Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, die erste Sitzung des Deutschen Bundestages im neuen Jahr eröffne ich mit dem Wunsch, daß unsere Arbeit auch in diesem Jahr der Wiederherstellung ganz Deutschlands, seiner Freiheit, seinem Wohl und dem Frieden der Welt diene.
({0})
Am 1. Januar 1957 ist das Saarland als zehntes Bundesland ein Teil der Bundesrepublik Deutschland geworden.
({1})
Damit ist ein Kapitel der Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossen, ein Kapitel, das die Bevölkerung an der Saar, das dieses Haus, das aber auch die deutsche und die französische Regierung jahrelang in Atem gehalten hat. Als heiß umstrittenes Grenzland ist das Saarland zu einer Probe darauf geworden, ob es möglich ist, allein mit den Mitteln des Friedens, im Vertrauen auf die Macht der Gerechtigkeit und die Kraft der Verständigung ganz Deutschland wiederherzustellen.
({2})
Gewiß liegen alle Voraussetzungen dafür im Westen unvergleichlich viel günstiger als im Osten. Dennoch bedurfte es eines langen und mühevollen Weges, um den Saarländern mit ihrer Treue zum angestammten Vaterland die Möglichkeit der freien Entscheidung zu verschaffen.
Am 21. März 1945 wurde das Saarland durch die 15. Armee der Vereinigten Staaten von Amerika besetzt. Am 29. Juli 1945 ging das Land in die Verwaltung der französischen Militärregierung über. Am 5. Oktober 1947 wurde ein Saarlandtag gewählt, der eine Verfassung verabschiedet hat, die die Trennung des Landes vom Reich für immer zu bestätigen schien. Am 15. Juli 1948 wurde diese Trennung durch den Erlaß eines besonderen saarländischen Staatsangehörigkeitsgesetzes noch unterstrichen. Am 1. Januar 1952 verwandelte die französische Regierung ihr Hohes Kommissariat im Saargebiet in eine diplomatische Vertretung. Irre ich mich oder ist es berechtigt, wenn ich sage, daß damit die Loslösung vom Deutschen Reich und die Distanz von der inzwischen errichteten Bundesrepublik Deutschland ihre größte Spannweite erreicht hatte?
({3})
Wenige Wochen nach diesem Ereignis beginnen sich jedenfalls nicht nur an der Saar und im Bereich der Bundesrepublik, sondern auch auf dem Feld der internationalen Politik, insbesondere im Rahmen der Verhandlungen um die europäische Integration, Kräfte zu regen, die davon ausgehen, daß der Ende 1951 erreichte Zustand weder für die Saarbevölkerung noch für ganz Deutschland noch für die freien europäischen Völker auf die Dauer tragbar sei. Am 18. Februar 1952 empfiehlt die Londoner Konferenz der Außenminister direkte Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland über das Saarland. Diese Verhandlungen wurden aufgenommen. Sie haben Jahre hindurch unsere Zeit und Kraft, aber auch die Geduld und Besonnenheit der saarländischen Bevölkerung in hohem Maße in Anspruch genommen. Sie sind durch verschiedene Stadien gegangen, und sie sind unter verschiedenen Aspekten geführt worden. Aber selbst die Erschütterung, die die europäische Integration durch das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft erlitten hat, konnte die nicht nur von saarländisch-deutscher Seite, sondern auch von ausländischen Persönlichkeiten entfalteten Bemühungen um die Beseitigung des Status quo an der Saar nicht mehr rückgängig machen oder zum Scheitern bringen.
Die geschichtliche Wahrheit gebietet es, festzustellen, daß mit der am 23. Oktober 1954 erfolgten Unterzeichnung des Abkommens über das Saarstatut zwischen Deutschland und Frankreich im Rahmen der hart umkämpften Pariser Verträge die Grundlage geschaffen wurde für die Wiederherstellung der vollen demokratischen Freiheiten im Saarland.
({4})
Am 23. Oktober 1955 hat die Saarbevölkerung in einer freien Volksabstimmung davon Gebrauch gemacht. Sie hat aber zugleich mit 67,7 % aller abgegebenen Stimmen den in dem Saarstatut vorgesehenen neuen Status des Saarlandes verworfen und hat sich erneut so elementar für Deutschland entschieden, daß damit auch den weiteren Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung eindeutig der Weg gewiesen war.
({5})
Am 2. Januar 1956 übernahm der aus freien Wahlen hervorgegangene derzeitige Ministerpräsident des Saarlandes die Regierung. Am 4. Juni 1956 kam es in Luxemburg zur vollen Einigung zwischen dem Bundeskanzler und dem französischen Ministerpräsidenten über die politische Rückkehr der Saar zum 1. Januar 1957 und ihre wirtschaftliche Rückgliederung Ende 1959. Am 27. Oktober 1956 erfolgte die Unterzeichnung der sechs Saarverträge durch die Außenminister der beteiligten Länder in Luxemburg. Am 29. Dezember 1956 wurde das Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes verkündet, und in der Neujahrsnacht fielen die Grenzschranken, die ein geliebtes deutsches Land vom Vaterland getrennt haben.
({6})
Die Rückkehr des Saarlandes zu Deutschland ist ein Triumph der politischen Moral im Saarland, aber auch in Paris. Dieser Triumph kam zustande, weil durch alle Verwirrungen, Katastrophen, Unsicherheiten und Verlockungen hindurch die Bevölkerung der Saar sich dessen bewußt blieb oder
sich wieder daran erinnern ließ, daß man zwar Pässe oder Personalausweise wechseln kann, daß aber die Zugehörigkeit zu einer geschichtlich gewachsenen Sprach- und Rechtsgemeinschaft, kurzum zur eigenen Nation und zum eigenen Vaterland nicht nach Belieben abgestreift oder verwandelt werden kann.
({7})
Wir werden in diesem Haus hoffentlich auch in Zukunft Achtung tragen vor dem Schicksal eines einzelnen, der sich von seinem Lande trennt und sich mit der Sprach- und Geschichtsgemeinschaft eines anderen Volkes aus tieferen Gründen verbindet. Aber die Lostrennung und gar die gewaltsame Trennung von Land und Leuten, von ganzen Volksteilen ist nicht vergleichbar mit jenem denkbaren freien Wechsel der Staatsangehörigkeit eines einzelnen.
Das hektische Fieber des Nationalismus in diesem Jahrhundert hat nicht nur die Völker Europas, sondern viele andere Völker der Welt in Furcht und Schrecken gestürzt. Wir können nur hoffen, daß die Heimsuchungen zweier Weltkriege uns für immer gefeit haben gegen neue Fieberanfälle dieser Art.
({8})
In einer Zeit, in der die Leidenschaft des Nationalismus, wie ich hoffe, weitblickend und gewissenhaft gezügelt wird, muß es aber erlaubt sein und ist es erlaubt, die Treue zum Vaterland zu rühmen und sie als einen wesentlichen Bestandteil der politischen Moral und der Seelenkraft eines Volkes zu pflegen.
({9})
Auch der grauenhafte Mißbrauch der Liebe zum Vaterland durch Diktatoren und Fanatiker darf und soll diese Liebe nicht verdunkeln oder verdächtig machen. Sie beweist sich auch in der Kraft der Versöhnung, die in einem Volk lebendig ist.
Aber auch für Frankreich ist die Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland ein Triumph der politischen Moral. Er wäre kaum zustande gekommen, wenn die politische Moral im freien Teile Europas nicht seit zehn Jahren genährt würde von der Kraft einer neuen politischen Idee. Der Gedanke der europäischen Einigung, der Schaffung einer neuen, dauerhaften Ordnung des europäischen Zusammenlebens hat sich schließlich auch in Paris stärker erwiesen als alte Wünsche nationaler Machtpolitik, die auf die Einverleibung des Saarlandes in den französischen Staatsverband gerichtet waren. Die Rückkehr der Saar ist darum nicht nur ein nationales deutsches Ereignis, sondern sie ist auch ein Beitrag zu der Frage, ob denn in den Völkern Europas nach dem zweiten Weltkrieg neue Gedanken und eine bessere politische Moral wirksam sind. Kein Volk ringt sich leicht von jahrzehnte- und jahrhundertealten Vorstellungen los. Wir Deutsche haben vieles erst unter schweren Leiden gelernt, und für die Franzosen ist es gewiß nicht leicht gewesen, auf alte Lieblingsvorstellungen, auf die Befestigung ihrer Vormachtstellung in Europa zu verzichten. Um so höher weiß dieses Haus die Entscheidungen zu würdigen, die Frankreichs Regierung und Parlament in Sachen der Saar schließlich getroffen haben.
({10})
({11})
Die Rückkehr der Saar war eine Bewährungsprobe für die Kraft eines neuen Denkens, Fühlens und Wollens der in Freiheit lebenden europäischen Völker, und sie ist eine Hoffnung dafür, daß der unter ihnen wachgewordene Wille zum Zusammenwachsen und zum friedlichen Zusammenleben nicht mehr erlahmt.
Wir verkennen nicht die grundlegend andere Situation in Mitteldeutschland und an den Ostgrenzen des Reichs, und wir ignorieren nicht, daß die uns damit gestellten Fragen und Aufgaben der Wiedervereinigung wesentlich größere, ja weltpolitische Proportionen angenommen haben. Dennoch wird es erlaubt sein, auch hier zu sagen - was in diesen Tagen und Wochen schon gesagt wurde -, daß die Rückkehr des Saarlandes für uns ein neuer Auftakt, eine Ermutigung und ein Antrieb sein soll für das Ringen aller Deutschen um die friedliche Wiederherstellung ganz Deutschlands und das freundschaftliche Zusammenwirken unseres geeinten Volkes mit unseren Nachbarn in West und Ost, in Nord und Süd.
Meine Damen und Herren, ich gebe dem Haus davon Kenntnis, daß mir der Herr Präsident des Landtages des Saarlandes mit Schreiben vom 7. Januar 1957 mitgeteilt hat, daß der Landtag des Saarlandes in seiner Sitzung vom 4. Januar 1957 nach § 2 des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23. Dezember 1956 zehn Bundestagsabgeordnete gewählt hat. Die Wahl wurde gemäß Art. 61 der Geschäftsordnung für den Landtag des Saarlandes schriftlich durchgeführt. Gewählt wurden folgende Herren: Von der Vorschlagsliste der Landtagsfraktion der ChristlichDemokratischen Union Herr Dr. Manfred Schaefer, Herr Wilhelm Kratz, Herr Dr. Franz Josef Röder; von der Vorschlagsliste der Landtagsfraktion der Demokratischen Partei Saar Herr Dr. Heinrich Schneider, Herr Fritz Wedel, Herr Erich Schwertner; von der Vorschlagsliste der Landtagsfraktion der Christlichen Volkspartei Herr Franz Ruland und Herr Franz Schneider; von der Vorschlagsliste der Landtagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Herr Dr. Hans Peter Will und Herr Nikolaus Schreiner.
Ich habe die neuen Mitglieder des Deutschen Bundestages aufgefordert, in der heutigen Plenarsitzung ihre Plätze einzunehmen. Ich stelle fest, daß die aufgerufenen Bundestagsabgeordneten des Saarlandes hier erschienen sind. Ich heiße Sie, meine Herren, in diesem Hause herzlich willkommen, und ich begrüße mit Ihnen eine Delegation des saarländischen Landtages, die uns die Ehre gegeben hat, an dieser Sitzung teilzunehmen.
({12})
Meine Herren Kollegen vom Saarland, dieses Haus erbittet von Ihnen nicht nur eine treue, kollegiale Mitarbeit, sondern auch eine Stärkung seiner Bemühungen im Ringen um die Wiedervereinigung Deutschlands. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Arbeit im Deutschen Bundestag Gottes Segen.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Röder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die politische Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland ist erst vor wenigen Tagen erfolgt. Heute haben zehn saarländische Abgeordnete ihre Plätze im
Deutschen Bundestag eingenommen. Damit ist das Saargebiet nach einer langjährigen und von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gewollten Trennung in der obersten gesetzgebenden Versammlung der deutschen Bundesrepublik durch Abgeordnete vertreten, die aus freien Wahlen hervorgegangen sind. Diese Tatsache hat bei der deutschen Saarbevölkerung große Genugtuung ausgelöst. Sie sieht in ihr nicht nur den Vollzug des Eingliederungsgesetzes, sondern vielmehr die nunmehr sichtbar gewordene Teilhabe an der Gemeinschaft des deutschen Volkes, in der sie fortan leben und verantwortlich mitarbeiten kann.
({0})
Gestatten Sie mir, Herr Präsident, Ihnen für die freundlichen Worte der Begrüßung zugleich im Namen meiner saarländischen Kollegen herzlich zu danken. Sie haben in anerkennenden Worten von der Treue der Männer und Frauen der Saar zu ihrem Vaterland gesprochen. Für uns war und ist die Treue zu Volk und Vaterland nur die Erfüllung einer sittlichen Pflicht, von der uns niemand entbinden kann.
({1})
Das Bekenntnis zum angestammten Volk, meine Damen und Herren, ist ja zugleich ein Bekenntnis zur natürlichen Ordnung, die wir auf dieser Welt zu erkennen und, so glauben wir, in allen Lebensbereichen zu verwirklichen haben. Durch die Wiedervereinigung eines deutschen Volksteils im Westen unseres Vaterlandes ist die natürliche Ordnung hier wiederhergestellt worden. Es ist etwas in Ordnung gekommen, was in der Vergangenheit nicht in Ordnung war. Die Tatsache, daß es in dieser so ungeordneten und daher auch so gegensätzlichen und gefährdeten Welt möglich war, mit Geduld und Beharrlichkeit wenigstens an einer Stelle dem Guten und dem Rechten zum Durchbruch zu verhelfen, ohne daß die Welt dabei aus den Fugen ging, sollte uns allen doch neuen Mut machen, im Kampf um die Einheit unseres Volkes in Frieden und Freiheit nicht zu erlahmen.
({2})
Das, meine Damen und Herren, wäre auch die schönste Anerkennung unserer Arbeit.
Wir sind mit Ihnen, Herr Präsident, glücklich und, ich darf wohl sagen, auch stolz darauf, daß sich die Rückführung unserer Heimat ohne jegliche Trübung unseres nachbarlichen Verhältnisses zu Frankreich hat durchführen lassen. Wir haben es nicht vergessen, daß in jenen kritischen Tagen nach dem 23. Oktober 1955, als wir in der Welt Ausschau nach Freunden hielten, die französische Presse in wohltuendem Gegensatz zu Kommentaren in anderen, unbeteiligten Ländern die Willenskundgebung der Saarbevölkerung in korrekter Weise anerkannt hat.
({3})
Damit ist vieles leichter geworden, was anfänglich unüberwindlich schien.
Durch die natürliche Beschaffenheit unseres Raumes, meine Damen und Herren, scheint das Schicksal der Saar vorgezeichnet zu sein. Wir sind eingebettet in eine der Torlandschaften, die dem europäischen Westen leichten Zugang nach Mittel-und Osteuropa verschaffen. Südlich von uns die Zaberner Senke und die Burgundische Pforte,
({4})
nördlich die Nahe- und Mosel-Pforte, wir in der Mitte, im Schnittpunkt der Kräftelinien, die von Osten und Westen austrahlen. Welch glückliche Lage in friedlichen Zeiten, um dem Verkehr der europäischen Völker untereinander zu dienen und ihre Beziehungen zueinander zu fördern! Welch gefährliche Lage in Zeiten der Spannungen und kriegerischen Auseinandersetzungen! Viele Zeugnisse in unserer engeren Heimat erinnern uns täglich daran.
Wenn wir uns infolge dieser gefährdeten Grenzlage daher sehr entschieden und sehr entschlossen zu unserem deutschen Volk bekennen, so sind wir andererseits aus dem gleichen Grunde um so aufgeschlossener für das große Ziel der europäischen Einigung, durch die allein wir aus dieser Lage befreit werden können.
({5})
Wir bekennen uns daher aus tiefstem Herzen und aus innerster Überzeugung zur Idee eines vereinigten Europas. Mit der zwischen der Bundesregierung und der Regierung der französischen Republik vereinbarten Saarlösung ist nach unserer Auffassung eine weitere und, so glauben wir, wichtige Voraussetzung für ein organisches Zusammenwachsen der europäischen Völker geschaffen worden. Wir danken daher der Bundesregierung, wir danken den Abgeordneten aller Parteien dieses Hauses, daß sie in der Vergangenheit nicht müde geworden sind, sich mit ganzer Kraft für die endgültige und friedliche Heimkehr der Saar einzusetzen. Wir sind der festen Überzeugung und der festen Zuversicht, Herr Präsident, meine Damen und Herren, daß die Wiedereingliederung des Saarlandes ein gutes Vorzeichen dafür ist, daß sich auch die übrigen, zur Zeit noch getrennten deutschen Gebiete bald in der Bundesrepublik Deutschland vereinigen werden.
({6})
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Röder im Namen des Hauses und unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 45.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 49 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich habe die Sitzung zu eröffnen mit einem Gedenken an den verstorbenen Bundespräsidenten unseres Nachbarlandes Österreich.
({0})
Am 4. Januar dieses Jahres verstarb der Bundespräsident Österreichs, Herr Dr. h. c. Theodor Körner. Unser Nachbarland Österreich hat mit diesem seinem zweiten Bundespräsidenten nach dem zweiten Weltkrieg einen Staatsmann verloren, der nicht nur in seinem Volk, sondern auch in Deutschland und im Ausland großes Ansehen genossen hat. Ich habe an den Herrn Präsidenten des Österreichischen Nationalrates folgendes Telegramm gerichtet:
Zum Tode Seiner Exzellenz des Herrn Bundespräsidenten Körner spreche ich Ihnen, Herr Präsident, und dem Österreichischen Nationalrat die aufrichtige Anteilnahme des Deutschen Bundestages aus. Der Deutsche Bundestag gedenkt des in die Ewigkeit gerufenen österreichischen Staatsmannes in Verehrung.
Der Präsident des Nationalrates hat telegraphisch geantwortet:
Für die herzliche Anteilnahme, die Sie anläßlich des schweren Verlustes bekundet haben, den Österreich durch das Ableben seines hochverehrten Bundespräsidenten erlitten hat, bitte ich, meinen und des Österreichischen Nationalrates aufrichtigen Dank entgegenzunehmen.
Dr. Hurdes
Präsident des Nationalrates.
Sie haben sich zu Ehren des verstorbenen Staatsmannes von den Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Glückwünsche zu Geburtstagen darf ich aussprechen dem Herrn Kollegen Baur ({1}) zum 65. Geburtstag,
({2})
dem Herrn Kollegen Brese zum 60. Geburtstag,
({3})
dem Herrn Bundestagsabgeordneten und Bundeskanzler Konrad Adenauer zum 81. Geburtstag,
({4})
den Herren Kollegen Dr. Schranz und Pelster zum 60. Geburtstag.
({5})
Die Fraktion der CDU/CSU hat mir mit Schreiben vom 10. Januar 1957 mitgeteilt, daß sie die Abgeordneten Kratz, Dr. Röder und Dr. Schaefer als Mitglieder in ihre Fraktion aufgenommen habe. Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 10. Januar 1957 mitgeteilt, daß sie die Abgeordneten Dr. Will und Schreiner als Mitglieder in ihre Fraktion aufgenommen habe, und die Fraktion der FDP hat mir mit Schreiben vom 8. Januar mitgeteilt, daß sie die der Demokratischen Partei Saar angehörenden Abgeordneten Dr. Schneider, Schwertner und Wedel als Hospitanten aufgenommen habe.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. bzw. 21. Dezember 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954,
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes Ober Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung,
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Artikels 106 des Grundgesetzes,
Gesetz über die Sicherstellung von Leistungen auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft,
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll vom 10. Mai 1948 zur Änderung des Abkommens vom 22. November 1928 über Internationale Ausstellungen,
Gesetz zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage,
Gesetz zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel,
Gesetz zu dem Vertrag vom 27. Oktober 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg,
({6})
Gesetz über den Vertrag vom 27. Oktober 1956 zur Abänderung des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl,
Gesetz über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen,
Wehrbeschwerdeordnung ({7}),
Gesetz über die Gewährung einer Vorschußzahlung in den gesetzlichen Rentenversicherungen ({8}),
Gesetz zu dem Vertrag vom 4. November 1954 über die wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Kaiserreich Iran,
Gesetz über das deutschösterreichische Protokoll vom 1. Dezember 1955 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden,
Gesetz zur Änderung der Anordnung über die Zulässigkeit von Konzessionsabgaben der Unternehmen und Betriebe zur Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wasser an Gemeinden und Gemeindeverbände,
Gesetz zur Aufhebung der Beschränkung des Niederlassungsbereichs von Kreditinstituten,
Gesetz zur Aufbesserung von Leistungen aus Renten- und Pensionsversicherungen sowie aus Kapitalzwangsversicherungen, Gesetz über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 ({9}),
Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 ({10}),
Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Juni 1954 über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr, dem Zusatzprotokoll vom 4. Juni 1954 hierzu betr. die Einfuhr von Werbeschriften und Werbematerial für den Fremdenverkehr und dem Zollabkommen vom 4. Juni 1954 über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge,
Drittes Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes,
Gesetz zu dem Abkommen vom 30. Juli 1955 über die Gewährung der Meistbegünstigung und über gewerbliche Schutzrechte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Paraguay,
Gesetz über das Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes,
Gesetz über die Eingliederung des Saarlandes.
Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat Ausführungen gemacht, die als Drucksachen 3020, 3025 und 3048 vervielfältigt sind.
Zum
Gesetz über die Fürsorge für Körperbehinderte und von einer Körperbehinderung bedrohte Personen ({11}),
Gesetz Tiber die Landbeschaffung für Aufgaben der Verteidigung ({12}),
Ersten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen Gründen in Gebieten außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und Berlins ({13}) in Gewahrsam genommen wurden,
hat der Bundesrat verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Seine Schreiben sind als Drucksachen 3049, 3050 und 3047 verteilt.
Auf der 38. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz in Genf vom 1. his 23. Juni 1955 sind die Empfehlung 99 betr. die berufliche Einaliederung und Wiedereingliederung der Behinderten, die Empfehlung 100 betr. den Schutz der Wanderarbeiter in unterentwickelten Ländern und Gebieten, das Übereinkommen 104 über die Abschaffung von Strafvorschriften gegen Arbeitsvertragsbruch durch eingeborene Arbeitnehmer angenommen worden. Die Bunderegierung hat diese Empfehlungen und das Übereinkommen nach Art. 19 Nr. 5, 6 und 7 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Bundestag am 21. Dezember 1956 vorgelegt. Sie werden als Drucksache 3044 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 15. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 272 der Abgeordneten Dr. Mommer und Genossen betreffend Beseitigung der Trümmer von Bunkern und Festungsanlagen ({14}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3029 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten hat im Anschluß an seine Antwort vom 28. November 1956 ({15}) die Kleine Anfrage 294 der Abgeordneten Albrecht ({16}) und Genossen betreffend Freigabe weiterer Weineinfuhr ({17}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3051 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 15. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 306 der Abgeordneten Richarts, Kemper ({18}), Dr. Serres und Genossen betreffend Deutsch-Luxemburgische Grenzregelung ({19}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3032 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 14. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 307 der Abgeordneten Kemper
({20}), Richarts, Dr. Serres und Genossen betreffend Sozialabkommen mit Luxemburg ({21}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3031 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 20. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 308 der Abgeordneten Brück, Kramel, Even, Lulay, Gockeln und Genossen betreffend Überstundenvergütung für Beamte der Deutschen Bundesbahn ({22}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3042 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 22. Dezember 1956 die Kleine Anfrage 309 der Fraktion der SPD betreffend Traubensaft ({23}) beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3053 verteilt. Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 8. Januar 1957 die Kleine Anfrage 312 der Fraktion der FDP betreffend Hagelschäden ({24}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3071 verteilt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 9. Januar 1957 die Kleine Anfrage 313 der Abgeordneten Kroll, Morgenthaler, Dr. Wahl und Genossen betreffend Wohnungsbeschlagnahmungen ({25}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3070 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 8. Januar 1957 die Kleine Anfrage 314 der Fraktion der DP betreffend Kriegsverurteilte ({26}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3072 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hat unter dem 28. Dezember 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in der 173. Sitzung über die Maßnahmen zur Förderung und Festigung von Kriegssachgeschädinten-Unternehmen berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 3052 verteilt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. Dezember 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in der 158. Sitzung über die Länderzuweisungen zum Ausfinanziell untragbarer Einnahmeausfälle der Gemeinden durch die Gewerbesteuersenkung berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 3060 verteilt.
Meine Damen und Herren, ich habe die besondere Freude, heute eine Delegation des englischen Unterhauses in unserer Mitte willkommen heißen zu dürfen.
({27})
Ich begrüße die Herren Kollegen, die die Ehre haben, dem ältesten und würdigsten Parlament der Welt anzugehören.
Nunmehr kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe Punkt 1 auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der DP, FVP betreffend Forderungen deutscher Personen oder Firmen an die früheren Besatzungsmächte ({28}),
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden ({29}).
Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat schlage ich vor, daß zunächst die Begründung der Vorlagen unter Punkt 1 a und 1 b erfolgt und daß dann die Aussprache über beide Punkte stattfindet.
Zur Begründung der Großen Anfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schranz.
Dr. Schranz ({30}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei habe ich die Große Anfrage Drucksache 2448, die die Forderungen deutscher Personen oder Firmen an die früheren Besatzungsmächte zum Gegenstand hat, zu begründen. Bevor ich auf Einzelheiten eingehe, möchte ich darauf hinweisen, daß ich es für außerordentlich bedauerlich halte, daß das Bundesministerium der Finanzen bisher die unerledigt gebliebenen Forderungen noch nicht in einer für die Beteiligten zufriedenstellenden Weise geregelt hat und daß es erst des Drucks der öffentlichen Meinung und dieser Großen Anfrage bedurft
({31})
hat, um einen Sachverhalt aufzuhellen, der schon seit langer Zeit hätte abschließend behandelt sein müssen.
Der der Großen Anfrage zugrunde liegende Sachverhalt ist folgender: Deutsche Personen oder Firmen haben für frühere Besatzungsmächte auf Grund von Requisitionen Leistungen erbracht. Die Forderungen, die sie infolge der erbrachten Leistungen hatten, wurden später nicht anerkannt und konnten infolge des Fehlens eines Rechtswegs auch nicht eingeklagt und im Falle des obsiegenden Urteils nicht eingezogen werden. Dadurch geriet eine große Anzahl von Firmen in Konkurs, oder sie mußten sich zum Vergleich entschließen. Soweit sie in Konkurs gerieten, wurden die letzten verbliebenen Vermögenswerte zu den ungünstigsten Bedingungen verschleudert.
Die genannten Personen oder Firmen haben rechtzeitig, und zwar seit dem Jahre 1952, dem Bundesministerium der Finanzen von dem Mißerfolg ihrer Bemühungen Kenntnis gegeben. Es erfolgte jedoch daraufhin nichts, und so sah sich die Fraktion der Deutschen Partei bereits zu Beginn des Jahres 1955 zu einer Kleinen Anfrage - Drucksache 1143 - veranlaßt, auf die der Bundesminister der Finanzen Ende April eine uns leider nicht befriedigende Antwort erteilte. Wir haben geglaubt, daß das Bundesministerium der Finanzen sich veranlaßt sehen würde, nunmehr eine Regelung zu suchen, die allen Beteiligten gerecht werden würde.
In der Beantwortung der Kleinen Anfrage wurde unter Ziffer 7 der Standpunkt vertreten, daß etwaige wirtschaftliche Schäden infolge der schleppenden Bearbeitung der rückständigen Forderungen auf Leistungen für die Besatzungsmächte zurückgehen und daß demzufolge nach völkerrechtlichen Grundsätzen diese verpflichtet seien, solche im einzelnen nachgewiesenen Schäden zu ersetzen. Mit dieser Feststellung zeigt das Bundesministerium der Finanzen seine grundsätzliche Einstellung zu dem Problem. Es kennt zwar die Schwierigkeiten, in die die deutschen Staatsbürger geraten sind; es weiß, daß von den früheren Besatzungsmächten Zahlungen nicht zu erwarten sind, strebte aber - wenigstens bisher - in Kenntnis dieser Sachlage keine vernünftige und vertretbare Abwicklung an. Dies ist um so erstaunlicher, als ja die durch die Tätigkeit der Personen oder Firmen erbrachten Leistungen dem Vermögen des Bundes zugewachsen sind oder noch zuwachsen. Diese Passivität veranlaßt uns zu der Großen Anfrage.
Um Ihnen, meine Damen und Herren, ein Bild davon zu geben, wie deutsche Personen oder Firmen von den früheren Besatzungsmächten bei der Geltendmachung ihrer Forderungen behandelt worden sind, gestatte ich mir, aus der Fülle des vorliegenden Materials einige wenige Beispiele anzuführen. So ist die Forderung einer deutschen Baufirma nach jahrelangem Bemühen von den amerikanischen Behörden mehrfach sowohl dem Grund als auch der Höhe nach anerkannt worden. Zu einem Zeitpunkt, zu dem erwartet werden konnte, daß die Auszahlung erfolgen würde, wurde ein sogenanntes amerikanisches Gericht, der Board of Requisition Demand Appeals, angerufen. Ein amerikanischer Oberst, der bereits 1951 und 1952 bei der Ausführung der betreffenden Leistungen entscheidend mitgewirkt hatte, wurde zur Sache im vorigen Jahr in den Vereinigten Staaten unter Eid vernommen. Seine unter Eid gemachte Aussage steht in direktem Widerspruch zu den in
den Jahren 1951/52 schriftlich zur Sache abgegegebenen Erklärungen. Trotzdem stützte der Board seine Entscheidung auf den Meineid dieses Offiziers und weist plötzlich die Forderungen der deutschen Firma ab. Diese hat zwar gegen den Offizier in den Vereinigten Staaten unverzüglich ein Strafverfahren einleiten lassen; die Entscheidung steht jedoch noch aus. Die Firma wehrt sich in der Zwischenzeit verzweifelt gegen den drohenden Ruin.
Ein weiteres Beispiel: Bei Köppern im Taunus wurde durch den damaligen Post-Engineer der amerikanischen Besatzungsmacht in Frankfurt ein Straßenbauprojekt mit Munitionshütten vergeben. Bei Öffnung der Angebote wurde eine Firma als billigst anbietende ermittelt; der Auftrag in Höhe von 973 000 DM wurde ihr zugeschlagen.
Schon wenige Tage nach Beginn der Arbeiten stellte sich heraus, daß das Projekt - eine Erfahrung, die nahezu bei allen Vorhaben gemacht wurde - unzulänglich und falsch geplant war. Die Pläne des Leistungsverzeichnisses haben mit der Örtlichkeit nicht übereingestimmt. Diese Sachlage wurde der amerikanischen Armee sofort zur Kenntnis gebracht, und gleichzeitig wurde darum gebeten, die Nachmessungen gemeinsam durchzuführen. Diesem Vorschlag wurde widersprochen; die Firma wurde gezwungen, die Arbeiten fortzusetzen. Die Leistungen überstiegen zum Teil das Fünf- bis Sechsfache der ursprünglich im Leistungsverzeichnis angegebenen Massen. Der Verlust, der der Firma entstand, betrug nahezu 1 Million DM. In einer großen Anzahl von Besprechungen wurde die Bezahlung für jede erwiesene Mehrleistung mündlich zugesichert. Eine schriftliche Bestätigung war jedoch nicht zu erhalten.
Die Firma geriet in Konkurs. Nach Beendigung des Verfahrens hat sie die Angelegenheit wieder aufgegriffen und durch einen amerikanischen Anwalt durchgesetzt, daß eine Kommission der Regierung der USA die Forderungen überprüfte. Diese Kommission hat bis auf geringe Abstriche die Forderungen als gerechtfertigt bezeichnet. Die deutsche Preisprüfungsbehörde, die eingeschaltet wurde, kam zu dem gleichen Ergebnis. Daraufhin wurde dem Vertreter der Armee eine Abfindung in Höhe von 900 000 DM vorgeschlagen. Dieser Betrag sollte binnen zwei Monaten zur Auszahlung gelangen. Wider alles Erwarten und entgegen der völlig klaren Rechtslage hat der Board Einspruch erhoben, so daß Anfang 1956 erneut verhandelt werden mußte. Es war der Armee nicht möglich, auch nur einen Zeugen zu benennen, der die berechtigten Forderungen angezweifelt hätte. Alle von der deutschen Firma genannten Zeugen bestätigten unter Eid die Richtigkeit ihrer Angaben. Durch Entscheidung des Board wurde ein Betrag von 109 262,41 DM als endgültig festgesetzt -, gegenüber einer Forderung von nahezu 1 Million DM. Diese Einrichtung bietet völlig willkürliche Beträge, wobei erklärt wird, daß, wer diese nicht annehme, überhaupt nichts erhalte.
Ein weiteres Beispiel: Für eine Forderung der Deutschen Bundesbahn in Höhe von 300 000 DM wurden meines Wissens 112 000 DM geboten mit der Bemerkung, man möge sich mit diesem Betrag zufriedengeben, also auf den Rest verzichten. Falls eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben werde, könne auf Bezahlung nicht gerechnet werden. - Dies ist die Praxis des Board.
Die oben vorgetragenen Tatsachen müssen dem Bundesministerium der Finanzen bekannt sein.
