Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Beratung des einzigen Punktes der gestrigen und heutigen Tagesordnung fort:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter ({0}) und des
Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten ({1}) ({2}).
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({3}) ({4}).
Ich rufe auf den § 1260 der Arbeiterrentenversicherung mit den Umdrucken 893*) Ziffer 39, 889**) Ziffern 17, 87 und 89, 891***) Ziffern 20, 21, 22 und 23 und 895****) Ziffer 13 sowie den § 30 der Angestelltenversicherung mit den Umdrucken 893*) Ziffer 40, 889**) Ziffern 18, 88 und 90, 891***) Ziffern 24, 25, 26, 27, 28 und 29 und 895****) Ziffer 14.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der § 1260 bzw. der § 30 ist ein Kernpunkt der Gesetzentwürfe, die wir zu beraten haben. Beide Paragraphen enthalten die Rentenformel. An dieser Formel ist seit ihrem Bekanntwerden in der Öffentlichkeit in steigendem Maße Kritik geübt worden. Es ist dabei interessant festzustellen, daß diese Kritik nicht nur von einer Seite, sondern von vielen Seiten kommt und daß recht gewichtige und sehr bedeutende Namen unter den Kritikern zu finden sind. Es geht nach meiner Überzeugung nicht an, daß man diese Kritik, so unbequem sie auch sein mag, zu bagatellisieren versucht. Dazu sind diejenigen, die ihre Stimme warnend erhoben haben und noch erheben, zu bedeutend, als daß sie sich so einfach beiseitesetzen lassen.
({0})
Was ist nun das Eigentliche, das Bedeutsame an der Rentenformel, so wie sie der Regierungsentwurf gebildet und wie sie der Sozialpolitische Ausschuß in seiner Mehrheit übernommen hat? Das ist die Problematik der dynamischen Rente, die nach den ersten sehr scharfen Kritiken eine Abschwächung in dem Begriff der Produktivitätsrente gefunden hat. Der parallel beratene Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion beinhaltet ebenfalls die dynamische Rente. Das ist eine Konsequenz, die dem Postulat entspricht, das seit jeher von der sozialdemokratischen Seite aufgestellt worden ist. Es nimmt aber wunder, daß diese Dynamik von der Christlich-Demokratischen Union auch jetzt in vollem Umfange übernommen worden ist. Mir scheint, daß da doch ein erheblicher Widerspruch ist. Vor allen Dingen darf ich noch einmal
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 4. ****) Siehe Anlage 7.
({1})
auf eins zurückkommen, was wir bei der ersten Lesung ides Gesetzentwurfs ausgeführt haben.
Es bleibt uns unverständlich und ist auch einem großem Teil der Öffentlichkeit unverständlich geblieben, daß die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfs davon ausgegangen ist, eine schleichende Inflation sei eine unausbleibliche Tatsache, und daß sich jetzt eigentlich die Rentenformel gerade auf dieser schleichenden Inflation aufbaut. Die Konsequenzen, die sich hieraus ergeben, sind vielfältiger Art. Von prominenter Regierungsseite her wird währungsmäßig ein Unterschied zwischen „real-stabil" und „nominal-stabil" gemacht. Ich glaube, wir haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, wie man mit einer solchen einseitigen Festlegung, die nur einem bestimmten Teil der Bevölkerung einen Schutz verleihen ,soll, die berechtigten Ansprüche der großen Mehrzahl aller übrigen rechtmäßig befriedigen will. In dem Unterschied zwischen dem Real-Stabilen und dem Nominal-Stabilen sehen meine politischen Freunde und ich und auch ein großer Teil der Öffentlichkeit die eigentlichen Gefahren für das deutsche Währungsgefüge, und wir begreifen nicht, daß die Bundesregierung, die sich sonst zum Hüter marktwirtschaftlicher Grundsätze und - damit auf das engste verbunden - der währungspolitischen Erfordernisse macht, hier unbesehen eine solche Formulierung gutheißt, unterstützt und noch in dieser Form verbreitet. Wir sind der Auffassung, daß man zukünftige Geldentwertungen einfach nicht kalkulatorisch erfassen und daß man nicht auch noch einen Versicherungsschutz dagegen gewähren kann. Vor den Auswirkungen einer möglichen Geldentwertung kann man nicht von vornherein nur einen kleinen Teil gesetzlich schützen, sondern man muß und soll seine Politik so ausrichten, daß für die Gesamtheit gesehen eine Geldentwertung nicht in Frage kommt oder jedenfalls so weit hinausgezögert wird wie nur irgend möglich. Man muß aber; wenn dennoch in einem Konjunkturverlauf oder durch andere Ereignisse etwas Derartiges eintreten sollte, dafür Sorge tragen, daß nicht nur ein Teil, sondern die gesamte Bevölkerung geschützt wird; sie hat darauf das gleiche Anrecht, und wir haben das im Grundgesetz verankert.
Man möge sich doch auch nicht dem Irrtum hingeben, zu meinen, daß nur hierdurch dem Rentner ein Schutz gegeben wenden kann. Meine Damen und Herren, die Rentner können nur durch eine gesicherte Währung geschützt werden. Sie wissen auch - das ist durch häufige Publikationen der letzten Zeit deutlich geworden -, daß die Bindung an die Löhne und Gehälter, die sogenannte Indexbindung, wie ich sie allgemein bezeichnen möchte, Schule gemacht hat und daß auch andere Kreise - vollkommen zu Recht - nach diesem Beispiel eine Indexbindung, einen Indexschutz verlangen; nehmen Sie nur die Hausbesitzer, die eine Indexmiete angemeldet haben, und noch andere weite Kreise.
Es ist begreiflich und selbstverständlich, daß bei der Bindung der Renten an die Löhne und Gehälter, so wie es der Regierungsentwurf und die Ausschußfassung in § 1260 vorsehen, in Zukunft von seiten der Rentner ein stärkerer Druck auf die Lohnforderungen ausgeübt werden wird als bisher. Es ist nur zu begreiflich, daß das natürliche Interesse auf dieser Seite jetzt darauf ausgerichtet ist, daß die Löhne nach Möglichkeit steigen, damit man selbst einen größeren Vorteil erreicht. Es ist schon des öfteren darauf hingewiesen worden - ich möchte das jetzt hier noch einmal mit allem Nachdruck tun -, daß bei allen Lohnauseinandersetzungen, die wir in der letzten Zeit gehabt haben - das gilt auch für die, die noch kommen werden -, in einem ganz besonderen Maße deutlich geworden ist, welche Verantwortung auf die an den Lohnaushandlungen beteiligten Parteien, auf die Sozialpartner, die Arbeitgeber auf der einen Seite und die Gewerkschaften auf der andern Seite, zukommt.
Bislang ist schon immer von gewerkschaftlicher Seite bei dem Erheben und Durchsetzen von Lohnforderungen großes Gewicht darauf gelegt worden, daß auf die Rentner Rücksicht zu nehmen sei. Diese Forderung wird in einem noch viel stärkeren Maße als bisher bei den vorgeschlagenen und zu beschließenden gesetzlichen Bindungen der Renten an die Löhne und Gehälter geltend gemacht werden. Eines zeigt sich dabei ganz deutlich: Etwaige Fehler, die - aus welchen Gründen auch immer - in der Lohnpolitik gemacht werden, werden sich zwangsläufig dadurch potenzieren, daß nun an den Lohnempfängern durch eine Koppelung auch noch der große Kreis der Rentner hängt.
In diesem Zusammenhang muß man auch ganz deutlich folgendes durchaus verständliches Verhalten sehen: der Lohnempfänger, der zukünftig Neurentner sein wird, ist natürlich in einem wesentlich stärkeren Maße als bisher an allen lohnpolitischen Entwicklungeninteressiert, weil die Festsetzung seiner Ausgangsrente nicht mehr wie bislang von Nominalbeiträgen abhängig ist, sondern von dem letzten allgemeinen Lohndurchschnitt bestimmt wird. Das liegt doch nun einmal in der Konstruktion dieses neuen Gesetzentwurfs.
Von einer andern Seite ist darauf aufmerksam gemacht worden - mir leuchtet das durchaus ein -, daß sich soziale Spannungen ergeben können, ja wahrscheinlich automatisch dadurch ergeben werden, daß in vielen Fällen die neuen Rentner bei der Erstfestsetzung günstiger gestellt sein werden als die alten Rentner. Es wird vor allen Dingen dann der Fall sein, wenn in der Zwischenzeit Lohnsteigerungen vorgekommen sind. Daß 'dabei auf den Gesetzgeber in einem ganz besonderen Maße schwierige Situationen zukommen werden, liegt auf der Hand.
Wenn ich mich noch einmal an den letzten Teil unserer gestrigen Diskussionen zu den §§ 1258 und 1259 erinnere, als es um die Steigerungsbeträge ging, muß ich sagen, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Auseinandersetzungen in den Rahmen der jetzigen Erörterung des § 1260 gehört hätte. Ich möchte aber nun auf die Kritik des Herrn Kollegen Ruf - ich kann ihn im Augenblick nicht sehen; er ist anscheinend nicht im Saale - an den Versicherungsgutachten eingehen, die durch die Kritik ergänzt wurde, die der Herr Kollege Professor Preller gegeben hat, eine sehr lebhafte, temperamentvolle Kritik. Ich nehme auch Herrn Kollegen Professor Preller diese Kritik keineswegs übel; denn sein Eintreten für die Grundlagen und die Arbeitsunterlagen des Bundesministeriums ist für mich insofern vollkommen erklärlich, weil sich ja der Natur nach der Entwurf der SPD praktisch in diesen Dingen von dem Regierungsentwurf nicht abhebt,
({2}) sondern ihn wesentlich konsequenter durchführt.
({3})
Aus diesen Gründen hat er naturgemäß ein Interesse daran, die Unterlagen, die seine These zu
({4})
unterbauen geeignet sind, entsprechend zu verteidigen.
Bei der Kritik, die Herr Kollege Ruf geübt hat, und bei der Art, wie er den Entwurf und die Verbesserungen, das Beratungsergebnis im Sozialpolitischen Ausschuß hier mit warmem Herzen verteidigte, kam mir aber doch - meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir nicht übel - so ein kleines bißchen auch der Gedanke daran, ob zu dem warmen Herzen und inzwischen warm gewordenen Kopf auch die kalten Füße passen werden - es klingt etwas deplaciert, aber es muß einmal gesagt werden -, die er und sehr viele unter Ihnen wahrscheinlich doch bei dem § 1260 gehabt haben werden. Es ist doch ein offenes Geheimnis, daß innerhalb der CDU/CSU keineswegs von Anfang an eine einheitliche Auffassung über den § 1260 bestanden hat.
({5})
Die Rentenformel, das bedeutsamste Kernstück der Reform, hat, glaube ich, gerade in Ihren Reihen - und das ist der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben - zu sehr, sehr starken Auseinandersetzungen geführt.
({6})
Das ist auf der einen Seite, sagen wir einmal, politisch sehr fruchtbar, durchaus zu begrüßen, und ich anerkenne das. Aber das Ergebnis entspricht nun ja leider nicht dem, was man erwartet hätte.
,({7})
- Nein, entschuldigen Sie, was m a n erwartet hatte. Ich sage ausdrücklich nicht „ich", sondern was „man" erwartet hatte; denn ich bin unbescheiden genug, anzunehmen, daß auch ein sehr großer Teil der Öffentlichkeit - und das müssen Sie sich gefallen lassen, meine Damen und Herren - damit nicht zufrieden ist. Er hat mit Sorge davon Kenntnis genommen, daß Sie sich entgegen den zunächst hoffnungsvoll erscheinenden Ansätzen in Ihrer internen Auseinandersetzung dann doch im Grundprinzip zu etwas bekannt haben, dessen Konsequenzen man nicht einfach in hoffnungsfrohem Optimismus damit abtun kann, wie mein lieber Freund Thomas Ruf das gestern hier getan hat, daß man einen Blankoscheck auf die Zukunft ausstellt: „Es wird schon alles gutgehen!"
({8})
Das entspricht ganz und gar nicht den Grundsätzen der wirtschaftspolitischen Erkenntnisse. In Ihren Reihen sitzen sehr viele Männer - deren Namen einen sehr guten Klang haben -, die über die wirtschaftspolitischen Konsequenzen eigentlich sehr gut im Bilde sein müßten. Inwieweit sie ihre warnende Stimme erhoben haben, ist mir unbekannt; ich kann nur feststellen, daß, wenn sie es getan haben, sie damit nicht durchgedrungen sind.
Die Meinung, daß man bei einer Regierungsvorlage erwarten müßte, daß alle zur Regierung gehörigen Parteien sich einhellig hinter sie stellen, ist an dem vorliegenden Gesetzentwurf und an der Ausschußbeschlußfassung ad absurdum geführt worden. Sowenig innerhalb der tragenden Regierungspartei eine völlige Übereinstimmung festzustellen war, noch weniger bestand sie innerhalb der Koalition. Das hat insofern sein Gutes, als dadurch deutlich geworden ist, daß niemand seinen grundsätzlich verantwortungsbewußten Urteilen und Entscheidungen hat Zwang anlegen lassen nur eines einzigen übergeordneten Prinzips wegen - es sei so oder so geschaffen -, das der Vernunfterkenntnis den Weg verbaut hätte.
Ich möchte nicht näher auf so manche Randerscheinungen eingehen, die im Verlaufe der Beratungen gerade über § 1260 - um die Rentenformel herum - festzustellen waren. Ich denke z. B. an die Meinungsbefragung. Wir haben das etwas kuriose Bild, daß zwei bekannte Meinungserforschungsinstitute zu völlig gegensätzlichen Feststellungen gekommen sind; nun kann sich jeder aussuchen, was ihm paßt. Es kommt darauf an, daß man eine gemeinsame Ausgangsbasis findet, von der aus man die Fragen stellt, daß man aber nicht aus taktischen Gründen Fragen so formuliert, daß sie praktisch nichts anderes als Alternativfragen sind, auf die die gewünschte Antwort von vornherein gegeben ist. Es dient nicht dem Ansehen der Fragesteller - in diesem Falle einer Regierungsinstanz -, wenn zu offenkundig wird, daß hier eine Schützenhilfe herangeholt werden soll, die in durchsichtiger Form das Fragwürdige von vornherein erkennen läßt.
Gestern sind auch Zweifel daran laut geworden, ob und inwieweit die Berechnungsunterlagen, die uns zur Verfügung gestellt worden sind, der Kritik standhalten, inwieweit die Versicherungsmathematiker recht haben und inwieweit das Bundesarbeitsministerium recht hat. Ich möchte dazu nur eines sagen. Einen Großteil der an ihm geübten Kritik hat sich das Bundesarbeitsministerium selber zuzuschreiben. Es ist schuld daran, daß das Mißtrauen gewachsen ist, denn es hat nicht in allen Fällen und nicht von vornherein dafür gesorgt, daß uns die Unterlagen in der nötigen Klarheit und im vollen Umfang zur Verfügung standen, damit man sich schon rechtzeitig genug hätte auseinandersetzen können. Das Bundesarbeitsministerium wird auch zugeben müssen, daß es in Verfolg der an ihm geübten Kritiken seine Unterlagen zu einem sehr wesentlichen Teil hat revidieren müssen, daß es Berichtigungen vorgenommen hat - alles Momente, die dazu geeignet sind, das einmal aufgekommene Mißtrauen noch zu verstärken.
Die Deutsche Gesellschaft für Versicherungsmathematik, die hier zitiert worden ist und deren Urteil Herr Kollege Professor Preller für meine Begriffe etwas zu sehr in Bausch und Bogen abgetan hat, ist ja immerhin weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus bekannt und hat internationales Ansehen. Ihre Versicherungsmathematiker haben einen Ruf zu verlieren. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es die Absicht des Herrn Kollegen Preller gewesen ist, diesem Gremium etwa einen Taschenspielertrick vorzuwerfen und die Seriosität ihrer Untersuchungsmethoden zu bezweifeln. Zu unterstellen, daß sie bewußt von völlig falschen Ansatzpunkten ausgegangen seien, halte ich für nicht angängig.
Es ist bisher noch nicht auf eine der grundsätzlichen Behauptungen der Deutschen Gesellschaft für Versicherungsmathematik eingegangen worden, nämlich daß sich die Art und Weise der Erstellung ihrer Unterlagen durch den Umfang ihres Mitarbeiterstabes sowie durch die technische Ausrüstung mit Elektronenrechengeräten usf. auszeichnet. Daß im Vergleich dazu das Bundesarbeitsministerium schlechter abschneiden muß, liegt auf der Hand.
({9})
Das liegt einfach daran, daß dem Ministerium schon aus etatmäßigen Gründen derartige Mittel nicht zur Verfügung stehen können. Es ändert aber nichts daran, daß an dem Ergebnis des Arbeitsministeriums von seiten der Deutschen Gesellschaft für Versicherungsmathematik durchaus die Kritik geübt werden kann, die geübt worden ist. Es sind wohl kaum Kollegen unter uns - Herr Professor Preller nahm es allerdings gestern für sich in Anspruch -, die imstande sind, bis ins Letzte hinein nachzuweisen, daß sich die eine oder die andere Seite fundamental geirrt hat. Ich bin aber bereit, auf Grund der vorliegenden Ergebnisse zu sagen: mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß in diesem Falle doch das Übergewicht bei der Deutschen Gesellschaft für Versicherungsmathematik liegt und daß ihre Ergebnisse nicht so beiseite geschoben werden können, wie man es hier getan hat.
({10})
Als Konsequenz dieser Befürchtungen und der gesamten Situation, die wir vor uns sehen, hat meine Fraktion eine andere Rentenformel entwickelt. Wir halten es angesichts der Gefahren, die der dynamischen oder Produktivitätsrente mit ihrer Lohnbezogenheit innewohnen, nicht für verantwortbar, die im Ausschuß beschlossene Formel weiterzuverfolgen. Wir halten es vielmehr bei einer solchen Lage für notwendig, eine Formel zu verwenden, die diesen Bedenken von vornherein Rechnung trägt, die auf der anderen Seite aber auch der von der Regierung vorgesehenen Rentenhöhe in etwa entspricht. Denn es ist ein Politikum: wenn seit langer Zeit öffentlich verkündet wird, daß die Rente eine bestimmte Höhe haben müsse, dann sind wesentliche Unterbietungen völlig unmöglich. Abgesehen davon ist es auch die Auffassung der Freien Demokraten, daß die bisherige Situation der Rentner grundlegend geändert werden muß. Der Rentner ist aus der Nähe des Fürsorgeempfängers zu entfernen. Jedoch müssen dabei versicherungsrechtliche Grundsätze berücksichtigt werden. Das bedeutet für uns Freie Demokraten in erster Linie, daß wir auf die geleisteten Beiträge abheben. Wir haben deswegen in der von uns vorgeschlagenen Neuformulierung des § 1260 als Rentenbemessungsgrundlage den im Durchschnitt auf einen Beitragsmonat entfallenden Arbeitsentgelt des Versicherten vorgesehen; vielleicht verfolgen Sie unsere Änderungsvorlage zu § 1260 den einzelnen Absätzen nach. Das gesamte versicherungspflichtige Arbeitseinkommen, das der Versicherte im Laufe eines Arbeitslebens erworben hat, wird also zusammengezählt und durch die Zahl der Beitragsmonate - ich betone ausdrücklich: der Beitragsmonate, nicht der Versicherungsmonate - dividiert.
Nun ist es eine Tatsache, daß in der Vergangenheit ein wesentlich niedrigerer Geldstand vorgelegen hat und daß auch nach einem wesentlich niedrigeren Lohnniveau gezahlt worden ist. Deswegen sind wir, aber auch nur insoweit, den Überlegungen und Berechnungen der SPD gefolgt und haben das Arbeitsentgelt der Vergangenheit fiktiv auf die heutigen Verhältnisse angehoben. Diese so, ich möchte mal den Ausdruck gebrauchen: veredelten Arbeitsentgelte nach dem bis 1942 allgemein und dann bekanntlich nur noch für die Selbständigen und die Weiterversicherten geltenden Beitragsmarkensystem sind in den Tabellen zu den Anlagen 1 und 2 enthalten. Dieses Arbeitsentgelt wird mit bestimmten Multiplikatoren für den seit 1942 zugrunde liegenden wirklichen Arbeitsverdienst multipliziert, die sich ebenfalls in den anhängenden Tabellen finden. Dieses fiktive Heraufschleusen der Arbeitsentgelte endet mit dem Jahre 1956. Bis dahin sind nämlich alle Lohnwellen und alle sonstigen Erhöhungen berücksichtigt worden. Für die Zukunft wollen wir aber das nichtveredelte Arbeitsentgelt oder bei Verwendung von Beitragsmarken das Siebenfache des Nennbetrags - das entspricht den 14 % in der Regierungsvorlage - zugrunde legen. Für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr soll, genau wie nach der Regierungsvorlage, 1 % bzw. 1,5 % der Rentenbemessungsgrundlage gewährt werden; vergleichen Sie bitte die §§ 1258 und 1259.
Wir haben ermittelt, daß die so berechnete Rente nur sehr geringfügig, und zwar sowohl nach oben wie nach unten, von der nach der Regierungsvorlage neu berechneten Rente abweicht. Wir kommen also für die jetzigen Rentner fast zu den gleichen Ergebnissen wie die Regierung. Wir vermeiden aber die volkswirtschaftlichen Gefahren der Regierungsvorlage.
Wir sind weiter der Auffassung, daß unser Berechnungssystem sehr viel einfacher ist als das, was nach § 1260 der Regierungsvorlage und nach der Ausschußfassung vorgesehen ist. Nicht zuletzt scheint uns gerade die Forderung von wesentlicher Bedeutung zu sein, daß derjenige, den es angeht, auch die Möglichkeit hat, sich in seinem Gesetz zurechtzufinden und zu erkennen, welche Rechte ihm gewährt und welche Pflichten ihm auferlegt werden. Wenn man sich den gesamten Gesetzentwurf, der hier beraten wird, ansieht, so muß man sagen, daß ihn kaum eine Handvoll Kollegen hier in diesem Raume richtig lesen und deuten können, um so weniger all die Millionen, die davon betroffen werden. Aber gerade bei der Rentenformel, die das entscheidende Stück des gesamten Gesetzentwurfes ist, sollte unserer Meinung nach so einfach und deutlich gesagt werden, was der davon Betroffene zu bekommen hat, daß er sich selber hinsetzen und es errechnen kann.
Wir bitten Sie, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem § 1260 und dem gleichlautenden Paragraphen des Angestelltenversicherungsgesetzes sind wir uns mit der Regierung in einem einig, nämlich in der Feststellung - die auch in der Begründung zur Regierungsvorlage enthalten ist -, daß es sich hier um das Kernstück der Rentenreform handelt. Über die Art und Weise, in der sich die Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung vollziehen soll, bestehen allerdings grundlegende Meinungsverschiedenheiten.
({0})
- Ich komme darauf, Herr Kollege Arndgen. Wir haben noch sehr viel dazu zu sagen, nicht jetzt, aber im Laufe der weiteren Debatte von heute und morgen.
Die Meinungsverschiedenheiten über die Dynamik bestehen aber nicht nur zwischen den Sozial({1})
demokraten und der Regierung, sondern sie bestehen und haben auch bestanden - darauf habe ich bei der ersten Lesung hingewiesen - innerhalb der Regierung und nicht nur innerhalb der Regierungsparteien. Das mußten wir jeden Tag mehrfach im Sozialpolitischen Ausschuß erfahren, und das hat natürlich die Arbeiten im Sozialpolitischen Ausschuß behindert. Bis zur Beschlußfassung über § 1260 mußten die Arbeiten im Sozialpolitischen Ausschuß gewissermaßen dahinplätschern, weil die Hauptregierungspartei, die CDU, sich über diesen Paragraphen noch nicht einig war. Als dann - wir wissen, unter welchen Geburtswehen - die Einigung innerhalb der CDU erfolgt war, wurde Tempo gemacht, und dann wurden entscheidende Vorschriften in wenigen Minuten beraten und verabschiedet.
({2})
Dann hatten Sie von der CDU keine Zeit mehr, einen halben Tag mit der entscheidenden Abstimmung zu warten, bis andere Mitglieder der Regierungsparteien, die eine abweichende Ansicht hatten, überhaupt ihre abweichende Meinung im Ausschuß sagen konnten. Das wollen wir einmal klar darstellen.
Das hat sich aber auch in Äußerungen prominenter Mitglieder der Regierung widergespiegelt. Der Herr Bundeskanzler hat wiederholt gesagt, daß an dem Grundsatz des Regierungsentwurfs unbedingt festgehalten werde, und sein Wirtschaftsminister hat gleichzeitig erklärt, daß es ihm gelungen sei, den größten Giftzahn aus dem Regierungsentwurf herauszubrechen. Das ist doch der Widerspruch. Daß das die Arbeit des Sozialpolitischen Ausschusses beeinträchtigt hat und auch eine Verwirrung in der Bevölkerung darüber, was nun eigentlich mit der Produktivitätsrente beabsichtigt ist, hervorgerufen hat
({3})
und weiter hervorrufen wird, ist doch klar und einleuchtend.
Aber nicht nur der Begriff hat sich gewandelt; auch die tabellarischen Auswirkungen - und das ist ebenso bedenklich -, die Sie in § 1260 dargestellt finden, wurden Änderungen unterzogen, die sich keineswegs ausschließlich aus der veränderten Fassung des Begriffs ergeben haben.
({4})
Hochverehrter Herr Kollege Ruf, das können Sie mir doch nicht sagen. Die Änderungen, die vorgenommen wurden, beziehen sich einmal auf die Zeiträume und dann auf die Lehrlinge und die Anlernlinge. Das ist eine Größenordnung von 5 %. Sie spielt bei dem, worüber hier entschieden werden soll, leider gar keine so entscheidende Rolle; denn die Änderungen, die vorgenommen wurden, sind prinzipieller Art und wirken sich viel maßgeblicher auf die Rechnungsunterlagen aus.
Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, die Sie gewillt sind, § 1260 mit den Tabellen anzunehmen, unterziehen Sie sich vor der Schlußabstimmung, am Sonntag, doch bitte einmal der Mühe, die Tabellenwerte der Anlage zu § 1260 in Regierungsfassung und in Ausschußfassung einander gegenüberzustellen und sie zu vergleichen. Was werden Sie da feststellen? Sie werden finden, daß eine Reihe von Werten mehr als verdoppelt t und andere Werte halbiert worden sind. Das bedeutet, daß der betreffende Arbeiter bzw. Angestellte, der unter die so geänderten Beitragsklassen und -werte fällt, entsprechend eine doppelt so hohe oder halb so hohe Rente erhält.
({5}) Das ist doch ein entscheidender Tatbestand.
Hier im Hause und in der Öffentlichkeit ist viel über die Kritik gesprochen worden, die an den Zahlenunterlagen der Regierung geübt wurde. Ob die Kritik zu Recht besteht oder ob sie zu Unrecht geäußert wurde, will ich im Augenblick nicht sagen. Zu entscheiden, wer in bezug auf diese Dinge recht hat und wer nicht recht hat, ist schwierig. Aber die Regierung selbst hat etwas Verhängnisvolleres getan, als alle Kritiker tun konnten. Sie hatte nämlich erst erklärt: Die Sozialreform, die Rentenreform verzögert sich und muß sich verzögern, weil erst die Rechnungsunterlagen in jahrelanger Arbeit erstellt werden müssen. Dann erhielten wir die Regierungsvorlage. Während der Ausschußberatungen wurden dann die Tabellenwerte von § 1260 und § 30 buchstäblich über Nacht völlig geändert. Das mußte doch in jedem gegen die Art der Berechnung und die Grundlagen der Tabelle, die die Basis für die Rentenhöhe abgeben, ein viel stärkeres Mißtrauen wecken, als es alle Kritiker erzeugen konnten. Das ist etwas außerordentlich Bedauerliches.
In diesem Zusammenhang noch ein anderes Wort. Was ist denn in all diesen Fragen ein weiterer, schwerwiegender Fehler der Regierung gewesen? Als in der Öffentlichkeit erklärt wurde, die Berechnungsunterlagen der Regierung seien nicht ganz sicher - ich will mich vorsichtig ausdrükken -, wäre es die Hauptaufgabe der Regierung gewesen - ich erinnere daran, daß ihr Beirat von 1952 bis 1955/56 dahinvegetiert hat -, über so grundlegende Fragen alle Sachverständigen, die etwas zu sagen haben, zusammenzurufen, um in tagelanger, wochenlanger oder, wenn notwendig, monatelanger Arbeit diese Differenzen gemeinsam zu klären. Der Öffentlichkeit ist wahrlich nicht damit gedient, wenn die einen ein Gutachten und die anderen ein Gegengutachten verfassen und dann wieder behauptet wird: das Gegengutachten ist falsch. Eine Koordinierung der Arbeiten und Bemühungen, einen gemeinsamen Standpunkt bezüglich der rechnerischen Grundlagen zu erreichen, wäre notwendig gewesen. Es gibt selbstverständlich politische Meinungsverschiedenheiten darüber, in welcher Art man die Anpassung vollziehen muß. Darüber haben die Mathematiker nicht zu entscheiden, sondern diese Entscheidung fällt dieses Haus.
({6})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ruf?
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Ruf!
Herr Professor Schellenberg, ist Ihnen bekannt, daß die versicherungstechnische Bilanz, die vom Bundesarbeitsministerium ausgearbeitet worden ist, die wesentliche Rechnungs({0})
grundlage des Regierungsentwurfs bildet, daß diese Bilanz bereits im Jahre 1955 vom Bundesarbeitsministerium vorgelegt und der Öffentlichkeit unterbreitet worden ist und daß gegen diese Bilanz in der Öffentlichkeit keine Einwendungen vorgebracht worden sind, auch nicht von den Versicherungsmathematikern der Versicherungsmathematischen Gesellschaft?
Herr Kollege Ruf, ich muß Sie leider enttäuschen. Die versicherungstechnische Bilanz hat mit den Tabellen zu § 1260 und § 30, ,die wir hier behandeln, nicht das geringste zu tun.
({0})
Herr Kollege Ruf, ich möchte Ihnen antworten: Si tacuisses philosophus mansisses.
({1})
Meine Damen und Herren, wir wollen doch feststellen, worüber wir hier verhandeln. Wir verhandeln nicht über die Finanzierung, nicht über den späteren Aufwand. Das ist eine Frage, die wir erörtern, wenn wir zur Aufbringung der Mittel sprechen; dann ist zu klären, wie sich der Aufwand voraussichtlich gestalten wird. Das weiß niemand genau; da gibt es viele Eventualitäten, die für die nächsten 10 oder x Jahre zu berücksichtigen sind; das ist in der versicherungsmathematischen Bilanz zu behandeln. Bei den Tabellenwerten des § 1260 geht es genau um das Umgekehrte, wenn Sie so wollen. Die versicherungstechnische Bilanz ist ,die Vorschau auf die Zukunft, und die Tabellenwerte geben an, wie die Entwicklung der Arbeitsverdienste in der Vergangenheit bei der Rente zu bewerten ist. Beides hat also nicht viel miteinander zu tun.
Ich muß es noch einmal wiederholen: in einer wahrlich kritischen Situation - ich identifiziere mich nicht mit der Kritik von Herrn Heubeck oder mit der anderer Versicherungsmathematiker; wir haben auch viele Bedenken gegen ihre Berechnungen - mußte der Versuch gemacht werden, durch Zusammenarbeit die Unterschiede in den Rechnungsunterlagen zu klären. Darüber wollen wir uns doch einig sein: der eine behauptet dieses, und der andere hat eine andere Auffassung, aber die Grundlagen der Mathematik gelten für uns alle. Es war ein Versäumnis der Regierung, die das Instrument des Beirats gehabt hat, den Beirat nicht bei diesen Dingen einzuschalten. Der Beirat hat sich über viele, viele Detailfragen unterhalten, die dann ,für die Gesetzgebung keine bedeutsame Rolle gespielt haben. In allen entscheidenden Fragen der Rentenbemessungsgrundlage war die Mitwirkung des Beirats jedoch außerordentlich bescheiden. Ich habe nichts davon gehört, daß die Grundlagen zu § 1260 und zu § 30 von dem Beirat unter Einschaltung aller maßgebenden Kräfte, die volkswirtschaftlich und finanziell etwas dazu zu sagen haben, erarbeitet worden wären; vielmehr habe ich nur etwas anderes gehört: daß in zwei Nächten die Tabellen berechnet worden sind.
Meine Damen und Herren, wie ist denn die Sachlage? Wir haben im Sozialpolitischen Ausschuß, während wir in der Beratung standen, völlig andere Tabellen erhalten. Als wir in der Redaktionskommission saßen, als also das Gesetz im Ausschuß schon verabschiedet war, da kam Herr Kollege
Stingl, häflich und charmant und freundlich wie immer,
({2})
und sagte: Eine kleine Änderung in den Tabellen! Und dann wurde dies und das anders vorgeschlagen, und als wir genauer feststellten, war es nicht nur eine kleine Änderung, sondern es wurden auch manche andere Zahlen geändert. Die hatte auch Herr Kollege Stingl übersehen. Das alles geschah unter dem Druck, unter dem auch die Redaktionskonferenz stand.
Aber, meine Damen und Herren, das ist alles eine schlechte Sache. Es handelt sich um die Grundlagen für die Berechnung nicht nur von Renten für 6 Millionen Rentner von heute, sondern aller Arbeiter und Angestellten, die heute arbeiten und Beiträge zahlen. Für alle diese Menschen sollen die Renten nach den Tabellen von § 1260 und § 30 berechnet werden, und deshalb ist es schlimm, wenn, nachdem der Sozialpolitische Ausschuß das Gesetz schon verabschiedet hatte, erklärt wird: Wir haben uns in der Berechnung geirrt, sie enthält Fehler.
Die Verantwortung dafür trifft nicht die Herren, die das berechnet haben, die Unterlagen unter Zeitdruck berechnen mußten. Rechenfehler können selbstverständlich jedem, Herrn Heubeck, Herrn Tietz und selbstverständlich auch Schellenberg passieren. Aber sie mußten passieren bei einer solchen Hetzarbeit und unter einem solchen Zeitdruck. Der Fehler liegt woanders: in der unzureichenden Vorbereitung!
({3})
Sie müssen doch zugeben, meine Damen und Herren, daß man nicht Versäumnisse von Jahren in wenigen Tagen reparieren kann.
({4})
Das ist unmöglich, und das ist die ganze Tragik, in der wir hier stehen.
({5})
- Aber, Herr Kollege Schüttler, eine Tragik deshalb, weil wir 'alle die Verpflichtung haben, das Gesetz im Interesse unserer Alten und Arbeitsunfähigen schnellstens zu verabschieden. Wir müssen es verabschieden, weil wir die Alten und Arbeitsunfähigen nicht länger warten lassen dürfen, und wir müssen es leider verabschieden mit Unterlagen, die schwanken, von denen niemand ernsthaft sagen kann: sind sie nun richtig, oder sind sie nicht richtig?
({6})
- Lieber Herr Kollege Ruf, ich habe von vornherein Rechenfehler bei jedem zugegeben. Aber das ist doch nicht das Problem. Das Problem ist, daß nicht ausreichend vorbereitet wurde, und diese Verantwortung trifft nicht das Haus, sondern die Regierung.
({7})
Meine Damen und Herren, wir standen doch oftmals im Ausschuß - ich glaube, daß ich hier nicht nur im Namen der Sozialdemokraten spreche, sondern in dieser Hinsicht auch die Unterstützung anderer Mitglieder habe -({8})
({9})
vor der bangen Frage: Können wir eigentlich mit einer so wenig gründlich vorbereiteten Gesetzesvorlage weiterarbeiten? Im Interesse der Rentner haben wir uns entschieden, ein Gesetz zu verabschieden, dessen rechnerische Unterlagen außerordentlich schwankend sind. Darüber werden wir uns heute abend oder morgen, wenn wir über die Finanzierung sprechen, noch weiter zu unterhalten haben. Ich möchte mich jetzt auf § 1260 und § 30 beschränken.
({10})
Aber, meine Damen und Herren, von der mangelnden Vorbereitung zum materiellen Inhalt. Der materielle Inhalt von § 1260 ist - das ist sehr wesentlich und wichtig - in bezug auf die Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung und an die Löhne und Gehälter gegenüber dem Regierungsentwurf noch weiter verschlechtert worden - verschlechtert unter dem Gesichtspunkt einer Anpassung der Renten an den gegenwärtigen Lohnstand.
Herr Kollege Ruf, Sie haben mich vorhin mit einer Zwischenfrage beehrt. Sie haben am 15. Januar im Deutschland-Union-Dienst eine Mitteilung über Kernprobleme der Rentenreform veröffentlicht, und Sie haben dort etwas geschrieben, was nicht genau stimmt. Sie haben nämlich gesagt: In Zukunft werden alle Renten bei der erstmaligen Festsetzung nach einer neuen Rentenformel an die Gegenwartslöhne angepaßt.
({11})
An 'die Gegenwartslöhne - das ist offenbar ein sehr schwankender Begriff. Wir verstehen unter Gegenwartslöhnen etwas anderes. Die Regierungsparteien - Sie haben wahrscheinlich als Mitglied des Sozialpolitischen Ausschusses wesentlich mitgewirkt - haben den Zeitpunkt der Anpassung, der in der Regierungsvorlage - um es exakt zu sagen - zweieinviertel Jahre zurücklag, auf im Durchschnitt drei Jahre zurückverlegt.
({12})
- Gewollt, natürlich gewollt. Aber was bedeutet diese Zurückverlegung?
({13})
- Das wissen Sie; aber das muß das Haus und das muß die Öffentlichkeit wissen. Das bedeutet nach den Berechnungen der Regierung eine Leistungsverminderung
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bezüglich der Anpassung um 500 Millionen DM ({15})
500 Millionen für die Rentner des Jahres 1957 - und, bezogen auf die einzelne Rente - und das ist das, was den einzelnen Rentner angeht -, eine Reduzierung der Rente um monatlich 6 bis 7 DM gegenüber dem, was im Regierungsentwurf vorgesehen war. Das ist ein Betrag, der für die Rentner auch nach der Rentenreform noch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben wird. Meine Damen und Herren, das ist sozialpolitisch unerfreulich und bedenklich. Wir müssen deshalb mit allem Nachdruck unsere Stimme dagegen erheben, daß der Regierungsentwurf in einem entscheidenden Punkte verschlechtert wurde und jetzt die Renten nicht auf den Stand der Gegenwart angehoben, sondern nach einem zurückliegenden Zeitraum angepaßt werden.
Herr Kollege Ruf, Sie haben zu dem Begriff „Gegenwart" Stellung genommen. Ich frage Sie: Wonach werden denn die Beiträge gezahlt? Die werden nach dem gegenwärtigen Lohnstand gezahlt!
({16})
Wir Sozialdemokraten sind der Ansicht - und das ist die wirtschaftliche und moralische Grundlage unserer Konzeption -, daß die gleichen Grundsätze, die für die Bemessung des Beitrags gelten, insbesondere die Anpassung der Beiträge an die gegenwärtigen Löhne, endlich auch für die Festsetzung der Leistungen, der Renten verwirklicht werden.
({17})
Meine Damen und Herren, noch etwas anderes! Die Regierung erklärt immer wieder, und gestern abend habe ich es im Rundfunk gehört - das ist also allgemeine Meinung; die Damen und Herren der Presse und die gesamte Öffentlichkeit müssen das so verstehen -, daß nach der Rentenformel von 1,5 % pro Jahr die Rente bei 40 Arbeitsjahren 60 % des Lohns oder des Gehalts beträgt. Das ist zu einer festen Vorstellung für alle Menschen geworden. Wenn man es genau besieht, stimmt es aber mit den 60 % Rente nicht ganz. Die Löhne und Gehälter sind im Durchschnitt in der letzten Vergangenheit seit der Währungsreform um rund 7 % jährlich gestiegen;
({18})
wenn man also die Anpassung um drei Jahre rückverlegt, dann verändert man die Berechnung der Renten nach dem gegenwärtigen Lohnstand um genau 3 mal 7 %, oder, wenn man die Entwicklung ' des letzten Jahres technisch noch nicht feststellen kann, um mindestens 2 mal 7 %. Die Rente bleibt also um 15 bis 20 % unter dem, was man als 60 % Rente, gemessen am allgemeinen Lohn- und Gehaltsstand, verspricht.
({19})
Das bedeutet praktisch - und das ist das Entscheidende -, daß nicht eine Rente von 60 % des Lohn- und Gehaltsstandes, sondern in der Größenordnung von 50 % des Lohn- und Gehaltsstandes gewährt wird. Das, meine Damen und Herren, muß doch der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit gesagt werden;
({20})
denn über diese fundamentale Frage dürfen keine Irrtümer und Mißverständnisse entstehen.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle - und das ist gemeinsam gewollt -, daß die Renten gegenüber dem bisherigen Zustand, von im Durchschnitt bei 30 % oder etwas mehr des früheren Lohns oder Gehalts, erhöht werden sollen, und zwar, wie wir alle wollen, erheblich erhöht werden sollen, wobei es allerdings über das, was erheblich ist, noch erhebliche Meinungsverschiedenheiten gibt.
({21})
Aber man soll nicht falsche Vorstellungen erwekken, indem von Regierungsseite verkündet wird: Renten von 60 % des Lohns oder Gehalts bei 40 Jahren und von 75 % bei 50 Jahren. Das stimmt nicht, weil Sie auf einen Lohn- und Gehaltsstand zurückdatieren, der drei Jahre zurückliegt. Deshalb müssen Sie nach der Lohn- und Gehaltsentwick1 ({22})
lung 15 oder 20 % abziehen, um zu den richtigen Sätzen zu kommen.
({23})
- Aber in den Erklärungen, die ich in der Offentlichkeit lese und höre, ist etwas ganz anderes gesagt worden.
({24})
Um aber in dieser Hinsicht auch einmal etwas zu sagen - und da möchte ich mich wieder an die Regierung wenden -: Herr Kollege Schüttler, wenn Sie als Politiker in einer Versammlung allgemein von 60 % Rente und so weiter reden, so geht das unter.
({25})
Es hat nicht bleibenden Bestand. Aber was die Regierung darüber sagt, das wird beachtlicher gewertet. Ich habe in dieser Hinsicht eine ernsthafte Kritik anzubringen. Vertreter der Regierung, hohe Beamte des Bundesarbeitsministeriums haben meines Erachtens - und das wird nicht nur die Meinung der Sozialdemokraten sein - in der Offentlichkeit zuviel über die Dinge geredet und Propaganda gemacht.
({26})
Sie hätten vielmehr Ihre Arbeitskraft auf die sorgfältige Vorbereitung des Gesetzes konzentrieren sollen.
({27})
- Sie wissen, was ich sagen will. Es ist unsere Aufgabe als Politiker, auch über Dinge in der Öffentlichkeit zu sprechen, die sich noch in der Vorbereitung befinden. Aber die leitenden Beamten der Ministerien haben erst einmal möglichst sorgfältig die Grundlagen der Gesetzentwürfe einschließlich der rechnerischen Unterlagen zu erstellen. Sie sollen nicht schon vor Verabschiedung der Gesetze hinausgehen und sagen: Die Rente wird 60 % des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes betragen. Das haben Beamte gesagt, und diese Aussagen tragen für die Bevölkerung und für die Presse den Charakter einer offiziellen Erklärung. Das ist der Unterschied zwischen dem, was ein Be-. amter des Ministeriums sagt, und dem, was Sie, Herr Kollege Schüttler, sagen. Sie geben keine offiziellen Erklärungen ab.
({28})
Noch etwas anderes. Der Unterschied in der Auffassung des Ausschusses und der der Sozialdemokraten liegt darin, daß wir durch die Gestaltung des § 1260 praktisch eine Anpassung der Renten an den letzten Lohn- und Gehaltsstand fordern. Das entspricht der politischen Konzeption, die wir seit der Debatte über die Rentenreform immer vertreten haben. Es ist deshalb ganz selbstverständlich, daß wir unseren Gesetzentwurf in bezug auf § 1260 mit Tabellen und allem, was dazugehört, ausgestattet haben. Ich bitte die Damen und Herren, zu entschuldigen, daß unsere Anträge zu § 1260 so detailliert sind. Sie mußten so detailliert sein, weil wir über das Problem eine andere Vorstellung haben.
Wir Sozialdemokraten wünschen, daß die Renten dem letzten Lohn- und Gehaltsstand angepaßt werden, und wir bringen diese Forderung in unserem Gesetzesvorschlag zu § 1260 und § 30 zum Ausdruck.
Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU, wenn Sie die sozialdemokratische Vorstellung über die Anpassung der Renten an den letzten Lohn- und Gehaltsstand - des letzten Jahreszeitraums selbstverständlich, und nicht der letzten 14 Tage; 'darüber sind wir uns alle klar - bekämpfen und sie, wie es zum Teil geschehen ist, als irreal ablehnen, dann bin ich doch genötigt, Sie auf das zu verweisen, was die CDU auf ihrem letzten Parteitag in Stuttgart beschlossen hat. Nach den Protokollen heißt es da wörtlich:
Bei der erstmaligen Festsetzung einer Rente soll von den Durchschnittslöhnen und -gehältern des vorangegangenen Jahres ausgegangen werden.
({29})
Der sozialdemokratische Antrag zu § 1260 und § 30 entspricht diesen von der CDU auf ihrem letzten Parteitag aufgestellten Forderungen. Es liegt an der Fraktion, die hier im Hause die Mehrheit hat, durch Zustimmung zu dem sozialdemokratischen Antrag ihren eigenen Parteitagsbeschluß zu verwirklichen.
({30})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt eine Rede des Herrn Professor Schellenberg gehört, die dem Volk draußen und auch diesem Parlament eigentlich die Meinung vermitteln könnte, daß für die Verhandlungen im Ausschuß überhaupt nur ein Gesetzentwurf vorgelegen habe. Praktisch ist es aber so, daß auch Herr Professor Schellenberg einen Gesetzentwurf für die Neugestaltung der Renten vorgelegt hat.
Nun sagt er hier, die ganzen rechnerischen Unterlagen, die der Regierungsvorlage zugrunde gelegen hätten, seien nicht vollkommen gewesen; sie seien unzulänglich gewesen. Ich möchte Herrn Professor Schellenberg fragen, ob sich bei den Verhandlungen im Ausschuß seine Tabellen und seine Errechnungen als richtig herausgestellt haben.
