gedanke des Familienzusammenhangs und des Versicherungsprinzips nicht gefördert. Wir wollen, daß die eingezahlten Beiträge auch den Hinterbliebenen zugute kommen sollen. Hinterbliebene sind - insbesondere bei alleinstehenden Frauen - häufig die Eltern. Wir Sozialdemokraten halten den Grundsatz der Elternrente für so wichtig, daß wir den Antrag auch in der dritten Lesung stellen werden. Die Vorschriften über das Zusammentreffen von Renten, die im bisherigen Recht so viel Unruhe erzeugt haben, weil sie den Rechtsanspruch auf die durch eigene Beiträge erworbene Leistung beeinträchtigten, wurden zwar verbessert, aber in einem wichtigen Punkte sind Sie bisher unserer Auffassung nicht gefolgt. Wir glauben nämlich, daß insbesondere beim Zusammentreffen von Unfallrenten derartige Kürzungen, wie Sie sie vorschlagen, sozial ungerechtfertigt sind. ({34}) Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß eine Regelung, wie Sie sie vorsehen, nicht Gesetz werden sollte, und wir werden deshalb in der dritten Lesung dazu noch Anträge stellen. Zusammenfassend einige Bemerkungen zur Gestaltung der Rentenleistungen. Wir Sozialdemokraten erkennen an, daß die Rentenleistungen durch dieses Gesetz zum Teil erheblich verbessert wurden. Aber wir wenden uns dagegen - ich habe das bei der Finanzdebatte schon deutlich erklärt -, daß auch durch Sprecher der Bundesregierung, vom Bundeskanzler angefangen, die Mär verbreitet wird, die Renten würden im Durchschnitt um 70 % erhöht. Das entspricht nicht den Tatsachen. Wir haben zwar vom Finanzministerium Aufstellungen erhalten. ({35}) Aber die Aufstellungen sind insofern nicht korrekt, als sie den Rentenaufwand des Jahres 1956 unter Außerachtlassung der Sonderzulagen, die auch Rentenleistungen waren, angeben. ({36}) Wir Sozialdemokraten erkennen an, daß die Rentenleistungen verbessert werden. Wir waren es, die den entscheidenden Anstoß dazu gegeben haben. ({37}) Wir waren es hier in diesem Bundestag, die schon seit vielen Jahren immer wieder Sozialreform und insbesondere Rentenreform gefordert und Anträge dazu gestellt haben. Es ist noch nicht sehr lange her, da hat man von seiten der Regierungsparteien erklärt, die sozialdemokratischen Anträge auf Leistungsverbesserung in der Rentenversicherung seien undurchführbar. Ich erinnere mich noch an einen SPD-Antrag, wonach wir eine weitere Aufstockung der Renten für Versicherte um 10 DM, für Witwen um 6 DM und für Waisen um 4 DM vornehmen wollten. Bei der Abstimmung darüber haben Sie von der Regierungskoalition uns erklärt: Die Grundlagen der Rentenversicherung werden erschüttert, wenn man diese Anträge annimmt, meine Damen und Herren! ({38}) Wir Sozialdemokraten mußten doch in diesem und in dem vorigen Bundestag einen erbitterten Kampf um Verbesserungen in bezug auf die Rentenleistungen führen. ({39}) - Aber Herr Kollege Horn, wir können Ihnen die namentlichen Abstimmungen vorlesen, wenn Sie wollen. ({40}) Wir haben das Material da, und die Öffentlichkeit kennt es. ({41}) Gerade deshalb können wir unserer Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß es jetzt möglich ist, die Rentenleistungen zu verbessern, zwar nicht so zu verbessern, wie wir es in unserem Gesetzentwurf gefordert haben, aber immerhin wesentlich zu verbessern, und wir haben einen sehr starken, einen entscheidenden Anteil daran. Es gibt aber noch manche Leistungen, die schlecht und ungerecht sind. Sie haben unsere Anträge auf stärkere Anhebung der Renten für die über 55jährigen abgelehnt. Sie sind von entscheidender Bedeutung. Wir werden dazu noch in der dritten Lesung Anträge stellen müssen. Sie haben unsere Anträge abgelehnt, daß man bei der Altersrente desjenigen, der aus dem Arbeitsleben kommt, mindestens von einem früheren Arbeitsverdienst von 200 Mark - ein wahrlich bescheidener Betrag - ausgehen sollte. Das haben Sie abgelehnt. ({42}) - Meine Damen und Herren, „das tun Sie auch heute", - das war ein sehr schlimmes Wort, ein sehr trauriger Zwischenruf. Bei Menschen, die von Jugend an überwiegend gearbeitet haben und die wegen überholter Lohn- und Gehaltsverhältnisse so niedrige Renten haben, daß im Durchschnitt gesehen noch nicht einmal ein Lohn oder Gehalt von 200 DM herauskommt, soll nach unserer Forderung von einem Mindestverdienst von 200 DM ausgegangen werden. Für Sozialdemokraten ist dies ein so wichtiger 'Grundsatz einer Rentenneuordnung, daß wir in der dritten Lesung auch hierzu unsere Anträge stellen werden. Noch etwas anderes! Wir Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß die Rentner schnellstens in den Genuß gewisser Mindestleistungen in Gestalt von Vorschüssen kommen sollen. Es ist wirklich eine peinliche Sache, wenn wir heute die Rentenreform in dritter Lesung verabschieden - das Inkrafttreten am 1. Januar ist immer wieder versprochen worden -, aber die Menschen bis zur praktischen Auswirkung noch mehrere Monate warten müssen. Wir haben deshalb beantragt, Vorschüsse in einfachster Weise zu zahlen, die bisherige Sonderzulage für Februar laufend weiterzuzahlen, bis der einzelne alte und arbeitsunfähige Rentner in den Genuß der neuen Rente kommt. Diese Forderung sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wir Sozialdemokraten werden sie in der dritten Lesung nochmals zum Antrag erheben. Lassen Sie mich einige wenige Worte über die Finanzierung sagen! Wir Sozialdemokraten haben schon in der zweiten Lesung erklärt, daß wir be({43}) reit sind, alle Mittel - auch in Gestalt von Beiträgen - zu bewilligen, die zur Sicherung der Leistungen erforderlich sind. Das ist für uns ein selbstverständlicher Grundsatz. Aber wir sind der Meinung, daß der Anteil der Bundeszuschüsse, gemessen am Rentenaufwand, nicht gesenkt werden darf, weil das praktisch zu einer stärkeren Belastung der Arbeiter und Angestellten führt. Wir wollen keine Verschiebung in der Finanzierung der Rentenversicherung zu Lasten der Arbeiter und Angestellten. Wir wollen nicht, daß der Anteil der Arbeiter und Angestellten durch Beitragserhöhung steigt, weil 'der Bundeszuschuß in seinem Verhältnis reduziert wird. ({44}) Das scheint uns keine gute und sinnvolle Regelung zu sein. Wir Sozialdemokraten werden deshalb unsere Anträge zur Finanzierung in der dritten Lesung wiederholen müssen. Ich darf aber deutlich zum Ausdruck bringen: Aus allen Berechnungen der Sozialdemokraten, die von Ihnen nicht bestritten wurden und nicht bestritten werden konnten, ergibt sich, daß mit dem gegenwärtigen Beitragssatz von 12 °/o, wenn der Bundeszuschuß im gleichen Verhältnis wie bisher gewährt wird, für absehbare Zeit - wir haben es im einzelnen berechnet: bis zum Jahre 1968 - sogar die von uns beantragten höheren Leistungen ohne Beitragserhähung möglich sind, wobei auf die bisher angesammelten Vermögenswerte der Rentenversicherung nicht zurückgegriffen zu werden braucht. Das haben wir nachgewiesen, meine Damen und Herren. Wenn Sie es bestreiten wollen, - dann kriegen wir heute noch eine Finanzdebatte, die sich gewaschen hat; das kann ich Ihnen sagen! ({45}) In diesem Gesetz werden außer den Fragen der Beiträge und der Leistungen noch eine Reihe von anderen grundsätzlichen Fragen aufgeworfen. Die Sozialdemokraten haben sich auf den Standpunkt gestellt: zu einer Neuordnung gehört, daß die Rentenversicherung ihre Verpflichtung zur Unterrichtung und Aufklärung ihrer Versicherten und Rentner stärker erfüllen muß als bisher. Wir haben uns durch unsere Anträge über die Beratungspflicht, über die Verpflichtung, Verzugszinsen auch 'den Rentnern zu zahlen, bemüht, einen Grundsatz in das Gesetz hineinzubringen, den man als „Kundendienst" bezeichnen kann. Wir glauben, 'daß es eine sinnvolle Neuordnung wäre, wenn dieser Gedanke in dem neuen Gesetz zum Ausdruck käme. Sie haben die diesbezüglichen Anträge abgelehnt. Sie haben uns ein kleines Pflaster durch Ihre Vorschriften über die allgemeine Unterrichtung der Versicherten gegeben. Die Beratung des Versicherten in seinen Rentenangelegenheiten wird durch dieses Gesetz noch notwendiger werden als vorher, weil das Gesetz einer Grundforderung, deren Erfüllung alle von einer Rentenreform erwartet haben, nämlich eine Vereinfachung des Rechts zu bringen, nicht entspricht. Das neue Recht wird noch viel komplizierter werden als das bisherige. Es ist ein fernes Ziel, das erst bei einer weiteren Neugestaltung verwirklicht werden kann, daß der Versicherte in der Lage ist, sich seine Rente annähernd selbst zu berechnen. Wir Sozialdemokraten bedauern es im Interesse der Versicherten, daß die gesetzliche Neuordnung zu einer Komplizierung des Sozialrechts führt. Ich komme zum Schluß. Dieses Gesetz bringt eine seit langen Jahren angekündigte und versprochene Rentenverbesserung. Wir Sozialdemokraten sind froh, daß diese Rentenverbesserung kommt, wenn die Neuregelung auch in vielen Teiten ungerecht ist. Heute muß ich aber erklären: es gibt zwar eine Erhöhung des Rentenaufwandes, aber Sie wollen insbesondere durch die schematischen Umrechnungen viele, viele neue Ungerechtigkeiten schaffen. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusehen, daß sich bald wieder ein Bundestag damit beschäftigen wird, diese vielfachen Ungerechtigkeiten wieder zu beseitigen. ({46}) Das muß jeder zugeben, ,der die Grundlagen dieses Gesetzes kennt. Wir machen daraus der Regierung einen Vorwurf. Das lag an der unzureichenden Vorbereitung, ({47}) an der Hast und an der Hetze, in der dieses Gesetz verabschiedet werden mußte. ({48}) Die zweite Lesung ist ja ein deutlicher Beweis dafür. Das Haus wurde in einer Weise strapaziert, die einmalig ist. ({49}). - Meine Damen und Herren, um es Ihnen klar und offen zu sagen: bei der Bedeutung der Materie hätten noch ganz andere Dinge viel gründlicher beraten werden müssen! ({50}) Das ist die Auffassung nicht nur der Sozialdemokraten, sondern auch nahezu der gesamten Öffentlichkeit. ({51}) Das liegt an den Fehlern der Regierung. Man kann nicht - das habe ich immer wieder gesagt - die früheren Fehler von Jahren in einigen Tagen und Wochen wieder gutzumachen versuchen. ({52}) Wir stehen deshalb zwar am Ende der Beratungen eines Gesetzes zur Neuordnung der Rentenversicherung, aber erst am Anfang einer wirklichen Sozialreform. ({53})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich mache auf eine Bestimmung der Geschäftsordnung aufmerksam. In § 39 der Geschäftsordnung heißt es: „Der einzelne Redner soll nicht länger als eine Stunde sprechen." Ich wäre dankbar, wenn mindestens heute daran festgehalten würde. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.

Dr. Wilhelm Jentzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001028, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die deutsche Sozial, versicherung ist vor etwa 80 Jahren geschaffen ({0}) worden. Sie entsprang dem Bestreben, einem unselbständigen Teil der Bevölkerung, nämlich den Industriearbeitern, einen Schutz zu gewähren, der infolge der Konsequenzen des damaligen Industrialisierungsprozesses dringend notwendig war. Die Zahl der Unselbständigen war aber auch, im Verhältnis gemessen, noch bei weitem nicht so groß wie heute, und die Selbständigen spielten noch eine ganz bemerkenswerte Rolle. Inzwischen hat sich das Verhältnis grundlegend verschoben. Die Selbständigen sind beinahe dezimiert worden, und die Tatsache von zwei Inflationen und ihre Folgen haben das Bedürfnis nach sozialer Sicherheit, nach einer relativen Sicherheit überhaupt verstärkt. Hinzu kommen die Erfahrungen der letzten Zeit. 1948, bei der Währungsumstellung, blieben die Sozialversicherungsrenten stabil im Gegensatz zu dem, was aus dem Bewußtsein der Verantwortung für sich selbst durch Eigenvorsorge in Form von Lebensversicherungen, Sparverträgen usw. geschaffen worden war, das nicht den gleichen Schutz genoß. ({1}) Es liegt auf der Hand, daß die Anziehungskraft der Sozialversicherung für weite Teile der Bevölkerung dadurch sehr stark gewachsen ist. Es liegt im Zuge unserer Zeit, daß alles zum Kollektiv drängt. Die Einzelpersönlichkeit fühlt sich hilflos. Sie fühlt sich hoffnungslos den Organisationsformen des öffentlichen Lebens ausgesetzt, die sich in der Bürokratie des Staates, aber genauso in der Bürokratie der Verbände offenbaren. Wir stellen fest, daß in einem immer stärkeren Maße gerade diese Verbände anwachsen und sich neben das Parlament schieben und für sich in Anspruch I nehmen, im Namen des einzelnen zu handeln. Das Grundgesetz, das sich die Bundesrepublik gegeben hat, sieht einen ganzen Katalog von Freiheiten vor. Aber wir müssen dabei doch feststellen, daß die Möglichkeiten, den entsprechenden Gebrauch von diesen Freiheiten zu machen, außerordentlich gering sind. Man muß es einmal deutlich sagen: Der Staat gewährt bei weitem nicht die ausreichende Förderung, damit der einzelne diese ihm garantierten Freiheiten auch entsprechend ausnutzen kann. Wenn man verlangt, daß der Staatsbürger ein tätiges Interesse an seinem Staat und an der Demokratie zeigt, dann muß man ihn auch behandeln wie einen Mündigen. Das bedeutet, auf das Gebiet der Sozialversicherung, der Sozialpolitik übertragen: Nur der Hilflose bedarf der allgemeinen Fürsorge. ({2}) Nur der wirklich Schutzbedürftige gehört hinein in den Rahmen einer Zwangsversicherung. ({3}) Wir Freien Demokraten haben immer wieder betont und wiederholen, daß der oberste Grundsatz zu sein hat: Die Regierung hat eine solche Politik zu betreiben, daß dem einzelnen die Möglichkeit, für sich selbst Vorsorge zu treffen, in vollem Umfang offen ist. Es geht nicht an, daß Sozialpolitik, Wirschaftspolitik und Währungspolitik weiterhin getrennt betrachtet werden. Es gibt einen alten Spruch: Bedenke das Ganze! Auf dieser Weisheit baut sich die Philosophie auf. Aber genauso gehört hierhin, daß derjenige, der eine echte Sozialpolitik betreiben will, das Ganze zu bedenken hat und daß er nicht nur von diesem seinem eigentlichen Fachsektor, dem Sozialpolitischen, ausgehen darf, sondern daß er die eng damit zusammenhängenden Randgebiete genauso zu beachten und zu berücksichtigen hat. Sie gehören zusammen. Denn wo man diesen Grundsatz verletzen würde, würde es so weit kommen, daß das eine das andere aushöhlt und damit das Gesamtgefüge zum Einsturz gebracht wird. Nur unter diesem Gesichtspunkt darf der Teilabschnitt der geplanten Sozialreform, der sich hier vor uns als Rentenreform widerspiegelt, gesehen werden. Die Reichsversicherungsordnung, das grundlegende sozialpolitische Gesetz, ist im Laufe der acht Jahrzehnte immer unübersichtlicher geworden, und die Schwierigkeiten, hier eine Ordnung zu schaffen, wurden immer größer. Nicht ohne Grund spricht man vom Rentendschungel. Ich möchte, um das einmal etwas zu verdeutlichen, ein aktuelles Bild zeichnen. Ich möchte diesen Zustand einmal vergleichen mit unserem Gebäude, mit dem Bundeshaus. 1948 stand hier ein Bau an den Ufern des Rheins, bestimmt als Pädagogische Akademie. Dieser Bau war in sich homogen; denn er war für einen bestimmten Zweck errichtet worden. In den darauffolgenden neun Jahren sind für immer neue Zwecke neue Anbauten und Verschachtelungen gekommen. Aus den einstmals wenigen, klaren, übersichtlichen Wegen sind inzwischen kilometerlange Straßen geworden, und es hat bald Jahre gedauert, bis man überall Bescheid wußte und sich zurechtfinden konnte, wenn man etwa vom Altbau nach dem Zwischen-, Hoch-, Fraktionsbau oder zu dem, was inzwischen sonst noch alles hinzugekommen ist, gehen wollte. Unserer Auffassung nach ist es eine zwingende Notwendigkeit, daß die Eigenständigkeit der einzelnen Versicherungszweige gewahrt wird. Sie beinhalten ein gewachsenes, selbständiges Recht. Ich meine damit, daß ganz klar und deutlich voneinander abzuheben sind das selbständig gewachsene Angestelltenversicherungsrecht und das Recht der Reichsversicherungsordnung, Wenn wir das aussprechen, so reden wir damit in keinerlei Form einem Klassenunterschied das Wort. Es ist vielmehr notwendig, zu erkennen, daß es unterschiedliche Typen gibt und daß diese unterschiedlichen Typen für unser gesamtes Staatsleben die ihnen eigene Bedeutung und Rolle zu beanspruchen haben. Wir wenden uns mit Leidenschaft dagegen, daß ein Versuch der Nivellierung gemacht wird. Wir können nur immer wieder betonen, daß dem Angestellten ein ihm eigenes Bild seiner Berufs- und seiner Lebenssphäre zukommt. Aus diesem Grunde lehnen wir die Zusammenlegung des Angestelltenversicherungsrechts mit dem Rentenrecht der Arbeiter ab. Wir sehen in der fast wörtlichen Übereinstimmung - Sie haben es selbst in der zweiten Lesung erlebt: links, rechts - die Absicht verdeutlicht, jetzt schon einen Schmelztiegel bereitzustellen, aus dem nachher der Begriff des Arbeitnehmers schlechthin erstehen soll, um dann weiterhin im soziologischen Bereich Geltung zu haben. Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen auch ins Gedächtnis zurückrufen, daß von den 42 Tagen der Ausschußberatungen insgesamt nicht viel mehr als zwei Tage der Behandlung des Angestellten({4}) rechts gedient haben. Nach der Konzeption und nach der Mehrheitsentscheidung des Ausschusses war das logisch, weil praktisch alles darauf abgestellt war, dasselbe auf der einen Seite durchzuführen, was auf der anderen Seite für notwendig befunden wurde. Wir anerkennen durchaus das Grundprinzip in der Sozialversicherung: die Solidarhaftung. Es geht aber unserer Meinung nach nicht an, die Solidarhaftung für die eine Gruppe und die Solidarhaftung für die andere Gruppe zusammenzuwerfen und daraus eine gemeinsame Solidarität zu konstruieren. In diesem Gesetzentwurf sind, soweit er die Angestellten betrifft, eine Reihe von Ungerechtigkeiten enthalten. Aber, Herr Kollege Professor Schellenberg, die Ungerechtigkeiten, die Sie darin gesehen haben, sind nicht dieselben, die wir sehen. Das liegt auf der Hand; wir wissen beide, wo unser Standort ist und daß wir uns darin ganz klar und eindeutig voneinander unterscheiden. In der individuellen Rentenbemessungsgrundlage, so heißt es im ersten Absatz des § 1260, darf die jeweilige Beitragsbemessungsgrundlage nicht überschritten werden. Diese Bestimmung trifft in erster Linie und einseitig nur die Angestellten, und zwar insbesondere die Angestellten, die sich nach Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze freiwillig weiterversichert und entsprechend hohe Beiträge gezahlt haben. Auch auf einen anderen Punkt, nämlich die Festsetzung der Versicherungspflichtgrenze auf 15 000 DM im Jahr, muß ich hinweisen. Es ist interessant, welche Resonanz die Entscheidung, die wir hier getroffen haben, in der Öffentlichkeit fand. Mit der Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich Ihnen aus der „Kölnischen Rundschau" vom 17. Januar 1957, einer Zeitung, von der man wirklich nicht behaupten kann, daß sie uns Freien Demokraten nahesteht, einiges zitieren. Es heißt darin: ... die Zwangsversicherung für alle Angestellten bis zu einem Monatsgehalt von 1250 DM, mit der sie sich jedoch allenfalls im Rentenalter den sozialen Status derer erwerben können, die 750 DM verdienen. Ganz abgesehen aber von der Legion Fragen, die sich daraus selbst für ein schlichtes Gemüt ergeben, die bislang aber einfach unbeantwortet blieben, scheint hier auch der Grundsatz der Regierung verlassen, daß der Freiheit des Staatsbürgers eine neue Chance auch auf sozialem Gebiet gegeben werden sollte. Hier wird nicht mehr günstig versichert, wer ohne Versicherung mutmaßlich im Alter der Allgemeinheit zur Last fallen könnte, sondern hier wird - ich bitte, da genau zuzuhören zu überhöhten Prämien zwangsversichert, wer ein versicherungstechnisch „gutes Risiko" bietet. Weniger wäre hier mehr gewesen. ({5}) Wir haben dem nichts hinzuzufügen. Wir haben der CDU nur die Frage zu stellen, wo in Kenntnis dieses Tatbestandes diejenigen unter den Kollegen geblieben sind, die sich in erster Linie als Sprecher für die Angestellten berufen fühlen. Durch die Heraufsetzung der Versicherungspflichtgrenze ist noch ein Zusätzliches an Beitragslasten auf die Angestellten zugekommen. Sie dürfen ja nicht vergessen, daß gleichzeitig damit die Arbeitslosenversicherungspflicht verbunden ist und zu den 7 °/o noch zwei weitere Prozent an Beiträgen hinzukommen. ({6}) Der Kern unserer Kritik richtet sich gegen den § 1260. Das ist Ihnen bei den Ausführungen, die ich dazu in der zweiten Lesung gemacht habe, deutlich geworden. Ich will das nicht alles wiederholen, sondern nur im Prinzip, im Kernpunkt noch einmal hervorheben, wie sehr wir uns darüber bestürzt zeigen, daß die Bundesregierung eine Inflation als unabwendbar betrachtet und daß sie auf der anderen Seite an einen ewigen Aufschwung in der Wirtschaftskonjunktur zu glauben scheint. ({7}) Auch hierzu darf ich mit Erlaubnis des Herr Präsidenten eine Bemerkung der Öffentlichkeit - wiederum aus der „Kölnischen Rundschau", und zwar vom Freitag, dem 18. Januar - zitieren: Allen beschwörenden Warnungen zum Trotz hat der Bundestag, als es um den Kern der Reform ging, die an den Lohn gebundene Produktivitätsrente beschlossen. ({8}) Damit aber hat er das Prinzip gefährdet, daß wir eine stabile Währung behalten müssen... Das läßt uns indes hoffen, daß er uns wenigstens zur dritten Lesung auf die ernste Frage nach der Stabilität unserer Währung eine präzise Antwort geben wird. Meine Damen und Herren, auch dem haben wir nichts hinzuzufügen als die Bitte an den Herrn Bundesfinanzminister - er ist ja im Hause -, er möge von seiner Warte her die entsprechende Stellungnahme bekanntgeben. ({9}) Im Verlauf der zweiten Lesung wurde von den Bremsen gesprochen, die in § 2161a eingebaut worden seien. Es wurden hier sehr amüsante Vergleiche mit Beispielen aus der Motortechnik gezogen. Man sprach von einem Omnibus, in den ein kleiner Volkswagenmotor eingebaut sei, der den Wagen auf einer abschüssigen Straße aufhalten sollte. Wie ist es mit den Bremsen? Man muß doch dieses Problem einmal von einer ganz anderen Seite her sehen. Als neu, als revolutionierend, als eine echte Reform wird die Bindung an die Löhne und Gehälter in der Rentenformel bezeichnet; das sei das einzig Sichere. Wenn man dann aber gleich einen Satz weiter praktisch alles wieder aufhebt, was man in dem ersten Satz deklariert hat, womit man ja doch gerade etwas Besonderes versprechen wollte, kann das doch nur so gedeutet werden, daß den Befürwortern dieser Lösung selbst nicht ganz geheuer davor ist, ob die Konsequenz die bleiben wird, die sie im Auge gehabt haben; sonst wäre ja der Einbau einer derartigen Bremse gar nicht nötig. Wenn man reformerisch tätig sein will, muß man auch etwas grundsätzlich Neues bringen und muß den Millionen von Menschen - der Großteil sind doch einfache Bürger unseres Volkes - klar und unmißverständlich darstellen, wie die Renten festgesetzt werden, damit jeder ersehen kann, was ihm eigentlich zusteht. Sie wissen alle miteinander ({10}) ganz genau, daß das Hauptinteresse der Rentner darauf gerichtet ist, sich auszurechnen, worauf sie einen Anspruch haben. Bei dieser Konstruktion und verklausulierten Ausdrucksweise des Gesetzes, wo selbst die Fachleute unter uns die größte Mühe aufzuwenden haben, um es in etwa zu verstehen, ist es für den Rentner hoffnungslos; er kann nicht dahinter kommen, was nun eigentlich mit ihm geschehen soll. Er steht nur vor der Tatsache, daß ihm vieles, vieles versprochen wird; so tönt es ihm draußen, so tönt es ihm aber auch hier drin entgegen. Wir sind der Auffassung, daß die von uns entwickelte Rentenformel bedeutend klarer ist und auch von einem einfachen Menschen ohne weiteres begriffen werden kann. Nun kommt noch ein anderes. Wie steht es mit den ganz entscheidenden Fragen der Finanzierung? Herr Kollege Schellenberg hat die Finanzierungsfrage ebenfalls berührt, aber er tat es ganz am Ende. Ich hätte es lieber gesehen, er wäre damit gleich in den Anfang hineingegangen. ({11}) - Ich weiß, Sie sind ein großer Systematiker. Nehmen wir es einmal dafür hin! ({12}) Die Finanzierungsfrage ist von einer ganz entscheidenden Bedeutung. Was, glauben Sie, meint die Öffentlichkeit dazu? Ich darf Sie aber auch fragen: was haben Sie davon gehalten, daß erst am Ende der zweiten Lesung Tabellen, die sehr interessante und bedeutende Aufschlüsse und einen ) Überblick gerade zu den Finanzierungsfragen gegeben haben, verteilt wurden? Ich glaube, das ist ein ziemlich einmaliger Vorgang, der alle hier geäußerten Bedenken und Sorgen nur zu deutlich unterstreicht. Ich wiederhole es noch einmal: Für meine Freunde und für mich und, ich glaube, für einen sehr großen Teil unter Ihnen sind die letzten Zweifel noch keineswegs ausgeräumt. Im übrigen wären auch wir dankbar, wenn an dieser Stelle der Herr Bundesfinanzminister zu dem Gutachten Stellung nähme, das in seinem Auftrage erstellt wurde, das von seinem Kollegen, dem Herrn Bundesarbeitsminister, so scharf kritisiert worden ist und über dessen Richtigkeit auch hier im Hause sehr unterschiedliche Auffassungen bestanden haben. Der Verlauf der zweiten Lesung und auch die Äußerungen, die der Herr Bundesarbeitsminister getan hat, haben unsere Zweifel und Bedenken, daß die Beiträgshöhe für einen längeren Zeitraum bei 14 0/o bleiben wird, nicht zu beseitigen vermocht. Ich möchte Ihnen dazu noch einmal ins Gedächtnis rufen, meine Damen und Herren Kollegen von der CDU, daß auch unser Kollege Ruf als Ihr Sprecher Ihre Zweifel zum Ausdruck gebracht hat, als er in einer Antwort auf die Begründung des Antrags, den die Frau Kollegin Kalinke hier bezüglich der Erstellung der versicherungstechnischen Bilanzen für einen Zeitraum von drei Jahrzehnten gestellt hatte, ihr entgegenhielt- ich darf, wenn es erlaubt ist, aus dem Stenographischen Protokoll zitieren „Sie wollen dadurch außerdem erreichen, daß nicht zu einem späteren Zeitpunkt, sondern unter Umständen jetzt schon die Beiträge für die Rentenversicherung erhöht werden müßten." Meine Damen und Herren, ich sehe darin praktisch nur eine vollkommene Übereinstimmung zwischen Ihrer und unserer Auffassung. ({13}) Denn auch Ihnen ist dabei doch klar geworden, daß die Erhöhung der Beiträge schon in den ersten zehn Jahren stattfinden wird. Ich kann Ihnen die Garantie geben, daß das, wenn nicht in diesem, dann aber bestimmt im nächsten Jahr schon notwendig sein wird. ({14}) Bei dem Gesetzentwurf, den wir heute zu beschließen haben, handelt es sich um eine Regierungsvorlage, zu der, bevor sie an den Bundestag kam, schon eine dreistellige Zahl von Änderungsanträgen aus dem Bundesrat vorgelegen hat und die während der Beratungen mit einer fast entsprechenden Zahl von Änderungsanträgen seitens der tragenden Regierungspartei versehen wurde. Auch in der zweiten Lesung ist noch eine sehr erhebliche Zahl weiterer Änderungsanträge der Regierungskoalition gekommen. Insgesamt waren es 500 Änderungsanträge in zweiter Lesung. Meine Damen und Herren, das ist, gesetzestechnisch gesehen, keine saubere Arbeit. Ich gebe insofern der Sozialdemokratie vollkommen recht: ({15}) ihr Gesetzentwurf war der primäre, ihr Gesetzentwurf war in sich geschlossen, war systematisch einwandfrei und war konsequent bis zum Ende. ({16}) Aber es ist auf der anderen Seite klar und deutlich - ich möchte es nur noch einmal gerade für die Herren Kollegen hier vorne wiederholen -, daß wir uns mit dem Gesetzentwurf der Sozialdemokratie genausowenig identifizieren wie mit dem Ihren. Wir wundern uns nur sehr darüber, wie weit Sie ({17}) Ihre frühere Systematik verlassen und daraus einen merkwürdigen Torso aufgebaut haben. ({18}) Zu allem übrigen kam hinzu - Kollege Schellenberg hat auch das schon erwähnt - die Terminnot. Eine Terminnot, die nicht aus sich selbst heraus, weil das in der Natur der Sache gelegen hätte, gesetzt wurde, sondern eine Terminnot, die gesetzt wurde, weil inzwischen schon von prominenter Seite Zusicherungen gemacht wurden, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, dem 1. Januar, so oder so die Dinge fertig sein würden. ({19}) Das ist schlecht, vor allen Dingen dann, wenn in einem Wahljahr in bezug auf einen Gesetzentwurf von so weitreichender Bedeutung derartige Festlegungen erfolgen, daß nachher eine Desavouierung des Regierungschefs völlig unmöglich ist. Dem eigentlichen Anliegen, der guten Sache ist damit wahrlich kein guter Dienst getan. Es ist unmöglich, die Versäumnisse, die seit vielen Jahren begangen worden sind, in wenigen Wochen zu heilen. Lassen Sie mich noch zur Ausschußarbeit ein Grundsätzliches sagen. Meine Damen und Herren, es ist so viel von den Protokollen die Rede gewesen. Ich glaube, das gilt nicht nur vom Sozial({20}) politischen Ausschuß, sondern das betrifft die Ausschußarbeit überhaupt. Man sollte sich abgewöhnen, die Protokolle als den Niederschlag politischer Auffassungen anzusehen, ({21}) als das Vermerken irgendwelcher präzisen Aussagen, die man nach der einen oder anderen Seite hin ausschlachten könnte. ({22}) Man sollte dabei in erster Linie die gesetzestechnische, die gesetzgeberische Arbeit hervorheben; sie sollte man verdeutlichen. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen eines sagen. Dieser Gesetzentwurf ist so kompliziert, daß nur ganz, ganz wenige Fachleute ihn verstehen. Ich maße mir nicht an zu behaupten, ich überblickte ihn in vollem Umfange und könnte ihn bis in die letzten Verästelungen ({23}) - Herr Kollege Pelster, ich glaube, Sie werden es auch nicht können! - verfolgen und beherrschen. Es wird aus diesem Gesetz heraus eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten vor den Sozialgerichten geben, und die Rechtsprechung wird ihre Mühe und Not haben, hier einen klaren Standpunkt herauszuarbeiten. Ich darf Sie erinnern, wir haben ein Vorbild, das zu leicht in Vergessenheit geraten ist. Als seinerzeit das Bürgerliche Gesetzbuch beschlossen wurde, hat man sich viele Jahre Zeit dazu genommen, und die Motive zu diesem Gesetzbuch sind noch heute von Bedeutung. Um so mehr wären es die Motive zu dem vorliegenden Gesetz, damit klar wird, worum und ,aus welchen Gründen - nicht politisch-taktischen, sondern echten gesetzgeberischen Gründen und Bedenken - eine Formulierung so oder andersherum gefaßt worden ist. Kurzprotokolle, Beschlußprotokolle sind dafür nicht ausreichend. ({24}) Im Gegenteil, sie können nur allzu leicht bei einer anderen Verwendung draußen Mißdeutungen hervorrufen. Auch das möchte ich mit aller Deutlichkeit gesagt haben. Meine Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, daß wir es hier nicht mit einer echten Reform zu tun haben, sondern mit der Durchsetzung einer ganzen Reihe, das bekennen wir offen, guter Ideen, neuer Ideen, die sehr gut gemeint sind, die aber zu einem großen Teil in sich widerspruchsvoll sind und nicht bis zur letzten Konsequenz durchdacht wurden. Über diesem Wollen steht allzu deutlich eine Maxime, und zwar ist das der Glaube, daß schon alles gut gehen werde. Es ist richtig, man soll nach Möglichkeit eine optimistische Lebensauffassung an den Tag legen; aber ob es angängig ist, ein Gesetz lediglich auf der Überzeugung aufzubauen, es werde schon gut gehen, das erscheint uns doch sehr zweifelhaft. ({25}) Wir haben den Eindruck, daß der volle Umfang der Verantwortung, die auf jeden einzelnen von uns hier in diesem Raum als Gesetzgeber zukommt, eben nicht voll erkannt wird, ({26}) und wir fürchten, daß es in nicht allzu langer Zeit ein sehr böses Erwachen geben wird. Aber, meine Damen und Herren, wir wollen uns nicht in negativer Kritik erschöpfen - das haben wir auch bei den Ausschußarbeiten nicht getan -, sondern haben Ihnen in der zweiten Lesung eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vorgelegt, die verdeutlichen sollen, wie sehr wir uns angesprochen fühlen und wie sehr es uns ein Anliegen ist, echte, wertvolle soziale Neuordnungen herbeizuführen. Wir sind der Überzeugung, daß es notwendig ist, den bisherigen Rentenstand zu verändern und nach oben zu ziehen. Wir haben diesem Anliegen durch die von uns entwickelte Rentenformel Rechnung getragen, die sich in ihrer Höhe keineswegs von der Rentenformel unterscheidet, die in der Ausschußvorlage erarbeitet worden ist. Wir haben uns bemüht, die Elternrente durchzusetzen. Wir haben uns auch bemüht, den alten deutschen Rechtsgrundsatz zu verankern, daß Schulden nicht Holschulden, sondern Bringschulden sind, woraus sich ergibt, daß die Post den Rentnern ihre Rente ins Haus zu bringen hat. Wir haben uns weiter darum bemüht, in den Fällen, die Sie selber zugegeben haben, in denen die Rente nicht ausreicht, über einen Zusatz hinaus eine echte Hilfe zu gewähren. Wir haben uns schließlich darum bemüht, die saubere Trennung zwischen dem eigenständig gewachsenen Angestelltenversicherungsrecht und der Reichsversicherungsordnung durchzuführen, und wir haben uns gegen die totale Versicherungspflicht gewendet ({27}) und uns gegen die Festsetzung der Versicherungspflichtgrenze auf 15 000 DM ausgesprochen. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist in seiner Vorbereitung und in seiner Durchführung nach unserer Auffassung und nach der Auffassung des größten Teiles der deutschen Öffentlichkeit nächst dem wirklich ominösen Kindergeldgesetz und dem Ladenschlußgesetz das schlechteste, das wir zuwege gebracht haben. ({28}) Es ist uns heute bereits eindeutig klar, daß der kommende Bundestag die Reform einer reformbedürftigen Rentenreform als eine Hauptaufgabe zu bewältigen haben wird. ({29}) Wir haben dabei nur den einen Wunsch: man möge bis dahin aus den heute offenbar gewordenen Mängeln die nötigen Lehren gezogen haben. ({30})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.

Erni Finselberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000546, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Verlauf der bisherigen Debatte und sicherlich auch die Fortsetzung dieser Debatte dürften klar aufzeigen, von welchen verschiedenen Standorten aus man eine Betrachtungsweise zu den Gesetzen entwickelt, die heute in der dritten Lesung verabschiedet werden sollen. Als Sprecherin des Gesamtdeutschen Blocks fühle ich mich, wenn ich kritisch zu beiden Gesetzentwürfen Stellung zu nehmen habe, verpflichtet, zum Ausdruck zu bringen, daß wir es sehr bedauern, daß bestimmte Voraussetzungen nicht vorhanden waren bzw. nicht geschaffen werden konn({0}) ten, die den Raum der Kritik erheblich eingeschränkt hätten. Wenn beide Gesetze zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt vorgelegt worden wären und wenn man dem Bundestag, insbesondere dem Sozialpolitischen Ausschuß, die Möglichkeit gegeben hätte, die Beratung mit einem größeren Zeitaufwand und infolgedessen auch mit größerer Sorgfalt durchzuführen, als es angesichts der Eilbedürftigkeit dieser Gesetze möglich gewesen ist - was nicht zu Lasten der Mitglieder des Ausschusses geht -, wäre manches vermieden worden, was heute an den Gesetzentwürfen zu kritisieren ist. Nach meinen Erfahrungen und Beobachtungen ist es deshalb auch nicht möglich gewesen - das ist hier schon angeklungen -, gewisse Wünsche der Angestelltenschaft zu berücksichtigen. In der ersten Lesung ist im Ausschuß - ich erinnere mich sehr genau daran - von verschiedenen Seiten die Frage gestellt worden, wie es mit dem Berufskalender aussieht. Und in der zweiten Lesung im Ausschuß stellte man sich in den Reihen der Koalitionsfraktionen auf den Standpunkt, daß, wenn man das Thema „Berufskalender" aufgriffe, die Gefahr bestände, daß das Rentengesetz für die Angestellten nicht zum gleichen Zeitpunkt wie das Arbeiterrentenversicherungsgesetz verabschiedet werden könne. Welche Fraktion und welches Ausschußmitglied hätte sich dem Vorwurf aus irgendwelchen Kreisen aussetzen wollen, daß heute in der dritten Lesung das Gesetz für die Rentenversicherung der Angestellten deshalb nicht vorliege, weil man für die Besprechung der besonderen Wünsche der Angestelltenschaft eingetreten sei? Ich sage das deshalb, damit nicht etwa draußen in der Öffentlichkeit geglaubt wird - wie es sich hier und dort schon gezeigt hat -, daß sich einige Mitglieder dieses Hauses nun mit ganz besonderer Wärme für die Rechte der Angestellten eingesetzt hätten. Hierfür war im Ausschuß gar keine Zeit. Wir haben auch darunter gelitten, daß die Unterlagen für dieses Gesetz nicht rechtzeitig eingebracht wurden. Hier müssen wir doch wohl einmal einen Vergleich zu anderen Staaten ziehen, in denen Gesetze gleichen Umfangs und gleichen sozialpolitischen Gewichts verabschiedet werden. Dort hat man erheblich längere Zeit aufgewandt als wir. Wir mußten uns in den wenigen Monaten bis zur dritten Lesung beeilen. In der Zwischenzeit wurden - auch das einmal zu erwähnen, erscheint mir notwendig - viele voneinander abweichende amtliche Verlautbarungen und Mitteilungen aus offiziellen Kreisen in die Öffentlichkeit hineingetragen, und je mehr sich die Arbeit des Sozialpolitischen Ausschusses auf die beiden Gesetzesvorlagen konzentrierte, desto mehr war ein Abbau früherer Voraus- und Zusagen festzustellen. Ich möchte nicht unhöflich werden; aber mir hat sich dabei ein Wort aufgedrängt, das ich mir nicht versagen möchte hier einmal anzuführen. Ich darf doch daran erinnern, welche Versprechungen man den Rentnern, aber auch den Versicherten gegeben hat, die einmal Rentner werden. Das Wort lautet: „Der Buchstabe tötet, aber das Wort macht lebendig." Wenn wir heute diese Gesetzesvorlage ansehen, müssen wir sagen, daß vieles von dem, was früher in der Diskussion um die Rentenversicherung für die Arbeiterschaft und die Angestelltenschaft erklärt worden ist, doch wesentlich anders geworden ist. Vieles von dem, was man versprochen und zugesagt hatte, ist gestrichen worden. Noch etwas anderes hat unter der Hetze und der schnellen Beratung dieses Gesetzentwurfes gelitten. Es ist nicht jene Sprache des Gesetzes gefunden worden, die wir alle angestrebt hatten. Wir wollten ein Gesetz schaffen, dessen Sprache so deutlich ist, daß sie von jedem Staatsbürger verstanden werden kann. Das ist einmal durch den Zeitdruck, in dem wir standen, nicht möglich gewesen. Zum anderen hat sich aber auch folgendes gezeigt. Wenn wir in der Beratung um deutlichere, ja ich möchte sagen: volkstümlichere Ausdrucksweisen gerungen haben - besonders der Redaktionsausschuß hat sich darum sehr bemüht -, mußten wir immer wieder feststellen, daß das nicht möglich war, weil wir hier an Begriffsbestimmungen anknüpfen mußten, die in anderen Gesetzen verankert sind. Aus gewissen verständlichen Gründen, nämlich um nicht verschiedene Auslegungen zu ermöglichen, mußten wir uns eben an diese Begriffsbestimmungen gebunden fühlen. Das Ziel der allgemeinen Verständlichkeit, die es dem Staatsbürger erleichtern sollte, sich selbst in dem Gesetz zurechtzufinden, ist leider nicht erreicht worden. Die Beratung dieses Gesetzes hat weiter darunter gelitten - auch das muß einmal gesagt werden -, daß in der Öffentlichkeit in einer übertriebenen Weise von ganz bestimmten Interessengruppen die Gefahr einer Inflation aufgezeigt worden ist. Das schien mir manches Mal von jenen Gruppen und jenen Kreisen nicht mehr verantwortet werden zu können. ({1}) Jene Kreise, die glaubten, den Begriff der „Sparmark" und den Begriff der „Rentenmark" in die Diskussion der Öffentlichkeit werfen zu müssen, haben sich damit einen schlechten Dienst erwiesen; ({2}) sie haben sich eines Teils des Vertrauens begeben, denn auch die Arbeitnehmer sind Sparer. ({3}) Man spricht hier von einem sozialpolitischen Gesetz. Das ist auch meine Meinung und die meiner politischen Freunde. Bei einem solchen Gesetz darf man gewisse wirtschaftspolitische Grundsätze und Momente nicht außer acht lassen. Sozialpolitik und Wirtschaftspolitik stehen immer in einem Zusammenhang. Das muß man sehen, und auch wir sehen das. Der Standort unserer Betrachtung ist aber folgender. Wir haben uns zunächst einmal verpflichtet gesehen, daran mitzuhelfen, ein sozialpolitisches Gesetz zu schaffen. Wir fühlen uns für dieses Gesetz mitverantwortlich. Bei diesem Gesetz dürfen aber nicht in einer übertriebenen Weise wirtschaftspolitische Erwägungen eine Rolle spielen. Ich sage das deshalb, weil ich es sehr bedaure, daß man bei dem Für und Wider, das bei der Behandlung der beiden Gesetzesvorlagen zutage trat, oftmals den Eindruck hatte, daß die Wirtschaftspolitik viel wichtiger ist als die Sozialpolitik. Wir verkennen durchaus nicht, daß dieses Gesetz Verbesserungen bringt, und wir begrüßen das auch. Wir begrüßen, daß Verbesserungen insoweit erfolgt sind, als es keinen Verfall der Anwartschaften mehr gibt, daß auch eine Erweiterung des Begriffs der Ersatz- und Ausfallzeiten erfolgt ist. Wir begrüßen es auch, daß unsere Wünsche, die sich auf Sonderbestimmungen für die Vertriebenen ({4}) und Evakuierten richteten, zu einem Teil in gewisser Weise erfüllt worden sind, wenn wir auch noch einen Änderungsantrag zu § 1257 in der dritten Lesung vorgelegt haben. Wir wünschen nämlich, daß auch die Vertriebenen, die in einem Notstand in den Vertreibungsgebieten gelebt haben, in den beiden Gesetzen noch eine gewisse Berücksichtigung finden. Wir sind durchaus der Meinung, daß es richtig war, beide Gesetze voneinander zu trennen und für die Angestelltenversicherung die eigene finanzielle Verwaltung und die Existenz der Bundesanstalt für Angestelltenversicherung zu erhalten. Wir verstehen aber nicht - das möchte ich hier einmal sehr deutlich sagen; wenn wir auch davon abgekommen sind, ein einheitliches Gesetz zu machen, und darüber waren wir uns alle klar -, und es war sicherlich kein sozialpolitischer Fortschritt, daß man den guten Begriff der Berufsunfähigkeit nach dem Angestelltenversicherungsgesetz für die Angestellten einengte, um ihn so auch in einer einengenden Weise für die Arbeiter anzuwenden. Ein sozialpolitischer Fortschritt wäre es gewesen, wenn man diesen Begriff der Berufsunfähigkeit in seiner bisherigen Weise für die Angestellten erhalten hätte. Dieser Begriff wäre auch für die Arbeiterschaft ein Gewinn geworden, wenn er für sie angewendet worden wäre. Hier ist zweifellos eine Tendenz des Rückschritts zu verzeichnen. Das bedauern wir sehr, weil ja davon gesprochen wird, daß es eine Rentenreform sein soll. Ich möchte auch kurz auf den Begriff der Rehabilitation eingehen. Wir geben offen zu, daß wir hier vorwärtsgekommen sind. Nicht nur das Heilverfahren, sondern auch die Heilbehandlung stellen nun einen doch immerhin wichtigen Punkt in ) diesen beiden Gesetzen dar. Wir freuen uns darüber, daß man sich in der Rehabilitation nicht nur von dem Begriff des Heilverfahrens gelöst hat und zu dem umfassenderen Begriff der Heilbehandlung gekommen ist, sondern daß darüber hinaus die vom Beruf her zu stellenden Forderungen erfüllt sind und wirtschaftliche Maßnahmen vorgesehen sind. Die Möglichkeit ist geschaffen worden, Mittel zu gewähren, um solche Menschen wieder im Arbeitsprozeß einzusetzen. Aber man muß auch sagen, daß die Rehabilitation nicht nur dazu dienen darf, etwa n u r rentensparend zu wirken. Wir werden deshalb unsere Aufmerksamkeit darauf zu lenken haben, wie sich dieser neue Abschnitt in den beiden Gesetzen für die Zukunft auswirken wird. Wie ich bereits in der ersten Lesung für meine politischen Freunde dargelegt habe und wie wir auch bei den Abstimmungen in der zweiten Lesung bekundet haben, hätten wir lieber gesehen, wenn wir eine, ich nenne es nicht: totale Pflichtversicherung, sondern ich möchte es nennen: unbeschränkte Pflichtversicherung für die Angestellten hätten durchsetzen können; und zwar nicht nur, weil man das auch im Arbeiterrentengesetz vorgesehen hat, sondern weil wir der Meinung sind, daß ein Gehalt von 1250 DM im Monat - wenn diese 1250 DM um ein weniges überschritten sind - heute nicht mehr in dem Maße ein Spitzengehalt darstellt - wenn ich nur einmal an eine kinderreiche Familie denke -, daß damit eine genügende Vorsorge für alle Wechselfälle des Lebens getroffen werden kann. Am gestrigen Sonntag habe ich mir die Ausführungen zur ersten Lesung - auch die anderer Kollegen - noch einmal durchgesehen. Dabei ist mir aufgefallen, wie man den Begriff der persönlichen Freiheit auslegt, - und wie man ihn nicht auslegen sollte. Man sollte das Recht der persönlichen Freiheit nicht in Anspruch nehmen, wenn man nicht auch übersehen kann, ob damit in gleichem Maße etwa eine Lösung von den gegenüber der Gemeinschaft bestehenden Pflichten eintritt. Ich sage das, weil wir der Meinung sind, daß das Risiko in der heutigen Zeit für den einzelnen Menschen zu groß ist. Aus diesem Grunde hätten wir gern alle Angestellten erfaßt gesehen, damit sie die Möglichkeit einer Vorsorge haben. Das ist für einen Teil der Angestelltenschaft nach dem bisherigen Entwurf nicht möglich. Die Beschlußfassungen des Ausschusses sind in einer ganz anderen Richtung gegangen. Man sollte aber bei dieser Betrachtung die Realitäten der Gegenwart nicht übersehen. In der ersten Lesung wurde einmal gesagt, daß viele der Arbeitnehmer heute zu Eigentum gekommen seien. Demgegenüber muß ich an das erinnern, was ich in der ersten Lesung gesagt habe und was auch einmal Dr. Schreiber in Köln ausgeführt hat: daß es leider nicht so ist und daß wir gerade bei den Arbeitern und bei den Angestellten den Bevölkerungskreis vor uns haben, bei dem bis heute am allergeringsten eine Eigentumsbildung festgestellt werden kann. Wir werden sie sicherlich auch erst fördern können, wenn wir eine andere lohnpolitische Entwicklung bekommen, beispielsweise wenn wir vom Leistungslohn zu einer Art Ertragslohn übergehen. Dann lohnt es sich für diese Menschen, zu einer Eigentumsbildung hinzustreben, z. B. zu einem eigenen Haus, um damit eine Grundlage der eigenen Vorsorge für das Alter oder für sonstige Wechselfälle des Lebens zu treffen. Da das für die meisten unerreichbar ist, soll man sich nicht wundern, wenn so oft die sagenhafte Musiktruhe zitiert und beklagt wird, daß das Sparen für die eigene Vorsorge so selten sei. Das liegt doch auch daran, daß die echte Eigentumsbildung für viele innerhalb der Angestelltenschaft und der Arbeiterschaft unerreichbar ist. Wir bedauern es sehr, daß wir in der zweiten Lesung nicht die Erhöhung der Steigerungssätze haben durchsetzen können; wir werden den Antrag in der dritten Lesung wiederholen. Sie wissen, daß wir für das Altersruhegeld und für die Erwerbsunfähigkeitsrente die Heraufsetzung von 1,5 auf 1,8 % und für die Berufsunfähigkeisrente von 1 auf 1,2 % beantragt hatten. Wir wollten damit eine größere Sicherheit für all die Wechselfälle des Lebens, von denen in der Diskussion der zweiten Lesung die Rede war, erreichen. Über die zukünftigen Renten besteht keineswegs überall Klarheit. So fand ich gestern in der Sonntagsausgabe einer führenden Zeitung die Formulierung, daß die Renten sich um 70 % steigerten. Wenn schon in einer solchen Zeitung derartige Vorstellungen zum Ausdruck kommen, darf man sich nicht wundern, daß in den Kreisen, die an diesen Rentengesetzen besonders interessiert sind, nämlich bei den Versicherten und den Rentnern, Erwartungen entstanden sind, die sich nach dem Inhalt dieser Gesetze niemals realisieren lassen. Es taucht die weitere Frage auf, inwieweit in den beiden Gesetzentwürfen überhaupt noch eine Dynamik enthalten ist. Wir bekennen uns nach wie vor zu der Lohnwertrente. Wenn sie in diesen ({5}) beiden Gesetzen nicht erreicht wird, dann bleibt sie als Aufgabe für die Zukunft. Gerade weil der Rentner für seine Ansprüche nicht in der Weise eintreten kann, wie es der Arbeiter und der Angestellte tun kann, muß er eine gewisse Sicherheit haben, daß seine berechtigten Interessen nicht vernachlässigt werden. Zudem fühlt sich der Rentner immer noch jenem Kreis zugehörig, aus dem er selbst kommt, sei es die Arbeiterschaft, sei es die Angestelltenschaft. Im Hinblick auf diesen inneren Kontakt sollte es in die Verantwortung der Sozialpartner gestellt werden - und zwar ohne daß ein Sozialbeirat gebildet wird -, bei Lohnverhandlungen die Entwicklung der Renten mitzubeachten. Die Sozialpartner müssen sich daran erinnern, daß die Rentner letzten Endes auch einmal in der Wirtschaft mitgeschafft haben. Daraus erwächst für die Sozialpartner die Verpflichtung, auch für sie einzutreten. Da die Festsetzung der Rente nicht auf Grund des Einkommensdurchschnitts des vorhergehenden Jahres erfolgt, sondern drei Jahre zurückgerechnet wird, müssen wir feststellen, daß die Rente immer - das ist umstritten - um 5 bis 7 % hinter der Lohnentwicklung zurückbleibt. Dieses Gesetz wird wieder etwas hervorrufen, was wir nicht wollten. Wir bedauern sehr, daß es jetzt unausbleiblich ist, daß die Rentenpolitik und der Kampf um die Höhe der Renten immer wieder eine Angelegenheit der Tagespolitik sein werden. Wir hätten das den jetzigen und den zukünftigen Rentnern sehr gern erspart. Wenn man die jeweilige Produktivitätssteigerung auf die Renten übertragen hätte, wäre das vermieden worden. Diesen Weg hätte man durchaus beschreiten können. Das ist erreichbar, und es besteht, wie in der zweiten Lesung schon einmal gesagt wurde, gar keine Gefahr, wenn das Sozialprodukt gerechter verteilt wird. Gerade weil der Rentner kein Mittel zum Kampf um die Höhe seiner Rente hat, hätten wir es ihm ersparen sollen, daß die Frage der Rentenhöhe immer wieder im Plenum des Deutschen Bundestages auftauchen wird und daß sich dann die verschiedenen Meinungen entzünden werden, was sich sicherlich nicht gerade erfreulich für die Gemeinschaft der Rentner auswirken kann. Man hat unnötigerweise und vor allen Dingen in einer übertriebenen und sehr unglücklichen Form die Gefahr einer Inflation in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Es ist merkwürdig, ja geradezu grotesk, daß jene Kreise z. B. bei der Steuerermäßigung von mehr als 2 Milliarden, die sich in einer kurzen, zusammengedrängten Zeit auswirken konnte, niemals von einer Inflationsgefahr gesprochen, sie noch nicht einmal mit den leisesten Tönen angedeutet haben. Es wundert mich sehr, daß jetzt die etwa 21/2 Milliarden, die für die Renten mehr aufgewendet werden müssen, eine Inflationsgefahr bedeuten und daß gerade Rentengesetze den Anstoß dafür geben sollen, mit bremsenden und sonstigen Maßnahmen einer Inflationsgefahr zu begegnen. Der Begriff der Inflation gehört viel mehr in das Gebiet der Finanzpolitik, der Wirtschaftspolitik und der Währungspolitik. Von dort aus müssen, wenn eine Inflationsgefahr besteht, Maßnahmen getroffen werden, die sich auch auf die Leistungen, die dieser besonders in den §§ 1260 und 1276 leider eingeschränkte Gesetzentwurf vorsieht, sichernd auswirken. Wir haben, so möchte ich meinen, nicht zu befürchten, daß gerade die Rentner mit ihren Forderungen eine schleichende Inflation heraufbeschwören. Auch durch das, was man ihnen in diesen Gesetzen bietet, wird es nicht zu einer Inflation kommen. Aber es wäre vielleicht eine sehr dankbare Aufgabe für die Währungspolitiker und die Finanzpolitiker, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie man einer Inflationsgefahr - wenn eine solche wirklich vorhanden ist - begegnen kann, ohne mit den Gegenmaßnahmen ausgerechnet bei sozialpolitischen Gesetzen zu beginnen. Ich habe von der Erhöhung der Steigerungsbeträge gesprochen. Wir sind von einer Erhöhung des Steigerungsbetrages von 1 auf 1,2 bzw. von 1,5 auf 1,8 v. H. ausgegangen. Leider müssen wir feststellen, daß nach dieser Gesetzesvorlage für das Altersruhegeld Bundesmittel nicht gewährt werden. Das scheint mir der entscheidende Beweis dafür zu sein, daß hier eine Verschlechterung von einem so großen Ausmaß eingetreten ist, daß diese Gesetze wirklich nicht die Kennzeichnung „Rentenreform" verdienen. Weil hier keine Bundesmittel gewährt werden und weil unser dementsprechender Antrag in der zweiten Lesung keinen Erfolg gehabt hat, möchten wir nicht, daß, wenn Beitragssteigerungen notwendig werden, diese lediglich eine Angelegenheit der Versicherten sind; vielmehr muß, wenn mehr Mittel gebraucht werden, eben der Steigerungsbetrag rechtzeitig erhöht werden. Hier trägt die Regierung die Mitverantwortung. Sie sollte das Risiko für die Gestaltung des Altersruhegeldes - das sich gegenwärtig als eine reine Beitragsrente darstellt - nicht allein den Beitragszahlern überlassen, sondern sie sollte so fortschrittlich sein, sich an diesem Risiko auch durch Bundesmittel zu beteiligen. Daß sie das nicht tut, scheint uns, der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks, das beklagenswerteste zu sein. Wie ich schon in der ersten Lesung betont habe, handelt es sich bei den Personen, die dieses Altersruhegeld beziehen, um Menschen, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet haben. Ihre Arbeitsleistung hat nicht nur ihnen persönlich gedient, sondern sie haben durch ihre Arbeit für das gesamte deutsche Volk und damit auch den deutschen Staat, die Bundesrepublik, eine volkswirtschaftlich wichtige Leistung erbracht. Die ihnen dafür gebührende dankbare Anerkennung wird ihnen, scheint mir, hier nicht gezollt, und das ist eine sozialpolitische Ungerechtigkeit. Wir bedauern weiter, daß auch auf einem anderen Gebiet ein sozialpolitischer Fortschritt nicht erzielt wurde. Die seit vielen Jahren immer wieder erhobene Forderung nach einer Elternrente und nach einer Geschwisterrente hat sich in der zweiten Lesung nicht durchsetzen lassen. Unsere Fraktion war es, die mit ihrem Antrag in der zweiten Lesung noch weiter ging als andere Fraktionen und außer der Elternrente auch eine Geschwisterrente forderte. Die Einführung einer Geschwisterrente schien uns deshalb richtig zu sein, weil es Lebensgemeinschaften besonderer Art gibt, die nach 1945, in den Nachkriegsjahren, besondere Schicksalsschläge erlitten haben. Auch für diese Lebensgemeinschaften hätten wir eine sozialpolitische Hilfe gern gesehen. Wir möchten dabei in erster Linie die Elternrente genannt haben. Diese ist in der zweiten Lesung leider auch nicht zum Tragen gekommen. Wir bedauern das, weil in einem sozialpolitisch fortschrittlichen Gesetz neue Elemente vorhanden sein müßten. Ebenso wichtig erscheint uns das Pflegegeld. Wir beantragen es in der dritten Lesung erneut. Wir ({6}) bedauern, daß die Frage der Pflegebedürftigkeit nicht in dem Umfang erörtert werden konnte, wie es uns sowohl für die Zivilblinden als auch für jene kranken und gebrechlichen Personen wichtig erscheint, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu helfen, sondern auf die Hilfe eines anderen Menschen angewiesen sind. Wir hoffen, daß sich bei der Mehrheit dieses Hauses die Erkenntnis durchgesetzt hat, daß das Pflegegeld wie auch die Elternrente in der dritten Lesung zum Zuge kommen muß. Deshalb bin ich in diesen beiden Punkten noch nicht so völlig hoffnungslos. Aus den Darlegungen meiner politischen Freunde und denen, die ich gemacht habe, mögen Sie auch erkannt haben, daß die Spannweite des Kreises der Menschen, die wir uns bemühen zu vertreten, sehr groß ist und deshalb auch eine ganz besonders verpflichtende Betrachtungsweise und Behandlung der Dinge sowohl in der Breitenwirkung als auch in der Tiefenwirkung erfordert. Bei aller Beachtung und Würdigung wirtschaftspolitischer Erfolge möchten wir auch gewiß sein, daß sich neben den wirtschaftspolitischen Erfolgen in gleichem Maße ein sozialpolitischer Fortschritt ergibt. Wir vermögen das mit diesen beiden Gesetzen längst nicht zu verwirklichen. Dabei müssen wir uns eines sehr großen Wortes eines bedeutenden Deutschen erinnern, der einmal davon gesprochen hat, daß im Mittelpunkt allen Wirtschaftens der Mensch zu stehen hat. In der dritten Lesung dieser beiden Gesetze möchte ich sagen, daß wir trotz der Verbesserungen, die wir nicht bestreiten und auch anerkennen wollen, den Kernpunkt einer Sozialreform nicht verwirklicht sehen. Hier ist nämlich nicht der mutige Schritt gegangen worden, der es rechtfertigen könnte, von einer Rentenreform zu sprechen. Man ist aus dem Tor der Sozialpolitik des 19. Jahrhunderts sehr vorsichtig herausgetreten, ist aber, ohne das Tor der Sozialpolitik des 20. Jahrhunderts erreicht zu haben, im Schatten einer solchen zukünftigen echten Sozialreform und Rentenreform stehengeblieben. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir jetzt vor der dritten Lesung des Gesetzes stehen, ist es notwendig, sich einmal ohne Leidenschaft mit dem zu beschäftigen, was hinter uns liegt, um klar zu erkennen, wo wir zur Zeit stehen. Es ist unbestritten, daß die ganze Struktur unseres Volkes vor achtzig Jahren, als wir die ersten Anfänge einer Rentenversicherung bekamen, eine andere war, als sie es heute ist: damals 20 % der arbeitsfähigen Menschen im deutschen Volke versicherungspflichtig, heute 80 % derselben Menschengruppe versicherungspflichtig. Schon daran zeigt sich sehr deutlich, daß man damals andere Probleme, andere Tatbestände vor sich hatte als heute. Im Jahre 1911 bekamen wir die Angestelltenversicherung. Der damalige Gesetzgeber schuf sie nicht, weil er der Meinung war, dieser Personenkreis habe nun staatliche Fürsorge nötig. Bei der Schaffung der Invalidenversicherung war die Fürsorge für die abhängigen Arbeitnehmer das hervorstechende Merkmal. Aber 1911 hat man sich die Frage gestellt: Soll man nur diejenigen in eine staatliche Versicherung einbeziehen, denen der Staat, denen die Gemeinschaft Fürsorge gewähren muß? Hier ist man schon einen ganz anderen Weg gegangen und hat das Sicherheitsbedürfnis der Angestellten zur Grundlage des neuen Gesetzes gemacht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, vergessen Sie es doch im jetzigen Moment nicht: Unsere Angestelltenversicherung ist auf der Basis reiner beruflicher Selbsthilfe aufgebaut worden; sie hat keinerlei Staatszuschüsse erhalten, weder in einem Grundbetrag noch in einem anderen Rententeil. Das ist meines Erachtens das Entscheidende. Manche in Deutschland fragen heute: Ja, warum haben wir nicht dasselbe Recht, wie es jetzt für die Angestellten und für die Arbeiter gestaltet wird? Diese sollten ernstlich prüfen, ob sie nicht, wie es die Angestellten um das Jahr 1911 getan haben, unter sich selbst Wege suchen sollten, um die notwendige Sicherheit für das Alter und für eine vorzeitige Invalidität zu haben. Man hat bei allem, was sich in einem Volke tut, auf die Entwicklung zu sehen. Ich bin der Überzeugung, daß unsere Rentenversicherung längst den neuen Tatbeständen angepaßt wäre, wenn nicht die beiden unseligen Kriege die Deckungskapitalien unserer Rentenversicherungsträger vernichtet hätten. Die Älteren von Ihnen können sich bestimmt noch der großen Auseinandersetzung entsinnen, die im Jahre 1927 im Deutschen Reichstag stattgefunden hat, wo man bereits sagte: Ein teilweises Kapitaldeckungsverfahren ist für eine derartige Massenversicherung überhaupt keine Basis. Man diskutierte damals bereits allen Ernstes die Frage, ob man die Altersrente nicht durch eine Betriebsumlage finanzieren sollte, was doch jetzt mehr oder weniger die Grundlage des von uns neu Gewollten ist. Das soll man sich doch vor Augen halten! Damals hat man nicht daran geglaubt, daß die Menschheit ein zweites Mal den Wahnsinn eines neuen Weltkrieges begehen wird, und man hat gemeint, auf der festen Versicherungsbasis die Dinge neu gestalten zu können. Wir haben dann 1927 die entsprechenden Gesetze bekommen, die die Leistungsfähigkeit unserer Rentenversicherungen unbedingt garantieren sollten. Die Probleme, die damals zu lösen waren, waren aber doch viel, viel leichter. Der Verlust, der damals vor allem in der Kapitaldeckung unserer Invalidenversicherung eingetreten war, schwankte zwischen 4 und 4'/2 Milliarden Mark. Aber nach dem unseligen letzten Krieg haben wir überhaupt keine Basis mehr gehabt. Sie alle kennen die gesetzlichen Bestimmungen, die die Militärregierungen erlassen haben, um in der Invalidenversicherung auch nur eine Durchschnittsrente von monatlich 45 Mark garantieren zu können. Ich weiß, daß damals allein das Land Niedersachsen für seinen Bereich jährlich 128 Millionen Mark aufzubringen hatte, um die Leistung von durchschnittlich 45 Mark für den ganzen Monat finanzieren zu können. Wir haben dann im Wirtschaftsrat durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz versucht, die Situation unserer Rentner zu bessern und gleichzeitig den Versicherungsträgern die finanzielle Sicherung zu geben. Diejenigen Damen und Herren, die an diesen Beratungen teilgenommen haben, wissen, daß wir damals ähnliche Diskussionen hin({0}) nehmen mußten, wie sie uns aus den letzten Monaten bekannt sind. Damals verlangte das Gesetz eine Finanzierung, die so ungefähr bei 680 Millionen Mark lag. Man hat in einer großen Denkschrift an die Gouverneure Clay und Robertson dargelegt, daß die Volkswirtschaft nicht in der Lage sei, eine derartige Summe als Verzehrquote an die Rentner zu geben. Vergleichen Sie das mit dem, was Sie hier in den letzten Monaten in den Zeitungen gelesen haben, und Sie werden in den Grundgedanken genau das gleiche finden! Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gesetz isst damals Wirklichkeit geworden, und wir haben gesehen, daß unsere Volkswirtschaft nicht zusammengebrochen ist. Die breiten Volksschichten, die als Arbeitnehmer beim Aufbau unserer Wirtschaft tätig waren, bekamen eine größere Sicherheit, weil sie sahen, daß ihre Vorgänger, nämlich die alten Rentner, etwas besser leben konnten, und das hat sie letzten Endes die Leistungen vollbringen lassen, die, volkswirtschaftlich gesehen, bei uns kein Mensch für möglich gehalten hätte. Nun ist in diesem Hohen Haus bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs gesagt worden, die Bundesregierung habe hier im Bundeshaus schon im Jahre 1952 eine Reform der Rentenversicherung zugesagt. Ich gebe ohne weiteres zu, daß das richtig ist. Sie sehen daraus, daß wir uns in der Regierung spätestens im Jahre 1952 mit diesen Dingen beschäftigt haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie müssen doch aber, wie hier heute morgen schon richtig gesagt wurde, unsere gesamte Sozialpolitik als unlösbar verknüpft mit der Wirtschaftspolitik ansehen. Wie der Kollege Erhard hier vor kurzem sagte, kann niemand mehr verzehren, als er hat. Nun haben wir durch die Intelligenz und durch den Fleiß unserer deutschen Menschen in den letzten Jahren eine Verdreieinhalbfachung des Sozialprodukts bekommen, und wir sind daher Gott sei Dank in der Lage, aus dem größeren Sozialprodukt heute eine größere soziale Hypothek abzudecken. Deshalb die Vorlage in dieser Weite! Seien wir uns doch völlig im klaren: Vor einem Jahr haben nur sehr wenige Leute auch nur im entferntesten daran gedacht, daß dieses Gesetz einmal schon als Regierungsvorlage diese Weite haben würde. ({1}) Das haben nur sehr wenige Leute geglaubt. Ich entsinne mich noch des Ortskrankenkassentages im Jahre 1948 in Frankfurt, auf dem der jetzige Oberbürgermeister von Düsseldorf, Herr Glock, als Vorsitzender des Verbandes mich fragte: „Ja, Herr Direktor, sagen Sie mal: glauben Sie denn überhaupt, daß es möglich ist, daß wir unsere soziale Struktur und Leistung aufrechterhalten können? Wie lange kann denn überhaupt unsere Rentenversicherung diese Dinge noch weitermachen?" Ich habe ihm und der Versammlung damals gesagt: „Wir werden nicht daran vorbeikommen, alles zu tun, daß der Staat, also der Steuerzahler, einundeinehalbe Milliarde mehr als bisher für die Aufrechterhaltung und Erweiterung der Leistungen aufbringt." Darauf hat mir Glock - Sie können ihn heute noch fragen - damals gesagt: „Wenn das soweit ist, daß diese Leistungen des Staates um anderthalb Milliarden höher sein werden, dann leben Sie nicht mehr und ich auch nicht." Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gott sei Dank lebt Herr Kollege Glock noch, und auch ich freue mich noch meines Lebens; und in der Zwischenzeit ist eine viel höhere Summe zusätzlich zur Sicherung der Sozialrenten in die Etats hineingebracht worden. Und nun stehen wir doch wirklich vor einer neuen Situation. Es ist heute morgen gesagt worden, es sei nicht richtig, daß der Staat für die sogenannte Altersrente keinen Zuschuß gebe. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß führende Sozialpolitiker der Weimarer Zeit bereits im Jahre 1928 gesagt haben, man solle jetzt, nachdem die Arbeitnehmer mündig geworden seien, die soziale Regelung überhaupt völlig aus der Zuständigkeit des Staates herausnehmen und sie in die Eigenzuständigkeit der Sozialpartner überführen; das heißt, der Staat solle sich davon lösen, und es solle aus dieser Sicherung für den Lebensabend eine reine Selbstverwaltungsangelegenheit gemacht werden. - Wir wissen, daß wir auf diesem Gebiet vielleicht ein Stück weiter gekommen wären, wenn eben nicht der zweite Weltkrieg alles wieder über den Haufen geworfen hätte. Wir wissen auch sehr gut - darin gebe ich Herrn Professor Schellenberg recht -, daß wir auf sozialpolitischem Gebiet Leistungen haben übernehmen müssen, die vorher überhaupt unvorstellbar waren, ob wir da die Vertriebenen nehmen oder die zusätzliche Belastung, die wir durch die Kriegsbeschädigten bekommen haben, oder die von den Nationalsozialisten zusätzlich eingeführte belastende Bestimmung über die Rentnerkrankenversicherung. Alle diese Dinge sind doch auf uns zugekommen, und es wäre wirklich zu viel verlangt, wenn man ausgerechnet dem unter das vorliegende Gesetz fallenden Kreis der Arbeitnehmer zumuten wollte, aus ihren Beiträgen alle diese Kriegsfolgen abzudecken. Das ist eine Unmöglichkeit. Deshalb bin ich der Meinung, daß wir sehr wohl in der Lage sind, hier auch bei der Finanzierung des Neugewollten den Staat in einem beträchtlichen Umfange heranzuziehen. Aber über eins, meine sehr verehrten Damen und Herren, wollen wir uns doch nicht im unklaren sein. Gott sei Dank sind die Arbeitnehmer in der Zeit, seitdem wir die Invalidenversicherung haben, im Rahmen des Volkslebens zu etwas anderem geworden. Früher war es derjenige Teil unseres Volkes, der sich nun einmal mit dem Unsichersein abzufinden hatte. In der Zwischenzeit ist es - ich sage noch einmal: Gott sei Dank - mit Hilfe der Gewerkschaften, die sich die Arbeitnehmer geschaffen haben, gelungen, den Arbeiter als ein vollwertiges Mitglied unserer Gesellschaft auch in den Rahmen des wirtschaftlichen Geschehens hineinzustellen. ({2}) Es ist heute morgen auch gesagt worden, daß es Kreise gibt, denen es wirtschaftlich schlechter geht als den Arbeitnehmern, und man hat dabei auf gewisse Gruppen unseres Mittelstandes hingewiesen. Das wird kein Mensch bestreiten. Aber das zeigt uns doch, daß der Arbeitnehmer heute im Volksleben und im Wirtschaftsleben einen anderen Standort hat und daß er in dieser sozialen Haltung, die er für seinen Stand übernimmt, viel mehr vom Staat losgelöst, sich selber helfen kann. Wir müssen in der Sozialversicherung zu einer Selbsthilfe des Standes kommen. ({3}) Das ist meines Erachtens das Entscheidende. Wenn wir von diesen Gesichtspunkten ausgehen, dann haben wir auch für die anderen, die fragen: ({4}) „Warum die und nicht wir?", die Lösung in der Hand. Wenn die Vertreter des Mittelstandes morgen zur Bundesregierung kommen und eine ähnliche, auf ihre Verhältnisse zugeschnittene Altersversorgung fordern werden, werden wir von der Regierung alles tun, um eine derartige Gesetzesvorlage zu machen. Es geht nur nicht so, daß man hohe Renten haben will, ohne einen entsprechenden Beitrag zu bezahlen. Das ist etwas, was unmöglich ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute morgen ist wieder so viel über eine Egalisierung von Angestellten- und Arbeiterversicherung gesprochen worden. Nun, gerade die Nachkriegszeit - ich sage das in aller Offenheit - hat die Bewertung der einzelnen Gruppen sich letzten Endes sehr unterschiedlich entwickeln lassen. Es gibt heute kaum jemanden, der nicht anerkennt, daß der hochqualifizierte Facharbeiter nicht mit dem Angestellten in der mittleren Ebene zu vergleichen ist. Das sind doch Dinge, die wir nicht aus der Welt schaffen können, und das tut den Angestellten absolut nicht weh. Wir freuen uns darüber, daß der Volkskörper wirtschaftlich und sozial ausgeglichener wird. Wir wollen absolut nicht, daß den Angestellten etwas von ihrem Recht genommen wird. Wer ist es denn gewesen, der vor zwei Jahren die Wiedererrichtung der Angestelltenversicherung und ihres selbständigen Versicherungsträgers anregt hat? Das ist doch eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung gewesen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen mit diesem Gesetz dafür sorgen, daß die Versicherten sich zu einer Solidarhaftung bekennen. Wenn sie zu der Überzeugung kommen, daß das letzten Ende in ihrem Interesse liegt und daß sie deshalb auch das Ihrige zu tun haben, um die Regelung finanziell sicherzustellen, dann ist die Sache viel einfacher. Da sollte man nun nicht auf Grund von Rechenkunststücken auf der einen Seite sagen: Die Sache ist finanziell überhaupt nicht gesichert, und auf der anderen Seite: Sie ist übergesichert. Damit kommen wir meines Erachtens nicht weiter. Wenn Sie sich einmal die Tatbestände vor Augen halten, werden Sie folgendes feststellen. In der Rentenversicherung der Arbeiter betrugen die Rentenausgaben für das Jahr 1956 insgesamt 4 245 Millionen DM. Wir werden im kommenden Jahr - es kann sich um einen gewissen Prozentsatz verschieben - eine Rentenausgabe von 8 047 Millionen DM haben. Unter den Einnahmen finden Sie letzten Endes auch die Beträge, die vom Bund gegeben werden. Das sind im vergangenen Jahr für die Invalidenversicherung 1 956 Millionen DM gewesen, und es werden im Jahre 1957 nach der Regierungsvorlage 2 728 Millionen DM sein. Aber auch in der Angestelltenversicherung - das sollten Sie sich bei Ihren Überlegungen immer wieder vor Augen halten - soll nicht wieder das 1911 an die Spitze der Gesetzgebung gestellte Prinzip, diese Versicherung könne sich selbst tragen, gelten, sondern Sie finden in den Gegenüber- und Zusammenstellungen nach der Regierungsvorlage Bundesmittel in Höhe von rund 682 Millionen DM. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Bundesarbeitsminister, gestatten Sie eine Frage?