({32})
Trotz dieser Kenntnis wurde am 1. August 1956 mit der amerikanischen Botschaft eine Vereinbarung abgeschlossen, nach der grundsätzlich die noch nicht entschiedenen Beschwerdefälle aus den vor dem 5. Mai 1955, 12 Uhr, erteilten amerikanischen Besatzungsaufträgen ab 1. August 1956 durch deutsche Behörden bearbeitet werden sollen. In Abs. 2 dieser Vereinbarung wird der in Abs. 1 aufgestellte Grundsatz durch Ausnahmen so stark eingeschränkt, daß von einer wirklichen Regelung solcher Beschwerdefälle nicht mehr gesprochen werden kann. So heißt es in Ziffer c:
Beschwerden, bei denen der Leistungspflichtige auf alle weiteren Vergütungsansprüche schriftlich verzichten müßte oder bei denen bereits eine endgültige schriftliche Entscheidung durch die zuständigen amerikanischen Stellen getroffen worden ist, werden nicht von den deutschen Behörden bearbeitet.
Nach Ziffer e sind die deutschen Behörden dann ausgeschlossen, wenn die Beschwerden vor Inkrafttreten der Vereinbarung vor dem Board zwar verhandelt wurden, aber eine Entscheidung noch nicht zugestellt worden ist.
Mir ist nicht klar, wie das Bundesministerium der Finanzen eine derartige Vereinbarung treffen konnte, und ich will hier im Augenblick nicht untersuchen, ob diese Vereinbarung rechtlich überhaupt bindend ist. Das Bundesministerium der Finanzen verfügt über eine Reihe von Sachkennern, die mit den Verhältnissen absolut vertraut waren, und es ist erstaunlich, daß sie ihre Zustimmung zu einer Vereinbarung gaben, durch die Unrecht mit Duldung eines deutschen Ministeriums verewigt wird. Die deutschen Personen und Firmen sehen sich in einer ausweglosen Situation. Sie haben keine Möglichkeit, sich einen Rechtsweg zu eröffnen, auf dem sie Forderungen nachprüfen lassen können. Die unglückselige Verquickung von Verwaltungs- und Rechtsprechungstätigkeit beim Board schließt für sie jede Möglichkeit aus, zu ihrem Recht zu gelangen.
Ähnlich liegen die Verhältnisse auch bei der früheren französischen Besatzungsmacht. Hier möge ein Beispiel genügen:
Eine deutsche Firma von Weltruf hatte einen Kontrakt auf Lieferung von Gerät auf Grund einer Aufforderung unterzeichnet. Mitten in der Ausführung der Arbeiten und nach Investierung erheblichen Kapitals wird der Kontrakt ohne Angabe von Gründen gekündigt. Die Firma ist in schwerste Bedrängnis geraten. Ob sie sich die Möglichkeit zur Weiterarbeit erhalten kann, ist noch ungewiß.
Es ist keine Übertreibung, wenn ich feststelle, daß Hunderte von Firmen, und gerade solche des mittleren und Kleingewerbes, wegen der völlig willkürlichen Handhabung zugrunde gerichtet worden sind. oder vor dem Zusammenbruch stehen. Ihnen sollte in allererster Linie geholfen werden. Das Bundesministerium der Finanzen steht auf dem Standpunkt, es sei für die Abwicklung der Forderungen nicht zuständig; die Betroffenen mögen sich an ihre früheren Vertragspartner halten und dort versuchen, ihre Forderungen einzuziehen. Die früheren Besatzungsmächte dagegen beziehen sich auf den Überleitungsvertrag und erklären, es sei Sache der deutschen Behörden, die noch offenstehenden Forderungen zu bezahlen.
Die Fraktionen, die die Große Anfrage eingebracht haben, haben der Bundesregierung fünf Fragen vorgelegt, um deren Beantwortung sie bitten. Abgeordnete und Fraktionen dieses Hauses haben einen Antrag vorbereitet, den ich Sie bitte anzunehmen, um so die Möglichkeiten zu eröffnen, Unrechtstatbestände aus der Welt zu schaffen, die mit der Würde und dem Ansehen der Bundesregierung nicht vereinbar sind.
({33})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung der Großen Anfrage gehört. Ich schlage dem Hause vor, daß wir vor der Antwort der Regierung die Anträge auf den Umdrucken 855 ({0}) und 880 hören. Sie sind versehentlich in der gedruckt vorliegenden Tagesordnung nicht aufgeführt; in der hektographierten Vorlage des Ältestenrates waren sie enthalten.
Ich gebe das Wort zunächst zur Begründung des Antrags Umdruck 855 ({1}) dem Herrn Abgeordneten Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag auf Umdruck 855 ({0})*) haben sich alle Fraktionen dieses Hauses angeschlossen. Der Antrag sieht vor, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt die noch unbefriedigten Forderungen deutscher Unternehmungen gegenüber den ehemaligen Besatzungsmächten erfassen soll. Die Antragsteller waren der Auffassung, daß das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft die am besten geeignete Behörde ist, diese Forderungen objektiv zu prüfen. Das Bundesamt soll gutachtlich zu den bei ihm angemeldeten Forderungen Stellung nehmen, und der Herr Bundesfinanzminister soll im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft die Behörden bestimmen, die die Angemessenheit der angemeldeten Forderungen feststellen. Nach dem Antrag soll die Bundesregierung dem Bundestag spätestens bis zum 30. April dieses Jahres eine Mitteilung über die Ergebnisse der Nachforschungen vorlegen. Der Bundestag müßte nach Feststellung des Tatbestands eine Entscheidung darüber treffen, wie die Ansprüche zu regeln sind.
Soweit bekannt, beabsichtigt der Herr Bundesfinanzminister, eine Kredithilfe zu geben. Wir würden, falls der Herr Staatssekretär diese Feststellung hier vor dem Hohen Hause treffen sollte, eine solche Kredithilfe als eine Sofortmaßnahme zur Überbrückung bestimmter Schwierigkeiten außerordentlich begrüßen.
Bei der Frage nach dem zweckmäßigsten Verfahren für die Feststellung der noch vorliegenden Forderungen bleibt zu prüfen, ob man die ganze Angelegenheit nicht auf diejenigen Fälle beschränken sollte, in denen die Unternehmen bereits in irgendeiner Form Beschwerde eingelegt haben, um so zu verhindern, daß längst begrabene Sachen wieder aus der Versenkung hervorgezogen werden.
Lassen Sie mich in Zusammenhang mit dem Antrag ganz kurz auch auf die grundsätzliche Frage eingehen, ob die Forderungen von Bauunternehmungen gegenüber den ehemaligen Besatzungsmächten berechtigt sind. Es gibt keinen Zweifel, daß von diesen Bauunternehmungen und von der Bauwirtschaft im allgemeinen erhebliche Leistungen im Besatzungsbau vollbracht worden sind, und
*) Siehe Anlage 2.
({1})
zwar nicht auf der Grundlage eines Vertragsverhältnisses mit dem Auftraggeber, sondern auf Grund von Requisitionen, von Befehlen und der Machtstellung des Auftraggebers. Es kann auf jeden Fall nicht abgestritten werden, daß es sich hier um erbrachte Leistungen handelt, und die Gegenleistung für diese erbrachten Leistungen kann nicht vorenthalten werden.
Eine zweite Grundsatzfrage, über die sich das Hohe Haus auch schlüssig werden muß, ist die Frage, ob diese ursprünglich gegenüber den Besatzungsmächten bestehenden Forderungen heute vom Bund zu respektieren sind. Es ist eine Tatsache, daß die Bauten fast durchweg in den Besitz des Bundes übergegangen sind oder übergehen werden und daß daher, wenn schon nicht eine rechtliche, so doch eine moralische und sachliche Verpflichtung des Bundes besteht, berechtigte Forderungen dieser Art zu erfüllen, schon damit der Bund sich nicht eines Tages den vielleicht nicht ganz unbegründeten Vorwurf machen lassen muß, hier eine ungerechtfertigte Vermögensbereicherung betrieben zu haben.
Zum Abschluß meiner Begründung des Antrags darf ich noch um eine möglichst schnelle Erledigung der Angelegenheit durch die Instanzen der Bundesregierung bitten, im Interesse insbesondere derjenigen Baufirmen, die durch Vorenthaltung der ihnen zustehenden Mittel in ernste finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck 880 gebe ich dem Herrn Abgeordneten Schlick.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst noch eine Bemerkung zu dem Antrag Umdruck 855*), den mein Kollege Müller-Hermann soeben begründet hat! Es erscheint mir notwendig, hier eine Terminänderung vorzunehmen. Nachdem der Antrag von uns bereits am 4. Dezember eingebracht wurde, aber hier im Plenum nicht behandelt werden konnte, ist die Anmeldefrist bis zum 31. Januar 1957 meiner Ansicht nach zu kurz; sie muß um mindestens vier Wochen verlängert werden. Ich würde vorschlagen, daß wir diese Frist bis zum 28. Februar 1957 bemessen. Die weitere Frist zur Feststellung und Berichterstattung an den Bundestag, die bis zum 30. April läuft, kann meiner Ansicht nach bestehen bleiben, weil die zwei Monate genügen dürften, der Bundesregierung Gelegenheit zur Klärung der Dinge zu geben.
Nun noch eine erläuternde Bemerkung zu dem Antrag Umdruck 880**). Meine Damen und Herren, während der Umdruck 855 ({0}) einen Antrag aller Fraktionen enthält, beschränken sich die Unterschriften des Antrags Umdruck 880 auf einige Abgeordnete. Ich glaube aber, obwohl es sich hier um eine regionale Begrenzung handelt, daß auch alle übrigen Fraktionen des Hauses diesem Antrag beitreten werden. Im Unterschied zu dem Antrag Umdruck 855 handelt es sich bei diesem Ergänzungsantrag um die relativ geringe Summe von 1 141 000 DM. Dazu kommt, daß diese Summe durch die Oberfinanzdirektion, Landesbauabteilung
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
Mainz, einwandfrei ermittelt worden ist. Sie steht als berechtigte Forderung fest.
Es ist weiterhin festzuhalten, daß bei der Vergabe dieser Aufträge an die deutschen Handwerker und Baufirmen die Sonderbauämter die vermittelnde Rolle gespielt haben, so daß der größte Teil der ausführenden Firmen der Meinung war, es handle sich einwandfrei um Aufträge für deutsche Sonderbauämter.
Inzwischen ist ein Teil dieser Forderungen in der ehemals französisch besetzten Zone befriedigt, ein Teil aber auch sehr ungenügend geregelt worden, weil die Geschäftsleute unter dem Druck der französischen Besatzungsmacht zu erheblichen Teilverzichten auf ihre Forderungen gezwungen wurden. Bis zum Inkrafttreten des Deutschlandvertrags war es diesen Geschäftsleuten noch möglich, beim französischen Gericht in Rastatt noch zu ihrem Recht zu kommen, und in einzelnen Fällen sind auch entsprechende Urteile ergangen. Aber seit dem Inkrafttreten der Pariser Verträge ist auch dieser Weg nicht mehr offen, so daß die Leute mit ihren Forderungen völlig in der Luft hängen.
Innerhalb dieser 1 141 000 DM sind vor allen Dingen kleinste und kleine Handwerker betroffen. Ich kenne einen Fall, in dem ein Handwerksbetrieb mit drei bis vier Beschäftigten bei einem Jahresumsatz von 35- bis 40 000 DM aus diesen Forderungen die Summe von 9000 DM seit 1950 nicht erhalten kann.
Nachdem nun, wie schon gesagt, diese Rechnungen durch die Oberfinanzdirektion einwandfrei geprüft und als richtig festgestellt sind, haben wir durch den Zusatzantrag Umdruck 880 die Bundesregierung ersucht, diese Summe sofort aus Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen, damit diese berechtigten und anerkannten Forderungen der kleinen Leute, die teilweise in erhebliche wirtschaftliche Bedrängnis geraten sind, sofort ausbezahlt werden können.
Ich darf Sie bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Damit ist die Begründung der Großen Anfrage und der angefügten Anträge erfolgt. Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Schranz hat seinen Ausführungen die Bemerkung vorausgeschickt, daß das Bundesfinanzministerium in diesen Dingen nichts getan habe. Ich bitte. mir nicht zu verübeln, wenn ich das ganz entschieden bestreite. Das Bundesfinanzministerium hat sich mit diesen schwierigen Fragen ganz besonders viel Arbeit gemacht. Ich werde mir gleich erlauben, das darzulegen.
Hier besteht eben offenbar ein grundsätzlicher Unterschied in der rechtlichen Beurteilung. Die Bundesrepublik ist nicht Schuldner aus diesen Verträgen. Schuldner aus den Verträgen sind die Besatzungsmächte. Hier ist soeben auf das Verfahren der „Requisitionen" hingewiesen worden. Dazu muß ich sagen, daß das nur die Form des Verfahrens gewesen ist. Die Industriellen und die Handwerker haben sich um Aufträge bemüht; die Aufträge sind vereinbart worden, und hinterher ist
({0})
das dann in die Form der Requisition gegossen worden. Es sind also freiwillig abgeschlossene Verträge, und ich nehme an, daß dabei auch mindestens ein gewisser Gewinn einkalkuliert worden ist; ob er in jedem Einzelfalle erzielt worden ist, ist natürlich eine andere Frage; das ist auch uns bekannt.
Ich darf nun zunächst, ohne auf Einzelheiten einzugehen, einige allgemeine Bemerkungen zu der Großen Anfrage machen.
Frage 1: Welcher Rechtsweg steht offen? - Vergütungen für Leistungen auf Grund von Besatzungsaufträgen, welche die ehemalige britische Besatzungsmacht vergeben hatte, wurden durch deutsche Behörden festgesetzt. Die Festsetzungsbescheide konnten als Verwaltungsakte deutscher Behörden vor den zuständigen Verwaltungsgerichten angefochten werden. Diese Möglichkeit besteht auch heute noch.
Die ehemalige amerikanische Besatzungsmacht hat zunächst ihre Beschaffungsdienststellen mit der Überprüfung von Beschwerden beauftragt und später in Heidelberg den sogenannten Board of Requisition Demand Appeals eingerichtet, der jedoch nicht die Stellung eines unabhängigen Gerichts hat, sondern als eine Verwaltungseinrichtung anzusehen ist.
Im Hinblick darauf, daß aus Kreisen der Bauwirtschaft der Wunsch geäußert wurde, die Abwicklung der Forderungen solle durch deutsche Behörden erfolgen, hat das Bundesministerium der Finanzen mit der amerikanischen Botschaft eine Vereinbarung vom Mai/Juni 1956 über die Abwicklung noch nicht erledigter strittiger Forderungen aus Besatzungsaufträgen getroffen. Hiernach sind deutsche Behörden für die Bearbeitung bestimmter Fälle zuständig. Ihre Entscheidungen werden als Verwaltungsakte deutscher Behörden vor den deutschen Verwaltungsgerichten angefochten werden können.
Forderungen aus Besatzungsaufträgen der ehemaligen französischen Besatzungsmacht konnten vor dem französischen Gericht in Rastatt geltend gemacht werden. Dieses Gericht hat jedoch mit dem 5. Mai 1955 seine Tätigkeit eingestellt, obwohl es im Rahmen des Art. 4 des Überleitungsvertrages seine Tätigkeit hätte fortsetzen und auch neue Verfahren noch bis zum 5. August 1955 hätte einleiten können. Um den deutschen Unternehmern auch hier, soweit möglich, einen Rechtsschutz zu geben, hat das Auswärtige Amt Verhandlungen mit der französischen Botschaft über die Abwicklung der noch nicht erledigten Forderungen eingeleitet. Es soll auch hier versucht werden, die Einschaltung deutscher Behörden zu erreichen, gegen deren Entscheidungen dann ebenfalls der Rechtsweg vor deutschen Verwaltungsgerichten gegeben wäre.
Frage 2: Falls zur Zeit kein Rechtsweg gegeben ist: Hat die Bundesregierung an die Schaffung eines Rechtsweges für diese Personen oder Firmen gedacht? - Die Streitkräfte selbst unterliegen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit. Der Rechtsweg vor den deutschen Gerichten - an diesen ist bei der Frage ja wohl gedacht - könnte jedoch dadurch eröffnet werden, daß die Bundesrepublik die Prozeßstandschaft übernimmt. Das würde aber voraussetzen, daß die Streitkräfte ihre Zustimmung hierzu erteilen. Eine Vereinbarung hierüber müßte nicht nur das Einverständnis der Stationierungsstreitkräfte mit der Einschaltung deutscher Gerichte enthalten, die Stationierungsstreitkräfte müßten sich außerdem verpflichten, die von den deutschen Gerichten ergehenden Urteile anzuerkennen und zu honorieren.
Diese Fragen sind bei den Verhandlungen mit den amerikanischen Streitkräften und mit den französischen Streitkräften angesprochen worden; sie lehnen eine Anerkennung und Honorierung von Urteilen dieser Art jedoch ab.
Da auf Grund der zu Frage 1 genannten Vereinbarung für noch nicht erledigte Forderungen gegen die ehemalige amerikanische Besatzungsmacht bereits die Klage vor den Verwaltungsgerichten zulässig ist, käme der Frage der Eröffnung des Rechtsweges noch wegen der nicht erledigten Forderungen gegen die ehemalige französische Besatzungsmacht Bedeutung zu, aber nur dann, wenn die vorgesehene Vereinbarung mit den französischen Streitkräften nicht zustande kommt.
Frage 3: Ist die Bundesregierung bereit, eine Kredithilfe zu gewähren? - Ich habe einleitend bemerkt, daß eine rechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik, Mittel des allgemeinen Bundeshaushaltes zur Behebung von Schwierigkeiten der hier vorliegenden Art einzusetzen, nicht besteht. Die Bundesregierung verkennt aber nicht, daß Fälle denkbar sind, in denen Personen oder Firmen infolge der Nichtzahlung berechtigter Forderungen in ihrer Existenz bedroht sein können. Die Bundesregierung ist deshalb bereit, in Fällen dieser Art, soweit es sich um existenzfähige und förderungswürdige Firmen handelt, Darlehen zur Überbrükkung dieser Schwierigkeiten zu geben, also eine Kredithilfe.
Frage 4: Welche anderen Maßnahmen gedenkt sie gegebenenfalls zu ergreifen? - Die Bundesregierung wird über die hiermit zugesagte Kredithilfe hinaus weiterhin bemüht sein, bei den amerikanischen Streitkräften und bei den französischen Streitkräften die Anerkennung berechtigter Forderungen zu erreichen. Die Möglichkeiten für generelle Regelungen dürften nach Abschluß der Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen und der amerikanischen Botschaft und nach Abschluß der noch laufenden Verhandlungen zwischen dem Auswärtigen Amt und der französischen Botschaft erschöpft sein.
Frage 5: Wäre sie bereit, wenn sich eine Kredithilfe nicht erreichen ließe, diese Forderungen zu bezahlen? Diese Frage ist durch die Antwort zu Frage 3 erledigt. Die Bundesregierung ist ja bereit, eine Kredithilfe zu gewähren. Das Bundesfinanzministerium ist in der Lage, wenn es gewünscht wird. die Einzelheiten bezüglich der Gewährung der Bundesdarlehen in den zuständigen Ausschüssen näher zu erörtern.
Ich darf zu den beiden Anträgen noch folgendes bemerken. Ich weiß nicht, ob beabsichtigt ist, den Antrag Umdruck 855 an Ausschüsse zu überweisen. Ich hatte das eigentlich angenommen. Wenn das nicht der Fall ist, - ({1})
- Das ist der Fall? Ich glaube, dann kann ich mir eingehendere Bemerkungen sparen. Ich möchte nur kurz erwähnen, daß die Antragsfrist des 31. Januar
- das ist eben schon von Herrn Abgeordneten Schlick dargelegt worden - wohl zu kurz ist. Wir müssen auf den 28. Februar kommen. Ich glaube aber, dann ist auch die Berichtsfrist bis zum 30. April zu kurz. Darüber kann im Ausschuß noch gesprochen werden.
({2})
Dann ist hier vorgesehen, daß das Erfassungsverfahren durch einen Erlaß des Bundesministeriums für Wirtschaft geregelt wird, d. h. ohne den Bundesminister der Finanzen. Ich darf annehmen, daß er nicht absichtlich ausgelassen worden ist; denn unten, im vorletzten Absatz, steht:
Der Bundesminister der Finanzen bestimmt im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft die Behörden, die die Angemessenheit der angemeldeten Forderungen feststellen.
Dazu ist auch noch eine Bemerkung zu machen. Angemessenheit setzt ja eine gewisse Rechtsgrundlage, eine Grundlage der Beurteilung voraus. Man müßte sich also im Ausschuß wohl darüber einigen, auf welchen Rechtsbestimmungen die Gutachten aufgebaut werden sollen, nach welchem Recht also die gegenüber den ehemaligen Besatzungsmächten strittigen Fragen zu beurteilen sind.
Dann zum Antrag Umdruck 880*). Ich möchte annehmen, daß er im wesentlichen mit dem, was ich eben über die Kredithilfe gesagt habe, erledigt ist. Auch wenn der Kreis hier offenbar verhältnismäßig klein ist, darf man doch nicht verkennen, daß eine glatte Übernahme von Forderungen gegen die Besatzungsmacht eine präjudizielle Wirkung haben könnte. Das muß also in den Ausschußerörterungen noch abgegrenzt werden.
Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Bevor wir in die Aussprache eintreten, gebe ich zur Begründung des Tagesordnungspunktes 1 b:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden ({0}),
dem Herrn Abgeordneten Margulies das Wort.
Margulies ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von uns eingereichte Gesetzentwurf Drucksache 2958 befaßt sich mit der gleichen Angelegenheit, über die soeben das Haus unterrichtet worden ist. Meine Fraktion hat auch den Umdruck 855 ({2})**), der ja eine Konsequenz aus dieser Beratung ziehen will, mit unterschrieben. Ich möchte aber doch darauf aufmerksam machen, daß uns diese Behandlungsweise nicht genügt. Nach unserer Meinung ist es erforderlich, den Betroffenen unverzüglich einen Rechtsweg zu schaffen, auf dem sie ihre Forderungen geltend machen und beweisen können, um nachher mit dem Urteil ihre Ansprüche auch realisieren zu können.
In dem Umdruck 855 ({3}) wird verlangt, daß bis zum 30. April 1957 dem Bundestag das Ergebnis der Enquete vorgelegt wird. Dann erst muß sich der Bundestag darüber schlüssig werden, was mit den angemeldeten und bis dahin wohl auch bewiesenen Forderungen geschehen soll. Damit ist aber, glaube ich, den Betroffenen nicht geholfen. Sie müssen sich, meine Damen und Herren, darüber klar sein, daß sich die Mehrzahl der betroffenen Firmen in äußersten Schwierigkeiten befindet, daß ein Teil davon in Konkurs gegangen ist und die Gläubiger nun seit Jahr und Tag auf ihr Geld warten, daß sich ein anderer Teil dieser Firmen im Vergleichsverfahren befindet und Gefahr läuft,
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 2. die Vergleichsraten nicht abdecken zu können, was zur Folge hätte, daß auch noch diese Firmen in Konkurs gingen. Es ist hier also schon Eile geboten.
Zur Sache selbst darf ich mich im wesentlichen auf die Ausführungen beziehen, die Herr Dr. Schranz gemacht hat. Es ist nicht notwendig, daß ich noch einmal die ganze Tragödie, die sich hier abgespielt hat, darstelle. Ich möchte nur zu einem Punkt, den Herr Staatssekretär Hartmann erwähnt hat, etwas nachtragen.
Die Vergabe von Bauleistungen ist zwar zunächst an freiwillige Bewerber erfolgt, aber sobald der Abschluß getätigt war, erhielt der Auftrag die Form einer Requisition, und das scheint mir ein ganz entscheidendes rechtliches Moment zu sein, das diese Art von Leistungen von allen sonstigen Leistungen auf Grund von Verträgen unterscheidet.
In den Worten von Herrn Staatssekretär Hartmann klang so etwa durch: die Firmen haben sich ja freiwillig um die Verträge bemüht. Dazu darf ich doch darauf hinweisen, daß diese Firmen seit Jahren derartige Verträge mit den Amerikanern und mit den Franzosen abgewickelt hatten und daß es niemals zu irgendwelchen Differenzen gekommen war, daß die Firmen also keineswegs leichtfertig gehandelt haben, wenn sie sich um weitere Aufträge bemüht haben.
Es ist wohl nicht zu verkennen, daß hier ein gewisser Zusammenhang mit einigen unliebsamen Erscheinungen besteht, die sich aus dem Bauboom in der Pfalz ergaben und die die Besatzungsmächte veranlaßten, die Art der Abrechnung plötzlich umzukehren. Das ist wohl auch mit ein Grund dafür, daß diese Schäden seinerzeit nicht in das Besatzungskostengesetz aufgenommen worden sind.
Wir sind also der Meinung, daß es notwendig ist, unverzüglich einen Rechtsweg zu schaffen. Wir können als Abgeordnete selbstverständlich nicht die Berechtigung dieser Forderungen nachprüfen. Wir sind auch weit davon entfernt, etwa zu sagen, daß wir uns alle diese Forderungen zu eigen machen, die da erhoben werden. Aber wir möchten gern, daß das verletzte Recht dadurch wiederhergestellt wird, daß den betroffenen Firmen die Möglichkeit eröffnet wird, ihre Ansprüche vor ordentlichen Gerichten geltend zu machen, sie dort nachzuweisen und dann das so erhaltene Urteil auch zu realisieren.
Deshalb möchten wir Sie bitten, dem Gesetzentwurf auf Drucksache 2958 Ihre Zustimmung zu geben.
({4})
Meine Damen und Herren, damit sind die Begründungen sämtlicher Vorlagen unter Punkt 1 erfolgt. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Professor Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den Gegenstand der heutigen Beratungen richtig beurteilen will, muß man sich darüber klar sein, daß die Auftragsvergebung der Besatzungsmächte juristisch in einem Zwielicht steht. Einerseits bekam niemand einen Auftrag, den er nicht haben wollte; die Angebote wurden durch Ausschreibungen eingeholt. Andererseits bekam derjenige, der eine Arbeit übernahm, dafür einen Requisitionsschein ausgestellt.
({0})
Durch diese Praxis - Requisitionsschein - blieb das Auftragsverhältnis dem öffentlichen Recht, dem Besatzungsrecht unterstellt, und die Bezahlung hatte nicht so sehr den Charakter einer Vertragserfüllung wie den einer Entschädigung für eine Requisition. Wer sich um einen Auftrag bewarb, wußte das im allgemeinen. Er ging damit gewisse Risiken ein, die bei der Ausnahmestellung der Besatzungsmächte unter dem Besatzungsregime nicht ungefährlich waren. Im ganzen ist durch die Besatzungsaufträge sicher auch viel Geld verdient worden. Aber es gibt besonders in der französischen Zone auch Fälle, in denen eine Bedrohung, ja sogar die Vernichtung selbständiger, meist mittelständischer Existenzen eingetreten ist.
Um unseren Standpunkt zu einer Frage klarzustellen: Besatzungsschäden im Sinne unseres Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsschäden liegen in solchen Fällen schwerlich vor. Es ist etwas anderes, ob einer von einem Besatzungsauto angefahren wird oder ob er bei der Abwicklung eines freiwillig übernommenen Auftrags, durch den er sich auf einen unsicheren Boden begeben hat, nicht auf seine Rechnung gekommen ist. Das Besatzungsschädengesetz hat so viele schädigende Maßnahmen der Besatzungsmacht nicht als Besatzungsdelikte qualifizieren können, bei denen eine freiwillige Beteiligung des Geschädigten gar nicht in Frage kam - ich erinnere bloß an die Demontagen -, daß es sehr überlegt werden muß, ob man die Ausnahmebehandlung der Besatzungsgeschädigten im Sinne unseres Gesetzes, die sowieso von vielen besatzungsgeschädigten Gruppen als unverdiente Privilegierung empfunden wird, auch solchen Personen zuerkennen kann. die keinen Besatzungsschaden, keinen Körper- oder Sachschaden im Sinne des Abgeltungsgesetzes erlitten haben.
Aber das bedeutet nicht, daß den wirklich schwer Betroffenen nicht geholfen werden müßte. Es waren außergewöhnliche Verhältnisse, unter denen die Arbeiten vergeben wurden, und wenn hier schwere Unbilligkeiten entstanden sind, müssen wir sie abzustellen oder auszugleichen suchen. Nur muß man sich meines Erachtens davor hüten, diese Hilfe, über deren Grundsatz sich alle Parteien einig sind, einfach dadurch zu verwirklichen, daß man dem Bund die Verpflichtung auferlegt, die Schäden solcher Art, die sich zum Teil aus der Anwendung ausländischen Rechts ergeben, generell zu übernehmen. Jedenfalls hat der Bund in den Verträgen über die Beendigung des Besatzungsregimes diese Verpflichtung nicht übernommen. Man wird nach Hilfsmaßnahmen, insbesondere durch die Gewährung von Überbrückungsbeihilfen, suchen müssen. Wenn nur einer sich darauf berufen könnte, daß ihm der Bund für irgendwelche Ausfälle im Rechtssinne haften müsse, käme durch die Auswirkung des Gleichheitssatzes auf den Bund eine Riesenlast zu, deren organisatorische Bewältigung zudem einen großen Verwaltungsaufwand erforderte, weil dann jeder Unternehmer, der Differenzen mit den Besatzungsmächten gehabt hat, mit Nachforderungen käme, auch wenn er vielleicht mittlerweile durch andere Aufträge der gleichen Stelle den Verlust ausgleichen konnte.
({1})
- Man muß doch zweifellos davon ausgehen, daß
zunächst einmal die Besatzungsmächte dran sind.
Meine Darlegungen sollen zeigen, daß man die t uns vorliegenden Drucksachen nicht einfach sofort verabschieden kann. Das angeschnittene Problem ist vielschichtig. Ich bitte Sie, die Überweisung an den Ausschuß für Besatzungsfolgen - federführend - und an den Haushaltsausschuß - mitberatend - zu beschließen. Ich bin überzeugt, daß es gelingen wird, auch diesen Restbestand von bitteren, zum Teil unerträglichen Besatzungsfolgen einer angemessenen Lösung zuzuführen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute hier zur Debatte stehenden ungeklärten Forderungen an die früheren Besatzungsmächte sind zwar auf freiwilliger Basis zustande gekommen, aber die Durchführung erfolgte teilweise doch nach Methoden, wie sie selbst während eines Krieges nicht vorkommen sollten. Es sind schon einige Beispiele dafür genannt worden; ich will sie nicht wiederholen. Es ist erstaunlich, daß die Bundesregierung es bisher trotz ihrer vielen Bemühungen - das ist bekannt, es sind Verträge, Vereinbarungen usw. getroffen worden - nicht für nötig befunden hat, auch für die Einhaltung der Verträge zu sorgen. Da ist z. B. eine Vereinbarung aus dem Februar 1954 zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem amerikanischen Hauptquartier, die besagt, daß alle amerikanischen Bauaufträge über deutsche Sonderbauverwaltungen durchgeführt werden sollen. In der Praxis aber hat sich nachher niemand danach gerichtet, oder es ist nur in so verschwindend kleinem Umfange geschehen, daß kaum noch die Rede davon sein konnte. Es wurde in der gleichen Weise weiter praktiziert, eine Praxis die in den vorhergehenden Jahren schon laufend zu den Mißständen führte.
Ich will die Bemühungen des Bundesfinanzministeriums ausdrücklich anerkennen. Aber die getroffenen Vereinbarungen sind nachher von den Besatzungsmächten nicht eingehalten worden. Da hätte es doch die Aufgabe der Bundesregierung sein müssen, darauf zu dringen, daß die einmal getroffenen Vereinbarungen von den demnächst nicht mehr als Besatzungsmächten hier anwesenden Staaten - gerechnet von 1954 her - auch wirklich durchgeführt würden.
Die Schwierigkeiten sind insbesondere entstanden, nachdem der 5. Mai 1955 uns die Souveränität gebracht hatte. Nun wußte in den ganzen damals ungeklärten Fällen niemand mehr genau, wer zuständig ist: die Besatzungsmacht als auftragvergebende Stelle oder nunmehr nach Rückgabe der Souveränität die deutschen Stellen. Darum geht der Streit auch bis zum heutigen Tage noch weiter trotz der Vereinbarungen vom 1. August, auf die ich noch komme.
Es geht insbesondere auch darum, daß laufend Aufträge, die einmal auf Grund von öffentlichen oder beschränkten Ausschreibungen zustande gekommen waren, zu einem Pauschalsatz vergeben worden sind. Änderungen, die dann notwendig wurden, aber nicht auf das Verschulden der deutschen Bauunternehmungen zurückzuführen waren, mußten nach Ansicht der amerikanischen Dienststellen zu dem Pauschalpreis mitübernommen werden. Durch diese Streitigkeiten, bei denen es um große Summen ging, kamen die Betriebe gegen({0})
über ihren Unterlieferanten, gegenüber den kleinen Unternehmungen, den Lohnempfängern und den Sozialversicherungsträgern in Verzug. Sie alle mußten auf ihre Gelder warten, solange auch nur ein Punkt strittig war. Man behielt dann, wie hier schon angedeutet worden ist, große Beträge zurück und übte somit auf den deutschen Unternehmer einen Druck aus - weil dieser ja zu Betriebsmitteln kommen mußte - und verlangte von ihm, auf seine anderen, zu Recht bestehenden Forderungen zu verzichten; darum geht es doch!
