Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, gestern hat unser Kollege in diesem Hause der Abgeordnete Koops seinen 60. Geburtstag gefeiert. Im Namen des Hauses und in meinem eigenen Namen spreche ich ihm die herzlichsten Glückwünsche aus.
({0})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 9. November 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Achtes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Gesetz über die Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor Welhnathten,
({1})
Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP- Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1956 ({2}),
Drittes Gesetz über die Altersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes,
Gesetz zur Gewährung einer Sonderzulage für den Monat Dezember 1956 in den gesetzlichen Rentenversicherungen ({3}),
Gesetz zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik Ober den Luftverkehr,
Gesetz zu dem Abkommen vom 22. Juli 1955 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über den Luftverkehr zwischen ihren Gebieten und darüber hinaus.
Der Bundesminister für Arbeit hat unter dem 10. November 1956 die Kleine Anfrage 289 der Fraktion der FDP betreffend Arbeitslosigkeit von Heimkehrern ({4}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2853 verteilt.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat mit ihrem Schreiben vom 10. November 1956 den Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Mieterschutzgesetzes in bezug auf landwirtschaftliche Werkwohnungen ({5}) zurückgezogen.
Die Fraktion der FDP hat mit ihrem Schreiben vom 13. November 1956 die Große Anfrage betreffend Haltung der Bundesregierung im Suez-Konflikt ({6}) zurückgezogen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir noch etwas erledigen, was bei der Schnelligkeit der Behandlung des Gesetzes über den Ladenschluß in der letzten Sitzung übersehen worden ist. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit hat mir unter dem 12. November 1956 wie folgt geschrieben:
Bei der Verabschiedung des Ladenschlußgesetzes am 9. November 1956 wurde gemäß Umdruck 826 Ziffer 2 die Einfügung eines § 4 a beschlossen. Der Änderungsantrag enthielt jedoch nicht die entsprechenden Ergänzungen in § 15 Abs. 3 und Abs. 6 Nr. 3.
Es erscheint mir deshalb erforderlich, diese redaktionellen Änderungen, die in der dritten Beratung übersehen worden sind, vorzunehmen und § 15 Abs. 3 und Abs. 6 Nr. 3 entsprechend zu ändern.
Ich frage das Haus, ob es mit dieser Änderung und mit diesem Verfahren einverstanden ist.
({7}) - Bitte, Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren, ich kann nicht erkennen, ob es sich wirklich um eine nur redaktionelle Änderung handelt. Dazu fehlen mir die Unterlagen. Ich bin nicht in der Lage, einem solchen Beschluß ohne weiteres meine Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Sabel!
Meine Damen und Herren, das Hohe Haus hatte den Antrag Kroll, Bausch und Genossen angenommen. Es handelte sich um die Verkaufszeiten für Zeitungen. Nun ist in den erwähnten Paragraphen der Hinweis auf die einzelnen Bestimmungen enthalten, in denen Ausnahmen vorgesehen sind. Inhaltlich bedeutet es nur, daß für Arbeitszeiten entsprechende Freizeiten zu gewähren sind. Die Antragsteller hatten versäumt, auch hier die Änderung zu beantragen, und in der Turbulenz ist das übersehen worden.
Ich möchte Sie wirklich bitten, dieser Anregung, die ich dem Herrn Präsidenten vorgetragen habe, folgen zu wollen.
Meine Damen und Herren, wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann komme ich zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Vorsitzenden des Arbeitsausschusses, diese übersehenen redaktionellen Änderungen jetzt noch nachträglich zu beschließen, da wir sonst das ganze Gesetz wieder behandeln müssen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Wir treten in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf Punkt 1:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({0}); Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
({3})
Ich erteile das Wort den Herren Berichterstattern, dem Herrn Abgeordneten Dr. Bürkel und nach ihm dem Herrn Abgeordneten Ludwig.
Dr. Bürkel ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache 2714*), die Ihnen vorliegt, ist die umfangreichste Drucksache, die dem Bundestag bisher vorgelegt worden ist. Dabei haben die Berichterstatter zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfes im Bericht nur insoweit Stellung genommen, als die Ausschußfassung vom Regierungsentwurf abweicht. Soweit der Ausschuß für Arbeit bei der Regierungsfassung geblieben ist, wird auf die Begründung des Regierungsentwurfs verwiesen.
Ich vermute, daß ein Teil der Mitglieder dieses Hauses weder den Bericht noch die Regierungsvorlage gelesen hat.
({5})
Gestatten Sie aber dennoch, meine Damen und Herren, daß ich von einem Vortrag des Gesamtberichts Abstand nehme und mich auf zwei Punkte beschränke, nämlich erstens auf die finanziellen Auswirkungen dieses Gesetzes und zweitens auf die beitragsmäßige Sonderbehandlung der Bauwirtschaft.
Die finanziellen Auswirkungen sind sehr schwer zu schätzen. Das hängt damit zusammen, daß die Schätzungen abhängig sind von der Entwicklung der Wirtschaft, von der Witterung und von allen möglichen Erscheinungen, die vorher nicht sicher erfaßt werden können. Die Schätzungen, die das Bundesarbeitsministerium vorgenommen hat, besagen, daß durch den Entwurf Mehraufwendungen in Höhe von etwa 39 Millionen DM für je 100 000 Arbeitslosenunterstützungsempfänger entstehen werden. Da wir die Zahl der Arbeitslosenunterstützungsempfänger zu Ende 1955 auf etwa 490 000 festgelegt haben, betragen die Mehrausgaben 192 000 000 DM. Zusammen mit den Ausgaben nach dem Haushaltsplan ergeben sich 1 686 000 000 DM. Die Einnahmen an Beiträgen werden für 1956 bei 13 385 000 Beitragszahlern auf 1 237 000 000 DM geschätzt. Sonstige Einnahmen betragen 157 000 000 DM, Gesamteinnahmen 1 394 000 000 DM. Somit würde sich ein Fehlbetrag von etwa 292 000 000 DM ergeben.
*) Siehe Anlage 2.
({6})
Es hat sich aber gezeigt, daß im Jahre 1955 die Entwicklung schon günstiger geworden ist. Die Zahl der Beitragszahler ist größer geworden, die der Unterstützungsempfänger geringer. Nach den neuesten Schätzungen beläuft sich der Fehlbetrag auf Grund des Entwurfs auf etwa 200 Millionen DM. Der Ausschuß für Arbeit vertritt den Standpunkt, daß dieser Fehlbetrag aus Zinseinnahmen und Tilgungsbeträgen gedeckt werden kann.
Hinzu kommt, daß das Vermögen der Bundesanstalt, das Ende 1955 etwa 3 Milliarden DM betrug, auch im Jahre 1956 weiter ansteigen wird, weil in diesem Jahr bis zum heutigen Tage der Beitragssatz noch bei 3 °/o liegt und die erhöhten Unterstützungen frühestens ab 1. Januar 1957 gezahlt werden sollen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß alle diese Schätzungen davon ausgehen, daß sowohl die Wirtschaftslage als auch die Beschäftigungslage so bleiben, wie sie zur Zeit sind. Man muß bei der Arbeitslosenversicherung grundsätzlich daran denken, daß es bei einer Verschlechterung der Wirtschaftslage, das heißt bei einem Rückgang der Beschäftigung, so ähnlich geht wie beim Skatspiel: Runter geht es doppelt so schnell wie rauf. Nimmt die Zahl der Beschäftigten ab, dann nimmt gleichzeitig die Zahl der Unterstützungsempfänger zu. Man darf diese Schätzung also nicht auf die Ewigkeit beziehen, sondern muß sich darüber klar sein, daß bei einer Änderung der Beschäftigungslage unter Umständen das ganze Finanzgebäude, das wir aufgebaut haben, leiden wird. Damit hat der Ausschuß für Arbeit bewußt gerechnet und dennoch die Beitragssenkung auf 2% beschlossen.
Bezüglich der Bauwirtschaft ist zu sagen, daß es der Ausschuß für erforderlich hält, das Baugewerbe von der allgemeinen Senkung des Beitragssatzes von 3 auf 2 % auszunehmen. Über diese Frage haben im Ausschuß für Arbeit eingehende Erörterungen stattgefunden, auch im Zusammenhang mit der Drucksache 840; das ist der Antrag der Abgeordneten Traub, Mauk und Genossen betreffend Erlaß eines Gesetzes über die Gewährung einer Ausfallunterstützung bei Außenarbeiten.
Die Problematik der Arbeitslosenversicherung des Baugewerbes ist nicht erst jetzt aufgetreten, sie besteht schon seit dem Erlaß des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, also seit dem Jahre 1927. Die winterliche Arbeitslosigkeit im Baugewerbe verzerrt das Gesamtbild der Beschäftigung und stört den normalen Wirtschaftsablauf auch in anderen Wirtschaftszweigen.
Für die Bundesanstalt ist die Versicherung der Angehörigen des Baugewerbes ein Finanzproblem erster Ordnung. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, daß in den letzten Jahren gleichbleibend 50 % des Unterstützungsaufwandes an die Beschäftigten der Bauindustrie gezahlt worden sind. Der Unterstützungsaufwand, der hier für die Bauindustrie geleistet wird, ist doppelt so hoch wie der Beitrag, den die Bauindustrie in die Arbeitslosenversicherung einzahlt. Wollte man nach dem Überblick der letzten Jahre etwa einen Ausgleich zwischen dem Unterstützungsaufwand und dem Beitrag der Bauindustrie schaffen, dann müßte man auf einen Beitrag von 5,4 % kommen. Der Ausschuß hat aber davon abgesehen, den Beitrag auf diese Höhe zu bringen. Er hat sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, daß man den Interessen der Bauindustrie weitgehend entgegenkommen würde, wenn man den Beitrag auf 3 % belassen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der Bauindustrie während der Saison die Zahl der Arbeitsstunden erheblich über dem durchschnittlichen Niveau der übrigen Wirtschaftszweige liegt. Daraus ergibt sich weiter, daß in der Bauindustrie während der Saison ein erheblich höheres durchschnittliches Arbeitseinkommen als in den übrigen Wirtschaftszweigen erzielt wird. Ferner folgt daraus, daß im Fall der Arbeitslosigkeit an die Arbeitslosen der Bauindustrie erheblich höhere Unterstützungsbeträge gezahlt werden.
Während der Verhandlungen im Ausschuß für Arbeit ist den Sozialpartnern in der Bauindustrie geraten worden, eine Regelung zu treffen, wonach Angehörige des Baugewerbes auch im Winter durchbeschäftigt werden können. Der Ausschuß für Arbeit war bei dieser Regelung bereit, einen anderen Beitragssatz festzusetzen. Zu dieser Regelung ist es aber nicht gekommen.
Unter Berücksichtigung dessen, daß schon seit 1927 die Arbeitslosenversicherung gerade in der Bauwirtschaft große Schwierigkeiten gemacht hat und daß die Bezugszeit für die Unterstützung in der Bauwirtschaft verkürzt worden ist, schien dem Ausschuß für Arbeit die Regelung angemessen, die jetzt in der Ausschußvorlage vorgesehen worden ist. Meines Erachtens kann die Bauwirtschaft auf Grund dieser Regelung nicht geltend machen, daß sie ihre Preise erhöhen müsse, wie es schon geschehen ist. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Bauwirtschaft keinen höheren Beitrag zahlen wird, als sie zur Zeit zahlt; sie wird nur von der Senkung des Beitrags von 3 % auf 2 % ausgenommen.
Meine Damen und Herren, im übrigen darf ich auf den Schriftlichen Bericht Bezug nehmen und im Namen des Ausschusses für Arbeit beantragen,
1. den Gesetzentwurf Drucksache 1274 in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung anzunehmen,
2. den von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten, Drucksache 346,
den von den Abgeordneten Traub, Mauk, Ruf, Frau Döhring und Genossen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Ausfallunterstützung bei Außenarbeiten, Drucksache 840,
und den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Renten -Mehrbetrags-Gesetzes, Drucksache 2287,
als durch die Beschlußfassung zu Nr. 1 erledigt abzulehnen;
3. die hierzu eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile das Wort zur weiteren Berichterstattung an Stelle des erkrankten Herrn Abgeordneten Odenthal dem Herrn Abgeordneten Ludwig.
Ludwig ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Der Mitberichterstatter, Herr Kollege Odenthal, wünscht, daß ich noch einen kurzen Hinweis auf den Zweck des Gesetzes
({1})
gebe: die Wiederherstellung der Rechtseinheit und die Zusammenfassung des Rechtsstoffs, die Fortentwicklung des geltenden Rechts im Hinblick auf das Grundgesetz und eine Hebung der unzureichenden Leistungen.
Der vorgelegte Regierungsentwurf erfuhr so viele Änderungen, daß eine bloße Gegenüberstellung mit dem Ergebnis der Ausschußberatungen nur sehr schwer lesbar ist. Der Bericht nimmt deshalb das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses für Arbeit als Grundlage und gibt durch eine eingehende Begründung für die einzelnen Bestimmungen ein genaues Bild der Beratungsergebnisse. Wir hoffen, daß dieser Bericht die oft schwer verständlichen Bestimmungen deutlicher macht und die Auslegung für die Praxis und für das Verfahren vor den Sozialgerichten wesentlich erleichtert.
Auf folgende Einzelheiten soll besonders hingewiesen werden. Die Versicherungspflicht wird grundsätzlich auf alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihr Einkommen ausgedehnt, die Beitragsgrenze jedoch auf 750 DM monatlich oder 175 DM wöchentlich festgesetzt.
Die Vorlage will damit zweierlei erreichen: erstens die Ausweitung der Versicherungspflicht und des Versicherungsschutzes auf hockbezahlte Angestellte, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß auch diese mit Recht einen Schutz gegen die Gefahr der Arbeitslosigkeit beanspruchen können, zweitens ein Beitragsaufkommen, das trotz Senkung des Beitrags von allgemein 3 v. H. auf 2 v. H. zur Bestreitung des Aufwandes auch bei erhöhten Leistungen ausreicht. Die Ausnahmen von der Versicherungspflicht bzw. die Versicherungsfreiheit sind im Ausschuß zu einem Teil einstimmig, zum anderen Teil mit Mehrheit beschlossen worden. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigung von Angehörigen und für die Beurteilung der Frage, ob eine Beschäftigung als geringfügig anzusehen ist.
Einstimmig war der Ausschuß der Auffassung, daß die Heimarbeiter nach den Merkmalen des Dienstvertrags und nach ihrer sozialen Stellung als abhängige Arbeitnehmer zu betrachten sind und deshalb ohne Rücksicht auf die Zahl der mitarbeitenden Familienangehörigen versicherungspflichtig und damit anspruchsberechtigt sein sollen.
Eine Einigung wurde auch hinsichtlich der Vereinfachung der Anwartschaftszeiten und der Verbesserung der Bezugsdauer erreicht. Dagegen führten lange Verhandlungen über die Errechnung des Arbeitslosengeldes auf der Grundlage der Höhe des Arbeitsentgelts zu keiner Einigung. Der Antrag der Minderheit, wie in der Sozialversicherung das Bruttoentgelt zur Grundlage zu nehmen und als Arbeitslosengeld für den Arbeitslosen und drei Familienangehörige 75 v. H. des Bruttoarbeitsentgeltes zu sichern, wurde abgelehnt. Ebenso verfiel der Antrag der Minderheit, für den Hauptunterstützungsempfänger 50 v. H. des Bruttoarbeitsentgeltes als Hauptbetrag zu gewähren, der Ablehnung.
Nach der vorliegenden Fassung wird bei niedrigem Einkommen ein Arbeitslosengeld bis zu
96 v. H. gewährt, sie legt im übrigen fest, daß der Hauptbetrag 55 v. H. des Nettoarbeitsentgeltes nicht unterschreiten darf. Familienzuschläge sind in Höhe von 6 DM wöchentlich vorgesehen. Sie entsprechen damit einem Betrag von 25 DM monatlich als Kindergeld für die ersten beiden Kinder. Diese nicht mehr von der Höhe der Hauptunterstützung abhängigen Familienzuschläge werden in ' der gleichen Höhe auch in der Arbeitslosenhilfe gewährt. Der Tabellensatz der Arbeitslosenhilfe, der durch Sondergesetz vom 16. April 1956 beschlossen wurde, das nun als Teil IV wieder in dieses Gesetz eingebaut wird, wurde gegen die Stirn-men der Minderheit nicht den Unterstützungssätzen der Arbeitslosenversicherung angepaßt. Es konnte nur erreicht werden, daß der Hauptbetrag 45 v. H. des Einheitslohns nicht unterschreiten darf.
Längere Zeit nahmen die Beratungen der Bestimmungen über die Sperrfristen in Anspruch. Die Mehrheit hat zwar Anträge der Minderheit über die Dauer der Sperrfristen und den Entzug des Arbeitslosengeldes abgelehnt; sie hat aber immerhin der Kürzung der im Regierungsentwurf vorgesehenen längeren Sperrfristen zugestimmt und auch die Verlängerung wie die Kürzung bei Vorliegen besonderer Umstände gebilligt. Die neue gesetzliche Regelung in § 90 beseitigt die geltende Praxis, daß Sprerrfristen auch aus Gründen verhängt werden, die zeitlich vor dem Unterstützungsbezug lagen. In Zukunft kann die Sperrfrist nur aus einem Grunde verhängt werden, der zwischen dem Tag der Arbeitslosmeldung und dem Beginn der Zahlung des Arbeitslosengeldes liegt.
Die Wartezeit, seit langem umstritten, ist zwar nicht beseitigt, aber sie entfällt oder wird verkürzt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Einig war der Ausschuß in der Feststellung, daß bei Arbeitskämpfen der unmittelbar Beteiligte keinen Unterstützungsanspruch hat. Diese Einigkeit ergab sich aus der gemeinsamen Auffassung über die Neutralität der Arbeitsverwaltung.
In der Frage der Gewährung des Arbeitslosengeldes an mittelbar Beteiligte vertrat die Minderheit die Auffassung, daß diese mittelbar Beteiligten keinen Einfluß auf die oft räumlich weit entlegen geführten Arbeitskämpfe haben und im Falle der Entlassung als ohne eigenes Verschulden arbeitslos Gewordene mit Anspruchsberechtigung angesehen werden müssen. Die Mehrheit des Ausschusses trat dieser Auffassung nicht bei, sondern verlangte, daß Arbeitslosengeld an solche Personen nur bei Vorliegen unbilliger Härten gewährt werden darf.
§ 208 gibt dem Arbeitsminister die Möglichkeit, Deutsche im Ausland, auch wenn sie nicht oder nicht mehr im Dienst deutscher Arbeitgeber stehen, in die Versicherungspflicht einzubeziehen. Der Ausschuß legt auf diese Bestimmung besonderen Wert, weil so einerseits wirtschaftliche Beziehungen zur Heimat stärker gefördert werden können, andererseits den Deutschen im Ausland die Sicherheit gegeben wird, sich eine Existenz in der Heimat, mit Hilfe des Versicherungsschutzes, wiederaufzubauen, wenn sie aus irgendwelchen Gründen nicht im Ausland bleiben können oder wollen.
Nach der Erfahrung aus der Steigerung der Beschäftigtenzahlen und dem Fallen der Arbeitslosenziffern, die zur Senkung des Beitrages führten, glaubt nun der Ausschuß eine Senkung von 3 auf 2 °/o vorschlagen zu sollen. Er ging dabei von der Überlegung aus, daß
1. der Personenkreis der Versicherungspflichtigen erweitert und die Beitragsgrenze erhöht wird,
2. die Zahl der Beschäftigten über 18 Millionen gestiegen ist, damit auch das Beitragsaufkommen,
({2})
3. die Zahl der unterstützten Arbeitslosen in der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe im Jahresdurchschnitt abnahm, damit auch der Gesamtaufwand, schließlich
4. die Löhne und Gehälter auch in den unteren Einkommensbereichen eine Erhöhung erfahren werden.
Darum glaubt der Ausschuß eine Senkung der Beiträge zugunsten der Rentenversicherung bei gleichzeitiger Verbesserung der Leistungen vorschlagen zu können. Die höheren Leistungen werden mit Inkrafttreten des Gesetzes zwar sichtbar werden, auch die geringen Erhöhungen der Arbeitslosenhilfe, die vom Bund erstattet werden, aber sicherlich den Voranschlag des Bundeshaushaltsplanes nicht erreichen. Darum vertritt der Ausschuß die Auffassung, daß die Rücklage der Bundesanstalt, die bis zum 1. Januar 1957 weit über 3 Milliarden DM betragen wird, nicht angegriffen zu werden braucht.
In der Beitragsfrage wurde der Vorschlag der Minderheit, für das Baugewerbe den Arbeitnehmeranteil wie sonst allgemein auf 1 v. H. zu senken, abgelehnt, und es wurde beschlossen, den Beitrag für das Bau- und das Baunebengewerbe bei 3 v. H. zu belassen und ihn wie sonst je zur Hälfte auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu verteilen.
Im übrigen verweise ich auf den vorliegenden Schriftlichen Bericht und auf die Anträge, deren Annahme empfohlen wird.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich trete in die zweite,
in die Einzelberatung des Gesetzes ein und rufe auf Artikel I, § 49. Hierzu liegt auf Umdruck 821*) Ziffer 1 ein Änderungsantrag vor. Ich gebe das Wort zur Begründung dem Abgeordneten Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wer sich mit Fragen der Sozialversicherung näher beschäftigt hat, weiß, daß die Berufsgenossenschaften seit Jahrzehnten das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren und die berufsgenossenschaftliche Berufsfürsorge betreiben, und zwar mit großem Erfolg, Maßnahmen, die man heute mit dem Begriff „Rehabilitation" bezeichnet.
In § 558 und folgenden der Reichsversicherungsordnung ist festgelegt, daß die Berufsgenossenschaften auch Hilfe zur Erlangung einer Arbeitsstelle zu gewähren haben. Wenn nunmehr entsprechend der Regierungsvorlage in § 49 gesagt wird:
Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung dürfen nur von der Bundesanstalt betrieben werden; die §§ 54 und 66 bleiben unberührt,
besteht die Gefahr, daß die Berufsgenossenschaften künftighin die Hilfe zur Erlangung einer Arbeitsstelle nicht mehr ausüben können. Ich nehme an, daß das auch ,die Mitglieder des Ausschusses nicht wollen. Unser Antrag geht dahin, zur Klarstellung in § 49 eine Einfügung vorzunehmen und den zweiten Halbsatz folgendermaßen zu fassen:
die §§ 54 und 66 sowie die Bestimmungen über die Berufsfürsorge der §§ 558 ff. der Reichsversicherungsordnung bleiben unberührt.
*) Siehe Anlage 9. Dann kann das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren in dem gleichen Umfang weitergeführt werden, wie das seit Jahrzehnten mit großem Erfolg geschieht.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Becker ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Freunde bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Atzenroth, den er für seine Fraktion gestellt hat, abzulehnen. Die §§ 558 ff. der Reichsversicherungsordnung, welche die Berufsfürsorge in der Unfallversicherung behandeln, werden neu gefaßt. Der Entwurf des neuen Unfallversicherungsgesetzes wird zur Zeit noch von der Bundesregierung beraten. In den dem Bundestag vorliegenden Entwürfen eines Rentenversicherungsgesetzes, eines Gesetzes über die Fürsorge für Körperbehinderte und eines Tuberkulosehilfegesetzes ist vorgesehen, daß in der Berufsfürsorge die Träger der arbeits- und berufsfördernden Maßnahmen mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zusammenwirken. Aus diesem Grunde beantragen wir, daß der von dem Kollegen Atzenroth eingebrachte Antrag abgelehnt wird.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Atzenroth, ich glaube, Ihre Befürchtungen, die aus diesem Antrag sichtbar werden, sind in Wirklichkeit unbegründet. Sie wissen, daß wir schon immer sehr stark daran interessiert waren, daß in dem Heilverfahren bei den Berufsgenossenschaften zu einer Berufsumstellung, wenn diese notwendig wird, Hilfeleistung gegeben wird. Deshalb nehmen wir beispielsweise in den entsprechenden Krankenhäusern in Verbindung mit der Arbeitsverwaltung bereits die Berufsumschulung vor, und da bestehen gar keine Bedenken, wenn man es bei den gesetzlichen Bestimmungen läßt. Bisher hat sich noch nicht eine einzige Schwierigkeit ergeben. Wenn das, was der Abgeordnete Becker vorgetragen hat, erst Wirklichkeit geworden ist, werden Sie sich 'darüber freuen, daß wir auch bei der Vermittlung dieser Menschen dafür sorgen, daß auf Grund entsprechender Belehrung der Heilstätten Umschulungen vorgenommen werden, die nachher auch zu einer wirklichen Vermittlung in den Arbeitsprozeß führen. Eine selbständige Arbeitsvermittlung, wie Sie sie anscheinend im Auge haben, haben die Berufsgenossenschaften noch nie besessen.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, daß unser Antrag verkannt wird. Wir wollen ja nichts ändern. Wir wollen den seit Jahrzehnten bewährten Zustand, bestehen lassen. Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben in Ihren Ausführungen erklärt, daß sich der bisherige Zustand bewährt habe. Der bisherige Zustand sah nicht eine selbständige Vermittlung vor, sondern eine Hilfeleistung durch die Berufsgenossenschaften. Ich bin der Meinung, daß es dabei bleiben sollte; denn die Berufsgenossenschaften haben die
({0})
große Möglichkeit, innerhalb eines Berufes dem Beschädigten besondere Hilfe, besondere Förderung zuteil werden zu lassen. Sie haben einen viel besseren Überblick in beruflicher Beziehung als z. B. die Bundesanstalt oder die Arbeitsämter. Die Arbeitsämter sollen durch meinen Antrag nicht ausgeschaltet werden.
Dann noch eins. Ich verstehe nicht, warum wir einen bisher bestehenden gesetzlichen Zustand, der durch zu erwartende Gesetze geändert werden soll, nicht so lange bestehen lassen sollen, bis diese Gesetze kommen. Man hält den bisherigen Zustand nicht für schlecht, sondern erkennt ihn als gut an. Also sollte man ihn bestehen lassen und erst ändern, wenn die neuen Gesetze die parlamentarischen Körperschaften durchlaufen haben.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung über den aufgerufenen § 49.
Ich komme zur Abstimmung über den soeben begründeten Antrag Umdruck 821*) Ziffer 1. Wer diesem Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über den § 49 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 49 a. Wird dazu das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Wer dem aufgerufenen § 49 a zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 50 und hierzu die Anträge auf Umdruck 808 Ziffer 1, Umdruck 821 Ziffer 2 und Umdruck 822. Wer begründet den Antrag 808**) Ziffer 1? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bürkel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 50 Abs. 2 Satz 2 des ,Regierungsentwurfs heißt es:
Die Veröffentlichung von Stellenangeboten und Stellengesuchen in Zeitungen, Zeitschriften . . . wird hierdurch nicht eingeschränkt, es sei denn, . . .
Wir wollen das Wort „Veröffentlichung" in Abs. 2 Satz 2 durch das Wort „Aufnahme" ersetzen. Der Grund ist folgender: In zunehmendem Maße findet man in der Tagespresse Stellenangebote von Wirtschaftsprüfern, Unternehmensberatern und ähnlichen Instituten. Die Personen, die derartige Anzeigen veröffentlichen, erfüllen unseres Erachtens den Tatbestand einer genehmigungspflichtigen Arbeitsvermittlung. In § 50 Abs. 2 der bisherigen Fassung heißt es, daß die Veröffentlichung von Stellenangeboten nicht eingeschränkt wird, „es sei denn, daß sie Hauptzweck der Presseerzeugnisse ist". Diese alte Fassung könnte den Anschein erwecken, daß die Veröffentlichung von Stellenangeboten schlechthin gestattet ist. Gemeint ist aber von uns nur, daß die Aufnahme derartiger Stellenanzeigen
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 7. durch die Presse keine genehmigungspflichtige Arbeitsvermittlung der Herausgeber der Zeitschrift darstellt. Um nun jeden Zweifel über diese Frage auszuschließen, haben wir den Antrag gestellt, das Wort „Veröffentlichung" durch das Wort „Aufnahme" zu ersetzen. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Wer begründet den Antrag Umdruck 821*)? - Herr Dr. Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Bei dem Abs. 3 des § 50 handelt es sich um die sogenannten Leiharbeitsverhältnisse. Davon werden in erster Linie die Metall-, Chemie- und Bauindustrie und auch der Bergbau und die Landwirtschaft betroffen. In diesen Industriezweigen kommt es vor, daß Arbeiter von Firma zu Firma bzw. von Betrieb zu Betrieb vermittelt werden. Dabei ist es in vielen Fällen nicht üblich und auch nicht zweckmäßig, daß der Unternehmerfirma die Leitung und Beaufsichtigung der Arbeiten übertragen wird. Andererseits soll eine kontinuierliche Beschäftigung der Arbeitnehmer gewährleistet bleiben. Es besteht deswegen ein sachliches Interesse daran, die Möglichkeit zum Abschluß solcher Rechtsverhältnisse auch in Zukunft ohne Einschaltung der Bundesanstalt zu erhalten. Angesichts dieses Vorschlags ist der etwas scharfe Vorwurf erhoben worden, daß es sich um eine Art Menschenhandel handele. Das ist eine bewußte und grobe Irreführung; denn solche Leiharbeitsverhältnisse werden unter anderem auch von den Tarifpartnern anerkannt, also den Gewerkschaften einerseits und den Arbeitgeberverbänden andererseits. Es gibt eine Reihe von Tarifverträgen, in denen die Lohnregelung für diese Leiharbeitsverträge genauestens festgelegt ist. Damit kann man wohl annehmen, daß die Tarifpartner diese üble Bezeichnung, die ich soeben genannt habe, für ein solches Arbeitsverhältnis nicht anerkennen.
Ich bitte Sie, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, da sich in der Praxis diese Art der Arbeitsvermittlung gut bewährt hat.
Das Wort zur Begründung des Antrags auf Umdruck 822**) hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich am Wochenende einmal die großen Tageszeitungen anschauen und den Stellenanzeigenteil etwas näher prüfen, dann werden Ihnen eine ganze Reihe sehr großer Anzeigen auffallen, in denen Kräfte gesucht werden und die von Beratungsinstituten oder von Einzelpersönlichkeiten unterzeichnet sind, die als Sozialberater oder als Industrieberater gekennzeichnet sind. Mit diesen Anzeigen, die sich mit einem ganz bestimmten Kreis von hockqualifizierten stellungsuchenden Angestellten befassen, hat es folgende Bewandtnis.
Unternehmungen, die Spitzenkräfte suchen, können nicht in allen Fällen offen inserieren, sei es aus Gründen der Konkurrenz, sei es aus intern bedingten Gründen. Sie können sich aber auch nicht den örtlichen Arbeitsämtern zuwenden und diese oder etwa die zentrale Ausgleichsstelle in Frankfurt am Main um eine Vermittlung ersuchen, und zwar deswegen nicht, weil dort die Behandlung
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 10.
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nach einem Behördengrundsatz schematisch erfolgen muß. Ich bitte, das richtig zu verstehen. Ich will damit keine allgemeine Abwertung der anerkennenswerten Arbeit dieser Institutionen verbinden. Aber es ist ein Unterschied, ob Sie etwa einen Verwaltungsdirektor, einen technischen Direktor, einen hochqualifizierten Techniker für irgendwelche besonderen Forschungsangelegenheiten oder ob Sie einen Kalkulator, eine Stenotypistin oder sonst allgemein qualifizierte kaufmännische Kräfte suchen.
Es ist daher zweckmäßig, daß diesen Beratungskreisen, deren es in der Bundesrepublik nur eine sehr geringe Zahl gibt und die sich innerhalb der Firmen - hier handelt es sich im wesentlichen auch nur um sehr große bekannte Unternehmungen - inzwischen einen bekannten Namen gemacht haben, die Möglichkeit gegeben wird, qualifizierte Kräfte auch weiterhin zu vermitteln. Hier soll nicht das sonst auch von uns anerkannte Monopol der Bundesanstalt erhalten bleiben. Diese qualifizierten Kräfte werden durch den Personenkreis begrenzt, der in § 4 des Betriebsverfassungsgesetzes genannt ist. Diese Personen sind insofern nicht allgemein mit Arbeitnehmern gleichzustellen, weil sie eine leitende, eine besondere Funktion innehaben. Es ist nur ein kleiner Kreis. Aber wegen seiner besonderen Eigenart ist es notwendig, auch eine besondere Behandlung zu gestatten.
Ich bitte um die Annahme des Änderungsantrages.
Ich eröffne die Aussprache. Ich erteile dem Abgeordneten Sabel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung zu dem Änderungsantrag, den Herr Kollege Dr. Atzenroth begründet hat. In diesem Antrag wird vorgeschlagen, den Abs. 3 des § 50 zu streichen. Dieser Absatz enthält die sogenannten Leiharbeitsverhältnisse, und zwar geht man davon aus, daß es als Arbeitsvermittlung gilt, soweit solche Arbeitsverhältnisse regelmäßig geschaffen werden, soweit Arbeitskräfte regelmäßig dritten Personen für eine Beschäftigung zur Verfügung gestellt werden.
Nun wünscht Herr Dr. Atzenroth die Streichung dieses Absatzes. Wir widersprechen diesem Antrag und bitten, ihm nicht stattgeben zu wollen. Die Bestimmung, um die es geht, entspricht dem bisherigen Recht, und sie ist unseres Erachtens auch erforderlich, um unklare arbeitsrechtliche Verhältnisse zu vermeiden.
Ich darf das vielleicht an einem Beispiel erläutern. Eine Baufirma leiht einem Betrieb Arbeitskräfte aus. Nun werden diese Arbeitskräfte in den Produktionsablauf des betreffenden Betriebes eingereiht und unter Aufsicht von Fachkräften des Betriebs beschäftigt. Die Arbeiter erhalten zwar den Lohn des Betriebs, werden aber nach den Kündigungsbestimmungen behandelt, wie sie für Arbeitnehmer im Baugewerbe gelten. Der Kündigungsschutz ist also eingeschränkt. Das ist die Situation, die für die betreffenden Arbeitnehmer vom arbeitsrechtlichen Standpunkt aus gesehen nachteilig ist. Auch nehmen diese Arbeitnehmer nicht an den sozialen Einrichtungen des betreffenden Betriebs, dem sie ausgeliehen wurden, teil.
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- Ja doch, ich meine, das ist die Ausstrahlung auf das Einzelarbeitsverhältnis des ausgeliehenen Arbeitnehmers. Das kann und wird sich weithin so auswirken.
Der Vorteil des aufnehmenden Betriebs liegt darin, daß er seinen Belegschaftsstand schneller an Produktionseinschränkungen usw. anpassen kann, schneller, als es nach den sonst für ihn gültigen Kündigungsbestimmungen möglich wäre.
Ich möchte also sagen: Für den Arbeitnehmer ergibt sich eine arbeitsrechtlich unklare Lage, die er vielleicht in Kauf nimmt, weil er damit rechnet, später einmal Stammarbeiter in dem betreffenden Betrieb zu werden. Das veranlaßt uns nun, diesem Antrag nicht zuzustimmen. Ich sage noch einmal: Bitte, der § 50 Abs. 3 spricht nur vom regelmäßigen Verleihen von Arbeitskräften.
