Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Haus bekanntgeben, daß mich gestern der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika, Mr. Conant, aufgesucht hat. Er hat mir eine Resolution des Senats der Vereinigten Staaten überreicht. Sie hat folgenden Wortlaut:
Der Senat der Vereinigten Staaten beschloß am 7. Juni 1956, anläßlich der Enthüllung einer Büste von Carl Schurz in der Universität Bonn dem Deutschen Bundestag seine freundschaftlichen Grüße zu entbieten.
({0})
Meine Damen und Herren! Bei dieser Gelegenheit habe ich dem Herrn amerikanischen Botschafter die aufrichtige Anteilnahme des Deutschen Bundestages
({1})
zu dem schweren Flugzeugunglück in den Vereinigten Staaten, das 128 Menschenleben gekostet hat, ausgesprochen.
Wir gedenken in Anteilnahme der Opfer dieser schwersten Katastrophe der zivilen Luftfahrt. - Sie haben sich zu ihrem Gedenken erhoben. Ich danke Ihnen.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 29. Juni 1956 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über die am 22. März 1956 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden über deutsche Vermögenswerte in Schweden, über die Wiederherstellung gewerblicher Schutzrechte und zum deutschen Lastenausgleich,
Gesetz betreffend das Abkommen über die Internationale Finanz -Corporation und betreffend Gouverneure und Direktoren in der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, in der Internationalen Finanz -Corporation und im Internationalen Währungsfonds,
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer In den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie.
Außerdem hat der Bundesrat in der gleichen Sitzung beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß einberufen wird. Die Gründe hierfür sind in Drucksache 2579 angegeben.
Mit Schreiben vom 28. Juni 1956 hat der Stellvertreter des Bundeskanzlers das Gesetz über die Vereinbarung vom 12. November 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Patente für gewerbliche Erfindungen ({2}) im Hinblick auf die nachträgliche Streichung des Art. 4 der Vereinbarung zurückgezogen. Der neue Entwurf eines Gesetzes über die Vereinbarung vom 12. November 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über Patente für gewerbliche Erfindungen ist dem Bundesrat bereits zugeleitet worden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Rasner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, die heutige Tagesordnung zu erweitern um den Tagesordnungspunkt:
Entwurf eines Wehrpflichtgesetzes - Drucksache 2303 - Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung - Drucksache 2575.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß wir alle hier in diesem Hause weder in dieser Geschäftsordnungsdebatte noch anschließend in der Sachdebatte über das Wehrpflichtgesetz so billigen Argumenten wie den Schlagworten durchpeitschen", „Hetzjagd" oder „leichtfertig" begegnen.
({0})
Tage wie diese - ({1})
Meine Damen und Herren, einen Augenblick bitte! Wenn dieser Geschäftsordnungsantrag durchgeht, wird das Haus noch viel Gelegenheit haben, darüber zu sprechen. Ich bitte doch, den Redner in Ruhe anzuhören.
Fahren Sie bitte fort!
Tage wie diese sind zu bedeutungsvoll,
({0})
als daß sie mit Phrasen bestritten werden können. Wer Vokabeln dieser Art gebraucht, tritt uns, den Fraktionen der Regierungskoalition, aber auch jedem einzelnen von uns persönlich zu nahe.
({1})
Vor allem aber tritt er dem parlamentarischdemokratischen System zu nahe.
({2})
Wer dem politischen Gegner - ({3})
Meine Herren, ich muß dringend bitten, daß Sie nun Ruhe bewahren und den Redner aussprechen lassen.
Wer dem politischen Gegner in diesem einzigen frei gewählten deutschen Parlament mangelnde Gewissensprüfung oder Leichtfertigkeit unterstellt, schwächt letzten Endes in
({0})
den Augen unserer Bevölkerung das Ansehen des parlamentarisch-demokratischen Systems.
({1})
Niemand in den Koalitionsfraktionen bestreitet, daß die Opposition aus ernster, in ständiger Gewissenserforschung gewonnener Überzeugung
({2})
der zweiten und dritten Lesung des Wehrpflichtgesetzes widerspricht. Niemand in der Opposition aber sollte auch bestreiten, daß die Regierungskoalition vor ihrer hier dargelegten Willensbekundung die gleiche Gewissenserforschung mit dem gleichen Ernst betrieben hat.
({3})
Wir alle hier in diesem Hause sind frei gewählte Parlamentarier eines demokratischen Rechtsstaates. Infolgedessen haben wir alle hier bei allen Kontroversen eine gemeinsame Verpflichtung, und diese Verpflichtung geht dahin, unter Achtung vor den Argumenten des politischen Gegners unsere Auseinandersetzung so auszutragen, daß der Deutsche Bundestag als die repräsentative Vertretung der deutschen Staatsbürgerschaft nicht nur im Verstande, sondern auch im Fühlen unseres Volkes den gebührenden Platz einnimmt. Die Fraktionen der Regierungskoalition hoffen, daß zu keiner Minute der bevorstehenden Debatte diese Besinnung auf unsere gemeinsame Verpflichtung als demokratische Parlamentarier vergessen wird, und sie bitten nicht zuletzt vor diesem Hintergrund um die Zustimmung des Hauses zu ihrem Antrag zur Tagesordnung.
({4})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner auf Erweiterung der Tagesordnung gehört.
Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn eine Rede hätte gehalten werden müssen, um zu beweisen, wie un-tunlich es ist, die zweite Lesung des Wehrpflichtgesetzes heute abzuhalten, dann war es die Rede, die eben der Kollege Rasner gehalten hat.
({0})
Die Rede - trotz ihres versöhnlichen Ausklangs - bedeutete in ihren ersten Sätzen, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes heute als bewußte Herausforderung an die Opposition gedacht ist.
({1})
Sie wissen dabei genau, daß Sie damit nicht nur auch die inzwischen aus der früheren Regierungskoalition in die Opposition übergegangenen Abgeordneten in die Herausforderung einbeziehen, sondern daß Sie in Wahrheit die Mehrheit des deutschen Volkes mit dieser Einbeziehung herausfordern.
({2})
Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihrem Gedanken einen besonders schlechten Dienst erweisen wollten, dann war es die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in dieser Atmosphäre, die Sie geschaffen haben.
({3})
Das Gesetz ist nicht so dringend, wie uns gesagt wird. Berufene Leute, z. B. der Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten, sind davon überzeugt, daß kein Anlaß zu Überstürzung von Entscheidungen auf dem Gebiete der Rüstung besteht. Wir sind hier in die Lage versetzt worden, Ihnen ohne weiteres bescheinigen zu sollen, daß die Beratungen dieses Gesetzes so sorgfältig wie nur möglich gewesen seien. Das ist nicht wahr!
({4})
Wenn wir im Ausschuß die Beratungen beendet haben, dann doch nur, weil Sie von Anfang an keinen Zweifel über den Schlußtermin der Beratungen gelassen haben und infolgedessen die Opposition darauf verzichten mußte, manche Fragen wirklich zu klären, damit nicht ganze Pakete von Fragen überhaupt völlig ungeklärt in dieses Haus gebracht wurden.
({5})
Meine Damen und Herren, eine ganze Reihe von Problemen ist im Verteidigungsausschuß so gut wie gar nicht bis in die Tiefe hinein diskutiert worden, wie es eigentlich nötig gewesen wäre.
({6})
Wir haben durch diese Art der Terminfestsetzung einen als wertvoll bekannten Berichterstatter des Hauses, den Kollegen Kliesing, der sich immer um eine objektive und umfassende Berichterstattung bemüht hat, in die unangenehme Lage gebracht, einen Torso von Bericht hier vorzulegen, in dem zu einem großen Teil sogar insofern die Geschäftsordnung verletzt worden ist, als die Ausführungen der mitberatenden Ausschüsse gar nicht oder zumindest nicht in der gebührenden Weise zum Ausdruck gekommen sind.
({7})
Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus ist in diesem Bericht z. B. über die Gedankengänge, die von den beiden christlichen Konfessionen - und das sollte Ihnen etwas sagen - zur Frage der Kriegsdienstverweigerung vorgetragen worden sind, nicht unterrichtet worden.
({8})
Gestern haben wir den Besuch von fünf Vertretern der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands in diesem Hause gehabt. Diese Männer haben uns die schweren Bedenken vorgetragen und uns eindringlich darauf aufmerksam gemacht, welche Konsequenzen mit einer Entscheidung über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für unser ganzes deutsches Volk und insbesondere für die Deutschen verbunden sind, die dazu verurteilt sind, in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands zu leben.
({9})
Meine Damen und Herren, können Sie mit gutem Gewissen sagen, daß Sie dieses Problem so sorgfältig geprüft und - ich wende mich jetzt an die evangelischen Christen unter Ihnen - im Bewußtsein für die Verantwortung für unsere evan({10})
gelischen Gliedkirchen in der Zone drüben so sorgfältig erwogen haben, daß Sie imstande sind, eine Entscheidung zu fällen?
({11})
Wir haben in der ersten Lesung auf diese Frage nur aufmerksam gemacht. Die Bundesregierung ist mit einer Handbewegung über das ganze Problem hinweggegangen; es existiert für sie nicht.
({12}) Das Gesetz ist ein Torso.
({13})
Nicht einmal die Dauer der Dienstzeit enthält es. Sie beschließen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und lassen damit diejenigen, die es angeht, im unklaren, ob Sie sie sechs Monate oder fünf Jahre einzuziehen gedenken.
({14})
--- Meine Damen und Herren, dann bekennen Sie doch, was Sie wirklich zur Gänze mit der Einführung der Wehrpflicht beabsichtigen!
({15})
Sie meinen, man brauche das Wehrpflichtgesetz, weil es nicht genug Freiwillige für die Bundeswehr gebe, wie die Zahl der Übertritte von Grenzschutzbeamten zur Bundeswehr bewiesen habe.
({16})
Wissen Sie, was das beweist? Das beweist, welche Unterlassungssünden Sie begangen haben: das Wehrpflichtgesetz jenen Gesetzen vorzuziehen, die Sie eigentlich brauchen, um auf der bisherigen Grundlage der Freiwilligkeit erst einmal die Bundeswehr in vernünftiger Weise auszugestalten.
({17})
Es gibt kein Organisationsgesetz. Die Bestimmungen über die Besoldung, die Bestimmungen über die Versorgung, all das, was der Soldat wissen muß, bevor er sich hier überhaupt entscheiden kann, haben Sie ihm bisher zu wissen versagt. Und dann wundern Sie sich, daß es keine Freiwilligen gibt, und glauben nun, nur auf den Zwang zurückgreifen zu müssen!
({18})
Und ein Letztes, meine Damen und Herren! Wenn diese Entscheidung, die in der Tat wichtig ist, Ihnen wirklich so dringend am Herzen gelegen hätte, dann hätten Sie dafür gesorgt, daß der Herr Bundeskanzler bei jeder Lesung dieses Gesetzes dabei ist.
({19})
Beratungen von solcher Tragweite finden in keinem parlamentarischen Lande der Welt in Abwesenheit des Regierungschefs statt.
({20})
Ich bitte, dem Antrag der Fraktion der Christlichen Demokraten nicht zu entsprechen.
({21})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Bucher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der FDP habe ich die Ehre, zu beantragen, statt des Wehrpflichtgesetzes unseren Antrag Drucksache 2604 auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Der Antrag enthält den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung von Wehrersatzbehörden.
Ich möchte hier nicht in eine Auseinandersetzung darüber eintreten, was billiger ist, die von Herrn Rasner zitierten Schlagworte oder die Art und Weise, wie er sie an die Spitze einer Geschäftsordnungsdebatte gestellt hat.
({0})
Der Sinn unseres Antrages geht dahin, zu zeigen, daß wir nicht etwa die vertraglich übernommenen Verpflichtungen der Bundesrepublik zum Aufbau von Streitkräften irgendwie beeinträchtigen möchten, sondern wir ziehen damit die Bestimmung des Wehrpflichtgesetzes, die wirklich für den Aufbau der Bundeswehr notwendig ist, vor, nämlich den § 14, der sich mit dem Aufbau der Wehrersatzbehörden befaßt. Es wurde ja für die Dringlichkeit des Wehrpflichtgesetzes vor allem dieser Paragraph als Begründung angegeben, d. h. der Umstand, daß diese Behörden möglichst schnell aufgebaut werden müssen. Dies erreichen wir aber mit unserem Antrag genauso gut wie mit einem bruchstückhaften Wehrpflichtgesetz. Außerdem hat dieser Antrag seinen Sinn, gleichviel ob die Wehrpflicht kommt oder nicht, gleichviel wie sie aussieht und von welcher Dauer sie ist.
Ich darf Ihnen deshalb empfehlen, diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. Bucher, wenn ich Sie recht verstanden habe, widersprechen Sie dem Antrag Rasner und wollen heute an Stelle der Drucksache 2575 die Drucksache 2604 behandelt haben.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner der weitergehende ist. Wir kommen also zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner, heute die Drucksache 2575, also die Wehrpflicht, in zweiter Beratung
({0})
- als Punkt 2 - auf die Tagesordnung zu setzen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; der Antrag des Herrn Abgeordneten Rasner ist angenommen.
Herr Abgeordneter Bucher, wollen Sie jetzt Ihren Antrag erweitern? Wollen Sie ihn zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzt haben?
({1})
- Sie lassen ihn fallen? - Dann brauchen wir darüber nicht mehr abzustimmen. Meine Damen und Herren, wir setzen dann die zweite Lesung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes, Drucksache 2575, als Punkt 2 auf die Tagesordnung.
({2})
I Damit komme ich zur Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1:
Wahl eines weiteren Stellvertreters des Präsidenten.
Ich darf dazu bekanntgeben, daß die Fraktion der FDP als weiteren Vizepräsidenten den Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({3}) vorgeschlagen hat. Dieser Vorschlag wird von allen Fraktionen des Hauses, soweit ich sehe, mit Ausnahme des GB/BHE, unterstützt.
Ich unterstelle das Einverständnis des Hauses, daß diese Wahl durch Zuruf vorgenommen wird. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Wahl des Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({4}) zum Stellvertreter des Präsidenten sind, ein Handzeichen zu geben. - Gegenprobe! -- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Vorschlag angenommen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Becker, der krankheitshalber entschuldigt ist, hat mir die Bereitschaft zur Annahme der Wahl schriftlich mitgeteilt. Ich darf den Herrn Abgeordneten Dr. Becker zu der Wahl beglückwünschen. Die Wahl ist gültig für die Dauer der Legislaturperiode.
Das Wort zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE habe ich zu der soeben vorgenommenen Wahl des Herrn Vizepräsidenten Dr. Becker folgende Erklärung abzugeben:
Die Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/ BHE hat der Wahl des Herrn Abgeordneten Dr. Becker zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages zugestimmt, weil sie der Ansicht ist, daß die Fraktion der FDP auf Grund ihrer Fraktionsstärke einen berechtigten Anspruch auf die Stellung eines Vizepräsidenten in diesem Hohen Hause hat. Die Fraktion des GB/BHE kann jedoch die mit dieser Wahl verbundene Vermehrung der Zahl der stellvertretenden Präsidenten nicht ohne Widerspruch hinnehmen
({0})
und hat aus diesem Grunde schon ihre Zustimmung zu dem Vorschlag als solchem versagt.
({1})
Der Präsident und seine Stellvertreter werden vom Deutschen Bundestag für die Dauer der Wahlperiode gewählt. Die Zahl der Stellvertreter wird interfraktionell vereinbart; sie werden nach parlamentarischem Brauch von den Fraktionen nach ihrer Stärke gestellt. Die zu wählenden Persönlichkeiten werden dem Parlament von den Fraktionen auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses vorgeschlagen. Wenn die für die Wahl bestimmenden Tatbestände sich im Laufe der Wahlperiode ändern oder wegfallen, muß erwartet werden, daß dann auch von den Gewählten diesen veränderten Verhältnissen Rechnung getragen wird.
({2})
Die jederzeitige Niederlegung des Amtes ist in der
Geschäftsordnung ausdrücklich vorgesehen. Sie
könnte in dem vorliegendem Falle zu einer Lösung
führen, welche unseren Forderungen und den Erfordernissen eines guten parlamentarischen Stils gerecht wird.
({3})
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun auf den Punkt 2:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Wehrpflichtgesetzes ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({1}) ({2}).
({3})
({4})
-- Zu Punkt 2 zur Geschäftsordnung? Das Wort zur
Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle zu diesem Punkt zwei Anträge: erstens, angesichts der Bedeutung und der Tragweite des Gegenstandes den Herrn Bundeskanzler herbeizurufen
({0})
- das ist nicht unsere Schuld; der Herr Bundeskanzler hat gewußt, daß Sie heute die zweite Lesung vornehmen lassen wollten -,
({1})
und zum zweiten, auf keinen Fall in die Beratungen einzutreten, bevor die Drucksachen vollständig verteilt sind.
({2})
Meine Damen und Herren, wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Der Herr Vizekanzler als Stellvertreter des Herrn Bundeskanzlers!
({0})
Dr. h. c. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in aller Kürze darauf hinweisen, daß der Herr Bundeskanzler ganz selbstverständlich das Bestreben hat,
({1})
zu der Zeit und an der Stelle dem Hause zur Verfügung zu stehen, wo nach der üblichen Behandlung von Gesetzesvorlagen die Grundsatzfragen erörtert werden. Das ist die dritte Lesung. Der Herr Bundeskanzler wird alles tun, um in diesem Augenblick, wo es sich um die grundsätzliche Erörterung handelt, also bei der dritten Lesung, dem Hause zur Verfügung zu stehen.
({2})
Ich glaube, damit ist das, was von ihm erwartet werden kann, erfüllt.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde die Erklärung des Herrn Stellvertreters des Herrn Bundeskanzlers erstaunlich.
({0})
Er scheint der Meinung zu sein, daß über Grundsatzfragen nur in der allgemeinen Aussprache dritter Lesung diskutiert wird.
({1})
Aber eine ganze Reihe von Paragraphen der Vorlage, die Sie auf die Tagesordnung gesetzt haben, enthalten Grundsatzfragen!
({2})
Sie können über eine ganze Reihe dieser Bestimmungen nicht abstimmen, ohne sich über Grundsatzfragen verständigt zu haben.
({3})
Ich kann mir nicht vorstellen, daß in irgendeinem Parlament der Welt der Chef der Regierung auf die Ehre verzichten würde, zu diesen Grundsatzfragen selbst Stellung nehmen zu können.
({4})
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, den Herrn Bundeskanzler herbeizurufen. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({0})
Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({1})
Herr Abgeordneter Erler, wenn ich recht verstanden habe, wünschen Sie, daß die Beratung dieses Punktes so lange abgesetzt wird, bis die Drucksachen verteilt sind. Ich muß dazu feststellen, daß die amtlichen Drucksachen verteilt sind,
({2})
daß aber Änderungsanträge eingebracht sind, die offenbar noch nicht alle verteilt sind. Ich sehe, daß sie gerade hier verteilt werden. Wenn Sie den Antrag einbringen wollen, diesen Punkt auf jeden Fall deshalb abzusetzen, dann lasse ich darüber abstimmen.
Herr Präsident, bei der Bedeutung dieses Gegenstandes halte ich es auch nicht für möglich, daß die größte Fraktion des Hauses etwa den Standpunkt bezieht: Wir kennen die Anträge der Opposition nicht, aber wir lehnen sie ab.
({0})
Unter diesen Umständen bitte ich, den Fraktionen Gelegenheit zu geben, sich in einer halben Stunde mit den Anträgen zu beschäftigen, weil ich doch noch die Hoffnung habe, daß auch die Mehrheitsparteien dieses Hauses bereit sind, sich mit dem Inhalt der Anträge so weit vertraut zu machen, daß es nicht zu schematischen Abstimmungen kommt, sondern daß ohne Rücksicht auf die Herkunft des Antrags wenigstens der sachliche Inhalt geprüft wird.
({1})
Herr Abgeordneter Erler, ich verstehe also recht: Sie beantragen die Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde?
({0})
-- Es ist also jetzt der Antrag gestellt, um 9 Uhr 30 zu unterbrechen und um 10 Uhr das Haus wieder zusammentreten zu lassen.
Dazu Herr Abgeordneter Dr. Jäger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst hat Herr Kollege Erler beantragt, die Sitzung zu unterbrechen, weil die Drucksachen - womit wohl das Gesetz gemeint war - ({0})
- Ah, es waren von Anfang an Ihre Anträge gemeint. Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Anträge verspätet einreichen, ist es Ihre Schuld.
({1})
Außerdem haben wir diese Ihre Meinung bereits im Sozialdemokratischen Pressedienst zu einem großen Teil lesen können.
({2})
Zum dritten sind wir der Auffassung, daß nicht der Text Ihrer Anträge, sondern die Begründung, die Sie uns vortragen, uns überzeugen könnte. Wir sind gerne bereit, diese Ihre Begründung entgegenzunehmen und Punkt für Punkt zu überprüfen. Eine Unterbrechung aus diesem Anlaß war in sechs Jahren Deutscher Bundestag noch nicht üblich und werden wir auch an diesem Punkt nicht mitmachen.
({3})
Einen Augenblick! Es liegen mehrere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung vor. Ich gebe zunächst Herrn Dr. Menzel das Wort. Sie haben sich zuerst gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jaeger, es tut mir leid, Ihnen in aller Öffentlichkeit bescheinigen zu müssen, daß Sie unanständig gehandelt haben.
({0})
Entweder haben Sie sich vorher erkundigt, dann haben Sie gewußt, daß wir gestern nachmittag die Anträge eingereicht haben mit der Bitte an die Verwaltung, sie sofort zu vervielfältigen und zu verteilen; oder Sie haben sich nicht erkundigt, dann ist es ebenso unanständig, hier unbewiesene Behauptungen aufzustellen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte dringend, vor allem die beleidigenden Zurufe her und hin sein zu lassen.
({0})
Er hat wirklich gar keinen Zweck und ist gegen die Würde des Hauses.
({1})
Zweitens, meine Damen und Herren: hier werden Ordnungsrufe
({2})
- lassen Sie mich bitte jetzt endlich auch etwas sagen - nur für das erteilt, was der Präsident selber hört. Es hat keinen Zweck, mir zu sagen: Wir haben diese oder jene Beleidigung gehört. Das kann ich nicht bestrafen. Bestraft wird das, was ich hier selber höre. - Nun lassen Sie diese Sache bitte sein und lassen Sie uns in aller Ruhe, wenn leider auch hart, die Geschichte zu Ende bringen.
Wird weiter das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Krone!
({3})
-- Sie haben sich zweimal gemeldet. Ich erteile das Wort nach eigenem Ermessen zur Geschäftsordnung.
({4})
Ich kann nicht zwei, drei Redner von der gleichen Fraktion zur Geschäftsordnung hintereinander reden lassen. Ich bitte, das zu verstehen.
({5})
Ich möchte noch einmal, Herr Kollege Wehner, den Versuch machen, zu erreichen, daß wir diese für uns alle sehr wichtige Debatte in Ruhe
({0})
- wollen Sie mich nicht aussprechen lassen!? - und in Anerkennung - ({1})
Ich will noch einmal den Versuch machen, diese für uns alle wichtige Debatte so durchzuführen, wie es die Sache selber erfordert.
Ich betone noch einmal, daß wir Ihren Standpunkt der Ablehnung als einen Standpunkt, den Sie seit langer Zeit vertreten haben, respektieren. Ich habe die Bitte, daß Sie unseren Standpunkt genau so respektieren. Wir werden alles tun, um die Debatte so durchzuführen, wie ich es eben gesagt habe. Daß Sie alle parlamentarischen Mittel, die Ihnen zur Verfügung stehen, gebrauchen werden, auch das will ich unterstellen. Aber wenn Sie jetzt beantragen, eine halbe Stunde zu unterbrechen, so muß ich sagen: Sie haben doch Gelegenheit, Ihren Standpunkt bei jedem einzelnen Punkt so ausführlich darzulegen, wie es die Sache verlangt. Meine Bitte geht also dahin, unsere Arbeiten doch mit solchen Mitteln nicht zu erschweren.
({2})
Wird weiter das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? - Herr Abgeordneter Wehner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Feststellungen des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger veranlassen mich zu der Feststellung, daß der Ausschuß für Verteidigung seine Schlußabstimmung in der zweiten Lesung dieses Gesetzes vorzunehmen hatte, ohne daß den Abgeordneten die Bestimmungen, d. h. die Texte des Gesetzes überhaupt vorgelegen haben.
({0})
Sie können in dieser Weise in der zweiten Beratung dieses Gesetzes hier im Plenum nicht fortfahren. Man muß zumindest die Texte vor sich haben. Sie können nicht eine solche Atmosphäre in diese Beratung hineintragen.
({1})
Meine Damen und Herren, weiter erteile ich zu diesem Antrag das Wort zur Geschäftsordnung nicht.
({0})
Der Antrag ist gestellt, die Sitzung für eine halbe Stunde zu unterbrechen, also bis 10 Uhr 5 auszusetzen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit.
({1})
Der Antrag ist abgelehnt.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ollenhauer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Verlauf der bisherigen Abstimmungen beantrage ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion eine Unterbrechung der Sitzung, damit die sozialdemokratische Fraktion sich mit der jetzt geschaffenen Sachlage beschäftigen kann.
({0})
Herr Abgeordneter, darf ich fragen, wie lange?
({0})
- Eine Stunde. - Sie haben den Antrag des Herrn Vorsitzenden der SPD-Fraktion gehört, für eine Stunde zu unterbrechen. Herr Dr. Krone!
({1})
- Die CDU/CSU stimmt zu. Ich glaube, wir brauchen dann darüber nicht abzustimmen. Das Haus ist mit dieser Unterbrechung für eine Stunde einverstanden. Ich berufe die Sitzung wieder auf 10 Uhr 35.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({2})
Die Sitzung wird um 11 Uhr 4 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Herr Abgeordneter Ollenhauer - zur Geschäftsordnung?
({0})
({1})
- Eine Erklärung nach § 36?
({2})
- Herr Abgeordneter, ich unterstelle, daß Sie eine Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung abgeben wollen. Der Präsident kann sich die Erklärung vorlegen lassen. Ich verzichte darauf.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion eine Erklärung abgeben.
Für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion war die Debatte über die Frage der zweiten Lesung des Wehrpflichtgesetzes heute morgen eine fast unerträgliche Zumutung.
({0})
Der erste Teil der Rede des Herrn Rasner war eine offene Provokation.
({1})
Die Bemerkung, die der Herr Kollege Dr. Jaeger im Zusammenhang mit unserem Antrag auf Unterbrechung der Sitzung für eine halbe Stunde im Hinblick auf die Information über den sachlichen Inhalt der sozialdemokratischen Änderungsanträge gemacht hat, ließ eine außerordentlich bedenkliche Nichtachtung
({2})
des Standpunktes der sozialdemokratischen Opposition in diesem Hause erkennen.
Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler an der zweiten Lesung des Gesetzes, das Sie selber immer wieder als das Kernstück der Ausführungsgesetze zu den Pariser Verträgen bezeichnet haben, nicht teilnimmt, ist eine Nichtachtung des Parlaments, die einer parlamentarischen Demokratie unwürdig ist.
({3})
Die Verantwortung für diesen Tatbestand trägt nicht nur der Herr Bundeskanzler, die tragen Sie alle, die Sie den. Antrag auf Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers abgelehnt haben. Ich kenne keinen Fall in der Geschichte eines Parlaments der Demokratien, wo sich das Haus - ohne Rücksicht auf Opposition oder Koalition - ein solches Verhalten des Regierungschefs gegenüber dem Parlament hätte auch nur eine Minute gefallen lassen.
({4})
Alle diese Gründe reichen aus, jede Reaktion der sozialdemokratischen Fraktion gegenüber Ihrem Verhalten verständlich zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich sage Ihnen mit allem Ernst und mit aller Offenheit: Wenn unsere Fraktion sich trotz schwerster Bedenken entschlossen hat, hier heute morgen wieder im Saal zu erscheinen, dann hat uns dabei nur ein Interesse geleitet, nämlich unsere Verantwortung gegenüber den jungen Menschen in unserem Lande, die von diesem Gesetz in entscheidender Weise betroffen werden.
({5})
Wir werden hier bei der zweiten Lesung von allen Rechten, die uns die Geschäftsordnung gibt, Gebrauch machen,
({6})
um unsere vorliegenden Anträge zu begründen und für ihre Annahme zu kämpfen. Wir werden auf nichts verzichten, und ich möchte hinzufügen - damit Sie genau wissen, wo Sie und wir stehen-: von Ihrem Verhalten in der Sache und in der Form bei dieser zweiten Lesung wird das weitere Verhalten der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion abhängen.
({7})
Meine Damen und Herren, diese Situation haben Sie und niemand anders herbeigeführt.
({8})
Glauben Sie doch nicht, daß wir uns hier Ihrem Terror widerspruchslos fügen.
({9})
- Sie hätten bei einigen Äußerungen Ihrer Redner heute morgen einmal „Pfui" rufen sollen; dann hätten Sie der Demokratie einen besseren Dienst erwiesen.
