Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich gebe folgendes bekannt. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat wird die heutige Tagesordnung erweitert um die erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, FVP, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Gewährung von Zulagen zur Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ({0}), Drucksache 2836. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Der Herr Bundeskanzler schreibt mir unter dem 7. November 1956 wie folgt:
Hierdurch teile ich mit, daß der Herr Bundespräsident auf meinen Vorschlag die Bundesminister Blank, Kraft, Neumayer und Dr. Schäfer von ihren Ämtern entbunden hat. Der Herr Bundespräsident hat ferner auf meinen Vorschlag
a) den Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates, Dr. von Merkatz, gleichzeitig zum Bundesminister der Justiz,
b) den bisherigen Minister für das Post- und Fernmeldewesen, Professor Dr. Balke, zum Bundesminister für Atomfragen und
c) den bisherigen Bundesminister für Atomfragen, Strauß, zum Bundesminister für Verteidigung
ernannt.
Den Bundesminister für Atomfragen, Professor Dr. Balke, habe ich bis auf weiteres mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen beauftragt.
({1})
- Herr Abgeordneter Mellies, mir liegt es jetzt zur amtlichen Bekanntmachung vor.
({2})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 30. Oktober 1956 die Kleine Anfrage 276 der Abgeordneten Kroll, Wolf ({3}) und Genossen betreffend Sicherung der Kohlenversorgung für Haushalte und Kleinverbraucher - Drucksache 2621 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2824 verteilt.
Der Bundesminister für Verkehr hat unter dem 24. Oktober 1956 die Kleine Anfrage 283 der Abgeordneten Josten, Dr. Storm, Maier ({4}) und Genossen betreffend Elektrifizierung der Bahnstrecken im Rhein-Ruhr-Gebiet - Drucksache 2747 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2809 verteilt.
Der Bundesminister für Atomfragen hat unter dem 30. Oktober 1956 die Kleine Anfrage 284 der Fraktion der SPD betreffend Radioaktive Verseuchung - Drucksache 2765 - beantwortet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2825 verteilt.
Der Bundesminister für Wohnungsbau hat unter dem 30. Oktober 1956 unter Bezugnahme auf die Entschließung des Deutschen Bundestages in seiner 155. Sitzung über die Bereitstellung von Mitteln zur Förderung des Wohnungsbaues für Facharbeiter in den Zonenrandgebieten berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 2826 verteilt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 29. Oktober 1956 den Entwurf einer Neunundzwanzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen - Drucksache 1183 - als gegenstandslos zurückgezogen. da die in dem Verordnungsentwurf vorgesehene Zollsenkung Gegenstand einer handelsvertraglichen Vereinbarung mit Schweden ist, die am 19. September 1956 in Kraft getreten ist. Sein Schreiben ist als Drucksache 2822 verteilt.
Das Wort zur Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der Regierungskoalition beantrage ich, die heutige Tagesordnung zu erweitern um die erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen, Drucksache 2807. Ich beantrage gleichzeitig, diesen Punkt als Punkt 1 der heutigen Tagesordnung zu behandeln.
({0})
Herr Abgeordneter Schmidt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion muß ich dem Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Rasner widersprechen. Es ist weder diesem Haus noch der Weltöffentlichkeit verborgen geblieben, daß der bisherige Verteidigungsminister Blank sein Amt vor allem deswegen verloren hat, weil der von ihm immer wieder mit soviel Nachdruck vertretene Zeitplan des Bundeskanzlers sich als absolut unrealistisch erwiesen hat.
({0})
Der neue Verteidigungsminister hat öffentlich zu erkennen gegeben, daß er die bisherigen Blankschen Aufstellungspläne für fragwürdig hält, und zwar nicht nur hinsichtlich des ziffernmäßigen Umfangs der Beschaffung der Ausrüstung, sondern auch hinsichtlich des personellen Umfangs der Bundeswehr überhaupt.
({1})
({2})
Wir wissen z. B. aus der Presse, daß Herr Strauß vor dem Ministerwechsel auf der Honnefer Klausurtagung der CDU/CSU wörtlich gesagt hat: „300 000 Mann insgesamt genügen."
({3})
Der Ministerwechsel wurde in ganz Deutschland unter anderem in der Hoffnung kommentiert, daß nun ein Mindestmaß an kühler Vernunft an die Stelle des bis dahin ausschließlich vorherrschenden Starrsinns treten würde. Sogar die CDU/CSU- Fraktion hat vor einigen Wochen bei der unter dem Druck oppositioneller Beweisführung zugestandenem Kürzung der Panzervorlage erkennen lassen, daß sich der Abstand der bisherigen ehrgeizigen Papierpläne von dem, was Herr Blank tatsächlich realisieren konnte, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche vergrößerte.
Ebenfalls hat der damalige Sonderminister Strauß in Bad Honnef gesagt: „Die Kader der Bundeswehr sind im nächsten Frühjahr überhaupt noch nicht in der Lage, Rekruten auszubilden." Auch das wissen wir aus der Presse.
Die Erkenntnis dieser Tatsache hatte sich schon im Frühjahr des Jahres 1956 in diesem Hause durchgesetzt. Trotzdem hat die CDU/CSU-Fraktion noch im Juli durch einen ähnlichen Antrag zur Geschäftsordnung mit Hilfe ihrer Trabantenfraktionen erzwungen, daß das Wehrpflichtgesetz - ({4})
- Meine Damen und Herren, der Ausdruck „Trabant"
({5})
stammt aus der Sternenkunde.
({6})
Ich hätte statt dieses Ausdrucks auch aus der Astronomie den Ausdruck „Satelliten" gebrauchen können.
({7})
Ich wiederhole: Die CDU/CSU-Fraktion hat durch einen ähnlichen Geschäftsordnungsantrag damals erzwungen, daß das Wehrpflichtgesetz verabschiedet wurde. Diese Fraktion wußte dabei ganz genau, daß das Wehrpflichtgesetz selbst für die Verwirklichung ihrer eigenen Wehrpolitik nicht vor Ablauf eines Jahres benötigt war.
({8})
Die damalige Durchpeitschung des Wehrpflichtgesetzes entsprach keineswegs den realen Notwendigkeiten der von Ihnen selbst vertretenen Bundeswehrplanung.
({9})
Statt dessen waren für Sie vielmehr sogenannte optische Gründe vorherrschend und vor allem der Wille, vollendete Tatsachen zu schaffen.
Ihr heutiger Geschäftsordnungsantrag entspricht genau denselben Motiven. Sie glauben, einen im Sinne Ihrer Politik günstigen Zeitpunkt gefunden zu haben, um die seinerzeitige Lex imperfecta nunmehr zu vervollständigen. Dabei wissen Sie ganz genau, daß auch heute für die Einziehung von Wehrpflichtigen weder die gesetzgeberischen Voraussetzungen im übrigen erfüllt sind - ich weise hin auf das Fehlen des Organisationsgesetzes und des Gesetzes über den Wehrbeauftragten, auf das Fehlen des Besoldungsgesetzes, des Arbeitsplatzsicherungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes, auf das Fehlen des Gesetzes über den Ersatzdienst für Wehrdienstverweigerer sowie viele weitere Gesetze mehr - noch daß etwa die tatsächlichen Voraussetzungen für die Aufnahme von Wehrpflichtigen in die Bundeswehr in näherer Zeit geschaffen werden können. Sie haben schon heute in der Bundeswehr nicht einmal genug Unterkünfte für die bereits eingezogenen Freiwilligen.
({10})
Ich verweise Sie auf die einschlägigen schriftlich niedergelegten Bereisungsergebnisse der zuständigen Unterausschüsse dieses Hauses.
Gestern abend hat der Verteidigungsminister in einer bemerkenswerten Pressekonferenz, deren Gesamttenor sich sehr wohltuend von manch anderer gouvernementaler Äußerung zur Wehrpolitik unterschied,
({11})
erklärt - und das steht heute morgen in den Zeitungen -, die Stärke der Bundeswehr würde bis Ende 1957 auf etwa 120 000 Mann gebracht werden. Dabei könne sich diese Zahl je nach dem Fortschritt des Kasernenneubau- und -freigabeprogramms noch etwas erhöhen.
({12})
- Selbst wenn wir im Augenblick einmal unterstellen, was Herr Kollege Greve bezweifelt, und wenn wir weiter einmal unterstellen, daß ein gewisser unerwarteter Fortschritt in dem Kasernenneubau- und -freigabeprogramm eintreten könnte, so glaube ich doch, daß diese eventuelle Erhöhung sehr großzügig von mir mit maximal 25 % veranschlagt wird. Das heißt, Herr Strauß hat gestern abend deutlich gemacht, daß er für Ende 1957 mit höchstens 150 000 Mann rechnet. In Klammern darf ich noch hinzufügen, um es in die Erinnerung zurückzurufen, daß die entsprechende Planung seines Vorgängers für denselben Zeitpunkt sich auf beinahe das Doppelte, nämlich 270 000 Mann belaufen hatte. Die Regierungsvorlage aber, die Herr Rasner heute behandeln will, geht davon aus, daß nunmehr bei zwölfmonatiger Dienstdauer mit insgesamt 300 000 Freiwilligen und Berufssoldaten gerechnet werden müsse. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Rechten dieses Hauses, mit 300 000 Freiwilligen und Berufssoldaten rechnen, wieso brauchen Sie dann für eine Maximalstärke von 150 000 Mann für den übersehbaren Zeitraum der nächsten 15 Monate überhaupt die Durchführbarkeit Ihrer Wehrpflichtvorlage?
({13})
Wir müssen darauf hinweisen, daß insbesondere die absolut nichtssagende schriftliche Begründung der Vorlage zu erheblichen Zweifeln in die Ernst({14})
haftigkeit und die Glaubwürdigkeit des Vorhabens der CDU Anlaß gibt.
({15})
Ich füge hinzu: noch am 4. Mai hat der damalige Verteidigungsminister unter Beibringung einer sogenannten Denkschrift von dieser Stelle aus behauptet, ein achtzehnmonatiger Grundwehrdienst sei zur Erreichung der notwendigen Ausbildungsziele unerläßlich. Wenige Wochen darauf hat die Bundesregierung und hat Ihre Fraktion in Anpassung an die weitgehende Ablehnung des Wehrpflichtgesetzes durch das deutsche Volk zunächst die Frage der Wehrdienstdauer ausgeklammert. Heute wird uns nunmehr ein Gesetzentwurf vorgelegt, der auf zwölf Monate Dienstzeit abgestellt ist, obgleich diese kürzere Wehrdienstdauer damals sogar von einem Kollegen, den ich vor mir sitzen sehe, in einer Pressekonferenz als „organisierter Mord" bezeichnet worden war,
({16})
obwohl die Alternative der zwölfmonatigen Dienstpflicht von dem Herrn Bundesverteidigungsminister - dem damaligen - in seiner Denkschrift als „Bruch der Verträge" bezeichnet worden war!
({17})
- Ich bin sofort am Schluß, Herr Illerhaus!
Wenn wir aus dem in der heutigen Vorlage mit keinem Wort begründeten Wechsel der Auffassung nicht schließen sollen, daß die in der damaligen Denkschrift für die achtzehnmonatige Dienstzeit aufgeführten Argumente letzten Endes nicht stichhaltig waren, in ihrer Konsequenz vielmehr eine Irreführung von Parlament und Öffentlichkeit darstellen sollten, wenn wir diesen Schluß nicht ziehen sollen, meine Damen und Herren von der CDU, dann allerdings müssen wir uns die Frage vorlegen, ob die gegenwärtige Vorlage wirklich der wahren Zielsetzung der vom Bundeskanzler verfolgten Politik entspricht.
({18})
Zu solchen Zweifeln gibt auch die wiederholte Bemerkung von Angehörigen und militärpolitischen Experten der Regierungsfraktionen Anlaß, daß die Dienstzeit dann eben später auf 18 Monate heraufgesetzt werden müsse.
({19})
Meine Damen und Herren, die Wehrpolitik der Bundesregierung hat unter dem alten Verteidigungsminister ihre Glaubwürdigkeit verloren.
({20})
Herr Abgeordneter Schmidt, ich darf Sie darauf hinweisen: Sie sprechen zur Geschäftsordnung. Nach § 34 der Geschäftsordnung dürfen Ihre Bemerkungen die Dauer von fünf Minuten nicht überschreiten. Ich darf Sie nur daran erinnern und Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Danke, Herr Präsident; ich bin sofort am Schluß.
Weder die jetzige Vorlage und ihre schriftliche Begründung noch der Zeitpunkt, zu welchem die Fraktion des Bundeskanzlers sich zu ihrer Beratung entschlossen hat, scheinen uns geeignet, eine weitere Minderung der Glaubwürdigkeit und des
Vertrauens in die politische Führung der Bundesrepublik zu vermeiden. In der mit Spannung und Konfliktstoffen hochgeladenen Weltsituation dieser Wochen stellt jede militärpolitische Demonstration - und um nichts anderes handelt es sich bei diesem Antrag ({0})
in jedem Lande, das einem der beiden Paktsysteme angehört, eine Gefährdung des von uns allen erstrebten friedlichen Ausgleichs dar.
({1})
Die sozialdemokratische Fraktion wird deshalb den Geschäftsordnungsantrag des Kollegen Rasner ablehnen.
({2})
Herr Abgeordneter Rasner, zur Heraufsetzung auf die Tagesordnung gehört auch die Einreihung.
({0})
- Das habe ich überhört; ich bitte um Verzeihung.
Also es ist beantragt, die erste Beratung des Gesetzentwurfs Drucksache 2807 als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag. Wer dem Antrag entsprechen will, gebe das Handzeichen. ({1})
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Gesetzentwurf wird als erster Punkt auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Ich rufe daher auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen ({2}).
Ich erteile das Wort zur Begründung dem Herrn Bundesverteidigungsminister Strauß.
({3})
- Ja, verzeihen Sie, meine Damen und Herren, die Drucksache kann natürlich normalerweise nicht früher verteilt werden, als der Punkt auf der Tagesordnung steht. Sie wird jetzt gerade verteilt. -Bitte, Herr Abgeordneter Mellies zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident, es erscheint mir unmöglich, daß mit der Beratung begonnen wird, bevor die Drucksache an alle Abgeordneten verteilt ist. Ich bitte deshalb, die Sitzung für die notwendige Zeit zu unterbrechen.
({0})
Das scheint mir ein begründeter Antrag zu sein. Ich unterbreche die Sitzung auf 10 Minuten.
({0})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 32 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort. Bevor ich das Wort erteile, gebe ich auf Bitten noch einmal folgendes bekannt. Diese Sitzung heute nachmittag ist eine selbständige Sitzung. Ich bitte daher die Damen und Herren, so liebenswürdig zu sein, sich erneut in die Anwesenheitslisten einzutragen.
Ich hatte den Entwurf eines Gesetzes über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen, Drucksache 2807, schon aufgerufen. Ich frage die Damen und Herren des Hohen Hauses: Ist die Drucksache jetzt verteilt?
({0})
- Das ist der Fall. Dann treten wir in die Behandlung ein.
Ich erteile das Wort zur Begründung der Vorlage dem Herrn Bundesverteidigungsminister Strauß.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Aufgabe ist es, den Entwurf eines Gesetzes über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen, den die Bundesregierung vorgelegt hat, hier zu begründen. Ich möchte deshalb nicht im einzelnen auf den gesamten Bereich der politischen Probleme und der technischen Einzelheiten eingehen, die Kollege Schmidt vorhin bei der Geschäftsordnungsdebatte angeschnitten hat. Ich darf mich in diesem Zusammenhang auf wenige Bemerkungen beschränken.
Es gibt kein deutsches Landesverteidigungssystem und wird keines geben, weder im Rahmen der NATO und noch weniger etwa in einem neutralen deutschen Staate, in dem darauf verzichtet werden könnte, die Pflicht des Bürgers zur Verteidigung seines Staates vorzusehen,
({0})
ganz gleich, welche Verteidigungskonzeption zugrunde gelegt wird, ganz gleich, welche außenpolitische Konstellation dahintersteht.
({1})
Wenn wir nicht eine Art mobile Legion, sondern wenn wir ein Verteidigungssystem aufstellen wollen, wird es nicht möglich sein, sich auf einen Kreis von Berufssoldaten oder länger dienenden Freiwilligen zu beschränken und auf die Pflicht des Bürgers zur Verteidigung des Staates und zur Ausübung einer Funktion in diesem System zu verzichten.
({2})
Die Art der Dienstleistung, die Art der Einteilung auf die verschiedenen Funktionen kann durchaus noch gegenüber den bisherigen Vorstellungen abgewandelt werden, weil wir uns im Zeitalter der technischen und auch der taktischen Evolution befinden. Aber darin, daß die männliche Bevölkerung in den vorgesehenen Altersgrenzen hier gerade zur Vermeidung des Ernstfalles ein vorbereitendes System der Abwehr errichten muß und daß dieses System nicht allein Berufssoldaten überlassen werden kann, sollten wir uns eigentlich in diesem Hause, frei von allen parteipolitischen Vorstellungen, aus rein technischen Gründen einig sein.
({3})
Ich habe mir, meine Damen und Herren von der SPD. in den letzten Tagen - hier möchte ich aber keine Einzelheiten bringen -- noch sehr gründlich das Erfurter Programm und andere, ähnliche Dinge angesehen.
({4})
- Ich weiß, daß dieses Erfurter Programm schon sehr alt ist. Ich weiß, daß sicherlich manche Teile davon überholungsbedürftig sind. Aber Sie haben gerade immer die falschen Teile überholt. Ich glaube, Sie hätten andere überholen sollen.
({5})
- Ja, es befinden sich eben alle Dinge in der Entwicklung, Kollege Mellies.
({6})
Ich darf vielleicht, nur damit Kollege Schmidt in Zukunft einem kleinen technischen Irrtum nicht mehr unterliegt, feststellen, daß in Honnef von meiner Seite zur Frage der Verteidigungskonzeption und zur Frage des deutschen Verteidigungssystems überhaupt kein Wort gesagt worden ist.
({7})
Es ist vermutlich eine Verwechslung der Presse, die Sie übernommen haben. Es war in einer Fraktionssitzung nach der Honnefer Tagung, auf die sich diese Pressemeldungen offensichtlich berufen. Ich habe gestern auch nicht von 120 000 Mann als Endziel des nächsten Jahres gesprochen, sondern ich habe die Bedingung, die dem zugrunde liegt, noch erwähnt und davon gesprochen, daß die Zahl, über die die deutsche Bundeswehr die 120 000 Mann Gesamtstärke überschreitet, von der Möglichkeit der Beschaffung zusätzlicher Unterkünfte, sei es durch Eigenbau, sei es durch Überlassung der bisher von den Alliierten benutzten Unterkünfte, abhängt.
Ich bin überhaupt der Meinung - auf sonstige Einzelheiten möchte ich jetzt nicht eingehen -, daß es heute aus technischen, aus militärischen und aus anderen Gründen nicht möglich ist, für das Jahr X eine sichere Zahl über das Gesamtausmaß der Streitkräfte anzugeben. Gerade im Zeitalter der technischen Evolution, des Umdenkens und Umwertens - was heute in der NATO-Sprache „re-appraisal" genannt wird; ein beinahe kaum übersetzbares Wort - muß man Schritt für Schritt vorwärtsgehen und die Fragen der Gesamtplanung zurückstellen zugunsten einer Entwicklung, die sich jeweils nur Schritt für Schritt vollziehen kann.
Das Wehrpflichtgesetz ist am 25. Juli dieses Jahres in Kraft getreten. Es ist vorhin als „lex imperfecta" bezeichnet worden. In der Bezeichnung „lex imperfecta" steckt natürlich der Vorwurf, daß es ein imperfektes Gesetz sei, und darin natürlich die Aufforderung, daraus ein perfektes Gesetz zu machen. Darum sollten Sie dem nicht widerstreben, diese lex imperfecta durch den hier vorliegenden Gesetzentwurf zu einer lex perfecta auszugestalten.
({8})
Es ist auch nicht möglich, diesen Gesetzentwurf zu begründen, ohne einige Bemerkungen über seine Vorgeschichte zu machen. Ursprünglich war die Bundesregierung der Auffassung, daß das Wehrpflichtgesetz alle Bestimmungen, die mit der Einführung der Wehrpflicht zusammenhängen,
({9})
enthalten solle, darunter selbstverständlich auch die Bestimmung über die Länge der Dienstzeit. Da aber eine Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes vor den Ferien mit der Bestimmung der Länge der Wehrdienstzeit nicht möglich gewesen wäre, ist die Trennung der Materie in zwei Gesetze erfolgt. Die Inkraftsetzung Ides ersten Gesetzes wurde nach der geltenden Planung für notwendig gehalten, um die vorbereitenden Maßnahmen, insbesondere den Aufbau einer Wehrersatzorganisation, rechtzeitig durchführen zu können und später der Opposition keine Möglichkeit zu der Kritik zu geben, man habe zu spät angefangen oder man habe beim Aufbau schon wieder schwere Fehler begangen.
Im Wehrpflichtgesetz wurde die Frage der Dauer des Wehrdienstes nicht behandelt, auch weil damals neben den vorhin genannten Gründen zum erstenmal die neuen Vorstellungen von der Notwendigkeit einer Uberprüfung bisheriger Konzeptionen aufgetaucht sind. Ich erinnere hier an die Mitteilung des Bundespresse- und Informationsamtes vom 27. September, auch 1956, in der der Herr Bundeskanzler von seinen Unterredungen und Überlegungen während der Ferien Mitteilung gemacht hat. Die Ausklammerung ist aber auch aus einem dritten Grunde erfolgt: um dem Parlament ausreichend Zeit zu geben, die bedeutsame Frage der Dauer des Grundwehrdienstes und die Gesamtdauer der Wehrübungen zu behandeln. Für die Behandlung dieser Fragen werden Beratungen in den Ausschüssen notwendig werden, die die gesamte Problematik ,der Verteidigung in voller Breite erfassen müssen. Diese Überlegungen sind unter den heutigen veränderten Verhältnissen in doppelter Hinsicht unerläßlich.
Es kann bei der ersten Lesung dieses Gesetzes nicht meine Aufgabe sein, im Rahmen der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit vor dem Hohen Hause alle diese Probleme anzusprechen. Ich darf mich deshalb auf den Hinweis beschränken, daß es mit einer vorhandenen mobilen Truppe allein nicht getan ist. Eine vorhandene mobile Truppe in zahlenmäßig geringem Umfange ließe sich .selbstverständlich auch ohne die Durchführung der Wehrpflicht einführen.
Ich darf gerade die Kritiker daran erinnern, daß gegen die Wehrkonzeption der Bundesregierung immer der Vorwurf erhoben worden ist, daß die ganze bodenständige Verteidigung, die ganze Heimatluftverteidigung und der ganze passive Bevölkerungsschutz dabei zu kurz kämen. Gerade wenn das, was Sie von Ihrem Standpunkt aus mit Recht als Forderungen erhoben haben, berücksichtigt werden soll, müßten Sie dem Grundsatz der Verteidigungspflicht des Bürgers in den verschiedenen Formen zustimmen. Schon die umfassenden Aufgaben, die auf den eben genannten Gebieten einer Lösung zugeführt werden müssen, werden, von der mobilen Truppe abgesehen, zu einem erheblichen Bedarf an Kräften führen, die nur über die allgemeine Wehrpflicht, über die allgemeine Verpflichtung des Bürgers zum Wehrdienst zur Verfügung stehen können. In welcher Form die betroffenen Menschen zu den einzelnen Dienstverrichtungen herangezogen werden können, wird erst zu entscheiden sein, wenn eine grundsätzliche Regelung der Höchstzeiten, die hierfür zur Verfügung stehen, getroffen ist.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf eine Mitteilung des SPD-Pressedienstes vom 2. November Bezug nehmen, in dem es heißt:
Die Bundeswehr steht in den allerersten Anfängen einer im einzelnen noch recht ungewissen Entwicklung. Die Wehrdienstzeit ist unbekannt
Was heute geschehen soll, ist nur ein Beitrag dazu, um sie bekanntmachen zu können und aus dem Bereich des Unsicheren herauszunehmen.
Die gesamten militärischen Planungen dieser umfassenden Verteidigungsorganisaton benötigen erhebliche Zeit. Sie könnten leicht auf unsicheren Grundlagen stehen, wenn die vom Gesetzgeber zu treffenden Entscheidungen nicht rechtzeitig vorhanden sind. Eine der wichtigsten Entscheidungen in diesem Zusammenhang wird durch das vorliegende Gesetz getroffen. Es erscheint unerläßlich, daß nunmehr nach den so häufig geänderten Planungsgrundlagen endlich Stetigkeit und Ruhe in die Planung und in die Durchführung dieser Planung beim Aufbau unserer Bundeswehr hineinkommt.
Ich möchte hier nicht mißverstanden werden. Selbstverständlich muß es möglich sein, den Aufbau der Bundeswehr elastisch, unter bewußter Beobachtung der Evolution auf vielen technischen Gebieten, die auch den Soldaten berühren, zu handhaben. Zum augenblicklichen Zeitpunkt scheint aber eine Pause der Konsolidierung für die bisher bestehenden Einheiten unerläßlich zu sein. Nur dann wird die Truppe so hochwertig werden, daß Parlament und Regierung die Verantwortung für ihren Aufbau auch in Zukunft tragen können. Weiter muß feststehen, daß diese Bundeswehr als vorzüglich ausgebildete und ausgerüstete Truppe im Inlande und im Auslande entsprechend gewertet wird und daß sie ihren Zweck, den Frieden zu sichern, auch erfüllen kann. Eine solche Bundeswehr wird in der Geschlossenheit des westlichen Verteidigungssystems unsere Freiheit gegen jeden Angriff erhalten können. Das Ziel unserer gemeinsamen Anstrengungen und unserer Wachsamkeit kann nicht darin bestehen, eine Auseinandersetzung zu gewinnen, sondern muß darin bestehen, ihren Ausbruch zu verhindern.
Der vorliegende Gesetzentwurf berührt einschneidend das gesamte Gefüge unseres Volkes wie auch die persönlichen und beruflichen Pläne vieler männlicher Staatsbürger. Die genaue Festlegung der Wehrpflicht, zu der auch ihre zeitliche Begrenzung gehört, ist demnach nicht nur aus sachlichen Gründen als Unterlage für rechtzeitige Planung und zur Vermeidung einer andernfalls eintretenden überflüssigen Unruhe notwendig und dringend erforderlich, sondern muß auch aus der Verantwortung von Regierung und Parlament gegenüber dem Funktionieren unserer gesamten Wirtschaft und der wünschenswerten Klarheit für jeden Staatsbürger erfolgen, um ihm in seinen persönlichen Dingen die Möglichkeit zu geben, richtig zu disponieren. Gerade die Gesetzesvorlagen, die in irgendeiner Form den Menschen unmittelbar berühren, sollten vom Parlament mit Vorrang behandelt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang herzlich darum bitten, das Besoldungsgesetz und das Versorgungsgesetz, die ebenfalls zu dieser Kategorie der die Menschen betreffenden Gesetze gehören, möglichst schnell zu verabschieden und dazu auch die anderen Gesetze und Verordnungen, die mit der Stellung des Soldaten zusammenhängen, die Wehrdisziplinarordnung, die Beschwerdeordnung, das Wehrstrafgesetzbuch und was sonst noch dazugehört. Aber auch der vor({10})
liegende Gesetzentwurf gehört zu dieser Kategorie.
Die Bundesregierung hat sich entschlossen, in diesem Gesetzentwurf eine zwölfmonatige Dauer des Grundwehrdienstes und als Gesamtdauer der Wehrübungen bei Mannschaften und Unteroffizieren sechs, bei Offizieren zwölf Monate vorzuschlagen. Diese Zeiten stellen das Mindestmaß dar, das bei Verantwortungsbewußtsein überhaupt vertreten werden kann; sie sind gleichzeitig die Höchstgrenze dessen, was vom Staate dem einzelnen zugemutet werden soll.
Die Verkürzung der Grundwehrdienstzeit von den anfangs vorgeschlagenen achtzehn Monaten auf zwölf Monate ist nur möglich, wenn Mängel und Schwächen, die sich aus der Verkürzung ergeben werden, durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden. Es kann nicht abgegangen werden von der Forderung nach ständiger Bereitschaft eines möglichst hohen Prozentsatzes des gesamten Personalbestandes der Bundeswehr. Es kann auch nicht abgegangen werden von der Forderung nach Ausbildung einer hochwertigen Truppe. Die Beratung der Vorlage in den Ausschüssen wird ergeben, welche Maßnahmen in personeller, in materieller und in ausbildungsmäßiger Hinsicht im einzelnen den aufgezeigten Forderungen Rechnung tragen sollen.
Die Verabschiedung dieses Gesetzes muß ohne Rücksicht auf den Termin der ersten Durchführung der Wehrpflicht erfolgen. Wenn für die Durchführung der vorbereitenden Maßnahmen ein längerer Zeitraum, als bisher angenommen wurde, zur Verfügung stehen sollte, so wird das nur der
3) Gründlichkeit der Vorbereitungen zugute kommen.
Wie ausgeführt, kann die Dauer des Grundwehrdienstes nicht unbegrenzt lange offenbleiben. Nicht nur die Wirtschaft für ihre Dispositionen, sondern alle diejenigen, welche mit ihrer Einziehung zu rechnen haben, müssen diese Zeiten wissen; auch die Behörden müssen rechtzeitig über den Zeitraum unterrichtet sein, für den die Wehrpflichtigen aus dem Beruf oder aus der Berufsausbildung herausgenommen werden.
Darüber hinaus muß die Bundesregierung auch in dieser Frage als Partner der atlantisch-europäischen Verteidigungsgemeinschaft für alle noch in diesem Jahre laufenden Gespräche eine feste Grundlage haben.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang den Hinweis darauf, daß uns von seiten der Bundesgenossen, von seiten der anderen Bündnismächte in der europäisch-atlantischen Verteidigungsgemeinschaft bereits ernste Vorhaltungen wegen der vorgeschlagenen Verkürzung des Grundwehrdienstes von achtzehn Monaten auf zwölf Monate gemacht worden sind. Diese ernsten Vorhaltungen erstreckten sich nicht nur auf die Sorge über die Präsenzstärke und über den Ausbildungsstand, sondern enthielten insbesondere auch den Vorwurf, daß die Bundesrepublik eine geringere Leistung auf sich nehmen wolle und daß man der Bevölkerung in der Bundesrepublik ein geringeres Maß an Verteidigungspflicht auferlegen wolle, als den übrigen Bündnisvölkern nunmehr seit vielen Jahren von ihren Regierungen zugemutet wird. Ich darf in dem Zusammenhang daran erinnern, daß es außerordentlich schwer war, im annual review der NATO in Paris am 29. Oktober die Gründe - stichhaltige, glaubhafte und vertrauenswürdige
Gründe - für die Reduzierung der allgemeinen Dienstzeit darzulegen und einen glaubhaften Beweis dafür zu führen, daß dadurch der faire Beitrag, zu dem wir uns entschlossen haben, auch noch in Zukunft möglich sein wird.
Ich möchte hier über Sinn und Zweck der NATO keine Ausführungen im einzelnen machen; die sind in diesem Hohen Hause so oft gemacht worden, daß man leider befürchten muß, daß Standpunkt und Gegenstandpunkt oft nurmehr in Klischees vertreten werden. Ich möchte mir aber in diesem Zusammenhang doch die Bemerkung erlauben, daß angesichts der Entwicklung der modernen Waffen, angesichts der Kosten, die diese Entwicklungen erfordern, angesichts der seit dem Ende des zweiten Weltkrieges völlig verschobenen Größenverhältnisse in der militärischen Bedeutung der einzelnen Nationen eine eventuelle deutsche Neutralitätswehrmacht wesentlich mehr an personellen und finanziellen Opfern vom Staatsbürger verlangen müßte als eine deutsche Bundeswehr im Rahmen einer europäisch-atlantischen Gemeinschaft.
({11})
Diese Konsequenz muß aus der Problematik gezogen werden, vor der wir stehen.
Ich glaube auch nicht, daß es allein mit den Gesprächen über die Koexistenz und mit der Verurteilung der Aggressoren getan ist. Ich glaube, daß es nach dem, was wir in diesen Tagen erlebt haben und was in keiner Weise für billige Propagandazwecke benützt werden soll, was auf der andern Seite aber auch nicht bagatellisiert werden darf, nur möglich ist, ein ausreichendes Maß an Sicherheit in einem Bündnissystem mit gleicher Verteilung der Lasten und Pflichten für uns aufrechtzuerhalten.
({12})
Ich bitte deshalb, den vorliegenden Gesetzentwurf den dafür zuständigen Ausschüssen zu überweisen, um eine möglichst rasche und jedenfalls möglichst bald beginnende Behandlung dieses Gesetzentwurfs in den parlamentarischen Ausschüssen zu ermöglichen.
Erlauben Sie mir am Schluß, daß ich zu der grundsätzlichen Auffassung, die wir bezüglich der Stellung der Bundeswehr in dem Bild der Gegenwart, in dem wahrlich beunruhigenden Bild der Gegenwart haben, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Sätze zitiere, die aus einer gestern im Rundfunk gehaltenen Rede stammen. Ich möchte mir insbesondere auch den Hinweis darauf erlauben, daß der von uns so gern geteilte Glaube, wonach die Krise heute bereits überwunden sei und wir wieder einer ruhigen Entwicklung zustreben könnten, leider noch nicht gerechtfertigt ist.
({13})
Darf ich noch einmal in allem Ernst wiederholen, daß wir heute mehr denn je Wert darauf legen müssen, daß unsere NATO-Partner, insbesondere die USA, zu den Verpflichtungen stehen, zu denen wir sie durch den Abschluß der Pariser Verträge und durch unsere loyale Vertragserfüllung bisher bewogen haben.
({14})
({15})
Ich möchte diese grundsätzliche Einstellung in wenigen Sätzen etwa so darlegen:
Die erschütternden Vorgänge der letzten Wochen in Ungarn
- und nicht nur dort -sollten für jedermann in unserem Volke Veranlas,sung sein, ernsthaft die eigene Einstellung zur Frage der Verteidigung zu prüfen. Ich weiß, daß in den Jahren nach dem letzten Kriege viele Menschen aus durchaus achtbaren und verständlichen Gründen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik abgelehnt haben. Ich kenne die ernst zu nehmenden Gründe aus vielen Auseinandersetzungen sehr genau, und ich tue sie angesichts der Besonderheit des deutschen Falles nicht leichtfertig ab. Ich weiß aber auch, daß oft die Ablehnung auf einer zu gutgläubigen und optimistischen Einschätzung der sowjetischen Politik beruhte. Die letzten Geschehnisse werden Veranlassung genug geben, unsere Wiederbewaffnung im Rahmen der westlichen Verteidigungsgemeinschaft unter den gegebenen Verhältnissen anders zu beurteilen. Es wäre verhängnisvoll, wenn angesichts dieser Ereignisse unser Volk in den Fragen der Sicherung seiner rechtsstaatlichen Grundlagen und seiner freiheitlichen Lebensordnung nicht zusammenfände. Die letzten Hilferufe haben jedem einzelnen von uns die unveräußerlichen Werte der Freiheit und die Notwendigkeit ihrer Sicherung in eindrucksvoller Weise klargemacht. Die Völker der Welt und gerade wir in einem Brennpunkt der Weltpolitik werden von den großen Schrecken nur verschont bleiben, wenn die politische Einheit der europäisch-atlantischen Völker wieder hergestellt ist und wenn wir ihre gemeinsame Stärke durch unseren Abwehrwillen und durch unsere Abwehrkraft erhöhen.
Nachdem diese Ausführungen bei meinem ersten Auftreten als Bundesminister für Verteidigung gemacht werden mußten, habe ich eine herzliche Bitte, die ausschließlich mit der Aufgabe und nichts mit meiner persönlichen politischen Einstellung zu tun hat, nämlich die Bitte, Existenz und Aufbau der Bundeswehr aus dem rein parteipolitischen Streit herauszuhalten.
({16}) Das hat nichts zu tun mit der Selbstverständlichkeit der politischen Kontrolle durch Öffentlichkeit und Parlament, das hat selbstverständlich nichts damit zu tun, daß die zivile Gewalt der Regierung dieser Bundeswehr übergeordnet ist, und hat auch nichts damit zu tun, daß der Bürger auch in Uniform genauso seine Freiheiten und seine Menschenwürde soll bewahren können wie zu den Zeiten, da er als Zivilist auftreten kann. Wir werden aber das notwendige Maß an Stabilität im Innern, an Glaubwürdigkeit nach außen, an Respekt bei den Bundesgenossen und an Respekt bei denen, mit denen wir vielleicht eines Tages über die deutsche Einheit zu verhandeln haben, nur dann erreichen können, wenn die Bundeswehr rasch, planmäßig, organisch und hochwertig, außerhalb des Streits des Tages stehend, aufgebaut werden kann.
({17})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bevor ich in die Materie selbst einsteige, noch eine Bemerkung zur vorigen Geschäftsordnungsdebatte. Wenn jemand Treue zu einem einmal als richtig erkannten politischen Weg als „Satellitentum" oder „Trabantentum" bezeichnet, zeigt er damit, daß ihm Achtung vor politischem Anstand fehlt.