Alle strittigen Forderungen sollten zum mindesten noch einmal überprüft und die Rechtmäßigkeit sollte festgestellt werden. Ob alle diese Angaben, wie heute auch schon gesagt worden ist, zu Recht bestehen, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin muß alles, was uns laufend vorgetragen wird und auch den deutschen Dienststellen bekannt ist, einmal von irgendeiner deutschen Stelle untersucht und daraufhin kontrolliert werden, ob diese Forderungen zu Recht bestehen. Denn bisher ist das nur nach amerikanischem Recht - wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Recht sprechen kann -, aber absolut nicht in ordentlicher und korrekter Weise jedenfalls nicht nach deutschen Gepflogenheiten geschehen. Nach amerikanischem Recht konnte im Falle einer Beschwerde eine Verwaltungsstelle in eigener Sache entscheiden, und diese Entscheidung bedurfte nur der Bestätigung des Kommandierenden Generals.
Das Kuriose dabei ist, daß die Betriebe, die durch diese nicht beglichenen Forderungen in Schwierigkeiten, ja selbst vor dem Konkurs standen, von den Gerichten einen Konkurs nicht anerkannt bekamen unter Hinweis, daß ja noch eine nennenswerte berechtigte Forderung bestehe. Auf der andern Seite konnten diese deutschen Firmen, die zum Teil als Generalunternehmer auftraten, von den Unterlieferanten nach deutschem Recht verklagt werden. Daß der Generalunternehmer dadurch in große Schwierigkeiten kam, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Ich darf aber einflechten, daß es sich bei allen diesen Fällen keineswegs um die vielleicht manchem hier im Hause noch bekannten Skandalfälle handelt. Diese meint keiner der Antragsteller, sei es bei den Einzelanträgen, sei es bei den gemeinsamen Änderungsanträgen.
Später wurde das Bundesamt für die gewerbliche Wirtschaft in Frankfurt teilweise gutachtlich gehört. Aber in den meisten Fällen wurde auch dessen Gutachten nicht beachtet. Die Meinung dieser Bundesanstalt ist eindeutig: Unhaltbare Zustände!
Nun die Regelung, die auf Grund der Bekanntmachung vom 1. August 1956 getroffen werden sollte. Die Bekanntmachung über die Abwicklung von Beschwerdefällen aus amerikanischen Aufträgen durch deutsche Behörden schafft erneut zweierlei Recht: einmal für die Forderungen, die durch Entscheidungen bzw. Vergleiche - aber wohlgemerkt Vergleiche unter Druck, wie ja allgemein anerkannt wird - vor dem 5. Mai 1955 zustande gekommen sind - sie sollen als erledigt gelten -, und solche, die durch irgendeinen Umstand nicht mehr vor dem 5. Mai 1955 behandelt werden konnten; diese dürfen von deutschen Stellen abgewickelt werden.
Wir sind der Meinung, daß alles das, was Herr Staatssekretär Hartmann ausgeführt hat, rechtlich in Ordnung sein mag. Aber wir haben gerade heute zu Beginn unserer Sitzung aus dem Munde unseres Präsidenten gehört, welchen Wert er auf die moralische Haltung der Völker untereinander legt. Auch hier bin ich der Meinung, daß man aus moralischen Gründen trotz aller Schwierigkeiten, die bestehen mögen, einen Weg zur Zufriedenheit aller finden muß. Denn es handelt sich in diesen Fällen eben nicht um die üblichen Verträge, sondern um Beschlagnahmeakte. Daß aber auch diese zu entschädigen sind, steht schon auf Grund der Haager Landkriegsordnung, Art. 52, fest. Nur legt die Haager Landkriegsordnung nicht fest, wer nun zahlt, die besetzende Macht oder das besetzte Land. Darüber besteht bis heute noch keine einmütige Meinung. Wir müssen aber den unverschuldet in Not geratenen Betrieben helfen und versuchen, aus diesem Dilemma herauszukommen.
Der Antrag der FDP, der nun gleich eine zahlende Stelle einschalten will, mag sehr gut gemeint sein, aber in dem Gesetz gibt es Paragraphen, die erneut Fußangeln für diese Forderung bringen. Sie führen sie nicht an, sie müssen aber im Zusammenhang gesehen werden. Ich denke an die §§ 23 und 25, in denen nur von Härtefällen usw. gesprochen wird. Wir werden uns darüber im Ausschuß noch sehr eingehend unterhalten müssen.
Mit dem Änderungsantrag Umdruck 880 soll eine möglichst sofortige Befriedigung der bereits nachgeprüften und in der Höhe festgestellten Forderungen erreicht werden. Damit sind wir im Prinzip einverstanden, aber auch dieser Antrag wird wohl im Ausschuß besprochen werden müssen.
Noch ein paar Worte zu den Ausführungen von Herrn Staatssekretär Hartmann. Mit den Engländern bestehen keine Schwierigkeiten, mit den Franzosen nur bedingt, hier und da einige. Schwierigkeiten sind ausgerechnet mit der amerikanischen Besatzungsmacht am laufenden Band aufgetreten. Das zeigte doch gerade die Problematik besonders deutlich und deutet immerhin an ohne daß ich hier ein Urteil über die endgültige Schuldfrage fällen will -, daß hier irgend etwas nicht in Ordnung ist. Man bietet Darlehen und Kredite für die Fälle an, in denen besonders geholfen werden sollte. Schön, darüber kann man vielleicht, weil es in einigen Fällen wirklich sehr eilig ist und schnellstens geholfen werden muß, als Zwischenlösung reden, aber nicht als Endlösung. Da ist meiner Meinung nach ein Darlehen oder ein Kredit nicht am Platze, sondern hier sollte man die Forderungen prüfen und, wenn man sie für richtig erachtet, auch eine Stelle finden, die sie bezahlt, ob nun aus den Stationierungskosten oder nach dem Kriegsfolgenschlußgesetz oder was immer, das mag dahingestellt sein. In eiligen Fällen also meinetwegen mit Darlehen und Krediten, aber sonst muß ein Rechtsweg gefunden werden.
Die Bundesregierung bemüht sich laufend um die Anerkennung deutschen Eigentums im Ausland. Warum interessiert sie sich nicht intensiver für das Vermögen, das auf deutschem Boden strittig geworden ist? Ich finde, die Aufgabe, die der Bundesregierung hier obliegt, ist zumindest ebenso groß. Unseres Erachtens muß auf jeden Fall dafür Sorge getragen werden, die Überprüfung aller Forderungen, auch der von amerikanischen Dienststellen bereits beschiedenen oder durch Vergleich geregelten, zu ermöglichen und eine Rechtsgrundlage zu schaffen, auf Grund deren dann auch in den Fällen, in denen nachgewiesenermaßen unrichtige Entscheidungen ergangen oder unter Druck
({1})
Vergleiche abgeschlossen worden sind, eine Entschädigung in Höhe des tatsächlichen Schadens erfolgen kann. Wir werden uns jedenfalls in den Ausschüssen bemühen, auf schnellstem Wege eine Lösung zu finden. Hoffentlich hilft uns dabei die Bundesregierung wie bisher beim Abschluß von Verträgen mit den Besatzungsmächten recht intensiv.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Das Thema, das hier zur Debatte steht, ist eigentlich eine Anklage gegen die abgeschlossenen Pariser Verträge. In diesen Verträgen hätte der Rechtsschutz für die deutsche Bevölkerung, der hier fehlt und der die Grundlage für die hier von allen Seiten des Hauses anerkannten Klagen bildet, mit verankert werden müssen. Die Vorfälle waren schon bekannt. Man hätte damals, als man mit den Besatzungsmächten diese Verträge in dem Gedanken abschloß, die deutsche Souveränität wiederherzustellen, schon auf diese Dinge eingehen und eine entsprechende Regelung treffen müssen. In die Verhandlungen zwischen den betroffenen Unternehmungen und den Besatzungsmächten sind sehr häufig deutsche Behörden eingeschaltet worden. Diese deutschen Behörden erklären heute, daß sie nur technische Hilfe geleistet, aber mit der rechtlichen Materie nichts zu tun gehabt hätten. Für den deutschen Unternehmer schien es aber immer so, als sei sein Kontrahent das deutsche Bauamt - ich weiß die Bezeichnung nicht genau -, das dazwischengeschaltet war. Der deutsche Unternehmer, der über die Rechtslage bei den internationalen Verträgen nicht Bescheid wußte, hatte das Gefühl: mein Kontrahent ist die deutsche Dienststelle. Daraus resultieren viele Schwierigkeiten und Streitigkeiten, die sich später ergeben haben. Kann man einem Intellektuellen wie dem bekannten Architekten Muthesius zumuten, daß er, als er seine Verträge mit den Amerikanern machte, sich nun überlegte und überprüfte: muß ich diesen Vertrag nach amerikanischem Recht abschließen, oder was muß ich hier zugrunde legen? Er hat sich an seine Aufgabe so herangemacht, als ob er für eine deutsche Behörde die Arbeit übernehme. Heute steht er da und ist fast mittellos, weil man ihm kein angemessenes Honorar für die sicher sehr wirkungsvollen Arbeiten zahlt, die er für die amerikanischen Truppen und indirekt für uns vollbracht hat; denn wir übernehmen diese Baulichkeiten jetzt oder später einmal.
Wir wollen, Herr Professor Wahl, nicht den Personen helfen, die leichtfertig Verträge abgeschlossen haben und die nun mit diesen Verträgen nicht zurechtkommen. Dieser Personenkreis soll ausgeschaltet sein. Aber es sind auch Verträge abgeschlossen worden, die später von der Besatzungsmacht eigenmächtig, zum Teil unter Gewaltanwendung erweitert worden sind, und zwar nur in bezug auf die Forderung von Leistungen und nicht in bezug auf die Bezahlung. Einmal ist in einem solchen Falle sogar Waffengewalt angewandt worden. Meist geschah es unter dem Druck des finanziell Stärkeren, indem gesagt wurde: Wenn du nicht zustimmst, dann bekommst du gar nichts, und dann kannst du mal eine ganze Weile alle möglichen Instanzen anrufen; bis zur Entscheidung dieser Instanzen bist du gar nicht mehr in der
Lage, dein wirtschaftliches Unternehmen weiterzuführen. Das sind im wesentlichen die Fälle, die wir hier im Auge haben, und diesen Personen wollen wir helfen.
Wir sind - das ist erfreulich - in allen Parteien über den Grundsatz dessen einig, was wir erreichen wollen. Wie wir es erreichen wollen, darüber sind die Auffassungen vielleicht verschieden. Wir haben damals - es ist schon einen Monat her - den gemeinsamen Antrag mit unterschrieben. Aber inzwischen sind wir doch zu der Überzeugung gekommen, daß sich die Arbeit in der deutschen Bundesrepublik häufig sehr langsam vollzieht. Wir wollen die Dinge beschleunigen, indem wir nicht erst wieder eine deutsche Behörde einschalten und uns in einem Vierteljahr einen Bericht darüber erstatten lassen, was diese Behörde festgestellt hat, um dann den Versuch zu machen, eine gesetzliche Regelung zu finden. Wir wollen vielmehr jetzt Recht schaffen, und wir wollen sehr schnell ein Gesetz verabschieden, und dann sei es den deutschen Gerichten überlassen, festzustellen, wer nach diesem Gesetz einen Anspruch hat und wer keinen Anspruch hat.
({0})
- Aber ich bitte Sie, Sie müssen das Gesetz hinterher doch machen. Sie wollen das Gesetz erst nach einem Vierteljahr machen. Wenn Sie es nicht tun, dann müssen Sie die Anspruchsberechtigten wieder auf den Weg einer mehr oder weniger freiwilligen Leistung der Bundesrepublik verweisen. Damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir wollen den Betroffenen - ich wiederhole noch einmal: nicht denen, die leichtfertig gehandelt haben, sondern denen, die durch Gewaltanwendung geschädigt worden sind - möglichst schnell einen Rechtsanspruch verschaffen. Selbstverständlich wollen wir in der Zwischenzeit solche Hilfen - nämlich der Kreditgewährung -, wie sie vom Herrn Staatssekretär für dringende Fälle angeboten worden sind, nicht ausschlagen; das braucht aber diese Verhandlungen auch nicht zu stören.
Deswegen also haben wir uns von dem Antrag distanziert und den, wie wir glauben, schnelleren Weg einer gesetzlichen Regelung vorgeschlagen. Wir bitten Sie, ebenso wie die Anträge auch dieses Gesetz dem Ausschuß zur Behandlung zu überweisen. Wir hoffen, daß auch Sie, wenn wir uns in den Ausschüssen unterhalten, einsehen werden, daß die gesetzliche Regelung die schnellere für die betroffenen Kreise ist.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Beantragt ist Überweisung der vorliegenden Anträge Umdrucke 880*) und 855 ({0})**) an den Ausschuß für Besatzungsfolgen als federführenden und an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß. Besteht darüber Einverständnis?
({1})
- Dann gilt dasselbe sicher auch für den Initiativgesetzentwurf Drucksache 2958. Wer mit der vorgeschlagenen Überweisung an den Ausschuß für Besatzungsfolgen als federführenden und den
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 2.
({2})
Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ehe ich den Punkt 2 der Tagesordnung aufrufe, möchte ich dem Hause sagen, daß wir im Ältestenrat übereingekommen sind, heute einer zwingenden Verpflichtung wegen die Verhandlungen des Plenums um 19 Uhr 30 abzubrechen. Ich hoffe, daß das Haus damit einverstanden ist.
({3})
Ferner hat mir der Abgeordnete Brookmann mitgeteilt, daß er einer zwingenden Verpflichtung folgend in kurzem das Haus verlassen müsse und deshalb darum bittet, daß der Punkt 10 der Tagesordnung - Bericht des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Besucher aus der sowjetisch besetzten Zone - vorgezogen wird. Ich schlage dem Hause vor, daß wir diese Sache, die nur wenige Minuten in Anspruch nimmt, jetzt behandeln.
({4})
- Wenn das Haus damit einverstanden ist, rufe ich also zunächst den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen ({5}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Besucher aus der sowjetisch besetzten Zone ({6}).
Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Brookmann.
Brookmann ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich danke dem Hohen Hause, daß es meinem Wunsche nicht widersprochen hat. Ich danke dafür, daß der Punkt 10 vorgezogen wurde. Ich werde mich dafür auch revanchieren, meine Damen und Herren, indem ich den zu erstattenden Bericht schriftlich zu Protokoll gebe*).
({9})
Gestatten Sie mir bitte nur noch einige Bemerkungen. Vor Ihnen liegt die Drucksache 3013 und damit ein Antrag des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen, den das Haus bitte einstimmig annehmen möge.
Den Bericht selbst bitte ich nachzulesen und ausführlich zu studieren. Er ist es wert. Ich wäre auch dankbar, wenn ihn die Presse publizistisch auswertete.
({10})
Er spricht nicht nur davon, was von der Bundesregierung, den Länderregierungen und den Gemeinden zur Vertiefung der materiellen Beziehungen zwischen den Menschen in der sowjetischen Besatzungszone und denen in der Bundesrepublik geschehen ist - oder bisher bedauerlicherweise auch zum Teil nicht geschehen ist; ich denke an den Widerstand einzelner Gemeinden, die da glauben, sich der Hilfsbereitschaft entziehen zu können, und neben den Leistungen des Bundes und der Länder bei zusätzlichen Eigenleistungen allzu kleinlich und engherzig sind -,
({11})
*) Siehe Anlage 4.
der Bericht spricht auch davon, in welcher Weise die menschlichen Kontakte noch mehr als bisher gepflegt werden könnten und sollten.
Meine Damen und Herren, wir sollten es uns abgewöhnen, immer nur dann nach dem Staat und seinen Einrichtungen zu rufen, wenn es gilt, Not zu lindern, sondern auch selbst bereit sein, Opfer zu bringen, und zwar wirklich Opfer zu bringen. Wir haben gegenüber den Menschen in der Zone nicht nur eine politische Verantwortung, sondern auch eine menschliche Verpflichtung, die uns täglich daran erinnern sollte, in jedem einzelnen Falle auch persönlich zu helfen. Echte und unechte Lippenbekenntnisse sowie Paket- oder andere sicher gut gemeinte Aktionen allein bringen uns auf dem Wege zur Wiedervereinigung unseres geteilten Vaterlandes keinen Schritt voran, wenn wir nicht auch selber bereit sind, Opfer zu bringen. Wir können in manchen belanglosen Dingen des Alltags oft sehr großzügig sein. Zeigen wir diese Großzügigkeit doch auch gegenüber unseren Brüdern und Schwestern in der Zone, denn sie sind in Not! Wenn sie zu uns kommen, müssen wir darum wissen, daß sie außer mit all ihren Sorgen auch noch ohne Geld zu uns kommen. Sorgen wir dafür - ich meine alle in der Bundesrepublik, denen es gut oder relativ gut geht -, daß die armen und geplagten Menschen nicht noch von Behörde zu Behörde gejagt werden und einen kostbaren Teil ihres ohnehin bemessenen Urlaubs hier damit vergeuden müssen, in den Besitz von einigen Mark zu kommen, bis sie eines Tages dann wieder die Rückreise antreten müssen. Unsere mitteldeutschen Landsleute sollen, wenn sie in die Zone des Schweigens zurückkehren müssen, die Bundesrepublik in dem Gefühl verlassen, daß sie zu uns gehören und daß wir um ihr Schicksal wissen, welches sie mit unerhörter Geduld und Standhaftigkeit tragen. Sie sollen hier mit dem Gefühl leben - im Sinne des Goetheschen Wortes -: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.
({12})
Das ist der tiefere Sinn des Ihnen vorgelegten Berichts, und das ist - ich sage das mit einer gewissen Freude - auch die einmütige Auffassung des Ausschusses für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen.
({13})
Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich frage, ob das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 3013. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 2 der Tagesordnung auf. Auch hier ist vorgesehen, zunächst sämtliche Begründungen erfolgen zu lassen und dann die Beratungen zu verbinden.
a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ({0}),
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Elbrächter, Dr. Vogel, Dr. Berg, Dr. Blank ({1}), Dr. Dollinger, Dr. Pohle ({2}) und Genossen betreffend Privatisierung der Volkswagenwerk GmbH ({3}),
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Einstellung der Zahlung des Volkswagenwerks für das „Wirtschaftsbild" ({4}).
Wer wünscht das Wort zur Begründung? - Herr Abgeordneter Atzenroth!
Dr. Atzenroth ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um ein Thema, mit dem ich mich seit Jahren beschäftige und das ich seit langem in die parlamentarische Arbeit hineinzubringen versuche.
({6})
Es hat sehr viele Schwierigkeiten gegeben. Selbst dieser Gesetzentwurf hat schon drei- oder viermal auf der Tagesordnung des Hohen Hauses gestanden, und erst heute gelingt es - wie ich hoffe -, ihn nach der ersten Lesung in den Ausschuß zu bringen.
In der modernen Demokratie ist es mehr denn je notwendig, die immer wachsende Allmacht des Staates gegenüber dem einzelnen zu überprüfen und die Aufgaben des Staates auf das unbedingt notwendige Maß zurückzuführen. Die Allmacht zeigt sich nicht nur darin, daß der Staat versucht, das Leben seiner Bürger mehr als nötig durch Gesetze zu organisieren, sondern der Staat - oder im weiteren Sinne die öffentliche Hand - betätigt sich darüber hinaus noch als der größte Kapitalist, den es je in Deutschland gegeben hat. Allein das Geldvermögen zeigt geradezu phantastische Summen. Im Zentralbanksystem sind die öffentlichen Bankeinlagen höher als die privaten. Sie dürften sich zur Zeit auf etwa 5 Milliarden DM belaufen. Dabei sind nicht die Beträge eingerechnet, die man heute als Juliusturm zu bezeichnen pflegt.
({7})
- Lassen Sie sich von Ihrem Herrn Finanzminister erläutern, wieviel davon heute noch übrig ist!
({8})
- Er hat es Ihnen versichert? Vielleicht kann er diese Versicherung hier vor dem Plenum wiederholen!
Das Vermögen der öffentlichen Hand vergrößert sich ständig, und zwar in einem solchen Tempo, daß auch der Anteil der Neuinvestitionen der öffentlichen Hand den der privaten heute schon überstiegen hat. Die Einnahmen der Gebietskörperschaften, die 1950 noch etwa 27 Milliarden DM betragen haben, dürften 1956 auf über 60 Milliarden DM angestiegen sein. Diese Mittel kommen zum allergrößten Teil aus Steuergeldern. Die Gefahr des totalen Staates, der alle Wirtschaftsmacht in seiner Hand vereinigt, wird also von Jahr zu Jahr bedrohlicher. Ein Teilgebiet, auf dem die Freiheit der Bürger in besonderem Maße bedroht wird, soll durch dieses Gesetz, das zu begründen ich die Ehre habe, erfaßt werden: die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand.
In den Zeiten des Absolutismus und des autoritären Staates nahm man an einer solchen Betätigung keinen Anstoß; sie gehörte zu diesen Systemen. In einer demokratischen Republik dagegen kann man dem Staat nicht das Recht zugestehen,
in einem Wettbewerb, der zwangsläufig immer mehr oder weniger ungleich sein muß, seinen Bürgern, die ihm Steuern erbringen, Konkurrenz zu machen. Die meisten solchen wirtschaftlichen Unternehmungen sind in den Kriegszeiten entstanden. Sie hatten in diesen Notzeiten eine gewisse Berechtigung. Aber während z. B. in den Vereinigten Staaten solche im Kriege geschaffenen öffentlichen Unternehmungen sehr schnell wieder stillgelegt wurden, haben sie sich bei uns nicht nur erhalten, sondern sind ständig erweitert und vergrößert worden.
Der Bund ist heute d e r Großunternehmer in Deutschland. Gegen seine Wirtschaftsmacht müssen selbst die größten auf privatwirtschaftlicher Basis geführten Unternehmen zurücktreten. Er betätigt sich auf den verschiedensten Gebieten der Wirtschaft. Die öffentliche Hand ist z. B. an der Produktion der Steinkohle mit rund 20 % beteiligt. Sie beeinflußt mittelbar mehr als 90 % der Braunkohlenförderung. Die Pechkohlenförderung ist fast zu 100 % verstaatlicht. 69 % der Aluminiumerzeugung entfallen auf Betriebe der öffentlichen Hand. Bei der Eisenerzförderung sind es 55 %. Auch an der Blei- und Zinnproduktion, an der Kupfer- und Rohstahlerzeugung, an der Erdölgewinnung und dem Rohölversand - man höre! - sowie am Schiffsbau ist die öffentliche Hand beteiligt. Ihr Anteil an der Pkw-Produktion beträgt mehr als 40 %. Selbst an Hotels ist der Bund beteiligt. Früher erstreckten sich seine Beteiligungen sogar auf Strumpffabriken.
Das sind nur einige Beispiele. Eine vollständige Aufzählung würde den Rahmen dieser Begründung sprengen. Sie ist mir leider auch nicht möglich, da eine wirklich umfassende und übersichtliche Darstellung aller Beteiligungen des Bundes an wirtschaftlichen Unternehmungen mit Erläuterung der Verschachtelungen trotz mehrfacher Aufforderung dem Bundestag von der Bundesregierung noch nicht vorgelegt werden konnte.
Zu dieser Betätigung des Bundes kommt noch hinzu die gleichartige Betätigung der übrigen Hoheitsträger, insbesondere der Länder und Gemeinden. Hierüber liegen vorläufig überhaupt noch keine Unterlagen vor.
Dabei zeigt sich leider keine rückläufige Tendenz. Es werden vielmehr noch immer neue Unternehmungen in den Besitz der öffentlichen Hand überführt. So habe ich hier eine Meldung, daß das Land Niedersachsen erst in allerletzter Zeit - ich glaube, im November vergangenen Jahres - den letzten privaten Anteil an der Deutschen Asphalt AG. der Limmer und Vorhuter Grubenfelder in Hannover erworben hat. In einer anderen Meldung heißt es, daß die Nachfolgegesellschaft der früheren Reichswerke in Salzgitter - ich weiß den Namen nicht - sich nunmehr eine eigene Eisenhandelsgesellschaft erheblicher Größe zugelegt hat. Man ist sehr vorsichtig und wählt nicht den Weg einer Neugründung dieser Eisenhandelsgesellschaft, sondern hat vorsorglich alle diese kleineren Unternehmungen und kleineren Abteilungen aus der Zeit des Dritten Reichs stillgelegt, aber nicht abgeschafft. Nun braucht man nur den Mantel eines solchen Unternehmens hervorzuziehen und kann damit wieder eine große Eisenhandelsgesellschaft aufmachen und der privaten Wirtschaft auch auf diesem Gebiet wieder Konkurrenz bereiten. Sie sehen: der Umfang wird nicht verringert, sondern er steigert sich von Jahr zu Jahr.
({9})
Wenn man sich Gedanken über den Umfang dieser wirtschaftlichen Betätigung machen will, so ist man leider auf Schätzungen angewiesen. Ein Betrag von 5000 Millionen DM dürfte wahrscheinlich den Verkehrswert noch nicht erreichen.
Die Verwaltung dieser gewaltigen Wirtschaftsmacht vollzieht sich im Halbdunkel. Die Unternehmungen werden zum Teil in der Form der Aktiengesellschaft betrieben und unterliegen insoweit wenigstens den nicht gerade sehr ausführlichen Vorschriften des Aktienrechts. Ein anderer Teil aber wird als GmbH geführt und entzieht sich damit jeder öffentlichen Kontrolle. Darüber hinaus sorgen Verschachtelungen und gegenseitige Kreditgewährungen dafür, daß der Bürger oder auch der Abgeordnete nicht zuviel Einblick in die Finanzgebarung erhalten kann.
Selbst der Bundesrechnungshof hat vor einiger Zeit in einer Denkschrift die personellen Verbindungen kritisiert, die sich aus der Besetzung zahlreicher Aufsichtsratsposten durch Vertreter der öffentlichen Hand, insbesondere durch höhere Beamte von Ministerien, ergeben. Einer Mitteilung des Deutschen Industrieinstituts entnehme ich folgende Zahlen, die sich leider nur auf die ausweispflichtigen Aktiengesellschaften im Besitze des Bundes beziehen können. Die richtigen Zahlen liegen also vermutlich höher. In diesen Gesellschaften bestanden 1440 Aussichtsratssitze, die von nur 953 Personen besetzt waren, und zwar von 383 aktiven und ehemaligen Beamten sowie gesetzlichen Vertretern öffentlicher Unternehmungen, von 375 Gewerkschaftsfunktionären und Belegschaftsmitgliedern und nur von 195 sonstigen Personen.
Man sollte nun annehmen, daß dieses gewaltige Wirtschaftsvermögen seinen Besitzern, dem Bund oder den Ländern, d. h. dem deutschen Steuerzahler, eine entsprechende Rendite einbringen würde. Das ist aber nicht der Fall. In den ersten Jahren nach der Währungsreform berief man sich auf die Kriegsschäden, die zunächst beseitigt werden müßten. Deren Beseitigung habe in einer Übergangszeit die Ausschüttung einer Dividende verhindert. In der privaten Wirtschaft, die ja nicht weniger Kriegsschäden erlitten hat, ist diese Übergangszeit längst vorüber. Die Unternehmungen des Bundes aber bringen laut Ausweis des Haushaltsplans sowohl von 1956 als auch von 1957 in ihrer Gesamtheit nur rund 31 Millionen DM, also etwas mehr als 1/2 %.
Dabei ist es interessant, einmal die Antwort auf die von mir gestellte Kleine Anfrage betreffend die Industrieverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung in Bad Godesberg in der Drucksache 3014 zu lesen. Es handelt sich hier um eine GmbH im Besitz des Bundes, die eine Reihe von Bundesunternehmungen verwaltet. In der Antwort auf meine Anfrage heißt es zu 1:
Eine Dividende hat die IVG an den Bund bisher nicht gezahlt.
Bedenken Sie, meine Herren: in der ganzen langen Zeit seit 1949 - Antwort erteilt am 11. Dezember 1956 - ist diese Verwaltungsgesellschaft, die so große Unternehmungen wie Kieler Howaldtswerke, Generatorkraft AG und noch eine ganze Reihe anderer wie Vereinigte Tanklager und Transportmittel GmbH. beaufsichtigt, nicht in der Lage gewesen, dem Bund auch nur einen Pfennig Dividende zu erbringen. Bei einem Privatunternehmen würde man einen so schlechten Wirtschaftserfolg zum Gegenstand eingehender Untersuchungen machen und sich die Frage vorlegen, ob es noch sinnvoll sei, solche Unternehmungen weiterzuführen. Bei Unternehmungen der öffentlichen Hand braucht man dazu Jahre, siehe den Fall Sontra, in dem man mindestens fünf Jahre hindurch das Fünffache des Umsatzes des Unternehmens an Subventionen gezahlt hat, teilweise vom Bund, teilweise vom Land Hessen. Zwei Millionen Umsatz, zehn Millionen Zuschuß!
Diese Tatsache, daß die öffentliche Hand ein so großes, im wesentlichen unrentables Wirtschaftsvermögen angesammelt hat und daß sie, statt es langsam abzubauen, bestrebt ist, es noch zu erweitern, hat in der Öffentlichkeit große Erregung hervorgerufen. Der Bürger sieht sich in seiner Freiheit bedroht. Der Herr Bundesfinanzminister hat diesen Druck der öffentlichen Meinung auch erkannt und den Versuch gemacht, einige der erwähnten Unternehmungen in privaten Besitz zu überführen. Bei einigen kleineren Betrieben ist ihm dies gelungen. In allen anderen Fällen aber ist der falsche Weg beschritten worden, und die Versuche sind naturgemäß fehlgeschlagen.
Der vorliegende Gesetzentwurf will nun die Betätigung der öffentlichen Hand grundsätzlich regeln. Er stellt als Grundsatz auf, daß sich die öffentliche Hand an Erwerbsunternehmen nicht beteiligen soll, legt aber in seinem Ersten Teil die Voraussetzungen fest, unter denen eine solche Betätigung ausnahmsweise zugelassen werden kann. Die letzte Entscheidung über die Feststellung eines solchen Ausnahmetatbestandes legt er in die Hand der zuständigen Parlamente, Bundestag oder Länderparlamente. Alle diese Unternehmungen müssen aber im Blickfeld der Öffentlichkeit bleiben. Sie sollen daher den Publikationsvorschriften des Aktiengesetzes ohne Einschränkung unterliegen und keine steuerlichen oder sonstigen Vergünstigungen gegenüber den privaten Unternehmungen genießen.
Es sind Einwendungen dagegen erhoben worden, daß auch die von den Gemeinden betriebenen Erwerbsunternehmungen durch dieses Gesetz erfaßt werden. Wir wollen dabei keineswegs grundsätzlich alle Versorgungsunternehmungen in privaten Besitz überführen und lassen deswegen ja im Einzelfall den zuständigen Parlamenten die letzte Entscheidung. Ein Teil der Bedenken wird aber sofort zerstreut werden, wenn wir endlich einmal zu einer ehrlichen Abgrenzung der sozialen Leistungen dieser Betriebe für die Allgemeinheit und den eigentlichen wirtschaftlichen Erfordernissen kommen. Wir wollen keinen dieser sogenannten Sozialtarife abbauen, aber wir fordern, daß diese Lasten deutlich kenntlich gemacht werden, so daß jedermann erkennen kann, was Sozialleistung für die Allgemeinheit und was Betriebsergebnis ist.
Das gilt übrigens auch für Bundesbahn und Bundespost, die sonst aus diesem Gesetz ausgenommen sind. Wenn wir die Bundesbahn ausgenommen haben, so paßt das eigentlich nicht ganz in unsere Linie. Wir wollen aber auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wir sind jedoch nicht der Meinung, daß es bei dem bisherigen Stand bleiben soll, sondern fordern zumindest die Überführung der Bundesbahn in die Form der Aktiengesellschaft, so daß man auch dort klar und deutlich erkennen kann: Was ist Betriebsergebnis und was sind soziale Leistungen? Die sozialen Leistungen sollen erhal({10})
ten bleiben - ich bitte mich um Gottes Willen nicht mißzuverstehen -, aber es soll deutlich erkennbar sein: Was leistet ein solches Unternehmen für die Allgemeinheit und was leitet es aus seiner eigentlichen betrieblichen Aufgabe her?
Die zur Zeit bestehenden Gesellschaften sollen im Prinzip in privaten Besitz überführt werden. Dabei sind wir von folgenden Leitsätzen ausgegangen: 1. Das öffentliche Vermögen darf nicht verschleudert werden; die Veräußerung muß vielmehr den höchstmöglichen Ertrag für den Steuerzahler erbringen. 2. Jeder Deutsche soll die Möglichkeit haben, sich an dem Erwerb solcher Vermögensanteile zu beteiligen. Die Überführung im ganzen an einige Großunternehmen ist ausgeschlossen. 3. Die Veräußerung darf keinen nachteiligen Einfluß auf die Unternehmungen selbst haben. Der Wirtschaftsablauf darf nicht gestört werden. 4. Die Angestellten und Arbeiter solcher Unternehmungen sollen von dem Übergang der Anteilsrechte überhaupt nicht betroffen werden, für sie soll sich an ihrem Arbeitsplatz und an ihren erworbenen Rechten nichts ändern.
Es ist notwendig, diese Dinge herauszustellen, weil in dieser Hinsicht gegen unsere Absichten immer Vorwürfe erhoben worden sind, die unsere Gedanken voll und ganz verkennen. Aus diesen Gründen muß in Kauf genommen werden, daß sich der Übergang aus der öffentlichen in die private Hand langsam vollzieht. Unsere Bemühungen gehen dahin, zu vermeiden, daß Erschütterungen oder Unruhe in diese Wirtschaftszweige gebracht werden.