({0})
-- Nun, wollen Sie mir sagen, daß die Tabellen, die zu Ihrem Gesetzentwurf vorgelegen haben, von dem Ausschuß ernstgenommen worden sind?
({1}) Das ist doch die Frage.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Schellenberg?
Ich will momentan zu derartigen Zwischenfragen nicht Stellung nehmen. Ich bin gern bereit, dem Herrn Schellenberg nachher jede Frage zu beantworten, die er in seinen Darlegungen gestellt hat.
({0})
Meine Damen und Herren, nach unserer Geschäftsordnung ist es das
10312 2. Deutscher Bundestag - 1a
({0})
Recht eines Redners - auch eines Ministers -, eine Zwischenfrage abzulehnen.
Ich möchte vor allen Dingen das, was ich hier 'sage, nicht durch Zwischenfragen verwässert wissen. Das ist meines Erachtens das Entscheidende.
Herr Professor Schellenberg hat mit dem Brustton der Überzeugung gesagt: In dem Moment, wo das Gutachten Heubeck herausgekommen ist, hätte doch die Regierung die Möglichkeit gehabt, alle Arbeiten abzustoppen, um in ihrem Beirat erst einmal sämtliche Versicherungsmathematiker unter einen Hut zu bringen Es ist absolut nicht die Aufgabe der Regierung, sich über die Grundsätze von Gutachten von Vereinigungen der Versicherungsmathematiker usw. zu unterhalten. Sie hat zunächst die Aufgabe, durch ihre eigenen Leute, d. h. durch ihre eigenen Versicherungsmathematiker, das überprüfen zu lassen, was in einem anderen Gutachten vorliegt. Das ist meines Erachtens für jeden, der eine geordnete Gesetzgebung wünscht, eine Selbstverständlichkeit.
Nun sage ich Ihnen in aller Offenheit folgendes. Sie können mit Versicherungsmathematikern reden, ganz gleich, woher diese kommen, und alle werden Ihnen bestätigen, daß ein Gegengutachter für ein 'derartiges abgeschlossenes Gutachten zumindest eine Zeit von drei bis vier Monaten benötigt.
({0})
Haben Sie denn vor vier Jahren das Gutachten Heubeck gekannt? Wenn Sie es gekannt hätten, hätten Sie es doch bei Ihrem eigenen Entwurf zugrunde legen müssen!
({1})
- Werden Sie doch nicht so unruhig bei diesen Dingen;
({2})
das ist doch nun einmal so.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen uns doch über eins völlig im klaren sein: Ein Parlament hat keine Veranlassung, seine Arbeit zu unterbrechen, wenn von außerhalb des Parlaments her Querschüsse erfolgen; und daß hier bei diesem Gesetz sehr viele interessierte Menschen versucht haben, von außen her ins Parlament hineinzureden, wissen wir doch alle. Oder wollen Sie es bestreiten?
Wir sind hier auf einem Gebiet, wo einmal etwas grundsätzlich Neues geschehen soll, und ich nehme es niemandem, der in dieser oder jener Hinsicht mit den Dingen in Berührung kommt, übel, wenn er seine Meinung dazu sagt. Ob es aber gut ist, so weit zu gehen und aus dem Parlament selbst heraus zu sagen, wir hätten unsere Arbeit unterbrechen sollen oder die Regierung hätte sie unterbrechen sollen, um eine Einheitlichkeit der Meinungen außerhalb des Parlaments herbeizuführen, ist doch eine ganz andere Frage.
({3})
Wenn Sie sich beispielsweise das Gutachten von
Herrn Heubeck zu eigen gemacht und gesagt hätten: Wir wollen unseren eigenen Entwurf auf
Grund dieser rechnerischen Grundlagen umstellen, wäre das Ihre Angelegenheit, aber doch letzten Endes nicht Sache der Regierungsparteien gewesen!
({4})
Ich bin wirklich der Meinung, daß wir heute, nachdem die Ausschußarbeit abgeschlossen ist, nun nicht die Arbeit, die geleistet worden ist, so herunterdrücken sollten, sondern im Interesse unseres deutschen Volkes
({5}) und im Interesse der Rentner
({6})
- das sind nämlich die Leute, für die wir etwas tun - das Wesentliche und Entscheidende dieser Gesetzvorlage doch sichtbar werden lassen sollten. Meines Erachtens ist dieses Gesetz am allerwenigsten dazu geeignet, als Vorbereitung für den Wahlkampf zu dienen.
({7})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
({0})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich knüpfe an die letzten Worte des verantwortlichen Ministers dieser Regierung für dieses Gesetz, des Herrn Bundesministers für Arbeit, an. Er hat gesagt, dieses Gesetz sei am wenigsten geeignet, als Argument für den Wahlkampf gewertet zu werden. In dieser Frage, Herr Bundesminister für Arbeit, stimme ich Ihnen hundertprozentig und uneingeschränkt zu.
({0})
Wenn das aber so ist, dann ist dieses Gesetz am wenigsten dazu geeignet, unter dem Druck bevorstehender Wahlen und in einem unguten Zeitdruck, unter dem die Verhandlungen auch über das Kernstück des Gesetzes gestanden haben, nun polemisch nach der einen oder anderen Seite diskutiert zu werden. Wir haben uns gestern hier bemüht, uns auch da, wo die Gegensätze um die Kernprobleme dieses Gesetzes sehr scharf geworden sind, so sachlich wie nur irgend möglich auseinanderzusetzen. Ich will mich bei der Diskussion dieser Frage, die einen größeren Kreis als nur die Rentner angeht, die auch die Steuerzahler, die Beitragszahler, ja, unsere Jugend bewegen muß, weil sie die Lasten, die wir heute beschließen, morgen tragen muß, auf zwei Anliegen beschränken.
Zunächst das politische Anliegen! Wir, das Parlament, sind die politische Vertretung des deutschen Volkes, und wir haben bei jedem Gesetz, das das ganze Volk so angeht wie eine umfassende Rentenreform als ein Teilstück der Sozialreform, an die Belange des ganzen Volkes zu denken. Es ist das Anliegen der Politik und ihr höchster Auftrag, auch alle Staatsbürger wissen zu lassen, wie in entscheidenden Fragen der Politik die einzelnen politischen Parteien zu ihrem Ja oder ihrem Nein, zu ihrer Ablehnung und, wenn Sie wollen, auch zu dem Kampf um das eine oder andere Ziel gekommen sind.
({1})
Herr Kollege Schellenberg hat auf einige Probleme sehr deutlich hingewiesen. Wir sollten ihm, auch wenn wir in der politischen Zielsetzung nicht mit ihm übereinstimmen, doch zugestehen, daß wir über diese Fragen, die das Kernstück unserer Auseinandersetzung sind, in diesem Hause vom Politischen wie vom Sozialpolitischen her sprechen müssen. Über politische Ziele kann man streiten und verschiedener Meinung sein, sehr hart und sehr loyal; darum haben wir uns in diesem Hause mit unterschiedlichem Erfolg, auch mit unterschiedlichem politischem Stil bemüht.
Für die Fraktion der Deutschen Partei wiederhole ich, was ich bereits in der ersten Lesung zu diesem Gesetz gesagt habe: Die Vorlage des Arbeitsministers ist von der Bundesregierung nicht mit Zustimmung aller Mitglieder des Kabinetts verabschiedet worden - das kann ruhig einmal ausgesprochen werden, damit kein falsches Bild entsteht -, sondern unter der Warnung von Mitgliedern des Kabinetts, die der CDU, der FVP und der Deutschen Partei angehören.
({2})
- Ich drücke mich hier vor nichts, meine Herren! Und Sie haben am wenigsten Anlaß, Herr Kollege Sabel, mir einen solchen Vorwurf zu machen!
({3})
- Meine Herren und Damen, Sie werden mich mit den unsachlichsten Zurufen nicht zu gleicher Unsachlichkeit provozieren.
({4})
) Die Vorlagen des Arbeitsministeriums, die von der Regierung dem Bundestag zugeleitet worden sind, und die Vorlage der sozialdemokratischen Fraktion stimmen im Kernstück und in der politischen Zielsetzung überein. Sie zeigen in der politischen Zielsetzung keinerlei Kontraste, die Anlaß geben könnten, hier miteinander zu kämpfen. Sie zeigen Kontraste lediglich in dem Grad der Durchsetzung, vielleicht auch in dem Zeitpunkt der Durchsetzung. Man könnte so sagen: die einen wollen das Ganze konsequent - das muß Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, von Ihrer politischen Zielsetzung her anerkannt werden -, und die anderen wollen die Weichenstellung und ein Stück zum Ziel und noch nicht das Ganze konsequent. Wenn man die Konsequenz ablehnt, muß man auch die Weichen anders stellen. Wer eine Fahrt antreten will, muß bei der Weichenstellung überlegen, wohin die Reise gehen soll.
({5})
Hierin unterscheidet sich die Fraktion der Deutschen Partei von der größten die Regierung und die Verantwortung tragenden Koalitionspartei. Ich halte es für gar kein Unglück, wenn in einer Koalition, die in den großen Richtlinien der Wirtschafts- und der Sozialpolitik ein Ziel hat, einmal deutlich wird, daß diese Koalition etwas Lebendiges ist, daß in ihr nicht ein Teil nur ein Anhängsel ist, das nur ja sagt, wenn die größere Gruppe gesagt hat: Wir haben das nun mal so entschieden, und es ist das Gesetz der Demokratie, der Mehrheit zu folgen.
({6})
Welch eine Demokratie wäre das und wie ware es mit der Demokratie bestellt, wenn das Wort der Minderheit nichts mehr gälte und wenn nur das Gesetz der Zahl und nur die Masse entschieden?
({7})
- Meine Herren und Damen, mit so billigen und einfachen Zurufen und Argumenten können Sie diese ernsten Fragen unseres politischen Stils nicht abtun! Es ist ein guter politischer Stil, über Meinungsunterschiede miteinander zu diskutieren. Es ist sicherlich auch - und darüber will ich gerne ein versöhnendes Wort sagen - für eine so große Partei wie die Christlich-Demokratische Union mit zwei so großen Blöcken wie der CDU und der CSU weit schwieriger, zu einer homogenen Meinung zu kommen, als etwa in der SPD, wo sie aus Tradition da ist, oder in einer konservativen Gruppierung wie der unseren.
Den politischen Ausgleich, genannt Kompromiß, kann es in vielen Dingen von sekundärer Bedeutung geben, den muß es täglich in der Politik geben. In Fragen von grundsätzlicher Bedeutung geht es um ein klares Ja oder Nein. In den Sorgen und Nöten, in der großen Gewissensbelastung, die sicherlich nicht nur den Kollegen Schellenberg und mich drücken, sondern auch viele unserer Kollegen aus den Fraktionen, die an dieser Debatte teilnehmen, hätte nur ein mutiges klares Ja oder Nein zum Grundsätzlichen befreiend gewirkt. Dieses klare Nein zum Grundsätzlichen des Kernstücks des Gesetzentwurfs ist das, was uns von der Mehrheit in der Koalition getrennt hat. Das hat dazu geführt, daß in der Öffentlichkeit offenbar geworden ist, daß hier nicht zwei Fronten, Koalition und SPD, sondern mehrere Fronten durch das Parlament gehen.
Was soeben Herr Dr. Jentzsch gesagt hat - und ich stimme dem in fast allem zu -, betrifft doch das, was auch in der Ausschußberatung die schweren Entscheidungen so belastet hat: den Stil der Beratungen, den Zeitdruck, unter dem wir standen, und die unguten Auseinandersetzungen, die alle in diesem Hause wohl gleichermaßen gespürt haben, die sich ernsthaft um die Probleme unserer Zeit, aber nicht nur die Probleme von heute, nicht nur die Probleme des Wahljahres, sondern auch die Probleme unserer Zukunft, auch unseres Vaterlandes bemühen. Sie belasten alle diejenigen um so mehr, denen bei den sozialen Versprechungen unserer Zeit bewußt ist - gerade die Saardebatte hat es wieder gezeigt -, daß man, wenn man es mit der politischen Verantwortung ernst meint, keine soziale Versprechung machen darf, deren Erfüllung man nicht allen Bürgern für alle Zeiten gewährleisten kann. Ich denke da zuerst an alle die Deutschen, die noch von uns getrennt sind und denen wir doch die gleiche Gesetzgebung mit den gleichen Leistungen für ganz Deutschland garantieren müssen. Hier steckt das große politische Anliegen dieses Gesetzes und auch des Kernstücks dieses Gesetzes.
Die Presse hat in diesen Tagen dankenswerterweise versucht, die Rentenformel zu verdeutlichen. Es ist wirklich in der Öffentlichkeit viel zuviel von Versprechungen geredet worden. Da hat der Kollege Schellenberg recht; aber auch er hat sich ja an dieser Diskussion mit Flugblättern und Reden sehr fleißig beteiligt. Es wäre besser gewesen, der Of({8})
fentlichkeit deutlich zu machen, daß jedes soziale Versprechen seinen Preis kostet. Es kostet nicht nur den Preis des heutigen Sozialversicherungsbeitrags, es kostet den Preis des Sozialversicherungsbeitrags morgen und auch nach zehn Jahren. Über das letzte hat sich der Herr Arbeitsminister weitgehend ausgeschwiegen. Die Last der Verantwortung, die die Mitglieder aller Parteien gespürt haben und die deutlich werden wird, wenn die Konsequenz dieser Entscheidungen, die Sie hier treffen wollen, auch im Unfallversicherungsgesetz, auch im Knappschaftsversicherungsgesetz, in den Forderungen der Kriegsopfer und Lastenausgleichsempfänger, in den Forderungen nach Behandlung der Sparmark gleich der Rentenmark auf uns in diesem Hause zukommt, muß Ihnen vor der Entscheidung gegenwärtig sein.
Der Herr Minister hat gesagt, es sei nicht Aufgabe der Regierung, Sachverständige zu hören. Wie kann man Verantwortung tragen, wenn Gremien wie die Deutsche Gesellschaft für Versicherungsmathematik, wenn anerkannte Fachleute, wenn Männer von Ruf und hohem Rang mit allem Ernst vor den Konsequenzen warnen! Wie kann man es dann vor seinem Gewissen verantworten, zu sagen, es sei nicht Aufgabe der Regierung, nun etwa eine Beratung zu unterbrechen, oder dieses Parlament habe keine Veranlassung, das zu tun! Wir als gewählte Abgeordnete haben Veranlassung, uns mit jeder ernsthaften Kritik auseinanderzusetzen, die für die Zukunft unseres Volkes entscheidende Gefahren aufzeigt. Vor solchen Gefahren ist sowohl von der Seite der Währungssachverständigen wie von der Seite der Mathematiker ganz ernsthaft und in sehr beachtlicher Weise gewarnt worden.
Meine Herren und Damen, zweimal zwei ist vier: das gilt für die Versicherungsmathematik in der Individualversicherung wie in der Sozialversicherung. Das ist kein Glaubenssatz, das ist keine Sache des Vertrauens; das hängt nicht davon ab, ob man glaubt, der Arbeitsminister habe recht oder Herr Professor Heubeck habe recht. Es ist eine Sache einer ganz einfachen, ganz natürlichen Überlegung, ob eins und eins zwei und zweimal zwei vier ist.
({9})
- Nein, Herr Kollege Ruf, es sind nicht nur Schätzungen und Annahmen - ({10})
- „Aber auch", natürlich. Aber der Wertmesser zwischen „nicht nur" und „aber auch" liegt auch da, wo man die hohe Verantwortung trägt, das zu prüfen, was bisher in allen europäischen Ländern, in der Welt Grundlage einer Schätzung gewesen ist, die zugetroffen hat, die funktioniert hat, die nicht zu solchen Folgen geführt hat wie andere über den Daumen gepeilte Schätzungen, die sehr umstritten sind. Wenn wir - wie der Kollege Ruf gestern gemeint hat - solche Dinge nicht selber voll übersehen können, müssen wir diejenigen um Rat bitten, die uns darin beraten können. Ich gehöre zu den Leuten, die meinen, daß niemand alles wissen kann. Je mehr jemand weiß, desto bescheidener wird er sein und desto bereiter wird er sein, zuzugeben, wie wenig er weiß.
Die Auseinandersetzung im Plenum hat gerade uns, die wir meinen, einiges von den Dingen zu verstehen, gezeigt, daß es besser gewesen wäre, wenn der Herr Finanzminister - er wird mir das zugeben - und der Herr Wirtschaftsminister vor ihrer Zustimmung im Kabinett alles das veranlaßt hätten, was sich nachher als nötig herausgestellt hat.
({11})
Aber wir im Parlament haben nun einmal nicht über die Koordinierung der Arbeit im Kabinett zu entscheiden. Wir im Parlament haben die eigene Verantwortung zu tragen, im Ausschuß, wo wir die Beschlüsse fassen, die dann diesem Hohen Hause vorgelegt werden, um die Dinge zu ringen, deren Erkenntnis vielleicht noch nicht bei allen eindeutig da ist. Wir haben die eigene Verantwortung zu tragen, wenn wir unter Umständen Entscheidungen für die Zukunft treffen, die furchtbar und gefährlich sein können, weil wir unser sozialpolitisches Anliegen, nämlich das soziale Versprechen von heute, unter Umständen morgen nicht mehr oder nicht mehr unter den gleichen Voraussetzungen erfüllen können.
Die Deutsche Partei hat nicht feige gekniffen. Sie hat gekämpft. Sie hat zwar gegen die Mehrheit und gegen Windmühlenflügel gekämpft; aber ich wiederhole hier: es ist besser und für die Politik entscheidend und notwendig, daß eine Gruppierung im Parlament den Mut hat, auch im Wahljahr das Unpopuläre zu tun, wenn es um das Wohl des Ganzen geht.
({12})
Wo die Sozialdemokraten und die Deutsche Partei um der Sache willen übereingestimmt haben, haben wir das um eines guten politischen Stils willen auch ebenso mutig bekannt. Wo sich aus der Sachkenntnis über den Umfang der Probleme, wo sich im Ringen um bessere Erkenntnisse und bessere Lösungen Fronten gebildet haben, die leicht mißverstanden werden könnten, wird jeder, der die Dinge ernsthaft betrachtet, wissen, worum es gegangen ist. So haben der Herr Kollege Schellenberg und ich, sicher von sehr verschiedenen Gesichtspunkten her, darum gekämpft, daß bei den Auseinandersetzungen nicht nur die Versicherungsmathematiker der Individualversicherung, sondern auch die Mathematiker der Sozialversicherung, auch Fachleute der Sozialversicherung im Parlamentsausschuß gehört werden sollten. In dieser Beziehung sind alle meine Anträge abgelehnt worden. Heute wäre manches Wort nicht notwendig, wenn wir uns diese Zeit genommen hätten.
Ich glaube, daß wir uns, wenn wir heute über Änderungsanträge sprechen, noch einmal über die Kernprobleme zu unterhalten haben, und zwar in der sachlichen Form, in der diese Auseinandersetzung geführt werden muß. Die Fraktion der Deutschen Partei hat sowohl gegenüber ihren Koalitionspartnern wie in der Öffentlichkeit deutlich gesagt, daß sie die notwendige Anpassung der Renten an den wirtschaftlichen Fortschritt bejaht und fordert. Sie hat auch immer wieder Vorschläge gemacht, in welcher Form diesem sozialpolitischen Anliegen schnellstens Rechnung getragen werden sollte. Sie hat aber in der ersten Lesung schon ihre grundsätzlichen Bedenken sowohl gegen den SPD-Entwurf wie gegen die Regierungsvorlage hinsichtlich des Dynamischen in der Dynamik dieses Gesetzes sehr deutlich gemacht. Die Debatten im Ausschuß, die Diskussion in der Öffentlichkeit, die Prüfung der Unterlagen, die Prüfung von Satz und
({13})
Gegensatz in der Diskussion, auch die Beschäftigung mit den Antworten der Regierung auf Gutachten und Vorwürfe im Ausschuß haben alle nur bestätigt, daß wir mit unserer Warnung, mit unserer Vorsicht, mit unseren Fragen auf dem richtigen Wege waren.
Die Deutsche Partei wünscht eine großzügige Anhebung der laufenden Renten. Sie wünscht das, obwohl wir wissen, daß das erheblich gegen die Grundsätze des Versicherungsprinzips verstößt, da unter den Empfängern kleiner Renten - und darin sind wir uns, glaube ich, mit allen Parteien einig - sehr viele Menschen sind, die niemals ausreichend hohe und in bezug auf die Dauer niemals genügende Beiträge gezahlt haben. Wir glauben aber, daß zu einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik auch eine Sozialpolitik gehört, in der man über diese Dinge nachdenkt und sich in diesen Fragen die notwendge Handlungsfreiheit vorbehält.
Trotz aller Bedenken haben wir uns bereit gefunden, viele grundsätzliche Überlegungen zurückzustellen und uns mit unserem Partner in der Koalition, mit der CDU, auf der Grundlage der von ihr gemachten sozialpolitischen Zusagen zu verständigen.
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- Das ist nicht unser Stil, Herr Kollege Arndgen! Das ist der Stil, den Sie selbst seit fast acht Jahren immer wieder vorexerziert haben. Sie haben am wenigsten Grund, der Deutschen Partei so etwas vorzuwerfen.
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Sie sollten sich vor Unterstellungen hüten, die Sie im politischen Raum nicht beweisen können und die Ihnen niemand abnimmt, Herr Kollege Arndgen, niemand, der Ihren Standort und Ihre Meinung kennt! Wir in der Deutschen Partei sind so unverdächtig, daß wir als konservative Gruppe auf Grund unserer sozialen Haltung sehr wohl auch mit der Sozialdemokratischen Partei Beschlüsse dann fassen können, wenn wir keine Grundsätze verraten. Dagegen sind Sie bereit, aus taktischen und anderen Gründen tausendmal das zu tun, was wir noch nie getan haben!
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Die Fraktion der Deutschen Partei hat im Ausschuß und in der Öffentlichkeit die Anhebung der jetzt laufenden Renten auf ein ausreichendes Niveau bejaht und gefordert.
Wir haben mit aller Entschiedenheit - ich habe das in sehr langen und deutlichen Ausführungen in der ersten Lesung getan - vor der Anpassung der Renten an das Lohnniveau gewarnt und darauf aufmerksam gemacht, daß es sich dabei um eine nominelle und nicht um eine reale Größe der wirtschaftlichen Entwicklung handelt.
Herr Schellenberg hat jetzt hier gesagt: Die Anpassung der Renten an die Höhe des letzten Gehaltsstandes ist eine Forderung der SPD. Sie wissen, daß ich der SPD in dieser Forderung nicht gefolgt bin, weil ich Herrn Kollegen Schellenberg gerade an seine Erfahrungen bei der Versicherungsanstalt Berlin erinnern muß, als nach dem großen Zusammenbruch von 1945 - Gott möge unser Volk vor Ähnlichem bewahren - gerade die
Menschen, die aus der Bahn gerissen waren, die damals ihre Stellung verloren und auch nicht immer das richtige Parteibuch hatten und nicht den richtigen Anschluß fanden, in der Auswirkung der Tabellenrente auf dieser Grundlage am schlechtestendavongekommen sind. Wer die Erfahrungen der Sozialpolitik in den letzten Jahrzehnten nicht nur gelegentlich betrachtet, sondern sie zur Grundlage auch seiner Entscheidungen nimmt, muß sagen, daß eine solche Entscheidung ihre großen Gefahren hat. Ich glaube, daß man, wenn man die Konzeption der SPD vertritt, konsequent zu solchen Forderungen kommt. Da das aber nicht die Konzeption der Deutschen Partei ist, müssen wir diesen Antrag ebenso konsequent ablehnen.
Wir haben uns mit unserer grundsätzlichen Entscheidung gegen eine Lohnindex-Rente gewandt und haben es schon bei der ersten Lesung als unsere Pflicht angesehen, auf die Gefahren aller Experimente hinzudeuten, die die Stabilität der Währung, wenn auch nur im geringsten, durch eine offene oder verschleierte Indexklausel beeinträchtigen könnten. Wir haben uns auch gegen die Absicht und die Begründung des Arbeitsministers, Kaufwertsicherungen in ein Gesetz hineinzunehmen, die dort wie anderswo am allerwenigsten angebracht sind, genauso gewandt, wie wir gestern auf fast 'verlorenem Posten gegen eine unehrliche Entscheidung gekämpft haben,
({17})
nämlich gegen die unehrliche Entscheidung, den totalen Versicherungszwang einmal abzulehnen und dann eine Grenze von 15 000 DM zu beschließen, um damit den umfassenden Versicherungszwang auf dem Umweg und durch die Hintertür wieder hereinzubringen.
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Wenn wir uns gegen alle Experimente eines ganzen oder halben, eines verschleierten oder offenen Lohnindexes wenden, dann tun wir das in einem Augenblick, in dem der Lohnindex genauso im Kreuzfeuer der Kritik der Weltöffentlichkeit steht, wie in unserer Zeit auch alle Experimente des -wie Herr Preller gestern beanstandet hat, ich erlaube mir, das Wort zu wiederholen - Wohlfahrtsstaates und des Strebens nach totaler Wohlfahrt im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Eben das Mißverständnis über den Wohlfahrtsstaat und seine Ergebnisse, das Mißverständnis über soziale Versprechungen und über das, was eine solche Wohlfahrt denen nicht bringt, die soviel davon erwarten, die Kenntnis des sozialen Effekts und das Ergebnis der Prüfung der sozialen Wirklichkeit sind es, die uns immer wieder zwingen, unsere warnende Stimme zu erheben.
Für unsere Kritik an dem Lohnindex und der Koppelung der Renten an die Löhne haben sich doch um uns in der europäischen Öffentlichkeit so viele Modellbeispiele gezeigt, aus denen wir lernen sollten! Der Präsident möge mir gestatten, daß ich aus den Zeitungsnotizen der letzten Tage nur die Überschriften zitiere: die Erklärung des schwedischen Finanzministers, der auf Befragen gesagt hat: „Stabilität oder Inflation hängt voll und ganz von der Lohnbewegung ab", die Erfahrungen der skandinavischen Länder, in denen die Preise seit 1913 um das Vierfache gestiegen, in Finnland um das Zweihundertfache, seit 1938 um das Achtzehnfache gestiegen sind. „Der Inflationsdruck in Ma({19})
drid", das „Gleitlohnsystem Frankreichs", das oberfaul ist, „Exodus aus dem Wohlfahrtsstaat Großbritannien", „Inflationsspirale in Spanien", „Trübe Erfahrungen in den nordischen Ländern", „Jonglieren auf dem Index in Frankreich", „Drohende Inflation in Schweden". Alle diese Erfahrungen sollten wir doch nicht einfach beiseite tun, als hätten sie nicht schon die anderen Völker gemacht und als hätten sie dort nicht schon zu Konsequenzen geführt, die wir unserem Volk ersparen sollten. Und eine Preispolitik, wie wir sie jetzt alle erleben und mit Sorge betrachten, trifft unter den Konsumenten gerade immer die Rentner, die kinderreichen Familien, die wir gemeinsam schützen wollen, am härtesten.
Meine Herren und Damen, wir wollen in diesen Wochen und Monaten auch noch etwas anderes schützen. Die Erfahrungen der Lohnkämpfe in Schleswig-Holstein, die Erfahrungen des Streiks um die Lohnfortzahlung zeigen doch, wie es um die soziale Autonomie der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestellt ist. Die Fraktion der Deutschen Partei ist darum besorgt, ,daß die Autonomie der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erhalten bleibt. Sie kann aber nur erhalten bleiben, wenn nicht die Entwicklung der Lohn-Preis-Spirale Regierung und Parlament dazu zwingt, eines Tages Überlegungen anzustellen, vor denen wir schon heute warnen möchten.
Auch Herr Professor Jecht, der von „den Schöpfern" dieser „konstruktiven" Idee des Gesetzes zunächst als Kronzeuge angeführt worden ist, hat in seinem Gutachten darauf hingewiesen, daß im Falle einer fehlerhaften Lohnentwicklung eine übersteigerte Nachfrage geschaffen wird. Niemand wird bestreiten können, daß dann, wenn die Löhne in inflationistischer Weise die Grenzen überspringen, auch die Renten, wenn sie mit den Löhnen gekoppelt sind, die Tendenzen verstärken, die vom Lohnniveau her auf Preis und Währung drücken. Es sind zwar nicht die Renten allein, aber die Lohn-Renten-Dynamik! Darum wehren wir uns gegen eine Kaufwertsicherung, gegen eine Inflationssicherung mit Hilfe einer Rentenformel. Eine Regierung, die die Grundsätze der freien Marktwirtschaft und einer Sozialpolitik, die auf dieser Wirtschaftsordnung fußt, verteidigen will, wird und muß andere Mittel finden, um mit den Preis- und Währungsfragen fertig zu werden.
Und nun ein Wort zu der Produktivitätsrente, die der Öffentlichkeit an Stelle der Lohnindexrente als neues Zauberwort verkündigt worden ist. Der Herr Arbeitsminister, vor allem aber seine Mitarbeiter, die die Last der Arbeit, aber im geheimen auch die Last der Verantwortung tragen, mögen darüber nachdenken, daß auch die Erfragung der öffentlichen Meinung, seien die Fragen noch so geschickt gestellt, nichts darüber aussagt, was denn die Befragten von der Produktivitätsrente wirklich halten. Wahrscheinlich werden die Befragten genauso wenig wie sehr viele andere Persönlichkeiten in Deutschland wissen, was denn Produktivitätsrente wirklich ist.
({20})
- Herr Kollege Schüttler, daß ich mich damit mehr beschäftigt habe als die große Zahl der Befragten, werden Sie nicht bestreiten können.
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- Solche Angst, daß der Zuruf des Herrn Schüttler wegen seiner „Bedeutung" untergeht, sollten Sie nicht haben!
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Das zweifelhafte Ergebnis der Erfragung der Volksmeinung sagt gar nichts darüber ,aus, daß mit dem neuen Zauberwort ein Ersatz für die Lohnindexformel und damit der Schlüssel zur Lösung all jener unklaren Fragen, die uns in diesen Tagen noch belasten, gefunden worden ist.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, was uns hier in dieser Stunde dazu zwingt, so ernste Warnungen auszusprechen, ist der Gedanke an die sozialen Versprechungen über die Höhe der Rente. Der Herr Kollege Schellenberg hat einige Mißverständnisse aufzuklären versucht. Ich will an dieser Stelle nicht näher auf diese Fragen eingehen; wir werden dazu heute noch Gelegenheit haben. Aber das sei mit aller Deutlichkeit gesagt: die Rentenformel hat nicht nur Auswirkungen auf die Höhe der Renten, sondern auch finanzielle Auswirkungen auf die Beitragslast von heute, noch viel mehr aber auf die Beitragslast der nächsten 30 und 40 Jahre, die die tragen müssen, die nach uns kommen. Die Rentenformel hat Auswirkungen auf die Steuerlast, auf die Staatszuschüsse, auf die direkten und indirekten Steuern, und sie ist von eminenter Bedeutung hinsichtlich der Erreichung der Ziele, die wir uns doch in der Koalition und, ich meine, auch in weiten Teilen der Opposition zu eigen gemacht haben, nämlich der Ziele: zu sparen, Anreiz zum Sparen zu geben, Anreiz zur Eigentumsbildung zu geben, den Wohnungsbau zu fördern und ihn nicht zu bremsen und den Kapitalmarkt in Ordnung zu halten.
Wenn wir auch ein altes Ziel des Sozialismus, die Vollbeschäftigung, erreicht haben ohne sozialistische Planwirtschaft und ohne die Experimente des Sozialismus, die in anderen Ländern zum Scheitern mancher Pläne geführt haben, so haben wir doch die Probleme, die die Vollbeschäftigung uns aufgibt, noch keineswegs gelöst. Wenn die Vollbeschäftigung erreicht ist, dann ist zugleich eine Zunahme der Investitionen, eine steigende Zunahme des Verbrauchs und auch die Erhöhung des Lebensstandards an die Steigerung der Produktivität gebunden. Aber, meine Herren und Damen, nicht jede Zunahme des Sozialprodukts ist Ausdruck der Produktivitätssteigerung, sondern nur diejenige, die über den zusätzlichen Aufwand an Arbeit und Abschreibungen hinaus Mehrwerte schafft.
Auch die Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist genauso wenig selbstverständlich wie unsere augenblickliche wirtschaftliche Situation, aus der immer Schlüsse für die Zukunft gezogen werden und die doch - wir haben es alle in diesen Monaten gespürt - so tiefe Wolken belasten können, wenn nur eine Krise - ich will nicht an Korea, ich will nur an die Tage vom Suez erinnern - am Himmel der Weltpolitik uns erzittern läßt. Weil eben unsere wirtschaftliche Situation keine Selbstverständlichkeit ist, weil die Produktivität an ganz konkrete Voraussetzungen geknüpft ist, wenden wir uns dagegen, daß man in einem Gesetz, das für Jahrzehnte bestimmt ist, nun die Prüfung dieser Voraussetzungen einfach als Bagatelle abzutun scheint.
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Die Fraktion der Deutschen Partei hat auch Bedenken gegen die Höchstbegrenzung der Leistung, die sich aus der Rentenformel ergibt. Wir sind die letzten, die es nicht für unter Umständen sehr gefährlich hielten, wenn die Rente höher wäre als der Lohn des Betreffenden, der noch im Arbeitsleben steht. Wir wollen eine vernünftige Relation zwischen Arbeitseinkommen und Renten! Aber wer eine Mindestrente ablehnt, muß konsequent auch die Höchstrente ablehnen. Wer die Begrenzung oben hat, muß sie auch unten wollen. Irgendwo muß ja in diesen Plänen eine Linie sichtbar sein. Wir glauben, nein, wir wissen, daß die Beschneidung der Höchstleistungen gerade in der Angestelltenversicherung die erworbenen Rechte der Angestellten ganz entscheidend schmälern wird.
Wer an die Leistung des ganzen Arbeitslebens anknüpfen will - das ist doch einer jener Wundersätze unserer Zeit gewesen, „daß der Rentner neben dem Lohnempfänger stehen und daß er die Frucht seines ganzen Arbeitslebens spüren soll" -, wer das will - und wir wollen das -,
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der kann doch nicht Zeitläufte herausnehmen, wie etwa die Lehrlingszeiten oder Zeiten, in denen nur geringe Löhne verdient worden sind.
Wir beantragen, daß ,diese Bestimmung gestrichen wird, und zwar deshalb, weil es falsch ist, die Lehrlingszeiten herauszunehmen. Es gibt Lehrlinge, die im dritten Lehrjahr - ich denke nur an Tarife, die Sie alle kennen - weit mehr verdienen, als viele Frauen, Arbeiterinnen und Angestellte, im Monat verdienen. Es gibt geringe Löhne bei den Arbeitern und geringe Entgelte bei den Angestellten, die dann genauso konsequent herausgenommen werden müßten. Der Enderfolg ihrer Versprechungen wäre, daß wir in der Bemessungsgrundlage dann nur noch von den höchsten Löhnen der Industriearbeiter ausgehen werden.
Wie ernsthaft diese Dinge geprüft werden müssen, zeigen .auch die Veränderung der Tabellen und der Tabellenvergleich. Herr Kollege Schellenberg hat auf einige Probleme aus den Tabellen hingewiesen. Es ist sicherlich richtig, daß das Arbeitsministerium seine Tabellen nicht nur hinsichtlich der Beschlüsse des Sozialpolitischen Ausschusses geändert hat; es hatte sie geändert unter dem Hinweis der Versicherungsmathematiker, dem Hinweis der Sachverständigen,
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die dann auch nicht nur bei uns, sondern im Arbeitsministerium
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- und ich erkenne das an, ich habe es auch im Ausschuß anerkannt - jene Verbesserungen und Änderungen der Tabellen angeregt haben. Und wer sagt: „Das ist nicht wahr!", der hat nie eine Tabelle mit einer anderen verglichen.
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- In der Politik, lieber Herr Kollege - bei allem Charme Ihres Zurufs! - soll man neben der Zuneigung und der Liebe vor allem den kühlen Kopf behalten. Politik macht man in der Regel mit Verstand, nicht mit Gefühl.
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Wenn über Nacht die Tabellen völlig verändert worden sind, meine Herren und Damen, dann müssen Sie Verständnis dafür haben, daß wir zum mindesten ein großes Unbehagen - nicht zu sprechen von einem großen Mißtrauen - spüren, ein großes Unbehagen über eine Entwicklung, über die wir unter dem Zeitdruck und unter der physischen und psychischen Belastung dieser Wochen alle gemeinsam nicht zufrieden sein können.
Schließlich, meine Herren und Damen, findet sich in diesen Paragraphen auch noch ein Grundsatz, der wiederum im Gegensatz zu Ihren Erklärungen und Beschlüssen steht. Das ist der Grundsatz, daß die Bemessungsgrundlage dem entsprechen soll, was der Versicherte in seinem Arbeitsleben verdient hat; daß Sie sagen: „Wir wollen ein besonderes Angestelltenversicherungsgesetz und ein besonderes Arbeiterrentenversicherungsgesetz. Wir wollen gleiches Recht bei gleichen Beiträgen. Wir wollen zwar noch eine getrennte Verwaltung. Wir wollen aber gar nicht mehr die Risikogemeinschaft der Angestellten und die Risikogemeinschaft der Arbeiter." Denn wenn Sie sie wirklich wollten, müßten Sie bei der Rücksichtnahme auf die Bezüge, auf das Einkommen der Angestellten oder der Arbeiter sagen: Wir müssen uns in der Angestelltenversicherung auf die Arbeitnehmereinkommen der Angestellten und in der Arbeiterversicherung auf den Durchschnitt der Einkommen aller Arbeiter beziehen, selbst dann, wenn zuzeiten die Angestellten einen Nachteil oder die Arbeiter einen Vorteil ihätten. Wer in diese Risikogemeinschaft hineingehört, der muß Vorteile und Nachteile des Risikos in seiner Gemeinschaft tragen.
Deshalb meinen wir, daß alles Reden von einer getrennten Angestellten- und Invalidenversicherung unwahrhaftig ist, wenn wir hier die gleiche gemeinsame Grundlage haben und wenn wir dann auf einem Umwege zur Gemeinlast kommen, die zuletzt in der Krankenversicherung der Rentner und in der Vergangenheit versagt hat und zugleich gezeigt hat, daß sie eines jener Mittel zur Vereinheitlichung ist, die wir von der Fraktion der Deutschen Partei mit aller Entschiedenheit grundsätzlich ablehnen.
Es gibt Fragen von grundsätzlicher Bedeutung, in denen alle Versuche, zu Kompromissen zu kommen, scheitern müssen. Die Formel des § 1260 ist in der Koalition deshalb gescheitert, weil es über grundsätzliche Fragen - leider, sage ich; ich bedaure es außerordentlich; niemand bedauert es mehr als die Fraktion der Deutschen Partei - zu einer einheitlichen Meinung nicht gekommen ist.
Wir begrüßen die Bemühungen, die die CDU-Fraktion angestellt hat; wir begrüßen die Ergebnisse ihrer Bemühungen um einen Ausgleich in dieser so überaus schweren, uns alle belastenden Frage. Wir wissen, daß es nicht gelungen ist, die Automatik ganz zu beseitigen. Aber wir erkennen absolut ihre Beschränkung auf ein Jahr, in dem dann allerdings noch keine Entscheidungen fallen können, weil nach so kurzer Zeit gewisse Dinge, zu denen man sich einmal bekannt hat, deshalb nicht entschieden und nicht revidiert werden können, weil sie dann noch gar nicht in ihrer vollen Wirkung geltend und sichtbar geworden sein können. Die Dynamik und der sozialpolitische Sprengstoff dieses Bekenntnisses zum Prinzip des Lohnindex sind aber nicht voll beseitigt. Die Kompromißlösung der CDU bedeutet nun zwar, daß
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der Automatismus de jure ausgeschaltet ist. Aber der Zusammenhang zwischen § 1260 und § 1276 ist vollkommen unklar und wird dies auch bleiben. Die unterschiedliche Behandlung gleichzeitig erworbener Ansprüche muß die Folge einer unterschiedlichen Behandlung der Grundlagen für die Bemessung der Renten in zwei Paragraphen sein. Je nachdem, ob die Erstfestsetzung in lohndynamisch günstige oder weniger günstige Jahre fallen wird, wird die Behandlung der Renten besonders in der Breite der unterschiedlichen Grundlagen unterschiedlich sein. Wir werden also für die Zukunft nicht nur drei verschiedene Rentenbemessungsarten haben, nämlich eine für die laufenden Renten, eine für die Anwartschaften und künftigen Renten nach § 1260 dieses Gesetzes und als dritte die Anpassung der künftigen Renten nach § 1276 dieses Gesetzes. Nachdem CDU und CSU - ich glaube ({30}), diese ernsten Betrachtungen sollten kein Anlaß zum Lachen oder zu einer humorigen Unterhaltung sein - sich zu den Grundsätzen des § 1276 bekannt haben, wie sie nach den Besprechungen in der Koalition gefunden sind, sollte man die Grundsätze des § 1276 auch für die Erstfestsetzung der Renten gelten lassen.
Die Deutsche Partei hätte gewünscht, daß der Begriff der Produktivitätsrente deutlicher geworden wäre. In einem Gesetz, das in der Praxis angewendet werden soll, das irgendwann praktische Folgen zeitigen soll, muß die Absicht, die der Gesetzgeber hat, klar und deutlich erkennbar sein. Die volkswirtschaftlichen Begriffe und die volkswirtschaftlichen Größen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des realen Volkseinkommens können nicht additiv gebraucht werden, da sie ja schließlich das gleiche darstellen. Wir haben versucht, im Sozialpolitischen Ausschuß hinsichtlich des § 1276 zu einer Klarheit der Begriffe zu kommen. Auch das ist nicht gelungen. Der Antrag der Deutschen Partei, klarzustellen, daß bei der Bezugnahme auf die wirtschaftliche Größe des Volkseinkommens das reale Volkseinkommen gemeint ist - eine statistische Größe, die bekannt und die berechenbar ist -, ist auch im Ausschuß abgelehnt worden.
Ich fasse also zusammen. Die Fraktion der Deutschen Partei wünscht eine entscheidende und ausreichende Anhebung der laufenden Renten. Sie wünscht eine Anpassung der Anwartschaften und der künftigen Renten nach den gleichen Grundsätzen an das wachsende reale Volkseinkommen. Deshalb haben wir auch in den Besprechungen mit unseren Koalitionspartnern unsere Kompromißbereitschaft gezeigt. Wir sind von der Forderung nach festen Summen, nach statischen Begriffen abgegangen, wir sind bereit gewesen, den Versprechungen unserer Koalitionspartner entgegenzukommen, und wir haben deutlich gemacht,
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daß wir auf der Grundlage - -. Wie bitte? Wie war Ihr Zuruf? Herr Präsident, wollen Sie bitte einmal darauf achten. Wenn ich richtig gehört habe, sagte der Kollege, es sei eine Unverschämtheit.
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Ich weiß nicht, wer
es gesagt hat. Darf ich fragen, wer es gewesen ist.
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- Dann rufe ich Sie hiermit zur Ordnung.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat Ihnen heute Änderungsvorschläge vorgelegt, die nicht radikal und nicht revolutionär sind, sondern auf der Grundlage dessen, was wir gemeinsam anstreben sollten, die Möglichkeit geben, die Anpassung der Renten an den wirtschaftlichen Fortschritt, an das reale Volkseinkommen vorzunehmen. Wir wünschen, daß § 1260 wie folgt geändert wird. Im ersten Halbsatz sollen hier nach den Worten „Rentenversicherungen der Arbeiter" die Worte „und der Angestellten ohne Lehrlinge und Anlernlinge" gestrichen werden, entsprechend in § 30 für die Angestelltenversicherung der Bezug auf die Arbeiter. In § 1260 Abs. 2 soll die allgemeine Bemessungsgrundlage vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 der für das Kalenderjahr 1955 in Tabelle 2 zu § 1266 angegebene Wert bleiben. Die Bemessungsgrundlage soll sich nach drei Jahren - auch da sind wir der CDU/ CSU-Fraktion entgegengekommen - erstmals im Jahre 1960 um den gleichen Vomhundertsatz verändern, um den sich das Netto-Sozialprodukt zu Faktorkosten je Erwerbstätigen in konstanten Preisen in dem dreijährigen Zeitraum verändert hat, und zwar in dem dreijährigen Zeitraum, der in dem Kalenderjahr vor der Veränderung am 30. Juni endet.
Diese unsere Vorschläge würden auch garantieren, daß die in § 1276 gefundene Formel, wenn sie nach dem Vorschlag der Fraktion der Deutschen Partei verdeutlicht wird, eine saubere und meßbare wirtschaftliche Größe in beiden Formulierungen des § 1260 und des § 1276 setzt. Damit wird dafür Sorge getragen, daß die an die Lohnentwicklung gebundene Formel für die Erstfestsetzung der Renten genauso wie die Formel für die zukünftige Festsetzung der Renten zu einer Voraussetzung wird, durch die das Versprechen, das die CDU/CSU in der Öffentlichkeit gegeben hat: nämlich die Entwicklung der Renten an die Entwicklung der Produktivität anzupassen, wahrhaft und ehrlich verwirklicht wird!
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Damit sind sämtliche Anträge begründet.
Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Abgeordnete Stingl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich recht erinnere und den Begründungen der Vorredner mit genügender Aufmerksamkeit gefolgt bin, haben sie alle drei und hat auch der Herr Bundesarbeitsminister zu § 1260 gesagt, daß hier das Kernstück des Gesetzes liege. Ich stehe nicht an, das nunmehr als Fünfter zu wiederholen. Es ist in der Tat so, daß die für die Rentenbemessung gefundene Formel das Maß sein wird, an dem draußen der Bundestag gemessen wird. Danach wird man beurteilen, ob er eine Reform geschaffen hat, die sich sehen lassen kann, oder ob er am Bestehenden nur herumgeflickt hat.