({0})
- Meine Herren von der Sozialdemokratie, Sie werden auch einmal Koalitionspartner haben, und es ist sehr gut, daß wir heute schon wissen, wie Sie dann über Ihre Koalitionspartner denken werden.
({1})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Selbstverständlich!
Bitte, Herr Abgeordneter!
Es kann Ihnen doch nicht entgangen sein - und dazu möchte ich um eine Klarstellung Ihrerseits bitten, Herr Majonica -, daß meine Qualifizierung Ihrer gegenwärtigen Koalitionspartner sich nur auf Ihre gegenwärtigen Koalitionspartner und niemand anders sonst hat beziehen können.
({0})
Für diese erneute Bestätigung Ihrer beleidigenden Absichten gegenüber unseren Koalitionspartnern
({0})
kann man Ihnen an sich nur danken. Ich glaube, die moralischen Fronten in diesem Hause werden dadurch 'immer nur deutlicher.
({1})
Namens der CDU/CSU-Fraktion begrüße ich die Vorlage. Sie ist die notwendige Ergänzung des Wehrpflichtgesetzes und macht, wie der Minister es eben schon ausgeführt hat, dieses Gesetz überhaupt erst praktikabel. Aber wir begrüßen dieses Gesetz besonders deshalb nachdrücklich, weil es ein neuerliches Bekenntnis zur allgemeinen Wehrpflicht enthält. Für uns ist die allgemeine Wehrpflicht zunächst nicht eine militärtechnische Angelegenheit, sondern eine allgemein-politische Angelegenheit. Wir stehen auf dem Standpunkt - der Minister hat es eben schon zum Ausdruck gebracht -, daß Sicherheit und Frieden Fragen sind, die das gesamte Volk angehen, Fragen, die man nicht irgendeiner Wach- und Schließgesellschaft übertragen sollte, bei der man sich beruhigt aufs Ohr legen kann, sondern Fragen, die eben von allen, vom gesamten Volk zu lösen sind.
({2})
Gerade heute, wo wir einen sehr großen Schwund
an Verantwortungsgefühl feststellen können, wo
die These hausieren 'geht: „Alles ohne mich, alles
({3})
für mich, alles vom Staat, nichts für diesen Staat!", glaube ich, ist hier eine Gelegenheit, zu beweisen, daß der einzelne in der Gemeinschaft Rechte und Pflichten hat.
({4})
Wir wollen darüber hinaus - und auch das ist schon angeklungen -, daß die Bundeswehr hineingestellt wird in das lebendige politische und gesellschaftliche Leben unseres Volkes. Das erreichen wir gerade durch die allgemeine Wehrpflicht. Der junge Mensch, vom Beruf kommend, seine Pflicht bei der Truppe erfüllend und wieder zu seinem Beruf zurückkehrend, sorgt dafür, daß die Truppe ihre - im guten Sinne des Wortes - Volksnähe behält. Nur so können wir unser Ideal, das wir immer proklamiert haben, das Ideal des Staatsbürgers in Uniform, verwirklichen. Nur so können wir jenes Instrument schaffen, das wir unter allen Umständen zu unserem Schutze und unserer Sicherheit nötig haben.
Wenn wir nun auf der einen Seite auf dem Standpunkt stehen, daß die Frage der Sicherheit, die Verteidigung der Freiheit Angelegenheit des gesamten Volkes ist, daß hier ein Opfer vorn Volk gebracht werden soll, so sind wir auf der anderen Seite aber auch der Meinung, daß dieses Opfer, gebracht vor allen Dingen von der jungen Generation, so gering wie nur eben möglich gehalten werden soll. Sie wissen, daß wir eine lange Diskussion gehabt haben, ob 12 Monate oder 18 Monate bei diesem Gesetz ausreichend sein würden. Wir haben uns trotz der Gefahren, die in dieser Entscheidung liegen, eben um des geringeren Opfers der jungen Generation willen, dann nach langen Kämpfen entschieden, daß die Dauer der Wehrzeit nicht länger als 12 Monate sein soll. Wir sind uns darüber im klaren, daß das einen Wandel im Ausbildungsschema bedeutet. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Ausbildung intensiver gestaltet werden muß, als es bisher geplant war. Wir sind uns auch darüber im klaren, daß dadurch eine Erhöhung der Freiwilligenzahl notwendig geworden ist. Wenn wir einmal mit der 12monatigen Dienstdauer Erfahrungen gesammelt haben, können wir vielleicht auf den Vorschlag meines Freundes Dr. Jaeger zurückkommen, für bestimmte Spezialtruppen, die ein besonders hohes Maß von Wissen erfordern, eine längere Dienstdauer einzuführen, wobei dann diese längere Dienstdauer selbstverständlich nur auf der Grundlage der Freiwilligkeit und der Freiwilligenmeldung möglich ist.
Begrüßen möchte ich in diesem Gesetz vor allen Dingen auch, daß man für die älteren Jahrgänge die Wehrübungen sehr stark zurückschraubt; denn gerade für die älteren Jahrgänge bedeutet natürlich die Dienstdauer und das Dienen eine besondere Härte in Form eines längeren Fehlens im Beruf, eines Verlassens der Familie usw. Ich möchte deshalb besonders begrüßen, daß hier auf solche Härten Rücksicht genommen worden ist.
Ich habe die feste Hoffnung, daß das Gesetzgebungswerk, das wir jetzt mit der Verabschiedung dieses Gesetzes abschließen wollen, mit dem Ernst und der Verantwortung durchgeführt wird, die die Stunde erfordert. Leider habe ich diesen Ernst bei der bisherigen Behandlung des Wehrpflichtgesetzes nicht immer und überall feststellen können. Bei manchen Gelegenheiten in der letzten Zeit hatte ich den Eindruck, als wenn wir uns ins Mittelalter zurückversetzt fühlen müßten, wo die reichsfreien Städte Militärhoheit besaßen. Es ist einfach unerträglich, wenn Kommunen entscheiden
können ob legal zustande gekommene Gesetze dieses Hauses durchgeführt werden sollen oder nicht.
({5})
Es waren zum größten Teil nicht einmal die Kommunen, sondern es waren nur ihre Bürokraten, die hier zu entscheiden hatten, die sich damit über die Entscheidung dieses frei gewählten Parlaments gestellt haben.
({6})
Ich glaube, daß es so einfach nicht geht, ganz gleich, wie man zu der Frage der Wehrpflicht selbst steht. Hier wird ein Weg beschritten, der nur zur Aushöhlung der Autorität des Staates führen kann. Hier wird ein Weg beschritten - und, ich glaube, das wollen Sie doch auch nicht -, der im Endeffekt nur in der allgemeinen Anarchie enden kann.
({7})
Wir können dieses Gesetz - auch das hat der Herr Minister schon ausgeführt - hier und heute nicht losgelöst von der allgemeinen politischen Situation betrachten. Wir müssen diese Entscheidung, die wir heute zu treffen haben, hineinstellen in das politische Geschehen, hineinstellen in die politischen Aussichten, die sich durch die Weiterverfolgung unserer Politik eröffnen. Ich erinnere mich an die erste Wehrpflichtdebatte, wo gerade von der sozialdemokratischen Seite sehr, sehr stark in den Vordergrund geschoben wurde, daß die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht verheerende Folgen auf die Zone haben würde, daß hier Rückwirkungen auf die Zone eintreten würden, die von der Mehrheit dieses Hauses einfach nicht verantwortet werden könnten. Nun, ich darf feststellen, daß die damals prophezeiten Rückwirkungen auf die Zone nicht eingetreten sind. Schon damals haben wir darauf hingewiesen, daß Herr Ulbricht diese Maßnahme aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht beantworten könne.
({8}) - Ach, das ist derselbe Zuruf - ({9})
-- Entschuldigen Sie, Herr Kollege Wehner, ich glaube nicht, daß Sie das Recht haben, diesen Zwischenruf zu machen; denn Sie haben bei der ersten Wehrpflichtdebatte auf dieses „Provozieren" nicht im geringsten Rücksicht genommen, sondern Sie haben in aller Ausführlichkeit diese Dinge so stark diskutiert, daß dieser Zwischenruf aus unseren Reihen kam. Wenn ich das jetzt nur kurz andeute, glaube ich, daß Sie der letzte sind, der das Recht hat, diesen Zwischenruf zu machen.
({10})
Ich glaube, daß jetzt, nach dem, was in Ungarn geschehen ist, Herr Ulbricht noch viel weniger irgendwelche Möglichkeiten sieht, irgendwelchen Anlaß hat, in der Zone die allgemeine Wehrpflicht durchzuführen. Die allgemeine Stimmung, die Unsicherheit dort verbietet ihm einfach eine allgemeine Bewaffnung in der Zone, weil er sonst die allergrößten Gefahren für seine eigene Position, für seine eigene Stellung heraufbeschwören würde. Ich glaube deshalb, daß er - weder er noch seine Auftraggeber - nicht in der Lage sein wird, die
({11})
Wehrpflicht in der Zone irgendwie durchzuführen. Ich glaube, daß damit das tragische Geschehen in Ungarn neben den Erschwerungen, die sicherlich kommen werden, auch eine gewisse Erleichterung für die Zone bringen wird.
In diesem Zusammenhang, wenn ich an Ungarn erinnere, meine Damen und Herren, möchte ich noch einmal zum Ausdruck bringen - ({12})
- Ja, das gehört zur Sache! Wir können einfach dieses Gesetz ohne die politischen Hintergründe der gegenwärtigen Zeit gar nicht betrachten und recht würdigen.
({13})
Wenn ich an Ungarn denke, möchte ich auch als junger Mensch ein Wort der Achtung und ein Wort der Ehrfurcht vor den ungarischen Freiheitskämpfern, die ja gerade von der Jugend gestellt wurden, sagen. In diesem Zusammenhang möchte ich mein großes Bedauern über gewisse Photographien zum Ausdruck bringen, die ausgerechnet der „Spiegel" über die Vorgänge in Ungarn bringen zu müssen glaubte.
({14})
Wem nützen diese Bilder, ,die im „Spiegel" gebracht worden sind? Wem nützen sie? Doch nur der sowjetischen Propaganda.
({15})
Die Menschen, die auf diesen Bildern photographiert worden sind, leben heute noch in Ungarn, und ich warte auf den Augenblick, wo ,auf dem Tisch des sowjetischen Anklägers der „Spiegel" als Beweisdokument für die sowjetische Rachejustiz liegen wird.
({16})
Ich glaube, so kann man einfach die Dinge nicht sehen, so wird man einfach dem Geschehen in Ungarn nicht gerecht.
Ich hoffe des weiteren - wenn ich daran denke, daß es in Ungarn gerade die Jugend war, die den Freiheitskampf geführt hat -, daß eine gewisse Erleichterung in der Zone wiederum dadurch eintreten wird, daß Herr Ulbricht sich überlegen wird, ob er die vormilitärische Ausbildung bei der eigenen Jugend weiter durchführen soll. Denn die vormilitärische Ausbildung in Ungarn war es ja gerade, die der Jugend die Möglichkeit gegeben hat, gegen die Sowjets aufzustehen. Vielleicht verschwinden dadurch jene beschämenden Bilder in der Zone, wo junge Mädchen mit Karabinern paradieren, wo junge. Mädchen im Führen eines Bürgerkriegs ausgebildet werden. Ich glaube, daß damit vielleicht der deutschen Jugend in Mitteldeutschland ein Stück Jugend zurückgegeben wird, auf das sie nun einmal einen berechtigten Anspruch hat.
Aber zu der Frage Sicherheit der Bundesrepublik und Zone, Wehrpflicht und Rückwirkung auf die Zone möchte ich doch zum Schluß noch einmal sehr nachdrücklich darauf hinweisen: Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß die Sicherheit der Bundesrepublik Voraussetzung für die Wiedervereinigung in Freiheit ist. Denn ohne das Instrument der sicheren Bundesrepublik als Instrument gesamtdeutscher Politik sind wir nicht in der Lage, die Frage der Wiedervereinigung so zu lösen, wie wir es uns vorgenommen haben.
Interessant wäre es nun auch bei der Betrachtung der politischen Verhältnisse im Hinblick auf dieses Gesetz und auf die jüngsten Ereignisse, ausführlich auf die Frage der Umrüstung einzugehen. Ich möchte - in einer seltenen Übereinstimmung, glaube ich, mit der Opposition - darauf verzichten, diese Frage ausführlich vor Ihnen darzustellen. Aber ein Wort möchte ich doch dazu sagen. Was ist dazu nicht alles gesagt, was ist hier nicht alles prophezeit worden! Es ist gesagt worden, die Bundeswehr sei in ihrem geplanten Aufbau schon veraltet, noch ehe sie aufgestellt sei; sie sei nahezu wertlos, sie werde für den letzten und nicht für den nächsten Krieg gerüstet. Nun, ich glaube, wir müssen gemeinsam feststellen, daß Ungarn und das Geschehen im Vorderen Orient eine andere, eine erheblich andere Sprache sprechen.
Herr Dr. Dehler hat heute morgen in der Debatte gesagt, gerade Ungarn habe bewiesen, daß die sogenannte Politik der Stärke ad absurdum geführt sei. Demgegenüber hat doch Ungarn in unseren Augen ganz deutlich erwiesen, daß Recht ohne Macht machtlos ist und daß das Volk damit auch rechtlos wird. Das ist doch das Ergebnis.
({17})
Im Zusammenhang mit der Umrüstung müssen wir aus den Ereignissen in Ungarn und dem Vorderen Orient auch die Konsequenz ziehen, daß hier mit konventionellen Waffen gekämpft wurde und daß man deshalb, wenn man sich wirklich auf allen Ebenen schützen will, auch über konventionelle Waffen verfügen muß. Oder man ist in gewissen Situationen mit einer anders gearteten Aufrüstung nicht geschützt.
Meine Damen und Herren, was ist aus jener Prophezeiung eines prominenten Mitgliedes dieses Hauses geworden, daß jeder bewaffnete, auch lokale Konflikt sich in einen weltweiten Atomkrieg ausweiten würde? Gone with the wind - vom Winde verweht sind, glaube ich, diese Prophezeiungen, die hier aufgestellt wurden. Ich glaube, daß man heute nicht mehr darauf zurückkommen kann; denn schärfere Dementis als durch die Tatsachen gibt es meines Erachtens nicht.
Wir müssen aus dem schrecklichen Geschehen in Ungarn noch eine andere Folgerung ziehen.
({18})
Möchten Sie eine Frage stellen, Herr Mellies? - Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Majonica?
Bitte!
Bitte, Herr Abgeordneter Mellies!
Haben Sie die Artikel, die ich zu dem Thema geschrieben habe, gelesen?
Ich glaube, Sie haben auch Ausführungen in diesem Hause dazu gemacht, die ich gehört habe, Herr Kollege Mellies!
Ich habe gefragt, ob Sie die Artikel, die ich dazu geschrieben habe, gelesen haben.
Nein, aber ich wäre dankbar, wenn Sie sie mir zuschicken würden, ich liebe solche Lektüre.
Nein, darauf will ich verzichten; bemühen Sie sich selbst darum. - Ich darf dann nur feststellen, das Sie völlig falsch zitieren, ja ich möchte sagen, daß Sie geradezu lügen in der Art, wie Sie diese Dinge hier darstellen.
({0})
Ich glaube, der Vorwurf, daß ich hier gelogen habe, geht doch zu weit. Denn es ist doch die Gesamttendenz Ihrer Militärpolitik bisher gewesen, zu behaupten, daß der Aufbau der Bundeswehr veraltet sei, weil wir eben auf diese Dinge nicht Rücksicht nähmen. So folgert eben das, was Sie gesagt haben, restlos aus der gesamten politischen Haltung Ihrer Fraktion, und ich glaube, daß man das nicht einfach mit dem Wort „Lüge" beiseite schieben kann.
({0})
- Gut angefangen ist die Debatte hier durch die unmöglichen Äußerungen Ihres Kollegen Schmidt!
({1})
- Nein! Wer „Trabanten" und „Satellitentum" sagt, der begibt sich außerhalb der moralischen Ordnung dieses Hauses.
({2})
Herr Abgeordneter Mellies, sind Sie bereit, Ihren Vorwurf gegen den Abgeordneten Majonica, er habe gelogen, zurückzunehmen?
Nein, den kann ich nicht zurücknehmen!
Dann rufe ich Sie zur Ordnung!
({0})
Da kommt der Zuruf „Provokateur" ! Sie bewegen sich immer mehr - ich muß es leider sagen - in einer Sprachregelung, die wir in diesem Hause nicht gebrauchen sollten.
({0})
- Nein, ich meine damit eine ganz bestimmte Sprachregelung!
Ich glaube aber, daß wir aus den Ereignissen in Ungarn und aus dem Geschehen noch eine andere Folgerung für unser Volk ziehen müssen. Geschützt wird man nur - das ist das Ergebnis der traurigen Ereignisse in Ungarn -, wenn man selbst in der Lage ist, einen Beitrag zu seinem eigenen Schutz zu leisten, wenn man im alten Sinn des Wortes bündnisfähig ist. Wenn man diese Bündnisfähigkeit nicht hat, wird einem der Schutz auch nicht gewährt. Dem Schwachen hilft man nicht. Ich glaube, das hat Ungarn bis zur letzten Konsequenz erwiesen. Wir können uns nur schützen, wenn wir mit eigenen Leistungen und im Bündnis mit den Westmächten die Grundlagen für unsere eigene Sicherheit schaffen.
({1})
Des weiteren sind auch sehr viele andere gefährliche Illusionen, die in diesem Hause bestanden, zerplatzt, auch wenn sie heute morgen noch einmal vorgetragen worden sind. Wo sind denn jene Gedanken, daß durch ein globales Sicherheitssystem unser Land wirklich geschützt werden kann? Sicherlich, auch wir streben ein globales Sicherheitssystem an, selbstverständlich! Aber bevor wir dieses System erreicht haben, bevor es wirksam wird, bevor es praktiziert werden kann, müssen wir eine Strecke Weges der Ungewißheit gehen.
In dieser Situation kann uns nur ein regionales Bündnis schützen, dem wir uns im Nordatlantikpakt angeschlossen haben.
Und wo sind jene Gedanken geblieben, die auch hier vorgetragen worden sind: daß sich im Sowjetimperium ein grundlegender Wandel vollzogen habe, daß sich die Methode völlig gewandelt habe? Ich darf zur Steuer der Wahrheit und um der geschichtlichen Gerechtigkeit willen feststellen, daß der Bundeskanzler es gewesen ist, der hier immer sehr, sehr klar die Dinge aufgezeigt hat. Und was hat man ihm entgegengeworfen? Man hat ihn einen letzten Mohikaner des Kalten Krieges genannt.
({2})
- Herr Schmidt, wenn Sie nach Ungarn heute noch eine solche Bemerkung unterstreichen, zeigt das, daß Sie sich gar nicht mehr auf dem Boden der Wirklichkeit aufhalten.
({3})
Wer nicht die Augen schließen will, weiß jetzt, was bloße Taktik und was das Bleibende im Bolschewismus ist. Alle europäischen Nationen, auch wir, sind aufgerufen, uns vor der nackten Gewalt, die man in Ungarn angewandt hat, zu schützen.
({4})
Wir haben doch voll Ingrimm gesehen, wie Ungarn als unser Bruder vor unserer Tür erschlagen wurde, 'ohne daß wir helfen konnten. Wollen wir uns in eine ähnliche Situation begeben, wollen wir in einer ähnlichen Situation umkommen? ! Ich glaube, daß es Zeit, hohe Zeit ist, nun wirklich reale Handlungen zu setzen,
({5})
damit unser Schutz tatkräftig aufgebaut wird. Nicht im Sinne einer Panik, nicht im Sinne einer Überstürzung, ruhig und gemessen, aber tatkräftig müssen wir nach den Ereignissen, die wir erlebt haben, das zu unserem Schutz nun einmal dringend Notwendige aufbauen. Deshalb sagt uns unser Gewissen, daß wir in dem Zwang der Lage, in der Not Deutschlands und Europas diesem Gesetze die Zustimmung nicht verweigern können, denn die Stunde fordert es zwingend. Wir beantragen die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Verteidigungsausschuß.
Zum Schluß möchte ich einer Hoffnung Ausdruck geben, obwohl das ganze Zwischenspiel, das wir erlebt haben, mir keinen großen Mut mehr zu dieser Hoffnung läßt: daß die Opposition doch einmal an Hand der Tatsachen, an Hand der Ereignisse
({6})
ihre Stellung zu diesen Fragen überprüft. Schon regt es sich im Lager der Opposition, schon erleben wir, daß Herr Haas, der FDP-Vorsitzende von Bayern, eine grundsätzliche Überprüfung der Wehr- und Außenpolitik - ({7})
({8})
- Wir hören schon wieder ein schönes Wort überIhre möglichen Koalitionspartner. Man könnte das fast sammeln, Herr Kollege Wehner.
({9})
- Das freut mich sehr. Leider können wir einige Ihrer Kollegen nicht als Protokollchef brauchen, weil sie in ihren Ausdrücken zu scharf sein würden, da sie das Protokoll nicht so sehr beherrschen.
Im Lager der Opposition sind doch schon einige Stimmen laut geworden, die eine Überprüfung der eigenen Wehr- und Verteidigungspolitik fordern. Ich hoffe, daß diese Stimmen stärker werden und daß das Ergebnis der Überprüfung unserer Situation der Entschluß sein wird, in diesem Hause zum gemeinsamen Handeln für unser ganzes deutsches Volk zu kommen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben nicht die Absicht, die Gelegenheit der heutigen Aussprache zu benutzen, um daraus abermals eine große Wehrdebatte unter außenpolitischen Vorzeichen zu entwickeln.
({0})
Der Herr Minister Strauß hat sich sehr darum bemüht, hat betont, daß hier nicht eine neue Grundsatzdebatte über das Prinzip der Wehrpflicht zu entstehen braucht, und ich bin vor zwei Tagen unterrichtet worden, daß der Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion darum gebeten habe, man möge sich doch nach Möglichkeit auf das sachliche Problem, das hier vorliegt, beschränken.
({1})
Ich habe gegenüber dem Geschäftsführer meiner Fraktion von vornherein bezweifelt, daß das eine ehrliche Absicht war. Herr Majonica hat soeben bestätigt, daß solche Zweifel wahrscheinlich auch für die Zukunft am Platze sind.
({2})
Herr Majonica hat soeben vorsätzlich die außenpolitischen Sorgen, die alle Welt bewegen und die wir heute morgen erörtert haben, mit dieser Vorlage verknüpft, weil sie in diesem Zeitpunkt sachlich nicht anders zu begründen war.
({3})
Nachdem der verantwortliche Verteidigungsminister an das Haus appelliert hatte, die Bundeswehr nach Möglichkeit aus dem tagespolitischen Streit herauszulassen, hat der Herr Majonica eine Rede gehalten, die ich nicht nur töricht, sondern unverschämt und provokativ nennen muß.
({4})
Herr Abgeordneter, Schmidt, „provokativ" haben Sie gesagt.
({0})
Sie unterstellen also dem Abgeordneten Majonica diesen Vorsatz; das muß ich daraus schließen. Das ist parlamentarisch nicht üblich. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie wissen: heute habe ich in meiner ganzen Laufbahn die ersten beiden Ordnungsrufe erteilt. Es tut mir selber leid.
({2})
- Allerdings, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident, selbstverständlich nehme ich diesen Ordnungsruf hin. Aber - nur damit das Kontobuch des Präsidenten in Ordnung bleibt - ich habe nicht nur „provokativ" gesagt, sondern ebenso „töricht" und „unverschämt".
({0})
Ich will im übrigen auf die Argumentation des Kollegen Majonica nicht eingehen. Ich möchte einiges zu dem bemerken, was der Herr Minister Strauß gesagt hat. Herr Minister Strauß hat im Eingang seiner Rede eine Reihe von Bemerkungen gemacht, die wir nicht kritisieren wollen. Allerdings, Herr Strauß, haben Sie bei der Bemerkung über das Erfurter Programm doch wohl übersehen, daß dieses in einer Zeit entstanden ist, als Deutschland nicht gespalten war, ganz abgesehen davon, daß auch Sie konzediert haben, daß es immerhin 60 Jahre oder länger zurückliegt.
({1})
Bemerkenswert an der Rede des Verteidigungsministers war die Tatsache, daß er die Gesetzesvorlage in bezug auf ihren materiellen Inhalt, nämlich die zwölf Monate, genausowenig begründet hat, wie etwa in der Vorlage selbst eine Begründung enthalten ist. Er hat auch nicht begründet, weshalb zu diesem gegenwärtigen Zeitpunkt
- etwa aus militärischen Gründen, aus Gründen, die mit der Aufstellungsplanung der Bundeswehr zusammenhängen - diese Lex imperfecta perfektioniert werden soll. Er hätte auf die Tatsache hinweisen können - er hat es nicht getan, und das schien mir sehr bemerkenswert -, daß es einen Kabinettsbeschluß gibt, am 1. April 1957 die ersten Wehrpflichtigen einzuziehen. Ich habe es begrüßt, daß Herr Strauß diesen Kabinettsbeschluß nicht zitiert hat. Ich muß aber den Eindruck gewinnen, daß Herr Strauß offenbar in einer anderen Vorstellung lebt als die Mehrheit der CDU/CSU-Fraktion. Denn welchen anderen Sinn könnte es haben, jetzt das Gesetz zu perfektionieren, wenn man doch erst später, womöglich erst nach dem Zusammentreten des 3. Bundestages, an die Einziehung der ersten Wehrpflichtigen gehen wollte?! Hier scheint - und das wird sich vielleicht in den nächsten Wochen noch häufiger zeigen - so etwas wie ein offener Dissens zwischen den Vorstellungen des Herrn Verteidigungsministers und den Vorstellungen der vom Herrn Bundeskanzler präsidierten größten Regierungspartei vorzuliegen.
({2})
- Ich will das abwarten.
({3})
Herr Strauß hat bisher noch keine Gelegenheit gehabt, in diesem Parlament eine Programmrede über das zu halten, was er vorhat. Er hat nur Gelegenheit genommen, gestern abend vor der Presse einige sehr ausführliche und, wie ich nochmals sagen möchte, sehr bemerkenswerte sorgfältige Ausführungen zu machen. Er hat in dieser Pressekonferenz insbesondere auch einiges über die Durchführbarkeit gewisser Planungen gesagt, gewisser Vorstellungen, die in der Regierungsfraktion offensichtlich vorhanden sind.
Herr Majonica hat uns vorhin z. B. vorgeworfen, wir hätten bei Gelegenheit der Panzerdebatte von veraltetem Material gesprochen. Er wollte nun an Hand des ungarischen Beispiels, da die Ungarn auch Panzer hatten - aber die waren nicht so wenig geeignet wie diese, von denen hier die Rede ist - belegen, daß dies in Wirklichkeit keine veralteten Panzer seien. Ich darf Herrn Majonica bitten, einmal sehr sorgfältig die dpa-Meldungen über die gestrige Pressekonferenz des Herrn Minister Strauß nachzulesen.
({4}) - Ja, er redet nur.
({5})
Herr Majonica, lesen Sie nach, was Ihr Herr Minister gestern gesagt hat. Zu meiner großen Überraschung hat, nachdem es wochenlang harte Kämpfe in diesem Hause und im Verteidigungsausschuß über die Panzervorlage gegeben hat, der Herr Minister Strauß gestern angekündigt, er gedenke nicht, die von der Mehrheit des Verteidigungsausschusses und des Haushaltsausschusses ausgesprochene Bewilligung zur Durchführung dieser Pläne ohne weiteres auszuschöpfen, sondern habe die Absicht, diese Frage vor dem Verteidigungsausschuß dieses Hauses erneut aufzurollen.
Ich habe das begrüßt und glaube, wir alle sollten das im Interesse der Soldaten, die in die Panzer hineingesetzt werden, begrüßen. Ich kann nicht verstehen, weichen Sinn es hat, hier mit solchen großen Phrasen, wie sie uns Herr Majonica vorgetragen hat, die Öffentlichkeit über die tatsächliche Entwicklung im Verteidigungsministerium hinwegtäuschen zu wollen.
({6})
- Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.
({7})
- Bitte, Herr von Manteuffel.
von Manteuffel ({8}) ({9}): Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen als Mitglied des Verteidigungsausschusses bekannt, daß in meinem Bericht Ihres Unterausschusses an das Plenum des Verteidigungsausschusses und an den Haushaltsausschuß von dieser Möglichkeit des Nichtausschöpfens der Vorwegbewilligung ausdrücklich schriftlich berichtet worden ist?
Mir ist bekannt, Herr von Manteuffel, daß Sie und andere Abgeordnete wegen Ihrer berechtigten Zweifel und Skrupel gegenüber dieser Vorlage diesen Vorschlag gemacht haben. Daß der amtierende Verteidigungsminister ausdrücklich darauf eingeht und sogar, obwohl er dazu rechtlich keineswegs verpflichtet ist, eine nochmalige Befassung der zuständigen Ausschüsse vor der Presse ankündigt, das ist allerdings eine wesentliche Veränderung der Lage, wie Sie mir zugeben werden.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Verzeihen Sie, Herr Kollege Schmidt, es war nicht ein Vorschlag von mir allein, sondern das wurde ja vom Plenum des Verteidigungsausschusses und auch vom Haushaltsausschuß als Empfehlung an die Regierung angenommen.
({2})
Herr von Manteuffel, jetzt muß ich also Ihrem Gedächtnis aufhelfen. Von der Mehrheit der Ausschüsse war auf Antrag des Herrn Kollegen Berendsen eine Empfehlung angenommen, statt des M 47 den M 48 zu kaufen. Was Herr Strauß gestern ausgeführt hat, bezog sich aber z. B. auch auf die beiden englischen Panzertypen, die noch im Spiele sind, und auf andere Variationsmöglichkeiten. Aber ich glaube nicht, daß wir dem Herrn Minister einen Dienst tun, wenn wir den Versuch, bei den Panzern zu einer vernünftigen Planung zu kommen, im Parlament völlig zerreden;
({0})
aber vielleicht war das ja Ihre Absicht!
({1})
Ich habe große Zweifel, ob es dem jetzigen Verteidigungsminister gelingen wird, die von ihm offenbar gefaßten guten Vorsätze auf die Dauer durchzuhalten gegenüber dem treibenden, antreibenden Willen gewisser Kreise der Regierungsfraktion.
({2})
Ich möchte mich aber nun, meine Damen und Herren, zunächst einmal auf die Vorlage selbst beschränken. Wenn Sie die leitenden Offiziere des Verteidigungsministeriums fragen, so merken Sie, daß bei denen kein Zweifel darüber vorhanden ist, daß die Bundeswehr in Wirklichkeit nicht in der Lage ist, im kommenden Frühjahr in nennenswertem Umfange wehrpflichtige Soldaten aufzunehmen; im Gegenteil, wenn der Bundeswehr die Aufnahme von Wehrpflichtigen aus politischen Gründen aufgezwungen werden sollte, so werden diese Soldaten - das haben sie heute schon zum Ausdruck gebracht - das für ein Unglück halten, weil sie den Reifegrad der bisher aufgestellten Truppe kennen.
Der beste Beweis übrigens für die Undurchführbarkeit der alten Pläne - die heutige Vorlage ist ja noch auf dem Boden der alten Pläne gewachsen; das können Sie doch nicht abstreiten - wurde vor vier Wochen erbracht durch den inzwischen auch einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgewordenen Vortrag des Generalleutnants Kammhuber im Verteidigungsausschuß des Bundestags. Kammhuber hat dort gesagt, daß die bisherige Luftwaffenplanung im wesentlichen umgebaut und daß insbesondere die gesetzten Ziele in die Zukunft verschoben werden mußten. Er hat angekündigt, daß
({3})
eine einsatzbereite Heimatluftverteidigung nicht vor 1960 erstellt werden kann.
Gleiches gilt - das wissen die militärischen Experten der Koalition genauso gut wie ich - mit Abstufungen für die Marine und für das Heer.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Ausbildungskader, wie sie heute zur Verfügung stehen, in keiner Weise bereits hinreichend auf ihre Ausbildungsaufgabe vorbereitet sind. Eine Reihe von Kollegen haben in der letzten Zeit die Truppen besucht, Schulen und Lehrbataillone. Ich selbst habe z. B. vor 14 Tagen bei einem Besuch der Fla-Schule des Heeres festgestellt, daß sie bisher noch über keine einzige schwere Kanone, sondern nur über leichte Maschinenwaffen bis zu einem Kaliber von 4 cm verfügt, daß die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften selbst dieser Lehrbataillone und dieser Schulen noch nicht einmal mit den vorhandenen leichten Waffen einen einzigen scharfen Schuß abgegeben haben,
({4})
daß die vollständige Ausrüstung der Schule auch keineswegs etwa schon in der nächsten Woche bevorsteht. So sieht es doch praktisch bei verschiedensten Schulen und Lehrtruppen aus. Die Beispiele dafür sind Legion. Ich könnte eine ganze Menge darüber zitieren.
Es handelt sich aber nicht nur darum, daß die Ausbildungseinrichtungen nicht rechtzeitig mit Waffen, Ausrüstungsgerät und Fahrzeugen versorgt sind, an denen ausgebildet und geübt werden muß, sondern es handelt sich darum, daß die ausbildenden Unteroffiziere und Offiziere selbst in ihrem Auftreten als Ausbilder noch keineswegs die nötige Sicherheit haben, daß sie sich noch gar nicht zusammengefunden haben. Auch gerade für die alten Soldaten hat das Eingewöhnen noch keineswegs zu einem ausreichenden Erfolg geführt.
Hier komme ich zu einem sehr wichtigen Punkt, meine Damen und Herren. Wir haben sehr begründete Zweifel - und ich glaube, sie werden geteilt auch von Herrn Berendsen und Herrn Dr. Jaeger, die sich gerade unterhalten -, daß das Unteroffizierskorps in seiner heutigen Prägung bereits für die Aufnahme von Wehrpflichtsoldaten geeignet ist. Das Unteroffizierskorps der Bundeswehr ist in seiner heutigen Gestalt geradezu die Achillesferse dieser Bundeswehr, -- wenn ich mich so ausdrükken darf. Es gibt hier eine Reihe von Gründen. Zunächst einmal die schon von Minister Strauß erwähnte Tatsache, daß die Besoldung der Unteroffiziere absolut unzureichend ist, wenn man sie vergleicht mit den Löhnen und Gehältern, die heute in der Industrie bezahlt werden müssen. Das hat dazu geführt, daß leider gerade beim Unteroffizierkorps ein großer Teil der eingestellten Freiwilligen tatsächlich nur zur Bundeswehr gekommen ist, um seine Versorgung sicherzustellen, weil man eben im Zivilleben nicht entsprechend reüssiert war. Die Soldaten selbst haben für diesen Typus bereits sehr abfällige Schlagwortbezeichnungen erfunden.
Ich darf einmal ein paar Sätze aus einer Denkschrift der Vereinigung der Unteroffiziere im Verteidigungsministerium vorlesen, wenn Sie gestatten, Herr Präsident. Diese Herren schreiben, eine nicht unerhebliche Anzahl unter den Bewerbern sei menschlich und auch charakterlich ungeeignet. Wörtlich heißt es dann weiter:
Es muß angenommen werden, daß den Annahmestellen nicht genügend solche geeigneten Bewerber zur Überprüfung zur Verfügung stehen, . . . Beobachtungen verschiedenster Art lassen erkennen, daß das erwünschte Niveau unter den zur Zeit gegebenen Voraussetzungen nicht erreicht wird.
Oder ich darf zitieren aus einem Bericht, ,den der Abgeordnete Stingl gemeinsam mit dem Abgeordneten Frenzel unterschrieben hat. Dort steht folgendes:
Es wird als außerordentlich mangelhaft empfunden, daß die Annahmestellen zuwenig Auskünfte über die zukünftige Besoldung geben können. Im übrigen wurde mit Nachdruck und mehrfach darauf hingewiesen, daß der Staat kaum verlangen könne, daß jemand sich verpflichtet, in der Bundeswehr zu bleiben, wenn nicht alsbald eine klare Besoldungsordnung geschaffen werde.
Und dann folgen eine Reihe von Einzelheiten.
Oder ich zitiere aus einer Denkschrift des Bundeswehrverbandes, der mit Recht sagt:
Nicht zuletzt wird es von den Fähigkeiten, dem Charakter und dem pädagogischen Geschick der Unteroffiziere abhängen, welchen Geist und welches Gesicht die Truppe einmal haben wird, . . .
In dieser Denkschrift wird im übrigen wiederum Klage geführt über die unzureichenden sozialen, besoldungsmäßigen Voraussetzungen für das Unteroffizierskorps.