Meine Damen und Herren! Ich teile Ihnen mit, daß sich die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ihr Verhalten bei der dritten Lesung dieses Gesetzes in vollem Umfange vorbehält. Meine Damen und Herren, die Verantwortung für die Dinge, die sich da entwickeln können, und für das Ansehen des Parlaments gegenüber unserem Volke liegt bei Ihnen.
({10})
Meine Damen und Herren, ich habe diese Erklärung zugelassen, ohne sie mir vorher vorlegen zu lassen.
Ich hätte diese Erklärung nicht akzeptiert, wenn die Ausdrücke „Provokation" und „Terror" mir vorher bekannt gewesen wären.
({0})
Ich appelliere an alle Seiten des Hauses, nunmehr zur Sachlichkeit zurückzukehren.
({1})
- Ich appelliere an alle Seiten des Hauses, nunmehr zur Sachlichkeit zurückzukehren.
({2})
Ich gebe zunächst dem Herrn Berichterstatter das Wort für seinen Bericht. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kliesing.
Dr. Kliesing ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im wesentlichen kann ich mich in meinem mündlichen Bericht unter Verweisung auf den Ihnen vorliegenden Schriftlichen Bericht*) auf einige zusammenfassende und ergänzende Bemerkungen beschränken. Jedoch zwingt mich die Tatsache, daß dieser Schriftliche Bericht heute bereits einer Kritik unterzogen worden ist, zu folgender Feststellung. Ich habe in meiner Eigenschaft als Berichterstatter im Ausschuß für Verteidigung die Frage gestellt, in welcher Form die Gutachten im Schriftlichen Bericht gewürdigt werden sollen. Darauf ist ins-
*) Siehe Anlage 2.
({4})
besondere von sozialdemokratischer Seite gesagt worden, es sei untunlich, die Gutachten, die erstattet worden seien, in den Schriftlichen Bericht einzubauen; und der amtierende Vorsitzende, der Kollege Erler, hat damals vorgeschlagen, sich darauf zu beschränken, zu sagen, der Ausschuß habe in folgenden Fragen Sachverständige gehört. Diese Auffassung hat die Zustimmung des gesamten Ausschusses für Verteidigung gefunden. Ich muß also mit allem Nachdruck feststellen, daß der Berichterstatter nach dem Beschluß des Verteidigungsausschusses nicht in der Lage gewesen ist, auf die Gutachten mehr einzugehen, als das geschehen ist. Ich wäre in der Lage, zur Erhärtung dieser Feststellung gegebenenfalls das Stenographische Protokoll des Ausschusses zu zitieren.
({5})
Meine Damen und Herren! Der Verteidigungsausschuß hat dieses Gesetz eingehend beraten und seine Beratungen am vorigen Mittwoch abgeschlossen. Das gleiche kann ich von dem mitberatenden Rechtsausschuß sagen. Ich halte es für die Pflicht des Berichterstatters, dem Rechtsausschuß den besonderen Dank des Verteidigungsausschusses dafür auszusprechen, daß er unsere Beratungen in sehr schwierigen Fragen außerordentlich gefördert hat.
Im Verteidigungsausschuß selbst sind die Beratungen in drei Abschnitte gegliedert worden. Zunächst einmal hat der Verteidigungsausschuß Gutachten entgegengenommen. Er hat fünf Sachverständige zur Frage der Kriegsdienstverweigerung geladen. Er hat dann fünf Vertreter von Berufsorganisationen und ähnlichen Instanzen zur Frage „Wehrpflicht und Berufsausbildung" gehört. Schließlich hat er noch vier Sachverständige zu rein militärfachlichen Fragen einvernommen. Ich darf mich hier darauf beschränken, festzustellen, daß die Benennung aller dieser insgesamt 14 Sachverständigen im Ausschuß einmütig erfolgt ist.
Anschließend sind die grundlegenden Probleme des Gesetzes in erster Lesung in Form einer Generaldebatte behandelt worden, und in der zweiten Lesung hat die Einzelberatung mit der Formulierung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs stattgefunden.
Nun zum Gesetz selbst. Ich kann hier darauf verzichten, noch einmal die Argumente und Gegenargumente zum ersten und grundlegenden Problemkreis, nämlich der Frage der Wehrpflicht, zu zitieren, und darf mich auf das Ergebnis der Einvernahme der Sachverständigen beschränken. Die Sachverständigen hielten einmütig, natürlich nur vom militärfachlichen Gesichtspunkt aus, einen deutschen Verteidigungsbeitrag in Höhe von 500 000 Mann und auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht für notwendig.
Eine weitere Gegensätzlichkeit in der Beurteilung des Gesetzentwurfs ergab sich bei der Frage der Dauer der Dienstpflicht. Hier vertrat die Mehrheit die Auffassung, das Wehrpflichtgesetz sollte möglichst vor den Parlamentsferien verabschiedet werden, um der Bundesregierung die Möglichkeit zu geben, eine Wehrersatzorganisation aufzubauen. Es sollten deshalb alle Faktoren ausgeklammert werden, die die Verabschiedung des Gesetzes verzögern könnten. Die Minderheit hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, daß damit dem Gesetz ein wesentlicher Bestandteil weggenommen werde, daß das, was übrigbleibe, nicht ausreiche und daß man, wenn man schon ein Wehrpflichtgesetz verabschiede, darin eben auch die Dauer des Grundwehrdienstes und der Übungen festlegen müsse.
Der zweite Problemkreis umfaßt die Ausnahmen vom Wehrdienst. Sie sind in den §§ 9 bis 13 enthalten. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken - ich habe das bereits im Schriftlichen Bericht getan -, daß hier sehr klar vier verschiedene Begriffe unterschieden werden: die dauernde Dienstuntauglichkeit, beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen, der Ausschluß vom Wehrdienst auf Grund von Bestrafungen wegen ehrenrühriger Handlungen, die Befreiung vom Wehrdienst und die Zurückstellung vom Wehrdienst. Schließlich kann man noch fünftens die Unabkömmlichstellung hinzufügen.
Hinsichtlich der Befreiung vom Wehrdienst ist der Ausschuß einstimmig insoweit von der Regierungsvorlage abgegangen, als er in den Kreis der zu Befreienden auch noch - wie gesagt: einstimmig - die Schwerkriegsbeschädigten und die sogenannten Spätestheimkehrer miteinbezogen hat. Der Ausschuß ließ sich dabei wohl von dem Beweggrund leiten, daß dieser Personenkreis in Erfüllung der allgemeinen Wehrpflicht bereits so große persönliche Opfer gebracht hat, daß sich der Staat fragen muß, ob er speziell in dieser Richtung noch weitere Opfer von diesen Menschen, die ein schweres Schicksal haben, verlangen kann.
Ich darf dann kurz auf die Fragen des Wehrersatzwesens - Abschnitt II des Gesetzentwurfs - eingehen. Hier handelt es sich vor allen Dingen um drei Aufgabenbereiche: Erfassung, Musterung und Einberufung. Es herrschte Einmütigkeit darüber, daß die Erfassung zweckmäßigerweise Angelegenheit der Länder und die Einberufung Angelegenheit des Bundes sein soll. Gegenüber der Meinung der Mehrheit des Ausschusses vertrat aber die Minderheit die Auffassung, daß die Musterung ebenfalls in die Zuständigkeit der Länder gegeben werden soll. Die Mehrheit konnte sich dieser Auffassung nicht anschließen.
Meinungsverschiedenheiten ergaben sich ferner in der Frage des Verfahrens insbesondere insoweit, als die Minderheit hier vorschlug, die vorgesehene Zahl der ehrenamtlichen Beisitzer in den Musterungsausschüssen zu erhöhen.
Das schwierigste Kapitel dieses Gesetzentwurfs war wegen der Schwierigkeit der Materie schlechthin die Frage der Kriegsdienstverweigerer. Hierzu hat der Ausschuß, wie gesagt, fünf Sachverständige einvernommen. Insbesondere der Rechtsausschuß hat sich mit den verfassungsrechtlichen Problemen, die hier aufgeworfen werden, sehr eingehend befaßt und dem Verteidigungsausschuß einige Formulierungsvorschläge gemacht. Der Verteidigungsausschuß war mit dem Rechtsausschuß der Meinung, daß man auf das Grundgesetz Bezug nehmen sollte und daß es wohl zu schwierig sei, den Begriff des Gewissens im Gesetzestext zu definieren. Infolgedessen hat der Verteidigungsausschuß davon Abstand genommen und hat nach langen Beratungen für den § 25, den Grundsatzparagraphen, eine Formulierung gefunden, die in dem Ausschuß einstimmig angenommen wurde.
Dagegen gingen die Meinungen auseinander in der Frage des § 26, der das Verfahren regelt. Gegenüber der von der Mehrheit angenommenen Formulierung des Paragraphen hat die Minderheit
({6})
vor allen Dingen folgende entscheidenden Bedenken gehabt. Sie war der Auffassung, daß der Vorsitzende eine beschließende und nicht eine beratende Stimme in den Prüfungsausschüssen für Kriegsdienstverweigerer haben sollte. Sie war weiterhin der Meinung, daß der Vorsitzende nicht vom Bundesminister für Verteidigung bestimmt werden sollte, und schließlich hielt sie die eingesetzte Altersgrenze von 35 Jahren für zu hoch.
Zur Frage des zivilen Ersatzdienstes, § 27, brauche ich in diesem Zusammenhang nur zu sagen, daß sich der Ausschuß entschlossen hat, die Einrichtung und Organisation des zivilen Ersatzdienstes einer besonderen gesetzlichen Regelung vorzubehalten, sie also nicht durch eine Rechtsverordnung vornehmen zu lassen.
Was die Frage der Rechtsmittel angeht, so darf ich hier auf meinen Schriftlichen Bericht hinweisen und mich damit begnügen, Ihnen zu sagen, daß wir klar unterscheiden müssen zwischen dem vorgerichtlichen Verfahren, also dem Verfahren vor den Musterungsausschüssen, den Prüfungsausschüssen für Kriegsdienstverweigerer und den Einspruchsinstanzen auf diesen beiden Gebieten, und dem gerichtlichen Verfahren, für das im allgemeinen die Grundsätze des Verwaltungsrechts Anwendung finden. Wo Abweichungen davon vorliegen, ist das im Gesetzestext besonders vermerkt.
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit dann auf den letzten Abschnitt, Übergangs- und Schlußvorschriften, lenken, wenigstens insofern, als hier einige Paragraphen neu erscheinen, die im Regierungsentwurf nicht enthalten waren. So finden Sie den § 36 a, der Angehörigen ,der früheren Wehrmacht die Möglichkeit gibt, auf ihren früheren Dienstgrad zu verzichten, allerdings unwiderruflich zu verzichten. Ebenso einstimmig wurde ein § 36 b in die Gesetzesvorlage aufgenommen, der sich mit der Frage der Wiedergutmachung an solchen Angehörigen der früheren Wehrmacht befaßt, die in ihrer militärischen Laufbahn durch nationalsozialistische Verfolgungs- und Unterdrückungsmaßnahmen behindert oder geschädigt wurden.
Dann haben wir entsprechend den Erfahrungen, die man in anderen Ländern gesammelt hat, erstmalig in Deutschland den sogenannten zeitweiligen Dienstgrad eingeführt. Das heißt, daß Männer, die eine besondere Berufserfahrung haben, die die Bundeswehr sich zunutze machen will, dienstrangmäßig so eingestuft werden, wie es ihrer Dienststellung entspricht. Danach kann also ein urigedienter Wehrpflichtiger, der eine wissenschaftliche Kapazität ist und als solche im Wehrdienst Verwendung findet, für die Zeit seines Wehrdienstes beispielsweise den Rang eines Generals erhalten.
Einem besonderen Anliegen wurde durch die Einfügung des § 37 b Rechnung getragen, der im wesentlichen aussagt, daß solche Wehrpflichtige, ,die aus der Sowjetzone zu uns herüberkommen, zunächst einmal ein Jahr lang freigestellt sind -insbesondere also von der Einberufung - und erst nach einem Jahr in der Bundesrepublik wehrpflichtig werden.
Der § 38 ist insofern wesentlich geändert worden, als der Ausschuß der Auffassung war, daß Bundesgrenzschutz und Bereitschaftspolizeien in den Ländern einander rechtlich gleichgestellt werwerden sollten.
Das, glaube ich, sind im wesentlichen die Veränderungen, die ich Ihnen in Ergänzung meines Schriftlichen Berichts vorzutragen habe.
Der Ausschuß für Verteidigung hat in der Schlußabstimmung mit 17 gegen 8 Stimmen beschlossen, dem Hohen Hause die Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfs zu empfehlen.
({7})
Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter.
Wir treten in die Beratung der zweiten Lesung ein. Zunächst gebe ich das Wort zum Bericht selber dem Herrn Abgeordneten Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung wird folgendes ausgeführt:
Die Berichte müssen die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat zu bemängeln, daß der vorliegende Bericht, und zwar der Schriftliche Bericht*), nicht dieser Vorschrift der Geschäftsordnung entspricht. Dieser Mangel, den wir zu rügen haben, ist auch nicht durch die Ergänzung des Schriftlichen Berichts durch die mündlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Kliesing behoben worden.
Ich möchte, um diese Mängelrüge zu begründen, auf einige wesentliche Unterlassungen in der Berichterstattung hinweisen. Der Rechtsausschuß hat sich sehr eingehend - auch unter Anhörung einer sachverständigen Stellungnahme eines Herrn des hier interessierten Ministeriums - mit der Frage der Rechtsstellung der Personen befaßt, die aus der sowjetischen Besatzungszone in den Bereich der Bundesrepublik herübergekommen sind. Der Vorsitzende des Ausschusses für Rechtswesen und Ver- fassungsrecht hat mit Schreiben vom 9. Juni 1956 an den Vorsitzenden des Ausschusses für Verteidigung, an den Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger, folgendes zu diesem Punkt ausgeführt - ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -.
Der Ausschuß ist im Hinblick darauf, daß verschiedene Versorgungsgesetze einen Anspruch auf Leistungen von dem befugten Aufenthalt abhängig machen, der Auffassung, daß eine Heranziehung zum Wehrdienst eine uneingeschränkte rechtliche Gleichstellung des Wehrpflichtigen bedingt. Der Ausschuß ist davon ausgegangen, daß in den hier in Betracht kommenden Gesetzen die Folgerungen aus dieser Auffassung gezogen werden müssen.
Der Ausschuß hat damit zum Ausdruck gebracht, daß er Wert darauf legt, daß in jedem Falle eine volle rechtliche Gleichstellung der Personen, die unter das Wehrpflichtgesetz fallen, zu erfolgen hat und daß diese volle rechtliche Gleichstellung sich auch auf die Personen zu beziehen hat, die im Not-aufnahmeverfahren nicht anerkannt worden sind und keine Genehmigung zum ständigen Aufenthalt erhalten haben. - Dieser Gesichtspunkt, dem ein ganz erhebliches rechtspolitisches Gewicht zu-
*) Siehe Anlage 2.
({0})
kommt, ist in dem vorliegenden Bericht nicht erwähnt worden, und die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hält es für wesentlich, auf diesen Funkt hinzuweisen.
Ich darf weiterhin auf folgendes aufmerksam machen. In den Ausführungen des vorliegenden Berichts zu § 2 heißt es:
Der Rechtsausschuß hatte vorgeschlagen,
Staatenlose von der Wehrpflicht zu befreien.
Diese Formulierung entspricht in dieser Form nicht den Erwägungen, die den Rechtsausschuß dazu veranlaßt haben, die Streichung des hier in Betracht kommenden Absatzes des § 2 vorzuschlagen. Der entscheidende rechtspolitische Gesichtspunkt war doch der - das ist der gleiche, über den ich eben schon gesprochen habe -, alle Personen, denen staatsbürgerliche Pflichten auferlegt werden, auch bezüglich der staatsbürgerlichen Rechte gleichzustellen. Aus dieser Erwägung ist vorgeschlagen worden, den hier in Betracht kommenden Absatz zu streichen. Wir sind der Auffassung, daß diese Erwägungen nicht mit einer so verhältnismäßig lakonischen Formulierung wiedergegeben werden durften. Das trägt der Bedeutung dieser rechtspolitischen Überlegungen, die im Rechtsausschuß - und zwar übereinstimmend - angestellt worden sind, in keiner Weise Rechnung und gibt dem unbefangenen Leser des Berichts ein völlig falsches Bild.
Ein weiterer Punkt, meine Damen und Herren! In dem Abschnitt, zu dem der § 34 gehört, ist die Rede von den Rechtsmitteln. Im letzten Satz des § 34 Abs. 2 ist folgendes gesagt:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Verwaltungsgericht ist ausgeschlossen.
Wenn man hierzu den entsprechenden Abschnitt des Schriftlichen Berichts liest, dann findet man verhältnismäßig allgemeine Ausführungen, die sich aber nur mit dem voraufgehenden Teil des Abs. 2 befassen und mit keiner Silbe auf den letzten Satz des Abs. 2 Bezug nehmen, und dann heißt es:
Diese Regelung geht zurück auf einen Antrag des Abg. Dr. Schmid ({1}).
Ja, meine Damen und Herren, bei einer derartigen Berichterstattung muß über den Ablauf der Beratungen und über die Ausführungen, die von dem Abgeordneten Dr. Schmid gemacht worden sind, ein völlig falsches Bild entstehen, denn gerade der Abgeordnete Dr. Schmid ist es gewesen, der sich gegen die Nichtzulassung der Beschwerde für den Fall gewandt hat, daß die Revision ausgeschlossen ist. Sie werden erkennen, daß dieser Gedanke, der doch wesentlich ist und dem auch ein wesentliches rechtspolitisches Gewicht zukommt, in der Berichterstattung mit keinem Worte zum Ausdruck gebracht worden ist. Der Standpunkt der Minderheit ist also - entgegen der Vorschrift der Geschäftsordnung - nicht sachgemäß wiedergegeben. - worden.
Noch gravierender sind die Mängel, die darin bestehen, daß der Standpunkt der Minderheit in dem Teil des Berichts, der sich mit dem Kriegsdienstverweigerungsrecht und mit den Verfahrensbestimmungen dazu befaßt, nicht sachgemäß wiedergegeben worden ist. Die Minderheit hat sowohl im Rechtsausschuß wie auch im Verteidigungsausschuß einen ganz bestimmten verfassungsrechtlichen
Standpunkt mit guten Gründen vertreten. Dieser verfassungsrechtliche Standpunkt zu § 25 des Wehrpflichtgesetzes war gut fundiert und hätte in irgendeiner Weise in dem Bericht zum Ausdruck kommen müssen.
Worum ist es dabei gegangen? Die Mehrheit hatte sich darauf berufen, daß es im einschlägigen Artikel des Grundgesetzes heißt: „Das Nähere regelt ein Bundesgesetz." Die Mehrheit hatte sich auf den Standpunkt gestellt, diese Bestimmung des Grundgesetzes, wonach eben das Nähere durch ein besonderes Gesetz zu regeln ist, berechtige den Gesetzgeber auch, das, was vorher in der Verfassungsbestimmung steht, zu interpretieren. Die Minderheit hat sich auf den Rechtsstandpunkt gestellt, daß dieser Vorbehalt dem einfachen Gesetzgeber nicht die Möglichkeit gibt, die vorangehende Verfassungsnorm zu interpretieren.
Ich will jetzt zu der verfassungsrechtlichen Frage nicht im einzelnen Stellung nehmen, denn ich habe hier nur den Bericht zu bemängeln und Ergänzungen des Berichts aus der Sicht der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vorzutragen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß bei einer sachgemäßen Berichterstattung dieser verfassungsrechtliche Standpunkt der Minderheit im Bericht hätte berücksichtigt werden müssen.
({2})
In allen beteiligten Ausschüssen hat es eingehende Erörterungen darüber gegeben, wie der Art. 4 des Grundgesetzes, wie die verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Wehrpflicht zu interpretieren seien. Im Bericht wird hierzu folgendes ausgeführt:
Insbesondere wurde erörtert, ob nur die grundsätzliche Verneinung der Gewaltanwendung im zwischenstaatlichen Bereich eine Kriegsdienstverweigerung begründen könne oder auch eine situationsgebundene Gewissensentscheidung gleich welcher Motivierung.
Es handelt sich also um die Frage, ob aus der Verfassung nur ein grundsätzliches Recht zur Kriegsdienstverweigerung abzuleiten sei oder auch ein Recht zur Kriegsdienstverweigerung in einer bestimmten Situation. Das ist eine Problematik, die für uns in Deutschland von besonderer Bedeutung ist. Der Bericht - die eben zitierte Stelle steht auf Seite 2, linke Spalte des Berichts - sagt nichts darüber, aus welchen Erwägungen die zuständigen Ausschüsse wie entschieden haben. Gewiß, ich gebe zu, das Wie der Entscheidung mag aus dem Gesetzestext hervorgehen.
({3})
Aber die Erwägungen - und das ist doch das Entscheidende, und darin liegt das Wesen eines Berichts-, die zu der Entscheidung geführt haben, hätten eindeutig Gegenstand des Berichts sein können
({4})
und müssen.
({5})
- Es handelt sich hier um eine so gravierende Frage, Herr Kollege Kliesing, um eine Frage von einer so großen Bedeutung, daß hier dem Ermessen des Berichterstatters Grenzen gezogen sind. In einer so bedeutsamen Frage muß der Berichterstatter gerade in diesem Punkte die Meinung der Minderheit klar und deutlich zum Ausdruck bringen.
({6})
Ich habe eben gesagt, daß man das Ergebnis vielleicht aus dem Beschluß des Ausschusses zu § 25 herauslesen könne. Aber auch darüber müssen bei näherer Betrachtung des § 25 erhebliche Zweifel bestehen.
({7})
§ 25 beantwortet die Frage, ob das eine oder das andere eine zulässige Motivierung für die Kriegsdienstverweigerung sei, keineswegs eindeutig, so daß die Frage bei einer ruhigen Betrachtung als völlig offengelassen anzusehen ist.
({8})
Nun der letzte von den wichtigen Punkten. Die beteiligten Ausschüsse haben sich eingehend mit den Verfahrensbestimmungen für die Kriegsdienstverweigerer zu befassen gehabt, und hierüber, nämlich über die Gestaltung des Verfahrens, hat es sehr erhebliche Meinungsverschiedenheiten gegeben. Diese Meinungsverschiedenheiten und der Standpunkt der Minderheit wurden im Rechtsausschuß übrigens auch von der Mehrheit als so beachtlich angesehen, daß der Rechtsausschuß zunächst beide Vorschläge, nämlich den Vorschlag der Mehrheit, aber auch den Vorschlag der Minderheit, dem Verteidigungsausschuß übermittelte mit der Bernerkung, weder gegen den Vorschlag der Mehrheit, also praktisch gegenüber der modifizierten Regierungsvorlage, noch gegen den Vorschlag der Minderheit - dieser Vorschlag hatte seinen Niederschlag in einem konkreten Antrag gefunden - bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Daraus können Sie erkennen, daß mindestens aus der verfassungsrechtlichen Sicht die Mehrheit des Rechtsausschusses den Verfahrensvorschlag der Minderheit als durchaus beachtlich angesehen hat. Es ist hierüber im Verteidigungsausschuß zu einer Entscheidung gekommen; denn der Rechtsausschuß hatte die Entscheidung in dieser Frage aus gewissen arbeitsökonomischen Gründen zunächst dem Verteidigungsausschuß überlassen, um sich dann, nachdem der Verteidigungsausschuß Stellung genommen hatte, seinerseits mit der konkreten Ausgestaltung des Verfahrens zu befassen.
Diese verschiedenartige Gestaltung des Verfahrens beruhte in folgendem. Während die Mehrheit der Auffassung war und der Auffassung ist - wenigstens bis zur Stunde noch; wir hoffen, daß sich in dieser Hinsicht manches ändert -, daß das Verfahren nicht nur in eine gewisse Anlehnung, sondern durchaus in eine unlösbare Verbindung mit der Wehrverwaltung gestellt werden könne, ja, sogar in sie eingebaut werden könne, hat die Minderheit hiergegen grundsätzliche rechtspolitische Bedenken geäußert und einen Instanzenzug vorgeschlagen, der von der Wehrverwaltung, aber auch von den ohnehin über Gebühr belasteten Verwaltungsgerichten völlig losgelöst ist. Die Minderheit hat einen eigenständigen und auch rechtsstaatlich völlig einwandfreien Verfahrensvorschlag gemacht.
Meine Damen und Herren, die Mehrheit hat sich dann anders entschieden. Aber die Geschäftsordnung gebietet, daß in einer so wichtigen Frage der Standpunkt und die Vorschläge der Minderheit im Bericht zur Geltung kommen. Das ist nicht der Fall.
Daß ich das hier ausführe, daß ich den Bericht einer solchen Kritik unterziehe, geschieht keineswegs, um der Person des Herrn Berichterstatters in irgendeiner Weise zu nahe zu treten oder um sie zu kränken. Wir wissen genau: der Herr Berichterstatter hat bei der Abfassung dieses Berichtes unter dem gelitten, unter dem wir alle leiden, nämlich unter einer unangemessenen Zeitnot, unter einem unangemessenen Zeitdruck. Da sehen Sie, was bei der Art und Weise, wie hier ein Zeitdruck ausgeübt worden ist, herauskommt: ein schlechter Bericht, ein geschäftsordnungswidriger Bericht,
({9})
ein Bericht, den wir in aller Form der Kritik unterziehen müssen.
({10})
Ehe ich dem Herrn Berichterstatter das Wort gebe, gebe ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Mende das Wort ebenfalls zum Bericht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei darf ich zu dem Bericht*) ebenfalls folgendes erklären:
Nach § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung müssen - und nicht können, Herr Kollege Kliesing! - die Berichte die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben. Die beiden Vertreter unserer Fraktion haben bei der Schlußabstimmung im Ausschuß eine Erklärung zu Protokoll gegeben. Diese Erklärung ist - das vermissen wir - in dem Bericht weder dem Inhalt nach noch unter Zitierung des Wortlautes enthalten.
({0})
Wir glaubten, daß der Berichterstatter beim mündlichen Bericht von unserer Erklärung Gebrauch machen würde. Auch das ist nicht geschehen.
({1})
Ich sehe daher eine Veranlassung, in Ergänzung dieses Berichts dem Plenum diese Erklärung bekanntzugeben. Sie wissen, daß die Motive derer, die das Wehrpflichtgesetz im Ausschuß abgelehnt haben, durchaus verschiedener Natur waren. Während die Opposition der Sozialdemokratischen Partei das als Konsequenz ihrer bisherigen Haltung zu den Verträgen tat, die sie abgelehnt hat, haben die Freien Demokraten andere Motive, nach denen sie nicht nur die Pariser Verträge hier angenommen haben, sondern sich auch heute und morgen zu ihnen bekennen, und nach denen auch das Freiwilligengesetz sowie das Soldatengesetz hier in diesem Hause mit den Stimmen der Freien Demokraten beschlossen wurden.
Die Erklärung der beiden Vertreter der freien demokratischen Fraktion hatte folgenden Wortlaut:
Die FDP-Vertreter im Ausschuß für Verteidigung sehen sich trotz ausdrücklicher Bejahung der Prinzipien einer allgemeinen Verteidigungs-Dienstpflicht nicht in der Lage, diesem Wehrpflichtgesetz ihre Zustimmung zu geben. Durch die Ausklammerung der Wehrdienstzeit ist dieses Gesetz sowohl sachlich wie gesetzestechnisch ein Torso geworden.
({2})
Der integrierende Bestandteil eines Wehrpflichtgesetzes ist die Regelung der Wehrdienstzeit und ihrer verschiedenen Modifizierungen nach den einzelnen Altersstufen. Eine
*) Siehe Anlage 2.
({3})
Ausklammerung der Wehrdienstzeit aus taktischen Gründen, um im Bundesrat die Anrufung des Vermittlungsausschusses zu vermeiden, ist sowohl gesetzestechnisch wie rechtspolitisch bedenklich.
({4})
Außerdem fehlen für die Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes zum gegenwärtigen Zeitpunkt die sachlichen Voraussetzungen, weil weder das Besoldungsgesetz noch das Versorgungsgesetz, das Organisationsgesetz für das neue Wehrwesen sowie die Beschwerdeordnung und Wehrdisziplinarordnung verabschiedet sind.
({5})
Diese gesetzlichen Regelungen hätten aus sachlichen Gründen vor der Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes stehen müssen.
({6})
Die noch nicht abschließend geregelten Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden ehemaligen Berufssoldaten, die noch nicht abschließend gelöste Kriegsverurteiltenfrage sowie die noch nicht erfolgte Klärung der Behandlung der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS beim Aufbau der Bundeswehr rechtfertigen die Frage, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch schon die psychologischen Voraussetzungen für eine Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes gegeben sind.