Bevor ich auf die sachlichen Probleme eingehe, die in dem § 1260 und in den Änderungsanträgen dazu stecken, lassen Sie mich doch einige Bemerkungen zu den Ausführungen meiner Vorredner machen. Am frischesten ist sicher das in Erinnerung, was Frau Kalinke gesagt hat. Verehrte Frau Kalinke, eins muß ich Ihnen doch vorhalten: Sie haben einige Male das Wort „politischer Stil" gebraucht. Sie haben, wie ich glaube, nicht
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nur das Wort „politischer Stil" mißbraucht, sondern - entschuldigen Sie, wenn ich das sage - Sie haben in der Art, wie Sie hier gesprochen haben, teilweise selbst den politischen Stil überbeansprucht.
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- Ich habe mir die Meinungen der anderen Fraktionen, Herr Kollege Schneider, sehr genau angehört, aber wenn Frau Kollegin Kalinke uns vorwirft, wir hätten mit der Versicherungspflichtgrenze eine „unehrliche" Entscheidung getroffen, so ist das auch nicht gerade ein hervorragender politischer Stil; ich könnte parieren, daß es eben eine Unehrlichkeit ist, davon zu sprechen, daß die Versicherungspflichtgrenze bei 12 000 DM liegen müßte. Es gibt die verschiedensten Bezugsgrößen. Ich könnte die Bezugsgröße von vor Beginn des zweiten Weltkrieges nehmen und auf die damaligen Löhne hinweisen.
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- Es ist wirklich nicht das Problem, Frau Kalinke. Ich hatte auch nicht die Absicht, mich mit solchen Problemen auseinanderzusetzen. Ich wurde aber von Ihrer Fraktion darauf hingewiesen, daß Sie nur sachlich gesprochen hätten, Ich habe mir deshalb erlaubt, einen einzigen Punkt herauszugreifen, in dem Sie eben nicht sachlich gewesen sind und uns Unehrlichkeit vorgeworfen haben.
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Man kann nicht einfach sagen, man habe den politischen Stil und die anderen hätten ihn nicht.
Ich möchte dazu noch folgendes bemerken, Frau Kollegin Kalinke. Sie haben mehrfach die Koalition angesprochen und erklärt, Koalition bedeute, daß man auch den Kleineren höre. Ich gebe Ihnen hier völlig recht. Koalition heißt aber auch, daß der Kleinere nicht verlangt, daß jeweils seine Meinung durchdringt und daß der Größere sich immer nach seiner Meinung richtet.
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Ganz gewiß muß man, wenn man eine politische Entscheidung trifft, miteinander sprechen, und ganz bestimmt muß man miteinander zur Übereinstimmung kommen. Es kann mir sicher niemand vorwerfen, daß ich nicht immer wieder zu Gesprächen, daß ich nicht immer wieder zum Ringen um die bestmögliche Lösung bereit bin. Aber uns den Vorwurf zu machen, daß wir jeweils nur unsere Meinung durchdrückten und auf die anderen nicht hörten, ist einfach ungerecht. Wer an den Beratungen teilgenommen hat, wird bestätigen, daß dieser Vorwurf nicht in Ordnung ist, sondern daß er falsch ist.
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Herr Kollege Schell e n b er g, ich darf zu Ihnen kommen. Sie haben mich vorhin in Ihrer Rede bei der Einschiebung der anderen Zeile in die Tabelle zu § 1260 so nett apostrophiert. Aber Herr Kollege Schellenberg, Sie wissen genau, daß das, was Sie mir nur persönlich konzedieren, für uns alle zutrifft. Wir haben uns mit den Argumenten, die Sie gebracht haben, wirklich und ehrlich auseinandergesetzt. Gerade das ist es ja, was Sie uns auf der anderen Seite wiederum zum Vorwurf machen: wir hätten uns bei einem Teil der Verhandlungen mit außerordentlicher Intensität auch außerhalb des Ausschusses mit den Problemen, die gerade hier drinstecken, auseinandergesetzt, wir hätten uns nächtelang damit auseinandergesetzt.
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- Ich weiß nicht, welches Petitum Sie im Auge haben.
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- Ja, Herr Kollege Schellenberg, wenn Sie alle die Dinge aufführen, dann lassen Sie mich kurz darauf antworten, welche Vorlage dem Hause zugeleitet werden sollte. Wenn Sie ganz objektiv einmal die Regierungsvorlage und die jetzige Vorlage vergleichen, müssen Sie feststellen, daß die jetzige Vorlage in dem Gang einfach der Regierungsvorlage entspricht. Ich will mich damit nicht weiter auseinandersetzen, weil es nicht an diese Stelle gehört.
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- Das kann man natürlich immer sagen.
Frau Kollegin Kalinke hat vorhin gesagt, man müsse bei der Weichenstellung eben aufpassen. Sicher hätte Herr Kollege Schütz ein treffenderes Bild zur Hand, als ich es jetzt bringen will. Aber ich will mich mal bemühen. Frau Kollegin Kalinke, wenn wir die Weichen stellen, müssen wir folgendes beachten. Es wird uns gesagt: Hier kommt ein Hindernis. Kein Mensch kann aber sagen, ob das Hindernis kommt, wie hoch es ist, in welcher Form es uns trifft. Wenn wir das alles nicht wissen, dann stellen wir die Weichen so, wie wir es für richtig halten. Aber wir bauen eine Bremse ein, damit wir in dem Augenblick, wo ein Hindernis kommt, entsprechende Maßnahmen ergreifen können, um uns nach der anderen Seite hin zu verteidigen.
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- Ja, Kollege Schütz, das wird dann Grundsatzlosigkeit genannt. Aber wir sind alle einer Meinung: es ist nicht Grundsatzlosigkeit, sondern einfach das Bewußtsein der Verantwortung, die man eben nicht nur heute, die man nicht nur dann hat, wenn man die Renten anhebt und wenn man etwas verspricht; diese Verantwortung trägt man vielmehr in die Zukunft hinein.
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- Bitte.
Sie sind doch Autofahrer, Herr Kollege. Um bei dem Bild, das Sie so nett vervollständigt haben, zu bleiben: Es kommt darauf an, daß man nicht in einem großen und schweren Wagen mit einem kopfgesteuerten Motor die Bremsen eines kleineren, z. B. eines Volkswagens hat. Wenn die Bremse groß und stark genug ist, dann ist das Argument richtig. Wenn Sie aber in den großen Wagen die Bremsen eines kleinen Wagens einbauen,
({0})
({1})
dann werden Sie ohne Bremswirkung den abschüssigen Weg herunterrollen.
Verehrte Frau Kollegin Kalinke,
({0})
Einen Augenblick, Herr Redner, jetzt spreche ich. - Frau Kollegin Kalinke, wenn ich klingle, bitte ich, darauf zu achten, daß i c h sprechen werde. Ich bitte also dann zu unterbrechen. Zum zweiten: Sie haben nämlich nicht gefragt, ob Sie fragen durften. Drittens: Ihre Frage war keine Frage, sondern eine Polemik.
({0})
Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort!
Frau Kollegin Kalinke, Sie haben natürlich recht. Aber 'ich weiß nicht, ob Sie genug technisches Verständnis haben, um dann die Bremsen in ihrer Wirksamkeit auch exakt und sachverständig genug zu überprüfen.
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Es geht hier nicht ,darum, daß wir uns mit einigen Bemerkungen auseinandersetzen, die hier oder dort gefallen sind. Es geht darum, was in diesem Gesetz drinsteckt. Wir haben alle miteinander - und das haben die Vorredner gesagt - die Überzeugung, daß wir an dieser Stelle, bei diesem § 1260, die entscheidende Bestimmung des neuen Gesetzes, der neuen Bestimmungen über die Renten in Zukunft, treffen. Die Grundlage für diese neue Bemessung der Renten soll - und das hat die CDU/CSU versprochen - der aktuelle Lohn sein. Das ist die umwälzende Bestimmung dieses Gesetzes. Wir gehen von den nominellen BeitragsD-Mark-Berechnungen oder Reichsmark- oder Goldmark-Berechnungen ab. Die Rente, die in Zukunft gezahlt werden soll, soll davon abhängen, welches beitragspflichtige Lohn-, Gehaltsoder sonstige Arbeitseinkommen des Versicherungspflichtigen den Beitragsleistungen zugrunde gelegen hat. Diese Umstellung auf die Löhne, auf die Gehälter in dem Arbeitsleben ist das Entscheidende. Wir wollen, daß der Versicherte, der ein Leben lang in einer bestimmten Lohn- oder Gehaltsgruppe oder in wechselnden Lohn- und Gehaltsgruppen war, wenn er aus dem Arbeitsleben ausscheidet, unter Bezugnahme auf diese Lohnoder Gehaltsgruppen eine Rente oder ein Altersruhegeld für sich in Anspruch nehmen kann.
Diese Rente oder das Altersruhegeld soll aber nicht vom Durchschnitt des in den vergangenen Lebensjahren erzielten Arbeitseinkommens in den Lohn- oder Gehaltsgruppen abhängen, sondern die Rente soll sich danach bemessen, wie sich das Lohn- und Gehaltseinkommen seit dem Beginn des Versicherungslebens entwickelt hat; also sie soll aktualisiert werden.
Auch die SPD - und es ist richtig, was einige Male hierzu festgestellt worden ist - ist diesem Gedanken gefolgt. Sie hat einen Entwurf eingebracht, der nach den Beratungen im Beirat beim Bundesarbeitsministerium auch diesen Gedanken vertritt. Nur hat die SPD - und das schlägt sie Ihnen heute in ihrem Änderungsantrag wieder vor - das letzte Jahr, in dem der Versicherte in
Lohn und Gehalt stand, als Bezugsgröße genommen. Gewiß kann man sich darüber unterhalten, ob dieses letzte Jahr das Richtige ist. Gewiß kann man natürlich damit sehr viel Freunde finden, wenn man draußen sagt, dieses letzte Jahr ist das maßgebende Jahr. Aber wir tragen ja nicht nur die Verantwortung dafür, ,daß dies demjenigen, der in dem Augenblick Rentner wird, gefällt, sondern wir tragen auch die Verantwortung dafür, daß wir dem Rentner die Rente, die wir ihm versprechen, für sein weiteres Leben gewähren können, daß dem Rentner diese Rente gegeben werden kann, solange er noch Anspruch auf das Altersruhegeld und solange er Anspruch auf die Rente hat. Wir haben auch bei einer Rentenreform ein Maß einzuhalten, so sehr es natürlich nach außen hin in Flugblättern usw. schön ist, kundzutun, man wolle viel geben. Man muß aber zuvor haben, was man geben will und was man verspricht.
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Niemand in diesem Hause kann bestreiten, daß man zuerst im volkswirtschaftlichen Prozeß das erarbeiten muß, was man denen, die früher im Arbeitsprozeß gestanden haben, als Rente zur Verfügung stellen will. Niemand kann bestreiten, daß die erfolgreiche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung diese Sozialreform überhaupt erst möglich macht!
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Ich kann weder in die Zukunft sehen, noch kann ich für die Vergangenheit sagen, was eingetreten wäre, wenn eine andere Partei die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik gehabt hätte. Aber ich kann meiner Überzeugung Ausdruck geben, daß auf Grund der anderen Wirtschaftspolitik, die von Ihnen, meine Damen und Herren von der sozialdmokratischen Fraktion, getrieben worden wäre, eine solche Anhebung der Renten, eine solche Anpassung an den Lebensstandard, den wir unserem Volk draußen bisher bieten konnten, nicht möglich gewesen wäre.
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Wir müssen - ich sagte es schon - das Maß und die Mitte in allen unseren Entscheidungen berücksichtigen. Und das Maß und die Mitte glauben wir in ,den Ihnen in der Ausschußfassung vorliegenden Beschlüssen wirklich eingehalten zu haben.
Ich stehe nicht an zu bekennen - damit nicht draußen gegen uns polemisiert wird -, daß nach dem Ergebnis unserer Beratungen das Maß und die Mitte auch noch unter dem liegen, was uns die Regierung vorgeschlagen hat. Wir sind uns bewußt, daß wir durch die Änderung des § 1260 auch den künftigen und den jetzigen Rentnern zugemutet haben, von der Rentenhöhe, die in der Regierungsvorlage stand, etwas abzugehen. Aber ungefähr der gleiche Betrag, der dadurch diesen Rentnern der Höhe nach weniger zugute kommt, ist auf andere Schichten des Rentnerdaseins umgelegt worden, bei denen es noch dringender und noch notwendiger war; nicht in einem meßbaren, zahlenmäßig jedenfalls vergleichbaren Verfahren, aber gespart in der gesamten Rentenausgabe ist bei dieser Rückstufung nicht worden.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion der SPD, Sie haben das letzte Jahr als Bezugsgröße genommen. Sind Sie sich eigentlich bewußt, daß Sie damit jede Schwankung im Augenblick und ad hoc - zumal Sie auch noch die Anpassung nach § 1276 ff. diesem System angleichen wollen - unmittelbar auf die Rente wirksam werden lassen wollen? Ich nehme an, daß Sie das bewußt tun. Verantwortungsvoll kann man aber unter den Auspizien des ganzen Lebens des Rentners, des Versicherten doch nur dann handeln, wenn man ihn nicht in die Zufälligkeit der Entwicklung eines Jahres hineinwirft; sondern wenn er ein ganzes Leben lang einen kontinuierlichen Ablauf hatte, dann soll man ihm auch in seinem Rentnerdasein einigermaßen stabile Verhältnisse geben.
Wenn man die Schwankungen des Daseinskampfes ausgleichen will - ich bitte zu bedenken, welche Wirkungen die Streiklagen nach Ihrer Konzeption nicht haben müssen, aber haben können -, dann muß man - das werden Sie, wenn Sie das bedenken, auch sagen müssen - als Bemessungsgrundlage einen Zeitraum nehmen, von dem man wenigstens einigermaßen sagen kann, daß die Entwicklungen ausgeglichen sind, in dem man etwas einigermaßen übersehen kann. Verkennen Sie nicht: keiner von uns kann die Garantie übernehmen, daß wir immer in einer Hochblüte der Wirtschaft bleiben. Jede Schwankung, auch jede Schwankung nach unten, müssen Sie, wenn Sie konsequent sein wollen, bei Ihrer Konzeption sofort in die Renten umsetzen, während das System, das wir haben, doch immerhin die Ausgleichsmöglichkeit läßt.
Nach unserer festen Überzeugung gehört es zu unserer Verantwortung als Fraktion, einen Parteitagsbeschluß auf seine wirkliche Durchführbarkeit hin auszulegen. Deshalb wird die Fraktion der CDU/CSU einen Zeitraum nehmen, der es erlaubt, die Renten angemessen und maßvoll festzusetzen.
Was nun die Verschlechterung gegenüber der Regierungsvorlage angeht, so handelt es sich um einen Zeitraum, der neun Monate beträgt, nämlich vom 1. Januar bis zum 30. September jedes Jahres. Ich will Sie nicht damit überzeugen, daß ich ein technisches Argument anführe - es ist nun einmal so, daß im Januar des Jahres 1957 die statistischen Unterlagen für die Zeit bis zum 30. September 1956 nicht zur Verfügung stehen -, da würden Sie mir mit Recht entgegenhalten können: Dann muß man eben darauf dringen, daß man das jeweils in Ordnung bringt. Ich will Ihnen vielmehr etwas ganz anderes, wie ich glaube, Durchschlagenderes, entgegenhalten. Das eine Jahr, das hier als ein statistisches Jahr genommen wird, als ein Jahr, dessen wirtschaftliche Entwicklung noch nicht auf die Rente unmittelbar einwirkt, hat in dem Sinne, den ich vorhin für die drei Jahre erläutert habe, eine noch viel größere Bedeutung. Es soll bei den Lohnkämpfen einfach nicht damit operiert werden können, daß die Lohnkämpfe dieses Jahres und die Erfolge der einen Seite dieses Jahres sich unmittelbar in den Renten niederschlagen. Bei den Verhandlungen, die man um die Bewegung im Lohnsystem führen muß, soll man nicht auch noch die Rentner als Einsatz verwenden. Die Bewegungen im Lohnsystem sollen von diesem Faktor freigehalten werden; das ist unsere Überzeugung.
Wir haben, obwohl wir Vertrauen zu den uns von der Regierung vorgelegten Zahlen haben, diese Rückschraubung und insbesondere den § 1261 a mit sehr sorgsamem Bedacht und nach sehr mühevollen Verhandlungen in unserer eigenen Fraktion und innerhalb der Koalition außerdem deshalb vorgesehen, weil wir -genau wie das vorhin durch einen Zwischenruf des Kollegen Schütz deutlich geworden ist - auch von dem Regierungsentwurf, der Begründung und den Rechnungsgrundlagen wissen, daß alle Berechnungen auf Hypothesen aufgebaut sind. Keiner hier im Saal - auch wenn er es sich wie Herr Professor Preller zutraut, die Dinge auf Grund seiner Kenntnis der mathematischen Wissenschaft zu beurteilen - kann sagen, daß diese Hypothesen unbedingt und unter allen Umständen richtig sind und sich auch in der Zukunft bestätigen werden. Das ist das, was ich vorhin mit den Bremsen meinte.
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- Selbstverständlich, ganz genau! Sie werden nicht vermuten, Herr Professor Preller, daß ich jetzt gegen Ihre Ausführungen zugunsten der Versicherungsmathematiker plädiere. Ich habe gestern bei Ihrem Diskussionsbeitrag durch mehrere „Sehr richtig" Ihre Meinung bestätigt; ich bekenne das ganz freimütig.
Weil wir die Verantwortung nicht nur dafür tragen, wie die Rentenreform sich jetzt auswirkt, sondern weil wir auch für die zukünftige Rentenbewegung Verantwortung tragen, weil wir innerhalb unserer Fraktion all dies sorgsam erwogen und in unsere Erwägungen auch die Dinge einbezogen haben, die nur den Schein der Wahrscheinlichkeit für sich haben: deshalb sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß es nicht nur im Interesse irgendwelcher Kreise, sondern im Interesse sowohl der Rentner als auch der heute noch im Arbeitsleben Stehenden notwendig ist, die Revisionsklausel des § 1261 a einzubauen, und haben sie deshalb eingebaut.
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Was wäre denn uns allen, was wäre den Rentnern gedient, wenn wir eine Rentenformel beschließen, die es nach einigen Jahren notwendig macht, das Vermögen der Rentenversicherungsträger übermäßig zu strapazieren oder den Beitragssatz so weit zu erhöhen, daß die im Arbeitsprozeß Stehenden ihre Bereitschaft verlieren, solidarisch die Ausgaben für die zu tragen, die vor ihnen gearbeitet haben. Wäre damit den Rentnern gedient? Ich bin der Überzeugung: Nein! Eine vernünftige Relation zwischen den Versicherten und den Rentnern können wir nur dann herstellen, die Verantwortung für eine ausreichende Rentengewährung an die heute Schaffenden können wir nur dann übernehmen, wenn wir ihnen nicht zumuten, ihren Verdienst durch Beitragsabzug so kürzen zu lassen, daß er unter Umständen niedriger ist als die Renten.
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Natürlich habe ich jetzt die Dinge etwas überspitzt dargestellt. Aber an Überspitzungen läßt sich ja etwas immer deutlicher erkennen. Das Maß der Rentenreform ist uns auch in dem gesetzt, was wir dem auferlegen können, der heute in einer großen Solidargemeinschaft die Beiträge aufbringt, die
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notwendig sind, um die Renten denen zu gewähren, die vorher die Grundlage dafür erarbeitet haben, daß in unserer Volkswirtschaft in so hohem Maße geschafft werden kann.
Darum also sind wir der Meinung, daß Maß und Mitte - ich wiederhole es - es uns einfach zwingend vorschreiben, nicht nur einen Zeitraum von einem Jahr als Grundlage zu nehmen, sondern einen längeren Zeitraum, den wir mit drei Jahren richtig bemessen zu haben glauben. Diese Überlegungen sind es auch, die uns - schweren Herzens - dazu gebracht haben, hier eine Zurückschraubung um ein Dreivierteljahr vorzunehmen. Aber wir glauben auch das wieder vor allen anderen verantworten zu können.
Ich muß auch ein Wort zu dem sagen, was der Herr Kollege Jentzsch ausgeführt hat. Er hat erklärt, es werde nicht bestritten, daß nach den Vorschlägen seiner Fraktion das bisherige anzurechnende Einkommen der Versicherten und der jetzigen Rentner auf den Stand von 1956 gehoben werden soll. Ich unterstelle sogar, daß insoweit, auf den Stand von 1956 bezogen, die FDP weiter geht, als wir in der Ausschußfassung gegangen sind. Aber der Antrag der FDP sieht vor, daß dann Schluß damit ist, daß in der zukünftigen Entwicklung, der der Versicherte unterworfen ist, weil er von seinem Einkommen Beiträge bezahlt, der Versicherte und später der Rentner an der Entwicklung der Löhne mit seinen zurückliegenden
- vor 1956 geleisteten - Beiträgen nicht mehr teilnehmen kann. Wir halten das einfach für ungerechtfertigt. Wenn durch einen weiteren Aufschwung unserer Volkswirtschaft, wie wir 'hoffen, auch die Besserstellung der Versicherten, der Lohn-und Gehaltsempfänger, gewährleistet werden kann, dann sollen nach unserer Auffassung auch diejenigen an diesem Aufschwung teilnehmen, die in der vorangegangenen Zeit von niedrigerem Einkommen haben leben müssen.
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- Ja, Herr Kollege Jentzsch, das ist § 1276, soweit es sich auf die festgestellten Renten bezieht. Es ist aber Ihr § 1260 in bezug auf diejenigen, die heute noch Beiträge leisten; oder ich müßte Ihren Antrag völlig falsch verstanden haben. Herr Kollege Jentzsch, ich habe mich vorhin sehr zusammengenommen, nicht falsch zu formulieren. Ich habe gesagt, daß für die vor dem Jahre 1956 geleisteten Beiträge in Ihrem Antrag zu § 1260 bei der zukünftigen Feststellung der Renten keine Aufwertung mehr enthalten ist. Das können Sie nicht bestreiten, oder ich müßte den Antrag völlig mißverstanden haben.
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- Sehr richtig, so habe ich es auch verstanden, Herr Kollege Jentzsch,
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ein Unterschied zwischen Erstfestsetzung und laufender Anpassung. Sie wollen eine einmal festgesetzte Rente anpassen. Über die Kautelen dieser Anpassung müßten wir uns bei § 1276 oder sonstwo unterhalten.
Aber bei denen, die heute im Arbeitsleben stehen, wollen Sie nur eine Anpassung auf 1956, und wenn Sie später die Rente festsetzen, wollen Sie von den nominellen Beiträgen ausgehen; ich glaube, so ist es richtig. Wir sind der Meinung, daß das eben falsch ist. Denn auch die Beiträge, die 1925 oder 1935 oder 1942 geleistet worden sind, sollen nach unserer Überzeugung auch bei dem, der noch nicht Rentner ist, in der Zukunft auf das dann herrschende Lohn- und Gehaltsgefüge bezogen werden. - Es tut mir sehr leid, meine Damen und Herren; ich glaube, das ist wieder eine Sprache, die nur die verstehen, die im Ausschuß mitgewirkt haben, weil es dort einige Nuancierungen gibt, die man nicht ohne weiteres erkennen kann.
Wir können also Ihrem Antrag, Herr Kollege Dr. Jentzsch, nicht folgen, weil er unserer Grundkonzeption einer wirklich revolutionierenden Reform entgegensteht. Nach Ihrem Antrag kämen wir eben nicht zu einer Reform, sondern nur zu einer Anhebung auf den Stand von 1956 und würden die festgestellten Renten dann jeweils mit kleinen Anhebungen anpassen. Wir wollen die Reform der sozialen Leistungen. Wir wollen eine so weitgehende Reform, daß man uns außerhalb des Hauses vorwirft, wir würden neben der Sparmark eine Rentenmark schaffen. Ich muß diesem Vorwurf entgegenhalten: Wir wollen nicht neben der Sparmark eine Rentenmark schaffen, sondern wir wollen die Solidarität unter den jetzt im Arbeitsleben Stehenden und denen, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind, in einem, wie ich zugebe, sehr hohen Maße strapazieren. Wir wollen für die Zukunft das Lohn- und Gehaltseinkommen des Versicherten in seinem Arbeitsleben zugrunde legen. Der Beitrag soll uns nur helfen, dieses Lohn-und Gehaltseinkommen zu ermitteln. Der Beitrag hat in der Vergangenheit - und da hat Herr Professor Schellenberg die Tabellen sehr stark angegriffen - eine andere Funktion gehabt, als er sie in Zukunft erfüllen wird. Der Beitrag hat in der Vergangenheit eine statische Funktion gehabt. Er hat einen Geldbetrag bedeutet, der nach dem Kapitaldeckungsverfahren dem Versicherten als Rente wieder zugute kommen sollte. Heute wollen wir am Beitrag erkennen, welches Einkommen und welchen Lebensstandard der Betreffende gehabt hat, und nach seinem Lebensstandard wollen wir ihm die Rente geben. Mit den Beiträgen soll der Versicherte nachweisen, daß er selber in der Solidarhaftung gewesen ist und seinerseits geleistet hat; bis zu welcher Höhe und bis zu welchen Jahren, das wollen wir daraus erkennen.
Der Antrag der Fraktion der DP - Frau Kalinke hat ihn sehr eingehend begründet - geht wie der der FDP davon aus, daß eine Anhebung der Renten und der früher geleisteten Versicherungsbeiträge auf den Stand von 1956 notwendig sei. Aber sie sagt dann: Ab 1956 sind nicht mehr die Beitragshöhe und die Entwicklung des Gehaltes und Lohnes maßgebend, sondern dann messe ich das, was ich hier zugeben will, jeweils in einem Abstand von drei Jahren an dem Zuwachs des Nettosozialprodukts zu Faktorkosten. Das bedeutet, daß ich dem, der in Arbeit steht, zwar zumute, dann, wenn er eine Lohnerhöhung bekommt oder wenn er in eine höhere Gehaltsklasse kommt, die höheren Beiträge zu zahlen, daß ich ihn aber im Augenblick der Rentenberechnung zurückstufe auf das Jahr 1956, mit einigen Zwischenschaltungen von jeweils drei Jahren Abstand.
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Auch dies, meine Damen und Herren, müssen wir mit Nachdruck als nicht mit unseren Intentionen in Übereinstimmung ablehnen.
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Wir wissen sehr wohl, daß es einen Unterschied zwischen der Bewertung der Beiträge, die laufend gezahlt werden, und der Anpassung der Renten gibt, die schon festgestellt sind. Wir sind aber der Meinung - und das läßt sich ohne weiteres beweisen und vertreten -, daß dieses Auseinanderklaffen, wie es uns vorgeworfen wird, seine echte Begründung hat. Denn solange ich im Arbeitsleben stehe, leiste ich Beiträge, hinter diesen Beiträgen steht ein Lohn- und Gehaltsaufkommen, und nach diesem Lohn- und Gehaltsaufkommen - ich sage es zu wiederholten Malen - wird die Rente berechnet. Wo aber eine Rente festgestellt ist, ist der Betreffende aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Dann soll er aber, weil er ja nicht unmittelbar mehr an der Lohn- und Gehaltsentwicklung teilnimmt, den Anspruch haben, einen angemessenen Anteil an der Ausweitung des Sozialprodukts zu erhalten. Das ist das Bestreben, das wir in dieser Reform verwirklichen wollen.
({15})
Ich muß noch einiges zu den Anträgen sagen, die die Deutsche Partei darüber hinaus stellt. Auch hier kann man über den politischen Stil streiten, aber ich will das nicht wieder aufrühren. Frau Kollegin Kalinke hat ausgeführt, daß es eine Ungerechtigkeit sei, wenn man als allgemeine Bemessungsgrundlage jeweils das Bruttoeinkommen der Angestellten und Arbeiter zusammengenommen zugrunde lege. Sie hat dazu ausgeführt, es sei ) doch richtig, die Gefahrengemeinschaften in diesem Punkte zu trennen.
Ich muß Frau Kollegin Kalinke zunächst entgegenhalten, daß viele Menschen nicht für alle Zukunft entweder Angestellte oder Arbeiter bleiben, daß die Grenzen fließend sind, nicht nur in der Person des einzelnen, sondern noch fließender hinsichtlich der Eingruppierung ganzer Berufsstände, ganzer Berufsgruppen. Schon allein das scheint mir ein durchschlagender Einwand zu sein.
Ein anderer Einwand ist der: Die Bezugnahme auf das gemeinsame gleiche Durchschnittseinkommen durch das ganze Arbeitsleben hindurch wirkt sich eben zu allen Zeiten aus. Wenn jemand einmal etwas vorangebracht wird, dann wird er im Laufe einer anderen Entwicklung wieder etwas zurückfallen.
Wenn Frau Kollegin Kalinke sagt, daß das Abschneiden bei der heutigen Beitragsbemessungsgrenze eine große Ungerechtigkeit gegenüber dem Angestellten sei, so ist ihr zu folgen, wenn man ihrer Konzeption folgt, nämlich der Konzeption, daß man eine Rente bezahlt, die sich allein aus Beitragsleistungen berechnet, ohne daß das zugrunde liegende Lohn- oder Gehaltsaufkommen bewertet wird. Es kann ihr aber unter keinen Umständen gefolgt werden, meine Damen und Herren, wenn man den Grundsätzen folgt, die ich mich vorhin bemühte, Ihnen zu erläutern. Sicherlich ist es insoweit eine Härte, als die Angestellten jetzt nicht die gleiche Aufwertung bekommen. Wenn die Beitragsleistungen der Angestellten schon in aller Vergangenheit 14 % betragen hätten, dann wäre der Einwand richtig.
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Aber auch die Angestellten - ich will das mit allem Nachdruck sagen - bekommen die von ihrem Gehalts- oder Lohneinkommen gezahlten Beiträge, die nicht 14 % betrugen, so aufgewertet, als hätten sie ihr ganzes Leben hindurch 14 % ihres Arbeitseinkommens bezahlt. Das ist eine Sache, die sich schon sehen lassen kann.
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Oder sind etwa die Angestellten insofern neidisch, als wir auch die Arbeiter, die prozentual noch weniger Beiträge gezahlt haben, auf 14 % bringen? Ist es in der Konsequenz des Gesetzes dann nicht gerecht, wenn wir überall das Lohn- oder Gehaltsaufkommen zugrunde legen, wenn wir uns im Grundsatz in der gewollten Reform davon entfernen, daß das Beitragsaufkommen, der nominelle Beitrag die Grundlage für die Berechnung ist, sondern daß dahinter der Lebensstandard stehen muß, also das, was sich der Betreffende sein ganzes Leben hindurch erworben hat!
Meine Damen und Herren, Sie sehen aus den Anträgen, die Ihnen vorliegen, daß das, was ich sagte, richtig ist. Wir haben Maß und Mitte gewahrt. Wir haben eine Reform gemacht, die davon abgeht, den Rentner, wenn sich das volkswirtschaftliche Einkommen weiterentwickelt, auf einem Stand sitzen zu lassen, der für ihn 1930 maßgebend war oder, sagen wir jetzt: 1956 maßgebend ist, während wir inzwischen vielleicht 1980 schreiben. So haben wir diese Reform gemacht. Wir sind nicht der Versuchung erlegen, das so weit zu treiben, daß wir dem Rentner etwas versprechen, was wir ihm nicht auch für die Zukunft, über eine absehbare Zukunft hinaus mit einiger Sicherheit versprechen können.
Ich bitte Sie deshalb, mit uns dem Maß und der Mitte zuzustimmen und das, was nach der einen Seite zu weit geht und nach der anderen Seite zu sehr bremst, abzulehnen.
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Meine Damen und Herren, wir sind an einem der wichtigsten Paragraphen. Ich habe aber die Hoffnung, daß wir alle darin einig sind, diesen Paragraphen neben den dazugehörigen sieben Doppel- und zwei Einzelabstimmungen bis 13 Uhr zu erledigen.
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Ich darf darauf aufmerksam machen, daß wir dann noch nicht 50 °/o der vorliegenden Drucksache zu diesem Punkt der Tagesordnung erledigt haben, und wir würden, wenn ich die Multiplikation entsprechend vornehme, dann noch 44 Stunden zu tagen haben, um das ganze Pensum zu schaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schellenberg.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu seiner jetzigen Bemerkung eine kleine Anmerkung gütigst gestatten zu wollen. Herr Präsident, man kann nach dem Text der Gesetzesvorlage Vorausberechnungen für die Dauer der Beratungen nicht anstellen. Es gibt erfreulicherweise eine ganze Reihe von Vorschriften, beispielsweise über das Beitragsverfahren, über die wir, so hoffe ich, relativ schnell hinwegkommen. Aber die Frage, die wir hier zu erörtern haben, ist wirklich von so fundamentaler Bedeutung, daß das Haus zu ihrer
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Erörterung mindestens einen halben Tag benötigt und unter Umständen sogar über die Mittagspause hinaus darüber beraten muß.
Ich habe wirklich ein großes Interesse - bei meinen strapazierten Kollegen wird es ebenso sein -, möglichst noch am Sonnabend Gelegenheit zur Vorbereitung auf die dritte Lesung zu bekommen. Das ist unser gemeinsames Interesse. Es handelt sich aber um so wichtige Fragen, wichtig nicht nur für die Arbeiter und Angestellten und nicht nur für die Rentner, sondern auch für unsere Wirtschaft und unser gesamtes Volk, daß wir sie hier ausführlich behandeln müssen.
Nun muß ich mich zuerst mit den Bemerkungen des Herrn Bundesarbeitsministers beschäftigen; denn ich hatte keine Gelegenheit, sie durch eine Zwischenfrage sogleich zu klären. Ich stimme dem Herrn Bundesminister für Arbeit in einem Punkte voll und ganz zu: das Haus kann sich nicht unter den Druck von Eingaben und Pressekampagnen stellen und dadurch seine Arbeit hemmen oder beeinflussen lassen. Das haben wir nicht nur bei diesem Gesetz nicht getan, sondern auch bei anderen Gesetzen. Ich erinnere an das Kassenarztrecht, bei dem das Haus immer übereinstimmend diese Linie gezogen hat. Wir nehmen derartige Dinge zur Kenntnis. Wir setzen uns mit den Argumenten auseinander, aber wir lassen uns dadurch in unserer systematischen Arbeit nicht behindern.
Mein Vorwurf richtete sich gegen die mangelhafte Vorbereitung durch die Regierung. Da liegt der Fehler, unter dem wir jetzt noch leiden. Hätte die Regierung frühzeitiger eine Klärung über die Rentenbemessungsgrundlage herbeigeführt, hätte sie dann diese Vorschriften über die Bemessungsgrundlage der Renten dem Beirat gegeben und hätte sie dann Sachverständige zu Rate gezogen, um die Differenzen klären zu lassen, dann wäre der Regierung, dem Hause und der Öffentlichkeit viel erspart geblieben. Dann wären wir und auch die Regierung gegen jeden Zweckpessimismus gewappnet gewesen, der von gewisser Seite gegen die Rentenreform gesteuert wurde. Aber weil es die Regierung an dieser notwendigen Vorbereitung hat fehlen lassen, sind wir in diese schwierige Lage gekommen. Das ist mein Vorwurf gegen die Regierung, und Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, werden diesen Vorwurf insgeheim selbst erhoben
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und dem Minister und seinem Ministerium schon die notwendigen Worte gesagt haben.
Was ist denn so tragisch an der Angelegenheit? Das Bundesarbeitsministerium hat vor der Vorlage dieses bedeutsamen Gesetzentwurfs noch nicht einmal eine Abstimmung unter allen Regierungsstellen und den zur Verfügung stehenden Einrichtungen herbeigeführt.
Ich möchte Ihnen einen Beweis dafür liefern. Die erste Voraussetzung für die Erstellung von Bemessungsgrundlagen der Renten wäre gewesen, daß die Regierung sich rechtzeitig die Unterlagen vom Statistischen Bundesamt beschafft. Das hätte sie tun müssen, bevor sie überhaupt eine Vorlage im Parlament einbringt. Was hat sich im Bundesrat abgespielt? Im Protokoll über die Sitzung eines Ausschusses des Bundesrats steht folgender Satz:
Die Vertreter des Bundesarbeitsministeriums
weisen darauf hin, daß nach Verabschiedung
der Vorlage durch die Bundesregierung vorn Statistischen Amt inzwischen Werte der Jahresarbeitsverdienste ermittelt worden sind, die etwas niedriger liegen als die von der Bundesregierung mitgeteilten Werte und daß sich diese Werte sowohl auf die genannten Tabellen als auch auf die Umrechnungstabellen der laufenden Renten auswirken.
Das, meine Damen und Herren, ist doch peinlich. Die Regierung hatte die Verpflichtung, vor Einbringung einer Gesetzesvorlage das Statistische Bundesamt zu befragen, damit sie nicht nachher Korrekturen - ob nach oben oder nach unten, das ist hier nicht entscheidend - vornehmen mußte.
Ist es nicht auch eine peinliche Sache, daß sich Mitglieder des Sozialpolitischen Ausschusses an das Statistische Bundesamt wenden und Zahlenunterlagen erbitten müssen, weil die Regierung nicht diese Unterlagen vorlegt. Das Statistische Bundesamt hat sie mir zur Verfügung gestellt. Ich mußte daraus entnehmen, daß sie von den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums abweichen. Das ist doch unerfreulich und zeugt von einer schlechten Vorbereitung durch die Regierung. Das habe ich kritisiert, und das mußte kritisiert werden.
Meine Damen und Herren, wir haben noch etwas viel Peinlicheres erlebt. Referenten des Bundesarbeitsministeriums haben in Fachartikeln voneinander abweichende Jahresarbeitsverdienste, die der Rentenberechnung zugrunde liegen sollen, veröffentlicht. Für diese Dinge habe ich den Herrn Bundesarbeitsminister verantwortlich gemacht.
Die Bundesregierung hat es auch unterlassen, in der Begründung ihres Gesetzentwurfs die erforderlichen Unterlagen anzuführen. Es fehlt eine Begründung für § 1260 und die Bemessungsgrundlage. Wir haben sie im Ausschuß erst auf die Anmahnung der Opposition erhalten. Diese Dinge hätten in die Begründung zum Gesetzentwurf hineingehört, damit die gesamte Öffentlichkeit sich über die Zusammenhänge ein Bild machen kann.
Meine Damen und Herren, es war noch viel peinlicher. Die Sozialdemokraten mußten die Bundesregierung bitten, zur Beurteilung des Gesetzes unerläßliche Unterlagen dem Ausschuß vorzulegen, beispielsweise Unterlagen über die Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherung in den letzten Jahren. Diese muß man haben, wenn man sich ein Urteil über das Gesetz bilden will. Auch jene Testberechnungen der Rentenversicherungsträger, die unter Zugrundelegung der Tabellen praktische Beispiele berechnet haben, mußten wir erst anfordern. Es wäre doch wirklich Aufgabe der Regierung gewesen, diese Unterlagen schon bei Einbringung der Regierungsvorlage dem Hause und der Öffentlichkeit vorzulegen.
Die erbetenen Aufstellungen über die Vermögenswerte mußten wir im Ausschuß wieder zurückreichen, weil sie unvollständig waren. Die Regierung erklärte - das werden die Damen und Herren bestätigen müssen -: Wir haben die Zahlen über den Vermögensstand der Rentenversicherung aus den letzten Jahren nicht; die müssen wir erst anfordern.
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Das alles zeugt von einer schlechten Vorbereitung. Die Regierung hat in dieser Hinsicht viel versäumt. Sie hat mit den Zahlenunterlagen für dieses
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Gesetz eine Geheimniskrämerei betrieben. Das ist schlecht, denn es handelt sich um Anliegen, die das ganze Volk betreffen.
Der Herr Bundesarbeitsminister war verhältnismäßig selten im Ausschuß. Er konnte vielleicht nicht anwesend sein und konnte deshalb nicht wissen, daß die Vertreter seiner eigenen Partei uns Sozialdemokraten nicht nach den Rechnungsunterlagen und Rechnungsmethoden des sozialdemokratischen Entwurfs gefragt haben. Weshalb nicht? Es hätte doch so nahegelegen, den Ball zurückzuwerfen und uns zu fragen, wie hat die SPD ihre Tabellen errechnet! Weshalb hat die CDU das nicht getan?
Meine Damen und Herren, es ist offensichtlich: Sie haben eine weitere Diskussion über die Frage der Rentenberechnung im Ausschuß gefürchtet, weil Ihre eigenen Unterlagen zu unsicher waren. Sie befürchteten, Sie kämen bei einer weiteren Diskussion noch viel mehr ins Schwimmen, wie der Volksmund sagt. Das war der Grund, weshalb Sie von uns nicht gefordert haben, auch unsererseits jede einzelne unserer Zahlen zu belegen. Dann wären wir nämlich in die notwendige Diskussion gekommen. Ihr Anliegen war: Einigkeit innerhalb der CDU herbeizuführen und, nachdem sie herbeigeführt war, über diese peinliche Sache möglichst schnell hinwegzugehen. Das ist der Tatbestand, und das muß ich dem Herrn Bundesarbeitsminister zu seinen Ausführunge sagen.
Nun, Herr Kollege St in g 1, ein Wort zu dem, was Sie ausgeführt haben. - Herr Kollege Stingl, würden Sie mir die Freundlichkeit schenken, zuzuhören. - Sie haben etwas Beachtliches gesagt. Sie haben gesagt, die Methode, die Rente nicht an den letzen Jahresarbeitsverdienst anzupassen, liege im Interesse der Rentner, um die Rentner vor den Auswirkungen von Schwankungen des Wirtschaftslebens zu bewahren. Damit muß man sich selbstverständlich auseinandersetzen. Aber, Herr Kollege Stingl, wenn das Ihr Anliegen gewesen wäre, was hätten Sie dann im Ausschuß fordern müssen? Sie hätten fordern müssen: Es soll nicht jede Schwankung von 1, 2 oder 3 010 nach oben oder nach unten, sondern bei der Rentenbemessung und bei den zugrunde liegenden Verdiensten soll nur eine Steigerung von 5 % oder von 10 % berücksichtigt werden.
Nicht wahr, Herr Kollege Stingl, eine solche Methode hätte man wählen können?
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Aber, Herr Kollege Stingl, die Grundlage Ihres Entwurfs
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- Sie haben ihn sich zu eigen gemacht - ist primär nicht die Sorge um die Rentner, sondern es sind ganz andere Erwägungen gewesen, die Sie zu Ihrer Fassung bestimmte. Sie haben sie anklingen lassen, indem Sie von der Beziehung zwischen Renten und Lohnkämpfen und -auseinandersetzungen gesprochen haben. Deshalb muß ich Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen, wie in der Öffentlichkeit von wohlunterrichteten Kreisen, die der Regierung nahestehen, in dieser Frage argumentiert wurde. Ich zitiere, und zwar aus der „Wirtschafts- und Sozialpolitik, Informationsdienst für die deutsche Wirtschaft":
Gegen eine Rentenkoppelung bestehen in parlamentarischen Kreisen gewisse Bedenken. Man
fürchtet, daß das Heer der Rentner auf diese Weise in das Lager der Gewerkschaften übergehen wird, da dann auch die Rentner ein Interesse an höheren Löhnen und Gehältern haben. Bisher mußten die Rentner der Gewerkschaftsaktivität skeptisch gegenüberstehen, da Lohnbewegungen und die damit zusammenhängenden Preisauswirkungen ihre Realeinnahmen vermindern würden und ihr Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung zurücksteht.
Meine Damen und Herren, der wahre Grund für Ihre Methode der Anpassung unter Zugrundelegung der zurückliegenden drei Jahre ist, daß Sie den stärkeren Zusammenhang zwischen Lohn und Rente nicht wollen. Das soll man offen sagen. Frau Kollegin Kalinke hat es offen erklärt, daß sie diesen Zusammenhang nicht will.
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Wir Sozialdemokraten wollen es. Sie sollten uns hier nicht erklären, das, was Sie beabsichtigen, geschehe im Interesse der Rentner,
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um sie vor den Schwankungen zu bewahren; Sie sollten sagen, daß Sie eine solche Bindung der Renten an die Löhne und Gehälter aus ganz anderen Erwägungen ablehnen, nicht aus sozialpolitischen Erwägungen. Das ist das Entscheidende.
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Wir Sozialdemokraten wissen und haben es immer gesagt, daß auch der Rentner kein isoliertes Dasein in unserer Volkswirtschaft führen kann, daß er ein Teil des Volkes auch in wirtschaftlicher Hinsicht ist. Das erkennen wir ohne weiteres an. Aber versuchen Sie jetzt nicht, uns Ihre Verzögerung um drei Jahre, das Hinterherhinken der Renten hinter der Lohn- und Gehaltsentwicklung sozialpolitisch zu begründen.
({9})
Herr Kollege Stingl, Sie haben von der Verantwortung für die späteren Rentner gesprochen und sich unter lebhaftem Beifall Ihrer Fraktion dagegen gewandt, daß Flugblätter über diese Fragen verbreitet werden. Ihre Fraktion ist noch viel weiter gegangen. Sie hat nicht nur Flugblätter über Rentenfragen im allgemeinen verbreitet, sondern beispielsweise im Wahlkampf in Hessen Zeitungsannoncen veröffentlicht, in denen schon Berechnungsbeispiele für die einzelne Rente nach den Tabellen des § 1260 als Wahlpropaganda benutzt wurden,
({10})
obwohl das Haus sie überhaupt noch nicht beraten und verabschiedet hatte. Versuchen Sie deshalb nicht,
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sich Applaus damit zu verschaffen, daß Sie sagen, im Zusammenhang mit dieser Frage sollten keine Flugblätter gemacht werden.
Noch etwas anderes, Herr Kollege Arndgen, ist vorgekommen: in Essen beispielsweise hat der Sozialausschuß der CDU im Juli des letzten Jah({12})
res eine Rentnerberatungsstelle eingerichtet, in der die Renten auf Grund des Gesetzes, das wir heute in zweiter Lesung und Montag in dritter Lesung beraten, berechnet wurden, und dann den Rentnern schriftlich eine Mitteilung über die Höhe der Rente nach dem neuen Gesetz gemacht wurde. Das sind schlechte Methoden. Deshalb sollten Sie hier nicht erklären: Keine Propaganda in Fragen der Rentenberechnung!