Bisher ist also im Unteroffizierskorps eine befriedigende Auslese leider nicht möglich gewesen. Hier muß zu allererst etwas getan werden, wenn man mit diesem gegenwärtigen Unteroffizierskorps im Ernst Wehrpflichtsoldaten ausbilden will. Sie können doch nun einmal nicht vor unwillige Wehrpflichtige auch noch mißmutige Unteroffiziere stellen, zumal die Unteroffiziere der heutigen Diskussionsfreudigkeit und dem Freimut der Jugend gar nicht recht gewachsen sind und häufig nur versuchen können - das ist die Zwangslage, in der sie sich befinden -, ,dieses Handikap wettzumachen durch besonders forciertes militärisches Auftreten. Ich möchte niemandem nahetreten. Aber ich glaube, die Beobachtung wird allgemein geteilt, daß diese Gefahr besonders naheliegt und besonders in denjenigen Einheiten schon in Erscheinung tritt, die aus früheren Bundesgrenzschutzverbänden aufgestellt worden sind.
Eine der wichtigsten gesetzgeberischen Voraussetzungen für die Einziehung von Soldaten ist also zunächst einmal die Schaffung einer Besoldungsregelung und die Sorge dafür, daß in dieser endgültigen Besoldungsregelung günstigere Möglichkeiten für die Unterführer geschaffen werden als bisher. Ein Teil der Mitglieder des Verteidigungsausschusses hat gestern die hochspezialisierten Nachrichtengeräte besichtigt, die in Zukunft von Unteroffizieren, zum Teil sogar nur von Mannschaften gewartet, ersetzt, repariert, verwaltet werden sollen. Wenn man sich vorstellt, daß diese Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere das zu den gegenwärtigen Gehältern machen sollen, wenn man sich vorstellt, daß jemand, der diese hochspezialisierte Technik gelernt hat, auf die Dauer bei der Bundeswehr bleiben soll, wenn er dafür so schlecht besoldet wird, dann, muß ich sagen, halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß er bei wesent({5})
lich günstigeren Angeboten der Industrie die Bundeswehr wieder verläßt. Oder umgekehrt gesagt: Von einem Facharbeiter, einem Könner auf seinem Gebiet, einem Handwerker, der etwas leistet, kann man heute wirklich kaum erwarten, daß er sich ,als Unteroffizier zur Bundeswehr meldet.
Das wird auch vom Ministerium zugegeben. Ich habe eine Stellungnahme vom 2. November dieses Jahres hier, in der das Ministerium schreibt, es sei durchaus verständlich, daß die Truppe immer mehr ,darauf dränge, endlich eine endgültige Besoldung zu erhalten. Ehe jedoch nicht das Besoldungsgesetz vorliege, könne den Soldaten leider keine verbindliche Angabe über ihre künftige Besoldung gemacht werden. So also heute vor fünf Tagen das Verteidigungsministerium. Die Vorsorge und die Fürsorge gerade für das Unteroffizierskorps müssen nicht nur aus sozialen Gründen - auch aus diesen -, sondern auch aus rein militärischen Gründen, aus Gründen des inneren Gefüges der zukünftigen Truppe wesentlich verstärkt werden. Hier müssen institutionell Änderungen eintreten, wenn das Unteroffizierskorps geeignet sein soll, mit wehrpflichtigen Soldaten umzugehen. Wir sind uns doch völlig darüber klar, und auch die Unteroffiziere sind sich darüber klar -- sie fühlen sich deshalb auch nicht ganz wohl in ihrer Haut bei der Vorstellung, es nun sehr bald womöglich mit Wehrpflichtigen zu tun zu haben -, daß es sich dann um durchaus andere Menschen handeln wird als bei den Mannschaften, die als Freiwillige sich mit einem gewissen Schuß Optimismus zur Bundeswehr gemeldet haben.
Aber ich muß bei dieser Gelegenheit auch etwas sagen über den gegenwärtig erreichten Befähigungsstand der Kommandeure und Kompaniechefs. Ich glaube, daß auch auf diesem Gebiet keineswegs ein Reifegrad erreicht ist, der es verantworten ließe, sie nunmehr zu Kompanie- und Bataillonsführern von Wehrpflichtigen zu machen. Selbst bei Spitzenoffizieren ist im Gespräch häufig zu beobachten - ohne daß ich ,dabei irgendeine bestimmte Richtung andeuten will -, daß ihnen noch ein Mindestmaß an sozialen, wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen fehlt.
In diesem Zusammenhang müssen wir beklagen, daß aus Zeitnot, weil man glaubt, die Pläne nicht schnell genug erfüllen zu können, beispielsweise die Sonthofener Lehrgänge inzwischen ausgefallen sind und nicht mehr stattfinden. Dabei muß einmal gesagt werden, daß man entgegen früherer Absicht vermieden hat, Angehörige der Opposition zu Vorträgen einzuladen und diese dort in Sonthofen zu den Kommandeuren sprechen zu lassen. Man hat das damit begründet, dafür sei nicht Zeit genug, und hat statt dessen zu Loyalität gegenüber ihrer Regierung verpflichtete hohe Beamte aus den Bundesministerien für diese Vorträge gewonnen, z. B. Herrn Professor Grewe und ähnliche Herren. Das ist aber nun weiß Gott nicht das, was Sie - ({6})
- Ich wußte das nicht, ich bin für diese Ergänzung dankbar.
({7})
- Das ist offenbar die Schwalbe, die den Sommer aber noch nicht macht.
({8})
- Ich weiß es, und ich beanstande -das, Herr Bausch. Insbesondere deshalb haben wir, glaube ich, ein Recht dazu, das zu beanstanden, weil das vor einiger Zeit versprochen und verabredet gewesen war.
({9})
In denselben Sektor wie die Besoldung fällt die Tatsache, daß wir bisher immer noch kein Soldatenversorgungsgesetz haben. Auch hier handelt es sich ,an erster Stelle um ein Problem der zukünftigen Unteroffiziere. Die Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere, die nur Soldaten auf Zeit sind, müssen wissen, was ihr Status ist für den Zeitpunkt ihrer Entlassung. Dasselbe Problem liegt vor bei den Wohnungen für die verheirateten Berufssoldaten, und das gleiche Problem besteht in bezug auf die bisher nicht getroffene Regelung für die Fortbildungsmöglichkeiten, die Ergänzung der Allgemeinbildung, der Berufssoldaten usw. Auch der Dienstpflichtige kann verlangen, ,daß die Versorgung vorher geregelt wird, daß vorher geregelt wird, welche Rechte ihm beispielsweise für den Fall einer Wehrdienstbeschädigung zustehen. Ebenso hat der Wehrpflichtige ein Recht darauf, daß vorher die gesetzliche Sicherung seines Arbeitsplatzes erfolgt. So gibt es eine Reihe von gesetzgeberischen Voraussetzungen, die geschaffen werden müssen.
Dabei liegt uns ganz besonders am Herzen, daß zunächst einmal das Gesetz über den Ersatzdienst für die Wehrpflichtigen hier beraten und verabschiedet wird. Vor welche Situation wollen Sie denn eigentlich den Wehrdienstverweigerer stellen, den Sie hier einziehen wollen, obwohl das Rechtsverfahren für ihn und alle diese Dinge noch ungeregelt sind. Das Gesetz fehlt doch noch.
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Die harten Auseinandersetzungen, Herr Berendsen, über die Frage, wie das Recht der Wehrdienstverweigerer geregelt werden soll - Auseinandersetzungen nicht nur hier in jener denkwürdigen Nacht vom 6. zum 7. Juli, sondern auch in der Öffentlichkeit -, müssen ,doch auch Ihnen ein Gefühl dafür gegeben haben, daß die Einziehung von Wehrpflichtigen wirklich erst dann in Frage kommen kann, wenn alle rechtlichen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für eine dem Grundgesetz und dem Wehrpflichtgesetz entsprechende Behandlung des Wehrdienstverweigerers gewährleistet ist. Ich brauche bei dieser Gelegenheit nicht noch einmal darauf hinzuweisen, daß wir, gemeinsam mit einigen Abgeordneten auch aus Regierungsfraktionen, nach wie vor der Auffassung sind, daß die im § 25 Ides Wehrpflichtgesetzes getroffene Regelung nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz steht.
Ich darf bei dieser Gelegenheit nochmals hervorheben, meine Damen und Herren, daß die Sozialdemokratische Partei nicht aufhören wird, mit allem Ernst und allem Nachdruck für die Rechte der Wehrdienstverweigerer einzutreten.
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Weil hier - ich entnehme das aus dem Zwischenruf - gelegentlich von dritter Seite geflissentlich Mißverständnisse in die Welt gesetzt werden, möchte ich hinzufügen, daß ebenso kein Zweifel darüber bestehen kann, daß ,die Sozialdemokratische Partei nicht eine Partei der Wehrdienstverweigerer ist.
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Eine weitere Voraussetzung, die geklärt werden muß, ist eine Regelung der ärztlichen Versorgung. Auch hier könnte ich Berichte zitieren, die von Abgeordneten der Koalitionsparteien unterschrieben sind und die sich über diese Mißstände auslassen. Auch hier könnte ich zitieren, was wir aus dem Bundeswehrverband und ähnlichen Stellen an Schriftstücken bekommen haben. Ich erwähne idas nur, um zu zeigen, daß gerade alle diese Fragen des sozialen und des rechtlichen Status, im besonderen des Unteroffiziers, von erheblicher Bedeutung für das sind, was sich in Zukunft in der Bundeswehr, insbesondere wenn Wehrpflichtige eingezogen werden, entwickeln kann und entwickeln wird.
Ich komme sodann auf einen anderen Punkt der gesetzgeberischen Voraussetzungen, der weniger vom Soldaten oder vom Wehrpflichtsoldaten her als vielmehr vom Politiker, vom Parlament her unbedingt geklärt sein muß, ehe etwa die Einziehung der Freiwilligen beginnt: das ist die Regelung der militärischen Spitzenorganisation, das Organisationsgesetz. Sie wissen: ein entsprechender Entwurf liegt dem Parlament vor. Aber Herr Minister Strauß hat jetzt gebeten, die Beratung noch für vier Wochen auszusetzen, weil er gern einige neue Gedanken vortragen möchte. Ich meine, man sollte ihm nicht nur in diesem Funkt Zeit geben, sondern man sollte ihm auch in den übrigen Punkten des ganzen Wehrthemas, die zur Debatte stehen, Zeit geben, sein Konzept zu entwickeln.
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- Es gibt gar keinen Zweifel, Herr Kliesing, daß es nach unserem Willen sehr langsam gehen soll, jedenfalls so langsam, daß Sie keinen Wehrpflichtigen vor dem Wahltag des nächsten Sommers einziehen.
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- Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, daß Sie mir diese Bemerkung durch Ihren Zwischenruf entlockt haben, sie stand in meinem Konzept, Herr Kliesing.
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Zu diesen staatspolitischen Voraussetzungen gehört ebenso das Gesetz über den Wehrbeauftragten. Auch hier nehme ich an, daß wir uns mit einem großen Teil der Regierungsfraktionen einig sind. Herr Minister Strauß hat gestern 16 Gesetze aufgezählt, die nach seiner Meinung für die Durchführung der Wehrpflicht Voraussetzung sind. Er hat erst an zwölfter Stelle bei dieser Aufzählung
- er fing an mit Besoldung und Versorgung, das hat er heute unterstrichen - das Gesetz gebracht, das wir durch den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Kollegen Rasner heute behandeln müssen. Er hat es also offensichtlich nicht für so wichtig gehalten.
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- Nein, das ging nicht nach idem Alphabet; es fing mit B an, und der nächste Punkt fing mit V an. Nein, nein, Herr Schneider, so einfach ist es nicht. Wir sind in diesem Punkte mit Herrn Minister Strauß durchaus einverstanden. Die Sozialdemokratie hat durch ihren Parteivorstand bereits am 18. Oktober dieselbe Aufzählung von sich aus vorgenommen und gesagt, das alles müsse noch passieren, ehe man im Ernst an die Einziehung von Wehrpflichtigen denken könne.
Neben diesen gesetzgeberischen Voraussetzungen, meine Damen und Herren, die ungeklärt sind, fehlt es auch an Voraussetzungen tatsächlicher Art. Sie sind doch einfach gar nicht in der Lage, in nennenswertem Umfang Wehrpflichtsoldaten in Ihren Kasernen unterzubringen. Sie haben heute schon eine Reihe von Berichten, aus denen die absolut unzureichende Unterbringung der bisherigen Freiwilligen hervorgeht. Ich zitiere wiederum einen Bericht, den ein Abgeordneter der CDU/CSU unterschrieben hat:
Die Unterbringung entspricht nicht unseren Vorstellungen. Es gibt kaum Unterbringung in Einzelzimmern, auch nicht für Offiziere. Viele Zimmer haben zuwenig Sitzgelegenheiten, keine Tische und zuwenig Spinde.
Und so geht es weiter. Dann heißt es:
Als Ausweichquartier bei noch größerer Belegung des Flugplatzes
- der da besichtigt worden ist sind die Dachgeschosse zur Unterbringung von Lehrgangsteilnehmern vorgesehen. Diese langgestreckten, nicht unterteilten Räume haben viel zuwenig Belüftungsmöglichkeit. Insbesondere in den Waschräumen und Toiletten ist ein völlig muffiger Geruch.
Darunter steht der Name eines CDU-Abgeordneten. Sie wissen, daß wir eine Unmasse solcher Berichte und Eindrücke haben. Meine Damen und Herren, alle Mitglieder im Verteidigungsausschuß wissen das.
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Ich darf Ihnen, damit das Bild vollständig wird, noch vorlesen, was Ihr Fraktionskollege Gerns als Abschlußbericht über eine Bereisung sämtlicher Kasernerments des Landes Schleswig-Holstein unterschrieben hat. Da schreibt Herr Gerns:
Im Verlauf der Besprechungen ergab sich, daß die gesetzten Termine bei den Neubauten nicht eingehalten werden können. Mit einer Verzögerung bis zu zwölf Monaten muß gerechnet werden.
Das gilt z. B. für die Tatsache, daß Sie nicht in der Lage sind, die Familien, die in den Kasernen wohnen, einfach auf die Straße zu setzen, und daß der Ersatzwohnungsbau einfach viel zu langsam 'anläuft und frühestens 'im Herbst nächsten Jahres ein erstes Teilziel auf diesem Gebiet erreicht werden kann. - Da Sie mir einen Zwischenruf gemacht haben, Herr Seffrin, erinnere ich Sie an das, was wir gemeinsam in dieser zukünftigen -- wie ich bedaure - Panzerkaserne Fischbeck erlebt haben, wo sich an Ort und Stelle herausstellte, daß die Planungen des Verteidigungsministeriums um eineinhalb Jahre vor der Wirklichkeit herliefen.
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Das Ministerium bemüht sich, diese Mißstände abzustellen, und das wird zweifellos in einiger Zeit nach und nach auch gelingen. Ich habe ein besonders nettes Beispiel dieses Bemühens selber erlebt, als ein leibhaftiger aktiver Generalmajor sich im Gespräch darüber beschwerte, daß er mehrfach selber habe eingreifen müssen, damit in einer be({20})
stimmte Kaserne endlich eine bestimmte Dachrinne repariert werden konnte.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage? - Herr Seffrin, bitte!
Herr Kollege Schmidt, ist Ihnen zweierlei bekannt: erstens, daß die von Ihnen zitierten Dinge schon Monate zurückliegen, zweitens, daß einer Ihrer Parteifreunde - dessen Namen ich eventuell nennen kann - in einer der letzten Sitzungen des Unterausschusses festgestellt hat, daß eine ganze Reihe der besonders in Süddeutschland festgestellten Mängel mittlerweile beseitigt sind?
Ich will Ihre Frage wie folgt beantworten. Die Berichte sind zum Teil einige Wochen alt, zum Teil etwas älter, zum Teil sind sie ganz neu. Die Mißstände, idas sagte ich selber, werden zum Teil abgestellt. Aber durch die laufende Vermehrung der Truppe treten doch laufend neue Mißstände ein. Sie werden in 14 Tagen neue Berichte dieser Art lesen.
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- Ich glaube, es ist doch schon so weit, lieber Herr Zwischenrufer, daß der Herr Minister Blank oder der Herr Minister Strauß - ich weiß nicht, wer dafür die Verantwortung trägt - bereits eingezogene Freiwillige mit Besoldung nach Hause beurlaubt hat, weil er für sie kein Bett und kein Dach über dem Kopf hat.
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Das ist doch wirklich grotesk, daß man Soldaten einzieht und sie dann nach Hause beurlauben muß, weil man für sie kein Bett und keine Kaserne hat. Und bei solchen Zuständen - das allerdings ist nicht alt, Herr Seffrin, das ist von heute - wollen Sie nun jetzt Wehrpflichtige einziehen. Das wird alles sehr lange dauern mit dem Kasernenräumungsprogramm, mit dem Kasernenbauprogramm und mit dem Programm der Ersatzwohnungsbauten. Sie können sich doch keinem Zweifel darüber hingeben, daß Sie dem Wehrpflichtigen nicht dieselben Unannehmlichkeiten zumuten können, die Sie dem Freiwilligen für eine gewisse Zeit vielleicht auferlegen 'mögen.
Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten haben in den Auseinandersetzungen über die Entwicklung der Bundeswehr immer die Wahrung der Rechte des Soldaten zu einem der wesentlichsten Anliegen gemacht. Wir sind auch heute der Meinung, daß zunächst alle Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um dem Soldaten das zukommen zu lassen, was nach unserer Auffassung sein Recht ist, ehe Sie den wehrpflichtigen Mann wirklich zum Soldaten machen. Ich benutze die Gelegenheit, um mit derselben Deutlichkeit zu betonen, daß wir das natürlich keineswegs etwa auf den Kreis der Wehrpflichtigen einschränken wollen, sondern daß es ebenso selbstverständlich ist, daß dieser Rechtsstandpunkt für alle Soldaten, lauch für die Freiwilligen, auch für die Soldaten auf Zeit, auch für die Berufssoldaten, gelten muß. Sie haben Rechtsansprüche genau wie der Staat, ¡der von ihnen die Erfüllung ihrer Pflichten verlangt. Es sollte keinen Zweifel geben, daß der Staat diese Rechtsansprüche zu jeder Zeit befriedigen muß.
Die wehrpolitischen Auseinandersetzungen, z. B. das Vorziehen des heute beratenen Gesetzes, dürfen nicht auf dem Rücken des Soldaten ,ausgetragen werden. Machen Sie lieber erst das Besolidungsgesetz, ehe Sie hier Gesetze machen, von denen man gar nicht weiß, ob sie überhaupt durchführbar sind.
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- Bitte sehr, Herr Kliesing!
Herr Kollege Schmidt, darf ich diese Ihre Erklärung als eine Zustimmung zu der von uns vorgesehenen Novelle zum Soldatengesetz ansehen, die ja in dieser Woche im Verteidigungsausschuß zur Beratung ansteht und deren Anliegen es doch ist, eine der dringendsten sozialen Fragen, die Ihnen so sehr am Herzen liegen, zu bereinigen oder wenigstens zu erleichtern?
Ich habe Ihre Novelle noch nicht gelesen, Herr Kliesing, aber ich weiß, daß sie den Versuch macht, hier den dringendsten Nöten abzuhelfen. Ich weise jedoch darauf hin, daß vor fünf Tagen das Verteidigungsministerium in einer Denkschrift, die Ihnen und mir zugegangen ist, festgestellt hat, daß es sich hier nur um die Beseitigung der gröbsten Mißstände handeln kann, weil man ja nur auf dem Wege der Rechtsverordnung eingreifen kann. Sie müßten also genau wie ich davon überzeugt sein, daß es dabei keineswegs sein Bewenden haben kann. Es ist vielmehr nur ein Heftpflaster.
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- Wegen der Zustimmung muß ich noch einmal sagen: ich habe die Novelle noch nicht gelesen. Wenn sie in ihrer Tendenz so ist, wie ich annehme, so vermute ich, daß wir ihr zustimmen, genau so wie wir seinerzeit gegen den Herrn Finanzminister von Anfang an für eine Erhöhung der Unteroffiziersgehälter gekämpft haben, wo Sie sich letzten Endes den finanzpolitischen Argumenten Ihres Finanzministers gebeugt haben.
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- So war es doch!
Meine Damen und Herren, ich möchte eins klarstellen. Es wird von dritter Seite -- und vielleicht gar nicht einmal immer böswillig - häufig folgendes mißverstanden. Unser Kampf für die Rechte des einzelnen Soldaten, des freiwilligen genau so wie des wehrpflichtigen Soldaten, geht in eine bestimmte Richtung, weil wir das Gefühl haben, daß dem Soldaten im Augenblick nicht das rechtzeitig gegeben wird, dem Wehrpflichtigen und dem Wehrdienstverweigerer nicht das gegeben wird, was ihnen zusteht. Und er richtet sich insgesamt gegen die Militärpolitik des Bundeskanzlers, die wir für falsch halten. Er richtet sich ebenso gegen die Gefahr des Militarismus, sei es ein ziviler Militarismus oder einer von militärischer Seite. Aber er richtet sich in keiner Weise - und das ist es, was so häufig den Soldaten suggeriert wird - gegen den Soldaten selbst. Das möchte ich hier einmal mit aller Entschiedenheit herausstellen. Es scheint mir deswegen notwendig zu sein, weil ich glaube, daß das zukünftige Verhältnis zwischen den Soldaten
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insgesamt und der politischen Linken in Deutschland insgesamt ein entscheidend wichtiges Problem für die innenpolitische Entwicklung in Deutschland sein wird.
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Ich glaube, daß man von beiden Seiten mit einem gewissen Maß an menschlichem Vertrauen im voraus die andere Seite betrachten soll, mit einem erheblichen Willen zum gegenseitigen Verständnis. Das soll keineswegs bedeuten, daß man in allen politischen und in allen militärischen Fragen etwa zu gemeinsamen Auffassungen kommen müßte. Ich wünsche klarzustellen, daß der Kampf der Sozialdemokratie gegen die Wehrpolitik des gegenwärtigen Bundeskanzlers von dem Wunsch begleitet wird, die nun einmal gegen unsern Willen geschaffene Bundeswehr und den Soldaten selbst in die Gemeinschaft unseres Staates und unseres Volkes einzufügen, und wir lassen uns darin von Herrn Majonica nicht übertreffen.
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Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eingangs angekündigt, daß wir nicht die Absicht haben, die heutige Debatte zu einer Auseinandersetzung großen Stils über die Grundsätze der Militärpolitik zu benutzen. Ich fasse daher zusammen: nach allem, was ich vorgetragen habe, können wir nur zu dem Ergebnis kommen, daß in der näheren Zukunft die Durchführung des Wehrpflichtgesetzes illusorisch ist. Sie haben noch einige -zigtausend Freiwilligenmeldungen auf Vorrat. Auf die müßten Sie dann verzichten, nur damit Sie der Form und dem Schein nach Wehrpflichtige in die Kasernen bringen können. Wir sind auch davon überzeugt, daß der Verteidigungsminister nicht im Ernst daran denkt.
({5}) - Wir sind davon überzeugt, habe ich gesagt.
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- Nein, wir haben ihn nicht, aber vielleicht bringen Sie Ihren Minister dazu, hier eine ausdrückliche Erklärung abzugeben.
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Wir befürchten allerdings, daß Sie vielleicht Interesse daran haben, Ihren Minister auf einen solchen Termin festzulegen, eben aus den bekannten optischen Gründen, von denen vorhin die Rede war. Wenn Sie trotzdem nach außen hin den Eindruck zu erwecken trachten, als ob die Durchführung des Wehrpflichtgesetzes und der ganze Wehraufbau sehr viel schneller vor sich gehen könnten und als ob es Ihr Wille sei, daß alles sehr viel schneller über die Bühne ginge, dann müssen wir Ihnen entgegenhalten: Warten Sie zunächst einmal ab, was sich aus der gegenwärtigen Erschütterung Ihrer bisherigen eigenen Pläne und des militärischen Lagebildes ergibt. Herr Strauß hat von reappraisal gesprochen. Es ist ein komisches Wort. Ich weiß nicht, wie es sich schreibt. Aber er hat dargetan, es handle sich um eine Umwertung aller Werte bei der NATO. Dann warten Sie doch bitte auch einmal ab, was dabei herauskommt! Warten Sie auch ab, was bei der politischen Umwertung der NATO herauskommt! Es hat wenig Sinn, daß Sie einfach nur auf alten Straßen weitermarschieren wollen.
Zum andern möchte ich am Schluß als politische Bemerkung hervorheben: Da es feststeht, daß Sie vor Herbst nächsten Jahres bestenfalls nur zum Schein einige tausend Wehrpflichtige einziehen könnten und daß keinerlei militärische Planungsgründe dafür sprechen, da weiter feststeht, daß im nächsten Frühherbst ein neues Parlament gewählt wird und eine andere Bundesregierung hier die Zügel ergreift,
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- ganz gleich, wie sie im einzelnen zusammengesetzt sein mag - da also feststeht, daß eine andere Bundesregierung an die Stelle der bisherigen tritt, scheint es uns, daß Sie demokratische Grundsätze verletzen, wenn Sie heute versuchen, im voraus vollendete Tatsachen zu schaffen,
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womöglich in der Hoffnung, dadurch eine Entwicklung einleiten zu können, die auch spätere Regierungen nicht mehr aufhalten könnten.
Herr Strauß hat gestern im Rundfunk gesagt, und heute hat er es zitiert: Die Bundeswehr solle aus dem tagespolitischen Streit endlich herausgehalten werden, wenn nicht alles Ansehen bei unseren Freunden verlorengehen und wir zum Gespött unserer Gegner werden sollten. Wenn wir uns darüber einig sind, daß andererseits, Herr Minister Strauß, die Grundsätze der Militärpolitik und die Fragen des Gesamtumfangs der Bundeswehr wie auch die Frage der Zeitplanung in bezug auf die Durchführung der Wehrpflicht hochpolitische Streitfragen sind und bis zur Neuwahl des Bundestages bleiben werden, dann haben wir im übrigen gegen den zitierten Satz nichts einzuwenden.
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- Wahl gewinnen oder Wahl verlieren, meine Damen und Herren, hier geht es um eine der entscheidendsten politischen Fragen unseres Volkes. Sie kann nur durch die Wahl entschieden werden!
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Sie selbst haben es in der Hand, durch einen Verzicht auf die überstürzte Durchführung der Wehrpflicht die vorhandene Bundeswehr davor zu bewahren, daß sie in eine Situation gebracht wird, der sie nicht gerecht werden kann und in der sie dann zwangsläufig Gegenstand verschärfter öffentlicher Auseinandersetzungen werden müßte. Musterung und Einziehung der ersten Wehrpflichtigen unmittelbar vor Beginn des Bundestagswahlkampfes würden wirklich das Staatsgefüge gefährden und die Unteroffiziere und Offiziere der Bundeswehr in eine außerordentlich schwierige Lage gegenüber dem Volke bringen, eine schwierigere Lage als je seit 30 oder noch mehr Jahren. Was die Truppe braucht, ist in erster Linie Ruhe für eine organische Entwicklung. Sie ist ohnehin noch lange nicht gefestigt genug, um die starke öffentliche Kritik mit einem gewachsenen Selbstbewußtsein hinzunehmen, um aus berechtigten Hinweisen zu lernen, und auch nicht stark genug, um Fehlurteile und Vorurteile zu ertragen. Wenn sich in Diskussionen Truppenoffiziere beschweren, die CDU/CSU betrachte den Soldaten nur als Mittel zum Zweck und die Opposition betrachte ihr nur als notwendiges Übel, so muß man daraus
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erkennen, daß sie einstweilen noch nicht verstanden haben, daß niemand hier in diesem Saale die Soldaten zum Selbstzweck machen will und daß niemand sie zu einem erwünschten Heil machen will. Hier fehlt es wirklich noch an Verständnis für die politische Situation unseres Volkes. Da braucht es noch Zeit bei diesen Soldaten.
Wohl aber haben Gesetzgeber und Regierung die Pflicht, die soziale, die rechtliche, die staatspolitische Stellung des Soldaten von vornherein sorgfältig zu fundieren. Uns scheint, das Parlament würde diese Aufgabe gröblich verletzen, wenn es die gegenwärtigen 65 000 Berufssoldaten ohne jede militärische Notwendigkeit in den offenen Konflikt einer Wehrpflichtdurchführung hineinstürzen wollte.
Meine Damen und Herren, wir lehnen Ihre Vorlage ab und bedauern, auch der Überweisung an die Ausschüsse nicht zustimmen zu können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige zweistündige Ablauf dieser Debatte beweist, daß die Antragsteller schlecht beraten waren, als sie nach einer Geschäftsordnungsdebatte diesen Punkt auf die heutige Tagesordnung setzten, anstatt sich in der wesentlich ruhigeren Atmosphäre eines anderen Tages dieser Diskussion zuzuwenden. Vielleicht ist auch noch daran zu erinnern, daß es angesichts der gegenwärtigen Situation zweckmäßiger gewesen wäre, unserem Rat zu folgen, diesen Gesetzesvorschlag ohne Aussprache und ohne Begründung dem Ausschuß zu überweisen und die hochpolitische Debatte an einem anderen Tag stattfinden zu lassen, an dem unsere Bevölkerung mehr Verständnis für eine wehrpolitische Diskussion in diesem Hause haben würde als angesichts der letzten Nachrichten, die den Hintergrund noch wesentlich makabrer darstellen, als es hier vom Verteidigungsminister schon geschildert wurde. Es wäre besser gewesen, zu einem anderen Zeitpunkt ein solches Verständnis zu suchen, das heute in dieser Situation draußen nicht gefunden werden kann. Wir sollten auch alles vermeiden, angesichts der zweigeteilten Situation Deutschlands auch nur einen Vorwand für jene zu liefern, die sich möglicherweise durch eine solche Debatte provoziert fühlen könnten.
Ich möchte nun zur Sache kommen. Wir, die Freie Demokratische Partei, haben bereits in der zweiten Lesung des Wehrpflichtgesetzes am 4. Juli dieses Jahres durch unseren Kollegen Atzenroth einen Antrag begründen lassen, den § 5 des Wehrpflichtgesetzes so zu fassen, daß eine zwölfmonatige Grundwehrdienstzeit eingeführt worden wäre. Dieser Antrag ist in der zweiten Lesung abgelehnt worden. Es fielen harte Worte: 18 Monate und was darunter ist wäre organisierter Massenmord. Wir haben in der dritten Lesung noch einmal beschwörend darauf hingewiesen, daß ein Wehrpflichtgesetz, das das Wichtigste, nämlich die Dienstzeit, nicht regele, ein unvollständiges Gesetz, ein Torso sei, der es nicht rechtfertige, daß man vor den Parlamentsferien bis frühmorgens 4 Uhr eine so angespannte Diskussion führte. Wir wollten schon damals durch unseren Antrag, den § 5 zu ersetzen, dieses Gesetz wenigstens zu einem perfekten Gesetz machen. Auch in der dritten Lesung ist dieser Antrag abgelehnt worden.
Nun, wir geben heute unserer Genugtuung Ausdruck, daß die Bundesregierung nunmehr durch diese Gesetzesvorlage sich unsere damaligen Argumente zu eigen macht und einen zwölfmonatigen Grundwehrdienst vorschlägt. Wir geben auch unserer Genugtuung darüber Ausdruck, daß - wie in der Begründung zu dieser Gesetzesvorlage ausgeführt - sich der Anteil der Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen von damals 230 000 Mann auf 300 000 Mann erhöhen würde, wenn man an dem Limit von 500 000 Mann festhalten sollte, was sehr unwahrscheinlich ist. Schon damals haben wir erklärt, in den modernen Armeen müsse der Anteil der Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen bei Luftwaffe und Marine bei 90 %, beim Heer bei etwa 60 % liegen, also würde notwendigerweise auch bei uns der Schwerpunkt unserer Wiederbewaffnung auf den Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen liegen, und daher komme dem Wehrpflichtgesetz in dieser Situation eine untergeordnete Bedeutung zu.
Vom Kollegen Majonica ist auch davon gesprochen worden - indem er meinen Parteifreund Haas aus München zitierte -, daß die Freien Demokraten möglicherweise angesichts der jüngsten außenpolitischen Ereignisse eine Änderung ihrer wehrpolitischen Haltung vornehmen würden. Mitnichten, meine Damen und Herren! Wir fühlen uns durch die letzten Ereignisse mehr denn je in dem bestätigt, was wir diesem Haus und seinem Regierungschef in wehrpolitischen Fragen vorgetragen haben. Ich darf Sie daran erinnern, Herr Kollege Majonica, daß wir in dem am 31. Januar 1956 mit der Unterschrift des Vorsitzenden unserer Fraktion und Partei an den Herrn Bundeskanzler geleiteten Memorandum zur Wehrpolitik - das in der Hauptsache von mir verfaßt war -, d. h. vor nahezu zehn Monaten - ich bitte Sie, sehr aufmerksam zuzuhören -, folgendes als das Dringendste empfohlen haben.
Die Sowjetzone
- so hieß es in unserem Memorandum ist durch die Aufstellung von 7 Volkspolizeidivisionen, einer Volksmarine und einer Volksluftwaffe der Bundesrepublik auf dem Gebiet der praktischen Wehrpolitik weit voraus. Auch wenn man den Kampfwert der Sowjetzonenstreitkräfte nicht hoch veranschlagt und mit Recht auf den Mangel an zuverlässigen und qualifizierten Offizieren und Unteroffizieren hinweist, bleibt die Bewaffnung der Sowjetzone eine große staatspolitische Gefahr für die Bundesrepublik.
Diese Gefahr ist um so größer, da im Jahr der amerikanischen Präsidentschaftswahlen und großer eigener Sorgen eines Teiles unserer Bündnispartner im Nahen Osten und in Afrika sich durchaus ein Anreiz zu innerdeutschen Aktionen bei den Sowjetzonenmachthabern ergeben könnte, wenn die Bundesrepublik nicht binnen kürzester Frist über einen genügenden Selbstschutz verfügt. Aus diesem Grunde hat die Fraktion in der Kabinettssitzung vom 20. November 1955
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- als wir noch Mitglied dieser Regierung waren der dringenden Übernahme des Bundesgrenzschutzes zugestimmt, um in wenigen Monaten durch die Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes mit den ersten schweren Waffen und durch die Auffüllung dieser Kader durch Freiwillige noch in diesem Jahr drei einsatzbereite Divisionen aufzustellen.
Meine Damen und Herren, wir stellen fest, daß man diesem Rat nicht gefolgt ist, daß man wertvolle Zeit hat verstreichen lassen, daß wir den sechsten Schritt - nämlich das Wehrpflichtgesetz ohne Dienstzeit - vor dem fünften, vierten und dritten Schritt getan haben.
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Nach wie vor fehlt heute das Besoldungsgesetz, das auf den Freiwilligenzuwachs sehr attraktiv gewirkt hätte; es fehlt das Versorgungsgesetz, das manche Unsicherheit im Kreis unserer Freiwilligen bereits beseitigt hätte; es fehlt das Organisationsgesetz, es fehlt die Beschwerdeordnung, es fehlt die Disziplinarordnung, es fehlt das Gesetz über den Wehrbeauftragten. Wer wagt heute noch in diesem Hause zu behaupten, daß die Art unserer Planung den primitivsten Forderungen nach einem Selbstschutz gerecht geworden ist?
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Jetzt muß der neue Bundesverteidigungsminister alles tun, um wenigstens in den nächsten Wochen zusammenzubringen, was an Selbstschutz zusammengebracht werden kann, weil man in der Vergangenheit bei uns in theoretischen Planungen bis zum Jahre 1961 operiert hat, das Nächstliegende aber, einen Selbstschutz aufzubauen, leider übersehen hat.
Es ist auch nicht wahr, daß wir Freien Demokraten das Prinzip einer Verteidigungspflicht jemals preisgegeben hätten. Herr Kollege Majonica, ich bitte Sie, nachzulesen, was wir in der zweiten Lesung am 4. Juli 1956 und in der dritten Lesung am 6./7. Juli 1956 dazu gesagt haben. Ich muß es leider, weil unsere Haltung immer wieder im Lande verleumdet wird, hier vorlesen. Ich wünschte, ich könnte mir das ersparen. Es heißt im Stenographischen Bericht der 159. Sitzung des Bundestages:
Wir Freien Demokraten haben niemals das Prinzip der allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht preisgegeben, wie es in falschen, oft bewußt diffamierenden Darstellungen hier und da zu lesen ist. Wir bekennen uns nach wie vor zu dem Grundsatz, daß, wer die Grundrechte eines Volkes für sich in Anspruch nimmt, auch bereit sein muß, ein gewisses Maß von Grundpflichten auf sich zu nehmen. Eine dieser Pflichten ist, zur allgemeinen nationalen Verteidigung des Volkes beizutragen, auch durch die Übernahme soldatischen oder soldatenähnlichen Dienstes oder eines allgemeinen Verteidigungsdienstes im Sinne der Sicherung unserer Grundfreiheiten.
Wir glauben aber, meine Damen und Herren, daß gewisse frühere Vorstellungen von der allgemeinen Wehrpflicht zwangsläufig überholt sind und daß man daher nicht mehr mit den alten Begriffen der Wehrpflicht operieren kann. Es ist keine allgemeine Wehrpflicht mehr, wenn wir ganze Berufszweige aus dieser Wehrpflicht ausklammern müssen: den Bergbau, die eisenschaffende Industrie, einen großen Teil der Spezialarbeiter, vielleicht zu einem Teil die Landwirtschaft.