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Bitte!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesarbeitsminister, ist es nicht so, daß Sie bei der Gegenüberstellung der Bundeszuschüsse des vergangenen Jahres und dieses Jahres zwei Tatbestände nicht berücksichtigt haben, nämlich daß einmal infolge der Einsparungen in Höhe von über 400 Millionen DM in anderen Positionen des Haushalts die Bundeszuschüsse praktisch gesenkt werden und daß zweitens in diesen Bundeszuschüssen Vergütungen für die Übergangsregelung der Sonderzuschüsse enthalten sind? Wenn Sie beide Faktoren berücksichtigen, dann ergibt sich, auch nominell gesehen, keine Steigerung der Bundeszuschüsse. Und ist es nicht richtig, Herr Bundesarbeitsminister, daß diese Bundeszuschüsse auch für die Fremdrenten gelten sollen und daß gerade jetzt wieder von der größten Regierungsfraktion in der dritten Lesung beantragt warden ist, diese Bundeszuschüsse zu senken? Ist es nicht richtig, daß bei einer solchen richtigen Gegenüberstellung die Rechnung anders aussieht als Ihre? ({0})

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Professor, bei der Erörterung des Gesetzes in den letzten Monaten sind - auch heute morgen haben wir das wieder erlebt - Währungsprobleme und wirtschaftliche Probleme vorgetragen worden. Alles hat man in dieses Gesetz hineinverlegt. Und genau denselben Fehler machen Sie meines Erachtens jetzt auch. Wenn wir von diesem Gesetz reden, können wir nicht gleichzeitig von dem Bundesversorgungsgesetz für die Kriegsbeschädigten reden. ({0}) Wir müssen doch an einer Stelle einmal anfangen und eine Plattform schaffen, auf der wir nachher weiterarbeiten können. Wenn ich mich nicht irre, haben wir seither für das Fremdrentengesetz einen Betrag von 400 Millionen DM - in der Größenordnung wird es wohl sein - eingesetzt. Das ist doch jetzt auch darin enthalten. Wir haben eine tatsächliche Erhöhung des Bundeszuschusses gegenüber dem Jahre 1956 von über einer Milliarde DM. Man kann sich selbstverständlich darüber unterhalten, Herr Professor, ob, wenn der Staat hier eine derartig wesentliche Verbesserung der Leistungen durch ein Gesetz vornimmt, dann nicht Wohlfahrtslasten oder andere Fürsorgelasten abgebaut werden müssen. Dabei handelt es sich aber nicht um denselben Zahlungsträger, das wissen wir doch. Ich bitte Sie deshalb, diese Dinge auseinanderzuhalten und das Gesetz einmal als solches zu sehen. Dann ist mir allerdings eines aufgefallen; Herr Professor Schellenberg, passen Sie einmal einen Augenblick auf. Sie haben in der zweiten Lesung in sehr beredten Worten davon gesprochen, daß die Versicherungsträger eine größere Aufklärungsarbeit bei den Versicherten durchführen sollten. Sie wollten das in das Gesetz hineingearbeitet haben. Daß die Versicherungsträger im großen gesehen eine Aufklärungsarbeit vornehmen, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber, Herr Professor, da({1}) neben möchte ich auf eines nicht verzichten: das ist die Aufklärungsarbeit der Sozialpartner. Sie haben ja durch 'die Selbstverwaltung die Versicherungsträger mitzutragen, und sie sollen auch das Ihrige dazu beitragen. ({2}) Ich darf Ihnen eines sagen, und das werden auch die früheren Gewerkschaftsfunktionäre auf ihrer Seite bestätigen: Sie haben sich vielfach ihre Sachkenntnisse aus dieser Beratungsarbeit in der Gewerkschaft angeeignet. Darauf möchte ich wirklich nicht verzichten. Je mehr die einzelnen Interessentenverbände oder Organisationen sich mit diesen Dingen beschäftigen und ihre Funktionäre zwingen, sich in diese Materie einzuarbeiten, desto größer wird der Kreis von Menschen sein, die in der Öffentlichkeit über diese sozialen Probleme auch etwas sagen können. Ich habe heute morgen in einer Zeitung einen Artikel gelesen, in dem es mehr oder weniger so hingestellt wurde, als wenn hier im ganzen Bundestag nur ein Dutzend Menschen seien, die von sozialpolitischen Dingen etwas verstehen. Ich bin der Meinung, so kann man die Dinge nicht hinstellen. ({3}) Ich bitte Sie, in dem Gesetz den nötigen Spielraum dafür zu lassen, daß draußen innerhalb der Organisationen in der Zukunft wieder mehr Menschen als in der Vergangenheit herangebildet werden, die auf Grund ihrer Tätigkeit in der Lage sind, sich mit den Dingen zu beschäftigen. Dann werden wir, glaube ich, wirklich sagen können, daß das soziale Wollen in der Zukunft wieder von einem größeren Volkskreis getragen wird. ({4}) - Ich sage Ihnen ja, darüber muß man meines Erachtens in erster Linie mit der Selbstverwaltung in den Versicherungsträgern einmal sehr ernsthaft sprechen. Ich bin der Überzeugung, nicht alles, was eine Selbstverwaltung zu tun hat, sollte hier bereits im Gesetz vorgeschrieben sein. Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch am heutigen Tag keine Änderung an dem Entwurf vorzunehmen. Sehen wir das große Ziel der Vorlage, das wir alle anstreben! Ich bin der Überzeugung, daß wir dieses Gesetz ohne igrößere Erbitterung gegeneinander gemeinsam zum Abschluß bringen, ein Gesetz, auf das das Volk draußen wartet. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke .

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nachdem wir in der zweiten Lesung über viele Einzelfragen dieses Gesetzes gesprochen haben, lassen Sie mich die große Grundsatzdebatte der dritten Lesung mit der Frage beginnen: Hat die Zukunft in der deutschen Sozialpolitik schon begonnen? Haben wir wirklich den ersten Schritt zu einer Sozialreform gemacht, und wenn wir ihn getan haben, wohin soll dieser Schritt führen? Wie sieht es mit dem Leitbild aus, das uns bewegt, wenn wir von Sozialreform im allgemeinen und von Rentenreform als einem Teilstück der Sozialreform im besonderen sprechen? Ist es das Leitbild jener Kathedersozialisten, von denen Herr Professor Schellenberg, wie mir scheint, mit Recht sprach? Ist es das Leitbild des großen sozialistischen Ideals der Gleichheit, der Gleichheit auch aller Rentenleistungen für alle Menschen, oder ist es das Leitbild, das uns aus der christlichen Soziallehre - der katholischen wie der evangelischen - überkommen ist, der Grenzen der staatlichen Sozialpolitik? ({0}) Die Vorbereitung dieser Reform stand sicherlich unter einem sehr bösen Zeichen - wir haben es hier alle festgestellt -, dem Zeichen des Zeitdrucks, dem Zeichen mancher Versäumnisse, aber auch des Vorrangs jener sozialpolitischen Versprechungen und der Pflicht zu ihrer Erfüllung, die immer ungut sind, wenn es um soziale Reformen geht. Denn soziale Reformen können nie die Angelegenheit eines Jahres oder weniger Monate, ja, nicht einmal einer Legislaturperiode sein. Sie werden die permanente Aufgabe auch dieses Parlaments bleiben. Wir 'bedauern, daß nicht einer notwendigerweise vorhergehenden Grundsatzdebatte in diesem Parlament im Herbst 1955 der Vorrang eingeräumt wurde, als die Fraktion der Deutschen Partei mit ihrem Antrag zur Reform der Rentenversicherung die Voraussetzungen für eine solche Grundsatzdebatte, die auch dem Herrn Bundesminister für Arbeit Klarheit über die Mehrheitsmeinung in diesem Hause gegeben hätte, schuf. ({1}) - Ich wage nicht zu bestreiten, daß wir sie gehabt haben. Sie sind, soweit ich sie hier zu führen versucht habe, immer von Ihnen, Herr Kollege Schellenberg, gemeinsam mit Kollegen anderer Fraktionen des Hauses abgelehnt worden, und zwar mit dem Argument: „Nicht jetzt, später!" Aber die Weichen sind gestellt. Sie sind gestellt in der Novelle zum AVAVG, sie sind gestellt in der zweiten Lesung der Rentenreform in den letzten Tagen, sie werden mit den Beschlüssen der heutigen dritten Lesung gestellt sein, und das wird demnächst bei den Diskussionen über die Reform der Krankenversicherung seine präjudizierende Wirkung haben. Wenn wir heute in der dritten Lesung von den großen und grundsätzlichen Fragen der beginnenden Sozialreform sprechen, dann muß ich feststellen, daß diese Reform leider die tragende Idee, die große Konzeption, die konstruktive Lösung im Sinne einer modernen, neuen Sozialpolitik nicht vorbereitet hat. Ich muß leider auch feststellen, daß jene schöpferische Pause - und das bedauert die Fraktion der Deutschen Partei ganz besonders -, die auch für die Parlamentarier und Staatsmänner notwendig gewesen wäre, im Getriebe dieser Monate und Wochen nicht gegeben war, in der man sich über die großen Fragen des Zusammenhangs von Wirtschafts- und Sozialpolitik hätte verständigen können. Ich bedaure, daß wir alle hier in der 'großen Hast dieser Tage und - wie ich wohl auch hinzufügen kann - Nächte ({2}) der Arbeitsüberlastung es wirklich schwer haben, Phantasie genug aufzubringen, um mit dem Blick in die Zukunft mutig zu sagen: Dies ist ein möglicher Anfang, aus dem vielleicht der 3. Bundestag etwas Besseres machen kann. ({3}) Ich habe nicht den Mut, zu sagen, daß ein solcher Anfang gemacht ist. Ich fürchte, die Weichen sind falsch gestellt. Um den Blick fürs Ganze und den Blick für die Zusammenhänge zu bewahren, waren die Zusagen in diesem Jahr zu groß und die Möglichkeiten zu gering. Wir haben vielerlei Chancen verpaßt. Wir haben - alle gemeinsam - die Chance verpaßt, das Recht einfacher und überschaubarer zu machen. Ich weiß, daß das nicht so einfach ist, wie es sich viele Menschen vorstellen. Es ist auch einfacher in anderen Ländern, in denen man ganz neu begonnen hat und die nicht wie wir ein System kompliziertester Zusammenhänge haben, die nicht wie wir gegen ein übersteigertes Verlangen nach Besitzstandwahrung dauernd kämpfen müssen - und das in einer Generation, die doch bei Gott erlebt hat, wie zweifelhaft Besitzstandwahrung für diejenigen ist, die von Haus und Hof und Eigentum vertrieben wurden. Wir haben die Weichen für die Gesamtreform auch da nicht gestellt, wo wir in diesem Hause, zumindest in der Mehrheit der Koalitionsparteien, doch in der großen Linie der Wirtschafts- und Sozialpolitik einig sind, nämlich bezüglich der Abgrenzung gegenüber der Versorgung und der Fürsorge. Zu der Frage, die Herr Professor Preller in der zweiten Lesung angeschnitten hat, als er mir vorwarf, das Schlagwort vom Wohlfahrtsstaat sei ein gefährliches Schlagwort - ({4}) - Ich habe es im vollen Bewußtsein gebraucht, und es ist nicht mehr und nicht weniger gefährlich als das Schlagwort von der sozialen Sicherheit; denn soziale Sicherheit für jedermann gibt es nicht. Die sozialpolitische Kernfrage, die uns gestellt ist, ist nicht allein die Frage des Ob der Wohlfahrts- und der Hilfspolitik, sondern auch die Frage des Wie und der Grenzen der Wohlfahrts- und der Hilfspolitik. Wir haben uns zu entscheiden, ob wir die individualistischen Prinzipien oder die kollektivistischen Grundprinzipien zur Grundlage unserer Beschlüsse machen wollen auch da, wo es nur ein klares Ja oder Nein geben kann. Man kann keine Reform beginnen, ohne die soziale Wirklichkeit zu kennen. Die Bundesregierung hat sich darum bemüht, und sie hat mit ihrer großen L-Statistik im ersten und zweiten Teil bemerkenswerte, leider von der großen Öffentlichkeit gar nicht 'genug beachtete Erkenntnisse vermittelt, auf Grund deren die Weichen ganz anders hätten gestellt werden können und sollen. Leider kam die Auswertung des zweiten Teils der L-Statistik sowohl für die Beratungen im Beirat des Bundesministers für Arbeit als auch für die Beratungen hier im Sozialpolitischen Ausschuß reichlich spät. Das befreit uns bei den Entscheidungen, die wir über die Grenzen der Versicherungspflicht, des Versicherungszwangs, 'der Staatszuschüsse, der Beitragsbelastungen und der Höhe der Leistungen zu treffen haben, aber nicht davon, uns über diese Kenntnis der sozialen Wirklichkeit miteinander zu unterhalten und die Frage zu stellen, ob das, was an der Höhe des Sozialetats so sehr gerühmt wird, auch wirklich den sozialen Effekt hat, den wir davon erwarten. Gewiß, der Sozialaufwand ist wie kaum in einem anderen Land der Welt laufend höher geworden. Aber auch die Anteile der Steuerzahler an den Sozialleistungen sind dauernd gestiegen. 1956 waren es 36,6 %. Und wer sind diese Steuerzahler? Das sind doch dieselben, die auch die Beiträge zur Sozialversicherung aufzubringen haben. Es ist die weitere Frage gestellt: Bestand wirklich solch ein Anlaß zu Eile und Hast? Ich möchte sagen, es bestand Anlaß zur Eile, aber nur bezüglich der alten Menschen, denen schnell geholfen werden konnte. Wir von der Fraktion der Deutschen Partei haben immer wieder darauf hingewiesen, daß man das in zwei Etappen sehr wohl tun kann: durch eine vernünftige, sich in den Gesamtplan der Rentenreform schon einfügende Erhöhung der laufenden Renten und durch eine gleichzeitig mit der Rentenreform zu verabschiedende moderne Regelung einer neuen, gehobenen Fürsorge, die durch Gewährung sozialer Augleichsrenten eine Zusatzleistung schafft, ohne die wir das individuelle Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung nicht moralisch verteidigen können. Die Reform hätte reformieren müssen. Reform, das heißt nicht nur den steigenden Aufwand der sozialen Leistungen preisen, wie es in diesen Tagen immer wieder geschieht, nein, das heißt geben und nehmen, den Mut haben, auch etwas fortzunehmen da, wo kein Anlaß mehr besteht, mit den Mitteln der Gemeinschaft oder aus der Tasche der Steuerzahler Zusatzleistungen zu geben. Diesen Mut hat die Mehrheit nicht gehabt, und es ist für mich eines der erschütterndsten Erlebnisse, daß die Sozialdemokraten, die Wochen und Monate in diesem Hause immer nach mehr gerufen haben, in ihrem parlamentarischen Pressedienst selber ,geschrieben haben - der Herr Präsident möge gestatten, daß ich den Satz vorlese -: „Einige der Vorschläge gehen weit über das hinaus, was nach den kühnsten Vorstellungen sozialdemokratischer Experten wünschenswert gewesen wäre." ({5}) Ich 'bin mit den Sozialdemokraten in der sozialpolitischen Zielsetzung einig, daß man auch den Mut haben muß,kühne Vorstellungen zu begrenzen, wenn man denen mehr geben will, von denen man glaubt, daß sie einen Anspruch auf die Hilfe der Gemeinschaft haben. Dieses Gesetz hat auch sehr revolutionäre Neuerungen gebracht mit der ganzen Dynamik solcher Neuerungen. Es hat aber nicht die Chance genutzt, gegenüber der Vermischung von Sozialversicherung, Versorgung und Fürsorge die große Flurbereinigung anzupacken, die Versicherung von dem mancherlei Gestrüpp zu befreien, das in den letzten Jahren durch kleine und nicht ausreichende, nicht gut durchdachte, unter Zeitdruck und unter anderem Druck entstandene Gesetze immer undurchsichtiger geworden ist. Nun hat der Herr Kollege Schellenberg heute begonnen mit der 'bitteren Klage, daß die Angestellten enttäuscht sein werden. Man könnte sich freuen darüber, daß von der linken Seite des Hauses die Angestellten einen so guten Anwalt bekommen haben. Man könnte sich mancherlei Gedanken darüber machen, woher es kommt, daß die Ange({6}) stellten neuerdings dort die als Freunde haben, die zehn Jahre hindurch mit allen ihren Bundesgenossen, auch im Deutschen Gewerkschaftsbund, gerade das vertreten haben, was heute Herr Schellenberg - aus seiner Sicht mit Recht - zum Ausdruck gebracht hat mit ,dem Satz: „Wir sind glücklich, daß etwas Epochemachendes verwirklicht wird, nämlich das gleiche Recht der Arbeiter und Angestellten." ({7}) Ich sage Ihnen, Herr Kollege Schellenberg, wir sind unglücklich darüber. Die Debatte der zweiten Lesung hat gezeigt, daß SPD und CDU in der Konzeption des gleichen Rechtes für gleiche Beiträge - leider - einig sind. Ich hätte gewünscht, daß wir bei dem Beginn der Rentenreform eine revolutionäre Absage an alle Ideologien einer falsch verstandenen Gleichheit und Gleichmacherei gegeben hätten und daß wir das berufsständische Prinzip, von dem auch der Herr Arbeitsminister vorhin sprach, das ethische Prinzip der Selbsthilfe und der Selbstverantwortung verteidigt hätten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete, gestatten Sie dem Abgeordneten Schellenberg eine Zwischenfrage?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wollen Sie vielleicht so freundlich sein, dem Haus zu sagen, welche Unterschiede in den Leistungen Sie zwischen Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung wünschen und warum Sie sie hier nicht beantragt haben? ({0})