Ich möchte jetzt schließen. Der Bundesarbeitsminister hat am Ende seiner Ausführungen erklärt, man solle die Rentenreform nicht in den Wahlkampf ziehen. Aber da muß ich doch den Herrn Bundesarbeitsminister daran erinnern, daß aus dem Kreise der Bundesregierung Mitteilungen in die Öffentlichkeit gelangt sind, die etwas ganz anderes über die Auffassung der Bundesregierung und ihr Vorhaben bezüglich der Rentenreform und den Wahlkampf besagen. Ich zitiere ein Dokument, das von dem Herrn Bundesfinanzminister stammt und eine Regierungsvorlage war und in den Besitz der Öffentlichkeit gelangt ist. Der Bundesfinanzminister führt darin wörtlich aus:
Die Bekundung von Regierung und Parlament, nach einem derartigen sozialen Grundgesetz das Sozialreformwerk in den nachfolgenden Jahren durchzuführen, dürfe ihre politische Wirkung auch im Wahlkampf nicht verfehlen.
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Jetzt hören Sie, Herr Bundesarbeitsminister:
Das kam auch in der letzten Kabinettssitzung über die Sozialreform am 22. März 1955 zum Ausdruck.
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Also bereits im März 1955 hat sich die Bundesregierung mit der Frage beschäftigt, wie man Rentenreform und Wahlpropaganda koordiniert. Das sind die Tatsachen!
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich ebensolange reden will wie mein Vorredner.
({0})
Nur auf eins möchte ich aufmerksam machen. Es ist immer gefährlich, wenn man auf politischem Gebiet und vor allen Dingen im Parlament mit halben Wahrheiten arbeitet.
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Herr Professor Schellenberg, Sie haben gesagt, wir hätten bei der Beratung dieses Gesetzes im Bundesrat oder im Ausschuß des Bundesrates zugeben müssen, daß das Material nicht richtig sei. Sämtliche Materialunterlagen sind, soweit sie in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erarbeitet werden mußten, selbstverständlich in Zusammenarbeit mit ihm zusammengestellt worden. Aber die Arbeit des Statistischen Bundesamtes hatte ja keinen Abschluß gefunden.
({2})
Da in der Zeit, in der die Behandlung dieses Gesetzentwurfs im Bundesrat stattgefunden hat, neue statistische Zusammenstellungen herausgekommen sind, wäre es geradezu unverantwortlich gewesen, wenn das zuständige Ministerium den Ausschuß des Bundesrates nicht auf diese neuen Unterlagen aufmerksam gemacht hätte.
({3})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Professor, wir wollen doch nicht so tun, als hätten wir in der Zeit der Bearbeitung dieser Unterlagen und der Vorlagen in einer Zeit gelebt, in der alles andere stillstand!
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, bitte!
Herr Bundesarbeitsminister, ist Ihnen bekannt, daß es sich dabei - -({0})
Herr Bundesarbeitsminister, ist Ihnen bekannt, daß es sich bei den „statistischen Unterlagen" nicht um Berechnungen gehandelt hat, die auf die Zukunft abgestellt sind, sondern um Feststellungen für die Vergangenheit, und zwar für die Vergangenheit seit 1891? Man sollte annehmen, daß das Statistische Bundesamt bei rechtzeitiger Befragung die Zahlenunterlagen für die zurückliegenden Jahrzehnte bereits vor der Erarbeitung des Regierungsentwurfs oder bei seiner Vorlage hätte erstellen können. Ist nicht der von mir erhobene Vorwurf, daß Sie das Statistische Bundesamt frühzeitiger hätten befragen müssen, gerechtfertigt?
Herr Professor, Sie wissen ganz genau, daß in der ganzen Zeit, in der der Beirat in meinem Ministerium die Vorarbeit für die Erstellung dieses Gesetzentwurfs geleistet hat, dauernd die Unterlagen vom Statistischen Bundesamt nicht nur angefordert, sondern auch geliefert worden sind. Ich weiß nicht, ob Ihnen jetzt in der Ausdrucksform ein Fehler unterlaufen ist oder ob ich Sie nicht richtig verstanden habe: Das Statistische Bundesamt kann natürlich Unterlagen für die Zukunft nicht liefern. Es kann sich nur auf das festlegen, was an Tatbeständen aus der Vergangenheit vorliegt.
({0})
- Ich weiß nicht, ob es bei Ihnen Möglichkeiten gibt, statistisch das festzulegen, was im nächsten Jahr erfolgt.
({1})
Ich habe extra gesagt, Herr Professor: Vielleicht haben Sie sich nicht klar genug ausgedrückt und haben etwas anderes gemeint; aber gesagt haben Sie es.
({2})
({3})
Gerade all die im Beirat erarbeiteten Unterlagen haben ja auch Ihnen von der Opposition zur Verfügung gestanden.
({4})
- Herr Professor, Sie wollen mir doch nicht im Ernst sagen, daß Ihre engeren politischen und persönlichen Freunde, die in diesem Beirat gesessen haben, sich nicht über diese Dinge mit Ihnen unterhalten haben!
({5})
Und wenn sie das getan haben, so habe ich gar nichts dagegen einzuwenden.
({6})
- Warum ist das unerhört?
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- Sie haben in diesem Beirat Ihre persönlichen und politischen Freunde gehabt, und es ist ganz klar, daß jeder, der in einem derartigen Beirat sitzt, sich auch einmal mit Leuten seines persönlichen Vertrauens über die Dinge unterhält, die dort behandelt werden.
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Die Vertraulichkeit der Verhandlungen, Herr Professor Schellenberg, beruhte doch letzten Endes darauf, daß wir zu keiner öffentlichen Auseinandersetzung zwischen den Beiratsmitgliedern kommen wollten.
Als nachher das Sozialkabinett gebildet wurde, haben wir nach jeder Beschlußfassung die Beschlüsse dieses Sozialkabinetts veröffentlicht, weil der Herr Bundeskanzler der Meinung war, daß es gut sei, eine derartig wichtige Angelegenheit-nun, nachdem sie in ein gewisses Schlußstadium gekommen war - auch in der Öffentlichkeit zu ver- und behandeln. Das haben wir doch getan und haben überhaupt nicht den Versuch gemacht, irgend etwas an Unterlagen und an Beschlüssen zurückzuhalten. Je mehr ehrlich wollende Leute sich an der Gestaltung dieser Gesetzesvorlage beteiligten, je mehr Freude hatten wir daran. Das soll man doch heute nicht auf den Kopf stellen, und man soll nicht sagen, diese Unterlagen seien geheimgehalten worden oder überhaupt nicht vorhanden gewesen.
Deshalb bitte ich Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich wieder auf den Boden der gegebenen Tatsachen zu stellen und das Gesetz weiter zu behandeln und hier nicht etwas hineinzutragen, was einfach nicht hineingehört. Die Mitglieder Ihrer Partei, soweit sie Arbeitnehmer sind, und die Mitglieder unserer Partei und der anderen Parteien, soweit sie Arbeitnehmer sind, sind nicht daran interessiert, daß man künstlich ein Strohfeuer der Diskussion erzeugt, sondern daran, daß ein Gesetz verabschiedet wird, das diesen Leuten einen Blick in eine bessere Zukunft gestattet.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Für und Wider dieses § 1260 ist bereits so eingehend erörtert worden, daß mir nur noch übrigbleibt, die Entscheidung meiner politischen Freunde von der Freien Volkspartei zu dieser Frage kurz zu begründen.
Unsere Kritik an den unzulänglichen Rechnungsgrundlagen des Gesetzes, unsere Kritik daran, daß wir mit diesem Gesetz die bisher sorgfältig gehüteten Sicherheitsbegriffe der Vergangenheit mit einer Experimentierfreudigkeit vertauschen, die gerade auf sozialpolitischem Gebiet am wenigsten angebracht ist, habe ich gestern eingehend und, wie ich glaube, mit genügendem Nachdruck zum Ausdruck gebracht. Die in der Ausschußfassung vorgesehene lohnbezogene Rente ist ein unter vielen Schmerzen geborenes Kind. Wir alle haben hinzugelernt. Vor allem aber haben wir dieses gelernt: es gibt keinen brauchbaren Index für die Messung der Entwicklung der Produktivität. Es gibt überhaupt keinen Index für die Feststellung der Entwicklung der Wirtschaft, der sich für die Zwecke dieses Gesetzes irgendwie eignen würde. Es gibt nur die Alternative: entweder man bemißt die Rente nominell, zahlengerecht nach den gezahlten Beiträgen - diese Regelung ist politisch und sozial in unserer Zeit aus vielen Gründen nicht mehr vertretbar -, oder man schafft, so wie es hier geschehen ist, eine auf die Lohnentwicklung bezogene Rente, baut Bremsen ein und unterwirft die Anpassungsvorgänge Kontrollen, die dafür sorgen, daß die Giftzähne - wie hier schon gesagt wurde - gezogen werden.
({0})
Die Giftzähne der Lohnindexrente bestanden - das sei hier mit aller gebotenen Deutlichkeit gesagt - in der Befürchtung, eine solche Regelung werde in Zukunft zum hochwillkommenen Handwerkszeug der Strategen der expansiven Lohnpolitik werden.
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Herr Kollege, ich bitte, in freier Rede zu sprechen.
Ob die Bremse der dreijährigen Verzögerung in der Anpassung der allgemeinen Bemessungsgrundlage und die für diese Anpassung vorgesehenen Einschränkungen ausreichen, ob und wie diese Vorgänge in Zukunft funktionieren, das gehört zu all den vielen Fragen, die uns dieses Gesetz auferlegt. Das ganze Gesetz ist nun einmal eine Gleichung mit vielen, wahrscheinlich mit allzu vielen Unbekannten.
Die vorgeschlagene Lösung der kontrollierten Lohnbezogenheit der Rente scheint uns von allen diskutierten Möglichkeiten die brauchbarste zu sein. Wir stimmen ihr und damit dem § 1261 und den folgenden Paragraphen zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch kurz mit den Ausführungen auseinanderzusetzen, die der Herr Kollege Stingl vorhin gemacht hat. Herr
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Stingl, ich habe vermißt, daß Sie im Grundsätzlichen auf das eingegangen sind, was ich an Bedenken heute morgen gegen die Ausschußfassung des § 1260, überhaupt gegen die Regierungsvorlage zu § 1260 geäußert habe. Sie sind um die entscheidenden Punkte - nehmen Sie es mir nicht übel - herumgegangen.
Aber jetzt etwas anderes! Sie haben, glaube ich, doch nicht ganz verstanden, wie wir unsere unterschiedliche Formel in § 1260 aufgebaut haben. Sie sind davon ausgegangen, daß es mit dem Jahr 1956 sein Bewenden habe und daß dann nichts mehr verändert werde. Herr Stingl, Sie haben dann unseren Änderungsantrag und unsere Formel nicht genau gelesen. Wir haben auf das Arbeitsentgelt abgehoben, und dieses Arbeitsentgelt macht alle Bewegungen mit, die etwa 1957 und später einsetzen sollten.
Da das Arbeitsentgelt die Bemessungsgrundlage ist, wird damit auch der Durchschnitt, der für die Rente maßgebend ist, mit verändert, nach oben hin. Es ist eben nicht so, daß es nur bei dem Stand von 1956 sein Bewenden hat, sondern daß etwa auch im Jahre 1962 - je nachdem, wie bis dahin die Lohnentwicklung fortgeschritten ist - entsprechend der Durchschnitt des Arbeitsentgelts berücksichtigt ist und, mit den Multiplikatoren vervielfältigt, die entsprechend höhere Rente ergibt.
Ich habe schon einmal ausgeführt, daß Sie, wenn Sie sich die Mühe machen - ich weiß nicht, ob Sie es getan haben -, nach der von uns entwickelten Formel nachzurechnen, dann merkwürdigerweise oder glücklicherweise, wie Sie wollen, zu den gleichen Ergebnissen kommen, die nach der Regierungsformel ermittelt werden, mit nur ganz geringfügigen Abweichungen nach oben oder nach unten. Mit unserer Formel ist im übrigen jedem Experiment und jeder Währungsgefährdung ausgewichen. Man kann sich an etwas halten, was tatsächlich fest und praktikabel ist.
Ich glaube also, daß - um auf Ihren Ausspruch von Maß und Mitte zu kommen - eher die von der FDP entwickelte Formel die richtige ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Bemerkungen zu dem zentralen Problem, das in diesem § 1260 liegt, wobei ich den Absatz 2 dieses Paragraphen und den dazugehörigen § 1261 a, § 1383 meine. Allerdings muß dabei auch die Paragraphengruppe von 1276 bis 1279 gesehen werden.
Die deutsche Sozialversicherung ist dabei, einen entscheidenden Schritt in der Umkonstruierung zu vollziehen, nämlich von dem reinen Kapitaldekkungsprinzip, wie es ihre Anfänge gekennzeichnet hat, zu dem Umlageverfahren mit Abschnittsdekkung.
({0})
- Bitte, einen Moment! - Dabei ist nunmehr der Grundsatz, die Anpassung der Renten an die wirtschaftliche Entwicklung in irgendeiner Weise zu ermöglichen, in den Vordergrund gestellt worden.
Die Frage, die sich daraus stellt, ist zunächst doch die nach der Berechnungsgröße, die für etwaige Anpassungen zugrunde gelegt werden soll, und zum zweiten nach dem Verfahren, das bei solchen Anpassungen anzuwenden ist, und schließlich auch, welche Revisionsmöglichkeiten für den Fall einzubauen sind, daß eben bei der einen oder anderen Berechnungsgröße Entwicklungen eintreten, die nicht ohne weiteres auf die Rentenversicherung übertragen werden können.
Es ist absolut keine Schande, meine Damen und Herren, wenn darüber diskutiert wird, und zwar nicht nur innerhalb dieses Hauses oder innerhalb der Koalition, sondern auch innerhalb einzelner Parteien. Ich erinnere Sie daran, daß immerhin nahezu anderthalb Jahrzehnte diskutiert und gerungen wurde, bis überhaupt die Invalidenversicherung in den 80er Jahren verabschiedet worden ist, und daß auch in den darauffolgenden zehn Jahren erneut eine Überprüfung und Revision durchgeführt werden mußten. Es ist also sicher keine Schande, sondern spricht im Gegenteil für die Ernsthaftigkeit, mit der dieses Haus dem Anliegen folgt, wenn hier so leidenschaftlich - und ich möchte hoffen, bis zum Schluß sachlich - um dieses Problem gerungen wird.
({1})
Daß in den Reihen der eigenen Fraktion darum gerungen wurde, nehmen wir nicht für uns allein in Anspruch. Es ist sehr genau bekannt, wie innerhalb der SPD Träger klangvoller Namen - Herr Minister a. D. Zorn oder Herr Möller - abweichende Meinungen oder Gedankengänge vertreten haben, die wir mit sehr großem Ernst verfolgt haben. Man sollte darum nicht alle Phasen der Diskussion mit polemischen Untermalungen hier versehen!
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Aber zurück zu der Frage nach der Berechnungsgröße. In § 1260 Abs. 2 wird für die Erstfestsetzung als allgemeine Bemessungsgrundlage, d. h. als ausschlaggebende Berechnungsgröße, der Bruttoarbeitsverdienst aller Versicherten zugrunde gelegt, und zwar in einem Zeitraum, der vor dem Versicherungsfall liegt und drei Jahre umfassen muß. Über das sogenannte statistische Jahr hat der Kollege Stingl bereits gesprochen. Ich glaube, Herr Professor Schellenberg, daß es auch im Hinblick auf alle Wechselfälle, die in der Lohnbewegung auftreten können, geboten erscheint, nicht auf das dem Versicherungsfall vorausgehende Jahr allein abzustellen, sondern zumindest einen Zeitraum von mehreren Jahren zu nehmen, der es erlaubt, eine Lohnbewegung abschließend zu beurteilen. Wenn man auf Ihre Basis träte, könnte eine Veränderung der Einkommen, wie sie innerhalb eines zurückliegenden Jahres etwa allein durch große Arbeitskämpfe, Ausstände oder aus ähnlichen Gründen eintreten könnte, sich sofort auch negativ auf die Rentenhöhe auswirken, zumindest bei der Erstfestsetzung. Das werden Sie vermutlich auch nicht wollen. Es entspricht der gebotenen Sorgfalt, die die Einführung dieser Bemessungsgröße verlangt, daß der Zeitpunkt genommen wird, an dem eine abschließende Beurteilung möglich ist.
Ich gebe völlig zu, daß es gefährlich ist, eine einzige Bezugsgröße aus den variablen Zahlen, in denen sich die wirtschaftliche Entwicklung ausdrückt, auszuwählen und hier zugrunde zu legen. Insofern habe ich auch von jeher die Bedenken geteilt, daß bei der Erstfestsetzung eine zu starke Bindung der Rentenhöhe an rein nominelle Lohnbewegungen erfolgen könnte. Aber der Einwand, den Sie, Herr Kollege Dr. Jentzsch, bringen, daß
({3})
hier einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, nämlich den Rentnern, eine Art Wertsicherungsklausel gegen nominelle Bewegungen, d. h. gegen Kaufkraftverschlechterungen gegeben werden soll, kann keinesfalls zutreffen. Denn es ist Ihre und auch meine Meinung, daß dieses Instrument, die Bezugsgröße, wie sie jetzt in § 1260 Abs. 2 enthalten ist, überhaupt nur funktioniert, auch im Interesse der Rentner nur funktioniert, wenn sich die Sozialpartner in der Lohnpolitik der Grenzen der Lohnbewegung gegenüber der realen wirtschaftlichen Entwicklung immer bewußt bleiben. Sind sich die Sozialpartner, denen hier eine sehr große Verantwortung übertragen wird, dieser Grenze nicht bewußt, dann funktioniert auch eine andere Bemessungsformel nicht. Oder glauben Sie allen Ernstes, Herr Kollege Dr. Jentzsch, daß Sie, falls wirklich nur nominelle Einkommensbewegungen eintreten, gefolgt oder vorweggenommen von Preisbewegungen - es möge uns nicht beschieden sein -, etwa eine Anpassung der Renten mit der Begründung ablehnen können, es habe aber keine produktive volkswirtschaftliche Entwicklung stattgefunden?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Herr Kollege Dr. Hellwig, glauben Sie wirklich, die Sozialpartner von der Last der Verantwortung dafür befreien zu können, daß auf dieses Rentnerproblem gebührend Rücksicht genommen wird? Glauben Sie nicht, daß die Verbindung der Rentner mit dem Lohnindex logischerweise ihre Auswirkungen auf die Auseinandersetzungen der Sozialpartner haben muß und daß damit schon manches aus dem rein natürlichen, folgerichtigen Ablauf der Dinge präjudiziert wird?
Ich komme gleich darauf zurück, Herr Dr. Jentzsch. Ich darf aber immerhin auch einen Satz aus der Regierungserklärung zitieren, wo der Herr Bundesminister für Arbeit folgenden Gedanken geäußert hat: Diese Bindung der Rente - und zwar bei der Erstfestsetzung - an das Arbeitseinkommen in dem vor dem Rentenfall zurückliegenden Zeitraum funktioniert eben nur so lange, solange nur diejenigen richtig handeln, die für Löhne und Preise verantwortlich sind. Ähnlich ist es auch vom Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums in seinem Gutachten zur Sozialrentenpolitik ausgedrückt worden, was ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten ebenfalls zitieren darf: daß die lohngebundene Indexautomatik dann eben als eine Gefahr zu bezeichnen ist, wenn die Stabilhaltung des Geldwertes nicht gewährleistet wäre.
Aber nun zurück zu meiner Frage: ist es denn nicht irreal, anzunehmen, im Falle einer nominellen Bewegung der Einkommen, d. h. einer Kaufkraftverschlechterung, könnte man um die Anpassung von Renten herumkommen nur mit der Begründung, daß keine reale Einkommensveränderung stattgefunden habe?
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- Damit schmilzt aber doch ein Teil Ihres Arguments zusammen!
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Ich möchte nun auf den anderen Gedanken eingehen, den Herr Dr. Jentzsch in seiner Frage angedeutet hat. Jawohl, die Sozialpartner erhalten hier ein großes Maß von Verantwortung aufgebürdet, und zwar ein Maß von Verantwortung, welches vielleicht sogar eine Gefährdung ihrer bisherigen Eigenverantwortung nach sich ziehen könnte. Wir haben die Hoffnung, daß sie sich dieser Mitverantwortung, die sie nunmehr und in Zukunft für öffentliche Sozialleistungen haben, bewußt werden, wenn sie sich im Lohn- und Arbeitskampf oder in der Verhandlung um die Lohn- und Arbeitsbedingungen befinden.
({2})
- Einen Moment, bitte! In diesem Gesetz steckt auch ein Ansatzpunkt dafür, daß die Sozialpartner an diese Verantwortung immer wieder erinnert werden, und das ist ihre Vertretung in dem Sozialbeirat, der sowohl in die Überprüfung der Unterlagen gemäß § 1260 Abs. 2 wie der Unterlagen gemäß der §§ 1276 bis 1279 - Anpassung laufender Renten - wie auch der versicherungstechnischen Bilanz nach § 1383 eingeschaltet ist. In diesem Sozialbeirat sollen nach den bisherigen Beschlüssen des Ausschusses sitzen: drei Vertreter der Arbeitgeber, drei Vertreter der Arbeitnehmer, drei Wirtschafts- und Sozialwissenschafter und ein Vertreter der Bank deutscher Länder. Wir haben die Hoffnung, daß in diesem Beirat auch wirklich die lohnpolitische Verantwortung für die Stabilität der Kaufkraft der Gesamtheit bewiesen wird. Das ist auch der Grund, weswegen gerade meine Freunde für den Ausbau dieser Bestimmung besonders eingetreten sind.
Nicht nur im Hinblick auf die Berechnungsgröße, sondern auch im Hinblick auf das Verfahren für die Anpassung der laufenden Renten reicht nach meiner Meinung und der Meinung vieler Freunde
- ich erkenne dankbar an, daß sich dieser Auffassung weite Teile des Hauses angeschlossen haben
- eine einzige Bezugsgröße nicht aus. In den wirtschaftlichen Wechsellagen könnte der Fall eintreten, daß eine einzige Bezugsgröße zu Fehlkonstruktionen und Fehlschlüssen führt, falls man nicht die Gesamtheit der Bezugsgrößen, die Entwicklung der volkswirtschaftlichen Einkommensströme und ihre Aufteilung berücksichtigt. Um nur einige Dinge zu nennen: die Entwicklung des nominellen Volkseinkommens, die Entwicklung des realen Volkseinkommens, die Entwicklung der Kaufkraft, die Entwicklung der Finanzlage der Sozialversicherung und nicht zuletzt das allgemeine konjunkturelle Bild der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sie werden gestatten, daß ich diesen Zusammenhang nochmals herausstelle, auch wenn wir hier nur bei § 1260 sind. Bei den §§ 1276 ff. und bei § 1383 muß allen diesen Faktoren Rechnung getragen werden. Das heißt, eine indexgebundene Automatik, die sich außerhalb des Parlaments oder auch nur außerhalb des Sozialbeirats vollziehen würde, ist nicht möglich.
({3})
Ich bin völlig der Meinung, daß wir Scharlatane wären, genau wie ein Arzt, der nur mit dem Fieberthermometer eine Diagnose stellen würde, wenn wir nur eine Indexreihe aus der volkswirtschaftlichen Entwicklung zur Grundlage irgendeiner automatischen Veränderung außerhalb des Einflusses des Gesetzgebers machten. Daher begrüße ich es, daß in dem Ausschuß auch die Ein({4})
schaltung des Parlaments an beiden Stellen wieder möglich gemacht worden ist.
Über weitere Fragen wird bei den eben genannten Paragraphen noch einiges zu sagen sein. Aber glauben Sie mir, es ist sicher eine mutige Entscheidung, wenn wir zunächst bis zur Vorlage der ersten versicherungstechnischen Bilanz nach § 1383 der Bemessungsgrundlage in § 1260 Abs. 2 zustimmen. Ich habe auf die Gefahren aufmerksam gemacht, und ich kann hier nur den Wunsch wiederholen, daß man sich auch bei der Entscheidung über einige spätere Paragraphen nicht auf die Aussagekraft nur einer statistischen Größe verläßt, sondern daß man immer den Gesamtstrom der Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft vor Augen hat.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz wenige Bemerkungen; denn wir werden über volkswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Fragen noch bei § 1276, der Anpassung der laufenden Renten, und über finanzwirtschaftliche Fragen bei der Finanzierung zu sprechen haben. Dazu haben mein Kollege Preller und ich noch einiges auszuführen. Wir werden dann auf Ihre Argumente eingehen, Herr Kollege Dr. Hellwig.
Aber eines möchte ich doch sagen, weil es hiermit zusammenhängt. Es ist unsere gemeinsame Auffassung, daß die Rentner vor Schwankungen in der wirtschaftlichen Entwicklung und vor Lohnschwankungen möglichst bewahrt werden sollen. Darüber kann man sich einigen. Aber es kommt bei der Frage, die hier zur Entscheidung steht - drei Jahre zurück oder nicht -, auf das Gewicht der Schwankungen - wir sagen: der Steigungen - an, die sich in den letzten drei Jahren vollzogen haben. Sie machen 20 % des Lohn- und Gehaltsniveaus aus. Wenn man Ihre Methode wählt, dann entscheidet man sich gleichzeitig dafür, daß die Renten, gemessen am gegenwärtigen Lohnstand, 20 °/o niedriger sein sollen als bei einer Anpassung für die Gegenwart. Das ist die politische Entscheidung, die wir hier zu treffen haben, und deshalb sind wir mit Ihnen über § 1260 nicht der gleichen Ansicht.
Herr Kollege Dr. Hellwig, Sie sprachen von Schwankungen. Sie selbst werden doch nicht, auch nur in einer stillen Stunde, denken, daß der Lohnstand irgendwann um 20 % reduziert werden könnte. Deshalb ist Ihr Argument bezüglich möglicher Schwankungen kein gutes Argument.
Sie haben weiter davon gesprochen, daß es notwendig und richtig sei, innerhalb der Fraktionen und der Parteien die abweichenden Ansichten zu klären. Wir Sozialdemokraten haben das vor Einbringung unserer Gesetzesvorlage getan, die CDU hat es erst nach Einbringung der Regierungsvorlage gemacht, machen müssen!
({0})
- Haben Sie auch dringend nötig für die weitere Gestaltung der Rentenreform!
({1})
Aber, meine Damen und Herren, warum hat die
CDU erst nach Einbringung der Regierungsvorlage
in einer so wichtigen Frage eine Klärung herbeiführen müssen? Weil der Regierungsentwurf unter dem Druck des vorhergehenden sozialdemokratische Entwurfs überhastet fertiggestellt und eingebracht werden mußte.
({2})
Das sind die Tatsachen; die können Sie nicht aus der Welt schaffen!
Nun noch eine kurze Bemerkung zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister gesagt hat. Der Herr Bundesarbeitsminister hat erklärt, die Sozialdemokraten hätten sich die Beiratsunterlagen über ihre Mitglieder im Beirat beschaffen können oder beschafft. Der Beirat war zur Geheimhaltung verpflichtet, und der Herr Bundesarbeitsminister will wohl nicht darauf spekulieren, daß wir sozialdemokratische Mitglieder des Beirates zur Übergabe von Unterlagen unter Bruch der Geheimhaltungspflicht auffordern!
({3})
Das wurde doch damit gesagt.
Der Tatbestand ist der, daß die Sozialdemokraten gezwungen waren, im Sozialpolitischen Ausschuß den Antrag einzubringen, die Bundesregierung möge die Unterlagen zur Rentenreform, die dem Beirat zur Neuordnung der sozialen Leistungen vom Bundesarbeitsminister - ({4})
- Hierzu spreche ich, Herr Kollege Weber! Das ist eine entscheidende Frage! Ich würde Sie dringend bitten: Beschäftigen Sie sich etwas eingehender mit § 1260, bevor wir zur Abstimmung kommen!
({5})
Wir haben hierzu Unterlagen erbeten, die das Ministerium dem Beirat unterbreitet hat. Wir wollten noch nicht einmal die internen Protokolle des Beirats, wir wollten nur dieselben Unterlagen, die die Sachverständigen erhalten haben. Das war und ist eine berechtigte Forderung des Parlaments.
Unser Antrag, diese Unterlagen dann auch dem ganzen Haus zur Verfügung zu stellen, wurde abgelehnt,
({6})
und zwar mit dem durchsichtigen Argument, dann müßten ganze Möbelwagen für den einzelnen Abgeordneten ins Haus gebracht werden. Das war ein schlechtes Argument.
({7})
- Herr Kollege Ruf, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, bin ich gern bereit, wieder mit Ihnen in einen Gedankenaustausch einzutreten. Aber ich habe Ihre Zwischenfrage nicht verstanden und kann deshalb nicht darauf eingehen.
Aber, meine Damen und Herren, was hat sich denn abgespielt, Peinliches abgespielt? Der Ausschuß hat auf unseren Antrag beschlossen: Die Unterlagen des Beirates sind dem Ausschuß zur Verfügung zu stellen. Das Bundesarbeitsministerium hat uns -- ich habe die Unterlagen hier - am 20. September überreicht: Ergebnisse der Arbeitstagung des Beirates für die Neuordnung der sozialen Leistungen vom 2. bis 4. Juni 1955 in Königswinter, die wir bereits in der Presse und in
({8})
der Fachpresse wörtlich gelesen hatten. Das war das Material, das auf Anforderung vorgelegt wurde.
({9})
- Aber, meine Damen und Herren, es war doch eine Beleidigung des Ausschusses, uns, wenn wir Unterlagen anfordern, mit solchen Sachen zu kommen, die wir schon seit Jahren kennen, die jeder kennen muß, der im Ausschuß mitarbeitet. Meine Damen und Herren, Sie selbst, die Mitglieder der CDU, waren von diesem Vorgehen peinlich berührt. Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben damit wirklich dem Ausschuß und dem Ansehen des Parlaments keinen guten Dienst erweisen lassen. Ihre eigenen Referenten haben, als ich sie daraufhin gestellt habe, nichts anderes als ein Lächeln gehabt. Das möchte ich Ihnen sagen.
({10})
Noch ein Letztes. Der Herr Bundesarbeitsminister hat gesagt, man solle hier doch kein Strohfeuer entfachen; denn der Rentner sei an einem solchen Streit nicht interessiert.
({11})
Aber, meine Damen und Herren, die Auseinandersetzung geht bei § 1260 um die Höhe der Renten, und daran sind nicht nur die Rentner, daran sind alle Arbeiter und Angestellten aufs höchste interessiert;
({12})
denn da geht es um die Sicherung ihres Lebensabends.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige wenige Punkte, die Herr Professor Schellenberg vorgebracht hat, eingehen.
Zunächst einmal zu den Unterlagen, die er vom Beirat beim Bundesarbeitsministerium - der auf Grund unser es Beschlusses gebildet worden ist
- verlangt hat. Ich darf hierzu bemerken: der Bundesarbeitsminister war gar nicht berechtigt, die Protokolle und die Unterlagen, die der Beirat zur Verfügung hatte, hierherzuliefern. Es war doch noch nie der Fall, daß das Plenum solche Unterlagen eines Fachausschusses, eines Fachbeirates im Detail bekommen hat. Und was hätten Sie mit diesem Berg von Papier, mit diesem Berg von Gutachten angefangen?
({0})
Was die Vertraulichkeit der Verhandlungen des Beirats angeht, so haben unsere Erfahrungen, die wir während der Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß gemacht haben, bestätigt, daß es durchaus richtig war und der Bundesarbeitsminister gut beraten war, als er seinerzeit bestimmt hat, die Beratungen in diesem seinem Beirat müßten vertraulich behandelt werden. Denn es sollten zunächst einmal vorläufige Meinungen gebildet und auch geäußert werden können. Jedes Mitglied dieses Beirats sollte die Möglichkeit haben, sich zu äußern, ohne deswegen in aller Öffentlichkeit ein für allemal festgelegt zu werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ruf ({0}): Gern! Ich werde doch dem Herrn Schellenberg keine Frage verweigern.
Herr Kollege Ruf, geht es nicht darum, daß die Sozialdemokraten nicht etwa Protokolle des Beirates gefordert haben, um die Meinungsäußerungen der einzelnen Beiratsmitglieder kennenzulernen, sondern daß wir forderten, die gleichen Unterlagen, die die Mitglieder jener Sachverständigenkommission vom Ministerium erhalten haben, sollten auch diejenigen erhalten, die das Gesetz zu machen haben!? Das war unser Anliegen, und das hat das Bundesarbeitsministerium mit den Veröffentlichungen, die wir aus der Tagespresse schon kannten, beantwortet. Ich bitte Sie, darauf einzugehen.
({0})
Herr Kollege Schellenberg, das ist aber keine Frage mehr.
({0})
Ich will auf diesen Diskussionsbeitrag trotzdem eingehen. Herr Professor Schellenberg brauchte nämlich die Protokolle dieses Beirats gar nicht anzufordern; er hatte sie ja schon längst gelesen; davon bin ich fest überzeugt.
({0})
- Selbstverständlich! Er war genauso wie ich dahinterher, daß er von diesen Dingen frühzeitig Kenntnis bekam und sie frühzeitig studieren konnte. Das hat doch jeder Sozialpolitiker hier im Hause gemacht.
Aber zur Sache, Herr Professor Schellenberg. Diese Unterlagen die seinerzeit dem Beirat vorgelegen haben, brauchten wir gar nicht mehr. Wir wollten die neuesten Unterlagen haben, Unterlagen nach dem jeweils neuesten Stand. Darauf kam es uns doch an. Was wir für unsere Beschlüsse über die Finanzierung etc. an Unterlagen benötigt haben, haben wir bekommen.
({1})
- Die haben wir bekommen - wir werden darauf bei den Fragen der Finanzierung noch zu sprechen kommen -; das werde ich Ihnen beweisen. Ich werde Ihnen einen Stoß von diesen Unterlagen mitbringen, und dann sagen Sie mir, was Ihnen gefehlt hat, was Sie nicht gehabt haben, ob Sie z. B. nicht die Zahlen über die Entwicklung des Vermögensstandes bei den Rentenversicherungsträgern gehabt haben, ob Sie nicht die Unterlagen über die Schätzung der künftigen Rentnerzahlen etc. gehabt haben. Bitte, sagen Sie dann, was Sie nicht gehabt haben, was Ihnen gefehlt hat, was Ihnen das Bundesarbeitsministerium an Unterlagen im einzelnen verweigert hat.
Noch eines, meine Damen und Herren, liegt mir sehr am Herzen, nämlich einer Legendenbildung entgegenzuwirken. Die SPD, voran unser lieber Kollege Schellenberg, behauptet immer wieder, es sei lediglich dem Drängen der SPD zu verdanken, daß der Regierungsentwurf in dieser Form zustande gekommen sei.
({2})
({3})
1 Darf ich gegenüber einem solchen Märchen einmal einige Tatsachen feststellen.
Bitte, verfolgen Sie die Beratungen im Beirat!
({4})
Ich habe bereits gestern abend erklärt: diese Beratungen sind sehr lange fruchtlos und steril gewesen. Man verhandelte über alle möglichen Details, über Nebenfragen, über Selbstversicherung, über Weiterversicherung, über den Invaliditätsbegriff. Insbesondere hat man sich monatelang darüber unterhalten, wie man in der Sozialversicherung Versicherung, Versorgung und Fürsorge wieder voneinander trennen kann. Aber das neue, das revolutionäre Element, von dem Kollege Stingl sprach, kam erst auf Grund einer Initiative des Herrn Bundeskanzlers in die Diskussion des Beirats. Der Herr Bundeskanzler hat seinerzeit - und das wollen wir doch ein für allemal festhalten - die vier Professoren, den Herrn Dr. Schreiber berufen und sie gebeten: Bitte, bringen Sie doch mal die Dinge voran. Und der Herr Bundeskanzler hat sich von ihnen ein Referat erstatten lassen. Auf Grund dessen sind die Sachen gereift und vorangekommen; das wollen wir doch nicht übersehen.
({5})
Im übrigen, meine Damen und Herren, war erst von diesem Augenblick an, als die Beratungen im Beirat und im Sozialkabinett so weit gediehen waren - es war vor ungefähr einem Jahr -, die SPD in der Lage, ihren Gesetzentwurf zu erarbeiten.
({6})
Bitte, meine Damen und Herren, denken Sie doch daran: Wie oft ist der Kollege Schellenberg an einem dieser Mikrophone gestanden, und wie oft hat er den Herrn Bundesarbeitsminister nach seiner Rentenformel gefragt?
({7})
Er hätte nicht danach gefragt, wenn er selber schon zu dem damaligen Zeitpunkt eine Rentenformel gehabt hätte.
({8})
- Er wäre schön dumm gewesen, wenn er Ihnen seinerzeit die Rentenformel im einzelnen dargelegt hätte.
({9})
Nun, meine Damen und Herren, noch ein letztes Wort zu den Gutachten.
({10})
- Ja, Herr Kollege Schoettle, ich muß leider auch mal nach der anderen Seite sprechen, damit ich nicht einseitig werde.
Der Herr Kollege Jentzsch hat bei der Beurteilung der versicherungsmathematischen Diskussion gesagt, die wichtigeren Argumente seien wohl nicht auf der Seite des Bundesarbeitsministeriums, sondern auf der Seite des Herrn Dr. Heubeck und seiner Kollegen gelegen. Meine Damen und Herren, ich habe seit Monaten sehr viele Gutachten und sehr viele Denkschriften gelesen. Manche Kollegen haben mir sogar gesagt: Herr Kollege Ruf, Sie lesen viel zuviel, lesen Sie ein bißchen weniger, das tut Ihrer Gesundheit viel besser. Wir haben Tag und Nacht über diese Dinge nachgedacht, und es wäre mir nicht wohl gewesen, wenn ich ein Gutachten nicht gelesen hätte. Aber ich will Ihnen eines sagen - und so ist es wohl jedem gegangen -: jede naive Gläubigkeit an die sogenannte Objektivität der Wissenschaft ist mir bei der Lektüre all dieser Gutachten doch verlorengegangen.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere die Ausführungen des Herrn Kollegen Ruf außerordentlich. Herr Kollege Ruf, mir liegt das Wortspiel nahe: Sie hatten einen Ruf zu verlieren!
({0})
Was haben Sie und was hat der Bundesarbeitsminister dem Beirat eigentlich zugemutet? Sie haben beide deutlich gesagt, die Beiratsmitglieder hätten doch die Möglichkeit gehabt, ihre Geheimhaltungspflicht zu durchbrechen. Darauf hat sich der Herr Bundesarbeitsminister und darauf haben Sie sich, Herr Ruf, verlassen. Merken Sie nicht, welche Unehrlichkeit damit den Beiratsmitgliedern zugemutet wird? Merken Sie nicht, daß die Geheimhaltungspflicht auf diese Weise von Ihnen selber zur Farce gemacht wird?
Das ist das eine, was ich Ihnen in allem Ernst sagen möchte. Es ist zwar ein Beiratsmitglied im Hause: Frau Kollegin Kalinke. Sie hat sich aber nicht vor den Beirat gestellt; deswegen müssen wir es tun.
({1})
Zum andern möchte ich die weitere Legende, die Sie, Herr Ruf, hier in die Welt zu setzen versuchten, zerstören. Die Lohnwertrente, das, was dann später - später! - Herr Dr. Schreiber „Dynamisierung" genannt hat, ist bereits im Sozialplan der SPD von 1952 enthalten. Aber sie ist auch in den internationalen Gesprächen und in den Beschlüssen des Genfer Arbeitsamts enthalten. Sie können kier keine Legende bilden, daß erst Herr Dr. Schreiber die Dynamisierung der Rente erfunden habe.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zu der letzten Berner-kung von Herrn Professor Preller! Ich habe natürlich auch diese Dinge noch einmal geprüft, und ich habe einen Aufsatz von Herrn Professor Preller aus dem Jahre 1953 zum Sozialplan der SPD gelesen, in dem er in der Tat die Lohnwertrente fordert. Ich habe mir aber dann die Unterlagen zum Sozialplan angesehen und habe festgestellt, daß man da noch nicht herausgefunden hat, w i e man nun die Lohnwertrente verwirklicht. Denn damals gab es auch im Sozialplan der SPD noch eine Basisrente mit einer Zusatzrente, also noch einen
({0})
Grundbetrag mit den Steigerungsbeträgen usw. Sie haben den Grundgedanken der dynamischen Rente des Herrn Dr. Schreiber seinerzeit noch nicht erfaßt. Das kam allerdings alles erst viel, viel später in die Diskussion hinein; das läßt sich nicht leugnen.
Bitte lesen Sie einmal in der Schrift von Herrn Dr. Auerbach, den wir alle miteinander sehr gut kennen und den wir als Fachmann der SPD auf diesem Gebiet sehr schätzen. Er hat noch in seiner Schrift „Mut zur sozialen Sicherheit", die erst im vorigen Jahr erschienen ist, erklärt, daß es einen konkreten, rasch auf einmal zu verwirklichenden Sozialplan heute noch nicht gibt. Auch er hat in seinem Modell für eine Rentenreform nicht die Lohnwertrente, wie wir sie jetzt hier verwirklichen, vorgesehen, sondern er ist damals, also vor über einem Jahr, noch von einer Basisrente mit einer Zusatzrente ausgegangen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
({0})
- Mir liegt nichts vor. Nach der Geschäftsordnung müssen die Wortmeldungen schriftlich abgegeben werden. Ich sehe oft davon ab, aber ich kann nicht gleichzeitig überall hinsehen. - Bitte!
Herr Präsident, ich bedauere, daß Sie es nicht gesehen haben. Ich hatte mich vor den Ausführungen des Herrn Ruf gemeldet.
({0})
- Wir müssen Zeit haben, Herr Zwischenrufer, um so wichtige Fragen zu beantworten.
Es hätte nicht der Aufforderung des Herrn Professor Preller bedurft, mich in der Frage, die jetzt angeschnitten wurde, nämlich meiner Mitarbeit im Beirat und der Forderung nach den Materialien des Beirats, der Diskussion zu stellen, da ich das einzige Mitglied dieses Hauses bin, das dem Beirat beim Bundesminister für Arbeit angehört hat. Ich habe das bisher nie betont. Auch habe ich zu diesen Fragen wegen der Geheimhaltungspflicht, die der Beirat sich selbst auferlegt hat, nicht Stellung genommen; denn es ist bei so ernsten Problemen selbstverständlich niemals möglich, eine Meinung zu bilden, wenn die Aussprache nicht im internen Kreis erfolgt, wo jeder seine Gedanken sagt, wo man auch besser als hier im Parlament einander überzeugt, voneinander lernt und miteinander um die Lösung ringt. Das war der Stil im Beirat. Deshalb ist es gut, daß die Debatten des Beirates nicht veröffentlicht worden sind. Es ist aber nicht richtig, Herr Kollege Ruf -und es tut mir leid, daß ich Sie hier berichtigen muß -, daß im Ausschuß verlangt worden ist, den Text der Protokolle und dieser Debatten aus dem 'Beirat zur Verfügung zu stellen. Es ist tatsächlich im Ausschuß nur verlangt worden - das haben die Herren Kollegen Preller und Schellenberg richtig dargestellt -, daß das gleiche Material, das den Beiratsmitgliedern zur Verfügung stand, auch dem Ausschuß zur Verfügung gestellt wird.
Es ist hier gesagt worden, ich hätte mich nicht genügend vor den Beirat gestellt. Herr Professor Preller, das ist nicht mein Auftrag. Es ist auch nicht mein Auftrag, 'als Mitglied des Beirates hier etwa darzulegen, wie ernsthaft, wie gründlich im Beirat so große Probleme wie der Invaliditätsbegriff, die Finanzierung, die Grundsatzfragen der Versicherungspflicht - um nur einige zu nennen - beraten worden sind von den besten Kennern der Rentenversicherung, der Sozialgerichtsbarkeit und nicht zuletzt auch von Vertretern der Wissenschaft. Das hätte eigentlich der Minister als Vorsitzender des Beirats tun müssen! Ich glaube, Sie haben der Sache einen unguten Dienst geleistet, Herr Kollege Ruf, und ich bedaure Ihre Kritik, auch die Form, in der Sie von der „naiven Gläubigkeit an die Wissenschaft" gesprochen haben.
({1})
Eine Sozialreform wie jede große Entscheidung in die Zukunft wird immer nur dann gut vorbereitet sein, wenn Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten. Die Erfahrungen der Verwaltung wie der Sozialgerichtsbarkeit erscheinen mir für die Reform genauso dringend nötig wie die Überlegungen der Wissenschaft und der Theoretiker vom grünen Tisch. Man braucht beides.
({2})
Was Sie meinen, sind natürlich Gutachten, die auf Bestellung gemacht werden. Aber die hat es seit jeher gegeben, nicht nur in der Wissenschaft; solche Meinungsäußerungen auf Bestellung gibt es in allen möglichen Gremien, das wissen Sie, Herr Kollege Ruf, so gut wie ich.
Es ist von Ihnen hier gesagt worden: „Die Beratungen im Beirat sind steril verlaufen." Dagegen muß ich mich allerdings im Namen der Menschen,
({3})
die ehrenamtlich so viel Zeit, so viel Mühe aufgewendet, so viel innere Anteilnahme gezeigt, so viel Erfahrungen dem Beirat als Beratungsorgan und damit dem Herrn Minister zur Verfügung gestellt haben, wehren.
Und was die revolutionären Elemente betrifft, so muß ich Ihnen sagen - weil Sie wahrscheinlich nicht ganz informiert sind -, daß diese zumindest durch Meinungsäußerungen von Vertretern solcher revolutionären Ideen im Beirat sehr bekannt waren. Dort waren Vertreter der SPD,
({4})
dort waren Vertreter des DGB, dort sind die Gedankengänge des Internationalen Arbeitsamtes
({5})
in stunden- und tagelangen Sitzungen immer wieder aufgetaucht, und dort war das Gewicht dieser Gedankengänge keineswegs gering, was sich ja schließlich auch darin zeigt, daß Mehrheitsbeschlüsse des Beirates unter dem Einfluß dieser Gewichte in übereinstimmenden Grundkonzeptionen des SPD-Entwurfs und des Regierungsentwurfs verankert sind und wiederzufinden sind.