Im totalen Krieg, der uns drohen könnte, ist Strategie die Summe politischer, wirtschaftlicher, sozialer, propagandistischer und militärtechnischer Maßnahmen. Uns ist der Mann, der für uns unter Tage die Kohle fördert, der an seinem Reißbrett weiterplant, der weiter in den Kraftwerken an den Hebeln dreht oder der weiter für die Versorgung der Bevölkerung arbeitet - möglicherweise im Katastrophenfall -, wichtiger als der, der sich gegenwärtig in Andernach mit der Handhabung einer Waffe vertraut macht.
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Wir wollen daher den Begriff der allgemeinen Wehrpflicht, die gar keine allgemeine mehr ist, erweitert wissen auf eine allgemeine Verteidigungsdienstpflicht aller Bürger. Denn man kann das Problem der Sicherung unserer Nation nicht aus dem schmalen Sektor der mobilen Truppe allein sehen.
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Das große Gebiet des Luftschutzes, das große Gebiet des Civil defence, der Heimatverteidigung und des Zivilschutzes, gehört mit in den Problemkreis. Herr Kollege Stücklen, hier ist so viel von der ungarischen Tragödie gesprochen worden, - ich glaube, sowohl Ungarn als auch die Ereignisse im Nahen Oosten gestatten noch nicht, endgültige militär-fachliche Schlüsse zu ziehen, weil wir noch gar nicht wissen, wohin die Entwicklung möglicherweise noch treibt. Aber eines habe ich aus den ungarischen Ereignissen gelernt: man hat im ersten Augenblick nach Blutkonserven, nach Medikamenten, im zweiten nach Ernährungsgütern, hochkonzentrierten Nahrungsmitteln und Verbandstoffen gerufen, und erst in der dritten Phase rief man nach Waffen und Munition. In einem Katastrophenfall mit den massenvernichtenden Waffen, auch schon der nicht atomgeladenen Geschütze und Panzer und Flugzeuge, ist die Zivilbevölkerung heute doch der Teil, der zunächst am meisten in Mitleidenschaft gezogen wird. Und wieviel mehr sind die Erfahrungen aus Kairo und aus Budapest auf das dicht besiedelte Ruhrgebiet und auf das zusammengedrängte Bevölkerungspotential der Bundesrepublik anzuwenden!
Wir glauben also, daß wir im Ausschuß für Verteidigung bei der Diskussion dieses Gesetzes auch die übrigen Sachgebiete sehr intensiv behandeln müssen, die durch dieses Gesetz und das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht angerührt werden. Uns ist, wenn es zu einer Zuspitzung der internationalen Lage kommt und wenn auch das zweigeteilte Deutschland in den Bereich bewaffneter Aktionen gerät, der Arzt, der in Hamburg an seinem Operationstisch stehen bleibt, die Krankenschwester, die da stehen bleibt, der Fahrer, der die Versorgung der Großstädte in der Nähe der Zonengrenze weiterbetreibt und nicht mit seinem Kraftfahrzeug sich panikartig auf die Autobahn begibt und mit anderen nach Westen strömt, uns ist der, der im Elektrizitäts- und im Wasserwerk an seinem Platz stehen bleibt und die Versorgung der Bevölkerung sicherstellt, für die Gesamtentwicklung unserer Verteidigung möglicherweise wichtiger als der, der sich als Soldat zu einer Gegenaktion in Bewegung setzt. Wir haben doch im Jahre 1940 in Frankreich erfahren, wie auch das Operieren mobiler militärischer Verbände steht und fällt mit dem Verhalten
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der Zivilbevölkerung in dem Raum, sei es, daß sie die Nerven behält und an ihrem Posten bleibt und möglicherweise durch eine nationale Verteidigungspflicht gezwungen ist, auf dem Posten auszuharren, sei es, daß sie sich auf die Straßen ergießt und alle Bewegungen der mobilen Truppe blockiert.
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- Das widerspricht nicht der 12-Monate-Dienstzeit, die wir ja selber zu einer Zeit, als Sie sie noch nicht wahrhaben wollten, vorgeschlagen haben und der wir auch in diesem Fall zustimmen. Das beweist aber -- bei der ersten Lesung eines Gesetzes sollen ja die Prinzipien diskutiert werden -, daß man weit über das hier Vorgeschlagene hinaus denken und organisieren muß, wenn man eine effektive Notwehr für unsere Nation schaffen will.
Ich wende mich mit dieser Feststellung gegen jene, die von einem Umdenken der Freien Demokraten wissen wollen. Im Gegenteil, wir hoffen, daß, nachdem sich das schon bei diesem Gesetz zeigt, die Bundesregierung sich auch noch in anderen Planungen unseren Vorschlägen anschließt, die, wie wir glauben, moderner waren als die früheren amtlichen Planungen. Wir haben über den Radford-Plan, Herr Kollege Lücke, hier schon zu einer Zeit gesprochen und seine Konsequenzen aufgezeigt, als die Regierung von der Existenz dieses Plans überhaupt noch nichts wissen wollte. Später wurde mit dem gleichen Radford-Plan jene Veränderung der Dienstzeit von 18 Monaten auf 12 Monate begründet.
Ich darf hier einige Sätze auch an die Adresse unserer Partner richten. Es ist für uns kein Zweifel, daß wir treu zu den Verpflichtungen stehen, die wir Freien Demokraten mitbeschlossen haben, und die Annahme des Freiwilligengesetzes, des Soldatengesetzes und der Vorwegbewilligungen beweist, daß wir zu diesen Verpflichtungen stehen. Aber für uns sind die Verträge, NATO wie Westeuropäische Union, nicht der Weisheit letzter Schluß. Vielmehr muß man sie unserer Meinung in den allgemeinen, nicht nur politischen, sondern auch strategischen Entwicklungsprozeß hineinstellen und prüfen, welche neuen Konstruktionen sich möglicherweise aus den neuen Situationen zwangsläufig ergeben müssen. Wir haben hier konkrete Vorschläge gemacht. Wenn uns seitens der NATO-Partner vorgeworfen wird, daß wir uns einer Verpflichtung entziehen, indem wir nur 12 Monate Dienstzeit beschließen, während die NATO-Partner selber in der Masse 18 oder gar 24 Monate Dienstzeit haben, so ist diesem Argument durchaus ein Gegenargument entgegenzuhalten. Die überseeischen Staaten, vor allem die großen Nationen, haben überseeische Verpflichtungen. Wir haben keine Verpflichtungen dieser Art, aber wir haben andere Verpflichtungen, die bei diesen Staaten nicht sichtbar sind. Wir haben die gewaltigen Hypotheken des zweigeteilten Deutschland und des verlorenen Krieges mit einem Substanzverlust von fast 7 Millionen Menschen. Die Verluste der deutschen Bevölkerung - das darf hier einmal ausgesprochen werden - sind prozentual die größten Verluste aller kriegführenden Nationen des zweiten Weltkriegs. Der biologische Substanzverlust an Toten und Vermißten beträgt bei uns 10 % unserer Bevölkerung. Wir haben 8 Millionen Vertriebene, wir haben 2 Millionen Sowjetzonenflüchtlinge, d. h. die gewaltige soziale Hypothek von 10 Millionen Menschen mehr in diesem westdeutschen Raum. Wir haben 41/2 Millionen rentenberechtigte Kriegsopfer. Wir haben die Hypothek des zweigeteilten Deutschlands mit handelspolitischen Schwierigkeiten, mit der Versorgung Berlins. Ich könnte die Reihe dieser Hypotheken noch fortsetzen.
Das beweist doch auch unseren Partnern, daß wir die Menschen aus unserer Produktion zur Waffenausbildung nur so viele Monate herausziehen können, als unbedingt nötig ist, um diesen Menschen das Notwendigste in der Handhabung der Waffen beizubringen. Die Spezialwaffen werden ohnehin in zwölf, auch in 24 Monaten denjenigen, die als Dienstpflichtige eingezogen werden, nicht vertraut gemacht werden können. Man muß die Handhabung jener elektronischen, jener technisierten Waffen also Berufssoldaten und längerdienenden Freiwilligen überlassen.
Aber unsere Leistungsfähigkeit hat dort eine Grenze, wo die Verpflichtung gegenüber der sozialen Hypothek beginnt. Das Leben ist in dem Maße verteidigungswert, in dem es für jedermann auch lebenswert geblieben ist. Wir können daher volkswirtschaftlich nicht mehr an Herauslösung von Kräften aus der Produktion ertragen, als zur Waffenausbildung unbedingt nötig ist. Wir müssen so viel Menschen wie möglich an dem Produktionsprozeß teilhaben lassen. Das Problem der Wehrdienstzeit stellt sich mit dieser gewaltigen Sozialhypothek in Deutschland somit ganz anders als in jenen Staaten, die glücklicherweise nicht von ähnlichen Lasten betroffen sind.
Meine Damen und Herren, ich darf für die Fraktion der Freien Demokraten erklären, daß wir der Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Verteidigung zustimmen, daß wir die Gelegenheit der Debatte im Verteidigungsausschuß dazu benutzen werden, unsere Gedankengänge zu einer Vertiefung dieses Gesetzesvorschlags vorzutragen, insbesondere zu erfahren, welche Maßnahmen der Verteidigungsminister für die Zivilverteidigung, für den Luftschutz und für den Strahlenschutz zu treffen gedenkt. Ich darf auch erklären, daß wir den neuen Verteidigungsminister aus der Überzeugung, daß er modernen Planungen aufgeschlossen ist, in seinem Bemühen unterstützen werden, Qualität an Stelle von Quantität zu setzen und immer zu prüfen, wie das gewaltige Opfer der deutschen Wiederbewaffnung so effektiv wie möglich gestaltet werden kann. Denn wenn wir schon 12 Milliarden DM - soviel werden es doch in jedem Jahr - für unsere Sicherheit ausgeben müssen, wenn wir 150 000 oder 300 000, wer weiß, ob vielleicht auch noch mehr Menschen aus dem Produktionsprozeß herausziehen und ihnen das Opfer soldatischen Dienstes zumuten, dann soll dieses Opfer unserer Nation zu einem Höchstmaß an Verteidigungskraft führen. Sonst wäre es sinnlos. In diesem Bemühen werden wir den neuen Verteidigungsminister genauso unterstützen, wie wir es früher getan haben. Wir hoffen, daß unsere Vorschläge jetzt ein bereiteres Ohr finden, als das früher der Fall war.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das hier in erster Lesung behandelte Gesetz ist das erste Wehrgesetz, das dem Hause seit der Umbesetzung des Ministeriums vorliegt. Ich möchte daher im Interesse der Sache sehr
({0})
wünschen, daß der neue Minister die Chance, seine Chance, die in jedem Neubeginn liegt, nützt, daß wir in diesem Hause mit ihm zu einer guten Zusammenarbeit kommen, wie die Sache sie verdient. Wir möchten erreichen, daß die Bundeswehr endlich nicht eine Armee von Regierung oder Koalition, sondern eine Sache des Volkes wird, daß wir erreichen, daß die Bundeswehr endlich aus ihrer schlechten Position herauskommt, in welche sie durch die Art der Austragung von Gegensätzen bei den Beratungen im Rahmen der Gesetzgebung gelangt ist. Wir möchten erreicht wissen, daß künftig vermieden wird, daß wichtige Gesetze, wie es auch beim Wehrpflichtgesetz der Fall war, als politische Demonstrationen - und es zeigt sich heute sehr deutlich, wie völlig unnötig solche politischen Demonstrationen sind - in einer der Sache nicht zuträglichen Abhängigkeit von den sich wandelnden Mehrheitsverhältnissen in diesem Hause gemacht werden.
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Wir möchten hoffen, daß die ja allgemein bekannte süddeutsche Liebenswürdigkeit des Herrn Ministers
({2})
und die ihm aus seiner Tätigkeit als Altphilologe und Historiker sicher eigene Kenntnis der Weisheit von Jahrhunderten
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sein Amt erleichtern. Das möge auch, Herr Minister, dazu führen, daß Sie Ihre politischen Überlegungen nicht auf einer so vereinfachten Basis durchführen, wie wir es in diesem Hause auch heute wieder gehört haben.
({4})
Wir hätten es sehr begrüßt, wenn der neue Minister, bevor es zu dieser ersten Beratung eines Gesetzes in seiner Amtsperiode gekommen ist, diesem Hause die Grundzüge seiner Planung, seiner Gedankengänge vorgetragen hätte. Ich will mir nach den sehr langen Ausführungen meiner Vorredner versagen, auf Einzelheiten einzugehen, möchte aber noch einmal mit allem Ernst darauf hinweisen, daß es mir dringend notwendig erscheint, daß vom Verteidigungsministerium, insbesondere von dem Verteidigungsminister selbst, den Einrichtungen in der Bundeswehr, die dem Schutz des Lebens dienen, wesentlich größere Aufmerksamkeit zugewandt wird, als das bisher geschehen ist. Ich bin bereit, das in den Ausschußberatungen sehr eingehend zu begründen.
Ich möchte bei Gelegenheit der ersten Beratung dieses Gesetzes nur ganz kurz darauf hinweisen, daß das Wehrpflichtgesetz - bei Anerkennung des Prinzips der allgemeinen Wehrpflicht - von uns unter anderem deshalb abgelehnt worden ist, weil es wegen Fehlens einer Regelung über die Dienstzeitdauer unvollständig war und weil wir einen unzumutbaren Verstoß gegen die notwendige Systematik der Wehrgesetzgebung, was nach unserer Auffassung mit der Sorge für die Soldaten unvereinbar war, gesehen haben, weiterhin, weil wir der Meinung waren, daß wichtige psychologische und organisatorische Vorbereitungen nicht getroffen waren; die Vergangenheit hat es gezeigt, wiewichtig sie gewesen wären. Nun, wir stellen fest, daß der Herr Minister bei der gestrigen Pressekonferenz Argumente gebraucht hat, mit denen wir schon vor vier Monaten unseren Standpunkt begründet haben. Wir begrüßen diese Einsicht und bedauern nur, daß sie so spät kommt. Wir möchten hier eine Warnung aussprechen und zugleich hoffen, daß die Anerkennung begründeter Ratschläge künftig nicht immer vier Monate hinausgeschoben wird.
Der Herr Minister hat kürzlich vor der Gefahr einer Schaukelpolitik zwischen Ost und West als einem Rückfall in eine unselige Geisteshaltung gewarnt. Nun, meine Damen und Herren, bleiben wir bei Näherliegendem: unsere Soldaten 'werden, glaube ich, keinen guten Halt haben bei einer Schaukelpolitik zwischen verspäteter Einsicht und parteitaktischen Überlegungen.
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Es findet unsere volle Zustimmung, wenn gewünscht wird, daß die Bundeswehr von der Beeinträchtigung durch die Tagespolitik freigehalten wird. Wir werden daher - gerade daher - sehr sorgfältig prüfen, ob die Begründung einer Dienstpflicht von zwölf Monaten dieser neuen Auffassung auch wirklich entspricht. Bisher haben wir immer nur Begründungen - und dazu noch sehr gute - für eine Dienstzeit von achtzehn und mehr Monaten gehört. Wir würden es sehr bedauern, wenn sich ein Verdacht, der schon aufgekommen ist, als berechtigt erweisen sollte: daß auch dieses Dienstzeitgesetz wieder sachfremden Einflüssen einer Tagespolitik, diesmal vielleicht einer Wahltagespolitik, unterliegt.
Das vorliegende Gesetz soll einen auch von uns gerügten Mangel des Wehrpflichtgesetzes beseitigen. Wir stimmen seiner Überweisung an den Verteidigungsausschuß zu.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen, weil wir alle noch ein großes Programm vor uns haben und wir von der Freien Volkspartei uns im übrigen der Auffassung, die der Bundesminister für Verteidigung vorgetragen hat, und den Ausführungen meines Kollegen Majonica anschließen.
Ich möchte mich wirklich an die Verabredung halten, die im Ältestenrat getroffen worden ist, hier nur zu dieser Vorlage im engsten Sinne zu sprechen. Ich habe eigentlich nicht recht verstanden, warum mein Kollege Schmidt zu dem Termin der Einziehung gesprochen hat. Der steht ja in dieser Vorlage, jedenfalls in der, die mir vorliegt, überhaupt noch gar nicht drin. Ich möchte mich auch nicht mit den sehr tragischen Mißständen beschäftigen, die sich beim Aufbau der Bundeswehr gezeigt haben, auch nicht mit Einzelheiten wie beispielsweise mein Kollege Schmidt ({2}), der sich hier so ungefähr als Beschützer des Unteroffizierskorps und zum Teil auch des Offizierskorps aufwirft, wenn er sagt, ,die Unteroffiziere und Offiziere seien noch nicht in der Lage, etwa Wehrpflichtige auszubilden. Ich meine, das alles können wir - dazu sind die Ausschüsse ja da - nachher im Ausschuß besprechen. Es ist noch Zeit dazu, einen großen Teil der Mängel, vielleicht auch alle, abzustellen. Jedenfalls haben meine politischen Freunde und ich das volle Vertrauen zum
({3})
neuen Bundesverteidigungsminister, daß er in der Lage sein wird, diese Mängel zu beheben oder uns zur rechten Zeit vorsorglich entsprechende Vorlagen zu machen, die z. B. die Höhe des Kontingents und andere Fragen betreffen.
({4})
Aber nun möchte ich Sie nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Ich muß nur zwei kleine Rückgriffe machen, wie es einige Sprecher vor mir auch getan haben, und zwar deshalb, weil die Freie Volkspartei seinerzeit dem Wehrpflichtgesetz zugestimmt hat. Sie hat dies aus zwei Gründen getan. Namens meiner politischen Freunde habe ich damals ausführen dürfen, daß einmal aus dem Recht der Freiheit die Pflicht zu ihrer Erhaltung erwächst. Gerade diese staatsbürgerliche Verpflichtung - so sagten wir damals, und wir stehen noch heute auf diesem Standpunkt - muß auf möglichst viele Schultern verteilt werden, auf die Schultern aller, denen ,der Schutz und die Sicherheit des Staates erst ihre eigene Sicherheit und ihren eigenen Schutz ermöglichen. Dazu kommt die Auffassung - die wir damals am Schluß zum Ausdruck brachten -, daß auch in der Demokratie der Dienst mit der Waffe zu den Bürgerpflichten gehört. Denn das Geheimnis unseres Erfolges in unserer Gesellschaftsordnung ergibt sich doch aus der Anerkennung der Freiheit der Person und der freiwilligen Bindung des einzelnen an die Gemeinschaft aller freien, selbständigen Menschen. Wir kennen da keinen Unterschied zwischen Freiheit und Unfreiheit. Denn da gibt es keinen Kompromiß. Wer die Freiheit durch das Meiden von Pflichten zu erlangen sucht, gerät nach unserer Auffassung in die Sklaverei.
({5})
Deshalb muß jeder staatsbewußte Bürger jeder Altersklasse Bürgerdisziplin und Einordnung anerkennen. Ich meine, die Verhältnisse in Ungarn sollten uns doch ein eindeutiger Beweis dafür sein.
Wir sind deshalb auch der Auffassung, daß diejenigen Politiker recht behalten haben, die erklärt haben, daß man mit den Sowjets nur verhandeln könne, wenn man selbst über die militärische Stärke verfüge, die sie selbst entwickelt hätten.
({6})
Das ist nach meinem Dafürhalten nicht Sturheit - das wird mir als altem Panzermann von meinen politischen Gegnern im Kommunalwahlkampf so gerne vorgehalten -, nein, ich behaupte, das ist nicht Sturheit, sondern die rauhe Wirklichkeit, wie sie uns durch die tragischen Ereignisse in Ungarn wieder einmal sehr eindeutig vor Augen geführt wurde.
({7})
In Europa sind nun einmal die Möglichkeiten militärischer Aktionen sehr zahlreich, und für die europäischen Partner der NATO ergibt sich daraus zwingend die Notwendigkeit einer vielfältigen und vielseitigen Abwehr, die allerdings dem gegebenen Potential jedes einzelnen Landes - und da sind wir autonom - entsprechen muß.
Daraus läßt sich schließen, daß die Landstreitkräfte in der Ausrüstung, der Bewaffnung und der Ausbildung befähigt sein müssen, alle überhaupt vorstellbaren Kampfverfahren anzuwenden. Man soll mir nicht damit kommen, daß nun in der Umrüstung, über die wir heute nicht im einzelnen sprechen wollen - wir wollen das Thema nicht vertiefen -, von den NATO-Partnern ganz andere Standpunkte vertreten würden.
Vor wenigen Tagen hat die „Times" geschrieben, daß das in Frage stehende Problem in der Feststellung gipfele: Bis zum Jahre 1958 muß die Öffentlichkeit in England von der Notwendigkeit der Bodentruppen überzeugt werden, selbst wenn dies das Eingeständnis bedeutet, daß das große Abschreckungsmittel seine Grenzen und Schwächen hat, die sich gerade aus seiner Stärke ergeben.
Nun kann man in der Politik überhaupt nicht mit festen militärischen Faktoren rechnen, weil technisch noch alles ungewiß, wandelbar und im Fluß ist. Aber es gibt doch einige feststehende Regeln für Ausbildung und Bewaffnung, und eine der ersten - ich durfte sie in einer andere Debatte schon einmal anführen - verlangt mit Recht, daß sich Ausbildung und Bewaffnung nach Art und Stärke des möglichen Gegners zu richten haben. Die Frage darf daher nicht lauten, wie kurz die Ausbildung sein soll oder welche Dienstzeit für die Wirtschaft tragbar ist, sondern die Forderung muß dahin gehen, die beste Ausbildung zum vollwertigen Kämpfer sicherzustellen.
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Denn auch dies ist eine Binsenwahrheit: ein im Frieden erworbenes gründliches Können spart im Verteidigungsfall Blut.
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Der Kämpfer der Neuzeit muß den schweren Anforderungen, die ein Kampf uns auferlegen würde, auch den Bedingungen seelischer und kämpferischer Art des modernen Krieges unter allen Umständen gewachsen sein. Diesen hohen Anforderungen kann eben nur durch eine lange Ausbildung, durch gute Ausrüstung und Bewaffnung und auch durch Erziehung entsprochen werden.
Ich möchte aber davor warnen, was ein auch mir bekannter Militärschriftsteller vor wenigen Tagen in einer großen Tageszeitung geschrieben hat: die Wehrpflichtigen hätten auf Grund des geringeren Ausbildungsstandes vornehmlich die Aufgabe, Hilfsdienste zu leisten. Meine Damen und Herren, das kann kein militärischer Ausbilder und Erzieher verantworten!
({10})
Wir hätten es lieber gesehen, man hätte sich den Notwendigkeiten angepaßt, nicht etwa, weil die anderen Verbündeten auch eine längere Dienstzeit haben und zum Teil die Wehrpflicht. Wir hätten es lieber gesehen, man hätte den Bundestagsausschuß für Verteidigung beauftragt, dem Hohen Hause in einiger Zeit darüber zu berichten, ob und in welchem Umfang von der festgesetzten Dienstzeit, die nach unseren Vorstellungen immer noch 18 Monate betragen sollte, abgegangen werden kann; denn dort sitzen Sachverständige aus allen Fraktionen, die dem Hohen Hause ein durchaus zutreffendes Urteil über diese Frage hätten abgeben können.
Ich will auch darauf hinweisen, daß wir insofern eine gewisse Verpflichtung unseren Bündnispartnern gegenüber haben, als diese von der Voraussetzung ausgehen müssen, daß die künftigen deutschen Verbände gut ausgebildet sind. Sind sie es nämlich nicht, dann kann man die Bürde, die die Vereinigten Staaten und England vornehmlich tragen, nicht ohne eine gewisse Gefahr erleichtern.
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Aber nicht nur dies! In unserem eigenen deutschen Interesse - denn schließlich sind wir die Anrainer möglicher Aggressoren - kann kein militärischer Führer und kein Politiker es verantworten, daß im Verteidigungsfall nur mangelhaft ausgebildete Soldaten eingesetzt werden. Das erfordert Opfer. Sie können sich vorstellen, meine Damen und Herren, daß gerade mir nach meiner früheren Berufszeit immer die schwetsten Vorwürfe von allen Seiten gemacht werden, wenn ich persönlich, aber auch, wenn meine politischen Freunde durch mich als Sprecher in diesem Sinne aufgetreten sind.
Nun wird so viel von den Opfern gesprochen, die der junge Mann zu tragen habe, der durch die Erfüllung der Wehrpflicht einer selbstverständlichen staatsbürgerlichen Verpflichtung nachzukommen hat. Ich frage Sie: Will die deutsche Jugend dieser Generation vergessen oder will sie verschweigen, daß dieser unser Staat erst wieder aus unendlich vielen Opfern das geworden ist, was er heute ist, dieser Staat, in dem die Jugend, die hier angesprochen wird, jetzt alle Segnungen genießt? Will sie sich nicht daran erinnern, daß das nur möglich ist durch die Opfer aller, die nach dem Zusammenbruch Hand angelegt haben? Auch dieses Hohe Haus hat schwere Opfer an Frauen und Männern zu beklagen, die sich im Interesse des Allgemeinwohls geradezu verzehrt haben. Will diese Jugend, wenn sie von dem Opfer spricht - das sie durch den Dienst mit der Waffe dem Staate, ihrem Staate nämlich, zweifelsfrei bringt, ich will dieses Opfer in keiner Weise verkleinern -, nicht mehr wahrhaben, daß sie auch ihr Familienleben, die Tatsache, daß aus ihr etwas Ordentliches geworden ist, und die Möglichkeit, etwas Gutes im Beruf zu erlernen, den Eltern verdankt?
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Erst aus dem Opfer der Mutter, durch den Lebenseinsatz der Mutter wird die Familie geboren, durch die täglichen, ganz außerordentlichen Opfer der Mütter wächst die Familie. Und will diese Jugend das Opfer der Väter vergessen, die Tag für Tag und teilweise Nacht für Nacht nicht nur für sich, sondern für ihre Familie und die Kinder arbeiten? Wie viele Mütter und Väter hungern noch, damit die Kinder etwas Vernünftiges erlernen und werden können! In diesem Sinne erscheint meinen politischen Freunden und mir das Opfer von zwölf oder gar achtzehn Monaten keinesfalls zu groß.
({13})
Gerade die Ereignisse in Ungarn und anderswo zeigen eindringlich, daß man nur durch Opfer die Freiheit erringen und erhalten kann, daß man die Freiheit nur erhalten kann, wenn man auch bereit ist, sie im Bewußtsein der staatsbürgerlichen Verpflichtungen, die jeder gesunde junge Mensch auf sich zu nehmen hat, zu verteidigen. Meine politischen Freunde und ich sind willens und bereit dazu, weil wir, unsere Kinder und Kindeskinder weiterhin in Freiheit, so wie wir sie verstehen, leben wollen.
Deshalb stimmen wir der Ausschußüberweisung zu.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der vorgerückten Stunde werde ich mich kurz fassen. Ich glaube auch, daß die ganze Situation nicht dazu angetan ist, hier viele große Worte zu machen und mit viel Pathos zu sprechen.
Was ich für die Fraktion der Deutschen Partei anläßlich der Wehrpflichtdebatte in diesem Hause gesagt habe, wird durch die Vorkommnisse bestätigt, die in diesen Tagen die ganze Welt erschüttern. Ich glaube, daß diese Erschütterung auch jene Kreise in unserer eigenen Bevölkerung erfaßt hat, die bisher den Maßnahmen, die die Bundesregierung zu treffen gedenkt, ablehnend gegenübergestanden haben. Ich kann 'wohl behaupten, daß die Stimmen derjenigen, die sich eine sachliche Meinung und eine ruhige Überlegung bewahrt haben, sich mehren, die da sagen, daß 'wir unter diesen Verhältnissen selber Maßnahmen treffen müssen, um uns und unser Land gegebenenfalls verteidigen zu können.
Darüber hinaus meine ich, daß dies die Stunde ist, in der der parteipolitische Nebel, der in den letzten Jahren um die Frage der Wiederbewaffnung entstanden ist, endgültig zerrissen werden muß.
({0})
Außerdem muß die Frage der Wiederbewaffnung, die wir hier in vielen Sitzungen ausgiebig erörtert haben und in der die Meinungen der Opposition und der Regierungsparteien oftmals sehr heftig aufeinandergeprallt sind, aus dem politischen Meinungsstreit über die Tagesfragen herausgenommen werden. Vielleicht sollten die Ereignisse in der Welt für alle verantwortlichen Politiker Veranlassung sein, gerade hier in unserem geteilten Lande, wo wir uns an der Grenze des Eisernen Vorhanges befinden, in den Lebensfragen der Nation - das ist die Außenpolitik, und das ist die Wehrpolitik - mehr als bisher zusammenzustehen. Trotz der oftmals etwas lebhaften Bemerkungen, die mein Kollege Schmidt von der Sozialdemokratischen Partei von diesem Platze aus gemacht hat, habe ich durch seine Ausführungen doch hindurchklingen hören, daß die Sozialdemokratie bereit ist, zumindest Überlegungen dahingehend anzustellen, ob die Auffassungen über die Wiederbewaffnung, die in dieser Partei verbreitet sind, vielleicht in etwa einer gewissen Revision unterzogen werden können. Ich meine jedenfalls, wir sollten alles vermeiden, was der Sozialdemokratischen Partei oder jedenfalls einem Teil dieser Partei die Möglichkeit verbauen würde, diesen neuen Weg zu beschreiten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Noch ein anderes lehrt diese sehr ernste Stunde, in der die Ereignisse in der Welt die Gemüter der Völker überschatten: daß es - im Jahre 1951 war es, glaube ich - nicht richtig war, nicht die politische Entscheidung zu fällen, die gefällt werden mußte, sondern damals die Richter anzurufen. Das sollte uns Mahnung sein, in Zukunft immer den Mut zu haben, das zu tun, wofür wir hier in dieses Haus berufen sind,
({1})
und nicht aus taktischen oder parteipolitischen Gründen auf eine andere Ebene auszuweichen.
({2})
Und noch eines. Meine Freunde und ich begrüßen in etwa den Wechsel, der im Verteidigungsministerium eingetreten ist. Wir alle sollten, gleichviel, wie die Leistungen des früheren Verteidi({3})
gungsministers Blank bewertet werden, doch nicht übersehen, daß allein schon eine gewaltige menschliche Leistung und ein ungeheures Wollen hinter diesem Manne gestanden haben.
({4})
Die Aufgabe, das Ministerium und die Truppe gleichzeitig aufzubauen, ist zweifellos über die Kräfte dieses ersten deutschen Verteidigungsministers gegangen. Ich möchte hier aber erklären, daß meine Fraktion und speziell ich als Mitglied des Verteidigungsausschusses dieses Hauses für meine Fraktion dem neuen Minister volles Vertrauen entgegenbringen und daß wir bereit sind, ihn bei seinem schweren Amte zu unterstützen.
Gewiß, es fehlt noch eine große Anzahl Gesetze. Minister Strauß hat es vor der Presse ausgeführt, der Kollege Schmidt hat es hier zitiert. Wir sind überzeugt, daß wir bei etwas zügigerer Arbeit, als sie in der Vergangenheit oftmals geleistet worden ist, in der Lage sein werden, diese Gesetze rechtzeitig zu schaffen.
Darüber hinaus sind meine Freunde und speziell ich, der ich bezüglich der Konstruktion der Streitkräfte, wie sie ursprünglich aufgestellt werden sollten, gewisse Bedenken geäußert hatte, auch sehr glücklich darüber, daß die Auffassungen des neuen Verteidigungsministers hinsichtlich einer modernen Konstruktion der kommenden Streitkräfte sicherlich zum Besten der Wehrmacht selbst, der Sache, der sie gegebenenfalls - was wir uns alle nicht wünschen - dienen soll, und auch zum Besten des Steuerzahlers sein werden.
Besonders berührt hat es mich, daß der Verteidigungsminister von dieser Stelle aus heute ganz klar gesagt hat, daß ihm auch der Schutz der Zivilbevölkerung ein besonderes Anliegen im Rahmen der gesamten Verteidigungsplanung sein werde.
Auch meine Freunde und ich sind uns darüber im klaren, daß durch den zwangsläufig etwas überstürzten bisherigen Aufbau der Streitkräfte mancherlei Mißstände entstanden sind, und ich glaube, sehr viele von Ihnen, meine Damen und Herren, werden Klagen aus allen Kreisen jener Freiwilligen, die sich zur Bundeswehr gemeldet haben oder melden wollten, gehört haben. Wir sind überzeugt, daß auch hier eine ordnende Hand, die die Unterstützung des Verteidigungsausschusses - wie ich erwarten darf, auch der sozialdemokratischen Mitglieder dieses Ausschusses; Herr Schmidt hat es jedenfalls hier schon praktisch dargelegt - erwarten darf, auch diese Mißstände zu beseitigen imstande sein wird.
Ich muß mich allerdings verwahren - freundschaftlich verwahren, lieber Herr Schmidt - gegen Ihre Behauptung, die Maßnahmen, die wir jetzt zu treffen beabsichtigten - nachdem das Wehrpflichtgesetz ordnungsgemäß in diesem Hause verabschiedet worden ist -, verletzten demokratische Grundsätze. Das ist nicht der Fall.
({5})
Wir sind vom gesamten deutschen Volke gewählt, damit wir die politischen Aufgaben wahrnehmen. Es handelt sich um eine politische Frage. Dieses Parlament und diese Regierung sitzen ordnungsgemäß auf ihrem Platz; sie haben die Entscheidung zu treffen, sie haben entschieden, und wir haben uns danach zu richten.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Beratung der ersten Lesung des aufgerufenen Gesetzes.
({0})
- Verzeihung, Herr Minister. Wir hatten das so verstanden, daß Sie, falls Sie noch einmal sprechen wollten, sich erneut meiden würden.
Ich trete wieder in die Beratung ein und erteile dem Herrn Bundesverteidigungsminister das Wort.
Strauß Bundesminister für Verteidigung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist, glaube ich, nicht zu unser aller Freude doch eine längere Debatte daraus geworden, als wir - Freunde oder Gegner des Antrags - ursprünglich gewünscht hatten. Ich darf aber dem Kollegen Schmidt, dem ich in der Hauptsache antworten will, einige Auskünfte auf die von ihm gestellten Fragen geben, weil ich glaube, darauf heute schon eingehen zu müssen und zu diesen Antworten jetzt schon verpflichtet zu sein.
Er hat unter anderem ausgeführt, es fehle in meinen Darlegungen jede Begründung, warum dieses Gesetz über die Länge des Grundwehrdienstes usw. jetzt behandelt werden solle. Ich glaube, daß er nur einen Teil meiner Ausführungen verfolgt hat. Darf ich die Gründe dartun, Kollege Schmidt, ohne sie erschöpfend anführen zu können; aber darf ich drei Gründe nennen.
Ich habe heute mit tiefem Ernste gesagt, daß wir jetzt allen Anlaß haben, durch die Erfüllung der Pflichten auf Grund der von uns abgeschlossenen Verträge unsere Vertragspartner de iure et de facto anzuhalten, daß sie auch ihren uns gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nachkommen.
({1})
Ich glaube, daß der Ernst der gegenwärtigen Lage, die noch in keiner Weise die Aussicht auf eine endgültige gute Lösung bietet, es ohne Rücksicht darauf, wie man zu der Frage der Wehrpflicht steht, wie man zu dem Gesamtkomplex der Verteidigung steht, einfach aus einer zwingenden Lebensnotwendigkeit heraus für uns erforderlich macht, daß die Großmächte des Westens, insbesondere die USA, das Risiko der Verteidigungsbereitschaft für die Bundesrepublik bis zur letzten Konsequenz jetzt gegenüber jedem potentiellen Angreifer ernsthaft glaubwürdig machen.
({2})
({3})
Ich darf einen zweiten Grund nennen, Herr Kollege Schmidt. Ich möchte es völlig unpathetisch sagen. Sie verlangen von Ihrem Standpunkt aus und vom Standpunkt des Parlaments aus durchaus mit Recht, daß Ihnen jetzt die Grundlagen der neuen militärischen Planung, oder sagen wir - es ist keine neue Planung -: einer auf Grund der bisherigen Erfahrungen modifizierten militärischen Planung bekanntgemacht werden. Eine Planung ist nicht zu machen, wenn wir nicht über die Länge des voraussichtlichen Grundwehrdienstes auch in der Zukunft, ohne Rücksicht auf den Einberufungstermin, Bescheid wissen, weil die Zahl der Frei({4})
willigen, der längerdienenden Freiwilligen, die Zahl der Berufssoldaten, auch die Schaffung von Planstellen, wesentlich davon abhängen, damit wir glaubhafte Entwürfe für das Parlament machen können, daß die Zahl der Längerdienenden inklusive der Berufssoldaten und die Zahl der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen in einem nach militärischen Notwendigkeiten angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Darum müssen auch wir wissen, welche Dauer des Grundwehrdienstes vom Parlament festgelegt wird, sonst ist eine Planung nur provisorisch zu machen.