Die ursprüngliche Absicht, die somit freiwerdenden Mittel zur Abtragung der Schulden zu verwenden, die der Bund aus der Konkursmasse des Dritten Reichs übernommen hat, mußte leider fallengelassen werden, da die Regelung, die die Bundesregierung im Kriegsfolgenschlußgesetz vorgesehen hat, dem entgegensteht. Ich bedaure das sehr. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, daß die eingehenden Beträge ordnungsmäßig in den Haushalt der zuständigen Körperschaft überführt werden und damit den Steuerzahler entlasten. Diese Entlastung soll dann zu der so dringend notwendigen privaten Kapitalbildung führen. Kapital der Allgemeinheit soll aufgelöst und in privates Kapital überführt werden. Das ist der Hauptgedanke, der unserem Gesetzentwurf zugrunde liegt.
Der Gesetzentwurf sieht auch eine Regelung für Regiebetriebe vor, die von dem gleichen Grundsatz ausgeht, daß sich die öffentliche Hand nur dort wirtschaftlich betätigen darf, wo es zwingend notwendig ist.
In § 13 sind einige Ausnahmen vorgesehen, für die Bundesbahn und Bundespost. Davon sprach ich schon. Diesem Vorschlag lag die Erwägung zugrunde, daß die Auswirkung auf gewisse Wirtschaftsbereiche noch nicht genügend übersehbar ist und daß man die Verwirklichung dieses Gesetzes nicht dadurch gefährden solle, daß auch umstrittene Gebiete in die sonst klare Regelung mit einbezogen werden. Wenn sich aber die Notwendigkeit herausstellt, den Kreis weiter zu ziehen, so wäre dies schon bei der Ausschußberatung möglich.
In § 12 ist zur Durchführung des Gesetzes ein Überprüfungsausschuß vorgesehen, in dem alle beteiligten Kreise vertreten sind. Dieser Ausschuß soll die Aufgabe haben, den Übergang von der öffentlichen zur privaten Wirtschaft so zu gestalten, daß sich keine für die deutsche Wirtschaft nachteiligen Folgen ergeben.
Meine Damen und Herren, unser Gesetzentwurf entspricht einer Forderung, die schon in der Weimarer Zeit erhoben worden ist, die damals aber nicht durchgesetzt werden konnte. In der breiten deutschen Öffentlichkeit wird heute mehr denn je diese Forderung wiederholt: den Staat in die Schranken zurückzuweisen, die ihm durch seine eigentliche Aufgabe gesetzt sind, nämlich die Freiheit der Bürger im Rahmen der Gesetze zu gewährleisten.
Ich bitte Sie daher, unseren Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik - federführend - und vielleicht dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen, und habe die eine Bitte - ich weiß, daß es eine Bitte ist, die sehr weit geht -, die Beratung dieses Gegenstandes in den Ausschüssen noch im Verlaufe dieser Sitzungsperiode durchzuführen.
({11})
Ich danke dem Herrn Abgeordneten. Ich gebe das Wort zur Begründung des Antrages der Abgeordneten Dr. Elbrächter und Genossen betreffend Privatisierung des Volkswagenwerks. Wer wünscht diesen Antrag zu begründen? - Herr Dr. Elbrächter, bitte sehr.
Dr. Elbrächter ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich habe die Ehre, für die Unterzeichner des Antrags Drucksache 2614 hier die Begründung geben zu dürfen. Nach der ausführlichen Begründung, die Herr Kollege Atzenroth soeben zum Grundsätzlichen gegeben hat, kann ich mich sehr kurz fassen. Auch die Unterzeichner dieses Antrags sind der Auffassung, daß der Privatwirtschaft grundsätzlich der Vorrang vor dem Staat als Unternehmer gebührt. Zweitens steckt hinter diesem Antrag die politische Absicht, das politische Ziel, eine möglichst große Eigentumsstreuung herbeizuführen. Das sind die wesentlichen politischen Momente.
Unsere privatwirtschaftlichen Vorstellungen kann ich vielleicht am besten mit einem Bild darstellen, das Herr Professor Röpke einmal gebrauchte, daß wir den Staat als Schiedsrichter sehen möchten, der die Regeln aufstellt und darüber zu wachen hat, daß sie innegehalten werden. Wir können uns aber nicht vorstellen, daß ein Schiedsrichter mitspielen darf. Das erscheint uns nicht fair.
({1})
Es ist eine betrübliche Feststellung: Unsere Bundesregierung hat sich zwar wiederholt zu diesen Zielen bekannt, aber zwischen diesem Bekenntnis und den Tatsachen besteht eine erhebliche Diskrepanz. Insofern hat Herr Kollege Atzenroth in der Tat recht, der Bund ist heute de facto der größte Unternehmer geworden.
Ich will bei der Begründung unseres Antrags nun nicht in eine Diskussion mit dem Kollegen Atzenroth eintreten; das kann nicht meine Aufgabe sein. Ich möchte nur sagen, daß ich persönlich etwas moderiertere Vorstellungen habe als Kollege Atzenroth. Ich bin in dieser Angelegenheit also nicht so sehr dogmatisch. Ich kann mir vorstellen,
({2})
daß z. B. gerade im kommunalen Bereich Unternehmungen der öffentlichen Hand zweckmäßiger sind. Das gibt ja auch Kollege Atzenroth zu. Ich wünschte nur mit ihm, daß sie dann möglichst in privatwirtschaftlichen Formen betrieben werden, also als G.m.b.H., als Aktiengesellschaft usw., damit die Leistungen vergleichbar gemacht werden.
Ich darf mich noch kurz mit einem anderen Grund auseinandersetzen, der immer wieder für die Berechtigung von Unternehmungen der öffentlichen Hand angeführt wird: daß sie nämlich die Aufgabe hätten, marktregulierend einzugreifen. Nun, ich bin diesem Argument gegenüber etwas skeptisch. Ich darf das Hohe Haus vielleicht daran erinnern, wie wenig marktregulierend sich vor, sagen wir, zwei Jahren der Forstfiskus bei der Gestaltung der Holzpreise verhalten hat. Er hat nämlich durch restriktive Maßnahmen ganz hübsch dafür gesorgt, daß der Holzpreis möglichst hoch blieb. Also, dieses Argument zieht, glaube ich, wenig.
Meine Freunde und ich haben es aber besonders begrüßt, daß sich der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Erklärung in der Konjunkturdebatte am 22. Juni des vergangenen Jahres zu der Privatisierung bekannt hat. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten seine Ausführungen wörtlich zitieren:
Um der breiten Masse der Sparer neue, zusätzliche Sparanreize zu geben, hat die Bundesregierung die Absicht, dem Sparer über entsprechende Investment-Gesellschaften eine Beteiligung an Bundesunternehmungen durch Kauf von kleingestückelten Investmentpapieren zu ermöglichen.
Diese Ausführungen waren für uns sozusagen das grüne Licht, nun ganz konkret ein Ersuchen einzubringen, damit wir den Herrn Bundeswirtschaftsminister beim Wort nehmen können.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen darf ich jetzt gleich zu dem Antrag kommen. Das Volkswagenwerk bietet sich, glaube ich, geradezu als Modellfall für ein solches Vorhaben an. Das Volkswagenwerk ist ungemein populär in Deutschland. Es gilt als eines der sichersten Unternehmen für die Geldanlage. Ich glaube daher, wenn wir die Gelegenheit hätten, morgen das Volkswagenwerk zu privatisieren und eine entsprechende Zahl von Aktien auszugeben, würden diese Aktien vom Markt sofort aufgenommen, und zwar gerade von der werktätigen Bevölkerung. Und das ist der Sinn unseres Antrags. Wir möchten gern, daß dem werktätigen Menschen eine moderne Form des Eigentums nahegebracht wird. Wir sehen keine Möglichkeit mehr, das Eigentum an Grund und Boden zu verbreitern; denn das ist eine feste Größe. Wir müssen, wenn wir in einer Industriegesellschaft überhaupt zu Privateigentum in größerem Umfang kommen wollen, den Besitz an den Industriewerken, an den Fabriken selber ermöglichen. Da ist, glaube ich, diese direkte Form, sich über Aktien zu beteiligen, besser als alle Mitbeteiligungen oder sonstige Konstruktionen.
Aber dieser Antrag soll nicht etwa die etwas heiße Miteigentumsdebatte auslösen. Ich wollte nur sagen, daß es meine persönliche Grundvorstellung ist, daß es wünschenswert erscheint, in der modernen Industriegesellschaft den tätigen Menschen die Möglichkeit zu geben, über Aktienbesitz wieder ,zu Privateigentum zu kommen.
Wir wollen uns gar nicht verhehlen, daß die Aktie im deutschen Volk etwas diskriminiert erscheint. Ich glaube, das liegt zum Teil auch an Vorgängen, die lange zurückliegen. Ich denke an die Diskriminierung der Aktie in den Gründerzeiten. Seit jener Zeit hat die Aktie in der öffentlichen Meinung der breiten Schichten in der Tat einen sehr schlechten Ruf gehabt. Der Aktie hing immer etwas Unsolides an, als ob das nur etwas für große Kapitalgruppen sei. Diese Vorstellung gilt es zu zerstören. Wir könnten auf dem Wege, den meine Freunde und ich vorschlagen, zu diesem Ziel kommen.
Nun haben wir in der Einleitung von der Bundesregierung absichtlich gefordert, daß die Privatisierung ganz oder teilweise durchgeführt wird. Ich bin mir durchaus bewußt, daß es zeitlich einfach nicht zu bestimmen ist, wann man ein solches Unternehmen völlig privatisiert. Es ist besser, man wählt da die elastischere Form, macht keine bindenden Vorschriften, setzt auch keine Fristen, sondern überläßt das der Bundesregierung. Wir möchten durch unseren Antrag die Bundesregierung nur unter Druck setzen, daß sie dem Bundestag ein solches Gesetz vorlegt.
Wir fordern in Ziffer 1, daß die Volkswagenwerk GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird. Ich brauche das nicht weiter zu begründen. Wenn wir die Ziele, die ich einleitend dargestellt habe, realisieren wollen, dann müssen wir die Form der Aktiengesellschaft wählen. Die Aktiengesellschaft hat weiterhin den Vorzug, daß sie die Gesellschaftsform ist, die im Grunde genommen am durchsichtigsten für die Öffentlichkeit ist. Weiter haben wir dort einen Aufsichtsrat, so daß sich auch die Möglichkeit ergibt, selbst bei vollständiger Privatisierung Regierungsvertreter dorthin zu delegieren. Ich erkenne ohne weiteres an, daß es im öffentlichen Interesse liegt, wenn die Regierung erfährt, was in einem solchen Großunternehmen gespielt wird und gespielt werden soll.
Nun zu Ziffer 2. Es sind Einwendungen dagegen gemacht worden, daß wir vorgeschlagen haben, die Aktien in so kleinen Stücken auszugeben. Es ist nicht zu Unrecht darauf hingewiesen worden, daß das technisch sehr schwierig ist. Ich darf aber daran erinern, daß unser Nachbar und Bruderland Österreich uns ein sehr gutes Beispiel gegeben hat. Ich las vor wenigen Wochen, daß man dort nunmehr ernstlich darangeht, die dem Staate gehörenden Betriebe ebenfalls in dieser Weise zu privatisieren, daß man sehr kleine Stückelungen bei der Ausgabe der Aktien vornehmen wird. Ich glaube also, es ist, wenn auch wir das Ziel einer möglichst breiten Eigentumsstreuung erreichen wollen, geboten, möglichst kleine Stückelungen vorzunehmen.
Zu Ziffer 3. Wir fordern hier, daß bis zu 25 % des Stammkapitals an Investmentgesellschaften veräußert werden können. Daß überhaupt die Investmentgesellschaften eingeschaltet werden, erscheint mir selbstverständlich. Denn es entspricht gerade unserer Vorstellung in der Koalition, daß wir diese Form des Eigentums der breiten Masse wählen, damit das Eigentum möglichst risikolos ist.
Nun ist in der Öffentlichkeit, in der Presse darüber diskutiert worden, daß die Zahl von 25 % im Widerspruch stehe zu dem zu erwartenden Gesetz, wonach einzelne Investmentgesellschaften nur bis zu 5 % der Anteile an einer Firma erwerben dürfen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß das kein Widerspruch ist. Wenn ich recht unterrichtet
({3})
bin, existieren zur Zeit fünf Investmentgesellschaften in der Bundesrepublik - ich glaube, es soll sogar noch eine sechste gegründet werden -, so daß wir diese gesetzliche Forderung ohne weiteres erfüllen können und trotzdem zu einer Zahl von 25 % kommen. Ich überlasse es dem Ausschuß, bei der Beratung unter Umständen noch andere Prozentsätze vorzusehen.
Viertens. Die Forderung, vinkulierte Namensaktien zu schaffen, basiert auf dem Einwand, der immer wieder erhoben wird, bei einer Überführung in Aktien und bei einem freien Handel der Aktien an den Börsen könnte eine Überfremdung eintreten. Meine Damen und Herren, ich persönlich bin gar nicht so ängstlich, soweit sich das auf die Überfremdung durch ausländisches Kapital bezieht. Aber ganz gleich, ob das Kapitalgruppen aus dem Ausland oder aus dem Inland sind, durch die Schaffung von vinkulierten Namensaktien kann man mit Sicherheit eine solche Überfremdung verhindern. Nach der Einleitung, die ich gegeben habe, brauche ich nicht zu betonen, daß uns das am wenigsten vorschwebt. Wir möchten ja gerade, daß die Aktie in möglichst viele Hände kommt. Ich persönlich bin überzeugt, daß kein Arbeiter und kein Besitzer solcher Aktien sie so ohne weiteres und ohne Not wieder veräußern wird.
Fünftens. Das ist der Punkt, der vielleicht am meisten Diskussion bringen wird. Es gibt eine ganze Reihe Vorschläge darüber, wie man den Verkaufserlös verwenden kann. Ich darf daran erinnern - so stellt, glaube ich, Kollege Atzenroth es sich vor -, daß man den Erlös aus dem Verkauf bundeseigener Unternehmen - das ist seine Vorstellung, nicht meine - den Gläubigern des Bundes bzw. des früheren Reichs zur Verfügung stellen kann.
({4})
- Das ist vorüber! Ich freue mich, das von Ihnen zu hören.
({5})
- Es scheint mir vorüber zu sein, und darauf kommt es an.
Man hat weiter daran gedacht, unter Umständen den Verkaufserlös gerade des Volkswagenwerks dem Straßenbau zuzuführen. Ich halte von diesem Vorschlag nicht viel; 'denn die Mittel sind meiner Meinung nach viel zu gering angesichts der gewaltigen Aufgaben des Straßenbaus, die auf uns zukommen. Wir haben uns noch vor wenigen Wochen
- im Oktober - in diesem Hause darüber unterhalten. Ich glaube, daß das kein realisierbarer Vorschlag ist. Es gibt auch keinen logischen Zusammenhang dazu.
Weiterhin ist erwogen worden, wegen der besonderen Notlage des Wohnungsbaus und der Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt diesen Erlös dem Wohnungsbau zuzuführen. Für diesen Vorschlag gilt das gleiche, was ich soeben zum Straßenbau gesagt habe. Ich glaube, wir würden nicht gut daran tun, es so zu machen.
Wir haben vorgeschlagen, daß der Verkaufserlös der Förderung der Wissenschaften und des Nachwuchses in jeder Form zugute kommt. Ich glaube auch, daß diese Forderung am leichtesten angenommen werden kann; denn wir sind uns inner- und außerhalb des Hauses wohl alle darüber einig, daß dieses Gebiet am meisten notleidend ist und daß dieses Problem am dringendsten von uns gelöst werden muß. Ich stelle mir persönlich vor, daß wir
den Erlös vielleicht gar nicht einmal unmittelbar verbrauchen, sondern daß man ein Stiftungsvermögen entstehen läßt und nur die Zinsen verarbeitet. Man würde dann zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Man würde z. B. den Erlös des Volkswagenwerks dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen und nur die Zinsen für die Förderung der Wissenschaft verwenden. Das hätte den Vorzug, sehr kontinuierlich zu sein. Darüber werden wir uns im Ausschuß unterhalten müssen, ich will den Diskussionen dort nicht vorgreifen.
Wir haben ferner die Bundesregierung ersucht, zur Erreichung dieses Ziels Verhandlungen mit dem Land Niedersachsen aufzunehmen. Das ist deshalb erforderlich, weil, wie Sie alle wissen, es völlig unklar ist, wem dieses Werk eigentlich gehört. Wir haben hier den geradezu einzigartigen Fall, daß ein großes Werk mit wahrscheinlich Milliarden-Vermögen existiert, daß aber im Grunde genommen keiner weiß, wem das Werk gehört. Nach meiner Auffassung ist es selbstverständlich, daß der Bund an diesem Werk legitime Ansprüche hat, da es immerhin einmal ein öffentliches Vermögen gewesen ist, jedenfalls vom früheren Reich so gebildet worden ist, dessen Rechtsnachfolger der Bund ist. Wenn der Bund 1945 schon existiert hätte, wäre es, glaube ich, gar keine Frage gewesen. So aber sind damals die Beteiligungen zum Teil auf die Länder übergegangen, und daher die Forderung Niedersachsens. Ich meine, man sollte sich darüber verständigen können. Gerade wenn man den Verkaufserlös so einsetzt, wie wir es vorgeschlagen haben, dürfte das Land Niedersachsen billigerweise keinen Einspruch erheben.
Zum Eigentum überhaupt: Von anderer Seite wird eingeworfen, daß wir nicht etwas privatisieren könnten, wo kein Eigentümer existiere. Nun, das ist gerade einer der Gründe, warum wir einen anderen Weg beschritten haben, als der Kollege Atzenroth vorschlägt. Wir haben diesen Weg des Sondergesetzes, der lex specialis deswegen gewählt, weil wir damit durch Bundesgesetz rechtskräftig machen würden, wer Eigentümer ist.
Dem Einwurf, der von einer bestimmten interessierten Seite, von den Volkswagensparern, kommt, daß das nicht möglich sei, weil sie Rechtsansprüche hätten, die noch nicht ausgefochten seien, kann man nur entgegenhalten, daß der Verkaufserlös auf jeden Fall für den Zugriff zur Verfügung steht. Dies kann also kein effektiver Einwand gegen eine Privatisierung sein.
Ich will hier nicht im einzelnen auf die grundsätzliche Frage: Lex specialis oder lex generalis? eingehen. Ich stimme im Grundsätzlichen mit dem Kollegen Atzenroth in den Zielen überein, halte aber den von ihm vorgeschlagenen Weg nicht für praktikabel. Gerade die Erfahrungen, die wir in dem seit langer Zeit ruhenden Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" gemacht haben, zeigen mir, daß es besser ist, wenn wir Fall für Fall herausgreifen. Wir haben dann den Vorteil, daß wir jede Lösung elastisch gestalten können. Wir schaffen keine nicht durchschaubaren gesetzlichen Fesseln, sondern können für jedes Werk eine Sonderlösung wählen. Ich glaube daher, daß es besser ist, von Fall zu Fall eine lex specialis zu machen.
Ich möchte mich noch gegen eine Unterstellung wehren. Auch im Namen meiner Mitunterzeichner darf ich wohl sagen, daß uns nichts daran liegt, hier Bundesvermögern, wie es heißt, „zu verscheuern" oder anderen Leuten die Möglichkeit zu ge({6})
ben, sich Bundesvermögen „unter den Nagel zu reißen". Diese Ausdrücke stammen nicht von mir, sondern sind in der öffentlichen Diskussion gefallen. Nichts liegt mir ferner! Im Gegenteil, das Ziel, eine möglichst weite Eigentumsstreuung, involviert ja gerade, daß einzelnen Leuten hier nichts geschenkt wird. Auf der anderen Seite müssen wir, wenn wir zu dem unter 5 angeführten Ziel: Förderung der Wissenschaft, kommen wollen, ein Interesse daran haben, einen möglichst hohen Verkaufserlös zu erzielen. Ich will daher auf den Streit, den der Herr Bundesfinanzminister vor einigen Monaten entfacht hat, wie groß der Wert dieses Unternehmens ist, gar nicht eingehen. Das läßt sich ja feststellen; dazu gibt es einwandfreie Methoden. Wenn das Vermögen, sagen wir, 400 Millionen DM beträgt und wir die Aktien zu einem Kurs von 250 % unterbringen - ich glaube, das wäre bei dem heutigen Aktienkurs keine Schwierigkeit; die Aktien würden mit Kußhand übernommen werden -, dann ist der vom Bundesfinanzminister genannte Betrag von 1 Milliarde erreichbar.
Ich darf vielleicht noch ein letztes Wort zur Begründung dafür sagen, warum wir unsern Antrag in die Form eines Ersuchens an die Regierung gekleidet und keinen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt haben. Ich glaube, das ist in diesem Fall nicht möglich; denn hier sind so viele Vorverhandlungen zu führen, daß das nicht Sache der Abgeordneten sein kann, sondern Sache der Exekutive bleiben muß.
Ich wäre Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, sehr dankbar, wenn Sie unsern Antrag nicht dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß, wie bei dem Antrag des Kollegen Atzenroth, sondern dem Haushaltsausschuß überweisen wollten, allerdings mit der Bitte, daß der immer noch existente Unterausschuß „Bundesbeteiligungen" die Bearbeitung übernimmt. Dieser Unterausschuß schläft zwar seit langem. Er schläft so sacht --- Herr Kollege Hellwig, jetzt hören Sie vielleicht einmal zu! -, daß er seit anderthalb Jahren noch nicht einmal einen Schnarcher gemacht hat. Es wird aber höchste Zeit, daß er wieder in Tätigkeit tritt.
({7})
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD unter Punkt 2 c der Tagesordnung der Abgeordnete Wittrock!
Wittstock ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag auf Drucksache 2916 ersucht die sozialdemokratische Fraktion die Bundesregierung, dafür zu sorgen, daß die Zahlungen, die das Volkswagenwerk zugunsten der Zeitschrift „Wirtschaftsbild" leistet, eingestellt werden. Der Antrag befaßt sich also mit dem Verhalten eines unter der Kontrolle der öffentlichen Hand stehenden Betriebes, das wir Sozialdemokraten als durchaus unerwünscht ansehen.
Dieser Antrag hat eine nicht uninteressante Vorgeschichte, und ich möchte diese Vorgeschichte in Ihrer Erinnerung lebendig werden lassen. Am 28. September 1956 hat mein Fraktionskollege Helmut Schmidt an die Bundesregierung folgende Frage gerichtet:
Entspricht es den Tatsachen, daß das Volkswagenwerk für monatlich 5000 DM Bezieher des CDU-Dienstes „Wirtschaftsbild" ist?
Der Herr Bundesfinanzminister war aus sachlichen
Gründen in der Sitzung des Bundestags, in der die
Frage gestellt wurde, nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Er hat sie dann schriftlich beantwortet und dabei nicht bestritten, daß das Volkswagenwerk für monatlich 5000 DM Bezieher dieses Informationsdienstes ist. Der wesentliche Inhalt der schriftlichen Antwort besteht in erster Linie darin, daß insgesamt 100 Exemplare im Bereich des Volkswagenwerks einschließlich Verteilerorganisation und dergleichen von diesem Wirtschaftsdienst bezogen werden. Daraus ergibt sich eine interessante Zahl. Für ein Heft, das insgesamt 16 Seiten umfaßt
({1})
- mit einem Inhalt, den Sie in jeder Zeitung, die sich mit Wirtschaftsfragen befaßt, ebenfalls nachlesen können, also mit einem nicht allzu ergiebigen Inhalt -, wird ein Betrag in Höhe von 50 DM gezahlt.
({2})
Meine Damen und Herren, ich glaube, diese Zahl spricht für sich allein.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat diesen Tatbestand zum Anlaß genommen, eine Kleine Anfrage 287 an die Bundesregierung zu richten. Diese Kleine Anfrage hat in ihrem hier interessierenden Teil folgenden Inhalt:
Hat die Bundesregierung veranlaßt, daß die Zahlungen des Volkswagenwerks von jährlich 60 000 DM an den CDU-Bundesschatzmeister Bach für das „Wirtschaftsbild" eingestellt werden?
Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Frage mit Schreiben vom 6. November 1956 beantwortet, soweit man das, was auf der Drucksache 2833 steht, überhaupt als eine Antwort auf die gestellte Frage bezeichnen kann. Der Herr Bundesfinanzminister hat nämlich näher dargelegt, wie im Bereich der Verteilerorganisation des Volkswagenwerks die bezogenen Exemplare verteilt werden, und er hat weiterhin ausgeführt, diese Zeitschrift habe ein großes kaufmännisches Interesse.
({3})
- Das kaufmännische Interesse ist sicherlich vorhanden, aber wahrscheinlich weniger beim Volkswagenwerk als vielmehr bei denen,
({4}) die hinter diesem Informationsdienst stehen.
({5})
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter Hinweis auf dieses zwiespältige kaufmännische Interesse ausgeführt:
Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung, auf das Volkswagenwerk einzuwirken, künftig von einem Bezug des „Wirtschaftsbilds" abzusehen.
Meine Damen und Herren, diese Antwort des Herrn Bundesministers der Finanzen ist nichts anderes als eine glatte Herausforderung.
({6})
Es ist unzweifelhaft, daß die Zahlungen über das
„Wirtschaftsbild" der CDU zugute kommen. Der
Herr Bundesfinanzminister - das läßt diese Ant({7})
wort hier erkennen - deckt damit ein Vorgehen, das man nur als politische Korruption bezeichnen kann.
({8})
- Meine Damen und Herren, Sie regen sich darüber auf. Es ist ein Rechenexempel; ich habe es Ihnen vorgeführt. Sie können angesichts dieses Rechenexempels mit keiner Silbe bestreiten, daß der Nachrichtenwert dieser Publikation in keinem Verhältnis zu dem pro Exemplar vom Volkswagenwerk gezahlten Kaufpreis steht. Dieser Tatbestand läßt zwingend keine andere Schlußfolgerung zu als eben die, daß es sich hierbei um eine eindeutige Erscheinung der politischen Korruption handelt.
({9})
Diese politische Korruption ist - es sei Ihnen nicht verschwiegen - auch strafrechtlich interessant. Vielleicht kennt der eine oder andere von Ihnen den § 266 des Strafgesetzbuches, der sich mit dem Tatbestand der Untreue befaßt. Im vorliegenden Falle handelt es sich - wie bereits durch einen Zwischenruf ausgeführt worden ist - um die Verschleuderung von Mitteln für - aus der Sphäre des Unternehmens - völlig sachfremde Zwecke. Es wird gerade Sie, meine Damen und Herren von der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union, interessieren, daß die zuständige Staatsanwaltschaft die Verhaltensweise der verantwortlichen Herren des Volkswagenwerkes bereits im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens überprüft.
({10})
- Das können Sie überhaupt nicht bestreiten. Das kann ich Ihnen, wenn Sie Lust haben, dokumentarisch hier vor Augen führen.
({11})
- Sie können doch nicht sagen, ich solle abwarten, ob eine solche Überprüfung erfolgt,
({12})
wenn eindeutig feststeht, daß eine solche Überprüfung im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zur Zeit stattfindet.
({13})
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion
meint, diese Praktiken des Volkswagenwerks verlangen es, daß diejenigen, die hier eine Verantwortung tragen - und damit auch das Parlament -, eingreifen. Zum Eingreifen besteht um so mehr Veranlassung, als es noch einige andere interessante Dinge gibt, die in diese Sphäre hineingehören und die es unbedingt erforderlich machen, daß das Parlament einen Riegel vorschiebt.
Vor zwei Jahren - bitte, hören Sie gut zu, es wird Sie sehr interessieren - hat der damalige Kreisgeschäftsführer der CDU in Frankfurt am Main, ein gewisser Herr Bargou, der jetzt in der Landesgeschäftsstelle der CDU in Frankfurt am Main, Börsenstraße 17, beschäftigt ist, erklärt, daß das Volkswagenwerk in Wolfsburg der Kreisgeschäftsstelle der CDU in Frankfurt am Main einen Volkswagen - Standardmodell - kostenlos zur Verfügung gestellt, d. h. auf deutsch: geschenkt hat.
({14})
- Sie brauchen gar nicht den Kopf zu schütteln, Sie können sich ja vielleicht einmal mit Ihrem Geschäftsführer in Frankfurt in Verbindung setzen. Mindestens wird er auch im Rahmen des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und des dann zu erwartenden Strafverfahrens hierzu ein Wörtchen zu sagen haben.
({15})
Dieser Wagen wird heute noch sowohl von Herrn Bargou, also von dem jetzigen Angehörigen der Landesgeschäftsstelle der CDU, als auch von anderen Herren dieser Organisationsstelle zu Fahrten im Auftrag der Frankfurter CDU benutzt. Der Herr Bargou hat übrigens selbst den Wagen in Wolfsburg abgeholt; er ist somit sicherlich über die näheren Zusammenhänge bestens orientiert, so daß in keiner Weise angenommen werden kann, diese Tatsachen, die ich Ihnen hier mitgeteilt habe, seien in irgendeiner Weise anzweifelbar.
({16})
Der Herr Bargou hat auch klipp und klar erklärt, daß der betreffende Volkswagen, sobald er abgenutzt sei, an das Werk zurückgebracht werde und daß die CDU in Frankfurt am Main von diesem Volkswagenwerk dann einen neuen erhalte. - Verehrte Herren, ich weiß nicht, wer den Zwischenruf gemacht hat; derjenige von Ihnen, der hier so freudestrahlend „Sehr nobel" und „Wird nicht bestritten" gesagt hat, muß sich einmal die Frage vorlegen, ob er es verantworten kann, dieses Ausmaß der Korrumpierung unseres politischen Lebens durch derartige Außerungen zu vertreten.
({17})
Noch eine zweite interessante Sache, die in diesen Zusammenhang gehört, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Im Oktober 1956 ist der „Braunschweiger Zeitung" für ihre Ausgabe Wolfsburg ein Anzeigenauftrag gegeben worden. Auf Grund dieses Anzeigenauftrags ist dann in der Nummer der „Braunschweiger Zeitung", Ausgabe Wolfsburg, vom 27. Oktober 1956 eine große Anzeige erschienen, von der ich hier einen Abzug in der Hand halte. Es handelt sich dabei um eine ganzseitig aufgemachte Annonce zugunsten der CDU. Im Auftragsschreiben an diese „Braunschweiger Zeitung" stand kurz klipp und klar und lapidar drin: „Die Rechnung für diesen Auftrag direkt an das Volkswagenwerk schicken".
({18})
Meine Damen und Herren, wenn hier nicht das Faß überläuft und wenn angesichts derartiger Vorkommnisse nicht Ihr Gewissen schlägt und nach politischer Sauberkeit förmlich schreit, dann können wir langsam den Laden zumachen, wenn ich das einmal so klipp und klar sagen darf.
({19})
Ich meine, das Parlament - und ich gehöre zu denen, die grundsätzlich optimistisch sind - sollte durch eine klare Willensäußerung zum Ausdruck bringen, daß es sich in seiner Gesamtheit - in seiner Gesamtheit! - von derartigen unsauberen Praktiken unseres öffentlichen Lebens - das ist an sich eine sehr dunkle Sphäre des „öffentlichen" Lebens, insoweit ist der Ausdruck „öffentliches Leben" ja eigentlich gar nicht zutreffend; aber Sie wissen, wie ich es meine - distanziert. Zu einer Distanzierung von derartigen Methoden gehört die
({20})
Zustimmung zu dem sozialdemokratischen Antrag. Wir meinen, daß dieser Antrag so klar und seine Absicht auf Grund der Gesamtzusammenhänge auch so unbestreitbar ist, daß das Parlament auch um einer Demonstration für die politische Sauberkeit willen ohne Ausschußüberweisung sofort dem Antrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zustimmen sollte.
({21})
Meine Damen und Herren, die drei Vorlagen sind begründet. Ich eröffne die Aussprache, die sich auf alle drei Vorlagen erstreckt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da mir nun auch alles abgeht von dem, was zum Staatsanwalt gehört, werden Sie von mir nicht so scharfe Attacken, Pointen und Derartiges erwarten wollen, wie es mein Herr Vorredner hier vorgebracht hat. Was hier an strafrechtlichem Dreck vorliegt, soll auch aufgefegt werden. Darin bin ich mit ihm allerdings einer Meinung. Aber, Herr Kollege, es gibt so mancherlei Dinge, wo das öffentliche Leben Schaden nimmt, meinetwegen wenn mal ein Oberbürgermeister oder sonstwer zu Parteiversammlungen im Wagen der Stadt fährt und Derartiges mehr. Wenn Sie also mit ganz puritanischen Mitteln rechnen wollen, dann gehört das auch in den Sündenpfuhl, den Sie eben aufgezeigt haben!
({0})
Aber die Anklage ist mir wertvoll genug, etwas über das Wesen der Informationsdienste schlechthin zu sagen. In den Zeiträumen vor dem ersten Weltkrieg, aber auch, sagen wir, in der Mitte der zwanziger Jahre hat man derartige Informationsdienste kaum gekannt - ich denke ja nicht nur an die parteipolitischen, sondern auch an die gewerblichen -, weil damals die großen Wirtschaftszeitungen, sagen wir: die Frankfurter Zeitung, die Kölnische Zeitung, die Kölnische Volkszeitung, das Berliner Tageblatt, in ihren Handelsblättern so ausgezeichnetes Informationsmaterial brachten, daß man es nicht hintenherum zu beziehen brauchte. Die Informationsdienste sind eigentlich im Zeitalter des Nationalsozialismus aufgekommen, wo dann vielfach die Form des persönlichen vertraulichen Briefes benutzt wurde. Es war auch viel Geheimnistuerei und viel Wichtigtuerei dabei.