({6})
Wird noch das Wort gewünscht? - Ich mache darauf aufmerksam, daß nach der Geschäftsordnung die Wortmeldungen eigentlich schriftlich zu erfolgen haben. Wir sind selbstverständlich gern bereit, davon Abstand zu nehmen und auf mündliche Meldungen zu reagieren; nur müssen wir sie beobachten können. Aber in einem Hause, das breiter als tief gebaut ist, ist es unmöglich, gleichzeitig in alle Ecken zu schauen.
({0})
Ich schließe hiermit die Debatte.
Die Fraktionen sind sich, wie mir mitgeteilt worden ist, dahin einig geworden, daß jetzt eine Pause von zwei Stunden eintreten soll. Die Abstimmungen finden also - da die Debatte hierzu geschlossen ist - zu Beginn der Nachmittagssitzung statt. Ich gestatte mir, zugleich noch auf § 57 der Geschäftsordnung aufmerksam zu machen, und unterbreche die Sitzung.
({1})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich war am Schluß der Vormittagssitzung auch noch im Saal; ich bin also orientiert. Die Diskussion über § 1260 war abgeschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung.
Herr Professor Schellenberg zur Abstimmung!
Ich beantrage zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 893*) zu § 1260 und § 30 namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Es ist zu dem Antrag der SPD-Fraktion Umdruck 893 Ziffern 39 und 40, die ja parallel laufen, namentliche Abstimmung beantragt. Ich habe Sie richtig verstanden, Herr Abgeordneter Schellenberg?
({0})
Da das nach meiner Auffassung auch der weitestgehende Antrag ist, kommen wir zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 893 Ziffern 39 und 40. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({1})
Ich bitte die Damen und Herren, die in der namentlichen Abstimmung ihre Stimmkarte noch nicht abgegeben haben, das gleich zu tun. - Die namentliche Abstimmung ist geschlossen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 39 und 40 bekannt. Es haben 447 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt, mit Ja 163, mit Nein 270; enthalten haben sich 14. Von den Berliner Abgeordneten haben 19 abgestimmt, mit Ja 10, mit Nein 9. Damit sind die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 39 und 40 abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Änderungsanträge der FDP auf Umdruck 889***) Ziffern 17 und 18, wobei ich die Damen und Herren zu beachten bitte, daß wir damit gleichzeitig abstimmen müssen über die Änderungsanträge Umdruck 889 Ziffern 87 und 89 - für die linke Seite - und Umdruck 889 Ziffern 88 und 90 - für die rechte Seite -; das sind die Tabellenanlagen, die nach dieser beabsichtigten Neufassung jeweils als Anlage dem Gesetz beige-
*) Siehe Anlage 6.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10381.
***) Siehe Anlage 3.
fügt werden sollen. Wir kommen also zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 889 Ziffern 17 und 18 in Verbindung mit den Änderungsanträgen Umdruck 889 Ziffern 87 und 89 - für links - und Umdruck 889 Ziffern 88 und 90
- für rechts -. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge auf Umdruck 891*). Hier muß ich dem Hause vorschlagen, daß wir die Abstimmungen für die linke und rechte Seite trennen. Für die rechte Seite, also für den § 30 des Gesetzes über die Angestelltenversicherung, ist eine Reihe von Änderungsanträgen isoliert gestellt.
Wir stimmen also zuerst über die Änderungsanträge des Umdrucks 891 ab, die den § 1260 der Arbeiterrentenversicherung betreffen. Ich frage die Antragsteller, ob sie wünschen, daß ich über jeden Antrag einzeln abstimmen lasse?
({3})
- Wir stimmen dann über jeden Antrag einzeln ab.
Zuerst Umdruck 891 Ziffer 20. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 891 Ziffer 20 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? --- Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 21. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 22. Wer diesem Antrag zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 23. Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme numehr zu den Änderungsanträgen auf Umdruck 891, die den § 30 der Angestelltenversicherung betreffen. Wir stimmen zuerst über Umdruck 891 Ziffer 24 ab. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 25. - Wer zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 26. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 27. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Umdruck 891 Ziffer 28. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Schließlich der letzte Antrag auf Umdruck 891 Ziffer 29, in § 30 den Absatz 4 zu streichen. Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu den letzten Änderungsanträgen, nämlich auf Umdruck 895**) Ziffer 13 und
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 7.
({4})
Ziffer 14. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Damit sind wir am Ende der Abstimmung über die Änderungsanträge. - Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Ausschußvorlage beantrage ich absatzweise Abstimmung.
Sie haben den Antrag gehört; ihm wird wohl zugestimmt.
Dann rufe ich jetzt zur Abstimmung in der zweiten Lesung den § 1260 in der Ausschußfassung auf, und zwar zunächst Absatz 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 1260 Abs. 2 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 1260 Abs. 3 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
({0})
- Gut!
Ich rufe nunmehr auf von dem § 1260 - und parallel dazu auf der anderen Seite von dem § 30
- die Absätze 4, 5, 6, 7 und 8 in der Ausschußfassung. Wer ihnen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich frage das Haus noch, ob die Abstimmungen über die Absätze 1 bis 3 des § 1260, wobei ich nur den § 1260 aufgerufen hatte, auch für § 30 auf der anderen Seite Geltung haben sollen.
({1})
- Das ist der Fall.
Dann sind § 1260 und auch § 30 in der Ausschußfassung in zweiter Lesung verabschiedet.
Ich rufe nunmehr § 1261 und § 31 auf, dazu die Änderungsanträge Umdruck 889 Ziffern 19 und 20, Umdruck 893 Ziffern 41 und 42, Umdruck 891 Ziffern 30 und 31.
Ich gebe das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 889*) Ziffern 19 und 20 dem Abgeordneten Dr. Jentzsch.
Herr Präsident, die §§ 1261 und 31 stehen für uns in einem Zusammenhang mit den §§ 1260 bzw. 30. Nachdem unser Antrag zu § 1260 abgelehnt worden ist, ziehen wir unseren Änderungsantrag, der auf Streichung dieser Paragraphen lautet, zurück.
Wer begründet den Antrag Umdruck 893 Ziffern 41 und 42?
({0})
*) Siehe Anlage 3.
- Auf Begründung wird verzichtet. Soll der Antrag Umdruck 891 Ziffern 30 und 31 begründet werden?
({1})
- Wird zurückgezogen? ({2})
- Dann bleibt nur der Antrag Umdruck 893*) Ziffern 41 und 42 übrig. Begründet soll er nicht mehr werden.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffern 41 und 42 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1261 und § 31 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 1261 a und § 32, dazu die Änderungsanträge Umdruck 889 Ziffern 21 und 22, Umdruck 893 Ziffern 43 und 44. Beide Anträge sind gleichlautend; sie verlangen die Streichung des § 1261 a und des § 32. Sollen die Anträge begründet werden?
({3})
- Hier wird auf Begründung verzichtet.
({4})
- Der Antrag Umdruck 889**) Ziffern 21 und 22 wird zurückgezogen.
Ich eröffne die Aussprache über den Antrag Umdruck 893*) Ziffern 43 und 44. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 893 Ziffern 43 und 44 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1261 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 1262 und § 33. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 888 Ziffern 12 und 13 vor. Wer begründet?
({5})
- Ohne Begründung. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Änderungsanträgen zu § 1262 bzw. § 33 auf Umdruck 888***) Ziffern 12 und 13 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ent-
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 2.
({6})
haltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer dem § 1262 und dem § 33 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 1263 und § 34, dazu die Änderungsanträge Umdruck 895 Ziffern 15 bzw. 18, Umdruck 889 Ziffern 23 bzw. 26, Umdruck 893 Ziffern 45 und 49, Umdruck 895 Ziffern 16 und 19, Umdruck 888 Ziffern 14 und 17, Umdruck 895 Ziffern 17 und 20, Umdruck 893 Ziffern 46 und 50, Umdruck 889 Ziffern 24 und 27, Umdruck 899 Ziffern 4 und 5, Umdruck 889 Ziffern 25 und 28, Umdruck 893 Ziffern 47 und 51, Umdruck 888 Ziffern 15 und 18, Umdruck 893 Ziffern 48 und 52, Umdruck 888 Ziffern 16 und 19 und schließlich Umdruck 902 Ziffern 1 und 2. Ich würde empfehlen, wenn es der Materie nach möglich ist - ich kann das im Augenblick nicht überblicken -, daß alle Fraktionen ihre gesamten Änderungsanträge zu diesen Paragraphen in einem begründen; ich werde jeweils fragen.
Wer begründet die Änderungsanträge auf Umdruck *)? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Berg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu unserem Änderungsantrag noch die Ziffern 41 bis 44*), die sinngemäß dazugehören, zu vergleichen. Ich will mich sehr kurz fassen. Die Streichung des Absatzes 1 Nr. 1 und der Ersatz durch die Bestimmungen der Antragsnummern 41 bzw. 42 dienen der Kostenwahrheit. Den Rentenversicherungsträgern sollen die Beiträge nicht verlorengehen, sondern von dem gezahlt werden, der das Risiko übernimmt. Nach unserer Auffassung gehört es zu der Risikoübernahme durch die Krankenversicherung, daß diese Versicherung auch die Beiträge für die Rentenversicherung, die dem Versicherten sonst verlorengehen würden, trägt. Um Mißbräuche zu vermeiden, ist nach Ablauf der Frist des Lohnausfalls eine Zeit von drei Wochen dazwischengeschoben in der Erwartung, daß in dieser Zeit der größte Teil der unrechtmäßig Krankfeiernden ausgefallen ist. Es bleibt auf diese Weise nur ein sehr geringer Bruchteil der Kranken übrig, aber diejenigen, die wirklich durch die Krankheit besonders hart betroffen werden. Für diese übernimmt dann die Krankenversicherung die Beitragszahlung.
Bezüglich unseres Antrages, in Abs. 1 Nr. 2 das Wort „sechs" wieder durch das Wort „dreizehn" zu ersetzen, berufe ich mich auf die Begründung der ursprünglichen Regierungsvorlage, die ebenfalls dreizehn Wochen vorsah. Diese Begründung ist nach unserer Auffassung absolut stichhaltig. Dieser Zustand sollte wiederhergestellt werden. Auch diese Bestimmung dient der Vermeidung von Mißbräuchen. Dies ist ein sozialpolitisches Problem allererster Ordnung.
In gleicher Weise soll die Streichung der Buchstaben b, c und d in Abs. 1 Nr. 2 die Übernahme von Fürsorgelasten auf die Rentenversicherung verhindern.
Meine Damen und Herren, wer begründet den Antrag auf Umdruck
*) Siehe Anlage 7.
889**) Ziffern 23 und 26? - Bitte Herr Dr. Jentzsch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Änderungsantrag unter Ziffer 23 haben wir das Anliegen, auch diejenigen Frauen, die infolge von Schwangerschaft oder Wochenbett über eine Zeit von mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, mit in die Regelung des Abs. 1 Nr. 1 einzubeziehen. Ich glaube, das Anliegen als solches spricht für sich, so daß ich es mir ersparen kann, darauf noch weiter einzugehen.
Unter Ziffer 24 beantragen wir, in § 1263 Abs. 1 Nr. 3 hinter dem Wort „Hochschulausbildung" die Worte einzufügen: „und der sich hieran anschließenden vorgeschriebenen weiteren Vorbereitungs-und Ausbildungszeit". Es handelt sich dabei im wesentlichen um die Rechtsreferendare sowie die Studienreferendare und um einen Teil der ärztlichen Ausbildung. Auch da muß auf diese Zeiten Bedacht genommen werden, die mit dem Begriff „Hochschulausbildung" nicht erschöpfend erfaßt sind.
Wer begründet den Antrag auf Umdruck 888 Ziffer 14 bzw. Ziffer 17?
({0})
- Ja, ich will den Antrag auf Umdruck 902, weil er zuletzt eingegangen ist, auch zuletzt begründen lassen. Sonst kommen wir durcheinander. - Bitte, Herr Abgeordneter Franzen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach unserem Änderungsantrag auf Umdruck 888***) Ziffer 14 sollen in Abs. 1 Nr. 2 des § 1263 nach dem Wort „ist," in der vierten Zeile folgende Worte eingefügt werden: „vom Ablauf der sechsten Woche an". Der Wortlaut dieser Nummer ist dann:
Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine länger als sechs Wochen andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, vom Ablauf der sechsten Woche an, wenn der bei einem deutschen Arbeitsamt . . .
Es 'handelt sich hier um die Anerkennung der Ausfallzeiten. Durch die Einfügung soll vermieden werden, daß bei Versicherten mit kurzfristiger Arbeitslosigkeit die Tendenz auftritt, die Arbeitslosigkeit unter allen Umständen über sechs Wochen hinaus auszudehnen, um damit in den Genuß der Anrechnung dieser sechs Wochen zu kommen. Ich möchte dazu bemerken - das ist, glaube ich, wichtig zu wissen -, daß in jedem Fall jeder angebrochene Monat ohne weiteres als Ausfallzeit auf die Versicherungszeit angerechnet wird. Ich bitte Sie aus diesem Grunde, unserem Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 14 und ,für die Angestelltenversicherung Ziffer 17 Ihre Zustimmung zu geben.
Dagegen bitte ich Sie, den Antrag der FVPFraktion auf Umdruck 895 Ziffer 16, die Karenzzeit, die wir auf sechs Wochen festgelegt haben, auf 13 Wochen auszudehnen, abzulehnen. Ebenfalls bitte ich, den Antrag unter Ziffer 17 abzulehnen, wonach die Buchstaben b, c und d des Abs. 1 Nr. 2 gestrichen werden sollen. Das gleiche gilt analog für die Ziffern 18, 19 und 20, die das Angestelltenversicherungsgesetz betreffen. Der
**) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 2.
({0})
Änderungsantrag Umdruck 893 von der SPD beinhaltet -
Herr Abgeordneter, ich hatte Ihnen das Wort nur zur Begründung gegeben.
Dann muß ich nachher noch etwas dazu sagen.
({0})
Ich mache deshalb darauf aufmerksam: seither sind wir bei der Schwierigkeit der Materie so verfahren, daß erst alle Anträge begründet werden; dann eröffne ich die Aussprache, und dann wird diskutiert.
Ich erteile nunmehr das Wort zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck 893*) Ziffern 45 und 49 dem Abgeordneten Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, in den Ziffern 45 und 49 unseres Umdruckes, in den Nummern 1 und 2 jeweils die Worte „länger als sechs Wochen" durch die Worte „länger als zwei Wochen" zu ersetzen. Das Hohe Haus hat sich heute in den Vormittagsstunden sehr eingehend mit dem § 1260 beschäftigt, der die für den Versicherten maßgebende Bemessungsgrundlage beinhaltet. Nun sind für die Rente des Versicherten nicht nur die Bemessungsgrundlage, sondern auch die Beitragszeiten mit dem dafür zu gewährenden Steigerungsbetrag von Bedeutung. Die Regierungsvorlage geht davon aus, daß z. B. einem Versicherten nach einem 40jährigen Arbeitsleben mit 65 Jahren ein Anspruch auf Ruhegeld gegeben werden soll, das 60 % der für den Versicherten maßgebenden Bemessungsgrundlage betragen soll. Für die Höhe des späteren Ruhegeldes ist es von Bedeutung, daß ein langes Arbeitsleben auch voll mit Beitragszeiten belegt ist. Nach bisherigem Recht wirkten Zeiten der Krankheit und der Arbeitslosigkeit nicht rentensteigernd. Dieser Tatbestand wurde in der Vergangenheit immer sehr kritisiert. Ich darf sagen, daß sich auch dieses Hohe Haus mit dem Problem, daß die Krankfeier- und Arbeitslosigkeitszeiten nicht rentensteigernd berücksichtigt wurden, sehr eingehend beschäftigt hat. Ich erinnere daran, daß in der 76. Sitzung am 24. März 1955 dieser Bundestag auf Grund eines Antrags der SPD, wonach bezüglich der Zeiten der Arbeitslosigkeit eine günstigere Regelung getroffen werden sollte, das Problem behandelt hat. Damals wurde von der Mehrheit des Hauses unser Antrag mit der Begründung abgelehnt, daß diese Fragen der Arbeitslosigkeit und Krankheit in der späteren Sozialreform, sprich Rentenreform, geregelt werden sollen. Herr Kollege Arndgen, Sie haben uns damals sogar vorgehalten, daß unser Antrag nur eine Regelung für die Frage der Zeiten der Arbeitslosigkeit beinhalte. Es kommen dazu aber auch die Zeiten der Krankheit, des Militärdienstes usw. Sie werden sich daran erinnern. Es ist also nichts Neues.
({0})
*) Siehe Anlage 6. - Richtig, meine Damen und Herren; aber der
entscheidende Unterschied zwischen uns und Ihnen
ist, daß Sie auf halbem Wege stehengeblieben sind,
({1})
während wir eine für die Betroffenen günstige Regelung suchen.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Krankfeierzeiten nur von der 6. Woche an, wie es Ihre Vorstellung ist, ,als Ausfallzeiten rentensteigernd berücksichtigen, wirkt sich das folgendermaßen aus. Wir können überall feststellen, daß die Arbeiter in den schweren Berufszweigen Krankfeierzeiten und Unfallzeiten zwischen 4 und 6 Wochen haben. Der größte Prozentsatz der Krankfeierzeiten liegt - das kann nachgewiesen werden - zwischen 4 und 6 Wochen. Wenn wir nun die Zeiten unter 6 Wochen nicht rentensteigernd berücksichtigen, bedeutet das, daß man die 11 Millionen Arbeiter, die in der Rentenversicherung sind, schlechter behandelt als die 3,8 Millionen Angestellten in der Angestelltenversicherung; denn bei den Angestellten ist die Lohnfortzahlung für die ersten 6 Wochen vorgeschrieben. Diese Frage ist bei den Arbeitern nicht geregelt.
Nun können Sie, meine Damen und Herren, einwenden: aber diesem Hohen Hause liegt ja ein Gesetzentwurf der SPD vor, der die Lohnfortzahlung für die Arbeiter bei Krankheit fordert. Nach Ihrer Auffassung sollten wir also vielleicht die Regelung dieser Frage dem noch zu verabschiedenden Gesetzentwurf überlassen. Ich bin aber folgender Ansicht. Nachdem der Gesetzentwurf der SPD, der die Lohnfortzahlung bei Krankheit fordert, diesem Hohen Hause seit Ende 1955 vorliegt und noch nicht verabschiedet werden konnte, muß das Problem in diesem Gesetz gelöst werden, damit eben diese 11 Millionen Arbeiter nicht schlechter behandelt werden als die Angestellten. Daß das in einem langen Arbeitsleben im Ergebnis zu einer Rentenverminderung führt, darüber müssen wir uns klar sein.
Ähnlich liegt es bei der Frage der Arbeitslosigkeit. Wer wird denn von einer solchen ungünstigen Regelung, daß die Ausfallzeit erst von der 6. Woche an berücksichtigt werden soll, betroffen? Der Saisonarbeiter und hier im besonderen der Bauarbeiter! Dem Bauarbeiter, der infolge von Schlechtwetter und Frost jährlich sicher mehr als sechs Wochen nicht auf einmal, sondern in Abständen arbeitslos ist, fehlen in einem langen, arbeitsreichen Leben von vielleicht 40 Jahren erhebliche Jahre, die sich dann rentenvermindernd bemerkbar machen werden.
Weil uns dieses Problem hier immer wieder auf den Nägeln gebrannt hat und weil wir uns alle darüber klar waren, daß wir diese Frage bei der Reform behandeln wollten, sollten wir nach unserer Auffassung nicht auf halbem Wege stehenbleiben. Deshalb bitte ich darum, daß Sie unserem Antrag, der diese Ausfallzeit von zwei Wochen an regeln will, Ihre Zustimmung geben.
({2})
Wer begründet den Antrag Umdruck 893*) Ziffer 46? - Herr Abgeordneter Dr. Preller.
*) Siehe Anlage 6.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um die Anrechnung der verschiedenen Schulzeiten. Dabei ist in der Ausschußvorlage vorgesehen, daß nur eine abgeschlossene Fachschul- oder Hochschulausbildung Geltung für die Ausfallzeiten haben soll.
Meine Damen und Herren, man hätte das Wort „abgeschlossen" ohne weiteres beiseite stellen können. Man hätte sagen können: „einer Fachschuloder Hochschulausbildung", weil es ja die Norm ist, daß diese Ausbildung abgeschlossen wird. Aber wenn das nun einmal nicht der Fall ist - das kommt insbesondere auch bei Fachschulbildung vor -, ist der Betreffende trotzdem für sein Berufsleben in einem weiten Umfang ausgebildet, und das wirkt sich natürlich auch für seine Tätigkeit und damit für die gesamte Volkswirtschaft aus.
Wir sind deshalb der Auffassung, daß man das Wort „abgeschlossenen" streichen sollte, um dem Berechtigungswesen, das bei uns grassiert, das aber, glaube ich, alle Ausschußmitglieder miteinander nicht haben wollen, hier nicht noch weiteren Vorschub zu leisten. Es ist, wie ich zugebe, ein kleiner Fisch. Aber es ist für die Betroffenen wesentlich, und es ist - das ist mir vor allem wichtig - ein Schritt zum Abbau des Berechtigungsunwesens, dem wir bei dieser Gelegenheit alle miteinander zu Leibe gehen sollten.
Wer begründet nunmehr - weil es jetzt da hineingehört - den Änderungsantrag Umdruck 902*) Ziffern 1 und 2? - Herr Abgeordneter Wolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag Umdruck 902 schlagen wir Ihnen vor, dem § 1263 Abs. 1 eine Ziffer 1 a einzufügen, die heißen soll:
Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch Schwangerschaft oder Wochenbett länger als sechs Wochen unterbrochen worden ist, wenn sie in den Versicherungskarten oder sonstigen Nachweisen bescheinigt sind,
Dasselbe gilt ebenfalls für den § 34 in der Angestelltenversicherung.
Wir wollen damit erreichen, daß bei werdenden Müttern die Ausfallzeiten für die Schwangerschaft ebenfalls berücksichtigt werden. Nach dem Mutterschutzgesetz besteht ein Beschäftigungsverbot für sechs Wochen vor der Niederkunft und sechs Wochen nach der Entbindung. Das kann bei Frühgeburt bis zu zwölf Wochen ausgedehnt werden.
Wir bitten Sie deshalb, dem Antrag auf Umdruck 902 zuzustimmen und den Antrag der FDP abzulehnen. Wir haben eine Nr. 1 a eingefügt, um die Sache zu trennen, denn Schwangerschaft hat nichts mit Unfall oder Krankheit zu tun.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 899**) Ziffern 4 und 5. - Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Franz.
Wir haben Ihnen eine Verbesserung der Ausschußvorlage vorzuschlagen dahingehend, daß eine abgeschlossene Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung auch dann als Ersatzzeit anerkannt wird, wenn sich daran nicht
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 9.
innerhalb von zwei Jahren ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, sondern eine weitere Ersatzzeit im Sinne von § 1256 anschließt.
Ich bitte Sie, diesem Antrag stattzugeben.
Wer begründet den Antrag Umdruck 889 Ziffern 25 und 28? Oder wird auf Begründung verzichtet? - Es wird verzichtet.
Umdruck 893***) Ziffern 47 bis 51? - Bitte, Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mit diesem Änderungsantrag bitten wir das Hohe Haus, dem § 1263 einen neuen Absatz 1 a einzufügen.
Zuvor möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, daß 3 a und 3 b in der dritten Zeile zu streichen sind; sie kommen in Wegfall, weil das Hohe Haus unsere Änderungsanträge betreffend die Herabsetzung der Altersgrenze für die Männer und Frauen in gesundheitsgefährdenden Berufen und für Schwerbeschädigte leider abgelehnt hat.
Ich bitte Sie also namens meiner Fraktion, in § 1263 einen neuen Absatz 1 a einzufügen, wonach Ausfallzeiten im Sinne des § 1262 auch die Zeiten des Bezuges von Altersruhegeld nach § 1253 Abs. 2 und 3 sind.
Wir meinen, daß sowohl den Empfängern von Altersruhegeld, die mit dem 60. Lebensjahr, weil sie ein Jahr arbeitslos waren, ihr Altersruhegeld beantragt haben, als auch den Frauen, die mit dem 60. Lebensjahr ihr Altersruhegeld beantragen können, die fehlenden fünf Jahre bei Erreichung des 65. Lebensjahres in ihrer Altersrente dann rentensteigernd angerechnet werden sollten. Wir sind der Auffassung, daß wir diesen Menschen, insbesondere jenen, die mit 60 Jahren arbeitslos gewesen sind und deshalb ihr Altersruhegeld bekommen, doch nicht gut die fünf Jahre Verlust zumuten können, sondern daß ihnen mit dem 65. Lebensjahr dann auch diese fünf Jahre rentensteigernd angerechnet werden sollten.
Der Absatz 2 wäre dann durch den Satz zu ergänzen:
Dies gilt nicht für Ausfallzeiten nach Absatz 1 a.
Meine Herren und Damen, ich glaube, es ist ein berechtigter Antrag, den wir Ihnen hier vorlegen. Denn wir können diesen Rentenempfängern den Verlust von fünf Jahren nicht auf die Dauer ihres Lebensabends zumuten.
({0})
Frau Abgeordnete, ich bitte Sie aber, diese neue Formulierung noch schriftlich heraufzugeben.
Herr Präsident, es handelt sich um keine neue Formulierung; es sind nur, wie ich anfangs sagte, in der zweiten Zeile des von uns beantragten neuen Absatzes 1 a die Nummern 3 a und 3 b zu streichen. Im übrigen bleibt der Antrag, wie er ist. Ich habe ihn nur nicht wörtlich vorgelesen.
Der Antrag gilt sowohl für die linke wie für die rechte Seite der Vorlage?
***) Siehe Anlage 6.
Ja, natürlich gilt der Antrag auch für § 34 auf der rechten Seite.
Es werden also in der zweiten Zeile die Worte „3 a und 3 b" gestrichen, und der gleiche Text gilt auch für die rechte Seite.
Soll der Antrag Umdruck 888*) Ziffer 15 bzw. 19 noch begründet werden? - Herr Abgeordneter Varelmann.
Die Anerkennung von Ausfallzeiten während des Schulbesuchs setzt naturgemäß auch eine echte Arbeitnehmertätigkeit voraus. Nach dem Antrag der CDU-Fraktion sollen Ausfallzeiten für den Schulbesuch nur dann anerkannt werden, wenn der Versicherte nach dem Schulbesuch mindestens für 60 Kalendermonate innerhalb von zehn Jahren Beiträge zur Rentenversicherung auf Grund eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses entrichtet. Es kann z. B. nicht so sein, daß ein Beamter, der eventuell nur zwei bis drei Jahre als Arbeiter oder Angestellter tätig war, neben seiner Beamtenpension dennoch auf Grund der Zurechnungszeiten oder der anerkannten Ausfallzeiten sich eine Rente sichert. Das halten wir nicht für angebracht. Gleichzeitig sind wir auch der Auffassung, daß die Anerkennung von Ausfallzeiten bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Bezug von Fürsorgeunterstützung mindestens voraussetzt, daß vor dem Beginn oder nach der Krankheit für zwölf Monate Beiträge zur Rentenversicherung auf Grund eines Arbeitsverhältnisses entrichtet wurden.
Wer begründet die Änderungsanträge Umdruck 893**) Ziffern 48 und 52? - Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben verschiedene Anträge begründet, um die Ersatzzeiten für die Versicherten im Grundsatz zu verbessern. Die Sozialdemokraten sind aber bereit, aus dieser Erweiterung, die in der Anrechnung von Ersatzzeiten liegt, auf der andern Seite auch die Konsequenzen zu ziehen. Ich glaube, es entspricht nicht dem Grundsatz der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, daß längere Ersatzzeiten denjenigen angerechnet werden, die nicht ihr ganzes Arbeitsleben Arbeiter und Angestellte waren.
Ich möchte das an einem praktischen Beispiel erläutern. Wir Sozialdemokraten haben in unserem Gesetzentwurf - das wurde auch von den Damen und Herren der CDU anerkannt - eine besondere Initiative ergriffen, indem wir forderten, auch Zeiten der Schul-, Berufsschul-, Fachschul-
und Hochschulausbildung rentensteigernd anzurechnen. Der Ausschuß hat beschlossen, daß für Schul- und Hochschulausbildung insgesamt neun Jahre einer qualifizierten Berufsausbildung rentensteigernd angerechnet werden können, und zwar angerechnet werden - das ist zur Erläuterung darzulegen - mit dem Arbeitsverdienst, den der Betreffende durch seine Ausbildung in den Jahren und Jahrzehnten seines Arbeitslebens erreicht hat. Das ist also wirtschaftlich gesehen für die spätere Rente eine bedeutsame Anrechnung. Diese Forderung entspricht unserer Initiative;
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 6.
denn wir haben sie erstmals auch für die Schul- und Berufsausbildung gefordert und sind glücklich, daß sie im Gesetz berücksichtigt worden ist.
Aber ich glaube, meine Damen und Herren, eine solche Anrechnung von neun Jahren Berufsausbildung soll und darf, wenn wir im Interesse der Gesamtheit der Versicherten verantwortungsbewußt handeln wollen, nur denjenigen zugute kommen, die in ihrem späteren Arbeitsleben überwiegend Arbeiter und Angestellte sind; denn sonst könnte sich die eigenartige Situation ergeben, daß jemandem für eine spätere fünfjährige Tätigkeit als Angestellter neun Jahre seiner Ausbildung für diesen Beruf angerechnet werden. Ein solches Mißverhältnis wollen wir ausschließen, indem wir fordern, daß der Betreffende zwischen der Aufnahme seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung und dem Eintritt des Versicherungsfalles - im Normalfall: der Altersgrenze - überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben muß. Kommt er nach den gefaßten Beschlüssen durch ein höheres Einkommen über die Versicherungspflichtgrenze hinaus, so soll er für diese Zeit auch dann Anrechnung erhalten, wenn er als freiwillig Versicherter Mitglied der Versichertengemeinschaft der Arbeiter und Angestellten bleibt. Das ist der Inhalt unseres Antrags. Er ist unseres Erachtens die Konsequenz aus der sinnvollen und von uns sehr begrüßten Anrechnung der Zeiten der Schul- und Berufsausbildung. Wir bitten Sie deshalb, dem zuzustimmen, weil beides einander bedingt.
({0})
Wer begründet den Antrag Umdruck 888 Ziffern 16 und 19? Er gleicht dem Antrag, der eben begründet wurde, und sieht nur für § 1263 Abs. 3 eine bestimmte Form vor.
({0})
- Verzeihung, ist schon begründet! Dann sind jetzt alle Änderungsanträge begründet.
Ich eröffne nunmehr die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf die Ausführungen des Kollegen Dannebom zu § 1263 Abs. 2 eingehen. Es handelt sich um den Antrag der SPD Umdruck 893 Ziffer 45, im KrankheitsUnfalls- und Arbeitslosigkeitsfall die Zeit anzurechnen, die über zwei Wochen hinausgeht. In der Regierungsvorlage waren 13 Wochen vorgesehen und ab der 13. Woche sollten die Zeiten als Ausfallzeiten gewertet werden. Darüber sind große Debatten geführt worden, und die SPD beantragte schon im Ausschuß, nur eine Woche vorzusehen. Wir konnten auf eine Woche nicht eingehen und haben uns letztlich auf Vorschlag der SPD auf ein Mittelmaß von sechs Wochen geeinigt. Jetzt kommt erneut der Antrag der SPD, nun zwei Wochen vorzusehen. Ich glaube, das, was wir im Gesetz an Ausfallzeiten eingebaut haben, ist ein unerhörter Fortschritt und geht weit über das hinaus, was wir uns noch vor Monaten selbst in dieser Form gedacht haben. Nun möchte ich Sie aber doch einmal ernstlich fragen: Können wir jedes Risiko im Leben ausschalten? Können wir so weit gehen, daß letztlich die Gemeinschaft jedes Risiko, Krankheit, Unfall und Arbeitslosigkeit, trägt? Es ist wahrscheinlich auch nicht gut. Man kann nun ein({0})
fach nicht jedes Risiko und jeden Schaden, der in der Arbeitslosigkeit liegt, beseitigen. Nein, ich glaube, wir müssen auch hier im Interesse der Menschen, die die Beiträge aufbringen, letztlich doch noch eine Risiko-Spalte für den einzelnen offenhalten.
Nachdem wir bereits von den 13 Wochen heruntergegangen sind und uns gemeinsam auf sechs Wochen festgelegt haben, sind wir nicht in der Lage, diesem weitergehenden Antrag, nun über die sechs Wochen hinauszugehen, zuzustimmen. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben. Man kann nicht einfach mit einem Schlage sagen: Jetzt muß aber auch alles über Bord geworfen werden. Hier kann man ruhig im Interesse des einzelnen ein kleines Risiko offenlassen. Freund Dannebom, es geht auch nicht an, daß wir jetzt das Problem der Weiterzahlung des Lohnes im Krankheitsfalle, das noch einer gesetzlichen Regelung bedarf - die Gesetzesvorlage liegt bereits dem Ausschuß vor -, erneut ansprechen. Wenn wir dort zu einer Lösung kommen, die weit über das hinausgehen könnte, was wir heute beschließen, so werden davon ganz automatisch die von Krankheit Betroffenen erfaßt, die hier besonders betreut werden sollen. Wir können also unter keinen Umständen - das sage ich hier mit innerer Befriedigung - weitergehen. Wir haben hier das äußerste getan, und wir sollten die Dinge wahrlich nicht überspitzen.
Nun zu dem zweiten Antrag, den Frau Abgeordnete Döhring eben noch begründet hat. Ich glaube, damit wird das Maß doch überschritten. Wir wollen den weiblichen Versicherten die Möglichkeit geben, schon mit dem 60. Lebensjahr, also 5 Jahre bevor die allgemeine Grenze für die Altersgrenze erreicht ist, die Altersrente zu beziehen. Wenn aber gesagt wird, daß die Zeit bis zum 65. Lebensjahr noch als Anwartschaftszeit gelten soll, dann glaube ich, daß das nicht einmal mehr die Versicherten draußen im Lande verstehen.
({1})
Die Versicherten, die die Beiträge aufbringen müssen, würden den Kopf schütteln und sagen: Dafür haben wir kein Verständnis mehr. Das geht wirklich über das Maß - -; ich will das Wort nicht gebrauchen. Gehen Sie mal nach draußen, und sprechen Sie mit den Menschen, die die Beiträge zahlen müssen, nicht nur mit denen, denen Sie die Renten geben wollen, sondern mit denen, von denen Sie verlangen, daß sie die hohen Beiträge aufbringen. Man kann alles übertreiben, möchte ich hier einmal sagen. Wir sollten uns auf ein Maß beschränken, das auch zu verantworten ist.
Jetzt komme ich zu dem Änderungsantrag unter der Ziffer 52, den Freund Schellenberg begründet hat. Er hat gesagt, es sei nicht recht, diese großen Ausfallzeiten Personen zu gewähren, die im wesentlichen eine Beitragsleistung noch nicht erbracht haben. Hier hönnen wir Ihnen zum großen Teil zustimmen. Wir möchten wenigstens einen Teil von dem, was Sie beantragen, annehmen. Den ersten Satz möchten wir folgendermaßen gefaßt haben:
Die Ausfallzeiten nach Absatz 1 werden nur dann angerechnet, wenn die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen belegt ist.
So weit wären wir gern bereit, Ihrem Antrag zuzustimmen. In dem Antrag liegt nämlich ein berechtigter Kern, den wir nicht verkennen.
Wir bitten also das Haus, den Antrag in dieser etwas abgeänderten Form anzunehmen. Unseren Antrag ziehen wir zurück. Die übrigen Änderungsanträge, über die ich eben gesprochen habe, nämlich den Änderungsantrag unter Ziffer 45 und den mit der erwähnten Regelung für die Renten vom 60. Lebensjahre an, bitten wir, abzulehnen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Korspeter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu dem Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 902 etwas sagen, der vorsieht, daß Zeiten der Schwangerschaft, wenn sie länger als 6 Wochen dauern, als Ausfallzeiten anzuerkennen sind. Wir bitten Sie sehr herzlich, die Worte „länger als 6 Wochen" zu streichen, und zwar deshalb, weil diese Einschränkung „länger als 6 Wochen" ganz besonders die Lohnempfängerinnen trifft. Die Angestellten erhalten in fast allen Fällen bei Schwangerschaft für die ersten 6 Wochen ihr Gehalt vom Arbeitgeber. Diese Zeiten wirken also für die Gehaltsempfängerinnen rentensteigernd. Die Lohnempfängerinnen erhalten - abgesehen von einigen betrieblichen Regelungen -, da sie keinen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Falle der Schwangerschaft haben, den vollen Lohnausfall durch die Krankenkasse; aber diese Zeiten wirken nicht rentensteigernd. Der Herr Kollege von der CDU, der diesen Antrag begründet hat, hat mit Recht gesagt, daß man Schwangerschaft nicht als Krankheit ansehen soll und auch nicht danach zu behandeln hat. Gerade deshalb habe ich den Mut, meinen Antrag zu begründen, der sagt, daß die Worte „länger als sechs Wochen" wegfallen sollen, weil wir der Meinung sind, daß gerade für die Zeiten der Schwangerschaft eine solche Benachteiligung der Lohnempfängerin nicht eintreten sollte.
Wir bitten deshalb, unserem Vorschlag, den ich zum Antrag erheben möchte, zu folgen und die Worte „länger als sechs Wochen" zu streichen. Ich habe dabei die Hoffnung, daß das auch nach Ihrer Vorstellung nicht das Maß dessen überschreitet, was wir hier verantworten können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bei aller Gegensätzlichkeit der Auffassungen zwischen Regierungsmehrheit und Opposition wahrlich ein Zeichen eines guten Klimas, daß Oppositionssprecher von Sprechern der CDU mit „Freund Schellenberg" und „Freund Dannebom" angesprochen werden.
({0})
Ich glaube, dieses gute Klima sollte man sich eigentlich öfter zu eigen machen.
({1})
Ich darf mich also, Freund Schüttler, zuerst einmal mit Ihren Bemerkungen beschäftigen. Sehen Sie, Herr Kollege Schüttler, ich habe es eigentlich für - ({2})
({3})
- Er könnte sich sonst betroffen fühlen. Als Gewerkschaftskollegen sind wir sogar so freundlich, daß wir uns duzen.
({4})
- Ja, dazu werde ich gleich noch einiges sagen, verehrte Frau Kalinke.
Aber zu Ihren Ausführungen, Herr Kollege Schüttler, doch einmal einige Bemerkungen! Erfreulicherweise haben Sie jetzt in Ihrer Argumentation gegenüber unserem Antrag, Ausfallzeiten auch ab der zweiten Woche rentensteigernd zu bewerten, zugegeben, daß die SPD schon während der Ausschußberatungen diesen Antrag gestellt hat. Der Abgeordnete Dannebom und auch der Abgeordnete Richter haben dazu gesprochen.
({5})
- Leider habe ich beim Studium Ihres Schriftlichen Berichts nicht feststellen können, daß Sie das Anliegen der Opposition auch im Schriftlichen Bericht zum Ausdruck gebracht haben.
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Sie haben sich lediglich darauf bezogen - ich darf das in aller Freundschaft sagen -, daß das Zurückdatieren von der 13. auf die 6. Woche einem Antrag der CDU entspricht.
({7})
- Herr Kollege Schüttler, in Ihrem Schriftlichen Bericht sagen Sie ganz allgemein:
In Verbesserung des Regierungsentwurfs werden die Ausfallzeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Arbeitslosigkeit auf Antrag der Regierungsparteien von Anfang an anerkannt, wenn die Gesamtzeit der Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit 6 Wochen überschreitet.
({8})
- So steht es hier drin. - Meine Damen und Herren, es ist schon mal gut, wenn wir hier vor aller Öffentlichkeit klarstellen, daß die SPD das Anliegen, das sie heute in ihrem Änderungsantrag vorbringt, sich auch während der Ausschußberatungen zu eigen gemacht hat.
({9})
Denn es ist ein echtes Anliegen der Arbeitnehmerschaft, vertreten auch durch die Gewerkschaften. Ich glaube, Herr Kollege Schüttler, Sie als Gewerkschaftssekretär haben sich in der zurückliegenden Zeit sehr oft und lange mit Ihren Mitgliedern über diese Frage unterhalten müssen, und es ist deshalb für mich eigentlich etwas eigenartig,
({10})
wenn Sie davon sprechen, daß Sie dieser Regelung mit innerer Befriedigung Ihre Zustimmung geben können.
({11})
- Na ja, Sie müssen es wie wir alle verantworten, was wir zu tun gedenken.
Noch eine Bemerkung zu folgender Frage! Ihr Änderungsantrag, meine Damen und Herren von der CDU, beinhaltet, daß Sie das Anliegen, das Sie während der Ausschußberatung vertreten haben und das nun auch der Ausschußvorlage zugrunde liegt, wieder zurückschrauben wollen. Sie wollen nämlich dem Menschen, der sechs Wochen und länger krank oder arbeitsunfähig oder arbeitslos ist, nicht vom ersten Tage an - wie Sie es im Ausschuß selber beantragt und wofür Sie gestimmt haben - den Anspruch auf die Rentensteigerung geben.
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Jetzt wollen Sie es durch Ihren Antrag wieder zurückdatieren.
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- Herr Kollege Schüttler, Sie haben in Ihrem Schriftlichen Bericht gesagt - bitte, lesen Sie es nach -, daß nach der Beschlußfassung dem so Betroffenen, der über sechs Wochen feiern muß oder arbeitslos ist, vom ersten Tage an die Rentensteigerung gewährt werden soll. Dann haben Sie im Schriftlichen Bericht eben etwas anderes gesagt, als Sie gewollt haben. Das muß mal mit aller Klarheit hier angesprochen werden. Nachdem das im Raume steht, spreche ich Sie, Herr Kollege Schüttler, als Berichterstatter besonders an, damit wir genau wissen, was wir wollen. Sie, meine Damen und Herren, verschlechtern also mit Ihrem Änderungsantrag die Ausschußvorlage ganz erheblich. Das muß auch mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Zum Schluß noch einige wenige Bemerkungen zu der Begründung, die Herr Dr. Berg für den Änderungsantrag der Freien Volkspartei gegeben hat. Der Antrag der Freien Volkspartei geht dahin, daß nur dann wieder die rentensteigernde Ausfallzeit bewertet werden soll, wenn jemand länger als 13 Wochen krank oder arbeitslos ist. Herr Kollege Dr. Berg, Sie haben das vorhin sogar noch mit folgender Begründung gefordert: Sie haben gesagt, damit wollten Sie nicht nur die Regierungsvorlage wiederherstellen, sondern Sie wollten auch ein unrechtmäßiges Krankfeiern verhindern. Meine Damen und Herren, das ist eine böse Unterstellung; ich sage das mit aller Offenheit, aber auch mit aller Schärfe. Es ist eine böse Unterstellung, daß der größte Teil der Arbeitnehmer leichtfertig krankfeiere, unrechtmäßig krankfeiere. Das ist nicht nur eine Unterstellung den Arbeitnehmern gegenüber, es ist auch ein gewisses Mißtrauen der Ärzteschaft gegenüber.
({14})
Denn jemand kann doch nur krankfeiern, d. h. arbeitsunfähig, wenn er durch ein ärztliches Attest krankgeschrieben ist. Ich muß mich mit aller Schärfe gegen diese Unterstellung nicht nur den Arbeitnehmern gegenüber, sodern auch der Ärzteschaft gegenüber zur Wehr setzen. Sie wissen es doch, Herr Kollege Dr. Berg, bei der Krankenkasse ist das System heute so aufgebaut, daß schon nach einigen Tagen des Krankfeierns d. h. der Arbeitsunfähigkeit der Kontrolleur ins Haus kommt und den Mann kontrolliert. Wir bejahen das. Wir sind auch nicht der Meinung, daß jemand seine Kasse ausnutzen und die Versichertengemeinschaft damit belasten soll. Aber daraus zu schlußfolgern, der Antrag, von der 13. Woche an die Ausfallzeit anzuerkennen, diene dazu, unrechtmäßiges Krankfeiern zu verhindern, das ist, wenn Sie nicht davon abrücken - ich muß es mit aller Deutlichkeit sagen -, ein unsoziales Verhalten, wie es schärfer gar nicht zum Ausdruck kommen kann.
({15})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei hat zu dem Kapitel Ausfallzeiten keine Änderungsanträge gestellt. Ich beschäftige mich jetzt lediglich mit den Änderungsanträgen der verschiedenen Fraktionen und mit den Argumenten, die in der Begründung zu diesen Anträgen und in der Debatte Anlaß gegeben haben, dieses wichtige Problem noch einmal zu betrachten. Ich bin dabei nicht in der glücklichen Situation, mit „Freund" und „Genosse" hin und her in voller Übereinstimmung zu sein. Ich bin auch nicht in der glücklichen Situation wie der Herr Arbeitsminister - der leider bei diesen wichtigen Beratungen nicht mehr anwesend ist - ({0})
Frau Abgeordnete, ich wollte es dem Hause bekanntgeben: Der Herr Arbeitsminister hat mich gebeten, dem Hohen Hause mitzuteilen, daß er ab 4 Uhr nicht mehr anwesend sein kann, weil er an einer sehr wichtigen Konferenz beim Herrn Bundeskanzler teilnehmen muß, wenn ich richtig verstanden habe, wegen der Beilegung des Streiks in Schleswig-Holstein.
({0})
Ich freue mich, zu hören, daß es eine wichtige Konferenz beim Bundeskanzler ist und nicht eine Krankheit, die ihn hindert, hier zu sein.
({0})
Der Herr Arbeitsminister hat heute morgen darauf hingewiesen, daß es gleichermaßen CDU- und SPD-Mitglieder sind, die als Arbeiter - er hat sicher gemeint: in seiner Gewerkschaft - zusammen die Anliegen der Rentenreform vertreten. Gestatten Sie mir festzustellen - auch wenn Sie freundliche Bemerkungen manchmal falsch verstehen -, daß das Anliegen der Arbeitnehmerschaft quer durch und über die Organisationen, ob man per Du oder per Sie miteinander zu verkehren pflegt, ein Anliegen des ganzen Volkes und des Parlaments ist.