Ich darf den dritten Grund nennen; es ist der wirtschaftliche und soziale Grund. Behörden, Wirtschaft und betroffene Bürger sollen wissen, für welche Zeit sie in ihren persönlichen, beruflichen und familiären Dispositionen bei der Durchführung der Wehrpflicht rechnen müssen. Dazu gehören auch --- ich bitte diese Andeutung nicht als eine Ankündigung zu verstehen -, daß wir denjenigen Wehrpflichtigen, die auf Grund der bei ihnen gegebenen familiären, beruflichen oder ausbildungsmäßigen Lage es vorziehen, ihre Wehrpflicht vor ihrer zwangsweisen Einberufung zu erfüllen, jetzt Klarheit darüber geben wollen; und auf diese Kräfte können wir ja in erster Linie zurückgreifen, was ohne Zweifel viele Probleme erleichtert.
Ich darf einen Irrtum berichtigen. Herr Kollege Schmidt, Sie sind ein sehr geschickter Parlamentarier und ein außerordentlich erfolgreicher politischer Redner; sonst wäre es Ihnen bei der grundsätzlichen politischen Einstellung der SPD gegenüber der Existenz der Bundeswehr nicht gelungen, mit Ihrer Wahlrede in Munsterlager die Zahl der SPD-Gemeinderäte durch die Wahlstimmen der Soldaten um zwei zu erhöhen.
({5})
Das eröffnete ungeahnte Perspektiven für unsere Zusammenarbeit, Herr Kollege Schmidt.
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Aber ich bitte Sie ernsthaft, nicht zu versuchen, zwischen meine Fraktion und mir einen Keil zu treiben, um etwa zu erreichen, daß ein von seiner Fraktion vergewaltigter. Minister gegen sein Gewissen eine von ihm nicht für richtig gehaltene Planung vorzulegen hat.
Ich möchte Ihnen dazu zwei Gedanken vortragen. Daß heute manche Dinge in der Bundeswehr noch nicht so sind, wie Sie sie haben wollen und wie sie sicherlich auch mein Vorgänger und die ganze Regierungskoalition hat haben wollen, geht nicht auf mangelnden guten Willen zurück, sondern zum Teil auch auf die Tatsache, daß es Ihrer Fraktion gelungen ist, mit Erfolg Widerstand in den Vorbereitungsarbeiten zu leisten.
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Ich darf hier Bezug nehmen auf die Äußerungen Ihrer SPD-Kollegen aus Hessen, die seinerzeit zur Rechtfertigung, warum man der Grundgesetzänderung in Ihrer Fraktion zugestimmt habe, sehr beachtliche Ausführungen gemacht, aber in Verbindung damit wegen der Schwierigkeiten, die in Ihrer eigenen Partei entstanden sind, dann angefügt haben: Wir haben zwar die Ergänzung des Grundgesetzes vorgenommen - dafür muß Ihnen jeder vernünftige Mensch in Deutschland dankbar sein -, aber wir haben es verstanden, die Aufstellung
der Bundeswehr zwar nicht zu verhindern, aber erheblich zu verzögern.
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Und jetzt sagen Sie natürlich, daß die Mißstände, die aus der Verzögerung herrühren, Schuld der Regierungskoalition sind.
({9})
Denn daß bei einer auf mehrere Jahre schon vorausgehenden, sorgfältigen, auf Rechtsgrundlagen möglich gewesenen Vorarbeit manche Mißstände überhaupt nicht aufgetreten wären, glaube ich, steht außer Zweifel. Aber der Kollege Blank hat seinerzeit mit gutem Recht gesagt: Bevor einwandfreie Grundlagen erarbeitet sind, werde ich mich hüten, etwa im Zwielicht eines nicht geschaffenen Rechts ernsthafte Vorbereitungsarbeiten zu treffen. Das muß zu seiner Rechtfertigung heute auch hier gerade von mir gesagt werden, der ich das Ausmaß seiner Arbeit und die unübersehbare Zahl der ihm entgegengestandenen Schwierigkeiten heute sehr gut beurteilen kann.
({10})
Wenn aber ohne Zweifel - und darin haben Sie recht, Kollege Schmidt - Änderungen notwendig geworden sind und auch Änderungen kommen werden, dann habe ich jetzt den Vorteil, daß ein Jahr Erfahrung in der Arbeit des Ministeriums und etwa zehnmonatige Erfahrungen im Aufbau der Truppe vorliegen. Man wäre töricht, wenn man Erfahrungen nicht zur Kenntnis nähme und wenn man an früher einmal bezogenen technischen Standpunkten einfach festhielte, ohne die sich in der Zwischenzeit bietenden Erfahrungen auszunutzen. Das würden Sie an meiner Stelle genauso tun, und ich muß es ebenfalls tun.
Ich darf Sie auf einen kleinen Irrtum hinsichtlich meiner gestrigen Ausführungen in der Pressekonferenz über die Panzer hinweisen. Ich habe nicht gesagt, daß der Kauf der Panzer nochmals den Bundestagsausschüssen zur Entscheidung überlassen werden solle. Denn diese Bundestagsausschüsse würden es mit Recht als lästig oder als verfehlt empfinden, wenn sie nach einer einmal getroffenen Entscheidung sich nochmals damit befassen müßten. Wohl aber habe ich gestern gesagt, daß die Bundesregierung bisher von der Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht habe, und ferner, daß sie, bevor sie von der Ermächtigung - da ja die Ermächtigung an keinen Typ gebunden ist -- Gebrauch machen werde, dem Beschaffungsausschuß des Verteidigungsausschusses und, wenn gewünscht, dem ganzen Verteidigungsausschuß noch einmal die Möglichkeit geben wolle, sich persönlich einen Eindruck zu verschaffen, welche der von uns in einer Vorführung vorzeigbaren Typen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten für die Verwendung in der Bundeswehr am besten eignen würden. Diese Vorführung wird von uns zur Zeit erst vorbereitet und wird nach dem Stand der Dinge in der letzten Dekade des Monats November auch tatsächlich durchgeführt werden. Dabei sollen die Nachteile und Vorteile, die sich bei jeder Entscheidung ergeben, noch einmal zumindest denen zur Kenntnis gebracht werden, die seinerzeit die Ermächtigung gegeben haben. Es wird sich herausstellen, daß es bei keiner Entscheidung nur Vorteile gibt. Man muß hier abwägen, bei welcher Entscheidung das
({11})
Ausmaß der Vorteile größer ist als das Ausmaß der Nachteile. Davon verstehen Sie mindestens genausoviel wie ich, Kollege Schmidt.
Ich darf dann noch eine andere vielleicht irreführende Meinung klarstellen. Es ist richtig, daß eine moderne Luftwaffe, wie der Leiter der Abteilung Luftwaffe gestern in dem zuständigen Ausschuß ausgeführt hat, nicht unterhalb einer Zeit von vier bis fünf Jahren geschaffen werden kann. Sie haben aber meine gestrige Pressekonferenz offensichtlich sehr genau gelesen. Darin habe ich betont, daß wir als Aufstellungsprinzip jetzt nur mehr die Methode verfolgen können, jeweils fertige Einheiten bis zu einem hohen Maße ihrer Soll-Stärke aufzustellen, die auch dann der NATO gegenüber als fertige deutsche Verbände gemeldet werden können. Das heißt, daß die Kampfbereitschaft oder Verwendungsbereitschaft oder Verteidigungsbereitschaft bis zum Jahre 1960 natürlich nur für gewisse Einheiten gilt. Unterhalb dieser Zeit werden gewisse Einheiten auch bei der Luftwaffe beschränkt verteidigungsfähig sein. Aber die Jahreszahl 1960 stimmt für den von Ihnen angegebenen Fall.
Um eines allerdings bitte ich Sie: nicht einen „Skandal" - ich sage das jetzt in Anführungszeichen - Nr. 4 von Ihrer Seite zu provozieren. Es war die Rede von einem Panzerskandal, dann kam prompt der Luftwaffenskandal - der in keinem Skandal bestand -, dann kam prompt der Marineskandal, der ebenfalls nur eine Illusion war. Jetzt würden Sie einen Flakskandal bringen, wenn Sie nämlich vorschlügen, die Fliegerabwehrschulen mit schweren Flakkanonen auszurüsten, und wenn die Bundesregierung dafür wäre, für die Produktion oder die Beschaffung solcher Kanonen aus dem Ausland große Summen zur Verfügung zu stellen. Ich höre Sie im Geiste schon reden, was Sie über diese „Flakplanung für den ersten Weltkrieg" in der Bundeswehr sagen würden.
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Ich darf noch eine Bemerkung zu Ihrer Behauptung, Herr Kollege Schmidt, machen, daß Leute zur Bundeswehr eingezogen worden sind, die Uniform erhalten haben, dann mit allen Rechten und Pflichten Soldaten sind, aber sich gleichwohl nicht in militärischen Gemeinschaften befinden, sondern sozusagen auf Abruf in Urlaub geschickt worden seien.
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- Ja, mit allen Rechten und Pflichten, das meinte ich: das Gehalt beziehen. Ich habe wenige Stunden nach der Übernahme des Ministeriums an die dafür zuständigen Beamten und Soldaten die Frage gerichtet, mir Auskunft darüber auf Dienstpflicht zu geben. Ich habe auf Dienstpflicht die Auskunft erhalten, und ich habe sie mir jetzt nochmals durch Rückfrage bei allen dafür zuständigen Beamten geben lassen. Ihre Angabe ist nicht richtig.
({14})
Ich behaupte nicht, daß Sie etwa bewußt die Unwahrheit gesagt hätten; in diesen Räumen vollzieht sich manches, was man nicht so von heute auf morgen nachprüfen kann, und bei einem Ministerium von diesen Ausmaßen ist für den Minister - das gilt für den Vorgänger und für mich - nicht gleich alles innerhalb von Minuten oder auch von Stunden übersehbar. Ich bitte Sie aber herzlich, geben Sie mir Ihre Anhaltspunkte, und ich gebe
Ihnen die Möglichkeit einer Aussprache mit den dafür zuständigen Beamten und Offizieren, damit festgestellt wird, ob Sie recht gehabt haben oder ob mir eine unrichtige Auskunft gegeben worden ist. Einen anderen Standpunkt kann ich im Augenblick nicht einnehmen.
Ich teile in folgendem völlig Ihre Auffassung. Helfen Sie, tragen Sie dazu bei, daß die von Ihnen genannten Gesetze, insbesondere die Gesetze, die den Soldaten in seiner sozialen und wirtschaftlichen Existenz betreffen, möglichst rasch verabschiedet werden, damit wir so der Bundeswehr auch ein, ich möchte sagen, menschlich, seelisch und sozial festes Fundament geben.
In bezug auf das Ersatzdienstgesetz, wie es leider heißt, können Sie völlig von folgendem überzeugt sein. - Ich würde das Gesetz ja anders nennen, nämlich Gesetz über die Ausübung des verfassungsmäßigen Rechtes der Kriegsdienstverweigerung, denn der Ersatzdienst ist nur eine Konsequenz, die daraus gezogen wird. Wir werden deshalb vielleicht bei diesem Gesetz die Terminologie noch etwas ändern müssen. - Ich gebe Ihnen die bindende Erklärung ab, daß kein Wehrpflichtiger gegen seinen Willen eingezogen werden wird, bevor dieses Gesetz klare Rechtsgrundlagen geschaffen hat. Ohne diese Rechtsgrundlagen ist die Durchführung der Wehrpflicht nicht möglich, wenn nicht unübersehbare neue Schwierigkeiten auftreten sollen.
Herr Kollege Schmidt, ich glaube, ich habe damit die meisten der von Ihnen erhobenen Einwände erwähnt. Ich darf vielleicht noch ein Wort über die Kriegsdienstverweigerer sagen. Über dieses Problem sind im Für und Wider ohne jeden Zweifel viele Worte oft mit falschem Zungenschlag gebraucht worden. Wir müssen vor den ethischen Motiven derer, die den Kriegsdienst mit der Waffe aus Gewissensgründen verweigern, den Respekt haben, der ihnen nach der Verfassung und der ihnen auch auf Grund des Rechts zukommt, das jeder Mensch mit einer fundierten Überzeugung für sich beanspruchen kann.
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Aber ebenso wie Sie verlangen, daß die Motive dieser Leute respektiert werden, verlangen wir, daß die Motive der anderen, die zum Verteidigungsdienst mit der Waffe in der Hand bereit sind, nicht in den Dreck gezogen werden.
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Sie haben mit Recht gesagt, daß die SPD keine Partei der Kriegsdienstverweigerer sei.
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- Nein, sicherlich nicht. Ich sagte: Sie haben mit Recht gesagt . . . Aber wenn ein Mitglied Ihrer Fraktion beispielsweise sagte, daß die Verweigerung der Wehrpflicht identisch sei mit der Weigerung zur Ausbildung von Massenmördern, - ({18})
- Ich kann mich nur hierauf beziehen. Dann bitte ich dringend um eine Berichtigung; denn das hat
({19})
ein derartiges Maß an Ärger und an Erbitterung geschaffen, - ({20})
- Herr Kollege Arndt, ich habe hier die Quelle dabei. Ich weiß selbst, wie leicht es einem unterläuft, falsch zitiert zu werden. Auch das unterstelle ich. Ich bitte um nichts anderes - und zwar nicht von meiner parteipolitischen Einstellung her, sondern von dem Amt und dessen Aufgaben her, die ich zu vertreten habe -, als daß möglichst bald in der Öffentlichkeit diese verhängnisvolle Äußerung dementiert und der wahre Wortlaut bekanntgegeben wird. Um nichts anderes bitte ich, und das, glaube ich, darf ich sagen.
({21})
- Das paßt dann völlig in die in meinen Ausführungen gewünschte und erbetene Grundhaltung hinein, daß wir - die wir Anhänger des aktiven Verteidigungsgedankens sind - uns verpflichten müssen, die ethischen Motive der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen anzuerkennen, daß wir aber auch von ihnen verlangen müssen, daß sie unsere Motive genau so anerkennen.
({22})
Deshalb, meine Damen und Herren von der SPD, glaube ich, sollten wir uns hüten, uns über die Anwendung des Gewissens büromäßig zu orientieren, wie es heute geschieht.
({23})
Sie wissen, was ich damit meine. Sie wissen, daß z. B. die Jugendorganisation der SPD, die „Falken", einstimmig beschlossen hat, einen „Hilfsfonds von Mensch zu Mensch" zu schaffen, um den jungen Staatsbürger über sein Recht als Wehrpflichtiger und Wehrdienstverweigerer systematisch aufzuklären, zweitens Hilfsmaßnahmen für die Mitglieder dieses Verbands, die den Wehrdienst verweigern wollen, zu treffen. Es ist beschlossen worden, daß Büros geschaffen, daß vorbereitende Schulungslehrgänge usw. - im Zusammenhang damit wird der Name des Herrn Kummernuß genannt - eingerichtet werden sollen. - Wir sollten das individuelle Gewissen seiner eigenen Souveränität überlassen und es nicht büromäßig organisieren. Darin dürften wir, glaube ich, einig sein.
({24})
Ich darf vielleicht damit eine etwas humorvolle Bemerkung verbinden. Sie haben von der nächsten Bundesregierung gesprochen, und dabei sind, wenn auch unausgesprochen, heute hier schon sehr klare Vorstellungen angeklungen. Ich glaube, es wäre Ihnen sehr willkommen, Herr Kollege Schmidt, wenn diese kommende Bundesregierung - ich gebrauche jetzt Ihre Worte -, mag sie zusammengesetzt sein, wie sie will, von den Geistern wieder loskommen würde, die die Opposition von heute in der letzten Zeit manchmal wachgerufen hat.
({25})
Denn auch Sie würden in der Verantwortung vor ganz schweren Entscheidungen stehen, vor Entscheidungen, die auszustehen viel schwerer ist, als Argumente in Versammlungen zu finden oder auch als Argumente im Parlament vorzutragen sind. Ich möchte Sie eigentlich nicht daran erinnern, daß die Österreicher und Ihre österreichischen Gesinnungsfreunde in der Frage der Wehrpflicht eine ganz andere Haltung eingenommen haben, daß der österreichische Bundeskanzler auf die Frage, warum es in Österreich so reibungslos gehe, die Antwort gegeben hat: „Wir hahn halt a Tradition!"
({26})
Ich sagte, Sie würden vor denselben schwerwiegenden Entscheidungen stehen wie wir heute. Ich darf Ihnen doch ohne jede Übertreibung unterstellen, daß auch Sie ein ohne jede Sicherheitsgarantie ausgestattetes, zwischen den Militärmächten der Welt stehendes, auf sich allein angewiesenes Deutschland am Rande des Sowjetblocks nicht für sicher vor einer Aggression erklären würden, - um mich sehr maßvoll auszudrücken. Ich glaube nicht, daß die Haltung Ihrer Freunde so ausgelegt werden kann, man dürfe den Sowjets den Rückzug jetzt nicht so schwer machen, denn wenn man sie nur sich selbst überließe und wenn man sie möglichst nicht provozierte, würden sie eines Tages ganz freiwillig jenseits der Satellitenstaaten verschwinden. Wir glauben das nicht. Zumindest können wir das so lange nicht glauben, als Sie das nicht durch glaubhafte Tatsachen bewiesen haben. Ich möchte hier gar keine pathetischen oder übertriebenen Darstellungen geben.
Sie würden deshalb vor derselben Frage stehen. Sie müßten erstens annehmen, daß angesichts der Existenz von 6000 Panzern in der Sowjetzone eine echte potentielle Bedrohung der Bundesrepublik bei der gegebenen politischen Lage nicht geleugnet werden kann; ich glaube, Sie müßten zweitens anerkennen, daß die Bundesrepublik allein und unbewaffnet auf keinen Fall etwas dagegen tun könnte, und Sie müßten drittens sogar anerkennen, daß eine neutrale Bundesrepublik keine noch so große Wehrmacht auch nur aufstellen könnte, die dieser potentiellen Bedrohung mit einer glaubhaften Abschreckungskraft gewachsen wäre. Sie kämen dann viertens zu dem Schluß, daß wir von den großen Weltmächten geschützt werden müßten, daß wir aber das Risiko und die Lasten einer solchen Sicherheitsbereitschaft, einer solchen Sicherheitsgarantie den Weltmächten nur dann zumuten könnten - ihren Wählern und ihren demokratischen Systemen -, wenn wir ein gleiches Maß nicht nur an Vorteilen, sondern mindestens auch ein gleiches Maß an Pflichten auf uns zu nehmen bereit wären.
({27})
Ich darf schließen mit einem kleinen Zitat. Sie haben sich beschwert - ich kenne die Vorgänge nicht -, daß die Vertreter der Opposition in Sonthofen nicht die Möglichkeit hatten, genau so zu reden. Ich weiß nicht, ob es bei der Einweihung war oder während der Lehrgänge. Ich glaube, daß Sie, was den Rahmen Ihrer Partei betrifft, den bayerischen Ministerpräsidenten als Mitglied der
({28})
Opposition jedenfalls noch anerkennen würden - er war dort anwesend -;
({29})
er hat nach einer vom Bundesverteidigungsministerium veröffentlichten Broschüre folgendes gesagt:
Wehrhaftigkeit eines Volkes ist seit uralten Zeiten ein notwendiger Bestandteil seiner Freiheit. Es war deshalb zweifellos über das Ziel hinausgeschossen, als man dem deutschen Volke die Wehrhaftigkeit austreiben wollte. Das hätte für nicht voraussehbare Zeiten die Abhängigkeit Deutschlands von seinen Beschützern bedeutet,
- d. h. in ihr diskretionäres Ermessen gestellt, wenn ich Herrn Hoegner kommentieren darf, ob sie uns beschützen wollen oder nicht. Ich habe im Bayrischen Landtag
- fuhr Herr Hoegner fort bereits im Jahre 1947 in einem Ausschuß erklärt, der Tag wird kommen, an dem die Leistungen des deutschen Soldaten wieder mit anderen Augen, wieder gerecht betrachtet werden. Dieser Tag ist angebrochen.
Die Besatzungsmächte, heute unsere Verbündeten, wünschten die Wiederaufstellung einer deutschen Wehrmacht. Der deutsche Philosoph Kant hat zwar vor rund 170 Jahren eine Abhandlung über den ewigen Frieden geschrieben; aber wie der Verlauf der Geschichte zeigt, sind wir diesem Ideal bis heute noch nicht recht viel nähergekommen.
Das war eine richtige sozialdemokratische Prophezeiung.
({30})
Jedenfalls ist die Wehrhaftigkeit eines Volkes heute noch notwendig; schon deswegen, um etwaige Angreifer von vornherein abzuschrecken. Dies und nichts anderes ist vor allem Aufgabe einer bewaffneten Macht.
Parlamentarische Regierung und Bundeswehr dürften sich nicht als Fremde gegenüberstehen, sagte er weiter.
Vielmehr ist es notwendig, daß beide zueinander ... in einem Vertrauensverhältnis stehen und sich stets bewußt sind, daß beide, Regierung und Wehrmacht, das gleiche Ziel verfolgen: Über alle Tagesmeinungen und Parteien hinweg das Wohl des gesamten deutschen Volkes!
Dieser Bitte des Herrn Ministerpräsidenten Hoegner darf ich mich im Namen der Bundesregierung in vollem Umfang anschließen.
({31})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wenzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine sachliche Richtigstellung vornehmen. Ich habe in Elmshorn nichts anderes gesagt als das: Wenn ein dritter Weltkrieg mit den Massenvernichtungswaffen geführt würde, dann würde ein solcher Krieg einen Massenmord bedeuten. - Und ich habe weiter gesagt: Das ist für uns Kriegsdienstverweigerer auch ein Grund, den Kriegsdienst zu verweigern. - Ich bedaure, daß die Berichterstattung daraus das gemacht hat, was dann in der Elmshorner Zeitung und am Sonnabend in den Kieler Nachrichten stand. Ich halte diese Art der Berichterstattung für eine Brunnenvergiftung
({0})
und für keinen Dienst an der Demokratie. Ich bin der Meinung, daß alle aufrechten Demokraten, ob sie sich in meinem Sinne zur Kriegsdienstverweigerung bekennen oder nicht, eine solche Berichterstattung im Interesse der Wahrheit und der Sauberkeit der öffentlichen Benachrichtigung auf das nachdrücklichste verurteilen und sie verhindern müßten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur noch ein paar ganz kurze Bemerkungen zu den letzten Ausführungen, die der Herr Minister gemacht hat. Es war ja zwar gesagt worden, es soll über die große Politik nicht gesprochen werden, es soll nicht noch einmal die ganze außenpolitische Debatte sozusagen nachgeholt werden, es soll auch keine Umrüstungsdebatte stattfinden. Trotzdem hat es sich der Herr Minister, um sich einen guten Abgang zu sichern, nicht verkneifen können, einige solcher Bemerkungen zu machen.
Nun, es ist sehr freundlich von dem Herrn Mini ster, wenn er sich den Kopf über die Schwierigkeiten einer zukünftigen sozialdemokratischen Regierung zerbricht. Aber, Herr Minister, ich glaube, im Augenblick haben Sie so viel zu tun, daß Sie sich den Kopf darüber nicht zerbrechen sollten. Vielmehr sollte Ihre erste Aufgabe jetzt sein, dafür zu sorgen, daß das, was Sie sich vorgenommen haben, einmal in die Tat umgesetzt wird.
Gestatten Sie mir nur noch, mit ein paar Sätzen den Gegensatz wieder herauszustellen, damit die Dinge nicht dauernd verwischt werden. Es wird hier fortwährend von dem Volk und von der Verteidigung des Volkes und des Staates geredet. Dabei spricht dann niemand davon, daß dieses Deutschland in der unglücklichen Lage ist, geteilt zu sein, und daß das eine besondere Tragik bedeutet, gerade in wehrpolitischer Beziehung eine besondere Tragik bedeutet. Herr Minister, ich wäre dankbar, wenn das in Zukunft hier jedesmal zum Ausdruck käme. Sie wissen ganz genau - ich habe das heute morgen wieder ausgeführt -: es ist unsere Auffassung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu erreichen ist, wenn die Bundesrepublik einem Militärbündnis angehört. Man hat also dann nach unserer Auffassung die Wahl, jetzt diesem Militärbündnis weiter anzugehören - und das würde dann bedeuten, daß man in absehbarer Zeit zu einer Wiedervereinigung Deutschlands nicht kommen kann - oder aber den anderen Weg zu gehen, den wir vorgeschlagen haben - und es wäre zweckmäßiger gewesen, ihn zu gehen, bevor man mit der Aufrüstung begann -, den Versuch zu machen, durch die Errichtung eines kollektiven Sicherheitssystems die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Einheit Deutschlands wiederhergestellt werden kann. Deshalb, Herr Minister, gehen die Betrachtungen, wie Sie sie eben angestellt haben, auch in bezug auf die Stellung
({0})
einer sozialdemokratischen Regierung zu diesen Dingen immer von der falschen Voraussetzung aus, daß diese Dinge so zu betrachten wären, als wenn Deutschland nicht geteilt wäre und wir bereits die Einheit Deutschlands hätten, und das ist eben doch das Verhängnisvolle an der ganzen Angelegenheit. Wir werden leider gerade über diese Frage dann noch oft zu reden haben.
Wir haben weiter gesagt, Herr Minister: Wenn Sie schon jetzt in dem geteilten Deutschland, in der Bundesrepublik die Aufrüstung beschlossen haben, dann machen Sie doch um Gottes willen die Sache hinsichtlich der Teilung Deutschlands nicht noch dadurch schwerer, daß Sie die allgemeine Wehrpflicht einführen, sondern begnügen Sie sich dann zunächst damit, ein Berufsheer aufzustellen - es sprechen auch verschiedene andere Gründe dafür, das zu tun -, damit nicht durch die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht die Teilung Deutschlands weiter vertieft wird. Heute nachmittag ist hier von den Auswirkungen auf die Zone gesprochen worden, die wir prophezeit hätten. Meine Damen und Herren, die allgemeine Wehrpflicht ist ja noch nicht eingeführt. Warten Sie einmal ab, was von dem Tage an, wo die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wird, unter Umständen auf uns zukommt. Dann werden wir uns hier über diese Dinge wieder unterhalten. Ich glaube, wir sollten nicht mit billigen Darlegungen jetzt die ganze Problematik verwischen, sondern wir sollten sie wegen der Tragik für Gesamtdeutschland immer mit voller Klarheit sehen und von dieser Sicht her auch unsere Standpunkte gegenseitig würdigen.
({1})
Darf ich fragen, Herr ) Kollege Schmidt ({0}) : besteht Ihre Wortmeldung noch fort?
({1})
- Danke! - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Verteidigung beantragt. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, das Handzeichen zu geben. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist angenommen.
Wir kommen zu einem weiteren Punkt der Tagesordnung, über dessen Einschiebung, wie mir berichtet ist, sich alle Fraktionen einig sind. Es handelt sich um den Antrag Drucksache 2836:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, FVP, DP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Gewährung von Zulagen zur Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz ({2}) ({3}).
Die Eilbedürftigkeit ist damit begründet, daß dieses Gesetz, wenn es angenommen wird, morgen noch im Bundesrat weiterbearbeitet werden kann.
Es wird vorgeschlagen, die erste, zweite und nach Möglichkeit auch dritte Lesung heute vorzunehmen. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Kollege Kunze, darf ich bitten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, den Gesetzentwurf zu begründen, denn der Antrag ist von allen Fraktionen gestellt. Ich habe nur den Auftrag der Fraktionen, eine Erklärung abzugeben, damit keine Mißverständnisse bei der Anwendung und Durchführung dieses Gesetzes entstehen.
Die hier vorgesehene Zulage soll ebenso wie die entsprechenden Zulagen für die Rentenversicherung nach dem Zweiten Zulagengesetz die Zeit bis zur etwaigen Neufestsetzung der Sozialrenten überbrücken. Es handelt sich demnach um eine Leistung für die Monate Januar bis März 1957. Die Anrechnung einer etwaigen Weihnachtsbeihilfe der öffentlichen Fürsorge kann und soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in Betracht kommen.
Ich bitte, von dieser Erklärung Kenntnis zu nehmen und antragsgemäß die Vorlage in drei Lesungen zu verabschieden.
Es ist also beantragt worden, keine Ausschußüberweisung vorzunehmen, sondern sofort in die zweite Lesung einzutreten.
Wird das Wort in erster Lesung noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann treten wir in die
zweite Lesung
ein. Ich rufe § 1 auf. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. § 2, - § 3, - § 4. -- Fs liegen keine Wortmeldungen vor. Die Debatte ist geschlossen. Wer den §§ 1, 2, 3 und 4 zuzustimmen wünscht und ebenso mit der Einleitung und der Überschrift einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Widerspruch gegen die dritte Beratung erhebt sich nicht. Ich rufe den Gesetzentwurf auf. Ich bitte um Wortmeldungen. - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Meine Damen und Herren! Ich habe zur Schlußabstimmung namens meiner Fraktion eine Erklärung abzugeben.
Wir haben diesen Antrag mit unterschrieben und werden ihm auch zustimmen, weil wir davon überzeugt sind, daß seine dringliche Verabschiedung unbedingt notwendig ist. Aber ich muß darauf hinweisen, daß die Mittel, die für die Zulagen gebraucht werden, zur Hälfte dem Fonds entnommen werden, daß also die Geschädigten diese Last zur Hälfte selber zu tragen haben. Wir stehen aber grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß solche Zuwendungen, die durch die Teuerung notwendig geworden sind, nicht aus dem Fonds entnommen werden dürfen. Ich wollte das hier zum Ausdruck bringen, um unseren grundsätzlichen Standpunkt, daß alle solche Teuerungszulagen vom Bundeshaushalt getragen werden müssen, noch einmal zu betonen. Wir haben von der Stellung von Änderungsanträgen nur aus dem Grunde abgesehen, weil wir die Sache nicht aufhalten wollten.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
({0})
Ich stelle den Gesetzentwurf einschließlich Einleitung und Überschrift in dritter Lesung zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung endgültig angenommen.
Wir kommen zum offiziellen Punkt 1 der heutigen Nachmittagssitzung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Meyer-Ronnenberg, Schneider ({1}), Odenthal, Lange ({2}), Eberhard, Frau Finselberger, Eickhoff und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Ladenschluß ({3});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({4}) ({5}).
({6})
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, erstattet von dem Herrn Kollegen Franzen, liegt vor*).
({7})
-- Bitte, zur Geschäftsordnung.
({8})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat mich beauftragt, vor Eintritt in die Beratung dieses Gegenstandes folgende Erklärung abzugeben.
In dem Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit wird auf Seite 2 ausgeführt, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik seine Beratungen zur Sache noch nicht habe abschließen können und dem Bundestag vorgeschlagen habe, zunächst den Initiativentwurf des Bundesrates für ein Gesetz über den Verkauf in offenen Verkaufsstellen an Sonntagen vor Weihnachten - Bundesratsdrucksache 234/56 - zu verabschieden, damit dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik genügend Zeit gelassen werde, sich eingehend mit den wirtschaftlichen Konsequenzen der Ladenschlußregelung zu beschäftigen.
Diesem Antrag ist, wie Sie aus der Tatsache, daß heute über diesen Gesetzentwurf beraten wird, entnehmen können, leider nicht Folge gegeben worden. Es ist bei der Diskussion, ob im Hinblick auf die Tatsache, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik seine Beratungen noch nicht abgeschlossen hatte, dieser Punkt heute verhandelt werden soll oder nicht, gelegentlich der Vorwurf erhoben worden, daß eine vorsätzliche Verschleppung angestrebt werde. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat mich beauftragt, diesen Vorwurf mit allem Nachdruck zurückzuweisen und das Hohe Haus darüber zu unterrichten, welche Gründe hinsichtlich der zeitlichen Behandlung im Ausschuß für Wirtschaftspolitik maßgeblich waren.
Der Antrag Meyer-Ronnenberg ist am 22. September 1955 dem Ausschuß für Arbeit - federführend -, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und weiteren Ausschüssen - mitberatend - überwiesen worden. Einige Kollegen des Ausschusses für Wirtschaftspolitik haben dann ihrerseits einen Initiativgesetzentwurf eingebracht, der am 20. Januar 1956 den genannten Ausschüssen ebenfalls über-
*) Siehe Anlage 2. wiesen wurde. In die gleiche Zeit fiel der Autounfall
mit der nachfolgenden Erkrankung des inzwischen verstorbenen Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, des Kollegen Naegel. Erst nach dem Tode des Kollegen Naegel am 3. Juli 1956 wurde die sachliche Beratung dieser Anträge im Ausschuß für Wirtschaftspolitik eingeleitet. An sämtlichen seither angesetzten Terminen ist eine Beratung nicht zustande gekommen, zum Teil mit Rücksicht auf Wünsche der beiden größten Fraktionen, zum Teil auch, weil die Beratungen zurückgestellt werden mußten wegen vordringlicher Behandlung des Wirtschaftsstrafgesetzes, der Novelle der Bundesregierung und des SPD-Antrages hierzu, so daß der Ausschuß zuletzt nur an zwei Verhandlungstagen Ende Oktober in die Beratung eintreten konnte. Da er im Hinblick auf die weittragenden wirtschaftlichen Konsequenzen dieses Gesetzentwurfes in dieser kurzen Zeit die Beratungen nicht zu Ende führen konnte, machte er den Vorschlag, auf den ich eingangs verwiesen habe.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat mich weiter beauftragt, hier sein Bedauern über diese Art der Behandlung und der Beratung auszusprechen. Er ist der Ansicht, daß in diesem Gesetzentwurf so weittragende wirtschaftliche Fragen mit angesprochen werden, daß vermieden werden sollte, bereits jetzt ohne Prüfung dieser Fragen eine Entscheidung vorzunehmen.
Der Ausschuß hat trotz dieser Bedenken davon abgesehen, dem Hohen Hause heute einen Antrag auf Absetzung zu unterbreiten. Er hofft aber, daß ein von der Mehrheit des Ausschusses angenommener Vermittlungsvorschlag, über den der Schriftliche Bericht - und auch der mündliche Bericht - des Berichterstatters des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, des Kollegen Illerhaus, Sie noch unterrichten wird, hier im Hause zur Annahme gelangt, nämlich ein Entwurf, der eine Übergangsregelung vorsieht und damit die Zeit läßt, die für eine Prüfung der wirtschaftlichen Gesichtspunkte noch notwendig ist.
Verzeihung, Herr Kollege, Sie hatten ums Wort zur Geschäftsordnung gebeten.
Zur Abgabe einer Erklärung im Namen des Ausschusses!
Nein, Sie hatten zur Geschäftsordnung ums Wort gebeten. Ich vermisse einen Antrag, der sich auf die Ordnung der Geschäfte zu diesem Punkt der Tagesordnung bezieht.
Ich habe eben angekündigt, daß ein Antrag nicht mehr gestellt wird, daß aber der Ausschuß mich beauftragt hat, Ihnen die Motive, die ihn veranlaßten, diesen Antrag nicht zu stellen, noch vorzutragen. Da das geschehen ist, darf ich mit Dank für Ihre Großzügigkeit schließen.
({0})
Die Sachdebatte hatte ich noch gar nicht eröffnet; die kommt noch.
({0})
- Zur Geschäftsordnung mit einem Antrag zur Ordnung der Geschäfte oder nur zu einer Replik darauf?
({1})
({2})
- Dann wollen wir das zurückstellen bis zur Sachdebatte. Wir sind noch nicht in der Sachdebatte.
({3})
- Zur Geschäftsordnung? Aber ich bitte dann, einen Antrag zur Geschäftsordnung zu stellen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre nun natürlich notwendig gewesen, auch vom federführenden Ausschuß etwas zu den Ausführungen des Vorsitzenden des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu sagen und den Sachverhalt klarzustellen. Da ein Antrag nicht gestellt wurde und im übrigen die Anträge, auf die der Kollege Hellwig Bezug nimmt, in der Sachdiskussion erledigt werden können, werde ich die Antwort sofort in der Sachdebatte geben.
Ich danke Ihnen. Es liegt also der Schriftliche Bericht des Kollegen Franzen aus dem Arbeitsausschuß vor. Darf ich fragen: Soll er noch ergänzt werden? - Bitte schön!
Franzen ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache 2810 liegt Ihnen ein Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Arbeit über die Beratung der eingebrachten Initiativentwürfe -Drucksache 1461: Entwurf eines Gesetzes über den Ladenschluß, und Drucksache 1943: Entwurf eines Gesetzes über den freien Halbtag im Einzelhandel - vor. Eine mündliche Darstellung erübrigt sich meines Erachtens. Ich habe aber Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß der federführende Ausschuß für Arbeit in der Anhörung von Sachverständigen nicht sparsam gewesen ist. Zur Klarstellung muß hier gesagt werden, daß bei der Anhörung dieser Sachverständigen nicht nur Gesichtspunkte der Arbeitszeitregelung, d. h. also des Arbeitsschutzes, zur Sprache kamen, sondern auch Fragen der volkswirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Einzelhandel, die Fragen der Verbraucherversorgung und auch die Fragen des Gesundheitsschutzes der kleinen Unternehmer, die keine fremden Arbeitskräfte, keine fremden Angestellten beschäftigen.