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Darüber werde ich ganz offen sprechen. Ich werde dem, obwohl es sonst in der Diskussion nicht üblich ist, nicht ausweichen. Herr Kollege Schellenberg, Sie haben ja schon vorhin in Ihren Ausführungen gesagt, ich hätte im Ausschuß keine wesentlichen Änderungsanträge gestellt. ({0}) Meine Herren und Damen, es war ein offenes Geheimnis, daß in der Frage: besondere Angestelltenversicherungsrecht oder nicht, die Fraktion der Deutschen Partei sich in der Koalition nicht hat durchsetzen können. Es ist ein offenes Geheimnis, daß an der Vorarbeit für ein solches besonderes Angestelltenversicherungsrecht gerade ich beteiligt war und daß wir uns in der Koalition über diese Frage nicht haben einigen können. ({1}) - Sie wissen es doch, Sie haben es in Ihren Pressediensten geschrieben! Ich stehe nicht an, hier die volle Wahrheit zu sagen: Es wäre doch zwecklos gewesen, wenn ich dem Ausschuß ein besonderes Angestelltenversicherungsgesetz vorgelegt hätte bei einem Stand der Beratungen, in dem CDU plus SPD an den zwei Tagen einig waren, kein besonderes Angestelltenversicherungsgesetz, sondern die gleichen Paragraphen zu beschließen. ({2}) - Wenn Sie wünschen, Herr Kollege Arndgen, daß ich sage, was ich in der Koalition alles verlangt habe -; aber ich glaube, ich sollte es nicht sagen. ({3}) Herr Kollege Schellenberg, ich will Ihnen hier sehr offen antworten. Ich wiederhole, was ich in der ersten Lesung gesagt habe: Wenn man nur die Verweisung auf die gleichen Paragraphen und den gleichen Text der Paragraphen wollte, dann brauchte man kein besonderes Angestelltenversicherungsgesetz. Dann hätte es genügt, die Selbstverwaltung der Angestellten in diesem Gesetz besonders zu regeln und in der Frage des Heilverfahrens und vielleicht noch bei einigen anderen kleinen Dingen auf die besondere Situation der Angestellten hinzuweisen. ({4}) - Wir sprechen von materiellem Inhalt - ({5}) - Herr Professor, ich werde Sie nicht enttäuschen; Sie wissen, ich tue das nicht. ({6}) Ich komme auch noch auf den materiellen Inhalt des Gesetzes. Meine Herren und Damen, wir haben bei dieser Frage, die in erster Linie eine politische Frage von eminenter Bedeutung ist, eine einmalige Gelegenheit verpaßt, die Angestelltenversicherung nicht nur zu erhalten, sondern sie fortzuentwickeln, und zwar ihr Recht fortentwickeln. Wir haben eine einmalige Chance verpaßt, der Selbstverwaltung, von der immer so rühmend gesprochen wird, endlich größere Möglichkeiten zu geben. ({7}) Wir haben eine große Chance verpaßt, in der Angestelltenversicherung ohne Staatszuschüsse auszukommen und jenes Prinzip der Verantwortung aus eigener Kraft einzuführen, das der Arbeitsminister erstaunlicherweise soeben betont hat, als er von der Selbsthilfe besonderer Berufsgruppen sprach. Jenes Prinzip, aus eigener Kraft füreinander einzustehen, ist in der Angestelltenschaft in allen ihren Zweigen trotz der strukturellen 'Unterschiede, trotz der soziologischen Unterschiede, in der Spitze und an den Wurzeln viel lebendiger als etwa bei Bauern oder Handwerkern, wo es sehr viel schwerer ist, eine einheitliche Meinung zu finden. Die Angestellten in ihrer Gesamtheit waren nicht nur bereit, ihr materielles Angestelltenversicherungsrecht zu verteidigen und auszubauen, sie sind und waren bereit, Opfer zu bringen. ({8}) - Die werden sie nicht nur da bringen. Sie wissen ja noch gar nicht, ob ich sie beschließe; Herr Professor Schellenberg, Sie müssen sich an die Mehrheit wenden, der Sie doch angehören. Ich bin überzeugt, Sie werden es beschließen, ({9}) und Sie werden das bisherige Angestelltenversicherungsrecht beseitigen, nicht wir. ({10}) ({11}) Sie haben der Regierung vorgeworfen, daß sie nur aus Gründen der Optik Besonderheiten der Angestelltenversicherung aufrechterhalte. Herr Schellenberg, ich bin mutig genug, Ihnen zu sagen, daß Ihnen da die Regierung antworten muß. Wir sind dieser Regierung in der Koalition verbunden, sind aber in diesem Punkt nicht mit allen Mitgliedern der Regierung einig. Die grundsätzlichen Dinge, von denen Sie sagen, daß sie die überwältigende Mehrheit im Ausschuß für Arbeiter und Angestellte beschlossen habe, möchte ich jetzt nicht behandeln, weil jeder die Zusammensetzung des Ausschusses kennt und weiß, daß das nicht die überwältigende Mehrheit der Angestellten gewesen ist. ({12}) Sie sagen, wir hätten keine Vorschläge mehr gemacht. Ich bin so offen, Herr Kollege Schellenberg, Ihnen zu sagen: Ich habe mich zum Schluß überhaupt nicht mehr an Ihrer Diskussion beteiligt und das abgelehnt, was Sie dort als vollendete Tatsachen beschlossen haben, weil ich, wie Sie wissen, zu den Menschen gehöre, die sich nicht von der Mehrheit überfahren lassen in einer Situation, in der jede Diskussion aussichtslos war. ({13}) - Und ich habe, Frau Kollegin Korspeter, zu Protokoll gegeben, daß ich mich in den weiteren Beratungen über ein Angestelltenversicherungsgesetz - ich muß sagen: über ein sogenanntes Angestelltenversicherungsgesetz, das kein Angestelltenversicherungsgesetz ist - der Stimme enthalte. Herr Schellenberg irrt sich in einem Punkt. Ich habe nicht Elternrente nur für Angestellte verlangt. Ich habe in der ersten Lesung wie im Ausschuß immer die Auffassung vertreten, daß die sozialpolitischen Probleme, die Arbeiter und Angestellte gleichermaßen angehen, auch gleichermaßen für beide bei der Reform berücksichtigt werden müssen. Aber wir haben um eine vollkommen andere grundsätzliche Konzeption da gekämpft, wo wir darum kämpfen mußten, und erst dann aufgegeben, als keine Möglichkeit mehr für uns bestand, einen Erfolg zu buchen. Das soll nicht heißen, Herr Schellenberg, daß wir nicht, wenn uns Gott und die Vorsehung die Gnade geben, ({14}) die Möglichkeit haben werden, gemeinsam miteinander für ein neues Angestelltenversicherungsrecht zu kämpfen. Und nun zu den Anträgen. Es ist mir sehr übelgenommen worden, als ich in der zweiten Lesung von dem politischen Stil gesprochen habe. Es ist ein Merkmal der Massendemokratie, daß sich der einzelne mit den besten Ideen und Gedanken oft nicht durchsetzen kann, wenn die Masse ihm nicht folgen will, und es ist das Schicksal der kleinen Nationen wie der kleinen Parteien, daß sie mit den besten Gedanken und dem größten Sachverstande und aller Vernunft sehr oft nicht gegen das Gesetz der großen Zahl ankommen. ({15}) Der Herr Minister hat gemeint, uns einen kleinen Rückblick auf die historische Entwicklung geben zu sollen, und zwar mit so einigen wirtschafts-und sozialpolitischen Fragen, deren Beantwortung allein eine ganze Stunde erforderte. Ich kann leider nicht darauf antworten, weil ich andere wichtige Dinge zu sagen habe. Aber ich möchte zur historischen Entwicklung der Angestelltenversicherung doch einiges feststellen. Es waren die Angestellten-Organisationen, nicht Einheitsorganisationen der Arbeiter und Angestellten, sondern die Angestelltenverbände, die am 20. Mai 1911 den Entwurf eines Angestelltenversicherungsgesetzes vorgelegt haben. Dieser Entwurf ist am 5. Dezember 1911 ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen als „Versicherungsgesetz für Angestellte" im Reichstag einstimmig angenommen worden. Damals hat ein sozialdemokratischer Abgeordneter, der Abgeordnete Hoch, das Angestelltenversicherungsgesetz als einen sozialpolitischen Fortschritt für die Angestellten gewürdigt. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir dann aus den Reihen derjenigen, die von diesem sozialdemokratischen Abgeordneten hätten lernen können, von dieser Würdigung nicht mehr viel erfahren. Wir haben vielmehr nach 1945 erlebt, wie die Besatzungsmächte mit allen ihren Helfershelfern versuchten, in Deutschland das Recht der Angestelltenversicherung wie der Angestellten-Ersatzkassen zu beseitigen. Hier in diesem Hause sind zwei Leute - das sind der frühere Herr Bundesminister Dr. Hermann Schäfer und ich -, die 1945 durch die Lande gezogen sind und die hungernden Angestellten in Versammlungen zusammengeführt haben, die damals kamen mit leerem Magen, ohne Geld, ohne Auto, ohne Möglichkeit, Spesen als Funktionäre zu bekommen, die Angestellten, die bereit waren, Opfer für ihre Einrichtungen zu bringen. Damals fanden sich keine Sozialdemokraten, auch nicht Herr Professor Preller, die uns geholfen hätten. Herr Professor Preller saß damals in Stuttgart - ich erinnere mich noch sehr gut - beim Länderrat, wo ein Gesetz zur Einheitsversicherung vorbereitet wurde. ({16}) - Da haben wir uns doch getroffen! ({17}) In jenen Jahren, als der Herr Kollege Horn und ich in Berlin in Angestelltenversammlungen kämpften und uns die Mikrophone abgeschnitten wurden, in jenen Jahren, als wir im Kampf gegen alle diejenigen, die für Herrn Schellenbergs VAB kämpften, eine echte politische Kontroverse hatten, da gab es noch Kontraste, da gab es noch leidenschaftliche politische Kämpfe. ({18}) - Bei Gott, ich verspreche es Ihnen! ({19}) Da haben wir die Angestelltenversicherung verteidigt, und wir haben sie mit Erfolg verteidigt. Und dann haben wir hier gemeinsam, Herr Kollege Schüttler, Sie und ich und alle unsere Freunde hier, das Angestelltenversicherungs-Errichtungsgesetz gemacht. Wir haben uns zu dieser Angestelltenvercherung bekannt. Wir hätten dies Gesetz doch nicht gemacht, wenn wir es nicht für notwendig angesehen hätten. ({20}) Dann kamen die Sozialwahlen und die Selbstverwaltung, von der wir alle doch so viel halten. Sie brachten ein neues überwältigendes Bekenntnis der Angestellten zu ihren Einrichtungen. Die Tren({21}) nung zwischen Angestellten- und Invalidenversicherung kann man doch nicht nur historisch begründen. Es kann nicht bestritten werden, daß die Angestellten soziologisch eine Gruppe mit besonderem Wagnis, besonderem Bedürfnis, aber auch mit einer besonderen Bereitschaft zum Risikotragen sind. Trotzdem kann man doch nicht sagen: Sie sollen das gleiche Recht für gleiche Beiträge wie die Arbeiter haben; denn sie sind Arbeitnehmer schlechthin. Zu den Säulen der Arbeitnehmer gehören seit je die Arbeiter, die Angestellten und die Beamten. Und wer heute die Angestellten in das große gemeinsame Recht der Arbeitnehmer einwalzt, wird morgen das gleiche mit den Beamten machen. Die Beamten, die solche Vorlagen entwerfen und dafür eintreten, sollten auch über diesen politischen Zusammenhang einmal still und sehr ernst nachdenken. ({22}) Wer heute sagt, es gebe keine Sonderrechte für Angestellte, dem darf ich die Ausführungen meines Freundes Dr. Berg entgegenhalten, der in der zweiten Lesung gesagt hat: Leitende Angestellte sind andere Menschen, sie sind nicht besser, aber andere Menschen. Angestellte sind nicht bessere Arbeitnehmer als Arbeiter, aber Arbeitnehmer anderer Art. Niemand von Ihnen würde den Bergleuten etwa ihre eigene Knappschaft nehmen oder den Beamten ihr Beamtenrecht. ({23}) - Zumindest würden Sie es nicht in diesem Jahre verlangen. ({24}) Wir sollten, wenn wir Selbstverantwortung wollen, den Mut haben, über Gruppen und Gruppenbewußtsein sehr ernsthaft zu sprechen. Wir alle führen gemeinsam Klage, daß der Schrei nach dem Staat immer größer und der Wille zur Verantwortung immer geringer wird. Wenn aber eine Gruppe da ist, in der noch Gruppenbewußtsein lebendig ist, dann sollten wir doch alles tun, dieses Bewußtsein zu erhalten, zu stärken und zu mehren. ({25}) Ich habe auch im Beirat des Bundesministers für Arbeit in einer sehr kleinen Gruppe einen solchen Kampf geführt. ({26}) - Mit mir sollten Sie nicht diskutieren. In der politischen Entscheidung sind wir dort so unterlegen, wie wir heute wahrscheinlich in der politischen Entscheidung unterliegen werden. ({27}) In der moralischen Entscheidung werden wir niemals unterliegen; -denn wir werden nicht aufhören, für diese unsere Auffassung zu streiten. ({28}) Heute, meine Herren und Damen, wird durch Ihre Stimmabgabe entschieden, ob Sie nach 46 Jahren das Angestelltenversicherungsrecht beseitigen. ({29}) - Ich weiß gar nicht, warum Sie so schreien. Haben Sie ein schlechtes Gewissen? ({30}) Die Sozialdemokraten in Österreich waren sicher klüger; sie haben das Angestelltenversicherungsrecht nicht beseitigt, sondern die Pensionsversicherungsanstalt für Angestellte verteidigt. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat von der Basis der beruflichen Selbsthilfe gesprochen und gleichzeitig in einem Rückblick die Dinge so dargestellt, daß sie nach meiner Meinung nicht unwidersprochen hingenommen werden können. Wenn es zutrifft, Herr Bundesminister für Arbeit - und es trifft zu; da sind wir einig -, daß die Situation von heute eine vollkommen andere ist als vor 80 oder 100 Jahren, dann komme ich aber zu einer ganz anderen Auffassung als Sie. Dann müssen wir feststellen, ob derselbe Kreis von Menschen, die damals schutzbedürftig waren, auch heute noch schutzbedürftig ist und wo die Grenze liegt. Wir werden auf diese Ihre Auffassung zurückkommen, wenn wir zu entscheiden haben, wo die Grenze der Versicherungspflicht liegt. Wir werden gemeinsam mit den Sozialdemokraten, wenn auch von einem anderen Gesichtspunkt her, in der Angestelltenversicherung, Herr Schellenberg, vielleicht gerade für die Aufrechterhaltung des alten Berufsunfähigkeitsbegriffs nach dem AVAVG von 1927 kämpfen. Denn wir glauben, was sich bewährt hat, was gut war, das muß man nicht ändern, und nur was sich nicht bewährt hat, das muß man ändern. Das ist ein Wort, das der Kollege Horn hier sehr oft ausgesprochen hat: Was Rechtens war und funktioniert hat, soll auch noch für die Zukunft Rechtens sein. Er wird ja dazu noch Stellung nehmen, wenn wir von der Versicherungspflichtgrenze sprechen. Die Einführung einer Höchstbemessungsgrenze in der Angestelltenversicherung wird - ich habe das im einzelnen in der zweiten Lesung dargelegt - zu einem großen Nachteil für die Angestellten führen. Das gilt besonders für die Angestellten, die hohe Weiterversicherungsbeiträge oder zusätzliche Höherversicherungsbeiträge im öffentlichen Dienst zahlten und daran die Hoffnung knüpften, an ihrem Lebensabend eine höhere Durchschnittsrente zu erhalten. Diese Angestellten werden infolge der in der zweiten Lesung beschlossenen Formel auf Grund der zurückliegenden Beiträge im höchsten Fall vom doppelten Durchschnittslohn aller Versicherten ihre Rente bekommen. Sie werden also zweifelsohne außerordentlich benachteiligt. Alle jene Sprüche, daß höhere Beiträge auch höhere Renten zur Folge haben und daß der, der spart, der hohe Beiträge zahlt, belohnt werden soll, werden hier durch die Sprache des Gesetzes widerlegt. Jetzt sei der Kollege Storch als Abgeordneter angesprochen. Er hat die Abgeordneten aufgefordert, diese Dinge ohne Leidenschaft zu diskutieren. Mein lieber Kollege Storch, ({31}) wenn wir nach 1945 in den letzten zehn Jahren' ohne Leidenschaft gekämpft hätten, wo wären wir hingeraten? Ich erinnere Sie nur daran, wie Sie sich im Wirtschaftsrat und wir uns in den verschiedenen Parlamenten mit den Besatzungsmächten auseinandersetzen mußten. Es wäre ja sehr schön, wenn wir heute eine gemeinsame Konzeption vertreten könnten, so daß es nicht einer ({32}) leidenschaftlichen Unterstreichung der Gegensätze bedürfte. Sie haben von der Struktur des Volkes gesprochen und gesagt, zu Bismarcks Zeiten seien 20 % versicherungspflichtig gewesen, heute seien es 80 N. Das hat doch nichts mit der Sozialstruktur zu tun, sondern ist darauf zurückzuführen, daß anläßlich jeder Wahl und aller politischen Auseinandersetzungen Versprechungen gemacht wurden, die Versicherungspflicht immer weiter auszudehnen, die dann gehalten werden mußten. Ich komme zu der umgekehrten Schlußfolgerung: wenn Sie das ganze Volk in eine Versorgung oder Versicherung mit Höchstleistungen mit hohen staatlichen Zuschüssen einbeziehen, werden Sie bei diesem System nicht mehr in der Lage sein, denen ausreichend zu helfen, denen trotz aller Wirtschaftswunder auch in unserer Zeit noch geholfen werden muß. ({33}) - Ich bin darin nicht uneinig mit Ihnen; aber eine ausreichende Leistung für die, die es notwendig haben, kann man immer nur dann gewähren, wenn man auch den Mut hat - das werden Sie mir bestätigen -, denen etwas zu versagen, die es nicht notwendig haben. Der Reichstag hat sich 1927 in der Debatte über das Problem der Kapitaldeckung mit vielen Fragen befaßt, über die wir auch heute wieder sprechen müssen. Wenn Sie aber, Herr Bundesminister für Arbeit, eine Vorlage für den Mittelstand, der jetzt dasselbe haben will, was Sie den anderen geben wollen, nämlich hohe Staatszuschüsse, machen wollen, dann vergessen Sie nicht, den Mittelstand aufzuklären, damit es ihm nicht geht wie beim Kindergeldgesetz, wo er auch erst die Leistungen haben wollte und nachher sehr erschrocken war, als er den Preis für diese Leistungen kennenlernte. ({34}) Für meine Freunde in der Fraktion der Deutschen Partei ist es unfaßbar, daß das alles geschieht in einer Situation, in der die Not der Gründungsjahre der Sozialversicherung genauso wenig existent ist wie die Not der Nachkriegszeit. Wir sind glücklich und stolz darauf, daß wir in den beiden Bundestagen und schon in der vorangegangenen Zeit gemeinsam mit unseren Koalitionsfreunden die Grundlagen der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik gelegt und so dazu beigetragen haben, daß die große Massennot beseitigt ist. Wir sind glücklich und stolz darauf, daß wir heute Arbeiter haben, die Eigentümer sind, die Grundstücke besitzen, die nicht nur, wie Frau Finselberger gesagt hat, den Fernsehapparat und das Auto erstreben, nein, die darüber hinaus selber Versicherungsverträge abschließen und erfreulicherweise das gute Gefühl des verantwortungsbewußten Hausvaters und Staatsbürgers haben. Wir haben aber leider gar keine Möglichkeit gehabt - man hat es nicht gewollt -, uns bei der Reformdebatte klarzumachen, daß man sehr wohl auch die Frage stellen muß - da gebe ich Ihnen recht -: Wenn Versicherungspflichtgrenze für Angestellte, warum nicht auch für Arbeiter? Natürlich gibt es an der Spitze der soziologischen Struktur, an der Spitze des Lebensbaums der Arbeiterschaft Facharbeiter, die weit besser dastehen, die weit gesicherter sind als viele Angestellte an den Wurzeln des gleichen Lebensbaums der Arbeitnehmer. Aber es ist doch eine sozialpolitische Aufgabe -wenn es überhaupt eine gibt -, sich bei der Reform vorher Gedanken darüber zu machen, wo neue Grenzen zu ziehen sind, und dann mutige Entscheidungen zu treffen, selbst wenn sie unpopulär wären. Nun komme ich nochmals zu Herrn Preller und seiner Auffassung, in der ich mit ihm einig bin: daß es höchstes Ziel eines Staates sein muß, für die Wohlfahrt seiner Bürger zu sorgen. Aber wir, die Abgeordneten in diesem Parlament, haben auch die Frage nicht nur zu stellen, sondern zu prüfen und zu beantworten, was denn diese Wohlfahrt unsere Bürger kostet. Denn der Staat muß ja die Mittel, die er verteilen will, in der Regel denselben Menschen abnehmen, denen er die Leistungen gibt. Ich will von den indirekten Steuern, die gerade die Konsumenten unter den Arbeitnehmern mit kleinen Einkommen und die kinderreichen Familien besonders treffen, in diesem Zusammenhang gar nicht sprechen, obwohl dieser Zusammenhang unlösbar ist, denn Steuerreform und Sozialreform kann man nicht getrennt voneinander sehen. Wenn hier gesagt wird, das Wort „Wohlfahrtsstaat" wird mißbraucht, so will ich in Zukunft, damit ich Ihnen eine Freude mache, Herr Professor Preller, gern vom Versorgungsstaat sprechen. ({35}) - Den sozialen Staat bejahen wir mit Ihnen. Wir möchten aber, daß dieser soziale Staat gerecht ist. Gerechtigkeit und sozial sein, das sind zwei Dinge, die wir für unlösbar miteinander verbunden halten. ({36}) Wer heute alle Arbeitnehmer in die Sozialversicherung überführt und ihnen Staatszuschüsse geben will, wird morgen wahrscheinlich die dritte Säule, die Beamten, genauso übernehmen müssen. Wer heute nicht den Mut zu einer ehrlichen Absage, die nicht nur optischen Charakter hat, wie die RheinNeckar-Zeitung sehr richtig schrieb, an die totale Versicherungspflicht hat, wer nur deklamiert, er sei nicht für eine totale Versicherungspflicht, und dann bei der nächsten Abstimmung 99 °/o aller Angestellten in die totale Versicherungspflicht einbezieht, ({37}) - aber 1913 bei einer ganz anderen Versicherungsgrenze, lieber Herr Schellenberg ({38}) wer sich, wie gesagt, so verhält, der gibt der Sozialversicherung den Charakter der Volksversicherung. Das ist ja Ihr legitimes Ziel, das ich Ihnen noch nicht einmal abspreche. ({39}) - Ich spreche ganz klar gegen den Teil der Koalitionsparteien, der diese Auffassung mit Ihnen teilt. ({40}) Es ist so oft vor den Konsequenzen eines solchen totalen Versorgungsstaates gewarnt worden. Wer ihn exerziert hat - Herr Schellenberg hat so ein Stückchen davon exerziert -, der weiß, daß ein solcher Versorgungsapparat nicht ohne hohe Kosten aufrechtzuerhalten ist und daß der Versorgungsstaat mit allen seinen Apparaturen nicht ({41}) ohne den Zwang in seiner höchsten Perfektion auskommt. Wer das nicht will, der muß die Grenzen erkennen, der muß die Subsidiaritätsprinzipien nicht nur gelegentlich einer Festrede anwenden, sondern muß sie hier anwenden, wo wir uns zu entscheiden haben. Es stimmt doch etwas nicht in unserem Staat, ({42}) - es freut mich sehr, daß Sie jetzt so munter werden; sie waren den ganzen Morgen so müde! ({43}) wenn bei steigendem Wohlstand und bei steigenden Aufstiegschancen aller Arbeitenden auf Grund des Erfolges der Wirtschaftspolitik, in der wir mit unseren Koalitionsfreunden unverändert einig sind und die wir zielklar fortsetzen wollen, trotzdem die Zahl der Schutz- und Hilfsbedürftigen laufend steigen soll. Das ist doch nicht logisch und ist auch nicht überzeugend zu beweisen. Es ist auch nicht richtig, die Aufbringung der Staaatszuschüsse und die Forderung nach neuen Staatszuschüssen als soziale Tat zu bezeichnen, wenn man doch weiß, daß es die Ärmsten der Armen sind, die diese Steuern und Staatszuschüsse aufbringen müssen. Messner hat in seinem interessanten Buch über das sozialistische Experiment in England bestechend deutlich nachgewiesen, daß dort der Versorgungsstaat 80 0/0 der Bevölkerung mit niedrigem Einkommen und großen Familien im Jahre 1948 57 Schilling pro Woche gegeben, ihnen aber 67 Schilling pro Woche an Abgaben und Steuern abgenommen hat. ({44}) Und was haben wir getan? Wir haben mit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz die Leistungen erhöht und haben damals schon den Angestellten und Arbeitern doppelte Beiträge abgenommen für die Zahlung der Renten, für die der Staat aus ganz anderen Gründen verpflichtet gewesen wäre. ({45}) Wir werden bei der Frage der Wiedergutmachung und des Kriegsfolgenschlußgesetzes auf dieses Kapitel noch einmal zurückkommen müssen. Aber, meine Herren und Damen, noch haben Sie eine Chance, hier in der Mehrheit sich alle diese Dinge tief auch in Ihr Gewissen zu schreiben. ({46}) Wir wollen gemeinsam, Herr Kollege Arndgen, Eigentum schaffen. Es steht so schön zu lesen: „Eigentum in Arbeiterhand." Wie gern möchte ich das mit Ihnen verwirklichen, nicht nur davon sprechen! ({47}) Aber das Zwangssparen in der Versicherung mit immer höheren Beiträgen und immer höheren Steuern - das führt niemals zu Eigentum in Arbeiterhand, ({48}) und hohe Beiträge und hohe Steuern verhindern eben den Wohnungsbau, wie wir ihn so mutig begonnen haben, verhindern 'die Eigentumsbildung, verhindern Rücklagen für die Ausbildung von Arbeiterkindern, verhindern alles das, was wir gemeinsam als Gesellschaftsreform anstreben. Und wer die Versicherungspflichtgrenze auch von der anderen Seite her sieht, vom Anreiz zum Sparen und zur Kapitalbildung, der muß doch dafür sorgen, daß gerade die Bezieher höherer Einkommen auch in der Lage sind, einem solchen Anreiz Folge zu leisten. Wer soll denn noch Kapital bilden? Doch nicht der, der über die Hälfte dessen, was er verdient, für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgibt und sich dann mühevoll mit dem Rest durchschlägt und eines Tages zu der Überlegung kommt, ob es sich überhaupt noch lohnt zu arbeiten, oder ob nicht der viel klüger ist, der sich zunächst einmal dem Studium aller Möglichkeiten hingibt, aus dem Pott der Steuer- und Beitragszahler so viel wie möglich herauszuholen. Und auch 'das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, wem man es wegnimmt und wem man die Last auferlegt, die wir uns vor diesen Beschlüssen viel gründlicher hätten überlegen müssen. Ich wiederhole, was wir in der zweiten Lesung gesagt haben, das gilt für die Versicherungspflicht-grenze, das gilt nachher für die Rentenformel, das gilt für alle Fragen von grundsätzlicher Bedeutung: da gibt es keine schlechten Kompromisse, da gibt es keine Mitteltöne, da gibt es nur Schwarz oder Weiß, ja oder nein, ({49}) auch wenn das in namentlicher Abstimmung in die Geschichte eingeht. Und nun noch ein Wort zu den Verpflichtungen des Staates gegenüber den Sozialversicherten. Für die zu erstattenden Ersatzzeiten, die wir in zweiter Lesung wieder neu beschlossen haben, hat der Staat der Sozialversicherung die für die Soldaten und Kriegsgefangenen zu erstattenden Ersatzzeiten der Vergangenheit noch nicht einmal wiedergegeben. Der Staat schuldet der Sozialversicherung Riesensummen, und er trägt Schuld daran, wenn die einzelnen Versicherten und wenn die Staatsbürger glauben, die Rentenmark sei mehr wert als die Sparmark, die er auf die Sparkasse oder zu einer Individualversicherung trägt. Denn der einzelne Versicherte glaubt, daß der Staat ihm die Sozialversicherungsrente 1 zu 1 umgestellt habe. Er weiß nicht, daß er selber das alles so schwer und bitter hat bezahlen müssen, ja daß die Beiträge nicht in dem Maße hätten erhöht werden müssen, wenn zum mindesten die Zinsen für die Verpflichtungen des Staates gezahlt worden wären. Die Verluste der Sozialversicherung durch die beiden Währungsneuordnungen sind mit 20 Milliarden angegeben. Das wären, um in der Sprache des Arbeitsministers und seiner Freunde zu sprechen, in heutiger Kaufkraftwährung 40 Milliarden DM. Eine Verzinsung dieses Vermögens brächte der Sozialversicherung, wenn ich 6 oder 7 % ansetze, allein 3 Milliarden DM Zinsen. Meine Herren und Damen, welche zusätzlichen Leistungen hätten wir davon für diejenigen geben können, die als alte Menschen einen Anspruch auf schnelle Hilfe haben! Gestatten Sie mir nun, Herr Präsident, daß ich einmal aus dem Gutachten zitiere, das die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung vor den Beratungen zur Reform der Rentenversicherung hinsichtlich der Höhe der Beiträge und Leistungen und des Verhältnisses zwischen Beiträgen und Leistungen uns übergeben hat. Sie ({50}) hat damals darauf hingewiesen, wie wichtig die Vorschriften in unserer Rentenversicherung waren, daß die Beiträge immer so hoch angesetzt werden müssen, daß die Leistungen gedeckt sind, und sie hat erklärt: Wenn aber, was doch wohl das Gerechteste sein dürfte, jede Generation ihre eigene Last tragen soll, so verlangt das eben den Durchschnittsbeitrag, der zur Zeit wirklich notwendig ist. Soweit aber jene Ideologien, die heute und in den letzten Tagen immer wieder angeklungen sind, eine Berechtigung haben sollten, daß unsere Kinder und Enkelkinder diese Lasten zu tragen haben, so sagen meine Freunde von der Fraktion der Deutschen Partei in diesem Fall in Übereinstimmung mit den großen Sachkennern auch in der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung, daß das doch nur hinsichtlich der alten Last der Rentenversicherten gelten kann. Die Zuschüsse des Bundes brauchen ja nicht sofort gezahlt zu werden. Sie hätten gestundet werden können, und es wäre von wesentlicher Bedeutung, wenn wir wüßten, daß wir diese Zinsen oder Vermögenswerte, Hypotheken und Pfandbriefe, die die Bundesregierung als Eigentum hat, zur Abfindung dieser Verpflichtungen den Rentenversicherungsträgern geben könnten, damit wir den Beitragssatz unter Umständen nicht so radikal erhöhen müssen, wie wir das bei der jetzigen Konstruktion in Zukunft zweifellos werden tun müssen. Aber auch der Vorschlag der Fraktion der Deutschen Partei über diese sogenannte alte Last hat selbst in höchsten Kreisen der Regierung zu Mißverständnissen geführt. Man hat da von Bedürftigkeitsprinzipien der Rentenversicherung gefaselt. Niemand hat jemals daran gedacht. Wir haben nur daran gedacht, daß der Staat, der in zwei Inflationen und in zwei Kriegen Vermögenswerte verbraucht hat, nicht durch den Mund seines Ministers sagen kann: Jede Mark ist Eigentum, und dieses Eigentum wollen wir bewahren, indem wir die Rentenmark nicht anders behandeln als die neue D-Mark und Sparmark. Das allein ist unser Anliegen gewesen: die große alte Belastung abzuschreiben durch die Verpflichtung des Staates und mit der Reform der Rentenversicherung neu zu beginnen. Ohne diese Sanierung, ohne die Herstellung einwandfreier Rechnungsgrundlagen, Bilanzen und Vermögensgrundlagen werden wir niemals zu einer ehrlichen Deckung des Defizits auch bei der versicherungstechnischen Bilanz kommen. Darum hat die Fraktion der Deutschen Partei in der zweiten Lesung den Antrag gestellt - sie wiederholt ihn heute -, daß die Versicherungsträger statistisches Material für die künftige Rechnungslegung zur Verfügung stellen müssen, damit wir endlich nicht nur wissen, was unsere Beschlüsse kosten, sondern damit wir auch Bilanzen aufstellen können, die nicht über den Daumen gepeilt, die nicht geschätzt werden, für die wir zuverlässiges Material haben. Mit einer Zahlung von Abfindungsbeiträgen seitens des Bundes für die Vermögensverluste, die durchaus mit der Bundesregierung auch im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation und auf die finanziellen Auswirkungen hätten abgestimmt werden können, wäre es möglichgewesen, die Inflationsschäden der Rentenversicherung zu sanieren, und mit einer Übertragung von Teilen des Bundesvermögens ist es heute noch, spätestens aber im Kriegsfolgenschlußgesetz möglich, diese Dinge in Ordnung zu bringen. Hier steckt die Hauptursache für den großen Sog, der auch die Selbständigen in unserem Volk auf den Gedanken kommen läßt: Es ist doch besser, in die Sozialversicherung der Arbeitnehmer zu gehen und dort am großen Pott ,des Risikoausgleichs teilzuhaben. Hierin steckt der mangelnde Glaube an den Staat, das mangelnde Vertrauen an den Wert der Sparmark und die Unwirksamkeit der Gedanken des Risikos und der Solidarhaftung, von denen doch jeder weiß, daß sie überhaupt nur lebendig bleiben können, wenn überschaubare Gemeinschaften da sind. Jeder weiß, daß man bei der Versorgung des ganzen Volkes nicht mehr von einem solchen Gefühl des Risikoausgleichs ausgehen kann. Um so mehr ist der Gesetzgeber verpflichtet, diejenigen, die durch Zwang einbezogen werden, vor dem Schaden zu bewahren, den andere, die auch den Vorteil dieser Versicherung genießen wollen, dort anrichten könnten. Aber auch in dieser Frage - ich bedaure das - haben wir uns nicht durchgesetzt. Der Abgeordnete Stingl hat in der zweiten Lesung von Maß und Mitte gesprochen. Über „Maß" und „Mitte" ließen sich viele sozialpolitische und noch mehr sozialethische Betrachtungen anstellen. Aber der Ausgleich, den Sie als Konsequenz von Maß und Mitte fordern sollten, wird nicht schwer sein, wenn Sie nämlich ein Höchstmaß an Pflichtversicherung in ein Verhältnis setzen zu einem Minimum an Zwang. Die Verpflichtung, Maß und Mitte zu finden, sollten Sie dort in Paragraphen Wirklichkeit werden lassen. Die Regierung hat - ich sagte das schon in der zweiten Lesung - keine Begründung für die Ausweitung der Versicherungspflicht gegeben. Aber schon bei der Debatte über die Arbeitslosenversicherung war die These erkennbar, daß die Beiträge der bisher noch nicht Versicherungspflichtigen gebraucht werden. Meine Herren und Damen, keine These ist so falsch wie diese; denn wer Menschen in den Versicherungszwang einbezieht und nur an die Beiträge denkt, die sie bringen werden, dabei aber vergißt, was sie an Leistungen beanspruchen werden und welch ein besonderes Risiko sie in dieser Gemeinschaft bedeuten, der befindet sich wahrscheinlich mit seinem Rechenstift auf einem falschen Wege. Es ist hier festgestellt worden - ich will das heute nicht noch einmal vertiefen -, daß der Mangel an statistischem Material - das Problem der Tabellen, das Herr Schellenberg und ich in der zweiten Lesung sehr gründlich dargelegt haben - für uns eine außerordentliche Gewissensbelastung bei unseren Entscheidungen gewesen ist und noch sein wird. Wir glauben, es ist fast nicht zu tragen, daß wir heute Entscheidungen fällen sollen, ohne daß wir den Versicherten sagen können, welche Beiträge und Steuern sie dann morgen bezahlen müssen; denn wir wissen doch alle, daß der Sozialversicherungsbeitrag und die Lohnsteuer wie die Einkommensteuer ihre natürliche Grenze haben. Die von der arbeitenden Bevölkerung aufgebrachten Beiträge zur Finanzierung der sozialen Leistungen müssen aber immer im Zusammenhang mit der Sparfähigkeit und der Spartätigkeit gesehen werden. Es ist wirklich nicht ehrlich, vom Willen zur Vorsorge und vom Wunsch zum Eigenturn zu sprechen, wenn man die Möglichkeit dazu einfach verbaut. ({51}) Aber die Ausweitung der Versicherungspflicht bedeutet auch höhere Staatszuschüsse. Denn darüber sind Sie sich doch klar, meine Herren und Damen: den Staatszuschuß, den wir heute beschließen, und den Staatszuschuß, der morgen und vor allem künftig bei den Wahlen und immer bei allen sozialpolitischen Auseinandersetzungen in steigender Höhe gefordert werden wird, müssen dann auch die leitenden Angestellten bekommen, den wollen dann auch die Bauern und Handwerker und die freien Berufe haben. ({52}) Mit welchem Recht will der Staat seine Bürger, denen er Steuern abnimmt, unterschiedlich behandeln? ({53}) - Das ist nicht Täuschung, das ist eine nüchterne Betrachtung der Gleichheitsgrundsätze, die Sie perfektionieren wollen. ({54}) Herr Professor Schellenberg hat heute morgen gesagt, daß der Gedanke der Lohnindexrente nicht mehr aus der Diskussion herauskommen und daß damit der § 1260 dieses Gesetzes der Schlüssel zu allen Auseinandersetzungen von morgen sein werde. Auch darin bin ich mit der Opposition einig, wenn auch von einem anderen Gesichtspunkt her. In der ersten und zweiten Lesung habe ich mich sehr gründlich mit Ihnen auseinandergesetzt. Sie, meine Freunde aus der CDU/CSU, haben mir vorgeworfen, ich hätte nicht recht damit, daß in der Grundkonzeption dieses Gesetzes SPD und CDU-Mehrheit übereinstimmten. Herr Schellenberg hat heute etwas zugegeben, was jedem Kenner der Materie, aber auch jedem Kenner der großen Leitbilder der Sozialpolitik bekannt ist: daß es sozialdemokratische Konzeptionen sind, denen Sie hier gefolgt sind, allerdings nicht in der Konsequenz, mit der die Sozialdemokraten sie zu Ende führen. ({55}) Wir warnen vor diesen sozialdemokratischen Konzeptionen. Wir sind der Meinung, auch da gilt: ganz rot oder nein, aber um Gottes Willen nicht ein bißchen verwaschen, denn das ist schlecht, das führt irgendwann zu einer Schaukelpolitik, die nicht gut ist. Die Zukunft wird lehren und zeigen, ob die Gefahren, die ich in der ersten Lesung hinsichtlich der Einführung von Gleitklauseln, verkappten, versteckten und verschleierten Indexformeln aufgezeigt habe, ob die Gefahren, die ich in der zweiten Lesung an dem Beispiel der anderen europäischen Länder aufgezeigt habe, ob die Probleme der Finanzierung, die Höhe der Beiträge und der Staatszuschüsse uns nicht zu Überprüfungen dieser Konzeption zwingen werden, zu der wir leider - ich kann nur immer wieder sagen: leider - in der Koalition eine einheitliche Meinung nicht finden konnten. Daß das Zurückschrecken vor der Dynamik des § 1260 auch Sie bewegt hat, das hat der Kollege Stingl bewiesen, als er beim § 1276 von den Bremsen und dem neuen Verfahren der Formel - des Inflationsmotors, wie er sagte - sprach. Ich möchte heute nicht noch einmal eine Debatte über drohende Inflation oder die Beschleunigung solcher drohenden Inflation auslösen. Ich habe die Meinung der Fraktion der Deutschen Partei dazu in der ersten wie in der zweiten Lesung deutlich und klar zu erkennen gegeben. Wir fürchten, diese Beschlüsse werden dazu führen, daß nicht, wie der Arbeitsminister annimmt, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Lohndisziplin ermutigt werden, sondern daß die expansive Lohnpolitik die Gefahr des Verlustes der Autonomie der Arbeitgeber und Arbeitnehmer heraufbeschwört. Das würden wir außerordentlich bedauern. Niemand hat uns in den Debatten der zweiten Lesung gesagt, was denn nun geschehen wird, wenn in der Krise die Löhne sinken oder sich nicht mehr aufwärtsentwickeln. Sollen dann die Renten auch gesenkt werden? Der Arbeitsminister hat zu dieser so eminent bedeutsamen Frage der neuen Konzeption seines Gesetzes nicht Stellung genommen. In einem Aufsatz in der Deutschen Zeitung und Wirtschafts Zeitung ist die neue Rentenformel vor vielen Monaten - mir scheint, sehr richtig - als versicherungsrechtliche Ergänzung der Lohn-PreisSpirale bezeichnet worden. Sie beruht eben auf der Annahme, daß diese Spirale funktioniert oder funktionierend gemacht werden kann. Der Verfasser dieser Aussage in der Deutschen Zeitung und Wirtschafts Zeitung schrieb damals - ich bitte, es zitieren zu dürfen -: Die Formel bedeutet einen Stachel zur Lohninflation und eine Strafe für den Verzicht auf die Lohninflation. Auch hier wird die Zukunft erweisen, ob unsere Bedenken berechtigt waren und ob Ihr mutiges, revolutionäres Voranschreiten nicht Gefahren ausgelöst hat, so daß Sie noch Ihre Mühe, Ihre Sorgen und Ihre Not haben werden. Wir wollen gemeinsam Preise und Kaufkraft stabil erhalten. Wir wollen gemeinsam die Währung festigen. Aber man kann diese Ziele nicht verkünden und zu gleicher Zeit Beschlüsse fassen, die das Erreichen dieser Ziele gefährden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Kalinke, ich darf Sie bitten, sich kurz zu fassen, da Sie bereits über eine Stunde sprechen und der Herr Präsident heute angekündigt hat, den § 39 der Geschäftsordnung streng zu handhaben. ({0}) Dazu bewegt mich aber noch einanderes Motiv. Ich habe Ihnen, meine Damen und Herren, mitzuteilen, daß der Ältestenrat beschlossen hat, zwischen 13 und 15 Uhr eine Mittagspause einzulegen, die auch den Fraktionen, die es wünschen, Gelegenheit geben soll, sich noch einmal zu beraten. Anschließend wird die Sitzung weitergeführt werden bis in die Nacht, bis dieses Gesetz endgültig beraten und beschlossen ist. ({1}) Unter diesen Umständen, Frau Abgeordnete Kalinke, darf ich Sie bitten, bis gegen 13 Uhr zum Ende Ihrer Rede zu kommen.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident, ich werde mich bemühen. Da mir durch die Zwischenrufe sehr viel Zeit genommen wurde, - ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, durch noch größere Ruhe es der Rednerin zu ermöglichen, zu Ende zu kommen.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich werde in den letzten fünf Minuten zusammenfassen, was ich zur Kapitaldekkung, zur Finanzierung jetzt leider nicht mehr sagen kann. Meine Herren und Damen, wir glauben, daß das Problem der Selbständigen in der Sozialversicherung, die Frage der Besitzstandsklausel für die Empfänger kleiner Renten, die Frage der gleichen Behandlung von Männern und Frauen in der Sozialversicherung nicht leicht zu lösen sind. Das Problem der Elternrente kann nicht damit gelöst werden, daß man zwar eine Hauspflegerin anerkennt, aber der alten Mutter oder dem alten Vater die Elternrente nicht zahlt, kann auch nicht damit gelöst werden, daß man die sozial-ethische Forderung anerkennt, dann aber von finanziellen Ausweitungen spricht, obwohl man das Ausmaß der erforderlichen Kosten gar nicht kennt. Ich hätte mich sehr gerne auch noch mit der Kollegin Finselberger auseinandergesetzt und möchte ihr nur antworten: ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wirtschaftskraft und Soziallast, die Stabilität der Währung sind unentbehrliche Grundlagen für eine erfolgreiche Sozialpolitik. Wir werden fordern, daß die Fragen, die hier nicht gelöst werden können, die Frage der Leistungen an Blinde durch ein besonderes Bundesblindengesetz, die Frage der Auffüllung der Renten von Empfängern kleiner Renten durch eine Novelle zur gehobenen Fürsorge, durch echte Bedarfsrenten gelöst werden. Wir wollen endlich ein gleiches Recht in Berlin. Wir wollen dort endlich die Zulassung der Ersatzkassen, der Betriebskassen und der Innungskassen. Wir wollen die gleiche Versicherungspflichtgrenze jetzt schnellstens und erwarten, daß der Arbeitsminister die so oft versprochene Vorlage nun dem Parlament beschleunigt zuleitet. Wir haben bei der Saardebatte darauf hingewiesen, daß wir wünschen, daß gleiches Recht für alle Deutschen gilt, heute, wie es hier beschlossen werden soll, für die Bundesrepublik, morgen aber, so hoffe ich, für ganz Deutschland. Wir wünschen, daß die Erfüllung keines sozialen Versprechens, das in diesen Debatten oder in den kommenden Wahlkämpfen abgegeben wird, jenen im deutschen Osten versagt wird, die noch von uns getrennt sind. Wir in der Fraktion der Deutschen Partei fürchten aber, daß, wenn die sozialen Versprechungen in der Form, wie es bisher geschah in Wahlkämpfen, in Flugblättern und Reden weiter fortgesetzt werden, und dann, wenn sie erfüllt werden müssen, sich die schreckliche Vision, die Tocqueville vor hundert Jahren gehabt hat, erfüllen könnte, daß wir mit dem Schrei nach immer mehr Sicherheit am Ende Sicherheit und Freiheit verlieren. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. ({0}) Die Sitzung wird um 15 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren fort in der allgemeinen Aussprache in der dritten Beratung der aufgerufenen Gesetze. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohl kaum hat je eine Gesetzesvorlage, die in diesem Hohen Hause verabschiedet werden mußte, das Interesse der Öffentlichkeit in einem solchen Maße beansprucht wie dieses Gesetz über die Neuregelung der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten. Seit dem vergangenen Mittwoch, an dem die drei Tage dauernde zweite Lesung begonnen hat, stehen diese Beratungen draußen in der Presse unter der Überschrift „Rentenschlacht". Ich möchte meinen, diese Überschrift ist nicht ganz unpassend gewählt. Das, was sich in diesem Hause seit dem vergangenen Mittwoch an Diskussionen abgespielt hat, war nicht ausschließlich eine rein auf die Sache abgestellte Diskussion. ({0}) - Das ist ausgezeichnet! Herr Schellenberg ist noch nicht wieder ganz auf seinem Platz, und schon geht das Temperament wieder mit ihm durch. ({1}) Die sachlichen Ausführungen waren doch manchmal erheblich von dem überschattet, was an Polemik und an Vorwürfen gegen die Regierung oder gegen die CDU/CSU-Fraktion vorgebracht worden ist. Ich bin der Auffassung - die ich auch früher schon einmal ausgesprochen habe -: die Öffentlichkeit draußen hat für diese Auseinandersetzungen längst das Interesse verloren. ({2}) Die Menschen draußen wollen rein vom Sachlichen her über die Dinge aufgeklärt sein; die Auseinandersetzungen in diesem Hause interessieren sie nicht. Auch über das Erstgeburtsrecht, das Herr Kollege Dr. Schellenberg zu diesen Fragen heute morgen mehrfach für seine Partei geltend gemacht hat, sollte man sich beileibe nicht streiten. Wer von wem abgeschrieben oder nicht abgeschrieben hat, darüber haben wir hier schon früher Auseinandersetzungen geführt. Mit Entschiedenheit muß ich mich allerdings im Namen meiner Freunde dagegen verwahren, daß bei allen Leistungsverbesserungen, die in den vergangenen Jahren auf dem Gebiet der Rentenversicherungen durchgeführt worden sind, die Initiative und das Verdienst um diese Verbesserungen einzig und allein bei der sozialdemokratische Fraktion gelegen habe. ({3}) - Ja, Ihre Polemik fordert auch eine gewisse Antwort heraus. ({4}) ({5}) Auch heute vormittag hat man beinahe ausschließlich Vorwürfe gegen unsere Konzeption und gegen die Vorlage, die heute zur letzten Entscheidung ansteht, gehört. Der Unbefangene, der mit der Materie nicht vertraut ist, muß nach solchen Debatten glauben, daß wir hier ein ganz hundsmiserabel schlechtes Gesetz ({6}) erarbeiten, und das ist bei Gott nicht der Fall. - Ich weiß nicht, Herr Kollege Dr. Jentzsch, wie Sie es mit Ihrer Verantwortung in Übereinstimmung bringen wollen, ({7}) die Sie genauso tragen wie wir, ({8}) daß Sie der Öffentlichkeit derartige Zensuren und Prädikate über diese Gesetzesvorlage unterbreiten. Wir treten in diese letzte Entscheidung mit sehr gutem und ruhigem Gewissen ein. ({9}) Wir wissen, daß wir mit erheblicher Anstrengung eine schwierige Gesetzesmaterie bewältigt haben und daß wir heute auf eine Konzeption hinweisen können, die einen vernünftigen Sinn und Inhalt hat, die logisch aufgebaut ist und von der wir sagen können: es ist eine gute Sache. ({10}) Wenn bei einer so umstürzenden, revolutionären Angelegenheit - das muß man doch schon sagen -, ({11}) wenn bei einer so grundlegenden Änderung der Dinge nicht alles auf den ersten Anhieb hundertprozentig gelingt, dann haben wir den Mut, diese oder jene kleine Unvollkommenheit mit in Kauf zu nehmen, und werden sie durch weitere Vervollkommnung beseitigen, wenn der gegebene Zeitpunkt gekommen ist. ({12}) Die Kritik in der Öffentlichkeit, die Auseinandersetzungen in diesem Hause und all die Angriffe, die gegen uns und diese Vorlage gerichtet worden sind, werden nach meiner felsenfesten Überzeugung abklingen und sehr bald verschwinden, wenn die Menschen draußen erst einmal gründlich und objektiv über das, was der Inhalt dieses neuen Gesetzes sein wird, aufgeklärt sein werden und wenn sie auch an der materiellen Verbesserung der Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten erkennen, was hier tatsächlich geleistet worden ist. ({13}) - Herr Kollege Dr. Schellenberg, Sie weisen immer wieder auf diese Dinge hin. Sie sind vor einigen Tagen während der Debatte das eine oder andere Mal schon mit einem gewissen Triumphgefühl von der Rednertribüne abgegangen und haben gesagt: Nun, der kommende Wahlsieg wird uns schon die Möglichkeit geben, das wiedergutzumachen, was Sie, die heute tragende Regierungspartei, vermasselt haben. Wir gönnen Herrn Dr. Schellenberg und seinen Freunden diese Vorfreude, die nach unserer Überzeugung auch nur eine Vorfreude und nicht mehr sein wird. ({14}) Wir haben die zuversichtliche Hoffnung, daß die Vernunft der Wählerschaft Sie, Herr Schellenberg, oder wer sonst Bewerber für den Sessel des Bundesarbeitsministers sein mag, vor dieser zusätzlichen Last und Verantwortung bewahren wird. ({15}) - Jawohl, das ist auch Polemik. Unter den mannigfachen Presseäußerungen, die in diesen Tagen zum Thema zu lesen waren, gibt es neben kritischen Äußerungen sehr wohl auch positive und anerkennende Auslassungen über den Wert dieser neuen Vorlage. Hier liegt mir eine derartige Äußerung vor; ich darf sie zitieren: Eines kann man aber heute schon sagen: 70 % aller Rentner werden mehr, viele sogar sehr viel mehr ,Sozialrente erhalten als bisher. Den Satz, den ich jetzt zitiere, möchte ich auch an die Adresse der verehrten Frau Kollegin Kalinke richten, die ihrerseits heute morgen alles getan hat, ({16}) um diese Vorlage auch nicht einmal als einen ersten Schritt zu einer echten, weiterzuentwickelnden Sozialreform gelten zu lassen. ({17}) Das Werturteil, das hier steht, lautet schlicht und einfach so: Es ist eine echte Reform, ({18}) kein Flickgesetz. So gut wie in allen Punkten wird die soziale Rentenversicherung auf neue, moderne Grundlagen umgestellt. ({19}) Ich glaube, wer das Gesetz objektiv auf sich wirken läßt, kann unmöglich zu einem anderen Urteil kommen. - Fürchten Sie nicht, daß auch ich Sie heute nachmittag eine Stunde mit meiner Rede beschäftigen werde. ({20}) - Aber ich habe zumindest schon so viel gesagt wie Sie in diesen Tagen in einem erheblichen Teil der über acht Stunden, die Sie als Redner in Anspruch genommen haben. ({21}) - Nicht überheblicher als Sie! Aber, meine Damen und Herren, wenn wir Wert und Unwert dieser Vorlage prüfen wollen, dann gestatten Sie mir, daß ich dabei kurz ausgehe von der Präambel, die die Bundesregierung seinerzeit der Begründung ihrer Vorlage vorausgeschickt hat. Ich darf zitieren: Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbei. ({22}) ter und der Angestellten will die seit den letz-, ten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts geschaffene soziale Sicherung für die Alten und Invaliden, Witwen und Waisen entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und den wirtschaftlichen Gegebenheiten unserer Zeit neu gestalten. Dazu wurden drei Ziele herausgestellt: 1. Umfassende Sicherung durch Erhöhung der Leistungen und Vermehrung der Leistungsarten unter Berücksichtigung der individuellen Lebensleistung, 2. der Wirtschaftsentwicklung entsprechende Sicherung durch Anpassung an die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse, 3. einheitliche Sicherung durch Wiederherstellung der Rechtseinheit verbunden mit übersichtlicher Gestaltung des gesamten Rechtsgebietes. Wenn ich mit dem letzteren beginnen darf: Sicherlich bleibt an einheitlicher Gestaltung der Rechtsgebiete noch mancherlei oder, wenn Sie wollen, im Zuge der Sozialreform als Ganzem noch viel zu tun. Es ist uns im vorliegenden Falle -und da gebe ich den Kritikern recht - auch nicht gelungen, dieses Gesetz für die, die es angeht, einfacher, populärer, verständlicher zu machen. Auch heute noch wird sich der einfache, biedere Mann nicht so ohne weiteres in diesem Gesetzeswerk auskennen. Dazu muß eben ab heute die allgemeinverständliche Aufklärung von allen Instanzen, die dazu berufen sind, einsetzen. Dazu sind neben der Bundesregierung aufgerufen die Parteien, die Fraktionen, aber auch die Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sowie die Sozialversicherungsträger selbst. Ich glaube, wenn alle Instanzen bei der erforderlichen Aufklärungsarbeit zusammenwirken, kann das Notwendige sehr bald geschehen. Erreicht wurde die Beseitigung der bislang noch bestehenden Rechtsungleichheiten, die die in den ehemaligen Besatzungszonen der westdeutschen Bundesrepublik geschaffenen unterschiedlichen Rechtsvorschriften aufwiesen. Insofern ist das einheitliche Recht wiederhergestellt. Die beiden ersten der in der Begründung des Regierungsentwurfs genannten Ziele, nämlich die umfassende Sicherung durch Erhöhung der Leistungen und Vermehrung der Leistungsarten unter Berücksichtigung der individuellen Lebensleistung, sowie die der Wirtschaftsentwicklung entsprechende Anpassung der Renten an die jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnisse, glauben wir in dieser Gesetzesvorlage in einer wirklich vernünftigen Art und Weise erreicht zu haben. Wir wissen, daß noch Wünsche übriggeblieben sind. Dabei ist uns auch sehr wohl bekannt, daß einzelne Gruppen und Berufskategorien nicht voll befriedigt sind, weil sie glauben, daß ihnen Möglichkeiten nicht mehr in dem früheren Ausmaß gegeben sind. Selbstverständlich haben wir in der zweiten Lesung, der Regierungsvorlage und der Ausschußvorlage folgend, die früheren Möglichkeiten der freiwilligen Weiterversicherung und der Selbstversicherung beseitigt. Warum? Ich will es noch einmal sagen: weil die Selbstversicherung in der früheren Form in diese Konzeption der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten nicht mehr hineinpaßt. Wir bleiben bei dieser Auffassung. Wir haben im übrigen in verschiedener Hinsicht noch diese und jene Erleichterungen und Verbesserungen in die Vorlage eingebaut, die u. a. auch der Landwirtschaft zugute kommen. Ich glaube sagen zu dürfen, wenn wir alles zusammennehmen, die vielfältigen Verbesserungen und Neuerungen gegenüber früher auf dem Gebiet der Ersatzzeiten, der Zurechnungszeiten und Ausfallzeiten, auf den Gebieten der Anpassung und Berücksichtigung früherer Zeiten sowohl für die Versichertenrente als auch für die Witwen- und Waisenrente, dann haben wir ein Ausmaß von Leistungsverbesserungen, bei dem man beinahe versucht sein könnte, zu fragen, ob damit nicht die Grenze des Möglichen und Tragbaren erreicht ist ({23}) oder bei dem vielleicht sogar hier oder da die kritische Prüfung angestellt werden könnte, ob eine so weitgehende Entwicklung des Entgegenkommens überhaupt noch zu rechtfertigen ist. Aber wir haben nun einmal eine moderne, fortschrittliche, auf die Zeitentwicklung und die geänderten gesellschaftspolitischen Verhältnisse abgestellte Regelung nach der Regierungsvorlage entwickelt. Ich glaube, wir sollten darüber nicht traurig sein. Hier war die Rede von der Vermehrung der Leistungsarten. Lassen Sie mich auch hierzu noch ein Wort sagen. Eine der wesentlichen neuen Leistungsarten ist mit dem Abschnitt über die Rehabilitation eingeführt worden. Das ist ein, wie wir dieser Tage auch hier erfahren haben, nach wie vor ziemlich stark umstrittenes Kapitel. Wir haben nicht die Absicht, in dieser Frage etwa den Vorstellungen und den Gedankengängen der sozialdemokratischen Fraktion zu folgen, ({24}) sondern bleiben auch hier auf dem Boden der Ausschußvorlage. Herr Kollege Dr. Schellenberg, die Vorschriften betreffend die Rehabilitation sind wie früher auch beim Heilverfahren als Kann-Vorschrift im Gesetz verankert. Das bedeutet nicht, daß die Versicherungsträger dabei nach Belieben so oder so verfahren können. Hier handelt es sich um eine Kann-Vorschrift, hier wird nicht dadurch entschieden, daß man an den Westen- oder Rockknöpfen abzählt, sondern darüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen des Versicherungsträgers zu befinden. Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Träger der Rentenversicherung der Arbeiter oder Angestellten entsprechend diesen Vorschriften zu verfahren. ({25}) - Bitte sehr!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird in bezug auf diese Kann-Leistung gegenüber dem gegenwärtigen Zustand etwas verbessert?

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, es bleibt bezüglich der Kann-Leistung ({0}) so, wie es war, daß nämlich der Versicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Ich glaube, Sie können kaum einen Fall aufzeigen, in dem ein Heilverfahren abgelehnt ({1}) worden ist, obwohl die Voraussetzungen für seine Gewährung gegeben waren. Das wird auch in der Folgezeit bezüglich der Maßnahmen, die auf der Grundlage der Rehabilitationsvorschriften zu treffen sind, nicht der Fall sein. ({2}) Von Herrn Schellenberg ist, als er seine finanzielle Zusammenstellung machte, beanstandet worden, daß bei dem Kapitel Rehabilitation von vornherein eine Verminderung der Ausgaben vorgesehen sei. Im Ausschuß ist genügend darüber gesprochen worden, und ich möchte es hier noch einmal sagen: die Rehabilitation kann selbstverständlich nur Zug um Zug durchgeführt werden, und dazu gehört das vernünftige, sachgemäße Zusammenarbeiten aller in Frage kommenden Instanzen der Versicherungsträger. ({3}) Man wird also damit rechnen müssen, daß die Rehabilitation im ersten Jahre nicht in dem Umfang finanzielle Mittel beanspruchen wird wie danach, wenn diese Apparatur, wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf, mal richtig zum Funktionieren und Laufen gekommen ist. Im übrigen haben wir oft genug betont, daß uns das Thema Rehabilitation erneut wird beschäftigen müssen, wenn wir über die Neuordnung der Krankenversicherung und über die Sozialreform in den anderen Sparten zu entscheiden haben werden. - Soviel zum Thema Rehabilitation. Ich darf jetzt ein Wort zu dem auch heute mori gen wieder angesprochenen Kardinalpunkt, den §§ 1260 bis 1261 a und 1276 bis 1279 sagen. Ich will mich dabei in keiner Weise in grundsätzliche Ausführungen verlieren, wie sie in der vergangenen Woche in einer stundenlangen Debatte gemacht worden sind; aber die Folgerung, die wir daraus gezogen haben, möchte ich noch einmal nachdrücklich herausstellen. Wenn wir die Anträge von links und von rechts zur Änderung der §§ 1260 ff. überblicken, finden wir bestätigt, daß der Kollege aus unseren Reihen recht gehabt hat, der vorige Woche an diesem Pult erklärt hat, es sei damit der Beweis erbracht, daß wir uns auf der guten, gesunden, wenn Sie wollen, vernünftigen Mittellinie bewegen; darauf kommt es an. ({4}) Wir können nicht ohne weiteres die Bedenken, die weithin gegen diesen Punkt vorgebracht worden sind, einfach vom Tisch wischen, und weil wir wochenlang verantwortungsbewußt um diese Lösungen gerungen haben ({5}) - ich spreche jetzt nur von uns -, haben wir diese Bestimmungen vernunftgemäß in die Ausschußvorlage eingebaut, und wir glauben, daß sie jeder Situation und jeder Schwierigkeit, die irgendwann an uns herantreten kann, Rechnung tragen. ({6}) Deshalb werden wir in der heutigen, dritten und letzten Lesung an diesen Vorschriften, wie sie die Ausschußvorlage beinhaltet, festhalten. Ich möchte aber noch ein Wort an die Adresse des verehrten Kollegen Dr. Jentzsch richten, der heute morgen ein recht gefährliches Wort gesagt hat, als er von Inflationsgefahr, von Währungsgefährdung gesprochen hat. ({7}) Es geht hier wirklich um sehr bedeutsame, unter Umständen auch gefährliche Dinge, deren wiederholte und betonte Herausstellung uns sicherlich nicht von Nutzen sein kann und auch nicht sein wird. ({8}) Auf die Frage, was mit diesen §§ 1260 ff. beabsichtigt ist, muß man doch sagen: Die Rentenreform trägt der Entfaltung der Wirtschaftsentwicklung als solcher und der Lohngestaltung Rechnung. Diese Bestimmungen sind nicht geschaffen worden, damit daraufhin Auseinandersetzungen über sogenannte Währungsschwankungen stattfinden und danach irgendwelche Regelungen getroffen werden sollen. Die Gefahren für die Währung - das ist von sehr autoritativer Stelle, auch von der Bank deutscher Länder mehr als einmal gesagt worden - lägen, wenn sie auftreten sollten, nicht etwa allein in den Auswirkungen dieser Rentenreform, sondern in dem Zusammenwirken der gesamten Beanspruchung bzw. der Überforderung der öffentlichen Haushalte überhaupt, und dann müßte man sich mit diesen Dingen auseinandersetzen. Deshalb glaube ich, daß Einwände, wie sie hier immer wieder vorgetragen werden, in dieser Beziehung unser Gewissen nicht zu beunruhigen brauchen. Wir sollten vielmehr - diesen Appell richte ich an das Hohe Haus - der vernunftgemäßen Lösung, wie sie in der Ausschußvorlage erarbeitet worden ist, folgen. Herr Dr. Jentzsch hat heute morgen sehr gewollt zweimal Zitate aus der „Kölnischen Rundschau" hier vorgetragen und hat damit sagen wollen: Das ist schließlich eine Zeitung, die der CDU/CSU sehr nahesteht. Aber, meine Damen und Herren, damit sind keineswegs auch wir für Dinge verantwortlich, die von der Sache her nicht vertreten werden können. Ich glaube, der betreffende Artikelschreiber in der „Kölnischen Rundschau" ist, was den letzten Inhalt dieser Vorlage angeht, sachlich zumindest zum Teil auf dem Irrweg. ({9}) Es kann nicht von einer „lohngebundenen Produktivitätsrente" gesprochen werden, wie es dort geschehen ist, und ähnliche Dinge mehr. Aber ich will mich damit hier weiter nicht aufhalten. Die verehrte Frau Kollegin Kalinke hat zum Beweis ihrer Argumente heute vormittag u. a. auch auf eine beachtliche Stellungnahme der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung verwiesen. ({10}) Auch wir haben den Auslassungen dieser Gesellschaft jederzeit erhebliche Beachtung geschenkt und haben sie bei unseren Erörterungen, Prüfungen und Entscheidungen immer mit herangezogen und in unsere Überlegungen eingebaut. Ich darf mit Erlaubnis des Herr Präsidenten aus einem Gutachten dieser Gesellschaft vom August des vergangenen Jahres einige wenige Sätze zitieren, von denen ich die Meinung habe, daß sie keine Stütze für die Argumente sind, die Frau Kollegin Kalinke hier heute morgen vorgetragen hat. ({11}) In dieser Stellungnahme der Gesellschaft heißt es: Die Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung teilt die Auffassung des Gesetzentwurfs, wonach die Rente nicht lediglich den Charakter eines Zuschusses zum Lebensunterhalt haben soll und wonach insbesondere die Altersrente die Aufgabe hat, den Versicherten im Alter vor einem fühlbaren Absinken des während seines Arbeitslebens erreichten Lebensstandards zu bewahren. Sie ist auch der Meinung, daß die dafür erforderlichen Mittel von Volkswirtschaft und Staat ohne Scheu selbst vor hohen Opfern aufgebracht werden müssen. ({12}) Und dann noch ein beachtlicher Satz: Die zur Erreichung dieser Ziele vom Entwurf beschrittenen Wege sind im Grundsatz richtig. ({13}) Das gilt vor allem für den Grundsatz, daß die Beiträge der Vergangenheit bei der Berechnung der Renten nicht nach ihrem Nominalwert, sondern nach ihrem Realwert berücksichtigt werden sollen. Und an einer anderen Stelle heißt es schließlich noch: Es ist daher, wie schon gesagt, zu begrüßen, daß der Entwurf den Versuch macht, bei der Rentenfestsetzung die alten Löhne und die alten Beiträge in ihrem Realwert zu berücksichtigen. ({14}) Meine Damen und Herren, solchen Pointen eines solchen Gutachtens oder einer solchen Stellungnahme sollten wir Beachtung schenken, und ich glaube, daß die Regierungsvorlage und die Ausschußvorlage diesen Prinzipien auch durchaus gerecht geworden sind. ({15}) ({16})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Herr Abgeordneter Horn, gestatten Sie eine Frage?

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Abgeordneter Horn, in bezug auf die Bemessung der Renten sprechen Sie immer von Regierungsvorlage und Ausschußvorlage. Zwischen beiden besteht doch ein wesentlicher Unterschied. Wollen Sie sich nicht dazu äußern? ({0})

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zu dem Unterschied, der zwischen beiden besteht, haben wir uns hier in der vorigen Woche in aller Ehrlichkeit und Offenheit ausgelassen. ({0}) Wenn ich jetzt diese Ausführungen gemacht habe, dann habe ich ja vom Grundsatz gesprochen, ({1}) der hier Verwirklichung gefunden hat. Dabei ist zunächst unerheblich, ob die Regierungsvorlage und die Ausschußvorlage in gewissen Nuancierungen voneinander abweichen ({2}) oder ob das eine nicht genauso ist wie das andere. Der Grundsatz, meine Damen und Herren, ist verwirklicht. Ich habe gar keine Veranlassung, Herr Kollege Dr. Schellenberg, jetzt, weil Sie die Zwischenfrage stellen, in dieser Beziehung die ganzen Darlegungen aus der vorigen Woche in aller Breite zu wiederholen. Wir haben dazu unsere Erklärungen abgegeben, und wir haben auch hinzugefügt, daß wir den finanziellen Unterschied von 500 Millionen DM, der zwischen Regierungsvorlage und Ausschußvorlage in bezug auf §§ 1260 und folgende besteht, auf den verschiedensten anderen Teilgebieten der Vorlage durch entsprechende Leistungsverbesserungen der verschiedensten Art - auf die ich wegen der gedrängten Zeit jetzt im einzelnen nicht noch einmal eingehen will - wieder wettgemacht haben. ({3}) Insofern geht ein Vorwurf, der etwa lautet, wir hätten hier eine erhebliche Verschlechterung vorgenommen, daneben. Die finanziellen Auswirkungen in ihrer Gesamtheit sind in keiner Weise verschlechtert worden, und das Ergebnis, das sich uns nach dem geänderten § 1260 darstellt, ist durchaus beachtlich und kann vor allen Rentnern draußen mit gutem Gewissen verteidigt werden. ({4}) Meine Damen und Herren, ich will auf diese Paragraphen nicht weiter eingehen, möchte aber, was die §§ 1276 und folgende angeht, nur sagen, daß wir glauben - auch das ist nur eine Wiederholung der Ausführungen, die in der vergangenen Woche gemacht worden sind -, durch die gleichberechtigte Aneinanderreihung der drei verschiedenen Faktoren, die bei der Überprüfung Berücksichtigung zu finden haben, auch hier den richtigen Weg gefunden zu haben; denn ohne diese gleichwertige Beachtung der Voraussetzungen können wirklich gute Lösungsvorschläge für die Anpassung der laufenden Renten nicht gefunden werden. Und wenn wahrscheinlich auch im Verlauf der heutigen Debatte wiederum gegen den in der Vorlage vorgesehenen Sozialbeirat Stellung genommen wird, so bleiben wir doch der Auffassung, daß es nach Lage der Dinge, so wie die Vorschriften gestaltet sind, nicht nur zweckmäßig, sondern sogar notwendig ist, den Sozialbeirat mit den näher umschriebenen Funktionen im Gesetz zu verankern, weil wir bei gewissenhaftester Prüfung aller Gegebenheiten und aller Notwendigkeiten nur dann zu wirklich brauchbaren Vorschlägen für künftige Gesetzeslösungen kommen können. Wir bleiben auch dabei, daß wir für die Folge dann, wenn sich die allgemeine Bemessungsgrundlage geändert hat, die jeweilige Anpassung durch Gesetz des Bundestages vorzunehmen haben. Damit, meine Damen und Herren, nähere ich mich dem Schluß meiner Ausführungen. Ich möchte aber noch ein Wort zu der Frage der Finanzierung sagen, obschon der Herr Bundesarbeitsminister heute vormittag dazu auch seinerseits Ausführungen gemacht hat. Die Zahlen, die der Herr Bundesarbeitsminister heute morgen vorgetragen hat und die uns als eine gemeinsame Aufstellung des ({5}) Finanzministeriums und des Arbeitsministeriums am vergangenen Freitag in die Hand gegeben worden sind, geben ein sehr klares, einwandfreies Bild von dem gewaltigen Ausmaß der Leistungsverbesserungen dieser Vorlage. Ich will sie Ihnen jetzt nicht noch einmal im einzelnen vortragen; denn ich darf unterstellen, daß wir uns gerade bei der Bedeutung der finanziellen Seite der Angelegenheit diese Zusammenstellung der beiden Ministerien sehr gründlich vor Augen geführt haben oder, wenn es nicht der Fall gewesen sein sollte, es noch tun werden. Dabei bleibt Tatsache, daß wir bei dem Gesamtausmaß in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten mit einer Leistungssteigerung von etwa 5,6 Milliarden DM auf einen Leistungsaufwand von insgesamt rund 13 Milliarden DM im Jahre 1957 kommen. Das ist einfach nicht vom Brett zu wischen! ({6}) Und gerade in der finanziellen Auswirkung einer solchen revolutionierenden Konzeption haben wir es hier mit einem Ergebnis zu tun, das, glaube ich, in Europa und, wenn Sie wollen, in der Welt überhaupt seinesgleichen sucht. ({7}) Herr Professor Dr. Schellenberg ist am vergangenen Freitag mit viel Temperament an das Rednerpult gesprungen, hätte ich beinahe gesagt, und hat hier Einspruch dagegen erhoben, daß der Herr Bundeskanzler am Freitag um 7 Uhr im Rundfunk auch seinerseits zum Ausmaß dieser Leistungsverbesserung Stellung genommen ({8}) - und keine falschen Mitteilungen gemacht hat. Wenn der Herr Bundeskanzler dabei davon gesprochen hat, daß sich das Leistungsausmaß von annähernd 8 Milliarden auf etwa 13,6 Milliarden erhöht habe, dann hat er dabei keine falschen Angaben gemacht, ({9}) sondern die Zahlen verwertet, die uns in dieser Aufstellung gegeben sind. ({10}) Er hat hier allerdings auch die Sonderzulagen und die Sonderzahlungen hinzugenommen, ({11}) die wir den Rentnern im Jahre 1956 schon als eine Vorleistung auf die Rentenreform in Höhe von 600 Millionen DM gegeben haben. ({12}) - Ich weiß, meine Damen und Herren und Herr Kollege Dr. Schellenberg, daß Sie nicht gewillt sind, diese Tatsachen anzuerkennen. ({13}) sondern daß Sie dagegen nach wie vor Ihre Einwendungen erheben werden. Dadurch ändern Sie aber nach unserer Überzeugung an dem Tatbestand, wie er uns hier von den verantwortlichen Ressorts der Bundesregierung an die Hand gegeben worden ist, auch nicht das geringste. ({14}) Ich will mich auf diese Ausführungen beschränken. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie nicht eine Stunde Redezeit beanspruchen will. Allzu weit davon entfernt bin ich ja nicht. Lassen Sie mich deshalb zum Schluß kommen. Zusammenfassend darf ich noch einmal sagen, daß wir mit sehr gutem Gewissen in die Schlußentscheidung eintreten. Wenn Herr Dr. Jentzsch, ich muß schon sagen, in sehr seltsamer, sehr deplazierter Weise seine Auffassung dahin dargetan hat, daß neben dem Kindergeldgesetz und neben dem Ladenschlußgesetz das Rentenneuregelungsgesetz das schlechteste Gesetz sei, das der Bundestag während der Zeit seines Bestehens verabschiedet habe, dann muß ich entgegnen, daß eine solche Zensur, die der verehrte Herr Kollege hier erteilt hat, ganz entschiedene und energische Zurückweisung verdient. ({15}) Ich kann nach Lage der Dinge nur noch einmal sagen: Wir werden in der Zukunft gewiß mit Korrekturen oder Novellen, je nachdem, arbeiten müssen. Betretenes Neuland will zunächst erforscht sein, und erst wenn es erforscht ist und die notwendigen Erkenntnisse aus diesem oder jenem gezogen sind, kann man und muß man vielleicht an Überlegungen dieser oder jener Art der Novellierung herantreten. Aber heute stehen wir mit unserem Verantwortungsbewußtsein hinter dieser so erstellten Vorlage, und wir bieten es unseren Rentnern draußen, den Millionen, mit gutem Gewissen an. ({16}) Wir sind davon überzeugt: wenn sich die Menschen draußen von der Qualität dieses Gesetzes überzeugt haben, werden sie dem Deutschen Bundestag und auch uns dankbar sein, daß wir ihnen diese Reform geschaffen haben. ({17})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Berg.

Dr. Hermann Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000147, Fraktion: Freie Volkspartei (FVP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon einmal die Frage gestellt worden, ob dieses Gesetz wirklich jene epochemachende Neugestaltung der Rentenversicherung darstelle oder nicht. Nach unserer Meinung macht dieses Gesetz Epoche, nicht wegen der Rechtsgrundsätze, die im Grunde lediglich fortentwickelt worden sind. Auch die heißesten Debatten im Ausschuß, in der zweiten Lesung und heute können darüber keinen Zweifel lassen: es sind zwar Ausweitungen vorgenommen worden, die stärkere Differenzierung unserer Sozialstruktur hat in der stärkeren Komplizierung des Gesetzes ihren sehr betrüblichen, aber sicherlich notwendigen Niederschlag gefunden; aber Epochemachendes ist hier nicht geschehen. Viel einschneidender scheint uns die Erkenntnis zu sein, daß in grundlegender Unterscheidung gegenüber früher die Sozialversicherung finanziell einen solchen Umfang angenommen hat, daß allein vom Finanzvolumen her erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen erwartet werden müssen. Die Tatsache, daß dieses Finanzvolumen rund ein Zehntel des Sozialproduktes in Anspruch nimmt, macht dieses Gesetz zu einem epochemachenden Gesetz. Die Ursachen dieser Entwicklung sind unumstritten einmal die absolute Zunahme der Zahl der ({0}) Arbeitnehmer und dann die Erhöhung des Lebensstandards der breiten Massen der Bevölkerung. Niemand wird es den Rentnern, die während des Arbeitslebens an der Erstellung des Sozialproduktes in erheblichem Maße mitgewirkt haben, verwehren, daß sie auch an ihrem Lebensabend ihren Lebensstandard wenigstens einigermaßen erhalten wissen möchten. Zum dritten ist der Anteil der Alten und damit der Rentner an der Bevölkerung ganz gewaltig gestiegen, und er steigt noch weiter an, was aber gelegentlich bestritten wird. Kommt man aber zu der Erkenntnis der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Sozialversicherungswesens, dann muß man auch zwingend fordern, daß Sozialpolitik nur im Rahmen der Gesamtwirtschaftspolitik getrieben wird. Aber schon die grundlegende, fast banale Wahrheit, daß man immer nur so viel Geld ausgeben kann, wie man einnimmt, scheint hier nicht oder nicht ausreichend beachtet zu sein. Die Rentenleistungen sind aufgebaut auf Beiträgen und Staatszuschüssen, die auf Grund der Wirtschaftslage der letzten Jahre errechnet worden sind. Ist es wirklich angängig, die Hochkonjunktur, die Überbeschäftigung der letzten Jahre zur Rechnungsgrundlage für die Alterssicherung unserer Bevölkerung, unserer Arbeitnehmer zu machen? Ich habe schon einmal von dieser Stelle aus gesagt - und ich wiederhole es -: schon die Rückkehr in der Wirtschaftslage zum Zustand der Normalbeschäftigung muß zu einem solchen Rückgang der Beitragsleistungen führen, daß die kümmerlich bemessenen Deckungsreserven der Versicherungsträger schnell erschöpft sind und Beitragserhöhungen und Erhöhungen des Bundeszuschusses erforderlich werden; von eigentlichen Wirtschaftskrisen braucht dabei noch nicht einmal ) die Rede zu sein. Es ist gar nicht schwer vorauszusagen, daß die finanzielle Struktur dieses Gesetzes so unzulänglich ist, daß der Rentner vor Konjunkturschwankungen nicht ausreichend geschützt wird. Ein solcher Schutz wäre doch ein sozialpolitisches Anliegen allererster Ordnung. Diesem Schutz der Sozialrentner sollte unser Antrag auf Erweiterung der Deckungsrücklagen um die Hälfte dienen. Der Antrag verfiel der Ablehnung. Wahrscheinlich wird sich schon der nächste Bundestag mit der Frage: Senkung der Rentenleistungen oder Steigerung der Beitragssätze beschäftigen müssen. Um die politischen Spannungen, die so oder so dadurch ausgelöst werden, brauchen wir den nächsten Bundestag nicht zu beneiden. Die lohnbezogene Rente wird seit einiger Zeit als der gewaltige soziale Fortschritt hoch gepriesen. Ganz abgesehen davon, daß man mit solchen Lobpreisungen besser eine Generation warten sollte - so, wie man auch die Güte einer Ehe vielleicht frühestens um den Zeitpunkt der Silbernen Hochzeit herum beurteilen kann -, lohnt es sich doch, den Ursachenzusammenhang wenigstens in einigen Andeutungen zu beleuchten. Die Sozialversicherung der früheren Zeit beruhte auf dem Kapitaldeckungsverfahren, wobei es nicht sehr interessant ist, wieweit in der Invalidenversicherung tatsächlich eine Kapitaldeckung bestanden hat. Auf das Prinzip kommt es hier an. Die Kapitaldeckung gewährleistet im Idealfall den Rentnern den Genuß der Kapitalerträge für die zurückliegenden Beitragsleistungen. Das nunmehr zum Prinzip erhobene Umlageverfahren führt für die Rentner zum Verlust der Kapitalerträge, der Kapitalzinsen. Zwangsläufig mußte nach einem Ersatz für diese Zinsverluste gesucht werden. Der letzthin mehrfach zitierte Professor Mackenroth, der schon 1950 darauf hingewiesen hat, daß die modernen Massenversicherungseinrichtungen zwangsläufig zum Umlageverfahren kommen müssen, hat recht, und die Lohndynamik ist die zwangsläufige Folgerung aus dieser Entwicklung. Sie als Fortschritt zu preisen, gibt es kaum einen Anlaß. Die materielle Verbesserung der Lage der Rentner, die viel zu lange haben warten müssen, wird bei der endgültigen Beurteilung des Gesetzes schwer ins Gewicht fallen müssen. Die Frage, ob das Gesetz wirklich eine Reform darstellt, und vor allem die Frage, ob diese Reform auf die Dauer einer Kritik standhält, müssen offenbleiben. Zu viele Unbekannte stehen in dieser Gleichung. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Hahn.