Eine Beschleunigung des Aufbaues der ersten
einsatzbereiten Kaderverbände, wie sie von der
' FDP nachdrücklich von jeher gefordert wurde und durch die Überleitung des Bundesgrenzschutzes in die Bundeswehr nunmehr möglich wird, tritt durch die Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes keineswegs ein, da seine Auswertung kaum vor Jahresfrist erfolgen kann und niemand Wehrpflichtige vor Aufstellung der Kaderverbände einzuziehen in der Lage ist. Der Hinweis, der Aufbau des Wehrersatzwesens bedinge die Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes, geht an der Tatsache vorbei, daß zu diesem Zweck die Verabschiedung eines Gesetzes über das Wehrersatzwesen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zweckmäßiger gewesen wäre.
Die Verabschiedung dieses Wehrpflichtgesetzes in aller Eile vor den Parlamentsferien ist daher nicht aus sachlichen Notwendigkeiten begründet.
({7})
Sie hat vielmehr lediglich den Charakter einer politischen Demonstration.
({8})
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Kliesing.
Dr. Kliesing ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu der Kritik an dem von mir vorgelegten Bericht folgende Bemerkungen.
Erstens. Es wäre den Bestimmungen der Geschäftsordnung Genüge getan worden, wenn dieser Schriftliche Bericht am Montag in den Fächern gelegen hätte. Er lag aber bereits am Samstag in den Fächern. Es ist deshalb falsch und zurückzuweisen, wenn man etwaige Mängel des Berichtes auf eine Zeitnot und auf ein Pressieren abschieben wollte. Wenn an meinem Bericht Mängel sind, so habe ich sie persönlich zu verantworten; ich hatte genügend Zeit zur Abfassung des Berichtes.
({1})
Zweitens: Nach dem Brauch des Hohen Hauses ist es bisher unwidersprochen so gewesen, daß es in das Ermessen des Berichterstatters gestellt war, inwieweit er Erwägungen der Ausschüsse in den Bericht aufnehmen wollte.
({2})
Sollte dieses Ermessen begrenzt werden, so könnte das nur durch einen Beschluß des Hohen Hauses geschehen, nicht aber durch die unverbindliche Meinung eines Abgeordneten.
({3})
Drittens. Es steht an keiner Stelle der Geschäftsordnung, daß protokollarische Erklärungen in den Bericht aufzunehmen sind.
({4})
Es bestand im Rahmen dieser Berichterstattung keine Veranlassung, die grundsätzliche Stellungnahme einer Fraktion zur Wehrpflicht besonders herauszustellen, da das erstens bereits in der ersten Lesung in diesem Hohen Hause geschehen ist und zweitens heute und in der dritten Lesung dazu noch genügend Gelegenheit ist.
({5})
Viertens muß ich dem Herrn Kollegen Wittrock sagen, daß das Gros seiner Rügen an die falsche Adresse gerichtet ist. Seine Ausführungen bezogen sich vor allen Dingen darauf, daß die Meinungsbildung im Rechtsausschuß nicht genügend berücksichtigt worden sei. An den Beratungen des Verteidigungsausschusses hat der Kollege Wittrock nicht teilgenommen.
({6})
Nun muß ich sagen, Herr Kollege Wittrock: Was die Beratungen im Rechtsausschuß und ihre Auswertung in meinem Bericht angeht, bin ich selbstverständlich darauf angewiesen, mich auf das Material zu stützen, das mir der Rechtsausschuß zur Verfügung stellt.
({7})
Da die stenographischen Protokolle im Wortlaut bis heute noch nicht gedruckt vorliegen
({8})
- weil sie sowieso immer erst nach einigen Wochen kommen -,
({9})
mußte ich mich auf die schriftliche Berichterstattung des Rechtsausschusses beschränken. Diese zeichnet sich allerdings durch eine lakonische Kürze aus und beschränkt sich in den allermeisten
({10})
Fragen auf die bloße Wiedergabe von Formulierungsvorschlägen. Ich war infolgedessen nicht in der Lage, da ich nicht über hellseherische Fähigkeiten verfüge, die Erörterungen im Rechtsausschuß in meinen Bericht in einer ausgedehnteren Form aufzunehmen.
Fünftens und letztens möchte ich darauf hinweisen, daß ich den Schriftlichen Bericht, ehe ich ihn zum Druck abgab, einigen, genau gesagt: zwei sozialdemokratischen Kollegen aus dem Verteidigungsausschuß zur Einsichtnahme vorgelegt habe
({11})
und daß beide Kollegen keine Beanstandungen in dem Sinne, wie sie hier vorgetragen wurden, zu machen hatten.
({12})
Herr Abgeordneter Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Kliesing möchte ich feststellen, daß Sie, Herr Kollege Kliesing, wenn ich mich nicht sehr irre, doch teilweise selbst im Rechtsausschuß zugegen gewesen sind.
({0})
- Ja, und zwar gerade bei der Beratung der Frage, ob es überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist, den Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes durch Gesetz zu interpretieren oder nicht. Sie kannten also aus eigener Anschauung den Standpunkt der Minderheit.
({1})
- Jawohl, Sie waren dabei. Das dürfen Sie dem Hause nicht vorenthalten. Was Sie als „Bericht" vorgelegt haben, ist keiner.
Zweitens wollte ich sagen: es bedarf keines Plenarbeschlusses; denn es ist die ständige Übung des Hauses, nach § 74 der Geschäftsordnung zu verfahren, worin es heißt, daß der Bericht die Stellungnahme der Minderheit im Ausschuß wiederzugeben hat. Das sollten Sie doch einmal lernen.
({2})
Herr Abgeordneter Erler, wollen auch Sie noch dazu sprechen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verfahrensfragen zu dem Komplex Kriegsdienstverweigerung sind auch im Verteidigungsausschuß und nicht nur im Rechtsausschuß behandelt worden, so daß sich die Rüge am Bericht insoweit nicht nur auf Verhandlungen des Rechtsausschusses, sondern eben auch auf Verhandlungen des Verteidigungsausschusses bezieht.
Zum zweiten möchte ich noch einmal folgendes sagen, damit uns der Kollege Kliesing ganz versteht. Er hat uns soeben dargelegt, aus welchen Gründen er - jedenfalls zu einem Teil - außerstande gewesen sei, die Motive des Rechtsausschusses und die Position der Minderheit wiederzugeben: weil er sie nicht gekannt habe, denn in der schriftlichen Mitteilung des Rechtsausschusses sei davon keine Rede gewesen, und die Protokolle habe er gar nicht einsehen können, weil sie noch nicht fertiggestellt worden seien. Richtig, Kollege I Kliesing, das ist absolut zutreffend und ein klarer Beweis für die Feststellung des Kollegen Wittrock, daß man Ihnen eben lediglich um der Einhaltung der Termine willen zugemutet hat, ohne die unentbehrlichen Unterlagen, nämlich die Protokolle der Ausschüsse, zu arbeiten.
Dann möchte ich noch auf die Bemerkungen zurückkommen, die der Kollege Kliesing vorhin bezüglich des Gutachtens gemacht hat. Bei der Geschäftsordnungsdebatte heute früh habe ich nicht erklärt, daß der Gesamtinhalt der Gutachten oder Zitate daraus in dem Bericht hätten erscheinen müssen. Wir hatten uns im Ausschuß dahin verständigt, daß das aus bestimmten Gründen nicht gehe. Ein vollständiger Bericht hätte aber wohl doch die Kette der Gedanken wiedergeben müssen, die den Ausschuß im Pro und Kontra zu bestimmten Entscheidungen veranlaßt hat. Bezüglich eines so sehr schwerwiegenden Problems wie etwa der Kriegsdienstverweigerung gehört es eben zur Unterrichtung des Hauses, es wenigstens wissen zu lassen, mit welchen Gedanken sich der Verteidigungsausschuß in Rede und Gegenrede befaßt hat, ohne daß man deswegen ausdrücklich zitieren muß.
Ein letztes. Ich bin der eine der beiden Sozialdemokraten - es trifft völlig zu, was hier der Kollege Kliesing gesagt hat -, der diesen Bericht bekommen hat, aber erst um 11 Uhr hier während der Plenarsitzung und mit der Bitte, Einwendungen bis 1 Uhr mittags zu erheben,
({0})
weil dann der Bericht in Druck gehen müsse. Ich habe nicht widersprochen, damit das Haus, wenn es in die Beratungen eintritt, wenigstens diesen Bericht hat. Aber ein sorgfältiges Studium des i Berichts zeigt, daß er sehr erhebliche Lücken aufweist. Das festzustellen ist eben nun ein Gebot der Vorbeugung, damit wir künftig nicht wieder Berichte bekommen, die in dieser Weise der Geschäftsordnung widersprechen. Das einzige, was in den zwei Stunden nebenher in einer Plenarberatung möglich war, war die Prüfung, ob der Bericht offenbare Unrichtigkeiten enthielt. Die enthält er nicht. Diese Anerkennung will ich Ihnen gerne zollen. Aber es kommt ja hier nicht nur darauf an, daß er nichts offenbar Unrichtiges enthält, sondern viel wesentlicher ist die Feststellung, was in diesem Bericht fehlt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur zur Bekräftigung dessen, was soeben Herr Kollege Erler ausgeführt hat, auf folgendes hinweisen. Es existiert ein Schreiben des Vorsitzenden des Rechtsausschusses an den Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses vom 9. Juni 1956 und ein zweites Schreiben vom 22. Juni 1956. In diesem zweiten Schreiben beispielsweise sind die Ausführungen zu den §§ 25 und 26 gemacht worden, die ich inhaltlich zum Anlaß genommen habe. zu bemängeln, daß der vorliegende Bericht unvollständig sei.
Ich habe mit einer einzigen Ausnahme hier nur Punkte angeschnitten, die in irgendeiner Weise Inhalt von schriftlichen Auslassungen in der Korrespondenz zwischen den Ausschüssen gewesen sind. In der einen Ausnahme habe ich mich auf
({0})
absolut zuverlässige Informationen bezogen. Dabei handelt es sich nämlich um den Punkt in diesem Bericht, in dem Sie Herrn Dr. Schmid Ausführungen unterstellen, die er in dieser Form gar nicht gemacht hat. Ich möchte also den verhaltenen Vorwurf, ich hätte mir hier etwas aus den Fingern gesogen, auf das entschiedenste zurückweisen.
Im übrigen haben zu fast allen Punkten, die ich hier vorgetragen habe, die Vertreter der Minderheit im Verteidigungsausschuß die entsprechenden Ausführungen gemacht und auch Anträge gestellt. Der Mangel, daß der vorliegende Bericht einer Muß-Vorschrift der Geschäftsordnung widerspricht, ist also auch durch die Stellungnahme des Herrn Berichterstatters nicht als behoben anzusehen.
({1})
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Dr. Kliesing.
Dr. Kliesing ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Erler zwingen mich dazu, das stenographische Protokoll der betreffenden Ausschußsitzung zu Rate zu ziehen. Herr Kollege Erler, die Situation ist so gewesen, wie Sie sie geschildert haben. Darauf hat der Kollege Wehner gemeint, daß auch das noch zuviel sei, und er hat wörtlich gesagt - ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis zum Zitat -:
Diese Gutachten sind eine Sache des Ausschusses, aber nicht mehr eine Sache, die darüber hinaus noch Bedeutung haben kann.
Ich habe daraufhin den Herrn Vorsitzenden darauf
aufmerksam gemacht, daß bei einer Annahme der
von ihm vorgeschlagenen und hier wiederholten Lösung die Bedenken des Herrn Kollegen Wehner noch bestehenblieben. Er hat das bejaht. Die entsprechende Stelle im Wortprotokoll heißt:
Sollen wir also auf die weitere Aufzählung der Gutachten verzichten?
Vors. Erler: Lassen wir sie weg und sagen wir: wir haben Sachverständige zu folgenden Problemen gehört.
Diese Meinung fand die Zustimmung des Ausschusses.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Wittrock hat gerügt, daß der Bericht des Herrn Kollegen Kliesing nicht die Ausführungen berücksichtige, die im Rechtsausschuß gemacht worden seien. Ich glaube, daß der Abgeordnete Wittrock die Bestimmung des § 74 Abs. 2 der Geschäftsordnung nicht voll gewürdigt hat. Diese Bestimmung lautet folgendermaßen:
Die Berichte müssen die Ansichten und den Antrag des federführenden Ausschusses sowie die Stellungnahme der Minderheit und der beteiligten Ausschüsse wiedergeben. Beteiligte Ausschüsse können keine Anträge an den Bundestag stellen.
Daraus ergibt sich für die Wiedergabe der Beratungen des Rechtsausschusses ein Doppeltes.
Einmal sind die Auffassungen des Rechtsausschusses nicht in dem Umfang wiederzugeben wie die Auffassungen des federführenden Ausschusses. Es sind die Ansichten und der Antrag des federführenden Ausschusses wiederzugeben, dagegen nur die Stellungnahme des beteiligten Ausschusses. Unter „Stellungnahme" sind zu verstehen eine Einstellung zu einem formulierten Vorschlag, zu einem Text, ein Ja oder ein Nein, ein Eventualvorschlag oder ein Gegenvorschlag. Es ist unter „Stellungnahme" nicht der Ablauf der Erwägungen und Argumente zu verstehen, die in den Beratungen des mitbeteiligten Ausschusses geäußert worden sind.
Die zweite Einschränkung ergibt sich daraus, daß der § 74 Abs. 2 nicht verlangt, daß auch die Stellungnahme der Minderheit der beteiligten Ausschüsse wiedergegeben wird; es soll lediglich die Stellungnahme der Minderheit des federführenden Ausschusses wiedergegeben werden. Nur in dem einen Fall, in dem neben einem Mehrheitsvotum des beteiligten Ausschusses auch ein Minderheitsvotum abgegeben wird und in dem dieses Minderheitsvotum in dem Schreiben des beteiligten Ausschusses an den federführenden Ausschuß weitergeleitet wird,
({0})
dürfte anzunehmen sein, daß auch das Minderheitsvotum wiedergegeben werden soll.
({1})
-- Ich sehe hier, daß zu § 25 der Herr Kollege Kliesing den Eventualantrag, der im Rechtsausschuß von dem Abgeordneten Bauer gestellt worden ist, ausführlich wiedergegeben hat.
Ich glaube also, man muß diese beiden wichtigen Einschränkungen bezüglich der Berichterstattung über die Tätigkeit der mitberatenden Ausschüsse mit in Erwägung ziehen; und_ da wird sich zeigen, daß Herr Kollege Kliesing den Bestimmungen des § 74 Abs. 2 bezüglich des mitbeteiligten Rechtsausschusses gerecht geworden ist.
Bitte! Treten Sie jetzt hierher. Der Redner hat das Podium verlassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich nur eine Zwischenfrage stellen. Herr Kollege Kopf, halten Sie es für sachgemäß, wenn in dem Bericht zwar von dem Schicksal des Eventualantrages die Rede ist, der also angeblich weiterentwickelt worden sein soll - na ja, darüber kann man streiten, ob es sich hier um eine Weiterentwicklung oder um eine Weiterverwirrung handelt -, aber von dem Schicksal des Hauptantrages und von den Erwägungen, von denen die Antragsteller des Hauptantrages - nämlich des Haupt-Alternativantrages - ausgegangen sind, mit keiner Silbe die Rede ist? Halten Sie, Herr Kollege Dr. Kopf, diese Art und Weise, einen Hauptantrag der Minderheit untergehen zu lassen und dann an den Eventualantrag zweifelhafte Ausführungen anzuschließen, für sachgemäß im Sinne des § 74 der Geschäftsordnung?
Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur dem Herrn Kollegen Kopf sagen: Herr Kollege Kopf, es hat doch keinen Sinn, daß Sie hier präjudiziell solche Erklärungen abgeben, die das Haus unter Umständen ein für allemal als Ihre Auffassung, die hier unwidersprochen geblieben sei, binden könnten. Erinnern Sie sich doch nur an die großen Berichte etwa über den EVG-Vertrag und über den Bonner Vertrag! Das sind Gemeinschaftsberichte interfraktioneller Art gewesen, in denen Mehrheits- und Minderheitsauffassungen aller beteiligten Ausschüsse genauestens zu Worte gekommen sind. Ich glaube, das Haus kann, wie wir auch zu den Verträgen stehen mögen, mit gutem Gewissen an diese großen Berichte zurückdenken. Mit diesen Berichten aber kann sich der Bericht von Herrn Kollegen Kliesing wirklich nicht auf eine Stufe stellen, es sei denn, daß Sie die Wehrpflichtfrage für so gering ansehen, und es sei denn - wie es schon beim deutsch-österreichischen Staatsangehörigkeitsgesetz angefangen hat -, daß die Auffassungen der Minderheit in diesem Hause überhaupt nichts mehr gelten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit Herrn Kollegen Arndt der Auffassung, daß es bei Gesetzen von wichtiger Bedeutung wünschenswert ist, daß der Bericht ein möglichst umfassendes und erschöpfendes Bild der sowohl im federführenden Ausschuß als auch in den mitbeteiligten Ausschüssen geäußerten Auffassungen wiedergibt. Aber die Gestaltung des Berichts ist in einem hohen Maße auch der subjektiven Beurteilung des Berichterstatters anheimgegeben. Der Wunsch nach Vollständigkeit wird auch von uns geteilt; aber ich würde es nicht für richtig halten, dem Herrn Berichterstatter vorzuwerfen, daß er zwingende Bestimmungen der Geschäftsordnung verletzt habe. Ich habe nichts dagegen, wenn die Kritik dahingehend ausgeübt wird, daß der Bericht vielleicht umfassender hätte sein können; aber ich glaube, man muß der Behauptung widersprechen, daß hier eine Verletzung der Geschäftsordnung vorliegt. Sie ist nach meiner Meinung nicht geschehen. Im übrigen dürfen wir auch hier keinen anderen Maßstab anlegen, als wir ihn sonst bei Berichten anzulegen pflegen, und ich erinnere mich nicht, daß auch bei sehr wichtigen Berichten in derartiger Weise Beanstandungen bezüglich der Gestaltung geäußert worden sind, die nicht vom Text der Geschäftsordnung, sondern von der subjektiven Ermessensfreiheit des Berichterstatters abhängt, dessen guter Wille bestimmt nicht angezweifelt werden kann.
Meine Damen und Herren! Eine solche Debatte haben wir in diesem Hause eigentlich noch nicht gehabt. Aber ich möchte doch empfehlen, daß wir sie nunmehr abschließen. Wir können vielleicht im Ältestenrat noch einmal auf die hier vorliegende Frage zurückkommen, da auf den § 74 der Geschäftsordnung Bezug genommen worden ist. Was daraus folgen soll, wenn der Bericht in Zweifel gezogen wird, dazu würde ich doch empfehlen, darüber zunächst einmal im Ältestenrat zu sprechen.
Meine Damen und Herren, damit treten wir in die zweite Lesung ein.
Bevor ich § 1 aufrufe, mache ich darauf aufmerksam, daß wir jetzt die Anträge auf den Umdrucken 719, 723, 724 und '726 vorliegen haben. Ich darf das Haus davon in Kenntnis setzen, daß der Umdruck 722*) von der antragstellenden Fraktion zurückgezogen worden ist. Ich würde empfehlen, daß Sie die Umdrucke folgendermaßen ordnen: Umdruck 723 - den brauchen wir nämlich zuerst -, Umdruck 719, dann Umdruck 724 und schließlich Umdruck 726.
Ich rufe § 1 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Entscheidung über den § 1 dieser Vorlage fällt die Entscheidung über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zumindest in der zweiten Lesung. Es ist daher erforderlich, daß wir bei der Beratung dieses Paragraphen das Für und Wider der allgemeinen Wehrpflicht noch einmal miteinander erörtern. Die eigentliche politische Auseinandersetzung über diese Frage wird die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dann führen - das werden Sie verstehen -, wenn der Mann im Hause weilt, der die Hauptverantwortung für die Vorlage dieses Gesetzes trägt; das ist der Herr Bundeskanzler.
({0})
Das wird also in der dritten Lesung geschehen.
Dennoch wollen wir ganz unmißverständlich sagen, welches unsere Motive sind, die uns veranlassen, schon dem § 1 und damit dem ganzen Gesetz unsere Zustimmung zu versagen, welches aber auch die Motive sind, die uns, da die Bundestagsmehrheit entschlossen zu sein scheint, die allgemeine Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland einzuführen, veranlassen, durch eine Reihe von Anträgen zu versuchen, ein Höchstmaß an Schutz für die Betroffenen zu erkämpfen, für ein Höchstmaß an Gerechtigkeit uns einzusetzen und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit zu wahren. In diesem Sinne bitte ich also die vorliegenden Anträge zu den anderen Paragraphen des Gesetzes zu werten.
Wir haben bereits in der ersten Lesung der Vorlage auf die verhängnisvollen Folgen aufmerksam gemacht, die mit der Aufstellung von großen stehenden Heeren auf der Grundlage der Wehrpflicht in einem zweigeteilten Lande zwangsläufig verbunden sind. Dieses Problem ist von der Bundesregierung leider nur mit einer Handbewegung abgetan worden. Man hat in der Denkschrift, die wir damals bereits erörtert haben, lediglich den kühnen Satz ausgesprochen, daß nur mit der Einführung der Wehrpflicht auch die Verantwortung für Deutschland als Ganzes in Wahrheit übernommen werde. Aber man hat sich nicht mit den Konsequenzen auseinandergesetzt, welche die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der Bundesrepublik auf die Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone hat. Ich mache nur darauf aufmerksam, was die Einführung der Wehrpflicht für den Personenverkehr über die Zonengrenzen hinweg bedeutet und welche Bedeutung diese Fülle persönlicher Kontakte, die heute noch trotz aller Erschwerungen bestehen, für die Aufrechterhaltung des Gefühls der nationalen Zusammengehö-
*) Siehe Anlage 4.
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rigkeit über die Zonengrenze hinweg hat. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht führt, ob Sie das bestreiten oder nicht, zu weiterer Trennung, zu einem weiteren Auseinanderleben. In ihr liegt die Tendenz beschlossen, daß aus der Zonengrenze eine Staatsgrenze wird.
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Und diejenigen, die daran ein Interesse haben, das sind nicht wir hier; die sitzen ganz woanders.
Wir sollten wirklich den Ruf der Männer der evangelischen Synode hören, ihm ein aufnahmebereites Ohr schenken und uns sorgfältig in unserem Gewissen prüfen, ob es angetan ist, lediglich das Wort der Männer entgegenzunehmen und dann keine Schlußfolgerungen daraus zu ziehen.
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Das sage ich gerade denen, die doch in keinem Wahlkampf unterlassen, darauf hinzuweisen, wie eng sie sich mit den beiden christlichen Kirchen verbunden fühlen.
({4})
An einer Erörterung dieses Problems kommen wir gar nicht vorbei. Oder sind uns die Menschen in Mitteldeutschland wirklich so ferne geworden, daß wir uns darüber gar nicht einmal mehr Gedanken machen? Sie wissen genau, daß es auf dieser Tribüne gar nicht möglich ist, in die vielen Einzelheiten dessen, was unsere Brüder in der Sowjetzone in diesem Zusammenhang bewegt, einzudringen. Sie wissen so gut wie ich, daß hier nicht der Ort ist, wo man das im einzelnen behandeln kann, wenn man nicht neuen Schaden anrichten will. Aber um so größer ist die Verantwortung, die bei ) denen liegt, die die Folgen eines solchen Schrittes nicht ausreichend bedacht haben.
({5}) So viel zu dieser Seite des Problems.
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Nun eine andere Seite. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zum Zwecke der Aufstellung eines auch zahlenmäßig großen stehenden Heeres in der Bundesrepublik Deutschland ist in der jetzigen politischen und strategischen Lage ein Anachronismus. Überlegen Sie sich bitte: es soll eine Armee in der Größenordnung von 500 000 Mann geschaffen werden. Die Frage, was eigentlich der Herr Verteidigungsminister außerdem noch vorhat, hat er uns nie beantwortet.
({7})
Er hat in seiner Denkschrift gesagt, daß man Stämme und Kader für die Zwecke der bodenständigen Verteidigung von 50 000 Mann bereitstellen wolle. Aber auf die Frage, wie groß denn dieser ganze Apparat sein werde, weil man zu Stämmen und Kadern auch noch etwas hinzutun müsse, damit es ein Stamm und ein Kader sei, ist er die Antwort schuldig geblieben. Das heißt doch mit dürren Worten: Es bleibt nicht bei den 500 000 Mann! Wenn ich mich recht erinnere, gab es im kaiserlichen Deutschland von Tilsit bis Saarbrücken eine Armee von 650 000 Mann. Überlegen Sie sich, in welche Proportionen sich die Bundesrepublik Deutschland mit dem doch erheblich kleineren Staatsgebiet und auch der kleineren Bevölkerung begibt, wenn sie jetzt der Meinung ist, sie müsse
eine Armee von einer halben Million Mann unter allen Umständen aufstellen. Wir schwimmen damit weltpolitisch gegen den Strom.
({8})
Wir versuchen, durch dieses Maß an Ausschöpfung der personellen Möglichkeiten des deutschen Volkes praktisch doch der Tendenz in der ganzen übrigen Welt zu einem Abbau der Heeresstärken, mindestens in bezug auf die Personenzahl, entgegenzuwirken.
Meine Damen und Herren, welche Situation ist das! Wir beraten hier über die Einführung der Wehrpflicht in einem Lande, das sie noch nicht kennt, praktisch über die Aufstellung einer Armee von mindestens einer halben Million Mann, und gestern ist in New York im Gebäude der Vereinten Nationen erneut die Verhandlung über das Zustandekommen einer Abrüstungsvereinbarung zwischen den Großen dieser Welt aufgenommen worden. Spüren wir nicht den Anachronismus, in dem wir uns befinden? Spüren wir nicht den Widerspruch, in den unsere Politik zu geraten droht, wenn sie sich den weltpolitischen Entwicklungen sehenden Auges widersetzt?
Meine Damen und Herren, schauen wir in ein Land, mit dem wir freundschaftlich verbunden sind, richten wir die Blicke nach Großbritannien! Die Regierung jenes Landes hat noch nicht offiziell angekündigt, daß sie die Absicht habe, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Wehrpflicht abzuschaffen. Sie hat lediglich mit zunächst nicht allzu erheblichen Abstrichen am Verteidigungshaushalt begonnen, hat aber gleichzeitig angekündigt, daß darüber hinausgehende Maßnahmen einer Überprüfung der gesamten Militärpolitik des Vereinigten Königsreichs nur nach Absprache mit den Verbündeten vorgenommen würden. Das heißt, die britische Regierung wird eine solche Aussprache demnächst führen. Sorgfältige Beobachter der englischen öffentlichen Meinung sind sich darin einig, daß wir in übersehbarer Zukunft erleben werden, daß Großbritannien mit seinen weltweiten Verpflichtungen die allgemeine Wehrpflicht wieder abschafft und daß das gerade zu einem Zeitpunkt geschehen wird, in dem Sie sich Mühe geben, mit dem Inkraftsetzen dieses Gesetzes hier zu beginnen.
Auf die wirtschaftlichen Folgen der Einführung der Wehrpflicht ist schon hingewiesen worden. Der Arbeitskräftemangel, der Facharbeitermangel hat sich an vielen Stellen in der deutschen Wirtschaft bereits als ein wesentliches Hemmnis für die weitere wirtschaftliche Entwicklung erwiesen. Die Ausrüstung und Unterbringung einer so großen Armee stellen Anforderungen an unseren Wirtschaftskörper, die eigentlich nach der Konjunkturdebatte der vergangenen Woche vom Herrn Wirtschaftsminister glatt verboten werden müßten. Aber wohlgemerkt, Konsequenz auf diesem Gebiet ist auf den Regierungsbänken bis dato nicht zu finden.
Meine Damen und Herren, Sie stützen sich darauf, daß die Aufstellung einer Armee von 500 000 Mann und die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine uns obliegende völkerrechtliche Pflicht sei. Ich will auf dieses Thema gar nicht zurückkommen. Ich glaube, diese These ist trotz der Beteuerungen der Bundesregierung in der ersten Lesung der Verträge vor diesem Hause ganz klar zusammengebrochen.
({9})
({10})
Das einzige Rückzugsgefecht, das Sie noch führen können, ist eben, zu sagen, daß Sie aus eigenem Interesse, aus eigener politischer Haltung heraus das für erforderlich halten. Verschanzen hinter völkerrechtlichen Verpflichtungen können Sie sich weder in der Frage der Größe der Armee noch in der Frage der Wehrverfassung, ob Wehrpflicht oder nicht. Wir sind also frei, zu prüfen, ob im Rahmen der Verträge, die nun einmal gelten
({11})
- ja, wir dürfen nicht darüber hinaus -, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland geboten ist oder nicht. Von den politischen Gefahren, die nur der verstehen kann, der sich in die Lage einer gespaltenen Nation hineinversetzen kann, habe ich schon gesprochen.
Aber auch militärisch mehrt sich überall die Erkenntnis, daß das Zeitalter der Massenheere einfach vorbei ist. Wir haben allerdings im Ausschuß militärische Sachverständige gehört, die - wie Sie alle wissen - einmütig zu der Überzeugung gekommen sind, wir bräuchten in der gegenwärtigen Situation die allgemeine Wehrpflicht. Ich will daher an dieser Stelle schon einige Bemerkungen zu den Gutachten dieser vier Sachverständigen machen.