Die Beschlüsse im Ausschuß für Arbeit wurden durchweg mit Mehrheit gefaßt. Ich darf Sie bitten, dem Antrag, den Sie im Schriftlichen Bericht unter Abschnitt B finden, Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe nun auf den Ergänzungsbericht des Wirtschaftspolitischen Ausschusses. Das Wort hat Herr Abgeordneter Illerhaus.
Illerhaus ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die Gründe, weshalb der Ausschuß für Wirtschaftspolitik eine eigene Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Ladenschluß abgibt, braucht nicht mehr eingegangen zu werden; es darf vielmehr auf die Erklärung des Vorsitzenden dieses Ausschusses zu Eingang der Debatte verwiesen werden.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik bedauert in seiner überwiegenden Mehrheit, daß ihm für die Beratung eines Gesetzentwurfes mit so weittragenden wirtschaftspolitischen Konsequenzen nicht genügend Zeit gelassen wurde, dies um so mehr, als
s) Siehe Anlage 2. der Gesetzentwurf nach der Vorlage von Herrn Abgeordneten Meyer-Ronnenberg und Genossen zwei Hauptprobleme gleichwertig berührt, und zwar erstens die Arbeitszeitregelung für Beschäftigte im Einzelhandel und zweitens die wirtschaftspolitischen Konsequenzen, die sich aus einer gesetzlichen Beschränkung der Ladenzeiten ergeben.
Einige Mitglieder des Ausschusses haben zum Ausdruck gebracht, daß eine befriedigende Lösung der Frage der Arbeitszeit aller im Einzelhandel Beschäftigten durch den Gesetzentwurf Kühlthau und Genossen, Drucksache 1943, zweckmäßiger und ohne Einflußnahme auf den wirtschaftlichen Ablauf erzielt worden wäre, wobei der Standpunkt vertreten wurde, daß Arbeitszeit und Ladenzeit zwei getrennte Dinge seien, die man nicht miteinander, in einem Gesetz, verkoppeln dürfe. Zweitens wurde insbesondere auf die Frage einer zweckmäßigen Verbraucherversorgung, einer Umschichtung der Absatzwege sowie der Auswirkung der angestrebten Arbeitszeitregelung auf die allgemein verlangte Arbeitszeitverkürzung und ihre Auswirkungen auf die volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit verwiesen, ganz abgesehen von der Frage, ob eine derartige gesetzliche Regelung überhaupt zulässig sei.
({1})
Im Ausschuß wurde sogar die Frage gestellt, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, die Federführung für diese Vorlage dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu geben, besonders nachdem sich gezeigt habe, daß der Ausschuß für Arbeit seine Beratungen lediglich unter dem Gesichtspunkt der Arbeitszeitregelung geführt habe. Dies ergibt sich einmal aus dem vorliegenden Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit, Drucksache 2810, in dem es heißt, daß die Mißstände, die hinsichtlich der Arbeitszeiten der Angestellten im Einzelhandel in den letzten Jahren immer deutlicher in Erscheinung getreten seien, ein Neuregelung der Ladenzeiten zwingend erforderten. Zum andern hat sich gezeigt, daß die im Ausschuß für Arbeit angehörten Sachverständigen ebenfalls nur unter dem Gesichtspunkt der Sonderfrage Arbeitszeitregelung ihre Ausführungen machten, daß aber große Teile der von diesem Gesetz Betroffenen trotz ihrer Bitte nicht angehört wurden. Die Anhörung der Spitzenverbände dürfte nicht ausreichend erscheinen, insbesondere da bekannt ist, daß die Verbände keine einheitliche Auffassung ihrer Mitglieder wiedergeben können.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik mußte sich angesichts des Beschlusses des Ältestenrates eine eingehende Beratung der vorhin genannten Probleme versagen. Er konnte eine Anhörung der bisher nicht gehörten, aber betroffenen Kreise nicht mehr in Erwägung ziehen, ebensowenig wie er zu den Einzelvorschriften der Vorlage Stellung nehmen konnte. Er mußte also die Prüfung der Folgen des Gesetzes für die Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse ausschalten, obgleich darauf hingewiesen wurde, daß durch den Vorschlag des Ausschusses für Arbeit die Gefahr bestehe, daß eine Bevorzugung anderer Vertriebsformen gegenüber dem Einzelhandel durchaus im Bereich des Möglichen liege. Ebensowenig konnte er die Frage prüfen, inwieweit in einem Gesetzentwurf, der unter überwiegend arbeitsrechtlichen Aspekten zusammengestellt worden ist, Vertriebsformen geregelt werden können, bei denen, wie z. B. beim Verkauf aus
({2})
Warenautomaten, Angestellte überhaupt nicht beschäftigt werden. Auch eine Sonderregelung für Trinkhallen, die im ursprünglichen Entwurf des Abgeordneten Meyer-Ronnenberg und Genossen, Drucksache 1461, mit der Begründung der Herstellung einer Wettbewerbsgleichheit vorgesehen war, konnte nicht erörtert werden.
Gegenüber diesen von der Mehrheit des Ausschusses vorgetragenen Bedenken wurde auf die Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit verwiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß nicht nur die sozialpolitische Seite, sondern auch die Frage des Nachwuchses sowie der Bereitstellung der notwendigen Arbeitskräfte diese Regelung erforderlich mache. Es wurde befürchtet, daß bei einem Verzicht auf eine Verkürzung der Ladenzeiten mit einer verstärkten Abwanderung in die Industrie und andere Wirtschaftszweige gerechnet werden müsse. Weiter wurde für die Zweckmäßigkeit der Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit auf die Herstellung der Wettbewerbsgleichheit der im Einzelhandel Beschäftigten verwiesen.
Schließlich mußte der Ausschuß darauf verzichten, auf das in der Vorlage vorgesehene Nebeneinander von Zuständigkeiten des Bundes und der Länder, ferner von Ermächtigungen für Bundesminister, Landesregierungen und nachgeordnete Landesbehörden sowie auf die unterschiedliche Regelung des Inkrafttretens der einzelnen Bestimmungen einzugehen. Es wurde mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß bei einer übereilten Verabschiedung ein Gesetz entstehen würde, dessen wirtschaftspolitische Folgen nicht genügend durchdacht seien, dessen Durchführung die unteren Instanzen überfordern würde und das den Gesetzgeber früher oder später zwingen würde, seine Beschlüsse zu überprüfen. Dies wurde insbesondere in den Vorschriften des § 20 - Aufsicht und Auskunft - exemplifiziert, und es wurde gefragt, wie sich z. B. die Aufsicht über die Innehaltung der in verschiedenen Paragraphen genannten Warenkataloge, - Kurorte, Verkauf bestimmter Waren an Sonntagen, Apotheken, Tankstellen usw. - durchführen lasse.
Das Schwergewicht der Beratungen lag lediglich auf der Frage des Samstag-Frühschlusses mit dem Ziele, eine Übergangsregelung zu erarbeiten, um einerseits eine Anpassung der Wirtschaft an die weittragenden Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit einzuleiten und um andererseits der Gesetzgebung und Verwaltung eine Frist zur Sammlung von Erfahrungen für eine eventuelle Überprüfung des Gesetzes zu geben.
Ein Vorschlag, überhaupt auf ein Gesetz zu verzichten und es bei den bisherigen freiwilligen Regelungen zu belassen, fand ebensowenig eine Mehrheit wie derjenige, in einem kurzen Rahmengesetz zu bestimmen, a) welche Sonntage vor Weihnachten für den Verkauf freigegeben werden sollen, b) daß jeder im Einzelhandel Beschäftigte einen Anspruch auf einen halben freien Tag in der Woche habe, c) daß alle Einzelheiten auf Landesebene zu regeln seien.
Zur Diskussion für eine Übergangsregelung standen folgende Vorschläge:
a) Vorschlag des Ausschusses für Sonderfragen des gewerblichen Mittelstandes vom 25. Juni 1956, und zwar: bis zum 31. Dezember 1957 SamstagLadenschluß 16 Uhr, ab 1. Januar 1958 freier Samstagnachmittag in der vom Ausschuß für Arbeit in § 3 des Entwurfs vorgelegten Form.
b) Ein Gegenvorschlag: bis zum 31. Dezember 1958 Samstag-Ladenschluß 17 Uhr, Montag Ladenöffnung erst um 10 Uhr; ab 1. Januar 1959 freier Samstagnachmittag in der vom Ausschuß für Arbeit in § 3 des Gesetzentwurfs vorgeschlagenen Form.
In beiden Fällen sollte auf die vom Ausschuß für Arbeit vorgeschlagene Regelung für die Übergangszeit, nämlich am ersten Samstag in jedem Monat bis 18 Uhr zu verkaufen, verzichtet werden.
Die Mehrheit des Ausschusses hat sich für den letztgenannten Vorschlag - Samstag 17 Uhr, Montag 10 Uhr - ausgesprochen. Ein entsprechender Antrag, auf den verwiesen wird, wird gleichzeitig von Mitgliedern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und anderen Mitgliedern des Bundestages vorgelegt werden.
({3})
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst darauf zu verweisen, daß der Ältestenrat ausnahmsweise im Interesse der Beschleunigung der Durchführung der Beratung dieser Vorlage zugelassen hatte, daß der mitberatende Wirtschaftsausschuß seine Auffassungen in einem Ergänzungsbericht - der Ihnen eben vorgelesen worden ist und der auch schriftlich vorliegt - vorträgt. Ehe ich nun in die Sachberatung des Gesetzes im einzelnen eintrete, verweise ich auf den § 80 der Geschäftsordnung. Darin ist gesagt, daß die zweite Lesung darin besteht, daß sie Paragraph für Paragraph durchgeht, daß also keine allgemeine Debatte stattfindet. Sie findet nur dann statt, wenn der Bundestag sie zuläßt.
Das Wort hat zunächst, vor Eintritt in die Sachdebatte Herr Kollege Ritzel zu einer Bemerkung zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder das Hohe Haus noch die öffentliche Meinung - vom Protokoll des Bundestages ganz abgesehen - würden es verstehen, wenn der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung nicht in dieser Minute zu der hier geübten Praxis das Wort ergriffe.
Meine Damen und Herren, was wir soeben erlebt haben - ich konnte es leider nicht von Anfang an miterleben, weil ich abgerufen war - und zur Zeit noch erleben, ist ein eklatanter Bruch der Geschäftsordnung, die das Hohe Haus sich selbst gegeben hat. Diese Geschäftsordnung ist eine Verpflichtung, die das Hohe Haus sich selbst auferlegt hat. Da darf ich Ihnen doch zwei oder drei Paragraphen der Geschäftsordnung in Erinnerung rufen, besonders auch den verehrten Mitgliedern des Ältestenrates, der ja kein Beschlußorgan ist, der sich verständigt, sich aber in diesem Falle über Dinge verständigt hat, zu denen er nicht kompetent ist.
Der § 74 der Geschäftsordnung sagt in seinem Abs. 2 eindeutig:
Die Berichte
- der Ausschüsse müssen die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben. Beteiligte Ausschüsse können keine Anträge an den Bundestag stellen.
({0})
Der § 128 der Geschäftsordnung spricht von der Auslegung der Geschäftsordnung im Einzelfalle; er lautet:
Während einer Sitzung ,auftauchende Zweifel über die Auslegung der Geschäftsordnung entscheidet der Präsident.
Solche Zweifel im Einzelfall sind hier nicht zu verzeichnen. Dagegen trifft hier eindeutig der § 129 der Geschäftsordnung zu:
Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung kann nur der Bundestag nach Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß beschließen.
Nur der Bundestag kann Ausnahmen beschließen, nachdem der Geschäftsordnungsausschuß wegen der prinzipiellen Bedeutung einer Ausnahme dazu vorher Stellung genommen hat.
Was ist hier geschehen? Hier erstattet ein mitberatender Ausschuß einen Bericht, entgegen dem klaren Wortlaut der Geschäftsordnung. Was ist hier geschehen? Hier gibt der Ältestenrat, der dazu nicht kompetent ist, seine Sanktion zu einem geschäftsordnungswidrigen Verfahren. Was ist hier geschehen? Hier ist nicht die nach Wortlaut und Geist des § 129 der Geschäftsordnung erforderliche Zustimmung zu einem Abweichen von den Bestimmungen der Geschäftsordnung eingeholt worden.
Meine Damen und Herren, man kann zu jeder denkbaren Konzilianz bereit sein; immerhin muß sie sich an den bestehenden Bestimmungen orientieren, wenn man nicht den Willen hat, die ganze Geschäftsordnung in den Papierkorb zu werfen. Ich möchte mit Rücksicht darauf, daß aus diesem Vorgang ein Präjudiz für die Zukunft abgeleitet werden könnte, nicht versäumen, auf diese Entwicklung und auf die Gefahren, die damit heraufbeschworen worden sind, hinzuweisen.
Ich danke dem Herrn Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses. Ich hatte schon darauf hingewiesen, daß der Ältestenrat der Meinung war, wegen der Eilbedürftigkeit der Sache - ich denke nur an die Verkaufssonntage vor Weihnachten -- in diesem Fall eine Ausnahme zulassen zu sollen. Das Haus hat all das gehört. Ich darf aber jetzt vielleicht noch die offizielle Frage an das Haus richten: Ist das Haus damit einverstanden, daß in diesem Sinne hier einmal ausnahmsweise und ohne Präjudiz, Herr Kollege Ritzel, verhandelt worden ist?
({0})
- Darf ich noch einmal die Frage stellen: Ist das Hohe Haus damit einverstanden, daß so prozediert worden ist, wie es nun einmal geschehen ist? Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Nach einstimmiger Auffassung des Präsidiums ist die Zweidrittelmehrheit offensichtlich erreicht, also das Verfahren nunmehr genehmigt.
Ich darf jetzt in die Einzelberatung zur Sache eintreten. Ich rufe auf den § 1.
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- Zur Geschäftsordnung Herr Kollege Sabel.
Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat dem Vorsitzenden des Wirtschaftspolitischen Ausschusses entgegen den Bestimmungen der Geschäftsordnung die Möglichkeit gegeben, zu der sachlichen Seite der Frage zu sprechen. Ich möchte das Hohe Haus bitten, mir vor Eintritt in die Einzelberatung die Möglichkeit zu geben, kurz zu erwidern. Ich glaube, ich habe als Vorsitzender des federführenden Ausschusses einen Anspruch darauf.
Darauf darf ich folgendes erwidern. Ich habe dem Herrn Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses auf eine Meldung zur Geschäftsordnung das Wort gegeben in der Annahme, er würde die Begründung an die Spitze stellen und den Antrag folgen lassen. Nachdem die Ausführungen ergaben, daß kein Antrag gestellt werden würde, habe ich das gerügt. Mehr kann ich in dem Fall nicht tun.
Ich frage nunmehr das Haus, ob es bereit ist, vor Eintritt in die Beratung des § 1 Herrn Kollegen Sabel als dem Vorsitzenden des Arbeitsausschusses die Möglichkeit zu geben, darauf zu erwidern. Wer zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Darf ich um die Gegenprobe bitten. - Die überwiegende Mehrheit stimmt zu. Ich gebe dem Herrn Kollegen Sabel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht mir nicht nur darum, den Eindruck zu verwischen, als ob hier die Absicht bestanden habe, einem mitbeteiligten Ausschuß die Möglichkeit zur Stellungnahme zu nehmen. Ich habe bewußt auf den Einwand verzichtet, den Kollege Ritzel eben vorgebracht hat, weil ich auch hier nicht den Eindruck erwecken wollte, daß eine Gruppe nicht zu Worte kommen sollte. Ich darf Ihnen nur folgendes sagen.
Die Vorlage, die dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde liegt, wurde im September 1955 dem Ausschuß für Arbeit - federführend - und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß, dem Mittelstandsausschuß und dem Verkehrsausschuß - mitberatend - überwiesen.
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- Im Ersten Bundestag - Sie haben recht, Herr Kollege Atzenroth - haben wir das ganze Problem sehr eindeutig behandelt, und zwar seit dem Jahre 1950 oder 1951.
In der Folge habe ich die mitbeteiligten Ausschüsse wiederholt gebeten, dem federführenden Ausschuß ihre Stellungnahme bald mitteilen zu wollen. Es ist erstmalig geschehen am 23. März mit einem Schreiben an die Vorsitzenden aller beteiligten Ausschüsse mit dem Ergebnis, daß ich dann die Stellungnahme des Verkehrsausschusses erhalten habe; weiter mit Schreiben vom 11. Mai 1956 an die Vorsitzenden der Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Mittelstandsfragen mit dem Ergebnis, daß nun der Ausschuß für Mittelstandsfragen seinen Bericht dem federführenden Ausschuß abgegeben hat. Ich habe dann am 14. September 1956 und wiederum am 20. September den Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik gebeten, die Beratungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß abzuschließen, da es nun dringlich sei, im federführenden Ausschuß die Beratungen durchzuführen. Zu diesem Komplex gehört auch das Problem der
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verkaufsoffenen Sonntage vor Weihnachten. Ein Initiativantrag des Bundesrates hat den Bundestag bisher noch nicht erreicht. Es war also notwendig, hier zu einer Entscheidung zu kommen.
Allerdings hat auch diese letzte Mahnung nicht zu dem von mir gewünschten Ergebnis geführt. Wir haben dann im Ausschuß für Arbeit, obschon die Beratungen weit fortgeschritten waren, doch noch die Schlußberatung zurückgestellt, weil uns in Aussicht gestellt worden war, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik an einem bestimmten Tag - ich glaube, es war am Mittwoch vor drei Wochen - Stellung nehmen werde. Wir mußten wieder feststellen, daß es nicht zur Beratung kam, und erst dann hat der Ausschuß für Arbeit seinen Bericht dem Hohen Hause vorgelegt.
Im Ältestenrat wurde die Frage eingehend diskutiert. Der Ältestenrat war einmütig der Auffassung, daß dieses Verfahren des Ausschusses für Wirtschaftspolitik nicht gebilligt werden kann. Ich darf dem Herrn Kollegen Hellwig sagen: es ist niemals der Vorwurf der bewußten Verschleppung gemacht worden. Ich möchte das richtigstellen. Wir sind uns darüber im klaren, daß es sich beim Ausschuß für Wirtschaftspolitik zweifellos um einen der Ausschüsse handelt, die am meisten beschäftigt sind. Wir können allerdings dieses Verfahren nicht billigen; denn sonst wäre es tatsächlich möglich, daß ein mitbeteiligter Ausschuß die Gesetzgebung blockiert.
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Ich glaube, das kann nicht der Sinn der Sache sein, und möchte die Anregung geben, daß man sich im Geschäftsordnungsausschuß einmal mit diesem 1 Problem beschäftigt. Hier muß meines Erachtens eine Regelung gefunden werden, die einen normalen Ablauf sicherstellt. Wenn aus bestimmten Gründen eine Erledigung nicht möglich ist, muß über den Präsidenten oder den Geschäftsordnungsausschuß ein Weg gefunden werden, um die reguläre Verabschiedung eines Gesetzes sicherzustellen.
Ich möchte mit aller Deutlichkeit betonen: Dem federführenden Ausschuß für Arbeit ging es nie darum, die Meinung eines mitbeteiligten Ausschusses zu ignorieren; vielmehr hat der mitbeteiligte Ausschuß tatsächlich von der ihm gegebenen Möglichkeit der Mitberatung keinen Gebrauch gemacht.
Ich möchte noch ganz kurz auf die anderen Anmerkungen eingehen. Der Ausschuß für Arbeit hat seine Beratungen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Arbeitszeitregelung geführt. Die Sachverständigen, die gehört wurden, haben auch die anderen Probleme, insbesondere die Einwirkung auf den Wirtschaftsablauf, sehr eingehend vorgetragen, und diese Probleme sind im Ausschuß diskutiert worden. Es ist auch nicht richtig, daß große Teile der durch dieses Gesetz Betroffenen trotz ihrer Bitte nicht gehört worden sind. Ich darf dazu auf folgendes hinweisen. An diesem Gesetz sind zweifellos zahllose Organisationen interessiert. Der Ausschuß war sich darüber schlüssig geworden, die Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Verbraucher und darüber hinaus einige Spezialgruppen zu hören. Über den Daumen gepeilt, waren es etwa ein Dutzend Spitzenverbände, die gehört wurden. Ich darf auf das hinweisen, was der Kollege Dr. Atzenroth vorhin sagte. Ich glaube, er war im 1. Bundestag dabei, wo wir damals in einem Sonderausschuß, der sich aus den Vertretern des Ausschusses für Arbeit und aus den Vertretern des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zusammensetzte, schon eine große Zahl von Sachverständigen hörten. Ich darf Ihnen also versichern, daß wir das Problem wirklich sorgfältig überprüft haben.
Lassen Sie mich nun noch folgendes sagen. Seien wir uns bewußt, daß kaum ein Gesetz, das in diesem Hohen Hause zur Diskussion stand, so verschiedenartig beurteilt wurde wie das vorliegende. Hier gab es nicht zwei Fronten, sondern hier gab es eine Unzahl von Fronten. Wir haben den Versuch gemacht, zu einem Kompromiß zwischen den verschiedenen Richtungen zu kommen. Ich bin davon überzeugt, daß wir wegen dieses Gesetzes von den verschiedenen Seiten kritisiert werden. Aber es war wirklich unmöglich, bei dieser Materie alle unter einen Hut zu bringen.
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Damit ist also der Punkt, zu dem der Bundestag seine Genehmigung durch Beschluß gegeben hatte, nämlich den Herrn Kollegen Sabel auch zu hören, erledigt.
Nunmehr treten wir in die Sachberatung ein. Ich rufe § 1 auf und mache darauf aufmerksam, daß zu § 1 noch hinzuzunehmen ist der Antrag auf Umdruck 810*) Ziffer 1 und Ziffer 2. Liegen Wortmeldungen zu § 1 oder zu den Änderungsanträgen vor?
Herr Abgeordneter Atzenroth zur Begründung, bitte.
Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat uns ermahnt, in der zweiten Lesung keine grundsätzlichen Ausführungen zu machen; diese grundsätzlichen Ausführungen sollten der dritten Lesung vorbehalten bleiben. Daran will ich mich natürlich* halten. Aber wenn ich begründen soll und begründen muß, daß wir Änderungsanträge zu einem Gesetz stellen, das wir ablehnen, dann muß ich natürlich einige allgemeine Worte vorausschicken.
In der ganzen deutschen Presse über alle Parteien hinweg wird dem Deutschen Bundestag immer wieder der Vorwurf gemacht, daß er zuviele Gesetze mache.
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Wenn dieser Vorwurf jemals berechtigt war, dann hier in diesem Fall.
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Hier ist es nämlich ganz offensichtlich nicht die Aufgabe des Deutschen Bundestages, ein Gesetz zu machen. Die hier angeschnittenen Probleme sind überaus vielfältig, vielfältig in regionaler Beziehung, vielfältig in fachlicher Beziehung, vielfältig in bezug auf die Differenz innerhalb der Jahreszeiten, vielfältig in bezug auf die einzelnen Bezirke, die einzelnen Branchen usw. Hier hätte man, wenn man überhaupt den Gesetzgeber bemühen wollte, nur ein Rahmengesetz machen dürfen. Das wäre das höchste der Gefühle gewesen. Die Ausführungen, die der Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit hier gemacht hat, sind der beste Beweis dafür, daß man die Finger von einem solchen Gesetz lassen sollte.
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') Siehe Anlage 5.
Ich darf bitten, zu § 1 zu sprechen.
Das waren die Vorbemerkungen, Herr Präsident, um zu sagen, warum wir das Gesetz ablehnen. Wenn wir dennoch unsere Änderungsanträge gestellt haben, so sollen sie dem Zweck dienen, wenigstens die nach unserer Meinung gröbsten Schäden zu beseitigen.
In dem Bericht des Ausschusses für Arbeit stellt die Begründung für die Vorlage dieses Gesetzes im wesentlichen darauf ab, daß hier ein Schutz für im Einzelhandel beschäftigte Angestellte geschaffen werden soll; dagegen wird der mindestens ebenso wichtige Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Einwirkung weniger stark hervorgehoben. Wenn man aber eine solche Begründung für diesen Gesetzentwurf anführt, dann darf man nicht Bezirke mit einbeziehen, in denen die menschliche Arbeitskraft gar nicht berührt wird bzw. in denen es nicht um den Schutz der Angestellten gehen kann. Infolgedessen kann man in den Begriff der Verkaufsstellen nicht auch Warenautomaten einbeziehen. Es ist daher der Sinn unseres Antrags, diesen im Hinblick auf die ganze Tendenz des Gesetzes falschen Begriff herauszubringen. Daher beantragen wir, in § 1 Abs. 1 Nr. 1 das Wort „Warenautomaten" zu streichen. Das wird dann automatisch Auswirkungen auf den § 6 und den § 27 haben. Insofern gilt meine Begründung auch für die Ziffern 5 und 12 unseres Antrags auf Umdruck 810.
Einen Augenblick, Herr Kollege! Wollen Sie nicht auch die Ziffer 2 Ihres Antrags gleich begründen? Sie betrifft auch den § 1. Der § 1 soll einen neuen Abs. 3 erhalten. Es ist vielleicht zweckmäßig, das mit in Ihre Begründung hineinzunehmen, damit wir gleich den § 1 insgesamt erledigen können.
Meine Damen und Herren, mindestens der erste Teil des zweiten Antrags, den wir gestellt haben, ist eigentlich durch meine eben gemachten Ausführungen mit begründet; denn dort, wo keine Angestellten in einem Geschäft tätig sind, erübrigt sich der Schutz der Angestellten; man kann es dem Betriebsinhaber selber überlassen, wie er seine Verkaufstätigkeit einrichten will. Man kann ihn nicht zwingen, irgendwelche Einschränkungen in seiner Verkaufstätigkeit vorzunehmen.
Zu Nr. 2 des Abs. 3 beantragen wir, daß auch Zeitungsverkaufsstellen aus diesem Gesetz herausgenommen werden. Ich gebe dazu folgende Begründung: Es ist notwendig, daß die Bevölkerung mit den neuesten Nachrichten durch die Presse versorgt wird, und es ist doch einfach unmöglich für den Gesetzgeber, nun festzulegen, daß am Montag früh oder im Laufe des Samstag niemand die neuesten Nachrichten aus der Zeitung soll entnehmen können, oder daß die Zeitungskioske und Zeitungsverkaufsstellen auch am Samstagnachmittag geschlossen bleiben. Das wäre eine Belastung für die Bevölkerung, die nicht zumutbar ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Nr. 2 des Abs. 3 - Ziffer 2 des Änderungsantrags der Fraktion der FDP -, die den Zeitungsverkauf betrifft, sind von den verschiedenen Seiten des Hauses einige Anträge für die dritte Lesung gestellt worden. Wir werden den FDP-Antrag ablehnen. Wir werden in der dritten Lesung über diese Frage diskutieren und dann zu einer Konzession bereit sein.
Darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, Herr Kollege, daß Sie getrennte Abstimmung über die einzelnen Nummern des Abs. 3 verlangen?
Ich glaube, es wird nicht unbedingt notwendig sein. Es geht auch so. Ich wollte das nur erklären.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Meyer-Ronnenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Atzenroth und Mitunterzeichner haben zu § 1 Abs. 3 den Antrag auf Einfügung des folgenden neuen Passus gestellt:
Dieses Gesetz gilt nicht für
1. Verkaufsstellen, in denen nur der Inhaber oder
Familienangehörige des Inhabers tätig sind,
Dieser Antrag kann von uns aus folgenden Gründen nicht befürwortet werden: Herr Atzenroth hat sich wahrscheinlich Gedanken darüber gemacht, welche Zahl von Betrieben etwa vorhanden sein könnte, die unter diese Rubrik fallen. Ich muß dazu folgendes feststellen: Von den 467 000 registrierten Betrieben des Einzelhandels entfallen nur ca. 15 °/o auf diese Kategorie. In den Betrieben dieser Kategorie werden 'also keine Angestellten beschäftigt, sondern dort ist nur der Inhaber - entweder allein oder mit seiner Ehefrau - tätig. Ich kann mir unter diesem Antrag nichts anderes vorstellen, als daß mit ihm der Grundgedanke des Gesetzes, nämlich eine klare Regelung einzuführen, verwässert werden soll. Ich möchte also bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Auch der Antrag, der sich auf die Herausnahme der Warenautomaten bezieht, kann von uns nicht gutgeheißen werden. Wir haben die Warenautomaten ausdrücklich deswegen in das Gesetz einbezogen, weil wir uns sehr ernste Gedanken über die beginnende Automation auf allen Gebieten gemacht haben. Wenn wir die Warenautomaten aus dem Gesetz herausließen, würden wir riskieren und müßten wir befürchten, daß dann Gesellschaften Automaten an jeder Straßenecke aufstellen. Durch diese Automatisierung käme ein ganz wesentlicher Teil des kleinen Einzelhandels in Mitleidenschaft. Wir haben ein Interesse daran, daß dies nicht geschieht. Wir wollen ausdrücklich, daß der kleine Einzelhandel in seiner Struktur nicht weiter geschwächt wird, sondern daß er erhalten bleibt. Wir können das auch nicht ,davon abhängig machen, daß etwa nun die Warenautomaten ohne Residenzpflicht aufgestellt würden, sondern wir müssen an unserer Konzeption festhalten: Warenautomaten sind Einzelhandelsverkaufsstellen, sie gehören in das Gesetz hinein. Ich möchte Sie also bitten, in dieser Hinsicht den Antrag der Herren Atzenroth und Mitunterzeichner abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fassbender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir von der Deutschen Partei stehen
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auf dem Standpunkt, daß dieses Ladenschlußgesetz wirklich Gefahr läuft, zu einem Ladenkurzschlußgesetz zu werden, und das möchten wir doch unter allen Umständen verhindern. Dem Antrag der Freien Demokraten werden wir zustimmen; das Gesetz werden wir in dieser Form sowieso ablehnen müssen. Wir reden von der Freiheit, aber dem kleinen Gewerbetreibenden, der zusammen mit seiner Frau sein Brot verdient, verbietet man, abends nach 6 Uhr noch etwas zu verkaufen.
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Ich habe absolut nichts dagegen, wenn man, um die Arbeiterschutzgesetzgebung sicherzustellen, in den Betrieben, wo Angestellte beschäftigt werden, Sonderregelungen trifft. Ich muß es aber grundsätzlich ablehnen, daß hier alles schematisiert wird, daß man einfach vorschreibt: Du hast um 8 Uhr anzufangen, du hast um 18 Uhr aufzuhören. So weit dürfen wir weiß Gott nicht gehen, wenn die Freiheit des Einzelmenschen in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit überhaupt noch einen Wert für uns darstellen soll.
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Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich muß zu meinem Bedauern noch einmal den Wortlaut des Schriftlichen Berichts wörtlich vortragen. Es heißt hier:
Die Mißstände, die hinsichtlich der Arbeitszeiten der Angestellten im Einzelhandel in den
letzten Jahren immer deutlicher in Erscheinung getreten sind, erfordern zwingend eine Neuregelung der Ladenschlußvorschriften.
Nun bitte ich die Vertreter der Gruppe, die diesen Beschluß gefaßt haben - das ist der Beschluß des Ausschusses für Arbeit ({0})
- gewiß, aber er stellt doch den Gang der Ereignisse in dem Ausschuß für Arbeit dar -,
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uns darzustellen, worin ein Schutz der Angestellten bezüglich der Punkte, die wir in unserem Antrag genannt haben, notwendig ist. Das ist hier mit keinem Wort, auch nicht von Herrn Meyer-Ronnenberg, gesagt worden.
Herr Kollege Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Initiatoren oder den Einbringern dieses Gesetzentwurfs haben zwei Motive vorgeschwebt. Das eine: in einem bestimmten Umfang Schutz der Arbeitskraft nicht nur der Unselbständigen, sondern auch der Selbständigen.
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Das zweite: In einem weiten Bereiche Herstellung gleichartiger Wettbewerbsvoraussetzungen.
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Das ist das Motiv. Aus diesen Gründen sind wir
für die hier vorgeschlagene Regelung und bitten,
die Anträge, die Herr Kollege Atzenroth begründet hat, abzulehnen.
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Herr Kollege Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Atzenroth, man kann natürlich auf dem Standpunkt stehen, den Sie vorgetragen haben. Es ist uns bekannt, daß in einigen Ländern die kleineren Einzelhändler recht froh darüber sind, daß sie nach Feierabend gute Geschäfte machen können, während die großen Läden schließen. Bitte bedenken Sie aber auch folgendes. Die Arbeitszeit des kleinen Unternehmers ist im wesentlichen die Geschäftszeit. Die Arbeitszeit wird durch eine sehr lange Geschäftszeit sehr in die Länge gezogen.
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- Der Mann wird doch durch die Verhältnisse dazu gezwungen; haben wir da doch keine Illusionen! Die Geschäftszeit wird für ihn die Arbeitszeit, und er hat keine Möglichkeit, früher zu schließen.
Was ich Sie zu bedenken bitte, ist folgendes. Wenn nun die Anstrengungen für den kleinen Unternehmer so groß werden, daß sie nicht mehr im rechten Verhältnis zu seinem Verdienst stehen, dann werden immer mehr Leute auf diese selbständige Existenz verzichten. Ich habe schon früher einmal darauf hingewiesen, daß wir bei allen sozialpolitischen Überlegungen die kleinen Selbständigen nicht vergessen dürfen. Ich sehe, wenn wir den Antrag der FDP annehmen, die Gefahr einer weiteren sozialpolitischen Überrundung unserer kleinen Unternehmer. Aber ich verkenne gar nicht, daß auch Ihrem Standpunkt Rechnung getragen werden muß. Man muß eben abwägen, was man für wichtiger hält, und ich für meine Person bin der Meinung, daß wir alles tun sollten, um eine weitere soziale Schlechterstellung der kleinen Selbständigen zu verhindern. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Aber wie gesagt, ich verkenne gar nicht, daß auch Sie gute Gründe vorgetragen haben.
Herr Abgeordneter Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Auf Grund der Ausführungen von Herrn Kollegen Schmücker, die sehr sachlich waren und Teil eines echten Gesprächs darstellen, fühle ich mich gezwungen, noch einmal das Wort zu ergreifen. Unser Gedanke war gerade, diesen kleineren Unternehmern eine gewisse Hilfe gegenüber Großunternehmen zu geben. Dadurch, daß man ihnen die Möglichkeit gibt, an diesem Tag, an dem sonst die Geschäfte geschlossen werden müssen, kraft Gesetzes ihre Geschäfte offenzuhalten, erlegt man ihnen nicht automatisch eine übermäßige Arbeitszeit auf. Die kleinen Unternehmer wären nach unserem Vorschlag in der Lage, ihre Arbeitszeit so einzuteilen, wie sie es für zweckmäßig und in ihrem Beruf für richtig halten. Sie werden in ihrer großen Masse nicht das Streben haben, unter allen Umständen am Samstagnachmittag zu schließen. Ein großer Teil von ihnen wird einmal oder zweimal an einem anderen Tag der Woche schließen oder er wird sein Geschäft erst mittags öffnen, je
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nachdem. Es gibt eine ungeheure Vielfalt in der deutschen Wirtschaft. Die betreffenden kleinen Unternehmer werden daher ausgenommen von dem Zwang, am Samstagnachmittag zu schließen. Das ist der Sinn unseres Antrages. Sie können offenhalten, wann sie wollen, und können schließen, wann sie wollen. Diese Verfügungsberechtigung wollen wir dem kleinen Einzelhändler lassen und sie nicht mit Polizeigewalt einschränken.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu § 1 ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen ab über den Änderungsantrag Umdruck 810*) Ziffer 1, in § 1 Abs. 1 Nr. 1 das Wort „Warenautomaten" zu streichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 810 Ziffer 2, in § 1 einen Abs. 3 folgenden Wortlauts einzufügen:
Dieses Gesetz gilt nicht für
1. Verkaufsstellen, in denen nur der Inhaber oder Familienangehörige des Inhabers tätig sind,
2. Zeitungsverkaufsstellen,
3. Warenautomaten.
Ich darf wohl annehmen, daß nach dem eben abgelehnten Antrag die Ziffer 3 dieses Abs. 3 als abgelehnt
Dann komme ich zur Abstimmung über die Ziffer 1 des beantragten Abs. 3: „Verkaufsstellen, in denen nur der Inhaber oder Familienangehörige des Inhabers tätig sind." Wer hierfür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ziffer 2 des Abs. 3: „Zeitungsverkaufsstellen." Wer für diesen Teil des Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Darf ich bitten, noch einmal zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, sich zu erheben.
- Ich danke Ihnen. Dann bitte ich um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Wir kommen dann zu § 1 in der Ausschußfassung. Wer § 1 in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe § 2 auf. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer für § 2 ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 2 ist angenommen.
Wir kommen jetzt zu § 3. Hierzu liegen die Änderungsanträge Umdruck 810*) Ziffer 3, Umdruck 810 Ziffer 4 und Umdruck 804**) vor. Ich bitte jetzt die Antragsteller um Begründung der Anträge. Dann möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, daß der Herr Berichterstatter des federführenden Ausschusses jeweils nach der Begründung der Anträge
- ich gehe davon aus, daß diese Anträge in den
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 4.