Karl Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000784, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Hohe Haus hat heute zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung zwei Gesetze zu verabschieden. Während die Regierung nur einen Gesetzentwurf für die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten vorgelegt hat, wollte der Gesetzentwurf der SPD - das möchte ich ausdrücklich feststellen -, der im Sozialpolitischen Ausschuß gleichzeitig mit der Regierungsvorlage beraten wurde, das Angestelltenversicherungsgesetz überhaupt aufheben. Mit einer solchen Lösung wäre zweifellos ein entscheidender Schritt zur Einheitsversicherung getan worden. Wenn man von diesen Entwürfen ausgeht, können die Angestellten das heute zur Beschlußfassung vorliegende Gesetz als einen Erfolg werten. ({0}) - Herr Kollege Dr. Schellenberg, darauf komme ich noch zurück. ({1}) Was der Sprecher der CDU in der ersten Lesung gefordert hat, ein selbständiges Rentenversicherungsgesetz für die Angestellten, wurde verwirklicht. ({2}) - Frau Kalinke, ich komme auch noch auf einige Ausführungen von Ihnen zurück. - Daß dieses Gesetz nicht alle Erwartungen erfüllen wird, wissen wir. Ich möchte für meine Freunde von der CDU/ CSU auch nur zu den wichtigsten Problemen und so kurz wie möglich Stellung nehmen. Zunächst zum Berufskatalog, § 3 des AVG. Es ist allgemeine Auffassung - Frau Kollegin Finselberger hat diesen Problemkreis in ihren Ausführungen ,auch angesprochen -, daß der Katalog des alten AVG, der nur mit geringfügigen Änderungen in das neue Gesetz übernommen wurde, der Entwicklung nicht mehr voll gerecht wird. Aber auch im Sozialpolitischen Ausschuß war man sich darüber klar, daß diese sehr schwierige und vielschichtige Frage in dem hier zur Beratung stehenden Gesetz nicht gelöst werden kann. Dieser Berufskatalog gibt keine befriedigende Antwort auf die in unserer modernen arbeitsteiligen Wirtschaft zweifellos dringende Frage nach der heute zutref({3}) fenden und gerechten Abgrenzung des Personenkreises, der sich durch geistige Tätigkeit, besondere Verantwortung, Initiative, Ideenreichtum und Kombinationsvermögen auszeichnet. Der Hinweis auf die Entwicklung in den letzten 50 Jahren kann dabei nur ein Hilfsmittel sein. Die Berechtigung der Forderung nach einem selbständigen und differenzierten Angestelltenversicherungsrecht kann auf die Dauer nicht aus der Tradition allein und aus der unterschiedlichen Rechtsentwicklung in der Vergangenheit abgeleitet werden. Die Gesellschaftswissenschaft beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit diesem Problem, das von manchen Soziologen allerdings überwiegend aus der politischen Wunschvorstellung behandelt wird, den Angestellten einzureden, daß sie sich in nichts mehr von den Arbeitern unterschieden, so daß es an der Zeit sei, alle überholten Standesunterschiede und -vorurteile entschlossen über Bord zu werfen. Nun scheint es tatsächlich so zu sein, daß die zunehmende Technisierung in den Büros der Industrie und der Verwaltung, der Banken und Versicherungen bis zu den Selbstbedienungsläden im Einzelhandel jenen Angestellten ihren früheren Rang genommen hat, für die eben nur noch mechanische Arbeitsverrichtungen übriggeblieben sind. Davon mögen heute in der Angestelltenschaft der Bundesrepublik Hunderttausende betroffen sein, und ihre Zahl kann noch wachsen. Aber diese Angestelltenversicherungspflichtigen sind eben nicht der Typus jener Berufspersönlichkeiten, die heute und in der Zukunft als Mitarbeiter eine Mittlerstellung zwischen der Leitung des Unternehmens und der Gesamtbelegschaft des Betriebs einnehmen, ja die geradezu das Rückgrat des betrieblichen Ablaufs und des unternehmerischen Erfolges bilden. Professor Kogon hat versucht, die 3,9 Millionen Angestellten entsprechend aufzugliedern, und ist zu der Feststellung gekommen, die hier einmal als zutreffend unterstellt werden soll, daß - ({4}) - Herr Kollege, das kennen wir! Es gibt Kolleginnen und Kollegen, denen es sehr schwerfällt, zuzuhören, wenn andere sprechen, die aber erwarten, daß sie selbst möglichst oft das Wort bekommen. ({5}) Professor Kogon hat versucht, die 3,9 Millionen Angestellten entsprechend aufzugliedern, und ist zu der Feststellung gekommen, die hier einmal als zutreffend unterstellt werden soll, daß etwa 43 % in untergeordneten Positionen tätig sind. Dann bleiben selbst nach dieser Statistik 57 % übrig, die mittlere und höhere Positionen bekleiden und sicherlich ein ausgeprägtes Berufsbewußtsein besitzen. Um diesen Personenkreis geht es schließlich bei der auch jetzt noch ungelöst gebliebenen Frage, ob man ihm nicht durch Sonderrechte, sondern vielmehr durch seiner Funktion, seiner Verantwortungs- und Leistungsbereitschaft entsprechende Schutzbestimmungen gerecht werden kann. ({6}) Dieser in Wahrheit für den modernen Angestelltenbegriff typische Personenkreis ist, wie es einmal formuliert wurde, die Schicht zwischen den Mühlsteinen, an denen die ebenso häufig zitierte wie beklagte Unterbewertung der geistigen Tätigkeit praktisch demonstriert wird. Dieser Personenkreis stellt die Garanten für den reibungslosen Betriebsablauf und erfolgreiches Wirtschaften. Zu ihnen soll und muß - das wurde heute früh schon einmal ausgesprochen, ich glaube, von Professor Schellenberg - auch der qualifizierte Facharbeiter hinzugerechnet werden und hinzukommen. Wie abwegig erscheint gegenüber einer solchen Umschreibung die jetzt bekanntgewordene Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt, das die Antwort auf die Frage nach dem Angestelltenbegriff in dem lapidaren Satz zusammengefaßt hat - ich darf zitieren, Herr Präsident -: Somit verdichtet sich die allgemeine Verkehrsanschauung, daß Büroarbeit, wenn sie im Sitzen ausgeübt werden kann und ausgeübt wird, zum Angestellten macht. Deswegen sei auch derjenige, der einfachste Büroarbeit zu erledigen habe, Angestellter, vorausgesetzt eben, daß er sie im Sitzen ausführt. - Deutlicher kann die Vielschichtigkeit dieses Problems nicht demonstriert werden. Wer die Tatsache be- jaht, daß die vielfältige Angestelltentätigkeit höhere Verantwortung, größere Gewissenhaftigkeit ({7}) und tieferes Berufsbewußtsein voraussetzt, muß auch bejahen, daß sich daraus andere Ansprüche rechtfertigen, und muß die in unserem gesellschaftlichen Gefüge noch vorhandenen Differenzierungen anerkennen. ({8}) Dabei geht es entscheidend um die Abgrenzung dieses Personenkreises nach oben und auch nach unten. Die Größe des 'Betriebes, in dem der einzelne tätig ist, kann dafür kein Maßstab sein. Das würde nicht weniger in die Irre führen, als wenn man eine bestimmte Gehaltshöhe als Merkmal benutzen wollte. Es kommt vielmehr auf die Funktion, auf die Aufgabe und 'den Verantwortungsbereich, aber auch auf den Ausbildungs- und Berufsweg an. Es bleibt also für eine umfassende Reform die Aufgabe gestellt, einen Berufskatalog der wirklichen Angestellteneigenschaften zu schaffen, der auf die Eigenart und die Verantwortungsbereiche dieser Berufsschicht abgestellt ist, wobei sich Abstriche bei den mechanischen Hilfstätigkeiten, die, weil im Sitzen ausgeübt, heute noch als Angestelltenfunktionen gelten, nicht vermeiden lassen. Die Bereitschaft zu solcher Abgrenzung muß allerdings mit dem Willen gekoppelt sein, dann auch für die qualifizierten Berufsschichten ein eigenständiges Sozial- und Arbeitsrecht weiterzuentwickeln, ohne daß damit der leichtfertige Vorwurf des Standesdünkels und der Sonderrechte verbunden wird, den die Angestellten und ihre Sprecher immer wieder hinnehmen müssen, wenn sie diese Fragen zur Debatte stellen. Nun einige Bemerkungen zu der Frage der Versicherungspflichtgrenze. Die Entscheidung des Ausschusses über die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze auf 15 000 DM ist erheblicher Kritik begegnet. Der Herr Kollege Dr. Jentzsch hat diesen Abschnitt der Vorlage auch heute wieder wie schon im Ausschuß mit Nachdruck abgelehnt. Der Regierungsentwurf und der Entwurf der SPD sahen für beide Versicherungen die unbegrenzte, also die allgemeine Versicherungspflicht vor. Die Stellungnahme der zuständigen Angestelltengewerkschaften ist in dieser Frage geteilt. Aber aus ({9}) der Kritik, die in den letzten Tagen dazu laut wurde, habe ich den Eindruck gewonnen, es wird zuwenig beachtet, daß die Mehrheit allgemeine Versicherungspflicht fordert. Wie jetzt in der Öffentlichkeit, so wurden - daraus will ich kein Hehl machen, sondern es offen aussprechen - auch in unserem Kreis alle möglichen Lösungen von der allgemeinen Versicherungspflicht bis zu einer untersten Grenze heftig diskutiert. Aber wir stehen heute hinter der Festsetzung der Grenze auf 15 000 DM jährlich, wie sie in der Vorlage enthalten ist. Denn diese Lösung ist - das ist meine persönliche Überzeugung - nicht nur ein vernünftiger Kompromiß, sondern wird auch der gegebenen Sachlage gerecht. Daß die bisherige Grenze von 9000 Mark nicht mehr ausreichend war, wird allgemein anerkannt. Die Kritik derjenigen, welche die 15 000-Mark-Grenze ablehnen, weil sie die Selbstvorsorge untergrabe, weil ein derartig ausgedehnter Versicherungszwang eine sozial überflüssige Konzession an den Kollektivismus darstelle, wie es wörtlich in der Stellungnahme einer angesehenen Institution der Wirtschaft heißt und wie es heute früh in den Ausführungen der Sprecher einiger Parteien ebenfalls zum Ausdruck gebracht wurde, schießt weit über das Ziel hinaus. Es ist von beachtlicher Bedeutung, daß sich Versicherungspflichtgrenze und Beitragsbemessungsgrundlage erheblich unterscheiden. ({10}) Die Kritiker übersehen in der Regel eine weitere Tatsache von ausschlaggebender Bedeutung. Die große Mehrzahl - wenn nicht nahezu alle - derjenigen Angestellten, die in dem Einkommensbereich zwischen 750 Mark und 1250 Mark monatlich liegen und die vom Beginn der Ausbildung und Berufstätigkeit an mehr oder weniger lange versicherungspflichtig waren, haben die Anwartschaft in der Angestelltenversicherung durch mindestens sechs volle Monatsbeiträge aus eigener Tasche aufrechterhalten. Diese Versicherten haben, wenn sie mit ihrem Einkommen über die Versicherungspflichtgrenze kamen, von geringen Ausnahmen abgesehen, die Versicherung im Vertrauen auf eine entsprechende Alterssicherung freiwillig fortgesetzt. Der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung ist die Tatsache, daß viele ehemaligen Angestellten auch als Selbständige ihre Angestelltenversicherung freiwillig aufrechterhalten. Einer der entscheidenden Gründe für die Notwendigkeit der Anhebung der Pflichtgrenze auf monatlich 1250 Mark liegt darin, daß mit dem Überschreiten der bisherigen Grenze von 750 Mark der Arbeitgeberanteil zur Angestelltenversicherung entfiel und der Betroffene entweder das Doppelte zahlen oder auf die halbe Beitragsleistung seines bisherigen Anteils, nämlich sechs statt zwölf Monatsbeiträge, zurückgehen mußte. Diese Konsequenz aber ist eine Ungerechtigkeit gerade gegenüber den Angestellten, die dem Unternehmen durch ihre qualifizierte Leistung besonders nützlich sind. Die Sicherung des Arbeitgeberanteils und die dadurch erreichte Aufrechterhaltung der vollen Ansprüche ist für die Verfechter der 1250- Mark-Grenze der ausschlaggebende Faktor. ({11}) Es ist eine Härte, daß ausgerechnet die Angestellten in gehobenen Stellungen und in leitenden Funktionen in der Sicherung ihrer Altersversorgung schlechtergestellt sein sollen als die anderen Arbeitnehmer. ({12}) Nun wird darauf hingewiesen, daß viele Betriebe eine eigene Altersversorgung haben oder für ihre leitenden Angestellten besondere Aufwendungen für diesen Zweck machen. Außerdem wird das Argument vertreten, eine solche Erweiterung der Versicherungspflicht würde die Unternehmer zu stark belasten. In den Genuß solcher mehr oder weniger hohen betrieblichen Leistungen zur Altersversorgung kommen schätzungsweise etwa 15 % der Arbeitnehmer. Die überwiegende Mehrheit ist ausschließlich auf die soziale Rentenversicherung angewiesen. Der Einwand einer zu hohen wirtschaftlichen Belastung der Unternehmen durch die vorgesehene Erhöhung der Pflichtgrenze würde besser erst gar nicht erhoben. Denn ein Unternehmen, das nicht für die im Verhältnis zur gesamten Belegschaft immer kleine Zahl qualifizierter Mitarbeiter auch noch diese 7 0/0 Beitrag aufbringen kann, ist schlechterdings nicht vorstellbar. ({13}) Noch eine grundsätzliche Bemerkung zu den zu- sätzlichen betrieblichen Sozialleistungen aus der Sicht der Angestellten. Allzu hohe Sonderleistungen können leicht dazu führen, daß schon der Lehrling und der junge Angestellte in einem solchen Unternehmen nach einer pensionsfähigen Lebensstellung drängen. Für einen tüchtigen Angestellten ist es aber meines Erachtens unerläßlich, in jungen Jahren Berufs- und Lebenserfahrung zu sammeln. ({14}) Es liegt also auch im Interesse einer vielseitigen Ausbildung, die Grundlage der Vorsorge immer und, ich bin der Meinung, ausschließlich in der Angestelltenversicherung zu sehen. Schließlich sollte man bei der Beurteilung der umstrittenen Versicherungspflichtgrenze berücksichtigen - darauf hat Herr Kollege Schellenberg heute vormittag schon hingewiesen -, daß diese Grenze im Jahre 1913 bei der Schaffung der Angestelltenversicherung jährlich 5000 Mark und von den 30er Jahren an immer 7200 Mark, vorübergehend, etwa zwei Jahre, sogar einmal 8400 Mark betrug. Vergleicht man diese Einkommen mit der jeweiligen Kaufkraft, so erscheinen heute 15 000 DM Einkommen als Pflichtgrenze nicht als überhöht, sondern als angemessen. Gestatten Sie mir nun noch einige Bemerkungen zu kritischen Äußerungen aus den Kreisen der Angestelltenschaft gegenüber der Regierungsvorlage. Die Kritik aus diesen Kreisen konzentriert sich hauptsächlich auf folgende drei Punkte. Sie richtet sich erstens gegen die für die Berechnung der Renten maßgebenden Werttabellen, durch die die Angestelltenrenten als Folge des angewandten Reduktionsverfahrens gegenüber denen der Arbeiterversicherung benachteiligt worden seien, zweitens gegen die Verschlechterung des bisherigen Rechts bei den Witwenrenten und drittens gegen die Erweiterung des Berufsunfähigkeitsbegriffs. Dazu ist von der CDU/CSU aus folgendes zu sagen. Die der Regierungsvorlage zugrunde gelegten Tabellen für die Angestelltenrenten sind geändert und wesentlich verbessert worden. Die Kürzungen sind weggefallen, so daß jetzt von keiner ({15}) Benachteiligung der Angestelltenversicherung mehr gesprochen werden kann. ({16}) Unbestreitbar ist, daß die neue Rentenformel in der Angestelltenversicherung die jahrelang beklagte Benachteiligung der Angestelltenversicherten im Steigerungsbetrag beseitigt. Daß die früheren, zum Teil sehr hohen Beiträge zur Angestelltenversicherung jetzt nicht in jedem Falle durch die Werttabellen nominell genauso aufgewertet werden wie gleich hohe Invalidenversicherungsbeiträge in demselben Zeitraum, muß verstanden und als zwangsläufig zugegeben werden. ({17}) Nachdem der Beitrag - und das ist wohl das Wesentliche, was leider bisher in der Kritik in der Regelübersehen wurde - durch die neue Rentenformel seine Bedeutung als absolute Bezugsgröße für ,die Rentenhöhe verloren hat und an seine Stelle der jeweilige Entgelt getreten ist, muß die gleich hohe Bewertung der früheren Entgelte in den Tabellen zu § 1260 bzw. zu § 30 als zwangsläufige Folge der neuen sozialpolitischen Konzeption anerkannt werden. ({18}) Unter diesen Gesichtspunkten muß auch die Neuregelung für die Witwenrenten gewertet werden. Denn die starke Anhebung auch der Witwenrenten ist wegen ihrer materiellen Auswirkung sozialpolitisch bedeutsamer als das Festhalten an den versicherungsrechtlichen Bestimmungen des bisherigen Gesetzes. Nun, Herr Professor Schellenberg, zu dem, wovon Sie gleich am Anfang festgestellt haben, daß ich es ansprechen sollte. Die beabsichtigte Erweiterung des Begriffs der Berufsunfähigkeit stellt die Selbstverwaltung und auch die Verwaltung der Angestelltenversicherung zweifellos vor neue Probleme. Die neue Regelung muß im Zusammenhang mit dem durch dieses Gesetz angestrebten Ausbau der Maßnahmen zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit gesehen werden; denn die Rehabilitation kann nicht für sich allein beurteilt werden. Sie steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den neu geschaffenen Begriffen der Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrente. Deshalb mußten die bisherigen Bestimmungen erweitert werden. ({19}) Herr Professor Schellenberg, daß Sie in Ihrer Regierungsvorlage den alten Berufsunfähigkeitsbegriff der Angestellten - -({20}) - Entschuldigen Sie bitte! In Ihrem Entwurf! Meine sehr verehrten Damen und Herren der Linken, ich bin fest davon überzeugt, daß Sie nicht in die Verlegenheit kommen werden, im 3. Bundestag eine Regierungsvorlage zu machen. - Herr Professor Schellenberg, daß Sie diesen alten Berufsunfähigkeitsbegriff des § 22 der Angestelltenversicherung in Ihren Entwurf aufgenommen haben, erklärt sich im wesentlichen doch daraus, daß Sie eine andere Konzeption haben. Ich glaube nicht, daß Sie der Überzeugung sind, daß Sie mit diesem Berufsunfähigkeitsbegriff in der Praxis auch in der Arbeiterrentenversicherung zu Rande gekommen wären. Bei der Beratung dieses Kapitels im Ausschuß hat sich weitgehende Übereinstimmung darüber ergeben, daß wir, nachdem wir Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitsrenten haben, mit dem alten Berufsunfähigkeitsbegriff der Angestelltenversicherung nicht mehr auskommen. ({21}) Aus diesen sachlichen Erwägungen und Notwendigkeiten wurde dieser Berufsunfähigkeitsbegriff, ({22}) der wörtlich in dem neuen § 23 enthalten ist, weiter entwickelt und den Erfordernissen der neuen Konzeption angepaßt. ({23}) Daß Sie, meine Damen und Herren von der SPD, in der zweiten und dritten Lesung an diesem alten Berufsunfähigkeitsbegriff der Angestelltenversicherung festhalten, ({24}) kann ich verstehen. Denn es hat sich in der zweiten Lesung ja gezeigt, daß die Rechte und die CDU in dieser Frage nicht einer Meinung sind. Ich habe Verständnis dafür, daß Sie aus taktischen Gründen der Regierungspartei Schwierigkeiten machen und sie in Verlegenheit zu bringen versuchen, wo Sie nur können. ({25}) Aber, Herr Professor Schellenberg, ich kann Ihnen und Ihren Freunden nicht abnehmen, daß Sie der Überzeugung sind, bei der Durchführung dieses Gesetzes mit dem alten Begriff der Berufsunfähigkeit in der Angestelltenversicherung auszukommen. ({26}) Meine verehrte Frau Kollegin Kalinke, es ist für eine kleine Partei verhältnismäßig leicht, hier ohne Rücksicht auf die Gegebenheiten für eine alle befriedigende Lösung zugunsten nur einer Gruppe zu sprechen. Die CDU ist eine alle Schichten erfassende Volkspartei. ({27}) - Ja, Herr Professor Schellenberg, das hören Sie nicht gern; aber es ist eine Tatsache. Wir können, Frau Kalinke, nicht einfach nur eine Gruppe sehen. ({28}) Und ich habe den Eindruck, verehrte Frau Kalinke, es geschieht nicht ganz ohne Seitenblick auf die kommenden Wahlen in der Erwartung, im Lager der Angestellten mehr Stimmen zu bekommen; ({29}) aber das kann für uns in der CDU/CSU nicht Maßstab unserer Entscheidungen sein. ({30}) Nur einige Sätze zu dem konkreten, sachlichen Inhalt. ({31}) ({32}) - Herr Kollege Atzenroth, gestatten Sie mir, daß ich so verfahre, wie ich es für notwendig erachte. Wir sind in der dritten Lesung, und meine Freunde und ich haben Sie auch in aller Ruhe angehört. Große Bedenken wurden von seiten der Angestellten gegen die nach unserer Überzeugung unerläßliche Herstellung der Beziehung zu den Rehabilitationsmaßnahmen vorgebracht, besonders gegen die Sätze 2 und 3 in Absatz 2. Dabei wird leider nicht genügend beachtet, daß die Bestimmung in der dem Hohen Hause jetzt vorliegenden Form gegenüber der Fassung in der Regierungsvorlage erheblich verbessert worden ist. Im Gesetzentwurf hieß es ursprünglich: Ausbildung für einen anderen Beruf. Die jetzt zu beschließende Fassung - sie ist das Ergebnis der vielen Überlegungen und Beratungen innerhalb unseres Kreises - sieht vor, daß die Ausbildung nur für einen anderen, nach der bisherigen Berufstätigkeit zumutbaren Beruf erfolgen darf. Damit ist die Umschulungsmöglichkeit, wie sie nach der Fassung des Regierungsentwurfs vorgesehen war und wogegen immer wieder besondere Bedenken vorgebracht wurden, erheblich eingeschränkt worden. Diese Änderung erfolgte auf unseren Antrag, um einen sozialen Abstieg der Angestellten durch Umschulungsmaßnahmen zu vermeiden. In welchem Umfange gerade diese Vorschriften in Verbindung mit den Rehabilitationsmaßnahmen für oder gegen den Versicherten angewandt werden - und das dürfte einer der wesentlichsten Punkte in der Durchführung dieses Gesetzes sein -, wird weitgehend von dem Geist abhängen, den die paritätische Selbstverwaltung in der Praxis in den Verwaltungsapparat hineintragen wird. Auch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ist eine Selbstverwaltungskörperschaft, und ihren Organen sind nach dem neuen Gesetz die Grundlagen für eine den Interessen der Angestellten gerecht werdende Anwendung der Bestimmungen gegeben. Die Befürchtung, daß eine Vermehrung der Sozialgerichtsverfahren aus der Anwendung des § 23 entspringe, ist unbegründet, wenn die Handhabung der neuen Bestimmungen durch die Versicherungsträger von vornherein unter Beachtung dieser Grundsätze erfolgt. Ein letztes Wort zu der Frage der weitgehenden Rechtsangleichung durch die beiden Gesetzentwürfe. Sie hat in wesentlichen Punkten zu einer Anhebung des Rechts in der Arbeiterrentenversicherung geführt. Gegen diese Entwicklung haben die Angestellten niemals Einwände vorgebracht. Ich glaube auch nicht, daß irgend jemand in diesem Hohen Hause einen solchen negierenden Standpunkt vertreten wird. Die Angestellten erwarten allerdings Verständnis für ihren Wunsch, daß auf der Grundlage des neuen, selbständigen Angestelltenversicherungsgesetzes in der Weiterentwicklung dieses Rechts ihren vielgestaltigen beruflichen Aufgabenbereichen und ihrer soziologischen Stellung Rechnung getragen wird. Das vorliegende Gesetz überläßt nach unserer Auffassung für die Angestellten die Lösung wesentlicher Aufgaben und Probleme einer weiteren Reform. Aber was jetzt möglich war zu schaffen, ist erreicht worden. ({33})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).

Georg Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002043, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Stunde steht das deutsche Volk - ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, den man aus der heutigen Debatte hier haben könnte - wohl unter dem Eindruck eines gewaltigen und beinahe revolutionären Gesetzgebungswerks. Allerdings wird es weiterhin nur dann unter diesem Eindruck stehen, wenn die gewaltige Bedeutung dieses Gesetzes draußen im Lande nicht zerredet wird, wie ich das leider am Sonnabendvormittag in einer großen Betriebsversammlung des öffentlichen Dienstes in Düsseldorf habe erfahren müssen. ({0}) Wenn es nur mit Schwarz-Weiß-Malerei gemacht wird, könnte es so zerredet werden, wie es da geschehen ist. Gewaltig ist das Werk deswegen - ich wiederhole da vielleicht Gedanken, die heute bereits ausgesprochen worden sind -, weil nun einmal die Tatsache feststeht, daß ab 1. Januar 1957 sieben Millionen Rentner im Jahr statt 8 Milliarden DM etwa 131/2 Milliarden bekommen werden. Revolutionär ist das Werk deshalb, weil nunmehr in der Sozialversicherung in Deutschland zum erstenmal eine lohnbezogene Rente eingeführt wird, zum zweiten, weil im Gesetz eine laufende Anpassung der Renten an die Produktivität der Wirtschaft verheißen und dafür auch ein bestimmtes Verfahren entwickelt ist. Schließlich ist meiner Meinung nach auch der Umstand revolutionär, daß nunmehr die Ausfall- und Ersatzzeiten in einem Ausmaß erweitert worden sind, wie man das früher gar nicht für möglich gehalten hätte, also Zeiten, in denen der einzelne Arbeiter und Angestellte schuldlos keine Beiträge zahlen konnte, was ihm jedoch bei der Berechnung der Rente so angerechnet wird, als hätte er Beiträge bezahlt. Denken Sie nur an die Bestimmungen über die Berufsunfähigkeit und Invalidität, wo dem Betreffenden, auch wenn er im Zeitpunkt der Rentenfestsetzung erst 25 Jahre alt ist, die Rente so berechnet wird, als wenn er schon 55 Jahre alt wäre! Dieses Gesamturteil, das, wenn man objektiv zu den Dingen steht und nicht demagogisch werden will, nur ein positives sein kann, kann nicht durch die Tatsache beeinträchtigt werden, daß bei diesem Gesetzgebungswerk viele, viele Wünsche unerfüllt geblieben sind. Die Gründe für die Ablehnung so mancher Wünsche sind vielfältiger Art. Die Erfüllung der Wünsche war einmal durch die Einnahmen begrenzt. Man kann nicht mehr ausgeben, als man einnimmt. Wünsche kosten Geld, mehr Wünsche kosten noch mehr Geld. Hier war eine Grenze gezogen. Niemand, der hier weitergehende Wünsche vorgebracht hat, hat uns gesagt, wie denn das nun finanziert werden soll. Das wäre dann immerhin eine Verhandlungsgrundlage für die Erfüllung weitergehender Wünsche gewesen. Ein anderer Grund für die Ablehnung mancher Wünsche, die an sich zum großen Teil berechtigt waren, ist die Systemwidrigkeit gewesen, auf die diese Wünsche am Ende hinausliefen. Aus diesem Grunde mußten manche tatsächlich oder scheinbar gutgemeinten Anträge leider abgelehnt werden. Zusammenfassend möchte ich sagen: Man kann das ganze Werk nicht dadurch gefährden, daß jeder einzelne aus diesem mit Mühe und Not .gelungenen Gesamtgebäude ein Steinchen - ein Lieblingssteinchen - herausbricht; dann bräche am Ende das ganze Gebäude zusammen. Über den ({1}) Einzelwünschen, so berechtigt sie auch sein mögen, stand doch der Obergedanke: den Rentnern in der Gesamtheit muß möglichst schnell geholfen werden. Der gewichtigste Teil der abgelehnten Wünsche - also Anträge - liegt bei den Angestellten, immerhin einer Schicht von 5 Millionen Menschen, und wenn Sie die Angehörigen hinzunehmen, einer Wählerschicht von etwa 7 oder 8 Millionen. So war es denn auch reizvoll, heute vormittag den Wettlauf der einzelnen Redner um die Gunst der Angestellten zu beobachten. Ich persönlich habe das überaus dankbar aufgenommen, weil ich mir sagte: Nunmehr ist endlich in diesem Haus das Eis für die Angestellten gebrochen, deren Wünsche ja bislang immer so betrachtet worden sind, als handle es sich nur noch um einen Ausfluß eines längst überlebten Standesdünkels. Ich dachte mir dabei: Ihr laßt mich - mich, Georg Schneider - hoffen! Und ich hoffe auch. Ich sage aber auch: Im nächsten Bundestag spätestens wird ja von den Angestellten der Wechsel vorgelegt werden, und sie werden dann daran messen, inwieweit auf ihre Wünsche eingegangen wird, was nur Wahlversprechen und was echtes Anliegen des einzelnen Bundestagsabgeordneten gewesen ist. Was haben nun die Angestellten im einzelnen zu bemängeln? Ich möchte zusammenfassend und ergänzend zu dem, was Herr Kollege Hahn gesagt hat und was auch von anderen Rednern, von Herrn Professor Schellenberg, von Frau Kalinke und anderen, dargelegt worden ist, folgendes sagen. Den Angestellten genügt eben nicht allein ein geschriebenes eigenes Angestelltenversicherungsgesetz der Form nach. Gewiß sind sie dankbar, daß sie bei diesem Reformwerk wenigstens dies eine erreicht haben, weil sie die Hoffnung haben, daß auf dieser Plattform im Laufe der Zeit doch nach und nach ihre noch offengebliebenen Wünsche Erfüllung finden können. Das zweite ist der Begriff der Berufsunfähigkeit. Tatsache ist, daß die Formulierung des Berufsunfähigkeitsbegriffs eine andere geworden ist, als sie es in der Angestelltenversicherung bisher war. Nun sagt man uns von ministerieller Seite insbesondere: Auch die neue Formulierung an dem, was die Angestellten bisher gehabt haben, nichts ändern. Ich persönlich will hoffen, daß dem so ist; und wenn die Praxis das lehrt, nun, dann wollen wir uns damit zufriedengeben. Ein Weiteres, was die Angestellten beklagen, ist alles das, was ihnen in diesem Reformwerk bei der Witwenrente verlorengeht. Gewiß sagt man: „Ihr habt bisher die unbedingte Witwenrente mit 50 % gehabt, nunmehr bekommt ihr 60 %, allerdings in gewissen Fällen 40 %; aber auch diese 40 % sind doch wesentlich mehr als die bisherigen 50 %." Demgegenüber kann man nicht viel einwenden. Aber die Relationen! In der Relation jedenfalls sind die Angestellten in den Bestimmungen über die Witwenrente im neuen Gesetzeswerk nicht gut bedient worden. Ein Weiteres noch. Es wird von den Angestellten der nicht honorierte Untergang der höheren Beiträge aus früheren Zeitläuften beanstandet. Um welche Zahlengrößen es sich dabei handelt, kann jeder, der Versicherungsbilanzen lesen kann, in den letztveröffentlichten versicherungstechnischen Bilanzen der beiden Versicherungen, der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung, ablesen. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage: Milliarden gehen auf diese Weise unter ({2}) - lassen Sie mich bitte den Satz noch beenden -, ausgedrückt dann auch in dem relativ viel zu geringen Zuschuß - so nennt es der Herr Finanzminister; ich nenne es anders: in den viel zu geringen Haushaltsmitteln des Bundes, die der Angestelltenversicherung zufließen sollen. ({3}) - Herr Professor Schellenberg, ich komme auf diese Anträge auch noch zu sprechen. Sie sind viel zu klug, um dann nicht zu verstehen, warum es so und nicht anders war und warum Sie sich so und nicht anders verhalten haben. Wir haben weiter zu beklagen - und das hängt auch mit der Versicherungsbilanz zusammen -, daß die Angestelltenbeitragsmark in vielen Fällen nicht zu der gleichen Rente führt wie eine Arbeiterbeitragsmark. Das steht fest und ist ja auch von meinem Kollegen Hahn zugegeben worden. Er hat es mit dem System begründet, mit dem nun einmal ein solcher Vorgang verbunden ist. Ich erkenne das nicht an. Wir haben schließlich die Köpfung der Renten auf 562.50 DM zu bemängeln, ein Vorgang, der zwar formell auch die Arbeiter betrifft, aber praktisch fast ausschließlich die Angestellten betreffen wird. Diese Köpfung der Renten wird sich gewiß in bezug auf die Beitragsgerechtigkeit nicht für die Zukunft auswirken, soweit ab 1. Januar Beiträge bezahlt werden, wirkt sich aber zu Lasten der Angestellten versicherungsungerecht aus in bezug auf die vergangenen Jahrzehnte, in denen sie Beiträge gezahlt haben. Nun fragen Sie mich nach der Erklärung für alle diese Vorgänge. Nun, man hat eben versucht, das Arbeiterversicherungsrecht schematisch an das Angestelltenversicherungsrecht anzupassen. Wie es auch sonst im Leben ist - ein Schuh paßt nicht für alle -, so kamen wir hier zu den vielen Ungereimtheiten und Schiefheiten, von denen ich spreche. Es hätte eben, wie ich persönlich gewünscht hätte, eine „Angestelltenversicherung nach Maß" gemacht werden müssen. Dabei hätte durchaus der Grundsatz obwalten können, daß die Angestellten auf keinen Fall - dafür setze ich mich auch ein - für 1 DM Beitrag nicht mehr bekommen als die Arbeiter für diese 1 DM. Man hätte dann, wenn man eine solche Versicherung für die Angestellten nach Maß gemacht hätte, ein abgewandeltes Leistungssystem entwickeln müssen, und man hätte ein abgewandeltes Finanzierungssystem wählen müssen. Ich weiß, warum das alles nicht geschehen konnte; das zu wissen bin ich politisch, glaube ich, genügend geschult. Es war sicherlich nicht böser Wille, wenn das Angestelltenversicherungsgesetz nicht so geworden ist, wie sich die Angestellten das vorgestellt haben, sondern es war hier eben auch die Knappheit an Zeit, die es verhindert hat, in aller Breite und Tiefe auszudiskutieren, was sich die Angestellten als eine Versicherung nach Maß vorstellen. ({4}) So standen die Angestellten und stand jedenfalls ich vor der Alternative: wollen wir, nur damit wir später einmal ein Angestelltenversicherungsgesetz nach Maß bekommen, die Angestellten zunächst einmal leer ausgehen lassen, oder wollen wir anerkennen, daß auch das jetzt erarbeitete Angestelltenversicherungsgesetz einen ganz gewaltigen und zum Teil revolutionären Fortschritt bedeutet, und wollen wir uns dann nicht lieber fürs erste mit diesem Werk zufriedengeben und hoffen, daß in der Zukunft nach und nach auch die speziellen Wünsche der Angestellten noch erfüllt werden? Daß die Angestellten auch mit diesem Reformwerk ganz gewaltige Vorteile genießen, kann man ja an folgendem ermessen: 1,5 Millionen Rentner aus der Angestelltenversicherung - von der allein spreche ich jetzt - bekommen statt bisher jährlich 21/4 Milliarden DM an Renten nunmehr jährlich 33/4 Milliarden DM an Renten, also einen Betrag, der um 75 % höher liegt. Wer da die gewaltige Bedeutung des Reformwerks auch bei der Angestelltenversicherung noch abstreiten wollte, wäre meiner Meinung nach nicht mehr objektiv. ({5}) Ein eigenes Angestelltenversicherungsgesetz ist die Plattform für den Ausbau, und ich kann mir auch nicht denken, daß diejenigen, die bisher wenig Sinn dafür aufgebracht haben, bei eingehender Diskussion der Besonderheiten der Wünsche der Angestellten dann nicht auf sie eingehen würden. Ich habe da ein viel zu großes Vertrauen zu den einzelnen Fraktionen sowie zu den einzelnen Kollegen dieses Hauses. Die lohnbezogene Rente ist doch ein ganz gewaltiger Vorteil auch für die Angestellten. Auch die Anpassung der Angestelltenrenten an die Produktivität, die ja im Gesetz verheißen ist und die nach einem bestimmten Verfahren entwikkelt werden soll, stellt einen enormen Vorteil dar. Es ist nur zu begrüßen, daß in dem neuen Angestelltenversicherungsgesetz dieselben Fortschritte wie bei der Arbeiterrentenversicherung verankert werden. Nun zu einigen Ausführungen meiner Herren Vorredner. Herr Professor Schellenberg, ich glaube, mir schmeicheln zu können, daß ich in einem guten persönlichen und menschlichen Verhältnis zu Ihnen stehe. Deshalb fassen Sie bitte das, was ich jetzt sage, nicht falsch auf. Es ist keine Ironie, wenn ich z. B. sage: ich freue mich, Herr Professor Schellenberg, der Sie doch langjähriger Direktor der Versicherungsanstalt Berlin gewesen sind und auch eine Einheitsversicherung geschaffen haben, daß Sie heute in so mannhafter Weise für ein besonderes Angestelltenversicherungsrecht eingetreten sind. ({6}) - Doch, dafür danke ich Ihnen. ({7}) - Um so mehr danke ich Ihnen dafür, Herr Professor, daß Sie das getan haben, obwohl Sie doch, soweit ich das vermuten darf, Schöpfer des SPD-Gesetzentwurfs für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten gewesen sind, in dem das Angestelltenrecht allerdings untergegangen ist. Kein Vorwurf dagegen! Man kann diese oder jene Konzeption haben, aber die Tatsache bleibt bestehen, daß Sie in zwei Fällen unter Beweis gestellt haben: Sie waren aus durchaus verständlichen Gründen für eine Einheitsversicherung und zweitens gegen ein besonderes Angestelltenversicherungsrecht. Trotzdem sind Sie zu der Erkenntnis gekommen: Nein, ein besonderes AngestelltenVersicherungsgesetz ist das Rechte. Warum soll man ,denn auch nicht vom Irrtum zur Wahrheit reisen? könnte ich da etwas humorvoll sagen, und da Sie Sinn für Humor haben, habe ich mir erlaubt, auch diese Redewendung zu gebrauchen. ({8}) Die Regierung hat in ihrem Entwurf - da ist sie weiter gegangen als Sie in Ihrem Entwurf - ein besonderes Angestelltenversicherungsrecht zugestanden, allerdings in sehr unvollkommener Weise. Der Bundestagsausschuß für Sozialpolitik ist wiederum darüber hinausgegangen und hat ein selbständiges Angestelltenversicherungsgesetz beschlossen. Aber, wie gesagt, in beiden Fällen hat man unter dem Bemühen gelitten, nun um jeden Preis schematisch alles das, was die Angestellten haben, auch auf die Arbeiter zu übertragen und umgekehrt. Wie gesagt: Ganz genau stimmen die Schuhgrößen nicht überein, und deswegen drückt die Angestellten zunächst einmal dieser gemeinsame Schuh, um bei dem Bilde zu bleiben. Nun hat der Ausschuß, der auch vor dem Dilemma und dazu in Zeitnot stand, das kleinere Übel gewählt und sich zunächst für das uns hier im Entwurf vorliegende Gesetzgebungswerk entschieden. Herr Dr. Jentzsch und meine Kollegin Frau Margot Kalinke haben sich auch sehr - und das erkenne ich dankbar an, und ich freue mich darüber - für ein eigenes Angestelltenversicherungsgesetz ausgesprochen, aber leider nicht im Sinne der Masse der Angestellten, soweit ich deren Stimmung kenne. Sie wollen z. B. die Versicherungspflichtgrenze auf 12 000 DM herabgesetzt haben, obwohl nach meinem Geschmack schon die Versicherungspflichtgrenze von 15 000 DM nicht vertretbar ist. Ich hätte es viel lieber gesehen, wenn man gar keine Versicherungspflichtgrenze gesetzt hätte. Ihre Forderung ist etwas, was den Angestellten bei ,der Verwirklichung in einem Angestelltenversicherungsgesetz nicht passen würde. Dann haben Sie, Herr Dr. Jentzsch und Frau Kollegin Kalinke - soweit ich es verstanden habe -, sich auch gegen die lohnbezogene Rente, gegen die Produktivitätsrente gewandt. Ich glaube nicht, daß Sie damit das treffen, was die Angestellten wollen. Ich hatte auch bei den Wünschen der Frau Kollegin Margot Kalinke so etwas den Eindruck, daß ein Böswilliger sagen könnte: Das stimmt 'doch sehr verdächtig mit dem überein, was die Individualversicherungen wollen. Ich sage mir: wir haben hier eine Versicherung für die Masse der Arbeiter und Angestellten zu machen, und dabei kann nicht das Interesse der Individualversicherungen, sondern muß das Interesse der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten Leitgedanke sein. ({9}) Ich sehe die Dinge so, daß trotz der Fassung der beiden Gesetze für das sogenannte Geschäft der Individualversicherung noch ein Riesenraum übrigbleibt. Ich habe viele, viele Jahre in dieser Branche gearbeitet, und wenn die Herren von der Individualversicherung etwa Tips haben wollen, wie gerade nach der Verabschiedung dieser Gesetze das Geschäft in der Privatassekuranz belebt werden kann, dann bin ich bereit, ihnen eine Fülle solcher Tips zu geben. ({10}) ({11}) Ich möchte zum Schluß die Hoffnung aussprechen, daß der nächste Bundestag - dieser Bundestag wird dazu keine Zeit mehr haben - den Angestellten im Anschluß an das jetzt zu schaffende Angestelltenversicherungsgesetz ein Angestelltenversicherungsgesetz nach Maß gibt. Grundsatz müßte dabei sein die Zurückführung der Angestelltenversicherung auf die Prinzipien von 1911, selbstverständlich mit neuzeitlicher Abwandlung, zweitens keine materiellen Vorrechte für die Angestellten zu gewähren, sofern sie nicht aus eigener Tasche bezahlt werden; denn wenn sie sie aus eigener Tasche bezahlen, darf man die Angestellten nicht an ihrem Glück hindern. Drittens müßte dabei der Grundsatz obwalten: anders ist nicht unbedingt mehr, sondern anders kann in der materiellen Auswirkung durchaus das gleiche sein, aber in dem Falle dann sinngemäß an die Angestellten angepaßt. Die Invalidenversicherung und die Angestelltenversicherung dürfen eben - das sollte auch ein Grundsatz dabei sein - in ihren Bestimmungen nicht um jeden Preis vereinheitlicht werden. Vorschläge für ein solches Angestelltenversicherungsgesetz liegen seit Jahr und Tag in Fülle vor. Sie konnten, wie gesagt, wegen der Kürze der Zeit im Bundestag nicht ausführlich genug diskutiert werden. Nach den Erklärungen, die heute von allen Fraktionen des Bundestages abgegeben wurden, können die Angestellten hoffen, daß in diesem Hause endlich das Eis gebrochen ist und daß den Wünschen der Angestellten, sobald Zeit und Muße dazu ist, auch Rechnung getragen wird. Die Rentner draußen werden jedenfalls ein endgültiges Urteil fällen, wenn sich die konkreten Auswirkungen der Gesetze, in diesem Falle des Angestelltenversicherungsgesetzes, zeigen, d. h. wenn die Rentner im Laufe der nächsten Wochen ihre erheblichen Nachzahlungen und dann jeden Monat ihre wesentlich erhöhte Rente erhalten und wenn sie dann sehen, daß das nicht nur ein vorübergehender Vorgang ist, sondern daß es auch so bleiben soll.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Herr Abgeordneter, verzeihen Sie, gestatten Sie eine Frage?

Georg Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002043, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Jeanette Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002556, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schneider, sind Ihre Ausführungen das, was als Forderung der DAG zusammengefaßt ist? Können Sie mir das einmal sagen?

Georg Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002043, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darauf möchte ich folgendes erwidern. Ich fasse mein Mandat nicht auf als Interessenvertreter der Deutschen Angestelltengewerkschaft, sondern als Vertreter des ganzen Volkes. ({0}) Das ist die eine Antwort. Die zweite Antwort, Frau Kollegin vom Hauptvorstand der DAG: Wie vereinbaren Sie es mit den Forderungen der DAG, wenn Sie im Rahmen Ihrer Fraktion für die Selbstversicherung stimmen? ({1}) Ich behaupte, daß die Selbstversicherung im Rahmen der Angestelltenversicherung - sinngemäß natürlich auch der Arbeiterversicherung - einen viel größeren Schaden darstellt als den, der durch unerfüllte Wünsche der Angestellten noch entsteht. Denn die Angestelltenversicherung hat 6 Millionen Versicherte, obwohl es nur 41/2 Millionen Angestellte gibt, d. h. es sind zum Riesenschaden der AV 1,5 Millionen Fremdversicherte, Selbstversicherte drin. - Bitte, Frau Kollegin.

Jeanette Wolff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002556, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, Sie wissen ganz genau, daß ich Ihnen keine Antwort geben darf, da wir nur Fragen stellen können. ({0}) Ich möchte Ihnen nur die Frage vorlegen: Sind Sie denn der Ansicht, daß man, solange kein anderes Gesetz besteht, einfach einen Schwebezustand belassen sollte? ({1})

Georg Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002043, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auch darauf will ich Ihnen eine Antwort geben. Sie gehen davon aus, der ursprüngliche Zustand der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten sei eine Jedermannsversicherung gewesen. Das ist aber nicht der Fall. Die Sozialversicherung der Arbeiter und der Angestellten war ursprünglich, aber auch der ganzen Anlage nach, nur eine Sozialversicherung für Arbeiter und Angestellte. Erst später, ausgerechnet unter Hitler, ist dann dieser Fremdkörper eingebaut worden, und leider sind wir dann auf diesem Wege weitergegangen. Wir kommen also mit dem Gesetz, das heute beschlossen werden soll, auf den ursprünglichen Zustand der Sozialversicherung zurück. Damit mögen Sie auch diese Antwort bekommen haben. Ich sage also noch einmal: Die Rentner und auch die Angestellten können neben dem anderen, was ich aufzählte, nach den allgemeinen Erklärungen von heute die Hoffnung haben, daß in absehbarer Zeit auch ihre restlichen Wünsche noch erfüllt werden. Ich sage mit ganz besonderer Betonung: das letzte Urteil über das Werk, das heute hier zum Abschluß kommen soll, werden die Rentner und die Angestellten selbst treffen, wenn sich das Gesetz konkretisiert hat. Ich bin überzeugt, daß das Urteil dieser Kreise positiv sein wird. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen, bevor ich das Wort weitergebe. Wir haben heute mittag wieder im Ältestenrat zusammengesessen und machen uns darüber Sorgen, wie wir die Beratung heute zu Ende führen wollen. Jetzt haben wir 5 Uhr nachmittags. Wir sind noch nicht mit der allgemeinen Aussprache zu Ende. Ich halte es - entschuldigen Sie, meine Herren von der CDU und CSU - nicht für sehr sinnvoll, wenn man dann in der allgemeinen Debatte zwei Redner zu einem Spezialproblem herausstellt, wobei dann jeder das gleiche sagt. ({0}) - Ja, ich weiß es. Ich will ja auch nicht kritisieren. ({1}) Ich will auf die zeitliche Situation hinweisen. - Herr Abgeordneter Preller!

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden gestatten, daß wir als Opposition, nachdem die CDU/CSU - da doch ({0}) wohl der Herr Bundesarbeitsminister dieser Fraktion auch angehört - insgesamt jetzt drei Stunden gesprochen hat, doch noch ein wenig zur Diskussion beitragen. ({1}) - Gehört der Arbeitsminister Ihrer Fraktion nicht an? ({2}) Ich versuche mich kurz zu fassen. Aber einige Dinge können nicht unwidersprochen bleiben. Ich gehe auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Schneider nicht ein. Ich habe Verständnis dafür, daß er sich für die Dinge einsetzt, die dadurch entstanden sind, daß von seiner Seite aus gegen den Regierungsentwurf seinerzeit gesagt worden ist: Die Angestelltenversicherung ist in Gefahr. - Das muß er natürlich jetzt in irgendeiner Form begründen, und deshalb habe ich Verständnis dafür, was Herr Kollege Schneider - wenn auch nicht für die DAG, so doch in deren Sinn - hier ausgeführt hat. Aber die Folgen solcher Ausführungen, wie sie eben hier gemacht worden sind, sehen wir z. B. in der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung", die in ihrer letzten Nummer vom vergangenen Samstag ihre Berichterstattung mit der sehr unschönen Überschrift „Die Rentenlawine rollt" einleitet und einen Untertitel „Schwere Einbußen für die Angestellten" dazufügt. Meine Damen und Herren, das sind die Folgen von solchen Äußerungen, wie wir sie soeben gehört haben. ({3}) - Was heißt das, Herr Kollege Arndgen? Das habe ich ja gar nicht behauptet. Ich glaube, Ihr Zwischenruf war nicht ganz überlegt, Herr Kollege Arndgen. Aber ich möchte mich doch mit einigen Worten mit dem beschäftigen, was der Kollege Hahn hier ausgeführt hat. In vielem kann ich und können wir seiner Betrachtung der Entwicklung der Angestellten- und der Arbeiterversicherung zustimmen. Aber ich glaube, entscheidend ist, daß wir alle, die wir hier sitzen, uns darüber klarwerden: Die Entwicklung, vor der wir stehen, vor allen Dingen auch infolge der Veränderungen der Betriebsverhältnisse durch die Automatisierung geht dahin, daß die zwischen Arbeitern und Angestellten bestehenden Unterschiede sich eher verwischen als vertiefen. Insofern glaube ich nicht, Herr Kollege Hahn - diese Ihre Behauptung möchte ich nicht unwidersprochen im Raume stehen lassen -, daß die Entwicklung, wie Sie sagten, auf ein eigenständiges Sozial- und Eigenrecht der Angestellten zustrebt. Mir scheint, gerade dieser Entwurf beweist, daß die verschiedenartigen Rechtssysteme in einer Annäherung begriffen sind; denn Sie wie wir sind von dem Grundsatz „Für gleiche Beiträge gleiche Rechte" ausgegangen. Sehen Sie das Arbeitsrecht an, das Tarifrecht, das Arbeitsgerichtsrecht, das Arbeitszeitrecht, das Arbeitsschutzrecht; überall ist das Bestreben vorhanden, ein einheitliches Recht zu schaffen, und das sollten wir hier nicht zerreden. Nur so viel zu den Angestelltenfragen. Nun ist in der Diskussion der allgemeinen Aussprache zweimal das Wort von der durch diesen Gesetzentwurf herbeigeführten „revolutionären Entwicklung" gefallen. Ich halte das Wort für übertrieben. Was dieser Gesetzentwurf ist, das hat mein Kollege Schellenberg in der Form ausgedrückt, daß er sagte: Wir sind froh, daß den Rentnern diese Rentenerhöhungen zukommen, sie enthalten aber Ungerechtigkeiten. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß auch wir es begrüßen, daß durch diesen Entwurf den Rentnern Vorteile zukommen. Wir halten sie nur nicht für ausreichend, und wir halten sie im System nicht für einheitlich genug gestaltet. Aber, meine Damen und Herren, revolutionär in diesem Wortsinne ist der Entwurf nicht. Wir meinen, daß er sogar dem vielfach erörterten Begriff der Sozialreform noch nicht entspricht. Eine „Reform" wäre es gewesen, wenn Sie es durchgesetzt hätten, daß in dem Regierungs- und Ausschußentwurf tatsächlich eine Lohnwertrente, wie hier entwickelt, herausgekommen wäre. Aber schon bei dem § 1261 a, bei der Festsetzung der Renten, sind Sie praktisch zurückgehuft. Sie glaubten, nicht einmal dem Arbeitenden sagen zu können: Das, was in § 1260 versprochen wird, wird dir auch auf jeden Fall zukommen; sondern Sie schaffen in § 1261 a die Möglichkeit des Rückzugs. Zum anderen - darauf wird noch ganz kurz später einzugehen sein - haben Sie in § 1276 die tatsächliche Lohnwertrente nicht ein- und durchgeführt. Insofern sind die entscheidenden Punkte der Lohnwertrente nicht gesichert. Der Ansatz geht wohl in Richtung auf eine Reform, aber er ist nicht „revolutionär" durchgeführt, er ist nicht konsequent in seinen Folgerungen tatsächlich durchgesetzt. Das gleiche gilt für die Rehabilitation. Ich möchte mich hier nicht noch einmal darüber auslassen. Es ist gesagt worden, daß hier gewisse Muster geschaffen werden. Jawohl, die können geschaffen werden; aber das geschieht an der falschen Stelle, wie ich Ihnen dargelegt habe! Auch hier sind Sie im Ansatz steckengeblieben und haben als Regierungspartei nicht den Mut zur Konsequenz gehabt. Deshalb sagen wir: das, was hier vorgelegt ist, bedeutet eine Rentenerhöhung - nicht so hoch, wie wir wollten, aber immerhin eine Rentenerhöhung -, aber es ist keine Rentenreform und schon gar nicht eine Sozialreform. Denn eine Reform hätte doch die Verhältnisse der Gegenwart berücksichtigen, hätte ihnen Rechnung tragen müssen. Hier spielt nun tatsächlich das von Frau Kollegin Kalinke angesprochene Verhältnis von Eigenvorsorge und gesellschaftlicher Verpflichtung eine Rolle, - allerdings nicht in dem Wortsinn, den sie heute morgen leider noch einmal unterlegt hat, als sie von „totaler Versicherungspflicht" sprach und die Behauptung - die unbewiesene Behauptung - aufstellte, die Sozialdemokratie wolle eine Volksversorgung. Die will die SPD nämlich nicht, schon deswegen nicht, weil eine Volksversorgung eine einheitliche Leistung für alle bringt, wie wir das in England, in Schweden und in anderen Ländern haben. Gerade das wollen wir nicht. Wir wissen ganz genau, daß in Deutschland die Verhältnisse anders liegen. Verschonen Sie uns also bitte mit der Unterstellung falscher Ausgangspunkte. ({4}) Was wir wollen und was wir durchsetzen möchten, ist eine Grundexistenz aller Arbeitnehmer. Das heißt: in der richtigen Anwendung des Subsidiaritätsprinzips - wie es von denjenigen Leuten, die wirklich etwas davon verstehen, dargelegt worden ist -, in dieser richtigen Auslegung möchten wir, daß die Gemeinschaft dem einzelnen die Kraft zum Leben gibt. Das nennen wir Grundexistenz und meinen damit, daß die Gemeinschaft den einzelnen in dem Grundanliegen seiner Existenz stützt. Das kann man nicht mit Worten, wie sie von der rechten Seite des Hauses gefallen sind, damit zu verwischen suchen, daß man ein anderes Schlagwort verwendet, das Schlagwort der Kollektivierung, das die Vertreterin der Deutschen Volkspartei, ich verbessere: der Deutschen Partei - entschuldigen Sie, „Deutsche Volkspartei" zu sagen, liegt seit heute morgen nahe - wieder angeführt hat. Die Kollektivierung kann man nicht damit bekämpfen, daß man egoistische Grundhaltung fördert. Es gilt leider auch für die Freunde von der FDP, daß sie der gleichen Anschauung huldigen. Bei einigen - nicht bei der FDP, sondern bei anderen - glauben wir sogar ganz massive privatwirtschaftliche Interessen hinter solchen Äußerungen sehen zu können. Es handelt sich doch um Vorstellungen wie etwa die: ich nehme, die solidarische Sozialversicherung nicht in Anspruch, ich mache, was ich will. Aber wenn das dann schief geht, dann sind es die höheren Angestellten und jene, die glauben, die Sozialversicherung nicht nötig zu haben, die sagen: selbstverständlich muß mir, wenn es mir schlecht geht, die Fürsorge helfen, -- die Fürsorge, die aus Steuermitteln kommt. Deshalb glauben wir, daß das Solidarische nicht unterhalb irgendwelcher Einkommensgrenzen, sondern bei der Existenzunsicherheit als solcher eintreten sollte. ({5}) Mit diesen Ausführungen wird - das hat Frau Kollegin Kalinke heute noch einmal getan - der Kampf gegen den Wohlfahrtsstaat geführt, auch wenn Frau Kollegin Kalinke glaubt, ihn Versorgungsstaat nennen zu müssen. Was hier von Frau Kollegin Kalinke und anderen getan wird, ist doch die Fortsetzung dessen, was Herr von Papen 1932 begonnen hat. Damals hat Herr von Papen dieses Schlagwort vom Wohlfahrtsstaat geprägt. Wollen Sie auf den Spuren des Herrn von Papen weitermarschieren, Frau Kollegin Kalinke? Das kann ich mir nicht denken. ({6}) Wir wollen es auch nicht so machen wie im „tausendjährigen Reich", wo man der Öffentlichkeit etwas dadurch glaubhaft machen zu können meinte, daß man es ständig wiederholte.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Professor Preller, es täte mir leid, wenn ich Sie wieder fragen müßte: wollen Sie mir unterstellen, daß ich in den Spuren des „tausendjährigen Reichs" oder seiner Vorgänger wandle? Ich glaube, davon wissen Sie mehr als ich. ({0})

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollege Kalinke. ich glaube, daß es eine beinahe krankhafte Sucht ist, einem Andersdenkenden immer etwas unterstellen zu wollen. ({0}) Das ist das eine, was zu der Frage der Einzelvorsorge und der gesellschaftlichen Verpflichtung zu sagen ist. Nun kommt - damit möchte ich meine Ausführungen abschließen - der zweite Punkt, auf den der Kollege Horn eingegangen ist. In diesem einen Punkt stimmen wir mit dem Kollegen Horn weitgehend überein. Er hat darauf hingewiesen, daß entgegen der Ansicht von Herrn Kollegen Jentzsch die lohnbezogene Rente - Kollege Horn hat sich allerdings davon distanziert, daß das, was hier vorgesehen sei, eine lohnbezogene Rente darstelle - keine inflationistischen Wirkungen habe und auch nicht Wirkungen auf dem Kapitalmarkt ausübe. Aber ich muß dem Kollegen Horn sagen: er persönlich mag dieser Auffassung sein, - leider hat der Herr Bundeswirtschaftsminister sich von diesen Auffassungen nicht abgesetzt, obwohl wir ihn am Donnerstag abend mehrfach darauf angesprochen haben. Zum anderen müssen wir feststellen, daß in der Öffentlichkeit, insbesondere seitens der Gemeinschaft zum Schutze des deutschen Sparers eine massive Propaganda gegen die lohnbezogene Rente eingesetzt hat, die weiß Gott nicht immer mit sachlichen Ausführungen gearbeitet hat, auch wenn mein Freund Alex Möller dabei ist. ({1}) - Herr Schüttler, ich nehme Ihnen das Wort aus dem Munde. Wir haben uns selbstverständlich wie Sie mit einigen Ihrer Leute auch mit unseren Leuten, die anderer Auffassung sind, auseinandergesetzt. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Aktionsgemeinschaft „Soziale Marktwirtschaft" uns allen noch in den letzten Tagen ein Flugblatt geschickt hat, das man in dieser Diskussion doch einmal kurz charakterisieren muß. Ich bedaure es, daß eine Aktionsgemeinschaft, die unter so hervorragenden Leuten wie dem von uns allen sehr geschätzten Professor Franz Böhm - er ist leider krank, er kann nicht da sein - und dem Heidelberger Professor Alexander Rüstow steht, offensichtlich von dem jungen Mann, der das unterzeichnet hat, ({2}) einige Ausführungen schickt, die mit der Behauptung beginnen, daß dieser Gesetzentwurf zu einem „öffentlichen Skandal" zu werden drohe. ({3}) In diesem Flugblatt, Herr Atzenroth, steht, daß die „in der Produktivitätsrente liegende Währungsgefährdung" angeprangert werden müsse. Das ist ein böses Wort. Es steht einer wissenschaftlichen Vereinigung nicht an, solche Ausführungen, die in Pamphleten zurechtkommen mögen, zu machen. Von solchen Ausführungen möchten wir uns genauso distanzieren wie von den Ausführungen dieser Aktionsgemeinschaft seinerzeit in Bad Godesberg. Wir glauben, an dieser Stelle den Nachweis geführt ({4}) zu haben, daß die Lohnwertrente, wie wir sie nennen, weder inflationsbegünstigend noch den Kapitalmarkt gefährdend ist. ({5}) Widerlegt ist diese Auffassung weder von der Bundesregierung noch in diesem Hause. Wenn Sie schon diese Worte weiter gebrauchen wollen, dann dürfen Sie das nicht nur behaupten, dann müssen Sie auch die Beweise führen, ({6}) und darum wollten wir Sie gerade bitten. ({7})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Kollegen Horn zwingen mich, einige Feststellungen zu treffen. - Herr Kollege Arndgen, wollen Sie zuhören; das ist wichtig. Sie sind Mitglied des Haushaltsausschusses und müssen sich mit Finanzen beschäftigen. - Herr Kollege Horn hat auf die Zahlenangaben, die der Herr Bundeskanzler in seiner bekannten Rundfunkrede der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, Bezug genommen und hat versucht, sie zu rechtfertigen. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß nach dem Gesetz zugunsten der Rentner 51/2 Milliarden mehr ausgegeben werden. ({0}) Das ist falsch. ({1}) - Nach diesem Gesetz, und das ist falsch, und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil in diesen 51/2 Milliarden 900 Millionen DM Sonderzulagen enthalten sind, die die Rentner bereits im Jahre 1956 erhalten haben. ({2}) Sie können doch nicht auf eine Rentenerhöhung des Jahres 1957 eine Erhöhung des Jahres 1956 anrechnen. ({3}) Es ist zweitens falsch, weil die Kürzungen von 417 Millionen, die Sie mit beschließen werden, Herr Pelster, ({4}) - die werden wir nicht mit beschließen -, in diesem Gesetz so erscheinen, als wenn es Zulagen wären; es sind aber Kürzungen. Deshalb sind diese Erklärungen, die der Herr Bundeskanzler abgegeben hat, irreführend. Das wiederhole ich hier von der Tribüne des Hauses. Sie werden nicht dadurch richtig, daß Sie versuchen, sie hier der Öffentlichkeit immer zu wiederholen. ({5}) - Das kann man ausrechnen, und Sie hätten sich das schon längst ausrechnen sollen, Herr Kollege Arndgen! ({6}) Meine Damen und Herren, noch eine ganz kurze Bemerkung zu dem, was Frau Kalinke gesagt hat. Frau Kalinke hat in Übereinstimmung mit Herrn Kollegen Jentzsch die Befürchtung geäußert, daß dieses Gesetz die Verantwortung des Versicherten beeinträchtige. Wir Sozialdemokraten sind nicht dieser Auffassung. Denn das Entscheidende ist, daß der Rentner sich die neue Rente durch die Arbeit seines Lebens als eine Beitrags-, als eine Leistungsrente selbst erarbeiten muß. Deshalb ist es ein falsches Argument, zu sagen: die Verantwortung des einzelnen wird beeinträchtigt.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, gern!

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Kollege Schellenberg, ich nehme an, daß Sie mich gut verstanden haben und wissen, daß diese Feststellung getroffen worden ist im Zusammenhang mit der Sparfähigkeit, der Verantwortung zur Selbsthilfe und zur Eigentumsbildung. In diesem Zusammenhang - und das frage ich Sie, Herr Kollege Schellenberg - klingt die Bemerkung doch wohl anders als im Zusammenhang mit der Rentenhöhe!

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren - einen Augenblick, Herr Professor! -, ich bitte, sich bei Zwischenfragen auf wirkliche Fragen zu beschränken und nicht eine verschleierte Polemik hineinzubringen.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin Kalinke, Sie haben dies gesagt im Zusammenhang mit dem Gedanken des Wohlfahrts- und Versorgungsstaates. Sie haben gesagt: dadurch wird die Verantwortung des Menschen beeinträchtigt. Das bestreiten wir. ({0}) Wir Sozialdemokraten verkennen nicht, daß es auch im Rahmen der sozialen Sicherung gewisse Spannungen zwischen der individuellen Sphäre und der sozialen Sicherung gibt. Aber was ist das Entscheidende? Daß die persönliche Freiheit des Menschen durch soziale Not stärker beeinträchtigt wird als durch die Maßnahmen der sozialen Sicherung! ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Generaldebatte ist geschlossen. ({0}) Ehe wir in die Einzelberatung eintreten, gestatten Sie mir einige Worte. Wir haben im Ältestenrat beschlossen, wie der heutige Tag verlaufen soll. Wir waren einstimmig der Meinung, daß es wohl dem Wunsche des gesamten Hauses entspricht, wenn wir versuchen, am heutigen Tage fertig zu werden. Zu diesem Zweck darf ich bitten, wenn zu einzelnen Änderungsanträgen zu sprechen ist, rechtzeitig die Wortmeldung hier abzugeben. Es könnte durchaus vorkommen, daß wir, ohne es zu wollen, eine Wortmeldung, die nur durch Hand-erheben geschieht, übersehen. Der Ältestenrat hat es ferner für richtig gehalten - ohne Ihnen irgendein Gebot auferlegen zu wollen -, doch vielleicht vorzuschlagen, zu erwägen, ob nicht Änderungsanträge, die unwesentlichen Charakter haben, gar nicht mehr begründet zu werden brauchen. Wir sind zwar der Meinung, daß die Ansicht darüber, was wesentlich und was unwesentlich ist, von Fraktion zu Fraktion vermut({1}) lich verschieden ist. Aber es ist ein Appell an die Selbstbeschränkung. ({2}) Wir haben dann weiter davon gesprochen, daß es vielleicht genügen könnte, die wesentlichen Anträge nur in einer Zeit von etwa 5 bis 8 bis höchstens 10 Minuten zu begründen. Der Sinn der Begründung kann doch nur der sein, die verehrten Kolleginnen und Kollegen an das zu erinnern, was in der zweiten Lesung zu diesen einzelnen Punkten schon gesagt worden ist, und es handelt sich hier in der dritten Lesung nur darum, die Abstimmung der zweiten Lesung sozusagen noch einmal zu überprüfen. Also, meine Damen und Herren, ich bitte nicht mißzuverstehen, es sind nur Vorschläge, es ist nur ein Appell, nur ein Wunsch, daß sich in diesem Bundestage die Wahrheit des Sprichwortes erweist: In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister. ({3}) Ich rufe die Änderungsanträge zu Artikel 1 § 1227 links und § 2 rechts auf. Das sind die Anträge Umdruck 910*) Ziffern 1 und 2 und für den Fall der Ablehnung dieser beiden Anträge die Anträge Umdruck 910 Ziffern 3 und 4. Ferner rufe ich die Anträge Umdruck 910 Ziffer 5 - links - und Ziffer 6 - rechts - auf. Wortmeldungen zur Begründung liegen nicht vor. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Anträge Umdruck 910 Ziffer 1 - links - und Ziffer 2 - rechts - stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt. Für diesen Fall der Ablehnung liegen die Eventualanträge Umdruck 910 Ziffern 3 und 4 vor. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt. Dann die Anträge Umdruck 910 Ziffern 5 und 6! Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt. Damit sind § 1227 links und § 2 rechts in der Fassung der zweiten Lesung angenommen. Wir kommen zu Artikel 1 § 1228 links und § 4 rechts. Vielleicht darf ich die Herren Fraktionsführer bitten, alle ihre Kollegen möglichst zu konzentrieren, damit bei den Abstimmungen die Gewichte gleich richtig verteilt und von hier aus immer klar zu erkennen sind und wir nicht unnötigerweise einen Hammelsprung einschalten müssen. ({4}) Zu den §§ 1228 bzw. 4 liegen Anträge auf Umdruck 910 Ziffern 7 und 8 - das sind die korrespondierenden Anträge der Deutschen Partei - und ein Antrag der SPD auf Umdruck 914 Ziffer 1 vor. ({5}) Zur Begründung des Antrages Umdruck 914**) Ziffer 1 Herr Abgeordneter Preller. *) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß der Antrag unter Ziffer 1 ein für uns und, ich glaube, auch für das Haus sehr entscheidender Antrag ist. Ich darf gleich auch den Antrag unter Ziffer 2 zu § 5 erwähnen. Es ist der Antrag auf Einbeziehung aller Angestellten in dieses Gesetzeswerk. Mehr brauche ich nicht zu sagen; der Antrag ist in der zweiten Lesung und heute morgen genügend begründet worden.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe den Antrag Umdruck 914**) Ziffer 1 auf. Dieser scheint mir der weitergehende Antrag zu sein, und ich stelle ihn zuerst zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Es ist der Antrag der SPD, der soeben begründet wurde. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu den Anträgen der Deutschen Partei Umdruck 910*) Ziffern 7 und 8. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Anträge sind abgelehnt. Damit sind § 1228 links und § 4 rechts angenommen. Wir kommen zu § 5 Angestelltenversicherung. Hier liegt ein SPD-Antrag auf Umdruck 914 Ziffer 2 vor. Das ist der Antrag, den der Herr Kollege Preller soeben, wenn ich recht verstanden habe, gleich mit begründet hat. Ferner sind dazu der Antrag der FDP auf Umdruck 913 Ziffer 1 und der Antrag der DP auf Umdruck 910 Ziffer 9 vorhanden. ({0}) - Danke schön. Der Inhalt der Anträge ist bekannt. Wird das Wort gewünscht? - Herr Jentzsch, bitte.