Die Gutachten haben den leider offenbar zutreffenden Ruf bestätigt, daß es kaum einen General gibt, dem seine Armee zu groß und dem die Dienstzeit zu kurz wäre.
({12})
Sicher gibt es auch einige, die sich auch im Lichte der eigenen schmerzlichen Erfahrungen vergangener Jahrzehnte kritisch mit dem Problem auseinandersetzen. Aber es war offenbar dem Verteidigungsausschuß nicht möglich, einige von denen, die mit einem gewissen Maß an innerem Abstand an die Dinge herangegangen sind und herangehen würden, zur Abgabe eines Gutachtens im Kreise dieser Gutachter zu gewinnen. Die Zusammensetzung des Gremiums war sehr einseitig in der Weise erfolgt, daß man eben die - ({13})
- Sicher, aber Sie wissen, Herr Kollege Berendsen
- wenn ich daran erinnern darf -, daß einige Namen mehr auf unseren Vorschlägen standen. Wir wollen jetzt nicht untersuchen, wie es dazu gekommen ist, daß die anderen nicht in dem Gremium vertreten gewesen sind.
({14})
- Ja, es waren aber noch ein paar mehr. Es steht nicht in meinen Kräften, zu ergründen, was im einzelnen dazu geführt hat, weshalb die anderen Herren zum Schluß dann doch nicht in dem Gutachtergremium vertreten gewesen sind. Aber ersparen Sie mir, hier allzusehr in die persönlichen Zusammenhänge einzudringen; wir würden den Beteiligten vielleicht unnötige Schwierigkeiten auf den Hals laden.
Das Gutachten - bei allem Respekt vor der in jahrzehntelanger Lebensarbeit erworbenen Sachkunde derer, die das Gutachten erstattet haben - ist insofern antiquiert, als es von der Vorstellung ausgeht, daß man den zweiten Weltkrieg noch einmal führen kann.
({15})
Diese Vorstellung trifft eben nicht zu. Die Gutachter haben nicht jenen offenen Blick für die Veränderungen in der Weltlage gehabt, der erforderlich gewesen wäre, um alle Umstände sorgfältig gegeneinander abzuwägen, bevor man selbst als militärischer Sachverständiger - und nicht als Politiker, für den ja die militärischen Sachverständigen nur eine Seite des Problems und nicht auch die anderen darstellen - zu einem abgewogenen Urteil kommt. Die Gutachten haben nicht davon Kenntnis genommen, daß die Welt in das Zeitalter der Atomstrategie eingetreten ist und daß man sich nicht durch Wunschdenken um diesen Sachverhalt herumdrücken kann.
({16})
Die Gutachter haben die Erklärung der verantwortlichen militärischen Führer des Atlantikpaktes ignoriert, daß auf jeden Fall - auch wenn die Bundesrepublik Deutschland 12 Divisionen mit 500 000 Mann aufstellt - eine Aggression hier im Herzen Europas mit dem sofortigen Einsatz von Atomwaffen beantwortet werden würde. Diese Erklärung ist kein Stück Papier. Wenn die Gutachter schon geglaubt haben, daß sie nicht ein Gutachten allgemein über die Möglichkeiten der Verteidigung der Bundesrepublik unter Außerachtlassung etwa der politischen Struktur, die nun einmal durch die Verträge gegeben ist, anfertigen konnten, wenn sie sich auf den Standpunkt gestellt haben, man müsse die jetzige Form der Integration in den Atlantikpakt und die daraus sich ergebenden Konsequenzen als unabänderlich hinnehmen, dann hätten sie auch diese Seite der atlantischen Strategie als eine Tatsache in ihre Gutachten einstellen müssen. Das ist - wobei ich mich auf das stütze, was von den Gutachten aus irgendwelchen Quellen in die Öffentlichkeit durchgesickert ist - nicht geschehen.
Wir müssen uns von der Vorstellung frei machen, als ob die Kräfte der Bundesrepublik Deutschland ausreichten, eine mit vollem Einsatz beabsichtigte sowjetische Aggression auch mit Unterstützung der Westmächte an den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zum Halten zu bringen.
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Wer glaubt, seine militärische Planung darauf einrichten zu können, der plant das Unmögliche. Diesen Fall zu vermeiden, das ist Aufgabe der Politik, denn den Fall überleben würde niemand von uns.
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Die Frage ist also: wo steckt der wirkliche Abschreckungsfaktor in der weltpolitischen Situation, der diesen Fall gar nicht erst eintreten läßt? Er liegt nicht bei den 500 000 Mann der Bundesrepublik Deutschland!
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Meine Damen und Herren, mancher von Ihnen sagt: Ja, dann müssen wir doch wenigstens ein Gegengewicht gegen das besitzen, was an militärischem Potential in der sowjetischen Besatzungszone aufgebaut worden ist. - Auch diese Aufgabe kann man sehr in Ruhe betrachten. Die Kräfte, über die die sowjetische Besatzungszone jetzt verfügt, sind so lange keine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland, als durch die internationale Situation auf deutschem Boden ein Konflikt eben nicht einen Konflikt unter Deutschen, sondern einen Konflikt zwischen den Weltmächten und infolgedessen den dritten Weltkrieg bedeuten würde. Das ist die Lage. Daß es im Zuge der weiteren weltpolitischen Entwicklung bei dieser Lage nicht bleiben wird,
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daß sehr viel in Fluß geraten ist, das steht auf einem anderen Blatt.
Aber, meine Damen und Herren, die dafür zu treffenden Vorkehrungen erfordern weder die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht im gegenwärtigen Augenblick noch die Ausführung von Plänen, die in der Zeit der Koreakrise geboren worden sind. Die Konzeption, die jetzt hier im Bundestag erneut durchgeboxt worden ist - von kleinen Änderungen in der Gliederung der Verbände hier oder dort abgesehen -, bezieht sich im wesentlichen auf den Beitrag, den die Westmächte mit der Bundesrepublik seinerzeit unmittelbar unter der Schockwirkung der koreanischen Ereignisse ins Auge gefaßt haben. Und was ist inzwischen in der Welt geschehen!? Sollen wir auch auf diesem Gebiet genau so starr alte Gleise weiter befahren, von denen wir wissen, daß am Schluß des Gleises dann ein Prellbock steht und daß man nicht mehr weiterkommt, wie es auch auf anderen Gebieten der deutschen Politik leider geschieht!?
Das sind die wesentlichen Motive, die meine sozialdemokratischen Freunde veranlassen, schon bei dem § 1 dieses Gesetzentwurfs nachdrücklich zu betonen, daß wir die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht für die Bundesrepublik Deutschland für schädlich halten. Sie ist schädlich wegen der Konsequenzen für die weitere Verhärtung der Spaltung Deutschlands. Sie ist schädlich, weil sie einem auch für die Lösung der deutschen Frage erfreulichen Trend der internationalen Politik zuwiderläuft. Sie ist schädlich, weil sie auf überholten militärischen Vorstellungen beruht. Sie ist schädlich, weil sie in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation nur zu noch größeren Schwierigkeiten führen und damit unsere Volkswirtschaft in krisenhafte Verwicklungen stürzen kann. Das sind die Gründe, die uns veranlassen, zu dem Gesetz im allgemeinen und daher zu dem jetzt aufgerufenen § 1 im besonderen ein klares, unüberhörbares Nein zu sagen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn meine politischen Freunde auch ursprünglich der Meinung waren, daß man bei der zweiten Lesung des Gesetzes sich nicht in grundsätzliche Auseinandersetzungen begeben sollte, so möchte ich doch, nachdem Herr Kollege Erler dies in konzentrierter Form getan hat, es meinerseits auch tun, nicht zuletzt deshalb, weil ich nicht den Vorwurf hinnehmen möchte, ich nähme die Argumente oder die Anträge, schlechthin die Stellungnahme der Opposition nicht ernst.
Verehrter Herr Kollege Ollenhauer, bei dem trotz aller oft sehr heftigen Meinungsverschiedenheiten ungetrübten persönlichen Verhältnis, über das wir nach sechseinhalb Jahren Deutscher Bundestag immer noch und hoffentlich auch in Zukunft verfügen, werden Sie mir erlauben, zu bemerken: wenn ich in einer Frage der Geschäftsordnung Ihnen widersprochen habe, geschah es nur aus geschäftsordnungsmäßigen Erfahrungen und Überlegungen. Im Sturm der Meinungen liegt der Verdacht nahe, es würde die Meinung des Gegners vom Gegner nicht ernst genommen. Aber ich glaube, die Tätigkeit, die ich in zweieinhalb Jahren als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses ausgeübt habe, hat bewiesen, daß ich nicht nur Achtung habe vor der Meinung der Opposition, sondern daß ich - teilweise mit Erfolg - versucht habe, mit ihr zusammenzuarbeiten. Dieser Zusammenarbeit sind leider Grenzen gesetzt dort, wo klare politisch-gegensätzliche Überzeugungen bestehen, wie sie nun einmal hier bei der Wehrpflicht vorhanden sind, Gegensätze, von denen wir vielleicht oder sicher beide bedauern, daß sie da sind, weil die eigene Überzeugungskraft offenbar nicht ausreicht, den andern wechselseitig zu überzeugen. Aber auch dort, wo diese Grenzen einer Zusammenarbeit gegeben sind, muß jedenfalls die gegenseitige Achtung vorhanden sein, und ich kann Sie versichern, daß diese auf meiner Seite ebenso besteht, wie ich zuversichtlich hoffe, daß es auch auf Ihrer Seite der Fall ist.
Nach dieser mir notwendig erscheinenden Einführung darf ich zu den Argumenten, die bei § 1 des Gesetzes, der die Frage der Wehrpflicht nun einmal in besonderer Weise behandelt und sozusagen konstituiert, vorgebracht worden sind, meinerseits folgendes erklären.
Es ist seit der großen Debatte, die wir hier geführt haben, nicht sehr viel, aber doch einiges an Neuem hinzugetreten, was die Argumentation offenbar nicht wesentlich verändert, aber doch bereichert hat, und das, was vom Standpunkt des Parlaments und seines Ausschusses das Wichtigste war und ist, ist zweifellos die Einvernahme der militärischen Sachverständigen. Mit den Herren Generalfeldmarschall von Manstein, Generaloberst Reinhardt und den Generälen Busse und Sixt hat der Ausschuß bestimmt nicht alle diejenigen ehemaligen Feldherren vorgeladen, die etwas Besonderes zu sagen gehabt hätten; die Zahl wäre viel größer gewesen. Aber es mußte eine gewisse Auswahl getroffen werden, wenn eine sachliche Arbeit möglich sein sollte, da man mit zehn oder zwölf Sachverständigen in derselben Frage naturgemäß nicht so gut arbeiten kann wie mit drei oder vier. Diese Auswahl ist jedenfalls am Anfang und am Ende einstimmig getroffen worden, und diese Herren haben uns eine einmütige Auffassung dargelegt; ein Umstand, der jeden beeindrucken muß. Das Ergebnis der Sitzung vom 20. Juni, in der diese Herren gesprochen haben - das ja auch bekanntgeworden ist und bekanntwerden durfte, ja sogar in einer amtlichen Verlautbarung unseres Ausschusses seinen Ausdruck gefunden hat -, ist jedenfalls folgendes: Die Meinung der militärischen Sachverständigen geht dahin, daß auch im heutigen Zeitpunkt eine Rüstung für einen Waffengang mit konventionellen Waffen neben der Notwendigkeit der Rüstung für einen Waffengang mit Atomwaffen geschaffen werden muß, und zwar so lange, als es überhaupt noch einen Nachbarn gibt, der über konventionelle Waffen verfügt, und dieser Nachbar eine potentielle Gefahr darstellt, muß ein Land wie das unsere selber auch um eine entsprechende Rüstung besorgt sein.
Das Zweite: Die Stärke der nationalen Volksarmee zur Norm der Stärke der deutschen Bundeswehr zu machen, reicht nicht aus, weil es völlig irreal ist, anzunehmen, daß diese nationale Volksarmee sich einmal als einziger Gegner mit der Bundesrepublik befassen werde; denn es ist eine alte Tatsache, daß der Angreifer Grund genug hat, stärker zu sein als der Verteidiger, daß aber schon angesichts des Volkspotentials nie daran zu denken ist, daß, wenn wir überhaupt einmal an die
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I Aufrüstung herangehen, diese im östlichen Teil Deutschlands allein, selbst wenn dort alles klappen würde - worüber sich die dortige Führung sicherlich keinen allzu rosigen Hoffnungen hingibt -, ausreichen würde, uns sozusagen zu überrollen. Wir müssen also immer mit einem Konflikt von größeren Außmaßen rechnen.
Die Sachverständigen haben dann eindeutig ihre Überzeugung festgelegt, daß jene Denkschrift, über die die Urheberschaft nicht ganz klar ist und um deren politische Vertretung sich in der ersten Lesung der Herr Kollege Schneider ({1}) und der Herr Kollege Dr. Mende sozusagen im Wettlauf gestritten haben, jene Konzeption von Schwert und Schild nicht ausreicht, eine Bedrohung, wie sie im Augenblick gegeben ist oder in den nächsten Jahren gegeben sein wird, abzuwehren. Schließlich aber - und das, glaube ich, ist ein Argument, das besonders beachtet werden muß - die atomare Gliederung der Streitkräfte, von der wir hier schon einmal gesprochen haben und die eine weitgehende Dezentralisation, eine Verlagerung in kleinere Einheiten, notwendig macht, spielt keine Rolle für die Gesamtstärke der Streitkräfte und damit auch nicht für die Frage der Wehrpflicht; denn wie ich schon einmal in diesem Hause auszuführen die Ehre hatte - eine Meinung, die durch die Beratungen des Ausschusses nur gestärkt worden ist -, bedeutet atomare Gliederung nicht ein kleines Heer, sondern kleine und hochbewegliche Verbände innerhalb eines Heeres, das an Stärke jedenfalls nicht sehr weit hinter dem zurückstehen wird, was wir ursprünglich beabsichtigt haben.
Im übrigen mag man sehr wohl darüber streiten, ob diese oder jene Form der Rüstung die richtige ist. Sicherlich aber wird keine Rüstung - wie wir es im Augenblick haben - der Gefahr nicht begegnen. Deshalb ist es notwendig, daß wir, die wir ja nicht schon etwas stehen haben, sondern die wir gar nichts stehen haben, einmal an diese Frage der Rüstung herangehen und nicht nur über sie reden, sondern sie auch schaffen.
Die Sachverständigen haben uns erklärt - der Herr Kollege Erler hat es ja selbst erwähnt -, daß 500 000 Mann das Minimum dessen seien, was zur Verteidigung notwendig und sinnvoll sei. Meine Damen und Herren, das war eine militärische Erwägung. Die Sachverständigen haben ausdrücklich erklärt, sie interessiere es nicht, ob eine völkerrechtliche Verpflichtung für uns bestehe.
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- Verzeihen Sie, Herr Kollege Eschmann, diese Sachverständigen waren militärische Sachverständige und sollten über militärische Fragen reden. Über die Frage, ob eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht, hätten wir vielleicht Herrn Professor Grewe vom Auswärtigen Amt gehört, sicherlich nicht Herrn von Manstein, wie wir umgekehrt Herrn Dr. Grewe nicht danach fragen werden, ob militärisch eine Rüstung notwendig ist oder nicht; dafür ist Herr von Manstein maßgebend.
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Meine Damen und Herren, ich habe schon einmal erklärt, daß ich mich auf eine Diskussion über eine formelle rechtliche Bindung gar nicht einlassen will. Sicher ist eines - und ich wiederhole es -: daß vom ersten Tag der Beratung der Pariser Verträge an der Wille nicht nur der Mehrheit dieses Hauses, sondern auch unserer Vertragspartner, daß wir einen Beitrag von 500 000 Soldaten leisten sollten, unbestritten war, so unbestritten, daß die Sozialdemokratie - ich darf noch einmal daran erinnern - in ihrer gegnerischen Propaganda auf den Plakatsäulen diese 500 000 Mann als unvermeidliche Konsequenz der Pariser Verträge -vielleicht als politische, nicht als rechtliche Konsequenz, aber jedenfalls als Konsequenz der Pariser Verträge - in Deutschland plakatiert hat. Es ist also gar nichts Neues, wenn wir dies hier erklären. Es ist uns bei den Ausschußberatungen nur bestätigt worden.
Wenn wir 500 000 Mann aufstellen wollen, dann reichen Freiwillige nicht. Sie reichen nicht deswegen nicht, weil bei der Überführung des Bundesgrenzschutzes vielleicht etwas weniger Grenzschutzbeamte zur Bundeswehr übergegangen sind, als man gehofft hatte. Die maximale Zahl hätte 18 000 Mann betragen, und wir wissen, daß 500 000 Mann aufzustellen sind. Selbst wenn also der letzte Grenzschutzbeamte zur Bundeswehr übergetreten wäre oder morgen übertreten würde, würde der Grenzschutz nur einen kleinen Stein, wenn auch, wie ich glaube, einen wichtigen Stein im Aufbau dieser Armee bilden. Reichen aber Freiwillige nicht, kommen wir um die Wehrpflicht ebenso wenig herum wie aus der anderen Überlegung, die jeder militärische Sachverständige anstellen muß, daß nämlich ein Heer Reserven braucht, weil es sich sonst im ersten Augenblick völlig verblutet und nicht mehr fähig ist, zu kämpfen.
Nun darf ich aber noch einmal auf etwas hinweisen. Der Beschluß, militärische Sachverständige einzuladen, ist kein Beschluß, der in den Reihen der Regierungskoalition geboren wurde. Der Antrag ging von der sozialdemokratischen Opposition aus.
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Wir haben ihn angenommen. Meine Damen und Herren, wir wären als Regierungspartei vielleicht leichter in der Lage gewesen, anzunehmen, daß die Herren Sachverständigen, die Beamte oder Offiziere des Verteidigungsministeriums sind, ausreichen würden, einen Sachbeitrag zu dieser Frage zu leisten. Die Opposition, die das Recht hat, kritischer zu sein, war der Meinung, es sollten unabhängige Fachleute sein, solche Männer also, die nicht in einem Bediensteten- oder ähnlichen Verhältnis zum Amt Blank stehen, solche Männer, die auch nicht die Absicht haben, reaktiviert zu werden, was ja bei den vorgeladenen Sachverständigen schon infolge ihres Alters nicht mehr in Frage kommt. Wir haben diese Herren dann einstimmig geladen. Wir haben uns über die Namen sowie darüber, daß die Zahl etwas verkleinert werden müsse, schließlich und endlich geeinigt. Es kann also nicht von der Opposition so getan werden, als wenn diese Herren kein oder nur ein sehr geringes Gewicht hätten. Denn es ist ja ihr Antrag gewesen, unabhängige Sachverständige zu laden, d. h. also hohe Offiziere, die nicht im Dienste der Bundesregierung stehen. Diesem Antrag wurde entsprochen, und ein entsprechendes Gewicht hat, glaube ich, ihr Gutachten, zumal es einmütig war.
Wenn die sozialdemokratische Pressestelle, für die die Fraktion vielleicht nicht verantwortlich ist - ich weiß es nicht -, nach Beendigung unserer damaligen Sitzung erklärt hat, es sei von Generälen nichts anderes zu erwarten gewesen als das,
({5})
was sie gesagt haben, dann war offenbar Herr
Heine von der Pressestelle klüger als seine Fraktion oder die Mitglieder unseres Ausschusses. Aber, meine Damen und Herren, das ändert nichts an der Tatsache, daß es ein Wunsch der SPD war, gerade militärische Sachverständige, Generäle, zu hören.
Nun wird noch behauptet, diese Herren seien in ihren Auffassungen antiquiert gewesen. Das ist natürlich eine Frage der Wertung. Ich bin an sich ein militärischer Laie wie der Herr Kollege Erler auch, aber immerhin jemand, der sich nun seit Jahren mit diesen Dingen befaßt und ebenso wie Herr Kollege Erler wohl sagen darf, von Fragen der Wehrpolitik ein wenig zu wissen, ohne behaupten zu wollen, über Strategie Bescheid sagen zu können, was sicherlich Herr Erler auch nicht behaupten wird. Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß die Herren außerordentlich modern waren und die ganzen Probleme in einer Offenheit und einer Klarheit aufgezeigt haben, die sicherlich, wenn sie nicht schon überzeugend wirkten, alle Achtung verdienen. Ich glaube, 'daß gerade der Herr Generalfeldmarschall von Manstein - Sie können es sicherlich auch sonst von ihm hören - die Probleme, die der Atomkrieg stellt, in außerordentlich klarer Sicht sieht und daß er gerade aus Sorge, der Westen könnte bei seiner konventionellen Unterlegenheit gezwungen sein, am Ende sogar strategische Atomwaffen einzusetzen, für eine starke konventionelle Rüstung ist, damit bei einem Gleichgewicht der konventionellen Rüstung diese Gefahr vermindert, wenn nicht im Laufe der Zeit beseitigt wird. Der Schrecken eines Atomkrieges kam jedenfalls in den Ausführungen dieser Generäle in außerordentlicher Klarheit zum Ausdruck. Sie waren schließlich der Meinung, daß es kein verantwortungsbewußter Mensch verantworten könne, einen Atomkrieg heraufzuführen, und bauten darauf sogar eine gewisse Hoffnung, daß er am Ende der Menschheit doch erspart werden könne, wenn nicht die Rüstung überhaupt, was ich für besser halte, uns den Krieg erspart, was wir alle wollen.
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Der Herr Kollege Erler hat gesagt, wir sollten alle gerade unter dem Blick darauf, daß Vertreter der evangelischen Synode gestern in diesem Hause waren, unser Gewissen prüfen. Ich gebe zu, daß die Mahnung, das Gewissen zu prüfen, gar nicht oft genug erschallen kann, weil es eine außerordentlich ernste und folgenschwere Frage ist, vor deren Entscheidung wir treten. Aber, meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch dringend, nicht zu glauben, daß nur diejenigen ihr Gewissen geprüft haben, die sich g e g en die Wehrpflicht entscheiden.
({7})
Das haben genauso diejenigen Damen und Herren getan, die glauben sich f ü r die Wehrpflicht entscheiden zu müssen. Ja, da die Entscheidung für die Wehrpflicht die Übernahme einer Verantwortung bedeutet, glaube ich, daß wir noch viel mehr Anlaß haben - und uns auch die Zeit dazu genommen haben -, diese Frage zu überprüfen, nicht erst, seit das Wehrpflichtgesetz vorliegt, sondern seit dem ersten Tage, da wir in diesem Hause über die Wehrpflicht diskutierten, also seit Februar 1952. Bei all dem großen Gewicht, das die Herren, die gestern hier waren - ich habe ja selbst an der Unterredung teilgenommen und einen starken Eindruck davon bekommen -, bei allem großen Gewicht, das die Herren als Menschen, als Kirchenführer und mit ihren Argumenten haben, muß ich doch sagen: nicht alles, was sie uns gesagt haben, war uns unbekannt. Das meiste hat bereits in unseren, sicherlich auch in Ihren Überlegungen eine Rolle gespielt. Ich habe selbst bei dieser Unterredung gesagt, daß diese Argumente bei uns ernst geprüft werden, daß aber noch andere Argumente hinzukommen. Wir sind in der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union der Überzeugung, daß das Gesamtgewicht aller Argumente eben für die Einführung der Wehrpflicht spricht, weil wir sonst nicht jene Sicherheit des freien Deutschland und der freien Welt garantieren können, ohne die jede Hoffnung auf Befreiung der Mittelzone und jede Hoffnung auf Wiedervereinigung ein für allemal vom Tisch geweht wäre.
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Es ist von einer anderen Seite erklärt worden, man sei grundsätzlich für die Wehrpflicht, aber man könne nicht für das Gesetz stimmen, weil bestimmte Gesetze in diesem Augenblick noch nicht vorlägen. Man denkt wahrscheinlich vor allem an das Organisationsgesetz, an das Gesetz über den Wehrbeauftragten, vielleicht auch an die Disziplinarordnung.
({9}) Ich gebe zu, daß dies Gesetze sind, die dann in Kraft sein sollen, wenn die Wehrpflicht eingeführt wird. Aber ich erinnere Sie daran, daß von dem Tag, da dieser Bundestag das Gesetz beschließt, bis zu dem Tag, da der erste Soldat auf Grund der Wehrpflicht 'durch das Kasernentor zieht, eine bestimmte Zeit verstreichen wird, die im Verteidigungsministerium zur Zeit auf ein Dreivierteljahr geschätzt wird. Man wird Verbindliches wahrscheinlich erst nach Anlaufen der Wehrersatzorganisation sagen können. Bis dahin haben wir Gelegenheit, das Gesetz über die Organisation der Landesverteidigung und das Gesetz über den Wehrbeauftragten, die beide im Entwurf vorliegen, im Verteidigungsausschuß zu beraten und hier zu verabschieden, so daß sie in dem Augenblick in Kraft getreten sein werden, in dem die Wehrpflicht durchgeführt wird. Was die Disziplinarordnung betrifft, so glaube ich, daß die Entscheidung über die Einführung der Wehrpflicht geradezu die Vorentscheidung für sie ist. Denn das Gesicht einer Disziplinarordnung wird sehr wesentlich davon abhängen, ob man es nur mit Berufssoldaten oder auch mit Wehrpflichtigen zu tun hat.
Schließlich sagt man uns, wir würden gegen den Strom schwimmen. Die allgemeine Abrüstung sei im Gespräch bei den Vereinten Nationen und anderswo. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Gespräch ist sie wohl. Ich habe aber bis zur Stunde nicht 'den Eindruck, daß bei dem Gespräch auch Abkommen, also etwas Realisierbares, herausgekommen wären.
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Wir müssen uns jedenfalls also, durch bittere Erfahrungen belehrt, mit der Möglichkeit vertraut machen, die mir sehr wahrscheinlich zu sein scheint, daß am Ende gar nichts dabei herauskommt und daß das Ganze nur ein Störmanöver des Ostens ist, um den Westen und vor allem Westdeutschland an einer stärkeren Rüstung zu hindern.
Sollte aber der Wille ernsthaft vorhanden sein, zu einer internationalen Rüstungsbeschränkung zu kommen, dann ist Zeit genug vorhanden. Bis zum
({11})
Ende dieses Jahres stehen erst 96 000 Freiwillige und noch kein Wehrpflichtiger. Wenn man bis zum Ende dieses Jahres sich international darauf einigt, Deutschland ein Heer von - im Gespräch wurde diese Größe genannt - 200 000 Mann aufstellen zu lassen, dann sind wir also immer noch auf einem Stand, wo wir noch etwas weiter aufrüsten müssen. Wir können uns eine über 200 000 Mann hinausgehende Aufrüstung dann, wenn sich die NATO- Mächte und die Ost -Mächte darauf geeinigt haben, sehr wohl schenken. Wir präjudizieren also gar nichts, wenn wir uns jetzt für diese Aufrüstung entscheiden. Einigt man sich international, dann wird die Aufrüstung eben nur bis zu jenem Punkt fortgeführt, auf den man sich geeinigt hat.
({12})
Aber wir gefährden die Freiheit der westlichen Welt, wenn wir uns wegen eines Gesprächs, dessen Aussicht auf Erfolg bestenfalls 50% ig ist, dazu entscheiden, gar nichts zu tun. Wir würden dann allerdings das tun, was man im Osten von uns wünscht.
(Beifall ({13})
- Bitte sehr!
Herr Dr. Jaeger, es wäre sicherlich für das Parlament sehr wertvoll, wenn Sie als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses auch zu der Frage Stellung nähmen, ob Sie es für zumutbar halten, daß man ein Wehrpflichtgesetz annehmen soll, in dem über die Dauer der Wehrpflicht nichts, aber auch gar nichts gesagt wird.
Ich bin gern bereit, auf diese Frage zu antworten, denn sie liegt in der Luft.
Verzeihung, Herr Abgeordneter Gille, das war keine „Frage".
({0})
- Nein! Das waren Ausführungen zu den Äußerungen des Redners, aber keine Fragestellungen.
({1})
Unbeschadet dessen, ob das eine Frage ist oder nicht - die Entscheidung ist Sache des Herrn Präsidenten und nicht die meine oder die Ihrige -, will ich das Problem gerne jetzt anschneiden. Ich hätte es sonst in einem anderen Punkt der Debatte noch behandelt.
Meine Damen und Herren, wozu machen wir das Gesetz, und warum eilt es? Wir machen das Gesetz, um eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, über die Frage: Brauchen wir eine Wehrpflicht, oder brauchen wir sie nicht, werden wir sie einführen, oder führen wir sie nicht ein? Und es eilt, dieses Gesetz! Ich leugne gar nicht, daß es eilt, auch wenn wir im Ausschuß nichts überstürzt haben.
({0})
Das Gesetz eilt, weil, wie ich schon sagte, vom Tage des Inkrafttretens des Gesetzes bis zu dem Tage, da der erste Rekrut durch das Kasernentor einzieht, die Frist laufen muß, die für den Aufbau und das Funktionieren der Wehrersatzorganisation notwendig ist.
