Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/3/1956

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Meine Damen und Herren, ich habe die Freude, an Stelle des ausgeschiedenen Herrn Trittelvitz die Abgeordnete Frau Herklotz heute in unserer Mitte begrüßen zu dürfen. ({0}) Ich freue mich, daß Frau Herklotz da ist, und wünsche ihr und uns allen eine gute Zusammenarbeit in diesem Hause. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat werden die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen auf Grund des § 33 Abs. 1 der Reichshaushaltsordnung übersandten Übersichten über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben dem Haushaltsausschuß überwiesen. Inzwischen ist die Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im vierten Vierteljahr des Rechnungsjahres 1955, Drucksache 2671, eingegangen. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der Überweisung dieser Vorlage an den Haushaltsausschuß einverstanden ist. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Außenhandelsfragen hat mich darum gebeten, den in der 160. Sitzung des Deutschen Bundestages an den Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht überwiesenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. Juli 1955 über die Gewährung der Meistbegünstigung und über gewerbliche Schutzrechte zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Paraguay - Drucksache 2592 - an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen und den zunächst dafür vorgesehenen Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht nur mitzubeteiligen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen macht geltend, daß es sich bei diesem Entwurf vornehmlich um außenwirtschaftliche Probleme handle, für die er in erster Linie zuständig sei. Ich muß das Haus fragen, ob es damit einverstanden ist, daß in Abänderung des Plenarbeschlusses vom 27. September 1956 die Federführung für das genannte Gesetz an den Ausschuß für Außenhandelsfragen geht und der Ausschuß für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht nur mitbeteiligt wird. Ich frage deshalb, ob dem Antrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen, ihn als federführenden Ausschuß zu beteiligen, stattgegeben werden soll. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Ausschuß für Außenhandelsfragen ist federführend. Der Plenarbeschluß vom 27. September ist insoweit abgeändert. Schließlich hat mir die Fraktion der SPD mitgeteilt, daß sie als Nachfolger für den ausgeschie({1}) denen Abgeordneten Trittelvitz zum Stellvertreter in der Beratenden Versammlung des Europarats den Abgeordneten Jacobs benenne. Im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehenden Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarats - sie beginnen Ende nächster Woche in Straßburg -schlage ich dem Hause vor, diese Wahl unmittelbar durchzuführen. Erhebt sich gegen diesen Vorschlag Widerspruch? - Ich höre keinen Widerspruch; das Haus ist damit einverstanden. Der Herr Kollege Jacobs tritt also an die Stelle von Herrn Trittelvitz in der Beratenden Versammlung des Europarats. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 1. Oktober 1956 die Kleine Anfrage 277 der Fraktion der SPD betreffend Hilfe für Unwettergeschädigte - Drucksache 2659 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2710 vervielfältigt. Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei der Tagesordnung angelangt. Ich rufe auf den Punkt 1: Nachwahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost. Der Deutsche Bundestag hat in seiner 5. Sitzung auf Grund des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD, Drucksache 39, die gemäß § 5 des Postverwaltungsgesetzes vom Bundestag zu entsendenden Mitglieder des Verwaltungsrates der Deutschen Bundespost und ihre Stellvertreter gewählt. Für den vertorbenen Kollegen Ziegler hat die Fraktion der SPD das jetzige stellvertretende Mitglied des Postverwaltungsrates Herrn Abgeordneten Kurlbaum und als Stellvertrener für Herrn Abgeordneten Kurlbaum den Herrn Abgeordneten Frenzel vorgeschlagen. Darf ich fragen, ob das Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Nun kommen wir zu Punkt 2 der Tagesordnung. Ich rufe - und unterstelle Ihr Einverständnis - die beiden Punkte 2 a und 2 b zusammen auf: a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in den Grenzkraftwerken ({2}); b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regelung von Fragen, welche die Aufsichtsräte der in der Bundesrepublik Deutschland zum Betrieb von Grenzkraftwerken am Rhein errichteten Aktiengesellschaften betreffen ({3}). Meine Damen und Herren, wir haben uns im Ältestenrat die Behandlung der Sache so gedacht, daß wir zunächst die Begründung und die Antwort zu dem Punkt 2 a hören, dann die Begründung zu dem Punkt 2 b und dann in die gemeinsame Aussprache und anschließend in die Beschlußfassung eintreten. - Das Haus ist damit einverstanden. Zunächst hat zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Bleiß das Wort. Dr. Bleiß ({4}), Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 6. Dezember 1955 ist zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Vertrag geschlossen worden, der, wie es in der Überschrift heißt, „die Regelung von Fragen, welche die Aufsichtsräte der in der Bundesrepublik Deutschland zum Betrieb von Grenzkraftwerken am Rhein errichteten Aktiengesellschaften betreffen", zum Gegenstand hat. Der Tatbestand, der dem Vertragsabschluß zugrunde liegt, ist - etwas vereinfacht - die Absicht der Bundesregierung, bei einigen deutschen Aktiengesellschaften die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes zu verhindern. Es handelt sich um drei Kraftwerke mit einem Aktienkapital von insgesamt 32,4 Millionen DM und mit annähernd 350 Beschäftigten. Der hier unternommene Versuch, die Belegschaften von drei Großbetrieben von der Anwendbarkeit eines Bundesgesetzes auszuschließen, wird nicht nur von den betroffenen Arbeitnehmern, sondern auch von den einschlägigen Gewerkschaften als ein Verstoß gegen das in Art. 3 des Grundgesetzes verankerte Prinzip der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz empfunden. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Kraftwerke an der Grenze liegen, daß sie auf Grund erteilter Konzessionen in Betrieb genommen und teilweise mit Schweizer Kapital finanziert worden sind. Denn, meine Damen und Herren, es wird doch sicherlich auch der Bundesregierung nicht unbekannt geblieben sein, daß in ähnlich gelagerten Fällen die uneingeschränkte Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ohne Schwierigkeiten möglich war. Beispielhaft hierfür ist die DonauKraftwerke Jochenstein-. Aktiengesellschaft. Auch dieses Kraftwerk wurde auf Grund eines Vertrages der beiden Uferstaaten, in diesem Falle der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Österreich, errichtet, und auch dieses Werk arbeitet mit einer 50% igen Beteiligung ausländischen Kapitals. Trotzdem ist schon bald nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes bei der Kraftwerke Jochenstein Aktiengesellschaft die Mitwirkung des Aufsichtsrates in der Weise geregelt worden, daß von den vorhandenen 24 Aufsichtsratssitzen acht den Arbeitnehmern eingeräumt wurden, und zwar je vier den deutschen und den österreichischen Arbeitnehmern, um die Parität in der Staatszugehörigkeit zu wahren. Die Tätigkeit der Arbeitnehmer in dem neuen Aufsichtsrat des Kraftwerks Jochenstein vollzieht sich nach unseren Informationen ohne Schwierigkeiten. Wir haben auch nichts darüber gehört, daß sich die Umbildung des Aufsichtsrats etwa zum Schaden der Unternehmung ausgewirkt habe. Die österreichische Seite hat in der Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes keine Verletzung völkerrechtlicher Bindungen erblickt. Meine Damen und Herren! Ungeachtet unserer grundsätzlichen Einstellung zu .dem gesamten Fragenkomplex ist es nicht einzusehen, warum für gleichgelagerte Fälle unterschiedliches Recht geschaffen werden soll. Wir fragen deshalb: War der Bundesregierung bekannt, daß in ähnlich gelagerten Fällen die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ohne Schwierigkeiten möglich war? Ist sich die Bundesregierung bewußt, daß das von ihr unterzeichnete Abkommen eine Beschrän({5}) kung der Souveränität bedeutet und daß sie ihre verfassungsrechtlichen Befugnisse überschreitet, indem sie deutsche Gesetze für einen Teil der deutschen Arbeitnehmer außer Kraft setzt? Herr Staatssekretär S au er b o r n hat am 20. Januar dieses Jahres auf eine Frage meines Freundes Arnholz erklärt, daß Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen zu dem in Frage kommenden Fragenkomplex gehört worden seien. Die von uns in der Zwischenzeit durchgeführte Nachprüfung hat ergeben, daß die von Herrn Staatssekretär Sauerborn erteilte Auskunft nicht vollständig war. Es ist zwar richtig, daß mit den zuständigen Gewerkschaften im Jahre 1954 wegen des damals schon geplanten Sonderabkommens Fühlung genommen wurde. Aber nachdem sich die Gewerkschaften eindeutig gegen die Außerkraftsetzung des Betriebsverfassungsgesetzes in den Grenzkraftwerken ausgesprochen hatten, wurden sie am 29. September des gleichen Jahres durch Herrn Ministerialdirektor Herschel dahingehend informiert, daß das Bundesarbeitsministerium nicht daran denke, dem Deutschen Bundestag eine Sonderregelung für die Kraftwerke am Oberrhein vorzulegen. Damit schien die Angelegenheit erledigt zu sein. In der Zwischenzeit hat sich jedoch einiges geändert, und unsere Anfrage bezieht sich nun auf die Verhandlungen n a c h dem September 1954. Auf diesen Zeitabschnitt bezogen, darf ich die Frage stellen, ob die Bundesregierung mit beiden Sozialpartnern Fühlung genommen hat. Meine Damen und Herren, es handelt sich bei unserer Großen Anfrage um einen Tatbestand von grundsätzlicher Bedeutung. Deshalb bitte ich die Bundesregierung um eine ausführliche Stellung- ) nahme. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Staatssekretär des Arbeitsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung darf ich die Große Anfrage der SPD wie folgt beantworten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß auf die Grenzkraftwerke an der deutsch-österreichischen Grenze am Laufe des Inn die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dem Inhalt nach Anwendung finden. Für diese Grenzkraftwerke ist eine als Tarifvertrag bezeichnete Regelung getroffen worden, nach der von den Arbeitnehmern in gleicher Zahl österreichische und deutsche Arbeitnehmer als Vertreter in den Aufsichtsrat gewählt werden. Diese Regelung läßt sich jedoch nicht ohne weiteres auf die deutsch-schweizerischen Grenzkraftwerke übertragen, da dort die Verhältnisse wesentlich andere sind und hinsichtlich der Rhein-Grenzkraftwerke besondere völkerrechtliche Bindungen vorliegen. Zur Frage 2. Bekanntlich sind am Oberrhein in gemeinschaftlichem Vorgehen deutscher und schweizerischer Stellen sechs Grenzkraftwerke, davon drei nach deutschem und drei nach schweizerischem Recht, errichtet worden. Die Grenzkraftwerke Albbruck-Dogern - 44 Arbeitnehmer, davon 32 Deutsche und 12 Schweizer -, Rheinfelden - 29 Arbeitnehmer, davon 17 Deutsche und 12 Schweizer - und Reckingen - 265 Arbeitnehmer, davon 256 Deutsche und 9 Schweizer - werden von Aktiengesellschaften deutschen Rechts geführt, während die drei Schweizer Kraftwerke von Aktiengesellschaften schweizerischen Rechts geführt werden. In den Wasserrechtskonzessionen, die gleichlautend von deutscher und schweizerischer Seite erteilt worden sind, ist diesen Gesellschaften die Auflage gemacht worden, daß der Aufsichtsrat sich je zur Hälfte aus deutschen und schweizerischen Staatsangehörigen zusammensetzen soll. Von schweizerischer Seite ist geltend gemacht worden, daß die Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes auf die Grenzkraftwerke nicht mit der aux Grund der Wasserrechtskonzessionen geschaffenen Sonderstellung vereinbar sei. Die Schweizer Stellen konnten sich nicht damit einverstanden erklären, daß die Entsendung von Arbeitnehmern in den Aufsichtsrat auch zu Lasten der schweizerischen Anteilseigner ginge. Von deutscher Seite ist darauf zunächst geprüft worden, ob die bestehenden völkerrechtlichen Bindungen der Anwendung des § 76 des Betriebsverfassungsgesetzes auf die Grenzkraftwerke schlechthin entgegenstehen, d. h. die innerstaatliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes insoweit beschränken. Diese Frage ist verneint worden. Andererseits ergab die Prüfung, daß sich aus den vorliegenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die sich mit der Frage des Ausbaus und der Nutzung der Wasserkräfte des Hochrheins befassen, eine Verpflichtung ,der beiden Staaten ergibt, alle mit den Grenzkraftwerken zusammenhängenden Probleme und Angelegenheiten im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Hinzu kommt, ,daß auch die Schweiz bei der Regelung der besonderen mit den Grenzkraftwerken zusammenhängenden Probleme immer von deren Sonderstatus ausgegangen ist und im Hinblick auf die Grenzkraftwerke 'besonders loyales Verhalten an den Tag gelegt hat. So hat der Schweizer Bundesrat am 29. April 1922 auf eine Anfrage der Kraftwerke Laufenburg entschieden, daß der Art. XI der Novelle vom . Juli 1919 zum Obligationenrecht, der eine Mehrheit von schweizerischen Staatsbürgern für die Verwaltungsräte aller in der Schweiz domizilierenden Aktiengesellschaften vorschreibt, auf die Grenzkraftwerke wegen der hierfür bestehenden besonderen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht anwendbar ist. Ebenso hat sich der Schweizerische Bundesrat bei den bekannten Auseinandersetzungen, die in der Schweiz im Jahre 1953 zwischen verschiedenen Gruppen um die Frage der Erhaltung der Rheinau stattgefunden haben, in seinem Bericht vom 4. Mai 1954 an die Bundesversammlung eindeutig auf den Standpunkt gestellt, daß die Grenzkraftwerke einen besonderen internationalen Status haben. Ferner ist dieser besondere Status im Rahmen von zwischenstaatlichen Verträgen über das deutsche Vermögen in der Schweiz und über die Regelung der deutschen Auslandsschulden in einer für die deutsehen Belange günstigen Weise berücksichtigt worden. Die Bundesregierung ist deshalb der Auffassung, daß sie durch den Abschluß des Vertrages vom 6. Dezember 1955 nicht die Souveränität der Bundesrepublik eingeschränkt oder ihre verfassungsrechtlichen Befugnisse überschritten hat, sondern nur bestehende Verpflichtungen erfüllt. ({0}) Die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat der unter deutschem Recht stehenden Grenzkraftwerke in der Weise sicherzustellen, daß die Zahl der Vertreter der deutschen Anteilseigner im Aufsichtsrat um die Zahl der nach § 76 des Betriebsverfassungsgesetzes zu entsendenden Arbeitnehmer gekürzt wird, ist gleichfalls geprüft worden. Es ist nicht für tragbar erachtet worden, die nach den Konzessionen festgelegte Parität zu verschieben und damit den deutschen Einfluß zu vermindern. Bei dieser Sachlage und im Hinblick auf die dargelegte völkerrechtliche Lage muß die im Staatsvertrag vereinbarte Teilnahme der Arbeitnehmervertreter an den Sitzungen des Aufsichtsrats auch nur mit beratender Stimme als bestmögliche Lösung angesehen werden. Die Entschließung der Bundesregierung, sich zu einer solchen Regelung zu verstehen, wurde dadurch erleichtert, daß das allein beteiligte Land Baden-Württemberg sich dahin ausgesprochen hatte, die Verhandlungen mit der Schweiz sollten in verständnisbereiter Weise geführt werden. Im übrigen bedarf der Vertrag zu seinem Zustandekommen der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes, so daß die verfassungsrechtlichen Kompetenzen gewahrt werden. Daß über die strittigen Fragen ein Staatsvertrag geschlossen und nicht beantragt wurde, das Betriebsverfassungsgesetz entsprechend einzuschränken, dient dem Ziele, jegliche Ausdehnung dieser Sonderregelung auf Grund der besonderen Verhältnisse unter allen Umständen zu vermeiden. Zur Frage 3. Ich habe schon früher bei einer Anfrage, die der Herr Vorredner soeben zitiert hat, mitgeteilt, daß wir vor Abschluß der Vereinbarungen mit den beiden Sozialpartnern in Verbindung getreten sind. Der Herr Vorredner hat gemeint, das sei im Jahre 1954 und damit zu einem zu frühen Zeitpunkt geschehen, so daß die Lage, wie sie nachher bestanden habe, dabei nicht mehr habe berücksichtigt werden können. Ich darf darauf hinweisen, daß die letzten Besprechungen fast unmittelbar vor dem Abschluß und der Unterzeichnung des Vertrages, nämlich im Oktober, der dem Vertragsabschluß im Dezember vorausging, stattgefunden haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD gehört. Wird auf eine weitere besondere Begründung des Gesetzentwurfs unter Punkt 2 b verzichtet, Herr Staatssekretär? - Es wird verzichtet. Dann eröffne ich die gemeinsame Aussprache zu den Punkten 2 a und b. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Bleiß!

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beantwortung unserer Großen Anfrage durch den Herrn Staatssekretär deckt sich im wesentlichen mit der Begründung des Ratifikationsgesetzes, das heute zur ersten Lesung ansteht. Aber, meine Damen und Herren, weder die Antwort des Herrn Staatssekretärs noch die gegebene Gesetzesbegründung ist geeignet, unsere Bedenken zu zerstreuen. Die Bundesregierung geht in ihrer schriftlichen Begründung des Gesetzes von völkerrechtlichen Tatbeständen aus und - das hat Herr Staatssekretär Sauerborn soeben nochmals betont - bezieht sich auf Verträge zwischen der Schweiz und dem ehemaligen Großherzogtum Baden aus den Jahren 1867, 1879 und 1890. Sie vertritt die Auffassung, daß die Umbesetzung der Aufsichtsräte nach den Richtlinien des Betriebsverfassungsgesetzes eine Verletzung des in diesen Verträgen begründeten Paritätsprinzips bedeuten würde. Eine so weitgehende Auslegung der Verträge ist meines Erachtens nicht berechtigt. Der schweizerische Staatsrechtler Professor Dr. Zellweger, der die völkerrechtlichen Tatbestände und Bindungen aus den Verträgen eingehend untersucht hat, ist zu den gleichen Ergebnissen gekommen. . Zellweger sagt in seinem für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund erstellten Gutachten, aus dem ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf, wörtlich: Die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes auf die dem deutschen Recht unterstehenden Grenzkraftwerke am Rhein kann nur verneint werden, wenn sich aus Staatsverträgen oder aus dem Völkergewohnheitsrecht mit genügender Sicherheit eine Norm ableiten läßt, welche bei den in Frage stehenden Unternehmungen die Bildung von Betriebsräten oder die Entsendung von Arbeitnehmern in die Aufsichtsräte verbietet. Die Existenz einer solchen Norm ist nirgends nachweisbar. Zellweger sagt in seinem Gutachten weiter, daß völkerrechtliche Normen, die die Freiheit der beiden Uferstaaten, also der Bundesrepublik und der Schweiz, beschränken, praktisch nur in vier Staatsverträgen enthalten sind, und zwar in dem Vertrag von 1867, in dem Vertrag von 1879, in einem Vertrag zwischen der Schweiz und Deutschland über die Regulierung des Rheins von 1929 und schließlich im Friedensvertrag von Versailles. Diese vier Verträge regeln zunächst und in der Hauptsache Fragen der Wasserwirtschaft, Fragen der Schiffberkeit des Rheins, Fragen der Schifffahrt und ähnliche einschlägige Fragen. Für die Kraftwerke selbst, die uns in diesem Zusammenhange interessieren, kommen nur die Verträge von 1879 und 1929 in Betracht. Sie enthalten die gegenseitige Verpflichtung der beiden Regierungen, keine künstlichen Bauten zu errichten, die den Wasserlauf des Rheins beeinträchtigen können, neue Konzessionen nur im gegenseitigen Einvernehmen zu erteilen, und sie enthalten Vereinbarungen über die Stromabgabe an das internationale Verbundnetz. Alle genannten Verträge aber enthalten keinerlei Vorschriften über die Zusammensetzung von Aufsichtsräten in den Kraftwerksunternehmungen am Rhein. Es ist mir deshalb nicht recht verständlich, Herr Staatssekretär, warum das Bundesarbeitsministerium in der Begründung der Vorlage bis auf das Jahr 1867 zurückgeht. Auch Zellweger kommt zu dem Ergebnis, daß die zitierten Gesetze die Frage der Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes auf die dem deutschen Recht unterstehenden Grenzkraftwerke in keiner Weise berühren. Erst in einer von der Schweiz und Baden in den Jahren 1926 und 1927 erteilten Konzession ist da({0}) von die Rede, daß je die Hälfte der Aufsichtsräte aus Angehörigen des Deutschen Reichs und der Schweiz bestehen soll, also lediglich eine dispositive Vorschrift. Wenn also in der schriftlichen Begründung des Gesetzentwurfs gesagt ist, daß völkerrechtliche Bindungen bestehen, die u. a. auch das Prinzip der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte umfassen, dann stehen dieser Auffassung der Wortlaut der Verträge, das Rechtsgutachten von Professor Zellweger und die bisher geübte Praxis diametral entgegen. In keinem der drei Aufsichtsräte ist bisher eine paritätische Besetzung vorhanden. Aber das Bundesarbeitsministerium geht noch einen Schritt weiter und behauptet, daß die Anwendung der §§ 76 und folgende des BVG auf die Aufsichtsräte der Grenzkraftwerke gegen das Prinzip der Parität verstoßen würde. Eine solche These scheint mir völlig unhaltbar zu sein. Ich frage Sie, Herr Staatssekretär Sauerborn, bedeutet dieser Passus in der schriftlichen Begründung des Gesetzes, daß das Paritätsprinzip schon verletzt ist, wenn Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat einer Gesellschaft einziehen? Es ist doch nach dem heutigen Stand unserer Sozialgesetzgebung einfach unmöglich, eine deutsch-schweizerische Parität nicht nur an die Staatszugehörigkeit, sondern darüber hinaus auch noch an den Aktienbesitz binden zu wollen. In diesem Zusammenhang, Herr Staatssekretär, drängt sich noch eine andere Frage auf: Ist es richtig, daß die Initiative zur Außerkraftsetzung des BVG nicht von der schweizerischen, sondern von der deutschen Kapitalseite ausgegangen ist? Auch dazu wäre eine Stellungnahme von Ihnen sehr interessant. Nach unserer Auffassung ist die Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes ohne die von der Bundesregierung befürchtete Verletzung völkerrechtlicher Bindungen möglich. Bei den Verhandlungen ist auch von der deutschen Seite zunächst einmal der vernünftige Vorschlag gemacht worden, den Grundsatz der paritätischen Besetzung der Aufsichtsräte mit deutschen und Schweizer Staatsangehörigen und eine Mitgliedschaft von Arbeitnehmern in der Weise zu verbinden, daß auch die Arbeitnehmervertreter je zur Hälfte aus schweizerischen und deutschen Staatsangehörigen bestellt werden sollten. In der schriftlichen Begründung heißt es, daß die Schweizer Delegation eine solche Lösung für unannehmbar hielt. Ich frage Sie, Herr Staatssekretär, haben Sie nicht nach dieser Ablehnung andere Alternativen in Erwägung gezogen? Wäre es nicht möglich gewesen, auf deutscher Seite entscheidende Veränderungen in der Aufsichtsratsbesetzung vorzunehmen und dadurch das Bundesgesetz auch in den Grenzkraftwerken zur Anwendung zu bringen? Meine Damen und Herren, man gewinnt bei dem Studium der Begründung den Eindruck, daß die Bundesregierung dem Drängen der Kapitalseite zu sehr nachgegeben und den Willen des Bundestags hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes nicht genügend respektiert hat. In den Verhandlungen mit der Schweizer Delegation ist ein Kompromiß zustande gekommen - Herr Staatssekretär Sauerborn hat ihn hier kurz erläutert -, der nach meiner Meinung völlig unbefriedigend und inakzeptabel ist. Der in der Drucksache 2542 vorgelegte Gesetzentwurf erkennt den Arbeitnehmern zunächst das Recht der Drittelbeteiligung ab. Für die Bemessung der Zahl der Arbeitnehmer sollen nicht etwa die Richtlinien des Aktienrechtes, sondern soll die Zahl der Beschäftigten maßgebend sein. Die Zahl der Arbeitnehmer wird maximal auf drei begrenzt. Die Arbeitnehmervertreter sind nicht Mitglied des Aufsichtsrats. Sie haben kein Stimmrecht. Sie dürfen nur beratend an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilnehmen. Sie erhalten nur eine von der Hauptversammlung festgesetzte Aufwandsentschädigung. Von allen anderen Dingen sind sie ausgeschlossen. In den Pflichten allerdings, meine Damen und Herren, ist der Unterschied nicht vorhanden. Wer z. B. einem vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats im einzelnen zu bestimmenden Prinzip der Vertraulichkeit zuwiderhandelt, wird nach § 5 des Entwurfs mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Der Gesetzentwurf, der uns vorgelegt worden ist, enthält nach meiner Auffassung eine Reihe von diskriminierenden Vorschriften, die sich zunächst und unmittelbar gegen die Belegschaften der Grenzkraftwerke wenden. Die bewußt scharfe Trennung von Arbeit und Kapital, die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmervertreter in vielerlei Hinsicht müßten sich aber in ihrer letzten Konsequenz gegen die gesamte Arbeitnehmerschaft richten. Das Betriebsverfassungsgesetz ist in der Bundesrepublik seit nahezu vier Jahren in Kraft. Wenn es auch in seinen Einzelheiten unseren Vorstellungen von einer gleichberechtigten Partnerschaft in keiner Weise entspricht, so hat es doch dazu beigetragen, den Arbeitsfrieden zu stärken und die Produktivität in den Betrieben zu erhöhen. Ähnliche Wirkungen würde nach meiner Meinung seine Anwendung wahrscheinlich auch in den Kraftwerken am Oberrhein hervorrufen. Deshalb ist der geleistete Widerstand aus sozialpolitischen Gründen völlig unbegreiflich. Die Tendenz des von der Bundesregierung unter- zeichneten Abkommens hat in der Öffentlichkeit eine erhebliche Unruhe hervorgerufen. So haben sich, um nur einige Stimmen zu nennen, die beiden größten deutschen Gewerkschaften, die IG Metall und die ÖTV, in scharfer Weise gegen die Ratifikation des Vertrags ausgesprochen. Die Betriebsräte der Grenzkraftwerke haben in einer gemeinsamen Konferenz mit den Vertrauensleuten der schweizerischen Arbeitnehmer e ins t i m m i g gefordert, die Ratifikation des Abkommens zu verhindern. Auch der Schweizerische Bundesrat ist im Wege einer Interpellation mit der Angelegenheit befaßt worden. Das sind die grundsätzlichen Bedenken, die wir in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs anzumelden haben. Wir werden der Überweisung des Entwurfs an den Arbeitsausschuß zustimmen. Wir sind auch bereit, an einer vernünftigen Lösung mitzuarbeiten. Wir sind aber der Meinung, daß das Abkommen einer gründlichen Überprüfung und Umgestaltung unterzogen werden muß. In seiner jetzigen Form ist es inakzeptabel, nicht nur weil es Grundrechte verletzt und die Souveränität beschränkt, sondern auch weil es - und hier befinde ich mich im Gegensatz zu Herrn Staatssekretär Sauerborn - einen gefährlichen Präzedenzfall für mögliche weitere Konsequenzen darstellt. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär, Sie möchten unverzüglich antworten? - Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesarbeitsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte schnell die drei wesentlichen Fragen, die der Herr Vorredner an mich gestellt hat, beantworten. Erstens. Es ist uns nie eingefallen, und es ist auch nicht der Sinn des betreffenden Paragraphen bzw. der Begründung, zu sagen, daß die Parität gestört würde, wenn an Stelle von Kapitalisten Arbeiter in den Aufsichtsräten säßen. Zweitens. Die Frage, von welcher Seite bei der Bundesregierung der Anstoß gekommen ist, die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes in diesen Fällen nicht zuzulassen, beantworte ich dahin: Es ist keine Anregung von der deutschen Kapitalseite her gekommen. Die gesamten Anregungen und Vorstellungen sind von der Schweiz ausgegangen. Insbesondere die Schweizer Botschaft selber hat uns über diese Frage und über die Stellungnahme der Schweizer Behörden unterrichtet. Drittens die Frage, ob wir leichten Herzens auf diese Lösung zurückgegriffen hätten, ob wir nicht andere Möglichkeiten geprüft hätten. Meine Damen und Herren, die Verhandlungen haben über zwei Jahre gedauert, und wir haben das Letzte versucht. Es war einer der schwersten Kämpfe, die wir jemals hatten. Wir haben schließlich, um diese Sache nicht noch weiter hinauszuzögern, diese Lösung, die den Arbeitnehmern wenigstens 1 ein Mitspracherecht gibt, gewählt, weil nach den Erfahrungen der letzten Zeit nichts anderes durchzusetzen ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.