Darf ich gleich noch etwas zu dem Antrag zu § 50 Abs. 5 sagen, den der Kollege Dr. Jentzsch begründet hat. Danach soll ein bestimmter Personenkreis aus der Arbeitsvermittlung ausgeschlossen werden. Dabei ist auf den § 4 Abs. 2 Buchstaben a und d des Betriebsverfassungsgesetzes Bezug genommen worden. Auch bei diesem Antrag sind wir der Meinung, daß ihm nicht zugestimmt werden sollte, weil dadurch tatsächlich die Vermittlung für einen unübersehbaren Personenkreis ausgeschlossen würde. Wer sich noch an die Beratung zum Betriebsverfassungsgesetz erinnert, der weiß ja, daß hierunter eine ganze Reihe von Personen fällt, die nicht immer kochbezahlte Personen sind. Der Prokurist im kleinen Betrieb, der Mann in einer besonderen Vertrauensstellung im kleinen Betrieb hat dort wohl die Vorgesetztenfunktion. Hier hat er nach dem Betriebsverfassungsgesetz ein eingeschränktes Recht. Ich glaube aber, es ist kein Anlaß gegeben, diesen - ich sage noch einmal - unübersehbaren Personenkreis aus der Arbeitsvermittlung herauszunehmen.
Ich möchte also bitten, auch diesem Antrag nicht zuzustimmen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich spreche zum Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion zu § 50 Abs. 2 Satz 2.
Das Thema des Monopols der Arbeitsvermittlung durch die Arbeitslosenversicherungsanstalt und die Arbeitsämter - zu dem Herr Kollege Jentzsch gesprochen hat - ist ein Thema, das sicherlich besonders diejenigen bewegt, die unter den leitenden Angestellten in einer anderen - nicht vergleichbaren - Lage sind als die Arbeitnehmer schlechthin. Wer alle - Arbeiter, Angestellte, leitende Angestellte und Beamte - gleichmäßig als „Arbeitnehmer" sieht, wird das wahrscheinlich nicht so verstehen. Wer aber weiß, wie individuell das Leben ist und wie unterschiedlich die Arbeitsverhältnisse und die Menschen sind und damit auch die Situation ist, in der ein Arbeitnehmer in leitender Stellung zu entscheiden hat, ob und wann er seinen Arbeitsplatz wechselt, wird anerkennen, daß sich der Betreffende dann jeweils in einer sehr schwierigen Situation befindet.
Diejenigen, die einen solchen qualifizierten Angestellten suchen - das betrifft in der Regel nur leitende Angestellte -, pflegen sich in der Regel nicht an das Arbeitsamt zu wenden; das ist ein
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ganz bekannter Lebenstatbestand, dem man Rechnung tragen sollte. Aber zweitens trifft genau das Gegenteil von dem zu, was Herr Dr. Jentzsch bezüglich der sozialen Wirklichkeit gesagt hat. Natürlich gibt es Betriebe, die nicht gern ihren Namen in die Zeitung setzen wollen, damit sie nicht ein Überangebot von Bewerbungen und dergleichen bekommen. Aber der Schutz des Gesetzgebers sollte doch immer dem gelten, der abhängig ist, also dem Arbeitnehmer. Für den leitenden Angestellten ist es sehr peinlich, wenn er in der Absicht, sich zu verändern - nachdem er mit seinem Chef Ärger gehabt hat oder irgendwelche Meinungsverschiedenheiten Anlaß zu der beiderseitigen Überlegung sind, sich voneinander zu trennen -, auf eine Chiffre-Anzeige schreibt und sich damit - was ihm passieren kann - bei seinem eigenen Arbeitgeber bewirbt, den er verlassen will und der damit in einem Augenblick von dieser Absicht erfährt, in dem der Angestellte sie ihm noch nicht kundgetan hat.
Der Antrag, den Herr Kollege Bürkel für die Fraktion der CDU/CSU begründet hat, scheint mir vernünftig zu sein. Meine Freunde werden ihm zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die verehrte Frau Kollegin Kalinke dahingehend verstanden, daß sie meinem Anliegen Rechnung tragen möchte. Aber mit Ihnen, Herr Sabel, gehe ich nicht einig, und zwar aus folgendem Grunde. Sehen Sie sich einmal den Wortlaut des Änderungsantrags an: „Eine Arbeitsvermittlung liegt ferner nicht vor, soweit es sich um den in § 4 genannten Personenkreis handelt"! Das beinhaltet nicht, daß etwa diejenigen, die sich an die Bundesanstalt oder an die Zentralausgleichsstelle wenden, ausgeschlossen seien.
Der Zweck meines Ergänzungsantrags ist vielmehr folgender: Die wenigen vorhin von mir angeführten Stellen - seien es Sozialberater, seien es Industrieberater oder Beratungsinstitute -, die in den einschlägigen Kreisen bekannt sind, haben bislang nicht die Möglichkeit, diese besondere Gruppe von Stellungsuchenden, die Frau Kalinke noch deutlicher als ich gekennzeichnet hat, mit den interessierten Firmen zusammenzubringen, und zwar unter Beachtung all der Umstände, die nun einmal bei dieser besonderen Kategorie von arbeitsuchenden leitenden Angestellten gegeben sind. Das kann man wirklich nicht in der naturgemäß schematischen Behandlungsweise einer Behörde erledigen. Dabei sind so viele Momente zu berücksichtigen. Bedenken Sie doch bitte, daß von der Neubesetzung eines führenden Gremiums einer großen Unternehmung das Wohl und Wehe dieses Unternehmens abhängt. Es kommt nicht darauf an, irgendeinen x-beliebigen Menschen dort hinzusetzen, der zufälligerweise frei ist, sondern es kommt darauf an, jemanden zu finden, der in charakterlicher, fachlicher und sonstiger Hinsicht der großen Verantwortung gewachsen ist. Das kann aber nur eine Stelle ermitteln, der - unter Hinweis auf die Monopolstellung des Arbeitsamtes - die Genehmigung erteilt wird, für den begrenzten unter § 4 des Betriebsverfassungsgesetzes fallenden Personenkreis tätig zu werden, ohne daß von hoher Hand ein Eingriff erfolgt und gesagt wird: nein, das kommt nicht in Frage, ihr dürft das nicht, das kann und darf nur über das Arbeitsamt gemacht werden.
Umgekehrt, Herr Sabel, ist es so: wenn einer aus den Angestelltenkreisen, die ich eben gekennzeichnet habe, sich an ein Arbeitsamt oder an die zentrale Ausgleichsstelle wenden und dort vermittelt werden will, so steht dem gar nichts im Wege. Denn der Änderungsantrag, den ich gestellt habe und der nicht eine unübersehbare Zahl von Fällen betrifft, verlangt nicht, die Tätigkeit der Arbeitsämter hier generell auszuschließen, sondern läßt sie zu, wenn sie von den Betreffenden angegangen werden. Was ich erreichen möchte, ist, daß den anderen, den qualifizierten Stellen nicht die Möglichkeit genommen wird, in dieser ganz besonderen Art tätig zu werden.
Ich bitte Sie daher nochmals, Ihre Bedenken zurückzustellen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über den Änderungsantrag Umdruck 808*) Ziffer 1 abstimmen, durch den § 50 Abs. 2 Satz 2 eine bestimmte Form gegeben werden soll. Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 1 zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 821**) Ziffer 2: „§ 50 Abs. 3 wird gestrichen." Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme jetzt zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 822***), durch den § 50 Abs. 5 ergänzt werden soll. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen abgelehnt.
Wer nunmehr dem § 50 in der durch die Annahme des Antrags Umdruck 808 Ziffer 1 geänderten, im übrigen in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 50 a. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wer § 50 a zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 51, dazu den Antrag Umdruck 808*) Ziffer 2. Zur Begründung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 51 Abs. 3 steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 138 c. Ich werde daher die Buchstaben a und b der Ziffer 2 bei der Begründung miteinander verbinden. Beide Bestimmungen sollen die Frage der Rehabilitation im
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe' Anlage 10.
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Rahmen der Arbeitsverwaltung regeln. Unser Änderungsantrag bezweckt, die Fassung des § 51 Abs. 3 mit der Terminologie des Bundesversorgungsgesetzes und der Entwürfe eines Rentenversicherungsgesetzes und des Unfallversicherungsgesetzes in Einklang zu bringen. Im übrigen sollen die materiellen Bestimmungen, die im Augenblick in § 138 c niedergelegt sind, nach vorne in den § 51 Abs. 3 genommen werden. Dabei ist der § 51 Abs. 3 zur Klarstellung umformuliert worden.
Der Sinn dieser Umformulierung ist folgender. In dem vorliegenden § 51 Abs. 3 wird gesagt:
Soweit zur Eingliederung von Arbeitsuchenden und Berufsanwärtern in Arbeit berufsfördernde Maßnahmen notwendig sind, hat die Bundesanstalt die zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen.
Das könnte dazu führen, daß die Bundesanstalt im Falle der Eingliederung von Arbeitsuchenden und Berufsanwärtern in Arbeit sämtliche, also sowohl die medizinischen, die sozialen als auch die vermittlungsmäßigen Maßnahmen der Rehabilitation durchführen würde. Das ist aber mit diesem § 51 Abs. 3 nicht beabsichtigt. Bei der Rehabilitation soll vielmehr nur insoweit mitgewirkt werden, als es sich um berufsfördernde und arbeitsfördernde Maßnahmen handelt. Infolgedessen soll der § 51 Abs. 3 folgende Fassung erhalten:
Soweit zur Eingliederung von Arbeitsuchenden und Berufsanwärtern Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit geistig oder körperlich behinderter Personen erforderlich werden, hat die Bundesanstalt die notwendigen Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung zu veranlassen.
Keine weiteren Maßnahmen!
Daraus ergibt sich die Änderung des § 138 c. Die materiellen Bestimmungen werden in den § 51 Abs. 3 genommen, und der § 138 c kann deshalb die kürzere Fassung bekommen:
Der Verwaltungsrat erläßt ferner mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit Vorschriften zur Durchführung des § 51 Abs. 3 Satz 2. § 138 a Abs. 1 gilt entsprechend.
Es handelt sich hier nicht um eine materielle Änderung, sondern lediglich um eine redaktionelle Verbesserung des Gesetzes. Wir bitten daher, dem Antrag zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Herr Abgeordneter, ich glaube, es ist sinnvoll, daß wir nicht nur über Ziffer 2 a des Änderungsantrags, sondern auch gleich über Ziffer 2 b abstimmen, weil sich das dann organisch einfügt.
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- Bei § 138 c liegt ein Änderungsantrag nicht vor.
Aber es ist mir recht. Ich lasse dann also nur über
Umdruck 808 Ziffer 2 Buchstabe a abstimmen und
rufe den Buchstaben b dann bei dem betreffenden Paragraphen auf.
Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 808*) Ziffer 2 Buchstabe a zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wer dem so abgeänderten § 51 zuzustimmen wünscht, gebe nunmehr das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 52 des Gesetzentwurfs und dazu den Umdruck 797**) Ziffer 1. Ich erteile das Wort zur Begründung dem Herrn Abgeordneten Ludwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem jetzigen Wortlaut dieses Paragraphen soll zwar der Vermittler nicht vermitteln, wenn das zu tarifwidrigen Bedingungen geschehen sollte; aber er könnte es, weil die Bestimmung nicht zwingend genug ist. Wir sind deshalb der Auffassung, daß die Formulierung ganz klar und scharf sein sollte, denn das wäre vor allem für den Vermittler sehr angenehm. Sollten einmal tarifwidrige Absichten vorliegen und die Tarifgebundenheit dem Vermittler bekannt sein, dann sollte er die ganz klare Richtlinie haben, daß er in diesem Falle nicht vermitteln darf. Darauf kommt es uns an. Ich bin der Meinung, auch jeder tariftreue Unternehmer wünscht, daß verhindert wird, Menschen zu tarifwidrigen Bedingungen zu vermitteln, weil auch jeder Unternehmer ein Interesse daran hat, daß überall nach Tarif bezahlt wird. Wenn das nämlich nicht überall geschieht, ist das für ihn eine Schmutzkonkurrenz.
Wir wollen also klar vorschreiben, daß bei Kenntnis des Bestehens von Tarifverträgen und der Absicht, jemanden zu tarifwidrigen Bedingungen zu vermitteln, nicht vermittelt werden darf. Deshalb wünschen wir, daß das Wort „soll" durch das Wort „darf" ersetzt wird.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sache selbst bestanden im Ausschuß keine Meinungsverschiedenheiten. Darüber, daß die Arbeitsvermittlung nicht dazu führen soll, bestehende Tarifverträge zu ignorieren, waren wir uns im klaren. Wenn wir uns trotzdem nur dafür entschieden haben, zu sagen, der Arbeitsvermittler solle an dem Zustandekommen von Beschäftigungsverhältnissen zu tarifwidrigen Bedingungen nicht mitwirken, dann aus dem Grunde, weil die von der SPD vorgeschlagene Formulierung bedingen würde, daß jedes Arbeitsamt ein Tarifregister führen müßte. Wer die Praxis kennt, weiß, daß es sehr viele Tarifverträge gibt und daß sie zum Teil sehr umfassend sind. Darüber hinaus müßte aber der Arbeitsvermittler alle diese Tarifverträge kennen. Ich muß wiederum sagen: Wer die Praxis kennt, muß sich darüber klar sein, daß das wirklich eine Überforderung der Arbeitsämter und insbesondere der Vermittler bedeutet.
Ich möchte also nochmals sagen: auch wir wünschen nicht, daß die Arbeitsvermittlung dazu be-
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 3.
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nutzt wird, tarifliche Regelungen zu umgehen. Aber wir halten die Bestimmung, die jetzt eingefügt wurde, für ausreichend und sind der Meinung, daß die Anwendung der von der SPD angeregten Bestimmung aus den von mir vorgetragenen Gründen nicht möglich ist.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung zu § 52.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 797 Ziffer 1*) zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr dem aufgerufenen § 52 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 53, 54, 55, 56, 57 und 58. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 59, dazu den Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 1**). Wer begründet? - Abgeordneter Hübner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren, Der § 59 in der Ausschußfassung ermächtigt die Bundesanstalt, an Maßnahmen zur Förderung des beruflichen Nachwuchses mitzuwirken und sie durchzuführen, soweit dies erforderlich ist. Meine Freunde sind der Meinung, daß es nicht zu den behördlichen Funktionen gehört, Aufgaben von Arbeitgebern der Privatwirtschaft zu übernehmen, z. B. die Lehrlingsausbildung. Wir wenden uns nur gegen die hier verlangte Regelung, derartige Aufgaben durch die Bundesanstalt durchführen zu lassen, wir wenden uns nicht gegen die Mitwirkung. Ein solches Bedürfnis kann auch nur in Zeiten mangelnder Beschäftigung auftreten. Dann ist es für jeden Privatbetrieb aber nur eine Frage der Mittelbereitstellung, um diese Aufgaben selbst durchführen zu können. Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß die Privatwirtschaft hierfür weit weniger Mittel beanspruchen würde, als sie eine Neueinrichtung von Lehrwerkstätten durch die Bundesanstalt erfordern würde.
Dabei muß noch etwas anderes überlegt werden. Eine solche Lehrausbildung erfüllt bekanntlich nur dann ihren Zweck, wenn sie an praktischen Aufgaben vorgenommen wird. Das bedeutet aber, daß in Zeiten wirtschaftlicher Schwäche ein Teil des aufkommenden Auftragsbestandes auch noch von diesen behördlichen Lehrwerkstätten weggenommen wird.
Wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen und die Worte und sie durchzuführen" zu streichen.
Ich eröffne die Aussprache. - Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Franzen.
*) Siehe Anlage 3.
**) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Freunde bitte ich, den Antrag, der soeben von dem Kollegen Hübner hier begründet wurde, nicht anzunehmen. Dem Antrag, die Worte „und sie durchzuführen" zu streichen, ist zu widersprechen. Die frühere Reichsanstalt wie auch die Bundesanstalt haben von jeher solche Maßnahmen auch selbst durchgeführt. Die Bundesanstalt hat die Aufgabe, die Arbeitsfähigkeit der Jugendlichen, die nicht in Arbeit sind, zu erhalten bzw. ihre Vermittlungsreife zu fördern. Wir sind selbstverständlich damit einverstanden, daß die Maßnahmen „anderer" von der Arbeitsverwaltung gefördert werden. Wo aber die Arbeitsverwaltung die Maßnahmen selbst durchführen muß, soll sie dies auch tun. Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Ludwig.
Meine Damen und Herren! Ich darf nur kurz darauf hinweisen, daß die Ermächtigung ja begrenzt ist. Es heißt ausdrücklich: „soweit sie erforderlich sind und die Durchführung nicht von anderer Seite sichergestellt wird".
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Ich meine, damit ist ja die Einschränkung gemacht, und es ist durchaus möglich, für diese Fälle der Regelung zuzustimmen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Zu den Ausführungen meines Kollegen Hübner zu diesem Punkt und zu der Begründung unseres Antrags, der für die Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei gemeinsam gestellt ist, erkläre ich ausdrücklich, daß es uns darum geht, daß alle Aufgaben, die in unserer freien Wirtschaft, die in einer sozialen Marktwirtschaft von den mittelständischen Betrieben - und um die geht es hier -, nämlich von den handwerklichen Betrieben, von den kleinen Betrieben, durchgeführt werden können, auch von diesen durchgeführt werden sollten. Wir sind der Meinung, daß alle Maßnahmen der Ausbildung und Schulung der Jugend, die von einem Betrieb, einem Lehrherrn, einem Meister durchgeführt werden können, auch tatsächlich von diesen durchgeführt werden sollen; diese Aufgaben liegen in besseren Händen, wenn sie von der Wirtschaft durchgeführt werden, als wenn es durch eine Behörde geschieht.
Das Argument, das solle ja nur in besonderen Fällen geschehen, nämlich nur dann, wenn es anderswo nicht möglich ist, ist sehr bestechend, aber die Erfahrung des Lebens und die Praxis zeigen, daß bei jeder Aufgabe, die die öffentliche Hand wahrnimmt, das Bestreben und die Gefahr einer Ausweitung vorhanden ist. Wenn schon öffentliche Mittel für Lehrlingswerkstätten, Lehrlingsausbildung, Umschulung und dergleichen zur Verfügung gestellt werden, sollte die öffentliche Hand solche Aufgaben nur dann an sich ziehen, wenn es nicht anders geht. Wir bezweifeln, daß es nicht anders geht! Das Ziel muß sein, mit allen Mitteln diejenigen Kräfte zu fördern, die sich in der mittelständischen Wirtschaft bereit finden, solche Aufgaben in Selbstverantwortung durchzuführen.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren, wir unterstützen diesen Antrag. Ich unterstreiche die Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke in vollem Umfange. Aus meiner Erfahrung im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung will ich noch einige Worte hinzufügen. Der Bundesanstalt wird in der Öffentlichkeit immer der Vorwurf gemacht, daß sie sich aufblähe, daß sie einen zu großen Apparat aufgebaut habe. Hier ist eine Gelegenheit, wo wir abbremsen, wo wir die Bundesanstalt von Aufgaben entlasten können, die nicht ihre ureigenen Aufgaben sind. Das sind Aufgaben, die der privaten Wirtschaft vorbehalten bleiben müssen. Deswegen unterstützen wir den Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Kutschera.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ernsthafter Grund zur Besorgnis besteht doch gar nicht. Es geht darum, daß nur dann - das ist von der sehr verehrten Frau Kollegin Kalinke ja auch eingeräumt worden - die Maßnahmen von der Bundesanstalt durchgeführt werden, wenn nicht die übrigen zuständigen Stellen die Ausbildung übernehmen. Es heißt ausdrücklich: soweit die Durchführung nicht von anderer Seite sichergestellt wird. Gerade das Problem der Förderung des beruflichen Nachwuchses erscheint uns so dringend, daß wir diese Verpflichtung für die Bundesanstalt nicht aus dem Gesetz nehmen sollten. Wenn das Unternehmen, wenn der Lehrherr nicht imstande ist, die Berufsausbildung zu sichern und zu vertiefen, sollte die Bundesanstalt dafür eintreten. Wir stimmen deshalb dem Ausschußantrag zu.
Herr Abgeordneter Sabel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch eine kurze Bemerkung. Wir müssen ja bei dieser ganzen Arbeit immer darauf sehen, wie die Praxis ist. Die Arbeitsämter bemühen sich natürlich ernsthaft darum, daß bestimmte Maßnahmen von anderen Trägern durchgeführt werden; ich darf hier nur an die gewerblichen Fortbildungsschulen und andere Einrichtungen erinnern. Das ist üblich und das ist vernünftig. Ich stimme gern den hierzu vorgetragenen Argumenten zu. Aber wir wollen nicht, daß man den Arbeitsämtern grundsätzlich verbietet, dann eine Maßnahme durchzuführen, wenn sich nun einmal kein anderer Träger findet. Das ist meist dort der Fall, wo andere Einrichtungen nicht vorhanden sind. Ich darf hier an ländliche Bezirke erinnern, wo man keine Schulen oder andere Einrichtungen in Anspruch nehmen kann. Mindestens da muß man dem Arbeitsamt die Möglichkeit geben, im Interesse des betreuten Personenkreises solche Maßnahmen durchzuführen. Sie haben ohne weiteres die Möglichkeit, gerade über die Verwaltungsorgane für Ordnung zu sorgen, wenn Sie befürchten, daß ein Arbeitsamt versucht, andere, besser geeignete Einrichtungen auszuschalten. Das Mißtrauen ist hier also nicht recht begründet. Ich möchte noch einmal empfehlen, dem Antrag nicht zuzustimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 802 Ziffer 1 *) zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr dem aufgerufenen Paragraphen 59 in der Ausschußfassung zustimmen will, gebe das Handzeichen. -- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 60 in der Ausschußfassung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den Paragraphen in der Ausschußfassung anzunehmen gewillt ist, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 61, dazu die Anträge Umdruck 802 Ziffer 2 und Umdruck 821 Ziffer 3. Wer begründet den Antrag Umdruck 802 Ziffer 2? - Abgeordneter Hübner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde bitten Sie, die Sätze 2 und 3 in dem § 61 zu streichen. Diese Sätze geben dem Arbeitsamt die Möglichkeit der Erhebung von Gebühren für besondere Aufwendungen für die Arbeitsvermittlung und Berufsberatung, die über die durchschnittlichen Kasten hinausgehen. Die sonstige Regelung sieht grundsätzlich die unentgeltliche Arbeitsplatzvermittlung vor. Es ist doch nicht abzustreiten, daß der Kostenaufwand auch im Regelfall je nach den Umständen stark differenziert ist. Die durch den Vermittlungsauftrag entstehenden Kosten sind nun einmal in dem Beitrag enthalten, und höhere Aufwendungen in dem einen Fall werden durch niedrigere Aufwendungen in anderen Fällen wieder aufgewogen.
Daß mit solchen außergewöhnlichen Aufwendungen gerechnet wird, ohne daß man hierfür besondere Gebührenansätze vorsieht, zeigt schon der § 132, der beispielsweise für Fälle der Arbeitsaufnahme an anderen Orten besondere Zuwendungen ermöglicht. Diese Zuwendungen liegen durchaus auch im Interesse des Arbeitgebers, der Arbeitsplätze frei hat.
Wir glauben also, daß diese Sätze schon aus Gründen einer Angleichung, aber auch deshalb, weil die gesamte Arbeitsplatzvermittlung in ihrem Kostenaufwand im Beitrag enthalten ist, nicht berechtigt sind. Wir wollen sie deshalb streichen.
Herr Abgeordneter Atzenroth zur Begründung des Antrags Umdruck 821**) Ziffer 3.
Meine Damen und Herren! Wir wollten ursprünglich denselben Antrag stellen. Auch wir sind der Meinung, daß es von dem Grundsatz, daß die Arbeitsvermittlung unentgeltlich durchgeführt werden soll, keine Ausnahmen geben sollte. Auch im Verwaltungsrecht gilt ja der Grundsatz, daß Amtshandlungen - als solche kann man die in § 61 angeführten Maßnahmen wohl betrachten - unentgeltlich erbracht werden müssen. Wir sind trotzdem nicht so
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 9.
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weit gegangen und wollen es bei der Regierungsvorlage belassen. Was aber der Ausschuß hinzugesetzt hat, mußte uns natürlich veranlassen, nun doch einen Antrag zu stellen. Nach der Ausschußfassung sollen die unter bestimmten Sonderverhältnissen erhobenen Gebühren nur beim Arbeitgeber erhoben werden. Die Beitragsregelung ist in diesem Gesetz und in unserer ganzen Sozialversicherung - Herr Richter, das Gesetz über die Parität in der Sozialversicherung haben wir doch gemeinsam gemacht - grundsätzlich paritätisch. Warum soll hier eine Ausnahme gemacht werden? Wenn in einem Falle - ich will jetzt einmal von dem Antrag, der vorhin begründet worden ist, absehen - besondere Leistungen erbracht werden müssen, dann sind die Aufwendungen gleichermaßen im Interesse des Arbeitgebers wie des Arbeitnehmers notwendig. Wenn man dann einen zusätzlichen Beitrag erheben will, muß man ihn nach den gleichen Grundsätzen erheben, nach denen man den Grundbeitrag erhebt. Die Bestimmung, die der Ausschuß hier in das Gesetz gebracht hat, ist sicherlich nicht berechtigt, und wir beantragen ihre Streichung.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ist im Ausschuß eingehend diskutiert worden. In der Praxis ist es so, daß Gebühren grundsätzlich nicht erhoben werden. Es gibt nur sehr seltene Fälle, wo man die Interessierton zu einer Kostenbeteiligung heranzieht. Es ist lange die Frage erörtert worden, ob das notwendig ist oder ob man darauf verzichten kann. Aber in Spezialfällen können wirklich Kosten entstehen, die über den durchschnittlichen Aufwand hinausgehen, insbesondere, wenn das Arbeitsamt auf Wunsch von Firmen tätig wird, die bestimmte Fachkräfte suchen und sagen: Scheuen Sie keine Bernübungen, auch wenn es etwas kostet; wir beteiligen uns daran! Im Regelfall werden keine Gebühren erhoben.
In der Regierungsvorlage war vorgesehen, daß für Aufwendungen, die über die durchschnittlichen Kosten der Vermittlung hinausgehen, der Verwaltungsrat die Erhebung von Gebühren anordnen kann. Es liegt auch nach der Ausschußfassung nicht im Ermessen des einzelnen Amtes; auch nach der Ausschußfassung soll der Verwaltungsrat eine Möglichkeit haben, die Erhebung von Gebühren anzuordnen. Allerdings hat der Ausschuß die Bestimmung auf die Erhebung von Gebühren bei Arbeitgebern beschränkt, weil, Herr Kollege Atzenroth, diese im allgemeinen die Zahlungsfähigeren sind, jedenfalls zumeist zahlungsfähiger als der Arbeitslose, der einen Arbeitsplatz sucht.
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Auch das Arbeitsamt weiß die Zumutbarkeit abzuwägen. - Sie sagen: „der kleine Handwerksmeister Ich halte das Arbeitsamt für so vernünftig, daß es wirklich sondiert, was zumutbar ist. Also das war der Grund.
Man kann natürlich sagen: das ist keine unbedingte Gleichstellung. Aber ich glaube, die Gründe kann man verstehen.
Ich möchte auch dem Antrag, die Sätze 2 und 3 ganz zu streichen, widersprechen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß keine Gefahr besteht, daß Mißbrauch getrieben werden kann, weil die Organe hier ja nur eine Ermächtigung bekommen. Ob und inwieweit sie von der Ermächtigung Gebrauch machen, ist dann ihre Sache.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen von Herrn Kollegen Sabel geht hervor, daß der Ausschuß diese Bestimmung anscheinend noch weiter auslegen will, als ich es beim Lesen der Fassung erwartet habe. Nach dem Wortlaut des Gesetzentwurfs hätte man annehmen müssen, daß beim Vorliegen gleicher Verhältnisse das Arbeitsamt oder die Arbeitsbehörde die Pflicht hat, nach gleichen Maßstäben vorzugehen. Herr Sabel erklärt aber hier, das sei so zu verstehen, daß es ganz ins Belieben der Arbeitsbehörde gestellt sei, im individuellen Falle zu entscheiden, ob sie Entgelte erhebe. Das ist meiner Ansicht nach sogar verfassungswidrig. Deshalb ist unser Antrag noch notwendiger, als er es ohnehin schon war.
Weiter wird das Wort nicht gewünscht; ich schließe die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung, und zwar in der Weise, daß ich zuerst über den Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 2*) abstimmen lasse, weil er nach meiner Auffassung der weitergehende ist. Er will zwei ganze Sätze gestrichen haben, während der Antrag Umdruck 821 Ziffer 3 nur zwei Worte gestrichen haben will. Wer also dem Antrag Umdruck 802 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag Umdruck 821 Ziffer 3**) abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr dem aufgerufenen § 61 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf § 62, § 63, § 64, § 65. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 66, dazu die Änderungsanträge Umdruck 797 Ziffer 2 und Umdruck 830.
Zur Begründung des Antrags Umdruck 797***) Ziffer 2 hat Herr Abgeordneter Bergmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich habe die Aufgabe, den Änderungsantrag Umdruck 797 Ziffer 2 a, b, c und d zu begründen. Hier geht es darum, inwieweit die Verwaltungsvorschriften nur mit Zustimmung des Ministers für Arbeit erlassen werden können. Der
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 3.
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Ausschuß für Arbeit hat mit Mehrheit beschlossen, daß die Verwaltungsvorschriften bzw. Richtlinien, die in § 66 Abs. 4 ebenso wie in den übrigen unter a, b, c und d genannten Bestimmungen aufgeführt sind, durch den Verwaltungsrat mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit erlassen werden können. Derselbe Grundsatz wurde vom Ausschuß in den §§ 67, 70, 75, 103, 133, 134, 138, 139 und 140 festgelegt. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht darin eine Einengung der Selbstverwaltung der Bundesanstalt.
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Diese zu fördern aber, sollte unsere Aufgabe sein.
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Hier geht es nicht um Rechtsverordnungen, sondern um Verwaltungsvorschriften. Sie zu erlassen, ist Aufgabe der Selbstverwaltung.
Ich darf darauf hinweisen, daß der Herr Minister ohnehin im Verwaltungsrat vertreten ist. Außerdem führt er laut Gesetz die Aufsicht über die Bundesanstalt, und sein Aufsichtsrecht erstreckt sich darauf, daß Gesetz und Satzung beachtet werden. Das sollte doch wohl ausreichen, um die Interessen des Bundes zu wahren.
Im übrigen hat der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 ausdrücklich betont, daß die Selbstverwaltung an die Stelle staatlicher Bevormundung treten müsse.
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Die Regierungserklärung bringt weiter zum Ausdruck, daß sich das Prinzip der sozialen Selbstverwaltung 'bewährt habe.
Diese Gründe haben uns veranlaßt, die vorliegenden Änderungsanträge zu stellen. Ich bitte das Hohe Haus, sich unserer Auffassung anzuschließen und den Anträgen zuzustimmen.
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Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 830*) hat der Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Unser Antrag, der eine andere Materie des § 66, den Abs. 3, betrifft, lautet praktisch dahin, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Die vom Ausschuß gewählte Fassung läßt Zweifel offen, was unter der Befristung eines Auftrags zur Arbeitsvermittlung - darum handelt es sich hier nämlich --- zu verstehen ist. Sollte in der befristeten Erteilung des Auftrags eine sich in kurzen Abständen zu wiederholende Genehmigung liegen, dann würde das eine Fülle von Verwaltungsanordnungen notwendig machen und dem Prinzip der Vereinfachung unserer Verwaltung, das gerade bei der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung einmal verwirklicht werden sollte, widersprechen. Bei den Betroffenen würde darüber hinaus ein erheblicher Grad von Unsicherheit hervorgerufen werden. Es handelt sich zum Teil um Unternehmungen, die Künstler ins Ausland vermitteln und im übrigen der Konvention unterliegen, die zwischen der Bundesregierung und den damaligen Hohen Kommissaren anläßlich der Pariser Verträge abgeschlossen worden ist. Diese Kreise würden in eine große Unsicherheit geraten, wenn sie etwa alle Jahre darauf angewiesen
") Siehe Anlage 12. wären, den Auftrag erneuert zu bekommen oder nicht. Sie könnten Verträge, die auf drei oder fünf Jahre abgeschlossen werden müssen, aus der Befürchtung, daß ihr eigener Auftrag von der Bundesanstalt nicht erneuert wird, gar nicht durchführen. Deswegen schlagen wir vor, dem § 66 Abs. 3 Satz 3 folgende Fassung zu geben:
Der Auftrag zur Arbeitsvermittlung und Lehrstellenvermittlung soll insoweit befristet erteilt werden, als er widerrufen werden kann,...
Das soll dann gelten, wenn die Voraussetzungen vorliegen die im Gesetz enthalten sind. Wir glauben, daß diese Formulierung notwendig ist, um die Unsicherheit bei den betroffenen Kreisen zu beseitigen. Sie trifft in der Sache genau dasselbe, was, wie ich annehme, der Ausschuß gemeint hat.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zu dem Antrag auf Umdruck 797*) Stellung nehmen. Zu dem Antrag der FDP wird Herr Dr. Bürkel sprechen.
Es handelt sich um die Änderung einer Reihe von Paragraphen, in denen vorgesehen war, daß bestimmte Regelungen nur mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit zu erfolgen haben. Herr Kollege Bergmann hat den Antrag gestellt, diese Bestimmungen zu streichen. Er sieht darin eine Einengung der Selbstverwaltung.
Ich glaube, man muß grundsätzlich darauf hinweisen, daß bei dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eine gewisse Einengung der Selbstverwaltung nicht zu umgehen ist. Ich habe in den Ausschußberatungen schon wiederholt darauf hingewiesen, daß man beispielsweise keinen Vergleich mit der Krankenversicherung ziehen kann. Sie wissen, daß hier über die Arbeitslosenversicherung hinaus eine ganze Reihe von Problemen angesprochen sind, bei denen es sich nicht um reine Versicherungsaufgaben und auch nicht um reine Aufgaben der direkt beteiligten Sozialpartner handelt, sondern um Aufgaben, die wesentlich über diesen Rahmen hinausgehen. Ich darf an das Problem der Vermittlung und Berufsberatung erinnern. Ich darf insbesondere daran erinnern, daß in dem Gesetz auch die Arbeitslosenhilfe geregelt wird, für die der Bund Kostenträger ist. Er hat also ein erhebliches Interesse daran, bei der Gestaltung der Dinge beteiligt zu werden.
Dem Bundesministerium für Arbeit steht nach dem Gesetz über die Bundesanstalt nur eine Aufsicht darüber zu, daß die Bundesanstalt das Gesetz beachtet. Vor 1933 hatte das Reichsarbeitsministerium gegenüber der Reichsanstalt ein Weisungsrecht. Bei der Sachlage ist die Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit zu den Vorschriften, die der Verwaltungsrat nach den im Antrag genannten Bestimmungen erlassen kann, die einzige Verklammerung der Tätigkeit der Bundesanstalt mit dem Gesetzgeber, dem Parlament, dem die Selbstverwaltung genau wie die allgemeine Verwaltung unterliegen muß. Der Gesetzgeber und die Regierung sind zur Wahrung der Einheit der allgemeinen Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik unentbehrlich. Wir halten es deswegen
*) Siehe Anlage 3.
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nicht für möglich, dem Wunsch, der hier vorgetragen wurde, zu entsprechen.
Aber vielleicht darf ich die Sache an einem Beispiel einmal erörtern. Erster Anlaß zu einer Korrektur ist der § 66. Hier sollen in Abs. 4 die Worte „mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit" gestrichen werden. Der § 66 behandelt die Frage der Zulassung anderer Einrichtungen zur Arbeitsvermittlung. Ich glaube, das macht die Sache gerade deutlich. Wenn hier wirklich allein der Verwaltungsrat entscheiden könnte, bestünde die Gefahr - das ist menschlich verständlich -, daß man - abgesehen von der Zweckmäßigkeit - andere Vermittlungseinrichtungen, auch wenn ein echtes Bedürfnis dafür vorhanden ist, ablehnen würde, weil sie den eigenen Betätigungsbereich einengten. Ich möchte also generell sagen: in all den Fällen, die hier angeführt sind, ist die Einschaltung des Bundesarbeitsministers zur Gestaltung der Dinge notwendig.