Nun haben einige unter unseren deutschen Zeitungen nach dem Kriege gewaltige Anstrengungen gemacht, um wieder auf das Niveau, auf die Höhe der alten Zeitungen zu kommen, vor allen Dingen auch der alten Wirtschaftszeitungen. Ich darf sogar sagen, daß manches Neue und Bessere in diesen Zeitungen geschaffen worden ist. Man bringt nicht nur die altüberlieferte Bilanzkritik, Bilanzanalyse, sondern man ist zu einer sehr guten modernen Marktanalyse, Konjunkturanalyse gekommen und hat damit sogar den Stand der alten Handelsblätter vielfach im guten Sinne überschritten.
Aber die Frage, ein Blatt vom Range der alten „Frankfurter Zeitung" - der zu dienen ich einmal die Ehre gehabt habe - wieder zu begründen, ist auch eine Frage des Geldes, vor allen Dingen des Abonnements. Ich entsinne mich eines Gesprächs mit Herrn Dr. Jänecke, dem früheren Verleger des „Hannoverschen Kurier", der jetzt beim Zeitungsverlegerverband tätig ist und der mir mal erzählt hat, daß Berechnungen angestellt worden sind: zur Wiederherstellung der alten „Frankfurter Zeitung mit ihrem ausgezeichneten selbständigen Informationsdienst aus aller Welt wäre ein Monatsabonnement von 25 DM erforderlich. Wer soll das bezahlen? Herr Schoettle, wir beide könnten es vielleicht von unseren Diäten noch, aber es gibt ja gerade unter denen, die man als intelligent ansprechen kann, manche Verarmte, und die alte Symphonie von Besitz und Bildung ist nicht mehr vorhanden; dabei nicken Sie mir auch zu!
Nun haben sich in diese Lücke, die durch den noch nicht wieder möglichen Aufbau der alten Wirtschaftszeitungen entstanden ist, die Informationsdienste hineingelegt und haben sich damit zum Teil eine sehr nette geschäftliche Existenz geschaffen. Es soll darunter sehr wohlhabende Leute geben, die solche Informationsdienste herausgeben. Dabei ist ein klein wenig Wichtigtuerei im Spiele, auch etwas Geheimnisvolles, so hintergründige Dinge; manchmal hat man das Gefühl, daß geradezu die Unterhosengefühle entdeckt werden sollen. - Entschuldigen Sie, Herr Präsident!
({1})
Auch die politischen Parteien suchen sich in diese Lücke zu stellen, und zwar weit über das Wesen dessen hinaus, was die alten traditionellen parlamentarisch-politischen Korrespondenzen gewesen sind. Nun wird auch keiner leugnen können, daß die politischen Parteien etwas zu erzählen haben, besonders auf wirtschaftlichem Gebiet und gerade hier im Bundestag, wo doch fast jede Gesetzgebungsarbeit irgendwie ein wirtschaftliches Geschäft ist oder ein am Rande liegendes Gebiet anschneidet.
Sehen Sie, in dieses Kapitel gehört auch das „Wirtschaftsbild" irgendwie hinein. Da ist eben von Ihrer Seite so apodiktisch erklärt worden: „Taugt nichts!" Na ja, ich will kein absolutes Qualitätsurteil fällen, aber über diese Dinge kann man eben verschiedenartiger Meinung sein, wie ja das Urteil über Zeitungen auch sehr verschiedenartig ist. Manchmal heißt es, die „Welt" steht oben, manchmal die „Frankfurter Allgemeine Zeitung". Nur, ich hätte bei Ihnen gern mal wieder einen anständigen „Vorwärts" gesehen,
({2})
aber den habt ihr bisher noch nicht wieder auf die Beine gebracht.
Nun, ich darf doch wohl feststellen, daß der Verkaufspreis des „Wirtschaftsbildes" ungefähr in der gleichen Höhe wie der der üblichen Informationsdienste liegt, auch wie der der Informationsdienste der Sozialdemokratischen Partei,
({3})
wobei ich vor allem das Ding „PPP" nenne,
({4})
den „Parlamentarisch-Politischen Pressedienst", der, soweit meine Informationen gehen, zu 30 Mark monatlich und höher - je nach Vereinbarung - angeboten wird.
({5})
Dazu gehören auch der „Sozialdemokratische
Pressedienst" und der „Sozialdemokratische Pressedienst - Volkswirtschaft -", für die nach unseren
({6})
Informationen Preise von 50, 100 und 150 Mark - je nach Vertrag - genommen werden.
({7})
Also das ist nicht so ganz das übliche feste Abonnement.
({8})
Man kann sich doch privatrechtlich vereinbaren und einen Preis festsetzen!
({9})
- Ich sage ja nichts über den Wert dieser Dienste. Wahrscheinlich ist dem Bezieher dieser Preis durchaus angebracht und angemessen; er lohnt sich. Ich habe nichts gegen diese Pressedienste vorzubringen.
({10})
- Meine Damen und Herren, weshalb werden Sie so unruhig? Sonst sind Sie, wenn ich spreche, immer so nett zu mir!
({11})
Diese Dienste werden auch nicht nur im Konzern der SPD und des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgesetzt,
({12})
sondern sie gehen auch an Privatunternehmungen, denen sie wahrscheinlich sehr wertvoll sind, was überhaupt dem neuesten Trend entspricht: daß die SPD in den Kreisen, die sie ehemals als Bourgeois ansprach, heutzutage als eine durchaus nett gewordene bourgeoise Partei angesehen wird.
({13})
Meine Damen und Herren, ich könnte fast sagen: wer selbst im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.
({14})
- Ich habe Ihnen gesagt: man „könnte fast sagen". Ich finde, es sitzt ja keiner im Glashaus.
({15})
Es ist ja weder die CDU noch die SPD, sondern das ist doch eine reine Konkurrenzsache von Informationsdiensten. Und, meine Damen und Herren, Sie sind doch so liberal geworden, wenigstens Sie, Herr Deist - von Ihnen, Herr Eschmann, habe ich das noch nicht behauptet -, Sie sind viel liberaler als so mancher Parteigänger des Herrn Erhard! Weshalb dieses große Palaver?! Dann stellen Sie sich doch auf den Standpunkt: es ist ein Konkurrenzgeschäft, und Konkurrenz belebt das Geschäft! - Damit habe ich mein Sprüchlein beendet.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte nicht in eine Privatdiskussion einzutreten, sondern dem neuen Redner zuzuhören.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Freund Dresbach, was Sie eben da von sich gegeben haben, das ist wirklich erregend, und es entspricht nicht dem, was Sie sonst von sich geben.
({0})
- Ja. - Es entspricht auch nicht dem, was Sie überhaupt dem Hause sagen können. Sie haben immer ein offenes Ohr, auch bei uns. Heute haben Sie das Problem vollkommen verschoben!
({1})
Die Frage, was solche Pressedienste kosten, steht ja nicht zur Diskussion, und ob „PPP" 30 Mark oder 50 Mark oder was kostet, ist in diesem Zusammenhang völlig gleichgültig.
({2})
Nicht gleichgültig ist es für denjenigen, der es bezahlt. Ich bezahle deswegen solche Pressedienste nicht.
({3})
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier darum, daß ein einzelnes Unternehmen, dessen gesamtes Kapital im Bundesbesitz ist, ein solches Informationsblatt einer Partei in einem geradezu ungewöhnlichen Umfang abonniert, in einem Umfang, der mit den wirtschaftlichen Interessen des Volkswagenwerkes nicht vereinbar ist.
({4})
Ein Abteilungsleiter des Bundesfinanzministeriums, der Ministerialdirektor Professor Dr. Oeftering, ist der Vorsitzende dieses Aufsichtsrates, und es handelt sich hier um Bundesvermögen, von dessen Erträgen für Dienste einer Partei so etwas ausgegeben wird.
({5})
- Wenn es keine Erträge hat, wie kann es dann überhaupt noch solche Unkosten machen?
({6})
Herr Atzenroth, das ist ja nun wirklich kein Einwurf!
Diese Finanzierung von Parteipublikationen aus öffentlichen Mitteln
({7})
reiht sich würdig den anderen unzulässigen Subventionierungen an, die im Bundeshaushalt stehen.
({8})
Wenn auch der Titel „zur Verfügung des Herrn Bundeskanzlers", der Tit. 300 im Einzelplan 04 03, in diesem Jahre von 12'12 Millionen DM auf 11 1/2 Millionen DM ermäßigt worden ist, so ist dafür der Tit. 303 um volle 2 Millionen DM erhöht worden.
({9})
({10})
- Ganz genau! Für einen Pressedienst, der vorher aus dem Tit. 300 finanziert worden ist, so daß der jetzige Tit. 300 in Wirklichkeit und 1 Million DM erhöht worden ist!
Meine Damen und Herren, ich habe anläßlich der vorjährigen Haushaltsberatungen hier vor vollem Hause in Anwesenheit des Herrn Bundeskanzlers, des Herrn Bundesinnenministers und des Herrn Bundesfinanzministers darauf aufmerksam gemacht, was sich in diesem Jahre tun wird, um aus öffentlichen Mitteln Wahlpropaganda zu betreiben. Ich habe nichts dagegen, daß die CDU die Propaganda macht, die sie für richtig hält. Aber sie hat sie dann auch zu finanzieren.
({11})
Ich habe etwas dagegen, daß ich mit meinen Steuermitteln und daß Tausende von Arbeitnehmern, die die politischen Ziele der CDU nicht billigen, sondern der SPD angehören, mit ihren Steuermitteln zur Finanzierung der CDU beitragen.
({12})
Meine Damen und Herren, das ist eine ungute Sache, und wenn wir uns überlegen, wie auf solche Weise die Demokratie in der Bundesrepublik weitergehen soll, dann kann uns angst und bange werden.
({13})
Auf diese meine Ausführungen im vorigen Jahr hin hat keiner von der Regierungsbank und hat keiner von Ihnen geantwortet. Und wenn Sie nicht, wie Kollege Dresbach das leider vorhin versucht hat, durch eine Verschiebung des Problems die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen der Sache ablenken, dann können Sie auch nichts anderes tun als bekennen: Wir wollen es anders machen.
Ich habe dann eine Woche später im vorigen Jahre an den Tatbestand erinnert, habe nochmals die Millionen genannt, die man im Presse- und Informationsamt aus öffentlichen Mitteln für dieses Jahr bereitstellen will, und habe Sie aufgefordert, dazu zu sprechen. Sie haben wieder dazu geschwiegen, und Sie können dazu nicht sprechen, wenn Sie nicht wiederum den Versuch machen, vom Wesentlichen abzulenken.
Meine Damen und Herren, das ist eine so schlechte Sache! Wie soll eigentlich unsere Demokratie bestehenbleiben und wie sollen wir unsere öffentlichen Angelegenheiten in Ordnung bringen, wenn mit solchen schamlosen Mittelchen und Mätzchen das Geld des Steuerzahlers mißbraucht wird?!
({14})
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist zweckmäßig, wenn wir die Diskussion jetzt zunächst nur zu diesem Punkt c - wir sind ja bereits mitten in der Diskussion - fortführen und die anderen zwei Punkte im Anschluß daran behandeln, so daß dieser Punkt hier zuerst erledigt wird. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich ziehe also jetzt nur die Wortmeldungen zu diesem Punkt c vor. Der erste Redner dazu ist der Herr Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch in Ergänzung zu dem, was vorhin bereits gesagt worden ist, ein kurzes Wort, um gewissermaßen den Hintergrund zu beleuchten. Hier auf der Titelseite dieser Zeitschrift steht:
Herausgeber: Professor Dr. Dr. h. c. Ludwig Erhard, MdB, und Oberbürgermeister - heute muß man ja in Klammern hinzufügen „a. D." - Ernst Bach. Und hier unten bei der Angabe über die Schriftleitung wird der Kollege der CDU-Fraktion Dr. Fritz Hellwig genannt.
({0})
Ich glaube auch hier, die beteiligten Herren sollten sich ihrerseits davor bewahren, in eine derart zwiespältige Position zu kommen. Aber da sie sich nicht davor bewahrt haben, ergibt sich aus dieser Firmierung eindeutig, wer hinter dem ganzen Unternehmen steckt.
({1})
Der Herr Kollege Dresbach hat hier dem Sinne nach Ausführungen über die erheblichen Unkosten gemacht, die heute bei dem Aufbau eines derartigen Informationsdienstes entstehen.
({2})
- Nun, aber ich glaubte das aus Ihren Ausführungen heraushören zu können, denn Sie sprachen ja von der Höhe der Abonnementspreise für derartige Informationsdienste, und diese Bemerkung ist ja nur aus dem Gesichtspunkt zu erklären, den ich hier angeführt habe.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen mitteilen, daß die Bundesregierung ihrerseits das Erforderliche tut, um die Herstellungskosten für diesen Informationsdienst, für den das Volkswagenwerk 10 000 DM zahlt, so niedrig wie möglich zu halten. Dafür nur ein Beispiel. Da ist in einer Nummer dieses Informationsdienstes eine Beilage gewesen, überschrieben „Bundeshaushalt 1956/57", eine sehr anschauliche Darstellung mit vielen kleinen Männerchen und kleinen Bildchen, also leicht faßlich für diejenigen, die eben dieses „Wirtschaftsbild" abonnieren.
({3})
Und hier am unteren Rand können Sie das Aktenzeichen oder Geschäftszeichen des Bundesministeriums der Finanzen lesen.
({4})
Da steht nämlich: „BFM" - das heißt nach meiner Kenntnis Bundesministerium der Finanzen -„II A II C - Vw . . ."; und dann steht noch etwas da, das kann ich hier nicht entziffern, aber den Herren des Bundesfinanzministeriums will ich das gern zur näheren Einsichtnahme zur Verfügung stellen.
({5})
Meine Damen und Herren, daraus ergibt sich, daß auch das Bundesfinanzministerium hier einen entsprechenden Beitrag leistet. Daraus ist zu folgern, daß die Unkosten für dieses Publikationsorgan allein zu dem Zweck so niedrig wie möglich gehalten sind, zugunsten der Kasse der CDU so viel Mittel wie möglich abzuzweigen. Die Mittel werden ja auch irgendwie treuhänderisch verwaltet wie die Mittel des Volkswagenwerkes. Ich meine - ich habe es vorhin schon gesagt -, Sie sollten hier durch eine klare Stimmabgabe für den
({6})
sozialdemokratischen Antrag sich selbst von dieser Praxis distanzieren.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine kurze Bemerkung zu der Sache machen. Wenn große private Industriefirmen wie Mannesmann oder Klöckner Parteien finanzieren, insbesondere diejenigen Parteien, die die Sozialdemokratie bekämpfen, dann ist das zwar nicht sehr erfreulich für uns, aber wir sind das seit dem Reichslügenverband gewohnt. Das ist auch rechtlich in Ordnung. Wenn dasselbe aber aus öffentlichen Vermögen gemacht wird, dann kann man das nicht so behandeln, wie es Herr Dresbach in seinen Ausführungen tat. Hier handelt es sich darum, daß aus dem in öffentlicher Hand befindlichen Volkswagenwerk monatlich bis zu 12 000 DM gezahlt worden sind. Ich habe die Quittungen selbst gesehen. Und die Sache mit dem Informationsdienst ist ja nur der Versuch, für diese laufende monatliche Zahlung einen Vorwand zu finden. Man hat nicht einen Dienst bezogen oder zwei, drei Exemplare, wie es für die Direktion ausreichend wäre, sondern hat an die hundert bezogen, damit man diese hohe Summe begründen konnte.
Nun ist interessant, was man mit diesen Exemplaren gemacht hat. Ich habe den Herrn Finanzminister seinerzeit danach gefragt. Er hat geschrieben, das Volkswagenwerk beziehe für sich und seine Verkaufsorganisation - rund 168 selbständige Großhändler, 400 weitere Händler im Inland, 30 selbständige Großhändler im Ausland usw. -100 Exemplare. Aus technischen Gründen habe das Volkswagenwerk diese Bestellung seinerzeit beim Verlag gesammelt aufgegeben. Für selbständige Großhändler gibt man eine Sammelbestellung auf!
({0})
Nun habe ich inzwischen recherchieren lassen, ob diese Exemplare bei den Händlern wirklich ankommen. Antwort: Nein.
({1})
Ich habe eine Reihe von Volkswagenhändlern meiner Vaterstadt Hamburg befragen lassen. Von allen Volkswagenhändlern haben nur zwei mit ja geantwortet, sie hätten zufällig hin und wieder einmal so ein Ding gesehen.
({2})
- Herr Hellwig, Sie haben sofort Gelegenheit, von hier aus zu sprechen. Ich bin überhaupt überrascht, daß außer Herrn Dr. Dresbach, dessen Ausführungen nur im ersten Satz von Belang waren, von Ihnen sonst niemand spricht.
Ich möchte noch eine abschließende Frage stellen. Die Frage wäre sehr interessant, und sie müßte eigentlich von einem Kollegen der CDU beantwortet werden, der etwas mit Geschäftsführungsdingen dieser Partei zu tun hat. Ich möchte nämlich wissen, ob Herr Nordhoff freiwillig, von sich aus diese großen Bestellungen macht und diese großen monatlichen Zahlungen leistet oder ob es vielleicht irgendwelche leisen Andeutungen dieser oder jener Art gewesen sind, die ihn dazu bewegt haben.
({3})
Meine Damen und Herren! Zu diesem Punkt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
({0})
Ich schließe daher hierzu die Aussprache. Vom Altestenrat ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorgeschlagen. Wer der Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({1})
- Bitte, sprechen Sie von hier aus zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Ich möchte nur in die Erinnerung zurückrufen, daß ich vorhin beantragt habe, über den Antrag selbst abstimmen zu lassen und ihn aus den Gründen, die ich vorzutragen die Ehre hatte, sofort anzunehmen. Daraus ergibt sich, daß es einer Ausschußüberweisung gar nicht bedarf.
Herr Abgeordneter Wittrock, Ihr Antrag war mir bekannt, aber nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung geht ein Antrag zur Geschäftsordnung vor, so daß ich zuerst einmal über die Ausschußüberweissung abstimmen lassen muß. Erst wenn diese abgelehnt ist, kann über den Sachantrag selbst entschieden werden.
Das Wort zur Geschäftsordnung wird auch nicht mehr gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen.
Wir kommen nunmehr zur Aussprache zu den Punkten 2 a und b. Das Wort hat der Abgeordnete Illerhaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand soll die Privatisierung der wirtschaftlichen Unternehmen des Bundes, der Länder und Gemeinden herbeigeführt werden.
({0})
Formell ist ein solches Gesetz zulässig. Der Entwurf sieht eine wirtschaftsrechtliche Regelung vor. Privates und öffentliches Wirtschaftsrecht fallen gemäß Art. 74 Ziffer 11 des Grundgesetzes unter die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes.
({1})
Meine Damen und Herren, ich darf doch um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Herrn Redner bitten.
Meine Damen und Herren! Privatisierung stellt keine Enteignung im eigentlichen Sinne dar. Nach herrschender Lehre werden nur Einzeleingriffe als Enteignung bezeichnet. Das mag hier dahingestellt bleiben, da auch Enteignungsmaßnahmen gemäß Art. 74 des Grundgesetzes unter die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes fallen und die Wirtschaftsunternehmen der öffentlichen Hand verkauft werden sollen und somit keine entschädigungslose Enteignung vorläge: Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes.
Da der Entwurf auch Verwaltungsinteressen der Länder berührt, die diese als eigene Angelegenheiten regeln, ist das Gesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes von der Zustimmung des Bundesrats abhängig, also ein Zustimmungsgesetz.
Nun zum Gesetz selbst. Trotz der grundsätzlich zu bejahenden Tendenz des Entwurfs, die öffentliche Hand aus der Wirtschaft herauszuhalten, um ihr die unparteiliche Stellung zu wahren, erscheinen die vorgeschlagenen Lösungen nicht geeignet, diesen Zweck zu erreichen.
Erstens: Eine nochmalige Betonung dessen, daß die öffentliche Hand wirtschaftliche Unternehmungen nur betreiben darf, wenn - das steht im § 1 des Gesetzentwurfs - ein dringender öffentlicher Zweck vorliegt und dieser Zweck durch private Unternehmen nicht ebensogut und wirtschaftlich erfüllt werden kann, erscheint überflüssig, da dieser Grundsatz sowohl in den Landesgemeindeordnungen als auch in § 48 der Reichshaushaltsordnung und in § 60 der Wirtschaftsbestimmungen für Reichsbehörden enthalten ist. Gemeinden dürfen keine eigenwirtschaftlichen Unternehmungen unterhalten, die ebensogut durch Private geführt werden können.
({0})
Für den Bund ergibt sich das gleiche Verbot mit Ausnahme der Monopolverwaltungen. Wenn diese ausdrücklichen Bestimmungen bisher nicht eingehalten worden sind, so besteht wenig Hoffnung, verehrter Herr Dr. Atzenroth, daß eine erneute Regelung mehr Erfolg haben würde.
Zweitens: Die Einschränkungen der Regiebetriebe - Betriebe zur Deckung des eigenen Bedarfs - der öffentlichen Hand erscheinen auf gesetzlichem Wege unmöglich. Die Zulassung einer Klage - etwa vor den ordentlichen Gerichten - gegen den Bund, die Länder und die Gemeinden seitens jeden privaten Unternehmers, der meint, die Arbeiten übernehmen zu können, ist meines Erachtens abzulehnen. Sie würde eine unerträgliche Einmischung in die öffentliche Verwaltung bedeuten und zu einer Überforderung der Gerichte führen.
Drittens: Die Veräußerung des Wirtschaftsvermögens der öffentlichen Hand nach der Umwandlung in Aktiengesellschaften oder andere juristische Personen, wie es in den §§ 6 ff. Ihres Entwurfs vorgeschlagen ist, würde auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Es scheint, daß sich der Verfasser des Entwurfs über die Größenordnungen des wirtschaftlichen Vermögens der öffentlichen Hand nicht im klaren gewesen ist. Aus den Haushaltsplänen des Bundes, der Länder und der Gemeinden und den eigenen Untersuchungen des Deutschen Industrieinstituts ist zu entnehmen, daß der effektive Wert der wirtschaftlichen Unternehmungen der öffentlichen Hand 4 bis 5 Milliarden
DM betragen dürfte. Nach den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 - Vermögensnachweis - beträgt der Nominalwert des Bundesvermögens ohne Unterbeteiligungen 1,56 Milliarden DM.
({1})
Bei Hinzurechnung der Reserven erhöht sich der buchmäßige Wert des eigenen Vermögens auf 1,8 Milliarden DM. Daß der effektive Verkaufswert z. B. des Volkswagenwerks oder der HowaldtWerke erheblich über dem Nominalwert liegt, ist schon daraus zu ersehen, daß die wirtschaftlichen Investitionen des Bundes seit der Währungsreform bis Ende 1954 3,5 Milliarden DM betragen haben.
({2})
In den angegebenen Summen sind die Sondervermögen des Bundes wie Bundesbahn und Bundespost mit ihren zahlreichen Unterbeteiligungen nicht berücksichtigt.
Die wirtschaftlichen Vermögen der Länder haben folgenden Nominalwert - ich will nur einige große vorlesen -: Nordrhein-Westfalen: 115 Millionen DM, Bayern 160 Millionen DM, Baden Württemberg: 155 Millionen DM, Hamburg: 161 Millionen DM, Hessen: 110 Millionen DM, Niedersachsen: 101 Millionen DM, usw.
({3})
Hinzu kommen noch die beträchtlichen Gemeinde-und Stadtvermögen - z. B. Frankfurt am Main: 148 Millionen DM, Bremen: 74 Millionen DM -, die hier jedoch außer Ansatz bleiben sollen, da ein Großteil dieser Anlagen Verkehrs- oder Energieunternehmen betreffen, die nicht unter die Privatisierung fallen. Der Anteil der Gemeinden an Verkehrs- und Energieunternehmen im Bund beträgt etwa 3,9 Milliarden DM.
Der Nominalwert des eigenen Vermögens von Bund und Ländern zusammen würde somit etwa 2,4 Milliarden DM ausmachen. Der effektive Wert kann auf 4 bis 5 Milliarden DM geschätzt werden. Der Einzelverkauf von Bundesvermögen ist bisher daran gescheitert, daß sich Käufer für derart große Objekte im Inland bisher nicht gefunden haben. Eine Umwandlung des Bundesvermögens in Aktiengesellschaften und der Verkauf dieser Aktien bis zum 30. Juni 1957 nach dem § 8 Ihres Entwurfs im Wege des Angebots von Aktien auf dem Börsenmarkt würde das Aufnahmevermögen der deutschen Börsen bei weitem übersteigen und die Kreditmöglichkeiten der Wirtschaft überspannen.
Herr Abgeordneter Illerhaus, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Atzenroth?
Bitte sehr!
Ich habe die Frage an den Redner zu stellen, auf welchen Unterlagen die Zahlen beruhen, die er hier über den Wert und den Umfang der einzelnen Vermögen der öffentlichen Hand vorgetragen hat, und ob in diesen Zahlen auch alle mittelbaren Beteiligungen enthalten sind, die im Besitz der öffentlichen Hand sind.
Herr Kollege Atzenroth, die Zahlen, die ich hier angeführt habe, sind aus den Länderhaushalten entnommen und können jederzeit nachgeprüft werden.
Die Durchführung der Verkaufsmaßnahmen soll gemäß § 12 des Entwurfs einem Ausschuß zur Überprüfung des Vermögens der öffentlichen Hand anvertraut werden. In diesem Ausschuß sollen Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und Bundesnotenbank vertreten sein und sich in die Verantwortung teilen. Obwohl solche Ausschüsse formell nicht verfassungswidrig sind, ist die Vermischung der gesetzgebenden und der Ausführungsgewalt meines Erachtens untunlich. Eine solche Aufhebung des Grundsatzes der Trennung der Gewalten sollte in einem Rechtsstaat möglichst vermieden werden.
Aus dem ganzen Komplex ergibt sich, daß die Behandlung dieser Fragen nicht in einem solch kurzen Zeitraum möglich ist, wie er uns in dieser Legislaturperiode noch zur Verfügung steht. Herr Kollege Atzenroth, Sie wissen ganz genau, daß zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes so umfangreiche Untersuchungen angestellt und Vorarbeiten geleistet werden müssen, daß sie unmöglich bis zum Ende dieser Legislaturperiode erstellt werden können. Ich gebe zu, daß in dem Antrag ein wahrer Kern steckt und daß man sich durchaus einmal über die Reprivatisierung der Regiebetriebe unterhalten kann. Aber dazu ist eine sehr eingehende Untersuchung notwendig. Vielleicht können die Ausschüsse, die mit diesem Antrag befaßt werden, in diesem Bundestag noch eine Reihe von Feststellungen treffen. Aber ich glaube kaum, daß das Hohe Haus in dieser Legislaturperiode den Antrag noch abschließend behandeln kann.
Ich möchte darum bitten, daß außer dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik, den Herr Dr. Atzenroth als federführend vorgeschlagen hat, und dem Haushaltsausschuß auch die Ausschüsse für Finanz-und Steuerfragen und für Geld und Kredit, der Unterausschuß für Bundesbeteiligungen und der Kommunalpolitische Ausschuß zur Mitberatung eingeschaltet werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der bisherigen Behandlung des Punktes 2 unserer heutigen Tagesordnung wird der Ältestenrat, glaube ich, eine Lehre ziehen müssen. Wenn nämlich in zwei Anträgen zufällig das gleiche Wort „Volkswagenwerk" vorkommt, ist es durchaus noch nicht ausgemacht, daß es zweckmäßig ist, sie als Punkt b und Punkt c in einen Tagesordnungspunkt einzubeziehen. Ich werde mir das jedenfalls für meine Person für die Zukunft merken.
Ich freue mich sehr, daß wir inzwischen wieder auf ein sehr wesentliches und ernsthaftes wirtschafts- und staatspolitisches Anliegen zu sprechen gekommen sind.
({0})
- „Wirtschafts- und staatspolitisch" habe ich gesagt. Lassen Sie mich den Satz doch zu Ende sprechen! Ich will das andere ja gar nicht als unwichtig bezeichnen.
({1})
- Heimlich?
({2})
- Es tut mir leid; ich kann Sie leider nicht verstehen.
({3})
- Peinlich? Bitte, ich überlasse es Ihnen, das festzustellen.
Ich möchte mich jetzt mit dem Punkt 2 a der Tagesordnung beschäftigen, und zwar mit dem Gesetzentwurf über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand. Das Grundanliegen scheint auch meinen Freunden und den Freunden von der Deutschen Partei durchaus prüfens- und lobenswert. Wir glauben allerdings, daß sehr genau überlegt werden muß, auf weiche Art und Weise man diesem Ziel zweckmäßig und, wie Herr Kollege Atzenroth es wünscht, auch schnell näherkommt. Wir haben das Gefühl, daß in den einzelnen Teilen des Gesetzes Vorschläge gemacht worden sind, die zwar neuartig sind, die aber auf ihre Praktikabilität jedenfalls sehr gründlich untersucht werden müßten. Ich weiß nicht, ob es ein sehr zweckmäßiger Weg ist, daß Unternehmungen, die dafür überhaupt geeignet sind, erst in Aktiengesellschaften umgewandelt und daß dann ihre Aktien an der Börse verkauft werden sollen. Es ist doch weitgehend bekannt, welches Unternehmen Bundesunternehmen ist, und wenn das nach entsprechenden Umgründungsvorgängen schließlich zur Aktiengesellschaft geworden ist, vielleicht auch unter Einschaltung einer Bank eine Börseneinführung erfolgt ist, dann möchte ich mal sehen, zu welchen Kursen - ich spreche jetzt nicht vom Volkswagenwerk - solche Aktien untergebracht werden können, nachdem bekanntgeworden ist, daß sich der Bund von diesem Unternehmen trennen will.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier eine allgemein anwendbare Regel geschaffen ist, die ja durch dieses Gesetz festgelegt werden würde. Herr Kollege Illerhaus hat schon davon gesprochen, daß man bei der gar nicht bestrittenen gewaltigen Größe der Objekte natürlich auch genau überprüfen muß, wieweit es für Aktien dieser Art einen aufnahmefähigen Markt in der Bundesrepublik gibt.
Was meinen Freunden und mir an dem ganzen Vorschlag aber am meisten Sorge macht, das ist der Überprüfungsausschuß, dieses Überparlament mit geradezu gewaltigen Vollmachten.
({4})
- Ja, Herr Kollege Atzenroth, mit Entscheidungsbefugnissen, mit Richtlinien, nach denen sich die Verwaltung und die Regierung zu richten haben. Das scheint mir die Übervollmacht dieses Ausschusses zu sein, und ich frage nun meine parlamentarischen Kollegen, ob sie es für tragbar halten, daß das einzige Parlament, der Bundestag, das in diesem interessanten 15-Männer-Kreis vertreten ist, mit 6 Mann gegenüber 9 Bürokraten, wie ich sagen möchte, in der Minderheit bleibt. Ich glaube, die Bank deutscher Länder wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich sie auch als ein bürokratisch geleitetes öffentliches Unternehmen betrachte. Es müßte unter allen Umständen noch einmal ernsthaft nachgeprüft werden, ob dieser Weg richtig ist.
({5})
In § 10 heißt es:
Bestimmungen des Bundes, der Länder und Gemeinden, nach denen der Verkauf von Vermögen der öffentlichen Hand der Zustimmung der Volksvertretung bedarf, finden auf Veräußerungen nach diesem Gesetz keine Anwendung.
Diese sozusagen mit einem Federstrich vollzogene Außerkraftsetzung zwingender Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung scheint mir ein verhältnismäßig einfaches, aber gleichwohl nicht praktikables Verfahren zu sein.
Meine Freunde und ich bitten das Hohe Haus, den Antrag den Ausschüssen zu überweisen, die der Kollege Atzenroth vorgeschlagen hat. Die Damen und Herren werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich es persönlich für richtig halte, die Federführung dem Haushaltsausschuß und die Mitberatung dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu übertragen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Atzenroth hat bekannt, daß er sich bereits seit Jahren mit dem Problem der Privatisierung des Bundesvermögens befaßt. Er hat aber insofern etwas Pech, als er in diesen Jahren nicht festgestellt hat, daß wir rechtlich überhaupt noch kein Bundesvermögen haben. Wenn er sich der Debatten erinnerte, die wir um das sogenannte Vorschaltgesetz im Jahre 1951 hier geführt haben, dann hätte er sich auch erinnert, daß die Art. 134 und 135 des Grundgesetzes zwar vorschreiben, daß das frühere Reichs- und Preußenvermägen grundsätzlich Bundesvermögen wird, daß aber eine weitere Bestimmung sagt: Das Nähere bestimmt ein Ausführungsgesetz.
Wir wissen, daß ein heftiger verfassungsrechtlicher Streit darüber entstanden ist, ob diese Bestimmungen unmittelbare rechtliche Wirkung haben oder ob es sich nur um Grundsatzregelungen handelt, die erst mit dem Ausführungsgesetz wirksam werden. Weil darüber keine Verständigung erzielt werden konnte, ist im Jahre 1951 das sogenannte Vorschaltgesetz erlassen worden, das die Verwaltung dieses Vermögens regelt, das aber ausdrücklich die Rechtsfrage, wem denn nun eigentlich das Bundeseigentum gehöre, offenläßt. Darum „Vorschaltgesetz", darum die Notwendigkeit, bevor man Gesetze über die Behandlung des Bundesvermögens erläßt, zunächst einmal entsprechend dem Grundgesetz festzustellen, was rechtlich eigentlich Bundesvermögen ist. Meine Damen und Herren, wer einen „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand" - sicherlich ein sehr anspruchvoller Titel für einen Gesetzentwurf - vorlegt, müßte erst einmal die wesentlichen Voraussetzungen schaffen und klarlegen, wem eigentlich das Vermögen gehört, das hier verteilt werden soll. Das fehlt leider in diesem Gesetzentwurf.