Anton Sabel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur rechtlichen Seite möchte ich nur folgende Bemerkung machen. Bei der Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes, aber auch bei der Beratung des Montan-Mitbestimmungsgesetzes war man sich immer darüber im klaren, daß eine Sonderbehandlung ausländischer Unternehmen, die ihren Sitz im Bundesgebiet haben, nicht möglich sei. Es ist auch nicht bestritten, daß das Betriebsverfassungsgesetz für alle Unternehmen, auch für ausländische Unternehmen, die ihren Sitz im Bundesgebiet haben, gilt. Nun wissen wir, daß hier eine Sondersituation vorliegt, und es ist zu prüfen, ob sie eine Ausnahme rechtfertigt. Die Bundesregierung hat den Weg gewählt, diese Frage über einen Vertrag mit der Schweiz zu regeln. Ich glaube, wir müssen das Problem in der rechten Größenordnung sehen, um seine Bedeutung zu erkennen. Kollege Dr. Bleiß hat von einer erheblichen Unruhe gesprochen. Ich glaube, das ist etwas zuviel gesagt. Es handelt sich - es ist wohl heute schon einmal gesagt worden - um drei Unternehmen mit etwas über 300 Beschäftigten, davon etwa 10 % Schweizern. Ich sage in aller Offenheit: die Ausnahme, die hier getroffen wird, ist auch mir und vielen meiner Freunde nicht sonderlich sympathisch. Wir haben allerdings zu prüfen: kann man sich im Augenblick einer solchen Regelung widersetzen oder würde, wenn wir es täten, hier ein Schaden entstehen, der in keinem Verhältnis zu dem steht, was hier Gegenstand der Diskussion ist? Wir sind uns darüber im klaren, daß auf Grund der Grenzlage die Ausnutzung der Wasserkräfte des Rheins nur gemeinsam erfolgen kann. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Ausnützung der Wasserkräfte praktisch noch nicht abgeschlossen ist, daß also hier noch einiges zu tun übrigbleibt. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir auch bei der Ausnützung der Wasserkräfte beachtlicher finanzieller Leistungen bedürfen, um die wirtschaftlichen Grundlagen für diese Vorhaben zu schaffen. Das ist der Tatbestand, den wir nicht ignorieren können. Auf der anderen Seite hat die Schweiz, wie Herr Staatssekretär Sauerborn soeben erklärt hat, auf diese Ausnahme gedrängt. Ich weiß, daß diese Bemühungen schon sehr lange dauern, und nun haben sie zu dem vorliegenden Ergebnis geführt. Ich möchte noch einmal sagen: wir halten diese Regelung nicht für sonderlich schön, glauben aber, daß man den Wunsch der Schweiz nicht einfach ignorieren kann. Die Regelung, wie sie jetzt hier angestrebt wird, sollte allerdings keine Dauerregelung sein. Man sollte sich vielmehr bemühen, nach Abschluß der Arbeiten zu einer Regelung zu kommen, wie sie in Jochenstein gefunden ist und auf die der Kollege Dr. Bleiß hingewiesen hat. Diese Lösung könnte das Modell sein. Aber im Augenblick können wir eben nicht ignorieren, daß wir die Dinge nicht allein machen können. Ich möchte auch meinerseits beantragen, das Gesetz dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen, glaube allerdings, daß wir im Augenblick nicht allzuviel Möglichkeiten haben, an dem Gesetz etwas zu ändern. Ich möchte meinerseits der Bundesregierung empfehlen, die Dinge nicht aus den Augen zu lassen und zu versuchen, auch hier auf die Dauer gesehen dem deutschen Recht Anwendung zu verschaffen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich wollte nur noch zwei Fragen stellen. Zunächst die Frage: Ist es richtig, daß noch im Oktober 1955 mit den Gewerkschaften verhandelt wurde, oder sind die letzten Verhandlungen nicht schon im Oktober 1954 geführt und ist seitdem geheim verhandelt worden, ohne mit den Gewerkschaften Fühlung zu nehmen? Die zweite Frage, Herr Staatssekretär, geht dahin - ohne etwas über das Paritätsprinzip zu sagen, habe ich doch vorhin gefragt, warum es nicht möglich war, eine Veränderung auf der deutschen Seite vorzunehmen -, ob Sie solche Alternativen geprüft haben und warum nicht von der deutschen Seite aus, also von der deutschen Kapitalseite her, Verzicht geleistet werden konnte, um die berechtigten Ansprüche der Arbeitnehmer zu erfüllen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Antwort hat der Herr Staatssekretär im Arbeitsministerium.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eben noch einmal unsere Akten nachgeprüft und das Datum genau festgestellt. Die letzte Fühlungnahme mit den Gewerkschaften hat am 6. Oktober 1955 stattgefunden. Zu der zweiten Frage: Es ist auch die Frage geprüft worden - ich habe sie bereits in meinen ersten Ausführungen dargelegt -, ob es möglich sei, die Beteiligung der Arbeitnehmer über ,die deutsche Seite allein herbeizuführen. Diese Frage ist verneint worden. Es schien auch nicht zweckmäßig zu sein, weil dadurch die bei den deutschen Werken und bei den Schweizer Werken grundsätzlich bestehende Parität bei bestehender Kapitaldisparität gefährdet worden wäre. Wenn das gemacht worden wäre, wäre auf diese Weise unserer Meinung nach ein Tatbestand eingetreten, der sich für die künftige Entwicklung - auch für die Entwicklung in den Betrieben selbst - nachteilig ausgewirkt hätte, auch vielleicht für weitere Werke, die dann unter besonderen Bedingungen errichtet würden, so daß für sie ein anderer Status bestände.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache über Punkt 2 a und b ist damit abgeschlossen. Die Große Anfrage ist erledigt. Vorgeschlagen ist die Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes über den hier verhandelten Vertrag mit der Schweiz an den Ausschuß für Arbeit. Das ist der einzige Überweisungsvorschlag, der gemacht worden ist. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung. Ich rufe auf: Erste Beratung des Entwurfs einer Ergänzung zum Entwurf des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 ({0}). Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. In der eröffneten ersten Beratung hat das Wort Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu diesem Ergänzungshaushalt nur eine kurze Frage zu stellen. Der Haushalt an sich wird ja die beiden zuständigen Ausschüsse ausgiebig beschäftigen. In Kap. 14 22 Tit. 302, Ausgaben für Musterungen jeglicher Art, habe ich vergeblich nach der Entschädigung der Gemeinden für ihre Tätigkeit aus Anlaß der Erfassung der Wehrpflichtigen gesucht. Unter III ist in den Erläuterungen für „Bekanntmachungskosten ({0})" eine Summe von 266 800 DM angegeben. Das kann aber nicht das sein, was den Gemeinden als Ersatz zufließen muß. Ich wäre deshalb dankbar, wenn die Regierung angesichts der nicht unerheblichen Aufregung in kommunalen Kreisen eine klare Antwort auf die Frage geben könnte, was sie vorgesehen hat. Ich nehme auch nicht an. daß diese Kosten etwa von den Ländern getragen werden. Mir ist bekannt, daß das eine oder andere Land sich bereit erklärt hat, einen Zuschuß zu geben. Aber ein Zuschuß ist nicht der volle Ersatz der entstehenden Ausgaben. Vielleicht kann die Erklärung hier schon gegeben werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanz en.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin gern bereit, die hier erbetene Auskunft über die Rechtslage zu geben. Die Rechtslage ist folgende. Die Erfassung der Wehrpflichtigen ist nach § 15 des Wehrpflichtgesetzes Aufgabe der Länder, die sie nach Art. 83 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit zu erfüllen haben. Die Zulässigkeit dieser gesetzlichen Regelung ergibt sich aus Art. 83 in Verbindung mit Art. 87 b des Grundgesetzes. Nach dem in Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes verankerten allgemeinen Grundsatz tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Die Länder sind danach verpflichtet, die Kosten für die Erfassung der Wehrpflichtigen zu tragen. Eine unmittelbare Beteiligung des Bundes an diesen Kosten ist verfassungsrechtlich ausgeschlossen. ({0}) Ein finanzieller Ausgleich für die den Ländern durch Bundesgesetz zugewiesenen neuen Aufgaben ist nur auf Grund der Sicherungsklausel des Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes, d. h. im Wege einer Änderung des Beteiligungsverhältnisses an der Einkommen- und Körperschaftsteuer möglich. Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift sind aber im Hinblick auf das finanzielle Gewicht der durch § 15 des Wehrpflichtgesetzes zugewiesenen Aufgabe im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Länder sind nach Art. 83 des Grundgesetzes verpflichtet, die ihnen durch Bundesgesetz zugewiesenen Aufgaben auszuführen. Die Frage, ob die Sicherungsklausel des Art. 106 Abs. 5 des Grundgesetzes zum Zuge kommt oder nicht, hat auf diese Verpflichtung keinen Einfluß. Wenn die Länder und Gemeinden die Ausführung des Gesetzes verweigerten, würden sie damit die ihnen nach dem Grundgesetz und den Bundesgesetzen obliegenden Bundespflichten nicht erfüllen. Dabei tragen die Länder auch die Verantwortung dafür, daß die den Gemeinden zugewiesenen Aufgaben von diesen erfüllt werden. Die von mir erwähnten finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften beziehen sich nach dem Grundgesetz nur auf das Verhältnis Bund - Länder, wobei bekanntlich nach der Systematik des Grundgesetzes die Gemeinden als Bestandteile der Länder angesehen werden. Die Regelung der Kostenfrage im Verhältnis zwischen Ländern und Gemeinden ist nach dem Grundgesetz ausschließlich Angelegenheit der Länder im Rahmen ihrer ausschließlichen Kompetenz auf dem Gebiet des Kommunalrechtes und insbesondere des kommunalen Finanzausgleichs. Der Bund hat keine rechtliche Handhabe, in diese Regelung einzugreifen. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß federführend - und an den Ausschuß für Verteidigung -- mitberatend - beantragt. Wer dieser ({0}) I Überweisung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesgesetzes zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs und gleichgestellter Rechtsträger ({1}) ({2}). Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Auf das Wort zur Begründung wird verzichtet. Ich eröffne die Beratung in erster Lesung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Wiedergutmachung - federführend - und an den Ausschuß für Geld und Kredit beantragt. Ich nehme an, daß das Haus einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 5 der Tagesordnung: a) Beratung des Schriftlichen Berichts *) des Haushaltsausschusses ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kosten der Bonner Bundesbauten und Einstellung weiterer Baumaßnahmen ({4}); b) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend künftige Verwendung Bonner Bundesbauten ({5}). Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß zunächst die Berichterstattung zu Punkt 5 a und dann die Begründung zu Punkt 5 b erfolgt. Die Aussprache über die beiden Punkte soll miteinander verbunden werden; im Anschluß daran erfolgt dann die Beschlußfassung. Zunächst erfolgt also die Berichterstattung zu Punkt 5 a der Tagesordnung. Herr Abgeordneter Hilbert, wünschen Sie das Wort als Berichterstatter? ({6}) - Bitte! Hilbert ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag des Haushaltsausschusses habe ich Ihnen Bericht zu erstatten über die Verhandlungen über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kosten der Bonner Bundesbauten und Einstellung weiterer Baumaßnahmen im Raume Bonn, Drucksache 1897. Der Ausschuß befaßte sich erstmals mit diesem Antrag in seiner Sitzung vom 12. April 1956. Der Antrag verlangt zweierlei. Einmal enthält er ein Ersuchen an die Bundesregierung, eine detaillierte Übersicht vorzulegen, in welcher Höhe bisher Bundesmittel im Raume Bonn verausgabt wurden a) für Wohnungsbauten und b) für Büro- und sonstige Verwaltungsbauten. Dann wurde eine Erklärung des Bundestages verlangt, daß bereits bewilligte Bundesbauten im Raume Bonn nur noch zur Ausführung kommen, soweit mit dem Bau bereits begonnen ist, und daß alle übrigen Bauvorhaben mit Ausnahme des Wohnungsbaus nicht mehr zur Ausführung gelangen. *) Siehe Anlage 2. In einer kurzen Aussprache war der Ausschuß völlig einer Meinung, daß die Wohnungsbauten auch im Raum Bonn unter keinen Umständen gedrosselt werden dürfen. Ein Abgeordneter der CDU vertrat die Auffassung, daß es kaum angängig sei, auch für Verwaltungsgebäude ein absolutes Bauverbot auszusprechen oder zu verhängen. Insonderheit gelte dies für Bauten von oberen Bundesbehörden, die noch nicht entsprechend untergebracht seien. Auch ein Redner der SPD interpretierte den Antrag in dem Sinne, daß ein generelles Bauverbot nicht erstrebt werde; es müsse vielmehr vor jeder Inanspruchnahme weiterer Bauten geprüft werden, ob jeweils dem provisorischen Charakter aller Bonner Verwaltungsbauten genügend Rechnung getragen werde. Die CDU machte den Vorschlag, bei der Erstellung und Planung Bonner Verwaltungsbauten darauf Rücksicht zu nehmen, daß nach Verlegung der oberen Bundesbehörden nach Berlin die Bonner Bauten etwa für Unterkünfte von Studenten, für Professoren oder Institute der Universitäten Köln und Bonn dienstbar gemacht werden können. Einmütig trat der Ausschuß dem Verlangen bei, die gewünschten Übersichten von der Bundesregierung zu fordern und den zweiten Teil des Antrags so lange zurückzustellen. Am 16. Juni 1956 legte die Bundesregierung dem Ausschuß die verlangte Aufstellung über die bisherigen Bauaufwendungen im Raum Bonn vor. Diese Aufstellung wurde als Anlage zu Drucksache 2554 allen Mitgliedern ,des Hohen Hauses zugeleitet. Ich kann mir daher den Vortrag über die detaillierten Aufwendungen ersparen und auf die zitierte Anlage zu Drucksache 2554 verweisen. Demnach sind seit 1949 einschließlich der Ansätze im Haushalt 1956 insgesamt aufgewendet worden für a) Dienstgebäude 93 895 450 DM, b) Wohnungsbauten 143 224 250 DM, insgesamt also 237 119 700 DM. Der Ausschuß befaßte sich nach Vorlegung dieser Aufstellung erneut mit dem Antrag Drucksache 1897, und zwar nunmehr mit dem zweiten Teil. Die Mehrheit des Ausschusses stimmt darin überein, daß eine allgemeine Bausperre nicht möglich sei. Selbst die Antragsteller gaben zu, daß noch Bauten nötig werden könnten. Der Vertreter der Bundesregierung machte darauf aufmerksam, die eventuelle Annahme des zweiten Teils des Antrags könnte niemals zur Folge haben, daß etwa noch dringend notwendig werdende Bauten nicht durchgeführt werden könnten, es kämen unabweisbar noch Bauvorhaben auf uns zu. Auch wisse niemand, wann mit einer Verlegung der oberen Bundesbehörden nach Berlin gerechnet werden könne. Bei ,der Abstimmung wurde der zweite Teil des Antrags der SPD im Ausschuß mit großer Mehrheit abgelehnt und dann ein Eventualantrag des Berichterstatters angenommen, den Sie auf Drucksache 2554 verzeichnet finden. Im Auftrage des Ausschusses habe ich Ihnen die Annahme dieses Antrags zu empfehlen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und frage, ob das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 5 b gewünscht wird. - Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel. Dr. Vogel ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Freunde möchte ich Ihnen eine ({1}) Idee vortragen, die ihren Niederschlag in einem Antrag gefunden hat, von dem wir glauben, daß er dieses Problem der Bonner Bauten am besten lösen würde. Es ist ein Problem! Nicht wir sind daran schuld, daß eine provisorische Bundeshauptstadt existieren muß und daß die eigentliche Reichshauptstadt noch nicht Bundeshauptstadt sein kann. Das Provisorium Bonn hat uns allen, glaube ich, manche Probleme aufgegeben, und im Grunde genommen ist niemand von uns darüber glücklich gewesen, daß hier derart viele Bauten entstehen mußten. Ich sage ausdrücklich: entstehen mußten. Ich werde später noch darauf zurückkommen. Aber nun eins: Wenn nun einmal die zwingende Notwendigkeit vorlag, diese Bauten zu errichten, dann mußte auf der anderen Seite auch darüber nachgedacht werden: Welchen Zweck sollen diese Bauten einmal erfüllen, wenn, was wir ja alle von Herzen wünschen, die Reichshauptstadt Berlin ihren alten Rang wieder einnimmt? Unter den Möglichkeiten, die sich anbieten, wären folgende zu nennen gewesen. Man hätte vielleicht daran denken können, hier Schulen für die Reichsbehörden in großem Umfang, z. B. Zollschulen, Finanzschulen, Postschulen und was es sonst alles auf dem Gebiete gibt, hinzulegen. Man hätte daran denken können, auch Industrie hierher zu bringen. Aber ich glaube, auch die Bevölkerung dieser Stadt würde nicht sehr glücklich sein, wenn aus einer alten Universitätsstadt eine Industriestadt würde. auch wenn das von der gewerbesteuerlichen Seite her vielleicht manchem sehr angenehm wäre. Der Ausweg, den wir Ihnen vorschlagen, scheint der der Tradition dieser Stadt angemessenste zu sein und scheint auch nach dem Widerhall, den er in dieser Stadt und überall in akademischen Kreisen und weit darüber hinaus hei der Studentenschaft gefunden hat, der sinngemäßeste und vernünftigste zu sein. Wir schlagen Ihnen vor, die dafür geeigneten Gebäude unter den Bonner Bundesbauten einer künftigen Zweckbestimmung als Wohnheime für ausländische Studenten, Professoren, Tutoren usw. zuzuführen und sie dafür herzurichten. Sie können hier in Bonn eine große Reihe vor allem der neu errichteten Gebäude ohne weiteres einem solchen Zweck dienstbar machen. Es ist Ihnen allen bekannt, daß wir an allen deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen mit einem furchtbaren Mangel an Unterkunftsräumen, an Wohnräumen nicht nur für unsere heimische Studentenschaft, sondern vor allen Dingen auch für unsere ausländischen Gäste zu kämpfen haben. Das deutsche Volk ist immer stolz darauf gewesen, ausländischen Studenten ein gastliches Heim und eine Lehrstätte bieten zu können. Wir haben das in den Jahren nach 1945 nicht in dem gleichen Maße tun können wie vor dem Kriege. Die Zahlen sind Ihnen bekannt. Hier bin ich allerdings auf eine gewisse Divergenz gestoßen. In dem uns vorliegenden Einzelplan des Bundesinnenministeriums ist die Zahl von heute 3500 ausländischen Studenten gegenüber 6500 vor dem Kriege genannt worden. Aus einer Statistik der deutschen Studentenschaft entnehme ich dagegen, daß gegenwärtig schon 6800 Auslandsstudenten bei uns weilen. Wir wissen, daß all unser Bemühen, z. B. jetzt aus Anlaß des Nehru-Besuchs auch einer Zahl indischer Studenten das Studium bei uns zu ermöglichen, daran gescheitert ist, daß keine der deutschen Hochschulen in der Lage war, diesen neuen ausländischen Gästen hinreichende Wohnstätten zu bieten. Natürlich würde unser Plan für die Umsiedlung im Falle der Wiedervereinigung keineswegs ausschließen, daß in der Zwischenzeit vor allen Dingen an den Orten der Technischen Hochschulen weiterhin derartige Studentenheime gebaut werden und daß der Bund dafür auch Mittel bewilligt. Wir haben bereits im Haushalt des Auswärtigen Amts für das laufende Haushaltsjahr 2 Millionen DM für derartige Zwecke im voraus zur Verfügung gestellt. Ich nehme an, diese Mittel werden sich erhöhen lassen. Aber worum es hier geht, ist, für die vielen großen Bauten jetzt schon einen definitiven Verwendungszweck vorzusehen. Das Bundeshaus selbst war ja früher eine Pädagogische Akademie und hat schon einmal dieser Zweckbestimmung gedient. Das neu hinzugebaute Hochhaus mit den Arbeitsräumen der Mitglieder dieses Hohen Hauses ließe sich - das ist völlig klar - unschwer mit sehr wenig Mitteln einer solchen neuen Zweckbestimmung zuführen. Wir haben weiter den Neubau des Auswärtigen Amtes, das Bundesfinanzministerium und eine Reihe kleinerer Bauten, das Bundespresse- und Informationsamt, die neuen Annexe beim Bundeskanzleramt usw. In diesen Gebäuden müßten natürlich entsprechende Umbauten vorgenommen werden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch dann, wenn sie anderen Zwecken zugeführt würden, sagen wir, wenn sie Beamtenschulen würden oder, was man früher einmal in Erwägung gezogen hat, wenn die Finanzleute ihre Schule dort unterbrächten, müßte man hier Wohnräume schaffen, Umbauten vornehmen und die Gebäude dafür herrichten. Wir sind es ja im Haushaltsausschuß gewohnt, daß bei jeder neuen Zweckbestimmung für ein Gebäude entsprechende Umbauten vorgenommen werden und das Geld dafür regelmäßig reibungslos zur Verfügung gestellt wird. Warum sollte es nicht auch hier so sein, daß man für einen neuen Zweck die entsprechenden Mittel für einen Umbau zur Verfügung stellt? Jedenfalls würde es dieser Plan möglich machen, nach meiner Schätzung mindestens 2500, wahrscheinlich über 3000 in- und ausländischen Studenten eine gemeinsame neue Studienheimat zusammen mit dem Aufsichtspersonal, dem Lehrpersonal, Unterweisern, „Tutoren", wie sie im Ausland genannt werden, zu bieten. Damit hätte dann die Universität Bonn zusammen mit der Universität Köln eine neue Zugkraft für die ausländischen Studenten gewonnen, die hierherströmen würden, um in einer ganz anderen Atmosphäre, als sie die meisten Universitäten bieten könnten, ihren Studien nachzugehen. Alle diese Studentenheime sind nicht so gedacht, daß sie nur ausländischen Studenten zur Verfügung gestellt werden sollten; es sollen, wie das auch z. B. in Stuttgart und Heidelberg der Fall ist, Deutsche und Ausländer in einem bestimmten Prozentsatz gemeinschaftlich dort leben, Kontakt miteinander gewinnen und Freundschaften für das Leben schließen können. Wir sind der Überzeugung, daß dieser Plan vor allen Dingen für die neuen großen Aufwendungen Gültigkeit haben sollte, die für die Unterbringung des Bundesverteidigungsministeriums auf der Hardthöhe unvermeidlich sind. Hier könnte man rechtzeitig, schon vor der Grundsteinlegung, alles das mit hineinnehmen, was sich später für eine der({2}) artige Zweckbestimmung als notwendig erweisen würde. ({3}) - Ich weiß, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie grundsätzlich dagegen sind. Das ist Ihre Angelegenheit. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man Bundesbedienstete nicht in Campingplätze einweisen und nicht unter Zelten hausen lassen kann, daß sie genauso einen Anspruch darauf haben, ordnungsgemäß untergebracht zu werden, wie alle anderen Bundesbediensteten auch. ({4}) Und weil wir das wollen und weil das auch so sein wird, glauben wir, daß es nützlich ist, schon jetzt die Vorkehrungen zu treffen, um später einmal für einen endgültigen Verwendungszweck Mittel bereitzustellen und Pläne dafür auszuarbeiten. Der Widerhall, den dieser Vorschlag überall gefunden hat, glaube ich, läßt uns hoffen, - -({5}) - Nicht bei Ihnen, meine Damen und Herren! Daß wir bei Ihnen keinen Widerhall erwarten können, Ist selbstverständlich und klar. Wir wären Ihnen nur dankbar, wen Sie von vornherein, an Stelle einer Verzögerungstaktik, sagen wollten: Wir wollen das überhaupt nicht haben! Dann kämen wir doch völlig klar miteinander. ({6}) Aber wir verlassen uns darauf, daß diejenigen, die es unmittelbar angeht, die Studentenschaft selber, ein großes Interesse daran hat. Die Studentenschaft hat es begrüßt; das kann ich Ihnen aus einer ganzen Reihe von Zuschriften beweisen. ({7}) Es ist doch immerhin charakteristisch, daß nicht in einem Falle ein Widerspruch erfolgt und etwas anderes gesagt worden ist. ({8}) - Ja nun, wenn Sie Witzblätter hier zur Vorlage in diesem Hohen Hause benutzen wollen, gratuliere ich Ihnen für die Zukunft. ({9}) Das wäre eine zu sehr vereinfachte Methode; aber ob sie dieses Hauses würdig wäre, möchte ich doch sehr stark bezweifeln. Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir können Ihnen mit diesem Vorschlag etwas unterbreiten, das durchaus im Sinne einer weitausschauenden Kulturpolitik liegt. ({10}) und das durchaus auch im Sinne aller der Bestrebungen liegt, für die auch wir uns von jeher eingesetzt haben, im Falle einer Widervereinigung der deutschen Studentschaft und den ausländischen Studenten hier etwas zu bieten, was andere Länder, wie z. B. Frankreich in der Cité Universitaire, längst verwirklicht haben, was wir infolge der Zerstörungen durch den Krieg bisher nicht verwirklichen konnten. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, Gelächter und Zwischenrufe sind ja keine Antwort auf ein solches Problem, und ich stelle hier das eine fest: wenn wir uns Ihnen und Ihren Vorschlägen gegenüber genauso verhalten würden, wie Sie sich jetzt verhalten haben, würden Sie in einen Empörungsruf ausbrechen. Ich möchte doch sehr zu bedenken geben, ob das die Methode ist, mit der wir vernünftig miteinander sprechen können. ({11}) Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen im Namen meiner Fraktion, meiner Freunde, diesen Vorschlag zur Annahme empfehlen und bitten, ihn in der Zwischenzeit dem Haushaltsausschuß zu überweisen. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie haben den Bericht und die Begründung dieses Antrags gehört. Wir treten in die Aussprache ein. Wird das Wort gewünscht? Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieses Haus ist immer dankbar dafür, Herr Kollege Dr. Vogel, wenn einmal ein guter Witz gemacht wird. Sie haben vorhin einen bis jetzt, glaube ich, noch nicht übertroffenen Witz gemacht, als Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen sagten, daß eigentlich niemand in diesem Hohen Hause über die Wahl von Bonn glücklich gewesen sei. Ich erinnere mich daran, mit welch heißem Bemühen gerade Ihre Fraktion seinerzeit dieses Glück sogar korrigiert hat, ({0}) indem man eine bis dahin in der Geschäftsordnung nicht vorhandene Bestimmung für diesen Fall schuf, wonach auch in einer Sachfrage eine geheime Abstimmung stattfinden durfte, und nach der geheimen Abstimmung über die Wahl von Bonn aus der Geschäftsordnung wieder beseitigte. Da ist es, glaube ich, wirklich ein bitterer Witz, den Sie hier gemacht haben. Aber, Herr Kollege Dr. Vogel, wenn noch ein Zweifel darüber bestehen sollte, daß es niemand gebe, der über die Wahl von Bonn glücklich sei, dann möchte ich Ihnen vorschlagen: Fragen Sie einmal Ihren Fraktionschef! ({1}) Ich kann mir sehr gut denken, daß der darüber sehr glücklich ist. Das, was Sie eben vorgeschlagen haben und worauf ich nachher noch näher eingehen darf, dieser Plan einer Ausdehnung der Möglichkeiten für die Universität in Bonn - ich nenne ihn bei mir ohne böse Absicht kurzerhand den Vogel-Plan -, ({2}) das wird Veranlassung geben, sich noch etwas mit der Vergangenheit zu befassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte!