Da, meine Damen und Herren, Europa drei Jahre mit Verhandlungen vertan hat - es war nicht unsere Schuld, daß sie nicht zum Erfolg führten -,
({1})
ist nunmehr Eile geboten; denn eigentlich sollte die deutsche Armee oder der deutsche Beitrag zur europäischen Armee schon lange stehen.
Wenn Sie mich fragen, ob das auch ohne Dienstzeitbestimmung geht, so kann ich Ihnen sagen: wir haben die Dienstzeitbestimmung herausgenommen, um die Verabschiedung dieses Gesetzes zu erleichtern und zu beschleunigen, aber auch um den Ausschüssen und dem Parlament die Möglichkeit zu geben, ohne Zeitdruck die Frage der Dauer der Wehrpflicht noch einmal genauestens zu überprüfen, auch auf Grund jener Beratungen, die in anderen NATO-Staaten zur Zeit über diese Frage stattfinden.
({2})
Ich muß dabei allerdings sehr energisch der Meinung eines meiner Vorredner widersprechen, es sei damit eine Blankovollmacht gegeben, ob sechs Monate oder fünf Jahre. Vollmacht ist sowieso keine gegeben, weil es ein Gesetz braucht. Und ich kann Sie vergewissern, meine Damen und Herren: das höchste, was jemals in Gesprächen war, war eine Frist von 24 Monaten, von denen die militärischen Sachverständigen gesprochen haben. Der Herr Verteidigungsminister hat mir erklärt, er werde bei der Meinung der Bundesregierung von 18 Monaten bleiben. Und ich kann Ihnen namens meiner Fraktion erklären, daß auch für uns jene 18 Monate das Höchstmaß dessen darstellen, was beschlossen werden wird; weitere Dinge stehen gar nicht zur Diskussion.
({3})
In diesem Rahmen von sechs Monaten bis 18 Monaten würde das gegenwärtige Gesetz allerdings sogar den Vorteil bieten, wenn es gewünscht würde -- wir wünschen es nicht; aber wenn und sobald es von einem gewissen Teil des Hauses gewünscht würde -, den Plan „Schwert und Schild" durchzuführen; denn es ist darüber noch keine Entscheidung getroffen, wie lange die Dienstzeit ist. Erst wenn dieses Gesetz verabschiedet ist, wird damit auch die Entscheidung darüber fallen, ob wir den Plan „Schwert und Schild", wie es einige Herren wünschen, annehmen oder ob wir ihn, wie meine eigene Fraktion meint, ablehnen müssen. Also diesen Punkt läßt das Gesetz noch offen, und das sollte eigentlich manchem sogar die Zustimmung erleichtern, dem sie sonst vielleicht schwerer fallen würde.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn uns die Fraktion der Freien Demokraten statt dieser Vorlage einen Gesetzentwurf vorschlägt, der nur den Aufbau einer Wehrersatzorganisation vorsieht, dann schlägt sie ja noch weniger vor als wir mit dieser Vorlage. Das aber halte ich nun nicht mehr für zweckmäßig; denn ich kann ein Wehrersatzwesen nicht aufbauen, ohne zu wissen, ob ich die Wehrpflicht einführen will oder nicht. Es wäre eine ganz kostspielige und unnütze Sache, ein Wehrersatzwesen aufzubauen, wenn ich keine Wehrpflicht habe.
({5})
({6})
Deshalb meine ich, Herr Dr. Gille: was wir dringend brauchen, ist der Aufbau des Wehrersatzwesens, rund als Voraussetzung dafür, daß wir unser Geld nicht ins Feuer werfen und verheizen, brauchen wir jetzt die Entscheidung: Wehrpflicht oder nicht, während die Frage der Länge der Dienstzeit ruhig erst an Weihnachten entschieden werden kann - sie wird wahrscheinlich eher entschieden werden -; das reicht dann immer noch aus.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Herr Dr. Jaeger, Sie sagten vorhin, daß es eine sehr kostspielige Angelegenheit sei, wenn man das Wehrersatzwesen aufbaue, ohne daß über die Wehrpflicht entschieden sei. Sie hatten aber vorher ausgeführt, daß es durchaus möglich sei, daß man im Rahmen der Abrüstungsgespräche doch zu einer wirklichen Abrüstung komme und daß man dann das Wehrpflichtgesetz nicht auszuführen brauche. Sehen Sie darin keinen Widerspruch?
Darf ich mir noch eine Frage erlauben: Was tun Sie und was tut die Regierung, um zu diesen Abrüstungsgesprächen und zur Entspannung beizutragen?
Um Ihre Frage zu beantworten, Herr Kollege: soweit ich informiert bin - und es scheint, daß Herr Erler die gleichen Informationen hat, denn er hat es in einer seiner Reden gesagt -, war bei den Abrüstungsgesprächen eine Grenze von 200 000 Mann für Westdeutschland gezogen. So wie die Dinge heute liegen, glaube ich, daß wir nicht einmal diese 200 000 Mann auf der Basis der Freiwilligkeit aufbringen würden; auch dazu bräuchten wir eine Wehrersatzorganisation.
Außerdem sage ich Ihnen eines: wenn es zu einer internationalen Abrüstung und damit zu einer Festigung des Friedens kommt, dann zahlen wir die paar Millionen gern, die wir vielleicht zuviel in die Wehrersatzorganisation investiert haben.
({0})
Sie haben mich dann gefragt, was wir zur Abrüstung beitragen können. Abrüsten können wir ja nicht; wir haben nichts, was wir abrüsten können.
({1})
Ich glaube, der beste Beitrag der Bundesrepublik zur internationalen Abrüstung besteht in ihrem unerschütterlichen Willen, im Rahmen der freien Welt einen Verteidigungsbeitrag zu leisten. Das wird die anderen vielleicht veranlassen, abzurüsten.
({2})
Das, meine Damen und Herren, sind die Darlegungen, die ich vorbehaltlich dessen, daß in der dritten Lesung auch von unserer Seite eine grundsätzliche Debatte stattfinden soll, hier auf die Argumentation meines Vorredners sagen wollte, um darzutun, daß wir uns heute - nach den Ausschußberatungen - mit noch besserem Gewissen als vorher für die allgemeine Wehrpflicht entscheiden.
({3})
Weitere Wortmeldungen? - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Wer dem § 1 der Vorlage zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der § 1 ist angenommen.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, von 13 Uhr bis 14 Uhr 30 eine Mittagspause einzuschieben.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der CDU sich um 14 Uhr in ihrem Fraktionszimmer versammelt.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr 30.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 33 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf den Ausschußbericht Drucksache 2575, § 2. Hier ist ein Änderungsantrag angekündigt, den Sie auf Umdruck 723 Ziffer 1*) finden. Wer begründet diesen Antrag? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratische Antrag, den ich zu begründen habe, hat eigentlich etwas völlig Selbstverständliches zum Inhalt. Nach dem Bericht des Ausschusses sollen staatenlose Personen grundsätzlich der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen werden, und zwar nach Maßgabe einer von der Bundesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung. Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, Sie werden alle mit mir übereinstimmen, wenn ich hier den Standpunkt vertrete, daß alle diejenigen, die die gleichen staatsbürgerlichen Lasten zu tragen haben, auch bezüglich der staatsbürgerlichen Rechte die gleiche Position einnehmen müssen. Daraus folgt zwangsläufig, daß Sie, die Sie die allgemeine Wehrpflicht einführen wollen, den staatenlosen Personen das Recht geben müssen, die Position eines Staatsbürgers zu erlangen. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß dieser selbstverständliche Grundgedanke keiner längeren Ausführungen bedarf.
Im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sind diese Überlegungen bereits Gegenstand der Erörterung gewesen. Dort haben sich auch die Mitglieder der Regierungskoalition auf den Standpunkt gestellt, daß, wenn Staatenlose der allgemeinen Wehrpflicht unterworfen werden sollen, ihnen auch das Recht eingeräumt werden muß, sagen wir, die Qualität des Staatsbürgers zu erwerben. Ich sehe hier gerade die verehrte Frau Kollegin Dr. Weber. Sie hat nach dem Protokoll des Rechtsausschusses, 136. Sitzung, folgendes ausgeführt - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus dem Protokoll wörtlich zitieren -:
Abg. Frau Dr. h. c. Weber ({0}) ({1}) würde es für gerecht halten, daß ein Staatenloser, wenn er eingezogen werde, seine Staatenlosigkeit verliere.
*) Siehe Anlage 5.
({2})
Sie erinnern sich sicherlich, verehrte Frau Kollegin Dr. Weber, an diese Erörterungen.
({3})
Auch der Berichterstatter im Rechtsausschuß, Herr Kollege Haasler, hat die gleiche Auffassung vertreten und hat an einer Stelle der Ausschußberatungen sogar einen entsprechenden Antrag in Erwägung gezogen.
Meine Damen und Herren, Sie können daraus erkennen, daß das Anliegen, welches dem sozialdemokratischen Antrag, der Ihnen allen vorliegt, zugrunde liegt, ein von allen Teilen des Hauses zu billigendes Anliegen ist, nämlich, um es noch einmal zu sagen, all denen, die die gleichen staatsbürgerlichen Lasten zu tragen haben, auch in gleichem Maße die staatsbürgerlichen Rechte einzuräumen. Das heißt, derjenige, der als Staatenloser unter dieses Gesetz fällt, soll im Falle der Heranziehung die Möglichkeit besitzen, Staatsbürger zu werden, ein selbstverständliches Anliegen, das auch von den Kollegen der Koalitionsparteien geteilt worden ist.
Wir stehen nun in diesem Stadium der Beratungen in einer interessanten Situation. Ihre Kollegen im Rechtsausschuß, meine Damen und Herren von der Mehrheit in diesem Hause, haben dort dieses Anliegen als berechtigt angesehen. Jetzt wird sich erweisen, ob Sie nach der Methode der Dampfwalze diesen selbstverständlichen und berechtigten Antrag niederwalzen
({4})
oder ob Sie gewillt sind, das allgemein als berechtigt anerkannte Anliegen durch Ihre Zustimmung zu dem sozialdemokratischen Antrag zu berücksichtigen. Ich bin neugierig, wie sich die Mehrheit jetzt in dieser Abstimmung verhalten wird.
({5})
Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß hier nicht gewalzt, sondern abgestimmt wird.
({0})
Das Resultat kann in dem einen oder anderen Fall das gleiche sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vom Herrn Kollegen Wittrock vertretene Anliegen ist zweifellos berechtigt.
({0})
Es ist nur die Frage, ob dieses Anliegen an der von Ihnen vorgeschlagenen Stelle berücksichtigt werden soll und ob die von Ihnen vorgeschlagene Form bereits ausreicht, um klare Verhältnisse zu schaffen. Sie beantragen die Aufnahme der Bestimmung, daß ein Staatenloser, der seiner Wehrpflicht genügt, einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung hat. Sie sagen damit nichts darüber, von welchem Zeitpunkt an die Voraussetzung der Erfüllung der Wehrpflicht gegeben ist.
({1})
- Wir würden, Herr Kollege Arndt, etwas zu großzügig handeln, wenn wir bereits den Tag des Einrückens als den Stichtag für die Berechtigung eines Einbürgerungsantrags nehmen wollten.
Zweifellos bedarf diese Frage noch einer genaueren Erörterung. Wir meinen, daß das Staatsangehörigkeitsgesetz der richtige Ort für die Regelung dieses Problems ist, nicht aber unbedingt das Wehrpflichtgesetz.
Herr Kollege Wittrock hat uns weiter ins Gedächtnis zurückgerufen, daß die Mitglieder des Rechts- und Verfassungsausschusses, auch soweit sie der Koalition angehören, im Ausschuß den Standpunkt vertreten hätten, eine Regelung, wie sie von Ihnen nunmehr vorgeschlagen ist, sei nötig. Ich glaube, Herr Kollege Wittrock, daß zwischendurch derartige Gedankengänge von uns geäußert und ventiliert worden sind. Aber wir sind schließlich, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dahin verblieben, daß es zweckmäßig sei, die Staatenlosen überhaupt von der Wehrpflicht auszunehmen. Ich glaube mich weiter zu entsinnen, daß auch der Vertreter des Wehrministeriums erklärt hat, man werde wahrscheinlich auf die Staatenlosen verzichten können.
Der Verteidigungsausschuß hat geglaubt, die Möglichkeit schaffen zu sollen, daß auch die Staatenlosen zum Wehrdienst herangezogen werden. Er hat dafür sicherlich gute Gründe gehabt. Denn wenn jemand den Schutz unseres Staates genießt, wenn er innerhalb unserer Wirtschaft sein Fortkommen findet, wenn er alle Vorteile wahrnimmt, die ihm das Leben in unserer Gemeinschaft bietet, dann soll er auch verpflichtet sein, sofern die Situation seine Heranziehung erfordert, für die gemeinsame Kultur und für dieses Volk, in dem er lebt, auch mit der letzten Konsequenz einzustehen.
Ich wiederhole: Ihr Anliegen, dem Staatenlosen, wenn man ihn heranzieht, auf Antrag ,die Staatsbürgerschaft zu geben, ist berechtigt. Es sollte nur nicht hier erfüllt werden; es sollte im Staatsangehörigkeitsgesetz seinen Niederschlag finden. Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wittrock.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß der Rechtsanspruch auf Einbürgerung vom Zeitpunkt der Einberufung an existent sein soll. Ich gebe zu, daß es zum Zwecke der Klarstellung vielleicht sachdienlich ist, das auch ausdrücklich zu sagen. Ich möchte deshalb mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten den Antrag Umdruck 723 Ziffer 1 wie folgt formulieren:
Dem § 2 Abs. 2 ist folgender Satz anzufügen:
„Wenn sie ihrer Wehrpflicht genügen, haben sie vom Zeitpunkt der Einberufung an einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung."
In diesem Fall dürften keinerlei Zweifel darüber bestehen, wann der Anspruch entsteht. Wir legen aber Wert darauf, daß eben dieser Anspruch vom Zeitpunkt der Einberufung an zweifelsfrei besteht. Denn von wann an soll er denn bestehen, erst wenn der Einberufene einen Orden gekriegt hat oder erst wenn er Oberkanonier geworden ist oder erst wenn er zu 50 % kriegsbeschädigt geworden ist oder unter die Bestimmungen des Versorgungsgesetzes fällt?
({0})
({1})
Nach welchem Maßstab wollen Sie denn denjenigen, der in den Streitkräften seine Pflicht erfüllen soll, in die Rechtsstellung eines Staatsbürgers hineinbringen? Das ist doch die Frage, die hier zu stellen ist. Meine Damen und Herren, Sie von der Mehrheit dieses Hauses sind ja immer so stolz darauf - in Anlehnung an Gedanken aus dem 19. Jahrhundert -, darauf hinweisen zu können, daß die allgemeine Wehrpflicht so ungefähr die Krönung des Staatsbürgertums ist.
({2})
- Ja, das sagen Sie doch immer!
({3})
- Sie reden doch immer davon,
({4})
- ich weiß nicht, ob Sie persönlich, das weiß ich natürlich nicht -,
({5})
Sie deuten das ja immer mit einem gewissen Blick nach der linken Seite des Hauses an, daß die Demokratie erst dann ihre volle Abrundung erfährt, wenn wir es mit einer allgemeinen Wehrpflicht zu tun haben.
({6})
Meine Damen und Herren, in Konsequenz dieses Standpunktes müßten gerade Sie an meiner Stelle hier stehen
({7})
und einen solchen Antrag vertreten, wie ich ihn hier vertrete. Es ist eigentlich bedauerlich, daß erst die Opposition derartige Anträge hier stellen muß und daß die Koalition nicht von ganz alleine darauf kommt, daß derjenige, der Pflichten erfüllt, auch Rechte besitzen muß.
({8})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie also, aus diesen Erwägungen unserem Antrag zuzustimmen. Diese Erwägungen sind im Ausschuß anerkannt worden. Die Streichung dieser Bestimmung ist allerdings vom Rechtsausschuß dem Verteidigungsausschuß vorgeschlagen worden, aber nicht etwa deshalb, weil die Berechtigung des von mir hier vertretenen Anliegens irgendwie in Zweifel gezogen worden ist, sondern aus ganz anderen Gründen, aus Gründen, die ich im Rahmen der Begründung dieses Antrags nicht anführen will. Es bestanden nämlich - ich will es doch sagen - auch gewisse Bedenken, ob man die Erweiterung des Kreises der Wehrpflichtigen einer durch die Bundesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung überlassen soll. Das war nämlich der Punkt, wo ,die Meinungsbildung dazu führte, man sollte den hier in Betracht kommenden Absatz streichen.
({9})
Wir wollen jetzt diese Problematik von seiten der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gar nicht erneut aufreißen und vertiefen, sondern wir wollen uns hier auf das beschränken, was von Ihren Kolleginnen und Kollegen selbst anerkannt worden ist: es soll sichergestellt werden, daß derjenige, der staatsbürgerliche Pflichten erfüllt, vom Zeitpunkt der Einberufung an die vollen staatsbürgerlichen Rechte besitzt.
({10})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über Ziffer 1 des Änderungsantrags Umdruck 723*).
({0})
- Ja. Die Antragsteller ändern ihren Änderungsantrag ab, so daß er nunmehr lautet:
Wenn sie ihrer Wehrpflicht genügen, haben sie vom Zeitpunkt ihrer Einberufung an einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung.
({1})
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({2})
Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit.
({3}) Es liegen einige Enthaltungen vor.
({4})
Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über § 2 ab.
({5})
- Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Es ist sonst sehr schwer, die Abstimmung durchzuführen. - Wir stimmen nunmehr über § 2 in der Ausschußfassung ab. Wer dieser Bestimmung zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Hier sind zwei Änderungsanträge angekündigt: zunächst ein Antrag auf Umdruck 723 Ziffer 2, dann ein Antrag auf Umdruck 719 Ziffer 1. Ich rufe zunächst zur Begründung des Antrags Umdruck 723 Ziffer 2*) auf und erteile dem Abgeordneten Dr. Arndt das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 3 lautet im ersten Absatz Satz 1:
Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 25 durch den zivilen Ersatzdienst erfüllt.
§ 25 ist die Vorschrift über die Kriegsdienstverweigerer. Die Ausschußfassung weicht von der Regierungsvorlage dadurch ab, daß sie zwischen Wehrpflicht und Wehrdienst unterscheidet und auch den zivilen Ersatzdienst als Erfüllung der Wehrpflicht abstempeln will. Diese Änderung geht auf einen Vorschlag des Bundesrates zurück.
Der Antrag, den ich zu begründen habe, zielt darauf ab, die Worte „oder im Falle des § 25 durch den zivilen Ersatzdienst" zu streichen. Wenn der zivile Ersatzdienst jetzt als eine Art Wehrpflichterfüllung charakterisiert wird - das mag unter Umständen vom Bundesrat und auch vom Verteidigungsausschuß gut gemeint gewesen sein -, so werden dadurch ganz unnötige und sinnlose psychologische Erschwernisse geschaffen. Wir wissen
*) Siehe Anlage 5.
({0})
aus dem Gutachten von Herrn Professor Siegmund-Schultze, daß ein Teil der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, und zwar im Inland und im Ausland, ohnehin Hemmungen hat, einen Ersatzdienst als gesetzlichen Zwangsdienst statt als einen freiwilligen Dienst zu leisten. Noch erheblicher können die Gewissensbedenken bei einigen Sekten wie den Zeugen Jehovas werden, wenn der Ersatzdienst ausdrücklich als Erfüllung der Wehrpflicht deklariert wird.
Ein Grund für diese rein theoretischen Formulierungen ist nicht einzusehen. Irrig ist jedenfalls die Erwägung, die der schriftliche Ausschußbericht anführt, indem er sich auf den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz beruft. Gewiß dürfen Wehrdienstausnahmen diesem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, wie er in Art. 3 GG verbürgt ist, nicht widersprechen. Aber der zivile Dienst, der Friedensdienst, durch den nach § 27 des Gesetzentwurfs Aufgaben des Allgemeinwohls erfüllt werden sollen, beruht nicht auf einer Ausnahme vom Wehrdienst innerhalb der Wehrpflicht, sondern gründet sich auf eine selbständige Pflicht, die eine eigenständige Alternative zur Wehrpflicht ist. Der Gleichheitsgrundsatz kann Lastengleichheit erfordern, aber nicht notwendig dieselbe Art der Last, ob Wehrpflicht oder ob Zivildienstpflicht. Art. 3 GG, der Gleichheitssatz, bedeutet, daß man Gleiches nicht willkürlich ungleich oder Ungleiches nicht willkürlich gleich regeln darf. Der Art. 4 GG steht mit gleichem Rang neben Art. 3 und bezeugt, daß es eine vom Grundgesetz ausdrücklich anerkannte Ungleichheit im Gewissen gibt, die als solche Berücksichtigung verdient. Ob den einen das Gewissen zwingt, Wehrdienst zu tun - oder jedenfalls das Gewissen ihn dabei nicht drückt -, oder ob ein anderer auf Grund seines Glaubens oder aus anderen beachtlichen Gründen durch Erfüllung einer Wehrpflicht in Gewissensnot gerät, das ist, auch wenn es keinen Art. 4 gäbe, nicht dasselbe und ist deshalb vom Gesetz verschieden zu regeln, ohne daß dadurch der Gleichheitssatz verletzt wird.
Nach Art. 3 ist es also weder notwendig noch ist es sinnvoll, eine Bestimmung zu treffen, in der man unter dem Obergriff der Wehrpflicht sowohl den Wehrdienst als auch den zivilen Ersatzdienst zusammenfaßt; aber wir rufen damit eine ganz unnötige Schwierigkeit und eine vermeidbare Gewissensbeunruhigung hervor. Von dem Prinzip der Wehrpflicht in allen seinen Auswirkungen, wie es die Mehrheit des Hauses will, würde auch nicht ein I-Tüpfelchen wegfallen, wenn unserem Antrag entsprochen würde.
Zur Klarstellung darf ich noch bemerken, daß
das kommt an späterer Stelle - diejenigen, die der zivilen Dienstpflicht unterliegen, selbstverständlich eine entsprechende Pflicht haben sollen, wie sie in § 3 Abs. 1 Satz 2 geregelt ist. Also auch der Kriegsdienstverweigerer, der den Zivildienst zu leisten hat, hat die Pflicht, sich zu melden, sich vorzustellen und auf die geistige und körperliche Tauglichkeit untersuchen zu lassen. Es ist völlig klar, daß diese Pflicht auch für den Zivildienstpflichtigen bestehenbleibt; das wünschen wir nicht in Fortfall zu bringen. Wir wünschen ausschließlich psychologische Schwierigkeiten zu beseitigen und vermeidbare Gewissensbeunruhigung zu verhindern. Denn niemand hat etwas davon, daß der eine oder andere Sektierer oder derjenige, der Gewissenshemmungen schlechthin gegen jede Wehrpflicht hat, nun dazu gezwungen werden soll, und zwar aus der reinen Doktrin heraus, daß auch der Zivildienst eine Unterart oder Abart der Wehrpflicht ist.
Ich habe schließlich noch hilfsweise zu beantragen - was auf dem Umdruck nicht verzeichnet steht -, den Ausdruck „ziviler Ersatzdienst" an allen Stellen, wo er vorkommt, zu ersetzen durch das Wort „Zivildienst". Der Ausdruck „Ersatzdienst" ist nicht schön und nicht gut.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß namens der Fraktion der Freien Demokraten dem Antrag des Kollegen Arndt widersprechen. Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes sagt ausdrücklich, daß niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. Die Wehrpflicht oder, wie wir es besser ausgedrückt haben möchten, die allgemeine Verteidigungsdienstpflicht ist der Oberbegriff. Wie auch in allen anderen rechtsstaatlich demokratischen Ländern ist der Ersatzdienst jenes Privileg, das sich für manchen Bürger aus Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes ergibt. Würden wir den zivilen Ersatzdienst nicht unter den Oberbegriff der allgemeinen Verteidigungsdienstpflicht rubrizieren, so wäre leicht eine Diffamierung des Bürgers möglich, der den Zivildienst leistet. Wir wollen aber nicht, daß er diffamiert wird, sondern, daß er seine nationale Verteidigungspflicht auch durch diesen zivilen Ersatzdienst voll und ganz erfüllt. In der Praxis ist es im Grunde genommen gleichgültig, wie wir es formulieren. Entscheidend ist vielmehr die Auslegung des sogenannten zivilen Dienstes in der öffentlichen Meinung, und hier möchten wir nicht, daß durch die von Herrn Kollegen Arndt vorgeschlagene Änderung - die das Gegenteil dessen bewirken würde, was er beabsichtigt - der zivile Dienst als etwas Minderwertiges eingeordnet wird. Wir sehen diesen zivilen Ersatzdienst als etwas Gleichwertiges an und bitten daher, dem Antrag des Kollegen Arndt nicht stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Haasler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen und im wesentlichen auf meinen Herrn Vorredner berufen.
Ich will seinen in diesem Falle sehr treffenden Argumenten lediglich noch eines hinzufügen. Der Vorschlag des Verteidigungsausschusses sichert dem Kriegsdienstverweigerer eben durch das Nebeneinanderreihen der beiden Möglichkeiten die gleichen Bedingungen und Rechte - natürlich auch Pflichten -, die mit seiner Einberufung und mit der Ableistung des Dienstes zusammenhängen. Es bedarf also in Zukunft keiner besonderen gesetzlichen Bestimmungen, wenn man denjenigen, der den zivilen Ersatzdienst ableisten will, in seinen Rechten dem normalen Wehrpflichtigen gleichstellt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischen Herrn Kollegen Mende und mir besteht sicherlich keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß der Wehrdienst und der Zi({0})
vildienst völlig gleichberechtigt sein sollen. An irgendeine Diffamierung wird gerade von meiner Fraktion oder von mir am allerwenigsten gedacht. Das ist klar. Aber das ist nicht das Problem, um das es sich hier handelt.
Sie schaffen psychologische Erschwernisse, wenn Sie den Zivildienst als eine Unterart der Wehrpflichterfüllung deklarieren. Sie wissen z. B., daß die Ernsten Bibelforscher sogar die amerikanische Regelung, daß ein Kriegsdienstverweigerer sich von sich aus registrieren lassen muß, ablehnen und dann lieber in das Gefängnis gehen. Wozu sollen wir solche künstliche psychologische Schwierigkeiten schaffen? Es ist sehr viel besser, daß wir den Wehrdienst und ,den Zivildienst unabhängig und gleichberechtigt nebeneinanderstellen; denn der Zivildienst ist eben keine Abart des Wehrdienstes. Das Recht der Kriegsdienstverweigerung kann sich auch auf einen allgemeineren Wehrdienst beziehen. Das hat niemand anders als - autorisiert! - Professor Hirschmann im Verteidigungsausschuß ausgeführt, indem er gesagt hat:
Das Recht zur Verweigerung bezieht sich im umschriebenen Sinne nicht nur auf den unmittelbaren Dienst mit der Waffe, sondern auf jede Handlung, die im Zusammenhang mit der Ablehnung der Kriegsdienstpflicht dem Kriegsdienstverweigerer sittlich untragbar erscheint.
Herr Hirschmann spricht also ausdrücklich auch von der Ablehnung der Kriegsdienstpflicht, oder wie wir heute sagen würden: der Wehrdienstpflicht. Es hat wirklich keinen Sinn, Menschen, die Angehörige der einen oder anderen Sekte oder der einen oder anderen Anschauung sind, nur um der Doktrin willen zu quälen, die sonst keine praktische Konsequenz hat, nur um der Doktrin willen, daß der Zivildienst eine Art der Erfüllung von Wehrpflicht sei.
({1})
Wird das Wort zum Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 2 noch gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich, den Antrag Umdruck 719 Ziffer l*) zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag zu Ziffer 1 auf Umdruck 719 will das Wehrdiensthöchstalter für Unteroffiziere und Offiziere in § 3 Abs. 2 vom 60. Lebensjahr auf das 55. Lebensjahr heruntersetzen. Niemandem ist es benommen, sich, wenn er den Grad eines Unteroffiziers oder eines Offiziers hat, freiwillig auch über das 55. Lebensjahr hinaus zu melden und Wehrübungen abzuleisten. Wir glauben aber, ,daß es nicht den physischen Anforderungen einer modernen Armee entspricht, wenn wir Unteroffiziere und Offiziere vor allem niederer Grade noch über das 55. Lebensjahr hinaus bis zum 60. Lebensjahr wehrpflichtig machen und sie zwingen, solche Übungen abzuleisten. Ich erinnere mich einer allgemeinen Aussprache über Probleme militärpolitischer Art, als der verehrungswürdige Kollege Dr. Dresbach sich hier auf seinen Leutnantsdienstgrad aus der Landwehr berief. Herr Kollege Dresbach ist immerhin inzwischen 62 Jahre
') Siehe Anlage 3. alt geworden. Aber zu der Zeit, da hier diese Debatte stattfand und er also 59 oder 60 Jahre alt war, wäre er nach der Vorlage der Regierung verpflichtet gewesen, noch an Übungen teilzunehmen. Wir glauben, daß dies doch weit über das hinausgeht, was normalerweise der physischen Leistungsfähigkeit entspricht.