Dr. Wilhelm Jentzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001028, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieses Änderungsantrages auf Umdruck 913***) Ziffer 1 beantrage ich namentliche Abstimmung.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich darf fragen: Wird der Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt? - Darf ich bitten aufzustehen; dann geht es schneller. - Die Unterstützung reicht nicht aus. ({0}) Wir kommen zur Abstimmung. ({1}) - Zur Sache? ({2}) - Es tut mir leid, wir haben mit der Abstimmung begonnen, denn ich habe gefragt, ob der Antrag unterstützt wird. Ich habe deshalb darum gebeten Wortmeldungen hier rechtzeitig abzugeben. ({3}) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 6. ({4}) nen ,das nicht akzeptieren! - Wir sind in Abstimmung! - Weiterer Widerspruch in der Mitte. - Unruhe. - Abg. Frau Kalinke: Ich habe mich persönlich bei Ihnen gemeldet!) Meine Damen und Herren, es ist eben festgestellt worden, daß sich die Kollegin Kalinke gemeldet hatte; sie hatte die Ziffer ihres Antrags angegeben, und diese ist mit einer anderen Ziffer verwechselt worden; also, ich muß ihr loyalerweise noch das Wort geben. ({5})

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Kollege Dr. Jentzsch hat den Änderungsantrag ,der FDP begründet und gleichzeitig namentliche Abstimmung beantragt. Ich begründe den gleichlautenden Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei und beziehe mich dabei auf unsere grundsätzlichen Ausführungen in der ersten und zweiten Lesung und in der heutigen Aussprache. Wenn ich Sie noch einmal bitte, bei dieser Entscheidung Ihr Gewissen zu prüfen, ({0}) dann deshalb, weil Sie soeben mit Mehrheit den SPD-Antrag abgelehnt haben. Wer die totale Versicherungspflicht ablehnt, kann nicht eine Entscheidung treffen, durch die die Versicherungspflichtgrenze so hoch gesetzt wird, daß damit praktisch doch alle Angestellten versicherungspflichtig sind. ({1}) Herr Präsident, haben wir soeben Abstimmung oder was ist hier los im Hause? ({2})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Soeben sprechen Sie. ({0})

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich bitte Sie daher, sich bei der Begrenzung der Versicherungspflicht mit 12 000 DM zu bescheiden. ({0}) Meine Herren und Damen, heute sind von der CDU-Fraktion einmal 15 000 DM genannt worden, also die Grenze, die ,die Ausschußvorlage vorsieht, dann ist von einem Sprecher der CDU auch eine Grenze von 18 000 DM genannt worden. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich bitte doch, den Ausführungen mehr Gehör zu schenken; es verläuft dann alles viel ruhiger.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Es ist von einem anderen Kollegen gesagt worden, er sei für die Versicherungspflicht aller. In dieser Entscheidung und in dieser Darstellung war doch ganz deutlich, daß bei der Mehrheit in der Mitte dieses Hauses ein großes Maß innerer Unsicherheit über diese Entscheidung vorhanden war. ({0}) Ich habe die Hoffnung, daß diese Entscheidung, die eine Grundsatzentscheidung ist, bei Ihnen nicht dem Fraktionszwang einer einheitlichen Meinung unterliegt, sondern als Gewissensentscheidung über diese Frage getroffen werden kann. ({1}) Namens der Fraktionen der Deutschen Partei, der Freien Volkspartei und der Freien Demokratischen Partei beantrage ich namentliche Abstimmung. ({2}) - Über den Antrag der DP-Fraktion.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Es ist also nunmehr namentliche Abstimmung zum Antrag der Fraktion der DP beantragt. Vorhin hatten wir den Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FPD. Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag der DP von 50 anwesenden Abgeordneten unterstützt? - Ich bitte, das durch Aufstehen von den Plätzen zu erkennen zu geben. - Nachdem 51 anwesende Abgeordnete den Antrag unterstützen, ({0}) würde zu diesem Antrag namentliche Abstimmung stattzufinden haben. Ich lasse aber zuvor über den weitergehenden Antrag abstimmen. Das ist der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914 Ziffer 2, mit dem die Streichung des gesamten Paragraphen gewünscht wird. Wer für diesen Antrag stimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen nunmehr zu dem Änderungsantrag der Fraktion der DP, Umdruck 910*) Ziffer 9, der identisch ist mit dem Antrag der Fraktion der FDP, Umdruck 913**) Ziffer 1. Ich darf Ihr Einverständnis damit annehmen, daß die Abstimmung über den einen Antrag die Abstimmung über den anderen Antrag einschließt. - Einverstanden; dann ist es so beschlossen. Ich bitte, zur namentlichen Abstimmung zu schreiten. ({1}) Meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden, daß wir während der Auszählung fortfahren? ({2}) - Dann bitte ich Platz zu nehmen. Ich rufe die nächsten Änderungsanträge - zu § 1231 links und § 8 rechts - auf, Umdruck 910 Ziffern 10 und 11, Anträge der Deutschen Partei. Zur Begründung wird das Wort nicht verlangt. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. ({3}) - Ich bitte um etwas mehr Ruhe, meine Damen und Herren. *) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 6. ({4}) Wer den Anträgen Umdruck 910 Ziffern 10 und 11 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu den nächsten Änderungsanträgen, Umdruck 908 ***) Ziffern 1 und 2, Anträgen der FVP, einen neuen § 1231 a - links - und einen neuen § 8 a - rechts - einzufügen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Debatte zu diesen Änderungsanträgen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung über Umdruck 908 Ziffer 1 und 908 Ziffer 2; die Anträge sind identisch. Ich bitte diejenigen, welche für diese Änderungsanträge zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen jetzt zu § 1233 - links - und § 10 - rechts -. Dazu liegen die Änderungsanträge der FDP in Umdruck 913 Ziffer 2 bzw. 3 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Anträgen Umdruck 913 Ziffern 2 und 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - War das eben Enthaltung oder Zustimmung? ({5}) - Zustimmung. Dann darf ich die Abstimmung wiederholen. Wer also diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Das Präsidium ist sich nicht einig. Ich bitte, die Abstimmung durch Aufstehen zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag zu stimmen wünschen, aufzustehen. - Ich bitte diejenigen, die gegen den Antrag zu stimmen wünschen, sich zu erheben. - Danke schön. Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Die namentliche Abstimmung ist nunmehr geschlossen. Ich nehme an, daß alle Stimmen abgegeben sind; Zeit genug war ja. Das Ergebnis wird demnächst bekanntgegeben. ({6}) Wir fahren inzwischen fort. ({7}) - Zu welchem Paragraphen? ({8}) - Wir wußten nur nicht, zu welchen Paragraphen, verehrter Kollege, weil zu diesen Paragraphen gar kein Anderungsantrag vorliegt. ({9}) - Bitte.

Dr. Karl Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002437, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der zweiten Lesung habe ich zu § 1232 - links - und § 9 - rechts -, wo das Problem der Nachversicherung behandelt wird, die Erklärung abgegeben, daß die Frage nachgeprüft werden ***) Siehe Anlage 2. müsse, ob auch im Falle eines freiwilligen Ausscheidens eines Beamten oder dann, wenn der Beamte durch Disziplinarurteil unter Verlust seiner Pensionsansprüche aus dem Dienst entfernt wird, eine derartige Nachversicherung zu vollen Lasten des öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gerechtfertigt sei. Die Nachprüfung ist inzwischen, soweit es in der Kürze der Zeit moglich war, erfolgt. Dabei hat sich ergeben, daß bereits durch ein Gesetz von 1924 der § 1242 a der alten Fassung der Reichsversicherungsordnung eingefügt worden ist und daß von 1924 bis 1937 in allen hier behandelten Fällen die Nachversicherung vorgenommen worden ist. Erst im Jahre 1937 ist durch das Deutsche Beamtengesetz - § 141 - die Nachversicherungspflicht für die Fälle der disziplinären Entfernung bzw. des Ausscheidens aus dem Amt wegen vorsätzlichen Vergehens oder Verbrechens, das mit über einem Jahr Gefängnis oder mit Zuchthaus bestraft worden ist, beseitigt worden. Infolgedessen sehen wir davon ab, in der dritten Lesung einen Anderungsantrag zu stellen. Wir sehen uns aber veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß hier eine Unstimmigkeit vorliegt, insbesondere in der Hinsicht, daß nicht einzusehen ist, daß bei freiwilligem Ausscheiden der Dienstherr zur vollen Nachzahlung der Versicherungsbeiträge verpflichtet sein soll. Dieses Problem soll aber erst bei einer späteren Überholung der Beamtengesetze behandelt werden. Wir möchten diesen Anspruch hiermit anmelden.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß in der dritten Lesung nur zu den Änderungsanträgen und den Paragraphen, zu denen Änderungsanträge vorliegen, gesprochen werden kann. Ich hatte angenommen, Herr Kollege Weber wollte eine „explication de vote", also eine Erklärung über seine Haltung in der Abstimmung abgeben; deshalb habe ich ihm das Wort erteilt. Ich glaube aber, die Experten der einzelnen Fraktionen können ihm für die Aufklärung, die er gegeben hat, dankbar sein. Wiederholungen nach dieser Richtung sind jedoch nach der Geschäftsordnung leider nicht möglich. Wir kommen jetzt zu § 1242 - links - und § 14 - rechts, zu denen von der FDP die Änderungsanträge Umdruck 913 Ziffer 4 und Umdruck 913 Ziffer 5 gestellt worden sind. Werden sie begründet? - Auf Begründung wird verzichtet. Ich eröffne die Aussprache. ({0}) Es wird geltend gemacht, daß bei dem Vorgänger des Herrn Schriftführers auf meiner rechten Seite eine Wortmeldung im Umschlag abgegeben worden sei. Die Wortmeldung ist nicht zu finden. Ich möchte das Wort des Kollegen nicht in Zweifel ziehen. Sind Sie damit einverstanden, daß ich ihm zu einer kurzen Begründung das Wort gebe? ({1}) - Bitte schön. Wedel ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich als erster der saarländischen Abgeordneten zu einem Problem Stellung nehme, dessen Lösung ich besonders im Interesse der Kriegsbeschädigten, aber auch der anderen Betroffenen für äußerst wichtig ({3}) erachte. Die Erfahrungen meiner Tätigkeit als Handwerksmeister, bei der Handwerkskammer und den Berufsschulen haben gezeigt, daß die in § 1242 gesetzte Frist in den meisten Fällen nicht dazu ausreichte, den Betroffenen eine ordnungsgemäße Berufsausbildung zu ermöglichen. Der ganze Umschulungsprozeß vollzog sich unter einem gewissen Zeitdruck. Wie belastend sich dieser Zeitdruck auswirkt, brauche ich Ihnen nicht zu erläutern. Sie haben uns Beispiele von Gesetzen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart vorexerziert, die wahrlich nicht die Schöpfung des Gesetzgebers darstellen. Bedenken Sie bitte, daß sich diese Betroffenen nicht nur beruflich umstellen müssen; es ist für sie auch eine völlige Neuorientierung, ein Sich-Abfinden mit einer neuen Situation. In x Fällen habe ich erlebt, daß die am Ende der Ausbildung und vor der Prüfung Stehenden Angst hatten, nicht genügend vorbereitet zu sein, weil die Frist der Umschulung zu kurz war, zu kurz deshalb, weil sie sich eine längere Ausbildung nicht erlauben konnten, was wiederum dadurch bedingt war, daß der Gesetzgeber keine weitere Umschulungsbeihilfe vorgesehen hatte. Wir sollten uns hier diese Erfahrungen zunutze machen. Dazu besteht nicht nur eine moralische Verpflichtung; ich sehe darin auch eine christliche Verpflichtung, den Ärmsten der Armen zu helfen. Aus diesen Gründen bitte ich Sie, dem Änderungsantrag Umdruck 913 Ziffern 4 und 5 zuzustimmen. ({4})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 913*) Ziffern 4 und 5 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich gebe jetzt das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 910 Ziffer 9 und über den Antrag Umdruck 913 Ziffer 1 bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 452. Mit Ja haben 93, mit Nein 352 gestimmt, enthalten haben sich 7; Berliner: abgegebene Stimmen 16, Ja 1, Nein 15. Der Antrag ist somit abgelehnt. Wir kommen zu § 1248 - links - und § 20 rechts -. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der SPD Umdruck 914 Ziffern 3 und 4 vor. Wird der Antrag begründet? - Das ist nicht der Fall. - Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem eben aufgerufenen Änderungsantrag der SPD Umdruck 914***) Ziffern 3 und 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe den Änderungsantrag zu § 1252 auf Umdruck 914 Ziffer 5 und den Änderungsantrag zu § 23 auf Umdruck 914 Ziffer 6 auf, dazu zu § 23 den Änderungsantrag Umdruck 910 Ziffer 12 und als Eventualantrag den Änderungsantrag Umdruck 910 Ziffer 13. *) Siehe Anlage 6. **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10636. ***) Siehe Anlage 7. Das Wort zur Begründung der Änderungsanträge Umdruck 914 Ziffern 5 und 6 hat der Kollege Geiger.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD hat bereits in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag zu dem § 1252 und dem § 23 gestellt. Wir wiederholen diese Änderungsanträge in der dritten Lesung nicht etwa deshalb, weil es uns, wie der Kollege Hahn glaubt annehmen zu müssen, um die Wahrnehmung einer taktischen Möglichkeit angesichts der Uneinigkeit in den Koalitionsparteien geht, sondern weil sie sachlich notwendig sind, weil wir damit ein Anliegen aller Angestellten draußen angesprochen haben und weil alle Angestellten wegen der Einengung und Verschlechterung dieses Begriffs in Sorge sind. Ich darf zur weiteren Begründung dieser Anträge auf die Debatte am heutigen Vormittag und auf die Ausführungen in zweiter Lesung verweisen und darf Sie bitten, unseren Anträgen zuzustimmen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 910*) Ziffer 12 verlangt? - Frau Kalinke hat das Wort.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch ich habe schon heute vormittag meine Begründung zum sachlichen Inhalt dieses Antrags, den wir auch in der zweiten Lesung begründet haben, wiederholt. Ich bitte Sie, Herr Präsident, für die Angestelltenversicherung und für die Arbeiterrentenversicherung getrennt abstimmen zu lassen. Wir haben diesen Antrag diesmal nur für die Angestelltenversicherung gestellt, weil wir die Hoffnung haben, daß er angesichts der besonderen Härten, die der neue Berufsunfähigkeitsbegriff in der Angestelltenversicherung durch das Verweisen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und eine zumutbare Tätigkeit bedeutet, Aussicht auf Erfolg hat, wenn die Angestelltenvertreter, die heute hier gesprochen haben, sich jetzt besinnen und wir unter diesen Umständen wenigstens bei diesem Paragraphen eine Einheitsfront der Angestellten in diesem Hause herstellen, wenn sonst schon eine Mehrheit dafür nicht da ist. ({0}) - Herr Kollege Stingl, das hat sich herumgesprochen, daß Sie das sind. Für den Fall der Ablehnung dieses Antrags wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das kleine Wörtchen „stets" durch das Wörtchen „insbesondere" ersetzten, weil damit eine besondere Härte, die sich im Zusammenhang mit der Rehabilitation für die Angestellten ergibt, beseitigt werden könnte.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Zur linken Seite, also zur Rentenversicherung, haben wir nur den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914**) Ziffer 5 zu bescheiden. Ich mache darauf aufmerk- *) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7. ({0}) sam, daß alle Änderungsanträge zur rechten Seite sich auf den Absatz 2 beziehen. Ich unterstelle, daß der Antrag der SPD hier vorzugehen hat, denn er bezieht sich nur auf die Rentenversicherung. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Ich darf annehmen, daß damit der Antrag zur rechten Seite auf Umdruck 914 Ziffer 6 auch beschieden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist es so beschlossen. ({1}) - Worüber getrennt abstimmen? ({2}) - Eben war nur der SPD-Antrag dran; jetzt kommt Ihr Antrag Umdruck 910 Ziffer 12 dran. Der Antrag Umdruck 910**) Ziffer 12 betrifft auch eine Änderung der Fassung des Absatzes 2. Wer für diesen Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe Enthaltungen abgelehnt. Für den Fall der Ablehnung liegt ein Eventual-antrag auf Umdruck 910 Ziffer 13 vor. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer für diesen Eventualantrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Wir kommen jetzt zu § 1253, Umdruck 914 Ziffern 7 und 8 für die linke Seite - Arbeiterrentenversicherung --, Umdruck 914 Ziffern 9 und 10 für die rechte Seite - Angestelltenversicherung -, beide Anträge gestellt von der SPD. Wird der Antrag begründet? - Bitte schön, Herr Kollege Rasch.

Hugo Rasch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001776, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, wir verweisen auf unsere Begründung in der zweiten Lesung. Nur einen Satz zur Richtigstellung dessen, was in der Diskussion der zweiten Lesung gesagt wurde! Bei den Schwerbeschädigten handelt es sich nicht um eine besondere Begünstigung, sondern es handelt sich darum, daß diesen Menschen nach Erfüllung ihrer Wartezeit und nach der Zeit der gezahlten Beiträge schon vom 60. Lebensjahr an ein Altersruhegeld zustehen soll. Ich bitte Sie, diesmal unseren Anträgen, die in der zweiten Lesung nur mit knapper Mehrheit abgelehnt worden sind, zuzustimmen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst Umdruck 914*) Ziffern 7 und 9 auf. Die Anträge sind inhaltlich identisch; ich rufe sie insgesamt zur Abstimmung auf. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -**) Siehe Anlage 7. *) Siehe Anlage 4. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Ich rufe Umdruck 914 Ziffern 8 und 10 auf. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Döhring.

Clara Döhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Weil die Forderung auf Herabsetzung der Altersgrenze für Frauen auf 60 Jahre von allen Bevölkerungsschichten vertreten wird, wollen wir diesen Antrag jetzt noch einmal stellen. Es kommt uns darauf an, den Interessen auch jener Frauen gerecht zu werden, die zufällig in den letzten 20 Jahren nicht mehr berufstätig waren, die aber vom 15. bis oft zum 48., 49. Lebensjahr im Beruf gestanden sind, tagein, tagaus zur Arbeit gegangen sind, daneben ihren Haushalt geführt und noch Kinder großgezogen haben. Allen diesen Frauen gegenüber bedeutet die jetzige Fassung eine große Härte, ja, ich möchte sagen, eine Diffamierung. ({0}) - Ja, das behaupte ich, weil mir nämlich in vielen Briefen von Frauen genau die gleiche Auffassung mitgeteilt worden ist. - Das Gesetz würde die betroffenen Frauen geradezu zwingen, in ihrem vorgerückten Alter noch einmal eine Berufsarbeit zu suchen, um die fehlenden Jahre zusammenzubringen. Allerdings dürfte dies nicht immer gelingen, da ja die Wirtschaft die Frauen in diesem Alter gar nicht mehr begehrt. Aus allen diesen Gründen sollte man auf diesem Gebiet keinen Unterschied in der Altersgrenze für Frauen machen. Dies ist auch in keinem anderen Lande der Fall. Wenn schon 60-Jahresgrenze, dann soll sie so wie in England, Belgien, Dänemark, Österreich und Griechenland für alle Frauen gelten. Meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, was man in diesen Ländern tun konnte, kann man ganz bestimmt auch in der Bundesrepublik, wenn man nur einigermaßen guten Willen hat und eine etwas familienfreundlichere Einstellung beweisen will. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Sie haben die Begründung gehört. Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Anträgen Umdruck 914*) Ziffern 8 und 10 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen nun zu den Anträgen zu § 1257 - links -, § 27 a - rechts. Hierzu liegt vor ein Antrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 909**) Ziffer 1 bzw. 909 Ziffer 2. - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.

Dr. Willy Reichstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001803, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung haben wir in § 27 a beschlossen, daß Wartezeiten als erfüllt gelten, wenn der Versicherte - unter anderem, hier Punkt 6 - „als Vertriebener oder Sowjetzonenflüchtling . . . durch Folgen der Vertreibung oder Flucht berufsunfähig geworden oder verstorben ist". Wir wünschen, daß den Worten *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Annlage 3. ({0}) „durch Folgen der Vertreibung oder Flucht" hin-. zugefügt wird: „oder der besonderen Notstände in den Vertreibungsgebieten". Wir sind der Meinung, daß Sie das sowieso gemeint haben, weil es ja unlogisch wäre, diese Wartezeiten als erfüllt zu betrachten für jemanden, der bei der Flucht verstorben ist, aber nicht für diejenigen, die im Vertreibungsgebiet beispielsweise verhungert sind; denken Sie an die Tausende in Ostpreußen! Ich bitte Sie daher - weil das nur eine logische Klarstellung ist -, unserem Antrag zuzustimmen, der die Anfügung vorsieht: „oder der besonderen Notstände in den Vertreibungsgebieten". ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung über den soeben begründeten Antrag Umdruck 909 Ziffern 1 und 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0}) Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu § 1278 links, und § 28, rechts. Dazu liegen Änderungsanträge der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 909 Ziffern 3 und 4 - links - und Ziffern 5 und 6 - rechts - vor. Werden die Anträge begründet? - Frau Finselberger!

Erni Finselberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000546, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! MeineHerren und Damen! Ich darf mich auf die Begründung in der zweiten Lesung, in der wir diesen Antrag schon eingebracht haben, beziehen. Es geht uns um die finanzielle Sicherstellung der Rentenerhöhungen, weil es nach unseren Berechnungen so scheint, daß die im Gesetz festgelegten Steigerungsbeträge nicht ausreichen. Wir glauben, diesen Antrag in der dritten Lesung noch einmal um so mehr stellen zu müssen, als die Bundesmittel für die Altersruhegelder in Zukunft entfallen. Ich bitte deshalb das Haus, unseren Antrag zu unterstützen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Anträgen Umdruck 909*) Ziffer 3 und Umdruck 909 Ziffer 5 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu den Anträgen Umdruck 909 Ziffer 4 und Ziffer 6. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu § 1259, links, und § 29, rechts. Hierzu liegen drei Änderungsanträge - je links und rechts - vor, nämlich der Antrag des GB/BHE Umdruck 909 Ziffer 7, der Antrag der SPD Umdruck 914**) Ziffer 11 und der Antrag der FDP Umdruck 913***) Ziffer 6, ferner die entsprechenden Anträge auf Umdruck 909*) Ziffer 8, Umdruck 914**) Ziffer 12 und Umdruck 913***) Ziffer 7. Wird *) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 6. das Wort zur Begründung gewünscht? - Frau Abgeordnete Friese-Korn!

Lotte Friese-Korn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000597, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich hatte geglaubt, es werde nicht nötig sein, den Antrag noch einmal zu begründen. Da aber Frau Kollegin Döhring den Antrag zu § 1253 begründet hat, scheint mir eine Klarstellung notwendig zu sein. Während der vorige Antrag bezweckt, daß alle Frauen bei Erreichung des 60. Jahres den Antrag auf Altersrente stellten können, muß ich betonen, daß mit unserem Antrag zu § 1259 nur erreicht werden soll, daß den Frauen, die in den letzten 20 Jahren noch den Versuch gemacht haben oder aus zwingenden Gründen machen mußten, ihre Berufsarbeit oder überhaupt eine Arbeit zur Erhaltung ihrer Familie wieder aufzunehmen, die sich dann aber als körperlich nicht mehr leistungsfähig genug erwiesen haben und deshalb ausscheiden mußten, berufsunfähig oder ganz und gar erwerbsunfähig wurden, die in § 1253 vorgesehene Einschränkung nicht auferlegt wird. Ihnen soll auf die verlangten zehn Jahre einer versicherungspflichtigen Beschäftigung lediglich die Zeit mit angerechnet werden, die sie berufsunfähig waren. Es handelt sich also nur um eine Kleinigkeit, die aber all denen zugute käme, die im 60. Lebensjahr nicht mehr so gesund sind, daß sie 'ihren Unterhalt verdienen können. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort zur Begründung des Antrags der SPD hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um ein Anliegen von erheblicher sozialpolitischer Bedeutung, nämlich die Einführung eines Mindestbetrages für alle diejenigen, die Zeit ihres Lebens sehr wenig verdient haben. Das sind nicht nur die Landarbeiter, für die wir ja in der zweiten Lesung einige erfreuliche Beschlüsse gefaßt haben. Das sind beispielsweise auch die Arbeiter im Friseurgewerbe, in der chemischen Reinigung, in der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie, in der Sägeindustrie, die Heimarbeiter in der lederverarbeitenden Industrie, in der Musik-und Spielwarenindustrie und die Verkäuferinnen im Groß- und Einzelhandel. Es sind Gruppen von zahlenmäßig sehr erheblichem Umfang. Wir fordern nicht die Einführung einer allgemeinen Mindestrente. In der zweiten Lesung ist vielleicht bei dem einen oder andern ein Irrtum entstanden insofern, als immer von den 200 DM die Rede war. Wir beantragen nur die Einführung eines Mindestbetrages, der sich nach den jeweiligen individuellen Verhältnissen richtet und sich nach der Anzahl der abgeleisteten Arbeitsjahre bemißt. Es soll lediglich ein Orientierungspunkt genannt werden, der sich der Systematik dieses Gesetzes anpaßt. Um der Systematik des Gesetzes noch besser Rechnung zu tragen, als es unser in der zweiten Lesung gestellter Antrag vorsah und als es der Ihnen vorliegende Antrag tut, schlagen wir vor, noch eine ganz einfache Ergänzung vorzunehmen, die inhaltlich nicht viel verändert. In der fünften Zeile soll nach dem Wort „Rentenbemessungsgrundlage" eingefügt werden: „mindestens die Hälfte der allgemeinen Bemessungsgrundlage, jedoch". Das ist ein Vorschlag, der um der Systematik dieses Gesetzes willen gemacht wird, der ({0}) aber im übrigen keine materielle Änderung beinhaltet. Wir bitten Sie in der dritten Lesung noch einmal dringend, diesem sehr wichtigen sozialpolitischen Anliegen der Einführung eines - individuell verschiedenen - Mindestbetrages stattzugeben. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Frau Kollegin Finselberger läßt erklären, daß sie mit ihren vorigen Ausführungen bereits auch den Änderungsantrag Umdruck 909 Ziffern 7 und 8 begründet hat. Damit ist die Begründung erledigt. Ich eröffne die Aussprache. - Bitte, Frau Rösch!

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gestatten Sie mir nur eine ganz kurze Bemerkung zu dem Antrag Umdruck 913 Ziffern 6 und 7. Wir hatten in der zweiten Lesung geglaubt, nach nochmaliger Prüfung diesem Antrag eventuell beitreten zu können. Wir halten es aber um der Einheitlichkeit des Gesetzes willen nicht für möglich, in diesem Paragraphen eine Ausnahme zu machen. Wir bitten Sie deshalb der Ausschußvorlage so, wie sie in zweiter Lesung beschieden worden ist, auch heute beizutreten.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Frau Friese-Korn!

Lotte Friese-Korn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000597, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Sie schon die Einheitlichkeit des Gesetzes betonen, Frau Rösch, dann müssen Sie auch beachten, daß gerade in dem Paragraphen, zu dem wir dieses Anliegen vorbringen, die gleichen Voraussetzungen für die Männer geschaffen werden, die das 65. Lebensjahr erreichen. Ihnen wird die Zeit der Berufsunfähigkeit angerechnet. ({0}) - Nein! Wenn wir schon in § 1253 eine solche Möglichkeit für die Frauen mit 60 Jahren festgelegt haben, ist es eine ganz logische Konsequenz, in § 1259 so zu verfahren. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Debatte ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß der Kollege Frehsee eine Änderung in dem Text des Antrags Umdruck 914*) Ziffern 11 und 12 vorgeschlagen hat. Hinter dem Wort „Rentenbemessungsgrundlage" soll eingefügt werden „mindestens die Hälfte der allgemeinen Bemessungsgrundlage, jedoch"; dann im Text wie vorgedruckt. Ich darf annehmen, daß sich die Begründung und die Debatte auch hierauf bezogen haben. Die Frage, welches der weitergehende Antrag ist, kann zweifelhaft sein. Ich bitte ,dabei die sozialpolitischen Schriftgelehrten der einzelnen Fraktionen um gefällige Unterstützung. ({0}) - Der BHE-Antrag beinhaltet nur eine Textänderung, keinen neuen Text. ({1}) *) Siehe Anlage 7. - Ja, das mag sein; es kostet alles Geld. Aber Sie haben recht; das bezieht sich auf den Absatz 1; das wird vorzuziehen sein. Ich stelle also zunächst den Antrag des GB/BHE auf Umdruck 909**) Ziffern 7 und 8 zur Abstimmung; Erhöhung von 1,5 vom Hundert auf 1,8 vom Hundert. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu Absatz 2. Hier liegen zwei verschiedene Anträge vor. ({2}) Gemäß dem Antrag der SPD mit der Änderung, die Sie vom Kollegen Frehsee soeben gehört haben, auf Umdruck 914 Ziffern 11 und 12 soll nach Absatz 1 ein Absatz 1 a eingefügt werden. Er wird also vorzugehen haben. Ich stelle diesen Antrag hiermit zur Abstimmung und bitte diejenigen, welche zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen dann zu dem Antrag der FDP Umdruck 913***) Ziffern 6 und 7. Wer ,diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich danke Ihnen. Das Büro ist im Zweifel. Ich darf diejenigen, welche dem Antrag zuzustimmen wünschen, bitten, aufzustehen. - Ich bitte, Platz zu nehmen. Ich bitte, sich für die Gegenprobe zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um Enthaltungen. - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen jetzt zu § 1260. Hier liegt ein Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 913***) Ziffer 8 vor und entsprechend auf Umdruck 913 Ziffer 9, der eine Neufassung dieser Bestimmung enthält, ferner ein Antrag Umdruck 913 Ziffern 10 und 11 als Eventualantrag, ferner ein Antrag Umdruck 914****) Ziffern 13 und 14 seitens der SPD und zur rechten Seite zu § 30 der Angestelltenversicherung ein Antrag der Deutschen Partei auf Umdruck 915*****). Dem Abgeordneten Professor Schellenberg erteile ich das Wort zur Begründung.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns alle bewußt, daß wir jetzt über eine entscheidende Vorschrift des gesamten Gesetzeswerks abstimmen. Meine Damen und Herren, Sie haben in der zweiten Lesung entsprechend ,der Regierungsvorlage beschlossen, daß ,für die allgemeine Bemessungsgrundlage bei der Rentenberechnung ein Dreijahreszeitraum zugrunde zu legen ist. Sie haben es u. a. damit begründet, daß Sie erklärt haben, dadurch sollten im Interesse der Rentner mögliche Schwankungen ausgeschaltet werden. Wir sind nicht Ihrer Auffassung. Aber wir erkennen dies als ein Argument an. Sie werden diese Auffassung ohnehin mit Ihrer Mehrheit durchsetzen. Was der Ausschuß getan hat, ist gegenüber der Regierungsvorlage eine Verschlechterung. Es wird nämlich neben dem Dreijahreszeitraum des Regie- **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 7. *****) Siehe Anlage 8. ({0}) rungsentwurfs nun noch ein volles weiteres Jahr eingeschaltet. Herr Kollege Stingl hat in der Begründung u. a. gesagt, das geschehe aus Gründen der statistischen Erfassung. Aber, meine Damen und Herren, Sie wollen doch bitte nicht dem Bundesarbeitsministerium neben den Vorwürfen, die wir Sozialdemokraten erhoben haben, nun auch noch Ihrerseits Vorwürfe machen und indirekt sagen, daß das Bundesarbeitsministerium nicht festgestellt habe, ob es möglich sei, so vorzugehen wie in der Regierungsvorlage. Das ist natürlich möglich, man kann den Zeitraum bis zum 30. September des vorhergehenden Jahres erweitern. Und wenn Sie sich einmal die Mühe machen, sich „Wirtschaft und Statistik", die Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes, vorzunehmen, finden Sie da die notwendigen Zahlen bereits nach zwei Monaten veröffentlicht. Es gibt also keinen sachlichen Grund, außer dem Durchschnitt des Dreijahreszeitraums noch ein weiteres Jahr einzuschalten. ({1}) - Aber ich habe sie da! Ich kann sie vorlesen! ({2}) In der Sache bedeutet es eine Verschlechterung für die Rentner von 500 Millionen DM, laut Berechnung des Bundesarbeitsministeriums, der ich in dieser Hinsicht folge. Wir ibeantragen deshalb Wiederherstellung der Fassung der Regierungsvorlage. Da es sich um eine fundamentale Frage handelt, beantrage ich namentliche Abstimmung. ({3})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Zur weiteren Begründung Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch!

Dr. Wilhelm Jentzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001028, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der § 1260, der die Rentenformel enthält, ist für uns das Kernstück dieses Gesetzentwurfs. Aus diesem Grunde wiederholen wir unseren Änderungsantrag, der leider in der zweiten Lesung abgelehnt wurde. Die Begründungen dafür kann ich mir ersparen; sie sind bekannt. Für den Fall, daß unser Antrag abgelehnt werden sollte - ich bitte, für diesen Fall gleich unsere Anträge unter Ziffer 10 und Ziffer 11 begründen zu dürfen -, stellen wir den Antrag, in der viertletzten Zeile des ersten Absatzes hinter dem Wort „Rentenberechnung" die Worte „im Falle der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit" einzufügen. Wir wollen damit ein nach unserer Auffassung bestehendes Unrecht beseitigen. Wir wollen, daß die Bemessungsgrundlage für diejenigen, welche höhere Leistungen in Form von Beiträgen erbracht haben, jedenfalls beim Altersruhegeld so behandelt wird, wie sie es mit Recht beanspruchen können. Wir anerkennen, daß im Falle der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit die einschränkende Maßnahme Bestand haben soll. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird das Wort zur Begründung des DP-Antrages Umdruck 915 gewünscht? ({0}) - Danke schön. Die Begründung erübrigt sich. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Zu den Anträgen Umdruck 914*) Ziffern 13 und 14 ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich nehme an, daß Sie mit der gemeinschaftlichen Bescheidung dieser Anträge einverstanden sind. ({1}) - Ich muß erst die Formalitäten der Abstimmung erledigen. - Ich frage, ob 50 anwesende Mitglieder den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen. - Das ist der Fall. ({2}) - Ja, meine Damen und Herren, Anwesenheit ist noch nicht Zustimmung. Ich muß beides feststellen. Wir werden also namentlich abzustimmen haben. Ich bitte, vorher die Anträge der FDP Umdruck 913**) Ziffern 8 und 9 zu bescheiden. Wer für diese Anträge zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Anträge sind abgelehnt. Wir kommen dann zur namentlichen Abstimmung. ({3}) Sind alle Abstimmungskarten abgegeben? Ich darf wohl Ihr Einverständnis damit annehmen, daß wir fortfahren, während die namentliche Abstimmung zu Ende geführt wird. Ich bitte, möglichst wieder Platz zu nehmen, damit wir die Abstimmungen fortsetzen können. Ich rufe den Antrag Umdruck 913 Ziffer 10 auf. Das ist der Eventualantrag der FDP, der für den Fall der Ablehnung ihres eigenen Antrages gestellt war. Da er mit dem jetzt zur namentlichen Abstimmung stehenden Absatz 2 weder so noch so kollidiert, stelle ich ihn zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag Umdruck 913 Ziffern 10 und 11 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. ({4}) Ich bitte noch einmal, zur Abstimmung Platz zu nehmen. Es ist nämlich sonst nicht zu übersehen, wie abgestimmt wird. Ich wiederhole: Ich bitte diejenigen, die für den Antrag zu stimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen dann zum Antrag der DP auf Umdruck 915***), der, wie die Antragstellerin erklärt hat, nur formeller Natur ist. Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Darf ich fragen, ob zur namentlichen Abstimmung noch Stimmkarten abzugeben sind. - Ich schließe die namentliche Abstimmung. Ich rufe § 1261 links und § 31 rechts auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der DP auf Umdruck 910****) Ziffern 14 und 15 vor. Wird er begründet? ({5}) *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Annlage 8. ****) Siehe Anlage 4. ({6}) - Der Antrag ist bekannt. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 910 Ziffern 14 und 15 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Ich rufe § 1261 a links, § 32 rechts auf. Es liegen dazu vor: Antrag der SPD auf Umdruck 914*) Ziffern 15 und 16 auf Streichung, ferner Antrag der FVP auf Umdruck 908**) Ziffern 3 und 4, der Ihnen eine neue Fassung vorschlägt. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Herr Kollege Berg.

Dr. Hermann Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000147, Fraktion: Freie Volkspartei (FVP)

Die von uns beantragte Formulierung soll die Verantwortung des Gesetzgebers schärfer herausstellen. Zur Begründung habe ich bereits in verschiedenen Beiträgen das Nötige gesagt.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird zur Begründung des weiteren Antrags das Wort gewünscht? - Es wird verzichtet. Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Streichungsantrag auf Umdruck 914*) Ziffern 15 und 16 - das ist der weitergehende Antrag - zuzustimmen wünscht, .den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 908 **) Ziffern 3 und 4, den der Kollege Berg begründet hat. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir kommen zu § 1263 - links - und § 34 - rechts -. Hierzu liegt vor der Änderungsantrag der SPD Umdruck 914 *) Ziffern 17 und 18. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dannebom.

Otto Dannebom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen mit unserem Antrag Ziffern 17 und 18, in § 1263 Abs. 1 Nr. 2 und in § 34 Abs. 1 Nr. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes die Ausschußvorlage wiederherzustellen. Zur Begründung kurz folgendes. Der Ausschuß war sich darüber klar, daß im Falle von Arbeitslosigkeit auch die Zeit vor der sechsten Woche als Ausfallzeit rentensteigernd wirken sollte. Der Antrag, den die CDU in der zweiten Lesung eingebracht hat und der vom Plenum angenommen wurde, verschlechtert den Beschluß des Ausschusses. Das hat zur Folge, daß Sie den Menschen, der schon durch Arbeitslosigkeit bestraft wird, und hier im besonderen den Bauarbeiter, bei seiner späteren Altersrente erheblich schädigen. Da ich heute morgen aus der Presse erfahren habe, daß die CDU beschlossen hat, die Ausschußvorlage mit all ihren Kräften zu verteidigen, *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 2. habe ich die kühne Hoffnung, daß Sie mit uns für die Wiederherstellung der Ausschußvorlage stimmen. Es ist von Ihrer Seite, von der CDU, einmal mit Stolz darauf hingewiesen worden, daß Sie mindestens 90 Abgeordnete als christlich-soziale Arbeiter in Ihren Reihen haben. Meine Damen und Herren, wenn diese 90 christlich-sozialen Arbeiter mit uns für diese Verbesserung und für die Wiederherstellung der Ausschußvorlage stimmen, kann nichts schiefgehen! Ich bitte um Annahme. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Kollege Dannebom, Ihr Antrag lautet, die Ausschußvorlage zu § 1263 Abs. 1 Nr. 2 wiederherzustellen. Ich schlage vor, daß wir den Text hier vorlesen, damit jeder Kollege und jede Kollegin weiß, um was es geht. Es handelt sich wohl um die Formulierung des Abs. 1 Nr. 2, die mit den Worten beginnt „Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" und mit den Worten endigt „Berücksichtigung von Vermögen nicht gewährt worden ist" und die nach den Buchstaben a, b, c und d unterteilt ist. Gehen wir darin einig, Herr Dannebom?

Otto Dannebom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir haben beantragt, Herr Präsident, in § 1263 Abs. 1 Nr. 2 die Ausschußvorlage wiederherzustellen, die da besagt: „Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine länger als sechs Wochen andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, wenn der bei einem deutschen Arbeitsamt" usw. sollen als Ausfallzeit rentensteigernd wirken.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich wollte mich nur über den Text vergewissern. Ich stelle fest, daß wir derselben Meinung sind. Ich danke Ihnen. Wir haben jetzt klargestellt, was zur Abstimmung steht. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen? - Herr Kollege Stingl!

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage der Fraktion der CDU/ CSU bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen. Wir haben aus wohlerwogenen Gründen die Ausschußfassung in der zweiten Lesung geändert, weil wir nämlich sonst für die Zeiten der Arbeitslosigkeit ein Limit insgesamt setzen müßten; denn es sollen die Saisonschwankungen nicht unbedingt und unter allen Umständen berücksichtigt werden. ({0}) Ich bitte Herrn Kollegen Dannebom, auch zu bedenken, daß bei Überschreitung der sechs Wochen jeder angebrochene Kalendermonat als voller Kalendermonat gilt. Wir sehen uns daher veranlaßt, Ihren Antrag abzulehnen. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Abgeordneter Dannebom!

Otto Dannebom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stingl, ich bedaure Ihre Erklärung. Tatsache ist, daß der Bauarbeiter, der hiervon besonders betroffen wird, nicht mehr als ({0}) vierzig Wochen im Jahr arbeiten kann; das ist bedingt durch die Witterungsumstände. Die Erklärung, die Herr Stingl abgegeben hat, trifft den Kern der Sache nicht. Tatsache ist, daß der Bauarbeiter nicht länger arbeiten kann und deshalb nicht denselben Steigerungsbetrag bekommen kann wie andere Arbeiter. Das wirkt sich in einem Arbeitsleben von dreißig bis vierzig Jahren rentenvermindernd aus. Was Sie jetzt beschließen wollen, ist, dem Bauarbeiter eine niedrigere Rente zuzubilligen als jedem anderen Arbeiter. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer für den vom Kollegen Dannebom begründeten Antrag Umdruck 914*) Ziffern 17 und 18 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich gebe jetzt das vorläufige**) Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag Umdruck 914 Ziffern 13 und 14, also zu § 1260, bekannt. Abgegebene Stimmen insgesamt 453. Mit Ja haben 167, mit Nein 286 Abgeordnete gestimmt. Von den Berliner Abgeordneten sind 16 Stimmen abgegeben worden, davon 9 mit Ja, 7 mit Nein. Der Antrag ist somit abgelehnt. Wir kommen nunmehr zu § 1264 und § 35. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD in Umdruck 914 Ziffern 19 bzw. 20 vor. Wird der Antrag begründet? - Er wird nicht begründet. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen » zur Abstimmung. Wer dem eben genannten Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zu § 1267 und § 38. Hierzu liegen vor ein Antrag der FDP, Umdruck 913***) Ziffer 12 und - gleichlautend - Ziffer 13, und ein Antrag der DP, Umdruck 910****) Ziffer 16 und - damit identisch - Ziffer 17. Werden die Anträge begründet? - Frau Abgeordnete Friese-Korn.

Lotte Friese-Korn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000597, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Herren und Damen! Ich habe es mir bei der zweiten Lesung sehr einfach gemacht und habe die Einführung der Elternrente sehr kurz begründet. Es war vielleicht die allerkürzeste Begründung. Keine Sorge! Ich mache es auch jetzt nicht lang. Aber damals entsprang diese Kürze dem Gedanken, daß es wohl ausgeschlossen sein dürfte, daß die Elternrente in diesem Hause abgelehnt wird. Es ist geschehen, sogar in der namentlichen Abstimmung. Deshalb wende ich mich heute noch einmal mit einem Appell an alle, die da wissen, daß sich in unserem soziologischen Gefüge soviel verändert hat und daß die berufstätige Frau und auch der Junggeselle heute in sehr vielen Fällen die Ernährer ihrer Eltern geworden sind, der Eltern, die ihr Einkommen und ihre Sicherheit für das Alter verloren haben. Es ist eine erworbene Rente, ein durch Versicherungsbeiträge belegter erworbener An- *) Siehe Anlage 7. **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10636. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 4. Spruch, der sonst, wenn die Betreffenden verheiratet wären, ihren Witwen oder ihren Witwern zukäme. In unserer Zeit hat sich viel, sehr viel verändert. In diesem Fall sollten wir endlich dafür sorgen, daß diese alten Menschen nicht auf andere Sozialgesetze verwiesen und Fürsorgeempfänger werden. Sie würden lieber die von ihren Kindern erworbene Rente in Anspruch nehmen, als Fürsorgeempfänger zu sein. Ich bitte Sie also noch einmal, den Antrag sehr ernsthaft zu prüfen und ihm im Hinblick auf dieses ethische Moment zuzustimmen. Ich habe damit gleichzeitig auch die weiteren Paragraphen, die sich auf die Elternrente beziehen - § 1271 a bzw. § 43 a und § 1273 a und § 45 a - begründet. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Frau Abgeordnete Korspeter macht darauf aufmerksam - ich glaube, mit Recht -, daß der von der SPD gestellte Antrag Umdruck 914*) Ziffern 21 und 22 auf Schaffung eines neuen § 1271 a und eines neuen § 43 a inhaltlich das gleiche bezweckt wie der soeben begründete Antrag der FDP. Wenn darüber Übereinstimmung besteht, darf ich, falls das Haus einverstanden ist, Frau Korspeter bitten, diesen Antrag mitzubegründen. ({0})

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der zweiten Lesung hatten vier Fraktionen den Antrag auf Schaffung der Elternrente gestellt. Bedauerlicherweise hat die CDU-Fraktion trotzdem einen Alleingang gegen die Elternrente unternommen. Wir sehen uns deshalb veranlaßt, diesen Antrag in der dritten Lesung erneut zu stellen, und wir freuen uns, daß außer uns noch einige Fraktionen den gleichen Antrag gestellt haben. Bei meiner Begründung möchte ich mich ganz besonders an die weiblichen Abgeordneten dieses Hauses wenden, weil die von uns gewünschte Regelung insbesondere die Frauen interessiert. Infolge der Auswirkungen des Krieges sind gerade viele berufstätige Frauen gezwungen, mit ihren Eltern zusammenzuleben. In der zweiten Lesung - lassen Sie mich das ganz kurz noch einmal sagen - ist anerkannt worden, daß eine moralische Verpflichtung der Kinder gegenüber den Eltern besteht. Darüber brauchen wir hier gar nicht lange zu debattieren. Es gibt auch eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung der Kinder gegenüber den Eltern. Die Gewährung der Elternrente in der Sozialversicherung wäre also nur eine Fortentwicklung und eine Anpassung der Unterhaltsverpflichtung genau wie bei der Hinterbliebenenrente. Frau Friese-Korn hat das auch schon gesagt. Ich glaube, wir müssen uns wirklich darüber klar sein, daß jedermann eine Ablehnung der Elternrente als ungerechtfertigte Härte ansehen würde. Ich bitte deshalb, unserm Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Sie haben die Begründung gehört. Einen neuen § 1271 a und einen neuen § 43 a beantragt die Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 910**) Ziffern 18 und 19. Zur Begründung hat Frau Abgeordnete Kalinke das Wort. *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 4.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben in der zweiten Lesung über das Problem der Elternrente diskutiert, und ich hätte mich nach den beiden Vorrednerinnen nicht zum Wort gemeldet, wenn nicht in der Begründung der CDU/CSU-Fraktion, mit der sie, zwar nicht hier im Plenum, aber in ihrem Pressedienst, die Elternrente abgelehnt hat, einige Argumente stünden, gegen die wir hier um ,der Sache willen sprechen sollten und die revidiert werden müssen. Die Sozialreform - ich sagte das heute schon - wird nur dann einen wesentlichen Auftrag erfüllen, wenn sie die veränderten sozialen Tatbestände erfaßt. Als wir die Sozialversicherungsgesetze schufen, kannten wir noch nicht einmal die Familienhilfe und wir kannten keinen vollen Anspruch auf Witwenrente. Inzwischen hat der männliche Versicherte für seinen Beitrag eine Rente für sich und, wenn er stirbt, für seine Witwe sowie für seine geschiedene Frau, ja nach geltendem Recht sogar schon für mehrere Frauen bekommen. Er bekommt sie für seine Kinder, die ehelichen, die unehelichen, die legitimen, die in die Ehe eingebrachten, und das alles von einem Beitrag. Die weibliche Versicherte bekommt, wenn sie heiratet und einen Mann hinterläßt - nun aber nicht in jedem Fall, sondern nur dann, wenn dieser Witwer wirklich unterhalten worden ist -, die Witwerrente. Das soll in der Praxis dann und wann einmal vorkommen. Die große Zahl der weiblichen Versicherten und eine gewisse Zahl männlicher Versicherter, die ledig, verwitwet oder aus anderen Gründen alleinstehend sind und die nun ihre alten Eltern überwiegend unterhalten haben, bekämen, wenn sie 40 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hätten und dann stürben, für die alte Mutter keine Hinterbliebenenrente. Nun ist von der Kollegin Rösch schon gesagt worden, eine solche Elternrente würde ein Fürsorgeprinzip in die Sozialversicherung einführen. Dann müßten Sie genausogut den Rechtsanspruch Ihrer Haushaltsführerin, den Sie beschlossen haben, mit einem viel ernsteren Argument ablehnen - ({0}) - Sie bekommt die Rente in dem Monat, in dem der Versicherte gestorben ist. ({1}) - Ich habe das gar nicht falsch verstanden. Sie sollten doch hier den Lohnanspruch nicht mit einem Anspruch auf Hinterbliebenenrente verquicken. Ich glaube, es hieße die Dinge wirklich auf den Kopf stellen, wenn Sie sagen wollten, 'daß jede soziale Leistung, jeder soziale Fortschritt und jede Anpassung der sozialen Gesetzgebung nun auch bedeutet, daß zwangsläufig das gleiche im Beamtenrecht geschehen muß. In allen anderen Fällen, in denen ,auf das Beamtenrecht Bezug genommen wurde, ist absolut anders entschieden worden. Mit besonderem Erstaunen habe ich im Deutschland-Union-Dienst der CDU die Behauptung gelesen, daß die reguläre Durchführung der Rentenreform in Frage gestellt und die finanziellen Auswirkungen so groß seien, daß eine Belastung der öffentlichen Haushalte in einem nicht vertretbaren Maße unvermeidbar sei. Meine Herren und Damen, heißt das nicht ein kleines Problem außerordentlich dramatisieren? Glauben Sie wirklich - ich weiß nicht, . wer diese 'Behauptung aufgestellt hat -, daß angesichts der wenigen Versicherten, die, wenn sie in dem Alter sterben, in dem sie die Wartezeit erfüllt haben - das ist ja die Voraussetzung -, eine alte Mutter oder einen alten Vater hinterlassen, für den oder für die sie gesorgt haben, nun diese alten Eltern, die nachweisbar nach unserem Antrag überwiegend unterhalten sein müssen, in so großer Zahl solche Mittel beanspruchen werden? Dann bitte ich Sie doch, uns zu sagen, welche Rechnungsgrundlagen Sie für diese Behauptung haben. Selbst die Bevölkerungsstatistik und die neuesten Ergebnisse der L-Statistik, aus denen man schließen könnte, wieviel alte Eltern im Haushalt ihrer Kinder leben und von ihnen unterhalten werden, werden Ihnen niemals einen Anlaß zu solchen wirklich unglaublichen Schlußfolgerungen geben. Ich bitte Sie außerdem, zu bedenken, daß die weiblichen Versicherten - diese geht es in der Hauptsache an - und die wenigen alleinstehenden Männer, für die ich hier aus Gründen der Gleichberechtigung gleichermaßen eintrete, ({2}) bei Gott doch nicht anders behandelt werden können, als jeder andere Versicherte für den gleichen Beitrag behandelt wird. Wenn Sie das ablehnen, müssen Sie den Hinterbliebenen dieser Versicherten die eingezahlten Beiträge voll zurückgeben, wenn die Versicherten keinen Witwer oder keine Witwe hinterlassen. Das ist doch die Konsequenz zweier Grundsätze, die Sie mit uns immer gemeinsam vertreten haben, ({3}) nämlich die Konsequenz des einen Grundsatzes, Herr Arbeitsminister, daß der „Beitrag des Versicherten Eigentum" ist, und des anderen Grundsatzes, den wir immer gemeinsam verteidigt haben, daß wir demjenigen eine Anerkennung geben wollen, der noch ein Gefühl der Verpflichtung für seine Angehörigen hat und der sich nicht darauf verläßt, daß seine alte Mutter oder der alte Vater zur Fürsorge geht, sondern der auch unter den schwierigsten Verhältnissen diese alten Eltern ehrt, indem er sie in seinem Haushalt versorgt, und der dafür Sorge trägt, diesen Angehörigen für die Zeit, wo er nicht mehr als Ernährer dasein kann, eine Hinterbliebenenrente zukommen zu lassen. Ich bitte Sie daher, und ich appelliere besonders an meine Koalitionsfreunde in der CDU - ({4}) - Mir ist das sehr ernst, meine Herren! - Wenn Sie selber sagen, daß Sie die ethischen Gründe für eine solche Sicherung anerkennen, wenn Sie selber sagen, daß den moralischen Gründen nicht widersprochen werden kann, müssen Sie diese soziale Tat durch eine gemeinsame Abstimmung, und zwar durch eine einstimmige Abstimmung, bestätigen. Ich beantrage namens der Fraktionen der Deutschen Partei, der Freien Volkspartei und der Freien Demokratischen Partei namentliche Abstimmung über diese Frage.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Nunmehr sind zwei Anträge auf Schaffung eines neuen § 1271 a - dem Inhalt nach stimmt er mit den Zusatzanträgen zu § 1267 praktisch überein - begründet worden. Es liegt ein dritter Antrag auf Umdruck 913 Ziffern 14 und 15 vor. Ich darf wohl unterstellen, daß Frau Friese-Korn ihn mitbegründet hat, als sie den ersten Antrag begründet hat. ({0}) - Danke schön. Ich eröffne 'die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich an diesem großen Kampf der Wagen und Gesänge zu beteiligen. Ich möchte nur mein großes Interesse zum Ausdruck bringen, in dieser wichtigen Frage die Meinung des Herrn Familienministers zu hören. ({0}) Ich nehme an, daß er erfreut sein wird, wenn ich ihm in dieser Angelegenheit den „Stichentscheid" zuschiebe. Darf ich bitten, Herrr Minister! ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde schon von einer Kollegin gesagt, daß nach den Mitteilungen im „Deutschland-Union-Dienst" die Rentenreform finanziell angeblich wegen dieser Elternrente gefährdet werde. Deshalb möchte ich einige Bemerkungen über den vermutlichen finanziellen Aufwand machen. Wir haben gewisse Erfahrungen mit Elternrenten, beispielsweise aus der Unfallversicherung. Selbst wenn wir den Anteil, gemessen an der Gesamtzahl, um 50 % erhöhen, wird der Aufwand für die Elternrente bei 40 Millionen DM in einem Jahre liegen. ({0}) - Aber hören Sie, Herr Kollege Arndgen, ich meine, Sie sollten die Größenordnung ein bißchen besser kennen und einen solchen unangebrachten Zwischenruf „bei einer Anstalt" nicht machen. Ich spreche selbstverständlich von den Aufwendungen im gesamten Bundesgebiet und ich spreche von den gesamten Aufwendungen in der Unfallversicherung. Das ist doch klar. Meine Damen und Herren, ich mache Sie auch darauf aufmerksam: Die Regierungsparteien haben gegenüber der Regierungsvorlage - ich erwähnte es beim Heilverfahren - beim Heilverfahren 285 Millionen absetzen können. Sie sollen nur einen Bruchteil davon - ein Siebentel - für die Elternrente verwenden. Das ist unser Antrag. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch. ({0})

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, ich bitte doch, der Rednerin Gehör zu schenken. Außerdem gestatte ich mir den Hinweis: Ein Zwischenruf kann unter Umständen sehr witzig sein, wenn er gezielt ist. Im Chor gesprochen verliert er an Durchschlagskraft. ({0})

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich halte es für meine Pflicht, heute noch einmal vor Ihnen zu begründen, warum wir uns nicht in der Lage sehen, der Einführung der Elternrente zuzustimmen. Sie ist in diesem Sozialversicherungsgesetz etwas völlig Fremdes. ({0}) Deshalb können wir hier keine Ausnahme machen, die - wie es aus unserem Pressedienst eindeutig hervorgeht - auf allen anderen Gebieten eine nicht verantwortbare Steigerung der öffentlichen Ausgabenlast nach sich ziehen würde. Das ist das erste. ({1}) Wir legen aber Wert darauf, ausdrücklich zu betonen, daß es nicht nur die finanziellen Gesichtspunkte, sondern vor allen Dingen die prinzipiellen Gesichtspunkte ({2}) sind, die uns zu unserer Einstellung veranlassen. Ein Sozialversicherungsgesetz ist nun mal kein Fürsorgegesetz. ({3}) Es ist darin kein Raum für Dinge, die allein fürsorgerechtlich überprüft werden können. ({4}) Wir wollen heute - wir haben es vor - eine wirkliche Rentenreform beschließen. Das Ziel dieser Rentenreform ist eine wesentliche Erhöhung der Renten unserer alten Menschen. ({5}) - Jawohl, die Eltern sind alt. Wenn eine Berufstätige 40 Jahre im Beruf war, dann werden ihre Eltern wahrscheinlich alt sein. - Für diese Menschen haben wir diese Rentenerhöhung beschlossen. Wir können doch nicht gleichzeitig sagen, daß die Rentenreform für die alten Menschen nicht ausreicht und daß diese alten Menschen deshalb noch auf die Renten ihrer Söhne und Töchter angewiesen sind. Das ist doch vollkommen haltlos! ({6}) Wir können aber auf der anderen Seite niemals überprüfen, ob der alte Mensch - auch wenn er ausschließlich von Söhnen und Töchtern unterhalten wird - nicht doch im Genuß einer Rente ist, es sei denn, wir stellen bei jeder Landesversicherungsanstalt und bei der Bundesversicherungs({7}) anstalt für Angestellte ein Heer von Fürsorgebeamten ein. Weil das nicht durchführbar ist, erscheint uns die Einführung der Elternrente in diesem Gesetz unmöglich. Wir haben in unserer Presseerklärung aber ausdrücklich betont, daß wir die ethischen Gesichtspunkte anerkennen, d. h. daß da, wo durch das frühzeitige Ableben des Ernährers wirklich eine Notlage eingetreten ist, etwas getan werden muß. Wir haben noch andere Gesetze vor uns, die dann zusammen mit diesem Gesetz über die Rentenreform die Sozialreform bilden werden, und dabei werden wir in einem der Gesetze Gelegenheit haben, dieses Problem zu regeln. ({8})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Korspeter. - Verzichtet. Das Wort hat der Abgeordnete Professor Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, ich wollte die Kollegen der CDU nur auf Gesetzesfassungen aufmerksam machen, die wir soeben beschlossen haben. Wir haben nämlich soeben in § 41 und in § 1269 Vorschriften beschlossen, nach denen die sogenannte Scheidungswitwenrente nur bei Unterhaltsgewährung gezahlt wird. Auch hier für die Elternrente soll eine ähnliche Voraussetzung, nämlich die Unterhaltsgewährung, Gesetz werden. Bisher haben Sie nicht den Einwand gemacht, die Unterhaltsgewährung könne nicht nachgeprüft werden. Deshalb sind Ihre Argumente aus der Sache heraus nicht stichhaltig! ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure es sehr, daß ich der Frau Kollegin Rösch widersprechen muß. Das Modellbeispiel mit der Rente an die geschiedene Frau hat Herr Schellenberg noch einmal erklärt. Ich habe mehrmals darauf hingewiesen: das Gesetz enthält in einer Perfektion von Besitzstandswahrungen ({0}) sowohl Versorgungs- als auch Fiirsorgebestandteile. Das Gesetz ist ausgeweitet worden. Sie schenken Menschen, die in der Ausbildung sind, die Anerkennung der Schulzeit und des Studiums - bis zu neun Jahren haben Sie beschlossen - als Versicherungszeiten. Sie haben sich bei den Wartezeiten und den Zurechnungszeiten in einem Maße großzügig gezeigt - ich sagte es heute morgen -, daß es selbst den Sozialdemokraten angst und bange geworden ist. ({1}) - Das steht im sozialdemokratischen Pressedienst zu lesen. Herr Schellenberg hat nie gehofft, daß er so viel erreichen würde. Er hätte das mit seiner Fraktion bei unserer Opposition in diesem Hause nie erreicht. ({2}) Nun, meine Damen und Herren, ich muß Sie bitten: 15 Milliarden - 13 Milliarden geben Sie an - kostet das Gesetz sicher im nächsten Jahr, und für die Elternrenten, für alte Menschen -Sie sagen doch sonst immer „Die armen Alten" und „Die armen Kinderlein"! -, ({3}) für die wenigen armen alten Menschen haben Sie keine 20 Millionen?! Überlegen Sie sich das! ({4})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen. ({0}) - Ich hatte die Debatte geschlossen, Herr Kollege! ({1}) Einen Augenblick, bitte! Ich muß wirklich, damit Verwechslungen nicht vorkommen, bitten, die Meldungen zum Wort doch so abzugeben, daß man neben der Lektüre von sechs oder acht Anderungsanträgen auch auf die Wortmeldungen achten kann. Es ist mir eben mitgeteilt worden, daß sich Herr Kollege Erler durch Handerheben gemeldet hatte. ({2}) - Ich muß mich hier auf die Feststellung des Schriftführers verlassen. Der Schriftführer rechts von mir behauptet, daß das der Fall ist. Der Schriftführer links von mir sagt, daß er nichts gesehen hat. Ich muß mich nach dem richten, was hier gesagt wird. - Ich gebe Herrn Erler das Wort. ({3})