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Ritzel, sind Sie sich nicht über einen Irrtum im klaren? Ich habe vorhin nicht gesagt, daß hier keiner über die Wahl Bonns als Hauptstadt glücklich sei. Ich habe gesagt - Sie können das nachher im Stenogramm nachprüfen, ob es richtig ist -, daß niemand darüber glücklich ist, daß Bonn als Provisorium dienen muß. Das habe ich gesagt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, jedermann in diesem Hause muß es begrüßen, wenn debattiert wird und keine Monologe gehalten werden. Insofern wollen wir diese Auseinandersetzung begrüßen. Trotzdem muß ich sagen, daß korrekterweise die Zwischenfragen als Zwischenfragen zu stellen und nicht als Feststellungen zu treffen sind.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin über diese Klarstellung dessen, was Herr Dr. Vogel wirklich sagen wollte, gar nicht böse; denn das kann ich Ihnen absolut nachfühlen, daß Ihnen das Provisorium Bonn in seinem Dauerzustand von heute nicht gefällt. Sie hätten gern von der ersten Stunde an Bonn als Bundeshauptstadt, vielleicht als Reichshauptstadt gehabt! ({0}) - Ein Verbrechen wäre es nicht, aber eine erstklassige Dummheit, und die ist manchmal schlimmer als ein Verbrechen, Herr Kollege. Nun ist es wünschenswert und notwendig, bei der Erörterung des Antrags, den wir gestellt haben und der vom Haushaltsausschuß, d. h. von seiner Mehrheit, sozusagen mit weißer Salbe erledigt worden ist, sich ein bißchen mit den Kosten der Bonner Bundesbauten zu befassen. Ich habe es mir angelegen sein lassen, einige Tatsachen nachzulesen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Man hat seinerzeit, 1949, einen Bedarf an reiner Büronutzfläche für die Bundesregierung von 52 000 qm festgestellt. Nach einer Auskunft des Herrn Staatssekretärs Dr. Wandersleb, die vor kurzem durch die Presse gegangen ist, stehen heute in Bonn statt der seinerzeit benötigten 52 000 qm Büronutzfläche rund 150 000 qm zur Verfügung. Meine Damen und Herren, der Parlamentarische Rat hatte seinerzeit eine besondere Kommission eingesetzt, um die Angaben der Städte Bonn, Frankfurt, Kassel und Stuttgart, die sich alle um den Sitz der provisorischen Bundeshauptstadt bewarben, zu prüfen. Ich habe den Bericht des Hauptstadtausschusses mit dem Bericht des Parlamentarischen Rates, des Sonderausschusses „Bundestag", und des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz hier vor mir. Nur zur allgemeinen Erheiterung darf ich aus der Anlage 1 „Aufstellung über die Kosten für das Projekt Bundessitz" zwei Bemerkungen verlesen, die damals bei der Entscheidung für Bonn - ich komme darauf noch zurück - bestimmend waren. Da heißt es in bezug auf die Villa Hammerschmidt: „Wird schlüsselfertig" - ich unterstreiche: schlüsselfertig! - „von Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt". Und da heißt es beim Palais Schaumburg - dem Bundeskanzlerpalais -: „Wird schlüsselfertig von Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt". Ansatz an Ausgaben in diesem Technischen Bericht: 0,0. Man hat weiter eruiert, wie hoch die Kosten sein würden. Die Kommission des Parlamentarischen Rates berichtete auf Grund amtlicher Unterlagen am 28. April 1949: Rund 3,8 Millionen DM. ({1}) Davon würden nur 1,9 Millionen DM auf den Bund entfallen. Diese Zahl wurde nun in Konkurrenz gesetzt zu der von Frankfurt berichteten Zahl, die natürlich sehr viel höher, dafür aber auch sehr viel ehrlicher war. Sie betrug 11 Millionen DM, und zwar alle 11 Millionen DM zu Lasten des Bundes. Meine Damen und Herren, in der Antwort der Regierung, die Ihnen heute vorliegt und über die Herr Kollege Hilbert als Berichterstatter bereits gesprochen hat, ist nachgewiesen, daß die Summe, die bisher für Dienstgebäude ausgegeben worden ist, nicht 1,9, nicht 3,8, nicht 11, sondern 124 Millionen DM beträgt. ({2}) Dabei sind in dieser Auskunft der Bundesregierung Angaben enthalten, die nicht unumstritten sind. Um die Verhandlungen nicht zu verzögern, nenne ich nur ein Beispiel. Da wird gesagt, daß 1949 für das Bundeskanzleramt ein Betrag von 985 000 DM veranschlagt worden sei. Aber es existiert ein alter Voranschlag amtlicher Herkunft, in dem es heißt, daß für das Palais Schaumburg 180 000 DM - und nicht 985 000 DM - benötigt würden. Jedoch selbst diese 985 000 DM sind ja noch weit überholt. Die Kosten des Bundeskanzleramts betragen laut amtlicher Übersicht in Wirklichkeit 13 139 100 DM. ({3}) Darunter ist der sehr aufwendige Neubau des Propagandaministeriums, ({4}) offiziell Bundespresseamt genannt. ({5}) - 5 Millionen! - Aber wir haben dankenswerterweise einen um die Finanzen des Bundes sehr besorgten Bundesfinanzminister. Ich habe nicht ohne Interesse gelesen, daß man im Jahre 1949 im Bereich des Bundesfinanzministeriums mit einer Ausgabe für die Rheindorfer Straße von 2 Millionen DM rechnete, und aus dem gedruckten Bericht ersehen, daß die Ausgaben für den Neubau des Bundesfinanzministeriums 11,8 Millionen DM betragen. Nun haben wir - das ist dankenswerterweise von Herrn Kollegen Dr. Vogel und auch von Herrn Kollegen Hilbert hervorgehoben worden - im Haushaltsausschuß keine Differenz in bezug auf Wohnungsbedarf gehabt. Aber es gibt auch da einige recht interessante Zahlen, mit denen man Bonn kreiert hat. 1949 sagte man, man brauche für die Unterbringung der Beamten der Bundesregierung 3386 Wohnungen und 1129 möblierte Zimmer. Damals wurde der für Wohnungsbauzwecke in Bonn im Bereich des Parlamentarischen Rates bereits aufgewandte Betrag mit 8 Millionen DM angegeben, und später sagte man, noch 48,2 Millionen DM seien außerdem für Wohnungsbauzwecke erforderlich; im ganzen also 56,2 Millionen DM. Das war auch billiger als der Anschlag für Frankfurt. In Frankfurt hatte man schon - in der Hauptsache infolge der dort vorhanden gewesenen Wirtschaftsbehörden - 73,7 Millionen DM für Wohnungen aufgewendet und wollte noch aufwenden 13 375 000 DM, ({6}) zusammen also 87 075 000 DM. Diese Zahl, Herr Kollege Conring, stand 1949, als der Bundestag hier entschied, in Konkurrenz zu der Zahl, die für Bonn genannt wurde. Rund 87 Millionen für Frankfurt, rund 56 Millionen für Bonn. Also ist Bonn ja viel billiger! Mit den genannten Summen wären ({7}) erzielt worden 3386 Wohnungen in Bonn und 4651 Wohnungen in Frankfurt. Ihnen allen, meine Damen und Herren, liegt der Schriftliche Bericht der Bundesregierung vor. Danach sind 143 Millionen, also nicht 56 und nicht 87, sondern 143 Millionen DM für Bonn aus Bundesmitteln aufgewandt worden, und es wurden nicht 3386 oder 4600 Wohnungen erstellt, sondern mit den 700, die demnächst begonnen werden sollen, 7700! Das Provisorium Bonn kostet also bis heute an Dienstgebäuden rund 124 Millionen und an Wohnbauten rund 143 Millionen DM, macht nach Adam Riese 267 Millionen DM. Aber, meine Damen und Herren, dem Glücke sind keine Grenzen gesetzt! Unser hochverehrter Herr Bundesverteidigungsminister hat sicherlich schon einmal die Pläne des Verteidigungsministeriums in Washington, des Pentagon, gesehen. Nur aus dieser Plankenntnis ist es erklärlich, daß das Bundesverteidigungsministerium auf einer Anhöhe bei Bonn auch ein eigenes Pentagon haben will, das die bisherigen Ausgaben um die Kleinigkeit von 55 Millionen DM vermehren soll. ({8}) Herr Kollege Dr. Vogel, ich beglückwünsche Sie zu der ausgezeichneten Idee, bei der Projektierung des Pentagon jetzt schon darauf zu achten, daß daraus einmal Studentenwohnungen gemacht werden können. ({9}) Außerdem stehen, wie der Herr Bundesverteidigungsminister gern zu sagen pflegt, im Raume Forderungen auf Errichtung von weiteren 2000 Wohnungen für Beamte, Angestellte und Militärs des Bundesverteidigungsministeriums in Bonn. Wenn Sie die Wohnung mit 20 000 DM berechnen - und das dürfte heute nicht übersetzt sein -, dann wären das weitere 40 Millionen DM. Rechnen Sie die 55 Millionen und die 40 Millionen zu den bisherigen Ausgaben hinzu, dann kommen Sie auf einen Aufwand für die „provisorische Bundeshauptstadt" - meistens fix festgelegt in Beton und Eisenbeton - von 362 Millionen DM. Nun taucht doch immer wieder für jeden die Frage auf: Hätte man das nicht billiger machen können? Das Leben ist schön, aber teuer; man kann es auch billiger haben, dann ist es nicht so schön. Auch wir von der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hohen Hauses wünschen nicht, daß menschenunwürdige Arbeitsräume geschaffen werden. Aber wir kritisieren seit Jahr und Tag mit vollem Recht, daß man hier gebaut hat ohne eigentliche Planung, ohne eigentliche Kenntnis dessen, was man damit ausrichtet, was man damit tut. Und, Herr Kollege Dr. Vogel, die Einsicht, die Sie in Ihrem Antrag jetzt gebracht haben, kommt reichlich spät. Ich weiß noch nicht einmal, ob sie nicht in bezug auf das Pentagon schon zu spät kommt. Denn wir haben ja im Haushalt schon einige Hunderttausend DM für die Planung bewilligt, die sicherlich „unter dem Druck der dringenden Notwendigkeit der Schaffung eines RiesenKriegsministeriums über und unter der Erde" schon recht weit vorgeschritten sein wird. Die Regierung hat sich - ich bitte die Regierung, zu antworten, wenn sie anderer Meinung sein sollte - nicht gefragt, was man als Dauerbauten verantworten kann und wie man sie später verwenden kann. Erst jetzt kommt die führende Regierungspartei auf die Idee, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man das später einmal verwenden kann. Die Regierung hat auch nicht gefragt, was man etwa tun könne, um den Raumbedarf in einem anständigen Provisorium zu befriedigen. Aber die Krönung dessen, was wir bis jetzt hier vor uns sehen, ist die wahnwitzige Idee - die auf Beschlußfassung wartet -, 55 Millionen für ein bei Bonn zu errichtendes Bundesverteidigungsministerium zu bewilligen. In der ausgezeichneten Zeitung „Die Welt" - man muß als Sozialdemokrat auch einmal ein anderes Blatt loben, auch wenn es nicht von der eigenen Couleur ist ({10}) stand am 6. Februar 1956 ein ganz interessanter Artikel. Da sprach man über die Bonner Bundesbauten und erinnerte an ein Wort eines lang dahingegangenen Herrn namens Goebbels, der bei der Übernahme eines Schlosses in Berlin in die Verwaltung des „Dritten Reichs" erklärte: „Hier sind wir und hier bleiben wir!" Ich weiß nicht, ob „Die Welt" mit ihrer stillen Frage, ob man auch in Bonn bleiben will, recht hatte. Herr Kollege Dr. Vogel, das würde sich ausgezeichnet in Ihre Projektion von vorhin einpassen, daß man bedauert, daß Bonn provisorische Bundeshauptstadt geworden ist. ({11}) Das Beharrungsvermögen des Bonner Bundesprovisoriums wird ja praktisch eigentlich durch politische Maßnahmen besonderen Ranges sogar unterstützt und gefördert. Ich brauche nur an den Verlauf aller Bemühungen der Bundesregierung auf dem Gebiete der Wiedervereinigung zu erinnern, an die bedingungslose Westblockpolitik und an die Wehrpolitik, wie sie heute „im Raume steht" und wie sie auf weitere Mittelzuweisung - siehe die heute hier erstmals behandelte Ergänzungsvorlage zum Wehrhaushalt - wartet. Aber alle diese Dinge wären an sich nicht möglich, wenn nicht von einer ganz anderen Seite her noch eine sehr starke Förderung eingesetzt hätte. Ich meine das, was man als die Hypertrophie der Verwaltung bezeichnen kann. Meine Damen und Herren, diese Aufblähung, diese fürchterliche Entwicklung der Zahlen der Bonner Bundesverwaltung ist ohne jeden Zweifel das Ergebnis - wir sehen das gerade jetzt bei unseren Sorgen um die Frage der Reduzierung der Gesetzesvorlagen, die noch in diesem Parlament auf Erledigung harren - eines - ich möchte beinahe sagen - unvergleichlichen Dranges und Hanges zu einem absoluten Perfektionismus: Wir wollen alles so perfekt gestalten, daß wir - ich hätte beinahe ein despektierliches Wort gebraucht - alles bis zum letzten Punkt ganz genau regeln. Nur da, wo zweckmäßigerweise - wie beispielsweise vorhin bei der Auskunft des Herrn Staatssekretärs Hartmann über die Fragen der Entschädigung der Gemeinden - eine perfektionistische Regelung auch in der Bundesgesetzgebung hätte stehen sollen, überläßt man das anderen, Dritten. Wenn aber Herr Dr. Vogel und seine Fraktion nun den Antrag stellen, eine Ausländeruniversität ({12}) unter Umwandlung von Bonner Bürogebäuden in Studentenwohnheime etc. vorzusehen, dann offenbart sich darin eine neue Art von Perfektionismus, die aber eine große Frage berechtigt erscheinen läßt: Wer soll denn die Kosten für diese geplante Universität bezahlen? Der Bund etwa? Wollen Sie aus diesem Grunde das Grundgesetz ändern? Meine Damen und Herren, die Hypertrophie der Verwaltung zeigt sich in einigen ganz interessanten Zahlen. Am 18. Oktober 1949 erklärte der Herr Bundesfinanzminister, daß der Personalbedarf aller Ministerien - ohne das damals noch in Offenbach residierende Verkehrsministerium - 4515 Beamte und 672 Arbeiter betrage, zusammen also 5187 Menschen. Damals wollte der Herr Bundesfinanzminister Schäffer selber mit 386 Beamten in seinem Bundesfinanzministerium auskommen. Lang, lang ist's her! Heute sind es rund 1400 in seinem Ministerium. Und der Haushalt? Nehmen Sie nur zwei Vergleichszahlen: der Haushalt von 1950 hatte eine Endsumme von 16,2 Milliarden DM, der von 1956 hat eine solche von etwas mehr als 30 Milliarden DM. Ich glaube, an diesen nicht zu widerlegenden Zahlen zeigt sich die Notwendigkeit der Lösung der Aufgabe, für die dieses Haus vor kurzem aus drei Ausschüssen einen besonderen Unterausschuß eingesetzt hat, für die Fragen der Verwaltungsvereinfachung. Ich beglückwünsche bei dieser Gelegenheit die CDU-Fraktion ausdrücklich - und darf auf das verweisen, was in der Samstagausgabe der Zeitung „Der Mittag" geschrieben stand - zu der offensichtlich sehr wirkungsvollen, tiefgründigen und segensreichen Tätigkeit des Herrn Kollegen Dr. Bergmeyer, der offensichtlich auf Grund von Briefen, die ihm zugegangen sind, sich bemüht, nennenswerte Maßnahmen auf diesem Gebiet einzuleiten, - ich weiß nicht, in welcher Eigenschaft er auftritt, als Ritter oder als Begleiter aus einer spanischen Geschichte. Wenn wir die Schwierigkeiten überwinden wollen, die heute auf uns lasten, dann müssen wir die Aufgabe einer Verwaltungsreform, einer Vereinfachung der Verwaltung und einer Personaleinsparung, bitter ernst nehmen. Der Zahl, die damals der Herr Bundesfinanzminister angegeben hat - ohne die Beamten des Verkehrsministeriums mit 4 1/2 Tausend Beamten in allen Ministerien auskommen zu können -, steht eine andere Zahl gegenüber, und das ist die von heute. Heute werden in Bonn beschäftigt: 4790 Beamte, 6052 Angestellte, 1657 Arbeiter und 2 Lehrlinge - nun, die machen den Kohl nicht fett -, insgesamt also 12 501 Personen. Davon entfallen auf das Bundesverkehrsministerium 796. Diese Zahl bitte ich in Vergleich zu setzen mit der seinerzeitigen Anforderung von Mitarbeitern 5187 gegen heute rund 11 500 ohne Verkehrsministerium. ({13}) - Ich komme gleich darauf zu sprechen, warten Sie nur! Nun hat der Herr Kollege Dr. Vogel den Antrag seiner Fraktion begründet, den man unter das Stichwort stellen könnte: Was soll aus Bonn einmal werden? Ich weiß ja nicht, ob in manchen Träumen der Gedanke geistert, daß aus Bonn einmal, nicht etwa die deutsche Reichshauptstadt von einst, aber vielleicht einmal die europäische Haupt stadt werden könne. Es gibt so gewisse Anhaltspunkte, die diesen Wunschträumen irgendeine Art von Rechtfertigung geben. ({14}) Aber die Frage ist die: kann der Plan, den Herr Dr. Vogel begründet hat, wirklich helfen? Welche Bonner Bundesbauten, Herr Kollege Dr. Vogel, könnten denn geeignet sein, um als Professoren- und Studentenwohnheime in Frage zu kommen? Ich rede von den Diensträumen, nicht von den Wohnungen. Welche Bonner Bundesbauten eignen sich als Studienplätze? Ich befürchte, daß die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Planung mit Änderungsmöglichkeit entschieden zu spät kommen wird. Nichts gegen einen Ausbau der Universität, nichts gegen eine Ausländeruniversität, nichts gegen eine weitere Technische Hochschule! Eine weitere Technische Hochschule ist ein absolutes Bedürfnis, eine Universität für Ausländer ist eine begrüßenswerte Angelegenheit. Aber - da muß ich jenes alte abgedroschene Lied einmal zitieren -: wer soll das bezahlen? Soll das die Stadt Bonn, soll der Bund oder soll das Land Nordrhein-Westfalen bezahlen, was hier gefordert wird? ({15}) - Vergessen Sie nicht, Herr Kollege Dr. Dresbach, Ihre Gemeinde gleichzeitig mit anzumelden! ({16}) Wenn wir nun aber die Idee, die diesem Antrag einer künftigen Verwendung der Bundeshauptstadt zugrunde liegt, einmal durchdanken, dann stoßen wir auf allerlei Überlegungen und Bedenken. Zunächst noch eine etwas boshafte Bemerkung: Wenn ich bedenke, was das Inland und das Ausland sagt, wenn man aus dem kommenden Pentagon ein Studentenheim für 55 Milionen DM macht, dann kann ich mir vorstellen, wie das ein Hohngelächter auslösen muß, wie ein schöneres die Welt seit dem Hauptmann von Köpenick noch nicht erschüttert hat. Aber Studentenzimmer! Heute werden Zimmer durch Bundesangestellte in rauhem Umfang beansprucht. Wenn Bonn nach Berlin geht, also wenn die Bundeshauptstadt oder Reichshauptstadt Berlin heißt, dann werden diese Zimmer von den Bundesbeamten und Bundesangestellten geräumt, und wenn das Pentagon Studentenheim wird, dann werden auch die dortigen Beamten, soweit sie nicht eigene Wohnungen haben, die gemieteten Zimmer frei machen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal - und das sei in allem Ernst gesagt - die Lage der Bonner Vermieter vor, die am Sitz der traditionsreichen Bonner Universität weitgehend von dem Vermieten von Zimmern leben, wenn diese Konkurrenz des Bundes mit einigen tausend freien Zimmern auftritt! Sie werden nicht ebenso viele Studenten an eine gedachte Technische Hochschule, an eine geplante Ausländer-Universität, an eine ausgebaute Universität Köln-Bonn bringen können, wie Zimmer frei werden. Sie werden dann den Stand der Zimmervermieter auf diese Art der Konkurrenz auf das empfindlichste treffen, und Sie werden außerdem dem Bund, der ja wohl der Eigentümer dieser Gebäude bleiben wird, weil es keinen Nachfolger geben dürfte, sehr erhebliche Umbaukosten aufbürden. ({17}) Was soll aus Bonn werden? Wir haben nicht umsonst einen Stopp der Bonner Bundesbauten gefordert. Das, was die Mehrheit des Haushaltsausschusses hier produziert hat, wird von uns als nichts anderes als ein untaugliches Ausweichmanöver betrachtet. Es ist mit einer Überfülle von Baumaßnahmen den Raumbedürfnissen in Bonn Rechnung getragen worden. Aber zur gleichen Zeit wurden andere Dinge bedauerlich vernachlässigt. Ich greife nur ein Beispiel heraus: die Situation der Bundeshauspresse, der in Bonn akkreditierten Presse. Während man sonst verständlicherweise Baracken ablehnt, haust die in Bonn zugelassene Presse in Barackenräumen. Ich habe mich selbst davon überzeugt: Man kann diesseits der Wand hören, was jenseits der Wand gesprochen wird, und das ist nicht gerade gut. Vielleicht gäbe es einen Ausweg, ohne daß Bonn und der Bund sich noch neue Kosten aufbürden. Vielleicht ließe sich die Möglichkeit schaffen, einer zu gründenden Vereinigung der Bonner Bundeshaus-Journalisten eine Hypothek zur Errichtung eines eigenen Gebäudes zu gewähren, damit die üblen Zustände abgestellt werden. ({18}) - Das ist kein Bundesbau. Aber fragen Sie nur die Herren von der Presse selbst, Herr Kollege! Die Antwort werden Sie gar nicht gern hören. ({19}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß über die Wahl der Stadt Bonn als Bundeshauptstadt und die Auswirkungen dieser Wahl eine Bemerkung machen. Angesichts der steuerlichen Bedeutung und der Einwohnerzahl der Stadt Bonn - gegen diese liebenswerte Stadt soll kein Wort gesagt werden - war es eine Überforderung, Bonn als Bundeshauptstadt zu bestimmen, und diejenigen, die es hier in der Mehrheit getan haben, tragen dafür, auch vor der Geschichte der Stadt Bonn, die volle Verantwortung. Was in Frankfurt ohne Schaden möglich gewesen wäre, was dort hätte verkraftet werden können, wird sich voraussichtlich in Bonn als ein Unglück, als ein Mühlstein am Hals der Stadt Bonn erweisen. ({20}) - Wenn die Bonner einverstanden sind und die Kölner es wollen, wäre vielleicht ein netter Oberbürgermeisterposten dort vakant, Herr Dr. Dresbach. ({21}) Ich darf nur zur Begründung dessen, was ich sage, auf die Einwohnerzahl verweisen. Bonn hatte im Jahre 1949 110 000 Einwohner, heute hat es 140 000. Glauben Sie nicht, meine Damen und Herren, daß die Stadt Frankfurt mit heute 570 000 Einwohnern sehr viel eher in der Lage gewesen wäre, Bundesbauten, die in dem Ausmaß bei weitem nicht notwendig geworden wären, zu verkraften? Meine Damen und Herren, wissen Sie, daß 20 % des Raums von Bonn-Stadt und Bonn-Land, d. h. 1500 ha Gelände, für Gebäude und Straßen - ohne das Pentagon - bis jetzt schon verbraucht worden sind? Damit Sie einen Vergleich haben, darf ich Ihnen sagen: mit dem Hindenburg-Damm auf der Insel Sylt wurden mit Mühe und Not 1200 ha Land dem Meer abgerungen, und hier hat Bonn 1500 ha für Gebäude und Straßen verbraucht. ({22}) Die Stadt Bonn hat ein Gutachten einholen lassen, das die Steuerkraft der Stadt und verschiedener anderer Städte behandelt. Darin wird festgestellt, daß von 38 kreisfreien Städten in Nordrhein-Westfalen 22 mit ihrer Steuermeßkraft erheblich über der Steuermeßkraft von Bonn liegen. Es ist ja nicht nur eine Belastung des Bundes, es ist auch eine sehr spürbare Belastung der Stadt Bonn entstanden, die ihren ganzen Optimismus braucht, um an die Zukunft glauben zu können. Nach den letzten Berichten hat die Stadt Bonn eine Schuldsumme von 58,8 Millionen DM mit einem Schuldendienst von 5,4 Millionen DM auf sich geladen, und weitere Schuldenaufnahmen sind nach amtlicher Mitteilung nur bis zu weiteren 8 Millionen DM möglich. Bonn hat allein für die Unterbringung von Kindern von Bundesbeamten und -angestellten jährlich 1,47 Millionen DM aufzuwenden. Ich glaube, daß daraus sehr wohl eine moralische Verpflichtung des Bundes gegenüber der Stadt Bonn abgeleitet werden kann. Aus all diesen Überlegungen fordern wir den Baustopp. Wir wissen, und Sie wissen so gut wie wir: Einmal kommt der Tag, an dem auch dieses Provisorium zu Ende geht. Und was kommt dann? Dann steht vor Bonn die Gefahr einer wirtschaftlichen Blutleere, die Gefahr, daß sich lange Zeit hindurch für die leergewordenen Räume keine Verwendung findet. Dann steht Bonn vor der Tatsache des Abzugs der Bundesbeamten und Bundesbediensteten, daraus resultierend eines Rückgangs der Wirtschaft, der insbesondere den Einzelhandel treffen muß, und damit verbunden eines Rückgangs der Steuerkraft. Aber die Lasten werden der Stadt Bonn bleiben. Auch darum unsere Forderung: Es darf in Bonn nicht mehr weitergebaut werden gegen Berlin und auch nicht mehr weitergebaut werden gegen wichtige Lebensinteressen von Bonn! Lassen Sie mich meine Ausführungen beenden mit einem Zitat, für das ich der „Bonner Rundschau" ausdrücklich danke. ({23}) - Sie sehen, ich lese auch die „Bonner Rundschau"! ({24}) - Wenn auch Sie etwa die sozialdemokratische Presse hielten, wäre es manchmal für Sie besser! - In der „Bonner Rundschau" vom 20. Januar 1956 steht zu lesen, daß Sekundanerinnen aufgefordert wurden, ihre Meinung zu sagen über die Wahl von Bonn als Bundeshauptstadt. Eine Sekundanerin - ich weiß leider nicht, wie sie heißt; sonst würde ich alles tun, damit sie weiter ausgebildet wird, damit sie ein Stipendium bekommt, denn sie scheint den Verstand am rechten Fleck zu haben ({25}) hat laut „Bonner Rundschau" vom 20. Januar 1956 wörtlich gesagt: ({26}) Man hat unwillkürlich das Gefühl, daß hier der Stadt etwas aufgezwungen ist, zu dem sie nicht berufen war, das sie nicht abschütteln will und auch nicht kann, das ihr aber hoffentlich schon recht bald zugunsten der alten. Reichshauptstadt wieder abgenommen wird. Das ist auch unsere Hoffnung, und aus diesem Grund bitte ich Sie namens meiner Fraktion: Helfen Sie den Weg ebnen durch einen Stopp der Bonner Bundesbauten und im übrigen durch Annahme des Antrags, den wir gestellt haben. ({27})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.