({0})
Man könnte entgegnen, daß wir für die bodenständige Verteidigung auch diese älteren Jahrgänge, insbesondere mit Dienstgraden vom Unteroffizier aufwärts, nötig haben. Das ist nicht der Fall. Nach einer Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes vom 14. Oktober 1955 beträgt die Zahl der Angehörigen der Jahrgänge, die im zweiten Weltkrieg noch eine Ausbildung erhalten haben und die Kriegsteilnehmer waren, also die Zahl der Angehörigen der Jahrgänge von 1913 - heute 43 Jahre alt - bis 1926 - heute 30 Jahre alt -, im Gebiet der Bundesrepublik 3 1/2 Millionen. Selbst wenn man - nach unseren Erfahrungen - den Tauglichkeitsgrad höchstens mit 50 % ansetzt, stehen für die sogenannte bodenstände Verteidigung immer noch 1,75 Millionen Teilnehmer des zweiten Weltkrieges mit einer entsprechenden Ausbildung und Kriegserfahrung zur Verfügung. Aus den sogenannten „weißen Jahrgängen", jenen 11 Jahrgängen von 1927 bis 1937, dürften bei der beabsichtigten Kurzausbildung auch bald Unteroffiziers- und Offiziersdienstgrade der Reserve zur Verfügung stehen. Die Zahl der Angehörigen dieser Geburtsjahrgänge beträgt nach der Feststellung des Statistischen Bundesamtes 4,2 Millionen, d. h. bei einem Tauglichkeitsgrad von ebenfalls 50 % 2,1 Millionen junge Männer, die für Aufgaben der Verteidigung zur Verfügung stehen.
Es besteht also keine Notwendigkeit, die Wehrpflicht für Unteroffiziere und Offiziere bis zum 60. Lebensjahr auszudehnen. Wir wollen hier keine Volkssturmerinnerungen unseliger Art wieder heraufbeschwören. Ich bitte daher, unserem Antrag stattzugeben.
Das Wort hierzu hat der Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag, den der Abgeordnete Mende begründet hat, abzulehnen. Es handelt sich ja nicht allein um die physische Verfassung dieser Leute und darum, daß diese älteren Unteroffiziere und Offiziere bis zum 60. Lebensjahr nicht mehr in der Truppe gebraucht werden können. Es handelt sich überhaupt nicht allein um aktive Soldaten, sondern im wesentlichen um die militärischen Erfahrungen, um militärisch gereifte Leute, die ihre Erfahrung an die junge Mannschaft vermitteln sollen, und zwar gerade jetzt angesichts der hochtechnisierten Armee in der gesamten militärischen Apparatur.
Deswegen glaube ich, daß die Bestimmung, die wir im übrigen im Ausschuß eingehend besprochen haben, zu Recht besteht. Sie ist ein militärisches Erfordernis. Wenn der Herr Bundesverteidigungsminister diese älteren Leute vielleicht gerade wegen ihrer physischen Verfassung nicht braucht - und das wird ja die jährliche Musterungsversammlung, oder wie diese Versammlungen heißen, ergeben -, dann wird er die Leute nicht einzuziehen brauchen oder sie gar nicht einziehen können.
({2})
Im übrigen, weil der Herr Kollege Dresbach angesprochen worden ist - ich weiß nicht, ob er im Hause ist -: der Herr Kollege Dresbach könnte ja doch auf Grund des § 37, den wir hier noch besprechen werden, einen höheren Dienstgrad bekommen
({3})
und auf diese Weise seine reichen Erfahrungen vermitteln.
({4})
In § 37 heißt es nämlich ausdrücklich - Herr Präsident, Sie gestatten, daß ich zitiere -:
Einem Wehrpflichtigen, der sich die für einen höheren Dienstgrad erforderliche militärische Eignung durch Lebens- und Berufserfahrung außerhalb der Bundeswehr oder der früheren Wehrmacht erworben hat, kann dieser Dienstgrad verliehen werden.
Wenn Herr Dresbach das wünscht, würde ich dem gern zustimmen.
({5})
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß der Herr Abgeordnete von Manteuffel diesen § 37 als eine Art negativen militärischen Trottelparagraphen verstanden wissen will,
({0})
wobei ich nicht zu übersehen bitte, daß ich das Wort „Trottel" im Hinblick auf die spezifisch militärische Fähigkeit gebraucht habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen. ({1})
- Sie verzichten. Keine weiteren Wortmeldungen?
Dann kommen wir zur Abstimmung, und zwar stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck 723') Ziffer 2 ab. Falls dieser Antrag abgelehnt werden sollte, wird als Hilfsantrag abgestimmt über ,den Antrag, den Abs. 1 so zu fassen:
Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 25 durch den Zivildienst erfüllt.
Statt „ziviler Ersatzdienst" soll es also heißen „Zivildienst". Wenn diese Abstimmung erledigt ist, werden wir abstimmen über den Änderungsantrag auf Umdruck 719 Ziffer 1.
Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 2 zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich muß nunmehr über den Hilfsantrag abstimmen lassen, an Stelle der Worte „ziviler Ersatzdienst" das Wort „Zivildienst" zu setzen: Wer dafür ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 719 Ziffer 1**). Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
*) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 3.
Wir stimmen nunmehr über § 3 in der Ausschußfassung ab. Wer dieser Fassung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 3 ist angenommen.
Ich rufe § 4 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir über § 4 in der Ausschußfassung ab. Wer dieser Bestimmung zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 4 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 5 auf. Hier ist ein Änderungsantrag angekündigt, den Sie auf Umdruck 719 Ziffer 2 finden. Wer begründet ihn?
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Einwendungen, die wir gegen dieses Gesetz in der jetzigen Fassung und gegen seine Verabschiedung im jetzigen Zeitpunkt erheben, sind in der Erklärung niedergelegt worden, die die Vertreter der FDP im Verteidigungsausschuß anläßlich der Schlußabstimmung abgegeben haben und die heute hier im Anschluß an die Berichterstattung verlesen worden ist. Einer der wichtigsten Gründe, die gegen diese Gesetzesvorlage sprechen, ist die Tatsache, daß uns hier ein unvollständiges Gesetz vorgelegt wird. Ein Gesetz über die Festlegung der Wehrpflicht, das nicht auch die Dauer dieser Wehrpflicht umfaßt, ist eigentlich noch kein Gesetz. Dieses Gesetz soll erst durch ein späteres Gesetz zu einem vollständigen Gesetz werden. Das ist aber ein Verfahren, das sich ein deutsches Parlament in einem solchen Augenblick nicht leisten dürfte.
Wir haben die Pariser Verträge bejaht, wir haben der Grundgesetzänderung zugestimmt, und wir haben unsere Bereitschaft bekundet, uns an der Verteidigung der westlichen Welt zu beteiligen. Wir sind der Meinung, daß diese klare Haltung von Ihnen auch hier in diesem Augenblick eingenommen werden muß. Man kann nicht vor die Bevölkerung treten und sagen: wir wollen jetzt die Wehrpflicht verankern, aber einen der wichtigsten Punkte entscheiden wir nicht, da schieben wir die Entscheidung auf einen Zeitpunkt hinaus, der noch völlig unbestimmt ist.
Welche Argumente haben Sie für Ihre Haltung? Aus dem Bericht und auch aus der Erklärung von Herrn Dr. Jaeger, die er an diesem Platze gegeben hat, geht hervor, daß Sie der Meinung sind, die allgemeine Wehrpflicht werde erst in einem späteren Zeitpunkt wirklich zum Tragen kommen - Herr Dr. Jaeger hat einen Zeitraum von drei viertel Jahren genannt -, aber man müsse vorher eine gewisse Grundlage schaffen.
Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, eine Grundlage zu schaffen, indem wir Ihnen einen Gesetzentwurf über das Erfassungswesen vorgelegt haben. Wir sind der Meinung, daß es logischer ist, die Vorschriften über die Erfassung von dem Wehrpflichtgesetz zu trennen und das Gesetz über die Erfassung jetzt zu verabschieden, aber das Wehrpflichtgesetz erst dann zu beraten, wenn es ein Ganzes darstellt.
Sie sagen - so hat es Herr Dr. Jaeger hier ausgeführt -: wir können ja noch kein Erfassungsgesetz beschließen, wenn wir nicht wissen, ob die Wehrpflicht kommen wird. Aber Sie wissen, daß es kommt, denn Sie haben die Mehrheit und sind sich völlig einig, und es gibt noch eine ganze Reihe von Kollegen, die nicht zur Koalition gehören, die der gleichen Meinung sind. Sie wissen also oder
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können jedenfalls unterstellen, daß das Gesetz über die Wehrpflicht kommen wird. Infolgedessen ist unser Weg der richtige, zunächst einmal das Erfassungsgesetz, wobei keine Schwierigkeiten entstehen, zu verabschieden und das Wehrpflichtgesetz erst dann zur Beratung zu stellen, wenn alles klar ist, also nicht den Tatbestand zu umgehen, daß bei Ihnen zweifellos eine Unsicherheit besteht. Denn wenn keine Unsicherheit bestünde, könnten wir ja hier die Dauer der Dienstzeit sofort festsetzen.
Wenn aber der andere Beweggrund vorläge, der in der Presse genannt wird, wäre dies außerordentlich bedauerlich. Das wäre ein politischer, taktischer Beweggrund: wir können die Dauer der Dienstzeit nicht beschließen aus Gründen, die das Verhältnis der beiden parlamentarischen Körperschaften betreffen. Ein solcher Grund darf nicht maßgebend sein. Wenn es sich um die Wehrpflicht für das deutsche Volk handelt, müssen wir hier Farbe bekennen.
Auf Grund einer gewissen Erfahrung, die wir in den beiden Legislaturperioden des Bundestages gemacht haben, möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen. Immer dann, wenn ein Gesetz an irgendeiner Stelle nicht voll und ganz durchzusetzen war, versuchte man, vorweg ein Teilgesetz zu machen und gewisse Fakten zu schaffen, die in den späteren Verhandlungen über das endgültige Gesetz die Entscheidung derjenigen erschwerte, die etwas anderer Meinung als die Mehrheit waren.
Meine Damen und Herren, wir haben uns der Mühe unterzogen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, und haben uns auch über die Dauer der Wehrpflicht Gedanken gemacht. Wir haben die Berichte der militärischen Sachverständigen gehört. Diese haben sich - das ist aus ihrer militärischen Haltung verständlich - für eine mindestens 18monatige Dienstzeit eingesetzt. Sie glaubten, daß es nicht mit einer kürzeren Dienstpflicht gehe. Wir haben von uns aus eine Reihe von anderen Gutachten eingeholt, die unsere Auffassung bestätigt haben, daß bei den heutigen veränderten technischen Verhältnissen, aber auch mit Rücksicht auf den Geist im Heer, wie wir ihn uns vorstellen, eine wesentlich kürzere Dienstzeit möglich sein wird. Aber wir haben nur die militärischen Sachverständigen gehört, dagegen - und das ist bedauerlich, daß wir im Ausschuß dieses wichtige Moment nicht berücksichtigt haben' - keine wirtschaftlichen Sachverständigen. Es wäre sehr wichtig gewesen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesarbeitsminister ihre Ansichten vor dem Verteidigungsausschuß dargelegt hätten. Denn dann wäre die Frage zur Sprache gekommen, was der deutschen Wirtschaft zugemutet werden kann.
Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich und Sie waren darin mit uns einig, daß wir bei der Verabschiedung der Pariser Verträge den Grundsatz aufgestellt haben: die Beteiligung an der Verteidigung der westlichen Welt darf nicht dazu führen, daß der Lebensstandard des deutschen Volkes beeinträchtigt wird. Ich nehme an, daß Sie auch heute noch zu diesem Grundsatz stehen. Wir sehen in einer zu langen Dienstzeit eine sehr ernste Gefahr. Stellen Sie sich vor, was es bedeutet, eine halbe Million Menschen länger als ein halbes Jahr aus dem Wirtschaftsleben herauszunehmen! Wir müssen auch die 230 000 Aktiven dazurechnen. Es bleibt nicht bei der halben Million, denn wir müssen auch laufend für ein Vierteljahr und länger Reservisten aus dem Wirtschaftsleben herausnehmen. Die Zahl derer, die uns verlorengeht, ist also wesentlich größer als 500 000. Das können wir zur Not für ein Jahr ertragen, aber für längere Zeit nach unserer Ansicht nicht.
Wir bringen diese Tatsachen hier deshalb heute zur Sprache, damit wir nicht im Herbst - im Oktober oder November oder wann es sein mag - überrannt werden. Wir können dann darauf hinweisen, daß wir schon jetzt gewarnt haben. Wir wollen nicht rechthaberisch sein, sondern wir wollen mit Ihnen hierüber in die Diskussion eintreten. Wir halten es für notwendig, diesem Problem jetzt nicht auszuweichen, sondern es anzupacken und eine Entscheidung herbeizuführen. Ob Sie unserem Antrag in dieser Form oder mit einer von Ihnen etwa veränderten Zahl zustimmen, ist dann erst eine zweite Frage. Aber beschäftigen Sie sich jetzt mit dieser wichtigen Frage!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund einer Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Dr. Gille habe ich bereits bei meinen Ausführungen zu § 1 zu diesem Problem Stellung genommen. Ich möchte Sie nicht langweilen und deshalb diese meine Ausführungen nicht wiederholen.
Ich möchte nur darauf hinweisen: in eine Sachdebatte, ob 12 oder 18 Monate zweckmäßig sind - darum geht es ja schließlich -, treten wir in diesem Augenblick nicht ein. Wir sind der Meinung, daß diese ernste Frage einer noch eingehenderen Prüfung und deshalb unter diesen Umständen eines besonderen Gesetzes bedarf. Wir werden in dieser Prüfung bestimmt genauso gewissenhaft, wie es Herr Dr. Atzenroth wünscht und wie er es tun will, an dieses Problem herangehen.
Ich glaube im übrigen, daß es keine gute Begründung ist, darüber zu klagen, daß dieses Gesetz, das wir vorlegen, dadurch verkümmert werde, daß die Dienstzeit fehlt, wenn man selber statt dessen einen Gesetzentwurf vorlegt, in dem noch erheblich weniger steht als in dem Gesetzentwurf, den wir jetzt beraten.
Auch die Behauptung, dieses Gesetz sei kein Gesetz, möchte ich zurückweisen. Es ist formell ein Gesetz, weil es in den Formen eines Gesetzes beraten und verkündet wird. Es ist materiell ein Gesetz, weil es Rechte und Pflichten, nämlich die Wehrpflicht begründet.
Um mich aber des Wortschatzes des Herrn Kollegen Wittrock zu bedienen, darf ich zum Schluß bemerken, daß ich neugierig bin, wie die grundsätzlichen Gegner der Wehrpflicht zu dem Antrag, 12 Monate Wehrpflicht einzuführen, stimmen werden.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Zur Abstimmung steht der Änderungsantrag Umdruck 719 Ziffer 2'). Wer diesem Antrag zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -
*) Siehe Anlage 3.
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Meine Damen und Herren, ich muß die Abstimmung wiederholen lassen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer dagegen ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer sich der Stimme enthalten will, bitte dasselbe! - Die Gegenstimmen sind in der Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über § 5 in der Ausschußfassung. Wer dem Antrage zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Zu § 6 ist ein Änderungsantrag angekündigt, den Sie noch nicht auf den Ihnen vorliegenden Umdrucken vorfinden. Das Wort zur Begründung hat Abgeordneter Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen bei § 6 Wiederherstellung der Regierungsfassung. Wenn schon leider § 5, wie wir vorgetragen haben, ein unvollständiger Paragraph ist und sich über die Dauer des Grundwehrdienstes ausschweigt, dann wollen wir wenigstens in § 6 allen den sogenannten Reservisten in spe jetzt schon Klarheit darüber geben, welche Summe von Dienstzeiten und Übungen sie insgesamt werden ableisten müssen. Denn hier allerdings könnte das eintreten, was Herr Kollege Erler heute vormittag sagte: man kann als gesamte Dienstzeit dann auch fünf Jahre setzen, die sich auf 15 oder 20 Jahre verteilen müssen. Um diese Befürchtung von den Betroffenen im deutschen Volke zu nehmen, bitten wir, sich auf die Zeiten festzulegen, wie sie in § 6 des Regierungsentwurfs vorgesehen sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, auch diesen Antrag abzulehnen. Er steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Antrag vorher. § 6 steht in dem gleichen Zusammenhang mit § 5. Denn der Umfang, die Dauer, die Anzahl der Wehrübungen hängen von dem Umfang des Grundwehrdienstes ab. Bei einem längeren Grundwehrdienst von etwa 18 Monaten brauche ich eine geringere Anzahl von Übungen als bei einem kürzeren Grundwehrdienst. Da der § 6 in der Regierungsfassung außerdem von einem Grundwehrdienst von 18 Monaten ausgeht, wäre er überhaupt nicht brauchbar, wenn, wie die FDP es vorhin gewünscht hat, ein Grundwehrdienst von 12 Monaten beschlossen würde.
Ich bitte also, auch diesen Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem soeben begründeten Änderungsantrag zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über § 6. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 6 ist angenommen.
§ 7. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
§ 8. Wird das Wort hierzu 'gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
§ 9. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
§ 10. Wird zu diesem Paragraphen das Wort gewünscht? - Dias ist auch nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die §§ 7 bis 10 in der Ausschußfassung. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die §§ 7 bis 10 .sind angenommen.
§ 11. Hierzu liegen vier Änderungsanträge vor, Umdrucke 714 Ziffer 1, 726 Ziffer 1, 723 Ziffer 3 und 719 Ziffer 3. Ich rufe diese Änderungsanträge in der Reihenfolge auf, in der ich sie eben angekündigt habe.
Zunächst Antrag Umdruck 724 Ziffer 1'). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hier vorgesehene Bestimmung, daß Geistliche von der Wehrpflicht befreit sein sollen, sagt etwas über das Problematische dieses Wehrpflichtgesetzes aus. Diese Bestimmung sieht zunächst sehr einleuchtend aus. Man kann eigentlich davon ausgehen, daß diejenigen, die das Evangelium zu verkündigen haben, das Evangelium der Liebe, in bezug auf die Wehrpflicht eine problematische Stellung haben müssen. Es ist nicht ohne weiteres klar, ob ihnen zuzumuten ist, Wehrdienst zu erfüllen, besonders unter den heutigen Umständen.
Aber ich glaube, soweit die evangelischen Pfarrer in Frage kommen, ist einiges übersehen worden. Ich spreche hier als evangelischer Christ zur Frage der evangelischen Pfarrer. Wir sind uns darüber im klaren, daß derjenige, der - ich habe es schon gesagt - das Evangelium zu verkündigen hat, in bezug auf die Wehrpflicht Probleme haben muß. Aber es ist nach reformatorischer Auffassung keineswegs so, daß der evangelische Pfarrer anders steht als der evangelische Christ schlechthin. Die Evangelische Kirche kennt nicht den Unterschied zwischen Geistlichen und Laien. Der Pfarrer ist nicht Glied eines besonderen Standes, er gehört nicht zu einem besonderen Klerus, sondern er hat denselben Stand wie alle Glieder der Gemeinde. Wenn also die Frage besteht, ob jemand, der das Evangelium der Liebe verkündigt, der Wehrpflicht gegenüber problematisch eingestellt sein muß, dann 'besteht diese Frage nicht nur für den Pfarrer, sondern für den Christen, zumindest für den evangelischen Christen schlechthin, und von dem spreche ich.
Deswegen gibt es sehr viele evangelische Theologen, vor allem junge evangelische Theologen, die der Meinung sind, daß sie allein aus dieser theologischen Erwägung nicht anders gestellt werden dürfen als die Gemeindemitglieder. Vor allen Dingen wünschen sie eines nicht: daß man sie nicht vor die gleiche konkrete Gewissensentscheidung stellt wie die anderen Gemeindemitglieder. Darauf läuft doch diese Bestimmung hinaus, und das wird wohl auch ihr geheimer Zweck sein, daß man ge-
*) Siehe Anlage 6.
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rade diesen Kreisen diese konkrete Gewissensentscheidung nicht zumutet, daß also hier etwas nicht sichtbar wird, das gerade vom Evangelium her bei einer gewissen Zahl von Menschen sichtbar werden könnte. Aber darum geht es. Wir sehen ja in diesem Gesetz vor, daß der einzelne Gewissensentscheidungen treffen darf, ja Gewissensentscheidungen treffen muß. Bei § 25 werden wir darüber noch zu reden haben. Diese Theologen, vor allem diese jungen Theologen wollen, daß sie sich vor der Gewissensentscheidung nicht zu drücken brauchen. Sie wollen und sollen diese Gewissensentscheidung nicht abgenommen haben, sondern sie wollen genauso stehen wie das einfachste Gemeindemitglied, dem sie als Pfarrer zu dienen haben. Sie wollen diese Gewissensentscheidung in der gleichen Weise wie ihre Gemeindemitglieder bekunden, sei es nach der einen oder nach der anderen Seite; aber sie wollen sich entscheiden und wollen sich nicht vor der Entscheidung drükken.
Das ist in sehr vielen Gesprächen mit jungen Pfarrern und mit jungen Theologen zum Ausdruck gekommen. Wir haben eine ganze Reihe von Briefen bekommen. Es hat eine ganze Reihe von Tagungen stattgefunden, auf denen diese Fragen erörtert worden sind. So haben - es sind nur Beispiele - die Theologiestudenten von Heidelberg und von Göttingen ausdrücklich erklärt, daß sie eine solche Ausnahmestellung nicht beanspruchen und nicht wünschen. Die jungen Theologen der Landeskirche Hessen haben das gleiche erklärt, und überall, wo Sie in evangelischen Theologenkreisen hinhören, können Sie den Wunsch vernehmen, daß man ihnen die Möglichkeit gibt, daß sie die konkrete Gewissensentscheidung, vor die
jeder wehrpflichtige Mann gestellt wird, genauso treffen wie andere auch.
Ich spreche - ich wiederhole es-von den evangelischen Pfarrern. Ich weiß, daß bei den katholischen Geistlichen die Situation anders ist, daß deren Stellung anders ist. Aber die evangelischen Geistlichen sind eben kein Stand für sich. Sie sind nicht herausgehobene Gemeindemitglieder; sie sind Gemeindemitglieder wie jeder andere auch. Deswegen sollte diese Entscheidung, glaube ich, in ihre Gewissensentscheidung hineingestellt werden. Dabei ist völlig klar, daß diese Regelung nur dann in Frage kommt, wenn man sich überhaupt für die Wehrpflicht entscheidet. Würde die Mehrheit dieses Wehrpflichtgesetz nicht annehmen, würde diese Frage nicht auftauchen. Aber wenn man schon die Wehrpflicht einführt, soll man es sich nicht so bequem machen, daß man gerade solche Kreise wie die evangelischen Pfarrer herausnimmt und daß man sie daran hindert, sich irgendeiner Gewissensentscheidung unterziehen zu müssen.
Ich beantrage deshalb, daß der § 11 Nr. 1 gestrichen wird. Die logische Folge davon ist, daß ebenso der § 12 Abs. 2 gestrichen werden muß, der besagt, daß Wehrpflichtige, die sich auf das geistliche Amt vorbereiten, auf Antrag vom Wehrdienst zurückgestellt werden können. Gerade vom evangelischen Standpunkt aus wird deutlich, daß hier eine Ausnahme in keiner Weise gerechtfertigt ist und daß sie auch gar nicht im Interesse der Theologen liegen kann.
Ich will nur noch eins anfügen, weil ich weiß, daß sehr wahrscheinlich der Einwand kommen wird, man habe das gemacht, um zu verhindern, daß im Falle eines Krieges oder überhaupt die
Gemeinden von Pfarrern entblößt würden, eine Frage, die ohne Zweifel eine gewisse Rolle spielt. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich weiß, daß man die Dinge verschieden sehen kann, aber ich glaube, daß diese praktische Frage nicht entscheidend sein kann gegenüber der grundsätzlichen Frage, ob man einem Pfarrer, der damit aus seiner Gemeinde geistig mehr oder weniger herausgelöst wird, zumuten soll oder ihn zwingen soll, sich vor einer Entscheidung zu drücken, die jedem anderen evangelischen Christen und überhaupt jedem Christen zugemutet wird.
({1})
Meine Damen und Herren, mir wurde soeben mitgeteilt, daß der Umdruck 724*) nicht in den Händen aller Mitglieder des Hauses sei.
({0})
- Doch? Ist das richtig? Offenbar haben Sie alle den Umdruck 724?
({1})
- Ich werde veranlassen, daß der Umdruck verteilt wird. Damit keine Unklarheit über die nachher erfolgende Abstimmung besteht: Umdruck 724 Ziffer 1 betrifft den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, in § 11 Nr. 1 zu streichen.
Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Abfassung dieser Bestimmung mußten wir uns mit der Frage der Stellung der Geistlichen der beiden großen Bekenntnisse auseinandersetzen. Die Regelung des Kriegsdienstes für die katholischen Geistlichen ist, wie Sie wissen, herkömmlich bestimmt gewesen. Wir mußten bei Gesprächen mit Vertretern der katholischen Kirche deren Wunsch feststellen, auch in Zukunft die katholischen Geistlichen so zu behandeln.
Wir mußten uns ebenfalls mit der evangelischen Kirche in Verbindung setzen und taten dies zu einem recht frühen Zeitpunkt. Darauf hat uns der Beauftragte der Evangelischen Kirche am 7. Februar 1955 folgendes mitgeteilt:
In Beantwortung der dortigen Rückfrage darf ich mitteilen, daß der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland in seiner Sitzung vom 12. und 13. Januar 1955 beschlossen hat, Ihnen zum Ausdruck zu bringen, daß er es für richtig halten würde, wenn die ordinierten Pfarrer nicht zum Wehrdienst eingezogen werden, um eine ausreichende Seelsorge in der Heimat sicherzustellen. Dabei wird vorausgesetzt, daß von der Evangelischen Kirche in Deutschland die nötige Anzahl von Kriegspfarrern gestellt werden muß.
Bis heute hat sich diese Stellungnahme des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht geändert. Diesem Wunsch sind wir in der Regierungsvorlage gefolgt.
Das Wort hat der Abgeordnete Gontrum.
*) Siehe Anlage 6.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Kollegen Metzger vollkommen bei. Es ist schon lange die Meinung der evangelischen Kirche, daß eben der Geistliche bei uns in diesem Zusammenhang nichts anderes bedeutet als das Gemeindeglied und daß ihm grundsätzlich dieselben Pflichten und Rechte zustehen und nicht abgesprochen werden können. Das Verhältnis ist eben ein anderes als in der katholischen Schwesterkirche. Aber genau das meinten wir ja, und das meinte auch die evangelische Kirche in diesen Verlautbarungen, die wir soeben gehört haben. Mit diesem Paragraphen, so wie er jetzt formuliert ist, ist es keinem Geistlichen verwehrt, sich freiwillig zu melden. Er ist nicht vom Wehrdienst gesetzlich für alle Zeiten ausgeschlossen. Wir meinen nur, daß es heute und unter diesen Umständen, wie sie eben vorgetragen wurden, günstiger ist für die Verkündigung des Evangeliums und die eminent bedeutungsvolle Aufgabe der Kirche, wenn die Geistlichen nicht von vornherein gesetzlich verpflichtet werden, diesen Dienst vielleicht vordringlicher zu leisten als den anderen. Das aber bleibt dann der Gewissensentscheidung jedes einzelnen Kollegen von mir im Amte überlassen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordneter Metzger.
Der Herr Verteidigungsminister sagt mit Recht, daß sich der Rat der Evangelischen Kirche bereits im Januar vorigen Jahres mit dieser Frage befaßt hat, zu einer Zeit, als diese Frage in der Kirche noch gar nicht ventiliert worden war. Nebenbei bemerkt ist diese Entscheidung im Rat nicht einstimmig gefallen; davon kann nicht die Rede sein. Außerdem hat der Rat zum Ausdruck gebracht, daß er unter entsprechenden Umständen, um die Versorgung der Gemeinden zu gewährleisten, dankbar wäre, wenn Pfarrer uk. -gestellt werden könnten. Es war keineswegs der Meinung, daß das einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Aber das eigentlich entscheidende Organ der evangelischen Kirche, nämlich die Synode, hat zu dieser Frage keine Stellung genommen und hat auf keinen Fall den Standpunkt vertreten, daß man die Pfarrer gesetzlich freistellen müßte. So wie ich die Lage der Synode kenne, bin ich überzeugt, daß die Entscheidung, wenn die Synode zu diesem Punkt Stellung genommen hätte, wenn sie damit befaßt worden wäre, anders ausgefallen wäre.