Ich möchte daher bitten, dem Antrag der SPD nicht zuzustimmen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Zu dem Antrag der SPD-Fraktion und der Begründung des Kollegen Bergmann habe ich mich wegen der Grundsätzlichkeit des Problems zu Wort gemeldet. Der Herr Kollege Sabel hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß man bei der Beratung dieses Gesetzes und bei dem Antrag nicht nur davon ausgehen kann, daß es sich um die Arbeitslosenversicherung, also eine Versicherung auf der Grundlage der Äquivalenz von Beiträgen und Leistungen, handelt. Wenn das ) allein der Fall wäre, würde ich den Ausführungen des Kollegen Bergmann uneingeschränkt zustimmen. Da wir aber leider auch bei diesem Gesetz keine Reform an Haupt und Gliedern bekommen, sondern weiter ein Gesetz behalten, das zum Teil Versicherungs- und zum Teil Versorgungsaufgaben auf Kosten des Staates enthält, darüber hinaus aber auch Aufgaben wie - um nur ein Wort zu sagen - die Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland und deren Arbeitsvermittlung, erscheint es mir doch notwendig, die Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei darauf hinzuweisen, daß bei einem Etatposten, bei dem der Bund immerhin durchschnittlich mit einer Milliarde beteiligt ist, nicht davon die Rede sein kann, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer allein die Verantwortung für die Selbstverwaltung tragen können. Niemand wäre glücklicher als ich, wenn die Verwirklichung jener hohen Grundsätze der Selbstverwaltung -nämlich die Übernahme der vollen Verantwortung für die Rechte, aber auch für die Pflichten - endgültig möglich wäre. Sie ist aber nicht möglich, solange man bedauert, daß die Selbstverwaltung eingeschränkt wird, im gleichen Atemzug aber nach immer mehr Staat und immer mehr Bevormundung und immer mehr Bezuschussung durch den Steuerzahler ruft.
Deshalb glaube ich, daß das hohe Anliegen „Mehr Selbstverwaltung und mehr Selbstverantwortung" erst dann voll verwirklicht werden kann, wenn wir uns von dem Schrei nach immer mehr Pflichten der Steuerzahler und des Staates auf allen Gebieten frei machen und damit dann der vollen Selbstverantwortung und Selbstverwaltung den Weg frei machen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme zu dem Antrag der FDP auf Umdruck 830*) Stellung. Dort wird beantragt, § 66 Abs. 3 Sätze 3 und 4 in folgender Weise zu ändern:
Der Auftrag zur Arbeitsvermittlung und Lehrstellenvermittlung soll insoweit befristet erteilt werden, als er widerrufen werden kann,
Über diese Frage im § 66 Abs. 3 ist im Ausschuß eingehend beraten worden. Die Regierungsfassung sieht vor, daß derartige Aufträge auf Arbeitsvermittlung unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden können. Der Ausschuß hat aber Wert darauf gelegt, daß diese Aufträge und vor allen Dingen die Beauftragten automatisch von Zeit zu Zeit überprüft werden, und zwar deshalb, weil sich die Arbeitsmarktlage von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat grundsätzlich ändern kann. Deshalb ist die Regierungsvorlage ergänzt worden. Im Ausschußentwurf ist vorgesehen worden, daß die Aufträge befristet erteilt werden sollen. Durch diese befristete Auftragserteilung soll erreicht werden, daß automatisch bei Ablauf der Befristung die Auftraggeber und deren Eignung für das Arbeitsvermittlungsgeschäft überprüft werden.
Im übrigen hat der Ausschuß die Fassung so gelassen, wie sie im Regierungsentwurf vorgesehen war, daß nämlich bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen der Auftrag widerrufen werden kann.
Da wir diese Auffassung des Ausschusses für Arbeit nach wie vor für richtig halten, beantragen wir, den Antrag auf Umdruck 830 abzulehnen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung, und zwar zuerst über den Antrag Umdruck 830, weil er den Abs. 3 des aufgerufenen Paragraphen verändern will. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 830 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 797 Ziffer 2 a. Bei dieser Abstimmung handelt es sich um die Entscheidung über ein Prinzip, und ich unterstelle, daß eine Ablehnung bei dieser Abstimmung bedeutet, daß das Prinzip dann bei all den angeführten Paragraphen abgelehnt ist. Ist das Haus damit einverstanden?
- Das ist der Fall. Wer dem Antrag Umdruck 797 Ziffer 2 a zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr dem aufgerufenen § 66 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen?
- Bei sehr vielen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 67 des Gesetzentwurfs auf, dazu den Umdruck 808 Ziffer 3. Wer begründet? - Herr Dr. Bürkel!
*) Siehe Anlage 12.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im § 67 ist die Rede von Einrichtungen und Personen, die mit der Arbeitsvermittlung und Lehrstellenvermittlung beauftragt sind. Diese Einrichtungen und Personen dürfen Gebühren nur zur Deckung ihrer Unkosten erheben. Diese Fassung scheint zuzulassen, daß auch Einzelpersonen mit der Arbeitsvermittlung in der Weise betraut werden können, daß sie nur zur Deckung der Unkosten Gebühren erheben dürfen. Das kann zu einer irrtümlichen Auffassung führen. Wir sind der Auffassung, daß Einzelpersonen wie bisher für eine Beauftragung mit der Arbeitsvermittlung nur insoweit in Frage kommen, als es sich um eine Arbeitsvermittlung handelt, für die höhere Gebühren erhoben werden dürfen, d. h. wenn es sich um eine gewerbsmäßige Arbeitsvermittlung handelt. Um diese Einzelpersonen aus § 67 herauszunehmen, haben wir die abweichende Formulierung vorgeschlagen, die Sie auf Umdruck 808 finden:
Für die Arbeitsvermittlung und Lehrstellenvermittlung nach § 66 Abs. 1 dürfen Gebühren nur zur Deckung der Unkosten, die mit der Arbeitsvermittlung und Lehrstellenvermittlung verbunden sind, erhoben werden.
Damit sind die Einzelpersonen aus dieser Regelung herausgenommen. Es handelt sich also ausschließlich um eine redaktionelle Änderung; wir
bitten daher, dem Antrag zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Bei einer Gegenstimme angenommen.
Wer nunmehr dem § 67 in der so geänderten Form zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einzelne Stimmen angenommen.
§ 68 ist weggefallen.
Ich rufe § 69 auf und dazu den Umdruck 803 Ziffer 1, den Umdruck 800 Ziffer 1, den Umdruck 821 Ziffer 4, Umdruck 808 Ziffer 4 und Umdruck 831 ({0}).
Wer begründet den Antrag Umdruck 803*) Ziffer 1? - Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei und die Fraktion der Freien Volkspartei bedauern außerordentlich, daß in der Beratung des Ausschusses über dieses Gesetz eine Frage von so grundsätzlicher Bedeutung, nämlich die der totalen Versicherungspflicht, vorweggenommen worden ist, ohne daß jemals in diesem Hause über eine so entscheidende Frage eine Grundsatzabstimmung erfolgt ist. Ich bitte Sie zu überlegen, daß diese Debatte inmitten der Beratung eines Gesetzes stattfindet, das nicht mehr als eine kleine Reform des bestehenden Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung ist, das keineswegs jene großen Probleme berührt, die im Zusammenhang mit der Sozialreform in der Öffentlichkeit so oft diskutiert worden sind, das auch nicht etwa eine Neuordnung des Problems der Arbeitslosenversicherung und
*) Siehe Anlage 6. Arbeitslosenhilfe von Grund auf bringt. Dieses Gesetz berührt zwei Probleme, die offenbar seit jeher von sehr vielen als das Hauptanliegen sozialer Reformen gesehen werden, nämlich die Einbeziehung immer weiterer Personenkreise und schließlich des ganzen Volkes in die einzelnen Zweige der Sozialversicherung und die Ausweitung der Leistungen mit dem Argument, daß die Einbeziehung weiterer Personenkreise mehr Beiträge bringt, ohne daß gleichzeitig der Beweis erbracht wird, daß die Einbeziehung weiterer Personenkreise nicht auch neue Risiken in die Versicherung hineinträgt. Dabei bleiben all die hohen Worte von der Selbstverwaltung - es ist heute schon einmal gefallen, ich füge jetzt weitere hinzu -, von der Selbstverantwortung, von der Selbsthilfe, von der Freiheit der Persönlichkeit, von der Verantwortung auch des Staates, dem Bürger eine Chance zu geben, von der Eigentumsbildung als einer der Grundlagen jener Freiheit eben nur Worte, weil wir Gesetz für Gesetz die Weichen in Richtung auf etwas stellen, was die Mehrheit von Ihnen, wenn Sie sich einmal im Gewissen mit dieser Frage auseinandersetzten, niemals bejahen würde.
Es ist sehr bedauernswert, daß die Beschlüsse des Ausschusses noch über das hinausgehen, was schon das Arbeitsministerium in seine Regierungsvorlage hineingeschrieben hat. Ich sage in großer Offenheit, daß, wenn wir heute nur die Wiederherstellung der Regierungsvorlage fordern, damit keineswegs in vollem Umfang der Auffassung der beiden Fraktionen Rechnung getragen ist, für die zu sprechen .ich die Ehre habe. Wir sind der Meinung, daß hier eine Überprüfung von Grund auf hätte stattfinden müssen. Das Problem der Personenkreise, die in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden, der Beitrags- und Leistungsgestaltung hätte nicht nur durch ein Flickwerk, sondern von Grund auf reformiert werden müssen. Das ist nicht geschehen, und es ist nicht die Stunde, zu untersuchen, warum das nicht geschehen ist.
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- Vielleicht lag das ein wenig mit daran. ({1})
Aber, Herr Kollege Sabel, Sie hätten mir dann sicher den Vorwurf gemacht, daß ich die Verabschiedung dieses eminent wichtigen Werkes durch die Äußerung von Bedenken verzögerte. Insofern werden Sie glücklich sein, daß ich so selten Gelegenheit hatte, dabeizusein.
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- Ich bin überzeugt, Herr Kollege Sabel.
Es ist auch keine gute Sache, daß wir eine grundsätzliche Entscheidung von solcher Tragweite in einem Augenblick fassen, wo über die Weichenstellung an den einzelnen Gesetzen in der Öffentlichkeit und im Hause leider genau so wenig Klarheit besteht wie über jene Zusammenhänge mit anderen Sozialgesetzen, die sehr deutlich und sehr offen diskutiert werden.
Wer nämlich die. Arbeitslosenversicherungspflicht nicht mehr wie bisher mit der Krankenversicherungspflicht gekoppelt haben will, sondern die totale Arbeitslosenversicherungspflicht heute, die totale Rentenversicherungspflicht morgen meint, muß zwangsläufig zu einem System kommen, in dem man aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung
- darauf werde ich noch eingehen - dann doch
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besser eine totale Versicherungspflicht mit einer Einheitsrente für alle sozialen Tatbestände des Lebens wünscht. Wir haben in diesem Hause - und ich glaube, nicht nur in den Parteien der Regierungskoalition, sondern weit durch alle Parteien hindurch - immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß unsere organisch gewachsene Sozialversicherung in allen ihren Zweigen mit der Abgrenzung des Erfassens ,der verschiedenen sozialen Tatbestände auf dem richtigen Wege ist. Ich zitiere hier ein Wort eines CDU-Kollegen, der in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: „Was bisher Rechtens war und gut funktioniert hat, sollte auch für die Zukunft richtig sein." Es ist sicher ein guter und verantwortungsvoller Grundsatz, sich dazu zu bekennen, nur das zu reformieren, was in der Vergangenheit versagt hat, und es bei dem zu belassen, was in Vergangenheit und Gegenwart ausreichend und richtig ist.
In der Diskussion um die Ausweitung des Personenkreises in § 69 hat sicherlich auch ein Gedanke Pate gestanden, der im Zusammenhang mit der Erhöhung der Rentenleistungen und dem Versprechen des Arbeitsministeriums aufgetaucht Ist: 1 % von den Beiträgen der Bundesversicherungsanstalt auf die Rentenversicherung zu übertragen und diesen Beitragsverlust dadurch auszugleichen, daß Personenkreise in die Versicherungspflicht einbezogen werden, von denen man ganz genau weiß, daß sie normalerweise niemals aus der Arbeitslosenversicherung Unterstützungen bekommen werden, daß aber ihre Beiträge geeignet sind, jenes Loch zu stopfen, das durch andere Pläne entstehen wird. Ich finde es sehr dankenswert, und meine Freunde erkennen es an, daß der Präsident der Bundesanstalt, Herr Scheuble, in großer Offenheit,und ich möchte auch unterstreichen: in großem Verantwortungsbewußtsein davor gewarnt hat, alle leitenden Angestellten, überhaupt alle Angestellten und alle hochqualifizierten Arbeiter in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen, und daß er hinzugefügt hat --- ich zitiere ihn wörtlich -, daß er es für sehr unwahrscheinlich hält, daß diese Gruppe von 360 000 höher bezahlten Angestellten, die etwa 65 Millionen DM an Beiträgen jährlich aufbringen würden, jemals Arbeitslosenunterstützung bezieht.
Meine Herren und Damen, welche Art Versicherungsprinzip soll das sein, das einen Menschen in eine Versicherung gegen seinen Willen einbezieht, wenn man von vornherein weiß, daß diese Versicherung damit rechnet, daß der Mensch niemals von seinem Versicherungsanspruch Gebrauch machen wird oder Gebrauch machen kann!
In der Diskussion ist immer wieder behauptet worden, die leitenden Angestellten seien besonders anfällig und gerade sie müßten deshalb in diesen Personenkreis einbezogen werden, nicht nur weil man ihre Beiträge im Risikoausgleich brauche, sondern weil man darüber hinaus auch der Auffassung sei, daß gerade ihre Stellung sie besonders gefährde. Nun, ich bin nicht verdächtig, alle Probleme im Zeichen der Vollbeschäftigung, im Zeichen der Hochkonjunktur oder der augenblicklichen Situation des Mangels an qualifizierten Kräften zu sehen. Aber so qualifizierte Kräfte, wie es die leitenden Angestellten in ihrem ganz besonderen Aufgabenbereich sind, waren zu allen Zeiten Mangelware und werden zu allen Zeiten Mangelware sein. Diese qualifizierten Kräfte werden sehr genau wissen, Verantwortung für die Wechselfälle des Lebens zu tragen und selbstverantwortlich
Überlegungen anzustellen. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, dann möchte ich wissen, von welchen Teilen des Volkes wir diese Haltung erwarten sollen. Meine Fraktion hat mit Befriedigung festgestellt, daß die Union der leitenden Angestellten - ich nenne sie deshalb, weil hier so oft auch der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaften überhaupt als die Sprecher der organisierten Arbeitnehmer zitiert werden; wenn es um die leitenden Angestellten geht, dann kann wohl nur ihre eigene Organisation hier gehört werden - sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat, daß sie die Ausdehnung der Versicherungspflichtgrenze in der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung 'aufs schärfste ablehnt.
Der Bundestagsausschuß hat nun nicht nur beschlossen, diesen Personenkreis einzubeziehen; er hat sich in gründlichen Diskussionen sicher auch Klarheit darüber verschafft, daß dieser Personenkreis, der zum Teil Arbeitgeberfunktionen ausübt, auch durch Verträge gebunden, jenen Rückhalt hat, der im Falle eines Arbeitsplatzwechsels notwendig ist. Wenn wir schon im Zusammenhang mit den Beiträgen von Solidarität sprechen, dann sollten wir 'uns davor hüten, das Solidaritätsprinzip restlos zu Tode zu reiten dadurch, daß wir Menschen in ein Risiko einbeziehen, in das man sie deshalb nicht einbeziehen kann, weil ihr Risiko nicht im Rahmen der Arbeitslosenversicherung gedeckt werden kann. Die Versicherungspflicht der leitenden Angestellten und für alle diejenigen, die jetzt zusätzlich einbezogen werden sollen, ist also nichts anderes als eine zusätzliche Sozialsteuer, um das Loch zu stopfen, das durch andere Maßnahmen in der Bundesanstalt gerissen werden wird.
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Wir werden bei einem anderen Punkt darauf noch eingehen.
Aber lassen Sie mich, weil von unseren Gegnern in der Regel auf die Verwaltung hingewiesen wird, während ich ausdrücklich erklären möchte, daß ich eine sozialpolitische Entscheidung immer erst in zweiter und dritter Linie von der Verwaltung her beurteile, in 'diesem Zusammenhang noch einmal auf den Verwaltungsmehraufwand in der Bundesanstalt hinweisen. Es ist wohl kaum anzunehmen, daß nach dem bisherigen System unserer Sozialversicherung der Einzug der Beiträge unverändert auch für die Zukunft vorgenommen werden könnte, und es ist wohl ebensowenig anzunehmen, daß bei dem Verhältnis, das zwischen Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung seit je bestanden hat, die Einbeziehung weiterer Personenkreise, die in der Regel nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, nicht auch zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Verwaltung führen würde.
Mit Rücksicht auf die sicher lange Debatte, die wir heute haben werden, will ich es mir ersparen, auf Zahlen hinzuweisen und auf die Beiträge, mit denen man rechnet und die mit dieser Sondersteuer belegt werden sollen. Aber ich möchte doch im Zusammenhang mit der Einbeziehung dieser Menschen und dem gemeinsamen Einzug des Beitrags etwas dazu sagen, daß heute schon Vertreter von gesetzlichen Krankenkassen und von anderen Sozialversicherungsträgern sich aus oft sehr durchsichtigen Gründen für die Ausweitung aussprechen. Wir haben das nach 1945 schon viel deutlicher gehört, als die Franzosen uns durch ihre kommunistischen Vertreter in ihrer Besatzungszone ihre Einheitskasse bescherten und als in Berlin Herr
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Schellenberg seine Experimente machte. - Herr Schellenberg und ich wissen, welche Erfahrungen er gemacht hat, als wir uns noch um Fragen stritten, um die wir uns, Herr Professor Schellenberg, auf Grund gemeinsamer Erfahrungen in Zukunft hoffentlich nicht mehr zu streiten brauchen.
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-- Wollen wir abwarten! - Es hat sich jedenfalls gezeigt, daß das Rechnen mit dem einheitlichen Beitrag und der einheitlichen Leistung, aber auch das Denken in Gesamtsozialversicherungsbeitrag und in einheitlichen Leistungen Gedankengängen entsprechen, die in der Selbstverwaltung weder bei Arbeitnehmern noch bei Arbeitgebern Zustimmung gefunden haben und die in der Praxis der Verwaltung nichts als Schwierigkeiten gebracht haben.
Wir glauben auch, daß in der Arbeitslosenversicherung ein völlig neues Meldeverfahren geschaffen werden müßte, wenn bei der Situation unseres Krankenkassenwesens - da wir ja nicht eine Einheitskrankenkasse haben, sondern erfreulicherweise Orts-, Land-, Innungs-, Betriebs- und Ersatzkassen haben - durch einen neuen Verwaltungsaufwand wegen des Beitragseinzugs für die Arbeitslosenversicherung Schwierigkeiten entstehen könnten, die wir auch vermeiden sollten. Sollten diese Krankenkassen den Beitragseinzug ablehnen, was möglich wäre - denn sie werden es nicht für denselben Beitragssatz machen können -, dann müßte die Bundesanstalt sich sogar eigene Beitragseinzugsstellen schaffen. Vielleicht gibt es Menschen, die so etwas wünschen. Wir könnten eine solche Entwicklung nur für höchst bedauerlich ansehen. Sie würde weder die angestrebte Personalverminderung noch die angestrebte Verwaltungsvereinfachung zur Folge haben. Die relativ geringfügige Erhöhung des Aufkommens in der Arbeitslosenversicherung würde also mit einem Mehraufwand für Beitragseinzug wieder beseitigt werden. Diese Probleme von an sich zweitrangiger Bedeutung habe ich deshalb aufgezeigt, weil man, wenn man Gesetze macht, ja nicht versäumen soll, auch an ihre Durchführung zu denken.
Die entscheidende und grundsätzliche Frage ist für uns, daß jetzt und in der Zukunft niemand in die Sozialversicherung weiter einbezogen werden soll, wenn die Voraussetzung für den sozialen Schutz, der für die Mehrheit der Arbeitnehmer, die wir für schutzbedürftig ansehen, gegeben ist, für diese Personenkreise nicht besteht. Wir sollten uns darauf verständigen, daß wir die von mir anfangs genannten Grundsätze der Selbstverantwortung, der Selbsthilfe, die hohen Grundsätze, von denen wir nicht nur - ich sagte das hier schon oft - in Festtagsreden sprechen dürfen, sondern die wir in unseren Gesetzen und Paragraphen verankern müssen, nun endgültig und ein für allemal verwirklichen, indem wir dafür Sorge tragen, daß der § 69 des AVAVG hier für künftige präjudizierende Entscheidungen der gesamten Sozialversicherung keine Weichen stellt. Wir glauben, daß darin alle Fraktionen des Hauses, auch die Kollegen der Opposition, mit uns einig sein sollten. Und wenn Sie mit mir einig sind, daß der Arbeitnehmer nichts mehr erstrebt als Freiheit für seine eigene Sicherung durch ausreichenden Lohn, einen guten Arbeitsplatz und die Stärkung seiner Chancen zur Selbstverantwortung, die er selbst zu verteidigen in der Lage sein soll, dann müßten Sie alle mit uns dafür stimmen, daß wir den Arbeitnehmern in ihrer Gesamtheit diese Chance in Zukunft erweitern und nicht etwa nehmen.
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Ich erteile das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 800*) Ziffer 1 dem Abgeordneten Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 800 beantragen wir zum Teil das gleiche, was von der Fraktion der DP beantragt worden ist, nämlich die Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu § 69, jedoch mit einigen Änderungen.
Die bisherige Regelung im Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sieht vor, daß zum Kreise der Arbeitslosenversicherungspflichtigen erstens die Personen gehören, die auf Grund des Gesetzes krankenversicherungspflichtig sind, außerdem diejenigen, die auf Grund des Angestelltenversicherungsgesetzes pflichtversichert sind. Das gleiche sieht der Regierungsentwurf zum neuen Gesetz vor. Der Ausschuß geht in seinem Vorschlag über diese Regelung hinaus. Er wünscht. alle Angestellten, gleichviel welches Gehalt sie haben, in die Arbeitslosenversicherungspflicht einzubeziehen. Hierbei müssen wir uns mit zwei grundsätzlichen Problemen der Sozialreform befassen, einmal mit der klaren Aufteilung in Versicherung, Versorgung und Fürsorge und zweitens mit der Frage, ob wir es bei dem Grundsatz der Selbsthilfe belassen oder uns dem Versorgungsstaat nähern wollen.
Bei der Arbeitslosenversicherung haben wir zu entscheiden, ob der Kreis der Personen, der in die Versicherung einbezogen wird, ein Interesse an dieser Versicherung hat, ob bei ihm überhaupt ein versicherungsmäßiges Risiko besteht, ob er dafür Beiträge zahlt und ob er dann einen Rechtsanspruch auf die Bezüge aus der Versicherung hat. Frau Abgeordnete Kalinke hat soeben ausgeführt, daß die Angestellten mit höheren Gehältern im allgemeinen nicht arbeitslos werden, also auch nicht dem Risiko der Arbeitslosigkeit unterliegen und daher nicht in die Versicherung hineingezwungen werden sollten. Die Schwierigkeiten beim Beitragseinzug, die Frau Kalinke vorgetragen hat, sind auch uns bekanntgeworden, so daß wir dazu neigen, die Versicherungspflicht nicht über die bisherige Versicherungsgrenze in der Angestelltenversicherung auszudehnen. Außerdem darf man bei einer allgemeinen Einbeziehung in die Arbeitslosenversicherungspflicht den Trend zum Versorgungsstaat nicht verkennen.
Es wird zwar gesagt, in den übrigen Versicherungszweigen handle es sich um ganz andere Probleme als in der Arbeitslosenversicherung. Zum Beispiel wisse in der Rentenversicherung jeder, daß er, wenn er invalide werde oder ein bestimmtes Alter erreicht habe, etwas aus dieser Versicherung bekomme. Dagegen sei es möglich, daß einem Arbeiter oder Angestellten, der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bezahle und nicht arbeitslos werde, die ganzen gezahlten Beiträge verloren gingen. Insofern bestehe ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Arbeitslosenversicherung und Angestelltenversicherung.
Meines Erachtens kann man das nicht sagen. Man muß sich darüber klar sein, daß man jetzt
*) Siehe Anlage 4.
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gerade im Augenblick der Sozialreform ein Präjudiz schafft, wenn man sämtliche Arbeiter und Angestellten ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Gehalts in die Arbeitslosenversicherungspflicht hineinnimmt. Man könnte die Frage stellen: Ist es möglich, ein Kompromiß dahingehend zu finden, daß man in der Arbeitslosenversicherung die Pflichtgrenze auf etwa 1000 DM erhöht oder noch höher setzt? Das würde im Augenblick zu Schwierigkeiten führen, weil eine besondere Organisation für den Beitragseinzug gebildet werden müßte, hierdurch große Unkosten entstünden und dann diese Erhöhung der Versicherungsgrenze letztlich nicht rationell wäre.
Die Antragsteller des Umdrucks 800 haben sich deshalb auf den Standpunkt gestellt, man solle die Regierungsvorlage wiederherstellen; dadurch werde erreicht, daß der späteren Entwicklung in der Sozialreform nicht vorgegriffen werde.
Wir nehmen in § 69 Nummer 2 ausdrücklich Bezug auf die Pflichtgrenze in der Angestelltenversicherung. Führen die Beratungen über die Rentenversicherung zu dem Ergebnis, daß sämtliche Angestellten in die Rentenversicherung einbezogen werden, gleich, wieviel sie verdienen, so gehören sie automatisch in den Entwurf hinein und sind dann auch arbeitslosenversicherungspflichtig. Ergibt sich aber aus der Regelung der Rentenversicherung, daß die Angestellten mit den höheren Gehältern aus Gründen der allgemeinen Sozialreform aus der Rentenversicherung herausgenommen werden, dann gehören sie auch insoweit nicht in die Arbeitslosenversicherung.
Im übrigen müssen auch einige praktische Erwägungen dazu führen, daß man es bei den Angestellten bei einer Versicherungsgrenze läßt, und zwar kommt hier das Bauförderungsgesetz, das kürzlich verabschiedet worden ist, in Frage. Das Bauförderungsgesetz soll nur für solche gelten, deren Einkommen innerhalb der Grenze der Angestelltenversicherungspflicht liegt.
Wir wollen also durch unseren Antrag erreichen, daß jetzt eine Zwischenregelung getroffen wird, die der weiteren Sozialreform nicht vorgreift. Diese Regelung glauben wir darin gefunden zu haben, daß wir hier die Regierungsvorlage wiederherstellen.
Wird aber die Regierungsvorlage wiederhergestellt, dann sind folgende Änderungen erforderlich: In § 69 Nr. 2 müssen die Worte „oder Angestellte in höherer oder leitender Stellung sind" gestrichen werden. Der Grund ist, daß die Erwähnung dieser Gruppe nicht mehr erforderlich ist, weil schon eine bundeseinheitliche Regelung geschaffen worden ist, durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner. Vor Erlaß dieses Gesetzes und zur Zeit der Bearbeitung des Regierungsentwurfs waren in einigen Ländern die Angestellten in höherer oder leitender Stellung auf Grund landesgesetzlicher Regelung ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Gehalts krankenversicherungsfrei und damit auch arbeitslosenversicherungsfrei.
In Nr. 3 muß das Schlußwort „oder" durch ein Komma ersetzt werden, weil wir die Nr. 4 des Regierungsentwurfs streichen wollen. Diese Nr. 4 des Regierungsentwurfs ist ebenfalls durch das Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner überflüssig geworden.
Gestatten Sie, daß ich in diesem Zusammenhang auch Ziffer 2 unseres Antrags begründe; sie bezieht sich auf § 75. Da wir von der allgemeinen Versicherungspflicht absehen wollen, muß § 75, der durch die Ausschußfassung überflüssig wurde, wieder eingefügt werden. Dabei ist eine redaktionelle Anderung erforderlich. Statt „Jahresarbeitsverdienstgrenze" muß es heißen „Jahresarbeitsverdienst".
In Ziffer 3 unseres Antrags ist § 150 Abs. 2 Nr. 4 erwähnt, der ebenfalls im Zusammenhang mit der Änderung des § 69 geändert werden muß. Wir wollen bei der Ausschußfassung des § 150 bleiben, also nicht auf den Regierungsentwurf zurückkommen. Wir müssen aber den Ausschußentwurf wegen der Beibehaltung der Versicherungspflichtgrenze ändern, und zwar müssen die Worte „oder maßgebend wäre, wenn sie der Pflicht zur Angestelltenversicherung unterlägen" gestrichen werden. Darin liegt insofern eine Verbesserung gegenüber dem Regierungsentwurf, als die Beiträge und die Leistungen jetzt nicht mehr nach einem Gehalt von höchstens 500 DM berechnet werden, sondern von einem Gehalt bis zu 750 DM.
Ich darf zusammenfassen: wir wünschen die Wiederherstellung des Regierungsentwurfs, um der weiteren Entwicklung der Sozialreform nicht vorzugreifen und um sie nicht zu präjudizieren. Ergeben sich bei späteren Beratungen einhellige Auffassungen darüber, daß sämtliche Angestellten in allen Sozialversicherungszweigen erfaßt werden sollen, dann wird diese Regelung automatisch auch im Arbeitslosenversicherungsgesetz gelten. Kommen wir zu einer anderen Regelung, dann hält sich auch das Arbeitslosenversicherungsgesetz in diesem Rahmen. Ich bitte daher, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Herr Abgeordneter Atzenroth zur Begründung des Antrags Umdruck 821 Ziffer 4*), bitte!
Meine Damen und Herren! Wir stehen hier eigentlich am Schlüsselpunkt dieses Gesetzes. Es ist bedauerlich, daß bei einem solchen für unsere wirtschaftliche Lage sehr entscheidenden Gesetz
({0})
das Haus gähnende Leere aufweist. Ich muß leider sogar die Pressetribüne in diese Feststellung einbeziehen; auch dort ist es leer.
Hier handelt es sich, wie Frau Kalinke schon gesagt hat, um eine Grundsatzentscheidung. Ich bin deshalb nicht mit dem Kollegen Bürkel einig, der der Meinung ist, daß wir wieder einmal ausweichen könnten und ausweichen sollten. Hier müssen wir Farbe bekennen.
In der Regierungserklärung im Jahre 1949 hat der Bundeskanzler eine umfassende Sozialreform versprochen, und im Jahre 1953 hat er dieses Versprechen wiederholt. Wir als damalige Koalitionspartner haben erwartet, - -({1}) - Ja, wir haben ihm zugestimmt.
({2})
Wir haben erwartet, daß in jenen Erklärungen
deutlich eine Abkehr vom Wohlfahrtsstaat, eine
*) Siehe Anlage 9.
({3})
Ablehnung der allgemeinen Staatsbürgerversorgung und eine Unterstützung der Eigenvorsorge des Menschen in möglichster Freiheit enthalten sei. Deswegen haben wir ihm zugestimmt.
({4})
Wenn Sie aber glauben, diese Bestimmung, zumindest die, die der Ausschuß in das Gesetz hineingebracht hat, entspreche unseren Grundsätzen, dann finden Sie unseren Widerspruch.
Wir sind der Meinung, daß sich auch die Bundesregierung hier zu dem Ausschußantrag äußern muß. Sie muß vor dem deutschen Volk Farbe bekennen: in welcher Richtung stellt sie sich ihre Sozialreform vor, wenn dies ein Schritt dazu sein soll? Leider ist von der Bundesregierung nur der Herr Bundesarbeitsminister - zwar der zuständige Minister - anwesend.
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Ich hätte sogar den Herrn Bundeskanzler bei dieser Beschlußfassung erwartet.
Wir unterstützen die Argumente, die Frau Kalinke hier vorgetragen hat, in vollem Umfange. Uns kommt es dabei nicht auf eine Formulierung so oder so in den Einzelheiten an. Der Grundsatz muß hier entschieden werden; dann werden wir uns über die Formulierung des Gesetzes schon einig werden.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 808 Ziffer 4*) hat der Abgeordnete Maier ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 69 schlagen wir vor, daß vor dem Wort „krankenversicherungspflichtig" die Worte „als solche" eingefügt werden. Es bestehen zwei Rechtsgründe der Krankenversicherungspflicht: das Arbeitnehmerverhältnis und die Rentnereigenschaft. In diesem Falle handelt es sich nur um die Krankenversicherungspflicht aus dem Arbeitnehmerverhältnis; das klarzustellen ist Zweck des von uns beantragten Zusatzes. Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 69 sind in den Umdrukken 803**), 821***) und 800****) eine Reihe Änderungsanträge gestellt worden, zu denen ich sprechen möchte.
Bisher ist von diesen Antragstellern die Begründung einseitig gegeben worden. Die verehrte Frau Kollegin Kalinke sprach von einer grundsätzlichen Entscheidung, die hier getroffen werde, und hat im wesentlichen herausgestellt, daß man die höher bezahlten Angestellten nicht in die Versicherungspflicht einbeziehen sollte. Sie wünschen also nicht mehr und nicht weniger, als daß sie beitragsfrei sind.
({0})
- Auch leistungsfrei. Das ist an sich selbstverständlich. Wer keine Beiträge zahlt, kann auch keine Leistungen bekommen.
({1})
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 9. ****) Siehe Anlage 4. - Dazu kann ich gleich etwas sagen, Herr Kollege Dr. Bürkel. Wenn Sie wünschen, daß wir über die Beitragsfreiheit des Bergbaues diskutieren, dann können wir das tun. Dann werde ich Ihnen beweisen, daß gerade der Bergbau fast doppelt soviel Soziallasten zu tragen hat wie andere Industriezweige und alle anderen Beschäftigten.
({2})
Weiter hat Herr Dr. Bürkel in derselben Weise zu § 69 gesprochen. Gestatten Sie, daß ich zunächst einmal die Aufgaben der Arbeitsvermittlung und der Arbeitslosenversicherung etwas herausstelle. Wenn man diese Aufgabenstellung bedenkt, dann sehen die Dinge wesentlich anders aus, als sie in der Begründung zu den Änderungsanträgen dargestellt worden sind.
({3})
Schon aus der Gesetzesbezeichnung „Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung" geht eindeutig hervor, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die wichtige, ich möchte sagen, die primäre Aufgabe hat, denjenigen, der arbeitslos geworden ist, möglichst schnell wieder an einem Arbeitsplatz unterzubringen, ihn in den Produktionsprozeß einzugliedern. Das scheint mir die hervorragend wichtige volkswirtschaftliche, aber auch staatspolitische Aufgabe dieser Bundesanstalt zu sein. Außerdem hat sie selbstverständlich dann, wenn der Betroffene arbeitslos ist, dafür zu sorgen, daß er entsprechend seinem Rechtsanspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen sein Arbeitslosengeld bekommt.
Gestatten Sie eine Frage, Herr Abgeordneter?
Bitte schön!
Ich habe bisher immer gemeint, gerade der Bergbau habe besondere Schwierigkeiten - und das gilt wohl für ganz Europa -, qualifizierte Arbeitskräfte zu bekommen. Gibt es unter diesen Umständen leitende Bergbauangestellte, die arbeitslos werden und die deshalb in die Arbeitslosenversicherung einbezogen werden müssen?
({0})
Verehrte Frau Kalinke, ich kann Ihnen dazu folgendes sagen. Wenn man diese Dinge mit der Rentenversicherung gleichsetzt, dann sieht das etwas anders aus. In zahllosen Versammlungen hat sich erwiesen, daß die leitenden Angestellten des Bergbaues nicht versicherungsfrei sein wollen, wie Sie es wünschen.