Dr. Heinrich Krone (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001225, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt, glaube ich, Fragen, in denen das ganze deutsche Volk einig ist und in denen auch alle Parteien einig sind. Jedenfalls war das bisher so. Dazu gehören das große Anliegen der deutschen Wiedervereinigung und der Wunsch, daß Berlin die Reichshauptstadt dieses wiedervereinigten Deutschland sein wird. Hier ist eine Äußerung gefallen, die diese Tatsache in Zweifel stellt. ({0}) Ich habe das Protokoll noch nicht lesen können. Ich möchte annehmen, daß diese Äußerung so nicht gemeint ist. Wenn sie so gemeint ist, kann ich nur feststellen, daß das entweder Unwissenheit oder böser Wille ist. Für uns ist nach wie vor die Hauptstadt des Deutschen Reiches Berlin. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Blank.

Dr. Martin Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000193, Fraktion: Freie Volkspartei (FVP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich seinerzeit den Antrag las und dann feststellte, daß diese Angelegenheit heute hier erörtert werden soll, war ich allerdings darauf gefaßt, daß die vor nahezu sieben Jahren entschiedene Frage „Bonn oder Frankfurt?" wieder in der Aussprache vorkommen würde. Daß sie aber einen derart überragenden Anteil haben würde, wie das in den Ausführungen des Kollegen Ritzel der Fall war, kann ich nur bedauern. Denn was nutzt es, sich darüber in dieser Art und Weise jetzt noch den Kopf zu zerbrechen! Die Zahlen von 1949 sind, wie alle Zahlen von 1949, in einer von niemandem erwarteten Weise übertroffen worden. Sie sind alle größer geworden. ({0}) Ich wollte damit eigentlich diesen Punkt zum Abschluß bringen. Vielleicht habe ich die Möglichkeit, Herr Präsident, weiterzusprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter, sprechen Sie ruhig weiter. Der Abgeordnete, der am Rednerpult steht, hat immer ein Plus: er hat den Lautsprecher für sich.

Dr. Martin Blank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000193, Fraktion: Freie Volkspartei (FVP)

Wunderbar, dann werde ich davon Gebrauch machen. ({0}) Ich hatte nur die Absicht, diese etwas kritische Anmerkung zu machen und um der Sachlichkeit willen auf diesen zum Kummer vieler faktisch zu Ende geführten Streit nicht weiter einzugehen. Ich finde, wir tun gut daran, uns mit den Dingen, die uns in der Drucksache zu 2554 unterbreitet worden sind, etwas näher zu beschäftigen. Herr Kollege Ritzel, es war natürlich ein bißchen kühn, das Bundespresse- und Informationsamt als einen Teil des Hauses Schaumburg zu bezeichnen. So kam es nämlich in Ihren Darlegungen heraus. Natürlich stehen beide im gleichen Einzelplan. Aber mit dem Hause Schaumburg hat das Bundespresse- und Informationsamt weder rein räumlich noch architektonisch und sonstwie etwas zu tun. ({1}) - Geistig - das ist nicht unbedingt eine Haushaltsfrage! ({2}) Ich wollte für unsere Freunde von ,der Deutschen Partei und für meine eigenen Freunde erklären, daß wir dem Antrag des Haushaltsausschusses so, wie er hier vorgelegt worden ist, zustimmen. Jede vernünftige Überprüfung und jede neue Überprüfung der unabweisbaren Notwendigkeit zusätzlicher Bauten scheint uns richtig. Ich bin auf der anderen Seite aber auch folgender Meinung. Aus der Zusammenstellung zu Drucksache 2554 geht hervor, daß die Wohnungsbauten ihrem Werte nach die Aufwendungen für die Dienstgebäude ganz wesentlich - um mehrere zehn Millionen DM - übertreffen. Man muß sich einmal darüber klar sein, daß bis zum heutigen Tage Wohnungsbauten in der Bundesrepublik noch nicht gut als Fehlinvestitionen bezeichnet werden können. Man darf sich auch die Übersiedlung - eines hoffentlich nicht fernen glücklichen Tages - nach Berlin nicht als einen Vorgang von heute auf morgen vorstellen. Es mag vielleicht dann für die beiden Universitäten Köln und Bonn schwierig sein, sämtlichen hier geschaffenen Dienstraum auszunutzen. Ich habe meinerseits aber gar keine Besorgnisse, daß man dann nicht andere vernünftige Verwendungszwecke für diese Bauten finden kann. Ich könnte mir zum Beispiel sehr wohl vorstellen, daß in den großen Silos auch Leichtindustrie untergebracht werden kann; dabei ist es um so schöner, daß die Wohnungen für die in diesen Fabriken Tätigen praktisch schon da sind, wenn die Bundesbediensteten ,allmählich nach Berlin ziehen. Ich glaube aber noch auf einen anderen Gesichtspunkt hinweisen zu sollen. Wir stehen jetzt im Ruhrgebiet vor dem besonderen Problem, daß wir keine Räume haben, in denen die Alten und die nicht mehr Arbeitsfähigen untergebracht werden können, es sei denn, sie bleiben in der unmittelbaren Nähe der Betriebsstätte, wo sie früher tätig gewesen sind. Wäre es nicht durchaus denkbar - und ich glaube, man sollte diesen Gedanken verfolgen -, daß Alters- und Sozialrentner aus ohnehin übervölkerten Industriegebieten hier ({3}) verhältnismäßig gute und gutgelegene Wohnungen finden? Ich glaube, daß das, wenn die entsprechenden Förderungsmittel zur Verfügung gestellt würden, durchaus möglich sein müßte. Herr Kollege Ritzel hat die Sekundanerin zitiert. Ich muß sagen: was diese Sekundanerin gesagt hat, klingt, als ob sie das Abiturium schon seit einiger Zeit hinter sich ({4}) oder einen außerordentlich zielbewußten und kapitelfesten Vater hätte, der ihr das rechtzeitig für die „Bonner Rundschau" beigebracht hat. Das macht aber nichts. Ich bin durchaus der Meinung, daß das gar nicht so falsch ist. Ich teile mit dem Kollegen Ritzel sogar die Sorge um das Gemeinwesen Bonn, bin allerdings der Meinung, daß die alte Universitätsstadt und das alte Pensionopolis Bonn so oder so nicht wieder wird entstehen können. Deshalb wollen wir darüber keine Tränen vergießen, sondern uns in dem - ich wiederhole es - hoffentlich nicht fernen Augenblick, in dem die Frage der anderweitigen Verwendung der Bundesbauten in Bonn akut wird, alle Mühe geben, dafür nützliche und glückliche Lösungen zu finden. Ich meine: die Frage Frankfurt oder Bonn ist keine Sekunde unserer parlamentarischen Arbeit mehr wert. ({5})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Keller.

Dr. Wilfried Keller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001080, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der Gesamtdeutsche Block/ BHE hat seit langem in diesem Hause und anderswo eine Einstellung der Bonner Bundesbauten gefordert, die draußen im Volk ja allmählich zu einem Begriff geworden sind, und wenn auch die einzelnen Vorredner dem Problem mit viel Humor zu Leibe gegangen sind, so hat es doch jeder auf seine Art mit dem nötigen Ernst gemeint. Auch wir meinen es ernst. ({0}) - Nein, wir haben sie - das wissen Sie genau - seit langem nicht mehr mit bewilligt. ({1}) - Schon bevor wir in die Opposition gegangen sind; und das war nicht immer ganz einfach. ({2}) Ich wollte sagen: man soll doch noch einmal die Entscheidung zwischen Frankfurt und Bonn zitieren, weil der damalige Beschluß auch kein Ruhmesblatt in der deutschen Nachkriegsgeschichte darstellt und ihm die bekannte Wochenzeitung „Spiegel" ja auch zu einem großen Teil ihre Entwicklung und ihren Aufschwung zu verdanken hat. Sie werden alle wissen, was ich damit meine. Ich glaube, man muß nicht einmal diese Drucksache so genau in ihren Einzelheiten durchsehen, um zu wissen, was an Fernsprechleitungen, an den verschiedensten Einrichtungen und Zusatzanstalten, an Stockwerken und an Fenstern gebaut worden ist; man braucht nur einmal in diesen Jahren - jeder auf seine Art und nach seiner Möglichkeit - durch Bonn gegangen zu sein! Dann hat man gesehen, daß hier etwas herausgewachsen ist, was in diesem Umfang offenbar nicht notwendig gewesen ist. Ich glaube, daß sich zumindest im stillen Herzkämmerlein einem jeden von uns dieser Eindruck irgendwie aufdrängt, ob wir das heute hier offen zugeben oder nicht. ({3}) Je nach der Mentalität ist die Einstellung zu diesen Dingen die gewesen: Man kann es in Bonn so oder so aushalten: in dem Gefühl oder Bewußtsein, um einer größeren Idee willen möglichst bald von hier weg zu müssen, oder man kann es hier mehr oder weniger geduldig oder mehr oder weniger gern lange, auch sehr lange, aushalten. Das ist es, was uns bei diesen Bauten so sehr bedrückt. Erst in späteren Jahren oder Jahrzehnten wird einmal das endgültige Urteil darüber gesprochen werden, wie weitgehend die Versäumnisse auf dem Wege zu einer Wiedervereinigung gewesen sind, und ich muß hinzufügen - man muß das dazu sagen, um nicht gleich wieder diffamiert zu werden -: selbstverständlich zu einer Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit. Aber ich entsinne mich sehr genau einer Zeit vor und nach Wahlkampftagen, wo von höchster Stelle des Staates ein sehr zukunftsfreudiger Eindruck erweckt wurde. So waren doch etwa die Worte: Wir werden in Bälde wieder vereint sein. Wenn man es damit sehr ernst gemeint hätte oder so ernst, wie wir es wollen, dann hätte man in der damaligen Zeit zumindest einen Stopp oder eine Verlangsamung der Bauten einführen sollen, die leider nicht festzustellen waren. Auch in diese Zeit fallen die Planung, der Beginn oder der Neuaufbau vieler weiterer Vorhaben. Vielleicht hätte man in einer Sache, die nun leider so liegt, heute nicht einmal von allen Seiten und Fraktionen etwas sagen müssen und sollen, wenn nicht dieser neue Antrag Drucksache 2716 auf der politischen Bühne erschienen wäre. Kollege Dr. Vogel, der den Antrag als erster unterzeichnet hat, hat einmal zu seinem eigenen Kollegen Dr. Bergmeyer gesagt, als es um die etwas vereinfachende Auffassung des Kollegen Bergmeyer von der Verwaltungsvereinfachung ging: Selten ist eine gute Sache mit so schlechten Argumenten begründet worden! Deswegen darf ich mir das Recht nehmen, dem sonst sehr verehrten Herrn Dr. Vogel von meiner Seite aus zu sagen: Selten ist eine so problematische Sache mit einem guten Namen wie dem Ihren und dem des Kollegen Rösing unterzeichnet worden! Auch ich kenne die Cité Universitaire in Paris; das ist doch ganz etwas anderes! Man stelle sich einmal in Wirklichkeit vor, wie hier nun plötzlich - frei nach den bisherigen Abgeordneten- „Silos" - Professoren- „Silos" entstehen sollen oder wie mitten in Bonn und um Bonn ohne jede Standortprüfung und Standortmöglichkeit Industrien sich entwickeln sollen! Das sind doch Dinge, die etwas weit hergeholt sind. Ich möchte ganz offen sagen: ich verstehe den Antrag, wenn ich zwei Drucksachen und ihr Datum einander gegenüberhalte: den Bericht des Ausschusses auf Drucksache 2554 vom 25. Juni dieses Jahres und Ihren Antrag vom 27. September dieses Jahres. Diese Initiative kommt sehr spät. ({4}) Man ist geneigt - nehmen Sie es mir nicht übel -, zu meinen, es sei ein Ausdruck - nun, nicht des bösen, aber des schlechten Gewissens, das in diesen Fragen irgendwie mitschlägt, ({5}) ({6}) es sei ein Ausdruck des Versuchs, nachträglich wiedergutmachen zu wollen, was vorher versäumt worden ist. Wir alle hätten diesem Antrag sehr gern zugestimmt, wenn er seinerzeit gekommen wäre. Ich glaube, daß es an klugen Köpfen in Ihrer Fraktion sicherlich nicht gefehlt hat, sich auch schon seinerzeit der Problematik einer solchen Versteinerung des Provisoriums bewußt zu werden. Damals ist dieser Antrag nicht gestellt worden. Sie sprechen selber in einer sehr geschickten, aber verschämten Formulierung von den „dafür geeigneten Bonner Bundesbauten". Wie viele, lieber Kollege Vogel, werden das sein? Sie haben dieses Wort nicht umsonst hineingeschrieben. ({7}) - Jawohl, das wird sich herausstellen; das glaube ich auch. - Sie haben nicht umsonst hineingeschrieben, daß die „dafür geeigneten Bonner Bundesbauten" diesen verschiedenen, zum Teil, wie wir meinen, sehr illusionären Zwecken zugeführt werden sollen. Deswegen müssen wir sagen: du kommst zu spät; du rettest den Freund wahrscheinlich leider nicht mehr! ({8}) Ich möchte meinen, hier kommt eine an sich gutgemeinte und um viele Jahre früher notwendige Initiative, nachdem das Kind der Bundesregierung in den Brunnen - vielleicht könnte man auch sagen: nachdem das Kind in den Brunnen der Bundesregierung gefallen ist! ({9})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).