Herr Kollege Gontrum, es geht nicht darum, daß ein Pfarrer unter Umständen die Möglichkeit hat, sich freiwillig zu melden. Sie haben die entscheidende Frage gar nicht verstanden. Es geht vielmehr darum, daß der Pfarrer genauso gut wie jeder andere Christ vor die Gewissensentscheidung gestellt wird. Fir muß sich entscheiden, ob er den Kriegsdienst verweigern will oder ob er den Wehrdienst ableisten will. Das, was man dem einzelnen Christen zumutet, sollte man auch dem Pfarrer zumuten. Das ist ja gerade die Argumentation unserer Pfarrer, gerade unserer jungen Pfarrer. Sie sagen: Wie kann ich denn noch mit gutem Gewissen in meiner Gemeinde stehen, wie kann ich zu dieser oder jener Frage Stellung nehmen, wenn ich selbst aus all diesen Dingen heraus bin, wenn ich gewissermaßen im luftleeren Raum lebe?
({0}) Wenn meine Gemeindemitglieder vor die schwere Gewissensentscheidung gestellt werden, wie kann ich sie dann noch seelsorgerlich beraten, wenn ich da draußen bin? - Deswegen sagen nicht nur die jungen Theologen, sondern auch sehr viele andere, daß, auch um der Seelsorge willen, um der Ausübung des Amtes willen, die Pfarrer nicht anders behandelt werden dürfen als jeder andere Christ, als jedes Glied ihrer Gemeinde auch. Darum geht die Frage.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage, die im Augenblick zur Entscheidung steht, kann in ihrer Bedeutung kaum überschätzt werden. Die Begründung, die der Herr Verteidigungsminister geben wollte, als er die Meinung des Rats der Evangelischen Kirche vorbrachte, verfehlt die Frage, um die es sich handelt, hundertprozentig.
({0})
Wenn ich die Begründung richtig verstanden habe, so hat der Rat der Evangelischen Kirche lediglich dem Wunsch Ausdruck gegeben, es möchten praktische Vorkehrungen dafür getroffen werden, daß der Pfarrer auch in Kriegsläuften sein Seelsorgeramt ausüben kann. Das hat mit der Frage, die hier entschieden werden soll, überhaupt nichts zu tun.
({1})
Ich bin der Meinung, daß wir sowohl der evangelischen Kirche als auch besonders den jungen Theologen den schlechtesten Dienst erweisen, den wir ihnen erweisen können, wenn wir sie hier gesetzlich abdecken vor einer der schwersten Entscheidungen, vor die jeder einzelne junge Mensch des deutschen Volkes gestellt sein wird.
({2})
Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren,
daß mit dem, was der Herr Verteidigungsminister
uns hier vorgetragen hat, keine ausreichende Begründung gegeben worden ist. Wir werden vermutlich in der Frage der Kriegsdienstverweigerung
vor eine sehr schwere Situation gestellt sein, und
bei dieser Situation werden zweifellos die Kirchen
und die Männer der Kirchen eine ganz besondere
Frontstellung beziehen müssen. In dieser Situation,
die für unser Volk von sehr großer Bedeutung
sein kann, können wir unter keinen Umständen
diejenigen, von denen ein Teil für, ein anderer
Teil gegen den Wehrdienst eintreten will, jetzt
durch nicht begründete gesetzliche Bestimmungen
von der eigenen Gewissensentscheidung freistellen.
Wir werden deshalb dem Antrag zustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Gontrum.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was der Herr Kollege Metzger gesagt hat, trifft, glaube ich, nicht das, worum es hier geht. Denn diese Gewissensentscheidung, die der einzelne treffen soll und treffen muß und trifft - zumal wenn er ein Geistlicher ist -, wird eben nicht dadurch unmöglich gemacht, daß man in diesem Gesetz allgemein vor({0})
gesehen hat, ihn davon zu befreien. Er wird sich nicht und von niemandem von dieser Gewissensentscheidung befreien lassen, auch nicht durch diesen Gesetzestext. Es wäre ja bei einem evangelischen Geistlichen eine schlechte Unterstellung, wenn man ihm zumutete, daß er sich, weil er dann einen Gesetzesparagraphen für sich hat, der ihn von einer Sache befreit, billigerweise darunterstellt, um der Gewissensentscheidung auszuweichen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mit meinem Freund und Kollegen Gontrum hier kein theologisches Streitgespräch anfangen; aber ich muß ihn doch darauf aufmerksam machen, daß die Gewissensentscheidung, von der er hier gesprochen hat, von einem vollkommen falschen Ausgangspunkt angesehen wird. Das wäre genauso, wie wenn wir nun sagten, wir lösen das Problem der Kriegsdienstverweigerung einfach so, indem wir alle Wehrpflichtigen von der Wehrpflicht befreien, und dann kann ja der einzelne in seinem Gewissen entscheiden, ob er Wehrdienst leisten will.
({0})
Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Gontrum dann auch diese Auffassung hier zur Geltung bringen würde.
Das gilt aber für jeden einzelnen Christen, wenn er von der Wehrpflicht erfaßt wird, in ganz gleicher Weise, ganz einerlei, ob der Betreffende Schreiner oder Schlosser oder Pfarrer ist. Die Pfarrer haben da ja keinerlei Möglichkeit, eine Ausnahmestellung zu verlangen. Dieser Paragraph begegnet eben gerade vom evangelischen Standpunkt her außerordentlich schweren Bedenken.
Der Herr Minister hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Rat vor anderthalb Jahren seine Zustimmung dazu gegeben hat. Meine Damen und Herren, es kommt manchmal vor, daß von der Bürokratie - nicht nur des Staates, auch der Kirche - Dinge gepflegt werden, auf denen sich so ein bißchen der Staub der Jahrzehnte abgesetzt hat. Diese Bestimmung ist nicht neu; es hat sie früher schon einmal gegeben, und zwar zu einer Zeit, als die Wehrpflicht eine Sache war, der der Bürger genau wie dem Steuerzahlen unterworfen war. Heute ist das anders. Heute ist zwar für den evangelischen Christen das Zahlen von Steuern keine Gewissensfrage, aber der staatliche Zwang in bezug darauf, Waffen zu tragen und sich auf den Krieg vorzubereiten oder darauf vorzubereiten, Menschen zu töten, die Frage, ob er dieses Staatsgesetz befolgen soll, ist inzwischen durch den Lauf der Entwicklung für jeden evangelischen Christen eine absolute Gewissensfrage geworden, die zunächst gar nichts mit der Kriegsdienstverweigerung zu tun hat.
Wenn Sie die Eingaben von evangelischer Seite aufmerksam gelesen hätten, dann hätten Sie feststellen müssen, daß sogar in der offiziellen Stellungnahme der evangelischen Kirche gesagt wird: Nicht die Kriegsdienstverweigerung, sondern die Wehrpflicht schlechthin stellt uns davor, eine Gewissensentscheidung treffen zu müssen.
Wenn Sie diese Bestimmung in diesem Gesetz lassen, ist die Folge, daß jeder evangelische Pfarrer mit einem sehr schlechten Gewissen vor seine Gemeinde treten muß.
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Es ist keineswegs für ihn die Gewissensentscheidung: Soll ich mich nun freiwillig zum Dienst melden, oder soll ich zu Hause bleiben?, sondern er wünscht genau in dieselbe sittliche Verantwortung gestellt zu sein, in der jedes andere Gemeindeglied auch steht. Andernfalls geht er von einem völlig falschen Verständnis der neutestamentlichen Theologie aus.
Dazu muß ich noch etwas anderes sagen. Wenn der Herr Minister sich hier auf die Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche beruft, dann darf er daneben nicht vergessen, daß kein Geistlicher der Evangelischen Kirche um diese Dinge gefragt worden ist; die haben sich erst melden können, als alles längst unter Dach und Fach war. Wer sie aber gefragt hat und wer die Möglichkeit hatte, mit ihnen darüber zu sprechen, der kann nur feststellen, daß die evangelischen Pfarrer einhellig erklären - in meinem Falle ausnahmslos erklärt haben -, sie wünschten nicht, daß diese Bestimmung im Gesetz bleibe, weil sie erst dadurch - dadurch! - in Gewissehskonflikte hineinkämen, von denen sie augenblicklich nicht wüßten, wie sie darüber hinwegkommen könnten; diese Belastung ihrer Gewissen sei viel schwerer, als wenn man sie vor die Entscheidung stellte, den Kriegsdienst zu verweigern oder der Wehrpflicht wie jedermann sonst auch nachzukommen.
Ich bitte Sie wegen all dieser Bedenken, die auch von den Laien der Evangelischen Kirche weitgehend geteilt werden,
({2})
die brüderlich mit ihren Pfarrern zusammenarbeiten, und im Hinblick darauf, daß das eine zwar veraltete, aber auch schon damals sehr umstrittene Bestimmung war, dem Antrag auf Umdruck 724 zuzustimmen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
({0}) - Er verzichtet.
Wird zu dem Antrag Umdruck 724 Ziffer 1 noch das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist durchaus richtig, was der Herr Kollege Metzger und auch der Herr Kollege Merten gesagt haben, daß diese Frage in den Kreisen der evangelischen Geistlichen sehr intensiv diskutiert wird. Aber es ist nicht richtig, daß etwa die Auffassung, die die beiden Herren Kollegen vorgetragen haben, die einheitliche Meinung der evangelischen Pfarrer sei.
({0})
({1})
- Na ja, Herr Kollege Metzger, Sie haben es nicht ausdrücklich gesagt, der Herr Kollege Merten hat es aber ziemlich eindeutig gesagt.
({2})
Also: die Meinungen gehen darüber auseinander. Es gibt solche, die diese Auffassung vertreten; es gibt aber auch andere, die eine ganz andere Auffassung vertreten. - Auch der Rat der Evangelischen Kirche hat eine andere Auffassung vertreten.
({3})
- Das hat doch der Herr Verteidigungsminister angeführt.
({4})
- Sie können doch diese Tatsache nicht einfach ignorieren. Die Aussage des Rates der Evangelischen Kirche über diese Frage
({5}) war völlig eindeutig.
({6})
- Nein, das war nichts anderes! Ich glaube, man muß sich einfach damit auseinandersetzen, daß es über eine Frage verschiedene Meinungen geben kann; deshalb können wir doch ganz ruhig über diese Frage diskutieren.
({7})
Ich habe mich schon im Jahre 1947, also in einer Zeit, als diese Sache im politischen Bereich überhaupt nicht zur Diskussion stand, mit einem Brief an den evangelischen Landesbischof meiner Landeskirche gewandt und habe ihm mitgeteilt, daß ich es für sehr gut hielte, wenn die Evangelische Kirche für den Fall, daß diese Frage je wieder diskutiert werden sollte,
({8})
sich eindeutig dahin entscheide, daß die evangelischen Pfarrer vom Wehrdienst freigestellt werden.
Herr Abgeordneter Bausch, gestatten Sie eine Zwischenfrage, die der Abgeordnete Schmidt stellen möchte?
Bitte!
Herr Kollege Bausch, würden Sie mir zustimmen, daß durch das Festhalten an dieser Bestimmung des Regierungsentwurfs zumindest der Eindruck erweckt werden muß, daß es sowohl den kirchlichen Behörden auf beiden Seiten als auch der Christlich-Demokratischen Union darum geht, nicht in Erscheinung treten zu lassen, daß bei Wegfall dieser Bestimmung ein Großteil von Pfarrern beider Bekenntnisse sich als Kriegsdienstverweigerer bekennen würde?
({0})
Diese Frage will ich zunächst einmal außer Diskussion lassen; aber ich werde nachher noch ein Wort darüber sagen.
Tatsache ist also, daß der Rat der Evangelischen Kirche - und mit ihm ein erheblicher Teil der evangelischen Geistlichen - sich dafür einsetzt, daß Geistliche vom Militärdienst befreit werden. Sie tun das aus einer sehr naheliegenden Erwägung. Sie tun das nach meiner Überzeugung deshalb, weil sie der Meinung sind: wenn es je - was Gott verhüten möge - wieder einen Krieg geben sollte, dann ist die Aufgabe der Geistlichen in erster Linie die, ihre Gemeinden seelsorgerlich zu betreuen.
({0})
Es ist völlig klar, daß, wenn eine solche Katastrophe je wieder eintreten sollte, dann die Menschen in der Heimat in genau der gleichen Gefahr sein werden wie die Menschen an den Fronten; da wird gar kein Unterschied bestehen. Deshalb sind die Anhänger dieser Auffassung der Meinung, die Pfarrer sollten sich in erster Linie um das Amt bekümmern, das ihnen aufgetragen ist, das Amt der Seelsorge und das der Betreuung ihrer Gemeinden.
Wenn ein Teil der Geistlichen der evangelischen Kirche und wenn der Rat der Evangelischen Kirche sich dahin durchgerungen haben, so wohl auch noch aus einem anderen Grund, für den Sie, Herr Kollege Metzger, vielleicht Verständnis haben werden. Sie wissen, daß man der evangelischen Kirche in der Vergangenheit sehr häufig, auch gerade von Ihren politischen Freunden her, den Vorwurf gemacht hat, sie sei in ihrer inneren Haltung zu sehr mit dem Waffenhandwerk verbunden.
({1})
- Ja, sehen Sie, Sie bestätigen das, Frau Kollegin Albrecht. Wie oft hat man in Ihrer Presse, hat man in der Polemik das Wort von den „Kanonen-Pfarrern" gehört! Ich glaube, daß der Rat der Evangelischen Kirche, wenn er einen solchen Entschluß gefaßt hat, damit auch dem Willen hat Ausdruck geben wollen, sich von dieser oft kritisierten Haltung der Kirche, also von der allzu engen Verbindung zwischen Thron und Altar, wie man früher gesagt hat, zu distanzieren, daß er also hat sagen wollen: wir als Diener der Kirche haben uns in erster Linie um das seelsorgerische Amt zu bekümmern.
({2})
Lassen Sie mich noch ein Wort zu dem sagen, was der Kollege Schmidt ({3}) vorhin berührt hat, die Frage der Kriegsdienstverweigerung der Pfarrer. Da verstehe ich - das muß ich offen sagen - gerade den Kollegen Metzger nicht ganz. Herr Kollege Metzger, Sie geben, wenn ich recht unterrichtet bin, mit anderen Herren zusammen ein Blatt heraus, das sich „Stimme der Gemeinde" nennt. Ich glaube, ich bin im Recht, Herr Metzger, wenn ich annehme, daß Sie ein Mitherausgeber dieses Blattes sind. In der vorletzten Nummer dieses Blattes vom 1. Juni 1956 erschien ein Aufsatz, der überschrieben war: „Wehrpflicht heute ist Sünde."
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„Wehrpflicht heute ist Sünde"; zu diesem Thema wäre sehr viel zu sagen. Wir haben gerade über dieses Thema einiges im Ausschuß gesagt in einer Sitzung, in der die Vertreter der Geistlichkeit beider Kirchen ihre Meinung über die Frage der Kriegsdienstverweigerung geäußert haben. Wenn Sie den Bericht darüber nachlesen, werden Sie sehen, daß wir uns dabei gerade auch über diesen Aufsatz unterhalten haben. Aber wenn man diese
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Auffassung vertritt, die offenbar auch Sie vertreten, dann verstehe ich ganz und gar nicht, wie man dann andererseits mit einer solchen Vehemenz dafür eintreten kann, daß die Geistlichen durch das Wehrpflichtgesetz erfaßt und zum Wehrdienst verpflichtet werden. Wollen Sie denn den Geistlichen, die diese Auffassung vertreten: „Wehrpflicht ist Sünde", den Gestellungsbefehl ins Haus schicken, damit sie dann nachher den Dienst mit der Waffe verweigern können?
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Ich glaube, hierin liegt eine bedenkliche Unklarheit, die mit Recht schon mehrfach in der Öffentlichkeit Beanstandungen begegnet ist. Gerade Männer, die dieser Auffassung sind, sollten sich nicht in den Weg stellen, wenn der Rat der Evangelischen Kirche darum bittet, die Pfarrer vom Wehrdienst freizustellen, und der Staat dieser Bitte entgegenkommt.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Kortmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dieser Frage als evangelischer Laie ein Wort sagen. Ich halte diese Frage allerdings für eine der schwerwiegendsten mit diesem Gesetz zusammenhängenden Fragen. Aber ich bin der Meinung, daß diese Frage von zwei Seiten aus gesehen werden kann, und zwar einmal von der Seite der Persönlichkeit, die betroffen wird, also von dem einzelnen Geistlichen. Wenn man das tut, dann teile ich allerdings manche Bedenken, die hier vorgebracht worden sind.
Aber es gibt einen anderen Gesichtspunkt, und das ist der Gesichtspunkt der Gemeinde. Was erfordert, was wünscht und was braucht die Gemeinde gerade in solchen Zeiten, in denen der ganze Ernst des Krieges vor der Gemeinde steht? Die Gemeinden, jedenfalls ein sehr großer Teil von ihnen, würden in dem Fall, daß alle Geistlichen im Falle der Verteidigung zum Wehrdienst herangezogen würden, augenblicklich verwaist sein. Dieses Verwaistsein bedeutet ein Alleinlassen vieler, vieler in Not geratener Leute in der Gemeinde in diesem Augenblick ohne den Zuspruch einer wirklichen seelischen Hilfe.
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Die Gemeindeglieder sind dankbar, wenn in solcher Zeit in der Person des Seelsorgers jemand für sie da ist, der die Leiden mitträgt.
Nun lassen Sie mich dazu noch ein Drittes sagen! Ich bin der Ansicht, daß die Tätigkeit des Seelsorgers in solchen Zeiten für den Träger des Amtes eine mindestens so große seelische Belastung bedeutet wie etwa die, wenn er mitten in den Reihen der Krieger stände. Ich sage das nicht von ungefähr, sondern ich sage das aus eigener Erfahrung. Ich stamme aus einem evangelischen Pfarrhaus, und ich habe meinen Vater in dem ersten Weltkriege erlebt. Er hat uns Kindern manchmal gestanden: Es ist im Augenblick so schwer für mich, diese Sorgen und das große Maß des Leides mit meinen Gemeindegliedern zu tragen, daß ich mir manchmal überlegt habe: wäre es nicht besser, wenn wir selber in den Reihen der Kämpfenden ständen? Aber ich bin der Überzeugung - das hat er uns gesagt -, daß wir einfach an diese Stelle in diesem Augenblick gesetzt sind und dafür berufen sind.
Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, bin ich für die Vorlage, wie sie aus dem Ausschuß herausgekommen ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Kollege Bausch, ich bin mit Ihnen einverstanden, daß wir in aller Ruhe über diese Fragen reden können. Ich bin mit Ihnen auch durchaus der Meinung, daß es in solchen Fragen verschiedene Auffassungen geben kann. Auch in der evangelischen Kirche gibt es in diesem ganzen Fragenkomplex verschiedene Auffassungen. Ich habe nie etwas anderes behauptet. Das entbindet uns nicht von der Pflicht, selbst zu prüfen, war wir dazu zu sagen haben und was etwa von reformatorischer Auffassung her gesagt werden kann.
Zunächst einmal haben Sie sich darauf berufen, daß der Pfarrer Seelsorger sei und daß er deswegen von all diesen Pflichten entbunden werden solle. Herr Kollege Bausch, ich bin völlig mit Ihnen einverstanden, daß der Pfarrer Seelsorger sein soll; er soll noch mehr als Seelsorger sein. Aber ich glaube, Sie haben doch übersehen, wie gerade die Entwicklung der letzten Jahrzehnte uns in der evangelischen Kirche zu neuen Einsichten gebracht hat, die auch beachtet werden müssen. Denken Sie daran, wie in der nationalsozialistischen Zeit die Bekennende Kirche gekämpft hat! Denken Sie daran und lesen Sie einmal nach, was etwa damals in der Barmer Erklärung, in dieser berühmten Erklärung, die ja eine Bekenntniserklärung geworden ist, gesagt worden ist! Da ist deutlich geworden, daß der Christ und ebenso natürlich auch der evangelische Pfarrer nicht nur die Aufgabe hat, rein mit dem Wort das Evangelium zu verkündigen und ein paar Belehrungen zu erteilen, sondern daß er mit seinem ganzen Leben, mit seiner ganzen Haltung, mit der Art, wie er im öffentlichen Leben steht, etwas zu verkündigen hat. Wenn er das soll, dann ist es notwendig, daß er die Möglichkeit der Entscheidung hat. Wenn Sie ihn gewissermaßen sterilisieren, indem Sie ihn in den luftleeren Raum hineinverpflanzen, dann nehmen Sie ihm ja gerade diese Möglichkeit; und gerade das wollen wir verhindern.
Ich habe vorhin gesagt, daß der Rat schon vor einem Jahr, vor weit über einem Jahr zu der Frage Stellung genommen hat. Inzwischen haben sich sowohl die Synode als auch der Rat der Evangelischen Kirche sehr eingehend mit diesen Fragen befaßt. Es ist eine Kommission gebildet worden, die die Frage geprüft hat, und diese Kommission hat ein Gutachten erstattet, das sich der Rat zu eigen gemacht hat. Ich darf Ihnen vielleicht einmal aus diesem Gutachten, das jetzt erst herausgekommen ist - nicht vor über einem Jahr - und in dem also neue Erkenntnisse niedergelegt worden sind, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Stellen vorlesen. Da heißt es z. B.:
Seit dem Ausgang des ersten Weltkrieges hat sich in der Stellung der christlichen Kirchen zum Krieg eine Wandlung gegenüber dem 19. Jahrhundert mit seiner Problemlosigkeit in
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dieser Sache angebahnt. Sowohl die ökumenische Diskussion als auch später die innerdeutsche Auseinandersetzung über die Frage der Beteiligung des Christen am Krieg und über die Friedensaufgabe der Kirche zeigt, daß der Krieg den Kirchen neu zu einem ernsten Problem geworden ist, an dem man nicht mehr vorübergehen kann. Und zwar nicht nur der Atomwaffenkrieg, sondern der Krieg als Mittel der politischen Entscheidung zwischen Staaten und Völkern überhaupt.
Und an anderer Stelle heißt es:
Erst in neuerer Zeit ist - im Zusammenhang mit der Entwicklung der modernen Staaten zum Totalitarismus und des Krieges zum totalen Vernichtungskrieg - auch in den Kirchen die Frage nach dem vor Gott zu verantwortenden Recht des Staates auf die zwangsweise Heranziehung seiner Bürger zu Wehr- und Kriegsdienst aufgeworfen worden.
Die Frage der allgemeinen Wehrpflicht bedarf einer Klärung im Zusammenhang mit den christlichen Erkenntnissen über den Auftrag und die Grenzen des Staates.
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die allgemeine Wehrpflicht wollen ja Sie , nicht wir. Wenn Sie aber die allgemeine Wehrpflicht wollen, wenn Sie sie für alle waffenfähigen Männer wollen, wie das im Gesetzentwurf festgelegt ist, dann müssen Sie, wenn Sie A gesagt haben, auch B sagen: dann müssen Sie auch den Mut haben, gerade die Kreise, die sich in dieser Weise mit den Fragen auseinandersetzen, die darum ringen und die vielleicht auch am ersten den Mut aufbringen, in irgendeiner Weise nach der einen oder nach der andern Seite vorbildlich zu sein, mit in die Entscheidung hineinzustellen, und dürfen sie nicht aus der Entscheidung ausklammern. Das ist das Problem, Herr Kollege Gontrum, und nichts anderes! Sie meinen, der Pfarrer stünde bei Ihrem Entwurf auch vor der Gewissensentscheidung, er könne sich ja freiwillig melden. Sie nehmen ihm aber ja eben, wenn Sie ihn nicht einziehen, die Möglichkeit - die er hätte, wenn er eingezogen würde -, zu sagen, ob er nun Waffendienst leisten will oder ob er ihn nicht leisten will. Da liegt die Gewissensfrage! - Ja, Herr Bausch, Sie nicken sehr verständnisinnig mit dem Kopf. Ich glaube, wir verstehen uns sogar sehr gut. Denn Sie wollen eben das nicht, was ich will, daß nämlich hier Menschen die Möglichkeit gegeben wird, sich vor ihrem Gewissen klar vor aller Öffentlichkeit zu entscheiden. Das wollen Sie eben nicht, und deswegen sind Sie dafür, daß diese Bestimmung aufgenommen wird.
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Nun haben Sie mir persönlich noch eine Frage gestellt. Zunächst einmal darf ich Ihnen eines sagen, Herr Bausch: Wir sollten auch diese Dinge - nun, ich will nicht das Wort „demagogisch" benutzen - sachlich behandeln. Wenn jemand als Herausgeber auf einer Zeitschrift steht, dann - das wissen Sie ganz genau - deckt er nicht jedes Wort, das in dieser Zeitschrift steht. Also wie kommen Sie dazu, mir einfach eine solche Äußerung anzukreiden? Abgesehen davon weiß ich nicht genau, ob die Äußerung wirklich so gelautet hat. Ich will Ihnen aber sagen, wie ich als Christ zu diesen Fragen stehe, Herr Kollege Bausch. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das Töten, ob das nun ein individuelles Töten ist oder ob das das Töten im Kriege ist, im Sinne des Neuen Testaments immer Sünde ist.
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Wir Christen wissen allerdings eines, und das sollten auch Sie verstehen, Herr Kollege Bausch: daß wir immer wieder in die Situation hineinkommen, daß wir einfach in die Zwangslage hineinkommen zu sündigen. Deswegen ist die Frage der Vergebung für den Christen eine sehr wesentliche Frage. Sie können das eine nicht ohne das andere sehen. Wenn Sie mich fragen, ob ich den Kriegsdienst und ob ich das Töten im religiösen Sinne, im christlichen Sinne als eine Sünde ansehe, so muß ich Ihnen klipp und klar sagen: jawohl, das sehe ich als eine Sünde an. Wenn wir Kriegsdienst leisten und wenn wir dazu gezwungen werden, dann bedürfen wir zumindest der Vergebung der Sünden. Darüber sollten wir beide uns einig sein, Herr Kollege Bausch. Ich weiß nicht, was Sie mir da entgegenhalten wollen.
Der Rat der Evangelischen Kirche - um das noch einmal deutlich zu sagen - hat nicht eine gesetzliche Regelung verlangt, sondern er hat den Wunsch gehabt, daß er auch im Kriegsfall in der Lage ist, seine Gemeinden seelsorglich zu versehen. Das kann auf die verschiedenste Weise erreicht werden. Wenn irgendwo Mangel ist, können Pfarrer uk-gestellt werden, wie das in anderen Fällen auch möglich ist. Das ist eine ganz andere, eine praktische Frage. Hier stehen wir vor der grundsätzlichen Frage, und ich muß es noch einmal sagen: um diese grundsätzliche Frage, meine Damen und Herren, vor allen Dingen auch meine Damen und Herren von der CDU, sollten wir uns nicht drücken, wenn es uns ernst darum ist, daß wir die christliche Wahrheit in unserem Volk wirklich lebendig werden lassen.
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Das Wort hat der Herr Bundesverteidigungsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß etwas richtigstellen. Die Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche bezieht sich ausdrücklich auf die Behandlung des Wehrdienstes der Geistlichen im künftigen Wehrpflichtgesetz. In der Antwort, die ich eben verlesen habe - ich darf das Herrn Kollegen Metzger noch einmal sagen -, lautet nämlich die Überschrift: „Betreffend Berücksichtigung von Geistlichen im künftigen Wehrpflichtgesetz". Dem dort geäußerten Wunsch hat die Regierung in ihrer Vorlage in vollem Umfang entsprochen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wenzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den seelsorglichen Aufgaben vieler Pfarrer gehört heute gerade auch die Auseinandersetzung mit der Frage der Kriegsdienstverweigerung. Ich weiß von sehr vielen Pfarrern, daß sie ihren seelsorglichen Dienst dann in dieser Frage nicht mehr frei und ungehindert ausüben können,
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wenn sie nicht selbst von der Wehrpflicht betroffen sein können.
({1})
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Ein Zweites möchte ich sagen. Ich möchte für meinen Teil auch vor der Gefahr warnen - ich bin evangelischer Pfarrer -, den Pfarrer und die Kirche etwa ganz auf die Aufgaben der Seelsorge abdrängen zu wollen. Der Pfarrer und die Kirche haben auch Aufgaben, die die Verantwortung für das öffentliche Leben in der ganzen Breite und Tiefe angehen. Eine Kirche, die in so entscheidenden Fragen wie denen, die hier zur Verhandlung stehen, nicht auch im Sinne ihres Öffentlichkeitsdienstes und der sich daraus ergebenden Verantwortung für die ganze Christenheit sprechen würde, hätte nach unserer Auffassung ihren Auftrag vor dem Evangelium verfehlt. Ich kann das, was ich hier mit meinen kurzen Bemerkungen sagen wollte, nicht treffender ausdrücken als mit einem Wort, das einmal der schwedische Erzbischof Söderblom seinen Pfarrern gesagt hat: Ihr Pfarrer, ob Krieg ist in der Welt oder nicht, das darf euch sowenig gleichgültig sein wie, ob Ehebruch und Mord in der Welt sind, und wenn ihr mir sagt, die Welt ist noch nicht so weit, daß sie ohne Krieg auskommen kann, dann will ich euch sagen, es ist eure Aufgabe, dafür zu sorgen, daß sie endlich so weit kommt.