Herr Kollege, darf ich Sie zusätzlich fragen, - ({0})
- Meine Frage ist noch nicht beantwortet. Ich wollte nur wissen, ob heute leitende Bergbauangestellte in größerer Zahl arbeitslos sind, so daß ein Bedürfnis besteht, ihnen den Schutz der Arbeitslosenversicherung zu geben.
({1})
Verehrte Frau Kollegin, dazu kann ch Ihnen sagen, daß die leitenden Angestellten nicht arbeitslos sind. Aber so können wir die Frage nicht stellen.
({0})
Ich werde in meinen Ausführungen darauf eingehen, warum ich es für notwendig erachte, daß die leitenden und höher bezahlten Angestellten ebenfalls von der Arbeitslosenversicherung erfaßt werden.
Ich sagte eben schon: wenn man von der Aufgabenstellung ausgeht, sehen die Dinge wesentlich anders aus. Dazu einige Zahlen aus den statistischen Unterlagen des Ministeriums für Arbeit für das Jahr 1955. Ihnen ist zu entnehmen, daß der Gesamtaufwand an gezahltem Arbeitslosengeld 888 Millionen DM beträgt. Die Kosten für die Durchführung erstens der Arbeitsvermittlung, zweitens der Aufgaben der Versicherungsabteilungen, die eingerichtet sein müssen, drittens der Berufsberatung, viertens der Maßnahmen für Umschulung und Berufsfindung sowie der produktiven Arbeitslosenfürsorge sind mit 341 Millionen DM nachgewiesen Ferner betragen die Kosten der
Maßnahmen zur Verhütung und Beendigung der Arbeitslosigkeit 34 Millionen DM und die Kosten für die werteschaffende Arbeitslosenhilfe ({1}) 96 Millionen DM. Es darf hinzugefügt werden, daß auch aus der Arbeitslosenhilfe
allerdings wird das aus Bundesmitteln ersetzt - 76 Millionen DM ausgegeben wurden. Hinzu kommt noch die Kurzarbeiterunterstützung, wodurch manche Betriebe wesentlich erhalten werden. Zusammengerechnet ergeben sich also Aufwendungen von insgesamt 547 Millionen DM, die im Interesse der gesamten Volkswirtschaft ausgegeben
werden, eine Leistung, die nicht nur den Arbeitslosen, sondern der Gesamtheit des Volkes zugute kommt. .
Angesichts des Beitragsaufkommens von 1,6 Milliarden DM und der Ausgabe für Arbeitslosengeld von 888 Millionen DM und für allgemeine Aufgaben von 547 Millionen DM muß man doch einmal gerechterweise die Frage stellen: Ist es, wenn solche hohen Beträge für die gesamte Volkswirtschaft und für die Gesamtheit des Volkes ausgegeben werden, richtig, daß man für diese Beträge nur einen Teil der Beschäftigten verantwortlich macht und diejenigen, die eine sichere Existenz haben, die das Risiko, arbeitslos zu werden, gar nicht tragen, diejenigen, die also mit 750 DM und weit darüber hinaus bezahlt werden, davon ausnimmt, die Lasten mitzutragen? Das ist ein soziales Unrecht, dem man nicht stattgeben sollte. Wenn schon aus der Arbeitslosenversicherung erhebliche Mittel für alle möglichen Zwecke ausgegeben werden, dann mögen gefälligst auch alle diejenigen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, an der Aufbringung der Lasten teilnehmen und nicht etwa die Lasten auf den Kreis der beschäftigten Arbeiter und Angestellten, die gegenüber den anderen doch weit schlechter bezahlt werden, abwälzen. Ich vermag nicht einzusehen, warum man hier diesen Kreis der leitenden Angestellten herausnehmen will, sondern bin der Meinung, daß der Ausschuß für Arbeit, der sich ganz intensiv damit beschäftigt hat, insofern schon eine richtige Entscheidung getroffen hat, als er sagt, es müßten eben alle Beschäftigten in die Versicherungspflicht einbezogen werden.
Es wird nun hier zum Ausdruck gebracht daß man, wenn man so verfahre, schon eine Vorentscheidung für die Rentenversicherung treffe. Dazu darf ich sagen: man kann das, was hier geschieht, in keiner Weise als eine Vorentscheidung nach der Richtung hin bewerten. Wir haben es in der Arbeitslosenversicherung mit ganz anderen Dingen als in der Rentenversicherung zu tun.
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Aus diesem Grunde ist es durchaus richtig, daß, wenn schon diese Gelder aufgebracht werden müssen, alle dazu beitragen.- Ja, Frau Kollegin Kalinke, Sie lachen dazu.
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- Erinnern Sie sich bitte an die Wirtschaftskrise in den Jahren 1930/31; erinneren Sie sich daran, daß in den folgenden Jahren der, Beitrag zur Arbeitslosenversicherung 6,5 % betragen hat. Die Arbeiter und die niedrig. bezahlten Angestellten haben die Beiträge aufgebracht. Was aus diesen Beiträgen --- Reichsstock für Arbeit - geworden ist, das .wissen Sie so gut wie ich: sie sind alle restlos später für Kriegszwecke verwendet worden. Unsere höher bezahlten Angestellten haben aber zu diesen Dingen überhaupt nichts beigetragen.
Ich möchte meinen, daß' man hier gerechterweise so verfahren muß und daß jeder, der eine Beschäftigung hat, seinen Beitrag zahlen muß. Diese Dinge müssen hier einmal ausgesprochen werden. Man kann einem besser bezahlten Angestellten zumuten, daß er, wenn er meinetwegen ein Gehalt von 1500 DM hat, für 750 DM einen Beitrag von 1 % - das sind 7,50 DM - zahlt. Hier kann man( nicht von einer besonderen Besteuerung der Angestelltenschaft sprechen.
Ich bitte daher darum, den Ausschußantrag zu unterstützen und der Fassung, wie sie der Ausschuß für Arbeit beschlossen hat, zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zu dem Antrag der FDP auf Umdruck 821 *) etwas sagen. Herr Dr. Atzenroth, ich glaube, Ihnen ist hier ein Fehler unterlaufen; denn ich nehme doch an, daß Sie die bisherige Regelung der Zugehörigkeit zur Anstalt in Nürnberg nicht einengen wollen. Daß Sie sie nicht erweitern wollen, darüber sind wir uns klar. Wenn nämlich- Ihr Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 4 angenommen würde, dann würde das bedeuten, daß der Personenkreis, der gegenwärtig schon vom AVAVG erfaßt wird, eingeschränkt wird.
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- Das wollte ich nur feststellen. Sie wollen nicht nur den Kreis der vom AVAVG bisher Erfaßten nicht erweitern, sondern Sie wollen den Personenkreis gegenüber dem bisherigen Zustand noch einengen. Diese Frage richtete ich an Sie. Sie haben die Frage verneint, was ich auch angenommen habe.
*) Siehe Anlage 9.
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Bei dem Antrag ist Ihnen dann aber ein Irrtum unterlaufen. Wenn nämlich dem Antrag stattgegeben würde, dann würde das bedeuten, daß zukünftig alle Angestellten, die zwischen 500 und 750 DM verdienen und die bisher erfaßt worden sind, nicht mehr erfaßt werden. Es würden nur noch die Angestellten erfaßt, die bis zu 500 DM verdienen.
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- Herr Dr. Atzenroth, bleiben wir bei dem Kern der Sache. Ich will nur Feststellungen treffen. Sie haben gesagt, Sie wollten den Personenkreis gegenüber dem bisherigen Zustand nicht einengen. Ich habe Ihnen jetzt nachgewiesen, daß Sie ihn mit Ihrem Antrag einengen. Deswegen meine ich, es ist Ihnen ein Irrtum unterlaufen. Wir sind alle Menschen; warum sollen auch Sie sich nicht einmal irren können?
Ich wollte nur darauf hinweisen, daß Sie, meine Damen und Herren, wenn Sie dem Antrag zustimmen, den bisherigen Personenkreis einengen. Dann würden die Angestellten, die zwischen 500 und 750 DM verdienen, nicht mehr erfaßt sein, während bisher alle Angestellten bis zu einem Monatsverdienst von 750 DM erfaßt worden sind.
Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Abgeordneten Scheppmann möchte ich folgendes sagen. Erste Frage: das Solidaritätsprinzip. Er steht auf dem Standpunkt, daß alle Angestellten - auch die höhenbezahlten, die voraussichtlich nie arbeitslos werden - mit zu den Beiträgen für die gesamte Arbeitnehmerschaft zahlen sollen. Dieses Solidaritätsprinzip steht unter Umständen in Gegensatz zu dem Versicherungsprinzip, das wir vertreten wollen.
Wenn Herr Scheppmann sich auf das Solidaritätsprinzip als solches beruft, dann hört sich das nicht gut an, da er besonders die Belange des Bergbaus zu betreuen hat; denn gerade der Bergbau ist bei der Beitragszahlung ausgenommen und nimmt trotzdem an den Segnungen der Arbeitslosenversicherung teil.
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Diese Frage ist im Ausschuß eingehend erörtert worden, und der Ausschuß für Arbeit hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese Lösung richtig sei. Auf dem Standpunkt stehe ich auch; ' denn der Bergbau zahlt zu seinen Sozialversicherungen derart hohe Beiträge, daß es ihm nicht mehr zugemutet werden kann, auch noch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu zahlen. Er ist deshalb auch vom Ausschuß beitragsfrei gestellt worden; aber dennoch verstößt diese Regelung gegen das Solidaritätsprinzip.
Wenn man aber auf der einen Seite - nämlich beim Bergbau - eine Ausnahme von dieser Regelung macht,
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dann soll man sich auch nicht so dagegen wehren, wenn in einem anderen kleineren Sektor auch eine Ausnahme beantragt wird.
Im übrigen möchte ich sagen: Es trifft zu, daß die Arbeitsvermittlung und die Berufsberatung auch durch die leitenden Angestellten in Anspruch genommen werden. Aber womit hängt das zusammen? Doch damit, daß wir der Bundesanstalt das Primat der Arbeitsvermittlung und der Berufsberatung zugeteilt haben.
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Tun wir das aber, dann sind auch die leitenden Angestellten gezwungen, sich an dieses Institut zu wenden, um dort etwaige Betreuung und Hilfe zu erhalten.
Herr Abgeordneter Scheppmann sagt, die Bundesanstalt gebe die Beitragsmittel in die Wirtschaft, in die werteschaffende Arbeitslosenfürsorge. Natürlich gibt sie sie dahin! Aber weshalb? Sie ist wie jede Verwaltung gehalten, ihre Reserven vernünftig anzulegen, und zwar wird ein Drittel 'in bar angelegt - worüber sie verfügen kann -, ein. Drittel in kurzfristigen Darlehen und der Rest in langfristigen Darlehen, möglichst abgesichert durch Grundstückssicherungsrechte, also durch Hypotheken und ähnliche Dinge. Daß die Bundesanstalt diese festzulegenden Gelder in den Wohnungsbau gibt, ist für eine Sozialanstalt selbstverständlich. Das hat also gar nichts mit der Frage der Inanspruchnahme zu tun.
Im übrigen wurde vom Herrn Kollegen Richter angedeutet, daß auch die leitenden Angestellten arbeitslos werden könnten. Selbstverständlich! Aber welche Rechte haben sie dann, wenn sie einmal arbeitslos werden? Der Ausschuß sieht vor, daß die leitenden Angestellten Beiträge höchstens von dem Einkommen bis zu 750 Mark zahlen, also ganz gleich, wieviel sie verdienen. Nach diesen Beiträgen richten sich im Falle der Arbeitslosigkeit selbstverständlich auch die Leistungen, so daß ein höher bezahlter Angestellter für den Fall, daß er arbeitslos wird, die Unterstützung nach den Beiträgen von 750 DM bekommt. Man mag darüber streiten, ob diese Unterstützung dem Lebensstandard und den Lebensgewohnheiten eines leitenden Angestellten entspricht.
Im übrigen wird behauptet, die leitenden Angestellten müßten deshalb in die Arbeitslosenversicherungspflicht einbezogen werden, weil sie unter Umständen auch Arbeitslosenhilfe in Anspruch nehmen könnten. Jawohl, das trifft zu. Aber die Arbeitslosenhilfe können sie erst dann in Anspruch nehmen, wenn sie bedürftig sind und wenn die Bedürftigkeit nachgewiesen ist. Im übrigen hat die Arbeitslosenhilfe insofern wenig mit der Arbeitslosenversicherung zu tun, als die Mittel, die zur Arbeitslosenhilfe gezahlt werden, der Bund trägt, während das Arbeitslosengeld auf Grund der Arbeitslosenversicherung aus den Beiträgen aufgebracht werden muß.
Ich bitte unter diesen Gesichtspunkten, unserem Antrag zuzustimmen, der die Regierungsvorlage wiederherstellen soll' und alle diese Gesichtspunkte durchaus berücksichtigt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Bürkel hat eine
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Reihe der Fragen, die der sehr verehrte Kollege Scheppmann angesprochen hat, schon beantwortet. Ich habe leider jetzt noch einmal zu wiederholen
- Herr Kollege Scheppmann möge mir nicht böse sein -, daß meine Frage an ihn wirklich nur der sachlichen Klärung des Tatbestandes diente, nämlich des sozialen Tatbestandes, daß man gegen Arbeitslosigkeit diejenigen versichern soll, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind.
Solange ich mich um sozialpolitische Dinge sorge und kümmere, habe ich noch nie gehört, daß es im Bergbau - weder in Deutschland noch in anderen Ländern - Arbeitslosigkeit gibt, sondern ich höre nur immer: Subventionen für den Bergbau, notwendige Maßnahmen für den Bergarbeiterwohnungsbau, ungeheure Sorgen um genügende Anzahl von Menschen für den Bergbau, sei es im Flüchtlingslager, wo die Arbeitsämter Menschen für den Bergbau suchen, sei es wo auch immer um Arbeitskräfte geworben wird. Nachdem nun der Herr Kollege Scheppmann mir eindeutig geantwortet hat, es gebe keine leitenden Bergbauangestellten, die arbeitslos sind, meine ich, es ist richtig, was Kollege Bürkel gesagt hat: Man kann und darf nicht Menschen in ein Risiko und in eine Verpflichtung einbeziehen, die davon gar nicht betroffen sind und die eine Einbeziehung auch nicht wünschen können.
Selbstverständlich gibt es ein Risiko in der Sozialversicherung. Aber gerade der Risikoausgleich innerhalb einer Versicherung kann sich doch nur auf diejenigen beziehen, die miteinander und füreinander in den Wechselfällen des Lebens für den sozialen Tatbestand, für den die Versicherung da ist, die Last getragen haben.
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- Was beantrage ich nicht?
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- Ich würde, wenn wir über das Problem der Versicherungsfreiheit im Bergbau bei einer Reform der gesamten Knappschaftsversicherung sprechen würden, unter Umständen zu dieser Konsequenz kommen, Herr Kollege! Wir müßten uns darüber unterhalten. Wir sprechen heute nicht über die Reform der Knappschaftsversicherung, sondern über die Reform der Arbeitslosenversicherung. Und da muß ich zu dem, was hier gesagt worden ist, ganz systematisch Stellung nehmen: das war das Thema „Risiko", das war das Thema „Risikoausgleich", und das war die klare Frage: Ist bereits der Angestellte im Bergbau gefährdet, wird er arbeitslos?, die mir Herr Kollege Scheppmann mit einem klaren Nein beantwortet hat.
Herr Kollege Scheppmann hat weiter darauf hingewiesen, daß nirgendwo die Sozialleistungen so hoch sind wie im Bergbau. Wir, die wir uns um diese Dinge kümmern, wissen, warum das so ist. Es ist ganz unbestritten, daß die Sozialleistungen im Bergbau besonders hoch sein müssen auch wegen der Gefahren, die den Bergmann bedrohen. Aber die Lasten, die alle mittragen sollen, die Kosten für diese Sozialleistungen, die trägt das ganze Volk im Kohlenpreis, die tragen wir in den Steuern über die Subventionen, - die tragen wir alle gemeinsam, die kann doch nicht die kleine Schicht der leitenden Bergbauangestellten tragen.
Die Last, die dem Bergbau durch seinen Sozialetat entsteht, wird hier wie anderswo in der Wirtschaft, ob die Unternehmen gemeinwirtschaftlich oder in anderer Form betrieben werden, auf den Preis abgewälzt; auch da, wo subventioniert wird, wird die Last auf den Steuerzahler abgewälzt. Niemals aber darf es dazu kommen, daß Lasten - die die Allgemeinheit betreffen - auf einen kleinen Personenkreis abgewälzt werden. Daher ist auch der Gedanke falsch, die Last werde dadurch vermindert, daß man einen kleinen Personenkreis, der gar nicht von dem Schicksal der Arbeitslosigkeit bedroht ist, in die Versicherungspflicht einbezieht.
Nun hat der Herr Kollege Scheppmann auf die Situation von 1931 hingewiesen. Niemand von uns ist der Auffassung, daß das deutsche Volk und Europa für alle Zeiten von einer Krise verschont bleiben kann. Möge uns das Schicksal davor bewahren, daß wir mit einer Novelle zu diesem Gesetz die Beiträge, die Sie jetzt senken wollen, sehr schnell erhöhen müssen. Mögen wir das große Glück haben, daß nicht außenpolitische Ereignisse uns in der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklung so hindern, daß wir unter Umständen sehr ernsthaft über diese Fragen sprechen müssen. Wir sind dankbar dafür, daß wir zur Zeit kein Problem der Arbeitslosigkeit haben, und sollten auch die Krisenerscheinungen von 1931 zumindest in diesem Zusammenhang nicht heraufbeschwören. Wenn wir nachher über die Höhe des Beitrags sprechen, wird allerdings die Möglichkeit gegeben sein, darüber zu diskutieren.
Nachdem schon Kollege Bürkel so eingehend die Argumente des Herrn Scheppmann behandelt hat, darf auch ich Sie dringend bitten, so verantwortungsbewußt wie möglich zu handeln und den Antrag der DP und der FVP auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage - das ist der Tenor auch des Antrags der CDU/CSU-Kollegen und des Antrags der FDP - zuzustimmen. Wir werden bei der unterschiedlichen Abstimmung, die sich auf Grund der verschiedenen Anträge ergibt, auch dem Antrag der CDU/CSU-Kollegen zustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ludwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir dürfen wohl voraussetzen, daß alle Mitglieder dieses Hauses verantwortungsbewußt arbeiten und handeln. Wenn hier das Wort von der „Sondersteuer" gefallen ist, so war das sicher ein sehr unglücklicher Ausdruck, denn von einer Sondersteuer kann doch keine Rede sein, wenn es sich um die Einbeziehung in eine Versicherungseinrichtung handelt.
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Es ist gesagt worden, nur wer bedroht sei, komme für die Einbeziehung in eine solche Einrichtung in Frage. Wer bedroht ist, weiß niemand; arbeitslos kann man sehr schnell sein.
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Wir haben sehr oft erlebt, daß auch Empfänger hoher Einkommen in diese Lage geraten sind und das Schicksal der Arbeitslosigkeit tragen mußten. Die Gefahr der Arbeitslosigkeit besteht für alle. Ich habe vorhin auch einen Widerspruch gehört: erst ist gesagt worden, die Leute kämen nie in
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diese Lage, und dann ist zugegeben worden, daß
tatsächlich auch sie in diese Lage kommen können.
Aber entscheidend ist nach meiner Auffassung, daß auch gering bezahlte Arbeiter und Angestellte seit Jahrzehnten ihre Beiträge entrichten, niemals arbeitslos geworden sind und niemals die Arbeitslosenversicherung in Anspruch genommen haben. Sie haben ihren Beitrag gezahlt und nicht gemurrt, weil sie es als einen Akt der Solidarität betrachtet haben. Das Solidaritätsprinzip, das hier wiederholt erwähnt wurde, ist gerade für alle, die sich in einer abhängigen Stellung befinden, wichtig, sollte also beachtet werden. Das gilt auch für die höher bezahlten Angestellten.
Es ist wiederholt angedeutet worden, daß die Beitragsbemessungsgrenze bei 750 Mark liegen soll. Was macht es also höheren Angestellten, die weit mehr verdienen, aus, wenn sie von 750 Mark 1 % bezahlen? Denn Sie brauchen doch nur in Vergleich zu stellen, von welchen geringen Einkommen die Arbeiter und die kleinen Angestellten bisher zwei und noch mehr Prozent gezahlt haben und in Zukunft 1 % zahlen müssen. Wenn also diese dazu in der Lage sind, dann müßten es doch auch die höheren Angestellten sein.
Es ist weiter vom Bergbau gesprochen worden, und man hat mit Recht darauf hingewiesen, daß man dort eben Opfer anderer Art bringt, um den gleichen Zweck zu erfüllen. Jedenfalls ist es nicht so, daß dort etwas geschenkt wird, sondern der Bergbau zahlt im Gegenteil noch höhere Beiträge als die anderen Gruppen. Man sollte auch nicht übersehen und nicht einfach mit einer Handbewegung über das hinweggehen, was der Herr Kollege Scheppmann von der allgemeinen Beanspruchung der Einrichtungen dargelegt hat, die auch mit dem Geld der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden.
Ich stehe deshalb auf dem Standpunkt, wir sollten wirklich nicht lange über eine so selbstverständliche Sache streiten, sondern sollten uns auf den Ausschußvorschlag einigen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jentzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Kollege Scheppmann vorhin sprach, habe ich versucht, ihm eine Frage zu stellen. Ich möchte die voraufgegangene Diskussion nicht weiter vertiefen. Aber mir scheint es doch notwendig, auf diese Dinge zurückzukommen.
Herr Scheppmann, Sie haben auf den Einwand, daß durch die totale Versicherungspflicht eine Präjudizierung in bezug auf die kommende Rentenreform vorgenommen würde, erklärt, dem sei nicht so; denn es handle sich um zwei ganz verschiedene Tatbestände. Insoweit gehe ich mit Ihnen einig: es handelt sich um zwei ganz verschiedene Sachverhalte. Aber Sie werden doch nicht leugnen können, daß es sich um ein und dasselbe Prinzip handelt und daß die Präjudizierung eben im Prinzip liegt. Das ist etwas, was wir nicht wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe auf eine Frage zu antworten, die Herr Kollege Schneider an mich gerichtet hat. Wir haben als Maßstab für die Einbeziehung in die Versicherungspflicht die Versicherungspflicht zur Krankenversicherung genommen aus der Erkenntnis, daß man dort noch das Prinzip verfolgt, nur einen solchen Kreis in die gesetzlichen SozialVersicherungen einzubeziehen, bei dem man das Gefühl haben muß, daß er nicht selber in der Lage ist, für seine Zukunft zu sorgen und sie zu sichern. Wir beharren nicht auf der Formulierung - das habe ich bei meinen ersten Ausführungen schon zum Ausdruck gebracht -, wir wollen ja nur den Grundsatz durchgeführt wissen und würden uns ohne weiteres dem Vorschlag anschließen, der von der DP und auch von Teilen der CDU gekommen ist - allerdings mit einigen Einschränkungen bei der CDU -, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Uns kommt es - ich wiederhole es noch einmal - auf den Grundsatz an: es soll nur der Kreis betroffen werden, dem die Allgemeinheit helfen muß, und nicht jeder. Darin unterscheiden wir uns ganz grundsätzlich von den Ausführungen, die der Herr Kollege Ludwig hier gemacht hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß im Moment doch noch etwas sagen. Herr Dr. Atzenroth, Sie haben sich unklar ausgedrückt. Einmal wollen Sie nach Ihrem Antrag den Kreis einengen.. Dann würde eine ganze Masse von Angestellten - es sind vielleicht Hunderttausende von Leuten - nicht mehr nach dem AVAVG versichert sein, obwohl sie i es bisher sind. Dagegen wende ich mich, und deshalb habe ich gebeten, den Antrag abzulehnen. Andererseits sagen Sie wieder: Wir würden uns eventuell auch mit der Annahme des Antrags des Herrn Dr. Bürkel abfinden. Sagen Sie doch, was Sie wollen! Wollen Sie das eine, oderwollen Sie das andere? Sie wollen also den Kreis der bisher nach dem AVAVG versicherten Angestellten nicht einengen. Dann können Sie Ihren Antrag nicht aufrechterhalten.
Ich bitte Sie nochmals, für den Fall, daß Herr Dr. Atzenroth seinen Antrag nicht zurückzieht, den Antrag auf Umdruck 821 abzulehnen im Interesse der Hunderttausenden von Angestellten, die dann nicht mehr versicherungspflichtig wären.
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Das Wort hat der Abgeordnete Maier ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich nicht mehr zum Wort gemeldet; aber Frau Kalinke hat mich mißverstanden. Ich habe erst einen Zwischenruf hinsichtlich des Bergbaus gemacht und nachher bei einer anderen Gelegenheit von der Arbeiterversicherung gesprochen. Da, meine ich, hat Frau Kalinke mich falsch verstanden, und deswegen möchte ich an sie, aber auch an alle diejenigen Damen und Herren, die ihrer Auffassung sind, die konkrete Frage richten: Wie stellen Sie sich das denn nun wirklich vor? Dem Arbeiter muten Sie zu, gleichviel, wie hoch sein Einkommen ist, daß er Beiträge
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bezahlt ohne Rücksicht darauf, daß er jemals einen Tag im Leben arbeitslos wird.
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Ich meine, man darf das nicht dem einen zumuten und den andern, der es, wie vorhin mit Recht gesagt worden ist, besser verträgt, entlasten. Was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Deswegen bitte auch ich darum, den Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, noch einmal das Wort zu nehmen, und zwar auf Grund der Ausführungen der Frau Kollegin Kalinke und des Herrn Kollegen Dr. Bürkel, die sich beide mit den Fragen des Bergbaus beschäftigt haben. Frau Kalinke, ich sage nochmals: Natürlich sind im Bergbau keine Oberbeamten arbeitslos. Aber wir machen dieses Gesetz ja nicht nur für das Jahr 1956, sondern es soll doch sicherlich für die nächsten Jahrzehnte Geltung haben. Was sich aber in den nächsten Jahren alles abspielen mag, das wissen Sie so wenig wie jeder andere.
({0})
Bezüglich der Beiträge des Bergbaus, Herr Dr. Bürkel, möchte ich Ihnen folgendes sagen. Der Bergbau hat bis zum Jahre 1942 genauso Beiträge gezahlt wie jede andere Berufsgruppe. Danach hat man den Beitrag, den der Bergbau, also die beschäftigten Arbeitnehmer und die Arbeitgeber, geleistet hat, zur knappschaftlichen Rentenversicherung verlagert, weil man damals den Standpunkt vertrat - das war 1942 -, im Bergbau würde keiner arbeitslos. Man hat den Beitrag verlagert, um die Rentenversicherung für den Bergbau aufzubessern, um ihm keine neuen Beiträge aufzulasten. In der Folgezeit hat es sich, aber so entwickelt, daß die vom Bergbau aufgebrachten Beiträge heute genau 39,9 % ausmachen, während in der IV, in der AV und bei allen übrigen Versicherungsträgern einschließlich der Unfallversicherung die Beiträge nur 21,7 % ausmachen. Ich glaube, das ist ein wesentlicher Unterschied. Die im Bergbau beschäftigten Menschen zahlen damit also auch dann mehr, wenn sie keinen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zahlen.
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Ich glaube also, es ist durchaus berechtigt, daß die Dinge so gestaltet sind.
Wir wären damit einverstanden, wenn man den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zurückverlagern würde. Aber dann würde ja eine andere Lücke entstehen. Nun, wenn das aus öffentlichen Mitteln gedeckt werden soll, soll es uns recht sein; dann soll man diese Beträge dafür geben. Es ist aber unmöglich, darüber in der Art zu reden, wie es hier geschehen ist. Es wird so hingestellt, als ob der Bergbau zu diesen Gesamtlasten überhaupt nichts beitrage. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß vom Bergbau gegenüber allen anderen Versicherungsträgern das Doppelte an Sozialversicherungsbeiträgen aufgebracht wird.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hätte mich bestimmt nicht noch einmal gemeldet, aber ich möchte dem Kollegen Maier keine Antwort schuldig bleiben; er könnte sonst meinen, ich hätte hier gekniffen.
Sie dürfen überzeugt sein: wenn wir eine Entscheidung über die totale Versicherungspflicht von Arbeitern und Angestellten zu treffen hätten, dann würde ich mit Mut, den Sie mir nicht absprechen werden, sagen, daß ich die deutschen Arbeiter für so verantwortungsbewußt und dank ihrer eigenen Tüchtigkeit und dank der Arbeit der Gewerkschaften für wirtschaftlich so gesichert halte, daß sie durchaus in der Lage sind, auch in Zukunft das Risiko zu tragen, wenn eine Versicherungspflichtgrenze für Arbeiter mit bestimmten Einkommen gezogen würde!
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Es ist
- zur allgemeinen Befriedigung, wie mir scheint
- nicht der Fall.
Damit kommen wir zur Abstimmung, zuerst über den Änderungsantrag der Fraktionen der Deutschen Partei und der Freien Volkspartei auf Umdruck 803*) Ziffer 1. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Bürkel, Horn, Engelbrecht-Greve und Genossen auf Umdruck 800**) Ziffer 1. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Umdruck 831***) ist zurückgezogen. Umdruck 821 Ziffer 4****) ist auch zurückgezogen. Umdruck 808 Ziffer 4*****) ist jetzt wahrscheinlich erledigt. Oder muß darüber noch abgestimmt werden? Es ist der Antrag der Fraktion der CDU/CSU.
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- Er ist erledigt. Ich wollte nur die Bestätigung von seiten der Antragsteller haben. Damit sind die Änderungsanträge zu § 69 erledigt.
Ich lasse über § 69 in der nunmehr beschlossenen, geänderten Fassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe § 69 a auf, dazu Umdruck 797 Ziffer 3******). Wird dazu das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 69 a der Ausschußvorlage bestimmt, daß Beschäftigungsverhältnisse von Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder die eine Rente wegen Invalidität oder Berufs-
*) Siehe Anlage 6.
**) Siehe Anlage 4.
***) Siehe Anlage 13.
****) Siehe Anlage 9. *****) Siehe Anlage 7. ******) Siehe Anlage 3.
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unfähigkeit aus der Invaliden-, Angestellten- oder knappschaftlichen Rentenversicherung erhalten, versicherungsfrei sind, d. h. daß solche Beschäftigte im Falle der Arbeitslosigkeit keine Arbeitslosenunterstützung erhalten, auch dann nicht, wenn sie jahrzehntelang eine Beschäftigung ausgeübt haben und durch schlechte wirtschaftliche Verhältnisse arbeitslos geworden sind.
Diese Regelung benachteiligt vor allem die Hunderttausende von Kriegerwitwen und viele Witwenrentnerinnen der Invaliden-, Angestelltenoder Knappschaftsversicherung, die zum allergrößten Teil in einem vollen Beschäftigungsverhältnis stehen, weil ihre niedrigen Witwenrenten zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht ausreichen. Im Falle der Arbeitslosigkeit sind die Beschäftigten dann nur noch auf ihre oft kärgliche Rente angewiesen, oder sie fallen der öffentlichen Fürsorge zur Last, obwohl sie oft jahrzehntelang in einem ordentlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden haben. Diese Menschen können es einfach nicht begreifen, daß sie bei Arbeitslosigkeit keine Arbeitslosenunterstützung erhalten und auf die Fürsorge angewiesen sind.
Außer den Witwenrentnerinnen werden von dieser Regelung vor allem auch diejenigen hart betroffen, die aus der Knappschaftsversicherung wegen des Verlusts ihrer Fähigkeit, eine bergmännische Tätigkeit fortzusetzen, eine Ausgleichsoder Teilrente erhalten, im übrigen aber in einem normalen Arbeitsverhältnis stehen. Auch sie fallen nicht unter die Versicherungspflichtigen und erhalten im Falle der Arbeitslosigkeit keine Arbeitslosenunterstützung.
Sowohl bei den Witwenrentnerinnen als auch bei diesen Teilrentnern handelt es sich meistens um Personen, die noch lange nicht in dem Alter sind, in dem man normalerweise Invaliden- oder Altersrente bekommt.
Diese Regelung des § 69 a war schon im alten AVAVG enthalten, hat aber dort zu erheblichen Schwierigkeiten und Ärger geführt. Darum haben die Länder Bayern und Rheinland-Pfalz eine andere gesetzliche Regelung eingeführt und diese Arbeitsverhältnisse für versicherungspflichtig erklärt.
Meine Damen und Herren, eine Regelung, wie sie in Bayern und in Rheinland-Pfalz getroffen worden ist, würde auch dem Grundsatz des Gesetzes, wie er in § 69 festgelegt ist, entsprechen. Es wird dort im Gegensatz zu der seitherigen Regelung bestimmt - oder richtiger gesagt, es sollte bestimmt werden; der gerade eben gefaßte Beschluß hat diese Bestimmung zunächst aufgehoben -, daß alle Beschäftigungsverhältnisse unabhängig von der Verdiensthöhe versicherungspflichtig sind.
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion legt Ihnen auf Umdruck 797 unter Ziffer 3 einen Antrag vor, der bezweckt, daß diese Beschäftigungsverhältnisse versicherungspflichtig werden, so daß im Falle einer Arbeitslosigkeit auch Unterstützungsanspruch besteht und diese Menschen nicht nur auf ihre kärgliche Rente oder auf die Fürsorgeunterstützung angewiesen sind, obwohl sie oft jahrelang in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Von der Versicherungspflicht ausgenommen sollten auch nach unserer Meinung die Beschäftigten sein, die über 65 Jahre alt sind und Anspruch auf Rente haben, so wie es in unserem Antrag zum Ausdruck kommt.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie noch einmal bitten, dem Änderungsantrag auf Umdruck 797 Ziffer 3 stattzugeben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Becker ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion bitten, diesen von der SPD-Fraktion gestellten Antrag 'abzulehnen.
Ich darf darauf hinweisen, daß diese Frage im Ausschuß für Arbeit sehr ausführlich beraten wurde und daß der Ausschuß trotzdem an der seit Jahren im Bundesgebiet bestehenden Regelung festgehalten hat, wonach die Beschäftigung von Rentnern infolge der Befreiung von der Beitragspflicht auch keine Anwartschaft in der Arbeitslosenversicherung begründet. Die Rentenreform wird die Rentenleistungen verbessern. Es besteht deshalb keine Veranlassung, die Beschäftigung von Rentnern im Gegensatz zum geltenden Recht unter Arbeitslosenversicherungsschutz zu stellen. Für die über 65jährigen, die ausnahmsweise nicht Bezieher einer Altersrente sind, kann nicht ein Sonderrecht geschaffen werden. Daß die Gewährung der Altersrente an die Vollendung des 65. Lebensjahrs geknüpft ist, beruht doch auf der Tatsache, daß der 65jährige in der Regel aus dem vollen Arbeitsleben ausscheidet. Würden wir dem Antrag der SPD- Fraktion stattgeben, würden wir zweierlei Recht im Arbeitsleben schaffen: die einen, die eine Altersrente mit dem 65. Lebensjahr beziehen, wären beitragsfrei, während die anderen, die nicht rentenberechtigt sind, beitragspflichtig wären. Ich glaube, wir sollten nicht zweierlei Recht schaffen.
Lassen Sie mich jetzt noch etwas Grundsätzliches sagen. Es kommt uns darauf an, daß vom Arbeitsamt nur solche Arbeitslose betreut werden, die auch wirklich vermittlungsfähig sind. Für Fürsorgemaßnahmen sind nach unserer Ansicht andere Stellen zuständig. Aus diesem Grunde bitte ich nochmals, den Antrag der SPD-Fraktion abzulehnen.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 797*) Ziffer 3 auf Neufassung des § 69 a. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 69 a in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; er ist angenommen.