Hans Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001323, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der sozialdemokratischen Fraktion dankbar gewesen, daß sie im Dezember vorigen Jahres den Antrag auf Erhellung der Kosten für die Bundesbauten gestellt hat. Wir sind nun der Bundesregierung dankbar, daß sie in einer sehr minutiösen Weise diese Darstellung gegeben hat. So wünscht, glaube ich, das Parlament von seiner Regierung unterrichtet zu werden. Wir wissen nun: der Aufbau in Bonn, Dienstgebäude und Wohnungen, hat rund eine Viertelmilliarde DM gekostet - ungefähr so viel wie das britische Hauptquartier in Mönchen-Gladbach, das aus Besatzungskosten bezahlt worden ist. Diese Relation zeigt, wie schwierig es ist, diese Dinge rein vom Finanziellen her zu sehen. ({0}) Der Streit Bonn -Frankfurt ist natürlich verdeckt der Streit um eine Politik der Bundesregierung. Wir sollten, glaube ich, das offen bekennen. Damals hat sich Bonn aus verschiedenen Gründen angeboten. Hier waren Kasernen frei, und diese Kasernen haben am Anfang die Arbeit der Bundesregierung sicher erleichtert. Man muß schließlich auch darauf sehen, daß ein Staat funktionsfähig ist, daß es möglich ist, die notwendigen Behörden unterzubringen, damit überhaupt regiert werden kann. Ich glaube, das sollten wir nicht bestreiten wollen. Was man der Bundesregierung vielleicht oder wirklich zum Vorwurf machen kann, ist, daß sie in dem Gefühl, gegen Berlin eine Sünde zu begehen, in Bonn regiert hat. Sie hat sich nicht offen dazu bekannt, daß sie vom Schicksal beziehungsweise durch eine Abstimmung ausersehen wurde, in Bonn regieren zu müssen, daß sie dann zwangsläufig dank und infolge der wachsenden Bedeutung der Bundesrepublik überhaupt hier Verwaltungszentren bauen mußte, die als Folge einer bestimmten Politik, die von einem großen Teil dieses Hauses getragen war, erstellt worden sind. Man kann ihr den Vorwurf machen, daß sie, wie man im Schwäbischen sagt, diese Dinge „hehlingen" gebaut hat, daß sie von Stück zu Stück, von der Hand in den Mund lebte und daß sie nicht eine Konzeption im Hinblick auf das Provisorium, auf den Übergangscharakter Bonns entwickelt hat. Es ist keine Frage - das wird man sagen können-, daß diese 250 Millionen Mark nicht so hätten verbaut werden müssen, wie sie verbaut worden sind. Es bleibt ganz zweifellos ein großes Unbehagen über diese Bundesbauten, die nun verzettelt und in vielen einzelnen Winkelbauten in Bonn zerstreut sind. Hier ergibt sich eine schwierige Aufgabe. Bei aller Anerkennung Ihres Vorschlages, Herr Dr. Vogel, der in irgendeiner Form, wie mir gesagt wurde, auch von unserer Fraktion schon einmal geäußert worden ist: das Problem als solches werden wir dadurch natürlich nicht lösen. Ich weiß auch nicht, ob es sinnvoll wäre, zu sagen, man solle einmal die Bundesbehörden hierlassen. Schließlich gehören sie an den Sitz der Bundesregierung. Ich weiß nicht, wieweit es möglich sein wird, supranationale Behörden nach Bonn zu ziehen. Jedenfalls können wir über die veränderte Welt, die einmal sein wird, wenn die Bundeshauptstadt wieder Berlin heißt, heute noch nichts Endgültiges sagen. Aber ich kann Ihnen nicht ganz zustimmen, Herr Kollege Ritzel, wenn Sie den provisorischen Charakter Bonns als Bundeshauptstadt bestreiten. Auf Schritt und Tritt können Sie doch hier von jedermann, der mit Bundesministerien zu tun hat, hören, wie unerquicklich die Situation Bonns als Hauptstadt ist. Eine Hauptstadt gehört in eine Großstadt mit all ihren Institutionen. Wir haben hier weder eine führende Oper noch ein führendes Schauspiel. Wir haben zwar dank der Unterstützung durch den Bund sehr gute Konzerte. Wir haben hier keine großen Redaktionen, wir haben keine Wirtschaftsverwaltungen. Es fehlen alle Elemente, die zu einer wirklichen Hauptstadt gehören. ({1}) Infolgedessen muß es jedem einzelnen von uns klar sein, daß das Provisorium Bonn wirklich nur ein Übergang sein kann. Es ist, zugegeben, ein Stück unbewältigter Gegenwart. Es ist, selbst mit den großen Mitteln, die in diese Stadt, in dieses Gelände zwischen Köln und Mehlem hineingesteckt wurden, nicht geglückt, wirklich etwas zu schaffen, was wir guten Gewissens wieder verlassen können. Aber eins sollten wir nicht vergessen und es Bonn in irgendeiner Form danken. Ich weiß nicht, wie weit die Absprachen mit der Stadt Bonn oder mit dem Land Nordrhein-Westfalen beim Aufbau dieser ({2}) Stadt gegangen sind. Ich weiß, daß wir ein Erbe hinterlassen werden, das den Stadtkämmerern von Bonn schwere Sorgen machen wird. Aber es war eine Brücke, eine Brücke in eine andere Zeit, die wir kommen sehen. Wir sollten lieber von dieser Brücke nach Berlin sprechen als von dem Provisorium. Niemand von uns wird heute daran zweifeln, daß die Hauptstadt Deutschlands Berlin ist. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Ausführungen, die Herr Kollege Ritzel gemacht hat - Sie müssen jetzt schon verzeihen, wenn ich Sie genauso persönlich apostrophiere, wie Sie das vorhin mit mir für notwendig gehalten haben -, waren ein etwas trüber Rückfall in jene Zeit vor- 1949, als junge Leute, die sich journalistisch ihre Sporen zu verdienen glaubten, behaupteten, die Säureballons draußen, in denen ein paar Blumen gestanden hatten, seien Kristallvasen. Das war damals jene Atmosphäre, die auch auf das Ansehen dieses Hohen Hauses zurückgeschlagen hat. Ich glaube, wir wollen bestimmte Dinge nicht wieder aufrühren. Ich gehöre zu den wenigen Abgeordneten, die nicht für Bonn gestimmt haben, und ich kann mir daher das Recht nehmen, auch etwas dazu zu sagen. Wir wollen einmal folgenden Vergleich ziehen. Es wird gesagt, 1949 seien 5000 Beamte vorgesehen worden und heute seien es 12100. Ja, meine Damen und Herren, damals hatten wir 14 Millionen Beschäftigte, und heute haben wir dank unserer Wirtschaftspolitik über 18 Millionen Beschäftigte in Deutschland, und wir haben doch in der Zwischenzeit einiges hingestellt, worauf wir alle stolz sein können. Dann sollte man nicht immer zurückgreifen und hier am Beispiel der Bundesverwaltung etwas demonstrieren wollen, was Sie z. B. bei der hessischen oder einer sonstigen Länderverwaltung auch nur vergleichsweise heranzuziehen nicht wagen würden. ({0}) Denn dort würde sich genau dieselbe Steigerung hinsichtlich der Zahl der Bediensteten ergeben, wie sie sich beim Bund ergeben hat. Ich kenne genug ausländische Verwaltungssachverständige, die in etwa gleich großen Ländern tätig sind und die baß erstaunt gewesen sind, als sie erfahren haben, daß wir so wenig Beamte und Angestellte haben. ({1}) - Ich kann das sagen, weil ich ganz anders als der Kollege Ritzel Anträge auf Verminderung von Beamtenstellen gestellt habe und nicht wie er beim Bundesverkehrsministerium und woanders blindlings zugestimmt habe, wenn es darum ging, hier bestimmte Leute und bestimmte Haushalte zu beurteilen; wir wollen das einmal ganz offen sagen! Also, wer mit der Bewilligung von Beamtenstellen im Glashaus sitzt, soll sich nachher nicht hier herstellen und das Gegenteil behaupten. ({2}) Ich möchte an folgende Erinnerung anknüpfen. Als die Bundesrepublik kreiert wurde und als wir das Zwischenstadium des Wirtschaftsrates in Frankfurt beenden durften - ein für uns alle nicht sehr erfreuliches Stadium -, hatten wir, wie sich sehr viele von Ihnen noch erinnern werden, einen riesigen Stab von Leuten aus der Wirtschaftsbehörde von Minden nach Höchst mitgenommen, die damals noch die Kartenwirtschaft und alle die Zubehörteile einer Rationierungswirtschaft zu beaufsichtigen hatten. Ich glaube, wir sind alle miteinander stolz und froh, daß wir diesen Riesenapparat nicht weiter mitzuschleppen brauchten und damals Tausende von Leuten entlassen konnten. Das mag für die Betreffenden damals schmerzlich gewesen sein. Aber auch hier wollen wir nicht ganz vergessen, was seit 1949 passiert ist. Nun noch ein paar andere Sachen, die hierher gehören, wenn man schon mit Zahlen aufwartet. Herr Kollege Ritzel, was ist denn in Deutschland heute einfacher, als Vergleichszahlen für Bauten aufzuführen? Sollen wir Ihnen sagen, was das Rundfunkhaus in Köln gekostet hat? 25 Millionen allein für diesen Bau! Und denken Sie an die Aufwendungen, die die Einführung des Fernsehens die deutschen Rundfunkanstalten gekostet hat! Die Bundespost hat 34 Millionen allein für die Richtstrahler mit aufgewendet. Das sind Summen, die insgesamt überhaupt in gar keinem Vergleich stehen zu den 93 Millionen, die immerhin für die Schaffung der Unterkünfte einer ganzen Bundesverwaltung aufgewendet worden sind. ({3}) - Entschuldigen Sie! Das Fernsehen bringt was ein? Wenn Sie das Defizit zu tragen hätten, das das Fernsehen heute aufweist: Gnade Ihnen Gott! ({4}) - Das Provisorium, Herr Kollege, wird auch noch lange dauern; haben Sie keine Sorge! Hoffentlich erleben wir beide es, daß man da aus den roten Zahlen herauskommt. Dann ist hier gesagt worden, wir hätten hier in Bonn an der Errichtung von Bundesbauten aufwendig mitgewirkt. Ich möchte zunächst einmal festgestellt haben, daß in Bonn pro Kubikmeter umbauten Raumes nicht teurer gebaut worden ist als in irgendeiner anderen Landeshauptstadt in Deutschland. Das sollte völlig klargestellt sein. Ich möchte noch ein Zweites klarstellen. Es besteht bei dem Vergleich zwischen Frankfurt und Bonn kein Zweifel zwischen uns darüber, daß eine Großstadt wie Frankfurt bestimmte Erleichterungen eher hätte bieten können als Bonn. Das ist selbstverständlich. Aber Frankfurt hätte in der Unterbringung der wachsenden Ministerien und der obersten Bundesbehörden vor genau dem gleichen Problem gestanden wie Bonn. ({5}) Und jede andere Stadt, z. B. Stuttgart, das auch einmal hier im Vergleich gestanden hat, hätte das auch zu bewältigen und hätte auch daran zu knabbern gehabt. Nun zu der Sorge, die mit einem Mal über die Vergabe der Wohnungen aufgetaucht ist. Ich möchte nur folgendes feststellen. In Bonn gibt es jetzt noch 8000 Wohnungsuchende. Was Köln anlangt, gibt es, soviel ich weiß - man kann mich berichtigen, wenn ich nicht die letzten Ziffern habe -, zwischen 70 000 und 100 000 Leute, die bis heute nicht nach Köln zurückkehren konnten. Es besteht überhaupt keine Schwierigkeit, diese Leute ({6}) im Falle einer Wiedervereinigung einmal hier unterzubringen. Ich glaube, das Problem der Errichtung von Wohnbauten in Bonn sollte überhaupt aus der Diskussion völlig ausgeschaltet werden. Einige von Ihnen und einige von uns waren jetzt anläßlich des Lufthansa-Flugs in Brasilien. Sie lesen jetzt in den Zeitungen, daß sich ein Land wie Brasilien anschickt, seine Hauptstadt von heute auf morgen in das Innere des Landes nach Goyas zu verlegen. Ich glaube, die Leute dort würden nur ein Kopfschütteln für die Sorge übrighaben, die Sie hier im Zusammenhang mit dem Bonner Problem aufgeworfen haben. ({7}) Ich glaube, daß sich hier viele Dinge einfach als das herausstellen, Herr Kollege Ritzel, was sie eigentlich sind. Hier soll nämlich ein netter kleiner Wahlschlager aufgetischt werden. Sie haben das ja auch am Schluß hinreichend unterstrichen. ({8}) Und ich fand die Art, wie Sie das getan haben, sehr reizend. Nachdem Sie sich nun die Mühe gegeben hatten, für einen Stopp der Bonner Bundesbauten einzutreten, schlossen Sie freundlicherweise mit der Aufforderung, einen neuen Bau anzufangen, natürlich nicht für uns, sondern für die liebe Presse, mit dem frommen Augenaufschlag auf die Tribüne hinauf: Segnet uns und unser Vorhaben; denn wir sind j a bereit, für euch einen neuen Bau hinzustellen. ({9}) - Bitte, Sie sind mit uns genauso verfahren; wir wollen Ihnen nur dieselbe Antwort erteilen auf Ihr Vorhaben, uns Dinge zu unterstellen, die niemals unsere Absicht waren. Sie gehen auch hier mit Dingen hausieren, von denen Sie selber sehr genau wissen, daß sie sehr wurmstichig sind. ({10}) Nun lassen Sie mich einmal in aller Ruhe noch mit ein paar Worten auf das zurückkommen, was hier zu unserem Plan der Zweckbestimmung dieser Bauten als Studentenwohnheime gesagt worden ist. Ich bin nur über eins erstaunt. Man hat, Herr Dr. Keller, Hunderttausende, Millionen von Flüchtlingsfamilien in Kasernen und woandershin eingewiesen, und nun zweifeln Sie mit einem Male genauso wie Kollege Ritzel daran, daß es möglich sein sollte, Hunderte von Studenten hier in das Hochhaus hineinzubringen, in diese großen Räume, die mit Riesenküchen ausgestattet sind, die Restaurationsräume und Konferenzsäle haben. Hier sind Möglichkeiten geboten. Studenten sind in viel schlechteren Heimen von Universitäten untergebracht worden. Ich glaube, der Vater des Gedankens war, hier mit Gewalt etwas schlecht zu machen, wovon Sie, Herr Dr. Keller, im Grunde selbst überzeugt sind, daß es durchführbar ist. ({11}) Es gibt natürlich noch eine Reihe anderer Möglichkeiten. Herr Kollege Dr. Blank sprach von der Unterbringung von Leichtindustrien. Wenn man später die Möglichkeit haben sollte, in den Kasernenbauten draußen Leichtindustrien unterzubringen, so wünsche ich es Bonn; aber zunächst, glaube ich, haben sie sich schon vergeblich bemüht, das zu tun, bevor wir hier eingezogen waren. Eines will ich am Schluß noch einmal festhalten. Wir können für uns in Anspruch nehmen, daß alle hier errichteten Bauten nicht übermäßig luxuriös ausgeführt worden sind. Sie sind durchaus vernünftig gebaut worden, wenn sie auch nicht, sagen wir einmal, meinem persönlichen Schönheitsideal entsprochen haben; denn ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, daß ich das Auswärtige Amt für einen der langweiligsten Bauten halte, die wir in letzter Zeit auch von Bundes wegen erstellt haben. Aber wir dürfen dabei eins nicht vergessen: Wir haben außerhalb von Bonn eine ganz große Zahl von Bauten errichtet, deren Bausumme zusammen weitaus größer ist als die Summe der Bundesbauten hier in Bonn. Denken Sie doch bitte nur an das Patentamt in München mit annähernd 25 Millionen DM, an das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mit 14 oder 15 Millionen, an den Bundeswetterdienst in Offenbach und auch an so viele andere Bauten, die wir neuerdings in Berlin errichtet haben, um der Berliner Bauindustrie einen notwendigen Auftrieb zu geben. Wir müssen diese Dinge alle im Zusammenhang sehen. Und wenn Sie sie in diesem Zusammenhang sehen und die Idee, die wir vorgetragen haben, einmal wirklich auf ihre Durchführbarkeit hin prüfen, dann werden Sie finden, Herr Kollege Dr. Keller, daß wir damit nicht zu spät gekommen sind; denn ich habe sie bereits im Juni dieses Jahres bei der Behandlung dieser Frage in die Debatte geworfen. Das ist auch bereits vom Herrn Berichterstatter mitgeteilt worden. Der Vorwurf, den Sie mir da gemacht haben, ich hätte eine Retourkutsche gefahren, zieht also nicht. ({12})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Krone hat vorhin Veranlassung genommen, etwas anzuzweifeln oder irgend etwas hinter einer Bemerkung zu suchen, die ich gemacht habe. Ich bin selbst noch nicht im Besitz des stenographischen Protokolls, erkläre aber jetzt schon, daß ich zu dem stehe, was ich gesagt habe. ({0}) Zweitens. Herr Kollege Dr. Vogel sah in meinen Ausführungen einen trüben Rückfall in gewisse Methoden der Presse von 1949. Herr Kollege Dr. Vogel, dann will ich noch mehr rückfällig werden und darf vielleicht Ihr Gedächtnis etwas strapazieren, indem ich Sie bitte, als Begründung für meine Darlegungen einen Vorgang in der Fraktion der CDU/CSU zu nehmen, wo Ihr Herr Fraktionsvorsitzender nach einer Mitteilung eines Teilnehmers, eines Kollegen von Ihnen, vor der Wahl von Bonn als Bundeshauptstadt erklärt hat, daß im Höchstfall nur Kosten von 3,5 bis 5 Millionen DM in Betracht kämen. Nicht kann ich den Darlegungen des Herrn Kollegen Dr. Vogel folgen, wenn er meint, daß eine Begründung für die ungeheure Zunahme der Zahl der Bonner Bundesbeamten in der Zunahme der Zahl der Beschäftigten von 14 auf 18 Millionen zu sehen sei. Ja, ist es denn vielleicht notwendig, daß wir jedem weiterhin Beschäftigten noch Beamte ({1}) zur Verfügung stellen als Betreuer, als Hebammen oder als was sonst?! Darin liegt doch überhaupt keine Logik mehr! ({2}) Sehr bedauert habe ich Ihre Bemerkung, ich folgte als Berichterstatter des Haushalts des Bundesverkehrsministeriums blindlings den dortigen Personalwünschen. Wenn Sie an den Vorberatungen beteiligt gewesen wären, hätten Sie nicht den Mut gehabt, etwas Derartiges zu sagen. Ich verzichte darauf, Herr Kollege Dr. Vogel, aus den Protokollen des Haushaltsausschusses etwas zu zitieren, womit ich Ihnen nachweisen kann, daß das, was Sie mir fälschlicherweise unterstellen, von Ihnen im Falle eines anderen Haushalts sehr ausgiebig und sehr wachsweich geübt worden ist. Nun aber zu der Frage der Kosten, die Sie hier doch irgendwie verteidigen. Ich habe von aufwendigen Bauten in bezug auf das Presse- und Informationsamt gesprochen. Ich glaube nicht, daß Sie bereit sein werden, zu bestreiten, daß für ein Presse- und Informationsamt in diesem Ausmaß überhaupt kein Bedarf und für einen Bau von 5 Millionen DM Kasten erst recht kein Bedarf ist. Sie decken schließlich mit dem, was hier nun nachgewiesen ist, auch das, was Sie noch weiterhin zu tun bereit sein werden, nämlich eine weitere Kostensteigerung zugunsten der Verteidigung, und Sie decken auch den hier am Platze völlig überflüssigen Bau eines Bundespostministeriums, der 30 Millionen DM gekostet hat. ({3}) - Nein, aber das Bundespostministerium, Herr Kollege Vogel, ist ein Bau aus öffentlichen Mitteln, wenn sie auch nicht durch den Bundeshaushalt gehen, - wie ich sage: leider! ({4}) Gar keine Differenz ist aufgekommen - das möchte ich ausdrücklich klarstellen - in bezug auf die Beurteilung von Wohnbauten. Ich habe auch mit keinem Wort gesagt, daß die Wohnungen, die hier einmal frei werden sollten, nicht wieder besetzt werden können. Nur habe ich mich gegen Ihre Idee gewandt, die in dem von Ihnen gezeichneten und kreierten Plan liegt, der die Bonner Bundesbauten für Universitätszwecke verwendet wissen möchte. Das Beispiel Brasilien zieht schon gar nicht. Brasilien ist ein Land für sich, und vor allem, wenn Brasilien das tut, was es nach Ihrer Mitteitung tun will, so kann es das tun. Außerdem hat Brasilien nicht zwei Weltkriege verloren. Dann Ihre Bemerkung in bezug auf den Vorschlag, den ich mir zu machen erlaubte, dem Raumelend der bundeshauptstädtischen Presse durch die Gewährung eines Darlehns zur Errichtung eines Hauses, das der Presse gehören soll, zu begegnen! Diesen Vorschlag mit dem Hinweis „mit einem frommen Augenaufschlag zur Presse" auszustaffieren, - Herr Kollege Vogel, in die Idealkonkurrenz kann ich nicht eintreten. Ich verfüge nicht über den frommen Augenaufschlag, den Sie mir hier unterstellen. ({5}) Abschließend noch eins! Sie haben dann die Kosten für weitere Bundesbauten in anderen Städten zitiert. Sie haben vergessen, Herr Kollege Vogel, sich an die Tatsache zu erinnern, daß es hier um die Kritik an Bonner Bundesbauten geht, die in einer provisorischen Hauptstadt errichtet werden. Das Patentamt in München oder das Amt in Wiesbaden oder wo sonst sind und bleiben dort, wo sie sind, und sollen auch in einem künftig wiedervereinigten Deutschland bleiben, wo sie sind. Hier geht es um die Kritik, die geübt wird und geübt werden muß angesichts der Tatsache, daß Hunderte von Millionen in einem Raum investiert werden, der nur als Provisorium für eine Bundeshauptstadt gedacht ist. Damit werden Tatsachen geschaffen, die eines Tages - ob man will oder nicht - hindernd im Wege stehen werden, wenn endlich einmal der Umzug nach Berlin fällig sein wird. ({6})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Niederalt.