({0})
Dann eine zweite Frage. Es wäre sicherlich eine wichtige Aufgabe, einmal die grundsätzlichen Regeln für die Wirtschaft der öffentlichen Hand, ja für die ganze Vermögens- und Schuldenwirtschaft
des Bundes und der öffentlichen Hand in einem geschlossenen Gesetzeswerk festzulegen. Wir haben ein solches Gesetzgebungswerk bekanntlich für die eigentliche Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft, d. h. für die Haushalts- und Geldwirtschaft, in der Reichshaushaltsordnung. Etwas Entsprechendes gibt es - ungeachtet der Tatsache, daß die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand eine große Bedeutung hat - heute leider noch nicht. Im Grundgesetz ist in dem Artikel 114 der Gedanke wenigstens einmal angedeutet worden. Hier ist nämlich erstmalig verfassungsrechtlich festgelegt worden, daß über Vermögen und Schulden eine Anlage zum Haushaltsplan gegeben werden müsse und daß diese Anlage der Rechnungslegung und der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliege. Das war ein verheißungsvoller Ansatz einer verfassungsrechtlichen Regelung der Vermögens- und Schuldenwirtschaft der öffentlichen Hand, der z. B. gegenüber der Weimarer Verfassung, die entsprechende Bestimmungen noch nicht enthielt, einen Fortschritt darstellte.
Es wäre also erforderlich, in einem Gesetzentwurf über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auch eine solche Kodifikation der gesetzlichen und der Verwaltungsbestimmungen über die Behandlung des Vermögens und der Schulden der öffentlichen Hand zu schaffen. Bisher sind diese Bestimmungen stark verstreut. Sie befinden sich in der Reichshaushaltsordnung, sie befinden sich in den sogenannten Reichswirtschaftsbestimmungen; auch an einigen anderen Stellen sind schon recht gute Ansatzpunkte vorhanden. Da steht z. B. - das ist gar nicht so neu -, daß öffentliches Vermögen in der gewerblichen Wirtschaft nur dann erworben und gehalten werden soll, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse vorliegt. Da steht z. B. auch, daß die Ressortminister für die Wirtschaftsführung in den einzelnen Betrieben verantwortlich sind.
Dazu gestatten Sie mir eine kleine Zwischenbemerkung. Ich habe eben einen Blick auf die Regierungsbank geworfen. Die Verantwortung für die wirtschaftliche Führung der Bundesunternehmungen der gewerblichen Wirtschaft liegt nach der Reichshaushaltsordnung eindeutig bei dem Herrn Bundeswirtschaftsminister. Wir bedauern sehr, sosehr wir die Anwesenheit des Herrn Staatssekretärs Hartmann schätzen, daß die Bundesregierung bei dieser Frage nicht durch den zuständigen Ressortminister vertreten ist. Wir haben das bereits mehrfach feststellen müssen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister scheint in bezug auf das öffentliche Vermögen eine Meinung zu vertreten, die nicht immer ganz mit der des Bundeskabinetts oder seiner Kollegen in der Bundesregierung übereinstimmt. Wir haben auch feststellen müssen, daß bei der Beratung der Preistreibereibestimmungen des Wirtschaftsstrafgesetzes der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht anwesend war. Wir haben feststellen müssen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Verabschiedung des Wirtschaftssicherungsgesetzes, als es um die Grundlage für neue Bewirtschaftungsbestimmungen ging, nicht anwesend war. Wir müssen heute wieder feststellen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Beratung eines solchen auch für die Bundesregierung heißen Eisens wie der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand wieder nicht anwesend ist. Im Hinblick auf die mit den Tatsachen nicht ganz in Einklang zu bringende Methode, die der Herr Bundeswirtschaftsminister in der öffent({1})
lichen Auseinandersetzung in den letzten Wochen angeschlagen hat, müssen wir sagen: ein höchst bemerkenswertes Zeichen.
({2})
Wir werden es dem Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht durchgehen lassen, daß er in der Öffentlichkeit so tut, als wenn er mit Dingen, die unter die Verantwortung der Bundesregierung fallen, zu der er gehört, nichts zu tun habe. Er soll hier seine Meinung vertreten und soll sich nicht, wenn es um wichtige wirtschaftspolitische Entschlüsse der Bundesregierung geht, dadurch distanzieren, daß er hier abwesend ist. Wir hätten gewünscht, daß er bei dieser Besprechung über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, über die er sich in der Öffentlichkeit häufig weidlich aus läßt, selbst anwesend wäre. Das nur als Zwischenbemerkung. Mir scheint das für den politischen Stil unserer Demokratie immerhin nicht ganz unwichtig zu sein.
Ich möchte jetzt zur Sache zurückkommen. Es wäre wirklich ein gutes Anliegen, neben der Reichshaushaltsordnung ein geschlossenes Ordnungsrecht für die öffentliche Vermögenswirtschaft, insbesondere für die Betätigung auf dem Gebiet der Wirtschaft, zu schaffen. Wir sind nämlich der Auffassung, daß gerade in einer freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung, die Wert darauf legt, daß der Staat so wenig wie möglich unmittelbar eingreift, die öffentliche Betätigung auf wirtschaftlichen Gebieten durch staatliche Unternehmungen eine wichtige Aufgabe ist.
({3})
Wenn wir unter diesen Gesichtspunkten den Entwurf betrachten, den der Kollege Atzenroth vorgelegt hat, so ist zu sagen, er scheint uns bei diesen großen Aufgaben nicht ganz zulänglich zu sein. In seinem § 1 werden die Voraussetzungen für die Betätigung der öffentlichen Hand genannt. Zunächst einmal muß ein dringender öffentlicher Zweck vorliegen. Diese Bestimmung ist, wie bereits betont wurde, nicht ganz neu. Sie steht in der Reichshaushaltsordnung und in den Reichswirtschaftsbestimmungen; diese müssen angewandt werden. Aber durch eine neue Gesetzesbestimmung werden Sie eine bestehende Praxis nicht wesentlich verändern, Herr Kollege Atzenroth.
Zu diesem ersten Erfordernis kommt noch ein zweites hinzu: soweit diese Zwecke durch private Unternehmen oder ohne Beteiligung der öffentlichen Hand nicht ebensogut und wirtschaftlich verfolgt werden können. Auch das ist ein ausgezeichneter Grundsatz; nur ist auch er nicht sehr neu, denn er steht schon in den bestehenden Bestimmungen.
Dann kommt etwas, was schon schwieriger ist. Da steht nämlich: soweit private Unternehmen nicht unbillig im Wettbewerb benachteiligt werden. Ich weiß nicht, ob Ihnen ganz entgangen ist, daß es große Wirtschaftsbereiche gibt, in denen der Wettbewerb sehr unbillig durch große private Unternehmen beeinträchtigt wird,
({4})
so daß hier die öffentliche Hand - ich komme darauf noch zurück - unter Umständen eine sehr entscheidende Aufgabe zu lösen hat.
Ein vierter Punkt, der außerordentlich interessant ist. Sie sagen nämlich, daß die Unternehmen oder Beteiligungen nach Art und Umfang in einem
angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Eigentümer - also des Bundes - stehen sollen. Ich habe mir überlegt: Was soll das in diesem Zusammenhang? Daß der Bund nicht leistungsfähig wäre, ein großes wirtschaftliches Unternehmen zu übernehmen, wäre etwas merkwürdig. Da habe ich festgestellt, Herr Kollege Atzenroth, daß diese vier Punkte - man höre und staune - wortwörtlich den Gemeindeordnungen der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern entnommen worden sind.
({5})
Das sind nämlich die Grundlagen der Betätigung der öffentlichen Hand in den Gemeinden. So etwas pflegt bei Schlagermelodien vorzukommen; da darf man ja bestimmte Takte von anderen übernehmen.
({6})
Die Verfasser haben übersehen, daß da ausgesprochen auf Gemeindebetriebe abgestellt wird. Da hat es natürlich seinen guten Sinn, während es beim Bund, wie mir scheinen will, etwas reichlich deplaziert ist.
({7})
- Sicher, Schützenhilfe; Kollege Atzenroth wird Ihnen dankbar sein.
({8})
Nun zu den Punkten a und b! Wir sind selbstverständlich - und das ist unsere grundsätzliche Einstellung zur wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Hand - der Auffassung, daß eine Betätigung nur dort erfolgen soll, wo sie im öffentlichen Interesse dringend geboten ist und die gleiche Aufgabe nicht gleich gut von privater Hand geregelt werden kann.
Ich möchte es in diesem Augenblick nicht bei dieser Feststellung bewenden lassen, möchte vielmehr einiges darüber sagen, was wir darunter verstehen, weil ich fürchte, unter dieser netten Generalklausel verbergen sich so einige Dinge, die vielleicht nicht darunter gehören.
({9})
Wir haben zahlreiche Märkte, auf denen Kartelle, Monopole und marktbeherrschende Unternehmungen eine ganz große Rolle spielen. Und jetzt darf ich die Herren, die in der Geschichte etwas bewandert sind, an folgendes erinnern: In den Jahren 1902 und 1906 hat eine königlich-preußische konservative Regierung die ersten Schächte im Ruhrgebiet und die ersten Aktien, die als Grundlage zur Gründung der Hibernia dienten, erworben. Mit welcher Begründung, Herr Kollege Atzenroth? Weil im Jahre 1893 das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat gebildet wurde, weil infolge der Bildung des Kohlensyndikats eine starke Konzentration an der Ruhr drohte, weil die sich entwikkelnden großen Unternehmen darangingen, sich auch die Reservefelder im Norden des Reviers zu sichern. Die Begründung für das Gesetz war, daß hier die Gefahr einer monopolistischen Kontrolle eines wichtigen Marktes drohe, der unter allen Umständen entgegengewirkt werden müsse.
({10})
Meine Damen und Herren, eine wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand auf den Märkten,
auf denen eine derartige monopolistische Kontrolle
({11})
droht, halten wir auch heute nicht nur für legitim, sondern für dringend erforderlich.
({12})
Ein Zweites, und ich muß Sie auch da wieder an einiges erinnern. Die deutsche Stickstoffindustrie ist einmal entstanden, weil die Privatwirtschaft das Risiko der Errichtung von Stickstoffwerken damals nicht übernehmen wollte. Die deutsche Aluminiumindustrie ist entstanden, weil das Risiko, Aluminiumwerke in Deutschland zu errichten, für die Privatwirtschaft zu groß erschien. Der mitteldeutsche Eisenerzbergbau mußte vom Staate erschlossen werden, weil die Privatindustrie an der Ruhr sich nicht in der Lage sah, ein solches Risiko zu übernehmen. In England ist vor einiger Zeit das erste Atomkraftwerk in Calder Hall errichtet worden, ein staatliches Unternehmen, an dem sich staatliche Initiative und öffentlicher Unternehmungsgeist dokumentiert haben. Ich bin der Auffassung, daß dort, wo solche Aufgaben gestellt werden, wo öffentliche Initiative nötig ist, wo Pionieraufgaben zu erfüllen sind, der Staat diese Aufgaben nicht von sich weisen kann.
Ein dritter Fall, meine Damen und Herren! Bitte, jeder schlage an seine eigene Brust: Wie oft haben wir in den Jahren seit 1945 hier Anträge .gehabt, der Staat solle gewisse Unternehmungen erhalten, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen erhalten werden mußten, die aber nach normalen privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zu erhalten waren? Wie oft ist hier beschlossen worden, daß der Staat dafür einzutreten habe!
Mein lieber Kollege Atzenroth, Sie haben den Fall Sontra erwähnt. Hier hat Ihre eigene Fraktion immer dafür gestimmt, daß Subventionen gegeben werden. Wir waren alle der Auffassung, daß man Wege und Mittel finden müsse, daß man dort eine andere Methode der Bereinigung der sozialen Schwierigkeiten suchen müsse. Ich bin gern bereit, zuzugestehen: vielleicht überlegen wir uns in solchen Fällen nicht immer genügend, ob wir uns mit der einfachen Methode der Weiterschleppung solcher Betriebe begnügen sollen oder ob es nicht andere Mittel gibt, die sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Aber daß hier der Staat eine Aufgabe hat, das wird von den Mitgliedern dieses Hauses im praktischen Einzelfall immer wieder betont. Es scheint mir nicht gut zu sein, wenn wir jetzt so tun, als wenn solche Fälle nicht vorhanden wären.
({13})
Im übrigen, Herr Kollege Atzenroth, wenn Sie in der Lage wären, uns für die Privatisierung von Sontra einen potenten Käufer anzubieten - durchaus einverstanden!
({14})
In § 3 des Gesetzentwurfs macht man den Versuch, einige Grundsätze der öffentlichen Wirtschaftsführung aufzuführen. Man hätte denken können, daß z. B. bezüglich der Bilanzierung etwas Modernes in dem Entwurf stünde. Aber es steht darin nur, daß Unternehmen Bilanzen und Geschäftsberichte nach dem Aktienrecht veröffentlichen sollen; das tun die Unternehmungen sowieso. Wir sind sehr damit einverstanden bei einer Aktiengesellschaft, aber nicht bei einer GmbH oder anderen Formen! Da brauchen Sie diese kümmerlichen Bilanzierungsvorschriften nicht.
In dem Entwurf steht auch nichts darüber, wie es mit der Reservenbildung werden soll. Das einzige, was Sie darin haben, Herr Kollege Atzenroth, ist, daß die sozialen Leistungen ausgewiesen werden sollen. Die aber stehen nun peinlicherweise unmittelbar neben den politischen Lasten, von denen wir alle der Meinung sind, daß sie eigentlich nicht vom Werk zu tragen sind. Ich hoffe nicht, daß sich da etwas eingeschlichen hat. Einige Leser könnten daraus entnehmen, Sie seien der Meinung, daß auch die sozialen Leistungen eine unzulässige Belastung seien, die genauso behandelt werden müsse wie politische Lasten. Wir sind durchaus der Auffassung, daß die sozialen Leistungen herausgestellt werden müssen. Wir hoffen, in Deutschland allmählich dahin zu kommen, daß Werke, die ihre sozialen Aufgaben vorbildlich erfüllen, als fortschrittlich betrachtet werden, daß also ein solcher Ausweis ein gutes Zeichen für ein Unternehmen ist.
Aber wenn etwas ausgewiesen werden soll, Herr Kollege Atzenroth, dann bitte neben den sozialen Leistungen der echte Ertrag des Unternehmens! Aus dem, was jetzt in den Bilanzen ausgewiesen wird, kann kein Mensch ersehen, wie eigentlich die Ertragslage eines Unternehmens ist. Nachdem selbst die Standesorganisation der Wirtschaftsprüfer sich für eine größere Publizität bei den Bilanzen und bei der Gewinn- und Verlustrechnung ausgesprochen hat, hätte man erwarten können, daß wenigstens das in dem Entwurf stünde. Aber nicht einmal das steht darin.
Meine Damen und Herren, mir will scheinen, hier fehlt sehr viel zu einer vernünftigen Regelung. Es steht z. B. nichts darüber darin, daß die Minister dafür verantwortlich sind, daß die Unternehmungen als Instrumente ihrer Wirtschaftspolitik dienen; denn sonst haben sie keinen Sinn. Es steht nichts darüber darin, welche Verpflichtungen die Mitglieder des Aufsichtsrats haben, die von der öffentlichen Hand gestellt werden. Es steht nichts darin über eine Pflicht der Ressortminister zur Berichterstattung darüber, wie sie das Wirtschaftsvermögen nutzen. Es steht nicht einmal darin, daß öffentliche und private Unternehmungen gleichen Wettbewerbsbedingungen unterliegen sollen; es steht im Gegenteil eine Diffamierung der öffentlichen Unternehmungen darin: Konzernbildungen - man mag sie leiden oder nicht, sie sind in der Wirtschaft nun einmal vorhanden - sollen unzulässig sein, wenn sie in einem nicht nur örtlich begrenzten Gebiet eine marktbeherrschende Stellung zur Folge haben würden. Ich frage: auch dann, wenn die Konkurrenzunternehmungen auf diesem Gebiet eine marktbeherrschende Stellung einnehmen? Soll dann das öffentliche Unternehmen gehandicapt werden? Ich glaube, derartige Bestimmungen kann man in einen solchen Gesetzentwurf nicht hineinnehmen!
Dann eine dritte Frage! Das sogenannte Bundesvermögen, von dem heute also noch kein Mensch weiß, wem es eigentlich gehört, setzt sich aus den verschiedensten Bestandteilen zusammen. Da ist zunächst das alte Reichsvermögen, zusammengefaßt in der Viag, das große Teile in der Ostzone verloren hat. Dazu gehört der frühere preußische Konzern Veba, der ebenfalls erhebliche Teile in der Ostzone verloren hat. Dazu gehört das neue Reichsvermögen, das in den 30er Jahren um die Reichswerke herum geschaffen worden ist, und dann gehören dazu zahllose in der Kriegs- und Nachkriegszeit entstandene Komplexe, bei denen
({15})
zu überlegen ist, ob sie organisch unter heutigen Gesichtspunkten hineingehören.
Was man zunächst tun müßte, wäre, zu überlegen: Wie bringen wir aus diesen verschiedenen Torsen - und mehr ist das im einzelnen nicht - eine konstruktive Gesamtlösung und eine gesunde Ordnung des Bundesvermögens zustande? Auch darüber nicht das mindeste!
({16})
- Herr Kollege Atzenroth, die Überschrift lautet: „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand", er lautet nicht: „Entwurf eines Gesetzes über die Verhinderung wirtschaftlicher Betätigung der öffentlichen Hand". Für das letztere hätte ausgereicht, was hier steht. Aber wenn man ein Gesetz über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand vorlegt, dann darf man so wichtige Fragen nicht auslassen. Ich bitte mir zu gestatten, daß ich das sage: es scheint mir sehr anspruchsvoll, einen solchen Gesetzentwurf „Entwurf eines Gesetzes über die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand" zu nennen, wenn die Bestimmungen praktisch nur Regeln für den Ausverkauf des Bundesvermögens darstellen. Wir sind durchaus bereit, insbesondere zu prüfen, ob nicht bei der autoritären Wirtschaftsführung in den zwölf Jahren von 1933 bis 1945 und nachher Bestandteile in das Bundesvermögen hineingekommen sind, die auch nach unserer Auffassung nicht hineingehören. Aber eine Untersuchung des Bundesvermögens unter dem Gesichtspunkt, ob nicht da oder dort vielleicht doch noch ein Betrieb ist, der eine gute Ertragslage hat, die das Interesse privater Gruppen hervorruft, würden wir unter allen Umständen ablehnen.
Damit komme ich zu dem § 7. § 7 spricht davon, daß die Anteile und Beteiligungen zum Börsenkurs verkauft werden sollen. Ich habe mich gefragt, als ich den § 7 las: cul bono, wem soll das eigentlich dienen? In unserem Unterausschuß „Bundesbeteiligungen", der nun seit 11/4Jahren selig entschlafen ist und nicht mehr tagt, hatten wir es mit einigen wichtigen Fällen zu tun, in denen einige massive Interessengruppen, die eine starke Stellung an ihrem Markt hatten, versuchen wollten, ertragreiche Einzelunternehmungen möglichst unter Preis zu erwerben. Ich erinnere an die Auseinandersetzung, die wir über die „Nordchemie" gehabt haben. Es war gewiß kein Meisterstück politischer Sauberkeit, was sich da abspielte.
({17})
Nach allem, was wir auf diesem Gebiete erlebt haben, scheint es mir wichtig zu sein, daß klargelegt wird: wem dienen solche Bestimmungen? Wir jedenfalls werden an Hand der Berichte des Bundesrechnungshofs - und wir haben schon einiges darin gefunden - im einzelnen sehr genau nachprüfen, ob die Bundesregierung ihrer Verpflichtung, das Vermögen des Bundes zu erhalten, sorgsam zu verwalten und zu nutzen, in jeder Hinsicht gerecht geworden ist.
Eines hat mich dann gewundert: Sie verzichten darauf, in diesem Gesetzentwurf eine Streuung der Aktien bei den neuen Erwerbern vorzuschreiben. Bei dem Antrag betreffend das Volkswagenwerk, auf den ich noch komme, ist dieses Mäntelchen jedenfalls vorhanden. Hier kein Wort darüber. Also es ist offenbar doch zugelassen, daß größere Aktienpakete an größere Interessenten gehen. Und nun sehen Sie mal an: zum Börsenkurs!
Bei den Bundesunternehmungen, deren Aktien überhaupt einen Börsenkurs haben, ist der Anteil der Aktien, die auf dem Markt sind, verhältnismäßig klein. Außerdem wissen wir, daß Angebot und Nachfrage auf unserem nicht funktionierenden Kapitalmarkt ganz allgemein gering sind, so daß es den Interessenten durchaus möglich ist, den Aktienkurs zu manipulieren, indem nur ganz wenige Aktien aus privater Hand angekauft oder abgegeben werden. Wir haben doch an der Ruhr erleben müssen, welche Manipulationsmöglichkeiten bei der Lage unseres heutigen Kapitalmarktes vorhanden sind.
Ein Zweites. Bei normaler Börsenlage würde bei einer hohen Bundesbeteiligung oder einer beherrschenden Stellung des Bundes der Kurs der privaten Aktien natürlich gedrückt sein. Wenn nun die Veräußerung zum Kurswert dieser an der Börse gehandelten Aktien vorgeschrieben wird, dann bedeutet das, daß die Beteiligungen unter Kurs abgegeben werden müssen.
Meine Damen und Herren, ich komme zu folgendem Ergebnis. Wenn der Börsenkurs im Zeitpunkt der Veräußerung der gültige Kurs sein soll, dann gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder handelt es sich um sehr lukrative Unternehmen, an denen gewisse Spekulanten ein Interesse haben - dann wird in demselben Moment eine riesige Hausse in diesen Aktien einsetzen -, oder es sind die Unternehmungen, die kein besonderes Interesse genießen; deren Aktien werden einen gedrückten Preis haben. Das ist der Sinn und der Erfolg dieser Bestimmung: ein Befehl an die Bundesregierung, in diesen Fällen öffentliche Beteiligungen unter Preis zu verkaufen. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung würden wir nicht mitmachen können.
Gestatten Sie mir dann, zum Überprüfungsausschuß einiges zu sagen. In dem Zwiegespräch vorhin wurde die Meinung vertreten, das seien gar nicht so wichtige Bestimmungen. Vielleicht darf ich darauf hinweisen, daß in § 12 Abs. 2 gesagt wird:
Der Überprüfungsausschuß erläßt Richtlinien für Zeit, Art und Ausmaß der Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen.
Dann: er entscheidet darüber, ob die Veräußerung zu einem angemessenen Preis möglich ist; d. h. er entscheidet, ob der Preis angemessen ist. Er hat eine dritte Entscheidung zu treffen - nicht nur etwas vorzuschlagen -: ob die Fortführung im öffentlichen Interesse nötig ist. Dieser Ausschuß unterliegt nach dem Gesetzentwurf keiner parlamentarischen Kontrolle, sondern er soll nur alljährlich einen Bericht an das Parlament senden. Meine Damen und Herren, das bedeutet, daß wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen in Gremien verlagert werden, die politisch dem Parlament nicht verantwortlich sind.
({18})
Das scheint mir bei Objekten, die das Interesse von
wirtschaftlichen Gruppen so stark anziehen, eine
außerordentlich gefährliche Angelegenheit zu sein.
Völlig unmöglich ist eine Bestimmung, die ausdrücklich sagt, daß die Gesetzesbestimmungen der Länder usw., die eine Anhörung und Beteiligung der Volksvertretungen bei Veräußerungen vorschreiben, keine Anwendung finden sollen. Hier soll also sogar Landesrecht außer Kraft gesetzt werden, damit einem solchen nicht der öffentlichen
({19})
Kontrolle unterliegenden Ausschuß wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen überantwortet werden können!
Dann ein Wort zu den Regiebetrieben. Ich bin versucht, zu sagen: viel Wind und wenig Wolle! In Wirklichkeit haben die Regiebetriebe für die Wirtschaft, selbst für das betroffene Handwerk, überhaupt keine entscheidende Bedeutung mehr. Der Gesetzentwurf will zunächst einmal ausdrücklich festlegen, daß sie ausschließlich dem eigenen Bedarf - Reparaturen und Unterhaltung - dienen sollten. Nun, der Entwurf kommt etwas spät. Eis gibt z. B. im Lande Nordrhein-Westfalen Richtlinien über den Betrieb von Regiebetrieben, in denen dies ausdrücklich gesagt wird. Der Handwerkerbund von Nordrhein-Westfalen hat im Jahre 1950 eine Untersuchung veranstaltet, wie viele Regiebetriebe handwerklicher Art eigentlich vorhanden seien. Er hat festgestellt: Es gibt insgesamt in Nordrhein-Westfalen 200 000 private Handwerksbetriebe, und es gibt ganze 304 handwerkliche Regiebetriebe. In diesen 304 sind alle Theater-, alle Blindenwerkstätten und die Werkstätten in Strafanstalten enthalten. Meine Damen und Herren, man sollte das Problem der Regiebetriebe nicht in dieser Weise aufblähen. Es gehört in einen solchen Gesetzentwurf einfach nicht hinein; denn es ist längst in angemessener Weise geregelt, nämlich derart, daß Regiebetriebe allenfalls für den eigenen Betrieb und da in möglichster Beschränkung geführt werden sollen.
Schließlich erscheint es mir höchst fraglich, ob die Bestimmung des Gesetzentwurfs hinsichtlich der Gemeindebetriebe verfassungsrechtlich zulässig ) ist. Damit wird sich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu befassen haben. Aber einige Bemerkungen dazu. Nach dem Grundgesetz gehört das Recht der Wirtschaft zur konkurrierenden Gesetzgebung, d. h. daß Bundesgesetze nur erlassen werden dürfen, wenn keine wirksamen Landesgesetze vorhanden sind und Bundesrecht zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich ist.
Nun hat der Gesetzentwurf selbst mit der Fassung seines § 1, der den Gemeindeordnungen der wichtigsten Länder entnommen ist, bestätigt, daß wir hier eine gültige, völlig ausreichende und sehr vernünftige Gesetzgebung haben, so daß insoweit, glaube ich, die verfassungsrechtliche Möglichkeit für Bundesbestimmungen überhaupt verneint werden muß. Mir scheint, daß auch im engeren Kreise der Verfasser des Entwurfs dieselbe Auffassung vorhanden ist. Mir hat nämlich vorgelegen „Das Rathaus, Kommunalpolitische Blätter der FDP", und da steht - natürlich gegenüber eigenen Parteifreunden etwas vorsichtig -, daß man mit der Aufnahme der Gemeinden und Gemeindeverbände in den Gesetzentwurf hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung des Guten doch wohl etwas zuviel getan habe. Unter Brüdern kann die Kritik an solch einer Bestimmung nicht schärfer und deutlicher gefaßt sein.
({20})
- Ich stelle ja auch nur einen Tatbestand fest, Herr Atzenroth. Viel mehr wollte ich damit nicht gesagt haben.
Ich bin also der Überzeugung, daß dieser Gesetzentwurf als Gesetzentwurf zur Ordnung der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand unzulänglich ist und daß zahlreiche Bestimmungen
in ihm bedenklich sind. Wir werden alle diese
Dinge im Ausschuß im einzelnen erörtern können.
Nun hat der Kollege Elbrächter gemeint, ein Modellfall für die Privatisierung sei das Volkswagenwerk.
({21})
Meine Damen und Herren, wenn man sich den Antrag so ansieht, dann mag das hingehen. Da steht nämlich sehr vernünftigerweise: Das Volkswagenwerk soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Da steht dann, daß nur Aktien in Stücken von 100 bis 1000 DM ausgegeben werden sollen, daß bis zu 25 °/o sogar in die modernen Investmentgesellschaften kommen sollen und daß ein angemessener Teil des Stammkapitals zu vinkulierten Namensaktien gemacht werden soll. Das klingt zunächst also sehr plausibel. Und dann die Fanfare: Alles, was da rauskommt, wird zur Unterstützung von Wissenschaft und Forschung verwandt.
Nun, meine Damen und Herren, man muß sich den Modellfall einmal ansehen und prüfen, wie das eigentlich auf die Situation auf dem Automobilmarkt paßt, ob solch ein Gesetzentwurf und solche schönen Sätze bei den großen Automobilfabriken nicht geradezu wie die Faust aufs Auge passen. Ich möchte Ihnen da einige Zahlen nicht vorenthalten.
Wir haben in Deutschland vier große Automobilunternehmen, Kraftfahrzeughersteller, die allein 80 % der gesamten Kraftfahrzeugerzeugung auf sich vereinigen. Das heißt: hier beherrschen vier große Unternehmungen den Markt. Wenn ich da an das denke, was uns interessiert, nämlich den leistungsfähigen Kleinwagen für den Normalverbraucher, dann stelle ich fest, daß wir überhaupt nur zwei Unternehmungen haben, die eine Rolle spielen, nämlich das Volkswagenwerk mit 40 °/o der Gesamterzeugung an Kraftwagen und Opel mit 20 % der Erzeugung an Kraftwagen. Also, meine Damen und Herren, es handelt sich um einen Markt, auf dem private wirtschaftliche Macht eine große Rolle spielt. einen Markt, der von einigen wenigen Unternehmungen beherrscht werden kann. Neben diesen vier Unternehmen spielen die Reste, nämlich Borgward-Gruppe, Auto-Union, Porsche und BMW, die alle unter 10 % der Erzeugung haben, gar keine entscheidende Rolle.
Aber das ist nicht nur bei uns so. Es könnte ja sein, daß das nur bei uns in Deutschland so wäre. In den USA hatten wir im Jahre 1956 eine Erzeugung von 6 Millionen Personenkraftwagen. Da entfallen auf General Motors, Ford und Chrysler, drei Unternehmungen, allein 97 % der gesamten Kraftwagenerzeugung. Der Rest entfällt auf drei Gesellschaften, die nach den Fusionen und Stilllegungen der letzten Jahre noch übriggeblieben sind. Also auch hier drei große Gesellschaften, die ein entscheidendes Gewicht auf dem Markt haben und den Marktablauf bestimmen.
Und selbst in einem so liberalen und an kleinbetrieblichen Verhältnissen orientierten Land wie Frankreich hat z. B. Renault - im Staatsbesitz! - einen Anteil von 30 %, während Citroen, Simca und Peugeot je einen Anteil von 17 bis 24 % haben. Auch dort haben wir vier große Automobilunternehmungen, die 94 % der Kraftfahrzeugerzeugung bestreiten, also auch hier den Markt beherrschen. Von freiem Wettbewerb - das muß einmal festgestellt werden - ist auf diesem Markt wenig zu erkennen. Hier handelt es sich um handfeste Oligopolisten, die in großem Umfang den
({22})
Preis und das Marktgeschehen beeinflussen; solange die Marktlage es gestattet, indem sie den Preis verhältnismäßig hoch festsetzen, wie das zur Zeit bei den mittleren Gebrauchswagen geschieht, oder aber, indem sie einen ruinösen Wettbewerb auf diesem engen Markt betreiben, wie das z. B. in der letzten Zeit in den USA der Fall gewesen ist. Es ist also ein Markt, der sich sehr schlecht dazu eignet, die Aktien privaten Klein- und Mittelaktionären anzubieten.
({23})
- Die Folgerung haben die Automobilindustrie und die Aktionäre gezogen, und das werde ich Ihnen jetzt darlegen.
In den USA haben diese Verhältnisse nämlich dazu geführt, daß General Motors, das noch eine große Zahl von Aktionären hat, von Dupont beherrscht und kontrolliert wird, der als einziger Großaktionär dort tätig ist. Die Ford-Werke werden heute noch zu 80 % von der Familie Ford beherrscht. In Frankreich ist das größte Unternehmen, nämlich Renault, in staatlicher Hand und hat, wie allgemein zugegeben wird, sehr hervorragende Erfolge und eine sehr wirtschaftliche Unternehmensführung.
Bei uns in Deutschland haben wir, vom Volkswagenwerk abgesehen, das in öffentlicher Hand jedenfalls nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten recht gut gearbeitet haben muß, als Konkurrenten die Opel-Werke, die zu 100 % in amerikanischer Hand, nämlich in der von General Motors, sind und daher einen sehr starken Rückhalt in einem etwaigen scharfen Konkurrenzkampf haben. Es ist also ein ausländischer Besitzer. Auch Ford befindet sich zu 90 % in Händen der amerikanischen Muttergesellschaft. Zu den anderen Unternehmungen: bei Daimler-Benz hat Flick ein Paket von 35 %, und ein großes Paket hat die Deutsche Bank. Auch hier wird das Kapital von einigen großen, bestimmenden Aktionären beherrscht. Selbst bei Auto-Union hat Flick über die Max-Hütte ein Paket von mehr als 25 %, hat ein Schweizer Aktionär 40 % und ein anderes Bankhaus noch ein drittes Paket, so daß hier etwa 75 % von Großaktionären beherrscht werden.