Fritz Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000488, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will Sie gar nicht lange aufhalten! Nachdem wir nun einmal tatsächlich ein Ministerium für Familienfragen haben, ({0}) nachdem wir so einen Minister haben, meine ich, daß das Haus und die deutsche Öffentlichkeit ein Anrecht darauf haben, zu hören, was der Herr Familienminister über die Elternrente denkt. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nun nicht mehr vor. ({0}) Ich schließe die Debatte. Formalanträge sind nicht gestellt. Es stehen also nur die materiellen Anträge zur Abstimmung, über die wir debattiert haben. Ich bitte zunächst die Experten der einzelnen Fraktionen um gefällige Mitteilung, ob sie einig darin sind ({1}) ({2}) - ich bitte zuzuhören, damit es keine Verwechslungen bei der Abstimmung gibt -, daß die drei Anträge, welche die Schaffung eines neuen § 1271 a vorsehen, nämlich Umdruck 910 Ziffer 18, Umdruck 913 Ziffer 14, Umdruck 914 Ziffer 21 a und damit identisch für die rechte Seite die entsprechenden Anträge: Umdruck 910 Ziffer 19, Umdruck 913 Ziffer 15 und Umdruck 914 Ziffer 22 a, inhaltlich das gleiche bedeuten, so daß eine einheitliche Abstimmung stattfinden kann. ({3}) - Es kommt eins nach dem andern. - Nachdem ich das klargestellt habe, kommen wir nun zu der Frage der namentlichen Abstimmung. Namentliche Abstimmung ist beantragt zum Antrag - ({4}) - Zu allen drei gemeinsam. ({5}) - Der Antrag lautet auf namentliche Abstimmung für alle drei Anträge, wobei von den Antragstellern alle drei als ein einheitlicher Antrag betrachtet werden ({6}) dergestalt, daß mit der Annahme des einen die anderen angenommen sind, daß aber auch mit der Ablehnung eines einzigen der drei alle abgelehnt sind. Dann darf ich fragen, ob 50 anwesende Mitglieder des Hauses bereit sind, den Antrag auf namentliche Abstimmung zu unterstützen. ({7}) Zur Abstimmung Herr Dr. Müller! ({8})

Anton Miller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, Sie stellen drei Anträge gemeinsam zur Abstimmung, die zwar in ihrem Inhalt gleich sind, aber im Wortlaut verschieden. Ich bitte um eine Erklärung Ihrerseits, welcher Wortlaut ins Gesetz kommt, wenn alle drei angenommen werden. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich möchte die Frage des Herrn Kollegen Müller sofort beantworten. Es kommt dann der Text, der zeitlich der früheste ist, in das Gesetz hinein ({0}) - wenn Sie die Liebenswürdigkeit hätten, mich so aussprechen zu lassen, wie ich auch Sie aussprechen lasse, kämen wir etwas schneller vom Fleck -; das würde der Antrag Umdruck 910 Ziffer 18 sein. Im übrigen sind wir nach dem Rezept, das ich Ihnen vorgeschlagen habe, schon laufend verfahren, nicht nur in früheren Sitzungen, sondern auch schon den ganzen Abend. ({1}) Ich formuliere, um den Bedenken des Herrn Kollegen Müller - die im übrigen sehr dankenswert sind - zu entsprechen, folgendermaßen. Ich stellle den Antrag Umdruck 910*) Ziffer 18 zur namentlichen Abstimmung. Ich darf aber Übereinstimmung dahin feststellen, daß mit der Annahme dieses Antrags die beiden anderen Anträge erledigt sind, daß sie inhaltlich damit angenommen sind und ,daß mit der Ablehnung auch die beiden anderen Anträge abgelehnt sind. Sind wir uns einig? ({2}) Nun hat zur Abstimmung noch ums Wort gebeten Frau Friese-Korn. ({3}) Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 910 Ziffern 18 und 19, der die Einfügung eines neuen § 1271 a bzw. eines § 43 a vorsieht. Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen. ({4}) Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Wenn alle Stimmkarten abgegeben sind, dann schließe ich hiermit die Abstimmung. ({5}) Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung**) über die Elternrente bekannt. Über die eben aufgerufenen Anträge haben abgestimmt 452 Mitglieder dieses Hauses. Mit Ja haben gestimmt 219, mit Nein 230, 3 Enthaltungen, gibt zusammen 452. Berliner Abgeordnete: abgegebene Stimmen 16, 13 mit Ja, 3 mit Nein. Der Antrag ist also abgelehnt. § 1271 a entfällt. Wir kommen dann zurück zu § 1267. Ich darf wohl annehmen, daß der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 913***) Ziffer 12, der besagt, daß in den § 1267 das Wort „Elternrente" eingefügt werden soll, damit sachlich erledigt ist. ({6}) - Gut. Dann darf ich fragen, ob der Antrag der DP Umdruck 910 Ziffer 16, der die Verweisung auf einige Paragraphen betrifft, erledigt ist. ({7}) - Ist auch erledigt. Danke schön. Dann sind wir mit den §§ 1267 und 1271 a fertig. Wir kommen jetzt zu § 1272 links und § 44 rechts. Hierzu liegen folgende Anträge vor: die Anträge der DP Umdruck 910*) Ziffern 20 und 21 und die von der SPD gestellten Anträge Umdruck 914****) Ziffer 21 Buchstabe b und Ziffer 22 Buchstabe b. Werden diese Anträge begründet? ({8}) - Die Anträge Umdruck 910 Ziffern 20 und 21 sind erledigt. Gut. Die Anträge auf Umdruck 914? ({9}) - Ja, auch erledigt; darüber besteht im Hause Einverständnis. Wir kommen dann zu dem Antrag Umdruck 913***) Ziffer 16. ({10}) *) Siehe Anlage 4. **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10636. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 7. ({11}) - Ist auch erledigt. Das sind wohl alle Anträge, die mit der Elternrente zusammenhängen. Wir kommen dann zu § 1276 links und § 48 rechts. Hierzu liegen die Anderungsanträge Umdruck 914**) Ziffer 23 Buchstabe a bzw. Ziffer 24 Buchstabe a vor. Werden die Anträge begründet? - Bitte, Herr Dr. Preller.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß diese Anträge der SPD kurz begründen, weil wir hier anders verfahren als in der zweiten Lesung. Wir haben diesmal nicht wie in der zweiten Lesung beantragt, die Rente unmittelbar an den Lohnwert anzuschließen, sondern wir haben hier einen anderen, und zwar, wie wir glauben, den richtigen Weg der Logik gewählt. Wenn Sie die Rente bei ihrer Festsetzung in der von Ihnen für richtig gehaltenen Art an die Lohnentwicklung der jeweils vergangenen drei Jahre anpassen, dann sollten Sie bei der weiteren Anpassung der laufenden Renten wenigstens das gleiche Prinzip anwenden, das in § 1260 Abs. 2 formuliert ist. Das hängt damit zusammen, daß sich der Rechtsanspruch, der durch die Beiträge begründet wird, gleichermaßen in den Leistungen widerspiegeln muß. Sie setzen aber die Rente nach einem anderen Prinzip fest, als Sie die laufenden Renten sich anpassen lassen. Wir glauben, daß hierin ein Bruch in Ihrem System vorliegt. Da wir wissen, daß Sie unsere in der zweiten Lesung entwickelte Vorstellung glauben nicht annehmen zu können, möchten wir Ihnen gewissermaßen die Brücke dafür bieten, in der dritten Lesung einen Antrag anzunehmen, der, wie wir glauben, logisch folgerichtiger ist als das, was in der Ausschußvorlage steht. Daß das richtiger, auch volkswirtschaftlich richtiger ist, möchte ich in zwei Sätzen mit dem bekannten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats im Bundeswirtschaftsministerium begründen. Er führt in Punkt 9 des Gutachtens aus, daß eine im vorhinein „quantitativ eindeutig" - und darauf kommt es an - festgelegte Anpassung der Sozialleistungen konjunkturpolitisch erwünscht sei; später wird gesagt: eine jährliche Anpassung. In § 1276 der Ausschußfassung werden - darüber hatten wir gesprochen - „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit", „Produktivität" und „Veränderung des Volkseinkommens" als Merkmale der Entwicklung angesehen. Quantitativ „eindeutig feststellbar" nach der Forderung des Wissenschaftlichen Beirats ist zweifellos weder die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" noch die „Produktivität". Quantitativ eindeutig feststellbar wäre bestenfalls die Veränderung des Volkseinkommens; aber in der zweiten Lesung ist ja im Grunde wieder offengeblieben, ob es sich um das reale - oder preisbereinigte - oder um das nominale Volkseinkommen handelt. Zwar ist der Antrag von Frau Kalinke, das reale Volkseinkommen zur Grundlage zu nehmen, abgelehnt worden, aber die Sache selbst ist im Gesetzestext offengeblieben. Wenn Sie in ihrem eigenen System folgerichtig weiter verfahren wollen, zwingt Sie die Logik, unseren Antrag anzunehmen. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Wird das Wort weiterhin zur Begründung gewünscht? - Ich schließe die Frage an, ob das Wort in der Aussprache ge- **) Siehe Anlage 7. wünscht wird. - Das ist auch nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Wer dem Antrag Umdruck 914 Ziffern 23 a und 24 a auf Neufassung des § 1276 und des § 48 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Zu den §§ 1277, 1278 und 1279 liegen folgende Anträge vor: Antrag der SPD auf Umdruck 914**) Ziffer 23 b, c und d auf Streichung. Ich lasse getrennt darüber abstimmen. Zu § 1277 und § 49 wird, wie ich hörte, ein Eventualantrag eingereicht - so war es wohl, Herr Kollege Schellenberg - für den Fall, daß dem Streichungsantrag nicht stattgegeben wird. Ich lese ihn vor, sobald er schriftlich vorhanden ist. Zu §§ 1277 und 1278 liegt ferner ein Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 913***) Ziffern 18, 19, 20 und 21 vor. Zu § 1279 liegt außer dem Sreichungsantrag der SPD ein Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 913 Ziffern 22 und 23 vor und dann noch der Änderungsantrag Umdruck 916 ****) Ziffern 1 und 2. Ich schlage vor, so vorzugehen, daß zunächst über die Streichungsanträge, und zwar jeweils Punkt für Punkt, abgestimmt wird. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Ich darf zunächst fragen, ob das Wort zur Begründung gewünscht wird. - Zur Begründung Herr Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Die Anträge, die ich hier begründen will und die auf dem Umdruck 913 die Ziffern 18, 19, 26 und 27 tragen - Herr Präsident, das greift schon auf den § 1383 vor -, betreffen eine andere Materie als die Streichungsanträge der SPD. Es handelt sich hier - deshalb bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit und um Ihr Wohlwollen - im Gegensatz zu den bisher abgelehnten Anträgen nicht um einen Antrag, der in der zweiten Lesung schon einmal abgelehnt worden ist und der nun von uns erneut vorgelegt wird, sondern um einen neuen Antrag, den wir allerdings in der zweiten Lesung schon angekündigt haben. Nach der Ausschußvorlage soll dem Parlament die Gelegenheit gegeben werden, in bestimmten Zeitabständen in eine Prüfung der versicherungsmathematischen Bilanzen, und zwar sowohl der mathematischen Bilanz für die rückliegende Zeit als auch einer Vorausschau für die nächste Zeit, einzutreten. Dafür sind in der Ausschußvorlage Fristen gesetzt. Unser Antrag beschäftigt sich nur mit den Fristen; er will an der Sache nichts ändern. Wir sind der Meinung, daß diese Fristen ungenügend sind. Eine versicherungsmathematische Bilanz kann immer nur auf den 1. Januar eines Jahres abgestellt werden. Deshalb beantragen wir, daß die Bilanz, die über den Stand des 1. Januar erstellt wird, nicht erst am 30. September, sondern schon am 30. Juni vorgelegt werden soll, damit dieses Parlament ausreichend Gelegenheit hat, sich mit dieser ihm vorgelegten Bilanz eingehend zu beschäftigen. Daß das dem Parlament in einem Vierteljahr, in das auch die Weihnachtsferien fallen, **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlag 9. ({0}) nicht möglich ist, hat die Praxis hier im Hause bewiesen. Wir wollen dem Parlament ausreichend Zeit geben, in die Prüfung dieser Angelegenheit einzutreten, also die Rechte des Parlaments zu wahren, wie es dem Sinn nach mit der Ausschußvorlage beabsichtigt ist. Wir wollen nur die Fristen etwas weiterziehen. Deshalb bitte ich Sie, unsere Anträge unter den Ziffern 18 und 19 des Umdruckes 913 und damit folgerichtig später auch unsere Anträge unter den Ziffern 26 und 27 des gleichen Umdrucks, die den § 1383 betreffen, anzunehmen. Herr Präsident, wenn Sie es wünschen, kann ich auch die Ziffern 20 bis 23 unseres Änderungsantrags begründen. Das ist aber eine andere Materie.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das schadet nichts. Bitte sehr.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Ziffern 20 bis 23 unseres Antrags betreffen die Bestimmungen über die Bildung des Sozialbeirats. Auch hier wollen wir an dem sachlichen Inhalt der Ausschußvorlage nichts ändern. Der Sozialbeirat soll nach der Ausschußvorlage beim Bundesministerium für Arbeit gebildet werden. Wir sind der Meinung, daß es sich hier nicht nur um sozialpolitische, sondern auch um wirtschaftspolitische und finanzpolitische Fragen handelt. Daher sollte ein möglichst weiter Kreis eingeschaltet werden. Wir schlagen deshalb vor, daß in dem ersten der beiden Paragraphen, in denen vom Beirat die Rede ist, in § 1278 Satz 1 die Worte „beim Bundesministerium für Arbeit" ersetzt werden durch „bei der Bundesregierung". Weiter soll nach unserem Antrag in § 1279 die Ernennung nicht durch den Bundesminister für Arbeit allein, sondern durch den Bundesminister für Arbeit im Einvernehmen mit den Bundesministern für Wirtschaft und für Finanzen erfolgen. Damit soll sichergestellt werden, daß alle Belange unseres Staates dabei berücksichtigt werden, also auch die wirtschaftspolitischen und die finanzpolitischen. Ich glaube, das entspricht eigentlich dem Sinn der Ausschußvorlage.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Kollege, darf ich fragen, ob damit auch der Antrag unter Ziffer 22 des Umdrucks 913 begründet ist? ({0}) Darf ich dann fragen, ob von der FVP zu dem Antrag Umdruck 916 Ziffer 1 eine Begründung gegeben wird? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Auf Umdruck 922*) liegt ein Eventualantrag der SPD für den Fall der Ablehnung der Anträge Umdruck 914 Ziffern 23 a und 24 a vor. Ich eröffne nunmehr die Debatte über die Anträge zu den §§ 1277, 1278 und 1279 - links - und 40, 50 und 51 - rechts -. Das Wort hat Herr Abgeordneter Stingl.

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die eben aufgerufenen Änderungsanträge befassen sich alle mit dem Verfahren, das bei der Anpassung der Renten angewandt werden soll, und insbesondere mit der Zusammensetzung bzw. mit der Tätigkeit des Sozialbeirats. Zunächst darf ich zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Atzenroth bemerken, daß wir uns die *) Siehe Anlage 12. Frist, das Datum sowohl hier wie - ich darf das ( gleich mit sagen - bei § 1383 sehr wohl überlegt haben. Wir haben eine eingehende Besprechung mit dem Bundesamt für Statistik darüber gehabt. Es ist uns von diesem Bundesamt gesagt worden, daß es nicht möglich ist, vor Anfang Juni die Zahlen für das abgelaufene Jahr authentisch bekanntzugeben. Alle vorher bekanntgegebenen Zahlen, meine Damen und Herren, sind jeweils vorläufige. Das hängt auch mit der Abgabe der Steuererklärungen und allen diesen Dingen zusammen. Nun sagen Sie mit Recht, daß das Hohe Haus eine Frist haben muß. Aber wir können natürlich nicht umhin, auch dem Sozialbeirat selber und der Bundesregierung, die ja das Material, das vom Statistischen Bundesamt kommt, aufbereiten muß, eine Frist zu geben; und es ist schon allerhand, wenn wir dazu auch noch die Ferien für die Bundesregierung und diesen Beirat - der ja sonst nicht eine Organisation des Staates ist - einschalten. Wir können daher einer anderen Frist nicht zustimmen. Dann, meine Damen und Herren, schlagen Sie vor, daß der Sozialbeirat bei der Bundesregierung gebildet werden soll. Wir hielten das in der Konstruktion für einen Fehler. Der Sozialbeirat hat sich allein mit dieser Angelegenheit der Renten - nicht mit Arbeitsrecht, Herr Kollege Dr. Atzenroth, das möchte ich ausdrücklich bemerken - zu beschäftigen. ({0}) Infolgedessen gehört er in der Ressortierung in das Bundesarbeitsministerium; denn dort liegen die Dinge, die von ihm bearbeitet werden müssen. Dagegen haben wir - da es der Autorität des Sozialbeirats dient - nichts dagegen, daß dieser von der Bundesregierung berufen wird. ({1}) Wir werden deshalb dem Antrag der FVP und der DP zustimmen. Nun einiges zu dem, was von der SPD gewünscht wird, nämlich die Anhörung der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände statt eines Sozialbeirates einzuführen. Es sind dazu Ausführungen in der zweiten Lesung gemacht worden. Ich will mich darauf beschränken, zu sagen, daß nach unserer Auffassung ein gesetzlich festgelegter, als Institution verankerter Beirat eine bessere Funktion ausübt und daß wir ihm ein höheres Gewicht zumessen als einer unverbindlichen Anhörung der Sozialpartner.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Richter.

Willi Richter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001836, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege R u f hat - ich glaube, es war am vergangenen Mittwoch - u. a. ausgeführt, der Redner spricht ja hier sowieso nur für das Protokoll. - Andere sagen: Anträge werden ja doch nur für den Wahlkampf gestellt. Ich teile Ihre Auffassung nicht, verehrter Herr Kollege Ruf. Ich habe im Wirtschaftsrat und von Anfang an im Bundesparlament mitgewirkt. Ich habe zu vielen Gesetzen Anträge gestellt und dazu gesprochen. Unsere Fraktion hat Initiativgesetzentwürfe eingebracht, und wir hatten die Überzeugung, daß sie gut und fortschrittlich ({0}) waren und daß sie im Interesse der Arbeitnehmerschaft, ja des gesamten Volkes lagen. Ich glaube, wir sollten die Sache hier etwas ernster nehmen. Gerade der Sozialbeirat ist es, der mich veranlaßt, hier einige Ausführungen zu machen, weil ich glaube, daß wir hier beginnen, einen Weg zu beschreiten, den zu gehen nicht im Interesse der Demokratie und somit im Interesse der Volksvertretung liegt und den zu gehen unserer Verantwortung nicht entspricht. ({1}) Es wird erwähnt, daß die Forderung von Arbeitgebervereinigungen komme. Es wird weiter geäußert, daß die Privatversicherungen hieran ein Interesse haben. Insbesondere die Währungspolitiker, so wird gesagt, hielten den Sozialbeirat für notwendig. Dabei weist man auf die Zusammensetzung des Sozialbeirats hin. Ich will das nicht untersuchen, und ich stelle mich nicht auf die Seite derjenigen, die solche Äußerungen machen. Ich weiß aber eins mit aller Bestimmtheit, meine Damen und Herren: daß weder der Deutsche Gewerkschaftsbund noch die Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund für einen Sozialbeirat sind. ({2}) Im Gegenteil, ich war selbst zugegen - der Herr Bundesarbeitsminister wird bestätigen müssen, was ich jetzt sagen werde -, als vor Monaten im Bundesarbeitsministerium u. a. die Frage eines Sozialbeirats erstmals besprochen wurde. Da waren alle Vertreter der Gewerkschaften der Auffassung, daß ein Sozialbeirat nicht erforderlich sei. Sie haben diesen Standpunkt damals erfreulicherweise gewürdigt, und in Ihrem Entwurf war der Beirat nicht enthalten; erst im Ausschuß wurde seine Schaffung von der Regierungskoalition wieder beantragt. Wir sind der Auffassung, daß der Sozialbeirat nicht zweckmäßig und nicht notwendig ist. Meine Damen und Herren, Sie wollen in diesem Gesetz einen Sozialbeirat nur für die Rentenversicherungen schaffen, für die Rentenversicherungen der Arbeiter, der Angestellten und der im Bergbau Tätigen. Wir haben aber noch andere wichtige Zweige der Sozialversicherung, die Unfallversicherung, die Krankenversicherung und die Arbeitslosenversicherung. Wenn man schon der Meinung sein sollte, daß wir einen Sozialbeirat brauchen, dann müßte man ihn auch so zusammensetzen, daß er in der Lage wäre, das gesamte sozialpolitische Gebiet zu überschauen und sich zu allen unseren sozialpolitischen Fragen zu äußern. Eine solche Einrichtung haben Sie in diesem Sozialbeirat aber nicht. Hier werden die Organe der Sozialversicherungsträger mit einem Vorschiagsrecht ausgestattet. Meine Damen und Herren, die Organe der Sozialversicherungsträger sind Organe der Selbstverwaltung. Sie sollen mitverwalten. Hier geben Sie ihnen ein Recht, das über ihren Aufgabenbereich hinausgeht.. Sie wollen sie zu Vorschlägen für Gesetzgebungsakte oder zum mindesten zu einer gewissen Beeinflussung der Gesetzgebungsakte berechtigen. Sie haben eine sehr eigenartige Zusammensetzung des Sozialbeirats vorgesehen. Entschuldigen Sie, wenn ich hier derartige Formulierungen wähle. Sie schlagen vor: drei Vertreter der Versicherten, drei Vertreter der Arbeitgeber, drei Vertreter der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und einen Vertreter der Bank deutscher Länder; den Vorsitz soll der Herr Bundesarbeitsminister haben. ({3}) - Entschuldigen Sie! Ich berichtige mich also: die Geschäftsführung soll beim Bundesarbeitsminister oder Bundesarbeitsministerium liegen. Die drei Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber sollen bestimmt werden, je einer vom Vorstand des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger - für die Rentenversicherung der Arbeiter -, vom Vorstand der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - für die Rentenversicherung der Angestellten - und vom Vorstand der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften - für die im Bergbau Tätigen -. Für viele Millionen von Arbeitnehmern drei Vertreter, für die Arbeiter einen, für die Angestellten einen, für die im Bergbau Tätigen einen! Ferner sollen nach Ihrer Auffassung zum Sozialbeirat drei Arbeitgebervertreter, drei Vertreter der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und ein Vertreter der Bank deutscher Länder gehören. Ich muß es Ihnen überlassen - Sie tragen dafür die Verantwortung -, ob ein derartig zusammengesetzter Sozialbeirat, den Sie anhören wollen und dessen Meinung dem Parlament in einem Bericht unterbreitet werden soll, in der Lage ist, nach bestem Wissen und Gewissen das zu leisten, was man von ihm verlangt. Bitte, das müssen Sie sich überlegen. Vielleicht waren meine Ausführungen dazu angetan, den einen oder anderen von Ihnen glauben zu lassen, ich würde, da ich nicht nur Abgeordneter des Bundestages und zur Zeit noch Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses bin, sondern auch in der Gewerkschaftsbewegung Funktionen habe, die parteipolitische Neutralität der Gewerkschaften verletzen. Nach Pressemeldungen hat der Herr Bundeskanzler gestern einige Ausführungen darüber gemacht. Ich war in Königstein nicht zugegen. Nach Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" soll der Herr Bundeskanzler sich dahin geäußert haben, daß die politischen Tendenzen im Deutschen Gewerkschaftsbund nicht angebracht wären. Er bezichtigte die Gewerkschaften, parteipolitisch nicht neutral zu sein; wenn sie politisch neutral wären, würde es mit der Sozialdemokratie zu Ende sein. ({4}) Ich nehme an, daß die Ausführungen mindestens sinngemäß so waren. Der Herr Bundeskanzler ist anwesend und in der Lage, sich dazu zu äußern. Aber ich darf doch einiges dazu sagen. Ich habe die Überzeugung, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund alle Anstrengungen machen und den festen Willen haben, sowohl von jeder Regierung als auch von jeder Partei und von den Arbeitgebern unabhängig zu sein und unabhängig zu bleiben. Das ist das Grundsätzliche einer freien Gewerkschaftsbewegung, und nur eine unabhängige freie Gewerkschaftsbewegung hat ihren Platz in der Demokratie, und die Demokratie besteht nur dort, wo eine unabhängige freie Gewerkschaftsbewegung existiert. ({5}) ({6}) Es mag sein, daß in dem einen oder anderen Fall die eine oder andere Äußerung erfolgte, die dem Herrn Bundeskanzler nicht besonders zusagte. Man kann auch darüber streiten - da bin ich ganz offen -, ob die eine oder andere Äußerung von mir in den letzten zehn Jahren, im Wirtschaftsrat, in der 1. und in der jetzigen Legislaturperiode des Bundestages zu all den vielen Fragen immer das Prädikat „parteipolitisch unabhängig" wirklich verdient. Ich sehe, da nicken einige der mir bekannten Herren sogar. Warum auch nicht? Ich bin ein Mensch, Sie auch. Überlegen und prüfen Sie alle, einschließlich des Kollegen Storch, Ihre Ausführungen, wie die gegenüber den Gewerkschaften und dem DGB in jeder Beziehung zu werten sind. Aber darauf kommt es doch letzten Endes gar nicht an. Es ist natürlich eine Meinung des Herrn Bundeskanzlers, daß es, wenn die Gewerkschaften politisch neutral wären, mit der Sozialdemokratie zu Ende sei. Aber ich glaube, diese Formulierung ist falsch. Schließlich sind es doch die Arbeitnehmer und die anderen Wählerinnen und Wähler, die bei den Parlamentswahlen in der Demokratie ihre Stimme in geheimer Wahl abgeben, nachdem die einzelnen Parteien in vielen Wahlversammlungen und Zehntausenden von Flugblättern und Plakaten ihre Meinungen verkündet haben. Die Wähler wissen, was die Parteien, was die Fraktionen wollen. Ich kann verstehen und Sie doch auch, und es wird doch niemand hier abstreiten, daß die Arbeitnehmer der Partei ihre Stimme geben und Sympathien für die Parteien haben, die nach ihrer Auffassung ihre Interessen am besten, am zweckmäßigsten und auch am erfolgreichsten vertreten. ({7}) - Dann sagen Sie, daß es halb so harmlos ist, verehrter Kollege Hahn, wenn es nicht „ganz" so harmlos ist. Sehen Sie sich doch einmal die Protokolle des Wirtschaftsrates und der 1. und 2. Legislaturperiode des Bundestages an. Da finden Sie Initiativgesetze der SPD, da finden Sie Anträge der SPD - ich kenne besonders die auf dem sozialpolitischen Sektor -, und da werden Sie feststellen müssen, daß ein wesentlicher Teil dieser Gesetzentwürfe und Anträge im Interesse der Arbeitnehmer, ja im Interesse großer Teile der Bevölkerung liegt. Das ist meiner Auffassung nach die Ursache für die erwähnten Tatbestände, und nicht die Einstellung der Gewerkschaften. Auch in den Gewerkschaften wird nach demokratischen Grundsätzen gehandelt. ({8}) - Dann gehen Sie hierher und beweisen Sie das Gegenteil. Vielleicht nicht bei den Gewerkschaften, Kollege Voß, denen Sie jetzt vorstehen. ({9}) - Wenn Sie mit dem Kopf nicken, dann bestätigen Sie das, und wenn Sie sagen, daß Sie das bei den anderen Gewerkschaften gelernt haben, dann bestätigen Sie das indirekt. Das sollten Sie nicht tun, Sie sollten es abstreiten. Ich streite es ab; es entspricht nicht den Tatsachen. In den Mitgliederversammlungen wird zu den Problemen Stellung genommen, und letzten Ende wirkt sich der Wille der Mitglieder auf ,den Tagungen und auf den Kongressen aus, und er muß sich auswirken und seinen Ausdruck finden in der Haltung und in den einzelnen Taten. Sie haben vorhin über die Frage abgestimmt, ob der Ausgleich im Falle der Arbeitslosigkeit bei einer über sechs Wochen hinausgehenden Arbeitslosigkeit auch für die ersten sechs Wochen gelten soll. ({10}) - Natürlich, deshalb habe ich, verehrter Kollege Stingl, im Sozialpolitischen Ausschuß den Antrag gestellt, diese Fristen überhaupt zu streichen und sowohl die Ausgleichszeiten für Krankheit wie für Arbeitslosigkeit bei den Renten und bei dem Altersruhegeld voll in Anrechnung zu bringen. Ich habe Ihnen doch im Ausschuß weiter vorgeschlagen, daß die Beträge, die man braucht, um diese Leistungen gewähren zu können, im Falle der Krankheit von den Krankenkassen und im Falle der Arbeitslosigkeit von den Arbeitsämtern gezahlt werden. Sie sind anderer Meinung. Ich sage nur, Ihre Einstellung zu dieser Frage, die doch speziell die Bauarbeiter betrifft, wird und muß doch dazu führen, daß die Bauarbeiter in ihren nächsten Versammlungen in der Gewerkschaft „Bau, Steine und Erden" sich mit der Frage befassen, denn sie können diese Ihre Haltung nicht verstehen. Und daß sich das irgendwie auswirkt, hat doch, verehrter Herr Bundeskanzler, nichts mit der parteipolitischen Neutralität der Gewerkschaften zu tun. Es wird doch niemand in diesem Hause - am allerwenigsten Sie, Herr Bundeskanzler; dafür kenne ich Sie zu gut und zu lange - die Ansicht vertreten wollen, daß die Gewerkschaften und daß der Deutsche Gewerkschaftsbund zu den uns bewegenden politischen Tagesfragen wie den politischen Gesamtfragen keine Meinung äußern und keine Stellung beziehen können. Ich will noch auf ein zweites Gebiet aufmerksam machen, weil es mir sehr, sehr ernst mit diesen Fragen ist. Ich meine die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch für die Arbeiter. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat auf seinem Kongreß im Jahre 1954 in Frankfurt eine Entschließung dazu angenommen. Alle Fraktionen müssen bestätigen, daß ihnen der Deutsche Gewerkschaftsbund diese Entschließung und den diesbezüglichen Gesetzentwurf zugesandt hat. Ich habe mich gefreut, als sich der Parteitag der CDU im April des vergangenen Jahres positiv zu dieser Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes geäußert hat, und habe mich ebenso gefreut, daß die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages 1955 einen diesbezüglichen Gesetzentwurf eingebracht hat. Ich bin erfreut - das sage ich in aller Offenheit und verrate keine Geheimnisse. Herr Bundeskanzler -wenn ich zum Ausdruck bringe, daß Ihre Fraktion und Sie persönlich sich dafür einsetzen wollen, daß dieser Gesetzentwurf in aller Kürze beraten und dem Bundestag zur Beschlußfassung unterbreitet wird. ({11}) - Das hat doch gar nichts mit diesem Streik zu tun, Herr Ruf. Herr Kollege Sabel ist ein erfahrener Gewerkschaftler und winkt Ihnen ab, Herr Kollege Ruf.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Kollege Richter, darf ich unterbrechen. Ich bitte mir zu gestatten, darauf hinzuweisen, daß wir bei dem Thema sind, ob in den Sozialbeirat auch Mitglieder der Gewerkschaften hineinkommen. ({0})

Willi Richter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001836, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke für diesen liebenswürdigen Hinweis, Herr Präsident. Ich habe schon den Antrag meiner Fraktion Umdruck 922 zur Hand. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, aus den Erwägungen, die ich mir erlaubt habe, Ihnen zu unterbreiten, ernstlich bitten, den Antrag der SPD zu akzeptieren, statt des Sozialbeirats - also einer Institution in dieser Zusammensetzung, wie ich versucht habe, sie Ihnen darzustellen - vorzusehen, daß Vertreter der Gewerkschaften und der Vereinigungen von Arbeitgebern zu hören sind. Sie sehen, wir wollen die Anhörung der Sozialpartner nicht vermeiden. Wir wollen die Feststellung dessen, was ist, nicht unterbinden. Ich bitte Sie, unserem Antrag Umdruck 922 Ihre Zustimmung zu geben. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Herr Kollege Richter hat die Freundlichkeit gehabt, auf meine Ausführungen in Königstein zurückzukommen. Darf ich zunächst vorausschicken, daß ich durchaus verstehe, daß Vertreter des DGB zu dieser Frage des § 1277 von ihrem Standpunkt aus Stellung nehmen. Ich habe in Königstein gesprochen, und die Berichte darüber sind - wie das in der Natur der Sache liegt - nicht völlig klar. Ich darf es wiederholen. Ich habe zuerst gesagt, Herr Kollege Richter, daß ich ein Freund der Gewerkschaften sei. ({0}) - Habe ich ausdrücklich bekannt! ({1}) - Ich war schon mal drin! ({2}) --- Nein, das war vor der nationalsozialistischen Zeit. Da wollte ich nicht mehr darin bleiben! Meine Damen und Herren, ich habe versucht, eine Analyse meiner Partei und eine Analyse der Sozialdemokratischen Partei zu geben. Dann bin ich auf die Gewerkschaften zu sprechen gekommen und habe gesagt, daß die Gewerkschaften nicht politisch neutral seien. Dabei schwebte mir der Beschluß des DGB vor - dieser Beschluß ist ausdrücklich gefaßt worden -, daß die Gewerkschaften nur diejenigen Parteien bei der Bundestagswahl unterstützen würden, die gegen die Wehrpflicht seien. Sehen Sie, das war eine hochpolitische Angelegenheit! ({3})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Ich hatte mich zu Wort gemeldet, bevor ich wußte, daß es sich hier um eine Kontroverse zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem DGB handelt. Ich möchte nur zu dem Umdruck 922, dem Antrag der SPD zu den §§ 1277 bis 1279, sprechen. Unser wesentliches Bedenken gegen dieses Gesetz liegt gerade in der Tatsache, daß die Struktur des Gesetzes den Sozialpartnern ein Maß von Verantwortung aufbürdet, das sie nicht tragen können. Zumindest ein Teil der Sozialpartner hat diese Tatsache immer wieder anerkannt. Wenn wir dem Antrag der SPD folgten, würden wir diese Verantwortung noch in erheblichem Maße erhöhen. Das ist völlig unmöglich. Herr Richter sagte, er müsse fordern, daß die Sozialpartner angehört würden. Die Mehrzahl der Mitglieder des Sozialbeirats sind aber Vertreter der Sozialpartner; von zehn gehören sechs zu den beiden Sozialpartnern; sie werden unter allen Umständen angehört. Was soll denn dann die Forderung, nur die Sozialpartner sollten diesen Sozialbeirat bilden? Gerade die Mitwirkung eines Vertreters der ,Bank deutscher Länder 'ist für uns eine der allerwichtigsten Voraussetzungen bei diesem Sozialbeirat; diesen Vertreter können wir nicht missen. Herr Richter, wenn wir in der Lage wären wie Sie, wenn unsere Partei die Größe der SPD hätte, hätten wir einen Antrag gestellt, den Sozialbeirat anders zusammenzusetzen, aber nach der anderen Richtung, nämlich daß wir in viel stärkerem Maße Vertreter der Wirtschaftswissenschaft, der Finanzwissenschaft und der Bank deutscher Länder als der Hüterin unserer Währung in diesen Ausschuß entsandt hätten.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.

Josef Arndgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000046, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist keiner hier im Saal, der nicht Verständnis für die Ausführungen des Kollegen Richter hätte, die er von seiner Schau aus vorgetragen hat. Aber es scheint, daß der Herr Kollege Richter vergessen hat, daß es sich bei dem Sozialbeirat nur um ein Hilfsorgan handelt, und zwar um ein Hilfsorgan für die Regierung und auch um ein Hilfsorgan für unsere Gesetzgebungsarbeit; denn es heißt ja in dem vorhergehenden Paragraphen, daß die Anpassung der laufenden Renten nur durch Gesetz geschehen soll. Wenn wir Gesetzesarbeit leisten sollen, erscheint es mir notwendig, daß wir ein solches Hilfsorgan zur Verfügung haben. Im Verlaufe jeder Gesetzgebungsarbeit, auch bei einem Gesetz um die Erhöhung der laufenden Renten, werden die Gewerkschaften und werden die Sozialpartner Gelegenheit bekommen, sich zu den Arbeitsergebnissen des Sozialbeirats zu äußern. ({0}) Denn es war bisher üblich und es wird auch künftig üblich sein, daß die Bundesregierung bei der Vorbereitung von Gesetzentwürfen die einschlägig interessierten Organisationen, unter anderem auch die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände, hört. Wenn es sich also nur um ein Hilfsorgan handelt, sollte man nicht so große Bedenken vortragen, wie es Herr Kollege Richter getan hat. Denn, Willi Richter - wir beide kennen uns, wir haben ({1}) manches Mal zusammengearbeitet -, eins ist doch richtig: daß, als die Gewerkschaften gehört wurden und von allen Gewerkschaften die Meinung vertreten wurde, so gehe es nicht, für diese Institution eine ganz andere Formulierung vorgesehen war. In der Zwischenzeit ist idiese Formulierung in Ihrem Sinne geändert worden. Der Sozialbeirat hat auch seinen Vorläufer. Sie brauchen sich nur einmal den Beirat beim Landwirtschaftsministerium anzusehen, der ebenfalls die Entwicklung auf den einzelnen Gebieten zu beobachten hat. Ich könnte fast sagen, daß der Wissenschaftliche Beirat beim Landwirtschaftsministerium das Beispiel für die in diesem Gesetzentwurf niedergelegte Fassung gewesen ist. ({2}) Ferner bin ich der Meinung, daß nach der vorgesehenen Zusammensetzung des Sozialbeirats -§ 1278 des Arbeiterrenten-, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes -die Gewerkschaften drei Vertreter in diesem Gremium bekommen werden. Ich kann mir denken, daß der Vertreter, der aus der Invalidenversicherung hineinkommt, ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Vertreter aus der Knappschaft ebenfalls ein Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Vertreter, der von der Angestelltenversicherung kommt, ein Vertreter der DAG sein wird. Das Anliegen, das der Kollege Richter hier vorgetragen hat, ist in diesen Paragraphen also reichlich berücksichtigt. Ich bitte daher um Annahme des Beschlusses der zweiten Lesung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst zum Sozialbeirat! Der Herr Kollege Arndgen hat soeben darzulegen gesucht, daß es sich lediglich um ein Hilfsorgan der Regierung handle. Das ist dem Wortlaut nach zweifellos richtig. Aber, lieber Kollege Arndgen, das, was Ihr Kollege und Parteimitglied Hellwig in der vorigen Woche ausgeführt hat, hat ja gerade die Befürchtungen, die wir im Ausschuß und dann hier im Plenum geäußert haben, bestätigt und bekräftigt. Ich wiederhole: er habe die Hoffnung, daß die wirtschaftlichen Probleme und die lohnpolitische Verantwortung in diesem Beirat zur Sprache kämen, und deshalb seien Sie dafür. Damit ist dem Sozialbeirat eine erweiterte Aufgabe über den Wortlaut des Gesetzes hinaus zugewiesen. Das ist das, was wir und, wie ich annehme, auch die Gewerkschaften, und zwar alle Gewerkschaften jeglicher Richtung, soweit ich unterrichtet bin, befürchten und nicht für richtig halten. Wir haben die Befürchtung, daß in idem Sozialbeirat der Keim zu einer anderen Entwicklung, ich habe am Freitagmorgen gesagt: der Keim zu dem enthalten ist, was wir in der Weimarer Zeit einmal den „politischen Lohn" genannt haben. Das ist die Begründung dafür, weshalb die sozialdemokratische Fraktion den Sozialbeirat ablehnt. Durch die Formulierung unseres Antrags zu § 1277 werden diejenigen, die die Verantwortung für unser Sozialleben tragen, viel präziser angesprochen. Wir sagen nicht, der Sozialbeirat soll gehört werden, sondern: die Gewerkschaften und die Vereinigungen der Arbeitgeber sollen gehört werden. Das sind die Gremien, die im Rahmen unserer sozialen Autonomie die tatsächliche Verantwortung - wie wir wissen, nach dem Willen des ganzen Hauses - tragen. In idiesem Punkte sind wir uns nun wirklich einig. Diese Gremien sollten gehört werden, während Sie im Sozialbeirat Versichertenvertreter und Arbeitgebervertreter hören wollen, die als Mitglieder der Sozialversicherung auftreten. Wir meinen, man soll die Leute hören, die es tatsächlich angeht und die mit soundsoviel Millionen Mitgliedern auf beiden Seiten die Verantwortung tragen. Deshalb unser Antrag. Nun noch wenige Worte zu den Äußerungen des Herrn 'Bundeskanzlers als CDU-Vorsitzenden in Königstein. Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratie wird sich der Behauptung erwehren können, sie sei ohne die Gewerkschaften nicht lebensfähig. Herr Bundeskanzler, Sie wissen genauso wie ich - Sie haben das Glück gehabt, in dieser Zeit sogar schon mit Bewußtsein zu leben; ich war zu dieser Zeit noch ein kleiner Bub -, daß in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Sozialdemokratie und die damaligen Gewerkschaften in Widerspruch zueinander gestanden haben. Die Sozialdemokratische Partei ist ohne die Gewerkschaften unter dem Bismarckschen Gesetz 'der Pressung groß geworden und hat in den neunziger Jahren nach dem Sozialistengesetz ihren großen Anteil im Reichstag gehabt, ohne 'daß die Gewerkschaften ihr 'behilflich sein konnten. Die Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften - wer die beiderseitigen Protokolle kennt, weiß es - sind noch bis in das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gegangen. Ich will damit nur sagen: Ihre in Ihrer Analyse, wie Sie es nannten, aufgestellte Behauptung, daß die Sozialdemokratie ohne die Gewerkschaften nicht bestehen könne, hält 'der historischen Betrachtung nicht stand. Das ist das eine. Nun das andere. Die 'Bundesregierung ist, wie wir alle wissen, aus 'bestimmten Parteien zusammengesetzt und nimmt mit Recht für sich in Anspruch, das gesamte Volk der Bundesrepublik zu vertreten. Wir sind mit Ihnen der Auffassung, daß das ihre Aufgabe ist. Was tut 'der Deutsche Gewerkschaftsbund, was tut die Deutsche Angestelltengewerkschaft anderes, als daß sie, aus Mitgliedern verschiedener Parteiungen zusammengesetzt, die Interessen derer, die sie zu vertreten haben, vertreten? Nichts anderes geschieht hier, und der Vorwurf, daß die parteipolitische Neutralität nicht gewahrt worden sei, müßte, wenn Sie ihn so aufrechterhalten wollen, auch auf manche Ihrer Äußerungen als Bundeskanzler oder als Bundesminister zutreffen, die Sie mit Recht als Parteimitglied tun. Insofern können Sie diese Behauptung nicht 'aufrechterhalten. ({0}) - Meine Damen und Herren, wenn Ihnen die Logik nicht paßt, dann können Sie sie widerlegen, aber Sie können sie nicht durch Zurufe ändern. ({1}) - Solche Zurufe zeigen doch nur Ihre eigene Unsicherheit gegenüber den Äußerungen Ihres Parteichefs und nichts anderes. Ich bin also der Meinung, daß Sie Äußerungen dieser Art gegenüber dem Deutschen 'Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestelltengewerkschaft nicht zu Recht tun. Denn dann, wenn eine dieser Gewerkschaften einmal etwas gegen eine bestimmte Partei vorbringt, ({2}) gegen die Kommunistische Partei, sprechen Sie auch nicht von der parteipolitischen Neutralität der Gewerkschaften. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr zu diesem Punkte vor. Ich schließe die Aussprache hierüber. ({0}) - Zur Abstimmung der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich beantrage für den Antrag auf Umdruck 922 Ziffer 23 b namentliche Abstimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, zuerst ist über den Streichungsantrag auf Umdruck 914*) Ziffern 23 b und 24 b abzustimmen. Das können wir im Wege der einfachen Abstimmung tun. Wer dem Streichungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914 Ziffern 23 b und 24 b zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Das nächste ist der Antrag auf Umdruck 913**) Ziffern 18 und 19. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht - es ist ein Antrag der Fraktion der FDP -, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 922***) Ziffern 23 b und 24 b. Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt? - Das sind mehr als 50 Mitglieder des Hauses. Die namentliche Abstimmung erfolgt über beide Anträge gemeinsam. Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 922 Ziffern 23 b und 24 b, Änderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich eröffne die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmungskarten abzugeben, soweit das noch nicht geschehen ist. Sind noch Abgeordnete im Saal, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? - Dann schließe ich die namentliche Abstimmung. ({1}) Meine Damen und Herren, ich darf das vorläufige Ergebnis****) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. Es wurden abgegeben die Stimmen von 454 stimmberechtigten Abgeordneten. Mit Ja haben 163 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 284 Abgeordnete. Enthalten haben sich 7. Der Antrag ist abgelehnt. Es haben sich 16 Berliner Abgeordnete beteiligt. Davon haben 9 mit Ja gestimmt, 7 mit Nein; keine Enthaltungen. *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 12. ****) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10636. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Text von § 1277 - links - und § 49 - rechts -. Wer den beiden Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Ich rufe nunmehr auf zur Abstimmung den § 1278 - links - und den § 50 - rechts. Die Debatte ist beendet. Wir kommen zur Abstimmung über die beiden gleichlautenden Anträge der SPD Umdruck 914 Ziffer 23 c und Umdruck 922 Ziffer 23 c sowie Umdruck 914 Ziffer 24 c und Umdruck 922 Ziffer 24 c. Das ist in allen Fällen ein Streichungsantrag. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 913*) Ziffern 20 und 21. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt. Wer dem § 1278 - links - und dem § 50 - rechts - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Wir kommen nunmehr bei dem § 1279 - links - und dem § 51 - rechts - zur Abstimmung über den Streichungsantrag. Das sind die sozialdemokratischen Anträge Umdruck 914 Ziffer 23 d und Umdruck 922 Ziffer 23 d sowie Umdruck 914 , Ziffer 24 d und Umdruck 922 Ziffer 24 d. Wer den aufgerufenen Streichungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der FVP und DP auf Umdruck 916**) Ziffern 1 und 2. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Anträge sind angenommen. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 913*) Ziffern 22 und 23. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den § 1279 - links - und den § 51 - rechts - mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Ich rufe nunmehr auf den § 1282 - links - und den § 54 - rechts -, dazu den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914***) Ziffern 25 und 26. - Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom. *) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 7.

Otto Dannebom (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen in Ziffer 25 des Umdrucks 914, in § 1282 Abs. 1 die Worte „ , wegen Erwerbsunfähigkeit oder ein Altersruhegeld" zu streichen. Des weiteren beantragen wir, daß ein Absatz 1 a mit der in dem Umdruck enthaltenen Fassung eingefügt wird. Meine Damen und Herren! Der § 1282 behandelt, ebenso wie der § 54 des Angestelltenversicherungsgesetzes, das Zusammentreffen und Ruhen von Renten. Diese Frage ist in diesem Hause auch in der zurückliegenden Zeit schon öfter behandelt worden. Wir haben auch in der zweiten Lesung sehr heftig darum gestritten. Ich möchte, meine Damen und Herren, den letzten Versuch unternehmen, die Regelung des Ruhens der Rente günstiger zu gestalten. Die vorliegenden Rentengesetze sollen doch eine Rentenreform beinhalten. Für die in der zweiten Lesung beschlossenen verschlechternden Bestimmungen wird aber bei den davon betroffenen Menschen, gerade bei den Erwerbsunfähigen und Ruhegeldempfängern, die zugleich Bezieher von Unfallrente sind, kein Verständnis zu finden sein. Bisher wurde beim Zusammentreffen zweier Renten nur ein Viertel zum Ruhen gebracht. Durch die Beschlüsse zweiter Lesung aber wird gerade für die Schwerunfallbeschädigten und die Silikosekranken zum Teil eine Verschlechterung gegenüber dem bisher geltenden Recht herbeigeführt. Meine Damen und Herren, Herr Kollege Ruf und auch Herr Kollege Schütz haben in der zweiten Lesung von dem revolutionären Gedanken dieses Gesetzes gesprochen und den Leitgedanken in der Weise begründet, daß sie sagten, eine Mindestrente - die wir gefordert haben - habe in diesem Gesetz keinen Raum. Nun, meine Damen und Herren, wenn Sie eine Mindestrente nicht mit dem System der Beitragsrente in Einklang bringen können, dann, meine ich, können Sie nicht im gleichen Atemzug den Rechtsanspruch eines Unfallbeschädigten auf seine Erwerbsunfähigkeitsrente oder sein Altersruhegeld ablehnen. Deshalb, meine ich, wäre der Bundestag gut beraten, wenn er wenigstens das bisher geltende Recht nicht verschlechterte. Und noch eine letzte Bemerkung. Der Herr Kollege Horn hat heute in seiner großen Rede davon gesprochen, er und seine Fraktion seien sich darüber einig, daß das Gesetzeswerk, das wir verabschieden, Unvollkommenheiten enthalte. Das Anliegen meiner politischen Freunde geht dahin, daß Sie in dieser Frage des Zusammentreffens und Ruhens der Rente gemeinsam mit uns diese Unvollkommenheiten beseitigen. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 914*) Ziffern 25 und 26. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. ') Siehe Anlage 7. Ich lasse abstimmen über § 1282 - links - und § 54 - rechts. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf die §§ 1283 und 55, dazu die Änderungsanträge Umdrucke 911**) Ziffer 1 und 914*) Ziffer 27 und Umdrucke 911 Ziffer 2 und 914 Ziffer 28. Die Anträge stimmen jeweils überein. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den Änderungsanträgen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Umdruck 911 Ziffer 1, Umdruck 914 Ziffer 27, Umdruck 911 Ziffer 2 und Umdruck 914 Ziffer 28 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ohne Gegenstimmen angenommen. Ich stelle § 1283 - links - und § 55 - rechts - mit den soeben beschlossenen Änderungen zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen verabschiedet. Ich rufe auf die §§ 1292 - links - und 63 - rechts -, zugleich mit den Änderungsanträgen Umdruck 910***) Ziffern 22, 23, 24 und 25. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe in der zweiten Lesung unsern Änderungsantrag begründet. Ich wäre Ihnen in der CDU/CSU sehr dankbar, wenn Sie Ihren Entschluß, den wir für eine Fehlentscheidung halten, rückgängig machen und die Formulierungen, die wir Ihnen vorschlagen, annehmen könnten. Damit wäre dafür Sorge getragen, daß alle Erbberechtigten, auch der Personenkreis, der Ihnen vorschwebt, die letzte Rente bezieht, wenn er mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, ihm den Haushalt geführt hat und von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Damit würde aber nicht nur der Personenkreis der verheirateten Männer bevorzugt sein, sondern es würde auch der nähere Verwandte einer Versicherten und nicht nur eines verheirateten Versicherten berücksichtigt werden. Ich glaube, daß dieser nach juristischen Grundsätzen geprüfte Antrag von uns dem Bedürfnis, daß auch Sie bewegt, entspricht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn annehmen könnten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 910 Ziffern 22 und 24. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 910 Ziffern 23 und 25. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Ich lasse nunmehr über die §§ 1292 - links - und 63 - rechts - abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen. **) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 4. ({0}) Ich komme jetzt zu den §§ 1299 und 72, dazu die Änderungsanträge Umdruck 913*) Ziffern 24 und 25. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Hammer.

Dr. Richard Hammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000795, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Deutschland sind Geldschulden grundsätzlich „Bringschulden" und nicht „Holschulden". Dieses Gesetz soll die Lage der Rentner verbessern. Wir wünschen daher, daß ihre Rechtslage der Rechtslage der übrigen Staatsbürger angepaßt wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 913*) Ziffern 24 und 25. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich muß die Abstimmung leider wiederholen. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse jetzt über die Paragraphen selbst abstimmen: § 1299 - links - und § 72 - rechts -. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Ich rufe nunmehr auf den § 1304 und den § 80, d. h. die Änderungsanträge Umdruck 909**) Ziffern 9 und 10 und Umdruck 914 ***) Ziffern 29 und 30 auf Einfügung eines § 1304 a und eines § 80. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Döhring.

Clara Döhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000395, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der zweiten Lesung dieser Gesetzentwürfe wurde der Anspruch auf Pflegegeld für Rentenempfänger von allen Seiten des Hauses aus menschlichen und ethischen Gründen bejaht. Das hat mich um so mehr bewogen, den Antrag meiner Fraktion heute in der dritten Lesung noch einmal zu begründen. Mit diesem Antrag wollen wir nicht mehr und nicht weniger, als daß die hilflosen, pflegebedürftigen Rentner - und in diesem Sinne sind selbstredend auch die Blinden in dem Antrag einbezogen - ein Pflegegeld aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten bekommen, und zwar in der Höhe eines Fünftels der allgemeinen Bemessungsgrundlage. Das wären rund 75 DM im Monat. Ich möchte ganz kurz auf zwei Gesichtspunkte eingehen, aus denen Sie, meine Herren und Damen auf der rechten Seite des Hauses glaubten, nicht zustimmen zu können. Der eine Grund lag in der Besorgnis, daß man jeden Fall individuell prüfen müsse und daß der Begriff der Pflegebedürftigkeit schwer zu finden sei. Ich glaube sagen zu können, daß dieser Einwand nicht stichhaltig ist, und möchte behaupten, daß die Feststellung dieses Begriffs beinahe - ich betone: beinahe - von einem Laien, zumindest aber sehr leicht von einem Arzt ge- *) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 7. troffen werden kann; denn es handelt sich ja nur um eine weitere Stufe zu den bereits bestehenden beiden Begriffen der Berufsunfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit. Darüber hinaus noch festzustellen, wer hilflos ist und nicht ohne fremde Wartung und Pflege sein kann, dürfte doch für den Arzt viel, viel einfacher sein, als die beiden ersten Begriffe immer und in jedem Fall gerecht festzustellen. Nun zu dem anderen Einwand, der dahin ging, daß die Schaffung eines Pflegegeldes nicht Angelegenheit der Rentenversicherung sei, sondern Sache der Fürsorge. Aus dieser Auffassung heraus haben Sie heute auch dem Hohen Hause einen Entschließungsantrag vorgelegt, einen von der CDU/CSU und einen ähnlichen von der Deutschen Partei. Aber was Sie in diesen Entschließungsanträgen wollen, geht doch völlig an dem Problem vorbei. Hier handelt es sich doch nicht um Fürsorgeempfänger, ({0}) hier handelt es sich um Menschen, die jahrzehntelang treu und brav ihre Beiträge in der Rentenversicherung gezahlt haben. Diese Menschen können Sie, wenn sie hilflos sind, doch nicht zum Fürsorgeamt schicken! Wer als Arbeiter oder als Angestellter während der besten Zeit seines Lebens der Volkswirtschaft zur Verfügung gestanden hat, der kann erwarten, daß er, wenn er nun hilflos ist und der Pflege bedarf, einen Rechtsanspruch auf Pflegegeld bekommt, so wie es auch der Art. 20 des Grundgesetzes für ihn vorsieht. Ich beantrage namens meiner Fraktion wegen der grundsätzlichen Bedeutung unseres Antrages namentliche Abstimmung. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.

Dr. Willy Reichstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001803, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erinnere nur noch einmal ganz kurz daran, daß Sie selbst, auch in der Begründung des Gesetzes, die sozial-ethischen Grundsätze so ausgelegt haben, daß Sie eine besondere Hilfe der Versichertengemeinschaft bei außergewöhnlichen Schicksalsschlägen einzelner Versicherter einrichten wollen. Ich erinnere daran, wie wir Sie darauf hingewiesen haben, daß Blindheit und sonstige Pflegebedürftigkeit wie Querschnittslähmung und Tumorerkrankungen eben solche schon genau im Gesetz genannten außergewöhnlichen Schicksalsschläge sind. Es handelt sich dabei - das darf ich noch einmal sagen - nicht um gesetzesfremde Personen, sondern um Versicherte. Sie haben einen Entschließungsantrag vorgelegt. Bei nüchterner Beurteilung ist er nichts anderes als eine Verschiebung des Problems ins Ungewisse. ({0}) In dem Entschließungsantrag erkennen Sie aber letztlich die Notwendigkeit besonderer Maßnahmen an. Erkennen Sie sie richtig an, indem Sie unseren Änderungsanträgen zustimmen! ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.

Dr. Viktoria Steinbiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002233, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe schon in der zweiten Lesung begründet, warum wir diesen Anträgen nicht stattgeben können. Wir haben das bedauert, und wir bedauern es auch heute. Es wird nun gesagt, wir drückten durch unsere Entschließung aus, daß wir das Problem anerkennen. Das tun wir auch. Wir erkennen dieses Problem an. ({0}) Wir möchten diesen Leuten gern helfen; wir können es aber nicht. Gerade Herr Professor Schellenberg hat heute wieder von dem Gesetz als einem leistungsgebundenen Gesetz gesprochen. Diesen Charakter wollen wir dem Gesetz erhalten. Und daher legen wir Ihnen eine Entschließung vor. Es wird nun eingewandt, die Angelegenheit werde mit der Entschließung weit weggeschoben. Nein, das trifft nicht zu. In der Mehrzahl der Bundesländer bestehen ja, wie ich schon das vorige Mal vortragen konnte, Regelungen für die Blinden. Wir möchten nun, daß unsere Regierung mit den Ländern, in denen es solche Maßnahmen noch nicht gibt, Erwägungen anstellt, was man hier tun kann. Ich halte das gar nicht für abwegig. Ich glaube, daß auf diesem Wege den Leuten, die noch nicht in dem Genuß einer solchen Unterstützung sind, schnell geholfen werden kann. Im Bundesinnenministerium sind Vorbereitungen im Gange, ein neues, erweitertes Fürsorgerecht zu erarbeiten. Wir können nur dem Wunsch Ausdruck geben, daß das Innenministerium dieses Gesetz mit tunlichster Beschleunigung bearbeiten möge, damit wir dann im Ausschuß Gelegenheit haben, zu bewirken, daß die Blinden und die anderen gefährdeten Kranken, die der Pflege besonders bedürftig sind, ausdrückliche Berücksichtigung erfahren. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, die Anträge der SPD und des BHE abzulehnen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Steinbiß, Sie haben von einem leistungsgebundenen Recht gesprochen, das ich hier vertreten hätte. Ich vermag wirklich nicht einzusehen, was das mit Ihrer Ablehnung des Pflegegeldes zu tun hat. ({0}) Wir wollen für Schwersterwerbsunfähige, wenn Sie so sagen wollen, gesetzlich eine Leistung begründen. Wie man unter dem Hinweis auf Fürsorgerecht und die Länder diese Leistung der Sozialversicherung verweigern will, ist wirklich nicht ersichtlich. Ich möchte Ihnen auch den Vorwand nehmen, den wir bei anderen Dingen gehört haben, unser Antrag würde zuviel kosten. Ich möchte Ihnen sagen, daß Berlin in den Jahren seiner größten Not in der Sozialversicherung einen Rechtsanspruch auf Pflegegeld geschaffen hat, der jetzt abgeschafft ist, aber für frühere Bezieher des Pflegegeldes noch weiter gewährt wird. Wir haben genaue Erfahrungen über den Personenkreis, und ich kann Ihnen sagen, daß der Gesamtaufwand im Bundesgebiet nicht über 30 Millionen Mark liegen wird. Bei dieser Größenordnung und der des Gesetzes ein wahrlich kleiner Betrag, aber von großer sozialer Bedeutung ({1}) für die schwerstbeschädigten Menschen, nämlich Pflegebedürftige. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.