Alois Niederalt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur der Verlauf der Debatte veranlaßt mich, zu diesem Thema auch das Wort zu ergreifen. Ich möchte mit einem Wort von Herrn Professor Dr. Gülich, der von mir bekanntlich sehr geschätzt wird, beginnen. Er hat vor einigen Monaten von dieser Tribüne aus einmal gesagt, daß er das Wort „Da ist wieder etwas über die Bühne gegangen" so sehr verabscheue. Ich habe ihm darauf Beifall geklatscht. Meine Damen und Herren, das, was der Herr Kollege Ritzel heute vorgetragen hat, ist tatsächlich „über die Bühne gegangen", ({0}) und das ist nach meiner Auffassung - ich möchte das einmal ganz klar und deutlich sagen - der Bundestagstribüne nicht würdig. ({1}) - Herr Kollege Schoettle, was ich behaupte, werde ich auch zu begründen versuchen. ({2}) - Ich habe geglaubt, Sie hätten einen Zwischenruf gemacht. ({3}) - Sehr schön. ({4}) Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können die ganze Debatte auf ein paar vernünftige, sachliche Sätze zurückführen. Erstens - das scheint mir am wichtigsten zu sein - müssen wir doch alle davon ausgehen, daß eine Verwaltungsarbeit auch in einem Provisorium Raum beansprucht. Das ist die erste Grundtatsache. Ich verweise nicht auf die soziale Seite, die dieses Problem hat. Ich unterstelle niemand - auch Ihnen nicht, Herr Kollege Ritzel -, nicht genug soziales Gefühl zu haben. Aber gehen Sie bitte die Räume hier in Bonn durch, jedes Ressort, jedes Ministerium - gleichgültig, welches -, und stellen Sie fest, ob etwa dort Raumverschwendung getrieben worden ist! Stellen Sie die Belegungsdichte fest! Dann werden Sie diese Frage mit einem anderen Blick behandeln. ({5}) Als zweites müssen wir immer wieder festhalten: Die Bauten - die mir persönlich ganz und gar unlieb sind, das möchte ich auch ganz deutlich sagen - sind sekundäre Zwangsmaßnahmen, zwangsläufige Folgen der Planstellen. Damit komme ich auf das Thema Verwaltungsvereinfachung, das ja in diesem Hause schon wiederholt strapaziert worden ist. Eine Gewissensfrage an Sie, Herr Kollege Ritzel: ist es nicht so, daß wir bei den jährlichen Haushaltsberatungen die Vermehrung von Planstellen manchmal sehr unterschiedlich beurteilt haben? Müssen Sie nicht selber zugeben, Herr Kollege Ritzel, daß es wiederholt von Ihrer Fraktion - aus löblichen Gründen - mehr Stimmen für die Planstellenvermehrung gegeben hat als von uns, der Regierungspartei? Ich verurteile das nicht, ich nehme dazu in sachlicher Hinsicht nicht Stellung; Sie mögen Ihre guten Gründe dafür gehabt haben. Aber ich stelle es in diesem Zusammenhang hier fest. Man kann nicht auf der einen Seite Planstellen genehmigen und es auf der anderen Seite ablehnen, daß die notwendigen Bürobauten errichtet werden. Man würde sonst die Beamten zwingen, im Freien oder in Zelten zu arbeiten. ({6}) - Beschlossen haben wir den Etat. Eine Vorfrage: Wer hat denn den Etat vorbereitet? Das ist der Haushaltsausschuß, und wir arbeiten im Haushaltsausschuß wirklich unter sachlichen Gesichtspunkten. Ich nehme es niemandem übel, wenn er für oder gegen eine Maßnahme stimmt. Deshalb nehme ich es auch dem Herrn Kollegen Ritzel nicht übel, wenn er manchmal für die eine oder andere Planstelle gestimmt hat, wo ich beispielsweise dagegen gestimmt habe. Das sind sachliche Gründe, die werden anerkannt. Ich will nur feststellen, daß die Bauten Folgemaßnahmen sind. Diese Tatsache muß man doch klar und deutlich sehen. Nun noch einen weiteren Punkt, meine Damen und Herren von der SPD! In der Drucksache 1897 scheint mir am wichtigsten - der Zweck der ganzen Übung - der letzte Satz zu sein, der lautet: „Die weitere Anforderung von Mitteln für Bürobauten ist zu unterlassen." Meine Damen und Herren, ich fürchte - und die Ausführungen des Herrn Kollegen Ritzel haben das in etwa wenigstens auch gezeigt -, daß man damit unseren Verteidigungsbeitrag treffen will. Man will Bürobauten generell verbieten, um damit auch das Verteidigungsministerium und alle damit zusammenhängenden Bauten zu treffen bzw. zu verhindern. Seien wir ehrlich: wenn das gewollt ist - und ich fürchte, es ist gewollt -, dann ist das ein Streich, der den vielen Streichen der Bürger von Schilda ebenbürtig ist. Man kann nicht über den Weg der sogenannten Verwaltungsvereinfachung eine so hochpolitische Entscheidung treffen; das geht nun doch nicht. ({7}) Noch ein letztes Wort! Wir müssen uns über eines klar sein: jedes Provisorium kostet Geld, jedes Provisorium kostet überflüssiges Geld; das steckt in dem Wesen des Provisoriums. Das Provisorium Bonn kostet Geld, und das Provisorium Frankfurt hätte auch Geld gekostet, genau so viel! ({8}) Wir sollten uns alle darin einig sein und die vom Standpunkt des Haushaltsausschusses aus gesehen unerfreulichen Kosten dieses Provisoriums trotz allem hinnehmen, wenn wir nur bald den Tag erlebten, an dem wir dieses Provisorium nicht mehr unterhalten müssen und von dem an wir dann im Haushaltsausschuß und im Plenum vernünftig auf Sicht planen können, so daß wir nicht von dem Gedanken gequält werden: Was wird, wenn -? Denn daß der Plan Vogel, wie ihn Herr Kollege Ritzel genannt hat, auch seine Problematik in sich schließt, ist ganz klar. Er ist doch auch nur ein Behelf. Eine endgültige, hundertprozentige, ideale Lösung wird niemand von uns treffen. Es ist eben ein Provisorium. Deshalb ist es meine herzliche Bitte, solche Dinge sachlich, nüchtern und nicht unter der Perspektive des Wahlkampfes zu behandeln! ({9})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses auf Drucksache 2554. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung betreffend den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 2716. Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgesehen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dresbach, Dr. Eckhardt, Dr. Lindrath, Dr. Wellhausen und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({0}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Wieninger, Günther, Regling, Lange ({1}), Held, Eickhoff, Dr. Berg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes ({2}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - federführend - und an den Ausschuß für Sonderfragen des Mittelstandes zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung der Lasten aus kriegsbedingter Inanspruchnahme von Räumen ({3}). ({4}) Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit - federführend - sowie an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften ({5}). Wird eine Begründung gegeben? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, auf den vorliegenden Gesetzentwurf im besonderen einzugehen. Ich benütze nur die Gelegenheit, namens der sozialdemokratischen Fraktion den Herrn Bundesminister der Justiz auf folgendes hinzuweisen. In der 154. Sitzung des Deutschen Bundestages habe ich in der Fragestunde an den Herrn Bundesminister der Justiz folgende Frage. gerichtet: Hält die Bundesregierung es für vertretbar, daß eine Hausfrau nach geltendem Recht für eine Tätigkeit als Schöffin oder Geschworene nur einen Rechtsanspruch auf Erstattung der Fahrtkosten und Aufwandsentschädigung geltend machen kann, während jedem anderen Berufstätigen daneben noch ein Anspruch auf Erstattung eines Verdienstausfalles zusteht? Ist die Bundesregierung bereit, die Änderung der einschlägigen Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes vorzuschlagen? Der Herr Bundesminister der Justiz hat darauf folgendes geantwortet, was ich - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - .auszugsweise in Erinnerung bringen darf: Das Bundesjustizministerium hat den Vorentwurf eines Gesetzes über die Entschädigung der ehrenamtlichen Beisitzer bei den Gerichten fertiggestellt. Das Gesetz soll an die Stelle der zur Zeit in den verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit geltenden Einzelregelungen, also auch an die Stelle des § 55 des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Verordnung über die Entschädigung der Schöffen und Geschworenen treten und diese vereinheitlichen. Der Entwurf wird zur Zeit mit den beteiligten Bundesressorts erörtert. Weiterhin sind Hinweise auf den beabsichtigten Inhalt des Entwurfs gegeben worden, und dann heißt es am Schlusse der Antwort des Herrn Bundesjustizministers: Es ist beabsichtigt, den Entwurf so zu fördern, daß er zusammen mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kostenrechtes, das dem Bundestag demnächst zugehen wird, wird beraten werden können. Der Entwurf über die Reform des Kostenrechts ist uns ja nun zugegangen, und ich erlaube mir, an den Herrn Bundesminister der Justiz die Frage zu stellen, ob und wie er darauf hinwirken wird, zu gewährleisten, ,daß die in Aussicht gestellte Möglichkeit einer gemeinsamen Beratung verwirklicht wird. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist an der Beratung dieses anderen Gesetzes vor allen Dingen deshalb sehr lebhaft interessiert, weil es bei diesem anderen Gesetz, das ja, wie die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz beweisen, in einen gewissen Zusammenhang mit diesem Gesetz gestellt worden ist, entscheidend darauf ankommt, der Tätigkeit der Hausfrau die Bewertung zukommen zu lassen, die sie heute nun einmal verdient. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Die Frage des Herrn Kollegen Wittrock darf ich dahingehend beantworten, daß die Fertigstellung des Gesetzes zur Entschädigung ehrenamtlicher Beisitzer bei den Gerichten sich dadurch etwas verzögert hat, daß die Stellungnahme der Landesjustizverwaltungen noch nicht so frühzeitig eingetroffen ist, wie wir es damals erwartet hatten, als ich diese Erklärung abgab. Ich kann Ihnen aber heute sagen, daß der Entwurf mit ziemlicher Sicherheit innerhalb der nächsten vier Wochen dem Kabinett zur Beschlußfassung vorgelegt wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller ({0}), Dr. Horlacher, Bauknecht, Struve, Hepp, Müller ({1}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Abwicklung des Reichsnährstandes und seiner wirtschaftlichen Zusammenschlüsse ({2}) ({3}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. ({4}) - Wir sind uns darin einig, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend ist? - Das ist einstimmig beschlossen. Weiter wird beantragt Überweisung an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Mitberatung. Erfolgt hier Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist auch dies beschlossen. Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sicherheitskinefilme ({5}) ({6}). Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Vorgesehen ist Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. ({7}) Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Einheitliche Prozeßordnung ({8}). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Bucher. Dr. Bucher ({9}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind zwei Gründe, die uns bewegen, diesen Antrag vorzulegen; einmal ein logischer Grund, der in der Natur der Sache liegt, daß man nämlich die gleichen Strukturprinzipien, die eigentlich für alle gerichtlichen Verfahren gelten, die hier aufgezählt sind, auch in den Gesetzen deutlich zum Ausdruck bringen soll. Der zweite Grund ist ein praktischer; wir wollen nämlich einen Schritt auf dem Wege zur Gesetzgebungs- und Verwaltungsvereinfachung tun. Dieses Problem beschäftigt uns sehr oft in diesem Hause und in der Offentlichkeit. Da ist einmal ein heute schon zitierter höchst ehrenwerter Kollege dieses Hauses, der in regelmäßigen Abständen die Vereinfachungstrompete erklingen läßt. Er wird dann mit einigen Leitartikeln bedacht, erhält den Beinamen „Bundesbüroschreck", - und alles bleibt beim alten. Oder wir haben schon auf Anregung eines anderen Kollegen versucht, für ein Jahr einen § 4 a in das Haushaltsgesetz einzubauen, wonach jede vierte freiwerdende Beamtenstelle nicht mehr besetzt wird, - eine etwas grobschlächtige Methode der Verwaltungsvereinfachung. Alle diese Maßnahmen aber kurieren nur an den Symptomen und erreichen nicht die Quelle des Übels, die eben in dem Gesetzgebungsschwall steckt, den wir selber produzieren. Es ist nicht etwa so, daß die Bürokratie sich, wie es ein Witzbold unter Bezugnahme auf das sogenannte Parkinsonsche Gesetz geschildert hat, von selber sozusagen durch Zellteilung vermehrt, sondern es ist eben so, daß jeder Paragraph weitere Paragraphen hervorruft und deshalb auch weitere Stellen von Beamten notwendig macht, die das verdauen müssen. Man kommt im Kampf gegen die Zunahme der Bürokratie auch zu ganz abwegigen Vorschlägen. So hat der Ministerpräsident eines deutschen Landes sogar einmal vorgeschlagen, doch den Verwaltungsrechtsschutz überhaupt einzuschränken, denn dieser weitgehende Rechtsschutz sei daran schuld, daß die Verwaltung so kompliziert sei; jeder Beamte müsse sich heute, bevor er einen Verwaltungsakt vollziehe, überlegen, ob dieser auch hieb- und stichfest sei und einer gerichtlichen Nachprüfung standhalte. Nun, gerade das wollen wir ja, daß der Beamte seine Verwaltungsakte möglichst hieb- und stichfest macht. Man schüttet das Kind mit dem Bade aus, wenn man etwa die Verwaltungsgerichtsbarkeit als solche einschränkt. Das sollten wir gar nicht überlegen, denn den „Luxus" eines ausgebauten Verwaltungsrechtsweges müssen wir uns auf absehbare Zeit noch in ausgedehntem Maße leisten. Aber wenn man sich diesen praktischen Gesichtspunkt, den Wunsch nach Verwaltungsvereinfachung, vor Augen hält, dann drängt sich geradezu auf, auf dem Gebiet der Verfahrensordnungen dem logischen Anliegen, das ich zuerst erwähnte und das sich aus der Natur der Sache ergibt, zu entsprechen. Man kann oft im Zweifel sein: Soll man ein Gesetz machen oder nicht? Man kann darüber streiten, ob es notwendig ist, den Lastenausgleich so eingehend zu regeln, wie es geschehen ist, ob wir ein Ladenschlußgesetz brauchen. Aber daß wir nicht fünf in vielen Punkten völlig verschiedene Gerichtsordnungen brauchen für ein Verfahren, das im Grunde dasselbe ist, liegt doch eigentlich auf der Hand. Die Verschiedenheit des materiellen Rechts begründet ja nicht eine Verschiedenheit des Verfahrensrechts. Lassen Sie mich nur einige Beispiele von den vielen nennen, die man für dieses Auseinanderwachsen der Verfahrensordnungen anführen könnte. Zunächst ein Gegenbeispiel dafür, daß mit Recht Ungleiches ungleich behandelt wird. Daß etwa die Berufungsfristen in der Zivilprozeßordnung und in der Strafprozeßordnung völlig verschieden geregelt sind, hat seine Berechtigung. Denn im Zivilprozeß kann man es jeder Partei selber überlassen, ob sie sechs Monate lang abwarten will, bis ein Urteil rechtskräftig wird, oder ob sie durch Zustellung des Urteils diese Frist auf einen Monat abkürzen will. Im Strafprozeß dagegen hat sowohl der Staat ein Interesse daran, daß sein Strafanspruch alsbald verwirklicht wird, als auch der Angeklagte ein Interesse daran, daß er, wenn er freigesprochen worden ist, sehr schnell darüber Klarheit erhält, ob es bei dem Freispruch bleibt oder ob ein Rechtsmittel dagegen eingelegt wird. Aber warum ist es nun so, daß im Arbeitsgerichtsgesetz die Berufungsfrist zwei Wochen beträgt, die Revisionsfrist einen Monat, während im Verwaltungsgerichtsgesetz, in der Finanzgerichtsordnung und in der Sozialgerichtsordnung - ich nenne hier auch die Gesetze, die uns erst als Entwürfe vorliegen - die Rechtsmittelfristen einen Monat betragen? Warum muß in der Zivilprozeßordnung, im Arbeitsgerichtsgesetz, im Sozialgerichtsgesetz das Rechtsmittel beim Rechtsmittelgericht eingelegt werden, dagegen im verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird? Beachten Sie besonders die tiefgründige Systematik, die darin liegt, daß im ersteren Fall, in der Frage der Rechtsmittelfristen, das sozialgerichtliche Verfahren wie das finanzgerichtliche und das verwaltungsgerichtliche Verfahren behandelt wird, während im zweiten Fall, nämlich bei der Frage, wo das Rechtsmittel eingelegt wird, das sozialgerichtliche Verfahren mit dem arbeitsgerichtlichen und dem des ordentlichen Prozesses rangiert. Worin liegt der Grund für solche Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens? Ich kann mir nicht denken, daß es ein sozialer Grund ist, denn soziale Gründe sprechen ebenso dafür, die Rechtsmittelfrist abzukürzen wie sie zu verlängern. Wenn ich schon bei den Rechtsmitteln bin, ein weiteres Beispiel. Nach sämtlichen Verfahrensordnungen außer der Verwaltungsgerichtsordnung ist der Antrag beim Revisionsverfahren erst mit der Begründung einzubringen; nur nach der Verwaltungsgerichtsordnung muß dieser Antrag bereits im Revisionsschriftsatz enthalten sein. Das ist eine äußerst unzweckmäßige Regelung, denn über die Frage, ob ich Revision einlegen soll oder nicht, kann ich mir sehr schnell schlüssig werden. Die Frage, welchen Antrag ich stellen soll, kann ich dagegen erst entscheiden, wenn ich die ganze Begründung ausarbeite. Ein ebensolches Durcheinander herrscht bei den Fristen im Vorverfahren nach den verwaltungsge({10}) richtlichen, finanzgerichtlichen und sozialgerichtlichen Gesetzen. Beim verwaltungsgerichtlichen Verfahren beträgt die Frist für einen Widerspruch gegen die Verfügung der Verwaltung zwei Wochen, beim finanzgerichtlichen und sozialgerichtlichen Verfahren einen Monat. Andererseits ist, wenn die Widerspruchsentscheidung nicht ergeht oder verzögert wird, beim Verwaltungsgericht und Finanzgericht die Klage innerhalb von drei Monaten, beim Sozialgericht innerhalb von sechs Monaten möglich. Auch hier wieder die durch nichts zu rechtfertigende Systemlosigkeit, nach der das eine Mal Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit und das andere Mal Finanz- und Verwaltungsgerichtsbarkeit gleich behandelt werden. Ähnlich ist es mit den Fristen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auch hier sind Unterschiede. Die Fristen für die Urteilsabfassung betragen nach der ZPO eine Woche, für das Verwaltungsgericht und das Finanzgericht zwei Wochen und für das Arbeits- und Sozialgericht drei Tage. Denkt man, es sei eine besonders soziale Maßnahme, wenn im letzten Falle das Urteil innerhalb von drei Tagen abgefaßt wird? Ich kann mir jedenfalls keine andere Motivierung hierfür vorstellen. Ähnliches gilt für sonstige Beschwerdefristen und für Ladungsfristen. Man könnte noch zahlreiche andere Beispiele anführen. Stichwortartig nur ganz weniges. Frage: Gibt es beim sozialgerichtlichen Verfahren ein Zwischenurteil? Das Gesetz schweigt darüber, im Gegensatz zu den anderen Gesetzen. Gibt es eine Streitgenossenschaft in der Finanzgerichtsordnung? Hier steht nichts drin. Im Sozialgerichtsgesetz ist sie erwähnt. Dort ist auch die Hauptintervention erwähnt. Aber diese ist wieder nicht in der Verwaltungsgerichtsordnung erwähnt. Warum gibt es nach dem einen Gesetz die Möglichkeit, einen Urkundsbeamten mit einer Kostenstrafe zu belegen, und nach den anderen Gesetzen nicht? Schließlich - darauf sei auch hingewiesen - gibt es noch höchst überflüssige stilistische Unterschiede in Bestimmungen, die genau dasselbe aussagen. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur drei Absätze aus den §§ 104 und 105 der Verwaltungsgerichtsordnung zitieren und zu jedem Absatz jeweils den entsprechenden der Finanzgerichtsordnung und des Sozialgerichtsgesetzes: Nach Aufruf der Sache trägt der Vorsitzende oder der Berichterstatter den wesentlichen Inhalt der Akten vor. Zweites Gesetz: Der Vorsitzende oder der Berichterstatter trägt den Sach- und Streitstand vor. Drittes Gesetz: Die Verhandlung beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. Weiterer Absatz: Hierauf erhalten die Beteiligten das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen. Zweites Gesetz: Anschließend hört das Gericht die Beteiligten. Drittes Gesetz: Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Und der letzte Fall: Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich erschöpfend zu erörtern. Zweites Gesetz: Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten allseitig zu erörtern. Und im dritten Gesetz hat er sie auch zu erörtern, aber nicht allseitig. Das nur nebenbei. Ich möchte abschließend zu diesen Beispielen nur noch zwei Punkte hervorheben. Schon die Generalklausel, mit der in diesen verwaltungsgerichtlichen Verfahrensgesetzen die Zivilprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz für anwendbar erklärt werden, ist widerspruchsvoll abgefaßt. Sie heißt nämlich in dem einen Gesetz folgendermaßen: Soweit dieses Gesetz keine entsprechenden Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensfragen dies nicht ausschließen. Das bedeutet für den Juristen: die Vermutung spricht für die Anwendbarkeit der Zivilprozeßordnung. In der Finanzgerichtsordnung heißt es aber: Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es zulassen, die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Das heißt: die Vermutung spricht gegen die Anwendung der Zivilprozeßordnung. Wahrscheinlich ist jedoch in beiden Gesetzen dasselbe beabsichtigt. Wenn das aber der Richter liest, unterstellt er zunächst, daß sich der Gesetzgeber bei diesen verschiedenen Fassungen etwas Unterschiedliches gedacht habe. Wir wollen uns freuen, wenn und solange die Richter das noch unterstellen; aber wenn mit solcher Gesetzgebungstechnik weitergemacht wird, kann es eines Tages dazu kommen, daß das die Gerichte nicht mehr ohne weiteres unterstellen; und das wäre tief bedauerlich. Schließlich ist noch etwas sehr Wesentliches verschieden geregelt, nämlich die Vorbildung der Richter. Bereits das Arbeitsgerichtsgesetz hat das sogenannte Juristenmonopol beseitigt. Nun verlangt § 15 der Verwaltungsgerichtsordnung zu der allgemeinen Richterqualifikation eine besondere dreijährige Tätigkeit. ({11})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte, nicht in Zwischengespräche einzutreten. Dr. Bucher ({0}), Antragsteller: Ich wollte lediglich den Ausgang des Gesprächs abwarten, um ihn eventuell verwerten zu können. Es wird also eine besondere dreijährige Tätigkeit verlangt. Wir haben uns im Rechtsausschuß schon damit befaßt. Von einem Herrn - ich glaube, es war der Vertreter einer Landesregierung - wurde vorgetragen, es gehe doch nicht an, daß ein junger Assessor über Verwaltungsakte etwa eines Regierungsdirektors zu Gericht sitze und entscheide; das verstoße, so sagte er wörtlich, gegen die „Kleiderordnung". Nun, ich muß ehrlich sagen: in einer Strafkammer sitzt manchmal auch ein junger Assessor, und ich könnte mir eher vorstellen, daß man Bedenken ({1}) 0 dagegen vorbringt, daß dieser junge Assessor mit darüber entscheidet, ob ein Angeklagter freigesprochen wird oder eine mehrjährige Zuchthausstrafe bekommt. Jedenfalls hat er dabei nach der Strafprozeßordnung eine viel größere Macht, als wenn er etwa über eine Baulinienverfügung eines noch so klugen Regierungsdirektors entscheidet. Also, diese Vorstellung von dem Assessor, der über den Regierungsdirektor gesetzt wird, hat für mich absolut nichts Schreckenerregendes an sich. Aber gerade an diesem Beispiel sehen wir, wie auf diesem Gebiet nicht nur eine Zersplitterung der Gerichtsbarkeit und der Gesetzgebung, sondern auch noch eine solche des Richterstandes droht. Ich meine, es wäre eine große Aufgabe für ein Bundesjustizministerium, dem Einhalt zu gebieten, und dazu wollen wir mit unserem Antrag die Anregung geben. Ich weiß, daß das Justizministerium mit grundsätzlichen Reformen auf den Gebieten des Strafrechts und des Urheberrechts befaßt ist, und es kommt schon mit diesen Reformen nicht zum Zuge, weil es eben in der täglichen Arbeit sehr verstrickt und von ihr in Anspruch genommen ist. Dieses „tägliche Brot", das das Justizministerium also wohl oder übel hervorbringen muß, ist oft eine sehr undankbare Sache. Wenn ich daran denke, wie heute eine Zeitungsnachricht aus Amerika imstande ist, ein ganzes Gesetzgebungsprogramm zu ändern, so verstehen Sie, was ich damit meine. ({2}) - Ich nehme doch an, Herr Kollege Schoettle. Deshalb möchte man dem Justizministerium geradezu wünschen, daß es in die Lage versetzt würde, sich einer solchen Reform einmal zuzuwenden. Ich weiß natürlich auch, daß es allein gar nicht die Macht dazu hat; denn das Übel liegt ja darin, daß die Federführung in diesen Gesetzen sehr verschieden ist. Die Federführung in gerichtlichen Verfahrensgesetzen sollte aber immer beim Justizministerium liegen. Wir möchten hier wirklich das Justizministerium unterstützen, daß es in diesem Punkte einen Ressortpartikularismus oder gar -imperialismus entwickelt. In diesem Sinne bitte ich Sie, unserem Antrage zuzustimmen, damit ein erster Schritt getan werden kann, der natürlich in diesem Bundestag zu keinem weiteren Schritt mehr, aber doch in absehbarer Zeit zu einer Vereinheitlichung des Verfahrensrechts führen kann. ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vereinheitlichung des Prozeßrechts ist ein altes Anliegen des Bundesjustizministeriums. Die Verwirklichung dieses Gedankens bringt aber sehr erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Herr Kollege Bucher hat bereits auf einige dieser Schwierigkeiten hingewiesen. Er hat insbesondere betont, daß der Justizminister allein nicht in der Lage ist, einen derartigen Gesetzentwurf vorzulegen. Wenn ich auf die von Herrn Kollegen Bucher angeregte Frage kurz eingehen soll, so müssen Sie mir gestatten, daß ich zunächst in großen Zügen die Lage schildere, der sich die Bundesregierung bei ihrer Gründung gegenübersah. Als die Bundesregierung 1949 ihre Tätigkeit aufnahm, mußte sie bei der Gesetzgebung auf dem Gebiet des gerichtlichen Verfahrensrechts von Grund auf neu beginnen. Die Reichsjustizgesetze waren in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft weitgehend umgestaltet worden und hatten in vielem ihren rechtsstaatlichen Geist, ihren rechtsstaatlichen Gehalt verloren. In der Zeit nach dem Kriege war sowohl für die Gerichtsverfassung wie auch für die Zivil- und Strafprozeßordnung die Rechtseinheit verlorengegangen. Die Gesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterschieden sich mindestens von Zone zu Zone, wenn nicht sogar von Land zu Land. Ähnliches gilt für die Finanzgerichtsbarkeit. Das Arbeitsgerichtsverfahren war zwar einheitlich, aber es war besatzungsrechtlich geregelt. Dem Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes mußte großenteils erst noch Genüge getan werden, insbesondere durch Schaffung eines gerichtlichen Verfahrens im Bereich der Sozialversicherung. Vordringliche Aufgabe der Bundesregierung mußte es deshalb sein, zunächst die Rechtssicherheit durch Vorlage bundesrechtlicher Regelungen wiederherzustellen und die Forderung des Grundgesetzes nach einem in jeder Hinsicht rechtsstaatlichen Schutz des Staatsbürgers zu verwirklichen. Dieses Ziel ließ sich in kürzester Zeit nur erreichen, wenn gesonderte Gesetze über die Gerichtsverfassung und das Verfahren in jedem einzelnen Zweig der Gerichtsbarkeit vorgelegt und beschlossen wurden. Es wurde verhältnismäßig schnell mit dem Vereinheitlichungsgesetz vom 12. September 1950 für die ordentliche Gerichtsbarkeit erreicht. Diejenigen Mitglieder des heutigen Bundestages, die dem 1. Bundestag angehört haben, werden sich noch erinnern, wie diese Arbeit beschleunigt durchgeführt wurde. Ich darf insbesondere sagen, daß es das Verdienst meines Vorgängers war, sofort erkannt zu haben, daß als nächstes Ziel des Bundesjustizministeriums bzw. der Bundesregierung hier eine Vereinheitlichung durchgeführt werden mußte. Erst am Ende der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages konnten die Arbeitsgerichts- und die Versorgungsgerichtsgesetze verabschiedet werden. Die Entwürfe einer bundeseinheitlichen Verwaltungsgerichtsordnung und einer bundeseinheitlichen Finanzgerichtsordnung sind von der Bundesregierung eingebracht worden; sie sind aber heute noch nicht verabschiedet. Es ist jedoch dringend notwendig, daß nunmehr auch für diese beiden Sparten der Gerichtsbarkeit Bundesgesetze in Kraft treten. Die Rechtszersplitterung - in einem Land, Baden-Württemberg, gelten z. B. zur Zeit drei verschiedene Verfahrensregelungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nebeneinander - kann hier ohne Gefährdung der Rechtssicherheit nicht mehr lange anhalten. Die baldige Verabschiedung auch des Entwurfs der Verwaltungsgerichtsordnung und des Entwurfs der Finanzgerichtsordnung ist deshalb dringend notwendig und wünschenswert. Alle bereits ergangenen Verfahrensgesetze und die noch vorliegenden Entwürfe beruhen auf den gleichen Grundsätzen der Öffentlichkeit, der Mündlichkeit, der Unmittelbarkeit des Verfahrens, des rechtlichen Gehörs und eines geordneten Rechtsmittelzuges. Sie haben darüber hinaus viel Gemeinsames auch in anderen Fragen wie bei der Regelung der Beweiserhebung, der Ablehnung der Richter und bei den allgemeinen Voraussetzungen für die Bestellung der ehrenamtlichen Beisitzer. ({0}) Auch Unterschiede liegen vor, einmal solche, die aus dem materiellen Recht, aus der Natur des zu entscheidenden Anspruchs oder Rechtsverhältnisses, erwachsen - das erweist sich z. B. bereits in der Zivilprozeßordnung bei den Unterschieden zwischen dem normalen Verfahren und dem Verfahren in Ehesachen -, zum anderen solche, die aus den besonderen Bedürfnissen der verschiedenen Verfahren selbst entstehen, z. B. der möglichsten Beschleunigung und des Ausgleichsgedankens im Arbeitsgerichtsprozeß. Das ist wohl auch der Grund, warum die von Herrn Kollegen Bucher erwähnten Rechtsmittelfristen im Arbeitsgerichtsgesetz kürzer bemessen sind als in der Zivilprozeßordnung, wieder im Gegensatz zum Zivilprozeß im allgemeinen. Diese sachlich, von vornherein gegebenen Unterschiede können nicht unbeachtet bleiben. Aus diesem Grunde sind in dem Antrag der Fraktion der FDP wohl auch das Strafverfahren und das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit von vornherein ausgeklammert. Es ist jedoch auch sicher, daß das Nebeneinander von dann noch fünf verschiedenen gerichtlichen Verfahrensgesetzen die Gefahr in sich schließt, daß auch gleichliegende Fragen, die übereinstimmend behandelt werden sollten, unterschiedlich geordnet werden. Dieser Gefahr kann man sich nicht verschließen. Es ist ein Verdienst des Deutschen Anwaltvereins, auf diese Gefahren nachdrücklich in den Verhandlungen des Anwaltstages 1955 in Mannheim und durch die vergleichende Übersicht über die Verfahrensgesetze aufmerksam gemacht zu haben. Auch die Öffentlichkeit, und zwar sowohl die juristische Literatur wie die Presse, hat sich dieses Problems angenommen. Alle diese Vorgänge werden von dem Bundesjustizministerium mit größter Aufmerksamkeit beobachtet und verfolgt, und es werden entsprechende Schlußfolgerungen daraus gezogen bzw. entsprechende Vorarbeiten geleistet. Die Bundesregierung hat sich aber auch bei der Vorlage von verfahrensrechtlichen Gesetzen stets bemüht, sachlich nicht notwendige Abweichungen und Gegensätze zwischen den einzelnen Verfahrensarten zu vermeiden. Die aufgezählten Vorarbeiten sind dabei sorgfältig beachtet worden. Hierdurch ist bereits manches erreicht. Eine weitere Vereinheitlichung erfordert eine sehr sorgfältige Prüfung, welche Grenzen einer übereinstimmenden Regelung gesetzt sind, und erfordert sehr umfangreiche Vorarbeiten. Diese Vorarbeiten werden auf Erfahrungen der Praxis mit den bereits bestehenden bundesrechtlichen Verfahrensgesetzen und den noch zu verabschiedenden Entwürfen beruhen müssen. Ich nehme daher für die Bundesregierung zu dem Antrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister des Innern, dem Herrn Bundesminister der Finanzen und dem Herrn Bundesminister für Arbeit wie folgt Stellung: Die Bundesregierung hält es auch ihrerseits für erstrebenswert, daß überflüssige oder nicht durch die Eigenart der Verfahren gebotene Abweichungen und Gegensätze in den Verfahrensbestimmungen für die einzelnen Zweige der Gerichtsbarkeit vermieden und die Verfahrensordnungen in diesem Umfang einheitlich gestaltet werden. Bei der Ausarbeitung der bisher vorgelegten Entwürfe von Verfahrensgesetzen ist daher von ihr stets darauf Bedacht genommen worden, solche nicht sachlich,' insbesondere wegen des zugrunde liegenden materiellen Rechts, erforderlichen Abweichungen oder Gegensätze tunlichst zu vermeiden. Ob eine weitere Angleichung der Vorschriften über das gerichtliche Verfahren erreicht werden kann, wird sich erst prüfen lassen, wenn für alle Zweige der Gerichtsbarkeit die Verfahren bundeseinheitlich geregelt sind und durch die Erfahrungen der Praxis geklärt ist, in welchem Umfang es möglich ist, die Bestimmungen der Verfahrensordnung über das jetzt erreichte oder in den dem Bundestag noch vorliegenden Entwürfen vorgesehene Maß hinaus miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Im Zusammenhang mit dieser Prüfung kann dann auch die weitere Frage untersucht werden, ob und inwieweit es zweckmäßig ist, die Verfahrensbestimmungen in einer einheitlichen Prozeßordnung zusammenzufassen. ({1})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt den Antrag und stimmt mit den Überlegungen, die von Herrn Kollegen Bucher zur Begründung vorgetragen worden sind, im Grundsätzlichen überein. Wir sind dankbar für die Erklärungen, die der Herr Bundesjustizminister hierzu abgegeben hat. Ich bin aber der Meinung, daß mit diesen Erklärungen dem Anliegen, das mit dem Antrag verfolgt wird, nicht in vollem Umfange Genüge getan wird, daß trotz der Schwierigkeiten, auf die der Herr Bundesjustizminister hingewiesen hat, bereits jetzt mehr geschehen kann. Der Antrag der Freien Demokratischen Partei greift in Probleme hinein, die schon seit langem nicht nur die Organe der Rechtspflege, die Richter und Anwälte, die Rechtswissenschaft, die Politiker und die Behörden mit Sorge erfüllen, sondern die auch für die rechtsuchende Bevölkerung, für jeden Staatsbürger von sehr erheblicher Bedeutung sind. Die moderne Entwicklung von Staat und Gesellschaft hat zu Formen geführt, denen der gewöhnliche Sterbliche hilflos gegenübersteht. Die Veränderung unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen und Bedingungen und das Fehlen einheitlicher Vorstellungen, nach denen alle diese Vorgänge gesteuert werden können, haben in der Tat - das ist hier von den Herren Vorrednern zutreffend herausgestellt worden - zu einer Gesetzes- und Verwaltungshypertrophie geführt, der endlich energisch entgegengetreten werden muß. Diese Hypertrophie hat sich insbesondere auf dem Gebiet des Verfahrensrechts bedenklich ausgewirkt. Ganz gewiß hat der Zeitdruck und hat insbesondere die Situation, der sich die Bundesrepublik nach 1949 gegenübersah, das ihre dazu getan, daß gesetzliche Regelungen getroffen wurden, die das Gemeinsame unseres Rechtssystems verwischt haben. Es gibt Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren, die für alle Rechtsmaterien einheitlich gestaltet werden können. Selbstverständlich wird dabei nicht schematisch verfahren werden können. Selbstverständlich ergeben sich für die verschiedenen Rechtsmaterien der Natur des jeweiligen Rechts- und Lebensbereichs nach in mancher Hinsicht unterschiedliche ({0}) Erfordernisse. So wird sicher z. B. das Verfahren bei den Arbeitsgerichten in mancher Hinsicht auch weiterhin besonders gestaltet bleiben müssen. Man braucht also nicht zu einer Uniformierung zu kommen. Es gibt einen Grundstock prozessualer Vorschriften, die das Fundament des prozessualen Ablaufs bilden. Herr Kollege Bucher hat eine Reihe von Beispielen hierfür angeführt, ich brauche das nicht näher zu erläutern. Die gleiche Bezeichnungsweise, die Angleichung von Fristen und ähnliches gehören dazu. In der Erkenntnis, daß das einheitliche Gerichtsverfahren eine entscheidende Bedeutung in der rechtsstaatlichen Demokratie hat, hat der Verfassungsgesetzgeber in Art. 74 Ziffer 1 die Gesetzgebungskompetenz des Bundes hierauf erstreckt. In dem gerichtlichen Verfahren kommen dem Staatsbürger die rechtsstaatlichen Garantien unmittelbar zum Bewußtsein. Hier wird dem einzelnen sichtbar, daß er dem Zugriff des Staates nicht schutzlos ausgeliefert ist. Für die freiheitlich-demokratische Willensbildung, für die Stärkung des Rechtsbewußtseins im Volk ist die Überschaubarkeit des Rechts und der prozessualen Bestimmungen sowie die tunlichst größte Einheitlichkeit in Form und Ausdrucksweise ein gar nicht hoch genug zu veranschlagender Faktor. Wir wissen durchaus, daß diese Gedanken - wie der Herr Bundesjustizminister hier ausgeführt hat - die Diskussion um die große Justizreform seit langem bewegen und daß auch im Justizministerium diese Frage seit langem Gegenstand der Sorge ist. Wir wissen, welche Schwierigkeiten der Lösung dieser Aufgabe entgegenstehen. Wir teilen deshalb mit den Antragstellern die Auffassung, daß eben die Vereinheitlichung des Prozeßverfahrens als ein erster entscheidender Schritt vorwärts notwendig und auch jetzt schon möglich ist. Wir werden daher dem Antrag der FDP zustimmen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Platner.