Ich rufe auf § 69 b. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem 69 b in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 3.
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Ich rufe auf § 70 und hierzu den Änderungsantrag Umdruck 797 Ziffer 2*) Buchstabe b. Wird noch das Wort gewünscht? - Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 797 Ziffer 2 Buchstabe b. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über § 70 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf § 70 a mit den Anträgen Umdruck 811**) Ziffern 1 und 2 und Umdruck 821***) Ziffer 5. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Engelbrecht-Greve!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 70 a regelt die Versicherungspflicht bzw. -freiheit der Masse der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, nämlich der verheirateten Stundenlöhner und der in die Hausgemeinschaft aufgenommenen ledigen Monatslöhner. Fast zwei Drittel aller landwirtschaftlichen Fremdarbeiter sind als Monatslöhner in die häusliche Gemeinschaft 'aufgenommen und z. Z. versicherungsfrei, während etwa ein Drittel verheiratete Stundenlöhner sind. Nach geltendem Recht sind diese versicherungspflichtig.
Meine Damen und Herren, man mag bedauern, daß in unserer heutigen Landarbeitsverfassung das Verhältnis zwischen verheirateten Stundenlöhnern und ledigen Monatslöhnern so ungünstig ist. Auch ich würde es begrüßen, wenn dieses Verhältnis zugunsten der verheirateten Landarbeiter wesentlich verschoben werden könnte. Wir haben deshalb auch in unserem Antrag die Auffassung übernommen, daß wir für unseren verheirateten Stundenlöhner den Arbeitsplatz durch langfristige Verträge sichern müssen, wie es in der Regierungsvorlage schon vorgesehen war. Daher haben wir die Nrn. 1 und 2 des § 70 a Abs. 1 der Regierungsvorlage als Nrn. 2 und 3 in unseren Änderungsantrag übernommen.
Ich komme jetzt aber zu der doppelt so großen Anzahl der Monatslöhner, die in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind. Nach der Ausschußvorlage sind diese Monatslöhner im Gegensatz zu dem jetzt geltenden Recht nur dann versicherungsfrei, wenn ein langfristiger, mindestens einjähriger Arbeitsvertrag unterschrieben ist. Wer die Praxis kennt, der wird mir bestätigen, daß gerade dieser Kreis von jungen Menschen, der hier angesprochen ist, mit wenigen Ausnahmen nicht gewillt ist, einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen. Mit dieser Auffassung stehe ich übrigens nicht allein. Auch der Vertreter der Landarbeitergewerkschaft, den wir im Ausschuß dazu gehört haben, war dieser Auffassung. Nach der Ausschußfassung bleibt also dieser große Personenkreis fast voll versicherungspflichtig. Ich möchte nicht auf alle arbeitsstatistischen Zahlen eingehen, um nachzuweisen - ich könnte es an Hand genauer Zahlen nachweisen -, daß eine wirkliche Arbeitslosigkeit gerade in diesem Personenkreis in der Landwirtschaft nicht besteht. Ich bin der Meinung, daß auch in Zukunft eine wirkliche konjunkturelle Arbeitslosigkeit für ihn nicht bestehen wird. Im übrigen
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 8. ***) Siehe Anlage 9. ist dieser Kreis der Monatslöhner durch eine vierzehntägige Kündigungsfrist davor gesichert, von heute auf morgen arbeitslos zu werden.
Im Ausschuß für Arbeit ist die Auffassung vertreten worden, die Schlechterstellung in der Arbeitslosenversicherung fördere die Abwanderung vom Lande. Meine Damen und Herren, ich glaube, man sollte sich die Begründung für die Abwanderung der Arbeitskräfte vom Lande nicht so einfach machen. Da sprechen viele andere Momente mit. Von der Landarbeitsverfassung habe ich schon kurz gesprochen. Daß die Arbeitskräfte vom Land abwandern, liegt zum Teil an den geringeren Aufstiegsmöglichkeiten in der Landwirtschaft, zum Teil von der Entlohnung, zum ganz großen Teil aber auch an dem allgemeinen Trend in die Stadt hinein, im allgemeinen Trend hin zur Masse.
Unsere ganz besondere Sorge aber ist folgende. Wir befürchten, daß, wenn dieser Personenkreis arbeitslosenversicherungspflichtig würde, in Zukunft auch diejenigen Arbeitgeber, die bisher ihre Arbeitskräfte im Winter durchgehalten haben, sie in Zukunft im Winter für einige Monate „stempeln" lassen. Meine Damen und Herren, gerade das wollen wir nicht. Damit würde nach meiner Auffassung die saisonale Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft geradezu gefördert, und im Gefolge davon würde eine noch stärkere Abwanderung vom Lande eintreten.
({0})
Das möchte ich als meine Hauptbegründung hierfür herausstellen. Ich möchte über den Mißbrauch, der betrieben werden kann, nicht viel sprechen.
Aber noch ein Zweites. Man sollte doch auch den Unterschied zu einem normalen Arbeitsverhältnis in der gewerblichen Wirtschaft sehen. Der in die häusliche Gemeinschaft aufgenommene junge Mensch ist zum großen Teil auch in die Familie aufgenommen,
({1})
in der, das werden Sie mir zugeben, auch die
menschlichen Bindungen zum Arbeitnehmer viel
enger sind als z. B. in der gewerblichen Wirtschaft.
Auf die finanziellen Auswirkungen will ich nur ganz kurz eingehen; das soll nicht meine Hauptbegründung sein. Nach den Ermittlungen des Landwirtschaftsministeriums sind im Jahre 1954/55 für Monatslöhner an Barlohn plus Kost und Wohnung rund 1,23 Milliarden DM ausgegeben worden. Dazu ist seit 1954/55 eine etwa 20% ige Lohnerhöhung gekommen. Daraus ergibt sich, daß die Gesamtlohnsumme für diesen Kreis zur Zeit mindestens etwa 1,3 Milliarden jährlich beträgt. 2% davon sind etwa 25 bis 26 Millionen DM. Das wäre die Summe, die an Arbeitslosenversicherungsbeiträgen in Zukunft für diesen Personenkreis gezahlt werden müßte. Da die Arbeitslosenbeiträge wie sämtliche Soziallasten überhaupt in der Landwirtschaft bei den Monatslöhnern durchweg netto für brutto gezahlt werden, würde diese Summe auf die kleine und die mittlere Landwirtschaft zukommen.
Darf ich noch einen Gedanken aussprechen. Es wird beim Thema Arbeitslosenversicherung - auch heute ist es hier schon geschehen - so viel vom Solidaritätsprinzip gesprochen. Ich halte es für eine falsch verstandene Solidarität, wenn Arbeitnehmer, die immer einen Arbeitsplatz finden können, im Vergleich zu anderen Berufsgruppen und -zweigen aber einen geringeren Lohn haben,
({2})
letzten Endes Beiträge zahlen für Arbeitslose, die an Arbeitslosenunterstützung im Winter mehr erhalten, als die Landarbeiter verdienen.
Meine Damen und Herren, im übrigen darf ich bemerken, daß dieser Antrag nicht etwas völlig Neues ist, sondern genau dasselbe ist schon jetzt im Lande Rheinland-Pfalz bestehendes Recht. Ich darf das Hohe Haus bitten, dem Änderungsantrag zu § 70 a zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe von meiner Fraktion den Auftrag, zu dem Änderungsantrag Umdruck 821*) zu § 70 a folgendes bekanntzugeben. Im Grundsätzlichen stimmen wir dem, was mein Vorredner, Herr Abgeordneter Engelbrecht-Greve, gesagt hat, zu. Für den Fall, daß sein Antrag keine Mehrheit im Hause findet, werden wir unsern Antrag Umdruck 821 Ziffer 5 aufrechterhalten. Ich möchte für diesen Fall ganz kurz den sachlichen Inhalt dieses Änderungsantrags wiedergeben.
Die Versicherungsfreiheit für landwirtschaftliche Arbeitnehmer soll eintreten erstens im Falle der häuslichen Gemeinschaft - hierzu darf ich auf das hinweisen, was mein Vorredner hier ausgeführt hat -, zweitens für den landwirtschaftlichen Arbeitnehmer mit einem eigenen Hausstand, der sich im Jahresarbeitsverhältnis oder in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit befindet, wenn der Arbeitsvertrag eine mindestens vierteljährliche Kündigungsfrist vorsieht. Dieser zweite Teil des Antrags will erreichen, daß der landwirtschaftliche Arbeitnehmer, der in einem längeren Arbeitsverhältnis steht, auf die Stufe emporgehoben wird, in der er sich weitgehend auch befindet, nämlich, daß er ähnlich wie der Angestellte behandelt wird. Voraussetzung für beide Punkte ist, daß eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber in der Zeit vom 1. November bis zum 31. Januar nach dem Arbeitsvertrag nicht wirksam wird.
Hiermit wollen wir erreichen, daß die alte bäuerliche Gepflogenheit erhalten bleibt, daß derjenige, der im Sommer auf dem Hof gearbeitet hat, auch im Winter, von Martini bis Lichtmeß, dort seine Unterkunft und Anteil an der häuslichen Gemeinschaft hat. Ich glaube, daß allen Bedenken, die gerade von seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes vorgebracht werden, hiermit der Boden entzogen wird; denn damit gibt es in der Landwirtschaft praktisch keine Arbeitslosen mehr. Damit wollen wir auch erreichen, daß diejenigen landwirtschaftlichen Betriebsführer, die in unsozialer Weise handeln und ihre Arbeitskräfte den Winter über entlassen wollen, gezwungen werden, sich der Arbeitslosenversicherung als Pflichtversicherung anzuschließen. Zusammenfassend möchte ich nochmals sagen: wenn der Antrag meines Vorredners von der CDU auf Umdruck 811 nicht durchgeht, werden wir diesen Antrag aufrechterhalten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
*) Siehe Anlage 9.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß die Rechtslage zur Zeit nicht einheitlich ist. Die Regelung ist in den einzelnen Ländern differenziert, und mit diesem Gesetz soll ja eine einheitliche Regelung erreicht werden. Nun kann man als Grundlage dieser einheitlichen Regelung zweifellos nicht die schlechteste Regelung nehmen, zumal es hier wirklich gute Gründe gibt, auch dem Anliegen des anderen Teils, der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, Rechnung zu tragen.
Es ist vielleicht gut, noch einmal die Unterschiede herauszuarbeiten, die zwischen der Regierungsvorlage, dem Ausschußbeschluß und den Änderungsanträgen bestehen. In der Regierungsvorlage war vorgesehen, alle langfristigen Arbeitsverträge in der Landwirtschaft, d. h. alle Arbeitnehmer, die einen langfristigen Arbeitsvertrag haben, von der Versicherungspflicht auszunehmen, allerdings hier insofern eine Sicherheit zu schaffen, als sie im Falle der Arbeitslosigkeit Unterstützung erhalten können, da sie während des letzten halben Jahres des Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig sind. So konnten sie eine Anwartschaft zum Bezug von Arbeitslosenunterstützung erwerben. Der Ausschuß hat Ihnen vorgeschlagen, daß die Versicherungsfreiheit nur bestehen soll, wenn der Arbeitnehmer in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommen ist und ein langfristiger Arbeitsvertrag besteht.
Der vom Kollegen Engelbrecht-Greve begründete Antrag will nun zwei Voraussetzungen für die Versicherungsfreiheit schaffen. Es soll schon genügen, daß der Arbeitnehmer in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen ist. Darüber hinaus soll derjenige versicherungsfrei sein, der auf Grund eines langfristigen Arbeitsvertrages beschäftigt ist. Der Antrag der FDP sieht wohl bezüglich der ersten Gruppe, derjenigen, die in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind, vor, daß eine Kündigungsfrist von mindestens vier Wochen einzuhalten ist. Das ist im allgemeinen bei Gesindekräften schon der Fall. Im anderen Fall sieht er aber eine Verschlechterung vor; denn hier soll als langfristiger Arbeitsvertrag praktisch schon ein Arbeitsvertrag gewertet werden, bei dem die Kündigungszeit ein Vierteljahr beträgt. In einem Vierteljahr kann der Arbeitnehmer keine Anwartschaft erwerben. Selbst wenn man hier jetzt vorsähe, daß er in dieser Zeit versicherungspflichtig ist, könnte er keine Anwartschaft auf Unterstützung erwerben.
Zur Frage der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft wird gesagt: eine Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft gibt es praktisch nicht. Auch hier muß ich Ihnen die Tatsachen vortragen. Im letzten Jahre waren in der Landwirtschaft zwischen 10 000 und 100 000 Personen arbeitslos. Das ist die Tatsache, die Sie der Arbeitsmarktstatistik entnehmen können. Man kann also nicht sagen: hier ist keine Arbeitslosigkeit vorhanden. Sie ist natürlich im Schnitt geringer als in anderen Berufen, und die Gründe der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft sind verschiedener, oft natürlich auch struktureller Art. Es liegt oft daran, daß die Kräfte nicht dort sind, wo sie gebraucht werden. Wir kennen die Situation.
Zu dem Anliegen möchte ich folgendes sagen. Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten in der Landwirtschaft, und ich verkenne nicht das Streben, hier von Belastungen frei zu bleiben, die unter Umständen als drückend empfunden werden. Aber
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ich glaube, wir dürfen dabei die andere Seite nicht übersehen. Wir klagen zu bestimmten Zeiten über Kräftemangel in der Landwirtschaft und müssen uns überlegen, welche Gründe dafür maßgeblich sind. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache - die Gründe möchte ich nicht untersuchen -, daß die Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft im allgemeinen ungünstiger als in der gewerblichen Wirtschaft sind. Wir wissen, daß die Löhne niedriger sind; wir wissen, daß die Arbeitszeit länger ist. Darüber hinaus soll der Sozialversicherungsschutz geringer sein. Unter diesen Umständen wird es natürlich zukünftig noch schwieriger sein, für die Landwirtschaft Arbeitskräfte zu finden.
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Wir haben keine Möglichkeit, hier Zwang auszuüben, sondern wir können diese Arbeitsplätze nur empfehlen; der einzelne ist in der Arbeitsplatzwahl ungebunden. Es ist ein ganz natürliches menschliches Streben, daß er sich den Arbeitsplatz sichert, der ihm am angenehmsten ist.
Ich möchte also meinen: auf die Dauer gesehen würden wir der Landwirtschaft nicht nützen, wenn wir hier das Sozialrecht ungünstiger gestalteten; wir würden vielmehr den Drang, aus der Landwirtschaft herauszukommen, noch erhöhen.
Von dem Kollegen. Engelbrecht-Greve ist ein Problem angesprochen worden, das wir wirklich ernsthaft überprüfen müssen. Er sagte: wenn man hier, wie es der Ausschuß vorgeschlagen hat, die Versicherungspflicht einführt, dann ist die große Gefahr der mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung gegeben. Ich leugne diese Gefahr nicht. Wir wissen, daß es in der Sozialversicherung, insbesondere in der Arbeitslosenversicherung, die Gefahr des Mißbrauchs gibt. Man muß sich darum bemühen, den Mißbrauch so weit wie möglich auszuschalten. Das gelingt nicht immer. Ich habe allerdings den Eindruck, daß die Gefahr manchmal überbetont wird. Ich glaube, man sollte die Wirklichkeit nicht überschätzen. Es gibt auch Möglichkeiten, diesem Mißbrauch mit wirksamen Mitteln zu begegnen. Jedenfalls kann das nicht Anlaß sein, hier zu einer so weitgehenden Regelung zu kommen, wie sie der Kollege Engelbrecht-Greve vorgeschlagen hat.
Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht, ob man hier nicht zu einem Kompromiß kommen kann. Ich persönlich könnte einen Kompromiß darin sehen, daß man zur Regierungsvorlage zurückkommt. Darüber müßte man sich einmal unterhalten. In den hier vorliegenden Anträgen sehe ich keine Möglichkeit, dieses Problem wirklich gerecht zu lösen, also auch dem Arbeitnehmer in der Landwirtschaft zu seinem Recht zu verhelfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Kollegen Sabel kann ich mich im wesentlichen - nicht in allen Punkten - anschließen. Den Ausführungen der Kollegen Engelbrecht-Greve und Weber muß ich jedoch namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei entschieden widersprechen.
Herr Kollege Weber, wenn Sie meinen, daß es nur darauf ankomme, alte bäuerliche Gepflogenheiten aufrechtzuerhalten und fortzuführen, werden Sie in einigen Jahren überhaupt keine Landarbeiter in der deutschen Landwirtschaft mehr sehen.
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Wir müssen uns sehr wundern, daß von bäuerlicher Seite allenthalben die Parität gefordert wird, wenn es um Preise und um Absatzverhältnisse und um einiges mehr geht, daß aber diese Parität den landwirtschaftlichen Arbeitnehmern vorenthalten werden soll.
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Es handelt sich bei den beiden Anträgen auf den Umdrucken 811 und 821, die hier zur Debatte stehen, darum, daß das alte beklagenswerte, unselige Ausnahmerecht, unter dem die Landarbeiter in der Arbeitslosenversicherung bisher gestanden haben, beibehalten oder noch verstärkt werden soll. Die Landarbeiter empfinden dieses Ausnahmerecht als diskriminierend. Sie meinen, daß sie in jeder Beziehung im Sozialrecht und auch hier in der Arbeitslosenversicherung das gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen können, das für die anderen Arbeitnehmer besteht.
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Die Landwirtschaft ist schlecht beraten, wenn sie meint, daß im Interesse der Einsparung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags von 1 % des Lohns - nur um diese geringe Summe handelt es sich - die Landarbeiter aus der Arbeitslosenversicherung ausgenommen werden müssen. Die Landwirtschaft wäre besser beraten, wenn sie sich für die Angleichung des Rechts auch für die Landarbeiter einsetzte. Denn es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß dieses mindere Recht, das die Landarbeiter haben, der Werbekraft, der Attraktivität der Landarbeit schadet und viele davon abhält, die Landarbeit aufzunehmen, die vielleicht sonst dazu bereit wären. Natürlich, Herr Kollege EngelbrechtGreve, ist es nicht dieses Ausnahmerecht in der Arbeitslosenversicherung allein. Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Punkten, die eben Grund zur Abwanderung aus der Landwirtschaft sind: in allererster Linie ist hier der niedrige Lohn zu nennen, aber auch die Ausnahmebestimmungen auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts, hier in der Arbeitslosenversicherung, dort in der Unfallversicherung oder im Betriebsverfassungsrecht oder im Kündigungsschutz, allenthalben minderes Recht für die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft!
Alle diese Dinge sind es zu einem guten Teil, die daran schuld sind, daß die Landarbeit in Deutschland so unbeliebt ist und so geringe Werbekraft hat. Im wohlverstandenen Interesse der Landwirtschaft und der Lösung des landwirtschaftlichen Arbeitskräfteproblems liegt es, daß wir dieses Ausnahmerecht beseitigen und gleiches Recht für die Arbeiter der Landwirtschaft herstellen, wie es die Arbeiter in der gewerblichen Wirtschaft haben.
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Es ist sachlich nicht richtig, wenn hier versucht wurde, darzulegen, daß es eine Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft nicht gebe. Herr Kollege Sabel hat das schon berichtigt. Er hat davon gesprochen, daß die Arbeitslosenzahlen der Landwirtschaft von 10 000 im Sommer auf 100 000 im Winter steigen. Sie müssen wissen, daß es insgesamt 700 000 Arbeitnehmer in der Landwirtschaft des Bundesgebietes gibt. Das bedeutet, daß die Arbeitslosigkeit im Winter 15 % der Gesamtzahl der Arbeitnehmer der Landwirtschaft ausmacht.
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Ich darf Ihnen noch eine andere Zahl nennen. Bei dieser Gesamtzahl - diese Zahlen betreffen die Berufsgruppe Landwirtschaft und Gartenbau - von insgesamt 800 000 in dieser Berufsgruppe Tätigen sind in den vergangenen neun Monaten Januar bis September 1956 330 000 Stellenbesetzungen erfolgt. Bei einer Gesamtzahl von 800 000! Wie man dann noch davon reden kann, daß es keine Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft gebe, ist mir unerfindlich.
Die Landarbeiter - alle Landarbeiter des Bundesgebietes, das kann ich hier sagen - haben mit großer Genugtuung die Beschlüsse des Ausschusses zur Kenntnis genommen, die damals - ich glaube, es war im Mai dieses Jahres - gefaßt wurden. Die Landarbeiter des Bundesgebietes wissen, daß heute im Bundestag endgültig über diese Beschlüsse abgestimmt werden soll. Sie schauen heute mit großer Erwartung und mit großer Hoffnung auf uns im Bundestag. Enttäuschen Sie die Erwartungen der Landarbeiter nicht und tun Sie der Landwirschaft keinen schlechten Dienst! Lehnen Sie die Anträge auf Umdruck 811 und auf Umdruck 821 ab!
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage der Einbeziehung der land- und forstwirtschaftlichen Arbeitnehmer in die Arbeitslosenversicherung oder, sagen wir anders, der Ausdehnung des Arbeitslosenversicherungsschutzes auch auf diese Gruppe der deutschen Arbeitnehmerschaft beantrage ich namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei namentliche Abstimmung über diesen Punkt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Brese.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem Problem der Arbeitslosenversicherung der Landarbeiter auch einmal etwas aus der Praxis sagen. Hier sind nämlich einige Dinge durcheinandergeworfen worden, und das könnte verwirrend wirken.
Bei dem Landarbeiter muß man verschiedene Gruppen unterscheiden. Einmal gibt es die langfristig beschäftigten Landarbeiter, die man als Tagelöhner bezeichnet. Diese Landarbeiter können nie arbeitslos werden, weil sie eben den langfristigen Arbeitsvertrag haben. Ich komme aus dem nördlichen Niedersachsen und könnte Ihnen viele Beispiele von solchen langfristig Beschäftigten geben, die nie arbeitslos werden und, Herr Frehsee, die kein Verständnis dafür haben, daß sie und die Arbeitgeber zu den Beiträgen herangezogen werden sollen.
Sie sagen: die Landarbeiterschaft schaut auf uns, ob wir ihr hier die Parität geben. Dazu muß ich sagen: die Gewerkschaft schaut vielleicht auf uns, aber nicht die Landarbeiter.
({0})
Ich will das nicht sagen, um mich zu brüsten, aber um zu sagen, daß ich da vielleicht etwas sachverständig bin. Ich habe vor zwei Monaten eine Ehrung meiner Landarbeiter gehabt. Es waren vier Familien. Die eine war 50, die andere 43, die nächste 30 und die letzte 25 Jahre lang in meinem Betrieb beschäftigt. Sie sind niemals arbeitslos geworden und können es nicht werden; ihnen kann höchstens gekündigt werden.
({1})
- Ich muß Ihnen aus meiner Gegend und aus meiner Erfahrung sagen: wer einen langfristigen Vertrag eingegangen ist, der hat diese Möglichkeiten, und wenn ihm dann gekündigt wird, muß er ja ein halbes Jahr die Beiträge zahlen, wie es vorgesehen ist.
Es kann also niemals von einer Diskriminierung der Landarbeiter gesprochen werden, wie es hier immer so gern geschieht, sondern der Landarbeiter, der bodenständige, langfristig beschäftigte Landarbeiter ist krisenfest.
({2})
- Wenn Sie in der Industrie nur solche krisenfeste Verhältnisse hätten!
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- Ach, Sie sprechen immer so von der Entlohnung! Ich muß mich wirklich wundern, welche Vorstellungen vom Landarbeiterlohn hier herrschen. Unsere Landarbeiterlöhne sind auch nach Tarif abgesprochen. Sicher entspricht die Arbeitszeit nicht der Arbeitszeit in der Industrie, aber wenn ich mir meine Löhne für die langfristig Beschäftigten ansehe, stelle ich fest, daß sie bei einer billigen Wohnung auch auf 300 Mark im Monat kommen, und das ist im gesamten nördlichen Niedersachsen so. Das heißt, Sie müssen höhere Beträge zahlen, wenn Sie die Leute halten wollen, und das ist unser Anliegen.
Nach dem jetzt gültigen Recht ist es doch so - jedenfalls bei uns in der früheren britschen Zone
-, daß die ledigen Landarbeiter, die in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind, nicht arbeitslosenversicherungspflichtig sind. Sehen Sie sich einmal diesen Personenkreis an! Ich glaube nicht, daß Sie noch Landarbeiter, die wirklich Fähigkeiten haben, finden - bei anderen, die nicht ganz einsatzfähig sind, will ich das wohl glauben -, die noch nach Tarif bezahlt werden. Wer einen ledigen Landarbeiter behalten will, der bezahlt ihn überall übertariflich. Das sage ich hier einmal in aller Deutlichkeit. Wenn Sie es wissen wollen: 150 Mark bei Kassenfreiheit, bei freiem Tisch und bei Steuerfreiheit! Das bezahlt alles der Arbeitgeber. Das ist der landläufige Lohn für einen Ledigen.
({4})
Deshalb dürfen Sie nicht immer von den Löhnen der Landarbeiter sprechen, die so erschreckend niedrig seien. Jedenfalls würde es bei uns kein Mensch verstehen, auch unsere Arbeiter würden es nicht verstehen, wenn sie weiterhin bei langfristigen Verträgen zur Arbeitslosenversicherung herangezogen würden. Denn bis zum Ende des Krieges haben wir für diese Kräfte auch keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge gezahlt. Lediglich durch eine Kontrollrats-Verordnung ist diese Pflicht allmählich eingeführt worden, und zwar waren zunächst noch diejenigen frei, die mehr Sachwerte als Barlohn bekamen. Dann ist man aber zu der Regelung gekommen, nach der auch diese langfristig Beschäftigten - ich betone noch einmal: die nie arbeitslos werden können - zur Arbeitslosenversicherung herangezogen werden.
Ich stelle also fest: es handelt sich nicht um ein Anliegen der Arbeitnehmerschaft, und man kann in diesem Zusammenhang überhaupt nicht von der Parität zur gewerblichen Wirtschaft sprechen.
({5})
Ich muß Sie daher recht herzlich bitten, diesen Antrag anzunehmen. Sie würden, wenn er nicht angenommen würde und wenn es bei den Beschlüssen des Ausschusses bliebe, nur Unruhe stiften und vielleicht den Arbeiter noch dazu verleiten, sich leichtsinnig arbeitslos zu melden
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u
und dann vielleicht noch abzuwandern.
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- Das war gar nicht sodeutlich; das kann ich vor jeder Arbeitnehmergruppe vertreten, die die Verhältnisse auf dem Lande kennt. Ich bitte also, den Antrag anzunehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Probleme im Ausschuß für Arbeit sehr eingehend behandelt worden sind und daß auch das Für und Wider der Regelung, die die Regierung in ihrer Vorlage vorgeschlagen hat, sehr ausführlich besprochen worden ist. Es muß noch einmal gesagt werden, daß die Ausschußbeschlüsse mit großer Mehrheit - wenn ich mich nicht irre: nur bei zwei Gegenstimmen - gefaßt worden sind. Es ist nicht so, wie hier vielleicht der Eindruck hätte entstehen können, daß diese Beschlüsse mit sehr knapper Mehrheit gefaßt worden sind und Sie sich insoweit einer besonderen Situation gegenübersehen.
Wenn der Kollege Brese gesagt hat, es sei nicht so, daß die Landarbeiter auf uns schauten, sondern die Landarbeitergewerkschaft schaue auf uns, dann denken Sie bitte an das, was heute in Zusammenhang mit dem Problem der leitenden Angestellten wiederholt gesagt worden ist, wo man die Organisation der leitenden Angestellten als die Sprecherin aller leitenden Angestellten akzeptiert hat,
({0})
und daß es in einer Demokratie üblich ist, eine Organisation, wenn es keine andere gibt, als die Vertreterin der Belange der Menschen anzusehen, die sich in dieser Organisation zusammengeschlossen haben.
({1})
Herr Kollege Brese, wenn in Ihrem Betrieb zu Hause die Verhältnisse in Ordnung sein sollten, so geht es doch nicht an, daß Sie von Ihrem Betrieb auf die Verhältnisse in der deutschen Landwirtschaft in der Bundesrepublik schließen.
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Die Zahl, die ich Ihnen genannt habe, war eine authentische, amtliche Zahl, die Sie jederzeit nachprüfen können, die Zahl nämlich der 330 000 Stellenbesetzungen in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Die Löhne habe ich nur insofern erwähnt, als ich einen Einwand des Kollegen EngelbrechtGreve zu entkräften versuchte, daß dieses Ausnahmerecht in der Arbeitslosenversicherung nicht allein der Grund zur Abwanderung sei. Ich habe gesagt, natürlich seien die niedrigen Löhne der erste und wichtigste Grund. Herr Kollege Brese, man sollte hier nicht den Eindruck erwecken, als sei die Lohnfrage in der Landwirtschaft geregelt. Wir wollen hier nur einmal sagen, daß der Landarbeiterlohn knapp 60 % der durchschnittlichen Löhne in der gewerblichen Wirtschaft beträgt, daß der Landarbeiterlohn im Durchschnitt des Bundesgebiets sich jetzt auf 1,23 DM beläuft. Sie wissen alle, wie die Stundenlöhne in der gewerblichen Wirtschaft aussehen, glücklicherweise aussehen; womit ich nicht sagen möchte, daß sie ausreichen.
({3})
- Nein, nein; ich bin Gewerkschaftler, Herr Kollege Atzenroth, jawohl, ich werde es nie sagen. Sie haben völlig recht, und das gebe ich Ihnen frank und frei zu.
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Wenn es in der deutschen Landwirtschaft so wäre, wie Sie es dargelegt haben, Herr Kollege Brese, gäbe es in der deutschen Landwirtschaft kein Arbeitskräfteproblem.
({5})
Aber es gibt ein sehr brennendes Arbeitskräfte problem, und auch wegen dieses Ausnahmerechts in der Arbeitslosenversicherung gibt es dieses Arbeitskräfteproblem, die geringe Neigung deutscher Menschen, in der Landwirtschaft gegen Entgelt tätig zu werden.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Demmelmeier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem landwirtschaftlichen Problem ist nun von verschiedenen Seiten Stellung genommen worden. Wir wollen die Gründe, die dafür angegeben worden sind, auch von unserer Seite aus berücksichtigen. Es sind aber Standpunkte vertreten worden, die im großen und ganzen der Auffassung der Landwirtschaft nicht entsprechen.
({0})
Es tut mir sehr leid, daß ich das sagen muß. Der Herr Kollege Frehsee von den Sozialdemokraten hat beispielsweise behauptet, daß es eine Diskriminierung bedeuten würde, wenn man die Arbeitnehmer der Landwirtschaft nicht in die Arbeitslosenversicherung einbezöge. Wer behauptet denn das?! Wer die Landwirtschaft kennt, wer mit Arbeitnehmern und Landwirten zusammen ist, der weiß, daß das ganze Jahr hindurch kein Wort davon gesprochen wird,
({1})
daß sich der Arbeitnehmer deswegen in seiner sozialen Stellung als minder betrachtet.
({2})
Diese Minderbetrachtung wird von außer her in die Landwirtschaft hineingetragen.
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Es ist die Behauptung aufgestellt worden, es sei ein Ausnahmerecht, daß in der Landwirtschaft die Arbeitslosenversicherung nicht durchweg eingeführt ist. Ich möchte bloß wissen, welche juristischen Vorstellungen der Herr Kollege von der Sozialdemokratie über Ausnahmerechte hat. Wir vertreten den natürlichen Grundsatz, daß jemand für die Zeit der Arbeitslosigkeit versichert werden soll - und dafür haben wir volles Verständnis -, wenn für ihn keine Arbeit vorhanden ist. Das mag in weiten Teilen der gewerblichen Wirtschaft der Fall sein. Aber auch wenn hundertmal behauptet wird, daß das in der Landwirtschaft der Fall ist, so ist es ebensooft falsch. Die Zahlen, die dazu genannt werden, schwanken zwischen 10 000 und 110 000. Ich muß dem Herrn Kollegen Sabel in dieser Beziehung recht geben, daß er diese Statistik vielleicht etwas besser und im Zusammenhang gelesen hat, wie es eben der Statistik, wenn man sie lesen muß, entspricht. Daraus ist hervorgegangen, daß es in der Landwirtschaft höchstens 10 000 bis 100 000 Arbeitslose gibt. Dabei können wir nicht prüfen, ob es in Wirklichkeit 10 000 sind. Es ist möglich, daß so viele Arbeitslose vorhanden sind; denn es gibt tatsächlich auch eine ganze Anzahl von landwirtschaftlichen Arbeitnehmern, die aus irgendwelchen Gründen bei den größeren Grundbesitzern im Winter vielleicht arbeitslos werden.
({5}) Das bedeutet aber doch nicht, daß die Landwirtschaft als solche Arbeitslosigkeit in einem größeren Ausmaße hat. Das ist eine Behauptung, die einfach nicht bewiesen werden kann.
Das Zweite ist, daß Sie von der Sozialdemokratie vorgeben und auch mit Recht behaupten, Sie hätten für die Landwirtschaft ein Interesse. Sicher haben Sie Kenner in Ihrem Kreise und in Ihrer Fraktion, die über die tatsächlichen Verhältnisse der Landwirtschaft im Bilde sind. Ich bin der Überzeugung, daß nicht alle so eingestellt sind wie der Herr Kollege Frehsee, der diesen Vortrag hier gehalten hat.
Ich möchte mich nun dem Herrn Kollegen Sabel zuwenden. Herr Kollege Sabel, wir haben den Antrag gestellt, die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte, soweit sie in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen werden oder aufgenommen sind, von der Arbeitslosenversicherung freizustellen, und zwar aus einem historischen Grunde. Die Beschäftigung der landwirtschaftlichen Arbeiter in der Hausgemeinschaft bedeutet nach alten Begriffen eine Familiengemeinschaft. Das bedeutet, daß der landwirtschaftliche Arbeitnehmer das ganze Jahr hindurch am Leben der Familie des Landwirts beteiligt ist, am Familientisch sitzt, mit dem Landwirt im Sommer die größere Arbeit bewältigt und mit Rücksicht darauf im Winter auch die kürzere Arbeitszeit in der Landwirtschaft genießt. Wir haben einen ganz natürlichen Ausgleich zwischen der Vollbeschäftigung im Sommer und der durch die Jahreszeit verursachten geringeren Beschäftigung im Winter. Das ist der wesentliche, der fast historische Grund dafür, daß wir darauf bestehen, die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, soweit sie in der häuslichen Gemeinschaft sind, von der Arbeitslosenversicherungspflicht auszunehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, machen Sie doch nicht alles gleich; es gibt doch noch Unterschiede!
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Ich möchte Sie bloß daran erinnern, daß vorhin behauptet worden ist, im Ausschuß seinen alle Probleme gelöst worden.
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- Das scheint mir doch nicht der Fall gewesen zu sein. Lesen Sie einmal die Berichte nach! Die Sachverständigen der Arbeitgeber haben mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß gerade die Abwanderung auf dem Lande noch viel größer wird, wenn die Arbeitslosenversicherung auch für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte eingeführt wird,
({8})
während der Sachverständige der gewerblichen Betriebe, also der Arbeitnehmerverbände, sich von vornherein - und das ist auch naturgemäß - auf den Standpunkt gestellt hat, daß auch für die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte die Arbeitslosenversicherung eingeführt werden muß. Wir haben also auf der einen Seite den Sachverständigen der Arbeitgeberverbände, der die Versicherungspflicht nicht will, und auf der anderen Seite den Sachverständigen der Arbeitnehmerverbände, der die Arbeitslosenversicherungspflicht auch für die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer will. Daraus können Sie schon ersehen, daß dieses Problem auch von den Sachverständigen - die Sie ja zu diesem Zweck in die Ausschüsse geholt haben - durchaus nicht einheitlich beurteilt wird, sondern daß die Standpunkte ganz verschieden sind.