Josef Schüttler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002092, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich brauche es nicht zu wiederholen: Wir vertreten auch in dieser Frage die gleiche Einstellung, die wir im Ausschuß und bei der zweiten Lesung vertreten haben. Ich betone heute noch einmal, daß die in dem Antrag der SPD vorgeschlagene Regelung ein Fremdkörper in diesem Gesetz ist. ({0}) Das Pflegegeld hat den Charakter der Einzelbetreuung, und die Einzelbetreuung ist in diesem Gesetz mit Rechtsansprüchen einfach nicht zu begründen. Sie können sich nicht auf die Instanzen drunten verlassen, denen die Durchführung dieser Maßnahmen obliegen würde. Sie müßten Apparaturen schaffen, die in dieses Gesetz nicht hineingehören. ({1}) Das Pflegegeld ist genau wie die Elternrente ein Fremdkörper im Rentengesetz. ({2}) - Wir können solche Einzelmaßnahmen, die Betreuung einzelner Menschen im Rentengesetz beim besten Willen nicht regeln. Es ist durchaus nicht so, daß wir mit dem Einzelschicksal nicht verbunden sind, aber es sind andere Maßnahmen notwendig, wenn man sich dem Einzelfall widmen will. Diese Maßnahmen gehen über den Rechtsanspruch des einzelnen auf Rente hinaus. Wir können Ihnen mit dem besten Willen nicht folgen und können Ihnen aus diesen Gründen nicht zustimmen. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache. Meine Damen und Herren, ich darf festhalten: Es liegen zwei gleichlautende Anträge vor, zwischen denen nur ein Unterschied besteht. In dem einen Antrag heißt es „ neben dem Altersruhegeld", im anderen „ z u dem Altersruhegeld". Soweit es mir als Juristen zusteht, über die Schönheit der Sprache zu urteilen, würde ich vorschlagen, „neben dem Altersruhegeld" zu sagen. Besteht damit Einverständnis? - Ja. Dann können wir gemeinsam über die Anträge abstimmen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt; der Antrag ist hinreichend unterstützt. Wir stimmen ab über die Anträge auf den Umdrucken ({0}) 909*) Ziffer 9, 914**) Ziffer 29, 909 Ziffer 10, 914 Ziffer 30. Diese Anträge sind gleichlautend mit der Formulierung, die ich soeben erwähnt habe. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({1}) Meine Damen und Herren, wir können in der Beratung fortfahren. Ich rufe auf § 1383 - links - und § 110 - rechts -, zugleich mit dem Umdruck 910 Ziffern 26 und 27 und dem Umdruck 913 Ziffern 26 und 27. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag ,der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 910***) Ziffern 26 und 27. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen gegen wenige Stimmen abgelehnt. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 913****) Ziffern 26 und 27. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen abgelehnt. ({2}) - Meine Damen und Herren, ich darf um etwas Ruhe bitten, damit wir mit der Abstimmung zügig vorankommen. Ich rufe jetzt die §§ 1383 - links - und 110 - rechts - selber auf. Ich bitte um das Handzeichen der Zustimmenden. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Wir kommen zu den §§ 1385 - links - und 112 - rechts - mit den Umdrucken 914*****) Ziffern 31 und 32 und 910 Ziffern 28 und 29. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten beantragen, den Beitrag nicht zu erhöhen, sondern ihn bei 12 0/o zu belassen. Ich habe eine gründliche Darstellung unserer Auffassung über die finanziellen Berechnungen am letzten Freitag gegeben. Dabei habe ich scharf kritisiert, daß dem Hause noch nicht einmal eine Aufstellung über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben nach diesem Gesetz vorliegt. Das hat die Bundesregierung veranlaßt, wenigstens nachträglich dem Hause jene Aufstellung zu überreichen, die Sie vielleicht noch in Händen haben. Aber diese Aufstellung, die detailliert und, das gebe sich zu, gründlicher ist als das Zahlenmaterial, das wir vom Bundesarbeitsministerium erhalten haben, enthält auch einige Dinge, die nicht in Ordnung sind. Denn es ist unzulässig, in Position 1 die Rentenausgaben des Jahres 1956 zu nennen, ohne die Ausgaben für Sonderzulagen zu erwähnen. Man kann darüber streiten, ob man sie hätte einrechnen müssen; aber man hätte mindestens anmerken müssen: ohne Sonderzulagen. Die *) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 4. ****) Siehe Anlage 6. *****) Siehe Anlage 7. Sonderzulagen machen 900 Millionen DM aus. Das ist unterblieben, und damit wird das Gewicht von vornherein schon falsch. Man hätte weiter bei einer solchen Aufstellung über die finanziellen Auswirkungen natürlich auch die anderen Aufstellungen berücksichtigen müssen, die zwar den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses bekannt sind, aber nicht dem Hause. Es handelt sich um die Positionen des Bundeshaushalts, in denen sich Einsparungen in Höhe von 417 Millionen DM ergeben. Insofern ist schon unter Berücksichtigung des Zahlenmaterials der Bundesregierung die dem Hause gegebene Aufstellung nicht ganz richtig, und sie gibt von den Größenordnungen der Rentenerhöhungen ein falsches Bild. Das müssen wir Sozialdemokraten beanstanden. Noch etwas anderes ist zu kritisieren. Diese Aufstellung weist unten den Stand des Vermögens der Versicherungsträger Mitte 1956 mit 8,3 Milliarden DM aus; die Angaben stammen vom Bundesfinanzministerium. Demgegenüber stehen die Allgemeinen Vorbemerkungen zum Bundeshaushalt, auch vorgelegt vom Bundesfinanzministerium. Ich schlage auf die Aufstellung Seite 208, Vermögensübersicht der Träger der Rentenversicherung 1956. Mit dem Vermerk „Schätzung" wird ein Betrag von 9 Milliarden 600 Millionen DM ausgewiesen, also ein Betrag, der gegenüber dem in der Aufstellung um 1 Milliarde 300 Millionen DM höher ist. Nun werden die ganz Klugen sagen, darin sei auch das Vermögen der Knappschaft enthalten, das 300 Millionen DM beträgt. Das bedeutet also eine Differenz zwischen der Aufstellung in den Vorbemerkungen des Haushaltsplans und der, die das Haus erhielt, von 1 Milliarde DM. Sie kritisieren Anträge bzw. Forderungen der Sozialdemokraten in einer Größenordnung von 40 und 50 Millionen DM und sagen, sie seien finanziell undurchführbar, und dann legt uns die Bundesregierung Unterlagen vor, in denen sich hinsichtlich des Vermögens der Rentenversicherungsträger Differenzen in ,der Größenordnung von 1 Milliarde DM befinden! Das zeigt wieder einmal, wie wenig sorgfältig diese Dinge vorbereitet sind. Ich meine, um der Vereinfachung der Arbeit des Hauses willen ist es zweckmäßig, wenn ich gleichzeitig mit der Begündung dieses Antrags über die Höhe des Beitragssatzes mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die nächsten Ziffern, nämlich 'die Ziffern 33 und 34 des Antrags Umdruck 914 - zu den §§ 1389 bzw. 116, Bundeszuschüsse - begründe, und zwar deshalb, weil die Höhe des Beitragssatzes mit dem Bundeszuschuß in einem inneren Zusammenhang steht. Denn die Leistungen müssen aus Beiträgen und Bundeszuschüssen gedeckt werden; darüber sind wir uns einig. Wir sind uns aber nicht einig über die Höhe des Bundeszuschusses. Ich habe schon wiederholt erklärt, und es bedarf keiner Begründung mehr, daß nach der Regierungsvorlage und der Ausschußvorlage der Bundeszuschuß, gemessen an der Höhe des Rentenaufwands, verringert, der Anteil von jetzt 42 % der Rentenausgaben auf 31 % der Rentenausgaben gesenkt werden soll. Nur dadurch ergibt sich für Sie die Notwendigkeit einer Erhöhung des Beitrags. Wir Sozialdemokraten lehnen die Erhöhung des Beitrags ab, weil wir auf dem Standpunkt stehen, der Anteil des Bundeszuschusses sollte nicht verringert werden. Abgesehen davon unternehmen Sie es, durch die Fassung von § 1389 Abs. 1 und § 116 Abs. 1 noch festzulegen, daß die Zuschüsse des Bundes für die ({0}) Leistungen der Alterssicherung fortfallen. Wir haben bereits bei der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß es sich hier um eine Maßnahme handelt, die in der Sozialversicherung aller Länder einmalig ist. Es ist noch in keinem Lande vorgekommen, daß der Staat Zuschüsse zur Altersversicherung, die er gewährt hat, für die Zukunft fortfallen läßt. Das unternehmen Sie hier. Deshalb müssen wir zu unseren Anträgen auf Umdruck 914 Ziffern 33 a und 34 a, nämlich zu der Frage, ob der Bund weiter Staatszuschüsse zu den Altersrenten zahlen soll oder nicht, namentliche Abstimmung beantragen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf zuerst einmal fragen, ob noch Damen und Herren im Saale sind, die bei der im Gange befindlichen namentlichen Abstimmung ihre Stimme noch nicht abgegeben haben. ({0}) - Dann bitte ich dies sofort zu tun. ({1}) - Nein, sie war noch nicht geschlossen, daß weiß ich zufällig. - Dann schließe ich hiermit die Abstimmung. ({2}) Meine Damen und Herren, wünscht noch jemand zu den aufgerufenen Paragraphen das Wort? - Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Dann lasse ich jetzt abstimmen über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 914*) Ziffern 31 und 32. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Dann lasse ich abstimmen über die Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 910**) Ziffern 28 und 29. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die große Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Ich lasse nunmehr abstimmen über die Bestimmungen selbst, § 1385 - links - und § 112 - rechts -. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Ich rufe nunmehr auf § 1389 -links - und § 116 - rechts - mit den Anträgen der Fraktion der SPD auf Umdruck 914*) Ziffern 33 und 34. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Meine Damen und Herren, bevor ich zur Abstimmung komme, darf ich das vorläufige Ergebnis***) der letzten namentlichen Abstimmung bekanntgeben. Es haben 453 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt. 197 gaben die Ja-Karte ab, 255 die Nein-Karte, einer hat sich enthalten; der Antrag ist abgelehnt. Von 16 Berliner Abgeordneten, die ihre Stimme abgegebenhaben, stimmten mit Ja 11, mit Nein 5. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Anträge auf Umdruck 914*) Ziffern 33 und 34. Hier- *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 4. ***) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 10637. zu ist von der Fraktion der SPD namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich eröffne die namentliche Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln. ({3}) Meine Damen und Herren, wir können inzwischen fortfahren. Ich rufe die Anträge Umdruck 910 Ziffern 30 und 31 auf Einfügung eines § 1389 a - links - und eines § 116 a - rechts - auf. Wird zu diesen Anträgen ,das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Aussprache. Wer den Änderungsanträgen der Deutschen Partei auf Umdruck 910**) Ziffern 30 und 31 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Die Anträge auf Einfügung der neuen Paragraphen sind damit erledigt. Wir kommen nunmehr zu § 1427 - links - und § 149 - rechts - mit den Anträgen Umdruck 910 Ziffern 32 und 33. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den Änderungsanträgen der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 910 Ziffern 32 und 33 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die große Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Ich lasse über die Paragraphen selbst, § 1427 - links - und § 149 - rechts - abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen. Wir kommen weiter zum Artikel 2, und zwar zu § 1 - rechts -. Dazu liegt der Antrag Umdruck 911***) Ziffer 3 vor. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 911 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen. Ich habe dann noch den nachgereichten Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 920****) zum gleichen Paragraphen aufzurufen. Er war noch nicht aufgerufen. Daher muß ich Ihnen das Wort erteilen, Herr Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! In Artikel 2 § 1 sind Möglichkeiten zur Befreiung von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung geschaffen worden. Für Personen, die bisher nicht versicherungspflichtig waren, werden neue Umstände eintreten. Unter dem Buchstaben b werden diejenigen Personen befreit, die beim Inkrafttreten des Gesetzes mit einer öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmung unter bestimmten Voraussetzungen Verträge abgeschlossen haben. ({0}) - Das würde meinen Antrag auch nicht berühren. Wir beantragen, in diesem Paragraphen einen Buchstaben c einzufügen, der besagt, daß das gleiche **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 5. ****) Siehe Anlage 10. ({1}) Recht unter den gleichen Voraussetzungen diejenigen Personen genießen sollen, die bei einem Versorgungsverband der Wirtschaft für den Fall des Todes oder des Erlebens versichert sind. Diese Personen sind bisher nicht erfaßt, da diese Versorgungsverbände nicht als öffentliche oder private Versicherungsunternehmen anzusehen sind. Es handelt sich da z. B. um den Versorgungsverband deutscher Wirtschaftsorganisationen in Oberhausen, der eine Verbindung mit den Industrie- und Handelskammern hat, usw. Es ist nicht mehr als recht und billig, daß man diesem Personenkreis genau die gleichen Möglichkeiten und Vorrechte gibt wie denen, die nach der Ausschußfassung berechtigt werden. Ich bitte Sie, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich habe zuerst zu fragen, ob zu der noch offenen namentlichen Abstimmung noch Stimmen abzugeben sind. - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die namentliche Abstimmung. Wird zu dem hier aufgerufenen Paragraphen noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 920**) abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über § 1 rechts mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der § 1 ist angenommen. Ich habe noch das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekanntzugeben. Es haben von 448 an der Abstimmung beteiligten stimmberechtigten Abgeordneten mit Ja 165 gestimmt, mit Nein 283; enthalten hat sich niemand; der Antrag ist abgelehnt. Von 16 Berliner Abgeordneten haben 9 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt; enthalten hat sich niemand. Dann darf ich über § 1389 - links - und § 116 - rechts - abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr bei Artikel 2 § 4 - links - und § 5 - rechts - auf, dazu Umdruck 914 Ziffern 35 und 36 auf Neufassung sowie Umdruck 913 Ziffern 28, 29 und 30. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Preller.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist zwar bereits in der zweiten Lesung gestellt und begründet worden; aber wir haben den Eindruck, daß in der Eile am Freitag abend die Dinge nicht ganz so angekommen sind, wie es erforderlich ist. Es handelt sich, soweit Änderungen in Betracht kommen, in erster Linie um die Selbstversicherung. Sie lehnen sie ab; sie kommt nicht in' das Gesetz. Es geht aber um die Menschen, die von der Möglichkeit der Selbstversicherung Gebrauch gemacht haben, und diese hat ja nun einmal mindestens bis zum 31. Dezember 1956 bestanden. Es wäre jetzt sogar noch die Möglichkeit so lange vorhanden, bis das Gesetz verkündet ist und bis es sich herumgesprochen hat, daß die Selbstversicherung nicht mehr besteht. Unter der Voraussetzung der rechtlichen Zulässigkeit der Selbstversicherung hat eine ganze Reihe von Men- *) Vergleiche das endgültige Ergebnis Seite 10637. **) Siehe Anlage 10. schen diese Versicherungsart in Anspruch genommen. Nun nehmen Sie ihnen mit einem Federstrich die Möglichkeit der weiteren Selbstversicherung. Sie sagen zwar: Wir zahlen dir deine Beiträge, die du im Jahre 1956 geleistet hast, zurück. Aber unter denjenigen, die die Selbstversicherung eingegangen haben, mögen welche sein, die praktisch keine Möglichkeit haben, eine Lebensversicherung abzuschließen; sie mögen ein Gebrechen oder sonst etwas haben. Ihnen nehmen Sie diese Möglichkeit der weiteren Selbstversicherung. ({0}) - Das wollen Sie, Herr Schüttler; aber damit begehen Sie diesen Leuten gegenüber zwar nun nicht gerade einen Rechtsbruch, aber Sie brechen damit jedenfalls die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit; so darf ich es einmal sagen. Da es sich ja nun nicht gerade um sehr viele Menschen handelt, sehen wir gar nicht ein, warum Sie in einem Punkt, der für die Betroffenen sehr wichtig ist, für die Gesamtheit aber kaum ins Gewicht fällt, diese Bestimmung treffen. Uns scheint, daß Sie hier weder den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit entsprechen, die doch alle Seiten dieses Hauses gewahrt sehen möchten, noch daß das, was Sie hier tun, sehr logisch ist. ({1}) Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch!

Dr. Wilhelm Jentzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001028, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wiederholen den Antrag, den wir in der zweiten Lesung gestellt haben. Wir sind der Auffassung, daß es unmöglich ist, ein Recht, einen Anspruch, der jemandem erwachsen ist, mit rückwirkender Kraft einfach abzuschneiden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914*). Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit Mehrheit abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 913**). - Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit Mehrheit abgelehnt. Der nächste Änderungsantrag liegt vor zu § 10 - links - und § 10 - rechts. Es ist der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914*) Ziffern 37 und 38. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Mit Mehrheit abgelehnt. Der nächste Änderungsantrag liegt vor zu § 30 - links - und § 28 - rechts. Es ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 911***) Ziffern 4 und 5. Begründung? - Herr Abgeordneter Stingl. *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 5.

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der zweiten Lesung über die Frage unterhalten, ob ein Bescheid zu erteilen ist, wenn die Renten umgestellt sind. Wir haben den diesbezüglichen Antrag der SPD-Fraktion abgelehnt, haben aber zugesagt, daß wir die Frage prüfen wollen. Wir haben sie geprüft und halten es im Interesse der Beschleunigung für die Kenntnis des Rentners so für richtig, wie wir es Ihnen vorschlagen, nämlich daß die Post in der Lage ist, dem Rentner eine Mitteilung zu geben. Sollte der Rentner dann finden, daß diese Mitteilung ihm nicht genügend Auskunft gibt, ist unter allen Umständen der Weg, den auch die Reichsversicherungsordnung und das Angestelltenversicherungsgeset sonst offenlassen, gegeben. Er kann dann einen Bescheid erzwingen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 911**) Ziffern 4 und 5 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den § 30 - links - und den § 28 - rechts - in der durch die Annahme dieses Änderungsantrages geänderten Fassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Der nächste Änderungsantrag - Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 914*) Ziffern 39 und 40 - bezweckt die Einfügung eines § 34 a. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter 1 Bals.

Hans Bals (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000085, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag der SPD unter den Ziffern 39 und 40 sieht folgende Regelung vor. Der zweite Abschnitt der Übergangsvorschriften regelt das Problem der Altrenten. Die Ausschußvorlage sieht eine schematische Umstellung der Renten vor, welche vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes gezahlt wurden. Unser Antrag enthält die Möglichkeit, dem Rentner das Recht zu geben, eine Umrechnung seiner Rente nach Artikel 1 dieses Gesetzes zu beantragen, falls er in der Lage ist, sämtliche Unterlagen seiner Versicherungszeiten beizubringen. Damit wollen wir dem Altrentner, falls ihm nach ,der neuen Rentenformel eine höhere Rente zusteht, diese nicht vorenthalten. In dem Artikel 1 steckt das Problem der Ausfallzeiten, der Ersatz- und Anrechnungszeiten, welche durch Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit und Militärdienst entstehen. Ich möchte mich wegen der Strapazierung des Hauses mit diesem Problem nicht weiter beschäftigen. Noch ein Wort zum Absatz 2 unserer Antrages. Dieser Absatz hat zur Folge, daß 'die Höchstbeträge keine Anwendung finden sollen. Wir sehen nicht ein, daß auf einen Rentner, der jetzt eine Rente bezieht und nachweisen kann, daß ihm nach Artikel 1 eine höhere Rente zusteht, die nach § 33 bzw. § 31 dieses Artikels vorgesehenen Höchstbeträge Anwendung finden sollen. Diese jetzige Regelung ist eine eindeutige Benachteiligung eines Teiles der Altrentner; denn für die Berechnung der neu *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 5. hinzukommenden Renten kommen diese Höchstbeträge nicht in Betracht, die zukünftigen Renten sind Beitragsrenten. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914*) Ziffern 39 und 40 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt. Nun § 35. Dazu liegen eine ganze Reihe von Änderungsanträgen vor, zunächst der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 913**) Ziffern 31 und 32 auf Neufassung. Frau Abgeordnete Friese-Korn!

Lotte Friese-Korn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000597, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Herren und Damen! Unseren Antrag auf Einführung einer Zusatzrente wiederholen wir hier in den Übergangsbestimmungen. Wir begrenzen also unseren Antrag auf den Kreis der Versicherten, die jetzt bei der Rentenumstellung nach diesem Gesetz unzureichend oder gar nicht berücksichtigt werden. Dieser Antrag hat in der zweiten Lesung eine heftige Diskussion ausgelöst. Wir wurden angegriffen; es wurde uns aber gleichzeitig von den Rednorn aller Fraktionen zugestanden, daß es sich hier um ein echtes soziales Anliegen handelt. Zu diesem § 35 halten wir unseren Änderungsantrag für die beste Lösung. Wir halten den Vorschlag 'der CDU, Zuschläge in der Höhe von 21 bzw. 14 DM zu gewähren, nicht für ausreichend, weil er nicht den Erfolg hat, daß die Versicherten, die nach dem vorliegenden Gesetz zu unserem großen Bedauern keinerlei Verbesserung erfahren, aus der Fürsorge herauskommen. Unser Antrag bezweckt, mit der Zusatzrente, für die wir einen Grenzbetrag von 130 DM für den Alleinstehenden und 180 DM für das Ehepaar festgesetzt haben, die Betreffenden der Notwendigkeit zu entheben, weiterhin Anträge bei der Fürsorge zu stellen. Damit komme ich zu dem zweiten Vorwurf, der von Herrn Schellenberg in der zweiten Lesung ausgesprochen wurde und der einfach nicht den Tatsachen entspricht; aber wir nehmen an, daß Herr Schellenberg nicht berücksichtigt hat, daß wir den Vorschlag machen, 'daß nur die Versicherten, die die Zusatzrente in Anspruch nehmen, einen Antrag stellen müssen. Es handelt sich nicht um 6 Millionen Rentner, Herr Schellenberg, sondern nur um diesen Kreis, und nur dieser Kreis muß den Nachweis führen, daß er den Grenzbetrag noch nicht erreicht. Da er auch einen Antrag bei der Fürsorge stellen müßte, trifft 'der Vorwurf einer zusätzlichen Verwaltungsarbeit also nicht zu. Es hat uns sehr gefreut, Herr Schellenberg, daß Sie uns zugestanden haben, daß wir in dieser Beziehung besonders Obacht geben und die Verwaltungsapparatur nicht zu vergrößern wünschen. Das stimmt. Auch das ist also hier 'bedacht worden. Wir haben uns überzeugt, daß die Unterlagen für die Nachweise von den Versicherungsanstalten ohne wesentliche Mehrbelastung beschafft werden können. Ich muß noch etwas zu dem Vorwurf sagen, daß ausgerechnet wir, die wir auf die Einhaltung des Versicherungsprinzips bedacht sind, hier nun so merklich dagegen verstießen. Es ist mir völlig un- *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ({0}) erklärlich, ,daß die beiden Fraktionen den Vorwurf machen, die mit ihren Anträgen in dieser Situation auch nichts anderes vorschlagen können als - wenn Sie es so nennen wollen - einen Verstoß gegen die Versicherungsgrundsätze. Auch die Zuschläge von 14 und 21 DM sind versicherungstechnisch nicht einwandfrei, auch nicht die von der SPD vorgeschlagene Mindestrente. Meine Damen und Herren, wenn wir schon darüber reden wollen, wäre manches gegen Ausweitungen und gegen Verstöße gegen das Versicherungsprinzip zu sagen. Denken wir nur an die Ausfall- und Ersatzzeiten, bei denen sich vielleicht manches hätte vermeiden lassen. Den Zurechnungszeiten bei der Berufsunfähigkeitsrente müssen wir zustimmen, weil sich für die Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente keine bessere Lösung finden läßt. Wir sollten also nicht päpstlicher sein als der Papst. Gegen diese Vorwürfe mußte jedenfalls noch ein Wort gesagt werden. Aber zurück zu dem sozialen Anliegen. Es wäre für uns eine große Enttäuschung, wenn Sie bei einer ernsthaften Prüfung unseres Antrags nicht den besseren Weg wählten, ({1}) der unserer Meinung nach in der Zusatzrente liegt. Wenn den Versicherten klar wird, ,daß sie mit dieser Lösung davor bewahrt worden wären, das Odium des Fürsorgeempfängers auf sich zu nehmen, wenn sie merken, daß sie dann ihre Rente aus einer Hand, nämlich von ihrer Rentenzahlstelle, bekommen hätten, werden sie sich wohl sagen, daß sie mit der Zusatzrente von 14 und 21 DM, die sie trotzdem immer noch unterhalb der Fürsorgegrenze läßt, nicht genügend bedacht worden sind. Wir hoffen jedenfalls, daß sich wenigstens für diese ärmsten der Armen, die jetzt vor der großen Enttäuschung stehen, daß das Gesetz ihnen keine Aufbesserung bringt, noch etwas einbauen läßt, was eine wesentliche Änderung bringt. Daß darüber hinaus noch weitere Gruppen vorhanden sind, deren Aufbesserung so minimal ist, daß sich keiner von uns damit zufrieden geben kann, wissen Sie, die Sie dem Gesetz zustimmen wollen, genau so wie wir. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zu dem Änderungsantrag Umdruck 914*) Ziffer 41 Herr Abgeordneter Geiger.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen zu § 35 und 33 einen Änderungsantrag vorgelegt, der von dem Antrag abweicht, der soeben von Frau Kollegin Friese-Korn begründet worden ist: Wir wollen mit unserem Änderungsantrag erreichen, daß nicht nur der Mindestzuschuß von 21 bzw. 14 DM gezahlt wird, sondern daß die Renten grundsätzlich auf 100 DM aufgestockt werden, wenn dieser Betrag nicht erreicht wird. Wir haben bereits im geltenden Recht, nämlich in der Angestelltenversicherung, eine ähnliche Regelung. Dort wird jetzt schon als Mindestrente ein Betrag von 75 DM gezahlt. Hinzu kommt der Betrag von 21 DM, so daß sich ein Betrag von 96 DM ergibt. In der Arbeiterversicherung dagegen beträgt die Mindestrente 55 DM, so daß einschließlich der 21 DM insgesamt nur 76 DM gezahlt werden. Wir haben jetzt das Prinzip des gleichen Beitrags festgelegt; dazu ge- ') Siehe Anlage 7. hört auch das Prinzip der gleichen Leistung. Gegen das Versicherungsprinzip verstößt diese Regelung nicht stärker als die bisher schon im Gesetz vorgenommenen Änderungen. Wir müssen gegen das Versicherungsprinzip auch bei der Aufstockung auf 21 bzw. 14 DM insofern verstoßen, als nicht die Höchstgrenze gewährt wird, die sich aus dem Gesetz ergeben würde, sondern eine Begrenzung der Rente festgelegt wird. Im übrigen darf ich mich auf die Begründung in der Debatte am heutigen Vormittag und in der zweiten Lesung berufen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich habe den Eindruck, daß der Antrag Umdruck 914 Ziffer 41, der eben begründet worden ist, weiter geht als der Antrag Umdruck 913 Ziffer 31. - Ich rufe zunächst auf den Änderungsantrag der Deutschen Partei Umdruck 910 Ziffer 34. - Keine Wortmeldungen. Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914 Ziffer 42! - Ebenfalls keine Wortmeldungen. Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 911 Ziffer 6! Wird das Wort zur Begründung gewünscht? ({0}) - Sie verzichten. - Änderungsantrag der SPD Umdruck 914 Ziffer 43! - Keine Wortmeldungen. Ich eröffne die Beratung über sämtliche Änderungsanträge, die eben aufgerufen worden sind. - Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider einige Worte zu den Ausführungen von Frau Kollegin Friese-Korn sagen. Wir geben zu und wir wissen alle. daß wir in diesem Gesetz nicht streng nach Versicherungsprinzip verfahren. Das zeigen Aufstockungsbeträge und Sonderzuschüsse, die gewährt werden. Aber, Herr Kollege Jentzsch, als Jurist sollten Sie doch insbesondere wissen, daß ein großer Unterschied besteht, ob man auf der einen Seite nicht nach Versicherungsprinzip oder ob man auf der anderen Seite - und das wollen Sie - nach fürsorgerechtlichen Bedürftigkeitsprinzipien verfährt. Da beginnt der entscheidende Gesichtspunkt. Was Sie beantragen, bedeutet, die Prüfung von Einkommensverhältnissen in die Rentenversicherung hineinzubringen. Das scheint uns ein bedenklicher Weg zu sein. Deshalb habe ich Ihnen schon bei der zweiten Lesung gesagt: Wehret den Anfängen! Sie begeben sich hier im Bereich der Sozialversicherung auf eine schiefe Ebene. Nun hat Frau Kollegin Friese-Korn gesagt: Es betrifft nicht 6 Millionen Menschen. Wenn ich das in ,der ersten Lesung gesagt habe, so habe ich mich so ausdrücken wollen, daß wir dagegen sind, ein Prinzip der Prüfung der Einkommensverhältnisse in ,die Sozialversicherung, die 6 Millionen Menschen umfaßt, hineinzutragen. Aber von dieser Einkommensprüfung würde auch nach Erhöhung der Rente ein nicht unerheblicher Personenkreis betroffen. Beispielsweise bleiben alle freiwillig Versicherten mit ihren Renten unter 180 DM. Was liegt für viele näher, als einen Antrag zu stellen. um einen solchen Zuschuß zu erhalten? Dann muß eine Prüfung der Einkommensverhältnisse, d. h. praktisch eine Bedürftigkeitsnrüfung erfolgen. Das ist der fundamentale Unterschied zu dem SPD-Antrag. Die SPD will einen Rechtsanspruch auf eine Mindestrente gewähren, und zwar wegen des ({0}) Grundsatzes der Gleichberechtigung von Arbeitern und Angestellten, den wir im Gesetz prinzipiell verwirklicht haben. Aus Gründen, die in der Vergangenheit liegen, wirkt dieser Sonderzuschuß noch als eine Ungleichheit weiter. Diese Ungleichheit wollen wir durch die Anhebung der niedrigsten Arbeiterrenten beseitigen. Das ist etwas grundlegend anderes als das Anliegen des Antrages. Wir sollten im Interesse der Neuordnung der Rentenversicherung nicht Prinzipien der Prüfung von Einkommensverhältnissen in die Rentenversicherung hineinbringen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Schüttler!

Josef Schüttler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002092, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Ausführungen des Herrn Professor Schellenberg nur anschließen. Es ist mir unverständlich, wie man nach den Debatten im Ausschuß und angesichts der Grundprinzipien, nach denen wir das Gesetz angelegt haben, mit dem Antrag aufwarten kann, Renten einzuführen, die der vollen Fürsorgeprüfung unterliegen. Es muß dann in jedem einzelnen Fall geprüft werden: Hat die Person 150 DM oder hat sie sie nicht; hat sie 180 DM oder hat sie sie nicht? Ich weiß gar nicht, wie sich die Herren und Damen Antragsteller das vorgestellt haben und wie sie das mit dem Gesetz auch nur irgendwie in Einklang bringen wollen. So etwas Unverständliches habe ich noch nicht gehört. Wenn wir die Elternrente und das Pflegeld abgelehnt haben, weil sie in diesem Gesetz einfach undenkbar sind und hier nicht hineinpassen, müssen wir um so mehr diesen Antrag ablehnen, der doch all diesen Grundsätzen Hohn spricht. Ich verstehe so etwas nicht. Hier handelt es sich nicht um das Prinzip des Sozialen, sondern was hier geschieht, verstößt gegen jeden Grundsatz. Es kommt nicht darauf an, welchen Bedarf die einzelne Familie hat. In diesem Gesetz kommt es vielmehr auf das Rentenprinzip an und darauf, was der einzelne für Leistungen erbracht hat und was er, ohne jede Prüfung der Bedürftigkeit, auf Grund dieser Leistungen für Rechtsansprüche hat. Aber noch ein paar Gedanken zu dem Änderungsantrag der SPD Umdruck 914 Ziffer 43. Sie wollen in Zukunft die Zusatzbeträge von 21 und 14 DM von jeder Anrechnung freihalten. Dem können wir nicht folgen. Wenn Sie unseren Antrag auf Umdruck 911 Ziffer 6 ansehen, werden Sie feststellen, daß wir bereit sind, die ganzen Nachzahlungsbeträge, nicht nur die 21 und 14 DM, sondern die ganzen Beträge für die ersten vier Monate nicht anzurechnen. Ich schätze, daß das ein Betrag von mindestens einem Drittel des Gesamtaufwandes von 1,5 Milliarden DM sein wird. Alle diese Beträge, die nachgezahlt werden, sollen ohne Prüfung von jeder Anrechnung frei bleiben. ({0}) Ich glaube, daß wir damit einen großen Schritt getan haben und die Dinge sehr erleichtern. Wir geben den Leuten die vollen Beiträge für die ersten vier Monate in die Hand, und sie haben keinerlei Nachprüfungen zu erwarten und keinerlei Rückzahlung zu leisten. Ich glaube, damit haben wir in diesem Paragraphen einem berechtigten Anliegen Rechnung getragen. Ihrem Antrag, diese Beträge auf die Dauer von jeder Anrechnung freizuhalten, können wir uns nicht anschließen. Wir wollen die Beträge der ersten vier Monate der Gesamtnachzahlung von jeder Anrechnung, sei es in der Fürsorge, sei es in der Kriegsopferversorgung, sei es im Lastenausgleich, sei es in der Arbeitslosenversicherung, freihalten. Ich glaube, das ist ein großer Fortschritt, der einem wesentlichen Anliegen, das im Hause vertreten wurde, Rechnung trägt. Ich bitte Sie, diesen Antrag anzunehmen und die anderen Anträge abzulehnen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Schellenberg!

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schüttler, Sie haben Ihr Prinzip als einen großen Fortschritt bezeichnet. ({0}) Das vermag ich wirklich nicht einzusehen. ({1}) Was machen Sie denn? Sie lassen die Nachzahlung für die ersten vier Monate anrechnungsfrei. ({2}) Ich will gar nicht die weiteren Zusammenhänge untersuchen, die ein bißchen in der Luft liegen. ({3}) Wenn Sie aus einem sozialen Grund, den ich Ihnen unterstelle, diese Beträge von der Anrechnung freilassen wollen, würde es doch viel sinnvoller sein, sie auch bei der späteren laufenden Rentenzahlung nicht auf die Leistungen der Kriegsopferversorgung, der Ausgleichsrente usw., anzurechnen. ({4}) - Sie schieben es immer auf andere Dinge, einmal schieben Sie es auf die Länder, dann auf die Fürsorge, und jetzt schieben Sie es auf die anderen Gesetze. ({5}) Wir machen jetzt ein Gesetz der Rentenversicherung, und niemand wird uns hindern, wenn wir später in der Kriegsopferversorgung ein besseres Gesetz schaffen, diese Vorschrift aufzuheben. Was hier geschieht, ist einfach inkonsequent, um nicht noch einen schärferen Ausdruck zu gebrauchen. Bei einer Nachzahlung in der Größenordnung von ein paar hundert Mark - bei 21 DM kommt man bei fünf, sechs Monaten bis August ({6}) auf diesen Betrag - nehmen Sie keine Anrechnung vor. Nachher bei der laufenden Rente gewähren Sie auf der einen Seite die Zulage von 21 und 14 DM, während bei der Ausgleichsrente der Kriegsopferversorgung der gleiche Betrag wieder abgezogen wird. ({7}) - Aber, Herr Kollege Schüttler, nachdem Sie sich schon seit der zweiten Lesung durchgerungen haben, in dieser Hinsicht einen Schritt zu tun ({8}) ({9}) - nein! -, ({10}) einen durchsichtigen Schritt, ({11}) sollten Sie jetzt einen vernünftigen Schritt tun und die Beträge anrechnungsfrei lassen. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab, meine Damen und Herren, und zwar in folgender Reihenfolge: zuerst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914*) Ziffer 41. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt. Nun stimmen wir über den Änderungsantrag der FDP Umdruck 913**) Ziffer 31 ab. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt. Meine Damen und Herren ich unterstelle, daß für die Anträge Umdruck 913 Ziffer 32 und 914 Ziffer 44 das gleiche Abstimmungsergebnis gilt. ({0}) Ich habe vergessen, sie aufzurufen. Es sind parallele Paragraphen. Nun kommen wir zu der Abstimmung über den Antrag Umdruck 914*) Ziffer 42, dem der Antrag Umdruck 914 Ziffer 45 entspricht. Es sind Änderungsanträge der SPD. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Umdruck 910***) Ziffern 34 und 35, Änderungsanträge der DP. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ist abgelehnt. Umdruck 911****) Ziffern 6 und 7, Änderungsantrag der CDU. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist angenommen. Umdruck 914*) Ziffern 43 und 46, ein Änderungsantrag der SPD. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist auch abgelehnt. Nun § 35 in der durch die Annahme des Antrags Umdruck 911****) Ziffer 6 und § 33 in der durch die Annahme des Antrags Umdruck 911 Ziffer 7 veränderten Fassung. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Umdruck 914*) Ziffer 47 - Änderungsantrag zu § 36 - und 914 Ziffer 48 - Änderungsantrag zu § 34 -, Seite 178 und 179. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Korspeter, bitte.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am Freitag der vergangenen Woche wurden am Schluß der zweiten Lesung eine *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 4. ****) Siehe Anlage 5. Reihe von Anträgen wegen der Zeitnot, in der wir uns befanden, sehr schnell behandelt. Dazu gehörte auch dieser Antrag, den wir dem Hause um seiner Bedeutung willen heute noch einmal vorlegen. Es handelt sich um die Vorschußzahlung. Es ist - das wissen wir alle - mit Sicherheit damit zu rechnen, daß wegen der Kompliziertheit des Gesetzes, insbesondere wegen der Umrechnung der Renten, Monate vergehen werden, bis die Umstellung der Renten abgeschlossen ist ({0}) und bis die Erhöhungen wirksam werden können. Nachdem wir bereits im Dezember eine Überbrükkungszahlung und für den Februar eine Vorschußzahlung gewährt haben, ist es unseres Erachtens ganz unmöglich, die Rentner nun noch monatelang auf diese Umstellung warten zu lassen und sie bis zum Abschluß der Umstellung schlechter zu stellen als im Dezember und im Februar. Wir beantragen deshalb erneut - genau so wie in der zweiten Lesung -, daß für den Monat März und die folgenden Monate neben der bisher gewährten Rente monatliche Vorschüsse auf die Renten, auf die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Anspruch besteht, gezahlt werden. Um der verwaltungstechnischen Vereinfachung willen fordern wir die gleichen Vorschüsse, die für Februar nach dem zweiten Sonderzulagengesetz gezahlt werden. Bei der Versichertenrente waren es 21 DM, bei der Witwenrente 14 DM und bei der Waisenrente 10 DM. Nachdem Sie, meine Herren und Damen von der CDU, unseren Antrag in zweiter Lesung abgelehnt hatten, war es für uns ganz selbstverständlich, uns mit den Gründen und Ursachen Ihrer Ablehnung zu beschäftigen und danach zu forschen. Es können keine finanziellen Gründe gewesen sein, denn diese Mindesterhöhungssätze liegen für jede Rente fest. Es wird also nichts präjudiziert. Es können auch keine verwaltungstechnischen Gründe gewesen sein, denn die Abwicklung soll wie bisher durch die Post geschehen und kann dort genau wie im Februar auch für die folgenden Monate ohne die geringsten Schwierigkeiten durchgeführt werden. Sie können auch nicht der Meinung gewesen sein - das glaube ich nicht -, daß der Rentner diese Vorschußzahlungen nicht nötig hat. Ich glaube, wir sind uns alle darüber klar, daß wir die Geduld der Rentner angesichts der Preissteigerungen eigentlich auf das höchste strapaziert haben. Sachliche Gründe können es also nicht sein, die Sie veranlaßt haben, unseren Antrag in zweiter Lesung abzulehnen. Ich muß es dem Hause überlassen, darüber nachzudenken und darüber zu entscheiden, warum Sie in zweiter Lesung diese Vorschußzahlung nicht bewilligt haben. Von Herrn Kollegen Schellenberg ist in dieser Hinsicht eben schon etwas angedeutet worden. Wir sind der Meinung, daß die Rentner ein Recht darauf haben, daß ihnen diese Vorschüsse gezahlt werden. Wir können sie nicht länger warten lassen. Das entspräche auch nicht der Verantwortung, die wir hier übernommen haben. Meine Fraktion bittet um der Bedeutung dieser Frage willen, eine namentliche Abstimmung darüber vorzunehmen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen? - Nicht der Fall. Die Beratung ist geschlossen. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist hinreichend unterstützt. Ich bitte, die Abstimmungskarten einzusammeln. ({0}) Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir, ehe ich die Abstimmung schließe, in der Beratung fortfahren. Das Abstimmungsergebnis hat keinen Einfluß auf die folgenden Entscheidungen, mit denen sich das Haus zu befassen hat. Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914* Ziffern 49 und 50. ({1}) Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 911** Ziffern 8 und 9 zu § 46 - links - und § 41 - rechts. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Horn!

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich kann der Frau Kollegin Korspeter nur zustimmen, wenn sie vorhin gesagt hat, daß im letzten Teil der Beratungen und Abstimmungen der zweiten Lesung auf Grund einer gewissen Unruhe nicht alle Aufrufe verständlich gewesen sind. Dabei kann es auch schon einmal vorkommen, daß ein Lapsus passiert. In diesem Falle ist es so, daß ein erheblicher Teil meiner Freunde, darunter auch ich, aus Irrtum - weil wir der Meinung waren, der Herr Präsident ließe bereits über den Paragraphen in der Ausschußfassung abstimmen - für den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion gestimmt hat. ({0}) Dadurch ist dem § 46 bzw. 41 in Abs. 1 der Halbsatz „und für die Erstattung der Aufwendungen nach § 14 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes" angefügt worden. - Sie lachen darüber, meine Damen und Herren. Aber es ist doch eine durchaus nette und ordentliche Angelegenheit, wenn man so einen Irrtum auch offen eingesteht. Dann hat man auch die Verpflichtung der Wiedergutmachung, und die wollen wir jetzt durch unseren Änderungsantrag leisten. Dazu muß ich Ihnen wenigstens ein paar Sätze der Begründung sagen. Dieser Beschluß, der in der zweiten Lesung zustande gekommen ist, würde bedeuten, daß die Erstattungsbeträge aus dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz in doppelter Weise abgegolten würden. In dem pauschalen Bundeszuschuß, der im Haushalt und in diesen Vorlagen enthalten ist, ist dieser Forderung bereits Rechnung getragen. Wenn man es jetzt noch einmal tun wollte, würde das eine zusätzliche Ausgabe von noch einmal rund 570 Millionen Mark bedeuten. ({1}) Der pauschale Bundeszuschuß, der für die Arbeiter-und Angestelltenversicherung insgesamt 3410 Millionen DM beträgt, setzt sich aus einer Reihe von Einzelbeträgen zusammen. Darin sind die Fremdrenten mit einer Summe von 388 Millionen DM bereits enthalten. Diesem Verlangen ist also schon Rechnung getragen. Die Differenz zwischen den 388 Millionen DM und dem erwähnten Betrag von 570 Millionen DM beruht halt darauf, daß die Fremdrenten ebenfalls entsprechend den Bestimmungen des Reformgesetzes umgestellt, und zwar um rund *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 5. 50 vom Hundert angehoben werden. Der Betrag, der für diese 50 %ige Anhebung in Frage kommt, beziffert sich auf rund 771 Millionen DM, der zu den Bundeszuschüssen auf der Basis von 1956 hinzutritt. Es würde sich also in der Tat in vollem Umfang um eine doppelte Erstattung durch den Bund handeln, für die eine Berechtigung nicht gegeben ist. Um diesen Irrtum über die Doppelbelastung des Bundes wieder auszuräumen, haben wir den Änderungsantrag gestellt, zu dem ich das Haus um seine Zustimmung bitte. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ehe ich das Wort weiter gebe, schließe ich die namentliche Abstimmung. Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache - erinnern wir uns in Ruhe daran - war ganz anders, als sie jetzt der Kollege Horn darstellt. Sie hatten nicht unter Zeitdruck gehandelt; im Gegenteil, Sie hatten Zeit, sich gründlich zu beraten. Es ging so: Ich habe für die SPD die Änderunganträge zu § 39a und § 42 begründet. ({0}) Herr Kollege Schütz hat dagegen gesprochen. In der Zwischenzeit hatte, Herr Kollege Horn, in aller Ruhe eine Besprechung in Ihrem Kreis stattgefunden. Der Herr Kollege Pferdmenges, der hier sitzt, weiß heute ganz genau, daß man nicht unter Zeitdruck und in Hast entschieden hat. Er hat sich mit dem Herrn Bundeskanzler beraten, und Sie sind dann Ihrer besseren Einsicht gefolgt und haben unserem Antrag auf Änderung der §§ 39a und 42 zugestimmt. In der Zwischenzeit haben Sie es sich überlegt. Ich weiß nicht, welche Einflüsse maßgebend waren. Ich glaube, es ist nicht zu weit von der Wahrheit entfernt, wenn ich wage, zu behaupten, der Herr Bundesfinanzminister hat ein wenig seine Finger im Spiel gehabt. Und nun muß der Kollege Horn den Rückzug der CDU/CSU-Fraktion begründen und ein bißchen vernebeln. Entschuldigung, mit Zeitnot, das ist nicht wahr! Ich bitte Sie, bleiben Sie bei Ihrer ersten, richtigen Entscheidung und stimmen Sie nochmals für unsere Fassung der §§ 39 a und 42! ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Stingl!

Prof. Dr. h. c. Josef Stingl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Reitzner, sosehr Ihre Darstellung über den Ablauf zutreffend war, - sie bezog sich auf einen völlig anderen Gegenstand. ({0}) Herr Kollege Reitzner, es ging, als der Kollege Schütz gesprochen hatte und ich noch die Zustimmung unserer Fraktion zu Ihrem Antrag ankündigte, nicht um diese Finanzierungsgeschichte, sondern es ging um die Einleitung des Paragraphen, der sich mit dem Fremd- und Auslandsrentengesetz beschäftigt. Das ist unzweifelhaft so. Nach unserer Überzeugung hat der Satz, den Sie da eingefügt haben, die Bedeutung, daß auch die schon laufenden Renten an dieses Gesetz angepaßt werden sollen. Der andere Inhalt, dem wir dann zugestimmt haben, zu dem Sie gesprochen haben und zu dem Herr Kollege Schellenberg gesprochen hat, befaßte sich allein mit der Tabelle in der Rechtsverordnung zum Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz. Im übri({1}) gen darf ich bemerken, daß es dort tatsächlich etwas durcheinanderging, weil die Abstimmungen sehr schnell erfolgten. Die Folge war, daß z. B. Herr Kollege Schüttler und ich gegen diesen Teil des Antrages, der jetzt zur Rede steht, gestimmt haben. Es handelt sich in der Tat nicht um die Dinge, die Sie seinerzeit hier vertreten hatten. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum handelt es sich? ({0}) Wir haben - darüber besteht Einigkeit - in der zweiten Lesung einen Antrag zu § 39a eingebracht und haben darin beantragt, daß die Renten nach dem Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz voll den Vorschriften dieses Gesetzes angepaßt werden, ({1}) daß sie entsprechend angehoben werden, daß die gegenwärtigen Leistungen nur als Vorschüsse gelten und daß die Tabellen nach dem Fremdrentengesetz umzurechnen sind. Dem haben Sie nach Überlegung und unter der Wucht unserer Argumente zugestimmt. ({2}) Sie haben sich überzeugen lassen. Aber meine Damen und Herren, wer A sagt, muß auch B sagen! ({3}) In B, in § 41, wird die Finanzierung für § 39a geregelt. Der Herr Bundesfinanzminister ist doch bei anderen Fragen immer der erste, der darauf hinweist, daß er für eine Leistungsausgabe auch die entsprechende etatrechtliche Sicherung haben muß. Wir Sozialdemokraten haben folgerichtig zu unserem Antrag bezüglich § 39a auch die Finanzierung gefordert. ({4}) - Aber, meine Damen und Herren, nachdem Sie § 39a zugestimmt hatten, war es nur logisch, ({5}) daß Sie auch die Mittel dafür bewilligten. Meine Damen und Herren, wir haben die Abstimmung sehr genau verfolgt. Selbst der Herr Bundeskanzler hat dieser Fassung zugestimmt, ({6}) und ich nehme doch nicht an, daß Sie den Herrn Bundeskanzler korrigieren wollen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 911*) Ziffer 8 und Umdruck 911 Ziffer 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. ({0}) - Diesmal, meine Damen und Herren, war der Irrtum ganz allein bei mir. Ich habe SPD und CDU verwechselt. ({1}) Wer den Änderungsanträgen der CDU/CSU - ich korrigiere mich und wiederhole - Umdruck 911 ') Siehe Anlage 5. Ziffern 8 und 9 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Anträge sind angenommen. Wer dem § 46 in der so geänderten Fassung links und dem § 41 rechts in der geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; die §§ 46 und 41 - links und rechts - sind angenommen. Meine Damen und Herren, ich gebe nun das vorläufige Ergebnis** der namentlichen Abstimmung zu den Anträgen Umdruck 914 Ziffern 47 und 48 bekannt. Abgegebene Stimmen: 447 stimmberechtigte und 16 Berliner Abgeordnete. Davon haben mit Ja 196 stimmberechtigte und 10 Berliner Abgeordnete gestimmt, mit Nein 251 Mitglieder und 6 Berliner Mitglieder dieses Hauses. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich fahre fort und rufe § 48 rechts auf Seite 193 auf. Hierzu liegt ein vorhin verteilter Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 921***) vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Zur Begründung Herr Abegordneter Lange.

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung ist § 48 des Artikels 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes in der Absicht geändert worden, mögliche Belastungen, die dem Handwerk aus den Bestimmungen des Gesetzes über die Angestelltenversicherung erwachsen, beiseitezuschieben. Darin steht gleichzeitig auch eine andere Bestimmung über ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit, und zwar im vergangenen Jahre, vor wenigen Monaten erst, ein Gesetz zur vorläufigen Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung des Handwerks verabschiedet, dessen entscheidende Betimmungen über die Versicherung der Handwerker am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten sind. Mit dem Gesetz über die Rentenversicherung der Angestellten schaffen wir von vornherein wieder eine Änderung. Wir führen sogar in einem gewissen Umfang, soweit es sich nämlich um die Beitragsleistung handelt, durch die Erhöhung von 11 auf 14 % eine Verstärkung der Lasten herbei. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß man in Abwandlung des Antrags, den wir in der zweiten Lesung gestellt haben, mindestens den Handwerkern, die glauben, die Belastungen, die aus dem Gesetz auf sie zukommen, nicht tragen zu können, anheimgeben sollte, zu beantragen, diese Lasten zu mindern und es bei den aus der Altersversorgung des Handwerks erwachsenen Beiträgen zu belassen. ({0}) - Entsprechend. Das müssen Sie nur nachlesen, Herr Atzenroth. Das steht genauso drin. Wir wollen keine Bevorzugung. Aber wir wollen es in den Willen des einzelnen stellen. Wenn er der Meinung ist, er kann es nicht, kann er beantragen, daß die alte Beitragsleistung nach dem Gesetz über die Altersversorgung für das Handwerk aufrechterhalten bleibt, also der Satz von 11 %. Ebenso wollen wir bei den Halbversicherten verfahren. Das ist der Sinn der Bestimmungen der Buchstaben a und b in unserem Antrag. Ich bemerke noch einmal zusammenfassend: Die Lasten, die aus diesem Gesetz auf den Handwerker zukommen, die er nicht glaubt tragen zu können, **) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10637. ***) Siehe Anlage 11. ({1}) sollen durch Antrag abgewehrt werden können. Ich will Ihnen nachher auch sagen, warum. Zweitens sind wir der Meinung - und da waren wir uns damals bei der Behandlung des Gesetzes über die vorläufige Änderung des Gesetzes über die deutsche Handwerkerversorgung auch einig -: wir sollten eine getrennte Rechnungslegung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte einführen, um ein klares Bild über den Verlauf der Risiken, Belastungen usw. der Altersversorgung des Handwerks bei der Angestelltenversicherung zu gewinnen. Diese Rechnungslegung ermöglicht ohne weiteres, festzustellen, wie sich das Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben in der Altersversorgung des Handwerks gestalten wird. ({2}) - Die Invalidenversicherung ist in diesem Gesetz nicht enthalten, auch in Ihrem geänderten § 48 nicht. ({3}) - Moment, Herr Stücklen! Hinsichtlich der Belastungen, die möglicherweise durch Mindereinnahmen auf der Beitragsseite gegenüber den Ausgaben auf der Rentenseite entstehen, ergibt sich für die Angestelltenversicherung ein Bild; das ist nicht zu bestreiten. Insoweit würden wir verhindern, daß auf die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Belastung zukommt, und sagen deshalb in unserem Antrag unter Buchstabe d ganz eindeutig: bei erkennbaren Mindereinnahmen, infolge deren die Rentenleistungen für das laufende und für das nächste Kalenderjahr nicht gedeckt werden können, tritt der Bund ein, so daß nicht erst die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Darlehen gewähren muß und durch Fehlbeträge bei der Altersversorgung des Handwerks in Not gerät und 'nach § 111 die Bundesgarantie zum Zuge kommen muß, für die das Nähere durch Gesetz geregelt werden soll. Wir wollen durch die getrennte Rechnungslegung die aus der Altersversorgung des Handwerks erwachsenden Belastungen, die auf die Angestelltenversicherung zukommen, von den Angestellten fernhalten. Mit anderen Worten: es soll keine weitere Belastung für die Angestelltenversicherung entstehen. Mit unserem Antrag unternehmen wir also den Versuch, beide Seiten, sowohl die Versicherten als auch die Anstalt, die im Augenblick noch für die Altersversorgung des Handwerks zuständig ist, gegen die nachteiligen Auswirkungen des vorliegenden Gesetzes abzuschirmen. Das bedeutet, die Handwerker sollen im Grunde genommen bei ihrer bisherigen Beitragsleistung mit entsprechender Rentenleistung bleiben, und die Angestelltenversicherung soll von den Belastungen freigestellt werden. In diesem Zusammenhang darf ich, wenn Sie mir das gestatten, Herr Präsident, auf den Entschließungsantrag Umdruck 919 hinweisen. Wir sind wie schon bei der zweiten Lesung auch heute alle miteinander darüber einig, daß die Frage einer endgültigen Regelung der Alterssicherung der Selbständigen - hier des Handwerks - einer besonderen Prüfung bedarf. Die Fraktion der SPD hat vor mehr als Jahresfrist bei der Debatte um die Mittelschichten in einem Antrag darauf hingewiesen, daß neben Kredit-, Investitions- und Gewerbeförderungsmaßnahmen auch Maßnahmen zur Alterssicherung erforderlich sind. Wir wollen diese Frage so schnell wie möglich klären. Deshalb stellen wir den Antrag, daß sich die Bundestagsausschüsse für Sozialpolitik und für Sonderfragen des Mittelstandes mit der Frage beschäftigen, welche Auswirkungen sich aus der gegenwärtigen Rechtslage ergeben können. Der Regierung ist es dann unbenommen, daran mitzuarbeiten; nein, sie muß sogar dabei mittun. ({4}) - Entschuldigen Sie, es ist geschäftsordnungsmäßig nicht ausgeschlossen, so zu verfahren. Es ist bloß - wenn Sie darauf hinaus wollen, möchte ich das sagen - bisher nicht üblich gewesen. Wir wollen, daß sich das Parlament dieser Sache annimmt, um so schnell wie möglich zu einer Regelung dieser Frage zu kommen. Bitte, meine Damen und Herren, von der Koalition, vor allem von der CDU, es liegt bei Ihnen, ob es zu einer schnellen Lösung kommt oder nicht. Sie haben diese Entscheidung in der Hand, ebenso wie Sie die Entscheidung darüber in der Hand haben, ob auf die Versicherten neue Lasten in einem Umfang zukommen, von dem wir noch nicht wissen, ob er bei einer endgültigen Regelung der gleiche bleiben wird. Ich darf noch darauf hinweisen, daß bei den Organisationen, die wir anhören wollen, außer an den den Zentralverband des Deutschen Handwerks auch an die dort schon vorhandenen Versorgungseinrichtungen selbständiger Art gedacht ist. Ich darf daher erklären: Wenn Sie wirklich die von Ihnen immer wieder betonte mittelstandfreundliche Politik betreiben wollen, dann haben Sie jetzt Gelegenheit, das zu beweisen, indem Sie unserem Änderungsantrag und unserem Entschließungsantrag zustimmen. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Lange, zunächst muß ich einmal ohne Rücksicht auf weitere Planungen sagen, daß nach unserer Auffassung das Bereinigungsgesetz mit diesem Gesetz nichts zu tun hat. Das Bereinigunggesetz ist bereits am 1. Januar ausgelaufen. Es hat lediglich für Anpassungen gesorgt, die vorgenommen werden mußten, weil sie ohne Schuld der Handwerker versäumt worden waren. Ihre weiteren Ausfühungen sind nur dann richtig, wenn man dieselben Ziele hat wie Sie, und die haben wir nicht. Sie wollen eine Dauerpflichtversicherung. Wir wollen eine freiheitliche Altersvorsorge ({0}) für die Selbständigen, aber wir wollen nicht eine eigene Rentenanstalt. Sie setzen die Beiträge herab, wollen aber die Handwerker weiter in der Angestelltenversicherung belassen. ({1}) - Ich weiß, aber Sie wollen sie vorläufig darin belassen und hinterher eine eigene Anstalt machen; das haben Sie uns mehrfach erklärt. Das wollen wir nicht. Wir haben unsere Vorschläge in der zweiten Lesung begründet. Weil wir unsere Ziele verfolgen und sie für richtig halten, werden Sie verstehen, daß wir Ihren Vorschlägen nicht zustimmen können. Aber es ist sehr vorteilhaft, daß Sie hier noch einmal nachdrücklich erklärt haben, was Sie wollen. Sie wollen also auf eine eigene Anstalt hinarbeiten, genauso wie die FDP keinerlei Versicherung will. ({2}) Meine Herren von der FDP, darüber muß ich mich einigermaßen wundern. Vor etwa einem Jahr hatte ich das Vergnügen, in einem Rundfunkgespräch auch mit Ihrem Experten zu diskutieren; Kollege Schild war auch dabei. Dabei war wiederholt der Versuch des Kollegen der FDP festzustellen, uns zu überspielen mit dem Argument, die FDP wolle eine Altersversorgung für die Selbständigen aufbauen. Heute wollen Sie davon nichts mehr wissen. Das erstaunt mich einigermaßen. Sonst kann ich Ihr Anliegen verstehen; ich halte es nur für etwas wirklichkeitsfremd. Aber immerhin, man muß Ihren Standpunkt respektieren. Mit der DP sind wir uns in den meisten Punkten einig. Nur glaubt die DP, jetzt das Handwerkergesetz aufheben zu können, während wir der Meinung sind, daß man das bei den großen Beträgen, um die es sich hier handelt, nicht von heute auf morgen erledigen kann. Die Beträge, die in die Invalidenversicherung gezahlt und noch nicht abgerechnet worden sind, bewegen sich nach meiner Meinung um rund 2 Milliarden. Wir können doch diese Sache nicht durch einen Federstrich einfach aus der Welt schaffen. Wir wollen es bereinigen, aber zu dieser Bereinigung bedarf es einen eigenen Gesetzes. Ich muß auch noch darauf hinweisen, daß Sie, Frau Kalinke, dieses Problem in den Ausschußberatungen gar nicht angesprochen haben. Die Debatte darum geht erst seit drei Tagen. Nur mein Kollege, der Handwerksmeister Becker, hat sich im Ausschuß der Stimme enthalten, weil er mit der dort gefundenen Regelung nicht zufrieden war. Zu unseren Absichten, in die Sie einige Zweifel gesetzt haben, wird der Kollege Wieninger eine Erklärung der Fraktion abgeben. Ich darf Sie bitten, den Antrag der SPD und auch den Entschließungsantrag abzulehnen. Wie Kollege Stücklen schon in einem Zwischenruf bemerkte, scheint es uns nicht angängig zu sein, daß man durch einen Entschließungsantrag eine Art Untersuchungsausschuß einrichtet. Das Initiativrecht zu Gesetzesentwürfen und zu Vorlagen muß bei den Fraktionen oder bei der Regierung liegen. Einen Zwischenweg sollten wir nicht wählen. Den Handwerkern möchte ich noch einmal sagen, daß wir uns bemühen, ihnen das zu geben, was sie sich wünschen. Aber wir erwarten von ihnen, daß sie auch die Anliegen der anderen Kreise respektieren. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Lange!

Erwin Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001283, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Schmücker, ich möchte Sie in aller Freundschaft darauf aufmerksam machen, daß von dieser Stelle über Organisation, Form und sachlichen Gehalt einer wie immer gearteten Regelung einer Alterssicherung für die Selbständigen noch kein Wort verloren worden ist. Sicher ist zwar, daß eine gesetzliche Regelung einer Alterssicherung der Selbständigen - dieser Auffassung sind wir alle miteinander - in einem ganz bestimmten Umfang gewährleistet sein muß. Wie sie aussehen wird - die Frage wird völlig undogmatisch behandelt werden -, wird man erst schlußfolgern können, wenn die entsprechenden Untersuchungsergebnisse vorliegen. Insoweit, Herr Schmücker, ist es völlig widersinnig, hier von einem sogenannten Untersuchungsausschuß zu reden, der gegebenenfalls das Initiativrecht der Fraktionen einschränken könnte. In gar keiner Weise! Was wir mit unserem Entschließungsantrag in diesem Zusammenhang wollen, ist nur, daß hier dem Hause Bericht erstattet wird. Daraus können dann - und das werden die einzelnen Fraktionen dieses Hauses vermutlich auch tun - die entsprechenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Wir wollen nur, daß irgend jemand in diesem Fall aktiv wird, und mir scheint das Richtige zu sein, daß es das Parlament ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Held!