Eduard Platner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP rennt offene Türen ein: denn die Tendenz zur Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen besteht doch wohl bei allen Fraktionen dieses Hauses; diese Forderung ist für alle Fraktionen eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wenn die verschiedenen Entwürfe der Verfahrensordnungen für die einzelnen Gerichtsbarkeiten nicht aus einer umfassenden einheitlichen Konzeption gekommen sind, dann ist das auf den Art. 96 unseres Grundgesetzes zurückzuführen, der nun einmal die getrennten Gerichtsbarkeiten vorsah. Wir alle kennen seit geraumer Zeit die Zusammenstellung. die der Deutsche Anwaltverein über die Abweichungen der verschiedenen Verfahrensordnungen verfaßt hat. In den Beratungen des Rechtsausschusses, insbesondere bei der Beratung der Verwaltungsgerichtsordnung und der Finanzgerichtsordnung. ist es bereits jetzt unser dringendes Anliegen, eine Vereinheitlichung und Angleichung an eine revidierte Zivilprozeßordnung zu schaffen. Wir, das Parlament, sollten aus diesem Antrag die Folgerung ziehen, aus Selbstdisziplin solche überflüssigen Anträge zu vermeiden. Für die uns in diesem Bundestag noch verbleibende Arbeitszeit sind uns so dringliche Aufgaben gestellt, daß wir unsere ganze Arbeit und Kraft auf deren Erledigung konzentrieren sollten. ({0})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Herr Bucher hat das Wort. Dr. Bucher ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister hat die wertvolle Vorarbeit des Anwaltvereins in dieser Sache erwähnt. Das hat mich an ein Versäumnis erinnert, dessen ich mich schuldig gemacht habe. Ich habe das in meinen Ausführungen ebenfalls erwähnen und zum Ausdruck bringen wollen, daß diese Vorarbeiten auch uns wesentliche Dienste geleistet haben, als wir uns mit dieser Sache befaßten. Ich möchte mich also nicht mit fremden Federn schmücken. Noch etwas zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Platner. Er sagt, wir rennten mit dem Antrag offene Türen ein, es sei ein überflüssiger Antrag, wir hätten hier Wichtigeres zu tun. Nun, einmal glaube ich nicht, daß dieser Antrag das Parlament und die Ausschüsse allzuviel Zeit kosten wird. Zum anderen finde ich ihn absolut nicht überflüssig. Daß die theoretische Erkenntnis von der Notwendigkeit dieser Vereinheitlichung überall vorhanden ist, Herr Kollege Platner, bezweifle ich nicht. Aber was geschieht praktisch? ({1}) Sehen Sie sich doch an, was bis jetzt aus den Beratungen der Verwaltungsgerichtsordnung herausgekommen ist! Hat man darauf Rücksicht genommen, hat man diese offenen Türen, die Sie erwähnen, beachtet? Keine Rede davon, sondern man hat völlig unnötigerweise in vielen Paragraphen eine entweder sachlich oder auch nur in der Wortfassung verschiedene Regelung getroffen. Insofern kann also von offenen Türen keine Rede sein. Dieser Antrag kann doch - nicht nur für die Bundesregierung, sondern auch für unsere eigene Arbeit - zumindest das Gute haben, daß wir uns wieder die Notwendigkeit vor Augen halten, darauf zu achten, daß diese Verfahrensordnungen so weit wie möglich gleichlautend und im gleichen Sinne gemacht werden. soweit es die Verschiedenheiten der einzelnen Verfahren eben zulassen.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Weitere Wortmeldungen liegen nun nicht mehr vor. Es ist beantragt, den Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Oberstes Bundesgericht ({0}). Zur Begründung hat das Wort Frau Dr. Lüders. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders ({1}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion auf Drucksache 2436, die Bundesregierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf über die Errichtung eines Obersten Bundesgerichts vorzulegen, geht zurück auf die Tatsache, daß der zwingenden Vorschrift des Art. 95 des Grundgesetzes bisher noch nicht entsprochen worden ist. Die Frage nach dem Zweck eines solchen Gerichts, nach dem Bereich seiner Entscheidungsbefugnis, nach seiner Zusammensetzung und seiner Zuständigkeit sowie die Frage des Verfahrens ({2}) wurden bereits im Parlamentarischen Rat in der 37. Sitzung im Januar 1949 behandelt. Gegen ein solches Gericht wurden damals keine Bedenken erhoben. Man war sich darin einig, daß seine Aufgabe darin bestehen solle, die Einheit des Bundesrechtes zu wahren und als letzte Instanz in den Fällen zu entscheiden, die für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte von grundsätzlicher Bedeutung sind, in Fällen also, in denen es sich um die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung sämtlicher oberen Bundesgerichte handelt. Meinungsverschiedenheiten waren damals über die Organisation und den Namen dieses Gerichts zutage getreten, also ob ein vereinigter Senat aus dem Kollegium der oberen Bundesgerichte genüge oder ob eine neue höchstrichterliche Behörde errichtet werden solle. Darüber zu entscheiden sind wir natürlich völlig frei. Der damalige Art. 128 a des Parlamentarischen Rates ist später als Art. 95 in das Grundgesetz aufgenommen worden. Es scheint meiner Fraktion, daß nunmehr Anlaß besteht, der Vorschrift, dieses Gericht zu schaffen - mit der Aufgabe: Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung -, nachzukommen. Wir würden deshalb gerne von der Bundesregierung hören, welches ihre Grundvorstellungen über ein oberstes Bundesgericht sind. Wir würden gerne wissen, welche Vorstellungen die Bundesregierung über die Zusammensetzung, die Zuständigkeit und das festzulegende Verfahren hat, um der Vorschrift des Art. 95 gerecht zu werden. Meine Freunde glauben - wenn ich das vorwegnehmen darf - auch heute noch, daß die Einsetzung eines vereinigten Senats den Vorzug vor der Errichtung einer neuen höchstrichterlichen Behörde hätte. Andere sind der Meinung, daß dieses oberste Bundesgericht geschaffen werden muß, ein vereinigter Senat also nicht genügen würde. Ich darf das Hohe Haus bitten, unserem Antrag auf Drucksache 2436 zuzustimmen. ({3})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Bauer.

Hannsheinz Bauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der oberflächliche Betrachter, der von diesem Antrag hört, ist vielleicht geneigt zu meinen: Schon wieder eine neue staatliche Einrichtung im Zeitalter der erstrebten Verwaltungs- und Staatsvereinfachung! - Nun, es handelt sich hier um eine Institution, die keineswegs etwa eine zu Buche schlagende Zahl von Planstellen erfordert; aber das Wichtige, das Wesentliche dabei ist ja, worauf die verehrte Frau Kollegin Lüders schon hingewiesen hat, daß es sich um einen zwingenden Satz in unserem Bonner Grundgesetz handelt, und zwar um den Art. 95. Man hat sich ,damals im Parlamentarischen Rat darüber unterhalten, ob es eine Kann- oder Mußvorschrift werden soll. Man hat sich ausdrücklich für die zwingende Fassung dieser Bestimmung des Art. 95 entschieden. Nun, was ist der Zweck dieser Einrichtung eines obersten Bundesgerichts? Einmal: Die territoriale Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung muß dadurch hergestellt werden, daß das Bundesrecht in den verschiedenen Ländern in grundlegenden Fragen gleichmäßig gehandhabt wird, dies um so mehr, als die Rechtsprechung ja nun einmal in aller Regel der Obhut der Länder unterliegt, also die Handhabung der Justiz, soweit sie den einzelnen Staatsbürger im täglichen Leben überwiegend angeht, nach föderalistischen Gesichtspunkten zumindest im Kern der Kontrolle der Instanzen gestaltet ist. Zum andern muß die fachliche Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung dadurch garantiert sein, daß auf den einzelnen Fachgebieten des Bundesrechts die entscheidenden rechtlichen Grundbegriffe gleichmäßig angewandt werden. Keineswegs soll durch dieses oberste Bundesgericht etwa eine vierte Instanz für die Rechtsuchenden geschaffen werden. Es sollen auch keine abstrakten Rechtsgrundsätze aufgestellt werden, sondern es handelt sich immer um eine Entscheidung im Einzelfall inter partes. Grundsatz soll aber dabei die Aufrechterhaltung der Einheit in unserem Rechtsgebäude sein und bleiben. Außerdem sehen wir, daß auch der Verfassungsgesetzgeber schon damals eben nicht an der Tatsache vorbeigehen konnte, daß die starke Aufteilung der einzelnen Rechtsmaterien in verschiedene Gerichtszweige zur Rechtszersplitterung führen wird, und diese Aufteilung hat eben auch dazu geführt. Ich erinnere nur an die Rechtsprechung zur 131 er-Frage und auch an die Rechtsprechung in der Frage der Staatsangehörigkeit der Österreicher, der sogenannten Anschlußdeutschen. Wir sind der Meinung, daß divergierende Auffassungen zumindest zwischen den einzelnen oberen Gerichten nur durch die Institution des Obersten Bundesgerichts beseitigt werden können. Wir meinen, daß dieses Gericht an der Seite des Bundesverfassungsgerichts - sozusagen an Autorität und Bedeutung als das Dach im Aufbau der Gesamtjustiz - möglichst bald installiert werden sollte. Nun ist es sehr reizvoll, einmal in der Geschichte des Parlamentarischen Rats zu blättern. Man gewinnt da den Eindruck, daß heute die Rollen etwas vertauscht sind. Damals hat ein Antrag Dehler/ Heuss auf Streichung der Bestimmung über dieses Oberste Bundesgericht vorgelegen und der Hauptbefürworter ist kein geringerer als Herr Dr. Strauß gewesen, der in einer Denkschrift die Einrichtung des Obersten Bundesgerichts besonders gefördert hat. Es würde mich interessieren, einmal von der Bundesregierung zu hören - ich glaube, es wäre recht aufschlußreich -, warum sie in der Frage der Vorlage eines Gesetzentwurfs über dieses Oberste Bundesgericht so langsam tritt. Es wäre denkbar, daß Meinungsverschiedenheiten wegen der Zusammensetzung bestehen, etwa darüber, ob man eine institutionell selbständige Einrichtung machen oder ob man eine Art kombiniertes Gericht aus verschiedenen Senaten der oberen Bundesgerichte konstruieren will. Alles in allem scheint es jedenfalls auch uns an der Zeit, daß der Gesetzentwurf zur Erfüllung der grundgesetzlichen Forderung in Art. 95 - nebenbei: in Verbindung auch mit Art. 100 - ohne weitere Verzögerung vorgelegt wird. In diesem Sinne stimmen auch wir für den Antrag der FDP.