Nun muß ich mich an die Kollegen, die Freunde der Landwirtschaft sind, wenden zum Zeugnis für das, was ich vorgebracht habe, nämlich daß es sich in der Landwirtschaft, soweit die Arbeitnehmer in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen sind, um eine Familiengemeinschaft handelt, die eine lange Vergangenheit hat, die sich nicht bloß Jahrzehnte, sondern - ich darf ruhig behaupten - ein Jahrhundert bewährt hat. Was haben Sie denn für Gründe dafür, daß Sie diese alte eingeführte, bewährte Gesellschaftsordnung in der Landwirtschaft nun mit einem Federstrich abschaffen wollen?
({9})
Wenn Sie, Herr Kollege, sagen, die Landwirtschaft sei schlecht beraten, dann muß ich Ihnen, auch wenn ich Ihre Gründe würdige, entgegenhalten, daß wir gut beraten sind, wenn wir die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer, die an unserem Familientisch sitzen, von dieser Verpflichtung ausnehmen. Sie wollen - und das muß berücksichtigt werden - der Landwirtschaft damit eine neue Last aufbürden, obwohl aus dem Grünen Bericht klar hervorgegangen ist, daß im letzten Jahr nicht einmal die erforderliche Kostendeckung vorhanden war. Immerhin reichen die Beträge für die Arbeitslosenversicherung mindestens an die 20 Millionen Mark heran, die ausschließlich der Arbeitgeber zu zahlen hat. Infolgedessen müssen Sie hier schon ein Entgegenkommen zeigen, nachdem wir selbst gewillt sind, zuzustimmen, daß dort, wo es schließlich erforderlich ist, der landwirtschaftliche Arbeitnehmer unter Umständen, wenn er arbeitslos ist, auch Arbeitslosenunterstützung bekommen soll. Das ist im Gesetz festgelegt. Wenn ein langfristiger Vertrag abgeschlossen ist, dann wird er sowieso nicht arbeitslosenversicherungspflichtig. Das steht j a in der Vorlage. Wir stehen auf dem Standpunkt,
({10})
daß bei Beschäftigung in der Familiengemeinschaft ein schriftlicher Arbeitsvertrag nichterforderlich ist, daß auf Grund der langjährigen Erfahrung und auf Grund der bisherigen Gestaltung dieses Arbeitsverhältnisses ein schriftlicher Vertrag absolut nicht notwendig ist, weil gerade da, wo es sich um Familienarbeitskräfte handelt, noch etwas mehr gilt als der schriftliche Vertrag, nämlich 'Treu und Glauben.
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Wir wollen dieses Verhältnis aufrechterhalten. Deswegen wollen wir Ihnen entgegenkommen: bezüglich derjenigen Arbeitnehmer, die nicht in häuslicher Arbeitsgemeinschaft leben und für die ein langfristiger schriftlicher Arbeitsvertrag nicht abgeschlossen ist, sind wir damit einverstanden, daß die in der Regierungsvorlage dafür vorgesehene Regelung angenommen wird. Wir wollen nur für jene Arbeitnehmer, die in die Familiengemeinschaft aufgenommen sind und bei denen es, wie ich bereits ausgeführt habe, mit Rücksicht auf Herkommen, Gewohnheit, Treu und Glauben eines schriftlichen Arbeitsvertrages nicht bedarf, dieses alte bäuerliche Gesetz, das von jeher bestanden hat, auch in diesem Bundestag zur Geltung bringen.
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Herr Professor Baade!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie in dieser Debatte einmal jemandem das Wort, der nicht Sozialpolitiker im engeren Sinne ist, der sich aber immerhin seit 30 Jahren mit Agrarpolitik beschäftigt. Ich muß Ihnen sagen: was der Herr Kollege soeben hier vorgetragen hat, erinnert mich an die ältesten Kamellen,
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die ich während meiner agrarpolitischen Laufbahn kennengelernt habe. Ich habe als junger Mensch noch die Debatten im alten kaiserlichen Reichstag über die Abschaffung der Gesindeordnung erlebt. Ich habe noch die Zeit erlebt, als sich Führer des Bundes der Landwirte mit ähnlich sentimentalen Argumenten dafür eingesetzt haben, daß der Arbeitnehmer in der Landwirtschaft unter ein Ausnahmerecht gestellt bleibt. Auf Grund dieser Gesindeordnung wurde dem Arbeitgeber damals sogar ein gelindes körperliches Züchtigungsrecht zugestanden. In der Weimarer Republik habe ich noch die Beseitigung des Ausnahmerechtes erlebt, auf Grund dessen im alten kaiserlichen Deutschland und im alten königlichen Preußen der Arbeitgeber noch den Schutz der Polizei in Anspruch nehmen konnte, um landwirtschaftliche Arbeitskräfte, die sich von ihrem Arbeitsplatz eigenmächtig entfernt hatten, gewaltsam zurückholen zu lassen.
Alles das, verehrter Herr Kollege, war in unserem heutigen Sinne natürlich geradezu unbegreiflich und vorsündflutlich reaktionär. Aber der Begriff des Reaktionären, meine Damen und Herren, wandelt sich im Laufe der Generationen. Das, was an reaktionären Argumenten - reaktionär im Sinne des Rückwärtsblickenden - vor 40 oder 50 Jahren in der Diskussion über die Abschaffung oder Nichtabschaffung der Gesindeordnung vorgetragen worden ist, liegt, historisch-relativ betrachtet, weitgehend in derselben Linie, Herr Kollege, wie das, was Sie hier vorgetragen haben.
Was verlangt die heutige Zeit von der Regelung der Arbeitsverhältnisse in der deutschen Landwirtschaft? Sie verlangt eine Regelung, bei der die Landwirtschaft die Chance hat, sich in eine wohlhabender werdende moderne Volkswirtschaft erfolgreich einzufügen. Dazu braucht die Landwirtschaft Arbeitskräfte, die soziologisch so aussehen wie die organisierten Industriearbeiter.
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Es gibt einige Länder in Europa, in denen das erfolgreich gelungen ist. Ich möchte hier Schweden und England nennen. Aus der Erinnerung zitiere ich das Wort eines sehr berühmten englischen Agrarpolitikers. Er schrieb: „Ja, was ist eigentlich noch der Unterschied zwischen einem englischen Landarbeiter und einem englischen Industriearbeiter? Sie verdienen dasselbe, sie sind in derselben Weise unabhängig von ihrem Arbeitgeber, sie haben denselben sozialen Schutz. Der einzige Unterschied, den ich sehen kann, ist, daß der Landarbeiter sonntags einen qualitativ besseren Anzug anhat als der Industriearbeiter." In England ist es selbstverständlich, daß alles, was wir hier auf dem Gebiet der sozialen Sicherung gegen Arbeitslosigkeit fordern, dem Landarbeiter ebenso wie dem Industriearbeiter zukommt.
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Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, gern.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter Wacker!
Wissen Sie, daß in England die landwirtschaftliche Struktur eine ganz andere ist als bei uns?
Sicher weiß ich das; denn schließlich ist Agrarpolitik und Agrarökonomie seit 30 Jahren mein engeres Arbeitsgebiet nicht nur als Politiker, sondern auch als Wissenschaftler. Aber die landwirtschaftliche Struktur eines Landes ist kein unveränderlicher Tatbestand. Wir müssen in Deutschland zu einer moderneren landwirtschaftlichen Struktur kommen,
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und die deutschen Landwirte müssen lernen - und davon hängt das, was sie Parität nennen, weitgehend ab -, denselben Nutzeffekt der menschlichen Arbeit in der Produktion von Nahrung zu erreichen, wie wir ihn in der Industrie haben.
Ich meine aber, Herr Professor Baade: solange die Struktur nicht dieselbe ist, sollte man hier keine Vergleiche ziehen.
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Das ist genau das, was uns beide trennt. Das ist der Unterschied zwischen, wie wir Volkswirte es nennen, statischer und dynamischer Betrachtungsweise.
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Das ist der Unterschied zwischen einer Betrachtungsweise, die n u r das Gegebene sieht - und das möglichst noch im Lichte der Vergangenheit -, und einer Betrachtungsweise, die das Gegebene im Lichte der Zukunft sieht.
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Und das bleibt der deutschen Landwirtschaft nicht erspart. Wenn sich die deutsche Landwirtschaft in einer Volkswirtschaft, die ständig wohlhabender werden will und werden wird und in der der Nutzeffekt der menschlichen Arbeit in allen Sparten steigt und steigen muß, ihren paritätischen Platz bewahren will, so muß sie den Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten und von denen sie hofft, daß sie weiterhin in der Landwirtschaft bleiben, dieselben sozialen und menschlichen Möglichkeiten, insbesondere auch die gleiche Sicherung gegen den Verlust des Arbeitsplatzes bieten, wie es in allen anderen Bereichen der Wirtschaft schon längst selbstverständlich ist.
Noch ein letztes Wort, meine Damen und Herren. Wir werden im Zuge der nötigen strukturellen Anpassung der deutschen Landwirtschaft an die Struktur einer wohlhabender und produktiver werdenden Volkswirtschaft eine sehr große Fluktuation der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte erleben. Viele Betriebe werden ihre Probleme nur lösen können, indem sie sich sehr überlegen, wie groß die Zahl der Arbeitnehmer ist, die sie weiterhin laufend beschäftigen können. In diesem Sinne ist der Landarbeiterstand mindestens von zeitweiliger Arbeitslosigkeit bedroht, ich möchte beinahe sagen, stärker als die Arbeitnehmerschaft in weiten Bereichen der Industrie.
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Das Wort hat der Abgeordnete Engelbrecht-Greve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz ein paar
Zahlen. Der Herr Kollege Sabel und der Herr Kollege Frehsee haben Zahlen angegeben und gesagt, daß in der Landwirtschaft eine Arbeitslosenzahl von 10 000 bis manchmal 100 000 bestehe. Ich habe die genauen Zahlen da. Es waren am 29. Februar 1956 - das ist die höchste Arbeitslosenziffer -91 966.
Herr Kollege Sabel, ich darf Ihnen nun eines sagen. Die Gruppe der unständig beschäftigten Landarbeiter wird auf etwa 10 bis 12 % der Gesamtbeschäftigten berechnet. In ,dieser Gruppe liegen also letzten Endes die Arbeitslosenzahlen. Das sind nicht die Kräfte, die in die Hausgemeinschaft aufgenommen sind. Das wollte ich damit nur sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({1}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich den Ausführungen meines Freundes Brese an und erkläre für die Arbeitsgemeinschaft der Fraktionen der DP und der FVP, daß wir dem Antrag der CDU zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Bemerkung zu der Darstellung des Kollegen Engelbrecht-Greve. Die Grenze zwischen den ständig Beschäftigten und den Fluktuierenden ist veränderlich, d. h. also: einer, der in einem langfristigen Verhältnis ist, kann unter Umständen in eine Situation kommen, wo er öfter wechselt. Umgekehrt kann derjenige, der öfter wechselt, einmal in ein langfristiges Verhältnis kommen. Für die Frage der Versicherungspflicht können wir uns natürlich nur bezüglich des ganzen Standes, der ganzen Gruppe entscheiden,
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und wir müssen hierbei beachten, daß die angegebene Zahl der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft tatsächlich gegeben war. Wenn Sie das Zahlenverhältnis von Industriearbeitnehmern und Landarbeitern kennen, müssen Sie zugeben, daß diese von Ihnen genannte Zahl schon etwas Beachtliches bedeutet und jedenfalls eine Größenordnung darstellt, die wir bei der ganzen Betrachtung des Problems keinesfalls ignorieren können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es könnte aus den Ausführungen der Herren Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion der Eindruck entstehen, daß auf der Seite der Antragsteller der Wunsch bestehe, die Landarbeiter zu degradieren, ihnen mindere Rechte einzuräumen als jedem anderen Arbeiter. Dieser Gesichtspunkt ist sehr stark in den Vordergrund geschoben worden, indem man sich mit historischen Erinnerungen an das Gesinderecht und ähnliche Dinge, die längst überwunden sind und die es in dieser Form in der deutschen Landwirtschaft gar nicht mehr gibt, beschäftigt hat.
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Es wurde hier der Eindruck hervorgerufen, daß die Antragsteller mit ihrem Antrag eine ähnliche mindere Stellung des Landarbeiters herbeizuführen wünschten. Davon ist gar keine Rede.
Meine Damen und Herren, Sie wissen sehr gut, daß die Vorarbeiten zum Landwirtschaftsgesetz, das wir doch in ziemlicher Einmütigkeit verabschiedet haben, gerade von den Fraktionen geleistet wurden, die soeben eine von Ihrer Stellung abweichende Haltung einnehmen. Sie wissen sehr gut, daß unsere Agrarpolitik darauf gerichtet ist, dem Landarbeiter die gleiche wirtschaftliche Stellung einzuräumen, die der Industriearbeiter hat. Sie wissen sehr genau, daß es ein Teil des Bestrebens des Landwirtschaftsgesetzes ist, die deutsche Landwirtschaft in die Lage zu bringen, daß sie den deutschen Landarbeiter so entlohnen kann, wie ein vergleichbarer Industriearbeiter heute entlohnt wird. Sie werden nicht leugnen, daß das eines der ausgesprochenen Ziele des Landwirtschaftsgesetzes ist und daß alle die Maßnahmen, die in dem Grünen Bericht zusammengefaßt worden sind und die nun jedes Jahr das Hohe Haus beschäftigen werden, gerade bezwecken, den deutschen Landarbeiter nicht herabzuwürdigen, sondern ihn zu einem gleichberechtigten Arbeiter in der deutschen Volkswirtschaft heraufzuentwickeln.
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Bitte lassen Sie doch den Redner aussprechen! Melden Sie sich dann bitte selber zum Wort!
Sie können sich dann selber zum Wort melden, genauso wie ich das tue. Und Sie haben das ja sehr ausgiebig getan, teilweise in einer professoralen Weise, auf die ich jetzt nicht eingehen will. Jedenfalls waren Ihre Argumente für die deutschen Verhältnisse nicht zutreffend, weil diese nicht mit den englischen Verhältnissen vergleichbar sind.
Ich komme zurück auf das Landwirtschaftsgesetz. Es ist das Ziel unserer Agrarpolitik, die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, den deutschen Landarbeiter wirtschaftlich dem vergleichbaren Industriearbeiter gleichzustellen. Es ist unser Wunsch, daß er sozial und rechtlich nicht minderbewertet wird. Aber bei dieser Debatte werden die Akzente verschoben. Hier handelt es sich um etwas ganz anderes, und nur damit sollten wir uns beschäftigen. Selbstverständlich wissen auch wir, daß ein Teil der deutschen Landarbeiter vorübergehend arbeitslos wird. Dieser Teil soll nach wie vor in der Arbeitslosenversicherung bleiben und seine Unterstützung bekommen. Hier wird aber der Eindruck erweckt, daß wir die Landarbeiter grundsätzlich nicht in die Arbeitslosenversicherung und damit in die Unterstützung einzubeziehen wünschten. Dieser Eindruck ist falsch. Wir wünschen, dem Teil der Landarbeiter, der nur saisonmäßig beschäftigt ist oder der arbeitslos werden kann, genau die gleichen Rechte zu geben, die jeder deutsche Industriearbeiter hat. Aber wir wünschen nicht - und das ist von den Herren Vorrednern meiner Fraktion hervorgehoben worden -, daß jemand in die Arbeitslosenversicherung einbezogen wird, der normalerweise überhaupt nicht arbeitslos werden wird und werden kann. Das Ist der springende Punkt!
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Der in die häusliche Gemeinschaft aufgenommene, meist ledige landwirtschaftliche Arbeiter braucht nicht arbeitslos zu werden. Die Nachfrage nach ledigen landwirtschaftlichen Arbeitern ist so groß, daß jeder, der als lediger Landarbeiter oder als ledige Landarbeiterin ein Unterkommen finden will, mit offenen Armen aufgenommen wird, und zwar das ganze Jahr hindurch. Ich kenne die landwirtschaftlichen Verhältnisse genauso gut wie Sie, Herr Frehsee, und gerade aus dieser Kenntnis heraus spreche ich darüber. Also dieser Teil wird nicht arbeitslos werden und braucht nicht arbeitslos zu werden. Und was die Arbeitnehmer mit langfristigen Verträgen, mit Jahresverträgen betrifft, so ist es doch, wie Ihnen an Beispielen gezeigt worden ist, nicht nur im Landkreis Celle -aus dem Herr Brese stammt -, sondern in weiten Teilen der westdeutschen Landwirtschaft so, daß der langfristig beschäftigte landwirtschaftliche Arbeiter überhaupt nicht arbeitslos wird.
Der Antrag soll nicht den Landarbeiter herabwürdigen. Er richtet sich nur dagegen, daß Bestimmungen auf begrenzte Teile der Landarbeiterschaft angewendet werden, die für eine Arbeitslosenversicherung überhaupt nicht in Frage kommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Conring hat hier eben von gewissen Teilen der Landarbeiterschaft gesprochen, die aus dem Arbeitslosenversicherungsschutz ausgenommen werden sollten. Nach dem Antrag Umdruck 811 Ziffer 1, wonach die in die häusliche Gemeinschaft des Arbeitgebers aufgenommenen Landarbeiter versicherungsfrei sein sollen, würden 75 °/o aller Landarbeiter aus dem Arbeitslosenversicherungsschutz ausgenommen bleiben; denn so hoch ist der Anteil der ledigen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft.
Nun, meine Damen und Herren, ein anderes. Ich habe Zahlen über die Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft und über die Stellenbesetzung schon genannt und will mich nicht wiederholen. Ich darf Ihnen jetzt einmal in Beantwortung der Ausführung des Kollegen Conring etwas anderes vortragen. Meine Damen und Herren, weil 75 % aller Arbeitskräfte der Landwirtschaft Ledige und nur 25 % Verheiratete sind, müssen im Heiratsalter 5 von 6 Landarbeitern aus der Landwirtschaft abwandern.
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5 von 6 Ledigen müssen abwandern, weil es für sie als Verheiratete keine Arbeitsplätze gibt.
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Wenn Sie dies und jenes und die Zahlen bestreiten - es sind alles amtliche Zahlen, die ich Ihnen vorgetragen habe, und Sie können den Herrn Arbeitsminister danach fragen, ob sie stimmen -, dann äußern Sie sich zumindest dazu, daß im Heiratsalter - ich kann Ihnen das noch im einzelnen erläutern, ich möchte nur Ihre Zeit nicht noch länger in Anspruch nehmen - 5 von 6 Arbeitskräften aus der Landwirtschaft herausgehen müssen. Diese Arbeitskräfte werden unter Umständen sehr wohl auch einmal arbeitslos. Ich will damit nicht sagen, daß sie grundsätzlich, wenn sie mit 25, 26 oder 28 Jahren aus der Landwirtschaft herausgehen, arbeitslos werden; aber sie werden unter Umständen auch mal arbeitslos. Sie werden mindestens genauso leicht arbeitslos, wie irgendein Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft arbeitslos werden kann.
Was Sie in bezug auf die Dauerbeschäftigung ausgeführt haben, gilt im Zeichen der Vollbeschäftigung, wie wir sie ja jetzt haben, in gleichem Maße für die gewerbliche Wirtschaft. Auch insofern gibt es kein Argument für eine Sonderbehandlung der landwirtschaftlichen Arbeitnehmer in bezug auf die Arbeitslosenversicherung.
Zum Landwirtschaftsgesetz möchte ich mich hier heute bei dieser Gelegenheit nicht ausführlich äußern; das machen wir ja bei anderer Gelegenheit. Ich möchte nur sagen, Herr Kollege Conring: ich bitte doch sehr darum, die Diskussion nicht auf eine falsche Ebene zu schieben.
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Die Frage der wirtschaftlichen Gleichstellung hat hier heute nicht zur Debatte gestanden; die steht bei der Beratung der „Grünen Pläne" zur Diskussion. Hier steht heute die Frage der sozialrechtlichen Gleichstellung der Landarbeiter zur Debatte. Wir waren uns eigentlich immer einig darüber - die Sozialpartner in der Landwirtschaft, die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber -, daß die Angleichung im Interesse der Landwirtschaft erfolgen müsse. Über diesen Grundsatz waren wir uns einig. Nun, hier hat heute der Deutsche Bundestag die Möglichkeit, auf einem Teilgebiet, dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung, diesem Grundsatz Rechnung zu tragen. Und wenn der Kollege Weber noch so viel beteuert, daß es keine Ausnahmebehandlung sei und daß ihm das Wort Ausnahmerecht so unsympathisch sei, - das mag ihm
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unsympathisch sein, es ist ein Tatbestand! Die Landarbeiter werden aus dem Arbeitslosenversicherungsschutz ausgenommen, es wird eine Ausnahmeregelung für sie geschaffen, sie unterstehen einem Ausnahmerecht, und wenn die Landarbeiter dieses Ausnahmerecht als ein minderes Recht, als ein diskriminierendes Recht betrachten, dann müssen Sie ihnen schon zugestehen, diese Meinung von den Dingen zu haben. Sie haben die Meinung, daß sie nicht das gleiche Recht haben wie die anderen Arbeitnehmer der gewerblichen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren! Daß die Verhältnisse in der deutschen Landwirtschaft sehr mißlich sind, hat sich auch über die Grenzen unserer Bundesrepublik hinaus herumgesprochen. Darf ich Sie in dieser Stunde an die Äußerung des Staatssekretärs im italienischen Arbeitsministerium erinnern, der gesagt hat, daß sich die italienische Regierung nicht in der Lage sehen würde, im Jahre 1957 noch einmal Arbeitskräfte für die deutsche Landwirtschaft zu vermitteln, wenn nicht die Arbeits- und Sozialverhältnisse bis dahin wesentlich verbessert würden.
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Wir stehen mit den Arbeitsbedingungen, auch mit den arbeits- und sozialrechtlichen Verhältnissen, in der deutschen Landwirtschaft nicht an der Spitze, sondern an dritt- oder viertletzter Stelle der Länder Westeuropas.
Was die Arbeitslosigkeit betrifft, so hat sie der Kollege Weber ebenfalls bestritten, wobei er von der Ausdrucksweise „zwischen 10- und 100 000" ausgegangen ist. Nun, Kollege Weber, die Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft ist natürlich auch saisonbedingt; sie steigt im Winter und fällt im Sommer. Im Winter sind monatliche Arbeitslosenzahlen von 100 000 in den vergangenen Jahren, zum Teil sogar noch viel mehr, erreicht worden, und im Sommer sinken diese Zahlen auf 10 000 ab.
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Meine Damen und Herren, ich will Sie nicht länger damit aufhalten und deshalb nur noch eine kurze Bemerkung in Anlehnung an das machen, was mein Kollege Baade und auch Herr Weber hier ausgeführt haben. Herr Weber hat dem Sinn nach gesagt, die Gesellschaftsordnung in der Landwirtschaft müsse beibehalten werden, die Ordnung und die Verhältnisse, die da bestünden, müßten konserviert werden. Nun, meine Damen und Herren, wir sind nicht dieser Auffassung. Wir sind beispielsweise auch nicht der Auffassung, daß die Bauersfrau in alle Ewigkeit 84 Stunden in der Woche auf den Beinen sein muß und daß das naturbedingt und gottgegeben ist.
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Das Wort hat der Bundesminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auseinandersetzung, die ich in der letzten Viertelstunde gehört habe, verpflichtet mich, Ihnen über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in der Landwirtschaft einige tatsächliche Unterlagen bekanntzugeben. Ich glaube, es wird dann manchem Abgeordneten leichter möglich sein, sich so oder so zu entscheiden.
Wir haben im Dezember 1954 bei 726 000 Beschäftigten in Ackerbau, Tierzucht und Gartenbau 76 573 Arbeitslose gehabt. Im Januar 1955 waren es 98 927, und im Februar betrug die Zahl 99 470.
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Sie ging dann in den Sommermonaten zurück und betrug im Juni 1955 gut 21 500, im Juli rund 18 300 und im Monat August rund 14 700. Die Zahl stieg dann wieder und erreichte im Dezember 1955 einen Stand von 69 200.
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Es war sehr erfreulich, daß diese Zahl im Dezember vergangenen Jahres um rund 7000 niedriger lag als im Jahre vorher. Ich habe Ihnen das nur zu Ihrer Orientierung gesagt, damit Sie die Größenordnung dieser Zahlen bei einem Beschäftigtenstand von 726 000 richtig sehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre tatsächlich wünschenswert gewesen, daß sich das ganze Landvolk diese Debatte hätte anhören können.
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Denn hier haben sich in der Betrachtungsweise Verschiebungen gezeigt, die man nicht unwidersprochen lassen kann. Die Sache liegt praktisch so, daß wir hübsch aneinander vorbeireden. Die Zahlen der Arbeitsverwaltung, die der Herr Minister hier genannt hat, sind für die Lage des Arbeitsmarktes in der Landwirtschaft in keiner Weise maßgebend.
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- Bitte, da handelt es sich um fluktuierende Arbeitskräfte. Woran in der Landwirtschaft ein totaler Mangel besteht, sind die ständigen Facharbeitskräfte. Hier wird in allen Betrieben, landauf landab, über die Arbeiternot geklagt. Die Bäuerin muß sich zu Tode arbeiten, weil in der Landwirtschaft die Arbeitskräfte fehlen, und zwar die voll einsatzfähigen Kräfte. Das wissen Sie genauso gut wie wir.
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Die Arbeitslosigkeit am Rande kommt von den nicht voll einsatzfähigen Arbeitskräften. Aber es handelt sich hier um die Stammarbeitskräfte des Bauern auf seinem Hof. Diese Stammarbeitskräfte sind entsprechend zu berücksichtigen, und das soll mit dem Antrag geschehen. Wir wollen hier keine Ausnahmeregelung, sondern eine Regelung, die den wirklichen Verhältnissen in der Landwirtschaft Rechnung trägt. Tatsächlich gibt es bei den voll einsatzfähigen Kräften mit längeren Verträgen überhaupt keine Arbeitslosigkeit. Dem wird Rechnung getragen. Hier kann man doch unmöglich von einem Ausnahmerecht sprechen, sondern das ergibt sich aus der Natur der Landwirtschaft, aus dem Zusammenleben in der bäuerlichen Familie.
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- Da kann man ja nicht reden!
Dieses Zusammenleben in der bäuerlichen Familie ist doch etwas ganz anderes als in einem ge({4})
werblichen oder industriellen Betrieb. Hier sind alle so miteinander verbunden und ist die Zusammenarbeit derart sichergestellt, daß man, wie es einer meiner Vorredner vorhin getan hat, von einer Familiengemeinschaft sprechen kann, die mit ganz anderen Maßstäben gemessen werden muß. Hier kann der Gesichtspunkt des reinen Arbeitnehmers nicht so zur Geltung kommen wie in anderen Betrieben, in denen die Verhältnisse eben anders gelagert sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe an alle Kollegen, die für die Landwirtschaft Verständnis haben - denn so viel Landwirte und Landwirtschaftszugehörige sind da herinnen nicht -, die Bitte, diesen Gesichtspunkt zu würdigen: Für uns auf dem Lande ist es ent cheidend, daß wir nicht mehr Lasten übernehmen, als es unbedingt notwendig ist. Nach dieser Richtung ist die Regelung zu treffen. Das ist keine soziale Schlechterstellung, sondern das ist eine Rechnung, die eben den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, und daran können wir auch nichts ändern. Die Zahlen, die hier genannt worden sind, führen von dem weg;
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was wir brauchen, sind voll einsatzfähige Kräfte.
- Herr Kollege Sabel, Sie wissen über die Frage der Arbeitslosigkeit doch ganz genau Bescheid. Darüber brauchen wir uns doch nicht zu verständigen. Ich muß erst einmal wissen, welche Gründe dafür vorliegen, daß die hier in Frage kommenden Menschen in den einzelnen Phasen arbeitslos sind. Das muß im einzelnen aufgegliedert werden, und das wissen Sie genauso gut wie ich. Mit allgemeinen Zahlen können Sie den Arbeitskräften, die in der häuslichen Gemeinschaft der Landwirte leben, nicht gerecht werden. An solchen herrscht ein großer Mangel. Deswegen besteht keine Notwendigkeit, diese Kräfte in die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Maier ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Horlacher, ich meine, so kann man es nicht machen. Man darf nicht denen, die Ihrer Auffassung nicht beipflichten, unterstellen, sie hätten kein Verständnis für die Landwirtschaft.
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- Doch, das haben Sie! Sie haben das in der Form der Fragestellung so anklingen lassen. Gegen eine solche Auffassung, meine ich, dürfen wir uns wenden, auch wenn wir Ihren Antrag nicht unterstützen, sondern gegenteiliger Meinung sind.
Ich bin weiter der Überzeugung, wir alle, die wir hier im Hause sind, stimmen darin überein, daß der Landwirtschaft weitestgehend geholfen werden muß. Wir haben alles Interesse daran, daß es der Landwirtschaft so gut wie möglich geht. Ich glaube aber, mit derartigen sozialrechtlichen Unterscheidungen gehen Sie einen falschen Weg. Ich glaube nicht, daß Sie damit der Landwirtschaft dienen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
Über die Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 811*) ist namentliche Abstimmung beantragt. Die Abstimmung über beide Ziffern findet in einem Abstimmungsgang statt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.
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Ich bitte, die Karten abzugeben. - Ich werde die Abstimmung sofort schließen. Wenn noch Karten abzugeben sind, bitte ich, es zu tun.
Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte um Auszählung.
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Ich gebe das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen von den stimmberechtigten Abgeordneten 367, mit Ja haben gestimmt 195, mit Nein 168, Enthaltungen 4. Von den Berliner Abgeordneten sind insgesamt 15 Stimmen abgegeben worden, davon 6 mit Ja, 9 mit Nein. Damit ist der Antrag Umdruck 811 Ziffern 1 und 2 angenommen.
Es besteht wohl nunmehr Übereinstimmung darüber, daß der Antrag Umdruck 821***) Ziffer 5 sachlich damit beschieden und erledigt ist.
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- Wird zurückgezogen, gut!
Dann bringe ich den § 70 a in der durch die soeben erfolgte Annahme des Antrags geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer dem § 70 a zustimmt, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte, sich bei der Abstimmung auf die Plätze zu begeben; es ist sonst nicht zu erkennen! Ich bitte diejenigen, die den § 70 a in der durch den eben gefaßten Beschluß geänderten Fassung anzunehmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das Präsidium ist einstimmig der Meinung, daß das erste die Mehrheit war. § 70 a ist in der geänderten Fassung angenommen.
Wir kommen zu § 71. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für § 71 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 72! Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für diesen Paragraphen in der Ausschußfassung zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen jetzt zu § 74. Hierzu liegen eine Reihe Änderungsanträge vor, zunächst Umdruck 821 Ziffer 6***)
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- wird zurückgezogen, gut! -, dann Umdruck 802 Ziffer 3 a, Umdruck 802****) Ziffer 3 b und Umdruck 821 Ziffer 7***). Die beiden letztgenannten Anträge sind praktisch gleichlautend.
Ich eröffne die Debatte. - Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
s) Siehe Anlage B.
**) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 9472.
***) Siehe Anlage 9. ****) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausschußvorlage des § 74 Abs. 3 läßt nur solche Lehrverhältnisse in landwirtschaftlichen Betrieben versicherungsfrei, in denen die Lehrlinge auf dem Hofe ihrer Eltern ihre Lehrausbildung bekommen. Damit wird eine unterschiedliche Behandlung der landwirtschaftlichen Lehrlinge festgelegt. Die Lehrlinge, die ihre Lehrzeit auf den Höfen ihrer Eltern durchmachen, bleiben versicherungsfrei. Die anderen Lehrlinge sind dagegen versicherungspflichtig. Das ist an sich schon ein unerwünschter Zustand. Aber weit unangenehmer ist die Folge, die sich aus dieser Regelung ergibt und die darin liegt, daß eine Ausbildung auf fremden Höfen nun nur noch bedingt gesucht werden wird. Eine solche Ausbildung auf fremden Höfen sollte aber gerade gefördert werden, weil s e zweifellos den Gesichtskreis der Lehrlinge erweitert und weil die Ausbildung auf solchen Höfen gesucht werden sollte, auf denen der Anbau nach modernen Methoden gelehrt wird. Es geht hier also darum, ob die Erweiterung des Gesichtskreises der Lehrlinge gefördert wird oder nicht. Wir meinen, daß es im Sinne der beabsichtigten Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft liegt, wenn wir den Lehrlingen die Wege zu der bestmöglichen Ausbildung eröffnen. Das geschieht eben dadurch, daß man die Versicherungsfreiheit nicht nur solchen Lehrlingen gewährt, die auf den Höfen ihrer eigenen Eltern lernen. Wir bitten Sie deshalb, unseren Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 3 a anzunehmen.
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Herr Abgeordneter Atzenroth, bitte!
Meine Damen und Herren! Nach § 74 wird für die Beschäftigung zur Ausbildung eine gewisse Versicherungsfreiheit gewährt, die bei zweijährigem Lehrvertrag ein Jahr dauert. Nun gibt es in einigen Tarifverträgen die Bestimmung, daß der Lehrling auch nach der formellen Beendigung seiner Lehrzeit zur Vervollständigung seiner fachlichen Kenntnisse einige Monate oder noch längere Zeit mit den Rechten und Pflichten eines Lehrlings weiterbeschäftigt wird. In diesen Fällen ist es notwendig - der Gedanke wird logisch weiterentwickelt -, die Versicherungsfreiheit um die entsprechende Zeit zu verlängern. Das ist der Sinn unseres Antrags Umdruck 821 Ziffer 7. Ich bin der Meinung, daß man, wenn man den § 74 Abs. 1 will, logischerweise auch unserem Antrag auf Hinzufügung eines Abs. 3 a zustimmen muß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung.
Der Antrag Umdruck 821 Ziffer 6*) ist zurückgezogen.
Es kommt zunächst zur Abstimmung der Antrag Umdruck 802**) Ziffer 3 a. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. -- Gegenprobe! - Abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag Umdruck 802 Ziffer 3 b, der mit dem Änderungsantrag Umdruck 821 Ziffer 7 identisch ist. Ich lasse über den Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 3 b abstimmen in
s) Siehe Anlage 9.
'*) Siehe Anlage 5.
der Annahme, daß damit dann auch der Antrag Umdruck 821 Ziffer 7 erledigt ist. Wer für den Antrag Umdruck 802 Ziffer 3 b ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den § 74 in der Ausschußfassung. Wer diesen § 74 anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen nun zu § 74 a. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Wer § 74 a in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Zu § 74 c liegt ein Antrag auf Umdruck 797***) Nr. 4 vor, wonach der 74 c gestrichen werden soll.
Ich eröffne die Debatte. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Ausführungen, die wir heute abend gehört haben, könnten mich verleiten, über die Bedeutung der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsfreiheit noch einmal zu sprechen. Aber ich will das angesichts der vorgerückten Zeit nicht tun. Eins möchte ich jedoch erwähnen, was der Herr Berichterstatter zu Beginn seiner Ausführungen gesagt hat, nämlich daß der Sinn dieser Novelle ist, die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung zu erweitern und damit die soziale Sicherung einem möglichst großen Kreis der Arbeitnehmer zugute kommen zu lassen.