Den Gewerkschaftlern hüben und drüben möchte ich sagen, daß ich, die ich fast zeitlebens der christlichen Gewerkschaftsbewegung zwar nicht als hauptamtliche Funktionärin, aber ehrenamtlich verbunden war und in ihr jahrelang mitarbeite, immer Verständnis gehabt habe und auch heute habe für das wichtige sozialpolitische Anliegen der Ausfallzeit. Wenn aber der Herr Kollege Schüttler fragt: „können wir jedes Risiko ausschalten?" und „wer soll das bezahlen?", so bin ich erstaunt, daß das derselbe Kollege sagt, der aus dem Ausschuß meine immer wieder vorgetragene Mahnung kennt, aber meinen Antrag abgelehnt hat, den ich im Zusammenhang mit der Frage der Übernahme der Risiken im Ausschuß gestellt habe. Man muß darüber klar sein, wer welches Risiko zu tragen hat. Ich füge seiner Frage hinzu: Ist es Aufgabe der Rentenversicherung, alle nicht mit Beiträgen belegten Zeiten zu Lasten der Versichertengemeinschaft zu übernehmen?
({1})
- Ich spreche gleich darüber, Herr Kollege. Ich weiß, daß Sie Staatszuschüsse fordern werden. Sie haben das bisher nur nicht in der Debatte gesagt, und daher habe ich mir erlaubt, auf diese Lücke in der Diskussion hinzuweisen.
({2})
Das sozialpolitische Problem der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit und das sozialpolitische Problem der langanhaltenden Krankheit sind zwei Fragen, die in der Tat Anlaß sind, im Rahmen der Debatte über die Sozialreform sowohl bei der Reform der Rentenversicherung als auch bei der Reform der Krankenversicherung behandelt zu werden. Auch meine Freunde von der Deutschen Partei halten es für dringend notwendig, unfreiwillige Zeiten der Arbeitslosigkeit und Zeiten langanhaltender Krankheit für die Rentenversicherten durch Ausfallzeiten zu decken. Wir meinen aber, daß eine erhebliche Ausweitung dieser Ausfallzeiten nicht vertretbar ist- soweit der Personenkreis der Rentenversicherten und die Risikogemeinschaft der Steuerzahler betroffen sind -, da die Kosten dieser Ausfallzeiten ja vom Staat ersetzt werden und die Kosten des Gesetzes ganz wesentlich beeinflussen.
Herr Kollege Dannebom hat immer von „Krankfeierzeiten" gesprochen. Ich weiß nicht, ob das das Vokabular des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist. Wir sprechen von Zeiten der Arbeitslosigkeit, von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und von Zeiten der Krankheit. Unter „Krankfeiern" verstehe ich, daß jemand nicht wirklich krank ist. Das hat er sicher nicht gemeint. Ich wollte mir nur erlauben, ihn auf diesen sicher nur falschen Zungenschlag hinzuweisen, der mißverstanden werden könnte. Ich meine also die Zeiten der wirklichen Arbeitsunfähigkeit.
Bei Krankheitsfällen, die über sechs Wochen hinausgehen, handelt es sieh in der Regel um eine langere oder langanhaltende Krankheit. Deshalb scheint mir die Regelung, mit der sechsten Woche zu beginnen, vernünftig zu sein, wenn man nicht auf die Regierungsvorlage zurückgehen will. Aber der Antrag der FVP ist zu weitgehend; er kann von meinen Freunden nicht unterstützt werden.
Bei den Anträgen, die außer zum Problem der Krankheitszeiten von der SPD gestellt worden sind, handelt es sich vor allen Dingen um die Frage der Ausbildungszeiten. Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß es eine nichtberechtigte Ausweitung des Gesetzes ist, Studienzeiten und Ausbildungszeiten - Herr Schellenberg hat das in einem anderen Zusammenhang gesagt - bis zu neun Jahren rentensteigernd als Ausfallzeiten in der Versicherungszeit auf Kosten der Steuerzahler anzurechnen. Ich glaube auch, daß es ungut ist, die Selbstversicherung zu beseitigen und davon zu sprechen, daß man nur eine Versicherung der Arbeitnehmer haben will, wenn man auf einem Umweg über die Ausfallzeiten alle diejenigen, die für akademische Berufe vorgebildet werden, von denen also ein großer Prozentsatz nicht Arbeitnehmer wird, sondern sich in der Regel für die selbständigen Berufe entscheidet, hintenherum in die Rentenversicherung einbezieht. Ich fühle mich verpflichtet, darauf hinzuweisen. Denn Sie können nicht einerseits die Versicherungspflicht der kleinen Selbständigen ablehnen, wenn Sie andererseits alle die, die ja töricht wären, wenn sie von diesen Chancen - neun Jahre Ausbildung, einige Ersatzzeiten, die noch hinzukommen werden; ich denke nur an die Wehrersatzzeiten - keinen Gebrauch
({3})
machten, nun schon in einem Augenblick einen Anspruch erwerben lassen, in dem sie noch gar keine Beiträge für die Sozialversicherung geleistet haben.
Zu den Anträgen, die Frau Kollegin Döhring begründet hat, kann ich im Namen meiner Freunde sagen, daß wir sie für vernünftig halten und ihnen zustimmen werden.
Der Antrag zu § 1263 Abs. 3, den Kollege Schellenberg begründet hat, ist deshalb besonders erfreulich, weil es ein gutes Zeichen der sozialpolitischen Verantwortung ist, wenn die Opposition in diesem Haus, die sich immer durch sehr große Forderungen auszeichnet, hier auch einmal Maß und Ziel hält. Auch diesem Antrag werden wir zustimmen, weil er vernünftig ist.
Zu § 1389 a werden wir aber einen Antrag einbringen - das ist die Voraussetzung für unsere Zustimmung -, wonach die Ausfallzeiten, die aus Risiken herrühren, die nicht Risiken der Rentenversicherung sind, also Risiken der Krankenversicherung, Risiken der Arbeitslosenversicherung, Risiken der Fürsorge, von den Einrichtungen, die zum Tragen dieser Risiken Beiträge und Steuermittel erhalten, den Rentenversicherungsträgern ersetzt werden müssen. Soweit der Staat für diese Ausfallzeiten pauschale Mittel zur Verfügung gestellt hat, bin ich erst dann über die Deckung dieser Ausfallzeiten und über eine nicht auf dem Rücken der Versichertengemeinschaft ausgetragene Belastung beruhigt, wenn durch Nachweis der Versicherungsträger über die Kosten dieser Leistung - für den wir im § 1389 a mit unserem Antrag die notwendigen Voraussetzungen schaffen wollen - festgestellt wird, wie weit der vom Staat zur Verfügung gestellte Zuschuß auch wirklich die Lasten deckt, die der Versichertengemeinschaft auferlegt werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Zunächst einmal, Herr Kollege Dannebom: Sie haben mich „unsozial" genannt. Es ist in dieser Debatte das erstemal, daß ein Abgeordneter so bezeichnet wird. Das Vorrecht haben Sie gehabt. Ich bitte Sie aber zunächst einmal, den Antrag der FVP etwas zu studieren. Dannwerden Sie nämlich feststellen, daß wir die Ersetzung des Wortes „sechs" durch das Wort „dreizehn" ausschließlich für den Fall der Arbeitslosigkeit gefordert haben, während wir sonst in unserer Konstruktion - Übergang des Risikos auf die Krankenversicherung nach Wegfall des Arbeitsentgelts - drei Wochen dazwischensetzen, also die Hälfte von der in der Regierungsvorlage vorgesehenen Zeit. Das ist ja wohl ein ganz anderer Tatbestand als der, den Sie hier interpretiert haben.
Dann, Herr Kollege Dannebom, möchte ich Sie doch wirklich einmal fragen: Gibt es denn nach Ihrer Meinung tatsächlich keine Leute, die leichtfertig und unberechtigt krankfeiern? Nach meinen Erfahrungen gibt es die, und es ist die Aufgabe der Sozialpolitik, diesen Mißbrauch zu verhüten. Wenn Sie in dem Bestreben, diesen Mißbrauch zu verhüten, ein unsoziales Verhalten sehen, bitte, dann bezeichnen Sie mich weiterhin als unsozial.
Herr Professor Preller meint, man solle das Wort „abgeschlossenen" streichen. Herr Professor, ich bin nicht Ihrer Überzeugung. Es gibt sehr, sehr
viele „verkrachte Akademiker" - ich will es mal so nennen, wie es ist -, Juristen, die ihr Examen nicht bestehen, Philologen, die ihr Examen nicht bestehen, ja sogar Mediziner, die ihr Examen nicht bestehen. Das ist doch ein Versagen! Sollen diese Leute tatsächlich noch in die Solidarität der Versichertengemeinschaft aufgenommen werden? Ich glaube nicht, daß das gerechtfertigt ist. Also diesem Antrag von Ihnen kann ich nicht zustimmen.
Dagegen werden wir dem Antrag, den Herr Professor Schellenberg begründet hat - das hat ja bis jetzt schon jede Fraktion gesagt -, unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit kein Irrtum aufkommt, Herr Kollege Dannebom: es stimmt, daß nach wie vor Krankheit und Unfall über sechs Wochen vom ersten Tag an in die Ausfallzeiten hineinkommen. Nur bei der Arbeitslosigkeit ist von uns diese Einschränkung gegenüber der Ausschußvorlage beantragt worden. Krankheit und Unfall bleiben, soweit sie über sechs Wochen hinausgehen, nach wie vor vom ersten Tag an als Ausfallzeit anrechenbar. Unser Antrag bezieht sich nur auf den Fall der Arbeitslosigkeit. Dafür möchte ich Ihnen die nähere Begründung im Augenblick nicht geben. Sie werden selber wissen - und bei gutem Willen werden Sie auch Verständnis dafür haben -, daß wir die Einschränkung dort nötig haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar ganz kurze Bemerkungen. Frau Kollegin Kalinke, wenn ich vom „Krankfeiern" gesprochen habe, dann ist das natürlich ein volkstümlicher Ausdruck.
({0})
Daß ich als Bergmann, der 27 Jahre unter Tage gearbeitet hat, etwas volkstümlich sein muß, das werden Sie verstehen. Ich habe selbstverständlich gemeint, daß derjenige, der durch Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig wird, unterstützt werden soll.
({1})
- Ich wollte das nur sagen, damit hier kein Mißverständnis entsteht.
Nun noch eine Bemerkung, Herr Kollege Dr. Berg. Warum ich in der Schärfe hier zu Ihnen gesprochen habe? Einfach deshalb - das wird das Protokoll nachweisen, wir werden es nachlesen können -, weil Sie in der Begründung zu Ihrem Antrag die Formulierung gebraucht haben, daß der Grund für Ihren Antrag „unrechtmäßiges Krankfeiern" sei. Das konnte ich nicht unwidersprochen hinnehmen, und deshalb meine Bitte an Sie, von dieser Behauptung als Begründung für Ihren Antrag abzurücken. Weil ich dieses allgemeine Urteil über die krankfeiernden Menschen nicht hinnehmen konnte, mußte ich ihm widersprechen.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Berg!
In der Regel lassen sich solche Mißverständnisse ja aufklären. Ich habe gerade das Protokoll zur Korrektur hier vorgelegt bekommen. Ich will Ihnen den Satz mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen:
Um Mißbräuche zu vermeiden, ist nach Ablauf der Frist des Lohnausfalls eine Zeit von drei Wochen dazwischengeschoben in der Erwartung, daß in dieser Zeit die wesentlichsten unrechtmäßig Krankfeiernden ausgefallen sind.
Ich glaube, das verdeutlicht doch wohl meine Absicht und beinhaltet in keiner Weise, daß ich die Leute, die nicht länger als drei Wochen krankfeiern, alle als mißbräuchlich Krankfeiernde bezeichnen wollte. Soviel weiß ich auch, Kollege Dannebom. Ich habe nichts zurückzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu den aufgerufenen Paragraphen.
Wir kommen zur Abstimmung und stimmen zuerst ab über die Änderungsanträge Umdruck 895*) Ziffern 15 und 18: § 1263 Abs. 1 Nr. 1 und entsprechend § 34 Abs. 1 Nr. 1 sind zu streichen. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Herr Berg, wollen Sie nicht Ihrem eigenen Antrag zustimmen?
({0})
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über die Änderungsanträge der FDP Umdruck 889**) Ziffern 23 und 26 abstimmen. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?- Bei Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über die Änderungsanträge Umdruck 893***) Ziffer 45 und parallel dazu auf der anderen Seite Ziffer 49 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Nun ifüge ich sinnvoll die Abstimmung über den Antrag Umdruck 902****) ein, weil er, soweit ich das überblicken kann, jetzt hier hineingehört. Hier hat die Opposition einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag gestellt, in den Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 902 hinter den Worten „oder Wochenbett" die vier Worte „länger als sechs Wochen" sowohl links wie rechts zu streichen. Ist die antragstellende Fraktion damit einverstanden, daß das gleich geschieht, ohne daß wir darüber abzustimmen brauchen?
({1})
- Gut; dann werden die Worte „länger als sechs Wochen" herausgestrichen, sowohl oben wie unten. Wer dem so geänderten Antrag auf Umdruck 902 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen, wenn ich recht gesehen habe.
({2})
- Bei einer Enthaltung?
({3})
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 10.
- Gut, bei einer Enthaltung, sonst einstimmig. ({4})
Wir kommen nunmehr zu Umdruck 895*) Ziffern 16 und 19. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu Umdruck 888**) Ziffer 14 auf der einen und Ziffer 17 auf der anderen Seite. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Jetzt kommen wir zur Abstimmung über Umdruck 895*) Ziffern 17 und 20, Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wir stimmen über Umdruck 893***) Ziffern 46 und 50 ab. Es handelt sich dabei nur um die Streichung des Wortes „abgeschlossene". Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme nunmehr zu Umdruck 889****) Ziffern 24 und 27. Wer diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über Umdruck 899*****) Ziffern 4 und 5 ab. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich komme nunmehr zum Änderungsantrag Umdruck 889****) Ziffern 25 und 28. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?- Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zum Änderungsantrag Umdruck 893***) Ziffern 47 und 51 mit der Maßgabe, daß die Antragsteller hier selbst beantragt haben, daß die Bezugsziffern in der zweiten Zeile „3 a und 3 b" jeweils zu streichen sind. Wer dem so geänderten Änderungsantrag Umdruck 893 Ziffern 47 und 51 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme nunmehr zum Änderungsantrag Umdruck 888**) Ziffern 15 und 18. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über den Änderungsantrag Umdruck 893***) Ziffern 48 und 52. Hierzu wurde von der CDU/CSU erklärt, daß sie bereit sei, diesem Antrag zuzustimmen, wenn hinter dem Wort „Hälfte" in der dritten Zeile eingefügt werde „jedoch nicht unter 60 Monaten".
Satz 1 heißt also:
Die Ausfallzeiten nach Absatz 1 werden nur
dann angerechnet, wenn die Zeit vom Eintritt
in die Versicherung bis zum Eintritt des Ver-
*) Siehe Anlage 7.
**) Siehe Anlage 2.
***) Siehe Anlage 6.
****) Siehe Anlage 3.
*****) Siehe Anlage 9.
({5})
sicherungsfalles mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist.
Sind die Antragsteller einverstanden?
({6})
Gut; dann lasse ich nunmehr über den so abgeänderten Text des Änderungsantrags Umdruck 893*) Ziffern 48 und 52 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
({7})
- Wieder eine Enthaltung, wie ich höre.
Herr Präsident, nur zur Ordnung: Hier ist ein Mißverständnis über die eine Enthaltung entstanden. Diese Enthaltung war nicht ich.
Habe ich auch gar nicht gesagt! Ich habe gesagt: „eine Enthaltung", dabei aber keinen Namen genannt, weil ich selber auch keine gesehen habe.
({0})
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Abstimmungen über die Änderungsanträge zu diesem Paragraphen. Wer nunmehr dem Paragraphen in der durch die Annahme der verschiedenen Anträge geänderten Fassung - ich kann es jetzt natürlich unmöglich textlich wiederholen -, im übrigen in der Fassung des Ausschusses zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich hoffe, daß es jetzt etwas flotter geht, soweit ich hier sehe.
Ich rufe auf § 1264, dazu die Änderungsanträge Umdruck 893 Ziffern 53 und 54 und Umdruck 895 Ziffern 21 und 22. Wer begründet den Antrag Umdruck 893 Ziffern 53 und 54? - Bitte, Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich um die Vorschriften über die Berechnung der Renten bei Berufsunfähigkeit. Unser Anliegen gliedert sich in zwei Teile. Wir sind der Auffassung, daß die Vorschrift der Ausschußfassung, wonach die Zurechnungszeiten nur bis zum 55. Lebensjahr gewährt werden sollen, dem sozialen Anliegen, um das es sich handelt, nicht voll entspricht. Denn etwa die Hälfte aller vorzeitig Berufsunfähigen werden im Alter nach 55 Jahren, und zwar zwischen dem 55. und dem 65. Lebensjahr berufsunfähig; und diese Menschen sollen nach der Fassung des Ausschußbeschlusses keine Zurechnungszeiten mehr erhalten. Die Sozialdemokraten sind der Auffassung, daß das keine sinnvolle Regelung ist. Wenn man den Grundsatz der Zurechnung einführt, mit dem wir im Prinzip einverstanden sind, dann muß man die Zurechnung grundsätzlich so gestalten, daß jeder, der vor Erreichung der Altersgrenze arbeitsunfähig wird, in den Genuß der Zurechnung kommt. - Herr Kollege Schütz, Sie schütteln mit dem Kopf. Sie haben die Vorschrift nicht ganz gelesen, und Sie, Herr Kollege Kunze,
t) Siehe Anlage 6.
vielleicht überhaupt nicht, sonst könnten Sie nicht mit dem Kopf schütteln.
({0})
Wir haben nämlich ein Zweites gesagt: Wir wollen keine schrankenlose Zurechnung im Leistungsinhalt gewähren, beispielsweise nicht eine Zurechnung in der Weise, daß schon vor Erreichung des 65. Lebensjahres für denjenigen, der nicht normal gearbeitet hat, eine Rente von 70 v. H. der Bemessungsgrundlage erreicht werden kann. Wir sagen weiter, daß die Zurechnung nur insoweit erfolgen soll, als eine Rente für den vorzeitig Arbeitsunfähigen die Höhe von 50 v. H. seines Arbeitsentgelts, oder sagen wir jetzt technisch: der Rentenbemessungsgrundlage, nicht übersteigt. Dias bedeutet, daß der vorzeitig Arbeitsunfähige eine Rente von 50 v. H. der Bemessungsgrundlage und, wenn er erwerbsunfähig ist, also nicht mehr imstande ist, überhaupt noch eine Erwerbstätigkeit auszuüben, eine Rente von zwei Dritteln der Bemessungsgrundlage erhalten soll. Das bedeutet, um Mißverständnisse für Damen und Herren, denen die Technik des Gesetzes nicht ganz gegenwärtig ist, auszuschließen, nicht 50 v. H. oder zwei Drittel des letzten und höchsten Arbeitseinkommens, sondern des durchschnittlichen Lebenseinkommens, das geringer sein wird.
Meine Damen und Herren, wenn wir hier eine sinnvolle Rentenreform vornehmen wollen, dann können wir nicht Ihrer Regelung zustimmen, da Sie die Zurechnung so gestalten, als ob der Betreffende bis zum 55. Lebensjahr gearbeitet hätte. Aber demjenigen, der länger, bis zum 58. oder 59. Lebensjahr gearbeitet hat, geben Sie überhaupt keine Zurechnung. Das ist kein sehr sinnvolles Prinzip, und auch sozialpolitisch nicht sinnvoll, weil sie damit trotz Zurechnung zu Renten kommen, die teilweise nur bei 40 v. H. der Bemessungsgrundlage liegen. Niemand kann jedoch sagen, daß eine Rente von 40 v. H. der Bemessungsgrundlage eine Rente ist, mit der jemand mit seiner Familie leben kann. Deshalb unser wohlabgewogener Grundsatz, dem vorzeitig Arbeitsunfähigen die Zurechnung bis zur Altersgrenze zu geben, die Zurechnung aber nur bis zur Grenze von 50 v. H. vorzunehmen. Dabei wird selbstverständlich für denjenigen, der durch längere Arbeit auch eine höhere Rente erdient hat, die höhere Rente als Beitragsrente gewährt. Das ist nur am Rande für diejenigen, für die diese Technik etwas kompliziert ist. Das Gesetz ist leider zu kompliziert; ich hoffe aber, ich habe auch denjenigen, die nicht im Sozialpolitischen Ausschuß mitarbeiten konnten, klargemacht, daß es sich hier um ein bedeutsames soziales Anliegen handelt. Wir stellen hier nicht, wie vorhin mit einem falschen Zungenschlag gesagt wurde, maßlose Anträge, sondern der Antrag ist sozialpolitisch wohlabgewogen, und deshalb sollte es Ihnen möglich sein, ihm zuzustimmen.
({1})
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 895*) Ziffern 21 und 22 hat der Abgeordnete Dr. Berg.
Meine Fraktion zieht den Antrag zurück.
*) Siehe Anlage 7.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Varelmann.
In der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten hatten wir bisher den Übelstand zu verzeichnen, daß die Versorgung des Rentners, insbesondere einer größeren, kinderreichen Familie, mehr als unzureichend war, wenn die Arbeitsunfähigkeit bereits sehr frühzeitig eintrat. Im Rahmen der Rentenreform ist in § 1264 der Rentenversicherung der Arbeiter und in § 35 der Rentenversicherung der Angestellten eine Verbesserung vorgesehen. Die Berechnung der Renten soll immer so erfolgen, ais ob der Arbeiter und Angestellte bis zum 55. Lebensjahre gearbeitet hätte.
({0})
Wenn z. B. ein Arbeiter oder Angestellter mit dem
35. Lebensjahre Rentner wird und diese Zeit durch
Beiträge, Ausfallzeiten oder Ersatzzeiten belegt
hat, bekommt er zusätzlich eine Zurechnungszeit
von 20 Jahren. Damit erreicht er bei Erwerbsunfähigkeit eine Rente von 60 v. H. und bei Berufsunfähigkeit eine solche von 40 v. H. Die SPD
möchte nun darüber hinaus noch eine Erweiterung.
Die CDU kann diesem Erweiterungsantrag nicht
zustimmen, weil wir in der gesamten Reform bereits eine beachtliche Erweiterung der Rentenleistungen vorgesehen haben; wir können nicht noch
zusätzliche Aufwendungen beschließen. Wir sind
auch der Auffassung, daß mit dem Ausschußbeschluß ein beachtlicher Fortschritt erzielt wurde.
({1})
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Varelmann, Sie haben die Angelegenheit abgetan, aber ich glaube, diese Frage ist von großer Bedeutung. Sie sagen, unser Antrag sei finanziell nicht tragbar und Sie seien schon bis zum Äußersten gegangen. Sie sind inkonsequent. Wir werden Ihnen noch anhand Ihrer Umrechnungstabellen nachweisen, daß Sie bei demjenigen, der heute berufsunfähig ist und bei dem Sie die Rente schematisch umrechnen, auf 60 °/o kommen. Für denjenigen aber, der nach dem 1. Januar dieses Jahres berufsunfähig wird, wollen Sie eine Rente von nur 40 °/o gewähren. Das ist inkonsequent. Wir sind immer bereit gewesen, mit Ihnen eine Regelung des gleichen Rechtes für die alten und die neuen Rentner zu gestalten. Sie schaffen ein unterschiedliches Recht. Sie wollen uns doch nicht sagen, 50 % Rente seien finanziell nicht möglich. Es ist finanziell möglich, eine gemeinsame Regelung auf der Mittellage unseres Antrags zu schaffen, d. h. 50 % für die gegenwärtig Berufsunfähigen und für diejenigen, die morgen berufsunfähig werden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schüttler.
Meine Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg, das, was Sie eben ausgeführt haben, darf nicht unwidersprochen im
Raume stehenbleiben. Das mit den 40 °/o stimmt nicht. In den Umstellungstabellen mit den Neuzugängen der Renten ist keine derartige Differenz enthalten, wie Sie sie eben hier vorgetragen haben. Sie wissen, daß der Mittelwert in den Tabellen 1,3 beträgt; das gibt also keine 60 %, und bei den anderen ergibt das eine Prozent dann 40 %. Die Zahlen können also nur bei 48 oder 50 und nicht bei 40 % liegen. So darf man die Dinge nicht darstellen.
Sie wollen den neuen Berufsunfähigkeitsbegriff mit 40 % bei 1 % Steigerung abtun. Wir setzen voraus, daß der Mann in einem Arbeitsverhältnis bleibt, durch das cr nebenher noch ein Einkommen hat, und daß die Rente ein Zusatzeinkommen bringt; er muß also nicht von dieser Rente leben. Ist er berufsunfähig, dann erreicht er mit Steigerungszeiten und Zurechnungszeiten in 40 Jahren 60 %.
Wir dürfen also die Dinge nicht so darstellen, daß sich für die, die sich in der Materie nicht so auskennen, ein vollkommen falsches Bild ergibt. Nein, Herr Professor Schellenberg, das ist nicht gut. Wir haben hier ein großes sozialpolitisches Anliegen der Frühinvaliden und Berufsunfähigen erfüllt. Die Aufbringung der Beträge für diese großen Zurechnungszeiten muten wir den zahlenden Versicherten zu. Wir sollten uns damit im Augenblick bescheiden und sollten nicht alles überfordern.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schüttler, auch Sie kennen leider die finanziellen Zusammenhänge des Gesetzes nicht ganz.
({0})
- Nicht ganz! - Die Umrechnungstabellen sind nach Aussage der Regierung mit 1,3 für 40 Zurechnungsjahre - 52 % und 15 % Ausfallzeiten - berechnet,
({1})
so daß das für den Bestand der gegenwärtigen Renten eine Zurechnung auf 60 °/%o gibt. Herr Kollege Schüttler, wenn ich eine Zahl nenne, so bitte ich doch, erst einmal zu unterstellen, daß ich sie mir überlegt habe.
Sie und vielleicht noch andere Ihrer Kollegen unterliegen einem Irrtum, wenn Sie meinen, daß alle Menschen, die vorzeitig berufsunfähig sind, trotzdem noch im Arbeitsleben stehen. Das ist keineswegs der Fall. Es handelt sich meist um Menschen, die um mehr als 50 % in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt sind; das kann bis zur Grenze der Erwerbsunfähigkeit gehen. Das sind über 1 Million berufsunfähige Menschen. Es ist deshalb falsch, wenn Sie hier von der Annahme ausgehen, diese Rentner würden generell neben ihrer Rente noch ein Einkommen aus Arbeit beziehen. Das ist nur in Ausnahmefällen so. Das Entscheidende ist, daß den vorzeitig Arbeitsunfähigen eine Mindestsicherung unbedingt gewährleistet werden muß.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Varelmann.
Herr Präsident! Meine .Damen und Herren! Herr Professor Schellenberg, es trifft zu, daß sich bei einer Umstellung von Renten nach einer Tabelle für einen Teil der Fälle gewisse Härten ergeben. Aber bei den Rentenfällen der Zukunft wird auch eine pauschale Ausfallzeit bis zu 10 % der Beitragszeiten gewährt. Dadurch treten wieder eine gewisse Anhebung und eine Verlängerung der Ausgleichszeit ein. Ich glaube, daß damit die Nachteile, die Sie angeführt haben, in etwa wieder ausgeglichen werden.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD Umdruck 893*) Ziffern 53 und 54, über die wir gemeinsam abstimmen können. Wer diesen Änderungsanträgen der Fraktion der SPD zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1264 der Arbeiterrentenversicherung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
({0})
- Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 35 der Angestelltenversicherung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu § 1265 - links - und zu § 36 - rechts -. Änderungsanträge liegen nicht vor. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich darf die Abstimmung über beide Paragraphen miteinander verbinden. - Widerspruch erfolgt nicht. Wer dem § 1265 der Arbeiterrentenversicherung und dem § 36 der Angestelltenversicherung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich rufe den § 1266 - links - und den § 37 - rechts - zugleich mit dem Umdruck 889**) Ziffern 29 und 30 auf. Wird hierzu das Wort gewünscht?
({1})
- Der Änderungsantrag ist hinfällig geworden?
({2})
- Gut, dann liegt kein Änderungsantrag mehr vor. Ich nehme an, daß ich die Abstimmung über die beiden Paragraphen verbinden kann. - Kein Widerspruch. Wer dem § 1266 der Arbeiterrentenversicherung und dem § 37 der Angestelltenversicherung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe den § 1267 - links - und § 38 - rechts
- auf zugleich mit den Umdrucken 896 Ziffern 19
') Siehe Anlage 6. ") Siehe Anlage 3. und 20, 889 Ziffern 31 und 32, 891 Ziffern 32 und 33 und 888 Ziffern 20 und 21.
({3})
- Zur Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Kalinke das Wort.
Herr Präsident, ich würde der Systematik der Abstimmung wegen empfehlen, die Einfügung in diesen Paragraphen erst dann vorzunehmen, wenn über die besonderen Paragraphen über die Elternrente, um die es sich handelt, abgestimmt worden ist. Dann ist es nur noch eine Frage der Systematik, diese Paragraphen zu ergänzen.
({0})
Wie lange sind dann die §§ 1267 und 38 zurückzustellen?
({0})
- Bis 1271. Dann stellen wir also diese Paragraphen zurück. - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde vorschlagen, daß wir abstimmen. Es handelt sich praktisch nur um eine redaktionelle Änderung, die wir in der dritten Lesung gemeinsam vornehmen können, wenn in der Sache eine positive Entscheidung fällt.
({0})
Dann muß ich aber zuerst über diese zweimal vier Änderungsanträge abstimmen lassen?
({0})
- Gut. Dann ist also der Vorschlag der Frau Kollegin Kalinke hinfällig.
({1})
- Sie ziehen ihn zurück, gut. Wird das Wort .gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann darf ich zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 896*) Ziffern 19 und 20 der Fraktion des GB/BHE kommen. Ich kann die Abstimmung über beide Ziffern miteinander verbinden. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich genauso um eine Frage der Überschrift und nicht des Inhalts, also der Leistung. Wir sind gestern so verblieben, daß wir die Abstimmung bei dem Paragraphen vornehmen wollten, der etwas über die Leistung aussagt. Alles andere ist dann nur eine redaktionelle Änderung, die wir in der dritten Lesung gemeinsam durchführen würden. Deshalb würde ich bitten, daß die Antragsteller den Antrag jetzt zurückziehen und ihn dann bei dem Sachparagraphen zur Abstimmung stellen.
({0})
*) Siehe Anlage 8.
*)
Sie ziehen den Antrag zurück.
({0})
- Es gibt in der zweiten Lesung nur ein Zurückziehen, sonst muß ich den ganzen Paragraphen zurückstellen. Wenn Sie darauf verzichten, es jetzt zu machen, und bereit sind, eine eventuelle Berichtigung erst in der dritten Lesung vorzunehmen, müssen Sie den Antrag jetzt zurückziehen und ihn in der dritten Lesung neu stellen.
({1})
- Danke schön, Frau Abgeordnete!
Dann komme ich zu dem Antrag Umdruck 889*) Ziffern 31 und 32; das ist der Antrag der Fraktion der FDP. Wie wird hier verfahren?
({2})
- Wird ebenso zurückgezogen.
Wie ist es mit dem Antrag Umdruck 891**) Ziffern 32 und 33? Das ist ein Antrag der DP.
({3})
- Ebenfalls!
Dann Antrag Umdruck 888***) Ziffern 20 und 21; das ist ein Antrag der CDU. Ebenso?
({4})
- Das sind Sachfragen! - Bei Ihrem Lächeln nahm ich beinahe an, Ihr Zwischenruf sei ironisch, Frau Abgeordnete Kalinke.
({5})
Wird das Wort zu dem Antrag Umdruck 888 Ziffern 20 und 21 gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Darf ich die beiden Abstimmungen verbinden?
({6})
Wer dem Antrag Umdruck 888 Ziffern 20 und 21
- Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
- zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den § 1267 und den § 38; die Abstimmungen kann ich verbinden. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit beschlossen.
Wir kommen dann zu § 1268, links, und § 40, rechts. Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 1269 - links - und § 41 - rechts -, zugleich mit dem Umdruck 891**) Ziffern 34 und 35. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Kalinke!
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 2.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei diesem Antrag, mit dem die Fraktion der Deutschen Partei vorschlägt, in § 1269 den letzten Satzteil zu streichen, handelt es sich darum, daß einer früheren Ehefrau des Versicherten, die geschieden oder deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, wenn sie eine Rente erhält, diese Rente nur dann gezahlt werden soll, wenn Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes geleistet ist. Der letzte Satzteil heißt: „oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat". Wir glauben, daß dieses „oder" nicht notwendig, ja sogar falsch ist, weil in den Fällen, in denen jemand verpflichtet und willens war, Unterhalt zu leisten, er gerade im letzten Jahr vor dem Tode durch Krankheit oder irgendwelche Umstände daran gehindert gewesen sein kann. Mir ist klar, daß es nur ein „oder" ist, daß es also nicht eine entscheidende Voraussetzung ist. Wir wären aber dankbar, wenn dieser letzte Satzteil zur Klarstellung gestrichen würde.
({0})
Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Franz!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der Ansicht, daß der Antrag der Frau Kalinke eine Benachteiligung bedeutet.
({0})
Ich bitte deshalb, die Ausschußfassung aufrechtzuerhalten.
Das Wort wird des weiteren nicht mehr gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über die Anträge der Fraktion der Deutschen Partei Ziffern 34 und 35 auf Umdruck 891*), die ja sachgleich sind. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die große Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1269 der Arbeiterrentenversicherung und § 41 der Angestelltenversicherung. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 1270 - links - und § 42 - rechts -. Keine Änderungsanträge. - Keine Wortmeldungen.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe auf § 1271 - links - und § 43 - rechts -. Keine Änderungsanträge. - Keine Wortmeldungen.
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich komme nunmehr zu den Anträgen auf Einfügung eines § 1271 a - links - und eines § 43 a
*) Siehe Anlage 4.
({0})
- rechts. Es handelt sich um die Umdrucke 896**) Ziffern 21 und 22, 892***) Ziffern 1 und 2, 893****) Ziffern 55 a und 56 a und 889*****) Ziffern 33 und 34. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Friese-Korn!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es dürfte keinen Antrag zu diesem Gesetz geben, der sich so einfach vertreten läßt wie ein Antrag auf Einführung der Elternrente. Ich möchte es darum auch ganz kurz machen, denn wir sind alle überlastet.
Rechtlich handelt es sich um die Anpassung des Gesetzes an die gesetzliche Unterhaltspflicht. Moralisch-religiös handelt es sich um das vierte Gebot. Wir brauchen da nichts hinzuzufügen. Die Elternrente sollte in diesem Gesetz nicht fehlen. Aber weil wir keine Ausweitung der gesetzlichen Unterhaltspflicht wollen, können wir uns dem Antrag des BHE nicht anschließen. Wenn man die Geschwisterrente einführte, würde das zu Konsequenzen führen, die unter Umständen gerade für die Menschen, denen jetzt draußen sehr viel versprochen wird und die sich von diesem Antrag viel versprechen, nicht leicht zu tragen wären.
lch bitte Sie, dem Antrag der FDP Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, nach dem Tode des Versicherten den Eltern des Versicherten Elternrente zu gewähren, falls der Versicherte die Eltern oder einen Elternteil unterhalten hat, so einfach zu vertreten und ein Selbstgänger wäre, dann hätte er wahrscheinlich in den Beschlüssen des Sozialpolitischen Ausschusses seinen Niederschlag gefunden. Das ist leider nicht der Fall. Deshalb muß ich zu diesem Antrag, auch wenn Sie alle müde sind, ein Wort mehr sagen; denn hier handelt es sich um ein ganz wichtiges sozialpolitisches Anliegen unserer Zeit.
Wer Sozialreform macht und die soziale Situation unserer Zeit in die Bestimmungen einer Reform einfangen will, kann an dem Problem unserer Zeit nicht vorübergehen, daß eine große Anzahl von Versicherten, die als Ledige, Verwitwete oder Geschiedene für ihre Eltern oder für einen Elternteil sorgen, mit großer Besorgnis an die Stunde denken, in der sie, die für die Eltern gearbeitet und gesorgt haben, nicht mehr da sind. Wenn wir den Standpunkt vertreten, daß die Glieder der Familie unserer Zeit noch eine moralische Verpflichtung haben, als erste und nächste in der Gemeinschaft für einander einzutreten, dann haben auch wir die Konsequenzen zu ziehen. Das heißt, wir müssen in unserer Gesetzgebung die Voraussetzungen dafür schaffen, daß derjenige, der sich seinen alten Eltern verpflichtet fühlt - nach dem vierten Gebot, wie Frau Friese-Korn gesagt hat -, nicht dafür bestraft wird, indem er trotz der Beiträge, die er der Risikogemeinschaft geleistet hat, nicht das gleiche Recht zugebilligt bekommt, wie es nach den voran-
**) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 5. ****) Siehe Anlage 6. ****) Siehe Anlage 3.
gegangenen Beschlüssen sogar der geschiedenen Ehefrau, sogar mehreren geschiedenen Frauen bisher im Recht, ohne weiteres neben der Witwenrente gegeben worden ist. Die Erfüllung der Forderung auf Elternrente ist längst fällig, es ist ein fast überholtes, aber dennoch dringendes Problem, das schnellstens gelöst werden muß.
Hier erhebt sich aber auch eine rechtliche Frage, die mit der Gleichbehandlung aller Versicherten zusammenhängt. Daß sie bisher noch nicht gelöst worden ist, wird von niemandem verstanden, der Jahre hindurch Beiträge geleistet hat. Wer allein steht, bekommt zwar für einen noch sehr spät geheirateten Mann oder eine sehr spät geheiratete Ehefrau Witwen- oder Witwerrente - ich sagte schon, daß ein Mann sogar für mehrere Frauen Rente empfangen kann -, aber für die alten Eltern, die allein gelassen werden, besteht ein gleicher Anspruch nicht. Hierbei handelt es sich besonders um ein Anliegen vieler berufstätiger Frauen, die alte Eltern unterhalten.
Der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei ist so wohldurchdacht, daß er einen Mißbrauch dieser Leistung ausschließt, indem die Eltern oder dem Elternteil nach dem Tode des Versicherten Elternrente nur gezahlt werden soll, wenn der Versicherte keinen Ehegatten hinterläßt, für den Witwer- oder Witwenrente gezahlt wird. Damit ist dem Grundsatz Genüge getan, daß für einen Beitrag nur eine Leistung gezahlt wird. Wenn also bereits eine Witwer- oder Witwenrente gezahlt wird, soll nicht außerdem noch eine Elternrente gezahlt werden.
Weitere Voraussetzung für die Zahlung der Elternrente ist nach unserem Antrag, daß der Versicherte zur Zeit seines Todes seine Eltern oder einen Elternteil überwiegend unterhalten hat. Und wir sagen weiter:
Überleben beide Elternteile den Versicherten, der sie überwiegend unterhalten hat, so hat jeder Elternteil nur Anspruch auf die Hälfte der Elternrente.
Wir haben diese Bestimmung, die hart erscheinen mag, deshalb hineingeschrieben, weil sehr oft der Versicherte zwar die alte Mutter oder den alten Vater unterhält, aber der andere Elternteil unter Umständen nicht in der gleichen Hausgemeinschaft lebt. Hier soll der Gerechtigkeit durch eine gerechte Teilung der Leistung entsprochen werden.
Unser Antrag stimmt in der Formulierung weitgehend mit der Forderung überein, die auch in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion enthalten ist. Ich glaube, ich brauche meinem Appell an die sozialpolitische Verantwortung in diesem Hause nur noch den Wunsch hinzuzufügen, daß dieser Antrag einstimmig angenommen werden möge.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es handelt sich bei diesem Antrag um die Elternrente, auch bei unserem Antrag, und nicht, wie Frau Kollegin Friese-Korn meinte, um die Geschwisterrente. Nachdem wir eine solche Regelung bereits in unserem Gesetzentwurf gefordert und einen solchen Antrag auch im Ausschuß gestellt hatten, aber leider keine Mehrheit dafür finden konnten, freuen wir uns - ich darf das wohl ganz offen sagen -, daß jetzt außer uns noch drei Fraktionen die Elternrente beantragt
({0})
haben. Wir hoffen deshalb, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, daß wir heute eine Mehrheit für die Elternrente finden, zur Not gegen die CDU. Aber wir würden es sehr viel mehr begrüßen und uns freuen, wenn wir Sie überzeugen und mit Ihnen gemeinsam eine Elternrente einführen könnten. Wir bitten Sie deshalb sehr, meine Herren und Damen von der CDU, gegen die Elternrente nicht einen Alleingang zu unternehmen, wie es leider bei anderen Gesetzen bei der CDU gewesen ist.
Ich kann mich sehr kurz fassen, weil schon vorher dazu gesprochen worden ist. Es gibt einfach kein stichhaltiges Argument gegen die Einführung der Elternrente. Ich möchte es deshalb nochmals sagen: Wir haben es außerordentlich bedauert, daß unser Vorschlag im Ausschuß keine Mehrheit finden konnte. Wir hoffen, daß wir heute für diese sozialpolitisch eindeutig gerechte Regelung doch das ganze Haus gewinnen können.
Wir bitten, weil wir die Regelung dieser Frage sozialpolitisch für außerordentlich bedeutungsvoll halten, um namentliche Abstimmung.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zur Elternrente haben schon andere Kolleginnen dieses Hauses in einer so verständnisvollen Weise gesprochen, daß ich dem nicht mehr viel hinzuzufügen brauche. Auch die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks war sich von Anfang an darüber klar, daß in den neuen Rentengesetzen unter allen Umständen auch die Elternrente gesichert werden müsse. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt, und wir freuen uns, daß wir in dieser Beziehung die Unterstützung vieler Teile des Hauses finden, daß wir also in diesem Falle einer Meinung sind.
Darüber hinaus haben wir aber noch den Antrag gestellt, in § 1271 auch den Begriff der Geschwisterrente zu verankern. Es handelt sich zwar um einen nicht allzu großen Personenkreis. Aber gerade durch die Umschichtung der Bevölkerung und die soziologischen Veränderungen, durch Schicksalsschläge, die manche Familien erlitten haben, haben wir sehr viele Haus- und Lebensgemeinschaften von berufstätigen Geschwistern, unter denen eine Schwester die große und sehr schöne Aufgabe hat, für das häusliche Wohl der anderen zu sorgen. Für diese Fälle sollte nach unserer Meinung ähnlich der Elternrente eine Geschwisterrente eingeführt werden, zumal es wegen des geringen Personenkreises kein finanzielles Problem ist. Wir wären dankbar, wenn wir nicht nur in der Frage der Elternrente, sondern auch für die Geschwisterrente die Unterstützung des Hauses fänden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Von vier Fraktionen dieses Hauses sind ziemlich gleichlautende Anträge eingebracht worden, die soeben von vier Kolleginnen begründet worden sind. Die moralische Berechtigung dieser Anträge kann niemand in diesem Hause bezweifeln. Denn die Begründung, daß jemand, der jung ist und im Berufsleben steht, für seine alten Eltern zu sorgen hat, ist so selbstverständlich, daß sie überhaupt nicht zu erwähnen ist. Ich glaube aber nicht, daß wir daraus das Recht herleiten dürfen, nun ausgerechnet in diesem Gesetz so völliges Neuland zu betreten.
({0})
Wir haben eine ganz große Anzahl von berufstätigen Männern und Frauen, die ihre alten Eltern unterstützen, sie völlig oder teilweise unterhalten. Sie gehören dem Stand der Beamten an, und noch niemals ist in einem Beamtengesetz eine derartige Regelung getroffen worden, daß Eltern eine Pension für den jungen Menschen bekommen,
({1})
der sie bisher unterhalten hat. Ich glaube deshalb nicht, daß wir in diesem Gesetz hier und heute eine solche Änderung treffen können. Denn das würde eine ungleiche Behandlung der Staatsbürger bedeuten, die bei der großen Masse von Beamten, die in unserem Volke tätig sind, eine schwere Benachteiligung herbeiführen würde.
Immerhin halten meine politischen Freunde die Ausführungen, die soeben zu diesem Problem gemacht worden sind, für so beachtenswert, daß sie diese Frage noch einmal bereden und überlegen möchten. Ich bitte Sie daher, damit einverstanden zu sein, daß wir diese Sitzung um eine Stunde unterbrechen.
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag gestellt, die Sitzung sofort um eine Stunde zu unterbrechen. Es ist üblich, daß einem solchen Antrag entsprochen wird. Es ist jetzt 17 Uhr 40. Ich unterbreche die Sitzung. Sie wird um 18 Uhr 40 fortgesetzt.
({0})
Die Sitzung wird um 18 Uhr 42 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Wir setzen die Aussprache fort zum Vorschlag eines § 1271 a - links --- und eines § 43 a - rechts.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte nur einen Vorschlag zur Geschäftsordnung machen. Da die Anträge der Fraktion der SPD und der Fraktion der Deutschen Partei im Abs. 1 übereinstimmen, aber der Abs. 2 in dem Antrag der Deutschen Partei die Einschränkung für beide Elternteile enthält, würden wir uns damit einverstanden erklären, wenn wir bei der seitens der SPD beantragten namentlichen Abstimmung zusammen abstimmen über den Antrag der Deutschen Partei zu § 1271 a Abs. 1 plus Antrag der SPD-Fraktion, die identisch sind. Wir könnten dann über den zweiten Absatz unseres Antrages, der als Abs. 1 a ergänzend hinzukommen könnte, getrennt abstimmen. Das würde die Abstimmung wesentlich erleichtern.
Den Eindruck habe ich nicht, aber darüber kann man verschiedener Meinung sein.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten eine namentliche Abstimmung über einen politischen Grundsatz abhalten, und das ist der Tatbestand: Gewährung von Elternrenten, ja oder nein? Über den Abs. 1 a können wir dann in einer allgemeinen Abstimmung beschließen.