Fritz Held (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000856, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Laufe der Debatte des heutigen Tages ist von vielen Rednern von dieser Stelle aus festgestellt worden, daß in dem ganzen Rentenversicherungsgesetz Unvollkommenheiten und Ungerechtigkeiten lägen. ({0}) Ich möchte sagen, daß das Gesetzeswerk auch nach den Beschlüssen der zweiten Lesung in bezug auf die Altersversorgung der Handwerker dieselben Ungerechtigkeiten und Unvollkommenheiten enthält wie in bezug auf andere Angelegenheiten, bei denen sie heute hervorgehoben worden sind. Es ist eine Ungerechtigkeit, daß man, wie ich schon in der zweiten Lesung betont habe, für einen Berufsstand, für die Handwerker, ein Gesetz beibehalten will, das heute nicht mehr gerechtfertigt ist, vor allen Dingen deshalb nicht, weil alle anderen Berufgruppen nicht zu einer Zwangsversicherung, einer Pflichtversicherung, herangezogen werden. ({1}) - Herr Kollege Lange, ich wüßte keinen Beruf aus dem gewerblichen Mittelstand, dem es hier so ergeht wie dem Handwerk. ({2}) Wenn wir um der Gerechtigkeit willen diese Ungleichheit, auf die wir immer hingewiesen haben, aus der Welt räumen wollen, kann man nicht sagen, die Handwerker wollten eine Extrawurst gebraten haben. Nein, sie verlangen das, was ihnen nach Recht und Gerechtigkeit zusteht, dasselbe was andere bereits haben. ({3}) Ich bin mir auch darüber im klaren, daß, wenn dieser Schwebezustand und diese Ungewißheit bestehenbleiben, d. h. wenn wir heute bei der Verabschiedung des Rentenversicherungsgesetzes zu keiner Entscheidung darüber kommen, die Beunruhigung in den Kreisen der Handwerker weiter um sich greifen wird. Wir sollten uns nicht bemühen, uns - wie das die Anträge der SPD und der CDU bezwecken - vor der Entscheidung zu drücken, sie weiter hinauszuschieben, um zu warten, daß vielleicht ein an-, deres Parlament darüber entscheidet; wir sollten den Mut haben, heute, bei dieser Gelegenheit, auch darüber die Entscheidung zu treffen. ({4}) - Herr Kollege Lange, Sie haben gesagt: 31. Mai 1957; bis dahin sollten die Feststellungen in den ({5}) Ausschüssen usw. getroffen werden. Da frage ich Sie, bis wann Sie dieses Gesetz abschaffen wollen. ({6}) Ich frage Sie, ob Sie glauben, daß das in diesem Parlament überhaupt noch möglich ist? ({7}) Außerdem möchte ich noch darauf hinweisen, daß in dem Absatz 3 des CDU-Entwurfs ein Pflichtbeitrag von mindestens 180 Kalendermonaten vorgesehen ist. Jetzt gibt es aber einen großen Teil, sagen wir einmal, mindestens 100 000 Handwerksbetriebe, die die 180 Monate noch nicht voll haben, denen vielleicht noch 3 oder 4 Monate oder auch mehrere Jahre daran fehlen. Hier habe ich einmal die Frage, wie Sie sich das nach Ihrem Vorschlag denken. Nach Ihrem Antrag müssen diese Personen nicht den geringeren Beitrag bezahlen, sondern den erhöhten Beitrag von 14 %. ({8}) - Sie wollen die ja nur für die 180 Monate haben. Dann kriegen sie nicht die vollen Renten, sondern haben ebenfalls nur Anspruch auf die Sockelrenten. ({9}) - Sehr verehrter Herr Kollege Stingl, eins will ich Ihnen nur sagen: daß Sie mit diesem Passus gerade die jungen selbständigen Handwerker und die Kleinsthandwerker treffen, die bisher sowieso nicht in der Lage waren, diese Beiträge voll zu leisten. Die sind auch jetzt nicht in der Lage, die erhöhten Beiträge zu bezahlen. ({10}) Dann möchte ich einmal fragen, was man sich bei dem CDU-Antrag gedacht hat, nach dem das Sondervermögen aufrechterhalten wird. Dann heißt es weiter, daß, wenn dieses Sondervermögen nebst Bundeszuschüssen nicht ausreicht, die Angestelltenversicherung ein Darlehen geben soll. Ich sehe sowieso an dieser ganzen Verklausulierung, bei der man nicht weiß, was damit los ist, daß dieser Zustand nicht für eine vorübergehende Zeit gelten soll, sondern ein Dauerzustand werden soll, und wer dann diese Darlehen verzinsen soll - ({11}) - Herr Kollege Stücklen, Sie haben gleich Gelegenheit, mir zu antworten. ({12}) - Benutzen Sie doch nachher die Gelegenheit, mir zu antworten! Jedenfalls steht in dem Antrag, daß die Angestelltenversicherung, wenn das Aufkommen aus der Handwerkerversicherung nicht ausreicht, ein Darlehen geben soll. Wenn Sie das bestreiten, tut es mir leid; dann wissen Sie in Ihrem eigenen Antrag nicht Bescheid. Wir möchten mit unserm FDP-Antrag die Entscheidung, die Sie in die Zukunft verschieben wollen, die Sie vielleicht auch gar nicht mehr selber treffen wollen, sondern Ihren Nachfolgern überlassen wollen, heute erreichen. Ich könnte es noch verstehen, wenn gemäß dem Antrag der DP eine Frist bis zum 30. Juni 1957 gesetzt würde. Aber daß wir in dieser Frage überhaupt nichts tun, das halte ich im Interesse der Handwerker nicht für richtig. Ich möchte bitten, daß Sie in namentlicher Abstimmung die Entscheidung darüber treffen, und beantrage namentliche Abstimmung über unseren Antrag Umdruck 913 Ziffer 33. ({13})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich werde nachher fragen, ob dieser Antrag ausreichend unterstützt ist. Zunächst gebe ich das Wort Herrn Abgeordneten Schild.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisher vorliegenden Anträge sind alle Notlösungen in der Sache. Mit diesen Anträgen ist keine grundsätzliche Entscheidung zu fällen. Es kommt hier darauf an, möglichst schnell zu dem sogenannten Altersversorgungsschlußgesetz für das Handwerk zu kommen, das ist nämlich das Entscheidende. Denn in diesem Schlußgesetz müssen die finanziellen Auswirkungen dessen, was hier beschlossen werden soll, geregelt werden. Hierfür liegt im Augenblick kein Gesetzesantrag, weder ein Initiativantrag noch irgendeine Vorlage der Regierung vor. Die Frage ist nur: Wie kommen wir am schnellsten zu diesem Schlußgesetz? Ist es der Initiative der Fraktionen zu überlassen, ein derartiges Schlußgesetz vorzulegen, oder kommen wir am schnellsten dazu, wenn wir jetzt beschließen: das Altersversorgungsgesetz für das Handwerk wird aufgehoben? Dann wäre die Regierung gezwungen, aus der Notlage, die dann entsteht, aus dem Rechtsnotstand sofort ein Versorgungsschlußgesetz für das Handwerk vorzulegen. Und diesen Weg halte ich für den einzig praktikablen, weil er noch in dieser Legislaturperiode beschritten werden kann. Deshalb stimmen wir dem Antrag der FDP zu. Wir haben einen gleichlautenden Antrag zu Art. 3 unter Ziffern 38 bis 41 - Umdruck 910 - gestellt. Ich bitte den Herrn Präsidenten, diesen Antrag Umdruck 910, und zwar die Ziffern 38 und 39, jetzt vorzuziehen, damit über ihn in Verbindung mit dem SPD-Antrag betreffend § 48 entschieden werden kann. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie also, dem Antrag der DP und FDP, Schluß mit dem Altersversorgungsgesetz zu machen, zuzustimmen, damit die Regierung aus einem Rechtsnotstand heraus das erforderliche Altersversorgungsschlußgesetz vorlegen muß, weil diese Angelegenheit heute nicht erledigt werden kann.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Sie sprechen jetzt zu dem Antrag Umdruck 910 Ziffer 38. Zu § 48 steht der SPD-Antrag zur Debatte, der noch nicht aufgerufen ist.

Dr. Heinrich Schild (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001965, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Nun, für die Überganszeit halte ich das, was in der zweiten Lesung beschlossen worden ist, für richtig, wobei der Antrag der SPD, einen Absatz la einzufügen, seine Berechtigung hat. Der erste Satz dieses Antrags ist deshalb berechtigt, weil nach unserer jetzigen Vorlage etwa 300 000 Handwerker sowieso den An({0}) trag stellen können, von der Pflichtversicherung befreit zu werden, wenn sie 180 Monate Beiträge gezahlt haben. Aber 100 000 Handwerker bleiben in dieser Pflichtversicherung mit Beiträgen von 14 vom Hundert, und das ist untragbar. Ich glaube deshalb, daß der erste Satz des Antrags der SPD, den Absatz 1 a einzufügen, hier eine Berechtigung hat, um denjenigen, die die 14 % nicht bezahlen können, die Ermäßigung auf 11 %, d. h. den bisherigen Beitragssatz, zu ermöglichen. Ich bitte deshalb, dem ersten Satz des Antrags der SPD zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, hier ist eine namentliche Abstimmung beantragt worden. - Der Antrag ist inzwischen zurückgezogen. Herr Abgeordneter Wieninger, bitte sehr.

Karl Wieninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002508, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da ein Sprecher der DP zu dem Änderungsantrag der DP zu Art. 3 § 2 bereits Stellung genommen hat, darf ich namens der Fraktion der CDU/CSU zur Frage der Handwerkerpflichtversicherung folgendes erklären. Die CDU/CSU befürwortet eine Altersversorgung aller Selbständigen, glaubt aber, daß diese Altersversorgung freiheitlich gestaltet werden muß und den vielfältigen Verhältnissen der Selbständigen Rechnung zu tragen hat. Diese Absicht schließt aber nach unserem Ermessen eine Altersversorgung der Selbständigen über eine eigene Rentenanstalt mit einer Pflichtmitgliedschaft für alle als möglichen Weg aus. Darin unterscheiden wir uns von der SPD. Gleichermaßen ausgeschlossen ist die Pflichtmitgliedschaft einer Gruppe von Selbständigen in einer der bestehenden Rentenversicherungen. Deshalb muß auch das Gesetz über die Altersversorgung des Handwerks, das 1938 erlassen worden ist, aufgehoben werden. Im Sozialpolitischen Ausschuß ist ein Antrag auf Aufhebung nicht vorgelegt worden. Entsprechende interfraktionelle Beratungen haben vor dieser Plenarberatung nur in beschränktem Umfange stattgefunden. Da es sich um nicht ganz einfache Überleitungen handelt und Beiträge von mehreren Milliarden bewegt werden müssen, glauben wir, daß nicht übereilt gehandelt werden sollte. So ist z. B. die Höhe der in der Invalidenversicherung gezahlten Beiträge unselbständiger Handwerker, die sich nachher selbständig gemacht haben, noch nicht exakt errechnet. Der Betrag dürfte aber für die Zeit von 1948 bis 1957 bei 2 Milliarden DM liegen. Die CDU/CSU-Fraktion wird in möglichst kurzer Frist dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorlegen, mit dem das 1938 er Gesetz aufgehoben und die Überleitungen festgelegt werden sollen. Dieser Weg eines eigenen Gesetzes ist nicht nur bei dem heutigen Beratungsstand ein tragbarer Kompromiß, sondern er ist in der Sache die nach unserer Meinung zur Zeit beste Lösung. Die Handwerker dürfen gewiß sein, daß mit unserem Vorschlag ihrer Bitte entsprochen wird. Sie sollten aber auch Verständnis dafür aufbringen, daß die Anliegen der übrigen Beteiligten ebenso gewürdigt werden müssen. Aus diesen Gründen halten wir an den Beschlüssen der zweiten Lesung fest und bitten das Hohe Haus, in gleicher Weise zu verfahren. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wir stimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 921* ab. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Der Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck 910 Ziffer 36 ist schon begründet. Es ist auch schon dazu gesprochen worden. Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den Änderungsanträgen Umdruck 910** Ziffern 36 und 37 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen zu den Änderungsanträgen der Fraktion der DP Umdruck 910 Ziffern 38 und 39. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt. Änderungsanträge der CDU/CSU Umdruck 911***) Ziffern 10 und 11 zu § 3 - links und rechts -. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Wer dem § 3 - links und rechts - in der durch die Annahme dieses Änderungsantrags veränderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Nun stimmen wir ab über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 913****) Ziffer 33, der durch den Herrn Abgeordneten Held begründet worden ist. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist fallengelassen worden. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 913 Ziffer 33 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Änderungsanträge Umdruck 911 Ziffer 12 und 911 Ziffer 13! ({0}) - Ja, ich vestehe es. Wird zu Umdruck 911 Ziffer 12 zu § 3a - links - das Wort gewünscht? Das Wort wird nicht gewünscht. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 914*****) Ziffern 51 und 52 zu § 5 - links und rechts - auf Seite 196. Bitte schön, Frau Abgeordnete Heise!

Margarete Heise (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000152, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag, den wir Ihnen vorlegen, lautet: In § 5 wird folgender Absatz 1 a eingefügt: § 48 Nr. 1 des Rentenversicherungsüberleitungsgesetzes vom 10. Juli 1952 ... gilt weiter. *) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 5. ****) Siehe Anlage 6. *****) Siehe Anlage 7. ({0}) Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, erhalten Sie das jetzt in ganz Berlin seit 10 Jahren geltende Recht; denn sowohl bei uns im Ostsektor wie in Berlin-West wie in der umgebenden Zone erhalten alle Frauen gleichmäßig ohne Vorbedingungen mit 60 Jahren ihre Altersrente. Wenn Sie den Antrag ablehnen, bekommen die Frauen, die in einem Stadtteil wohnen, auf der Seite, die zum Westsektor gehört, ihre Rente nur mit Vorbedingungen im 60. oder aber im 65. Lebensjahr, und die Frauen, ,die auf der Straßenseite wohnen, die zum Ostsektor gehört, bekommen ohne Ausnahme ihre Rente mit dem 60. Lebensjahr. Als das Rentenversicherungsüberleitungsgesetz im Jahre 1952 das geltende Recht bestätigte, ließ man sich von politischen und sozialpolitischen Gesichtspunkten leiten. Das Gesetz trägt und trug der höheren Anzahl Arbeitsloser in Westberlin Rechnung; denn die Frauen, die nach 1945 in Berlin nicht mehr in den Arbeitsprozeß eingeschaltet wurden, die vielleicht drei oder vier Jahre als Trümmerfrauen gearbeitet haben, dann noch einmal im Rahmen des Notstandsprogramms gearbeitet haben und anschließend in der Arbeitslosenversicherung Arbeitslosenunterstützung und nachher Arbeitslosenfürsorgeunterstützung - Alfü - bekamen, können ja die 10 Jahre nicht nachweisen, die Sie hier als Vorbedingung festlegen wollen. Die Annahme der Bestimmung in der Fassung der zweiten Lesung bedeutet also für Berlin eine weitgehende Verschlechterung. In den Arbeitsprozeß kommen diese Frauen, die jetzt so zwischen 50 und 60 sind, also keinesfalls mehr. Sie wissen, unsere Arbeitslosenzahl ist immer noch weit höher als hier. Wenn sie also noch weitere fünf Jahre Fürsorgeempfängerinnen sein müssen - denn sie sind ja zumeist in der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert -, dann ist das eben die Folge dieses Gesetzes, das also ein ganz ungleiches Recht schafft. Ersparen Sie das den Frauen, ersparen Sie ihnen diese Verschlechterung der Sozialgesetzgebung - die Sie ja eigentlich nicht wollten - ausgerechnet in dem Teil der Stadt, der zum Bundesgebiet und zur Bundesgesetzgebung gehört. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen, denn mit der Ablehnung unseres Antrags würden Sie dieser geteilten Stadt noch einen politischen und sozialpolitischen Unterschied aufzwingen, der durch eine angebliche Systematik absolut nicht gerechtfertigt ist. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag, der eben von der Frau Abgeordneten Heise sachlich erschöpfend begründet worden ist -sie hat klargelegt, weshalb dieser Antrag gestellt wird -, möchte ich wärmstens unterstützen. Ich darf hier ganz besonders um die Zustimmung derjenigen bitten, die sonst immer so sehr beflissen sind, daß in Berlin nichts verändert wird. Hier können Sie einmal Ihrem Wunsche, in Berlin nichts zu verändern, vollauf Genüge leisten ({0}) und nehmen deshalb, glaube ich, gerne den Antrag, der hier begründet worden ist, an. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer den Änderungsanträgen der SPD Umdruck 914*) Ziffern 51 und 52 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({0}) Das ist die Mehrheit; die beiden Anträge sind abgelehnt. Änderungsantrag der FDP Umdruck 923**) Ziffern 1 und 2, Seite 198 und 199. Wird das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Schneider ({1}). Dr. Schneider ({2}) ({3}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 6 sieht die besondere Regelung für das Saarland vor. Der deutsch-französische Saarvertrag schafft eine Übergangszeit, und während dieser Übergangszeit ist die Anpassung des hier beschlossenen Rentengesetzes nicht möglich. Nach Ablauf der Übergangszeit ist eine besondere Überleitung der saarländischen Sozialversicherung auf die bundesdeutsche erforderlich. Meine Fraktion legt Ihnen einen Zusatzantrag vor, der dem § 6 den vom Saarland erwarteten Inhalt geben soll. Wir bitten das Hohe Haus, in einem Nebensatz festzulegen, daß das kommende Anpassungsgesetz für die Saar die im Zeitpunkt seines Inkraftttretens im Saarland geltenden günstigeren Regelungen aufrechterhalten soll. Damit ist die berühmte Frage des sozialen Besitzstandes an der Saar angeschnitten. Ich habe nicht die Absicht, die Diskussion über diese Frage, die hier die 181. Sitzung ausgefüllt hat, in dieser späten Abendstunde erneut aufzurollen. Aber es ist doch notwendig, zu diesem Antrag, den § 6 durch den von uns gewünschten Nebensatz zu ergänzen, wenigstens ein paar Worte zu sagen. Die Ergänzung erscheint einmal erforderlich, um die Stimmung der sehr beunruhigten saarländischen Bevölkerung, vor allen Dingen der Sozialempfänger und der schaffenden Menschen, wieder in eine ruhigere Bahn zu bringen. Es bedarf keines besonderen Hinweises, daß durch die Ablehnung der Verankerung des sozialen Besitzstandes im Eingliederungsgesetz eine erhebliche Beunruhigung eingetreten ist. ({4}) Es ist auch nicht gut, die Regelung zu verschieben, bis das Anpassungsgesetz für die Saar vielleicht in drei oder dreieinhalb Jahren verabschiedet wird; denn je länger man diese Dinge hinausschiebt, um so mehr werden sie vergessen. Wir Saarländer haben leider nur Versprechungen in bezug auf die Sozialregelungen bekommen ({5}) und wir möchten - das bitte ich zu verstehen - konkretere Regelungen haben. ({6}) Vor allen Dingen möchten das unsere schaffenden Menschen. ({7}) *) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 13. ({8}) - Ich habe Ihren Zwischenruf leider nicht verstanden, aber vielleicht lassen Sie mich, meine Damen und Herren von CDU, ausreden. Sie werden mir dann zugeben müssen, daß meine Forderung nicht ganz unbegründet ist. Und darauf möchte ich jetzt gerade zu sprechen kommen. Am 27. Oktober 1956, meine Damen und Herren - gerade Sie von der CDU! -, hat Ihr hochverehrter Parteivorsitzender, der Herr Bundeskanzler, in einer Ansprache an die Saarländer Versicherungen abgegeben, ({9}) und zwar an dem Abend des Tages, an dem der Saarvertrag unterschrieben worden ist. In dieser Rundfunkansprache an die Saarländer - die wir, meine Damen und Herren von der CDU, sehr genau im Gedächtnis bewahrt haben - hat der Herr Bundeskanzler wörtlich erklärt, daß es oberstes Gesetz sein müsse - „oberstes Gesetz", so war der Wortlaut -, von den sozial schwächsten Menschen an der Saar jeden Nachteil im Zuge der Eingliederung abzuwenden. Sehen Sie, wir sind jetzt gerade in bezug auf die Rentenregelung bei den sozial Schwächsten an der Saar, und wir meinen, es gilt jetzt das Wort: Hic Rhodus, hic salta! Wir sollten hier den Saarländern die Beruhigung geben, die sie durch ihre Haltung am 23. Oktober 1955 verdient haben. Meine Damen und Herren, wir haben aber nicht nur die Zusage des Herrn Bundeskanzlers, sondern wir haben eine Reihe von Zusagen, die schon vor der Volksbefragung des 23. Oktober 1955 gegeben worden sind. Die separatistischen Parteien an der Saar haben - das weiß das Hohe Haus - den Abstimmungskampf damit geführt, daß sie den saarländischen Arbeitern die drohenden Verschlechterungen in bezug auf die Rentenregelungen, in bezug auf die sozialen Leistungen vor Augen gestellt haben. Im Zuge dieses Abstimmungskampfes haben die deutschen Parteien, und zwar, meine Damen und Herren von der CDU, auch Ihr Landesverband Saar gemeinsam mit uns und den Sozialdemokraten, die ganz konkreten Versprechungen abgegeben, daß, wenn das Statut abgelehnt werden sollte, im Zuge der Eingliederung die sozialen Leistungen nicht verschlechtert werden. Diese Versprechungen wurden schon Ende September gemeinsam den saarländischen Menschen abgegeben, und sie fanden auch die Zustimmung - darüber werden wir vielleicht noch einmal diskutieren und feststellen, von wem - maßgebender Bonner Politiker. Am 12. Oktober 1955 wurde in diesem Hohen Hause von der SPD, der FDP und dem BHE ein entsprechender Antrag eingebracht. Dieser Antrag wurde allerdings nicht zur Debatte gestellt; denn man wollte ja das Saarstatut nicht abgelehnt haben, sondern man wollte es ja mit der Mehrheit der Saarbevölkerung zur Annahme bringen. Deshalb wurde die Behandlung dieses Antrags vom 12. Oktober - er trägt die Drucksachennummer 1781; ich bitte ihn einmal nachzulesen - vertagt. Aber in diesem Antrag war wiederum das Versprechen der Aufrechterhaltung der besseren Sozialleistungen gegeben, und sämtliche deutschen Parteien, auch die CDU-Saar, haben diesen Antrag der sarländischen Wählerschaft als Regelung, als Ordnung, als Versprechen des gesamten deutschen Volkes in seiner Mehrheit vor Augen gestellt. So gingen wir in die Wahl, und so haben die Menschen unserer Heimat im Vertrauen auf die Erfüllung der Versprechen abgestimmt. ({10}) - Meine Damen und Herren von der CDU, Sie ha. ben doch das Saarstatut zur Annahme bringen wollen, und wir haben es doch abgelehnt! ({11}) Es steht Ihnen doch nicht an, uns heute vorzuwerfen, wir hätten aus materiellen Gründen das Statut abgelehnt! ({12}) Meine Damen und Herren, wenn wir einen Fehler gemacht haben, dann allenfalls den, daß wir Ihren Versprechungen geglaubt haben. ({13}) Jetzt geht es doch darum, die Versprechungen, die Sie gegeben haben, einzulösen. ({14}) - Meine Damen und Herren, Sie haben doch Versprechungen abgegeben; warum wollen Sie sie dann nicht einlösen?! Warum nehmen Sie es uns übel, wenn wir Saarländer darum kämpfen, daß Versprechen, die gegeben sind, eingelöst werden?! ({15}) - Ich spreche zu Ihnen, indem ich Sie ersuche, diese Versprechungen, die Sie gegeben haben und die der Herr Bundeskanzler gegeben hat, einzulösen. Darum geht es doch! Wenn Sie diese Versprechungen einlösen, dann sind wir einig. ({16}) - Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Ich bin der Meinung, daß man, wenn man Versprechungen abgibt, verpflichtet ist, sie einzulösen; ({17}) oder man gibt sie eben nicht ab. ({18}) Ich habe vorhin ausdrücklich erklärt, meine Damen und Herren von der CDU, daß Ihr Landesverband die Versprechungen genauso abgegeben hat wie wir. Wir haben gemeinsam im saarländischen Landtag am 31. Januar 1956 die Versprechungen wiederholt. Hier haben wir einen Anlaß, diese Versprechungen auch in eine konkrete Form zu bringen. Ich bitte das Hohe Haus, hier den saarländischen Menschen die Genugtuung zu verschaffen, daß sie ohne Rücksicht darauf, wie sich die Erfüllung der Versprechungen entwickeln würde, am 23. Oktober aus Gründen des Deutschtums ({19}) ({20}) - meine Damen und Herren, für Deutschland, aber nicht für Ihr Saarstatut! ({21}) abgestimmt haben. Ich möchte noch einmal feststellen: Unser Nein, meine Damen und Herren von der CDU, war doch das Ja zu Deutschland, und das Nein zum Saarstatut hat den Weg zurück geführt - was Sie jetzt feiern. ({22})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner aussprechen zu lassen. ({0}) Dr. Schneider ({1}) ({2}): Meine Damen und Herren, dieser Zwischenruf ist sehr wenig begründet. Denn - ich darf hier wiederum ein Zitat des Herrn Bundeskanzlers bringen - der Herr Bundeskanzler hat im Zuge der Saarheimkehr erklärt, daß mit der Saarrückkehr eine nationale Tat von großer Tragweite geschehen ist. ({3}) Diese nationale Tat war unser Verdienst, die wir das Saarstatut abgelehnt haben. ({4}) Nun, meine Damen und Herren, wir können jetzt die Frage zur Entscheidung stellen. Ich bitte das Hohe Haus noch einmal, ,die Versprechungen, die gegeben worden sind, in eine entsprechende Form zu kleiden. Ich bitte außerdem um Unterstützung meines Antrags auf namentliche Abstimmung. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Wer unterstützt den Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck 923? - Er wird ausreichend unterstützt. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.

Prof. Dr. Fritz Hellwig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000860, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand bedauert mehr als ich, der ich mich mit dem Herrn Vorredner in vielen Jahren gemeinsamer Arbeit um die Deutscherhaltung der Saar bemüht habe, daß ich nun an dieser Stelle unmittelbar nach ihm einige Bemerkungen vortragen muß. Zunächst hat - daran sei erinnert --der Bundestag bereits bei der Beratung und Verabschiedung des Eingliederungsgesetzes einstimmig eine Entschließung angenommen, ({0}) in der die Wahrung des sozialen Besitzstandes an der Saar bei der späteren Eingliederung vorgesehen ist. ({1}) - Verzeihen Sie, meine Herren, ich darf Ihnen die Frage vorlegen: Worin unterscheidet sich der Halbsatz, den einzufügen hier beantragt wird, in seiner materiellen Bedeutung von der Entschließung des Bundestages? ({2}) - Sie wissen, meine Damen und Herren, genauso gut wie jedes andere Mitglied im Hause, daß ein einfaches Gesetz durch den Bundestag in einem anderen Gesetz geändert werden kann und daß dieser Halbsatz nichts anderes als eine Deklamation ist. ({3}) Was hier zur Sache zu sagen war, haben wir bereits in der Entschließung dieses Hauses niedergelegt. Es würde nichts anderes bedeuten, als daß Sie selber dieses Haus disqualifizieren, ({4}) wenn Sie den Inhalt einer einstimmig gefaßten Entschließung nochmals und bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Diskussion stellen und als Antrag zur Annahme empfehlen. ({5}) Ich bedaure weiterhin, daß hier eine Formel, deren rechtsgültige Interpretation den Juristen wahrscheinlich unlösbare Probleme aufgeben würde, ({6}) plötzlich auf den Rang eines Schlagwortes im politischen Kampf herabgewürdigt worden ist. ({7}) Ich bedaure weiter, lieber Dr. Schneider, daß diese Formel - in der Sache bietet sie viele Probleme, die wir selbstverständlich der besten Lösung zuführen wollen - den Vorwand gegeben hat, unter dem eine allgemeine politische Opposition und Unzufriedenheit mit der Bundesregierung als solcher ausgetragen werden soll. ({8}) Ich bedaure, daß hier der alte Freund des Saarkampfes unter ,dieser Formel die Enthaltung zum Eingiiederungsgesetz und zur Unterzeichnung des Saarabkommens seitens des Saarlandtages begründet hat. ({9}) Welch menschliche Tragik darin steckt, das wollen wir hier nicht austragen. Aber ich wehre mich dagegen, daß mit dieser Methode hier ein politischer Kampf weitergeführt wird, ({10}) der mit dieser Sache nichts zu tun hat. ({11}) Nun, meine Damen und Herren, einige konkrete Fragen zur Sache. Der sogenannte soziale Besitzstand, d. h. das reale Einkommen der Rentner und der Empfänger von öffentlichen Leistungen sozialer Art, ist nur zu einem ganz bescheidenen Teil Angelegenheit der sozialen Gesetzgebung. ({12}) Die Frage der Eingliederung des einen Systems in das andere ist eine Frage der Technik dieser Gesetze. ({13}) Aber zu einem weit größeren Teil hängt doch die Erhaltung des realen Einkommens der Empfänger sozialer Leistungen von zwei Dingen ab, die weder ({14}) in diesem Gesetz noch in dem Anpassungsgesetz für die Saarversicherung ihren Platz finden werden, nämlich erstens von dem Umstellungskurs, zu dem die französische Frankenwährung und die auf diese Währung lautenden öffentlichen Leistungen später in Deutsche Mark umgerechnet werden - das ist doch eine Angelegénheit des Währungsumstellungsgesetzes -, ({15}) und zweitens von dem Verhältnis des Preisniveaus, welches sich bei der Rückgliederung im wirtschaftlichen Bereich herausstellen wird, zu dem heutigen Preisniveau. ({16}) - Meine Damen und Herren, wenn Sie der Meinung sind, daß das nicht zur Sache gehört, dann kann ich Ihnen nur den Rat geben, sich etwas mehr mit dem Problem der wirtschaftlichen Umstellung der Saar zu befassen. ({17}) Es liegt mir fern, hier noch Schärfen in die Diskussion hineinzubringen. Die Schärfen sind nicht von mir, sondern von dem Herrn Vorredner hineingebracht worden ({18}) in einer Angelegenheit, die mit dieser Materie nichts zu tun hat. An dem guten Willen der Mehrheit dieses Hauses ist auch mit der Begründung, die hier gegeben worden ist, nicht zu zweifeln. ({19}) Daher darf ich namens meiner Fraktion bitten, diesen Antrag abzulehnen. Ich verweise für das materielle Ziel, das wir uns gesetzt haben, auf die Entschließung, die dieses Hohe Haus mit unseren Stimmen bereits angenommen hat. ({20})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung über den Antrag auf Umdruck 923*) Ziffern 1 und 2 beantragt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln. ({0}) Meine Damen und Herren, darf ich bitten, Platz zu nehmen. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß es unmöglich ist, die namentliche Abstimmung so durchzuführen. Ich bitte, den Schriftführern die Arbeit ,doch nicht zu erschweren, meine Damen und Herren, und Platz zu nehmen. Sind alle Abstimmungskarten abgegeben? Meine Damen und Herren, wir fahren in den Abstimmungen fort. Ich rufe die Anträge der Fraktion der DP Umdruck 910**) Ziffern 40 und 41 auf. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Kalinke? ({1}) - Ich bitte, doch Platz zu nehmen, meine Damen und Herren, die Verhandlung geht weiter. Ich hatte, aufgerufen die Anträge Umdruck 910 Ziffern 40 und 41, jeweils einen § 8 einzufügen. Wol- *) Siehe Anlage 13. **) Siehe Anlage 4. len Sie nicht mehr sprechen, Frau Kalinke? - Es wird verzichtet. Andere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer dem Änderungsantrag der DP Umdruck 910 Ziffern 40 und 41 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Meine Damen und Herren, dann liegt noch der Änderungsantrag Umdruck 925***) vor. Er ist verteilt. Darin werden .dem Hause redaktionelle Änderungen vorgeschlagen. Ich glaube, es kann auf Begründung verzichtet werden. Ich frage, ob das Haus mit den auf dem Umdruck 925 aufgeführten redaktionellen Änderungen einverstanden ist. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Die namentliche Abstimmung ist geschlossen. ({2}) Das Wort zu den Erklärungen zur Abstimmung werde ich geben, sobald mir das Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt. - Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung zum Änderungsantrag Umdruck 923**) Ziffern 1 und 2 zu dem § 6 bekannt. Abgegebene Stimmen: 447 und 16 Berliner Stimmen. Mit Ja haben gestimmt 191 und 10 Berliner Abgeordnete. Mit Nein haben gestimmt 256 und 6 Berliner Abgeordnete. Der Änderungsantrag Umdruck 923 Ziffern 1 und 2 ist abgelehnt. Vor der Schlußabstimmung gebe ich das Wort zu einer Erklärung dem Herrn Abgeordneten Dr. Krone für die CDU/CSU.

Dr. Heinrich Krone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der Christlich-Demokratischen und der Christlich-Sozialen Union habe ich folgende Erklärung abzugeben. Der Deutsche Bundestag steht vor der Aufgabe, eine tiefgreifende und für den sozialen Neuaufbau unseres Volkes bedeutsame Entscheidung zu treffen. Es ist ein Gebot geschichtlicher Gerechtigkeit, in dieser Stunde auf jene Zeit zurückzublicken, als vor 70 Jahren in Deutschland die Krankenversicherung sowie die Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung geschaffen wurden. Damals ist der erste große Schritt zum Aufbau eines wirklichen sozialen Rechts in Deutschland getan worden. Diese Bismarcksche Sozialreform, zu ihrer Zeit die fortschrittlichste der Welt, getragen und verteidigt von den Parteien der politischen Mitte und von Kräften einer weitschauenden Rechten, hat volle acht Jahre der Vorbereitung und Beratung in Anspruch genommen. Wenn ich auf diesen Vorgang hinweise und dann hervorhebe, daß wir kaum zehn Jahre nach dem völligen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft und Währung in diesem Gesetz einen in seiner Struktur neuen Schritt auf dem Wege sozialer Gerechtigkeit und Sicherung tun, so geschieht das deshalb, weil ich glaube: wir können mit gutem Grund vor allzu leichtfertiger Kritik durchaus bestehen. ({0}) Erst mußten nach diesem bis zum totalen Ende geführten Kriege die staatlichen und wirtschaftlichen Fundamente neu gelegt werden. Das ist ge- *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10637. **) Siehe Anlage 13. ***) Siehe Anlage 14. ({1}) schehen, und daran haben alle Schichten unseres Volkes Anteil und Verdienst. Wir täten gut daran, öfter, als es bisher geschieht, uns der Zeit vor zehn Jahren zu erinnern. ({2}) Wir würden dann den Abstand von damals und heute nicht so leicht vergessen, den selbst böser Wille nicht leugnen kann. Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik stehen in einen untrennbaren, echten Zusammenhang. Wer diesen Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Aufstieg und sozialem Fortschritt übersieht, gefährdet beides. ({3}) Eine gute Sozialpolitik kann nur dort gedeihen, wo eine richtige Wirtschaftspolitik getrieben wird, und das ist hier geschehen. ({4}) Ohne die Stabilität der Wirtschaft bedeutet jede Sozialreform auf die Dauer eine Bedrohung der sozialen Sicherheit. Wo die Sozialpolitik den Boden wirtschaftlicher Sicherheit verläßt, geht jede Sozialreform einen gefährlichen Weg. Wir haben alle Ursache, uns auch auf diesem Gebiet vor Experimenten zu hüten. ({5}) Wir begrüßen es, daß dieses Gesetz jetzt vor seiner endgültigen Verabschiedung steht und daß damit ein sozial begründeter Anspruch unserer alten und invaliden Menschen erfüllt wird. Hier geht es für uns und für uns alle um jene Schichten unseres Volkes, die an dem wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands bisher in dem notwendigen und gerechten Maße nicht teilgenommen haben. ({6}) Auf die Grundstruktur des Gesetzes noch einmal einzugehen erübrigt sich, weil darüber bereits vier Tage hier im Hause beraten und entschieden worden ist. Wir haben mit diesem Gesetz Neuland betreten. Wir wissen das. Wir haben diesen Schritt getan, weil er getan werden mußte. ({7}) Wir haben aber auch Vorkehrungen getroffen, daß dieser Weg nicht zu einer Gefährdung unserer wirtschaftlichen Stabilität und Währung führen kann. Hier kann nur noch einmal das wiederholt werden, was ich bereits vorhin sagte, daß nämlich ohne eine stabile Wirtschaft jede Neuordnung sozialer Art nur dann gesichert ist, wenn wir wirklich die Wirtschaft stabil erhalten. In den letzten 50 Jahren hat sich die soziale Struktur unseres Volkes von Grund auf geändert. Der Altersaufbau hat sich verändert. Die Sterblichkeit ist gesunken. Die Menschen werden älter. Das Problem der Altersversorgung gewinnt damit besondere Beachtung und vordringliche Bedeutung. Zwei Kriege und zwei Inflationen haben für breite Schichten unseres Volkes einen weitgehenden Vermögensschwund mit sich gebracht. Die Zahl der in abhängiger Arbeit Tätigen hat ständig zugenommen. In unserem Volke ist deshalb weithin das früher selbstverständliche Vertrauen des Einzelnen auf den Erfolg seiner Arbeitskraft von dem Wunsche abgelöst worden, in alle möglichen von der Allgemeinheit verbürgten Sicherheitssysteme einbezogen zu werden. So verständlich dieses Verlangen ist, so gefährlich wird ein solches Denken, wenn die Menschen ihre persönliche Verantwortung für ihr Schicksal preisgeben und ihre Existenz einer anonymen Organisation überlassen. Es ist eine schlechte Politik gerade auch im Zeitalter der modernen Gesellschaft, dem Einzelnen seine Verantwortung, statt sie zu verstärken, noch weiter abzunehmen. ({8}) Die Aufgabe, die wir zu leisten haben, besteht darin, das rechte Maß zu finden zwischen einer vom Staat verbürgten Sicherheit und der für jede freiheitliche Kultur notwendigen Sphäre persönlicher Initiative. Je mächtiger heute die Kräfte des Kollektiven sind, um so mehr hat ,der verantwortliche Politiker die persönliche Initiative, das familiäre Eigenleben, das Streben nach Fortkommen und sozialem Aufstieg zu verteidigen, auch wenn das manchmal mit Sorgen und Mühen verbunden ist. So notwendig es ist, den gerechten Anteil des Einzelnen am Sozialprodukt, auch des Rentners, zu sichern, so notwendig ist es auch, den Raum persönlicher Freiheit zu wahren und zu stärken. Wir leben in einer Zeit größter politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Umwälzungen. Die Welt des Kollektivismus bedroht vom Osten her den Geist und die Struktur des freiheitlichen Westens. Ich bin der letzte, der sich darüber nicht im klaren wäre, daß die Sicherheit der westlichen Welt neben der militärischen Verteidigung gerade auch der gesellschaftlichen Ordnung und weithin Neuordnung bedarf. ({9}) Beides ist notwendig, die Sicherheit nach außen und die soziale Ordnung im Innern. Beide sind getragen von .dem gleichen Willen zur nationalen und persönlichen Freiheit. Es ist eine gefährliche Illusion, zu glauben, man könne die soziale Ordnung im Innern ohne die Sicherheit nach außen aufbauen und gewährleisten. ({10}) Diese Aufgabe stellt uns vor größte Anforderungen. Die Reform der Sozialversicherung umfaßt nur einen Teil dessen, was geordnet werden muß. Auf diese Aufgabe heute auch nur in Umrissen einzugehen ist nicht möglich. Es hieße aber, den letzten Sinn der jetzt zu beschließenden Gesetze, nämlich die Einordnung des alten, invaliden Menschen in die menschliche Gesellschaft, zu verkennen, wollte ich nicht auf diesen Zusammenhang von Sozialversicherungsreform und Sozialreform hingewiesen haben. Soziale Ordnung und soziale Reform stellen den Menschen in seinem irdischen Streben in seiner wahren Bestimmung in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Ordnung. Meine Freunde haben im Sozialpolitischen Ausschuß und hier im Plenum an diesem Gesetz führend und entscheidend mitgearbeitet. Sie sind der Versuchung, die Debatte des Plenums mit der Arbeit im Ausschuß zu verwechseln, nicht erlegen. ({11}) Man sollte das nicht kritisieren. ({12}) ({13}) Ich meine, sie hätten dafür eher ein Lob verdient, das ich ihnenhier ,aussprechen möchte. ({14}) Wir setzen uns für die Verabschiedung des Gesetzes zur Reform der sozialen Rentenleistungen einig und geschlossen ein. Wir glauben, mit dem Gesetz, das vor uns liegt, einen wesentlichen Schritt zu einer dem Menschen dienenden Sozialreform getan zu haben. ({15})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Ollenhauer.

Erich Ollenhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion folgende Erklärung abgeben. Wir Sozialdemokraten begrüßen im Interesse der Alten, Arbeitsunfähigen, Witwen und Waisen, daß der Bundestag nun endlich nach vielfachen Verzögerungen und Vertröstungen über die Gesetze zur Neuordnung der Rentenversicherungen entscheidet. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat durch den von ihr bereits am 18. April 1956 eingebrachten Entwurf eines Rentenversicherungsgesetzes den entscheidenden Anstoß zur Verabschiedung der vorliegenden Gesetze durch Sie gegeben. ({0}) Auch auf diesem Gebiet hat es ,der sozialdemokratischen Initiative bedurft, um Regierung und Koalition zum Handeln zu zwingen. ({1}) Der Entwurf der Bundesregierung ist dem Bundestag nämlich erst am 21. Juni 1956 zugegangen. ({2}) Die jetzt zur Schlußabstimmung stehenden Gesetze enthalten leider viele Mängel und Ungerechtigkeiten. ({3}) Dennoch werden sie die Lebenslage der alten und berufsunfähigen Menschen in unserem Volk verbessern. ({4}) Die sozialdemokratische Fraktion wird deshalb den Gesetzen ihre Zustimmung geben. ({5}) Ich möchte aber noch folgendes erklären: Erstens. Die Gesetzentwürfe bringen nicht die bereits im Jahre 1950 von der Bundesregierung angekündigte Sozialreform. ({6}) Sie führen nicht zu einer Vereinfachung des Sozialrechts, sondern machen es noch komplizierter und unverständlicher. ({7}) Sie entsprechen daher nicht den Anforderungen, die gerade an eine moderne sozialpolitische Gesetzgebung gestellt werden müssen. ({8}) Zweitens. Die Gesetzentwürfe bringen keine sinnvolle Abgrenzung der verschiedenen sozialen Leistungen. Sie bringen auch nicht die notwendige übersichtliche Neuordnung der sozialen Leistungen, sondern schaffen neue Zuständigkeitsdifferenzen zwischen ,den verschiedenen Leistungsträgern, die zu organisatorischem Leerlauf führen müssen. Drittens. Die Gesetzentwürfe tragen den Bedürfnissen nach sozialer Sicherung der Selbständigen und freiberuflich Tätigen nicht Rechnung. Sie enthalten keinen konstruktiven Gedanken über eine soziale Sicherung, die den besonderen Bedürfnissen der Selbständigen und freiberuflich Tätigen entspricht. Es werden vielmehr bestehende Möglichkeiten zur freiwilligen Versicherung von Selbständigen beeinträchtigt, und das Durcheinander in der Handwerkerversicherung wird noch vergrößert. ({9}) Viertens. Die Gesetzentwürfe führen durch Beitragserhöhungen zu einer stärkeren wirtschaftlichen Belastung der Arbeiter und Angestellten. Der Antell der Versicherten an den Aufwendungen für Sozialaufgaben wird wesentlich erhöht, der des Bundes entsprechend reduziert, ({10}) und die Bundeszuschüsse zu den Altersrenten kommen sogar völlig in Fortfall. Statt auch hier den notwendigen Beitrag zu einer gerechteren Einkommensverteilung beizusteuern, werden neue Ungerechtigkeiten zu Lasten der Arbeiter und Angestellten geschaffen. ({11}) Meine Damen und Herren, diese Schwächen und Mängel der neuen Gesetze haben ihre Ursache nicht nur in der Unwilligkeit der Regierung und ihrer Koalition, das Notwendige zur sozialen Sicherung des Lebensabends der alten Menschen rechtzeitig und ausreichend zu tun, sie liegen vor allem auch in der Tatsache begründet, daß Regierung und Koalition sich nicht zu der grundlegenden Neugestaltung des Rechts der sozialen Sicherheit entschließen konnten. ({12}) Die Bundesrepublik steht nicht nur vor der Aufgabe, durch Erhöhungen und Erweiterungen der finanziellen Leistungen den alten Menschen in unserem Volk wenigstens einen gewissen Anteil an den Erfolgen des wirtschaftlichen Aufbaus und der Hochkonjunktur zu sichern. Die wirkliche Aufgabe unserer Zeit ist vielmehr die Schaffung einer neuen Ordnung der sozialen Sicherheit, einer Ordnung, die die Pflicht der Gemeinschaft des ganzen Volkes zur Grundlage hat, allen alten Menschen einen Lebensabend ohne Furcht und Not in Sicherheit und Frieden zu gewährleisten. ({13}) Eine Reform, wie wir sie jetzt verabschieden werden, ist wichtig und nützlich. Aber unsere Zeit er({14}) fordert mehr. Sie erfordert eine soziale Neuordnung. Lange Zeit war Deutschland auf dem Gebiet der Sozialgesetzgebung führend. ({15}) Heute sind Länder wie Großbritannien, Frankreich, Holland und die skandinavischen Länder beispielgebend geworden in Geist und Inhalt sozialer Neugestaltung. ({16}) Menschliche, gesellschaftliche und politische Gründe gebieten, diese soziale Neugestaltung auch in der Bundesrepublik ohne Zeitverlust in Angriff zu nehmen. ({17}) Die heute zur Verabschiedung kommenden Gesetzentwürfe können zur Linderung der sozialen Not in der Bundesrepublik beitragen und die Lage der im Schatten der sozialen Marktwirtschaft lebenden Rentner verbessern. Aber, meine Damen und Herren, die Aufgabe der sozialen Neuordnung muß erst noch in Angriff genommen werden. Diese Aufgabe zu lösen ist und bleibt eines der vornehmsten Ziele sozialdemokratischer Politik unserer Zeit. ({18})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu einer Erklärung hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.

Dr. Max Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000130, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokraten habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei hat seinerzeit die Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953, in der die Durchführung einer Sozialreform und die Vorlage eines umfassenden Sozialprogramms angekündigt wurden, aufs wärmste begrüßt. Sie hatte von dieser Sozialreform eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Strukturwandlungen unserer Zeit erwartet. Wir haben insbesondere auf dem Gebiete der Rentenversicherung erwartet, daß 1. die festzusetzenden Renten allen Rentnern und nicht nur einem Teil ein besseres Dasein garantieren, 2. die Beitragslast sich in einem zumutbaren Rahmen hält, 3. die Versicherungspflicht alle des besonderen sozialen Schutzes Bedürftigen erfaßt, die individuelle Verantwortung der Nichtschutzbedürftigen aber nicht beschneidet, 4. die Selbständigkeit der Angestelltenversicherung erhalten bleibt und 5. die Wertbeständigkeit unseres Geldes, eine gesunde und feste Währung nicht gefährdet wird. Der dem Deutschen Bundestag erst drei Jahre später, im Sommer 1956, vorgelegte und offenbar in großer Eile verfertigte Regierungsentwurf entsprach leider keiner dieser Erwartungen. Er enthielt nicht die Konzeption einer Sozialreform, sondern beschränkte sich auf die Rentenversicherung. Er enthielt an sich überhaupt keinen Beginn einer Gesamtreform, ,die aus dem Dickicht unübersichtlicher Bestimmungen herausgeführt hätte, sondern nur Flickwerk an dem Gebäude der Reichsversicherungsordnung, aber leider auch die Gleichschaltung der Angestelltenversicherung. Er brachte für 11/2 Millionen Rentner, also für ein Viertel aller Rentner, keine oder nur unzulängliche Erhöhungen und auf der anderen Seite Beitragslasten, die heute noch nicht übersehbar sind. Wir Freien Demokraten haben an ,den Ausschußberatungen trotz der schon in der ersten Lesung geäußerten schweren Bedenken uneingeschränkt mitgearbeitet. In der Überzeugung, daß ,den Rentnern schnell und nachdrücklich geholfen werden muß, haben wir eine Reihe konstruktiver Verbesserungsvorschläge gemacht. Wir haben eine Rentenformel vorgeschlagen, die es auch dem Rentner ermöglicht, seine Rente selbst auszurechnen, und welche währungspolitische Gefahren ausschaltet. Wir haben eine Zusatzrente für diejenigen vorgeschlagen, die ohne ihr Verschulden durch Krieg und Inflation nur unzulängliche Beitragsleistungen erbracht haben. Wir haben die Einführung der Elternrente beantragt, ferner die Zustellung der Renten durch die Post vorgeschlagen, um gerade den Alten und Gebrechlichen ,das Schlangestehen am Postschalter zu ersparen. Alle diese Vorschläge der Freien Demokraten sind von ,der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt worden. Was jetzt vor uns liegt, ist ein unvollkommenes Gesetz, das in Bälde Abänderungen und Ergänzungen notwendig macht. Es erinnert insoweit an andere in diesem Hause hastig beschlossene unvollkommene Gesetze. Schon jetzt ist die Enttäuschung zu ermessen bei all denen, deren Hoffnung auf eine spürbare Rentenerhöhung nicht in Erfüllung gehen wird, bei all denen, denen unzumutbare Beitragslasten aufgebürdet werden, und bei all denen, die in eine Pflichtversicherung hineingepreßt werden, deren sie zur Sicherung ihres Alters nicht bedürfen. Die Gefahren für die Kaufkraft unseres Geldes und die Erhaltung unserer Währung werden nur dann vielleicht gebannt werden können, wenn schnell und entschlossen eingegriffen wird, falls das System der lohngebundenen Produktivitätsrente zu scheitern droht. Wir stellen nicht ohne Bitterkeit fest, daß selbst die Väterdieses Gesetzes mit dem Scheitern rechnen, da sie einem künftigen Bundestag dieses Eingreifen zur Auflage machen und damit die letzte Verantwortung einem künftigen Gesetzgeber zuschieben. Wir Freien Demokraten waren und sind gewillt, den Rentnern nachdrücklich zu helfen. Wir sehen uns jedoch nicht in der Lage, diesem ,dem früheren guten Ruf der deutschen Sozialversicherung in der Welt abträglichen Gesetz unsere Zustimmung zu geben. ({0}) Wir werden daher in der Schlußabstimmung mit Nein stimmen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zu einer weiteren Erklärung hat der Abgeordnete Feller.

Erwin Feller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000532, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE habe ich die Ehre, zur Schlußabstimmung über die Gesetze zur Rentenversicherung ({0}) der Arbeiter und Angestellten folgende Erklärung abzugeben. Der Gesamtdeutsche Block/BHE sieht im Recht der Menschen auf soziale Sicherheit, das auch in der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen niedergelegt ist, einen wichtigen Teil der noch nicht erreichten sozialen Gerechtigkeit im Zusammenleben der Menschen. Wir sehen in der sozialen Sicherheit, die sich auf die Leistung des einzelnen, auf die Solidarität der Gemeinschaft und eine zusätzliche Hilfeleistung das Staates gründen muß, eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erhaltung einer freiheitlich demokratischen Staatsordnung und für den Willen zum Widerstand gegen eine nach unten gleichmachende, menschenunwürdige Abhängigkeit von totalitärer Staatsgewalt. ({1}) Wir bedauern, daß die vorliegenden Gesetze durch die Methode der Rentenfestsetzung nicht auch zu einer gerechten zweiten Einkommensverteilung führen. Sie können deshalb auch ihrem Wesen nach nicht als ein Teilstück einer echten Sozialreform angesehen werden. Wenn diese Gesetzgebung als Vorbild für eine gesamtdeutsche Regelung ,gelten soll, dann muß man sich nach unserer Auffassung dazu entschließen, den nicht mehr arbeitsfähigen Menschen einen gerechteren Anteil am Sozialprodukt zu sichern: denn nur dadurch werden im Osten und Westen Deutschlands die nach dem Zusammenbruch eingetretenen Zustände überwunden werden können, die niemand als von Gott gewollt ansehen kann. Wir bedauern es, daß die Mehrheit dieses Hauses sich nicht entschließen konnte, Bundeszuschüsse auch für das Altersruhegeld zu gewähren, und auch einer Elternrente und der Gewährung von Pflegegeld nicht zugestimmt hat. Wir weisen auf eine besondere Härte der heute zu beschließenden Neuordnung hin, die darin liegt, daß den rentenberechtigten Kriegsopfern und den Unterhaltshilfeempfängern nach dem Lastenausgleichsgesetz keine Aufbesserung ihrer Bezüge gebracht wird; denn was man ihnen mit diesen Gesetzen gibt, wird ihnen durch die Anrechnung auf die Ausgleichsrente bzw. auf die Unterhaltshilfe wieder genommen. Diese Härte trifft diejenigen unserer Mitbürger, die durch ihre großen Opfer im besonderen Maße die Hilfe der Allgemeinheit verdienen. Wir erwarten, daß sich dieses Hohe Haus bereit finden wird, Novellen zum Bundesversorgungsgesetz und zum Lastenausgleichsgesetz zuzustimmen, die notwendig sind, damit diese unbilligen Härten ausgeglichen werden. Wir verkennen nicht, daß das vorliegende Gesetz eine gewisse Vereinheitlichung der kaum noch übersehbaren Bestimmungen ,der Rentengesetzgebung bringt. Es bringt auch einem Teil der Rentenempfänger eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage, wenn auch die Renten dem erarbeiteten Lebensstandard nicht entsprechen werden. Wir halten es für angebracht, anläßlich dieser Schlußabstimmung allen denen zu danken, die als Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses oder sonst helfend und beratend diese Gesetze mit erarbeitet haben. ({2}) Wir hoffen, daß sich das Haus bei künftig notwendig werdenden Änderungen dieses Gesetzes und bei der Behandlung anderer sozialpolitischer Fragen immer von dem Gedanken leiten lassen wird, daß nicht äußerer Glanz und äußere Macht, sondern das Verhalten eines Volkes gegenüber seinen sozial schwachen, seinen alten und kranken Menschen seine wahre sittliche Größe zeigt. ({3}) Meine Fraktion wird diesen Gesetzen trotz ihrer von der Mehrheit des Hauses zu verantwortenden Mängel zustimmen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke. ({0})

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe die Ehre, namens der Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei folgende Erklärung abzugeben. Beide Fraktionen haben sich immer wieder mit aller Entschiedenheit für eine beschleunigte Erhöhung aller laufenden Renten eingesetzt. Wir begrüßen es daher, daß das soeben beratene Gesetz das sozialpolitische Ziel anstrebt, die Rentenempfänger an der realen Wohlstandsmehrung endlich zu beteiligen. Wir haben deshalb auch trotz aller Bedenken gegen das System der Mindestzulagen, der pauschalen Erhöhung der laufenden Kleinrenten in der im Gesetz vorgesehenen Form um der Rentner willen zugestimmt. Wir bedauern es, daß unsere Besorgnis und unsere Bedenken gegen das System dieses Gesetzes, unsere Besorgnisse um die Ausweitung der Versicherungspflicht, unsere Sorgen um die Auswirkungen des Experiments der neuen Rentenformel, unsere Warnungen vor allen Maßnahmen, die die Selbstveranwortung, die Spartätigkeit und die Eigentumsbildung beeinträchtigen können, nicht gehört worden sind. Wir hoffen trotzdem, daß ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wirtschaftskraft und Soziallast sowie die als unentbehrliche Grundlage für eine erfolgreiche Sozialpolitik notwendige stabile Wirtschafts- und Steuerpolitik nicht erschüttert werden. Die Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei bedauern die Härten, die dieses Gesetz für die Angestellten enthält, und die Entscheidungen, die gegen ein besonderes Angestellten-versicherungsrecht hier gefallen sind. Wir bedauern weiter die Ablehnung unserer Änderungsanträge zu den Grundsatzfragen und zum Kernziel des Gesetzes. Wir befürchten, daß die Finanzierungsvoraussetzungen jetzt und für die Zukunft keine gesicherten Grundlagen bieten, um ,die Höhe der Beiträge und Leistungen, wie sie heute beschlossen sind, für eine angemessene Zeit sicherzustellen. Sosehr unsere Fraktionen es begrüßen, daß ihr Antrag angenommen worden ist, die Altersgrenze für weibliche Angestellte schon auf das 60. Lebensjahr zu senken, so sehr bedauert es die Fraktion der Deutschen Partei, daß es nicht gelungen ist, das sozial-ethische Anliegen der alleinstehenden berufstätigen Frauen und Männer, die für alte Eltern sorgen, die mit Beiträgen erworbene Elternrente, durchzusetzen. Wir hoffen, daß durch die schnelle Vorbereitung der Vorlage der Novelle zum Fürsorge-Änderungsgesetz, durch Schaffung einer „sozialen Ausgleichsrente" die Reform der Rentenversicherung sinnvoll ergänzt wird, damit vor allem die Armen unter den ({0}) Rentnern und Sozialleistungsempfängern eine wirkungsvolle Hilfe erhalten. Die Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei haben die Grundlagen und die Auswirkungen dieses Gesetzes für die Zukunft mit großem Verantwortungsgefühl geprüft. Auf Grund der aufgezeigten Mängel dieses Gesetzes sehen sich nicht alle Mitglieder unserer Fraktionen in der Lage, diesem Gesetz zuzustimmen. Sie werden aber die Entscheidung in der Schlußabstimmung jeder für sich in der Verantwortung vor seinem Gewissen treffen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Horn!

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion beantrage ich namentliche Schlußabstimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, der Antrag auf namentliche Schlußabstimmung ist ausreichend unterstützt. Ich rufe auf zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter und über den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({0}) Meine Damen und Herren, ich gebe bekannt, daß ich neue Listen habe auflegen lassen, da ein neuer 1 Tag angebrochen ist. Sind alle Stimmkarten abgegeben? - Dann mache ich dem Haus den Vorschlag, daß wir uns, bis die Auszählung beendet ist, der übrigen Tagesordnung zuwenden. Ehe ich die anderen Punkte der Tagesordnung aufrufe, schließe ich die namentliche Abstimmung. ({1}) Ich rufe auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den erleichterten Straßendurchgangsverkehr zwischen Salzburg und Lofer über deutsches Gebiet und zwischen Garmisch-Partenkirchen und Pfronten/Füssen über österreichisches Gebiet ({2}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den erleichterten Eisenbahndurchgangsverkehr auf den Strekken Mittenwald ({3})-Griesen ({4}) und Ehrwald ({5})-Vils ({6}) ({7}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Erleichterungen der Grenzabfertigung im Eisenbahn-, Straßen- und Schiffsverkehr ({8}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über 'das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Durchbeförderung von Häftlingen auf den Eisenbahnstrecken Mittenwald ({9})-Griesen Grenze) und Ehrwald ({10})-Vils ({11}) ({12}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Beförderung von Exekutivorganen im Straßen-und Eisenbahn-Durchgangsverkehr ({13}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 28. Oktober 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Regelung des Grenzüberganges der Eisenbahnen ({14}); Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen vom 14. September 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Regelung der Amtshaftung aus Handlungen von Organen des einen in grenznahen Gebieten des anderen Staates ({15}). Es ist beantragt, die Drucksachen 3082, 3083 und 3087 an den Ausschuß für Verkehrswesen, die Drucksache 3084 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, die Drucksachen 2085 und 3088 an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und die Drucksache 3086 an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Wer diesen Überweisungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({16}) über den Entwurf einer Vierundsechzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({17}) ({18}). Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Meine Damen und Herren, der Ausschuß empfiehlt Annahme der Drucksache. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Ich rufe auf die Beratung des Schriftlichen Berichts**) des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({19}) über den Entwurf einer Fünfundsechzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({20}) ({21}). Auch hier empfiehlt der Ausschuß Annahme. Ich frage, ob das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Die Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den *) Siehe Anlage 19. **) Siehe Anlage 20. ({22}) Entwurf einer Siebenundsechzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen ({23}) ({24}) empfehle ich dem Hause, heute abzusetzen, da hierüber im Ausschuß Einmütigkeit nicht besteht. Wir werden die Sache bei nächster Gelegenheit auf die Tagesordnung setzen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, die Auszählung ist beendet. Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Schlußabstimmung über die beiden Versicherungs-Neuregelungsgesetze bekannt: Abgegebene Stimmen insgesamt 440 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 16 Berliner Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben gestimmt 398 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und 15 Berliner Mitglieder. Mit Nein haben gestimmt 32 stimmberechtigte Mitglieder des Hauses und ein Berliner Abgeordneter. Enthalten haben sich 10 Mitglieder des Hauses. Meine Damen und Herren, ich stelle hiermit die Annahme der beiden Gesetze zur Arbeiterrentenversicherung und Angestelltenversicherung fest. ({25}) Ich rufe nun zur Abstimmung auf über den Ausschußantrag Drucksache 3080 auf Seite 2 unter B 3, den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten - Drucksache 2314 - abzulehnen. Ich rufe auf die §§ 1 bis 131, - Einleitung und Überschrift. Wer diese Paragraphen sowie die Einleitung und Überschrift annehmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Gesetzentwurf ist abgelehnt. Ich rufe auf - entsprechend dem Ausschußantrag unter B 4 - den Antrag der Fraktion der SPD betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Zustellung von Renten der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung, Drucksache 1835, §§ 1 bis 7, - Einleitung und Überschrift. - Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Abgelehnt. Ich lasse abstimmen über den Ausschußantrag B 5, den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Reform der Rentenversicherung, Drucksache 1822, durch ,die Beschlußfassung zu Nr. 1 und Nr. 2 für erledigt zu erklären. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10637. Ich lasse schließlich abstimmen über den Antrag des Ausschusses unter B 6, die Eingaben und Petitionen zu den Vorlagen durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 und Nr. 2 für erledigt zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Abstimmung über die Entschließungsanträge. Auf Begründung der Entschließungsanträge wird verzichtet. ({26}) - 919 ist bereits begründet. Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FVP auf Umdruck 912*). Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. Ich rufe auf zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 917**). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen abgelehnt. Ich rufe auf zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 919***). Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist ebenfalls abgelehnt. Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer Tagesordnung. Ich habe noch folgendes bekanntzugeben: Der Wirtschaftspolitische Ausschuß tagt heute, also am 22. Januar, nicht um 9 Uhr 30, sondern um 10 Uhr 30, und die CDU-Mitglieder des Wirtschaftspolitischen Ausschusses treten zur Vorbesprechung nicht um 9 Uhr, sondern um 10 Uhr zusammen. Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Sitzung angelangt. Ich berufe die nächste, die 188. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 31. Januar 1957, 14 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.