Die Marktstruktur der Automobilindustrie führt also automatisch dazu, daß ihre Unternehmungen von großen Kapitalgruppen beherrscht werden. Das ist ein Tatbestand, der sich bisher jedenfalls aus der Entwicklung herausgeschält hat. Es ist ein Markt, der von einigen großen monopolistischen Gruppen beherrscht wird und bei dem die einzelnen Unternehmungen ebenfalls von mächtigen Kapitalgruppen entscheidend kontrolliert und beherrscht werden. Die Automobilindustrie ist daher kein geeigneter Platz für eine Streuung des Aktienkapitals auf zahlreiche kleinere und mittlere Aktionäre.
Das, meine Damen und Herren, scheinen die Verfasser des Gesetzentwurfs gewußt zu haben. Denn sie sehen merkwürdigerweise vor, daß über Investment-Gesellschaften nur bis zu 25 % gestreut werden soll.
({24})
- Wieso denn?
({25})
- Wir sind ja noch nicht am Ende der Entwicklung der Investment-Gesellschaften. Bis jetzt haben wir fünf oder sechs. Sie könnten ja mit der Zahl höher gehen. Wenn das an den Tatsachen scheiterte, wäre das ein anderer Fall. Sie sagen: Gesetzlich nicht mehr als 25 % - dabei haben Sie sich doch etwas gedacht -, auch wenn wir mehr Investment-Gesellschaften bekommen, als zur Zeit vorhanden sind. Sie wußten, daß hierfür der Markt zu eng ist und daß es fraglich ist, ob sich diese 25 % überhaupt über Investment-Gesellschaften ordnungsmäßig placieren lassen. Der Rest läuft nach Ihren Bestimmungen über die Börse oder vielleicht sogar unmittelbar an die großen Kapitalinteressenten.
Meine Damen und Herren, dann haben Sie eine angebliche Sicherung eingebaut. Das sind die sogenannten vinkulierten Namensaktien, d. h. also, Aktien, die nur mit Zustimmung des Vorstandes
- und vielleicht mit Zustimmung des Aufsichtsrats - verkauft werden dürfen. Wir haben in den letzten Jahren gerade mit vinkulierten Namensaktien einige Erfahrungen gesammelt, darüber, wie das ist, wenn der Vorstand darüber bestimmt, sich also aussucht, wer ihn kontrollieren darf. Darum scheint mir das eine höchst unzweckmäßige Regelung zu sein. Der Vorstand soll schließlich kontrolliert werden und soll daher nicht bestimmen, wer Aktionär wird und wer den Aufsichtsrat des Unternehmens bestellt. Und was geschähe, wenn Sie dabei den Aufsichtsrat einschalteten? Normalerweise geschieht das ja nicht. Aber vielleicht sind Sie so fortschrittlich, daß Sie sagen: „Vorstand wäre schon falsch; wir schalten den Aufsichtsrat ein." In dem Aufsichtsrat werden angesichts der Tendenz auf dem Automarkt Großaktionäre sitzen, und wenn keine Großaktionäre da sind, dann werden die kleineren und mittleren Aktionäre durch ihre Depotbanken vertreten. Das heißt, darüber, wer Aktien kaufen darf, entscheidet der Vorstand mit einigen wenigen Bankvertretern. Das scheint uns keine sehr sinnige Regelung für eine Auflockerung von Großbesitz zu sein. Die Vinkulierung der Aktien ist also eine höchst fragwürdige Methode.
In Ihrem Antrag steht weiter, das solle zur Verhinderung von Überfremdung dienen. Ich weiß nicht, ob jetzt Ihre Sorge vor ausländischen Kapitalinteressen größer ist, als es sonst im allgemeinen der Fall zu sein pflegt. Offenbar bezieht sich der Ausdruck Überfremdung auf ausländische Aktionäre; sonst würde man doch nicht von Überfremdung sprechen. Auf gut Deutsch heißt das: die Vinkulierung von Aktien ist überhaupt nicht dazu bestimmt, deutsche Großaktionäre fernzuhalten, sondern nur dazu, ausländische Aktionäre auszuschließen. Aber selbst wenn sich diese Bestimmung aufs Inland beziehen sollte, wäre sie nach der Darstellung, die ich von der soziologischen Struktur des Automobilmarktes gegeben habe, keine wirksame Bestimmung. Vinkulierte Aktien werden bei der herrschenden Verfassung des Automarkts niemals eine Beherrschung durch Großaktionäre verhindern können; aber sie sind eine durchaus beliebte Methode, um die Selbstherrlichkeit von Vorständen gegenüber den Aufsichtsorganen zu stärken und damit eine echte Kontrolle zu verhindern. Ich möchte sehr deutlich sagen: gerade beim Volkswagenwerk scheint uns das eine sehr unerwünschte Maßnahme zu sein.
Meine Damen und Herren, ich habe unter diesen Gesichtspunkten den Eindruck, daß die Bestim({26})
mungen über die Investmentstrusts und über die Größe der Aktien von 500 und 1000 DM wirklich nur ein soziales Mäntelchen sind. Ich brauche auch nur an das zu erinnern, was in der Presse über die Interessenten am Volkswagenwerk laut geworden ist. Da habe ich sehr wohl gelesen, daß sich Krupp interessiert, daß sich Röchling interessiert, daß sich Flick interessiert. Es ist eine ganze Menge von Vertretern des Großkapitals vorhanden, die sich interessiert zeigen. Und ich möchte wirklich sehen, wer dieses Rennen an der Börse gewinnt, wenn die Aktien des Volkswagenwerks wirklich dort angeboten werden sollten.
Ich möchte hier ganz eindeutig sagen: wir werden uns auch in bezug auf das Volkswagenwerk gegen jede Regelung wenden, die die unternehmenspolitischen Entscheidungen privaten Händen überantwortet und der öffentlichen Hand nicht den erforderlichen Einfluß gewährt, weil das Volkswagenwerk sonst von privaten Großaktionären beherrscht wird und weil es auf dem Markt insbesondere für leistungsfähige Kleinautomobile eine entscheidende Stellung hat.
Der Kollege Atzenroth hat sich gegen die Allmacht des Staates gewandt. Wir möchten nicht, daß so wichtige wirtschaftliche Machtpositionen aus der Macht des Staates in die Allmacht großer wirtschaftlicher Machtgruppen übergehen.
({27})
Dann ist so neckisch die Ziffer 5. Da steht, der Verkaufserlös soll einer Stiftung öffentlichen Rechts zur Förderung der Forschung, des wissenschaftlichen und technischen Nachwuchses usw. gegeben werden. Nun, meine Damen und Herren, eine etwas späte Erkenntnis! Ich habe den Eindruck, die Aktivität der Sozialdemokratie gerade auf diesem Gebiet hat Ihnen zu Gemüte geführt, daß da in der Vergangenheit etwas versäumt worden ist und daher einiges nachgeholtwerden müßte.
({28})
- Ja, Sie sind über die Politik der Sozialdemokratie und ihre Aktionen schlecht unterrichtet. Sie kennen anscheinend nur unseren letzten Kongreß von Düsseldorf. Wir haben auf diesem Gebiete einige Zeit früher einiges getan, einiges gesagt und einiges verlangt. Das sollten Sie wenigstens in einer solchen Diskussion honorieren.
Aber dann hat mich aus der mündlichen Begründung doch einiges interessiert. Die Mittel, die da in Frage kämen, sind für den Straßenbau zu ,gering; das hat keinen Zweck. Für den Wohnungsbau ist es auch zu wenig. Für Wissenschaft und Forschung und Bildung und Ausbildung scheint das genug zu sein. Meine Damen und Herren, so sollte man die Dinge nicht begründen. Bestimmungen, die rein propagandistisch zu verstehen sind, sollte man in einem solchen Antrag nicht aufnehmen. Sie können doch die Tatsache, daß die Unterstützung von Forschung und Wissenschaft und technischer Weiterbildung in Deutschland, wie Ihnen die gesamte Wissenschaft heute einstimmig bezeugt, stark von der öffentlichen Hand vernachlässigt worden ist, nicht dadurch aus dem Wege zu räumen versuchen, daß Sie eine solche in Wirklichkeit lächerliche Bestimmung in einen solchen Antrag aufnehmen.
({29})
Ich frage mich, was Sie mit diesem Antrage beabsichtigt haben. Vorhin hat Kollege Elbrächter bereits des näheren ausgeführt, Sie rechneten damit, daß die Durchführung Ihres Anliegens langsam geschehen würde; man solle das also keinesfalls überstürzen, und es solle im Grunde genommen nur ein Druck auf die Regierung ,ausgeübt werden. Ich habe mir daraufhin einmal angesehen, wer unter dem Antrag stand, und gemeint, da ständen Vertreter der Opposition, die die Aufgabe hat, einen Druck auf die Regierung auszuüben. Da standen aber haargenau die Vertreter der Koalitionsparteien,
({30})
die dieses Mittel des Drucks auf die Regierung eigentlich nicht nötig haben sollten.
({31})
- Na, wenn das kein Argument ist, Herr Hellwig, dann möchte ich wissen - ({32})
- Darüber können wir uns vielleicht demnächst in der Praxis unterhalten.
({33})
Wir haben uns in diesem Hause mit Ihrer Zustimmung häufig darüber unterhalten können, für wie unverbindlich die Bundesregierung solche Entschließungsanträge dieses Hauses hält; ich erinnere an die über die Zonenrandgebiete und ähnliche Entschließungen. Auf die Methode, solch nichtssagende Anträge zu stellen, sollte die Regierungskoalition verzichten.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß der Volkswagensparerprozeß noch in der Revisionsinstanz schwebt. Sie wissen, daß die Bundesregierung in Antworten auf Kleine Anfragen und an anderer Stelle darauf hingewiesen hat - ich glaube, mit Recht -, daß im Hinblick auf dieses Risiko heute keine Verteilung der Aktien an private Aktionäre erfolgen könne. Warum dann dieser Antrag?
Und eine weitere Frage. Der Bundesfinanzminister ist im August 1953 - ,das war allerdings unmittelbar vor den Wahlen des Jahres 1953 - persönlich nach Wolfsburg gereist und hat vor 20 000 Belegschaftsmitgliedern die Erklärung abgegeben, die Bundesregierung werde keinesfalls einen Gesetzentwurf zur Privatisierung des Volkswagenwerks einbringen. Ich bin gespannt, welche Auffassung der Herr Bundesfinanzminister heute hier vertritt. Ich will nicht hoffen, daß er diese Äußerung so auslegt, daß die Bundesregierung zwar einen Gesetzentwurf nicht einbringen werde, daß es aber den Koalitionsparteien, die ihr nicht ganz fremd sind, überlassen bleibe, solche Anträge zu stellen.
({34})
Ich glaube, das wäre keine recht angemessene demokratische Methode. - Herr Kollege Kunze, Sie
zucken die Achseln. Sie müssen sich mit Ihrem
({35})
Bundesfinanzminister und Ihrer Bundesregierung auseinandersetzen. Mir wird es wohl erlaubt sein, auf solche eindeutige Feststellungen des Bundesfinanzministers zurückzugreifen.
({36})
Eine weitere Frage. Wir wissen, daß auf dem Gebiete der Automobilfabrikation die Frage einer stärkeren Automatisierung von entscheidender Bedeutung ist. Das Gespräch über die Folgen der Automatisierung ist in Amerika zunächst in der Automobilindustrie geführt worden. Es hat da sehr ernsthafte Verhandlungen zwischen Industrie und Automobilarbeitergewerkschaft gegeben. Wir wissen auch, daß der erste Streik aus Anlaß der Automatisierung in Europa in einem Autowerk in Coventry entstanden ist. Wäre es nicht vielleicht doch der Mühe wert, zu überlegen, ob man nicht auch aus diesem Grunde das Volkswagenwerk in öffentlicher Hand behalten sollte, um hier einmal Erfahrungen zu sammeln und konstruktive Lösungen für die Automatisierung zu schaffen, die vorbildlich und sozial tragbar sind? Ich glaube, auch unter diesem Gesichtspunkt sollten Sie nicht so leichtherzig darangehen, das Vermögen des Volkswagenwerks in private Hand zu geben.
({37})
- Herr Kollege Hellwig, Sie dürfen nicht danebenfragen. Ich habe etwas ganz anderes behandelt, nämlich die Frage, ob nicht der Bund hier Erfahrungen sammeln und fortschrittlich und vorbildlich zeigen sollte, wie man moderne Unternehmungen automatisiert.
({38})
Im Volkswagenwerk ebenso wie in den Renault-Werken werden Sie von einer übermäßigen Bürokratisierung Gatt sei Dank nichts gemerkt haben. Wenn wir zusammen an einem Strang ziehen und dafür sorgen, daß auch in öffentlichen Unternehmungen nicht nach bürokratischen, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten gearbeitet wird, können wir sehr gut zusammenarbeiten.
({39})
Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich auch folgendes sagen. In dem Volkswagenwerk sind seit der Währungsreform 700 Millionen Deutsche Mark investiert worden. Das ist nahezu eine Dreiviertelmilliarde
({40})
- darauf komme ich jetzt, Herr Kollege Atzenroth -, und zwar sind es 1955 125 Millionen DM gewesen und 1956 rund 200 Millionen DM bei einem Kapital von 60 Millionen DM, und das ohne entscheidenden Anteil von Fremdkrediten. In den Berichten heißt es so schön: „aus eigener Kraft".
Meine Damen und Herren, was heißt das? Das heißt doch, daß dieses Kapital über einen verhältnismäßig hohen Preis von den Verbrauchern dieser Wagen aufgebracht worden ist.
({41})
- Herr Kollege, ist Ihnen das so neu, daß wir das dauernd feststellen? Wer tritt denn eigentlich
gegen das Übermaß von Selbstfinanzierung auf, das in der gesamten Wirtschaft - privater und öffentlicher - heute üblich ist? Das sind w i r doch! Sie tun es immer nur, wenn es bei öffentlichen Unternehmen der Fall war; aber wenn derselbe Fall bei privaten Unternehmungen festzustellen ist, decken Sie darüber den Mantel der Nächstenliebe. Der Unterschied zwischen uns und Ihnen ist nur, daß wir die Dinge sehr deutlich und offen objektiv ansprechen.
({42})
Wenn auf diese Weise ein Unternehmen, das unter der Kontrolle des Bundes geführt worden ist, nicht durch die Aktionäre und nicht durch irgendwie festzustellende einzelne Kapitalgeber, sondern über den hohen Preis, der sich letzten Endes beim Letztverbraucher niedergeschlagen hat, solche hohen Werte angesammelt hat, dann scheint es mir nicht zweckmäßig zu sein, das Kapital dieser Gesellschaft an eine begrenzte Zahl von Aktionären, die an diesem Unternehmen ein Interesse haben, auszuschütten.
({43})
- Herr Kollege Hellwig, natürlich wollen Sie über die Börse verkaufen - ({44})
- Meine Damen und Herren, ich will auf den Zuruf gern eingehen. Herr Hellwig hat soeben auf einen sehr bemerkenswerten Satz in dem Antrag hingewiesen, nämlich daß das Volkswagenwerk „ganz oder teilweise" in private Hand übergeführt werden sollte. Offenbar sind sich die Antragsteller nicht ganz darüber klar, was sie eigentlich beantragen wollen, ob ganz oder teilweise! Dann frage ich mich, warum Sie, wenn Sie sich zwar über den propagandistischen Zweck eines solchen Antrags, aber nicht über den materiellen Sinn dessen, was Sie wollen, einig sind, dann einen solchen Antrag stellen.
({45})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie ein wichtiges Anliegen haben, das Sie dringendst zu erledigen wünschen, dann pflegen Sie normalerweise einen Initiativgesetzentwurf der Koalitionsparteien einzubringen. Da Ihnen die Ministerialbürokratie
- und dagegen erhebe ich keinen Einwand - dafür in größtem Umfange zur Verfügung steht, können Sie das auch leichter als unsere Fraktion. Wenn Sie ernsthafte, dringende Wünsche auf diesem Gebiet haben, dann steht Ihnen, den Koalitionsparteien, das Mittel des Initiativgesetzentwurfs durchaus zur Verfügung. Da Sie hiervon keinen Gebrauch machen, müssen wir zu dem Ergebnis kommen, daß Sie sich nicht ganz einig darüber sind, was Sie mit diesem Antrag wollen, und vielleicht der Auffassung sind, daß eine eindeutige Festlegung in dem Gesetzentwurf allzu klar zum Ausdruck bringen würde, wohin ein solcher Gesetzentwurf in der Praxis, in der Automobilindustrie, führen muß.
({46})
({47})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Es scheint mir nicht die Aufgabe der Bundesregierung zu sein, eine mehr oder minder große Anzahl von Interessenten mit mehr oder minder großen Aktienpaketen von wichtigen Teilen des Bundesvermögens zu bedenken, sondern die Aufgabe der Bundesregierung auf dem Gebiete des Verkehrs ist, einmal dafür zu sorgen, daß der Straßenbau vorwärtskommt, und es dann zu ermöglichen, daß im Wege vorbildlicher Preisbildung auch jeder Angestellte und Arbeiter mit niedrigem Einkommen in der Lage ist, einen leistungsfähigen und billigen Kleinwagen zu kaufen. Nicht der Ausverkauf an private Interessenten, sondern die Lieferung eines billigen Volkswagens auch an Bezieher von kleinen Einkommen sollte die Aufgabe der öffentlichen Hand auf dem Gebiet der Automobilwirtschaft sein.
({48})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es, Herr Kollege Dr. Deist, nicht gerade sehr passend, wenn Sie bei einer Angelegenheit von so hohem Rang, wie diese es unbestreitbar ist, mit Unterstellungen arbeiten, wenn Sie der Gegenseite dauernd etwas unterstellen, was Sie ihr gern unterschieben möchten, und dabei nicht den geringsten Versuch machen, zumindest auch einmal bei der Gegenseite vorauszusetzen, daß es auch ihr um ein ehrliches und aufrichtiges Anliegen geht.
(Beifall bei der CDU/CSU. - Zurufe
von der SPD.
Ich möchte Ihnen mal das eine sagen, um das hier von vornherein zu erhärten: Wenn uns im Haushaltsausschuß einmal ein Antrag auf Veräußerung des Bundesvermögens vorgelegen hätte, hätten wir dann nicht - das werden Sie, Herr Dr. Deist, nicht bestreiten können - die Möglichkeit gehabt, so zu verfahren, wie Sie uns unterstellt haben? Daß wir die Mehrheit dafür gehabt hätten, können Sie nie bestreiten. Wenn wir also nicht so verfahren sind und wenn ich an einer ganzen Reihe von Beispielen nachweisen kann, daß wir niemals Bundesvermögen verschleudert haben, und es auch in Zukunft nicht zu tun gedenken, dann fordere ich zumindest von Ihnen eins: daß Sie uns die gleichen Motive unterstellen, die wir bis zum Beweis des Gegenteils auch Ihnen unterstellen.
({0})
Ich möchte hier mit aller Offenheit einmal folgendes sagen. Von Ihrer Seite aus ist z. B. in Düsseldorf in besonders markanter Form herausgestellt worden, daß Sie einen Plan zur Förderung des Nachwuchses in Wissenschaft und Forschung ausarbeiten wollten. Gut, eine große Sache, ein gemeinsames Anliegen für uns alle. Sie haben damals selbst in Düsseldorf erklärt - ich habe das sehr aufmerksam verfolgt, und ich finde das sehr vernünftig, was Sie da gesagt haben -, daß das nicht die Angelegenheit einer Partei allein sein sollte. Aber bitte, dann halten Sie sich auch daran, wenn Sie das sagen! Dann dürfen Sie aber auch von uns erwarten, daß wir entsprechende Anstrengungen unternehmen und uns den Kopf zerbrechen, wie auch wir hier zu einem solchen Ziel kommen können.
({1})
Ich möchte einmal, um auf die Praxis einzugehen, folgendes sagen. Sie haben damals mit uns zusammen bei der ersten Angelegenheit, in der Bundesvermögen überhaupt zur Veräußerung stand - es war das Ufa-Vermögen -, für die Reprivatisierung gearbeitet. Sie wissen, was dann geschah. Man hat von den verschiedensten Seiten aus versucht, den Preis in einer meinem Dafürhalten nach üblen Weise zu drücken. Man hat sich schließlich von seiten des Bundes dazu entschlossen, den größten Teil der Ufa zwei Gesellschaften zu geben und unter bevorzugten Bedingungen zu veräußern, weil man auf dem Standpunkt stand - und Sie waren unserer Ansicht -, daß man vom handwerklichen Betrieb innerhalb der Filmwirtschaft zu großen, rentablen Betrieben kommen sollte. Wir werden sehen, ob das auch gelingt! Jedenfalls haben wir gemeinsam diesen Versuch gemacht.
Sie kennen ein zweites Beispiel. Es betrifft die Veräußerung der Howaldtswerke. Auch hier wissen Sie sehr genau, daß ein Preis angeboten worden ist, den wir als unzureichend zurückgewiesen haben. Wir sind also nicht bereit gewesen, einen zu geringen Preis zu akzeptieren. Wir haben also unter Beweis gestellt, daß wir an eine Verschleuderung des Bundesvermögens nicht denken, und wir werden auch in Zukunft nicht anders handeln. Bei der Veräußerung von Rheinmetall-Borsig ist überdies ein Preis erzielt worden, der durchaus angemessen ist. Das Ganze ist für uns, ich möchte es einmal sagen, eine pragmatische Frage. Ihren Darlegungen durfte ich zuerst entnehmen, auch für Sie wäre es eine pragmatische Frage. Aber nein, das ist sie eben nicht für Sie; denn was Sie am Schluß dann gesagt haben, war genau das Gegenteil von dem, was Sie am Anfang sagten.
({2})
Bitte prüfen Sie Ihren eigenen Text. Sie werden
dann feststellen müssen, daß Sie am Anfang so
formuliert und die Generalklausel erwähnt haben,
({3})
auf die wir uns im übrigen durchaus einigen könnten. Aber bitte: Was Sie am Schluß sagten, ist doch nichts weiter als eine durch nichts bewiesene Verdächtigung unseres Antrags!
({4})
Nun lassen Sie uns einmal auf den Antrag etwas näher eingehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte schön!
Bitte, Herr Abgeordneter Deist.
Herr Kollege Vogel, würden Sie kurz erläutern, worin Sie die Verdächtigung gesehen haben, die ich ausgesprochen haben soll?
Sie haben doch hier diesen Antrag mit Adjektiven bedacht, die in den ganzen Rahmen überhaupt nicht hineinpassen.
({0})
({1})
- Sie haben uns, obwohl der Antrag vom 5. Juli 1956 datiert ist, unterstellt, daß das ein Propagandaantrag wäre, wie es überhaupt eine beliebte Methode ist, alles, was von unserer Seite kommt, jetzt als Propaganda abzutun. So können wir doch nicht miteinander arbeiten!
({2})
- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Schoettle: Sie haben hier einen Antrag vom 5. Juli vorliegen. Sie können sich doch wirklich vorstellen, daß es eine ganze Weile dauert, bis Sie überhaupt eine große Anzahl von Kollegen zusammenbekommen und sich dann gemeinsam schlüssig werden, wie Sie einen solchen Antrag formulieren wollen. Das können Sie doch nicht an einem Tag vornehmen, sondern Sie überlegen es sich. Sie können auch nicht bestreiten - Sie haben es zum Glück auch nicht bestritten -, daß im Grunde genommen gegen die einzelnen Bestimmungen nichts zu sagen wäre. Sie haben dann aber plötzlich die Gesamttendenz umgedreht und haben daraus Folgerungen gezogen, die Sie einfach nicht verantworten können.
Nun lassen Sie uns doch einmal ganz nüchtern folgendes prüfen. Sie haben uns hier vor allen Dingen unterstellt - das haben Sie, Herr Kollege Deist, bewußt getan -, daß wir mit diesem Antrag nach außen hin - Sie sprachen sogar von Mäntelchen; ich weiß nicht, was das zu bedeuten haben soll
({3})
- „propagandistisches Mäntelchen", höre ich soeben -, Sie haben uns unterstellt, daß wir mit diesem Antrag nichts weiter wollten, als eine Form zu finden, die es uns gestatte, das Volkswagenwerk hintenherum in irgendeiner Weise zu verscheuern. Diese Unterstellung ist hier gemacht worden. Ich bitte darum, doch hier die Ernsthaftigkeit unseres Bemühens - Sie haben es selber am Anfang anerkennen müssen, daß hier alles getan worden ist, was überhaupt nach dem deutschen Aktienrecht getan werden kann, um das zu verhindern - wirklich nicht mehr zu negieren.
Ich darf nun auf die einzelnen Punkte etwas näher eingehen. Es ist unbestreitbar - und, Herr Kollege Deist, darauf sind Sie leider mit keinem Wort eingegangen -, daß das Volkswagenwerk in Form einer GmbH mit einem Kapital von 60 Millionen DM auf die Dauer gar nicht weiterarbeiten kann. Wir sind uns völlig darüber einig, daß hier ein neuer Weg gefunden werden muß. Welcher Weg bietet sich hier an? Das Volkswagenwerk könnte sein GmbH-Kapital aufstocken, d. h. es müßte Bundesmittel aus dem Bundeshaushalt für eine sehr gewaltige Aufstockung in Anspruch nehmen. Wir sind uns wohl auch darüber einig, daß es sich angesichts des Kapitalbedarfs des Volkswagenwerks um Summen handeln würde, die vielleicht zwischen 300, 400, sogar 500 oder 600 Millionen DM liegen müßten. Das würde also bedeuten, daß wir zu diesem Zweck den Bundeshaushalt mit einer Summe von, sagen wir einmal, mindestens 300 oder 400 Millionen DM zusätzlich voll in Anspruch nehmen müßten. Wir fragen uns umgekehrt - und Sie müssen uns schon zugute halten, daß wir wirtschaftspolitisch eine andere Ansicht vertreten als Sie -, ob denn das der richtige Weg
wäre, eine solche Kapitalaufstockung aus Steuergeldern vorzunehmen.
({4})
- Bitte, es ist einer der möglichen Wege, und wir fragen uns, ob wir nicht einen anderen Weg gehen können, der das gleiche Ziel erreicht und der dem Volkswagenwerk und seiner weiteren Ausdehnung dient, durch den aber auf der anderen Seite nicht erneut Steuergelder herangezogen werden. Wir haben uns bemüht, einen Vorschlag auszuarbeiten, der diesem Ziel näher kommt und von dem Sie selbst zugeben, daß er nach menschlichem Ermessen bei vernünftiger Anwendung zu diesem Ziel führen könnte.
Ich muß noch eins sagen. Wenn hier tatsächlich ein solches Gesetz geschaffen werden würde - wir hoffen, daß es zustande kommt -, was würde dann geschehen? Zunächst ist doch der Bund einmal derjenige, der die Vergabe der Aktien zu kontrollieren hat. Wir haben vorhin - Sie haben uns da wieder etwas unterstellt - absichtlich gesagt: ganz oder teilweise. Ich bitte Sie wirklich, uns das abzunehmen, was Kollege Elbrächter vorhin sagte: daß dieses Gesetz dazu dienen solle, einen Anstoß zur Erörterung dieser Frage zu geben. Wir könnten uns natürlich viel präziser ausdrücken; das wäre durchaus denkbar. Aber wir haben absichtlich bestimmte Alternativen offengelassen, weil wir glauben, daß eine so eminent wichtige Frage in den Ausschüssen reiflich überlegt und nach allen Richtungen durchleuchtet werden sollte, damit man nachher zu einem vernünftigen Entschluß kommen kann. Wenn wir also gesagt haben: ganz oder teilweise, so gehen wir davon aus, daß es zunächst einmal der Bund ist, der die Prozedur einer Vergabe der Aktien zu bestimmen hat. Er hat es also in seiner Hand, hier etwas Vernünftiges zu tun.
Sie haben darauf angespielt, daß die Investmentgesellschaften hier nicht hinreichend bedacht sind. Wir sind sofort bereit, die Investmentgesellschaften
- falls sie dazu in der Lage sind - auch höher zu dotieren. Das ist eine reine Ermessensfrage. Bis jetzt haben wir uns jedenfalls meistens den Vorwurf anhören müssen, die Investmentgesellschaften in der jetzt bestehenden Form seien kapitalmäßig gar nicht in der Lage, hier über 25 % aufzunehmen. Gut, wenn mehr Investmentgesellschaften in Erscheinung treten sollten, sind wir gern bereit, 30, 40 und mehr Prozent hineinzutun. Warum auch nicht? Worauf es uns ankommt, ist, zu verhindern, daß hier tatsächlich Großaktionäre neu in Erscheinung treten. Wir glauben aber, nach menschlichem Ermessen alles getan zu haben, um ein solches Vorhaben zu verhindern. Sie wissen, das gleiche Ziel hatten wir damals bei der Reprivatisierung des Ufa-Vermögens im Auge.
Unter Nr. 4 ist dann weiter gesagt, daß ein entsprechender Teil des Stammkapitals zur Vermeidung von Überfremdung als vinkulierte Namensaktien geschaffen wird. Auch wir sind uns natürlich der Gefahren bewußt, die immer mit Aktien, auch mit vinkulierten Namensaktien verbunden sind. Aber das deutsche Aktienrecht hat zunächst noch keine andere Möglichkeit als diese Form gefunden, und sie hat sich in einer ganzen Reihe von Fällen als überaus brauchbar erwiesen.
Nun lassen Sie mich aber doch einmal vom Standpunkt der Vernunft aus untersuchen, warum
({5})
wir zu diesem Antrag gekommen sind und welcher Weg voraussichtlich gegangen werden könnte. Der Bund ist also gezwungen - und davon gehe ich aus -, hier neues Kapital zu suchen. Wenn er auf dem normalen Weg auf den Kapitalmarkt in Form einer Aktiengesellschaft gehen würde, bestünden sicherlich solche Gefahren, wie Sie sie vorhin unterstellt haben. Aber wir gehen eben einen ganz besonderen Weg, und wir glauben, daß auf diesem Wege die Gefahren ausgeschaltet werden können. Wir glauben nämlich, daß auf diesem Wege auch völlig neue Käuferschichten herangeführt werden können.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch etwas aussprechen. Wir haben von seiten der CDU/ CSU eine Reihe von Vorstößen unternommen, und Freunde von mir - ich nenne nur meine Freunde Arndgen und Häussler - haben auch bestimmte Pläne entworfen, um in irgendeiner Form dem Ziel näher zu kommen, an dem wir unbeirrbar festhalten: auch die Arbeiterschaft zu Eigentum zu bringen und durch eine weite Streuung des Eigentums auch den Arbeiter an den Fortschritten und an den Gewinnen der Unternehmungen mit zu beteiligen.
({6})
Wir werden an diesem Ziel festhalten. Wir glauben, daß auch im Rahmen des Volkswagenwerkes durchaus eine Möglichkeit für eine solche Partnerschaft besteht. Warum wollen Sie dann diesen Gedanken völlig ausschalten? Er ist auch in diesem Entwurf drin, und wir haben ihn dabei keineswegs aus dem Auge verloren.
Sie haben in einem geschichtlichen Rückblick die Entwicklung des öffentlichen Eigentums in Deutschland beleuchtet. Ich gebe Ihnen in manchen Dingen völlig recht. Die öffentliche Hand hat da und dort eingegriffen, und wir stehen absolut dazu, daß sie das auch in Zukunft da und dort und in dieser Form tut. Warum sollte sie es auch nicht machen? Wenn ich Ihnen meinen ganz persönlichen Standpunkt sagen darf: Nach der Diskussion der letzten Zeit wäre ich durchaus bereit, darüber zu sprechen, daß zumindest eine Sperrminorität von 26 % in der Hand des Bundes verbleibt, so daß er dann als der größte Aktionär auch einen Anteil hätte, der ihm praktisch die Fortdauer seines jetzigen Einflusses gewährleisten würde.
Alle diese Dinge sind drin; aber wir müssen darüber miteinander sprechen. Ich hoffe sehr, Sie werden sich der Aufgabe nicht verweigern, daß wir in einer vernünftigen Form darüber sprechen, wie hier die Dinge zu steuern sind.
In einem sind wir uns, glaube ich, völlig einig. Sie haben vorhin mit Recht auf den § 7 des Gesetzentwurfs, den Herr Kollege Atzenroth begründet und eingebracht hat, hingewiesen. Wir sind uns der Gefahrenlage dieses § 7 genauso bewußt und wir lehnen ihn genauso ab, wie Sie ihn ablehnen. Wir haben nicht die Absicht, hier in irgendeiner Form irgendeiner Interessentengruppe etwas zuzuschanzen, und wir haben das, glaube ich, auch hinreichend unter Beweis gestellt.
Aber lassen Sie mich nun noch etwas zu den Argumenten sagen, die Sie hinsichtlich der beherrschenden Stellung einzelner Firmen auf dem Automobilmarkt vorgetragen haben. Es würde nicht sehr schwerfallen, mit den gleichen Argumenten, mit denen Sie die Unmöglichkeit unseres
Gesetzentwurfs beweisen wollen, auch Ihnen genau das Gegenteil nachzuweisen.
({7})
Aber ich möchte das hier nicht verbreitern, denn ich glaube, dieses Hohe Haus hat heute schon lange genug darüber diskutiert. Ich hoffe, daß wir uns im Ausschuß treffen werden. Dann werde ich Ihnen auseinandersetzen, warum mit den gleichen Argumenten bewiesen werden kann, daß eben hier eine Monopolstellung geschaffen worden ist - und zwar eine einzigartige Monopolstellung - und daß auf der anderen Seite durchaus zu erwägen wäre, ob hier nicht eben der bisherige rechtlich unerfreuliche Zustand in einen besseren umgewandelt werden könnte.