Ausschüssen schon x-mal durchgesprochen sind --- den Standpunkt des Ausschusses, soweit er vorhanden ist, in objektiver Form mit Pro und Kontra darstellt. Vielleicht besteht die Möglichkeit, dadurch die Debatte abzukürzen.
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- Ich zwinge niemand, ich rege nur etwas an, was in anderen Parlamenten so geübt wird.
Ich darf jetzt also bitten, zu den Änderungsanträgen Stellung zu nehmen. Da ist zunächst der Antrag zu § 3 auf Umdruck 810 Ziffer 3. Es wird vorgeschlagen, im Abs. 1 Nrn. 2 und 3 Änderungen vorzunehmen. Ich darf bitten, vielleicht die Ziffer 4, die auch § 3 betrifft, mitzubegründen, wenn es sich um den gleichen Kollegen handelt, der die Begründung vornimmt. - Kollege Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Bei § 3 handelt es sich um den Zentralpunkt dieses Gesetzes, der praktisch den Ladenschluß am Samstagnachmittag vorsieht. Herr Kollege Lange hat vorhin erklärt, daß entgegen der Darstellung, die in dem Bericht des Ausschusses für Arbeit gegeben worden ist, auch wirtschaftspolitische Gründe zu dieser Formulierung geführt haben. Es ist ja schon zum Ausdruck gebracht worden, daß der dafür zuständige Ausschuß die erforderlichen Untersuchungen, inwieweit dieses Gesetz in unsere Wirtschaft eingreift, nicht hat führen können.
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- Ich bitte um Entschuldigung, Sie haben von den Antragstellern, nicht von dem Ausschuß für Arbeit gesprochen. Das ist richtig. Ich berichtige mich dahin, daß also die Antragsteller in ihren Motiven auch wirtschaftliche Gründe gehabt haben.
Nach unserer Meinung ist das vorliegende Gesetz absolut wirtschaftsfeindlich. Es fordert, daß Waren in Zeiten angeboten werden, in denen kein oder nur ein geringer Bedarf vorliegt, daß die Verkaufsstellen aber geschlossen werden, wenn ein besonders dringender Bedarf vorliegt. Wenn man das noch Marktwirtschaft nennt, dann weiß ich nicht, wie man mit solchen Begriffen umgehen kann. Es ist einfach nicht möglich, daß alle Menschen in Deutschland zu derselben Zeit arbeiten und sich zu derselben Zeit ihre Erholung suchen. Sie fordern das ja auch nicht von den Angehörigen des Hotel- und Gaststättengewerbes, Sie fordern das nicht von den Beamten der Bundesbahn und der Bundespost, von den Ärzten und den Angestellten in den Krankenhäusern
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- und vom Bundestag auch nicht; vollkommen richtig. Wir werden also niemals die Forderung erheben können: irgendein Zweig muß unter allen Umständen dann seine Erholungszeit haben, wenn auch die anderen ihre Erholungszeit haben. Das Argument ist einfach nicht stichhaltig.
Der andere Grund, der für diese Gestaltung des Gesetzes spricht -
Herr Kollege Atzenroth, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte, gern.
Herr Kollege Atzenroth, beabsichtigen Sie dann auch den Sonntagsverkauf wieder einzuführen? Den könnten wir mit derselben Begründung einführen.
Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Vermutung kommen. Ich habe davon kein Wort gesagt.
Dieselbe Begründung, die für den Samstag -Ladenschluß gilt, gilt doch auch für den Sonntagsverkauf.
Sie können doch nur auf das eingehen, was ich gesagt habe. Ich habe erklärt, daß es nicht möglich ist, daß alle Menschen zur gleichen Zeit arbeiten und daß alle zur gleichen Zeit ihrer Erholung nachgehen; aber das ist die Forderung, die hier im wesentlichen erhoben wird. Ausgerechnet am Samstagnachmittag, an dem der dringendste Bedarf vorliegt - daran kann doch kein Zweifel sein -, hindert man - unter Anwendung von Zwang - eine gewisse Berufsschicht, ihrer Arbeit nachzugehen.
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- Der freiwilligen Einschränkung ihrer Arbeitstätigkeit sind ja niemals Grenzen gesetzt.
Nun aber das andere Argument: der Schutz der Angestellten; der liegt uns genau so am Herzen wie Ihnen. Er ist in den bestehenden Gesetzen verankert. Wenn mit der Behauptung, ein großer Teil der bestehenden Gesetze werde nicht durchgeführt, ) ein neues Gesetz gefordert wird, so ist das nicht ganz logisch. Man kann nicht ein neues Gesetz machen, weil das frühere Gesetz nicht durchgeführt ist, in der Hoffnung, daß das zweite Gesetz oder die Summe von zwei Gesetzen besser durchgeführt wird. Das ist keine Methode, nach der ein Gesetzgeber arbeiten kann. Die bestehenden Gesetze geben durchaus die Möglichkeit, die im Einzelhandel tätigen Angestellten in bezug auf ihre Arbeitszeit im vollen Umfang zu schützen.
Aus diesem Grunde haben wir ein solches Gesetz grundsätzlich abgelehnt. Wenn aber die Mehrheit dieses Hauses die Notwendigkeit eines Gesetzes bejaht, wollen wir ihm wenigstens die Fassung geben, wie sie in dem Antrag Umdruck 810 unter Ziffer 3 gefordert wird, daß an den Sonnabenden die Geschäfte erst ab 17 Uhr geschlossen werden sollen.
Ich bin von dem Herrn Präsidenten aufgefordert worden, auch den Antrag unter Ziffer 4 mit zu begründen. In § 3 Abs. 3 der Ausschußfassung ist für die Bäckerwaren eine Ausnahme gemacht worden. Wir sind der Meinung, daß aus denselben Gründen diese Ausnahme auf andere Dinge des lebensnotwendigen Bedarfs ausgedehnt werden muß, die die gleiche Behandlung verdienen, und zwar auf Tabakwaren, Frischobst, Südfrüchte und Gemüse. Ich brauche dazu keine weitere Begründung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller des Antrags
Umdruck 804 *), wonach dem § 3 ein Abs. 4 angefügt werden soll, gehen von der Feststellung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik aus, daß die wirtschaftlichen Konsequenzen der nunmehr vorgeschlagenen Regelung noch nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit überprüft werden konnten. Insbesondere handelt es sich um die Fragen, wie etwa die Verbraucher ausweichen und in anderen Betriebsformen wie Versandhandel, Werkskantinenhandel und ähnlichen Formen einen Ersatz anstreben, inwieweit sich Konkurrenzverhältnisse zwischen Kleinbetrieben und Großbetrieben, zwischen Vororten und Landbezirken einerseits und Städten anderseits verändern, um die Frage von Überschneidungen beim Verkauf bestimmter Artikel wegen der Zugehörigkeit der Betriebe zu anderen Branchen, etwa bei Tabakwaren beim Verkauf in Gaststätten usw. All diese Dinge konnten nicht geprüft werden.
Der Ausschuß für Arbeit selbst hat in der Vorlage, die Ihnen nun vorliegt, an vielen Stellen zum Ausdruck gebracht, daß offenbar sowohl durch Regelungen auf der Landesebene wie auch durch die Verwaltungspraxis nachgeordneter Dienststellen noch ein größeres Maß an Erfahrungen gesammelt werden müsse. Das geht auch daraus hervor, daß in fast zwei Drittel aller Paragraphen der Erlaß zusätzlicher Ausführungsbestimmungen usw. durch verschiedene andere Behörden in Aussicht gestellt ist, und zwar angefangen vom Bundesarbeitsminister unter Mitberatung anderer Ressortminister bis zu den Landesregierungen und einigen nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden. Schon weil hier offenbar noch in weitem Umfang praktische Erfahrungen abgewartet werden sollen, ehe wirklich ein abschließendes Urteil abgegeben wird, glauben die Antragsteller, dem Hohen Hause völlig zu Recht vorzuschlagen, den SamstagnachmittagLadenschluß um 14 Uhr mit Ausnahme des ersten Samstags im Monat - das ist der zentrale Punkt dieser Vorlage - erst nach einer Übergangszeit von zwei Jahren in Kraft treten zu lassen. In der Zwischenzeit soll nach dem Vorschlag der Antragsteller die Verkaufszeit am Sonnabend auf 17 Uhr begrenzt werden. Dafür soll dann aber als Ersatz für den Arbeitnehmer montags erst um 10 Uhr begonnen werden.
Mit diesem Vermittlungsvorschlag glauben die Antragsteller einerseits dem Anliegen der Arbeitnehmer, der Beschäftigten, und auch der Betriebsinhaber, die Arbeitszeit am Wochenende zu verkürzen, Rechnung zu tragen, andererseits aber auch die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des Ladenschlusses um 14 Uhr so zu bemessen, daß bis dahin eine Anpassung an dieses Ziel eintreten kann.
Ich darf Sie namens der Antragsteller bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Kollege Illerhaus, hatten Sie sich zur Begründung oder zur Sache zum Wort gemeldet? - Darf ich Sie bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf die Äußerungen des Herrn Abgeordneten Sabel zurückkommen, der heute nachmittag bei Beginn der Debatte sagte, daß auf das Parlament aus den verschiedenen Bevölkerungskreisen, aus den verschiedensten Län-
*) Siehe Anlage 4.
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dern und Bezirken unterschiedliche Auffassungen über die Ladenzeit und den Ladenschluß am Samstagnachmittag zugekommen seien. Ich glaube, gerade die starke Differenziertheit der Auffassungen in den einzelnen Bezirken ist der beste Beweis dafür, daß eine bundeseinheitliche Regelung nicht richtig ist.
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Alle diese Stimmen, die aus den verschiedensten Ländern kommen, haben eine Berechtigung. Man muß anerkennen, daß die verschiedenen Standpunkte, die vertreten werden, durch die jeweils herrschenden Verhältnisse gerechtfertigt sind. In Schleswig-Holstein sind die Verhältnisse in dieser Beziehung bestimmt anders als beispielsweise im Ruhrgebiet.
Oder nehmen Sie eine andere Frage, die Frage der Grenzbezirke. Nehmen Sie den Fall Aachen. Es heißt in dem Entwurf, daß die Länderregierungen für die Grenzorte eine andere Regelung treffen können. Die Landesregierung in Düsseldorf würde also Aachen gestatten, entgegen dem Verbot am Samstagnachmittag die Geschäfte geöffnet zu halten.
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Aachen ist umgeben von einer Reihe kleiner Orte, deren Kundschaft dann nach Aachen ginge, um dort einzukaufen.
Herr Kollege, darf ich fragen, ob Sie zu § 3 sprechen?
Zum § 3! Ich spreche da- zu, ob der 14-Uhr-Ladenschluß richtig ist oder ob dieser Kompromißantrag angenommen werden soll.
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- Aber selbstverständlich, Herr Kollege Hansen!
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Wenn ich zu der Frage spreche, ob um 14 Uhr geschlossen werden oder ob dieser Kompromißantrag angenommen werden soll, dann muß ich doch begründen - ({2})
- Das kommt gleich! Warten Sie nur ab! Ich werde das schon begründen.
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- Augenblick! - Meine Damen und Herren, weil wir eine solche bundeseinheitliche Regelung mit einem Samstagnachmittag -Ladenschluß um 14 Uhr nicht für richtig halten, möchten wir wenigstens für eine gewisse Übergangszeit eine Anpassungsmöglichkeit geben.
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Wir möchten dafür sorgen, daß wenigstens der Übergang zum 14-Uhr -Ladenschluß nicht so abrupt erfolgt, wie es der Beschluß des Ausschusses für Arbeit vorsieht. Meine Damen und Herren, auch ich fühle mich als Verfechter des 14-Uhr -Ladenschlusses. Ich möchte aber gewährleistet sehen, daß diese Dinge nicht so über die Bühne gehen, wie es nach
diesem Beschluß geschehen soll, und wäre dankbar, wenn der Antrag, den Herr Kollege Hellwig vorhin begründet hat, angenommen würde. Wir würden damit eine weit größere Befriedigung in der Öffentlichkeit erzielen, als es sonst der Fall ist. Uns allen kommt es doch darauf an, ein Gesetz zu machen, das einen möglichst großen Kreis befriedigt. Bei Annahme dieses Kompromißvorschlages haben die Befürworter des 14-Uhr-Ladenschlusses die gesetzliche 14-Uhr -Ladenschlußregelung bekommen, und diejenigen, die aus den von mir geschilderten Gründen dagegen sind, haben wenigstens die Möglichkeit, sich innerhalb von zwei Jahren auf die neue Regelung umzustellen. Deswegen bitte ich um Annahme dieses Antrages.
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem § 3, den wir jetzt erörtern, handelt es sich in der Tat um das Kernstück der ganzen Vorlage. Ich möchte jetzt nicht zu dem sprechen, was Herr Illerhaus eben ausgeführt hat, denn er sprach ja zu einem anderen Antrag. Ich möchte vielmehr zu dem Antrag der FDP auf Umdruck 810*) sprechen, den Herr Dr. Atzenroth begründet hat.
In der Öffentlichkeit und auch in diesem Hohen Hause ist sich alles darüber einig, daß die Arbeitszeit der Angestellten und Arbeiter, aber auch der Ladeninhaber selbst, zu lang ist. In dem Jahresbericht der Gewerbeaufsichtsbeamten von 1950 wird festgestellt, daß die Menschen im Einzelhandel wöchentlich 54, ja bis zu 76 Stunden arbeiten,
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obwohl wir ein Arbeitszeitgesetz haben, das die 48stündige Arbeitszeit festlegt.
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Aus dem Gebot der Pflege der Volkskraft und der Volksgesundheit und aus der Sorge um den Berufsnachwuchs im Einzelhandel, der nach dem Urteil insbesondere auch der Ladeninhaber durch die ungünstigeren sozialen und nicht zuletzt Arbeitszeitverhältnisse im Einzelhandel bedroht ist, ist man sich darüber einig, daß die Arbeitszeit verkürzt werden muß.
Nun liegen aber die Verhältnisse im Einzelhandel so, daß die Arbeitszeit gleich der Zeit zwischen Ladenöffnung und Ladenschluß ist. Wenn Sie also wirksam und kontrollierbar eine Begrenzung der Arbeitszeit im Einzelhandel einführen wollen, dann müssen Sie die Ladenöffnungszeit begrenzen. Die Materie ist übrigens kein Neuland. Seit Jahrzehnten macht das der Gesetzgeber in Etappen. Die Älteren von uns - ich zähle mich jedenfalls zu dieser Generation - werden sich an die Zeit erinnern, wo es überhaupt noch keine Ladenschlußzeit gab,
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wo man um 10, 11 und auch 12 Uhr abends noch einkaufen konnte, wo man auch über den ganzen Sonntag einkaufen konnte. Hier hat der Gesetzgeber etappenweise eingegriffen. Damit antworte ich auch auf Ausführungen, die Herr Dr. Atzenroth in anderem Zusammenhang heute gemacht hat. Es handelt sich nicht um Neuland, sondern um einen
*) Siehe Anlage 5.
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alten, ich möchte sagen, sozialpolitischen Boden. Nur ist dieser Boden durch die neuzeitliche Entwicklung schon so verkrustet, daß er wieder einmal umgeackert werden muß. Es ist also eigentlich ein Umackerungsgesetz, wenn Sie es scherzhaft so bezeichnen wollen.
Darüber ist man sich also einig: Man muß, wenn man die Arbeitszeit im Einzelhandel vernünftig begrenzen will und wenn man auch kontrollieren können will, daß sie eingehalten wird, die Ladenschlußzeiten festlegen.
Ich sprach vorhin von der Notwendigkeit der Pflege der Volkskraft und der Volksgesundheit. Hier handelt es sich in der Hauptsache um weibliches Personal. Wir sind uns in diesem Hohen Hause auch immer einig gewesen, daß die Frau auf Grund ihrer biologischen Anlagen in vielen Fällen eines besonderen Schutzes bedarf. Wenn Sie davon ausgehen, daß im Einzelhandel - das sind nicht nur die Angestellten, sondern auch die Ehefrauen und die Töchter der Ladeninhaber - zu 80 % Frauen beschäftigt sind, dann müssen Sie doch die Notwendigkeit einer Arbeitszeitbegrenzung in den Ladengeschäften erkennen.
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Der Berufsnachwuchs, so sagte ich vorhin auch, ist bedroht. Wenn Sie die Dinge weiter so schlittern lassen, dann bekommen Sie beim Personal des Einzelhandels dieselben Verhältnisse wie bei den Hausgehilfinnen.
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Auch da waren jahrzehntelang die sozialen Verhältnisse so miserabel, daß sich im Laufe der Zeit überhaupt kein Mensch mehr für den Hausgehilfinnenberuf entschließen konnte. Sie kennen ja die Schwierigkeiten, heute eine brauchbare Hausgehilfin zu erhalten. Wenn Sie sie bekommen, müssen Sie heute einen Batzen Geld zahlen. Das ist die Strafe, so könnte ich sagen, für die soziale Vernachlässigung der Hausgehilfinnen durch die Jahrzehnte.
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Der Einzelhandel - verzeihen Sie das Wort -„produziert" den Berufsnachwuchs ja nicht für sich allein. Die Menschen aus dem Einzelhandel müssen für weite Bereiche des übrigen kaufmännischen Geschehens, für die Industrie und für andere Wirtschaftszweige aufkommen, weil sie zum großen Teil auch heute noch eine vorzügliche Ausbildung, insbesondere im Hinblick auf Warenkunde, erhalten. Wenn man das weiß, sieht man auch, daß der Einzelhandel nicht nur die Aufgabe hat, für den Verbraucher zu sorgen, sondern daß er auch, vielleicht gar nicht mal gewollt und bewußt, eine sehr große volkswirtschaftliche Aufgabe allgemeiner Art erfüllt. Sie dürfen den Berufsnachwuchs nicht beschränken, oder Sie müssen sich damit abfinden, daß die Qualität des Verkaufspersonals von Jahr zu Jahr schlechter wird, weil sich die jungen Leute naturgemäß nicht mehr für den Einzelhandel hergeben wollen. Es ist ja geradezu grotesk, wenn Sie heute in ersten Zeitungen, in der Frankfurter Zeitung und ähnlichen in der Welt bekannten Blättern, Riesenanzeigen lesen, wo man einen Lehrling für den Einzelhandel sucht; ein Zeichen dafür, wie kostbar diese Menschen geworden sind. Darauf wollte ich Sie bei dieser Gelegenheit hinweisen: wie wichtig es ist, daß auch die Arbeitszeitverhältnisse im Einzelhandel so geregelt werden, daß sich die
Menschen normalerweise auch für diesen Zweig zur Verfügung stellen.
Es muß also der Mißstand beseitigt werden, der gegenwärtig besteht. Darin sind sich die Arbeiter, die Angestellten und die Ladeninhaber einig, und darin sollten sich auch alle Mitglieder dieses Hohen Hauses einig sein.
Nun sagt man: Ja, ihr dürft aber nicht nur an die 1,5 Millionen Menschen denken, die im Einzelhandel tätig sind, an die Arbeiter, die Angestellten und Ladeninhaber, ihr müßt auch an die Verbraucher denken. Für die sind doch die Läden da, also auch die Verkäufer, die Ladeninhaber. Das sind eben Dienstleistungen! Herr Dr. Atzenroth sagt - aber ich möchte das nur als einen Scherz auffassen -: „Die Eisenbahn muß ja auch immer fahren, und die Post muß auch immer in Betrieb sein." Nun, von der Post gilt das schon nicht mehr ganz. Auch sie hat im Laufe der Jahrzehnte ihre Arbeitszeit sehr eingeschränkt. Immerhin ist ihm dann mit Recht zugerufen worden: „Nun ja, dann müßten die Ladengeschäfte auch am Sonntag offen sein." Das wollen Sie ja selbst nicht, Herr Dr. Atzenroth. Das ist aber keine Argumentation. Zugegeben werden muß, daß sich der deutsche Einzelhandel mindestens heute noch nicht den Luxus eines Schichtwechsels erlauben kann wie z. B. die Ladeninhaber in Amerika. Wenn das möglich wäre, dann sähe ,das Problem völlig anders aus. Vielleicht können es sich die ganz großen Warenhäuser erlauben, einen Schichtwechsel einzuführen, also mehrere Schichten am Tage zu haben, so daß sie dem Personal in der Woche abwechselnd freie Zeit geben können. Das kann die Masse der Ladengeschäfte jedenfalls nicht, das können die Klein- und Mittelbetriebe nicht. Sie würden also diesen Betrieben schaden, wenn Sie eine solche Regelung vorschlagen wollten.
Nun sagt man: „die Verbraucher". Wer ist denn überhaupt kompetent, für die Verbraucher zu sprechen?
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Gibt es überhaupt eine organisierte, massenhaft organisierte Verbraucherschaft?
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- Ja, ich werde Ihnen das jetzt einmal nachweisen. Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände.
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Auch die hat der Ausschuß für Arbeit gehört. Und als dann die verfängliche Frage an den Sprecher der Verbrauchergemeinschaft gestellt wurde: „Sagen Sie mal, welche Organisationen gehören Ihnen denn an?", da nannte er uns allerlei mehr oder weniger unbekannte Organisationen,
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im wesentlichen aber solche, die gar keine typischen Verbraucherorganisationen sind, sondern in der Hauptsache anderen Zielen dienen. Er nannte z. B. den Verband der vertriebenen Deutschen.
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Das ist auch eine „Verbraucherorganisation".
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Aber die einzige Massenorganisation von Verbrauehern, die auch der „Arbeitsgemeinschaft" ange({13})
hört, unterschlug der betreffende Vertreter: den Zentralverband der Konsumgenossenschaften. Das ist eine echte Massenorganisation von Verbrauchern. Warum verschwieg er sie? Weil in demselben Zimmer der Vertreter des „Zentralverbandes" saß, und der hatte sich schon vorher für eine gesetzliche Regelung des Ladenschlusses im Sinne des Ausschußbeschlusses eingesetzt.
Wenn Sie schon von kompetenten Vertretern der Massenorganisationen von Verbrauchern reden wollen, dann denken Sie an den Deutschen Gewerkschaftsbund mit seinen 6 Millionen Mitgliedern, der sich zu dem Grundgedanken des Gesetzes bekennt.
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Und denken Sie auch an die Organisation, die ich vertrete - sie kann keine Massenorganisation sein, weil sie nur Angestellte umfaßt -:
({15})
die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft. Das sind also alles Massenorganisationen der Verbraucher, und die sind allerdings für ,die Regelung des Ladenschlusses, so wie sie hier vorgesehen ist.
Nun hat man mir gesagt: Aber auch noch eine Massenorganisation im Sinne der Gewerkschaften
({16})
sei gegen die Ladenschlußzeiten: der Deutsche Beamtenbund. Vielleicht hat der eine oder andere Funktionär einmal so etwas geäußert; eine offizielle Stellungnahme des Deutschen Beamtenbundes liegt nicht vor. Ich glaube auch gar nicht, daß ausgerechnet die Beamten sich gegen eine solche Regelung wenden, die doch nicht nur die Segnung eines freien Sonnabends praktizieren, sondern zum Teil in ganzen Gebietsteilen der Bundesrepublik außerdem noch die Segnung eines freien Mittwochnachmittags. Auch schätze ich die Beamten in Deutschland nicht als so unsozial ein,
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daß sie sich gegen eine solche Regelung wenden würden.
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Zudem ist in dem Gesetzentwurf auf die Verbraucher Rücksicht genommen. Die nicht berufstätigen Verbraucher haben den ganzen Tag Zeit, einzukaufen, und es ist nur eine Frage der Gewöhnung, der Bequemlichkeit, ob man es so oder anders macht.
Nun wird man mir sagen: Aber die Berufstätigen! - Auch auf sie ist Rücksicht genommen worden. Wir hatten ursprünglich im Gesetzentwurf den 18-Uhr-Ladenschluß an Wochentagen vorgesehen. Wir sind dann auf den 18.30 -Uhr-Ladenschluß gekommen, weil wir uns sagten, für die täglichen Kleineinkäufe der Berufstätigen sollen zwei bis drei Stunden zur Verfügung stehen. Die meisten Betriebe machen ja um 16 oder um 16.30 Uhr Schluß.
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Dann wird man mich in diesem Zusammenhang vielleicht noch an die Vorgänge in Bonn erinnern wollen, wo seit einigen Wochen der 18- Uhr-Ladenschluß durch freie Vereinbarung eingeführt worden ist, und an die Proteste der Beamten. Nun, meine Damen und Herren, die Proteste sollten lieber an die Leitungen der Ministerien gehen, die immer noch etwas sehr vorsintflutlich verfahren und ihre Büros erst um 17.30 Uhr schließen, aus Gründen, die in der Sache nicht begründet sind, denn in der Masse der Bürobetriebe wird heute überall um 16.30 Uhr Schluß gemacht. Also müssen sich auch die Büros der Ministerien einer solchen Regelung anpassen. Und nun sagt man: Ja, es gibt aber Großeinkäufe; die kann ich nicht in einer halben oder in einer Stunde erledigen, sondern dabei muß ich durch die Läden gehen, unter Umständen sogar einen Familienausflug machen. Dem haben wir auch Rechnung getragen. Einmal im Monat lassen wir diese Wanderung zu; jeden Monat einmal kann dieser Familienausflug zum Zwecke des Einkaufs größerer Gegenstände durchgeführt werden.
Wenn man mir sagt, das reiche nicht aus, so muß ich erwidern, daß derjenige, der das sagt, über die schmale Einkommensgrundlage der Masse der Verbraucher nicht orientiert ist. Wir wünschten, daß Löhne unid Gehälter so hoch wären, daß zwölf Sonnabendnachmittage im Jahre nicht ausreichten, um die Schuhe und die Kleidung, und was es sonst noch gibt, einzukaufen. Leider sind die Einkommen nicht so groß, so daß es genügt, wenn einmal im Monat, wie es vorgesehen ist, am ersten Sonnabend im Monat, die Läden bis 18 Uhr offen sind.
Wir haben also auf die Verbraucher die gebührende Rücksicht genommen, und so ist es auch zu erklären, ,daß sich die echten Verbraucherorganisationen, die Gewerkschaften, einstimmig hinter diese Beschlüsse stellen. Das sind ja nicht Beschlüsse von einigen Funktionären, wie das oft so hingestellt wird, sondern das Problem ist seit Jahren von der untersten Ortsgruppe, von der untersten Gliederung bis herauf in die Spitze diskutiert worden, unid überall sind diese Beschlüsse zustande gekommen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, bitte!
Herr Kollege Schneider, glauben Sie allen Ernstes, daß die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes, wie Sie sagen, einstimmig hinter diesem Beschluß steht? Wollen Sie damit sagen, daß sämtliche Mitglieder der Gewerkschaften hinter diesem Beschluß stehen? Ich möchte jedenfalls für die anderen Organisationen, in denen ich tätig bin, niemals behaupten, daß da sämtliche Mitglieder dahinterstehen.
Das liegt vielleicht bei Ihren Organisationen daran, daß sie nicht so demokratisch verfahren, Herr Kollege.
({0})
- Ich könnte Sie auch fragen: wo sind die Urabstimmungen der Parteien, wenn sie ihre Kandidatenlisten aufstellen?
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Jedenfalls sage ich noch einmal, daß die Frage in allen Gliederungen der Gewerkschaften seit Jahren diskutiert worden ist. Natürlich gab es auch eine ganze Menge Mitglieder, die zunächst Bedenken hatten. Sie haben sich aber schließlich überzeugen lassen, daß man dem Gesetz aus sozialen, aus Menschlichkeitsgründen, aus Gründen der Solidarität, aus Gründen des Anstands von Mensch zu Mensch zustimmen und auch kleine Unannehmlichkeiten oder Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen muß. Meine Damen und Herren, wo gibt es denn überhaupt ein Gesetz, das allen nur Gutes bringt? Immer sind einzelne Teile mehr belastet als andere, und so ist es natürlich auch hier.
Ich möchte langsam zum Schluß kommen.
({2})
- Ja, es ist der Kern des ganzen Gesetzes. Deswegen muß hierzu naturgemäß etwas mehr gesagt werden. Deswegen möchte ich auch noch auf folgendes hinweisen. Alles, was gegen die Regelung angeführt wird, ist seit 50 Jahren jedesmal dann vorgetragen worden, wenn wieder einmal ein Ladenschlußgesetz zur Debatte und zur Beschlußfassung gestanden hat. Erfreulicherweise haben sich die damaligen Gesetzgeber dadurch niemals beirren lassen. Sie haben das Gesetz geschaffen, und nach einigen Tagen und Wochen der Unruhe hat sich alles daran gewöhnt.
Und ein zweites durchschlagendes Argument: Wir betreten - das wiederhole ich -kein Neuland. Die Ladenschlußzeiten werden, zum Teil sogar noch über die Bestimmungen des Gesetzentwurfs hinaus, in der Bundesrepublik seit Jahren schon praktiziert. Wir alle bekommen jetzt haufenweise Proteste von seiten der Ladeninhaber in bestimmten Gebieten dagegen, daß wir die Ladenschlußzeit auf 18 Uhr 30 und nicht auf 18 Uhr festgesetzt haben; denn seit Jahren werden die Läden dort schon um 18 Uhr geschlossen. In diesen Gebieten hat sich die Ladenschlußregelung bewährt.
({3})
Ich brauche hier die Hunderte von Orten nicht anzuführen; das würde zu weit führen. Kein Mensch hat beobachtet, daß in den betreffenden Gebieten die Menschen besser oder schlechter angezogen sind als anderwärts, daß sie besser oder schlechter ernährt sind als anderwärts. Es ist nicht nachgewiesen worden, daß die Umsätze geringer geworden sind oder sich Umsatzverlagerungen ergeben haben. Ich will damit sagen: hier handelt es sich um eine Materie der Bewährung. Wir tun also keinen Sprung ins Dunkle. Ich trage Ihnen die dringende Bitte der von diesem Gesetz betroffenen Arbeiter, Angestellten und Ladeninhaber vor, den von der FDP gestellten Antrag abzulehnen; denn das Ladenschlußgesetz würde in seinem Kern ausgehöhlt sein, wenn Sie bestimmten, daß am Sonnabend erst um 17 Uhr statt um 14 Uhr, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, und an den anderen Wochentagen erst um 19 Uhr statt um 18.30 Uhr geschlossen wird.
Aus diesen bewußt etwas ausführlich dargelegten Gründen bitte ich Sie, den Antrag Umdruck 810 abzulehnen.
({4})
Ich bitte, mir einen freundschaftlichen Hinweis nicht übelzunehmen. ich habe aus der Rede des Herrn Vorgängers entnommen, daß die Ministerien nachmittags um 1/2 6 Uhr schließen. Wir debattieren, ob abends um 1/2 7 Uhr oder um 7 Uhr die Läden geschlossen werden sollen. Es ist in zwei Minuten 8 Uhr abends, und wir sind erst bei § 3.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Meine Damen und Herren, erschrecken Sie nicht; ich mache es sehr kurz. Ich möchte nur zu den Ausführungen des Kollegen Dr. Hellwig zum Antrag Umdruck 804*) einige Bemerkungen machen. Herr Dr. Hellwig glaubte, hier sagen zu dürfen, die Unsicherheit der ganzen Situation gehe daraus hervor, daß nun mit der Vorlage den Bundesministerien, den Landesregierungen und Landesbehörden Vollmachten gegeben würden. Herr Kollege Hellwig, das ist eine Übernahme der bisherigen Regelungen. Betrachten Sie die Arbeitszeitverordnung, sehen Sie die Gewerbeordnung! Dort sind gewisse Ermächtigungen gegeben, die auch notwendig sind, weil eben der Gesetzgeber bestimmte Dinge nicht übersehen kann. Es handelt sich beispielsweise in § 7 um die Zulassung von Geschäften auf Bahnhöfen usw. Das sind natürlich Fragen, die der Verkehrsminister regeln muß, der ja diese Dinge kennt. Das gleiche gilt für § 9, der das Problem der Fremdenverkehrsorte, der Grenzorte behandelt. Der Gesetzgeber kann das nicht bestimmen, sondern es muß natürlich den Landesbehörden überlassen bleiben, welche Orte als Fremdenverkehrsorte in Frage kommen. Lesen Sie ferner § 11, der dem Bundesarbeitsminister die Ermächtigung gibt, gewisse Ausnahmen bei den Verkaufszeiten an Sonntagen zuzulassen. Das ist kein Ausdruck der Unsicherheit, das ist keine Unklarheit, sondern eine Übernahme der bisherigen Übung. Wer die Sache kennt, weiß, daß man auf eine solche Übung nicht verzichten kann. Der Bundesgesetzgeber ist einfach nicht in der Lage, diese Fragen bis ins letzte Detail zu regeln. Wir haben uns darauf beschränkt, nur die Fragen in dem Gesetz zu regeln, die man wirklich in einem Bundesgesetz regeln kann.
Noch eine Bemerkung zu dem Antrag Umdruck 804. Ich kann hierin wirklich keine Übergangsregelung sehen. Wenn ich ein Gesetz machen will, das am 1. Januar 1959 gelten soll, dann kann ich mir die Arbeit für den nächsten Bundestag ersparen.
({0})
- Nein, in dem Antrag heißt es, dem § 3 soll ein Abs. 4 angefügt werden, der bestimmt, daß Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ab 1. Januar 1959 gelten sollen und daß bis dahin die Verkaufsstellen sonnabends bis 7 Uhr und ab 17 Uhr geschlossen sein müssen. Das soll in den nächsten zwei Jahren geschehen. Man könnte sich in der dritten Lesung über eine echte Übergangslösung unterhalten, aber - verzeihen Sie mir, daß ich das sagen muß - das ist wirklich keine Übergangslösung, das ist eine, sagen wir einmal, Verschiebung der Regelung auf einen Zeitpunkt, der mir unmöglich erscheint. Wenn man es für notwendig hält, daß das Gesetz nicht am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft tritt, dann
*) Siehe Anlage 4.
({1})
habe ich persönlich und haben meine Freunde nichts dagegen, zu sagen: die Regelung soll am 1. April in Kraft treten, damit eine Möglichkeit gegeben ist, sich darauf einzurichten. Aber das kann ich bei Gott nicht als Übergangslösung betrachten. Ich bitte Sie wirklich, das abzulehnen, weil es den Bedürfnissen nicht Rechnung trägt.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Meyer-Ronnenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich noch lange zu diesem Thema rede; ich möchte mich an die Mahnung des Herrn Präsidenten halten. Aber auf eines darf ich doch noch aufmerksam machen.
Der Herr Kollege Schneider hat es dankenswerterweise übernommen, auf die Notlage der kleinen Betriebe hinzuweisen, die dadurch entsteht, daß sich diese Betriebe an die Arbeitszeitgesetze halten müssen. Er hat davon gesprochen, daß wir im Einzelhandel auch heute noch 54 bis 76 Stunden arbeiten.
({0})
- 76 Stunden, hat er gesagt. - Ich darf das etwas erläutern.
Wir haben seit nun 36 oder 37 Jahren die 48Stunden -Woche. Heute können wir, auch wenn wir die Ziffer, die Herr Kollege Schneider hier angeführt hat, nicht als Norm ansehen wollen, immerhin noch die klare Feststellung treffen, daß Arbeitszeiten zwischen 53 und 57 Stunden absolut an der Tagesordnung sind. Nun wurde Herrn Schneider der Zwischenruf gemacht - wenn ich nicht irre, vom Herrn Atzenroth -, daß es Sache der Aufsichtsbehörde sei, darauf einzuwirken, daß das nicht vorkomme. Ich darf dazu in aller Offenheit sagen: Die Aufsichtsbehörden haben bis heute Nachsicht geübt, weil sie die innerbetrieblichen Verhältnisse der kleinen Geschäfte zu kennen glauben und darauf Rücksicht nehmen möchten.
Nun möchte ich jedoch noch zu etwas anderem sprechen. Es könnte der Eindruck erweckt werden, als ob wir hier keine Kompromißbereitschaft zeigen wollten. Das ist ganz und gar nicht der Fall. Im Gegenteil, ich habe von Anfang an betont, daß bei einem so weitschichtigen Problem ein Kompromiß nicht nur möglich, sondern sogar erwünscht sei. Ich habe von Anfang 'an - das ist im Protokoll des Ausschusses für Mittelstandsfragen klar niedergelegt - auch den Vorschlag gemacht, uns für eine Übergangszeit mit einer Ausdehnung der Verkaufszeiten abzufinden. Aber - in diesem Punkte gebe ich dem Kollegen Sabel recht - beide Seiten müssen die Bereitschaft zu einem Kompromiß zeigen. Der Kompromiß kann nicht darin bestehen, daß man einfach etwas abändert, um überhaupt noch etwas herauszuholen; zu einem echten Kompromiß aber können wir in der dritten Lesung noch kommen.