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Herr Staatssekretär Dr. Strauß.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Her({0}) ren! Als der unglückliche Erfinder des jetzigen Art. 95 des Grundgesetzes bin ich von der Bundesregierung beauftragt worden, zu dem Antrag Stellung zu nehmen. Ich sage „unglücklich" ({1}) - keineswegs! -, denn es war leider nicht so, wie die sehr verehrte Antragstellerin soeben gesagt hat, daß im Parlamentarischen Rat eine einheitliche Meinung vorgeherrscht habe. Mein Fehler als Abgeordneter bestand damals darin, daß ich nicht rechtzeitig erkannte, daß ich mit meinem Gedanken gescheitert war, und daß ich mit meinem verehrten damaligen Kollegen Herrn Dr. Dehler bis in die letzte Lesung des Grundgesetzes im Plenum einen Kampf führte, dessen Ergebnis die, wie die Bundesregierung heute feststellen muß, verunglückte Fassung des Art. 95 des Grundgesetzes ist. Woran lag das? Meinem damaligen Kollegen und heutigem hessischen Herrn Ministerpräsidenten Zinn und mir schwebte ein einheitliches Oberstes Bundesgericht vor und nicht eine Aufspaltung in fünf obere Bundesgerichte. Als wir damit nicht durchdringen konnten, kam mir der Gedanke, oberhalb dieser fünf oberen Bundesgerichte - die Zahl 5 stand damals noch nicht fest -, zur Wahrung der Rechtseinheit - in diesem Fall nicht der gebietlichen, sondern der fachlichen Rechtseinheit - irgendeine Art von letztem Gericht, letzter Entscheidung einzuführen. Wir haben dieses Gericht als „Oberstes Bundesgericht" institutionell im Grundgesetz verankert, und daraus entstehen die Schwierigkeiten. Mein damaliger Kollege Dr. Dehler war von vornherein ein Gegner dieses Obersten Bundesgerichts, und wahrscheinlich hätte ich als Abgeordneter klüger getan, rechtzeitig nachzugeben und eine andere Fassung vorzuschlagen. Was wir nun aus dem Art. 95 machen sollen, hat das Bundesjustizministerium, namentlich meine beiden Herren Minister, aber, wie Sie verstehen werden, insbesondere auch mich seit 1949 beschäftigt. Wir hätten gewünscht, daß die Literatur und die Rechtslehre sich mit dieser Frage mehr befaßt hätten. Das ist in sehr geringem Umfang geschehen. Wir haben daraus sehr wenig Anregungen bekommen. Ich bin heute der Auffassung, daß man zu einer praktikablen Lösung - und man sollte nur praktikable Lösungen treffen - nur kommen kann durch eine Grundgesetzänderung, indem man nämlich - und insofern folge ich jetzt der Auffassung meines damaligen Kollegen und späteren Ministers Herrn Dr. Dehler - die Konstruktion einer Art Vereinigten Senats aller fünf oberen Gerichte wählt. Aber man darf an der Formulierung des Grundgesetzes nicht deuteln. Ich komme nicht darüber hinweg, daß die jetzige Fassung des Art. 95 des Grundgesetzes das Oberste Bundesgericht mit dieser sehr bedeutungsvollen Gerichtsbezeichnung als Institution vorsieht, und dieser Name „Oberstes Bundesgericht" entspricht nicht mehr dem Inhalt dessen, was es, wenn es geschaffen wird, zu beschäftigen hat. Das Praktikable wäre, für den Fall, daß ein oberes Bundesgericht in Rechtsausführungen von einem früher ergangenen Urteil eines anderen oberen Bundesgerichts abweichen will, ein Gremium etwa in Form eines Vereinigten Senats der oberen Bundesgerichte zu schaffen, der dann diese Rechtsfrage und nicht den Fall selbst vor Erlaß des Urteils entscheidet, ähnlich also den Großen Senaten, die alle fünf oberen Bundesgerichte aufweisen und die die Rechtsfrage zu entscheiden haben, wenn ein Senat des betreffenden oberen Bundesgerichts von der Rechtsauffassung eines anderen Senats abweichen will. Das geht aber nach meiner Auffassung und der meiner Mitarbeiter nicht ohne eine Änderung des Textes von Art. 95. Bisher ist durch das Fehlen des sogenannten Obersten Bundesgerichts noch kein Schaden entstanden. Wir sind uns im Ministerium völlig darüber klar, daß wir etwas vorbereiten müssen. Ich glaube aber, daß wir es in den nächsten Monaten nicht tun können und daß es auch nicht unbedingt erforderlich ist, sofort etwas zu tun. Man muß sich überlegen - und ich bitte alle, die daran interessiert sind, die Frage mitzuprüfen -, ob wegen dieser mißglückten Konstruktion des Art. 95 eine Grundgesetzänderung vorgenommen werden sollte. Alles übrige, die Organisation usw., wäre sehr einfach. Aus den von mir genannten Gründen hat in Übereinstimmung mit mir auch Herr Dr. Dehler als Bundesjustizminister davon abgesehen, eine Vorlage, an der wir wiederholt gearbeitet haben, einzubringen, und wir haben nach 1953 - aus den von mir genannten Gründen und weil die Sache nicht eilig erschien - bisher der Bundesregierung noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Dies zur Erklärung dafür, warum bisher die Vorschrift in Art. 95 noch nicht zu einem praktischen Vorschlag geführt hat. ({2})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat Frau Dr. Lüders.

Dr. Dr. h. c. Marie Elisabeth Lüders (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001391, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind dankbar für die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs, eines der besten Kenner jener Vorgänge im Parlamentarischen Rat. Wir sind besonders dankbar, weil wir glauben, daß die Ausführungen den Weg zu dem Ziel erleichtern werden, eine Instanz zu schaffen, die dem Zwecke dient, der jetzt. wie der Herr Staatssekretär sagte, in dem mißglückten Art. 95 festgelegt ist. Ich glaube, es wird sich gemeinsam ein Weg finden lassen, durch eine Änderung des Textes von Art. 95 das zu erreichen, was damals allen vorgeschwebt hat und was wir alle gemeinsam wünschen, nämlich die Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Vizepräsdent Dr. Becker: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt, den Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. - Widerspruch höre ich nicht. Dann darf ich feststellen, daß so beschlossen ist. Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Grundgesetzes ({0}). Wird der Antrag begründet? ({1}) - Es war etwas anderes noch vereinbart: eine Aussprache. ({2}) ({3}) - Dann liegen also keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantrag t, diesen Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, ferner aber auch an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik zu überweisen. Ich lasse abstimmen. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht? Ich bitte um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Wer ist für Überweisung an den Haushaltsausschuß? Ich bitte um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dann darf ich feststellen, daß mit sehr wenigen Stimmen gegen noch weniger Stimmen bei außerordentlich viel Enthaltungen die Überweisung an den Haushaltsausschuß beschlossen ist. ({4}) Ferner ist Überweisung an den Ausschuß für Kommunalpolitik beantragt. ({5}) - Meine Herren, ich muß den Antrag zur Abstimmung stellen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt. Ich komme zu Punkt 15 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verjährung von deutschen Auslandsschulden und ähnlichen Schulden ({6}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({7}) ({8}). ({9}) Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt. Ich bitte Sie, das Wort zu nehmen. Frau Dr. Schwarzhaupt ({10}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Sache selbst kann ich mich auf den Schriftlichen Bericht*) beziehen. Ich habe nur einen Punkt zu ergänzen. In der Drucksache über die Beschlüsse des 16. Ausschusses ist an einer Stelle der Text zu berichtigen. Zu § 1 Abs. 1 am Ende hatte der Ausschuß beschlossen, nur eines zu ändern, nämlich an Stelle der Worte „nach dem Inkrafttreten der vorgesehenen Regierungsvereinbarung" die Worte „nach dem Inkrafttreten der vorgesehenen zwischenstaaatlichen Vereinbarung" zu setzen, im übrigen den Text unberührt zu lassen. In dem Ihnen vorliegenden Text über die Beschlüsse des 16. Ausschusses sind dabei aus Versehen die Schlußworte „oder des vorgesehenen Bundesgesetzes" weggefallen. Dies entspricht nicht dem Beschluß und auch nicht dem Willen des Ausschusses. Ich bitte deshalb, den Text dementsprechend zu ergänzen. Ich darf Ihnen, Herr Präsident, den veränderten Text überreichen. ({11})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich darf dann bitten, zur Aussprache in der zweiten Lesung sowohl die Drucksache 1387 wie auch die Drucksache 2691 zur Hand zu nehmen. *) Siehe Anlage 3. Ich rufe auf § 1. Hier ist, wie soeben von der Frau Berichterstatterin beantragt, am Schluß des § 1 Abs. 2 zu der Fassung des Ausschusses hinzuzufügen: „oder des vorgesehenen Bundesgesetzes". Widerspruch erfolgt nicht. Dann darf ich annehmen, daß der § 1 mit diesem Zusatz angenommen ist. Ich rufe auf § 2 in der Fassung der ursprünglichen Vorlage. - Wortmeldungen liegen nicht vor, Widerspruch ist nicht erhoben. Ich darf feststellen, daß § 2 in der Fassung der ursprünglichen Vorlage angenommen ist. Ich rufe auf § 3. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich nehme an, daß dem § 3 zugestimmt wird. - Es ist so beschlossen. § 4. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf annehmen, daß dem § 4 zugestimmt wird. - Er ist angenommen. Ich rufe die §§ 5, 6 und 7 zusammen auf. Es ist kein Antrag gestellt. Das Wort wird anscheinend nicht verlangt. Ich darf annehmen, daß diese Paragraphen in der vorgeschlagenen Fassung angenommen sind. - Es ist so beschlossen. § 8. Hier liegt die Fassung des Ausschusses vor. Sie ist Ihnen bekannt. Änderungsanträge hierzu sind nicht gestellt. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich stelle fest, daß § 8 in der Ausschußfassung angenommen ist. § 9. Abs. 1 ist dabei in der Fassung der ursprünglichen Vorlage zu lesen, Abs. 2 in der Fassung des Ausschusses. Ich stelle den gesamten § 9 zur Debatte. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich nehme an, daß § 9 in dieser Fassung angenommen ist. - Es ist so beschlossen. § 10. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich nehme an, daß § 10 demgemäß angenommen ist. - Es ist so beschlossen. § 11. Auch hier sind keine Änderungsanträge gestellt. Das Wort wird nicht gewünscht. - § 11 ist in der vorliegenden Fassung angenommen. Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich darf feststellen, daß sie angenommen sind. Damit ist die zweite Lesung dieses Gesetzes beendet. Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich rufe auf das Gesetz im ganzen, die §§ 1 bis 11 in der soeben in zweiter Lesung angenommenen Fassung, dazu Einleitung und Überschrift. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, welche dem Gesetz in der Fassung der zweiten Lesung einschließlich Einleitung und Überschrift zustimmen wollen, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle fest, daß das Gesetz in dritter Lesung angenommen ist. Wir kommen zu Punkt 16 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}). ({3}) Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen. Hoogen ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinsichtlich des Teiles des Gesetzentwurfes, der in der Ausschußberatung gegenüber der Regierungsvorlage keine Änderungen erfahren hat, kann ich zum Zwecke der Abkürzung der Berichterstattung auf den diesbezüglichen Teil der Begründung der Regierungsvorlage verweisen. Ich darf mich in meiner Berichterstattung auf den Teil des Gesetzes beschränken, der in den Ausschußberatungen geändert worden ist, und ich bitte Sie, mir zu gestatten, dazu folgendes zu sagen. Ein in der Regierungsvorlage nicht vorgesehenes Abweichen vom geltenden Recht schlägt der Ausschuß für die Vorschriften vor, die sich mit dem Spruchstellenverfahren befassen. Das Spruchstellenverfahren soll eine einheitliche Feststellung der an alle ausscheidenden Aktionäre, Gesellschafter oder Gewerken zu zahlenden Abfindung ermöglichen. Bisher war jedoch die Anrufung der Spruchstelle durch die Vorschrift eingeschränkt, daß grundsätzlich nur der Übernehmende den Antrag auf Einleitung des Verfahrens stellen konnte. Die Ausscheidenden hatten nur das Recht, beim Wirtschaftsminister zu beantragen, daß dieser vom Übernehmenden die Antragstellung bei der Spruchstelle verlange. Die Ausscheidenden hatten dieses Recht auch nur dann, wenn die Aktien oder Kuxe zum amtlichen Börsenhandel zugelassen waren. Diese Erschwerungen hatten zur Folge, daß nur in sehr seltenen Fällen ein Spruchstellenverfahren durchgeführt wurde. Nach der Regierungsvorlage sollte gegenüber dem bisherigen Rechtszustand die Anrufung der Spruchstelle dadurch erleichtert werden, daß der Umweg über den Wirtschaftsminister wegfallen und einer Minderheit von ausscheidenden Aktionären oder Gewerken ein unmittelbares Antragsrecht eingeräumt werden sollte. Der Rechtsausschuß empfiehlt jedoch, noch einen Schritt weiterzugehen und die Beschränkung auf zum amtlichen Börsenhandel zugelassene Aktien und Kuxe fallenzulassen. Nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses soll das Spruchstellenverfahren zur einheitlichen Festsetzung der Abfindung stets zulässig sein, also insbesondere auch bei Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ferner schlägt der Rechtsausschuß vor, das Verfahren zu vereinfachen und insbesondere abzukürzen, um die schnelle Herbeiführung einer endgültigen Festsetzung der Höhe der Abfindung zu ermöglichen. Der zweite Rechtszug soll ganz wegfallen und statt dessen das Oberlandesgericht in erster und letzter Instanz zuständig sein. Infolgedessen wurden die §§ 37 und 40 Abs. 4 und 5 der Regierungsvorlage ganz gestrichen. Die übrigen Vorschriften über das Verfahren und die Gebühren haben sich dadurch vereinfacht. Der zweite Abschnitt der Regierungsvorlage sollte die im bisherigen Recht nicht geregelte Umwandlung bergrechtlicher Gewerkschaften neueren Rechtes in Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Anlehnung an die Vorschriften des Aktiengesetzes über die Umwandlung bergrechtlicher Gewerkschaften in Aktiengesellschaften ermöglichen. Veranlassung für diese Vorschriften ist ein Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, welches es den Bergbehörden ermöglicht und aufgibt, die Auflösung bergrechtlicher Gewerkschaften herbeizuführen, die kein Bergwerk mehr betreiben. Für die Umwandlung in Aktiengesellschaften dürften diese Unternehmungen nicht immer geeignet sein. Es kann deshalb in manchen Fällen ein Interesse an der Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestehen. Der Ausschuß hält deshalb die in der Regierungsvorlage vorgesehene Regelung für zweckmäßig. Hinsichtlich der Fassung dieser Regelung schlägt er lediglich vor, in § 41 Abs. 2 den Satz 5 der Regierungsvorlage zu streichen, weil eine solche Vorschrift trotz des gleichliegenden Sachverhalts auch in § 25 Abs. 2 des Entwurfs nicht enthalten ist. Sachlich bedeutet das keine Änderung, weil der Grundsatz, daß die Bestätigung von der Bergbehörde nur versagt werden darf, wenn ein öffentliches Interesse entgegensteht, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Vorschrift schon jetzt geltendes Recht war. Im Laufe unserer heutigen Sitzung bin ich von verschiedenen Kollegen gefragt worden, warum in diesem Gesetzentwurf nicht auch die steuerlich vereinfachenden Vergünstigungsvorschriften enthalten seien die auch in der Vergangenheit existierten. Ich darf dazu, weil das auch im Ausschuß besprochen worden ist, folgendes sagen: Rechtssystematisch gehören diese steuerlichen Begünstigungs- und Vereinfachungsvorschriften nicht in dieses Gesetz, sondern in das Steuerrecht, in dem sie sich auch in der Vergangenheit befunden haben. Der Vertreter der Regierung ist im Ausschuß gefragt worden, wie sich die Bundesregierung die steuerliche Regelung in der Zukunft denke. Dazu erfuhren wir, daß das Bundesfinanzministerium beabsichtige, die bisherigen steuerlichen Vergünstigungen als Dauereinrichtung zu übernehmen, und zwar deshalb, weil dieses Gesetz auch als Dauereinrichtung im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen des Handelsgesetzbuches gedacht ist. Wegen der zeitlichen Einbringung und Verabschiedung dieser steuerlichen Bestimmungen ist uns gesagt worden, daß ein entsprechender Gesetzentwurf ausgearbeitet sei, noch im Laufe des Monats September mit den Länderreferenten abgestimmt werde und daß mit der Einbringung noch im Monat Oktober gerechnet werden könne. Das wollte ich zur Ergänzung meines Berichts auf die Anfragen, die an mich gestellt worden sind, noch sagen und Sie im übrigen namens des Rechtsausschusses bitten, dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuß beschlossenen Form Ihre Zustimmung zu geben. ({5})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Bis jetzt liegen Anträge zur Änderung der Ausschußfassung dieses Gesetzentwurfs nicht vor. Darf ich fragen, ob beabsichtigt ist, noch einen Änderungsantrag einzubringen? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich wohl Ihr Einverständnis voraussetzen, daß ich hiermit auch in der zweiten Lesung die §§ 1 bis 49 des Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung zur Beratung stelle. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Da Widerspruch nicht erhoben ist, darf ich annehmen, daß diese Bestimmungen in zweiter Lesung hiermit angenommen sind. Ich rufe Einleitung und Überschrift auf. - Keine Wortmeldungen. - Kein Wider({0}) spruch. Ich darf feststellen, daß auch diese in zweiter Lesung beschlossen sind. Ich rufe den eben genannten Gesetzentwurf zur dritten Beratung auf. Ich rufe §§ 1 bis 49, Einleitung und Überschrift auf. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung in der Fassung, wie sie in der zweiten Lesung beschlossen ist, zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen. Wir kommen zu Punkt 17 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Erleichterung der Einreise in die Bundesrepublik ({1}). Es wird vorgeschlagen, von Begründung und Aussprache abzusehen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. Es wird empfohlen, diesen Antrag an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall; dann ist so beschlossen. Weiter liegt der Antrag vor, den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als federführend zu bezeichnen. - Widerspruch erhebt sich nicht; dann ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Merkblatt für Reisende aus der Sowjetzone ({2}). hier schlägt der Ältestenrat vor, von Begründung und Aussprach abzusehen. Ich darf annehmen, daß darüber Ei vernehmen herrscht. Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen - federführend - und an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Wird Widerspruch erhoben? - Dann stelle ich fest, daß so beschlossen ist. Wir kommen zu Punkt 19 der Tagesordnung: Beratung der Elften Verordnung über Zolltarifänderungen zur Durchführung des Gemeinsamen Marktes der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 29. August 1956 ({3}). Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, von Begründung und Beratung Abstand zu nehmen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Es wird vorgeschlagen. den Verordnungsentwurf an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 20 der Tagesordnung: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zum Verkauf des landwirtschaftlich zu besiedelnden ehemaligen Flugplatzes Wyk/ Föhr ({4}). Der Ältestenrat macht den gleichen Vorschlag wie vorhin, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. - Widerspruch erhebt sich nicht; dann ist so beschlossen. Es wird vorgeschlagen, diese Vorlage an den Haushaltsausschuß zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 21 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts*) des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({5}) über den Antrag der Abgeordneten Ruhnke, Schwann, Geiger ({6}), Elsner und Genossen betreffend Vorschriften über die Düngung von Obst und Gemüse ({7}). Berichterstatterin ist die Frau Abgeordnete Dr. Hubert. - Es wird auf Berichterstattung verzichtet; ich danke der Berichterstatterin. Darf ich fragen, ob das Wort gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Ausschusses in der Drucksache 2574 [neu] liegt Ihnen vor. Diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wollen, bitte ich um das Handzeichen. - Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen. Wir kommen zu Punkt 22 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen ({8}). Der Ältestenrat schlägt vor, auf Begründung und auf Debatte zu verzichten. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Es ist vorgeschlagen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als federführenden Ausschuß und ferner an den Ausschuß für Verteidigung zu überweisen. -- Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Wir kommen zu Punkt 23 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht 18 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 25. September 1956 ({9}). Ich eröffne die Beratung. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte, die Drucksache 2705 für die Abstimmung zur Hand zu nehmen. Der Antrag unter A I geht dahin, die auf den Seiten 1 bis 17 genannten Petitionen durch Erteilung eines mit Gründen versehenen Bescheides, der sich auf Maßnahmen oder Erklärungen der Bundesregierung oder anderer Behörden stützt, für erledigt zu erklären. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Ich stelle zur Abstimmung den Antrag unter A II auf Seite 17, die dort genannten Petitionen der Bundesregierung als Material zur Verwertung bei der Gesetzgebung zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Unter A III auf Seite 17 lautet der weitere Antrag, die genannten zwei Petitionen an die Landtage der einzelnen Länder zuständigkeitshalber zur weiteren Veranlassung zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Hand- *) Siehe Anlage 4. ({10}) zeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Ich stelle zur Abstimmung den Antrag unter B. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Ich stelle zur Abstimmung den Antrag unter C, die nachstehende Petition zur Beratung im Bundestag für nicht geeignet zu erklären. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. D I. - Der Ausschuß beantragt, die darunter genannten Petitionen der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. D II. - Wer dem Antrag, die hierunter genannten Petitionen der Bundesregierung als Material zur Verwertung bei der Gesetzgebung zu überweisen, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. E I. - Der Ausschußantrag geht dahin, die unter E I genannte Petition der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. E II. - Wer dem Antrag des Ausschusses, die genannten drei Petitionen der Bundesregierung zur Erwägung zu überweisen, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen und bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. E III. - Der Ausschuß beantragt, die hierunter genannten Petitionen der Bundesregierung als Material zur Verwertung bei der Gesetzgebung zu überweisen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Wir kommen zu Punkt 24 der Tagesordnung: Erste Beratung des von den Abgeordneten Huth, Dr. Hesberg, Lücke, Frau Dr. Maxsein, Dr. Will und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ersten Bundesmietengesetzes (Drucksache 2059 [neu]. Die Drucksache liegt Ihnen vor. Der Ältestenrat schlägt vor, auch hier auf Begründung und Aussprache zu verzichten. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Es wird vorgeschlagen, diese Vorlage an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe hiermit die nächste, die 163. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 10. Oktober 1956, 15 Uhr, in Berlin-Charlottenburg, Technische Universität. Ich danke Ihnen und schließe die Sitzung.