Sie sind, glaube ich, mit uns darin einig, daß Sie sagen: Wir brauchen eine gesetzliche Neuordnung des Bundesvermögens überhaupt. Wir gehen darin völlig konform. Dieser Gesetzentwurf hierzu, den die Regierung beizeiten einbringen sollte, wäre in der Tat der erste Testfall, daß so etwas in einem großen Einzelfall möglich und daß es durchgeführt werden kann.
({8})
- Warum sollen wir es denn nicht an einem solchen großen Objekt zuerst versuchen, Herr Kollege Atzenroth?
({9})
Der große Nachteil Ihres Entwurfs ist leider der,
daß Sie auf das Ganze gehen wollen, wo man im
Augenblick wirklich nicht aufs Ganze gehen kann.
Ich glaube, wir könnten uns mindestens einige Stunden lang darüber streiten, Herr Dr. Deist, ob der Preis des Volkswagens, sagen wir einmal, wirklich ein marktkonformer Preis ist und ob nicht nur mit Hilfe einer einzigartigen Monopolstellung derartige Investitionen möglich waren. Aber ob der Volkswagen heute nicht wesentlich billiger sein könnte, wollen wir dann lieber im Ausschuß weiter erörtern. Ich glaube, Sie sind auch in dieser Beziehung ganz anderer Ansicht. Wir sind jetzt vielleicht aus jener Epoche heraus, in der Gewinne in der Autoindustrie erzielt worden sind, die wohl in der Wirtschaftsgeschichte ziemlich einzigartig dastehen. Aber je schärfer jetzt eben auch der internationale Konkurrenzkampf wird, desto mehr, glaube ich, wird auch das Volkswagenwerk danach trachten müssen, seine Kapitalbasis in eine vernünftige Ordnung zu bringen, und dazu wollen wir ihm jetzt verhelfen.
Es hat keinen Zweck, daß wir uns hier noch länger und ausführlicher über Einzelheiten unterhalten. Ich finde es sehr vernünftig, daß Sie dafür sind, in erster Linie diesen Antrag „Privatisierung des Volkswagenwerks" dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Mit Hilfe des Haushaltsausschusses haben wir die Möglichkeit, den Unterausschuß „Bundesvermögensbeteiligung" mit diesem Projekt zu befassen. Dort werden wir die Dinge gemeinsam miteinander klären können, und Sie dürfen vergewissert sein, daß es unser Ziel ist, hier zu versuchen, an einem Probefall zu ergründen, ob nicht auch die Arbeiterschaft mit an den Erfolgen eines solchen Werkes beteiligt werden kann, ob nicht auch weiter neue Käuferschichten in einem großen Ausmaß erschlossen werden können, und schließlich, ob nicht die hier zur Verfügung stehen({10})
den gewaltigen Summen darüber hinaus dem gemeinsamen Anliegen der Förderung der Wissenschaft und ihres Nachwuchses und der Förderung von Anstalten, Fachschulen und Berufsschulen dienen können. Ich glaube, daß wir gemeinschaftlich die Aufgabe haben, danach zu trachten, auch außerhalb des Bundeshaushalts Mittel zu finden, um die Finanzierung dieser Zwecke zu ermöglichen. Wir bitten Sie aber dringend darum, dieses gemeinsame Anliegen nicht durch falsche Unterstellungen zu gefährden.
({11})
!
Meine Damen und Herren, wir wollen heute aus verschiedenen Gründen, die ich hier nicht zu erörtern brauche, um 19.30 Uhr schließen. Ich darf die Herren Redner bitten, darauf Rücksicht zu nehmen, damit wir wenigstens diesen Punkt heute noch erledigen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der FDP strebt eine Regelung an, die dem Bund, den Ländern und den Gemeinden grundsätzlich die eigene Betätigung in der Wirtschaft, von Ausnahmen abgesehen, untersagt. Auch der Gesamtdeutsche Block/BHE verfolgt mit Besorgnis die steigende Allmacht des Staates in der Wirtschaft und bekennt sich zu dem Grundsatz, daß das private Unternehmertum nicht nur beiaht, sondern gegen die immer stärker werdende Wirtschaftshand des Staates geschützt werden soll. Das Anliegen des Antragstellers geht jedoch weit über dieses Ziel hinaus und verkennt die wirtschaftspolitischen Gegebenheiten des Tages und die rechtlichen Grenzen, die dem Bund gegenüber den Ländern und Gemeinden durch Verfassung und Gesetz gezogen sind.
Zunächst einmal fällt auf, daß dieser Gesetzentwurf erst am 26. September vorigen Jahres eingebracht wurde, zu einer Zeit also, die nicht mehr erhoffen ließ, daß der mit dem Gesetz verfolgte Zweck noch gesetzgeberisch gefördert werden kann. Es besteht wohl Einmütigkeit darüber, daß dieser Entwurf keine wirkliche Chance hat, in den uns für die Gesetzesarbeit noch verbleibenden fünf bis sechs Monaten einer Lösung oder auch nur einer Entscheidung zugeführt zu werden. So wird dieser Gesetzentwurf nicht nur in der Ausschußschublade verschwinden, sondern am Ende zu dem Haufen gelegt werden müssen, der den Vermerk „Wahlanträge" trägt.
In seinem materiellen Inhalt ist der Entwurf zu unvollständig und zu unfertig, um dieses umfangreiche und so schwierig gewordene Wirtschaftsproblem einer gesunden Lösung zuzuführen.
({0})
Er schafft in den Auflagen an den Bundestag und an die Ländervertretungen hinsichtlich der Prüfung der Voraussetzungen für die wirtschaftlichen Unternehmen der öffentlichen Hand und in der Auflage an den Überprüfungsausschuß für die Überwachung der Veräußerung nicht nur erheblich störende Einwirkungen in die Exekutive, sondern er übersieht auch die Grenzen, die diesem Vorhaben formal haushaltsrechtlich, verwaltungsrechtlich, ja sogar verfassungsrechtlich gesetzt sind.
Von der Privatisierung der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand sollen nur die Bundesbahn, die Bundespost, die öffentlich-rechtlichen Banken, die Kreditinstitute, die Land- und Forstwirtschaft und die Arbeiten in den Strafanstalten ausgenommen sein. Dagegen sollen die Versorgungsbetriebe der Gemeinden für Gas, Wasser, Strom und Verkehr in die Privatisierung hineingenommen werden. Wer solches vorhat, übersieht nicht nur den kommunalgeschichtlichen Werdegang dieser Gemeindebetriebe in den letzten Jahrzehnten, ihren oft aus dem Nichts heraus mit vielen wirtschaftlichen Opfern und Schwierigkeiten geschaffenen heutigen Wirtschaftsstand, sondern gefährdet dadurch auch eine bisher gesicherte und sozial fundierte Versorgung der Bürger.
Der Entwurf läßt nicht erkennen, wie der Ankauf der zu privatisierenden Betriebe durch die ausländische öffentliche Hand verhindert werden soll. Es wäre ja nichts damit erreicht, daß wir die deutsche öffentliche Hand in der Wirtschaft ausschalten und der öffentlichen Hand des Auslandes dadurch neue Wege eröffnen. Bei dem zur Zeit herrschenden Kapitalmangel ist auch eine Überfremdung der zu privatisierenden Wirtschaft durch Auslandskapital zu befürchten. Der deutsche Kapitalmarkt ist nicht in der Lage, die Milliardensummen aufzubringen, die notwendig wären, um eine durchgreifende Privatisierung durchzuführen. Jede weitere Belastung des Kapitalmarkts ist deshalb unerwünscht. Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat erst vor wenigen Wochen an dieser Stelle ein Klagelied davon gesungen, daß er auf dem Kapitalmarkt kein Geld für den sozialen Wohnungsbau finden kann. Hier haben alle eine gute Chance, ihr Geld für einen guten Zweck anzulegen. Jede Mark, die dem Kapitalmarkt aber durch andere Belastungen entzogen wird, geht dem sozialen Wohnungsbau verloren.
Es ist nicht zu verstehen, warum der Antragsteller, wenn er so grundsätzlich gegen die Betätigung der öffentlichen Hand in der Wirtschaft vorgeht, gegenüber der Bundesbahn, Bundespost, den Bank- und Kreditinstituten, der Land- und Forstwirtschaft und für die Arbeiten in den Strafanstalten Ausnahmen zulassen will. Gerade gegenüber der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand in den Strafanstalten sind immer wieder aus Kreisen der gewerblichen Wirtschaft verständliche Klagen vorgebracht worden. Warum will man hier nicht das gleiche anstreben? Bei der Bundesbahn und der Bundespost scheint man wohl das finanzielle Risiko zu scheuen, das diese beiden Unternehmen in sich tragen. Es kann aber nicht gutgeheißen werden, daß bei einer so grundsätzlichen Einstellung gegen die Betätigung der öffentlichen Hand nur dort privatisiert werden soll, wo es sich für den Erwerber rentiert, während Zuschußbetriebe der öffentlichen Hand und damit dem Steuerzahler gern überlassen bleiben.
Neben der Verkennung der zur Zeit gegebenen wirtschaftspolitischen Möglichkeiten sprechen auch eine ganze Reihe von rechtlichen Bedenken gegen diesen Entwurf. Die Bestimmungen des Bundes, der Länder und Gemeinden, nach denen der Verkauf von Vermögen der öffentlichen Hand der Zustimmung der Volksvertretung bedarf, sollen nach § 10 auf Veräußerungen nach diesem Gesetz keine Anwendung finden. Das verstößt gegen Art. 109 des Grundgesetzes, der eine getrennte Etat- und Haushaltsführung von Bund und Ländern festlegt.
({1})
Der Überprüfungsausschuß soll nach § 12 Richtlinien für Zeit, Art und Ausmaß der Veräußerung von Unternehmen und Beteiligungen mit verbindlicher Wirkung für Regierungen und Verwaltungen erlassen und ihre Durchführung überwachen können. Das würde bedeuten, daß ein Ausschuß, der sich aus Mitgliedern des Bundestages, der Bundesregierung, des Bundesrats und der Bundesnotenbank zusammensetzt, auch gegenüber den Ländern und ihren parlamentarischen Vertretungen Weisungsbefugnisse erhält. Von den Gemeinden ist hier überhaupt nicht mehr die Rede. Das würde einen außerordentlichen Eingriff in die Eigenständigkeit der Länder und Gemeinden bedeuten und erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken auslösen.
Wir kommen also zu der Feststellung, daß dieser Entwurf in seiner ganzen Anlage unfertig ist und so sicher nicht zu dem gewünschten Erfolge führen kann.
Zu dem Antrag Drucksache 2614, der die Privatisierung des Volkswagenwerkes zum Gegenstand hat, möchte ich bei der vorgeschrittenen Zeit folgendes ausführen. Auch hier wundert uns das Eilbedürfnis, das diesem Anliegen unterstellt wird. Es besteht auch hier kein Zweifel, daß eine gesetzgeberische Regelung für eine Privatisierung des Volkswagenwerks in dieser Legislaturperiode nicht mehr erreicht werden kann. Die Bundesregierung wäre schlecht beraten, wenn sie ohne rechtliche Entscheidung über die ungeklärten Eigentumsverhältnisse beim Volkswagenwerk im Sinne der Antragsteller initiativ werden würde. Bemühen wir uns um die Verabschiedung des Kriegsfolgenschlußgesetzes, schaffen wir damit die Voraussetzung für eine Regelung aller alten Verbindlichkeiten des Bundes! Dann werden wir auch Möglichkeiten und bessere Grundlagen für eine Klärung der Eigentumsverhältnisse am Volkswagenwerk haben. Die ungeklärten Eigentumsverhältnisse dieses Werkes, aber auch die Tatsache, daß dieses Unternehmen einen markt- und preisregulierenden Charakter hat, sprechen dagegen, eine Privatisierung im gegenwärtigen Zeitpunkt gutzuheißen.
Zur Begründung der Anträge wird nun unter anderem angeführt, daß nach einer Überführung der Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand in Privateigentum, insbesondere des Volkswagenwerks, die Wünsche der kleinen Leute nach sicherer Anlage ihrer Ersparnisse in Aktien gefördert werden könnten. Dem steht doch gegenüber, daß das Sparkapital laufend zurückgeht. Es scheint danach nicht so sehr das Sparkapital kleiner Leute nach sicherer Anlage zu drängen als hier und da auch Spekulationsgewinne, die, nach der Währungsreform erzielt, noch nicht gut und anlagesicher untergebracht werden konnten. Niemand könnte verantworten, daß Vermögensobjekte der öffentlichen Hand, also der Staatsbürger, freigegeben werden, um die Konsolidierung solcher Gewinne zu ermöglichen.
Eine Veräußerung des Bundesvermögens würde auch zu einer weiteren Entrechtung und Benachteiligung der Vertriebenen und sozial Schwachen führen. Ehe man eine neue Schicht von Besitzern schafft, muß erst einmal die Bildung neuen Eigentums durch einen gerechten Lastenausgleich für die Heimatvertriebenen im großen und ganzen abgeschlossen und eine sozial gerechte neue Lebensordnung für die Kriegsopfer geschaffen sein.
Der Zeitpunkt für eine mit diesen Anträgen verfolgte wirtschaftliche Neuordnung erscheint uns deshalb nicht gekommen. Es wird das Anliegen des Ausschusses sein, diese Dinge sehr ernsthaft zu überprüfen und die Notwendigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergeben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Deist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in dieser vorgerückten Stunde im Hinblick auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Vogel auf einige Bemerkungen beschränken. Herr Kollege Vogel hat gemeint, er könne mir vorwerfen, daß ich mit Unterstellungen und Unterschiebungen gearbeitet hätte, die nicht zu verantworten seien.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf folgendes hinweisen. Bei der Gegenüberstellung von dem, was in Ihrem Antrage steht, und dem. was daraus folgen kann und soll, habe ich zunächst einmal die Entwicklungstendenzen dargelegt, wie sie sich nach meiner Auffassung in der Automobilwirtschaft zeigen, und habe daraus den Schluß gezogen, daß selbst wohlmeinendste Formulierungen nicht hindern können, daß auf dem Automobilmarkt auch solche gesetzliche Bestimmungen zu monopolistischer Beherrschung führen und daß infolgedessen hier kein Modellfall für eine Beteiligung breiter Schichten von Sparern und privaten Kapitals gegeben ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werden zwischen einer solchen sachlichen Feststellung und dem Ziehen von Konsequenzen auf der einen und Unterstellungen auf der anderen Seite unterscheiden müssen.
({1})
- Herr Hellwig, wenn Sie sich an das Mikrophon begeben, bin ich gerne bereit, auf Fragen zu antworten. Aber diese Art Zwischenrufe scheint mir nicht ganz angemessen zu sein.
({2})
Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Dr. Deist, erinnern Sie sich nicht an Ihre Ausführungen zum Schluß, wo Sie davon gesprochen haben, daß Sie nicht mithelfen würden, einigen wenigen Interessenten derartige Kapitalien auszuschütten?
Meine Damen und Herren, ich unterstreiche diesen Satz auch in diesem Augenblicke und hier.
({0})
- Meine Damen und Herren. Sie sind auf einmal sehr zimperlich. Das sind keine Unterstellungen! Wenn ich sage, daß diese gesetzlichen Bestimmungen nach der Struktur der Automobilwirtschaft zwangsläufig zu einer Beherrschung führen, und
({1})
fortfahre: wir werden uns einer solchen Entwicklung entgegenstellen und eine solche Überantwortung an private Kapitalmächte nicht mitmachen, dann ist das eine einfache Schlußfolgerung und die Darstellung unserer politischen Auffassung und keine Unterstellung.
({2})
- Ja, ich habe sie daliegen. Ich bin sowieso leider verurteilt, sie jetzt gründlich nachzulesen und zu korrigieren.
({3})
Meine Damen und Herren, wir sollten uns daran gewöhnen, daß Auseinandersetzungen in der Sache scharf und hart geführt werden. Dabei werden Sie schon gestatten müssen, daß man auch in der Form dieser Härte Ausdruck gibt. Dann sollten Sie es nicht so darstellen, als wenn alle meine Ausführungen zu diesen Ihren Anträgen von Unterstellungen und von unverantwortlicher Handlungsweise getragen würden. Das ist der Sache nicht angemessen. Auch von Ihnen hört man gelegentlich einmal Zungenschläge, von denen Sie hinterher sagen: Vielleicht wäre es besser gewesen, ich hätte es nicht getan. Ich nehme für mich nicht in Anspruch, daß ich davon völlig frei wäre. Es handelt sich aber darum, ob Sie ein Recht haben, meine Ausführungen in einer solchen Darstellung wie der des Kollegen Vogel so zu kritisieren, als ob wir darangingen, mit Unterstellungen und mit Unterschiebungen zu arbeiten, während es uns um ein mindestens so ernsthaftes und sachliches Anliegen geht wie Ihnen. Um diese Position geht es mir, daß wir uns dazu bereit finden, sachliche Gegensätze, auch wenn sie scharf ausgetragen werden, nicht in so zimperlicher Form empfindsam entgegenzunehmen und so zu reagieren.
Der Herr Kollege Vogel hat gesagt, in Ihrem Antrage sei „alles drin". Meine Damen und Herren, wenn Sie einen Antrag vorlegen, in dem „alles drin" ist, dann müssen Sie uns schon gestatten, daß wir uns mit all dem, was darin ist, mit allen Möglichkeiten, auseinandersetzen. Ganz abgesehen davon, ob Sie das im einzelnen Falle gewollt haben oder nicht, - wenn Sie selber sagen: „Ich weiß noch nicht, was ich im einzelnen will, das wollen wir später einmal klären", dann können Sie es uns nicht verwehren, daß wir die verschiedenen Möglichkeiten in all ihren Konsequenzen hier darzulegen und auseinanderzusetzen versuchen. Wir sind der Auffassung, daß die Durchführung dieses Antrages einfach wegen der Struktur des Automobilmarktes zu einer monopolistischen Beherrschung der Automobilindustrie durch private Mächte führen wird, ohne daß der Staat im öffentlichen Interesse seinen Einfluß ausüben kann. Darum wenden wir uns gegen diesen Antrag.
Nun ein letztes Wort, meine Damen und Herren! Wir haben es in der letzten Zeit erleben müssen, daß gegen wirtschaftspolitische Auffassungen der Sozialdemokratie in der Öffentlichkeit in einer Weise argumentiert wird, die mit den Tatsachen und mit politischer Sauberkeit nur noch sehr wenig zu tun hat. Darum bin ich der Auffassung: Sie können hier nicht so empfindlich sein. Solange Sie nicht dafür sorgen, daß in der Öffentlichkeit von prominenten Vertretern Ihrer Fraktion der Wirtschaftspolitik der Sozialdemokratie sachlich mehr Gerechtigkeit widerfährt, werden wir Ihre Argumente in aller Härte bekämpfen. Das Recht werden wir uns nicht nehmen lassen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion hat gezeigt, daß wir uns in den Ausschüssen über sehr viele Fragen zu unterhalten haben. Ich kann selbstverständlich nicht auf alle Dinge eingehen, die von den einzelnen Rednern hier angeschnitten worden sind, aber als Antragsteller darf ich doch wenigstens zum Schluß dieser Debatte noch auf einige Punkte zurückkommen.
Zunächst einmal zur CDU. Die CDU hat in der Öffentlichkeit eigentlich immer erklärt oder zumindest den Eindruck erweckt, daß sie im Prinzip dem von uns vorgetragenen Anliegen zustimmt. Ich habe diese klare Erklärung hier in der Debatte bei den Rednern der CDU vermißt. Die Einwendungen haben das Zustimmende überwuchert, und ich muß sagen: Man hört aus allem nur das Nein.
({0})
- Ich hoffe, daß ich falsch verstanden habe.
({1})
Zwei Einwendungen sind besonders hervorgetreten. Herr Vogel hat gesagt: Sie wollen alles erreichen - so ähnlich -, und Herr Illerhaus hat gesagt: Das können Sie doch in diesem Dreivierteljahr nicht mehr durchsetzen. Lassen Sie mich nur auf diese beiden Einwendungen eingehen; es sind noch eine Reihe von anderen Einwendungen gemacht worden.
Herr Vogel, wenn Sie meine Ausführungen gehört haben, dann werden Sie mir eigentlich darin zustimmen müssen, daß ich wohl alles erreichen will, daß ich aber alles langsam erreichen will. Alle Maßnahmen in diesem Gesetzentwurf sind darauf abgestellt, nur langsam, stückweise und schrittweise vorzugehen. Die ersten Entwürfe - ich verrate da gar kein Geheimnis - sahen wesentlich anders aus. Und wenn wir unsern Entwurf erst jetzt vorlegen - auch dieser Vorwurf ist mir von anderer Seite gemacht worden: Sie kommen ja jetzt zu spät oder fast zu spät! -, dann liegt das an der Schwierigkeit der Materie und - ich will gleich darauf zurückkommen - an den mangelnden Mitteln, die mir als einfachem Abgeordneten zur Verfügung stehen.
({2})
Da komme ich auf die Ausführungen des Herrn Dr. Deist, der ja auch zunächst einmal Mängel, angebliche Mängel - ich erkenne sie nicht alle als Mängel an - des Entwurfs herausstellt. Ich bin mir bewußt, daß dieser Gesetzentwurf Mängel hat. Aber ich habe nicht die Ministerialbürokratie zur Verfügung gehabt, die mir hätte helfen können, Herr Dr. Deist. Insofern muß ich also auch bei Ihnen um Nachsicht bitten, wenn Fehler da sind. Auch aus Ihren Worten und aus denen der CDU geht doch hervor, daß derjenige, der im Rückstand, der im Verzug ist, die Bundesregierung ist. Herr Dr. Deist, Sie haben darauf aufmerksam gemacht, daß diesem Gesetz eigentlich ein Gesetz in Ausführung des Artikels soundso des Grundgesetzes vorgelagert sein müßte. Zur Vorlage eines solchen Gesetzes wäre aber die Bundesregierung in den
({3})
sieben Jahren ihres Bestehens verpflichtet gewesen. Man kann es nicht mir oder meiner Fraktion vorwerfen, daß wir dieses Gesetz hier nicht einbringen. Denn Initiativgesetze der Abgeordneten sollen ja nicht das Primäre sein, sondern sie sollen erst dann eingebracht werden, wenn von der Regierung solche Vorlagen nicht kommen.
Im Gegensatz zu der CDU, deren Vertreter auch hier durch Zurufe erklären, daß sie im Prinzip diesem Anliegen zustimmen, ist die Haltung der Sozialdemokratischen Partei, die ihr grundsätzliches Nein zur Privatisierung erklärt, sehr klar. Sie haben es etwas eingeschränkt, aber ich muß aus Ihren Worten zum mindesten entnehmen, daß Sie grundsätzlich die Notwendigkeit anerkennen, gewisse Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft in der öffentlichen Hand zu belassen. Diesen Grundsatz haben Sie sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Dabei haben Sie allerdings nur sehr wenig wirklich echte Gründe angegeben, die dafür sprechen könnten, daß Ihrem Anliegen auch vom Gesetzgeber entsprochen werden müßte. Sie haben einmal die Jahre 1902 und 1906, wo tatsächlich der Ursprung der Betätigung der öffentlichen Hand liegt - zu der Zeit sind die ersten öffentlichen Betriebe entstanden -, erwähnt. Aber, Herr Dr. Deist, wir können doch nicht die Verhältnisse in der kaiserlichen Zeit mit den heutigen vergleichen. Wir kennen heute ganz andere Maßnahmen, um Monopole zu bekämpfen. Ob wir sie haben, ist eine andere Frage. Aber: bekämpfen wir sie eigentlich hier?
Dort, wo sich die öffentliche Hand in die Gruppe eingeschaltet hat, der man ein Monopol vorwirft, nämlich der Kohlewirtschaft, da macht sie treu und brav alles mit, was die private Wirtschaft macht. Da tun Sie doch gar nichts in dem Sinne, in
dem Sie hier die Notwendigkeit der öffentlichen Hand herausgestellt haben. Sie geht also treu und brav mit und macht dasselbe, was wir der privaten Wirtschaft zum Teil vorwerfen. Da macht die öffentliche Hand gar keine Ausnahme.
({4})
- Es ist aber so. An der Tatsache kommen wir doch nicht vorbei. Genauso ist es in der Automobilindustrie. Herr Dr. Deist, hat denn das Volkswagenwerk in seiner wirtschaftlichen Leitung etwa Wirtschaftsziele der deutschen Bundesrepublik durchgeführt?! Das können Sie doch wirklich nicht behaupten. Es hat die Ziele und die Pläne des Herrn Dr. Nordhoff durchgeführt. Und Sie waren wahrscheinlich doch dabei, als in einem Ausschuß - ich weiß nicht mehr, in welchem - die Vertreter der Bundesregierung in dem Aufsichtsrat des Volkswagenwerks, Herr Professor Oeftering und Herr Staatssekretär Rust, erklärt haben: Wir sind als Mitglieder des Aufsichtsrates nicht an Weisungen unserer Regierung gebunden, sondern wir haben das Interesse des Unternehmens zu vertreten. - Warum dann also noch die öffentliche Hand in diesem Unternehmen?
({5})
- Ja, bitte.
Herr Kollege Atzenroth, darf ich eine Frage an Sie stellen. Sie stellen fest, das Volkswagenwerk habe keine große Aufgabe im Sinne der öffentlichen Wirtschaftspolitik erfüllt, das sei in einem Ausschuß, dessen Protokoll ich jedenfalls kenne, festgestellt worden. Ich bestätige nur, was Sie sagen. Mehr will ich nicht sagen. Meinen Sie, daß das gegen die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit des öffentlichen Bundesvermögens spricht, oder meinen Sie nicht, daß das gegen die Politik der Bundesregierung und die Art, wie sie das Bundesvermögen nutzt, spricht?
Ich meine, Herr Dr. Deist, daß das grundsätzlich gegen das Prinzip der Betätigung der öffentlichen Hand in der Wirtschaft spricht. Das würde, wenn Sie Wirtschaftsminister wären, genau so sein, wie es zu der Zeit ist, wo Herr Professor Erhard Wirtschaftsminister ist. Ein starker Mann wie Nordhoff, dem alle diese Mittel zur Verfügung stehen -und die Rechtslage natürlich auch -, setzt sich gegen jeden Wirtschaftsminister durch.
({0})
Ich will nun noch zu einigen anderen kurzen Bemerkungen kommen. Die Pionierarbeit war der andere Grund, den Sie für die Betätigung der öffentlichen Hand anführen. Aber darauf will ich nicht mehr eingehen; die Zeit ist zu weit vorgeschritten. In der Forderung auf Ausdehnung der Publizität, Herr Dr. Deist, bin ich mit Ihnen einig. Wenn wir uns hier darauf beschränkt haben, nur die Publizität zu fordern, die im deutschen Aktienrecht leider nur sehr unvollkommen verankert ist, dann heißt das nicht, daß wir um Gottes willen nicht mehr Publizität wollen, vielmehr wollen wir die Sache zunächst einmal auf eine einfache Grundlage stellen. Wenn Sie im Ausschuß entsprechende Anträge stellen, stehe ich auf Ihrer Seite.
Ein Wort wegen der sozialen Leistungen. Da haben Sie mich falsch verstanden. Ich habe nicht gefordert, daß die sozialen Leistungen des Betriebs an seine Angehörigen ausgewiesen werden sollen. Das ist ja selbstverständlich; das machen alle Aktiengesellschaften, und darum handelt es sich nicht. Ich habe nur gefordert, was ja auch im Gesetzentwurf verankert ist, daß dort, wo Erwerbsunternehmungen durch Gesetz verpflichtet oder durch andere Auflagen gezwungen sind, außerhalb der rein unternehmerischen Überlegungen liegende Preise oder Leistungen zu gewähren, die im öffentlichen Interesse liegen,
({1})
also soziale Leistungen, z. B. Sozialtarife und dergleichen, nachzuweisen ist, was sich daraus an Nachteilen für das Unternehmen ergibt; denn die sozialen Leistungen stellen ja doch immer eine Forderung an das Unternehmen dar, billiger zu leisten, als es eigentlich dem Betriebsinteresse entspricht. Diese Minderung soll ausgewiesen werden, damit ein echtes Betriebsergebnis zustande kommt. Das beste Beispiel ist die Bundesbahn. Die sogenannten politischen Lasten der Bundesbahn sollen getrennt ausgewiesen werden, damit wir sehen: Ist die Bundesbahn rentabel und wirtschaftlich?
({2})
- Die Forderung nach getrennter Ausweisung erhebe ich nach wie vor; sie kann nicht mit den Worten von Herrn Dr. Deist abgetan werden.
Schließlich ein Wort zum Kurs. Sie sagten, wir wollten verschleudern. Meine Damen und Herren, auch dieser Gesetzentwurf hat eine Entwicklung durchgemacht. Wir wollten ursprünglich sogar vor({3})
schreiben, wie die Veräußerung in den Fällen erfolgen soll, in denen der Kontrollausschuß sagt: dieses Unternehmen soll zum Verkauf gebracht werden. Wir haben uns davon überzeugen lassen müssen, daß das dem Gesetzgeber nicht möglich ist, daß es unsere Möglichkeiten überstiege, solches vorzuschreiben. Wir verfolgen mit diesem Ausschuß gerade das Ziel, daß ein Gremium von verantwortlichen Persönlichkeiten gebildet wird, die einen öffentlichen Auftrag haben und nicht nur privatrechtlich oder nur sich selbst verantwortlich sind. Diese Menschen sollen überlegen: Können wir verkaufen, ohne die Nachteile zu riskieren, die Sie, Herr Dr. Deist, geschildert haben? Wenn sie zu der Überzeugung kommen: wir können das zur Zeit nicht tun, dann sollen sie abwarten und erst im nächsten Jahr den Versuch machen, um diese Nachteile der Verschleuderung zu vermeiden. Ich wehre mich immer wieder gegen den Vorwurf, das Bundesvermögen verschleudern zu wollen. Das Gegenteil ist richtig; ich will das Höchstmögliche für den Steuerzahler herausholen, behaupte ich.
Ich komme noch, Herr Dr. Deist, auf das Beispiel einer Verschleuderung zu sprechen, das Sie angeführt haben. Sie sagten, wir hätten in dem Ausschuß vermieden, daß die Nordchemie an Private verschleudert wurde. Wohin ist sie denn verschleudert worden? An ein anderes öffentliches Unternehmen! Praktisch ist sie ja verschleudert worden. Das ist vielleicht ein harter Ausdruck; aber ein anderer wäre auch hart gewesen. Sie ist jedenfalls nicht mit den marktgerechten Mitteln an ein Unternehmen gekommen, das sich im Besitz der öffentlichen Hand befindet.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Herr Kollege Atzenroth, wären Sie so nett, sich zu berichtigen? Ich habe im Zusammenhang mit Nordchemie nicht von Verschleuderung an irgendein privates Unternehmen, sondern davon gesprochen, daß heftige Interessenkämpfe um die Beteiligung stattgefunden haben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie daraufhin den Vorwurf, den Sie soeben erhoben haben, einmal überprüften.
Ich bitte um Entschuldigung. Ich hatte mir aufgeschrieben, der Ausschuß habe die Verschleuderung an Private vermieden. Ich muß Sie dann falsch verstanden haben. Sie wissen ja, daß auch ich gegen die Veräußerung von solchen Unternehmen an einen Großunternehmer oder überhaupt an eine Hand bin. Unser Gesetzentwurf weist diese Tendenz ganz deutlich auf.
Noch einige Worte zu dem Antrag verschiedener Abgeordneter hinsichtlich des Volkswagenwerks. Ich habe schon darauf hingewiesen. daß die Bundesregierung einen ganz geringen Einfluß auf die Wirtschaftspolitik des Volkswagenwerks gehabt hat. Infolgedessen scheidet dieser Einwand völlig aus. Aber die Herren von der CDU, insbesondere Herr Kollege Illerhaus, haben mir als einen Einwand zu meinem Gesetzentwurf entgegengehalten: den kriegen Sie in diesem Bundestag doch nicht mehr durch. Ja, nun muß ich die Gegenfrage an Sie stellen: Glauben Sie denn, daß Sie Ihren Antrag - das ist noch kein Gesetzentwurf - durchbekommen werden? Die Frage ist weniger an Sie zu stellen als an die Bundesregierung, denn Sie fordern von der Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzes. Ich wäre dankbar, wenn uns der Vertreter des Finanzministeriums - in diesem Falle ist das Finanzministerium zuständig und nicht das Wirtschaftsministerium - erklären würde, ob die Bundesregierung bereit ist, Ihrem Antrag, den ich in diesem Fall unterstütze, auch Folge zu leisten und einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen, und ob sie der Meinung ist, daß dieser Gesetzentwurf noch in diesem Bundestag verabschiedet wird.
Meine Damen und Herren, als letzten Sprecher zu diesem Punkt habe ich noch Herrn Staatssekretär Hartmann auf der Rednerliste. Aber da es jetzt schon über 19 Uhr 30 ist, müssen wir nach der Vereinbarung des Ältestenrats nunmehr die Sitzung schließen. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist.
({0})
- Der Herr Staatssekretär hat mir vorhin, als es fünf Minuten vor 1/28 Uhr war, gesagt, es sei für ihn nicht zumutbar daß er zu diesem Problem nur zwei oder drei Minuten sprechen könne. Ich muß sagen, das ist auch wirklich nicht zumutbar. Herr Staatssekretär Hartmann muß dann morgen früh als erster in der Fortsetzung dieser Debatte sprechen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 11. Januar 1957, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.