({0})
Es besteht also jetzt Einigkeit. Wird das Wort noch zur Debatte gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung - der Antrag auf namentliche Abstimmung ist ja nur zum Antrag der SPD-Fraktion gestellt - über den Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 896*) Ziffern 21 und 22. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
({0})
- Bitte sehr.
Auf Grund der hier vorgesehenen Reihenfolge bei der Abstimmung der gleichlautenden Anträge der FDP, der SPD und der DP ziehen wir unseren Antrag im Interesse des Erfolges der Sache zurück.
Der Antrag Umdruck 889**) Ziffern 33 und 34 ist damit zurückgezogen.
Nun kommt der Antrag der Deutschen Partei.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Kalinke.
Ich wiederhole meinen Antrag, über den Antrag der Deutschen Partei, den Sie jetzt aufgerufen haben und der inhaltlich mit dem Antrag der SPD übereinstimmt, gemeinsam mit dem Antrag der SPD in namentlicher Abstimmung abstimmen zu lassen, da wir uns der namentlichen Abstimmung wegen des gemeinsamen Textes der beiden Anträge anschließen, und zwar über den ersten Teil des DP-Antrags und über den SPD-Antrag. Das ist ein Gang.
({0})
Meine Damen und Herren, soweit ich hier lesen kann, ist der Text der beiden Anträge nicht der gleiche. Wenn der Wortlaut nicht der gleiche ist, kann ich nicht über beide Anträge gemeinsam abstimmen lassen, sondern muß der Reihe nach vorgehen. Der Reihe nach kommt zuerst der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, weil er der weitergehende ist. Wird Teilung des Antrags verlangt? - Nein. Hier ist nur einfache Abstimmung vorgesehen.
Herr Dr. Schellenberg zur Geschäftsordnung!
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 3.
Herr Präsident! Meine ( Damen und Herren! Wenn ich Frau Kollegin Kalinke recht verstanden habe, hat sie sich mit der Teilung der Abstimmung einverstanden erklärt, die ich ja beantragt habe. Sie haben dem zugestimmt; deshalb wird meines Erachtens geteilt abgestimmt, und das heißt, über den Antrag der Sozialdemokraten - Umdruck 893 - in namentlicher Abstimmung.
Auf namentliche Abstimmung komme ich, sobald ich Ihren Antrag behandle. Jetzt bin ich noch bei dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck 892*). Eine Teilung ist nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Über Ziffer 1 und 2 kann ich gemeinsam abstimmen lassen.
({0})
Herr Präsident, ich beantrage für die Fraktion der Deutschen Partei ebenfalls namentliche Abstimmung.
Ich darf zuerst einmal festhalten, daß über Ziffer 1 und 2 des Antrages der Deutschen Partei gemeinsam abgestimmt werden kann.
({0})
- Sie wollen also getrennt über den Antrag zur Angestelltenversicherung und über den Antrag zur Arbeiterversicherung entscheiden.
Sie beantragen also jetzt namentliche Abstimmung über Ziffer 1. Wer den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind weniger ais 50 Mitglieder des Hauses.
Meine Damen und Herren! Wer dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 892 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zum Antrag der Deutschen Partei Umdruck 892 Ziffer 2. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr komme ich zu dem Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 893**) Ziffern 55 a und 56 a. Kann ich über die beiden gemeinsam abstimmen lassen?
({1})
- Ja. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag wird von mehr als 50 anwesenden Mitgliedern der Fraktion unterstützt. Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 893 Ziffern 55 a und 56 a. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({2})
Meine Damen und Herren, ist noch jemand im Saal, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Dann bitte ich, dies sofort zu tun. - Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
*) Siehe Anlage 5.
**) Siehe Anlage 6.
({3})
Nachdem offenbar auch der letzte Abgeordnete nunmehr seine Stimme abgegeben hat, schließe ich die Abstimmung.
({4})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Es haben 445 stimmberechtigte Abgeordnete abgestimmt. Mit Ja haben 203 gestimmt, mit Nein 241, enthalten hat sich einer. Der Antrag ist abgelehnt. Es haben 18 Berliner Abgeordnete an der Abstimmung teilgenommen. Mit Ja haben 12, mit Nein 6 gestimmt; enthalten hat sich niemand.
Ich rufe die §§ 1272 und 44 auf mit den Änderungsanträgen auf den Umdrucken 891 Ziffer 36 und 37, 893 Ziffer 55 b und 56 b, 891 Ziffer 38 und 39, 893 Ziffer 57 und 58, 899 Ziffer 6 und 7. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge Umdruck 891**) Ziffer 36 und 37. Ich kann hierüber gemeinsam abstimmen lassen. Wer den Änderungsanträgen der Fraktion der Deutschen Partei zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Eine Stimme.
({5})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen mit allen Stimmen gegen eine abgelehnt.
({6})
- Es kann jetzt nicht mehr gesprochen werden, wir sind in der Abstimmung.
Wir kommen zu den Änderungsanträgen der sozialdemakratischen Fraktion Umdruck 893***) Ziffer 55 b und 56 b. Ich nehme an, daß ich auch hier gemeinsam abstimmen lassen kann. - Das ist der Fall. Wer den aufgerufenen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen zu den Änderungsanträgen Umdruck 891**) Ziffer 38 und 39. Ich nehme an, daß ich auch hier gemeinsam abstimmen lassen kann. Es handelt sich um Anträge der Fraktion der Deutschen Partei. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die große Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen zu den Änderungsanträgen der Fraktion der SPD Umdruck 893***) Ziffer 57 und 58.
({7})
- Zur Sache kann nicht mehr gesprochen werden, nur noch zur Abstimmung; die Aussprache ist geschlossen.
({8})
- Ich habe ausdrücklich bei der Sachdebatte gefragt - und eine lange Pause gelassen -, wer das Wort wünscht, und habe dann die Aussprache geschlossen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10381.
**) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 6.
Wer den Änderungsanträgen auf Umdruck 893 Ziffer 57 und 58 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen zu den Änderungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 899*) Ziffern 6 und 7. Ich nehme an, daß ich über die Ziffern 6 und 7 gemeinsam abstimmen lassen kann.
({9})
Wer den aufgerufenen Änderungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich lasse über die §§ 1272 und 44 mit den soeben beschlossenen Änderungen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zu den §§ 1273 und 45 mit den Änderungsanträgen auf den Umdrucken 889**) Ziffer 35 und 36 und 891***) Ziffer 40 und 41. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Jentzsch!
Zu § 1273 Abs. 1 haben wir vorgeschlagen, so zu beginnen:
Die Waisenrente beträgt bei Halbwaisen . . . Das ist eine klarere, eindeutigere und auch sprachlich einwandfreiere Formulierung als die bisherige.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Wir haben ergänzend zu § 1273 vorgeschlagen, daß nach den Worten „Versichertenrente ohne Kinderzuschuß" die Worte „zuzüglich Rententeilen aus der Höherversicherung" angefügt werden, weil sonst dieser von den Versicherten erworbene Rechtsanspruch nicht berücksichtigt werden würde.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Ruf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von der Deutschen Partei vorgeschlagene Ergänzung ist nicht notwendig. Das Anliegen ist nämlich durchaus gewährleistet. Ich verweise auf § 1258 Abs. 2. Gemeint ist durch diese Formulierung des § 1258 Abs. 2 genau das, was Sie, Frau Kalinke, wollen.
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Wird weiter das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Kalinke.
Wenn Sie mit dieser Erklärung zugeben, daß das Anliegen berechtigt ist und daß es an anderer Stelle im Gesetz steht, dann halte ich es für notwendig, unseren Antrag anzunehmen, damit derjenige, der das Gesetz liest, auch an dieser Stelle weiß, welchen Anspruch er hat.
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 3. ***) Siehe Anlage 5.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei auf Umdruck 889*) Ziffern 35 und 36. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck 891**) Ziffern 40 und 41. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich lasse über § 1273 der Arbeiterrentenversicherung und § 45 der Angestelltenversicherung mit den soeben beschlossenen Änderungen abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. --- Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zu den Anträgen auf den Umdrucken 896***) Ziffern 23 und 24 und 889*) Ziffern 37 und 38 auf Einfügung eines § 1273 a und eines § 45 a. Wird das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Finselberger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Da die Eltern- und Geschwisterrente grundsätzlich abgelehnt ist, erledigen sich diese Anträge. Ich ziehe sie deshalb zurück.
Meine Damen und Herren, ist das Haus mit der Erklärung einverstanden, daß sich beide Anträge - sowohl auf Umdruck 896 Ziffern 23 und 24 wie auf Umdruck 889 Ziffern 37 und 38 - erledigt haben? - Widerspruch erfolgt nicht. Die Sache ist damit hinfällig.
Ich komme zu § 1274 und § 46. - Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zu § 1275 und § 47. - Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zu § 1276 und § 48 mit den Umdrukken 893****) Ziffern 59 und 60, 889*) Ziffern 39 und 40 - bei beiden liegen Neufassungen vor -, 891**) Ziffern 42 und 43 und 895*****) Ziffern 23 und 24.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir kommen bei den Bestimmungen dieses und der folgenden Paragraphen wiederum zu einem der entscheidenden Stücke der gesamten sogenannten Rentenreform. Gerade die laufende Anpassung der Renten an die Entwicklung der Löhne und der Gehälter oder der Produktivität, wie man sagen will, hätte ein Kernstück einer wirklichen und echten Reform darstel-
*) Siehe Anlage 3.
**) Siehe Anlage 4. ***) Siehe Anlage 8. ****) Siehe Anlage 6. *****) Siehe Anlage 7. len können. Sie müssen mir erlauben, auch wenn die Stunde schon etwas spät ist, bei dieser Gelegenheit auf die volkswirtschaftlichen, zum Teil finanzwirtschaftlichen Erwägungen und Überlegungen einzugehen, die teilweise bereits zu § 1260 angestellt worden sind. Wir von der SPD-Fraktion glauben aber, daß hier der Punkt ist, an dem wir diese wirtschaftlichen Überlegungen am richtigsten erörtern sollten. Ich werde infolgedessen auf einige Dinge einzugehen haben, die - ich sehe gerade den Kollegen Hellwig, den Kollegen Jentzsch und andere - bereits bei früherer Gelegenheit am heutigen Nachmittag vorgetragen worden sind.
Ich kann Ihnen allerdings einen kleinen historischenRückblick nicht ersparen, nämlich darüber, wie man innerhalb der größten Regierungspartei und Fraktion in diesem Punkte nach einem mutigen Anstoß, so möchte ich ruhig sagen, der im vorigen Dezember im Sozialkabinett erfolgt ist, gegenüber Argumenten, wie wir glauben, insbesondere von draußen allmählich zurückgewichen ist.
Es war Anfang Dezember, als das Sozialkabinett einen, wie wir glauben, erfreulichen Mut zur Tat zeigte, - sicherlich im Zusammenhang mit der Ankündigung des sozialdemokratischen Kölner Kongresses, die in denselben Tagen erfolgte. Damals war im Anschluß an den heute schon mehrfach zitierten sogenannten Schreiber-Plan vom Sozialkabinett gesagt worden, daß man eine sogenannte dynamische Rente schaffen, sie an die Löhne anpassen wollte. Das war ein Vorgang in der gesamten Entwicklung - wir wissen nicht, ob er durch Einwirkung des Herrn Bundeskanzlers zustande kam -, der, wie uns und der ganzen deutschen Öffentlichkeit schien, eine Art Wendepunkt in der Gesamtbetrachtung der Rentenreform hätte sein können.
Von da an haben wir, die wir als Opposition außen stehen, nur ein ständiges Zurückweichen von diesem Entschluß feststellen können, ein Zurückweichen gegenüber Kräften, die, wie wir glauben, in erster Linie außerhalb des Parlaments tätig waren und sind.
Es begann damit, daß der Bundesverband der Deutschen Industrie im Februar auf einer Tagung sagte: Wir können eine dynamische Rente nicht akzeptieren, wir können nur eine Rente im Zusammenhang mit der Steigerung der Produktivität einführen. Am Tage nach der Sitzung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat das Sozialkabinett beschlossen, daß nunmehr die Rente an die Produktivität angepaßt werden sollte, und zwar - wie es in ,der öffentlichen Verlautbarung hieß - weil es „aus sprachlichen Gründen" besser sei, von „Produktivitätsrente" zu sprechen.
Im Juni erschien dann der Regierungsentwurf, nachdem der SPD-Entwurf im April veröffentlicht worden war. In diesem Regierungsentwurf war der hier entscheidende Punkt der Anpassung der laufenden Renten an irgendeine volkswirtschaftliche Entwicklung nunmehr so formuliert, daß alle fünf Jahre nachgeprüft werden solle, ob und inwieweit eine Anpassung an das sogenannte Volkseinkommen zu erfolgen habe.
Es folgten die hier schon mehrfach dargestellten Vorstöße der Versicherungsmathematiker, insbesondere aber der unterdessen gebildeten Gemeinschaft zum Schutze der deutschen Sparer und auch der Arbeitgeberverbände. Am 1. Oktober begann dann der Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes, und bei dieser Gelegenheit sagte der Herr Bundes({0})
kanzler in seiner Begrüßungsrede vor dem Kongreß: „Die Rente kommt", und, was hier entscheidend ist: „Es kommt auch die Produktivitätsrente". In der darauffolgenden Pressekonferenz hat nach Zeitungsmeldungen der Herr Bundeskanzler allerdings bereits damals gemeint, es sei unmöglich, Löhne und Renten zu verbinden. Hier vernahm man also plötzlich aus dem Munde des höchsten Repräsentanten der deutschen Regierung die Mitteilung, daß man nicht mehr dem alten Schreiber-plan folgen könne, sondern daß die Produktivitätsrente, wie sie nun genannt wurde, von der Entwicklung der Löhne abgesetzt werden solle.
Am 25. Oktober des vorigen Jahres hat dann Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard vor dem Kongreß der Versicherungswirtschaft ausgeführt - was ja hier schon zur Sprache gekommen ist -, daß er die Rente nur als ein Existenzminimum betrachten könne.
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Nach dem Bulletin vom 13. November hat er auf eine entsprechende Frage gesagt: Wir wünschen die Rente in Zusammenhang mit dem echten Produktivitätszuwachs. - In diesem Zusammenhang - ich habe die Unterlagen hier, Herr Bundeswirtschaftsminister - ist das Wort gefallen, man müsse die Rente an das preisbereinigte Sozialprodukt anpassen.
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Im Sozialpolitischen Ausschuß sind in den späteren Beratungen idie §§ 1275 ff. bzw. 48 ff. durch einen Antrag der Regierungsparteien geändert worden. Wir wissen, daß das auf Grund einer Besprechung der CDU in Königswinter geschah, auf der wohl insbesondere Herr Dr. Hellwig seine Auffassung geäußert und nach Pressemitteilungen einen Kompromißvorschlag gemacht hat. Daraufhin ist der Vorschlag der Regierungsparteien erfolgt - der nun auch im Gesetzentwurf berücksichtigt worden ist -, daß die etwaige Änderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Produktivität und die Veränderungen des Volkseinkommens berücksichtigt werden sollten, daß diese Anpassung aber jeweils - vermutlich jährlich - durch ein Gesetz des Bundestages erfolgen solle. Die Bundesregierung sollte dem Parlament - so steht es jetzt auch im Entwurf - jährlich eine Übersicht über die drei genannten Merkmale geben, zusätzlich über die Finanzlage der Rentenversicherungsträger, und zwar - nun kommt der zweite Punkt - nach Anhörung des sogenannten Sozialbeirats .
Dieser Sozialbeirat war bereits im Regierungsentwurf vorgesehen. Als wir aber im Sozialpolitischen Ausschuß an die entsprechende Stelle kamen, erklärten die Regierungsparteien, sie wollten den Sozialbeirat fallenlassen. Wir von der Opposition waren sehr erfreut darüber. Nun tauchte dieser Sozialbeirat wieder auf. Wir kommen darauf noch einmal zu sprechen, wie ich denke. Gleichzeitig wurde in den schon besprochenen §§ 1260 ff. ein nunmehr als eigener § 1261 a formulierter Paragraph eingeführt, der die Möglichkeit gab, bei der Festsetzung der Rente unter bestimmten Voraussetzungen, die dort genannt und hier erörtert worden sind, die allgemeine Bemessungsgrundlage zu verändern.
Ich glaube, es war notwendig - auch wenn es uns einige Minuten Zeit gekostet hat -, diese Entwicklung noch einmal in aller Öffentlichkeit darzustellen und klarzulegen, wie von einem mutigen Vorstoß aus, der - das gebe ich zu - insbesondere von Herrn Dr. Schreiber ausging und auf den Herrn Bundeskanzler eingewirkt hat, ein allmähliches, aber, wie ich gezeigt zu haben glaube, deutliches Zurückweichen vor bestimmten anderweitigen Auffassungen stattfand.
Dieses Vorgehen wurde begleitet von dem, ich darf fast sagen, Trommelfeuer von wirtschaftlich interessierten Seiten mit Argumenten insbesondere in zweierlei Richtung. Das eine Argument war, daß die laufende Anpassung der Renten die Gefahr einer Inflationierung mit sich bringe, das andere, daß nicht nur die Stabilität der Währung, sondern daß gleichzeitig der Kapitalmarkt und insbesondere der Wohnungsbaumarkt mit seinen Hypothekenbedürfnissen gefährdet seien.
Wer diese Diskussion in der Öffentlichkeit und in den verschiedenen Presseorganen genau verfolgt hat - wir mußten das ja tun -, wer diese Diskussion verfolgt und die Dinge genau geprüft hat, der hat entdeckt, daß am Ende dieser beiden Argumentationen - Inflation und Gefährdung des Kapitalmarkts - stets die Forderung stand, die Rente dürfe die vorgesehene Höhe von 75 % -seitens der SPD - bzw. von 60 % - seitens der CDU damals - des Arbeitseinkommens nicht erreichen. Zum anderen hieß es, es wäre doch viel besser, wenn man nur die allseitig als erforderlich angesehene Erhöhung der Renten durchführe, im übrigen aber die gesamte Rentenreform auf später verschiebe und insofern zurückstelle.
Bei dieser Entwicklung hat sich - leider, wie wir von der Opposition sagen - auch gezeigt, daß sich der, wenn ich so sagen darf, Gewerkschaftsflügel innerhalb der größten Regierungspartei offensichtlich mit seinen auch in den Sozialausschüssen im einzelnen dargelegten Auffassungen gegenüber den anderen Teilen der größten Regierungspartei nicht hat durchsetzen können. Wir haben das im Ausschuß zum Teil sehr dramatisch erlebt, als die größte Regierungspartei nicht gewillt war, über den hier 'behandelten Paragraphen bereits abzustimmen, weil sie mit gewissen Erörterungen in ihrem eigenen Kreise noch nicht vollständig fertig war. Als das dann geschehen war, wurde 'allerdings sehr rasch abgestimmt. Es handelt sich dabei um eine der beiden Bestimmungen, die allein dieses ganze Gesetzeswerk dazu hätten bringen können, daß es den Namen „Reform" wirklich verdient hätte. Weil das so ist, muß bei dieser Gelegenheit klargestellt werden, welche Bedeutung der Verlust hat, den der Rentner infolge der Formulierungen der Regierungsparteien und des jetzigen Entwurfs in den §§ 1275 ff. tatsächlich erlitten hat.
Ich möchte - insofern muß ich jetzt ein wenig auf die Debatte zurückgreifen - einige Ausführungen dazu machen. Der entscheidende und, wie durch die Ausführungen von Herrn Dr. Hellwig heute nachmittag noch einmal völlig deutlich geworden ist, eigentliche Unterschied zwischen den Auffassungen der Regierungsparteien und der SPD besteht in der Beurteilung dessen, was einmal „dynamische Rente" genannt worden ist und was jetzt „Produktivitätsrente" genannt wird.
Herr Dr. Hellwig - und auch Frau Kalinke in einem anderen Zusammenhang - hat von einer „Indexrente" gesprochen. Meine Damen und Her({3})
ren, das ist gerade das, was wir Sozialdemokraten nicht wollen. Das wollen wir bei dieser Gelegenheit noch einmal deutlich herausstellen. Was uns vorschwebt und wofür wir, wie wir glauben, den zutreffenden Ausdruck „Lohnwertrente" gewählt haben, ist eine Rente, die jeweils an den Wert des Lohnes oder Gehaltes angeglichen wird. Das heißt - und ich bitte Sie, gerade diese Ausführungen besonders mit Aufmerksamkeit zu verfolgen -, daß die Rente nach unserer Auffassung jeweils an den Lebensstandard angeglichen werden soll, der sich in den Löhnen und Gehältern der aktiv Beschäftigten ausdrückt. Die Alten und die Berufsunfähigen sollen also an dem jeweils erreichten Lebensstandard der aktiv tätigen Arbeitnehmer teilhaben. Ich habe mit großer Freude den Ausführungen des Kollegen Stingl heute nachmittag entnommen, daß diese Auffassung von diesem Flügel der CDU ebenfalls geteilt wird. Herr Kollege Stingl hat gesagt, der Zusammenhang zwischen den in Arbeit Stehenden und den Rentnern müsse gewahrt werden oder gewahrt bleiben. Ich glaube, daß das etwa dem entspricht.
Uns kommt es darauf an, daß der Rentner, also der alte Mensch bzw. derjenige, der das Unglück hat, vorzeitig berufsunfähig zu werden, nicht aus der Schicht, in die er lebens- und existenzmäßig nun einmal eingebettet ist, herausfällt. Er hat etwas geringere Bedürfnisse - das wissen wir alle -; aber im Grunde soll er im Rahmen dieser Schicht bleiben können. Er hat ja auch seine Beiträge zwangsweise entsprechend dem jeweiligen Lebensstandard seiner Schicht bezahlt. Wenn er nun Rentner geworden ist, soll er das, was er zwangsweise gezahlt hat, was ihm also pflichtmäßig abgezogen worden ist, sozusagen in dem gleichen Werte - ich sage nicht „Währung" - zurückgezahlt erhalten.
Ich habe auf dem Hamburger DGB-Kongreß gesagt - und ich scheue mich nicht, das hier noch einmal zu sagen -, der Rentner, der seine Beiträge zu einer Zeit gezahlt hat, in der man das Fernsehen noch nicht kannte, vor 30 oder 40 Jahren, soll, wenn er Rentner wird und wenn für ihn als Rentner wahrscheinlich das Fernsehen sogar eine größere Bedeutung hat als für den aktiv Tätigen, die Möglichkeit haben, den Lebensstandard seiner Schicht, also den Lebensstandard der heutigen Arbeiter und Angestellten, zu erreichen. Das ist der Sinn der Lohnwertrente.
Der Sinn der Lohnwertrente - und damit komme ich nun zur negativen Abgrenzung - ist nicht die Anpassung an den Preis. Selbstverständlich ist in dem Lebensstandard, den der Arbeitnehmer erreicht hat, die Preisentwicklung mitent-halten. Aber insofern besteht hier bei den §§ 1276 ff., also bei der Anpassung der laufenden Renten an eine Entwicklung, die sich draußen vollzieht, ein Unterschied gegenüber der erstmaligen Festsetzung der Rente. In der Vergangenheit - das kann niemand unter uns leugnen, und die Statistiken des Bundesarbeitsministeriums geben darüber auch Auskunft - ist zw eifellos in den Löhnen neben einer Steigerung der Lebenshaltung der Arbeitnehmer auch die Preisentwicklung zum Ausdruck gekommen. Wenn also in der Festsetzung der Rente die Vergangenheit mit berücksichtigt wird, so wird selbstverständlich gleichzeitig der Preis, soweit er sich infolge inflationärer Entwicklungen geändert hat, mit berücksichtigt. Hierin sind wir uns einig bis auf den Punkt, daß Sie diese Berücksichtigung in dem Sonderparagraphen (I gegebenenfalls irgendwie abschwächen wollen. Bei der Anpassung der laufenden Renten handelt es sich aber - und das möchte ich noch einmal betonen, weil es für unsere gesamte Argumentation wichtig ist - um die Anpassung an den Lebensstandard der Arbeitnehmer. Etwaige Preisänderungen werden nur insoweit berücksichtigt, als sie bei den Löhnen und Gehältern schon berücksichtigt sind, einmal mehr, einmal weniger. Daran soll der Rentner entsprechend teilhaben.
Es handelt sich also nicht um die Indexrente. Ich glaube, daß wir in dieser Debatte unter Leuten, die von diesen Dingen etwas verstehen, das Wort „Indexrente", das leider draußen vielfach gebraucht worden ist, vermeiden, ausradieren sollten.
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- Herr Dr. Hellwig, es ist um so besser, wenn auch Sie es nicht gewollt haben. Dann ist festzustellen, daß wir in diesem Raum von einer Indexrente nicht sprechen wollen.
Soweit etwa eine sogenannte schleichende Inflation stattgefunden hat, stehe ich nicht an, zu sagen, daß ich die Begründung des Regierungsentwurfs durch das Bundesarbeitsministerium insofern bedauere, als sie auf dieses Moment zu stark Wert gelegt hat, während sie an anderer Stelle durchaus die Anpassung an den Lebensstandard genannt hat. Wenn wir also die Frage der schleichenden Inflation hier einmal kurz mit behandeln müssen, so stellen wir fest, daß die Anpassung an die laufende Rente, sofern - sofern! - eine inflationäre Entwicklung sich irgendwo abzeichnet, diese mit enthalten kann. Sie registriert eine solche Entwicklung, sie erzeugt sie aber nicht.
Ich habe mit Freude - zu meiner freudigen Überraschung, darf ich sogar sagen - von Herrn Dr. Hellwig gehört und greife das auf, daß er sich insofern für die CDU von den Auffassungen der FDP, die Herr Dr. Jentzsch sehr sachlich vorgetragen hat, abgesetzt hat, daß also die Politik, wenn sie es nicht fertigbringt, inflationäre Entwicklungen zu beseitigen oder zu bereinigen, diese Entwicklung für die Rentner natürlich berücksichtigen muß.
Aber, hat denn eine Änderung der Währung in den vergangenen Jahren, die wir hier in Betracht zu ziehen haben, also seit der Festlegung der D-Mark, nicht stattgefunden? Ich habe hier die Zahlen über den Standard der mittleren Verbraucherfamilie zur Hand, die mir nachweisen, daß in dieser Zeit, seit 1948/49, der innere Wert - ich betone: der innere Wert - der Mark einer leider ständig schwankenden Entwicklung ausgesetzt war. 1949 war, nachdem in der ersten Hälfte 1948 eine Punktzahl von 142 gegenüber 100 im Jahre 1938 erreicht war, die Punktzahl 166. Im Jahre darauf, 1950, waren 156, also 10 Punkte weniger zu verzeichnen. Zwei Jahre später, 1952, waren es 171 Punkte, also 15 Punkte mehr. 1953 gab es einen Rückgang um 4 Punkte auf 167 Punkte. 1956 war ein Wiederansteigen um 10 Punkte auf 176 Punkte zu verzeichnen. In diesen Tagen ist die Statistik erschienen, die mit 178 eine noch höhere Punktzahl ausweist. Worauf es hier ankommt, ist, daß der innere Wert der Mark in diesen sechs, sieben Jahren ständigen, und zwar erheblichen Schwan({5})
kungen ausgesetzt war. Nach unserer Auffassung ist es notwendig, die Rente diesen Preisschwankungen anzupassen. Die Preisanpassung - das möchte ich abschließend noch einmal sagen - ist eine Nebenwirkung der Lohnwertrente; sie ist nicht das eigentliche Anliegen.
Nun wird zweitens gesagt, die Rente berge, wenn sie eine solche Lohnwertrente sei, die Gefahr in sich, eine ständige Anziehungskraft auf andere abgeleitete Einkommen, etwa Kriegsopferrente, Unterhaltshilfe, Fürsorge usw., auszuüben. Das ist zweifellos richtig. Aber abgesehen davon, daß diese kriegsbedingten Einkommen, wie wir alle wissen, im Laufe der Zeit zurückgehen, möchten wir seitens der SPD und, wie ich glaube, auch in Übereinstimmung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestelltengewerkschaft ausdrücklich feststellen, daß wir eine solche Entwicklung für die abgeleiteten Einkommen, also für die Renten, durchaus anerkennen und für nötig halten, daß wir sie aber für die Löhne, also für die Einkommen der aktiv Tätigen, ablehnen. Ich muß hinzufügen, daß nach der Auslassung des führenden Volkswirtschaftlers der IG Metall Friedrich im „Sozialen Fortschritt", der das bekräftigt hat, auch der Deutsche Gewerkschaftsbund - ich habe mich vorhin noch einmal erkundigt --- und die Deutsche Angestelltengewerkschaft den sogenannten Indexlohn ablehnen.
Herr Kollege, Sie haben jetzt zum zweitenmal im Namen des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Deutschen Angestelltengewerkschaft gesprochen. Darf ich fragen: Sind Sie autorisierter Sprecher dieser Organisationen, und haben diese Sie darum gebeten?
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Nein, Frau Kollegin Kalinke, aber so, wie Sie heute nachmittag als Mitglied einer christlichen Gewerkschaft gesagt haben, sie habe diesen und jenen Standpunkt vertreten, so glaube ich allerdings, hier auch das ausführen zu können.
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Ich habe gesagt, daß ich mich zuvor noch einmal erkundigt habe, daß die Gewerkschaften diesen Standpunkt tatsächlich vertreten. - Diese kleine polemische Auseinandersetzung nehme ich durchaus auf mich.
Meine Damen und Herren, es lag mir daran, noch einmal festzustellen, daß, wie ich glaube - ich sage jetzt: glaube; mehr kann ich natürlich nicht sagen -, eine solche Gefahr, wie sie Frau Kollegin Kalinke für Frankreich und andere Länder gezeichnet hat, die Gefahr einer Indexlohnentwicklung, für Deutschland nicht gegeben ist, jedenfalls nicht aus der Lohnwertrente entspringt.
Sie gestatten mir dazu noch eine persönliche Bemerkung; ich sage: eine persönliche Bemerkung. Ich
tglaube, daß die eben genannte nationalökonomische berlegung dazu führen muß, zu sagen, daß das sogenannte Abschnittsdeckungsverfahren außerordentlich problematisch ist, weil wir alle miteinander nicht wissen können, ob nach dem Zeitraum von zehn Jahren, den wir also jetzt gewählt haben - ich gebe zu: auch im SPD-Entwurf - der etwa angesparte Betrag noch denselben Lebensstandardwert - ich sage nicht Währungswert - hat, den er am Anfang des Ansparen tatsächlich darstellte. Ich könnte mir vorstellen, daß beim Abschnittsdekkungsverfahren die Rentner mit verlieren, wenn die betreffenden Kapitalien an Wert verlieren.
Nun noch ein Wort zu den Ausführungen über die Inflationsgefahr. Ich bedauere, daß ich die Dinge hier etwas ausführlicher darstellen muß; aber es ist, glaube ich, notwendig, weil wir im Ausschuß im Effekt leider nicht zu einer solchen Aussprache gekommen sind. Ich habe damals schon gesagt: Dann müssen wir in Gottes Namen im Plenum von diesen Dingen sprechen, auch schon deshalb, weil sich die Öffentlichkeit mit diesen Fragen sehr stark beschäftigt hat und weil sie auch uns alle selber ernstlich bewegen. Es wird gesagt, das inflationierende Element könne bereits in der ersten Rentenerhöhung des Jahres 1957 liegen. Wir haben jetzt einen Plafond von ungefähr 5 Milliarden DM, der als Mehrbetrag im Jahre 1957 in Erscheinung treten soll. Wir wissen alle, daß davon echte Kaufkraftsteigerung, nicht Übertragung von Kaufkraft von der einen Seite auf die andere, etwa die Hälfte, etwa 2,5 bis 3 Milliarden DM, sein wird.
Wenn gesagt wird, daß dieser Betrag von etwa 2,5 Milliarden DM im Jahre 1957 inflationierend wirken könne, wird vor allem eines übersehen: daß dieser Betrag dem System nach nicht auf einmal ausgegeben werden soll, sondern daß er sich, da es sich um Monatsrenten handelt, auf 12 Monate verteilt, also im Schnitt mit etwas über 200 Millionen DM monatlich in Erscheinung tritt oder mit zwei Tausendstel der Verbrauchsquote, wenn wir sie der einfachen Rechnung halber zunächst einmal mit 100 Milliarden DM annehmen.
Es entbehrt allerdings nicht der Ironie, daß die Regierungsparteien unserem Vorschlag, diese Monatsrenten jetzt schon im Januar, Februar, März, April, und was sonst noch in Betracht kommt, monatlich auszuzahlen, nicht gefolgt sind, sondern, wie wir glauben - Kollege Jentzsch hat das in seiner vornehmen Art ausgeführt -, sicherlich aus Gründen, die nicht ganz unberücksichtigt lassen, daß in wenigen Monaten Wahlen sind, diese Summe erst zu einem späteren Zeitpunkt, im April oder Mai, zur Auszahlung bringen wollen. Es entbehrt, sagte ich, nicht der Ironie, daß es aus diesem Grund dahin kommen wird, daß dann allerdings 1,5 Milliarden DM auf einmal ausgezahlt werden.
Wenn man nun etwa davon sprechen wollte, daß diese 2,5 Milliarden DM im Jahr 1957 inflationierend wirken könnten, muß doch einmal in allem Ernst darauf hingewiesen werden, daß z. B. die auch von Herrn Geheimrat Vocke im Ausschuß genannten Ausgaben für den Wehrbeitrag, die nicht 9 Milliarden, sondern, wie wir alle wissen, in diesem Jahr rund 5 Milliarden betragen werden, viel eher inflationierende Wirkung haben könnten, weil ihnen auf der anderen Seite keine Erzeugung für den Verbrauch gegenübersteht. Das ist bereits der doppelte Betrag dessen, was bei den Renten in Betracht kommt.
Außerdem hat die Steuerermäßigung des vorigen Jahres zufällig etwa den gleichen Betrag von 2,5 Milliarden DM erbracht, der fast auf einmal zur Auszahlung kam. Der Gold- und Devisenstand der Bank deutscher Länder - gerade heute ist die Mitteilung gekommen - hat sich in diesen Tagen auf ungefähr 18 Milliarden DM gehoben, gegenüber dem Vorjahr wiederum ein Anwachsen um 5 Milliarden DM. Das, was man meines Erachtens fälschlich eine Inflation durch Import nennt - besser wäre es, von einer Exportinflation zu sprechen -, steht hier ebenfalls mit zur Debatte.
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In all diesen Fällen hat man in der Presse, im Rundfunk und in den Regierungsorganen von der Gefahr einer Inflation nichts zu lesen und zu hören bekommen. Erst als die Rentner mit ihrer Erhöhung um rund 2,5 Milliarden DM auf den Plan traten, erst dann hat man gesagt: Das ist aber inflationsgefährlich!
Es wurde. weiter gesagt - auch Herr Kollege Hellwig ist darauf eingegangen -, die Gefahr, die sich da abzeichne, sei darin zu sehen, daß die Entwicklung der Löhne durch die Anpassung der Renten an den Lohn gleichzeitig die Renten mit beeinflusse - also öffentliche Gelder -, daß die Gefahr einer Folgeentwicklung in Richtung auf die Inflation - die wir persönlich nicht sehen, die aber behauptet wird - durch das Anhängen der Renten an den Lohn gesteigert werde. Ich freue mich, auch hier mit Herrn Kollegen Hellwig darin einig zu sein, daß, wenn die Renten nicht durch ein automatisches Anhängen an den Lohn angepaßt werden, das Anpassen durch das Parlament doch erfolgen muß. Es ist ja von einem Mitglied des Arbeitsministeriums einmal darauf hingewiesen worden, daß das in den vergangenen fünf Jahren praktisch schon geschehen ist mit rund 48 % auf der Lohn- und auf der Rentenseite.
Wenn also nun gesagt wird, das Anhängen der Renten an den Lohn würde die Gefahr der Lohninflationierung steigern, dann dreht man das Argument, um das es sich hier handelt, praktisch um. Meine Damen und Herren, das, was wir hier mit Sorge sehen, ist, daß man etwas ganz anderes meint als den Prügelknaben, den man sich hier ausgewählt hat, nämlich die Rentner.
Es ist auch bei der Sachverständigenvernehmung im Ausschuß seitens der Arbeitgeberverbände mit aller Deutlichkeit mit der staatlichen Einwirkung auf die Löhne, also mit der Verbindlicherklärung, gedroht worden. Das, was Herr Kollege Hellwig vorhin über den Sozialbeirat gesagt hat- ich freue mich wiederum, daß er so offen gewesen ist -, hat alle Befürchtungen bestätigt, die wir im Ausschuß ausgesprochen haben und die, wie wir wissen, vom Deutschen Gewerkschaftsbund - auch seinen CDU-Mitgliedern - bei der Vorsprache beim Bundeskanzler vorgebracht worden sind. Herr Dr. Hellwig hat nämlich gesagt, er habe die Hoffnung, daß das wirkliche Problem der lohnpolitischen Verantwortung der Sozialpartner durch den Sozialbeirat klargestellt und zur Sprache kommen werde und daß die Arbeitgeberseite - so darf ich es einmal kurz formulieren - sich aus diesem Grunde für diesen Sozialbeirat einsetze. Oder wollen Sie sagen: die CDU?
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- Gut; dann stelle ich das fest. Aber Sie werden mir zugeben, daß hier der Leiter des IndustrieInstituts sich nicht völlig von dem Sprecher für die CDU distanzieren kann.
Das ist die Befürchtung, die wir geäußert haben und die, wie ich weiß, die Gewerkschaften außerordentlich bewegt: daß der Sozialbeirat zu etwas ganz anderem benutzt werden soll als dem, wofür er hier zunächst einmal eingesetzt worden ist.
Und was soll der Sozialbeirat nun tatsächlich beurteilen? Er soll beurteilen die Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit - Herr Dr. Hellwig hat noch präzisiert: die konjunkturelle
Entwicklung -, die Produktivität und die Veränderung des Volkseinkommens. Ich habe im Ausschuß schon gesagt: Die Produktivität - Herr Professor Wessels, ein anerkannter Sachverständiger aus Köln, hat das schon einmal in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" dargelegt - in irgendeiner statistischen Größe festzustellen, ist unmöglich. Herr Dr. Hellwig, Sie wissen das genauso wie ich. Es könnte sich hier nur um Vermutungen handeln. Das gleiche, glaube ich, müssen wir gemeinschaftlich für den Begriff der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit feststellen.
Das einzige, was greifbar - mit Zahlen greifbar - wäre, wäre die Veränderung des Volkseinkommens. Und da ist es mir nun außerordentlich interessant, daß durch den Antrag der Deutschen Partei klargestellt werden soll, daß es sich hier nicht um die Nominalentwicklung des Volkseinkommens, sondern - wie es dort heißt - um das reale, sagen wir im Sinne der Ökonomen besser: um das preisbereinigte Volkseinkommen handeln soll. Das war auch die Auffassung des Herrn Wirtschaftsministers, als er seinerzeit sagte, die Giftzähne seien dieser Produktivitätsrente nun ausgebrochen. Wir müssen feststellen, daß mindestens eine Regierungspartei den Sozialbeirat auf diese „Entgiftung" der Produktivitätsrente festlegen will. Wir haben aus diesem Grunde vorgeschlagen, den gesamten Sozialbeirat in der Bestimmung über den Bericht der Bundesregierung zu streichen - die Ziffern 61 und 62 unseres Antrags - und nur das übrig zu lassen, was wir für erforderlich halten, nämlich einen alljährlichen Bericht der Bundesregierung über die Finanzlage der Rentenversicherung.
Nun kommt das letzte Argument, das vorgebracht wird: daß diese sogenannte Produktivitätsoder Lohnwertrente den Kapitalmarkt gefährde; es würden - so ist auch hier ausgeführt worden - eine Sparmark und eine Rentenmark geschaffen. Ein Konkurrenz der Altersrente oder der Berufsunfähigkeitsrente gegenüber dem Sparen auf Sparkassen und ähnlichen Instituten ist aber nach dem Ausweis des Verbandes der Giro- und Sparkassenverbände nicht zu befürchten. Denn diese Verbände haben für 1955 festgestellt, daß ein solcher Betrag - der hier vergleichsweise nur in Betracht kommen kann, nämlich ein Betrag über 10 000 DM Ansparung - bei sage und schreibe noch nicht einmal einem halben Prozent sämtlicher Sparbeträge zu verzeichnen ist. Die Bank deutscher Länder hat weiterhin festgestellt, daß dieser Betrag mindestens zur Hälfte von öffentlichen Körperschaften und juristischen Personen in Anspruch genommen wird. Es kann keine Rede davon sein, daß die Lohnwertrente mit dem Sparen in irgendeine Konkurrenz treten kann. Der Vergleich „Sparmark" und „Rentenmark" trifft für das Sparen überhaupt nicht zu.
Wofür er in Betracht kommen könnte, wären allein die private Lebensversicherung und der damit in Frage kommende Bereich. Aber da die Rente nunmehr, nach diesem Gesetzentwurf, nominell nur 60 % des Lebensarbeitseinkommens betragen soll und, wie mein Kollege Schellenberg ja ausgeführt hat, praktisch wesentlich weniger - ich schätze: etwa nur 52 % - Altersrente erbringt, kann keine Rede davon sein, daß eine Konkurrenz zu den Lebensversicherungen privater Art eintritt; denn die Lebensversicherung, deren Hauptgeschäft ja die Kleinlebensversicherung mit Versicherungssummen von rund 500, 600 DM ist, ist im Grunde nur eine
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Ergänzung zu der Sozialrente gewesen. Die Schweizer, die skandinavischen und die englischen Erfahrungen haben sogar erwiesen, daß dann, wenn eine Altersrente dieser Art eingeführt wird, das Geschäft der privaten Lebensversicherungen noch ansteigt. Eine Gefährdung im Sinne „Sparmark - Rentenmark" ist also schlechterdings nicht zu befürchten.
Es bleibt das einzige Argument, daß das Kapital des Wohnungsmarktes gefährdet sein könnte. Hier hat Herr Minister Preusker ja bei der Debatte vor kurzem sehr stark darauf hinweisen zu müssen geglaubt, daß die Gefahr bestünde, daß durch diese Rentenfestsetzung die Hypotheken des Wohnungsmarktes gefährdet seien. Meine Damen und Herren, stellen wir doch einmal die Größenordnungen fest! An ersten und zweiten Hypotheken fehlen für 1957 - ich habe mich noch einmal erkundigt - rund gerechnet 1,8 bis 2 Milliarden DM. Was die Rentenversicherungsträger in den vergangenen Monaten wegen der Unsicherheit der Entwicklung dieses Gesetzes zurückgehalten haben, sind bestenfalls 300 bis 400 Millionen DM. Da nun das Abschnittsdeckungsverfahren offensichtlich in dieses Gesetz hineinkommt, ist die Gefahr, die Herr Preusker hier so groß an die Wand malen zu müssen glaubte, praktisch überhaupt nicht vorhanden. Auch hier ist mit falschen Argumenten gearbeitet worden.
Wir können also feststellen: eine Gefährdung des Kapitalmarktes durch die Lohnwertrente ist nicht gegeben.
Nun könnten Sie sagen: Aber eines ist ja Tatsache, nämlich daß die Zahl der alten Menschen ansteigt - wie wir nach den Unterlagen des Arbeitsministeriums wissen, bis 1978 um rund 60 %. Inwieweit die Versicherungsmathematiker auf diesem Gebiet mit ihrer Beurteilung der Lebenserwartung nicht recht gehabt haben, habe ich gestern abend dargelegt. Das brauche ich hier nicht noch einmal zu sagen. Aber wir wissen, daß die steigende Zahl der alten Leute nichts mit der Lohnwertrente zu tun hat. Das werden Sie mir zugeben; denn ohne Lohnwertrente stünden wir genau vor dem gleichen Problem. Herr Dr. Hellwig nickt; ich möchte das für das Protokoll hier festgehalten wissen.
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- Sehr richtig! Wenn das also so ist, dann ist es doch wohl systematisch falsch, die Altersrente und Berufsunfähigkeitsrente in ihrer Finanzierung voneinander zu trennen und wie im Regierungsentwurf und im Ausschußentwurf die Altersrente allein auf die Beiträge abzustellen.
Selbstverständlich müssen sich die Beiträge im Laufe der Zeit erhöhen, wenn die Zahl der alten Leute steigt. Und nun komme ich auf das zurück, was ich zur Rehabilitation gesagt habe, und hier unterscheiden wir uns eben im System des Ansatzes von den Mathematikern der Privatversicherung. Ich betone noch einmal: ich mache den Mathematikern der Privatversicherung keinerlei Vorwürfe, daß sie so rechnen, wie sie es getan haben. Aber hier müssen wir als Sozialpolitiker andere Ansätze wählen. Wir müssen nämlich fragen, ob die von mir mehrfach apostrophierte ständige Steigerung der Berufsunfähigkeitsrente sich irgendwie eindämmen läßt. Ich habe bei der Rehabilitation davon gesprochen. Ich glaube, daß das möglich ist. Ich kann Ihnen auf Grund eigener und im Kreise meiner Freunde angestellter Berechnungen sagen, daß wir dann, wenn der Gesamtkomplex der Gesundheitssicherung so eingesetzt wird, wie das deutsche Volk es dringend benötigt, eine Steigerung der Beiträge bis 1978 überhaupt nicht brauchen, sofern Alter und Berufsunfähigkeit finanziell zusammengefaßt werden.
Ich darf abschließend sagen: Die Lohnwertrente - ich präzisiere noch einmal: die jährliche automatische Anpassung der Renten an den durchschnittlichen Lohn- und Gehaltsstand des Vorjahrs hat, wie - das brauche ich hier nur zu erwähnen - auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums dargelegt hat, keinerlei konjunkturelle Gefahren, wenn sie jährlich erfolgt.
Zweitens glaube ich dargelegt zu haben, daß die in der Öffentlichkeit, in der Presse und von bestimmten Interessenten vorgebrachte Gefährdung der Währung, der inneren Währung, mit dieser Lohnwertrente nicht verbunden ist.