Ich möchte immer wieder darauf hinweisen: die Not der kleinen Betriebe, ihre Arbeitszeit künftig den Vorschriften der Arbeitszeitverordnung und des Arbeitszeitgesetzes anzupassen, zwingt sie, auch 'diese halbe Stunde, die hier verlangt wird, für ihre Angestellten und für sich in Anspruch zu nehmen.
Also bitte, machen Sie es uns nicht allzu schwer. Wenn ich heute und an dieser Stelle sage, daß ich bereit wäre, von 14 Uhr auf 16 Uhr für eine angemessene Übergangszeit zurückzugehen, dann sollte sich auch die Gruppe, die den Antrag, auf 17 Uhr zu gehen, eingebracht hat, überlegen, ob wir uns nicht doch auf der von mir vorgeschlagenen Basis einigen könnten. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren, daß es mir wirklich nichtangenehm ist, an einem Tage, an dem weiß Gott bedeutendere Ereignisse als der Ladenschluß diskutiert wurden, soviel Worte machen und soviel Gegensätze, die hier aufgetreten sind, verzeichnen zu müssen.
({1})
Aus diesem Grunde möchte ich auch Herrn Atzenroth bitten, dafür Verständnis zu haben, wenn wir diesen Antrag hier noch nicht als die Verhandlungsbasis ansehen können, sondern ihn ablehnen.
Herr Kollege, stellen Sie einen Antrag zur zweiten Lesung?
({0}) - Nein, noch nicht!
Frau Abgeordnete Ilk hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche jetzt zu Ihnen hier als Hausfrau. Ich glaube, daß man als Hausfrau doch wohl in erster Linie als interessierter „Verbraucher" anzusehen ist,
({0})
- Wir sind alle Verbraucher, sehr richtig, Herr Kollege Baur. Ich glaube, daß wir gar keiner Organisation bedürfen, hinter der wir uns verschanzen, um zu vorliegender Frage Stellung zu nehmen. Aber es ist auch sehr schön, wenn die Organisationen in ihrem Kreise diskutieren und sich zu den Problemen äußern. Aber ich möchte eben keinesfalls für eine Organisation sprechen. Ich möchte nur einmal zur Überlegung anheim geben: Wie wirkt sich dieses Gesetz, wie es jetzt vor uns liegt, auf die Hausfrau aus, und zwar sowohl auf die sogenannte Nur-Hausfrau, an die wohl Herr Kollege Schneider in erster Linie dachte, als er sagte, der Verbraucher könne kaufen, wann und zu welcher Zeit es ihm beliebe, als auch auf die berufstätige Hausfrau, die ja in ihrer Zeit noch viel mehr als die sogenannte Nur -Hausfrau beschränkt ist?
Meine Herren, Sie unterschätzen die Arbeitsbelastung der Nur-Hausfrau beträchtlich. Wenn Sie nämlich heute sagen, sie kann über ihre Zeit beliebig verfügen, so ist das ein Irrtum; denn solange wir noch solche kläglichen 'Schulverhältnisse haben, daß ein Kind vormittags und eines nachmittags Schule hat, solange die Wohnungsverhältnisse noch nicht so sind, wie wir sie uns wünschen, hat auch eine Nur-Hausfrau ihre Zeit diesen Gegebenheiten entsprechend einzuteilen.
({1})
Dazu kommt, daß die Nur-Hausfrau einen großen Kauf - da muß ich auch auf Ihre Ausführungen zurückkommen, Herr Kollege Schneider - nicht ohne ihren Mann macht. Ich glaube, Sie werden es auch nicht sehr gerne haben, wenn Ihre Frau Einkäufe, die einen gewissen Preis überschreiten, ohne Ihre Zustimmung und Mithilfe tätigt. Da wollen Sie auch ein Wort mitreden und dabei sein.
({2})
- Sie sind immer ein bißchen weiter im Denken als der, der spricht, Herr Kollege Bock. Wir müssen uns unsere Rede auch etwas aufbauen, sonst kommt nämlich nichts dabei heraus.
Nun haben Sie für diesen Zweck einen Samstag vorgesehen,
({3})
- einen Samstagnachmittag. Bitte, nun stellen Sie Sie sich einmal vor: An diesem Samstagnachmittag konzentriert sich alles auf den Kauf. Die Geschäfte sind überfüllt. Der Käufer hat keine Ruhe, einzukaufen, und der Verkäufer hat keine Ruhe, die Kunden richtig zu bedienen, und alle sind unzufrieden. Was ist die Folge? Entweder gehen die Leute in die Warenhäuser, wo sie vielleicht sehr viel schneller und sehr viel leichter von einer Abteilung zur anderen kommen; oder aber sie kaufen laut Katalog, und dann haben die Versandhäuser ein gutes Geschäft. Beides ist im Interesse des Mittelstandes nicht sehr erwünscht.
Auf diese Gesichtspunkte möchte ich jetzt nur in bezug auf die viel geschmähte Nur-Hausfrau hinweisen, die ja nach Ansicht vieler „so sehr viel Zeit hat".
Wie steht es nun aber mit der Hausfrau, die gleichzeitig Angestellte ist? Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, in den Geschäften, in denen ich Kunde bin, mit den Verkäuferinnen zu sprechen, und von ihnen höre ich: Wir wollen einen freien halben Tag, aber wir kaprizieren uns absolut nicht darauf, daß dieser freie Tag allgemein geschäftsfrei ist. Denn wann sollen w i r dann eigentlich einkaufen?
Nehmen wir einmal an, eine Frau ist in einer Buchhandlung tätig, und sie möchte sich gerne auch einmal etwas an Textilien beschaffen. Diese Frau weiß ja gar nicht, wann sie das tun soll; denn nach Erlaß dieses Gesetzes bekommt sie sicher nicht dienstfrei für ihre Einkäufe. Die Mittagszeit ist ja auch sehr knapp bemessen, und dann, wenn der Abendschluß früher gelegt wird, wird in der Regel die Mittagszeit für die Verkäufer etwas eingeschränkt werden. Wann sollen diese Angestellten also einkaufen?
Nun gehen Sie, Herr Kollege Schneider, davon aus, daß alle Dienststellen und Büros schon um 5 Uhr geschlossen werden, daß alle Fabriken usw. um 5 Uhr schließen. Auch da muß ich Sie etwas belehren, wenn Sie es gestatten. Es gibt eine Menge Büros, die keinesfalls so zeitig schließen, und eine Menge Gewerbebetriebe, die auch nicht um 5 Uhr
Schluß machen, und wo die Leute auch noch hinterher einkaufen müssen.
({4})
- Herr Kollege, Sie rufen mir zu, sie haben mittags Zeit. Da komme ich auf das zurück, was Sie so hervorheben: Die Angestellten sollen gesundheitlich geschont werden. Aber wenn Sie den Frauen oder den Junggesellen oder auch den Ehemännern, die etwas kaufen sollen, weil die Frau vielleicht krank ist, zumuten, die kurze Mittagszeit mit Besorgungen zu verbringen, statt sich mittags in einer Ruhepause etwas zu entspannen, liegt darin ein Widerspruch zu dem, was Sie vorher gesagt haben; dann ist von Rücksicht auf Gesundheit der Angestellten gar nicht die Rede.
Weiter haben Sie gesagt, am Samstag solle der Laden geschlossen sein, um das zusammenhängende Wochenende mit einer längeren Freizeit einzuführen. - Herr Kollege Schneider, ich wäre dankbar, wenn Sie da besonders achtgäben, weil ich mich speziell an Ihre Ausführungen halte! - Sie haben gesagt, das diene besonders der Gesundheit vor allem der weiblichen Verkäuferinnen. Glauben Sie nicht, daß es für eine Verkäuferin, die in der Woche sehr viel stehen muß, weit besser wäre, wenn sie z. B. an einem Mittwochnachmittag entspannen und eine wesentlich andere Tätigkeit aufnehmen könnte als die, hinter dem Ladentisch zu stehen?
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- Sie geht der Familie verloren, Herr Kollege? Ich glaube nicht, daß diese Frau am Samstagnachmittag so viel Zeit für ihre Familie haben wird. Wie wird es denn sein? Die Hausfrauen, und zwar gerade die Arbeiterinnen oder die Frauen von Arbeitern kriegen am Freitagabend erst ihr Haushaltsgeld - der Mann bringt ja dann erst den Lohn nach Hause -,
({6})
und können wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit am Freitagabend nicht mehr einkaufen. So gehen sie am Samstagmorgen einkaufen. In der Zeit nach dem Büroschluß, Samstag von 12 bis 14 Uhr, drängen sich dazu noch die Einkäufe der berufstätigen Frauen zusammen, und um
14 Uhr sind die Läden noch voller Kunden. Dann sind die Verkäuferinnen, weil auch die Bestimmung aufgenommen worden ist, daß zu Ende bedient werden muß, um 14 Uhr noch längst nicht aus dem Geschäft heraus. Sie stehen noch um
15 Uhr, vielleicht noch um 15.30 Uhr im Geschäft und sind vollkommen erschöpft, weil sich die Arbeit in den wenigen Stunden übermäßig zusammendrängte. Sie sind vollkommen abgespannt, wenn sie heimkehren, ihre Familien haben kaum noch etwas von ihnen.
Ich bin also nicht Ihrer Ansicht, daß Sie mit der vorgesehenen Regelung den Verkäuferinnen einen großen Gefallen tun. Sie sollten als Vertreter einer Gewerkschaft sehr viel mehr darauf achten, daß zwischen den Sozialpartnern ein Übereinkommen geschlossen wird, daß ein roulierendes System geschaffen wird, das jeder Verkäuferin und jedem
({7})
Angestellten im Einzelhandel einen halben freien Tag in der Woche gewährleistet. Dafür müssen Sie sich besonders einsetzen. Sie selber haben ja gesagt, daß freiwillige Übereinkünfte immer noch die beste Lösung seien. Hier durch ein Gesetz einzugreifen, halte ich für falsch.
Ich bin aber auch der Meinung von Herrn Sabel, daß eine Übergangslösung durchaus nicht am Platze ist. Wir sollten uns gleich entscheiden. Bei der Lösung, wie sie jetzt der Wirtschaftspolitische Ausschuß vorschlägt, habe ich allerdings einige Bedenken, denn meine Sorge würde dann nicht ausgeräumt sein, daß die berufstätige Hausfrau keine Zeit hat einzukaufen. Auch dann würde nämlich der Chef der berufstätigen Hausfrau eine andere Freizeit nicht gewähren.
Ich möchte also gerade um der berufstätigen Hausfrauen willen in erster Linie bitten, daß man von einer solchen Regelung, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, Abstand nimmt und unserem Antrag zustimmt. Ich bin der Überzeugung, daß dann viel mehr zugunsten der Familie und zugunsten aller Hausfrauen und vor allem aller berufstätigen Frauen getan wird, als Sie es mit dem freien Samstagnachmittag planen.
({8})
Herr Kollege Stücklen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dieser Materie auch etwas sagen, erstens, weil man dazu auf jeden Fall etwas sagen kann
({0})
-- denn es gibt kaum eine Materie, zu der man soviel, so Verschiedenes sagen und mit so verschiedenen Argumenten einen Standpunkt begründen kann wie diese -, und zweitens, weil mich Herr Kollege Schneider dazu angeregt hat - er hat mich nicht gereizt -, daß ich doch einige Bemerkungen machen möchte.
Wenn man sich die Argumente anhört, so findet man zunächst soziale Momente. Sie sind sicherlich die ernstesten, und man muß sie prüfen. Aber vielleicht will man mit einem Teil der sozialen Begründungen auch die Einführung der 40 -StundenWoche etwas beschleunigen. Es mag sein, daß es auch noch andere Gründe sind. Die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion verhalten sich heute sehr ruhig; vielleicht rege ich sie an, dazu etwas zu sagen.
({1})
Dann wurden wiederum andere Gründe vorgebracht, Wettbewerbsgründe. Sie werden deutlich in den Vordergrund gestellt. Es sind aber in der Hauptsache vielleicht Konkurrenzgründe, die insbesondere auf das Verhältnis der Kleinen und der Großen abstellen. Dahinter könnten die Versandgeschäfte stehen. Ich habe gesagt: wenn das Gesetz in einer sehr engen Fassung herauskommt, müßte man sich beeilen, um noch Aktien des Versandhandels zu bekommen; denn diese werden ohne Zweifel eine sehr merkliche Bewegung verspüren.
Herr Kollege Schneider, Sie haben gefragt: Wer steht denn hinter den Verbrauchern, wo ist denn die Organisation? Dazu möchte ich sagen: Muß man denn im Parlament erst ,eine Tafel hochziehen, auf der steht „Hinter mir stehen 2 Millionen oder 6 Millionen oder noch mehr",
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um damit die Legitimation zu ,erwerben, einen Antrag vorzubringen und durchzusetzen?!
({3})
- So habe ich es ausgelegt, Herr Kollege Lange, und diese Freiheit müssen Sie mir lassen.
({4})
Dazu möchte ich folgendes sagen. Es gibt in einem modernen Staat - und unsere Demokratie übt das sehr stark - die sogenannte demoskopische Umfrage zum Zwecke der Meinungserforschung. Aus einer solchen Umfrage hat sich ergeben, daß gegen die Schließung am Samstagnachmittag 78 % der Arbeiter,
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70 % der Landleute, 75 % der Angestellten und 77 % der Beamten sind,
({6})
für die Schließung 8 % der Arbeiter, 7 % der Landleute, 13 % der Angestellten und 4 % der Beamten; der Rest war ohne Meinung.
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- Das mag wohl sein; wenn sie alle richtig nachgedacht hätten, hätten vielleicht alle mit Nein gestimmt.
Verehrter Herr Kollege Schneider, jetzt dürfen Sie mir nicht böse sein; ich komme Ihnen sogar ein ganzes Stück entgegen. Ich kenne also die Argumente wirklich; ich habe mich sehr damit beschäftigen müssen. Alle meine Kollegen und Kolleginnen, die sich draußen in den Mittelstandsversammlungen schlagen mußten, wußten, daß dieses Problem seit Jahren diskutiert wird, und ich habe das Gefühl, daß es nun wirklich an der Zeit ist, zu einer Lösung zu kommen. Es ist besser, daß wir heute den Knoten durchschlagen, als daß wir die Entscheidung wiederum vertagen, verschleppen und zu keinem Ergebnis kommen.
({8})
Ich muß Ihnen sagen - ich gestehe es ganz offen -, daß mir etwas fehlt, wenn dieses Gesetz verabschiedet ist. Denn es war doch so schön: Immer, wenn man in den Versammlungen stand und am Schluß das Problem der Ladenschlußzeit aufrollte, wußte man mit Sicherheit, daß man in der Diskussion nicht mehr sehr stark belästigt wurde;
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denn dann sprangen X, Y und Z auf und vertraten untereinander widersprechende Meinungen hierzu. Daher sollte keiner glauben, er könnte sich mit diesem Gesetz beim Einzelhandel Lorbeeren verdienen. Denn wenn man drei Einzelhändler beisammen hatte, hörte man in der Ladenschlußzeitfrage beinahe so viele Meinungen wie sonst nur bei Juristen.
({10})
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Wahrscheinlich.
Nun darf ich zu dem Antrag Umdruck 804*) kommen. Wenn man diesen Antrag einmal ohne Leidenschaft behandelt, ohne die Frage übers Knie brechen zu wollen, kann man sich für eine solche Übergangslösung entscheiden. Auf der einen Seite ist dann eine Angleichung, eine Anpassung für den Kunden möglich, es ist eine Angleichung, eine Anpassung durch den Einzelhändler möglich. Auf der anderen Seite glaube ich auch, daß die Angestellten, die von vornherein schon eine Verkürzung besonders der ,Samstagsarbeitszeit haben, damit einverstanden sind, wenn sie wissen, daß diese Frage- zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Sinne entschiedenwird. Daß wir zu einer Ladenschlußzeitregelung kommen müssen, hat seinen Grund in der ,ernsten Sorge um die Nachwuchsfrage, Herr Kollege Schneider.
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- Den werden wir gleich durchschlagen. - Die Nachwuchsfrage sollten wir im Auge haben. Deshalb glaube ich, wir sollten diese Regelung mit der Maßgabe treffen, daß wir eine zweijährige Übergangszeit schaffen. Dann kommen wir auch zu einem Ergebnis, wie es heute von manchem erwartet wird.
({13})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Welter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter Aufrechterhaltung meiner Meldung zur dritten Lesung fühle ich mich verpflichtet, dem Kollegen Schneider unmittelbar eine Antwort aufseine Ausführungen zu geben.
Der Herr Kollege Schneider hat gefragt: Wer vertritt die Verbraucher? Ich möchte Ihnen antworten: Ich vertrete die Verbraucher.
({0})
Ich vertrete die Hausfrauen, die berufstätigen und alleinstehenden Frauen und die ganze Menge von Verbrauchern,
({1})
die, wie Sie soeben von Herrn Stücklen gehört haben, einen ganz überwältigenden Prozentsatz darstellen.
Es ist gefragt worden: Wo ist denn die Organisation? In unserem Ausschuß hat auf die Frage, wer denn hinter der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher steht, nur eine ungenügende Antwort erteilt werden können. Herr Schneider, ist es denn nötig, daß wir auf eine Organisation Bezug nehmen, um hier einen Antrag einzubringen?
Es kommt mir bei der ganzen Diskussion so vor, als wenn mit Bezug auf die vorgefaßte Meinung eines Teils dieses Hauses die „Kölnische Rundschau" - ich sage es etwas abgewandelt - zitiert werden könnte: Und wenn die Welt in Trümmer bricht, kaufen kannst du samstags nicht.
({2})
*) Siehe Anlage 4. Das ist die Stimmung, und der möchte ich mit allem Ernst entgegenhalten: die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind Vertreter des ganzen Volkes. Ich bin eine Vertreterin des ganzen Volkes und fühle mich verpflichtet, für das ganze Volk einzutreten und ihm den verkaufsoffenen Samstagnachmittag zu erhalten.
({3})
Herr Abgeordneter Meyer-Ronnenberg!
({0})
--- Es wird verzichtet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 810*) Ziffer 3 Buchstabe a auf:
In § 3 Abs. 1 Nr. 2 werden die Worte „achtzehn Uhr dreißig Minuten" ersetzt durch die Worte „neunzehn Uhr".
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Buchstabe b:
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 erhält folgende Fassung: „3. sonnabends bis sieben Uhr und ab siebzehn Uhr,"
Wer für Ziffer 3 Buchstabe b des Antrags Umdruck 810 ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Abgelehnt.
Unter c wird beantragt, daß in § 3 der Abs. 2 gestrichen wird. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Umdruck 810 Ziffer 4. Danach sollen in § 3 Abs. 3 hinter „Bäckerwaren" vier Worte eingefügt werden. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich komme zu Umdruck 804**), dem § 3 einen Abs. 4 anzufügen. Es ist der Antrag, ,den Kollege Hellwig begründet hat. Wer für diesen Antrag Umdruck 804 ist, den bitte ich um das Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich danke Ihnen. Wir sind im Zweifel. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich danke Ihnen. Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
({1})
-- Es besteht Einstimmigkeit im Präsidium.
Wir kommen zu § 3 im Text des Ausschusses. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer für diesen
§ 3 ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe § 4 auf und eröffne die Aussprache. Ich bitte um Wortmeldungen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wer für den
§ 4 in der Fassung des Ausschusses ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 4.
({2})
Nunmehr kommen wir zu Umdruck 812*), darin wird beantragt, einen § 4a einzufügen, der lautet:
Abweichend von den Vorschriften des § 3 dürfen Kioske für den Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften
1. an allen Werktagen durchgehend von sieben Uhr bis neunzehn Uhr,
2. an Sonn- und Feiertagen von zehn bis dreizehn Uhr geöffnet sein.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Kollege Hellwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da den Antragstellern bekannt ist, daß eine in der Sache entsprechende Regelung, die hoffentlich eine breite Zustimmung findet, durch einen Antrag für die dritte Lesung vorbereitet wird, verzichten sie darauf, den Antrag im Augenblick zu erörtern, und ziehen ihn für die zweite Lesung zurück.
Danke schön.
Wir kommen zu § 5 betreffend die Tankstellen. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen, die dem § 5 zustimmen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe § 6 und dazu Umdruck 810 Ziffer 5 auf, worin die Streichung des § 6 beantragt ist. Wird dazu das Wort gewünscht? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich stelle den § 6 zur Abstimmung. Mit seiner Annahme ist der Antrag Umdruck 810 Ziffer 5 erledigt. Ich bitte also diejenigen, die dem § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Gegenprobe, bitte. - Enthaltungen? - Angenommen. Damit ist der Antrag Umdruck 810 Ziffer 5 abgelehnt.
Ich darf §§ 7 und 8 aufrufen. Es liegen keine Änderungsanträge vor. Wird zu den beiden Paragraphen das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache zu den §§ 7 und 8 und komme zur Abstimmung.
Wer für § 7 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich bitte diejenigen, die für den § 8 in der Ausschußfassung sind, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 8 ist angenommen.
Dann rufe ich den § 9 auf. Hierzu liegt ein Antrag auf Umdruck 810 vor, nach dem die Ziffern 1 und 2 geändert werden sollen. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Atzenroth hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz enthält in seiner jetzigen Fassung außerordentlich viele Ausnahmen. Es ist beinahe ein Gesetz der Ausnahmen und muß es ja nach seiner ganzen Konstruktion sein. Auch dieser § 9 stellt praktisch eine Ausnahme dar, und zwar eine Ausnahme, die absolut notwendig ist; das haben auch die Verfasser und die Verfechter dieses Ge-
*) Siehe Anlage 6. setzes eingesehen. Aber die Ausnahme ist nach unserer Meinung zu gering gehalten.
Die Kur- und Erholungsorte, für die hier eine Ausnahmeregelung vorgesehen ist, stehen in scharfer Konkurrenz zu den Kurorten des Auslandes. Herr Kollege Lange, ich bitte, darauf zu achten; Sie wollen ja in diesem Gesetz gewisse Wettbewerbsregelungen vornehmen. Sie sagen „Gleichheiten", ich sage „Ungleichheiten". Aber hier besteht eine Konkurrenz mit einem Partner, über den man nicht bestimmen kann. Auf die deutsche Konkurrenz kann man letzten Endes mit der Macht des Gesetzgebers Einfluß nehmen, aber auf den ausländischen Partner kann man das nicht. Unsere Kur- und Erholungsorte stehen in scharfer Konkurrenz mit den ausländischen Kur- und Erholungsorten, und dort sind die Verhältnisse ganz anders als die Rechte, die Sie in diesem Gesetz unseren Kur- und Erholungsorten zubilligen wollen.
Unser Antrag geht dahin, unseren Kur- und Erholungsorten wenigstens eine einigermaßen gleiche Chance zu geben, um in dem Wettbewerb mit den gleichen Orten im Ausland zu bestehen.
Darf ich fragen, Herr Kollege, ob Sie damit auch die Buchstaben b, c und d der Ziffer 6 dieses Antrags begründet haben?
({0})
- Danke schön.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu § 9 und zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 810 Ziffer 6.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich stelle zur AbStimmung den Antrag unter Ziffer 6 a auf Umdruck 810*). Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt.
Ich rufe auf die Ziffer 6 b des Antrags auf Umdruck 810. Ich bitte diejenigen, die dafür stimmen wollen, um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 6 c des gleichen Antrags. Ich bitte diejenigen, die dafür stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Abgelehnt.
Ziffer 6 d dieses Antrags zu § 9 Abs. 3. Wer für diese Änderung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt.
Wir kommen dann zur Abstimmung über § 9 in der Fassung des Ausschusses. Wer für diesen § 9 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 10. Ich eröffne die Debatte. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer den § 10 in der Ausschußfassung anzunehmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
§ 11. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 810 Ziffer 7 vor. Wird der Antrag begründet?
({1})
*) Siehe Anlage 5.
({2})
- Wird weiter das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Kollege Bausch!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem § 11 ein kurzes Wort sagen. Wir sind durchaus der Auffassung, daß die Ziele dieses Gesetzes, nämlich den Sonntag und im besonderen auch die Sonntagsruhe des Arbeitnehmers zu schützen, voll bejaht werden müssen. Aber das entbindet uns nicht von der Verpflichtung, auch zu überlegen, ob der Verbraucher in den geschützten Zeiten diejenige Versorgung hat, deren er bedarf. Ich denke jetzt an die Versorgung des Staatsbürgers mit Nachrichten. Diese Frage der Versorgung der Staatsbürger mit Nachrichten am Samstagnachmittag und am Sonntag und die Frage der Möglichkeit des Verkaufs von Zeitungen und Zeitschriften in dieser Zeit ist in diesem Zusammenhang aufzuwerfen.
Es wäre gut, wenn eine Chance dafür geschaffen würde, daß die Bevölkerung auch in den geschützten Zeiten mit Zeitungen und Zeitschriften versorgt werden kann. Deshalb hätte ich keine Bedenken, Zeitungskioske zu gewissen Zeiten am Samstagnachmittag und am Sonntag offenzuhalten. Arbeitsrechtlich ist dagegen nichts einzuwenden. Kioske werden in der Regel nicht von Arbeitnehmern bedient. Bei Kiosken spielt auch noch die Tatsache eine Rolle, daß sie meistens von Kriegsbeschädigten und Kriegsopfern bedient werden.
Mein Vorschlag ist der, daß wir uns für die dritte Lesung überlegen sollten, ob dem § 11 eine Fassung gegeben werden kann, die es ermöglicht, in den geschützten Zeiten nicht nur Zeitungen, sondern auch Zeitschriften zu verkaufen und die geschützten Zeiten für diesen Zweck zu durchbrechen, und zwar nicht nur für Sonn- und Feiertage, sondern auch für den Samstagnachmittag. Dies bedarf aber noch der Überlegung. Ich möchte diese Frage jetzt schon angeschnitten haben, damit sich vielleicht eine gemeinsame Meinung für diesen Vorschlag bildet und auf diese Weise eine Chance dafür gegeben wird, daß auch in den geschützten Zeiten Zeitungen und Zeitschriften verkauft werden können. Die Rundfunkanstalten und die Fernsehinstitutionen sollten nicht das Monopol für die Verbreitung von Nachrichten haben. Die Presse sollte die Chance und die Möglichkeit haben, ihre spezifische Aufgabe auch in diesen Zeiten zu erfüllen.
Das Wort hat der Kollege Lange.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung nicht zur Sache, sondern nur zum Verfahren. Es dürfte auch Herrn Kollegen Bausch nicht entgangen sein, daß einige der Antragsteller zu diesem Problem des Zeitungsverkaufs für die dritte Lesung einen entsprechenden Antrag vorgelegt haben. Wir haben somit dann Gelegenheit, darüber zu reden. Es hätte also dieser Erläuterung hier nicht bedurft.
Herr Kollege Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auch nur kurz darauf hinweisen, Kollege Bausch: In § 11 ist das bereits geregelt. Es ist in einem Änderungsantrag zur dritten Lesung vorgesehen, diese Möglichkeit in § 11 auch auf Zeitschriften auszudehnen. Wir wollen darüber in der dritten Lesung reden.
Kollege Stücklen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat hier schon mal einen Kollegen gegeben, der, wie man so sagt, einen falschen Zungenschlag gehabt hat. Vielleicht war er so ehrlich, das anzudeuten oder zu sagen, was viele oder die Mehrheit dieses Hauses meinten. Ich möchte auch heute das Karnickel sein und sagen: Die Mehrheit des Hauses, von links nach rechts, beabsichtigt nicht, in der zweiten Lesung einen Änderungsantrag durchgehen zu lassen, weil damit die dritte Lesung gefährdet wäre. Seien wir dann doch auch so ehrlich und stellen wir die Anträge der zweiten Lesung zurück und stellen die, die unbedingt gestellt werden müssen oder sollten, in. der dritten Lesung! Dann sparen wir uns Zeit. Wenn es um Wehrgesetze ginge, würden Sie sagen: „Scheingefechte"; es geht aber Gott sei Dank nur um Ladenschlußzeiten, und da kann man doch etwas ehrlicher sein.
({0})
Frau Ilk!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem wir das gehört haben, ist die zweite Lesung überhaupt völlig überflüssig.
({0})
Dann würde es sich doch empfehlen, daß wir einfach damit abbrechen oder hintereinander weg das Ganze annehmen oder ablehnen und dann die dritte Lesung beginnen. Aber, meine Herren, die Sie jetzt diesen Vorschlag machen, das hätten Sie am Anfang sagen sollen. Dann hätten wir uns nämlich alle viel Zeit erspart. Aber ich will auch eines sagen, Herr Kollege Stücklen: Eine echte parlamentarische Methode ist das nicht. Ich erinnere mich sehr genau an andere Situationen, wo das sehr gegeißelt wurde. Ich weiß nicht, ob man damit der Demokratie und dem Parlamentarismus wirklich einen Gefallen tut.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf den Antrag Umdruck 810*) Ziffer 7. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag Umdruck 810 Ziffer 7 ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 11 in der Ausschußfassung. Wer für den Paragraphen ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 11 ist angenommen.
Ich rufe jetzt § 12 auf. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Debatte. Wer für § 12 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
*) Siehe Anlage 5.
({0})
Ich rufe auf § 13. Dazu ist der Antrag Urn-druck 810 Ziffer 8 zu vergleichen. Wird dieser Antrag Umdruck 810 Ziffer 8 begründet? - Herr Kollege Atzenroth!
Meine Damen und Herren! Angesichts der Erklärung, die hier abgegeben worden ist, erübrigt sich natürlich jede Begründung von Anträgen in der zweiten Lesung. Ich muß aber schon jetzt ankündigen, daß ich den Antrag stellen muß, uns zwischen der zweiten und der dritten Lesung Zeit zu geben, die Anträge, die wir notwendigerweise in der dritten Lesung stellen werden - denn dann werden möglicherweise einige angenommen werden -, auch äußerlich zu formulieren. Wir brauchen keine Formulierung der Worte mehr vorzunehmen, aber wir müssen die Anträge mindestens schreiben können. Dazu brauchen wir also zwischen der zweiten und der dritten Lesung eine, ich hoffe, sehr kurze Zeit. Eine Begründung von Anträgen der zweiten Lesung ist überflüssig geworden.
Darf ich fragen, ob der Antrag damit zurückgenommen ist oder aufrechterhalten wird?
({0})
- Zurückgezogen! Dann haben wir also § 13 ohne den Antrag. Wer für § 13 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe § 14 in der Ausschußfassung auf. Es ist kein Antrag gestellt. Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen, die für den § 14 in der Ausschußfassung stimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Zu § 14 a liegt ein Antrag vor, Umdruck 810 Ziffer 9. Wird dieser Antrag in der zweiten Lesung aufrechterhalten, Herr Kollege Atzenroth?
({1})
- Sie ziehen sämtliche Anträge zurück. - Wortmeldungen zu § 14 a liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und bitte diejenigen, die § 14 a in der Ausschußfassung annehmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Dann kann ich wohl jetzt, da Änderungsanträge nicht mehr vorliegen, die folgenden Paragraphen, also die §§ 15, 16, 17, 18. 19 a, 20, 20 a, 21, 22, 23, 24, 24 a, 25, 26, 27, aufrufen. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind, daß diese Paragraphen zusammen behandelt werden. Ich bitte um Wortmeldungen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu diesen Bestimmungen.
Ich bitte diejenigen, die für die aufgerufenen Paragraphen, also die Paragraphen von 15 bis 27 einschließlich, in der Ausschußfassung stimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die Einleitung und Überschrift annehmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit ist die zweite Lesung beendet. Herr Stücklen zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da die FDP-Fraktion den Wunsch geäußert hat, noch Zeit zu haben, um die Anträge, die sie in der dritten Lesung stellen will, ordnungsgemäß einreichen zu können, ist eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen, die dritte Lesung morgen als Punkt 1 der Tagesordnung zu erledigen und die zweite Lesung heute als abgeschlossen zu betrachten.
Um aber die Zeit - 15 Minuten - noch auszunutzen, würde ich den Herrn Präsidenten bitten, daß die Punkte, die ohne Debatte erledigt werden können, noch verabschiedet werden.
Ich danke Ihnen.
Ich rufe Punkt 2 der ursprünglichen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Dritten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 ({0}) ({1}).
Im Ältestenrat war man der Meinung, daß auf Begründung und Aussprache verzichtet werden könne. Ist das Haus damit einverstanden? - Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die mit der Überweisung an den Haushaltsausschuß einverstanden sind, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der ursprünglichen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({2}).
Vom Ältestenrat ist vorgeschlagen, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich höre keinen Widerspruch; ich darf annehmen, daß so beschlossen ist.
({3})
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für den .Lastenausgleich - wie vorgeschlagen - beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Punkt 4 der ursprünglichen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ({4});
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Krammig, Höcherl, Dr. Bärsch, Dr. Miessner, Schneider ({5}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ({6}).
Auch hier hat der Ältestenrat vorgeschlagen, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich
({7})
eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Aussprache. Ich bitte diejenigen, die dem Vorschlag, diese beiden Anträge an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen, zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 5 der ursprünglichen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Protokoll vom 10. Mai 1948 zur Änderung des Abkommens vom 22. November 1928 über Internationale Ausstellungen ({8}).
Auch hier liegt die Anregung vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich nehme an, daß ,das Haus einverstanden ist. Es wird Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen vorgeschlagen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Punkt 6 der ursprünglichen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Protokoll vom 7. Juni 1955 über die Bedingungen für den Beitritt Japans zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({9}).
Hier liegt die gleiche Anregung des Ältestenrats vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Punkt 7 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das deutsch-österreichische Protokoll vom 1. Dezember 1955 über die Verlängerung des deutschen Zollzugeständnisses für Loden ({10}).
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Punkt 8 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. April 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Filmfragen ({11}).
Auch hier wird vorgeschlagen, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich sehe keine Wortmeldung. Ich nehme Ihr Einverständnis mit dem Vorschlag an. Es wird weiter vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Außenhandelsfragen - federführend - sowie an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films - mitberatend - zu überweisen. Erhebt sich ein Widerspruch hiergegen? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen, die dem genannten Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Punkt 9 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung von Zuzugsbeschränkungen im Land Baden-Württemberg ({12}).
Hier schlägt der Ältestenrat ebenfalls vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich sehe keine Wortmeldung; ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beantragt. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Punkt 10 der ursprünglichen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 22. November 1950 über die Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters ({13}).
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich höre keinen Widerspruch und sehe keine Wortmeldung. Vorgeschlagen wird die Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 11:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Weizen -Übereinkommen 1956 ({14}).
Ich rufe auf zur ersten Lesung. Wortmeldungen liegen nicht vor; die erste Lesung ist geschlossen.
Ich eröffne die zweite Lesung. Ich rufe auf Art. 1 dieses Gesetzes. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer dem Art. 1 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 2. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer dem Art. 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Art. 3. Ich eröffne die Debatte. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte. Wer dem Art. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen. Die zweite Lesung ist damit erledigt.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben.
({15})
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({16}) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({17}).
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Antrag des Rechtsausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen:
von einer Äußerung zu den nachstehend aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht abzusehen.
Ich bitte diejenigen, welche dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Durchführung einer Repräsentativstatistik der Bevölkerung und des Erwerbslebens ({18}) ({19}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Es ist vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Wer diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich
um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit ({20}).
Auch hier wird. vorgeschlagen, auf Begründung und Debatte zu verzichten. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Es ist Überweisung des Entwurfs an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Dann ist so beschlossen.
Es bleiben noch die Punkte 15, 16 und 17.. Für Punkt 16 ist keine Debatte vorgesehen.
({21})
- Gut, dann können wir ihn noch erledigen.
({22}) Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Realkredits ({23}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({24}) ({25})
({26}).
Der Bericht ist von dem Herrn Kollegen Dewald erstattet. Wünscht der Herr Berichterstatter noch das Wort zu nehmen? - Er bezieht sich auf den Schriftlichen Bericht*). Wir danken ihm.
Ich eröffne die zweite Beratung und rufe Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Debatte zu Art. 1. Ich bitte diejenigen, die Art. 1 in der Ausschußfassung zustimmen, wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - 'Angenommen!
Ich rufe auf Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Art. 6. Ich nehme an, daß Sie mit der zusammenfassenden Besprechung und Verabschiedung einverstanden sind. - Dem ist so. Dann bitte ich um Wortmeldungen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte zu den aufgerufenen Artikeln ist geschlossen.
Ich rufe die Artikel 2 bis einschließlich 6 zur Abstimmung in zweiter Lesung auf und bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die genannten Artikel sind angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Um die Gegenprobe bitte ich. - In zweiter Lesung angenommen!
Wir kommen zur
dritten Lesung.
Ich eröffne die Beratung. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich bitte alle diejenigen, die das Gesetz einschließlich Einleitung und Überschrift in dritter Lesung anzunehmen wünschen, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Damit ist das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet des Realkredits in dritter Lesung angenommen.
Von der heutigen Tagesordnung sind also noch die dritte Lesung des Ladenschlußgesetzes und ferner die Punkte 15 und 17 zu erledigen. Sie werden an die Spitze der Tagesordnung von morgen vormittag gestellt.
Die nächste Sitzung des Bundestages findet morgen, Freitag, früh um 9 Uhr statt. Ich schließe die Sitzung.