Nun haben Sie eine Reihe von Ausnahmen geschaffen. Eine dieser Ausnahmen ist der § 74 c. Meine Fraktion hat den Antrag gestellt, diesen Paragraphen zu streichen. Ich muß deshalb kurz darauf eingehen, worum es sich handelt. Es handelt sich darum, daß ein älterer Mensch als Arbeitnehmer bei seinen Kindern bzw. Stief- und Pflegekindern oder deren Ehegatten beschäftigt wird oder daß ein junger Mensch bei den Eltern, Voreltern, Schwiegereltern, Stief- oder Pflegeeltern beschäftigt wird. Ich möchte Sie bitten, sich einmal zu überlegen, ob hier die Ausnahme von der Versicherungspflicht nicht nur eine große Härte, sondern auch eine große Ungerechtigkeit darstellt.
Sehen Sie sich zunächst den älteren Menschen an! Er ist vielleicht bereits seit zehn Jahren in der Arbeitslosenversicherung versichert. Weil er im Moment keine Arbeit hatte oder weil sein Sohn oder Schwiegersohn - auch das kann vorkommen - nicht die richtige Arbeitskraft bekommen konnte, ist er nun in dessen Betrieb gegangen und arbeitet da, ist aber nicht versichert. Wenn er dann arbeitslos wird - wir haben vorhin von mehreren Fällen gehört, daß das jeden Tag passieren kann -, dann ist die Not für ihn da, oder er ist darauf angewiesen, daß seine Kinder ihn ernähren, was kein älterer Mensch gerne hat.
Ebenso ist es bei dem jungen Menschen. Soeben erst sagte Herr Dr. Atzenroth, daß ein Lehrling, der nach der Lehre weiter in dem Betriebe bleibt, selbstverständlich versichert wird. Wenn nun der Lehrling in dem Betrieb nicht weiter bleiben kann, aber zufällig die Möglichkeit hat, im Betrieb von Stief- oder Pflegeeltern, also - und ich bitte Sie,
***) Siehe Anlage 3.
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doch einmal darauf zu achten - gar keinen leiblichen Verwandten, nach der Lehre tätig zu sein, dann ist er nicht versicherungspflichtig. Also ich glaube, die Begründung, die in dem Bericht gegeben worden ist, hier könne ein Mißbrauch der Versicherung erfolgen, ist im Hinblick auf den Schaden, den wir durch diese Versicherungsfreiheit anrichten können. wirklich nicht stichhaltig. Vergegenwärtigen Sie sich doch bitte: Es handelt sich in dem einen Fall nicht nur um direkte Abkömmlinge, sondern auch um Stief- und Pflegekinder und deren Ehegatten, so daß also eine leibliche Verwandtschaft gar nicht vorhanden ist, und es handelt sich im anderen Fall nicht nur um Eltern und Voreltern, sondern auch um Schwieger-, Stief- und Pflegeltern! Der Rahmen für diese Versicherungsfreiheit ist also sehr weit gezogen.
Ich möchte Sie deshalb dringend bitten, unserem Antrag zuzustimmen und diesen Paragraphen zu streichen. Wenn Sie sich dazu jetzt nicht entschließen können, wird es, glaube ich, notwendig sein, in der dritten Lesung einen Eventualantrag zu stellen, von dem ich allerdings überzeugt bin, daß er niemals die Sache so gut fassen kann wie die Streichung des Paragraphen überhaupt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bürkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, diesen Antrag abzulehnen. Die Beschäftigung bei nahen Verwandten ist auch nach geltendem Recht in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei und das aus gutem Grund. Der Herr Bundesarbeitsminister hat gelegentlich der Vorlage dieses Entwurfs gesagt, man könne ein derartiges Gesetz nicht nur auf Engel zuschneiden. Das trifft auch hier zu. Die Versicherungsfreiheit für Beschäftigung bei nahen Verwandten ist unkontrollierbar, und zwar hinsichtlich ihrer tatsächlichen Ausübung als auch hinsichtlich ihrer Auflösung und bei der Beantragung von Arbeitslosengeld. Im übrigen sind wir der Ansicht, daß diese Personen in derartigen überwiegend durch Familienbindungen bestimmten Beschäftigungen und dadurch, daß sie in den Familienverband eingebettet sind, in aller Regel nicht schutzbedürftig sind in bezug auf die Arbeitslosenversicherung.
Wir bitten Sie deshalb, diesen Antrag abzulehnen und sich der Ausschußvorlage anzuschließen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck '797 Ziffer 4*). Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Zweifelhaft! Dann bitte ich diejenigen, welche für den Antrag sind, sich vom Platz zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte diejenigen, welche dagegen sind, sich vom Platz zu erheben. - Ich danke Ihnen. - Das Präsidium ist sich nicht einig. Wir schreiten zum Hammelsprung.
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Ich bitte, die Türen zu schließen und mit der Abstimmung zu beginnen.
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*) Siehe Anlage 3. Die Abstimmung ist geschlossen.
Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Mit Ja haben 112, mit Nein 183 gestimmt, eine Enthaltung. Der Antrag ist also abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über die Ausschußfassung des § 74 c. Ich bitte diejenigen, welche für diese Fassung stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte, bei der Abstimmung die Plätze einzunehmen; es ist nämlich sonst nicht zu übersehen. Ich bitte noch einmal diejenigen, die für § 74 c in der Ausschußfassung zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 75, der in der Ausschußvorlage gestrichen ist. Hierzu liegt auf Umdruck 800 Ziffer 2**) ein Änderungsantrag vor. Ich nehme an, daß er bekannt ist. Wird der Antrag begründet?
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- Er ist schon begründet. Dann schließe ich die Debatte hierzu. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zu § 75 auf Umdruck 800 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zu § 75 a. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 797 Ziffer 5*) vor. Ich darf annehmen, daß er bekannt ist. Wird der Antrag begründet? - Herr Hufnagel hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag geht dahin, dem vorletzten Satz in § 75 a Abs. 2 folgende Fassung zu geben:
Die Arbeitszeiten und die Entgelte mehrerer nebeneinander ausgeübter Beschäftigungen sind bei Prüfung der Frage, ob es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelt, zusammenzurechnen.
Das Gesetz in der Ausschußfassung sieht vor, daß eine geringfügige Beschäftigung versicherungsfrei ist; sie ist geringfügig, wenn sie nicht mehr als 24 Stunden wöchentlich beträgt oder das Arbeitsentgelt 18 DM wöchentlich oder 78 DM monatlich nicht übersteigt. Die Arbeitszeiten und die Entgelte mehrerer Beschäftigungen dürfen nicht zusammengerechnet werden.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat sich im Ausschuß entsprechend unserem jetzt vorgelegten Antrag für eine Zusammenrechnung ausgesprochen, und ich darf Ihnen sagen, daß die Berechtigung der Einbeziehung in den Versicherungsschutz von Personen, die mehrere sogenannte geringfügige Beschäftigungen ausüben, nicht bestritten worden ist. Als Begründung für die Ablehnung unseres Anliegens wurde auf erhebliche verwaltungsmäßige Schwierigkeiten hingewiesen, da in jedem einzelnen Fall eine Prüfung der Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern erfolgen müsse. Ich bin der Meinung, daß die Frage, ob eine erhöhte Arbeitsbelastung entsteht oder nicht oder ob sich eventuell sogar Schwierigkeiten bei der Durchführung eines Gesetzes ergeben, doch nur dann von Bedeutung ist, wenn der materielle Inhalt des betreffenden Paragraphen in keinem Ver-
**) Siehe Anlage 4.
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hältnis zu der Mehrbelastung der Verwaltung steht. In dem vorliegenden Fall aber ist die Tatsache entscheidend, daß ein relativ großer Kreis der Arbeitnehmer von dem Versicherungsschutz wiederum ausgenommen wird.
Bei den Arbeitnehmern, an die hier gedacht wird, handelt es sich vorwiegend um Frauen, die als Botinnen, Stundenhilfen oder als Putzfrauen beschäftigt werden. Gerade diese Arbeitnehmer müssen ihre Stundenarbeiten so auf den Tag verteilen, daß sie noch ihrer Hausarbeit, insbesondere der Betreuung der Kinder, nachgehen können. Ihre Gesamtarbeitszeit beträgt oftmals mehr als 40 Stunden. Wir sind der Meinung, daß man die Arbeitszeiten zusammenrechnen sollte, weil es sich um einen Kreis von Arbeitnehmern handelt, die die Berechtigung ihres Anspruchs aus ihrer Lage heraus nachweisen können. Es ist heute schon bei mehreren Abstimmungen deutlich geworden, daß ein großer Kreis der Arbeitnehmer aus der Versicherungspflicht herausgenommen werden soll, weil, wie Sie von der Mehrheit meinen, dieser Kreis niemals arbeitslos werden könne. Aber hier handelt es sich um einen Kreis von Arbeitnehmern, die nach meiner Auffassung in jedem Fall arbeitslos werden können und dann auch auf die Arbeitslosenversicherung angewiesen sind.
Ich bitte Sie daher, meine Damen und Herren, unserem Antrag auf Umdruck 797 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung, die Ihnen der Ausschuß hier vorgeschlagen hat, entspricht der seit Jahrzehnten geltenden Regelung. Hier heißt es:
Die Arbeitszeiten und die Entgelte mehrerer nebeneinander ausgeübter Beschäftigungen dürfen bei Prüfung der Frage, ob es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelt, nicht zusammengerechnet werden.
Der Antrag, der eben von dem Kollegen Hufnagel begründet worden ist, will nun die Möglichkeit schaffen, daß mehrere geringfügige Beschäftigungen zusammengerechnet werden, bis sie diese Grenze von 24 Stunden erreichen. Ich glaube, man kann aus der Praxis heraus einem solchen Antrag nicht zustimmen. Ich kann mir die Durchführung wirklich nicht recht vorstellen. Es dreht sich meistens um Putzfrauen, die mehrere Stellen haben, wo sie je einige Stunden in der Woche arbeiten. Niemand weiß aber, ob 24 Stunden erreicht werden. Es ist also eine völlig unsichere Situation für den Arbeitnehmer, insbesondere aber auch für den Arbeitgeber. Wir dürfen doch nicht übersehen, daß derartige Beschäftigungsverhältnisse oft wechseln, daß vielleicht kurzfristig Beschäftigungsverhältnisse vorhanden sind, die insgesamt 24 Arbeitsstunden wöchentlich ergeben, dann aber wieder von Beschäftigungen abgelöst werden, die insgesamt nicht 24 Stunden ausmachen.
Ich möchte empfehlen, schon wegen der dargelegten Schwierigkeiten, die sich in der Praxis ergäben - es würden wirklich unübersehbare Verhältnisse geschaffen -, dem Antrag nicht zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 797 Ziffer 5*) ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen ab über § 75 a in der Ausschußfassung. Ich bitte diejenigen, die die Ausschußfassung annehmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 75 b. Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Ich bitte diejenigen, die den § 75 b in der Ausschußfassung annehmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu § 75 c. In Umdruck 797 liegt unter Ziffer 2 c, die in der mir vorliegenden Drucksache schon gestrichen war, ein noch nicht verabschiedeter Änderungsantrag zu § 75 c Abs. 1 Satz 2 vor; es wird beantragt, die Worte „Der Bundesminister für Arbeit" durch die Worte „Der Verwaltungsrat" zu ersetzen.
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- Ich stelle den Antrag, da wir erst jetzt bei § 75 c angekommen sind, zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck 797 Nr. 2 Buchstabe c ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zu § 75 c in der Ausschußfassung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu den §§ 81, 82, 83, 84 und 85. Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Ich darf wohl Ihr Einverständnis annehmen, daß sie gemeinsam verabschiedet werden. - Ich höre keinen Widerspruch. Wer für die §§ 81 bis mit 85 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die genannten Paragraphen sind angenommen.
Wir kommen zu den §§ 87, 87 a, 88 und 89.
Änderungsanträge liegen hier nicht vor. Besteht Einverständnis, daß die Paragraphen gemeinsam verabschiedet werden?
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- Ich höre keinen Widerspruch, dann ist so beschlossen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf die Debatte schließen.
Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 87, 87 a, 88 und 89. Wer für diese Paragraphen in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu § 90. Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdruck 797 Ziffer 6, Umdruck 802 Ziffer 4 und Umdruck 821 Ziffer 8 vor, wobei ich hervorhebe, daß der Antrag Umdruck 821 Ziffer 3 auch noch Einfluß auf die §§ 92 und 93 haben kann. Also zunächst Umdruck 797 Ziffer 6*). Wird dieser Antrag begründet? - Bitte schön, Frau Rudoll.
*) Siehe Anlage 3.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat Ihnen auf Umdruck 797 unter Ziffer 6 einen Änderungsantrag zu § 90 Abs. 2 vorgelegt. In dessen Satz 1 soll das Wort „nur" durch das Wort „stets" ersetzt werden. Die Fassung würde also lauten: „Ein berechtigter Grund liegt stets vor . . .".
Während in Abs. 1 eine Sperrfrist für die Zahlung des Arbeitslosengeldes für solche Fälle verhängt wird, in denen der Arbeitslose ohne berechtigten Grund sich weigert, eine Arbeit aufzunehmen, oder das Zustandekommen einer Arbeit vereitelt, sagt Abs. 2 etwas über die berechtigten Gründe aus, bei deren Vorliegen eine Sperrfrist nicht zugelassen ist. In sechs Ziffern werden diese berechtigten Gründe verankert. Durch den ersten Satz des Abs. 2 wird festgelegt, daß nur diese Gründe anerkannt werden. Meiner Fraktion ist diese Beschränkung zu starr und zu eng. Sie ist der Meinung, daß eine zu starre Begrenzung der berechtigten Gründe für die Ablehnung einer Arbeit vermieden werden muß, zumal es unmöglich ist, . in einem Katalog sämtliche Tatbestände für Gegenwart und Zukunft zu verankern. Darum treten wir für eine etwas elastischere Regelung ein, die bei ,der vorliegenden Fassung nicht gegeben zu sein scheint.
Lassen Sie mich an zwei Beispielen klarmachen, wie eng der vorliegende Entwurf ist. Ein 18jähriges Mädel erhält eine Arbeit zugewiesen. Es muß, um zu dem Arbeitsplatz zu gelangen, an einem Truppenübungsplatz vorbei; es gibt keinen anderen Weg. Für die Achtzehnjährige ist dadurch eine Gefährdung gegeben, und sie nimmt die Arbeit nicht auf. Da eine solche Begründung in den sechs Punkten des vorliegenden Entwurfs nicht vorgesehen ist, erhält sie eine Sperrfrist und damit kein Arbeitslosengeld.
Ein weiteres Beispiel. Eine Frau hat einen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen, der Spätschicht oder Spätdienst bedingt. Sie käme also spät abends aus dem Betrieb und müßte, um in ihr Heim zu gelangen, einsame Wege gehen. Auch hier besteht für die Betroffene eine echte Gefährdung. Bei Ablehnung der Arbeitsaufnahme erhält auch diese Frau kein Arbeitslosengeld, weil ein solcher Grund für die Arbeitsablehnung nicht vorgesehen ist.
Ich könnte die Beispiele erweitern. Ich wollte lediglich darlegen, daß echte Härtefälle entstehen, die vom Gesetzgeber sicher nicht gewollt sind. Durch das Wort „stets" wird die Möglichkeit einer Anerkennung weiterer Gründe geschaffen, und unbillige Härten werden vermieden; denn ein Katalog kann niemals erschöpfend sein. Ich bitte das Hohe Haus, dem SPD-Antrag zuzustimmen.
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Darf ich fragen, ob zu diesem Antrag noch das Wort gewünscht wird? - Bitte schön, Herr Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, den von Frau Rudoll gestellten Antrag abzulehnen. Der Ausschuß hat es aus Gründen der Rechtssicherheit für notwendig gehalten, einen erschöpfenden Katalog der zur Arbeitsablehnung berechtigenden Gründe aufzustellen. Es liegt durchaus im Interesse des Arbeitslosen, daß er darüber von vornherein eindeutig und unzweifelhaft durch das Gesetz unterrichtet ist. Anderenfalls muß damit gerechnet werden, daß in zahllosen Fällen aussichtslose und damit für den Unterstützungsempfänger enttäuschende Rechtsstreitigkeiten entstehen. Würden wir den Antrag der Frau Kollegin Rudoll unterstützen, d. h. das Wort „stets" mit einfügen, dann wäre dieser von uns und vom Ausschuß aufgestellte Katalog bei weitem nicht mehr ausreichend, sondern müßte noch sehr ausgeweitet werden. Aus diesem Grunde möchten wir Sie bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen nicht vor.
Dann kommen wir zu den übrigen Anträgen. Auf Umdruck 821 Ziffer 8 wird, soweit sie sich auf diesen Paragraphen bezieht, der Antrag gestellt, in § 90 den gesamten Abs. 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ich stelle gleichzeitig den Antrag Umdruck 802 Ziffer 4 zur Debatte, wonach in § 90 Abs. 1 nur der Satz 1 in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll.
Wird ,das Wort zur Begründung dieser Anträge gewünscht? - Herr Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage ist, wie ich anerkennen muß, auf der sorgfältigen Überlegung aufgebaut, unter welchen Umständen das Arbeitslosengeld gezahlt werden soll und darf und wann es verweigert werden soll. Der Ausschuß hat von dieser Vorlage in den §§ 90, 92 und 93 Abstriche vorgenommen, die das Gesamtbild der Regierungsvorlage an dieser Stelle entscheidend verändern. Wir sind der Meinung, daß .diese Änderungen zu Unrecht 'erfolgt sind, und beantragen daher, in allen diesen Fällen die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Wird das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck- 802 Ziffer 4*) gewünscht? - Herr Abgeordneter Hübner hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Begründung, die eben der Kollege Atzenroth gegeben hat, deckt sich mit der unsrigen. Allerdings hat Kollege Atzenroth bereits die ähnlichen Änderungen in den §§ 92, 93 und 93 a berührt. Soweit ich sehe, hat aber die FDP zu § 92 keinen Änderungsantrag gestellt.
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- Doch, entschuldigen Sie bitte. - Wir sind derselben Meinung, schon mit Rücksicht darauf, daß bisher in zahlreichen Fällen Mißbrauch getrieben worden ist. Darüber gibt die Begründung zum Regierungsentwurf Auskunft. Ich darf einmal ganz kurz zitieren. In der Zeit vom 1. Juli 1950 bis zum 31. Dezember 1953 sind nach Mitteilung der Regierung 144 000 Ordnungsstrafen verhängt und 6200 Strafanzeigen erstattet worden. In 35 000 Fällen wurde die Unterstützung eingestellt, und 3,4 Millionen Unterstützungsfälle mußten geprüft werden. Es liegt wirklich ein Bedürfnis vor, hier vorsichtig zu sein. Wenn wir nun in Betracht ziehen, daß diese Novelle eine beträchtliche Verbesserung der Leistungen mit sich bringt, dann scheint es mir, als würden wir hier angesichts der bisherigen Mißbrauchsfälle gleichzeitig ein Tor für Mißbräuche öffnen. Dem müssen wir unbedingt entgegentreten.
*) Siehe Anlage 9.
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Wir glauben auch, daß in dem Falle, daß nun auch noch die Sperrfristen günstiger gestaltet werden, ein weit größerer Apparat für die Prüfung der Mißbrauchsfälle eingesetzt werden muß. Auch das wünschen wir nicht.
Bitte schön, Herr Kollege Ludwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die dürftige Begründung solch wichtiger und weittragender Anträge sehr erstaunt. Ja, ich kann sagen, das, was die beiden Redner vorgetragen haben, waren überhaupt keine Begründungen. Wenn in dieser Weise auf diesem Gebiet vorgegangen würde, dann wäre das ein nicht zu verantwortender Rückschritt.
Zunächst muß man doch wissen, daß die Zahl solcher Sünder gar nicht so groß ist. Zweitens muß man wissen, daß nur in wenigen Fällen eine Verurteilung durch die Sozialgerichte erfolgen konnte. Man muß sich doch überlegen, was eine Sperrfrist von 24 Tagen für Leute bedeutet, die von der Hand in den Mund leben. Es bedeutet für sie 24 Tage ohne alle Existenzmittel. Und wer muß aufkommen? Die Gemeinden! Man schiebt also auch hier den Gemeinden wieder eine Belastung zu, die einfach nicht zu verantworten ist.
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Auch die Kommunalpolitiker sollten sich dagegen
wenden, daß immer wieder neue Beschlüsse gefaßt
werden, durch die die Gemeinden belastet werden.
Die Tatbestände sind oft sehr schwierig, das beweisen auch die Verhandlungen vor den Sozialgerichten. In vielen Fällen sieht es zunächst nach Verfehlung aus, und nachher stellt sich bei der Verhandlung heraus, daß die Sache ganz anders liegt. Deshalb kann man so rigorose Maßnahmen wie die Erhöhung auf 36 Tage Sperrfrist nicht verantworten.
Der Ausschuß hat seine Haltung wohl überlegt und hat gewußt, warum er so entschieden hat. Ich möchte Sie bitten, der Ausschußvorlage zuzustimmen und diese Anträge abzulehnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Scheppmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 90 geht es um die Zahl der Tage der Sperrfrist. Im Regierungsentwurf stehen 36 Tage und im Ausschußentwurf 24 Tage. Ich möchte nicht das wiederholen, was mein Herr Vorredner soeben gesagt hat, sondern nur zum Ausdruck bringen, daß es auf Grund des § 93 a, zu dem wir noch kommen werden, durchaus möglich ist, Sperrfristen sogar zu verdoppeln. Wenn eine solche Möglichkeit besteht, sehen wir keinen Grund, in diesem Falle eine Sperrfrist von 24 Tagen, wie sie der Ausschuß vorgesehen hat, noch zu erhöhen und die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Ich darf namens meiner politischen Freunde darum bitten, die Anträge, die zu § 90 gestellt sind, abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die Anträge auf Umdruck 802 Ziffer 4*) und 821 Ziffer 8**). Der Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 8 ist der weitergehende Antrag, denn er umfaßt auch den Satz 2 des Abs. 1, obwohl anscheinend nur eine redaktionelle Änderung vorgenommen ist. Ich muß ihn aber als weitergehenden Antrag zunächst zur Abstimmung stellen. Ich bitte also diejenigen, die für den Antrag Umdruck 821 Ziffer 8, soweit er sich auf den § 90 bezieht, stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Dann stelle ich den Antrag Umdruck 802 Ziffer 4 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen dann zum Antrag Umdruck 797 Ziffer 6***), den soeben begründeten Antrag, der sich auf Abs. 2 bezieht. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zu § 90 in der Ausschußfassung. Wer für diese Fassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Dann ist der § 90 in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen zu § 92. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 802 Ziffer 5 - Wiederherstellung der Regierungsvorlage - vor. Ich darf wohl annehmen, daß die vorhin gegebene Begründung auch die Begründung für diesen Antrag sein soll.
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Liegen noch weitere Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle den Antrag Umdruck 802 Ziffer 5 zur Abstimmung und bitte diejenigen, welche dafür stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zu § 92 in der Ausschußfassung. Wer diesen Paragraphen anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 92 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen zu § 93. Hier liegt auf Umdruck 802 Ziffer 6 ein Antrag vor, der wohl mit dem Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 8 identisch ist. Sie haben beide den gleichen Inhalt: Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
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- Das ist nicht der Fall; die Anträge sind vorhin begründet worden. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den Antrag Umdruck 802 Ziffer 6 anzunehmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Damit ist der Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 8, soweit er sich auf den § 92 und auch auf § 93 bezieht, ebenfalls mit beschieden.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 3.
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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über § 93 insgesamt in der Ausschußfassung. Wer für diesen Paragraphen ist, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- § 93 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen zu 93 a. Hier liegen die Anträge Umdruck 802 Ziffer 7 - Wiederherstellung der Regierungsvorlage - und Umdruck 821 Ziffer 9 vor. Beide Anträge sind identisch. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist wohl vorhin schon mit geschehen. Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Nein.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über den Antrag Umdruck 802 Ziffer 7 formell abstimmen; der andere ist dann damit auch beschieden. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Beide Änderungsanträge sind abgelehnt.
Wir kommen zu § 93 a in der Ausschußfassung. Wer diesen Paragraphen anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 93 a ist in der Ausschußfassung angenommen.
Zu § 93 b, den ich hiermit aufrufe, liegen wiederum Änderungsanträge vor, und zwar auf Umdruck 802 Ziffer 8 und Umdruck 808 Ziffer 5*). Beide sind gleichlautend und betreffen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Kollege Hübner hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei § 93 b handelt es sich zwar nicht um die Bemessung der Sperrfristen, aber um die Voraussetzungen, unter denen von der Verhängung von Sperrfristen abgesehen werden kann. Wir sind der Meinung, daß aus den gleichen Gründen, die wir als Begründung für unsere Änderungsanträge in den voraufgehenden Fällen angegeben haben, eine Erleichterung hier nicht angebracht ist und daß die Regierungsvorlage deshalb wiederhergestellt werden sollte.
Wird das Wort weiterhin gewünscht? - Herr Kollege Lang!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag meiner Fraktion, in § 93 b Abs. 3 Satz 2 hinter den Worten „Dies gilt nicht für" die Worte „die Beschäftigung eines Ehegatten durch den anderen und" und analog dazu in § 141 a Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b hinter den Worten „versicherungsfrei sind" die Worte „die Beschäftigung eines Ehegatten durch den anderen" einzufügen, begründe ich wie folgt. Beschäftigungen von Ehegatten sind, da sie nach § 159 der Reichsversicherungsordnung krankenversicherungsfrei sind, automatisch auch in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei. Sie brauchten deshalb in § 74 c nicht besonders genannt zu werden. Die ausdrückliche Erwähnung ist aber in den vorgenannten Bestimmungen erforderlich, um ein unlogisches und ungewolltes Ergebnis zu vermeiden. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort weiterhin gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
*) Siehe Anlage 7.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle zunächst zur Abstimmung den Antrag Umdruck 802 Ziffer 8, in § 93 b Abs. 4 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wer für den Antrag Umdruck 808 Ziffer 5 - der zuletzt begründet wurde - ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer für den § 93 b in der soeben geänderten Fassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 93 c. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich stelle § 93 c in der Ausschußfassung zur Abstimmung. Wer für sie ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 93 c ist angenommen.
Wir kommen zu § 94. Dazu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 797 Ziffer 71 und auf Umdruck 821 Ziffer 10 **) vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! In § 94 geht es um die Gewährung von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit durch Arbeitskampf. Wir stimmen selbstverständlich der Auffassung zu, daß an unmittelbar von Arbeitskämpfen betroffene Arbeitnehmer aus Gründen der Neutralität der Arbeitsverwaltung kein Arbeitslosengeld gezahlt werden kann. Aber eine Verweigerung der Zahlung von Arbeitslosengeld an mittelbar betroffene Arbeitnehmer bei Durchführung von Arbeitskämpfen ist immer eine unbillige Härte. Meine politischen Freunde und ich sind der Auffassung, daß für mittelbar betroffene Arbeitnehmer bei Arbeitskämpfen eine echte Arbeitslosigkeit und ein Rechtsanspruch besteht und darum auch eine Unterstützung an sie gezahlt werden muß. Die Absätze 3 und 4 in § 94 der Vorlage können gestrichen werden. Der Ausweg, daß zur Vermeidung unbilliger Härten Arbeitslosengeld gewährt werden kann, ist eine schlechte Sache und führt zu Ungerechtigkeiten.
Wir sollten darum die mittelbar betroffenen Arbeitnehmer nicht in den Kreis der unmittelbar betroffenen einbeziehen. Auch sollten wir daran denken, daß bei Meinungsverschiedenheiten mit der Arbeitsverwaltung eventuell sogar eine Belastung für die Gemeinde entstehen könnte.
Wir beantragen also einen neuen Abs. 3 mit der Fassung:
Ist Arbeitslosigkeit durch einen Arbeitskampf in einem Betriebsteil oder durch Aussperrung oder Streik einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern des Betriebes oder durch einen Arbeitskampf außerhalb des Betriebes, des Berufskreises oder des Arbeits- oder Wohnortes des Arbeitslosen verursacht, so ist den Arbeitnehmern, die am Arbeitskampf nicht unmittelbar beteiligt sind, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zur Vermeidung unbilliger Härten Arbeitslosengeld zu gewähren.
*) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 9.
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Ich bitte das Hohe Haus, sich unserer Auffassung anzuschließen und dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist immer der Grundsatz vertreten worden, daß die Arbeitsverwaltung bei Arbeitskämpfen neutral sein muß. Sie darf also weder zugunsten der einen noch zugunsten der anderen Seite sich in Arbeitskämpfe einschalten. In § 94 Abs. 3 ist vorgesehen, daß dann, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern mittelbar von einem Arbeitskampf betroffen ist, die Arbeitslosenunterstützung gezahlt werden kann. Es wird also im Einzelfall geprüft, ob hierzu eine Notwendigkeit gegeben ist und ob der Grundsatz der Neutralität nicht verletzt wird. Würde man dem Antrag zustimmen, den der Kollege Bergmann soeben begründet hat, so geriete die echte Neutralität der Arbeitsverwaltung in Arbeitskämpfen in Gefahr. Es wäre dann möglich, daß man sich auf den Streik einer Spezialgruppe innerhalb eines Betriebes beschränkte und daß dann die Gesamtheit mit Ausnahme dieser Spezialgruppe Unterstützung erhielte. Das kann nicht gewollt sein. Ich möchte meinen, wir sollten es bei der bisherigen Möglichkeit, die wir seit Bestehen des AVAVG hatten und die hier im Gesetz wieder verankert wurde, belassen, nämlich der Kann-Bestimmung, daß also der mittelbar Betroffene Unterstützung erhalten kann. Das andere wäre zu weitgehend.
Wird der Antrag Umdruck 821 Ziffer 10 begründet? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Der eine Antrag will den Ausschußbeschluß nach der einen Seite erweitern, der andere will ihn nach der anderen Seite einschränken, daher kann keiner als weitergehend als der andere angesehen werden. Ich komme also zur Abstimmung der Reihenfolge nach, zunächst über den Antrag Umdruck 797 Ziffer 7*), der vorhin begründet worden ist. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag Umdruck 821 Ziffer 10**), der die Regierungsvorlage wiederherstellen will. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme zu § 94 in der Ausschußfassung. Wer für diese Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 94 ist angenommen.
Wir kommen zu § 95. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 808 Ziffer 6***) vor. Wird dieser Antrag begründet? - Bitte schön, Herr Kollege Becker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen auf Umdruck 808 folgenden Antrag vorgelegt:
In § 95 Abs. 1 Satz 2 werden nach den Worten
„kein Arbeitsentgelt gezahlt wird," folgende
*) Siehe Antrag 3. **) Siehe Antrag 9. ***) Siehe Antrag 7.
Worte eingefügt: „oder die vor dem Tage liegen, mit dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld oder auf Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe auf Grund des § 93 c entzogen worden ist,".
Ich darf einige Worte der Begründung sagen. Durch diese Einfügung soll verhindert werden, daß nach einem Entzug des Arbeitslosengeldes nach § 93 c eine neue Anwartschaftszeit bereits durch eine kurzfristige Beschäftigung erworben wird, wenn der Arbeitslose zusammen mit anderen Beschäftigungszeiten, die vor dem Entzug des Arbeitslosengeldes nach § 93 c liegen, insgesamt 26 Wochen gearbeitet hat. Der Arbeitslose würde ohne diese Vorschrift bei einem Entzug des Anspruchs nach § 93 c bessergestellt sein, als wenn an Stelle des Entzuges eine Sperrfrist verhängt worden wäre. Ein entsprechender Beschluß ist vom Ausschuß für Arbeit für die Arbeitslosenhilfe bereits gefaßt worden. Man darf deshalb wohl sagen, daß unser Antrag gewissermaßen eine Gleichstellung mit den Bestimmungen in der Arbeitslosenhilfe zum Inhalt hat. Ich darf um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag bitten.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 808 Ziffer 6*). Wer für diesen soeben begründeten Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Wer nunmehr für den § 95 der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Ergänzung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 95 ist mit dem beschlossenen Zusatz angenommen.
Wir kommen zu § 95 a. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 821 Ziffer 11**) vor. Es wird eine neue Fassung vorgeschlagen.
Wird der Antrag begründet? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Ich stelle den Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 11 zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 95 a in der Ausschußfassung. Wer ihn anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 95 a ist angenommen.
Wir kommen zu § 99. Hierzu liegt zunächst vor der Änderungsantrag auf Umdruck 821 Ziffer 12, der dahin geht, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Ferner liegt vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 802 Ziffer 9. Das ist ein Mischantrag, der teils die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, teils gewisse Änderungen der Ausschußvorlage verlangt.
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- So! Das ist aus dem Text nicht klar zu ersehen.
Außerdem liegt dann noch vor ein Änderungsantrag auf Umdruck 829 Ziffer 1, der dahin geht,
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 9.
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in Abs. 2 die Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" zu streichen.
Wird das Wort zur Begründung der Änderungsanträge gewünscht? - Bitte, Herr Kutschera!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Antrag handelt es sich darum, daß wir die Sowjetzonenflüchtlinge und die Vertriebenen den in Westdeutschland Beschäftigten gleichstellen wollen. Nach dem § 90 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 werden Sowjetzonenflüchtlinge und Vertriebene in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung den westdeutschen Berechtigten gleichgestellt. Während wir bei dem Fremdrenten- und dem Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 diese Gleichstellung für die Sozialversicherung geklärt haben, ist sie für die Arbeitslosenversicherung noch nicht erfolgt. Der § 99 Abs. 2 der vorliegenden Ausschußfassung stellt für diesen Personenkreis eine Verschlechterung insofern dar, als die Beschäftigung, die zu einer Verlängerung der Bezugsdauer führt, im Geltungsbereich dieses Gesetzes, also in Westdeutschland ausgeübt sein muß. Die Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge würden somit in Zukunft von der verlängerten Bezugsdauer ausgeschlossen sein.
Ich glaube, das Hohe Haus wird Verständnis für unseren Antrag haben, den Menschen, die aus der Zone kommen, die vertrieben sind, die gleichen Möglichkeiten einzuräumen. Ich bitte Sie daher herzlich, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir haben mit einer ganzen Anzahl von Änderungsanträgen heute abend versucht, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Die Mehrheit dieses Hauses hat unseren Anträgen nicht entsprochen. Ich bedaure das, weil daraus geschlossen werden muß, daß die Mehrheit dieses Hauses der Auffassung ist, die Frau Kollegin Schroeder heute vertreten hat: daß der Sinn der Novelle zum AVAVG der ist, das Gesetz sowohl hinsichtlich der Versicherungspflicht wie hinsichtlich der Leistungen auszuweiten. Unsere vollbeschäftigte Wirtschaft und unsere Situation auf dem Arbeitsmarkt zeigen aber - Berlin mag eine Ausnahme sein -, daß hier in der Bundesrepublik ganz und gar keine Veranlassung zu einer Ausweitung in dieser Richtung besteht.
Mit unserem Antrag auf Umdruck 802 Ziffer 9 zu § 99 Abs. 2 und 4 möchten wir die Regierungsvorlage wiederherstellen. Bisher wurde bei einer Beschäftigung von fünf Jahren die volle Leistung der Arbeitslosenversicherung gewährt. Jetzt soll schon nach einer Beschäftigung von drei Jahren der Anspruch auf 52 Wochen Höchstbezugsdauer gegeben werden. Da ich befürchte, daß die Mehrheit auch in diesem Falle auf dem Ausschußbeschluß beharren und unser Antrag keine Mehrheit finden wird, möchte ich den Eventualantrag gleich mitbegründen. Wir haben in diesem Eventualantrag vorgeschlagen, hinter den Worten „Für je weitere zweiundfünfzig Wochen" das Wort „ununterbrochen" einzufügen, weil wir glauben, daß das vorhergehende versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis nicht unterbrochen sein sollte. Wir glauben zu dieser Klarstellung auch verpflichtet zu sein, um eine einseitige Begünstigung einer Streikpartei im Falle eines Streiks zu verhindern, da nach der derzeitig geltenden Formulierung des § 99 Abs. 1 Nr. 3 AVAVG nach einer Grundsatzentscheidung, die jetzt auch das Bundessozialgericht getroffen hat, ein Streik das versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis unterbricht.
Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie unserem Hauptantrag zuzustimmen in der Lage wären. Wenn Sie das nicht zu können glauben, bitten wir, unserem Eventualantrag zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Franzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Änderungsantrag Umdruck 829 Ziffer 1, der eben von dem Kollegen Kutschera begründet wurde, abzulehnen. Die Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" zu streichen würde bedeuten, daß auch Beschäftigungen in der Ostzone, obwohl dort keine Beiträge zufließen, einen Anspruch über 26 Wochen begründen würden. Und das wollte der Ausschuß mit seinen Beschlüssen nicht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Varelmann.
Nach dem Beschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit soll der Arbeitslose Anspruch auf Arbeitslosengeld haben für eine versicherungspflichtige Beschäftigung von mehr als sechs Monaten für 78 7 age, von mehr als neun Monaten für 120 Tage, von mehr als zwölf Monaten für 156 Tage, von hehr als 24 Monaten für 234 Tage und von mehr als 36 Monaten für 52 Wochen. Aus diesem Beschluß des Ausschusses ergeben sich fünf verschiedene Bezugsdauern. Würden wir dem Antrag der DP und FVP folgen, dann kämen wir zu 13 verschiedenen Bezugsdauern. Allein aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist ein solcher Vorschlag unangebracht. Gar oftmals hört man im Lande Kritiken von einer allzu großen Verwaltung in der Arbeitslosenversicherung. Diese Kritiken sind vielfach sogar recht heftig und werden voll Leidenschaft angebracht. Das Parlament sollte es deshalb als ein besonderes Ziel ansehen, die Verwaltung in der Arbeitslosenversicherung zu vereinfachen. Dieser Gedanke hat in der Ausschußberatung über die Novelle eine beachtliche Rolle gespielt. Zum Teil auch unter diesem Gesichtspunkt wurde der Ausschußbeschluß zu § 99 der Novelle gefaßt. Die Frage: wie können wir die Arbeit in der Versicherungsabteilung der Arbeitslosenversicherung vereinfachen?, muß immer ausreichend berücksichtigt werden.
Es waren auch andere wichtige Argumente, insbesondere sozialpolitischer und versicherungsmäßiger Art, für den Ausschußbeschluß maßgebend. Erfreulicherweise führte die Wirtschaftskonjunktur zu einer erheblichen Festigung des Arbeitsmarktes. Die Zahl der Arbeitnehmer, die einen festen Arbeitsplatz haben, ist wesentlich größer geworden. Die Beobachtung des Arbeitsmarktes hat ergeben, daß der
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Personenkreis, der mehr als drei Jahre in einem Arbeitsverhältnis stand, also kein Arbeitslosengeld während dieser Zeit bezog, die Einrichtung nur selten in Anspruch nimmt. Der Ausschuß hat seine Entscheidung nach dem Grundsatz des Versicherungsprinzips getroffen. Wer mehr als drei Jahre in einem Arbeitsverhältnis stand, ohne Arbeitslosenunterstützung zu erhalten, hat einen Anspruch, für eine längere Dauer die Unterstützung zu beziehen. Wir sind weiter der Meinung, daß eine kurzfristige Unterbrechung der Bezugsdauer den Arbeitslosen nicht schädigen soll, wenn er in der Zwischenzeit keine Arbeitslosenunterstützung bezogen hat. Wir bitten also, den Antrag der DP und der FVP aus sozialen Gründen abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
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- Es wird verzichtet. Abgeordnete Frau Finselberger!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte einiges auf die Begründung, die Frau Kalinke soeben dem Antrag und dem Eventualantrag gegeben hat, erwidern, und zwar deshalb, Frau Kollegin Kalinke, weil Ihre Begründung wirklich nicht überzeugend ist. Sie haben Frau Kollegin Schroeder aus Berlin angesprochen und gemeint - so habe ich Sie wenigstens verstanden -, daß der Begriff der Vollbeschäftigung nicht auf Berlin anzuwenden sei. Sie kommen genauso wie ich aus Niedersachsen und müssen daher wissen, daß wir in Niedersachsen Bereiche haben - ich meine insbesondere die Zonengrenzbezirke -, wo längst nicht die Vollbeschäftigung erreicht ist. Ich möchte daran erinnern, daß wir solche Gebiete auch in Schleswig-Holstein und ebenso im Bayerischen Wald haben. Die Vollbeschäftigung ist also in anderen Gebieten der Bundesrepublik ebenfalls nicht erreicht und nicht nur in Berlin, auf das hier immer allein hingewiesen wird und von dem man bedauerlicherweise glaubt, es immer allein hervorheben zu müssen. Aus diesem Grunde können mich Ihre Ausführungen nicht überzeugen.
Ich möchte auch auf das eingehen, was Herr Kollege Franzen sagte. Sie haben zur Begründung Ihrer ablehnenden Haltung gegenüber unserem Änderungsantrag auf Umdruck 829 das gesagt, was für uns gerade die Begründung dafür ist, Ihnen zu empfehlen, diesen Antrag anzunehmen. Man kann nicht immer nur von Wiedervereinigung sprechen, wenn man nicht auch einmal praktisch etwas dafür tun will; und hier können Sie den Beweis dafür erbringen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich schlage vor, zunächst über den Antrag Umdruck 821 Ziffer 12 abzustimmen, wonach die Regierungsvorlage des § 99 im ganzen wiederhergestellt werden soll. In dem Antrag Umdruck 802 Ziffer 9 a wird die Wiederherstellung der Regierungsvorlage nur für zwei Absätze des § 99 verlangt. Ich darf annehmen, daß, wenn der weitergehende Antrag beschieden ist, damit auch der engere Antrag erledigt ist. Ich stelle also den Antrag Umdruck 821 *) Ziffer 12 zur Ab- Stimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Damit ist auch der Antrag Umdruck 802 **) Ziffer 9 a abgelehnt.
Wir kämen dann entsprechend dem Antrag der Abgeordneten Frau Kalinke zu dem Antrag Ziffer 9 b, der als Eventualantrag gestellt ist. Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die dem Antrag Umdruck 802 Ziffer 9 b zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 829***) Ziffer 1, die Worte „im Geltungsbereich dieses Gesetzes" in Abs. 2 des § 99 zu streichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 99 in der Ausschußfassung. Wer die Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der § 99 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen zu den §§ 100, 103. Hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich darf wohl Ihr Einverständnis unterstellen, daß über beide zusammen beraten und abgestimmt wird. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die §§ 100 und 103 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe § 105 auf. Hierzu liegen vor: ein Änderungsantrag auf Umdruck 797 Ziffer 8 auf Einfügung eines zweiten Satzes im Abs. 6 und der Antrag Umdruck 821 Ziffer 13, die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Umdruck 797 Nr. 8****) hat die sozialdemokratische Fraktion beantragt, den § 105 Abs. 6 zu ändern und festzulegen, daß der Hauptbetrag der Arbeitslosenunterstützung 50 v. H. des Bruttolohnes nicht unterschreiten darf. Sie legt Ihnen gleichzeitig eine Tabelle*****) vor, die diesem Antrag entspricht. Der Vergleich der Tabelle des Ausschusses und der Tabelle auf Umdruck 797 ergibt, daß beide bis zu einem Bruttolohn von 46 DM wöchentlich gleich sind. Erst von dort an ergibt sich eine Veränderung, beginnend mit 20 Pf wöchentlich. Diese Veränderung ergibt sich, da der Ausschuß von einer Unterstützung von 55 v. H. des Nettolohnes ausging, während die Tabelle auf Umdruck 797 50 v. H. des Bruttolohnes zur Grundlage hat.
Bei unserem Antrag gehen wir davon aus, daß auch bisher schon in der Sozialversicherung für das Krankengeld ein Mindestsatz von 50 v. H. festgelegt ist. Einen Mindestsatz von 50 v. H. des Bruttolohnes betrachten wir auch bei der Arbeitslosen-
*) Siehe Anlage 9.
**) Siehe Anlage 5. ***) Siehe Anlage 11. ****) Siehe Anlage 3. *****) Siehe Anlage A zu Anlage 3.
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unterstützung als notwendig, da sonst unserer Auffassung nach der Unterstützungsbetrag nicht ausreicht, um dem Arbeitslosen wenigstens halbwegs eine Lebensgrundlage zu geben, die in einem gewissen Verhältnis zu seinem vorhergehenden Verdienst steht. Man kann einen Arbeitslosen nicht gut schlechter stellen als einen Kranken, zumal, da auch das Krankengeld nicht ausreichend ist, wie allseitig anerkannt wird.
Bei der Festlegung der Arbeitslosenunterstützung müssen wir auch in Betracht ziehen, daß angestrebt wird, die Renten auf ca. 75 v. H. des Einkommens festzusetzen. Bei den Arbeitslosen handelt es sich aber oft um Menschen, die noch größere Anschaffungen zu machen haben und große Verpflichtungen während ihrer Beschäftigung eingegangen sind, die sie nachher bei Arbeitslosigkeit wegen der zu niedrigen Unterstützung nicht mehr erfüllen können.
Meine Damen und Herren, auch wir anerkennen, daß zwischen dem bisherigen Verdienst und der Arbeitslosenunterstützung ein Unterschied bestehen muß, damit, wie es im Schriftlichen Bericht des Ausschusses zum Ausdruck kommt, in dieser Hinsicht ein Anreiz zur Arbeitsaufnahme vorhanden ist. Die durch den Ausschußbeschluß festgesetzten Sätze halten wir aber für zu niedrig, da sie nicht als ausreichende Lebensgrundlage dienen können. Wir halten es für unmöglich, für alle Arbeitslosen etwa deshalb zu niedrige Unterstützungssätze festzusetzen, weil einige wenige an der Arbeitslosenunterstützung Gefallen finden könnten. Wir sind fest von überzeugt - und ich glaube, wir wissen uns hier mit der Mehrheit dieses Hohen Hauses einig -, daß der weitaus größte Teil der Arbeitslosen nicht wegen der niedrigen Unterstützung, sondern aus sittlicher Verantwortung zur baldigen Arbeitsaufnahme strebt. Wer das Unglück hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, leidet oft noch stärker als an der materiellen Not an dem Gefühl, von der Arbeit ausgeschlossen und kein vollwertiges Glied der Gesellschaft mehr zu sein. Wir sollten deshalb wenigstens die materiellen Verhältnisse der Arbeitslosen verbessern.
Auch aus volkswirtschaftlichen Gründen sollten Sie unserem Antrag entsprechen. Wir müssen verhindern, daß insbesondere bei größerer Arbeitslosigkeit die Kaufkraft allzu stark absinkt und der Kreislauf der Wirtschaft dadurch gestört wird. Die Verhältnisse der dreißiger Jahre sollten uns daran erinnern. Wir sollten auch bei Arbeitslosigkeit die Kaufkraft nicht allzu stark absinken lassen.
Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, unserem Antrag zu entsprechen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen hier an einen entscheidenden Punkt, der in finanzieller Beziehung von großer Bedeutung ist.
Zunächst aber die Grundsatzfrage: Soll man die Errechnung nach dem Bruttolohn oder nach dem Nettolohn vornehmen? Ich glaube, man muß mit der Unterstützung denjenigen Lohn vergleichen, den der Arbeitnehmer in die Hand bekommt, um dann zu einer rechten Relation zwischen der Unterstützung und diesem Nettolohn zu kommen. Ich möchte versuchen, es an einem Beispiel klarzumachen.
Würden wir dem Vorschlag der SPD folgen, also den Grundsatz festlegen, daß die Hauptunterstützung in keinem Falle unter 50 % des Bruttolohnes liegen darf, dann würde, wie sich aus der Tabelle ergibt, von einem Einheitslohn von 11 DM bis 51 DM die Hauptunterstützung netto von 96,9 % bis auf 58,2 % fallen. Denn bei den niedrigen Einkommensgruppen ist ja, um die Existenzgrundlage zu sichern, als Unterstützungsbetrag ein höherer Prozentsatz des Einkommens festgesetzt als bei den höheren Einkommensgruppen. Nun ergäbe sich aber, wenn man die 50 % zugrunde legen würde, infolge der bei den höheren Einkommensgruppen höheren Abzüge, Steuern, usw. von 51 DM bis zu 175 DM Bruttolohn in der Woche - das ist der Höchstbetrag, der versicherungspflichtig ist - netto ein Ansteigen von 58,2 auf 68,6 %. Eine ganz interessante Feststellung! Ich glaube, das ist ein Ergebnis, das wir nicht wollen können. Ich bin gern bereit, dem Kollegen, der eben gesprochen hat, diese Unterlagen vorzulegen. Wir sind deswegen bei der Rechnung vom Nettolohn ausgegangen.
Nun muß ich Ihnen natürlich auch sagen, wie die Dinge materiell stehen. Gegenüber der Regierungsvorlage hat der Ausschuß Verbesserungen vorgenommen, die pro 100 000 Arbeitslose 21,2 Millionen DM kosten. Wenn wir 450 000 Arbeitslosenhauptunterstützungsempfänger im Mittel zur Grundlage nehmen, ergibt sich, daß gegenüber der Regierungsvorlage eine zusätzliche Belastung von etwa 100 Millionen DM eintritt.
Bei dem SPD-Vorschlag würde sich gegenüber der Regierungsvorlage eine zusätzliche Belastung von 46,2 Millionen DM pro 100 000 Unterstützungsempfänger ergeben, also pro 100 000 Unterstützungsempfänger 25 Millionen mehr als nach der Ausschußvorlage. Wir halten das nicht für tragbar. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Gesetz auf der einen Seite die Beiträge reduziert - mit dem Ergebnis, daß die Beiträge um rund 600 Millionen DM pro Jahr niedriger sind als bisher -, gleichzeitig aber die Leistungen erhöht. Daraus resultiert jetzt schon vom Inkrafttreten des Gesetzes ab ein jährliches Defizit, das der Berichterstatter auf etwa 280 Millionen geschätzt hat.
Wir müssen also schon aus dem Fettpolster, das die Bundesanstalt hat, schöpfen, obschon man ja im allgemeinen der Auffassung ist, daß man Reserven in schlechten Zeiten angreift. Im Interesse der Reform in der Rentenversicherung mußten wir diesen Weg gehen, obwohl es keineswegs ein befriedigender Weg ist. An sich hätte sich nur eine Beitragsreduzierung um 1/2 % vertreten lassen.
Wenn wir jetzt so weitgehenden Anträgen, wie sie hier gestellt worden sind, folgen würden, dann würde das diese ganze Kalkulation über den Haufen werfen. Ich habe Ihnen die Größenordnungen genannt.
Wir sehen uns nicht in der Lage, dem Antrag zuzustimmen.
Ich möchte betonen, daß wir die Leistungen wesentlich erhöht haben. Ich glaube, wir können uns mit unserer Arbeitslosenversicherung im Vergleich mit anderen Ländern sehen lassen. Man muß ja immer einmal den Blick über den Zaun richten, damit man sieht, wie die Verhältnisse in anderen Ländern sind. Wenn man das Ganze sieht: die Un({0})
terstützungshöhe und die Bezugsdauer, wie wir sie hier vorschlagen, dann muß man sagen, daß wir uns mit dieser Regelung mit den anderen Ländern messen können.
Ich möchte also empfehlen, dem Änderungsantrag nicht zuzustimmen. Ich empfehle allerdings auch, den Änderungsantrag der FDP abzulehnen. Die FDP will die Regierungsvorlage wiederherstellen. Wir haben hier bewußt eine Verbesserung vorgesehen, und ich bitte, bei dieser Verbesserung zu bleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Diese Debatten sollten eigentlich unsere Haushaltsfachleute führen. Sie sind leider nicht anwesend.
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- Ich bin erfreut, daß einige da sind. Jedenfalls ist das ein Punkt, bei dem sie sich hier betätigen sollten. Auch eine Bundesanstalt für Arbeit muß, wenn hier ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, in dem die Höhe des Beitrags festgelegt ist und in dem die laufenden Ausgaben in Zahlen niedergelegt werden, einen ausgewogenen Haushalt haben. Ich bin sicherlich dafür, daß wir die große Reserve, die bei der Bundesanstalt angesammelt worden ist, auflösen. Aber das kann ja nicht hier erfolgen; denn das soll doch ein Gesetz sein, das Jahre und Jahrzehnte Gültigkeit hat, während die Auflösung eines Teiles der Reserven ein oder zwei Jahre dauern kann. Herr Sabel hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß man an Reserven r im allgemeinen in den schlechten Jahren und nicht gerade in den guten Jahren herangeht, und wir sind doch augenblicklich in den guten Jahren. Also muß der Haushalt dieser Bundesanstalt ausgeglichen werden.
Wir haben den Antrag gestellt, in § 105 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Dabei sind wir, die wir ja die Einzelrechnung gar nicht vornehmen können - dazu fehlt uns der Apparat -, von der Annahme ausgegangen, daß sich die Bundesregierung bei der Aufstellung dieses Gesetzes Gedanken darüber gemacht hat, wie sich das Verhältnis der Einnahmen zu den Ausgaben gestaltet. Der Vertrauen, das wir hier in die Bundesregierung setzen, ergibt sich aus unserem Antrag. Ich muß den Herrn Bundesarbeitsminister bitten, uns zu erklären, wie es bei seinem Haushalt möglich ist, den Ausgleich zu schaffen, nachdem wir ja eine Minderung der Einnahmen beschlossen haben und durch den Ausschuß eine Reihe von Ausgabenerhöhungen vorgesehen worden ist, die in der ursprünglichen Regierungsvorlage nicht enthalten waren, geschweige denn in den Anträgeh der SPD auf Erhöhung der Ausgaben; die sind ja sicherlich nicht mit einkalkuliert.
Wenn wir dazu im einzelnen Stellung nehmen sollen - und das sollen wir als verantwortungsbewußte Parlamentarier -, dann muß uns von der Stelle, die allein die Angaben machen kann, gesagt werden, wie die wirklichen Verhältnisse sind, wann der Etat der Bundesanstalt bei einem Beitragssatz von 2 °/o, der im Gesetz steht, und bei der Tabelle, die hier aufgestellt worden ist, ausgeglichen ist. Wir können das nicht; es ist einfach unmöglich, ohne die Unterlagen eines Ministeriums festzustellen, ob die Tabelle so oder so aussehen muß. Wir müssen uns da auf eine bindende Erklärung des Herrn Bundesarbeitsministers verlassen: bei den Anträgen des Ausschusses ist der Ausgleich vorhanden - vielleicht sagt er uns das -, bei den Anträgen der Opposition ist er nicht mehr vorhanden; vielleicht sagt er das, oder es sagt es nicht. Aber diese Unterlage müssen wir haben; erst dann können wir die Entscheidung treffen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte.
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- Verzeihung; ich habe Ihre Wortmeldung nicht gesehen. Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Atzenroth hat mich persönlich angesprochen. Er hat von dem von uns aufgestellten Haushalt geredet. Den Haushalt für die Bundesanstalt stellen die Selbstverwaltung der Bundesanstalt und ihre Geschäftsführung auf. Wir wollen uns völlig darüber klar sein, daß zur Zeit niemand sagen kann, ob wir uns im nächsten Jahr bei 2 % Beitrag erhöhte Ausgaben erlauben können. Es kommt ganz und gar darauf an, wieviel Millionen im nächsten Jahr in unserer Wirtschaft beschäftigt sind und wie hoch die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt ist. Eine Arbeitslosenversicherung ist nicht mit einer Rentenversicherung oder einer anderen Sozialversicherung zu vergleichen. Ich bin der Meinung, daß das Hohe Haus kein Risiko eingeht, wenn es dem Antrag des Ausschusses zustimmt. Ich würde allerdings in der Annahme des Antrags der Sozialdemokratischen Partei eine Gefährdung der finanziellen Verhältnisse der Bundesanstalt sehen.
Wird noch weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag Umdruck 821 Ziffer 13, der die Regierungsvorlage wiederherzustellen wünscht. Wer für diesen Antrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. ({0})
- Die Debatte ist geschlossen. Also der Antrag 821 Ziffer 13*) ist zurückgezogen; dann wird er nicht zur Abstimmung gestellt.
Es steht nur noch der Antrag Umdruck 797 Ziffer 8**) zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Abgelehnt.
Wir kommen dann zu § 105 in der Ausschußfassung. Wer dieser Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 109. Anträge liegen hier nicht vor. Ich eröffne die Debatte. - Ich schließe die
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 3.
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Debatte. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 109 anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 109 ist angenommen.
Wir kommen zu § 110. Hier liegen wiederum zwei Änderungsanträge - auf Umdruck 802 Ziffer 10 und Umdruck 821 Ziffer 14*) - vor.
Wird das Wort gewünscht? - Frau Kalinke!
Ein Wort zur Begründung unserer Änderungsanträge zu § 110. Im bisherigen Recht war, wie auch im Regierungsentwurf vorgesehen, die Wartezeit gestaffelt. Wir glauben, daß die individuelle Staffelung der Wartezeit, wie wir sie bisher im Recht der Arbeitslosenversicherung hatten, familiengerecht, sozial und vernünftig war. Die neue Wartezeit, die jetzt einheitlich auf drei Tage der Arbeitslosenversicherung festgesetzt werden soll - vermutlich genauso wie die Wartezeit in der Krankenversicherung -, halten wir nicht für besser. Wir sind daher der Auffassung, daß die bisherige Regelung, die vernünftig war und sich in der Praxis bewährt hat, auch wiederhergestellt werden soll.
Das Wort hat Abgeordneter Varelmann.
Aus allgemein sozialpolitischen Gründen bitten wir, den Antrag abzulehnen. Die Beobachtung hat ergeben, daß der Arbeitslose in der Regel sehr hart getroffen ist, so daß eine längere Wartezeit nicht angebracht ist.
Das Wort hat Frau Kalinke.
Ich bedauere sehr, daß hier schon zum wiederholten Male soziale Gründe in einer Sache bemüht werden, in der ich glaube, daß wir die Töne ein wenig zu stark treffen. Wenn wir die Situation von 1931 hätten, von der heute soviel gesprochen worden ist, würde ich die erste sein, die das Problem der Novellierung der Wartezeit hier ansprechen würde. Ich glaube aber, die augenblickliche Situation sollte uns zwingen, vernünftiges Recht, das sich bewährt hat, beizubehalten und nicht die Regierungsvorlage noch zu verändern.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bin der Meinung, daß die beiden Anträge inhaltlich das gleiche wollen, auch wenn der eine Antrag die Wiederherstellung auf den ganzen Paragraphen, der andere nur auf zwei Absätze bezieht, während bei den anderen Absätzen keine Änderungen von der Regierungsvorlage vorgenommen worden sind. Ich stelle also den Antrag, der der Formulierung nach der weitestgehende ist, zur Abstimmung. Das ist der Antrag auf Umdruck 821 Ziffer 14*). Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt! Damit ist der Antrag auf Umdruck 802 Ziffer 10 auch erledigt.
*) Siehe Anlage 9.
Ich komme zur Abstimmung über den § 110 in der Ausschußfassung. Wer ihn anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 110 ist angenommen.
Wir kommen dann zu § 111. Anträge liegen nicht vor. Ich eröffne die Aussprache.
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- Verzeihung. Zu § 111? Ich eröffne die Debatte!
Es besteht Unklarheit, Herr Präsident. Sie nehmen immer den weitergehenden Antrag. Wenn der abgelehnt ist, erklären Sie, daß der weniger weitgehende auch abgelehnt sei. Es besteht ja die Möglichkeit, daß der weniger weitgehende angenommen wird.
Erstens einmal, Frau Kollegin, war das beim vorigen Paragraphen, der schon erledigt ist. Zum zweiten hatte ich ausdrücklich erklärt, daß nach meiner Auffassung der Inhalt beider Anträge derselbe sei. Denn der eine wollte zu dem Paragraphen summarisch die Regierungsvorlage wiederherstellen, während der andere nur die Absätze nannte, bei denen der Ausschuß Änderungen der Regierungsvorlage vorgenommen hatte und sie wiederherstellen wollte. Es war also inhaltlich das gleiche. Das habe ich vor der Abstimmung gesagt und habe keinen Widerspruch gehört.
Ich habe den § 111 aufgerufen. Wortmeldungen liegen hierzu nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 111 in der Fassung des Ausschusses anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Wir kommen zu § 111 a. Ich eröffne die Aussprache. - Ich schließe die Aussprache. Wer § 111 a in der Fassung der Vorlage anzunehmen geneigt ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Wir kommen zu § 112. Hier liegt auf Umdruck 797 Ziffer 9 ein Änderungsantrag vor, die Zahl 9 durch die Zahl 12 zu ersetzen. Soll der Antrag begründet werden?
Frau Abgeordnete Kipp-Kaule!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion legt Ihnen auf Umdruck 797 Ziffer 9 einen Änderungsantrag zu § 112 vor und bittet um Annahme. Wenn Sie diesen Änderungsantrag lesen und feststellen, daß die Zahl 9 durch die Zahl 12 ersetzt werden soll, mag es auf den ersten Anhieb so scheinen, als sei dies eine Bagatelle. Aber ich glaube, für den Personenkreis, für den wir dies fordern, ist es erheblich, ob ihm, wenn er aus Gelegenheitsarbeit Einkommen gehabt hat, bei der Anrechnung auf seine Arbeitslosenunterstützung 3 DM mehr verbleiben oder nicht. Nach dem bisher gültigen Recht war es so, daß 20 % des Einkommens aus Gelegenheitsarbeit frei waren. Alle Mitglieder des Ausschusses haben es begrüßt, daß die Regierung von sich aus einen festen Freibetrag vorgeschlagen hatte. Die Regierung hat vorgeschlagen, nach Abzug der tatsächlichen Werbungskosten 6 Mark, bei Empfängern von Arbeitslosengeld mit mehr als einem Familien({0})
zuschlag 8 Mark freizulassen und den übersteigenden Betrag zur Hälfte anzurechnen.
Im Ausschuß war man sich darüber klar, daß dieser Betrag zu gering sei, und man einigte sich auf einen Freibetrag von 9 Mark. Bei unseren Überlegungen im Arbeitskreis sowie auch in der Fraktion kamen wir zu der Überzeugung, daß auch 9 Mark zu wenig seien, und wir schlagen Ihnen jetzt 12 Mark vor. Darf ich ein Beispiel geben! Wenn ein Arbeitsloser aus gelegentlichem Einkommen, aus Gelegenheitsarbeit - sagen wir als Kellner oder bei sonstigen Beschäftigungen -20 Mark verdient, bleiben ihm nach dem Ausschußbeschluß 9 Mark frei, und der Rest von 11 Mark wird ihm zur Hälfte angerechnet. Wenn er aber 12 Mark frei hat, werden ihm nur 50 % von
8 Mark angerechnet.
Ein anderes Beispiel! Ein Arbeitsloser hat z. B. 30 Mark Einkommen aus Gelegenheitsarbeit. Wenn ein Freibetrag von 12 Mark festgesetzt wird, ist die Hälfte von 18 Mark anzurechnen, so daß ihm
21 Mark verbleiben.
Wir bitten darum, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.
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Bitte schön, Herr Kollege Dr. Bürkel! Ich bitte doch freundlichst, sich, wenn es irgendwie geht, schriftlich zu melden. Es ist nicht immer zu übersehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war nicht beabsichtigt, das Ausmaß der Anrechnung von Nebenverdienst gegenüber dem geltenden Recht zu ändern. Die Regierung hatte deshalb statt eines Betrages von 20 v. H., der bisher angerechnet wurde, einen festen D-Mark-Betrag eingesetzt, um der Verwaltungsvereinfachung zu dienen.
In der Regierungsvorlage sehen Sie einen Betrag von 6 DM festgesetzt. Das bedeutet, daß der Nebenverdienst bis 6 DM frei ist und daß der überschießende Verdienst nur zu 50 % angerechnet wird. Der Ausschuß ist schon über diese Regelung hinausgegangen und hat den Betrag von 6 DM auf 9 DM erhöht. Das bedeutet, daß jeder über 9 DM hinausgehende Nebenverdienst nur zu 50 % angerechnet wird. Würden wir jetzt von
9 auf 12 DM gehen, dann würden wir eine derartige Mehrbelastung bekommen, daß wir in den ganzen Kalkulationen wieder durcheinandergeraten würden.
Die Erhöhung der Unterstützungsätze hat der Ausschuß - wie gesagt - dadurch zugestanden, daß er über die Regierungsvorlage hinausgegangen ist, und zwar von 6 auf 9 DM. Der Ausschuß ist der Ansicht, daß diese Erhöhung genügt und gleichzeitig der Verwaltungsvereinfachung dient.
Wir bitten, den weitergehenden Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 797 Ziffer 9*). Wer für diesen Antrag zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
*) Siehe Anlage 3.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 112 in der Ausschußfassung. Wer für diesen Paragraphen zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -- Gegenprobe! - Enthaltungen?
§ 112 ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zu § 113. Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 7**) auf. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schlagen Ihnen vor, daß in § 113 Abs. 1 Nr. 2 hinter den Worten „Übergangsbeihilfen, die vom Arbeitgeber aus sozialen Gründen gewährt werden," die Worte „Abfindungen zum Ausgleich erworbener Anwartschaften auf Ruhegeld und auf ähnliche Bezüge" eingefügt werden.
Ich darf den Antrag ganz kurz damit begründen, daß es zahlreiche Firmen gibt, die ihren Arbeitern und Angestellten je nach Länge der Zugehörigkeit zum Betrieb ein entsprechendes Ruhegeld gewähren. Es liegt nun einmal im Bereich des Menschenmöglichen, daß man sich auch nach jahrzehntelanger Zusammenarbeit trennt. Diesen Arbeitern und Angestellten würde Unrecht geschehen und eine Härte zugefügt, wenn im Gesetz nicht eine entsprechende Bestimmung über Abfindungen festgelegt wäre. Ich bitte deshalb, an solche Fälle denkend, diesem Zusatzantrag Ihre Stimme zu geben.
Weitere Wortmeldungen? - Bitte! Das Wort hat der Abgeordnete Geiger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Änderungsantrag beabsichtigt die CDU/CSU-Fraktion, den sozialen Besitzstand zu wahren. Wir können uns diesem Antrag ganz anschließen. Es handelt sich um die Abgeltung eines erworbenen Rechtes, das oft in jahrzehntelanger Arbeit erworben ist. Es wäre tatsächlich ungerecht, wenn dieser Betrag, wenn er abgegolten wird, für Arbeitslosenunterstützung verbraucht würde. Wir stimmen dem Antrag zu.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle den Antrag Umdruck 808 Ziffer 7 zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Dann stelle ich § 113 mit der soeben beschlossenen Änderung - und im übrigen in der Ausschußfassung - zur Abstimmung. Wer für ihn zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu den §§ 113 a, 114 und 115. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich darf wohl Übereinstimmung dahin feststellen, daß sie gemeinsam verabschiedet werden.
Ich eröffne die Debatte. - Ich schließe die Debatte. Ich stelle die aufgerufenen drei Paragraphen zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Ent-
**) Siehe Anlage 7.
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haltungen? - Die §§ 113 a, 114 und 115 sind angenommen.
Ich rufe § 116 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 808 Ziffer 8 vor, der darauf hinausgeht, in diesem Paragraphen den Abs. 2 zu streichen. Wird der Antrag begründet? - Bitte, Herr Kollege Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten, in § 116 den Abs. 2 zu streichen. Ich darf einen Satz zur Begründung sagen. Nachdem entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses für Arbeit die Stellung eines Antrags als Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld in § 87 Abs. 1 aufgenommen wurde, muß die Vorschrift gestrichen werden, da sie sonst in Widerspruch zu § 87 Abs. 1 stünde. In § 87 Abs. 1 heißt es:
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt hat, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt hat.
Ich darf bitten, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich lasse abstimmen über § 116 mit der eben beschlossenen Änderung. Wer hierfür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Jetzt kommen einige Paragraphen, bei denen keine Änderungsanträge vorliegen. Ich darf wohl annehmen, daß Sie damit einverstanden sind, daß sie pauschal erledigt werden. - Das ist der Fall.
Ich rufe auf die §§ 116 a, - 116 b, - 116 d, - 116 e, - 116 f, - 116g, - 117, - 118, - 119, -120. - Ich eröffne die Aussprache über diese Paragraphen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wer den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Wir kommen zu § 121. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 9*) vor. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Gesetzentwurf, auch in dem vorliegenden Paragraphen, ist der Grundsatz aufgestellt worden, daß jeder Arbeitslose bei der Krankenkasse verbleibt, der er zuvor angehört hat. Nun sind aber Zweifel entstanden, ob das auch gilt, wenn es sich um Mitglieder der Ersatzkrankenkassen handelt. Wir haben Ihnen zu § 121 Abs. 2 a eine Formulierung vorgeschlagen, die für die Mitglieder der Ersatzkrankenkassen Klarheit schafft. Das kann nur erfolgen, wenn wir
*) Siehe Anlage 7. den Text so formulieren, wie er Ihnen hier vorgeschlagen wird. Aus diesen Gründen - ich möchte der Zeit wegen nicht näher darauf eingehen -bitte ich Sie, dem Antrag Umdruck 808 Ziffer 9 zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich stelle den Änderungsantrag Umdruck 808 Ziffer 9 zur Abstimmung. Wer für ihn ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe nunmehr § 121 in der Ausschußfassung auf. Wer ihn in der durch die Annahme des Änderungsantrags geschaffenen Form anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 125, - 126, - 128, - 129, -130. - Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich darf Ihre Zustimmung dahin feststellen, daß diese Paragraphen gemeinsam zur Abstimmung gebracht werden. Ich eröffne die Aussprache. -Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu § 130a. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 11*) vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 802 Ziffer 11. Wer für diesen Änderungsantrag - betrifft die Wiederherstellung der Regierungsvorlage in großen Teilen - ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme zu § 130a in der Ausschußfassung. Wer für diesen Paragraphen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf § 130b. Hierzu liegen Änderungsanträge und Wortmeldungen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer § 130b in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Wir kommen zu § 130 c. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 802 Ziffer 12 vor. Er betrifft die Streichung dieses Paragraphen. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag auf Umdruck 802 Ziffer 12 zu stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme zu § 130 c in der Ausschußfassung. Wer § 130 c in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
*) Siehe Anlage 5.
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Wir kommen zu §§ 130 d, 130 e, 130 f, 130 g, 130 h.
- Sie sind damit einverstanden, daß wir sie gemeinsam verhandeln. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Ich bitte diejenigen, die für die aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zu stimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Die genannten Paragraphen sind angenommen.
Damit sind wir an einem Abschnitt angekommen, auch an einem Zeitabschnitt, den wir uns vorgenommen hatten.
Ich darf bei der Gelegenheit das Hohe Haus darauf hinweisen, daß vor einigen Monaten in der „Neuen Juristischen Wochenschrift" eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verkündet worden ist, wonach selbst bei freiwilliger Mehrarbeit und
Überstunden, wenn das dauernd vor sich geht, auch der Arbeitgeber strafbar ist.
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Ich lasse es dahingestellt, wer in diesem Falle Arbeitgeber und wer Arbeitnehmer ist. Wir sind wahrscheinlich beides. Aber wir haben eine Verpflichtung auch gegenüber den Angestellten dieses Hauses.
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Ich berufe die nächste Sitzung, die 172. Sitzung, auf morgen, 15. November, 14 Uhr, mit der Fortsetzung der hier abgebrochenen Tagesordnung und der weiteren Tagesordnung, die Ihnen bekannt ist.
Ich bitte, die Drucksachen mitzubringen, weil sie morgen nicht neu verteilt werden können, und schließe die Sitzung.