Drittens wäre aber tatsächlich eine politische Gefahr gegeben, wenn wir diese Lohnwertrente nicht hätten; denn nach kurzer Zeit müßte sich beim Anhängen etwa an die Produktivität - dieser sagenhafte Begriff! - oder an das Volkseinkommen, geschweige denn an das preisbereinigte Volkseinkommen, zwischen der Entwicklung der Renten auf der einen Seite und der Entwicklung der Löhne und Gehälter auf der anderen Seite eine Diskrepanz ergeben, die dazu führen müßte - und so habe ich auch Herrn Dr. Hellwig heute verstanden -, daß nach bestimmter kürzerer Zeit das Parlament genötigt wäre, das, was in diesem Gesetzentwurf steht, zu bereinigen. Herr Dr. Grüning, der anerkannte Nationalökonom des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts, hat ausgerechnet, daß schon im Jahre 1961 nach dem Regierungsentwurf die Renten um nicht weniger als 20 % hinter der Entwicklung der Löhne einherhinken müßten.
Aber, meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, diese ökonomischen Betrachtungen nun noch von einer ganz anderen Seite mit zwei Worten fortzusetzen. Es entspricht nicht - nehmen Sie mir bitte das Wort in allem Ernst ab - der Menschenwürde des Rentners, ihn allein, sozusagen als einziges Glied der Gesellschaft den Gefahren der Inflationierung auszusetzen, ohne daß er - der Rentner - sich so wehren kann, wie das die Arbeiter und Angestellten in ihrer Lohn- und Gehaltsentwicklung tun können.
Und noch ein letztes Argument vom versicherungstechnischen Standpunkt aus; es ist bereits angeklungen. Wenn wir zwangsweise Beiträge so einziehen, wie die Löhne sich im Augenblick der Beitragseinziehung entwickelt haben, dann ist auch der Rechtsanspruch des Rentners gegeben, in späteren Jahren die Leistungen aus diesem Beitrag in der Lebensstandardwährung - so möchte ich mich ausdrücken - ausgezahlt zu bekommen, in der er damals seinen Pflichtbeitrag gezahlt hat. Jedes andere Vorgehen - nehmen Sie mir bitte auch dieses Wort ab - ist - so möchte ich es ausdrücken - ein Raub an dem Lebensabend des Rentners und insofern auch des Arbeitnehmers. Was nützt es denn dem Arbeitnehmer, wenn Sie ihm heute im Gesetz sicherlich für das Jahr 1957, wahrscheinlich auch für das Jahr 1958 eine Rente mit einem ganz bestimmten Lebensstandard in
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Beziehung zu dem der aktiv Tätigen zusagen und sicherlich auch geben werden, wenn Sie ihm aber eine Garantie in den §§ 1276 ff. dafür verweigern, daß das so bleibt; daß er also in der Gefahr steht, eines Tages gegenüber den aktiv Beschäftigten in der Relation seiner Rente wieder abzusinken?
Der Rentner - ein Mensch, meine Damen und Herren - hat gerade dann, wenn er aus dem aktiven Leben heraussteigt, das Recht, wie wir glauben, auf Grund seiner gesamten Lebensarbeit an dem erworbenen Lebensstandard des Volkes teilzunehmen und einen ruhigen Lebensabend zu haben. Der Gesetzentwurf aber bringt jedes Jahr, wenn es gut geht, ein neues Gesetz. Hier möchte ich noch einmal warnen. Ein neues Gesetz im Parlament heißt eine Erörterung der Preisentwicklung, nicht der Lebensstandardentwicklung. Wir sind uns alle im klaren, daß das auf eine Preisdiskussion hinausläuft. Wir könnten - übertrieben, wie ich zugebe - sagen: Jedes Jahr eine Inflationsdebatte. Das ist genau das, was nicht sein soll, nämlich die ständige Erinnerung der Menschen, daß Inflationsgefahr bestehen könnte. Die automatische Anpassung dagegen vermeidet ein solches ständiges Gespräch. Deshalb unsere Anträge unter den Ziffern 60 bis 64, die ich hier zusammen begründet habe.
Ich möchte damit schließen, daß ich sage, was wir wollen und was wir bitten, durch Annahme unserer Anträge Wirklichkeit werden zu lassen: Wir wollen dem Rentner ein wirklich sorgenfreies Leben ermöglichen. Wir möchten, daß er durch die Lohnwertrente ein Leben ohne Angst und Furcht vor Not erreicht.
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Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Herr Vorredner hat eingangs seiner Rede ausgeführt, daß ich zunächst dem Vorschlag Dr. Schreiber zugestimmt hätte, dann aber unter dem Druck der Lebensversicherungsgesellschaften und anderer Gruppen diese erste Stellungnahme aufgegeben und der Produktivitätsrente zugestimmt hätte. Diese Darstellung ist unzutreffend.
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Dr. Schreiber hat den Ihnen bekannten Vorschlag gemacht. Der Vorschlag ist dann in dem Sozialausschuß des Kabinetts unter meinem Vorsitz diskutiert worden. Es sind damals gewichtige Bedenken dort laut geworden, und zwar ehe in der Öffentlichkeit irgendeine Reaktion dagegen erfolgt war. Ich lege nämlich entscheidenden Wert darauf, festzustellen, daß ich nicht etwa einem Druck der Lebensversicherungsgesellschaften und anderer Gruppen gefolgt bin, sondern daß in dieser Sitzung des Sozialausschusses des Kabinetts nach langer Überlegung schließlich mit Zustimmung des Herrn Dr. Schreiber diese sogenannte Produktivitätsrente so herausgekommen ist, wie sie Ihnen heute vorgelegt wird.
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Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Preller behauptete, ich hätte in einer Rede in Köln gefordert, daß die Rente gerade das Existenzminimum decken sollte. Diese Behauptung, der ich bereits in einer Anfrage der SPD widersprochen habe, ist unwahr. Ich habe gesagt - und zwar in positiver Einstellung zu dem Gedanken einer Produktivitätsrente -, daß, wenn dieses Gesetz verabschiedet sein wird, kein Deutscher mehr Not leiden solle. Aus der Formulierung „kein Deutscher solle mehr Not leiden" zu folgern, daß ich den Rentnern nur das Existenzminimum zubilligen wollte, ist eine demagogische Verdrehung des Tatbestandes.
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Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Herr Bundeswirtschaftsminister, - -({0})
Ja, wollen Sie sich unter sich unterhalten oder mit mir?
Herr Bundeswirtschaftsminister, warum haben Sie Ihre Zusage, die Sie mir in der Fragestunde gegeben haben, den Wortlaut der Kölner Rede zu veröffentlichen, bisher nicht eingehalten?
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Entschuldigen Sie, vielleicht haben Sie schon einmal gemerkt, daß ich nie Reden nach Manuskript halte.
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Ich dachte, Sie haben die Rede auf Band oder sie ist auf Band aufgenommen worden, und dazu habe ich gesagt, daß ich nichts dagegen hätte, wenn sie veröffentlicht würde. Aber Sie müßten noch auf das erste Mal warten, daß ich in einer öffentlichen Rede nach Manuskript spreche!
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Noch eine Zwischenfrage, Herr Minister?
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- Was heißt „Nein"? Überlassen Sie es bitte doch dem Minister, zu antworten.
Bitte.
Entspricht es den Tatsachen, daß Sie sich das Band dieser Rede von den Veranstaltern angefordert haben, Herr Minister?
Nein, das habe ich nicht getan.
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Aber ich möchte noch etwas Weiteres sagen. Wie richtig meine Behauptung ist, geht auch daraus hervor, daß ich in der besagten Rede in Köln gesagt habe, eine Produktivitätsrente - d. h. eine bewegliche Rente - scheine mir auch deshalb gerechtfertigt und billig zu sein, weil wir erwarten könnten, daß die Produktivität, die Leistungskraft unserer Volkswirtschaft weiter fortschreite, und daß eine Rente, die sich nach dem alten Versicherungsprinzip aus der klassischen Formel errechnet, für den Rentner, der 40 Jahre treu gearbeitet hat, mit unseren Vorstellungen von einem würdigen und zumutbaren Lebensstandard nicht mehr in Einklang zu bringen ist. Aus diesem Grunde sei eine bewegliche Rente, eben diese Produktivitätsrente, wünschenswert und notwendig.
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Ich habe allerdings dazu gesagt - und das scheint mir bei Versicherungsgesellschaften nicht gerade abwegig zu sein -, daß ich wünsche und daß es mir auch volkswirtschaftlich notwendig erscheint, den Sparwillen und die Sparfähigkeit zu erhalten.
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Gerade Sie ({3}), die Sie mit der Automation den ungeheuren Kapitalbedarf der deutschen Volkswirtschaft besonders herausgestellt haben, müßten eigentlich dafür besonders Verständnis haben.
({4})
Ich habe dann hinzugefügt, daß zwischen dynamischer Rente und Produktivitätsrente allerdings ein Unterschied besteht. Eine dynamische Rente kann mindestens so ausgelegt werden, als ob sie rein indexmäßig gebunden sein sollte,
({5})
während eine Produktivitätsrente - von den Maßstäben will ich jetzt nicht sprechen - auf alle Fälle besagt, daß der Rentner an den Fortschritten der Produktivität, an der höheren Effizienz der menschlichen Arbeitsleistung auch dann teilhaben soll, wenn er nicht mehr aktiv im Erwerbsleben steht.
Aber nun möchte ich einmal fragen: welchen anderen Ausweg wissen denn eigentlich Sie?
({6})
Wenn ein Volk in einer Volkswirtschaft mehr verzehren, mehr konsumieren möchte, dann gibt es nur einige Wege. Entweder es ist bereit, mehr zu arbeiten, oder aber es wird die Produktivität gesteigert; drittens kann man noch Schulden machen, aber das reicht nicht lange hin. Einen anderen Ausweg zu einer Erhöhung des Lebensstandards gibt es für ein Volk nicht.
({7})
Wenn Sie es versuchen möchten, dann machen Sie den untauglichen Versuch des Mannes, der sich an den eigenen Haaren hochheben wollte.
({8})
Sie müßten es sogar am besten wissen, denn solche Versuche sind in sozialistischen Ländern allenthalben gemacht worden und haben dann stets zu einem steigenden Preis-Trend, zu einer inflationären Entwicklung geführt.
({9})
Herr Kollege Preller, ich weiß nicht: sind Sie Nationalökonom oder Arbeitsrechtler?, aber wenn Sie das nicht glauben wollen, dann bin ich gern bereit, Ihnen die wissenschaftliche Literatur über dieses Phänomen nachzuweisen.
({10})
Es ist des weiteren auch nicht richtig, daß etwa von seiten der CDU oder irgendeiner Regierungsseite jeweils immer nur das Rentengesetz als die mögliche Quelle einer Inflation hingestellt worden wäre. Im Gegenteil - ich weiß nicht, welche Zeitung Sie lesen -; es geht nun wirklich wie ein roter Faden durch die ganze Presse, daß die Export- und Zahlungsbilanzüberschüsse, die wir erzielen, im Innern eine Geldflüssigkeit erzeugen, die inflationistisch wirkt. Aber ich bin auch hier bereit, Ihnen für die letzten anderthalb Jahre nachzuweisen, daß gerade dieses Problem die öffentliche Meinung und auch die Presse fortdauernd beherrscht hat. Also: auch diese Behauptung ist abwegig.
Herr Kollege Preller meinte, die Messung der Produktivitätssteigerung sei nicht möglich. Ich gebe gern zu, sie ist nicht ohne Problematik, aber das wesentlich deshalb, weil sich die Zusammensetzung des Sozialprodukts ändert. Aus diesem Grunde habe ich auch nie etwa nur daran gedacht, geschweige denn es ausgesprochen, weil es ein Unsinn wäre, daß die Rente an die Produktionssteigerung gebunden sein sollte, ich habe vielmehr gesagt: an die Produktivitätssteigerung. Und zwischen Produktionssteigerung und Produktivitätssteigerung besteht immerhin ein gravierender Unterschied.
({11})
Dann noch etwas! Die Produktivitätssteigerung kann man schon messen, aber nicht so, wie Sie es mir in die Schuhe schieben möchten, wenn Sie sagten, daß ich dafür als Maßstab das preisbereinigte Sozialprodukt gefordert hätte. Nein, das preisbereinigte Sozialprodukt gibt nur einen Wertvergleich wieder bzw. scheidet dabei Wertveränderungen aus. Die Produktivitätssteigerung bekommen Sie dann, wenn Sie das preisbereinigte Sozialprodukt durch die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden oder durch die Zahl der Beschäftigten dividieren. Dann haben Sie aber einen durchaus brauchbaren Maßstab. Glauben Sie denn, die Statistiker und die Ämter, die fortdauernd einen Prozentsatz der Produktivitätssteigerung ausweisen, saugen sich das aus den Fingern? Die rechnen sich das wohlweislich aus und haben dafür auch gute Unterlagen.
({12})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Preller!
({0})
- Lassen Sie doch Herrn Dr. Preller sprechen! Ich vergesse nicht, daß die anderen Anträge auch noch begründet werden müssen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte eigentlich an den Herrn Bundeswirtschaftsminister eine Frage stellen wollen. Da dies durch den Abgang des Herrn Ministers und weil er offenbar meine Hand nicht gesehen hat eben nicht möglich war, stelle ich die Frage von diesem Ort. Ich möchte im Augenblick auf die Ausführungen noch nicht im einzelnen eingehen.
({0})
- Nein, meine Damen und Herren, stellen Sie sich selbst doch nicht dieses Armutszeugnis aus!
({1})
Ich habe den Eindruck, daß Herr Professor Erhard auf die Fülle der Argumente, die ich gegen die Behauptung vorgebracht habe, daß die Lohnwertrente inflationierend oder den Kapitalmarkt gefährdend wirke, gar nichts erwidert hat.
({2})
Darf ich daraus entnehmen, daß Herr Professor Erhard meine Argumentation annimmt? Dann würde das heißen, daß er der Lohnwertrente die Möglichkeit zubilligt, weder inflationierend zu wirken noch den Kapitalmarkt zu gefährden. Wenn das der Fall ist - und hier nun meine Frage an den Herrn Wirtschaftsminister -, wie kommt er dann dazu - er hat es eben wieder angedeutet; ich meine aber die Äußerung im Bulletin; das war das Entscheidende, Herr Minister, und nicht Ihre Rede vorher, die ich aus der Presse zitiert hatte; Sie sind insofern ein wenig ausgewichen -, wie kommt er dazu, zu sagen, daß er nur das preisbereinigte Sozialprodukt als eine der entscheidenden Grundlagen anerkennen will? Wissen Sie nicht, Herr Minister Erhard, daß damit die Rentner in kürzester Zeit in ihrem Verhältnis zu den Lohn- und Arbeitseinkommen, wir können auch sagen, zu den Einkommen der gesamten Bevölkerung wieder in eine Diskrepanz kommen müssen, die, wie ich meine und sicher auch Sie meinen, politisch nicht tragbar ist? Darum handelt es sich.
Wir fordern ja die automatische Anpassung deshalb, weil wir die jährliche Rentendiskussion als ein Politikum aus der gesamten Diskussion ausgeschieden haben möchten. Das ist unser innerstes Anliegen, und ich wäre dankbar, wenn die Regierung und die Regierungsparteien sich zu diesem Standpunkt - Herr Dr. Hellwig hat ihn in seiner Rede heute nachmittag anklingen lassen - bekennen würden. Dann müßten Sie aber konsequenterweise für unsere Vorstellung der laufenden Anpassung der Renten an die Löhne und Gehälter eintreten. Das ist die einzige logische Konsequenz, und zwar nicht nur, weil wir es so meinen.
Sie wissen alle, daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums unter dem Vorsitz des Herrn Professors von Beckerath, der das in unserem Ausschuß ja noch einmal wiederholt hat, ebenso dafür eingetreten ist, daß die Lohnwertrente an die Löhne und Gehälter angepaßt wird, und zwar jährlich. Damit Sie mir nicht erwidern, er habe noch etwas anderes gesagt, füge ich hinzu: der Beirat hat gesagt, daß es gleichzeitig auf die Höhe der Rente ankäme.
({3})
- Natürlich, bitte schön! Ich möchte nicht, daß wir die Diskussion verschieben, sondern daß wir sie bei dem Punkt halten, auf den es hier ankommt: auf die Frage, an was die Rente laufend angepaßt werden soll und kann, wenn wir einer ständig wiederkehrenden jährlichen Diskussion um die sogenannte Inflation ausweichen wollen. Das ist die ernste Frage, die wir seitens der Sozialdemokratie an die Regierungsmehrheit und an die Regierung richten.
Die gesamte Frage der Vorgeschichte, Herr Bundeskanzler, habe ich lediglich deshalb erwähnt, um aufzuzeigen, wie mindestens in den Augen des scharf beobachtenden und nicht in den Regierungsparteien sitzenden Mitbürgers sich die Dinge abgespielt haben. Wenn der Bundesverband der Deutschen Industrie - bitte, legen Sie mich auf das Datum nicht genau fest, aber ich glaube, es war der 14. Februar des vergangenen Jahres - gesagt hat: nicht „dynamische", sondern „Produktivitätsrente", und genau am Tage darauf, also dann am 15. Februar, das Sozialkabinett gesagt hat, aus sprachlichen Gründen - aus sprachlichen Gründen! - solle nicht mehr von dynamischer, sondern von Produktivitätsrente gesprochen werden, dann, Herr Bundeskanzler, wird der Mann auf der Straße mit seinen Gedankengängen zwangsläufig in eine Richtung geführt, die Sie vielleicht nicht haben wollen, die aber im Effekt erreicht worden ist.
Das, was ich Ihnen dargelegt habe, ist das ständige Zurückweichen bis in die letzten Phasen der Ausschußberatungen hinein. Der Ausschuß hatte durch die Regierungsmehrheit den Sozialbeirat gestrichen. Dann kam die Verhandlung der CDU ich zitiere nur die Presse, denn ich war naturgemäß nicht dabei - in Königswinter, wo - so sagte die Presse - der Leiter des Industrieinstituts, Herr Dr. Hellwig, einen Kompromißvorschlag vorlegte, der u. a. den Sozialbeirat enthielt.
Auch hier, meine Damen und Herren, kommt es auf das an, was sich nach draußen hin abspielt. Dieser Sozialbeirat ist - Herr Dr. Hellwig hat es noch einmal gesagt - für die Kreise, die hinter ihm stehen, nicht nur ein Beirat für die Entwicklung der Rente. Er ist für sie ein Instrument, um die Lohnentwicklung zu prüfen und damit praktisch in den Zügel zu bekommen. Das ist doch der Sinn dieses Sozialbeirats! Wenn Sie das nicht wollen, - meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor: streichen Sie doch den Sozialbeirat! Dann ist das Argument, das ich gestern vorgebracht habe, sofort beseitigt.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf eine konkrete Frage Antwort geben. Wenn sich die Löhne in dem Maße der Produktivitätssteigerung halten, d. h. wenn der volle Anteil der Produktivitätssteigerung dem Arbeiter zugute kommt, diese Grenze aber nicht überschritten wird, dann läuft die Produktivitätsrente parallel mit dem Lohn. Nachdem wir jedoch wissen, daß das leider nicht immer so ist oder nicht immer
({0})
so zu sein braucht, wir aber bewußt eine Politik der Stabilität treiben, was aus der Entwicklung des deutschen Preisniveaus gegenüber dem aller anderen Länder zu erkennen ist,
({1})
sind wir daran interessiert, daß sieh niemand der Illusion hingibt, man könnte aus einer inflationären Entwicklung, aus Preissteigerungen Nutzen ziehen und sich einer solchen inflationären Wirkung entziehen.
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Einen Augenblick, Herr Minister. Würden Sie noch einen Augenblick hierbleiben und die Frage beantworten?
Mit Vergnügen!
Herr Minister, soll diese Ihre Ausführung heißen, daß Sie dann, wenn entgegen Ihrem und unserem Wunsche die Löhne eine Entwicklung nehmen, die für die Produktion gefährlich ist, also über die Produktivitätsgrenze gehen, die Rentner von dieser Entwicklung ausschalten wollen?
Ich möchte auf alle Fälle verhindern, daß die Löhne eine Entwicklung nehmen, die über die Produktivitätsgrenze hinausgeht, weil das inflationäre Wirkungen haben muß.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat im Zusammenhang mit dem Problem der Produktivitätssteigerung und der Lohnsteigerung leider auch in diesem Hause eine Argumentaion aufgenommen, die er weit und breit im Lande vorträgt und die in keiner Weise als zutreffend anerkannt werden kann. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat mit einer zutreffenden Feststellung
({0})
- lassen Sie mich bitte auch mal aussprechen - begonnen, die wir unterstreichen. die nämlich zwar richtig, aber etwas billig und primitiv ist
({1})
- lassen Sie mich doch einmal zu Ende reden! -, nämlich mit der Feststellung,
({2})
daß kein Volk mehr verbrauchen könne, als es erzeuge.
({3})
Das ist zweifellos eine richtige Feststellung. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat an diese Feststellung die Forderung geknüpft - und die ist schon falsch -, daß in kürzeren Zeiträumen die Einkommenssteigerung, die Lohnsteigerung nicht über die Produktivitätssteigerung hinausgehen dürfe, weil dann nämlich mehr verbraucht als erzeugt werde. Das ist eine sehr einfache, lapidare, aber darum nur um so falschere Feststellung.
({4})
Zunächst darf doch eines nicht übersehen werden: das Angebot, das in kürzeren Zeiträumen der Nachfrage gegenübergestellt wird, wird keineswegs nur durch die spezielle Erzeugung des einzelnen Landes dargestellt, sondern es wird in kürzeren Zeiträumen durch Einfuhren und Ausfuhren korrigiert. Darum ist es durchaus möglich, daß in kürzeren Zeiträumen zeitweise weniger verbraucht als erzeugt wird, wie es ebenso möglich ist, daß in kürzeren Zeiträumen mehr verbraucht wird, als im selben Zeitraum erzeugt wird.
Darum ist es ein Irrtum, wenn man meint, etwas Wesentliches mit dem Satz zu sagen: Kein Volk darf mehr verbrauchen, als es erzeugt.
Aber das ist nicht die entscheidende Feststellung, meine Damen und Herren. Vielmehr scheint es mir wichtig zu sein, daß sich der Satz, daß nicht mehr verbraucht werden darf, als erzeugt wird, auf die Gesamtheit der Einkommen und damit auf die Gesamtheit des Verbrauchers in einem Volke bezieht
({5})
und daß das gesamte Volkseinkommen auf verschiedene Einkommenskategorien entfällt, und zwar, um sie nur kurz zu nennen, die Masseneinkommensempfänger, die sich aus Lohn- und Gehaltsempfängern sowie aus Sozialeinkommensempfängern zusammensetzen, die Unternehmer und Unternehmen mit ihren Einkommen und auf der anderen Seite das Staatseinkommen.
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Es ist eine ganz natürliche Angelegenheit und im Verlaufe der Geschichte ständig der Fall, daß einzelne Einkommenskategorien steigen, während andere Einkommenskategorien im Verhältnis zur Entwicklung des Sozialprodukts sinken. Das heißt, es ist durchaus möglich, daß z. B. die Masseneinkommen starker als das Sozialprodukt gesteigert werden, während dann die Unternehmereinkommen naturgemäß entsprechend absinken müssen.
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Fine solche Entwicklung kann nur der als unzulässig betrachten, der der Auffassung ist, daß unsere Einkommensverteilung sozial gesund und gerecht sei.
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Wer der Auffassung ist, daß diese Einkommensverteilung nicht gesund und gerecht ist - und diese Meinung ist weit über die Kreise der Sozialdemokratie hinaus insbesondere in breiten Kreisen der katholischen und evangelischen Soziallehre und Sozialwissenschaft verbreitet -,
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der muß eine Steigerung des Masseneinkommens über die normale Entwicklung des Sozialprodukts hinaus als eine soziale Notwendigkeit bejahen.
({10})
Nur darum handelt es sich. Es handelt sich bei den Bestrebungen, soweit wir sie unterstützen,
({11})
nicht darum, daß wir meinen, das deutsche Volk könne verbrauchen soviel es will, ganz gleich, was produziert werde. Diese Auffassung vertritt niemand, und die Darstellung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister gibt, der so tut, als wenn wir eine solche Auffassung verträten, ist so falsch wie diffamierend.
({12})
Wir vertreten die Auffassung, daß es sozial gerechtfertigt ist, Veränderungen in der Einkommensverteilung herbeizuführen, d. h., daß die Masseneinkommen über das Ausmaß der Produktivitätszuwachsrate hinaus steigen müssen, während andere Einkommen entsprechend zurückzubleiben haben.
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Darum ist es etwas primitiv, so zu tun, als dürfe der Lohn, damit keine inflationären Erscheinungen auftreten, nicht über die Produktivitätszuwachsrate hinauswachsen. Im übrigen möchte ich an dieser Stelle dankbar anerkennen, daß der Herr Bundesarbeitsminister vor kurzem festgestellt hat, daß auf lange Sicht die Löhne nicht über den Produktivitätszuwachs hinaus gestiegen sind.
({14})
- Na also. - Dann dürften die Darstellungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die er uns immer entgegenhält, nicht ganz zutreffend sein.
({15})
Dann möchte ich noch auf eine weitere Frage eingehen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zutreffend darauf hingewiesen, es sei allgemein bekannt, daß wir Exportüberschüsse haben und diese das Angebot in Deutschland vermindern. Das ist das gleiche, was wir festgestellt haben, nur mit der Schlußfolgerung: daß eine Wirtschaftspolitik, die nicht dafür sorgt, daß dieser Exportüberschuß nennenswert gesenkt wird, an den Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage und an den sich daraus ergebenden Preissteigerungen schuld ist.
({16})
Herr Bundeswirtschaftsminister, aus der Steigerung der Masseneinkommen im Laufe des Jahres 1956 sind nach den bisherigen Schätzungen zusätzlich etwa 3 Milliarden DM in den Verbrauch hineingegangen. Das ist bei einem gesamten privaten Verbrauch von jährlich mehr als 100 Milliarden DM in einer flexiblen, modernen Volkswirtschaft keine gefährliche Größenordnung und ist nicht größer als die Verminderung des Angebots durch Exportüberschüsse von insgesamt 3 Milliarden DM. Sie muß auch im Zusammenhang mit der Tatsache gesehen werden, daß der Bundesfinanzminister über den Etat 2,2 Milliarden DM als Kaufkraftschöpfung aus dem Juliusturm zur Deckung laufender Ausgaben verwenden will. Wenn das Bild unserer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung so aussieht, dann ist es unfair und ungerecht, in dieser Weise gegen die Politik der Sozialdemokratie vorzugehen, wie das der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht nur heute, sondern in den letzten sechs Wochen - genau seit Ende November des vergangenen Jahres - tut.
({17})
Das Wort hat der Bundeswirtschaftsminister.
Ich habe nicht gedacht, daß der Beifall mir gilt.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte etwas feststellen. Was Herr Dr. Deist hier angeführt hat, war in diesem Bundestag schon Gegenstand der Auseinandersetzungen bei der konjunkturpolitischen Debatte. Insofern ist auch nichts Neues gebracht worden.
({1})
Ich möchte wieder etwas richtigstellen: Das Volkseinkommen ist selbstverständlich nicht das Spiegelbild der Produktivität, sondern des Produktionsvolumens; nur die Zuwachsraten des Volkseinkommens sind von der Produktivitätssteigerung oder von der Mehrleistung abhängig.
Ich habe selbst angeführt, daß die Schulden, die ein Volk machen kann, indem es mehr importiert als exportiert, selbstverständlich mit in die Rechnung einbezogen werden müssen, daß das auf die Dauer aber nicht gerade ein probates Mittel ist. Insofern ist also auch hierzu von Herrn Dr. Deist kein neuer Gedanke in die Diskussion geworfen worden.
Im übrigen hätte ich gar nicht das Bedürfnis gehabt, mich zum Wort zu melden, wenn mir nicht die fälschliche Behauptung unterschoben worden wäre, ich hätte gerade das Existenzminimum für den 'deutschen Rentner als ausreichend erachtet.
({2})
Dann möchte ich Herrn Dr. Deist sagen, daß er damit sicher recht hat: es ist eine andere Verteilung des Volkseinkommens möglich, und sie greift auch dauernd Platz, und zwar nicht zu Lasten, sondern zugunsten des Lohnarbeiters. Auch ich bin der Meinung, daß das in einer Massendemokratie mit einer modernen Technik, die Massenproduktion bedingt, eine unausweichliche Entwicklung ist. Da unterscheiden wir uns gar nicht. Aber es kommt darauf an, wie man diesen Prozeß herbeiführt. Mit einer inflationären Entwicklung ganz bestimmt nicht!
({3})
- Meine Damen und Herren, überlegen Sie es doch einmal wissenschaftlich.
({4})
Es ist doch immerhin nicht das erstemal in der Welt, daß sich irgendeine Schicht durch die Einleitung einer Inflation bereichern zu können glaubte; das hat es doch schon immer gegeben.
({5})
- Ich habe ja gar nicht gesagt, welche.
({6})
Im übrigen, meine Damen und Herren, habe ich
bestimmt nichts gegen die Verbesserung des Lohneinkommens, und ich habe immerhin einiges da({7})
zu getan, daß der deutsche Arbeiter einen besseren Lebensstandard erreicht hat.
({8})
Aber bei Ihnen wie in allen Fraktionen sitzen ja nicht nur Lohnempfänger.
({9})
Ich möchte einmal sagen: Wer also jetzt auf mehr Einkommen verzichten will; bitte, Freiwillige vor! Ich habe sie bis jetzt noch nicht gefunden.
({10})
Übrigens hat nicht nur mein Kollege Storch, sondern habe auch ich bei der Konjunkturdebatte ausdrücklich anerkannt, daß bis in den Anfang 1956 hinein die Lohnentwicklung mit der Produktivitätssteigerung Schritt gehalten hat. Ich habe von dieser Stelle aus - das ist nachzulesen - auch nur darauf hingewiesen - und das ist eine berechtigte Sorge, die ich habe -, daß wir in der Gefahr stehen, unsere Volkswirtschaft allmählich zu überfordern. Und das sage ich auch heute.
({11})
Herr Dr. Deist weiß sehr gut, daß wir in konjunkturpolitischer Art immerhin einiges getan haben, um die Überschüsse abzubauen; aber die Überschüsse sind nicht etwa aus unserer Schuld erwachsen, sondern daher gekommen, daß wir uns ein höheres Maß innerer wirtschaftlicher Stabilität bewahrt haben als andere Länder,
({12})
) was bei starren Wechselkursen bedeutet, daß wir ein billiges Land sind, von dem man kaufen möchte;
({13})
und ich glaube, das ist keine schlechte Politik.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich die allgemeine wirtschaftspolitische Diskussion fortsetze, was nach meiner Meinung die Geduld des Hauses, welches sich auf die Rentenversicherungsreform konzentriert, überfordern würde. Ich habe Verständnis dafür, daß bestimmte Bemerkungen richtiggestellt werden mußten, bin aber der Meinung, wir sollten zu der Materie zurückkehren.
({0})
Zunächst muß ich - ich bedauere, dazu gezwungen zu sein - einige persönliche Dinge richtigstellen. Es ist nicht meine Art, von dieser Stelle unter Gesichtspunkten, die meine berufliche Tätigkeit angehen, zu sprechen. Hier ist aber der Eindruck hervorgerufen worden, es sei der Direktor des Deutschen Industrie-Instituts gewesen, der bestimmte Überlegungen in der Regierungsvorlage und in der internen Diskussion der Fraktion wesentlich umgebogen habe. Meine berufliche Stellung wurde dabei offenbar insbesondere erwähnt, um den Anschein zu erwecken, als sei hier der Beauftragte einer außerparlamentarischen Stelle tätig gewesen. Ich habe mich dem Herrn Professor Preller gegenüber nicht dem Vorwurf angeschlossen, der in diesem Saale erhoben wurde, daß er als Beauftragter verschiedener Organisationen spreche, weil er sich immer auf diese berufen hat.
Ich darf für mich in Anspruch nehmen, daß meine Meinungen zu diesem Problem in eigener Tätigkeit erarbeitet worden sind und auch in Widerspruch zu vielen Berufskollegen, mit denen ich in meiner beruflichen Arbeit verbunden bin.
({1})
Ich darf vielleicht daran erinnern, daß von anderer Seite in diesem Hause sogar in Briefen festgestellt wurde, daß zwischen publizistischen Äußerungen des Deutschen Industrie-Instituts und den Auffassungen, die ich an dieser Stelle und in der Arbeit des Bundestages vertreten habe, Widersprüche bestünden. Ich folge der parlamentarischen Verantwortung, soweit es überhaupt meine Erkenntnis gestattet, eine unabhängige, sachliche Meinung zu finden. Ich habe volles Verständnis dafür, daß im außerparlamentarischen Raum in der publizistischen Vertretung die Standpunkte härter und vielleicht zunächst unnachgiebiger erarbeitet werden. Aber was w i r zu tun haben, ist, hier aus vielen Standpunkten, die jeder für sich einen großen oder kleinen Teil wissenschaftlicher Geltung beanspruchen können, eine politische Konstruktion zu finden, eine Konstruktion, die nicht nur eine Mehrheit bekommt, sondern die sich auch der Kritik des nächsten und des übernächsten Tages, ja des nächsten Jahres und des nächsten Jahrzehnts stellen kann.
({2})
Ein anderer Zungenschlag muß richtiggestellt werden. Die sozialdemokratische Fraktion hat zu den Veränderungen, die sowohl bei § 1260 Abs. 2 wie hier bei § 1276 ff. eingetreten sind, den Ausdruck gebraucht, als ob hier „Verluste" für den Rentner einträten. Dieser Ausdruck soll offenbar die Vorstellung erwecken, als ob das, was bisher Entwurf war, bereits eine Art Rechtsanspruch gewesen sei. Wollen Sie wirklich die Sachdiskussion, in der wir darum ringen müssen, das Beste zu finden, damit belasten, daß Sie jede einzelne Phase des Entwurfs bereits als eine Art Rechtsanspruch zementieren und jede Veränderung dann als Verlust deklarieren?
({3})
- Sie haben das Wort „Verlust" gebraucht.
Nun zu dem anderen Punkt, den ich noch vorweg erledigen muß, zur Frage des Sozialbeirats. Ich habe von einer ganzen Reihe von Kollegen, auch von den Kollegen des, wie Sie es genannt haben, sogenannten Gewerkschaftsflügels meiner Fraktion den ausdrücklichen Auftrag, hier zu sagen, daß diese Einrichtung beschlossen worden ist und weiter bejaht wird.
Ich habe nicht davon gesprochen - Sie haben selber den Vorwurf, den Sie gegen mich erhoben haben, an Hand Ihrer Notizen dann etwas eingeschränkt -, daß hier die Sozialpartner in der lohnpolitischen Verantwortung „an die Leine" genommen werden sollten, sondern ich habe hier gesagt, daß die Träger der lohnpolitischen Verantwortung in diesem Kreise jederzeit auch auf die gesamtwirtschaftlichen Folgen, auf den gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang im Hinblick auf
({4})
die Rückwirkungen auf das Rentnereinkommen, aufmerksam gemacht werden sollten. Und ich muß Sie fragen: Soll das nicht erfolgen, Herr Professor Preller? Warum sind Sie denn gegen den Sozialbeirat? Fürchten Sie denn, wenn dort die Sozialpartner mit einem Vertreter der Bank deutscher Länder und mit Vertretern der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften zusammensitzen und sich über die Konsequenzen der Lohnbewegung auf das Rentnereinkommen klarwerden müssen, diese Konfrontierung?
({5})
- Mißbrauch? Herr Professor Preller, warten wir doch einmal ab! Sie können doch nicht gegen alles sein, nur weil - wie Sie sagen - das später einmal mißbraucht werden könnte.
Nun aber zu dem eigentlichen Problem: warum an dieser Stelle in den §§ 1276 und 1277 die jetzige Formulierung hineingebracht worden ist.
Ich muß hier zunächst folgendes klarstellen. Herr Professor Preller hat es so dargestellt, als wenn dem Rentner nunmehr keine Garantie mehr für die Anpassung seiner Rente an die Entwicklung der sonstigen Einkommen gegeben sei. Ich darf bitten, den Wortlaut des § 1276 noch einmal zu lesen. Da steht ausdrücklich drin, daß bei Veränderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage die Anpassung der Renten erfolgen soll, und zwar durch Gesetz. Ja, eine stärkere Garantie, als einen solchen Gesetzesbefehl hier hineinzuschreiben, kann man schließlich nicht geben.
({6})
Ich wundere mich nur, ausgerechnet von Ihrer Seite das Argument zu hören, daß das jedes Jahr durchdacht werden müsse und daß das eine neue Inflationsdebatte sein würde. Nun, auch das ist eine nicht bewiesene Behauptung, daß wir Jahr für Jahr eine Inflationsdebatte haben würden. Aber wer verlangt denn die jährliche volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und ,die Aufstellung des Nationalbudgets? Meine Damen und Herren, im Rahmen dieses gesamten Rechnungswerkes - Sie sind es doch, die es verlangen - ist selbstverständlich auch die Frage der Rentnereinkommen und der Umleitung von Einkommensströmen mit zu behandeln. Dem können Sie doch nicht entgehen. Ich würde es als eine Flucht - nun, ich will nicht sagen, in die Verantwortungslosigkeit, aber als eine Flucht aus der Verantwortung bezeichnen, wenn etwa das Parlament sich damit zufriedengäbe, die Rentenanpassung einer automatischen Bewegung außerhalb des Parlaments zu überlassen. Das wäre eine Flucht aus der Verantwortung.
({7})
Nun zu der Frage: An was kann die Anpassung gebunden werden? Schon die Diskussion bezüglich der nominellen und der realen Entwicklung des Volkseinkommens hat gezeigt, daß beide ihr Für und ihr Wider haben. Aber entscheidend ist ja die Bezugsgröße: ob auf Arbeitnehmer, auf die Bevölkerung, auf den Kopf der Bevölkerung, auf den Beschäftigten. Und je nachdem, wie sich das Verhältnis der Arbeitnehmer oder der Erwerbstätigen zur Gesamtbevölkerung oder auch zur Rentnerzahl ändert, können die Zuwachsquoten Jahr für Jahr ganz erheblich Unterschiedliches aussagen.
Denn die Zuwachsleistung in dem realen Volkseinkommen kann doch abhängig sein von der größeren Zahl von Erwerbstätigen, sie kann abhängig sein von der veränderten Arbeitszeit dieser Erwerbstätigen, sie kann von der intensiveren persönlichen Leistung pro Arbeitszeit des einzelnen Erwerbstätigen abhängig sein, sie kann von größerem Kapitaleinsatz und von besserer unternehmerischer Leistung und von vielen anderen Bedingungen abhängig sein. Daher ist es, glaube ich, richtig und gut, daß mehrere kennzeichnende Größen nebeneinandergestellt werden, die bei der Anpassung der Renten zu berücksichtigen sind.
Einen weiteren Denkfehler muß ich hier kurz erwähnen. Wenn ein realer Zuwachs oder auch nur ein nominaler Zuwachs des Volkseinkommens je Erwerbstätigen festgestellt wird, dann würde das doch hinsichtlich der Anpassung der Rentnereinkommen zunächst nur bedeuten, daß der Anteil der Rentner als Gesamtheit am Volkseinkommen entsprechend wachsen müßte. Nun aber war zunächst vorgesehen, daß die individuelle Rente der gleichen Zuwachsquote unterliegen soll. Das aber bedeutet doch, daß, wenn die Zahl der Rentner steigt - Sie haben selber darauf hingewiesen -, dann der Anteil des Rentnergesamteinkommens in der Aufteilung des volkswirtschaftlichen Gesamtprodukts zu Lasten eines anderen Sektors überproportional steigen würde, so daß wir zumindest wieder zu Spannungen in der Entwicklung des Rentnereinkommens einerseits und des Erwerbstätigeneinkommens andererseits kommen würden.
Ein dritter Denkfehler hat bei allen diesen Indexversuchen eine Rolle gespielt, vor allem wenn die Zunahme der realen Leistung pro Kopf herangezogen wird. Sehen Sie, wenn die Konjunktur zum Stillstand kommt, vielleicht zu einer leichten Rezession, dann werden ja gerade die am unproduktivsten arbeitenden Bereiche oder BeschäftiI gungen zuerst ihre Arbeitskräfte verringern. Der Anfang der Erwerbslosigkeit - sie braucht nicht groß zu sein - kann schon bei ganz wenigen Punkten dazu führen, daß zwar die Produktivität, gemessen am realen Volkseinkommen - dem preisbereinigten Volkseinkommen - auf den Kopf der Erwerbstätigen rechnerisch noch steigt, daß aber die konjunkturelle Lage bereits abwärts zeigt. Das würde also bedeuten, daß in einem solchen Fall rechnerisch noch eine Rentenerhöhung durchgeführt werden muß, obgleich die allgemeine volkswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit bereits einen rückläufigen Trend zeigt.
Wegen all der Probleme, die hierin stecken, schien es uns notwendig zu sein, zunächst einmal festzustellen: Die Anpassung der laufenden Renten soll erfolgen; es soll aber vermieden werden, diese Anpassung an irgendeinen bestimmten Index oder eine bestimmte volkswirtschaftliche Größe isoliert zu binden, sondern man muß die verschiedenen Dinge nebeneinander sehen. Und weil es Neuland ist, das wir beschreiten, waren wir der Meinung, es wäre gut, daß nicht nur die Gesetzgebung eingeschaltet ist, sondern daß auch dieses beratende Gremium des Sozialbeirats mitwirkt.
Ich glaube, daß nach alledem, was nun zur Problematik gesagt worden ist, uns eigentlich niemand mehr unterstellen kann, daß hier eine bewußte Verschlechterung oder eine Minderung der sogenannten Garantie, von der Sie, Herr Professor Preller, gesprochen haben, für den Rentner beabsichtigt sei. Nein, wir wollen dieses neue Verfah({8})
ren auf einen sicheren Boden stellen und wollen daher noch nicht bewiesene, in ihrer Auswirkung noch nicht zu übersehende Konstruktionen vermeiden. Das ist doch der entscheidende Grund!
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Da Herr Professor Preller das ganze Problem so dargestellt hat, als wären die befürchteten inflationistischen Tendenzen oder die Überforderung des Kapitalmarkts nur von Interessenten geäußert worden, darf ich dem vielleicht abschließend noch ein Zitat gegenüberhalten. Herr Präsident, Sie gestatten vielleicht, daß ich dieses Zitat wörtlich vorlese. Die Bank deutscher Länder erklärt:
Selbstverständlich nimmt die Bank damit nicht zu der beabsichtigten Sozialrentenreform an sich Stellung. Gelänge es, sie zu finanzieren, ohne die Gefahr einer defizitären Kassenentwicklung des Bundeshaushalts zu vergrößern, wäre es ferner möglich, die Ausfälle in der Kapitalbildung durch einen stärkeren Rückgriff auf den Kapitalmarkt wettzumachen, und würde überdies die zusätzliche Belastung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nicht zu verstärkten Lohn- und Preisforderungen führen, so wäre die Rentenreform auch unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertretbar. Bei der Prüfung dieser Möglichkeiten ist aber zu berücksichtigen, daß die Reform mit zahlreichen anderen Ansprüchen an die Volkswirtschaft zusammentreffen wird. Ob alle diese Ansprüche zusammen befriedigt werden können, ohne die finanzielle Stabilität zu gefährden, oder ob nicht doch an dieser oder jener Stelle Abstriche erforderlich sein werden, sollte jedenfalls nach wie vor Gegenstand ernsthafter Prüfung bleiben.
Sie sehen, Herr Professor Preller, daß diese Frage weiterhin Gegenstand ernsthafter Prüfung bleiben muß, und zwar nicht nur heute oder im nächsten Monat oder im nächsten Jahr, sondern darüber hinaus. Das hat Veranlassung gegeben, jene Änderungen in den §§ 1276 bis 1279 durchzuführen, die Sie angegriffen haben und die meine Fraktion mit Unterstützung anderer Teile dieses Hauses ausdrücklich vertritt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Änderungsantrag Umdruck 889 Ziffern 39 und 40 zu begründen. Ich war im übrigen der Auffassung, daß zunächst nur die einzelnen Änderungsanträge begründet werden sollten, doch ist schon weitgehend debattiert worden und dadurch sehr viel Zeit vergangen. Ich muß mich zeitlich außerordentlich beschränken und werde daher meine Erwiderung auf die Ausführungen der einzelnen Redner auf die morgige Debatte verschieben.
Wir haben Ihnen vorgeschlagen - unser Vorschlag entspricht in der Tendenz dem von uns eingebrachten Änderungsvorschlag zu § 1260 -, bei Veränderungen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Produktivität sowie des Volkseinkommens die Renten durch Gesetz anzupassen. Wir haben damit bewußt die Lohnbezogenheit herausgenommen. Ich kann mir ersparen, die Gründe dafür darzulegen. Ich habe das heute morgen bereits sehr eingehend zu § 1260 ausgeführt. Der bisherige Abs. 3 wird dadurch zu Abs. 2.
({0})
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 891*) Ziffer 42 in der Hoffnung, daß die Begründung ebenso kurz sein wird. - Frau Abgeordnete Kalinke, wollen Sie noch begründen? - Bitte!
({0})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich kann die Bitte des Kollegen Stingl nicht erfüllen. Ich habe nicht die Absicht, jetzt noch einmal zu begründen, weil ich die grundsätzlichen Bedenken der Fraktion der Deutschen Partei heute bereits dargelegt habe. Sie beziehen sich auch auf den Zusammenhang der §§ 1260 und 1276.
({0})
Wird der Änderungsantrag der Fraktion der FVP, Umdruck 895 Ziffern 23 und 24, begründet? - Er wird nicht begründet. Damit sind die Begründungen zu § 1276 - links - bzw. § 48 - rechts - erfolgt.
Ich mache dem Hause den Vorschlag, damit für heute abzubrechen, muß aber daran erinnern, daß jetzt nach unserer Zeitplanung die zweite Lesung der Rentenreform erledigt sein sollte. Die Sachkenner wissen, daß wir jetzt etwa halbwegs fertig sind. Ich kann das Haus nur in der Hoffnung entlassen, daß es morgen schneller geht.
Ich schließe die heutige Sitzung und berufe die nächste, die 186. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Freitag, den 18. Januar 1957, 9 Uhr.