Ich bin der Meinung, daß Pfarrer, die hinter einem solchen Wort und hinter dem Geist eines solchen Wortes stehen, ihre seelsorgliche Aufgabe und ihre Aufgabe der Verantwortung für das öffentliche Leben im Blick auf die Dinge, um die es hier geht, nur dann erfüllen können, wenn sie genau die gleichen Pflichten, aber auch genau die gleichen Rechte haben wie das letzte ihrer Gemeindeglieder.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Petersen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde, es besteht keine rechte Beziehung zwischen den Ausführungen der Kollegen von der CDU und dem Anliegen, um das es der SPD in ihrem Antrag geht. Die Kollegen von der CDU haben ihre ablehnenden Ausführungen doch im wesentlichen darauf abgestellt, daß der Geistliche in Zeiten der Not, in Zeiten des Krieges für eine echte Seelsorge der Gemeinde ungehindert zur Verfügung stehen solle. Das wird mit diesem Antrag gar nicht ausgeschaltet. Der Antrag will nur, daß der Geistliche in normalen Zeiten, im Frieden seiner Dienstpflicht wie jeder andere Wehrpflichtige genügt. Dann wird er auch die Probleme des Wehrdienstes und alle Dinge, die in der seelsorgerischen Betreuung seiner Gemeinde im Frieden eine Rolle spielen, voll erkennen, würdigen und danach handeln können. Sollte wieder einmal ein Krieg kommen - wir alle können nur sagen, daß Gott uns davor bewahren möge -, bestünde keine Schwierigkeit, die Geistlichen vom Kriegsdienst zu befreien.
Ich möchte also hoffen, daß die Mehrheit des Hauses dem Anliegen der sozialdemokratischen Fraktion als einem echten menschlichen Anliegen für den Seelsorger Rechnung trägt.
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Wird zu dem Antrag Umdruck 724 Ziffer 1 noch das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein böses Wort, das vorhin in der Diskussion gefallen ist, nicht ohne Erwiderung im Raume stehen lassen, das Wort von den „Kanonenpfarrern". Es ist gesagt worden: Wenn 'die Geistlichen eingezogen werden, dann haben wir wieder diese „Kanonenpfarrer", die die Waffen segnen usw. usw.
Ich möchte dazu folgendes sagen, meine Damen und Herren: nicht diejenigen Geistlichen, die als Soldaten ihren Dienst getan haben, sondern die Geistlichen, die als Divisionspfarrer eingesetzt waren, standen oft in der Gefahr, so etwas wie „Kanonenpfarrer" zu sein.
({0})
Es war so, daß diejenigen, die den grauen Rock wie alle anderen trugen, einen wesentlichen und glaubwürdigen seelsorgerischen Dienst an ihren Kameraden tun konnten,
({1})
oft besser als diejenigen, von denen wir oft mit Bedauern feststellen mußten, daß sie von den Herren Generälen in den Kasinos der Divisionen als eine Art von Hofnarren geduldet wurden. Es waren nicht viele; aber sie haben den Ruf verdorben, um den es hier geht. Aus diesem Grunde sollten wir auch um der Seelsorge willen bestimmen, daß die Geistlichen in Reih und Glied mit den anderen ihren Verpflichtungen gegenüber dem Staat nachkommen.
Dem Herrn Minister möchte ich noch etwas sagen. Was der Rat der Evangelischen Kirche wollte, war, daß die seelsorgerische Betreuung der Gemeinden sichergestellt wird. Dieser Zweck kann ohne jede Schwierigkeit über den § 13 des Gesetzes, der die Unabkömmlichstellung in bestimmten Fällen im öffentlichen Interesse vorsieht, erreicht werden. Es ist dazu nicht nötig, daß alle Geistlichen vom Wehrdienst befreit werden. Ich glaube sicher, daß auch von seiten der Bundesregierung ein öffentliches Interesse anerkannt wird, daß im Verteidigungsfall eine bestimmte Zahl von Geistlichen für die seelsorgerische Betreuung zur Verfügung steht und deshalb diese Geistlichen ebenso wie Angehörige vieler anderer Berufe unabkömmlich gestellt werden. Das wollte der Rat der Evangelischen Kirche, und das läßt sich unschwer erreichen, ohne daß wir das Gesetz im übrigen zu ändern brauchen, auch dann, wenn die Ziffer 1 des § 11 gestrichen wird.
Ich wäre sehr dankbar gewesen, Herr Minister, wenn Sie den Wünschen des Rats der Evangelischen Kirche auch im Punkte der Kriegsdienstverweigerung nachgekommen wären; da hat er Ihnen auch sehr präzise Wünsche angemeldet.
({2})
Da bestand aber aus Gründen, über die nachher noch zu sprechen sein wird, offenbar nicht die Neigung, den Wünschen, die von da kamen, in so weitgehendem Maße Rechnung zu tragen, wie Sie das hier gemacht haben, wo Sie noch über den Wunsch hinausgegangen sind.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen offenbar nicht mehr vor? -- Dann schließe ich die Aussprache zu dem Antrag Umdruck 724 Ziffer 1 und bitte, den Antrag Umdruck 726*) Ziffer 1 zu begründen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reichstein.
*) Siehe Anlage 7.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Ausschußfassung des § 11 Nr. 4 werden Schwerkriegsbeschädigte vom Wehrdienst befreit. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Es gibt aber noch eine große Zahl von Kriegsbeschädigten, die weniger als 50 % beschädigt sind, denen man den Wehrdienst einfach nicht zumuten kann. Ich denke dabei an Menschen, die ein Auge verloren haben oder die statt einer Hand oder eines Fußes nur noch einen Stumpf haben. Für diesen Personenkreis, meine ich, sollten wir nicht einen gesetzlichen Zwang festlegen, sich mit diesem ihren Körperschaden noch einmal zur Begutachtung ihrer Wehrdienstfähigkeit vor eine Musterungskommission zu stellen.
Wir beantragen daher, eine Nr. 4 a mit folgendem Wortlaut einzufügen:
sonstige rentenberechtigte Kriegsbeschädigte auf ihren Antrag
Dieser Antrag enthält kein politisches Ziel, ist nicht mit weltanschaulichen Fragen gefüllt. Er ist einfach die menschliche Einstellung zu diesen kriegsbeschädigten Personen.
({0})
Ich darf erwarten, daß das Haus unter diesem Gesichtspunkt diesem Änderungsantrag zustimmt.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zielsetzung des vorliegenden Antrags Umdruck 726 Ziffer 1 ist nach unserer Überzeugung bereits entsprochen durch den § 9, der die Wehrdienstausnahmen regelt. Durch die Bestimmungen des § 9 ist die Befreiung vom Wehrdienst in Fällen der Kriegsbeschädigten generell gewährleistet, ohne daß es einer besonderen Antragstellung im Einzelfall bedarf. Eine solche Antragstellung zu fordern würde heißen, das Recht auf generelle Freistellung vom Wehrdienst bei Untauglichkeit schmälern.
({0})
Der Antrag Umdruck 726 Ziffer 1 stellt demnach eine Einengung der Möglichkeiten und Rechte des Wehrpflichtigen nach der Ausschußfassung dar, und zwar zuungunsten des genannten Personenkreises.
({1})
Ich empfehle dem Hohen Haus, den Antrag Umdruck 726 abzulehnen.
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Weitere Wortmeldungen - liegen offenbar nicht vor. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache zu diesem Antrag ab.
Wer begründet den Änderungsantrag Umdruck 723*) Ziffer 3? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist
*) Siehe Anlage 5. der Auffassung, daß alle diejenigen unserer Mitbürger, die im Verlauf des zweiten Weltkrieges Opfer an Gesundheit und Leben bringen mußten, grundsätzlich vom Wehrdienst freigestellt werden sollten. Der Gang der Beratungen im Verteidigungsausschuß hat uns nicht ermutigt, hier entsprechende Anträge zu stellen. Um wenigstens die letzten Söhne vom Wehrdienst zu befreien, wenn Vater oder Mutter an den Folgen der Kriegsereignisse gestorben sind, haben wir unseren Antrag auf diesen Personenkreis begrenzt.
Es ist uns gleichzeitig ein Anliegen, diejenigen Söhne vom Wehrdienst zu befreien, deren Vater oder Mutter als Folge nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen ihr Leben lassen mußten.
Nachdem zu dieser Sache auf Umdruck 726*) ein weitergehender Antrag gestellt ist, möchte ich feststellen, daß meine Fraktion diesem Antrag zustimmen wird. Ich bin nicht der Auffassung, die hier die Frau Kollegin Probst vertreten hat, daß seine Annahme eine Verschlechterung des Gesetzestextes in der Ausschußvorlage bedeuten würde. Die beantragte Einfügung würde der Klarstellung dienen und ermöglichen, daß auch Kriegsbeschädigte unter 50 % auf ihren Antrag hin wegen der Folgen ihrer Schädigung vom Wehrdienst befreit werden.
Schließlich liegt auf Umdruck 719**) - den ich, weil er zur Materie gehört, einbeziehen möchte - ein Antrag der Fraktion der FDP vor, der über die Eltern hinaus auch noch Brüder oder Schwestern anspricht, also auch hier im Personenkreis etwas weiter geht als unser Antrag Umdruck 723. Wir stimmen diesem Antrage zu. Nur möchte ich bitten, aus unserem Antrag bei Ziffer 3 Buchstabe b vor den Worten „verstorben sind" die Worte einzufügen: „oder an den Folgen nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes in der Fassung vom 29. Juni 1956", damit auch dieser Personenkreis erfaßt wird.
({0})
Wir glauben, daß das Hohe Haus als Volksvertretung die Regierung berichtigen sollte, da es im Interesse der Gerechtigkeit notwendig ist, bestimmten Gruppen des deutschen Volkes, die schon ein unendlich hohes Maß persönlicher Opfer haben bringen müssen, von der zukünftigen Wehrpflicht zu befreien.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte von dem Umdruck 723 Ziffer 3 den Antrag unter Buchstabe a) begründen. In der Ausschußvorlage ist unter Nr. 5 vorgesehen, daß Heimkehrer im Sinne des Heimkehrergesetzes, die nach dem 1. Juli 1953 von ihrer Gewahrsamsmacht entlassen worden sind, vom Wehrdienst als solche befreit sind. Wir stellen den Antrag, daß diese Ziffer gestrichen wird.
Ich habe, als im Ausschuß diese Bestimmung von Herrn Kollegen Kliesing beantragt und entsprechend beschlossen wurde, an der Sitzung nicht teil-
*) Siehe Anlage 7. **) Siehe Anlage 3.
({0})
nehmen können und will die Gelegenheit benutzen, ganz allgemein einmal etwas über die Arbeitsmethode zu sagen, unter der dieses Gesetz zustande gekommen ist. Ich habe an der Ausschußsitzung deshalb nicht teilnehmen können, weil gleichzeitig sowohl das Plenum als auch noch zwei weitere Ausschüsse getagt haben.
({1})
Diese Art und Weise, die ja gerade bei der Beratung des Wehrpflichtgesetzes die Regel war - daß der Verteidigungsausschuß, und nicht nur er, sondern auch andere Ausschüsse, regelmäßig während des Plenums getagt haben -, ist eine Arbeitsmethode, die zu nichts anderem führen kann, als daß das Parlament sich selbst aushöhlt und sich selber vor der Öffentlichkeit das Gesicht gibt, daß die ganze parlamentarische Arbeit, soweit sie hier im Plenum getan wird, von diesem Hohen Hause überhaupt nicht mehr ernst genommen wird.
({2})
Uns allen ist heute die Zeitschrift des Bundes der Steuerzahler zugegangen. Auf Seite 77 befindet sich das berühmte Bild mit den leeren Bänken, das ja durch die ganze deutsche Presse gegangen ist, und es werden dazu Ausführungen gemacht, die ganz klar in die Richtung gehen: „Bitte, hier seht ihr's ja! Das Parlament nimmt sich selbst nicht mehr ernst." Wie soll das Plenum gut besetzt sein, wenn zur gleichen Zeit der Kriegsopferausschuß, der Verteidigungsausschuß, der Haushaltsausschuß und noch einige Unterausschüsse tagen und dadurch allein fast die Hälfte der Mitglieder des Hauses durch die Ausschußarbeit verhindert ist, an den Sitzungen teilzunehmen?
Ich habe in der politischen Klippschule gelernt, daß die Beratung des Haushalts eines der wichtigsten Rechte ist, die das Parlament hat. Ich stelle heute und hier fest, daß die Mitglieder des Verteidigungsausschusses so gut wie überhaupt nicht in der Lage gewesen sind, an der Beratung des Haushalts teilzunehmen,
({3})
daß man sie um dieses Gesetzes willen daran gehindert hat, eines ihrer wichtigsten parlamentarischen Rechte wahrzunehmen. Und dann soll noch einer kommen und soll sagen, daß dieses Gesetz nicht durchgepeitscht worden sei!
({4})
Ich weiß nicht, wie ich mich vor meinen Wählern unter diesen Umständen rechtfertigen soll, gerade die Fragen, die jeden Steuerzahler interessieren, hier nicht mitberatend im Plenum gestaltet zu haben, wenn diese Verhältnisse hier herrschen. Ich habe das deswegen gesagt, weil vielleicht der Kollege Kliesing fragen wird, warum ich im Ausschuß nicht gegen seine Vorlage Stellung genommen habe. Es war eben bei der außerordentlich wechselnden Besetzung und dem ständigen Tagen des Plenums zur gleichen Zeit einfach nicht möglich, im Ausschuß zu allem Stellung zu nehmen. Der Erfolg ist, daß wir uns hier im Plenum mit einem großen Teil der Dinge herumschlagen müssen, die von Rechts wegen im Ausschuß hätten geklärt werden können, wenn man dort eine vernünftige Arbeitsmethode gewählt hätte.
({5})
- Die Arbeitsmethode ist nicht allgemein anerkannt worden. Ich mache Sie darauf aufmerksam,
daß beispielsweise meine Fraktion sich von Anfang
an dagegen gewehrt hat, daß die Beratungen des
Verteidigungsausschusses während des Plenums
stattfinden. Von allgemeiner Anerkennung kann
also keine Rede sein. Sie dürfen nicht immer den
Willen der Mehrheit mit der Allgemeinheit verwechseln; das sind zwei ganz verschiedene Dinge!
({6})
Der Beschluß, daß die Heimkehrer vom Wehrdienst befreit werden sollen, ist ohne jeden Zweifel gut gemeint gewesen, und ich erkenne durchaus an, daß ernste Gründe den Kollegen Kliesing dazu bewogen haben, diesen Antrag zu stellen. Auf der anderen Seite müssen gegen die Regelung, die uns jetzt vorliegt, erhebliche Bedenken geltend gemacht werden. Wenn man .den Heimkehrern helfen will, gibt es dafür allerlei Möglichkeiten, und Sie werden morgen bei der Beratung der Novelle des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes eine ausgezeichnete Möglichkeit haben,
({7})
Ihrem Willen, den Heimkehrern zu helfen, freien Lauf zu lassen. Aber was in diesem Gesetzentwurf steht, ist alles andere als eine Hilfe für die Heimkehrer. Die Verpflichtung, die viele Heimkehrer gegenüber ihrer Gewahrsamsmacht, vor allem der Sowjetunion, übernommen haben, nicht wieder die Waffen gegen diese Macht zu führen, bedrückt eine ganze Menge von Heimkehrern, und zwar nicht nur diejenigen, die nach dem 1. Juli 1953 entlassen worden sind, sondern in weitaus größerem Ausmaß diejenigen, die vorher entlassen worden sind.
Diese Regelung im Gesetzentwurf - ich kann dabei fast auf die Argumente zurückgreifen, die wegen der evangelischen Pfarrer hier angeführt worden sind - führt dazu, daß nur diejenigen Heimkehrer in der Lage sind, in der Bundeswehr an Übungen teilzunehmen bzw. im Verteidigungsfall als Reservisten zur Verfügung zu stehen, die sich freiwillig dazu melden. Es ist selbstverständlich, daß bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einer der Mächte oder mehreren Mächten hinter dem Eisernen Vorhang die freiwillige Meldung eines Mannes, der sich verpflichtet hat, keine Waffen mehr in die Hand zu nehmen, bei seiner Behandlung in der Gefangenschaft viel schwerer wiegt, als wenn er sich darauf berufen kann, daß er zwangsweise eingezogen worden sei und nichts habe dagegen machen können. Es wäre also schon aus diesem Grunde zweckmäßiger, die Heimkehrer hier herauszulassen und in § 12 eine Regelung zu treffen, daß auf Antrag diejenigen, die zwingende Gründe haben, wie beispielsweise die zitierten Verpflichtungserklärungen oder andere Gründe, die hier eine Rolle spielen können, von der Wehrpflicht zurückgestellt werden können, aber nicht generell eine Befreiung aller, die unter diese Rubrik fallen, durchzuführen. Ich werde nachher bei der Beratung des § 12, wenn die Regelung, die von mir angestrebt wird, Ihre Zustimmung findet, auf die Angelegenheit zurückkommen.
Es gibt noch einen anderen Grund, der in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt, und das ist die Sorge vieler Heimkehrer, daß dann, wenn sie
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selbst wieder Waffen in die Hand nehmen, die Rückkehr derjenigen Kriegsgefangenen, die noch nicht in der Heimat sind, außerordentlich gefährdet werden könnte, weil die Gewahrsamsmacht dann vielleicht erklärt: Wenn wir hier einen Mann entlassen, wird er dort sofort in Uniform gesteckt und wieder gegen uns gedrillt. Derartige Gründe für die Verschleppung der Entlassung sind gerade in der Sowjetunion immer und immer wieder den Kriegsgefangenen erklärt worden. Wir wissen nicht, ob das die wahren Gründe waren, aber wir vermuten, daß es einer der Gründe war, wegen deren die Entlassungen verschleppt worden sind.
Dieses Gefühl der Verpflichtung gegenüber den noch Zurückgebliebenen könnte auch in § 12 Berücksichtigung finden. Das kann auch nicht auf diejenigen begrenzt werden, die zufällig nach dem 1. Juli 1953 entlassen worden sind, sondern das muß auch für alle anderen gelten, die schon vorher zurückgekommen sind. Die Ausklammerung dieser Heimkehrer wird auch von den Heimkehrern selber nicht für richtig gehalten. Ich möchte hier nicht von Diskriminierung und Diffamierung sprechen. Es ist heute schon einmal das Wort von der Diffamierung derjenigen gefallen, die keinen Wehrdienst, sondern Ersatzdienst leisten. Man kann von Diffamierung immer nur sprechen, wenn man von einem ganz bestimmten Ehrenstandpunkt ausgeht. Wer da glaubt, daß der Dienst in der Bundeswehr eine höhere Ehre sei als der Dienst in irgendeinem zivilen Arbeitsverhältnis, der könnte vielleicht von diesen Dingen sprechen. Aber meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß es da keinerlei Unterschiede in der Ehrenhaftigkeit sowohl des einen als auch des anderen I) Dienstes gibt
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und daß man deswegen auch in diesem Zusammenhang von keiner Diskriminierung und auch von keiner Diffamierung sprechen sollte. Allerdings haben die Heimkehrer selber zum Ausdruck gebracht, daß es einige geben könnte, die auf Grund ihrer besonderen Einstellung in der Bestimmung, durch die sie vom Wehrdienst ausgeschlossen werden, eine Diskriminierung gegenüber anderen sehen, sintemal sie ja auch keinen Ersatzdienst zu leisten brauchen, sondern nun überhaupt nicht etwas tun können, zu dem sie sich womöglich in einzelnen Fällen verpflichtet fühlen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch auf ein anderes Problem zu sprechen kommen. Es ist für einen jungen Rekruten ein merkwürdiges Gefühl, wenn er durch die Wehrpflicht zum Wehrdienst eingezogen wird und vielleicht in derselben Garnison Manöver gemeinsam mit den Angehörigen von Streitkräften eines Landes ausführt, die seinen eigenen Vater noch nicht aus der Kriegsgefangenschaft entlassen haben.
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Ich weiß nicht, wieviele von den jetzt noch im Westen zurückgehaltenen Gefangenen schuldig sind und wieviele nicht schuldig sind; ich weiß nur, daß die Verfahrensgrundsätze und die Rechtsgrundlagen ziemlich wackelig sind, auf denen die gesprochenen Urteile beruhen und unter denen die Gefangenen zurückgehalten werden. Diese Frage hat eine psychologische Bedeutung. Der Herr Bundesverteidigungsminister selber hat einmal erklärt, daß die Kriegsverurteiltenfrage gelöst sein
werde, bevor der erste Deutsche Uniform anziehen würde.
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Trotz aller Verzögerungen des Aufrüstungsprogramms ist also diese Prognose nicht in Erfüllung gegangen. Die Uniformen werden angezogen, und es sitzen immer noch 139 Kriegsverurteilte im Westen und 189 Parolierte hier mitten unter uns. Das ist vielleicht nicht sehr schlimm für diejenigen, die sich freiwillig melden; sie mögen das mit ihrem Gewissen ausmachen. In dem Augenblick aber, wo die Betreffenden, die an dieser Frage großen Anstoß nehmen oder gar Verwandte erster Ordnung dieser zurückgehaltenen Kriegsgefangenen sind, zwangsweise eingezogen werden, beginnt die Frage auch in diesem Zusammenhang interessant zu werden. Es gehört gewiß nicht unmittelbar hierher, aber es ist ganz interessant, wenn man erfährt, daß es in der Bundesrepublik 189 entlassene Kriegsgefangene gibt, die unter amerikanischer Parole-Kontrolle stehen, d. h. für die das Grundgesetz keinerlei Geltung hat,
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sondern die sich entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes allen möglichen Einschränkungen unterwerfen müssen. Wir müssen die Bundesregierung auch bei dieser Gelegenheit einmal ganz ernstlich fragen, was sie in dieser Angelegenheit getan hat und was sie in dieser Angelegenheit zu tun gedenkt.
({13})
-- Herr Kollege Wehner, Sepp Dietrich ist nicht
darunter. Sepp Dietrich ist freigelassen und kann
die Rechte des Grundgesetzes in Anspruch nehmen.
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Aber die 189, die ich im Auge habe, sind auf Parole freigelassen und können diese Rechte eben nicht in Anspruch nehmen. Obwohl sie beispielsweise das aktive Wahlrecht haben, dürfen sie keine Wahlversammlung besuchen. Es bleibt ihnen überlassen, wo sie sich über die politischen Fragen in der Bundesrepublik orientieren.
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Wir fragen die Bundesregierung auch einmal danach, was sie dazu sagt, daß der gemischte Gnadenausschuß durch die zweimalige Abberufung des amerikanischen Mitgliedes wiederholt aktionsunfähig gemacht worden ist, und wie sich das mit der richterlichen Unabhängigkeit verträgt, die im Art. 6 des Überleitungsvertrages festgelegt ist, der seinerzeit auch von der Bundesregierung unterschrieben und von diesem Bundestag mit Mehrheit ratifiziert worden ist.
Ich bitte, um dieser psychologischen Belastungen willen, in denen sich viele Heimkehrer befinden, die ein Gefühl der kameradschaftlichen Verpflichtung gegenüber denjenigen haben, denen die Freiheit noch nicht geschenkt worden ist, und um der außerordentlichen Schwierigkeiten willen, die durch Stichtage wie hier den 1. Juni 1953 entstehen, es dabei zu belassen, daß auch die Heimkehrer, ganz gleich wann sie zurückgekommen sind, der allgemeinen Wehrpflicht unterliegen. Man sollte ihnen lediglich im § 12 die Möglichkeit geben, in ganz besonderen schwierigen Fällen, die
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ohne Zweifel vorhanden sind, von der Wehrpflicht befreit zu werden. Auch hier ist der umgekehrte Weg, wie ihn der § 11 vorsieht, genau wie bei den evangelischen Pfarrern, der richtige Weg und auch der Weg, der von jedem Heimkehrer als solcher verstanden und gewürdigt wird.
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Einen kleinen Augenblick, Herr Kollege Kliesing.
Meine Damen und Herren, einige der Änderungsanträge auf Umdruck 719 und auf Umdruck 723 überschneiden sich insoweit, als fast Bleichlautende Anträge zu § 11 und § 12 gestellt werden. Ich erlaube mir daher, nunmehr auch den § 12 aufzurufen. Ich werde im Anschluß an die Begründung und Aussprache zu den Anträgen zu § 11 unmittelbar die Anträge zu § 12 begründen lassen und dann über die Anträge zu § 11 und § 12 hintereinander abstimmen lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kliesing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst auf den letzten Teil der Ausführungen des Kollegen Merten Bezug nehmen. Auch meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Frage der Kriegsverurteilten, solange sie noch nicht endgültig gelöst ist, eine psychologische Belastung darstellt, die wir zwar in keiner Weise überschätzen wollen, die wir aber doch in ihrem tatsächlichen Umfange zu würdigen haben. Unsere Bitte geht daher an den Herrn Bundesminister für Verteidigung, der für diese Dinge schon wiederholt sein besonderes Verständnis bekundet hat, im Kabinett seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß sich die Bundesregierung in verstärktem Maße bemüht, diese Frage nun zu bereinigen. Das würde in diesem Augenblick, ganz konkret gesprochen, heißen: daß sie sich vor allen Dingen darum bemüht, daß die Arbeit des gemischten Gnadenausschusses wiederaufgenommen und forciert werden kann.
Nun zu den Anträgen der SPD. Man muß diesen Antrag unter Ziffer 3 a - Herr Kollege Merten kam ja von selbst darauf - im Zusammenhang mit dem Antrag unter Ziffer 6 sehen. Ich bin dem Herrn Kollegen Merten sehr dankbar dafür, daß er hier die Auffassung vertreten hat, man sollte in diesem Anliegen nicht irgend etwas Diffamierendes sehen, auch nicht den Versuch einer Diffamierung dieser schwergeprüften Menschen. Ich müßte, falls etwas Derartiges von irgendeiner Seite unterstellt würde, das als einen Versuch übelster Brunnenvergiftung aufs schärfste zurückweisen.
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Zu den Argumenten, die Herr Kollege Merten hier vorgebracht hat, und zu seinem Bedenken zu der vorgesehenen Regelung. Er hat zunächst auf die Verpflichtungserklärung Bezug genommen, der einige Heimkehrer - nicht alle, bei weitem nicht alle - in der Sowjetunion unterworfen waren. Ich kann hier sagen, daß diese Frage in keinem inneren Zusammenhang mit der in diesem Gesetz getroffenen Regelung steht.
Was die Sorge um die Rückkehr der noch Zurückgehaltenen angeht, so möchte ich meinen, daß, wenn man überhaupt von einem außenpolitischen Effekt einer gesetzlichen Maßnahme in diesem Zusammenhang sprechen kann, die außenpolitische
Wirkung doch gerade durch die hier getroffene i Lösung im Sinne der noch Zurückgehaltenen eintritt. Das heißt also, daß ein Abweichen von dieser Regelung doch die Situation belasten würde.
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Der Herr Kollege Merten hat noch gesagt, daß ein Stichtag eine Härte sei und daß er deshalb den 1. Juli 1953 hier nicht gerne sähe. Er hat aber durch seine Regelung gleichzeitig einen anderen Stichtag - nämlich den 1. Januar 1948 - eingeführt. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.
Ich habe nun aber meinerseits gegen die von der SPD vorgesehene Regelung zwei Bedenken vorzubringen. Erstens: Man will die Heimkehrer aus dem Kreis der Befreiten herausnehmen und sie dafür in den Kreis der Zurückzustellenden einordnen. Ich glaube, hier müssen wir uns über den Begriff und den Charakter der Begriffe „Befreiung" und „Zurückstellung" im klaren sein. Eine Zurückstellung ist etwas Provisorisches, etwas, das für eine gewisse Zeit ausgesprochen wird. Es setzt also voraus, daß die Bedingungen, die zur Zurückstellung geführt haben, einmal aufgehoben werden können, daß sie verschwinden können. Deshalb nimmt doch gerade der § 24 des Gesetzentwurfs darauf Bezug und verpflichtet sogar diejenigen, die zurückgestellt sind, der Wehrersatzbehörde Mitteilung zu machen, wenn die Gründe, die ihre Zurückstellung bewirkt haben, vorzeitig wegfallen. In diesen Rahmen paßt doch einfach die Heimkehrerfrage nicht hinein; denn ein Spätestheimkehrer bleibt ein Spätestheimkehrer, und man soll ihn nicht zurückstellen, sondern man soll ihn dann schon freistellen. Das ist das eine.
Das andere Bedenken, das ich vorzubringen habe, richtet sich gegen die Verschiebung des Stichtags vom 1. Juli 1953 auf den 1. Januar 1948, - nicht weil dadurch der Kreis der Befreiten zahlenmäßig größer würde, sondern aus einem anderen Grunde. Hier darf ich eine persönliche Bemerkung anbringen. Meine Damen und Herren, ich selbst bin im Jahre 1949 aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt und falle also selbst unter den gesetzlichen Begriff des Spätheimkehrers. Wenn ich mein Schicksal und das Schicksal derer, die mit mir in den Jahren 1948/49 entlassen worden sind, mit dem ungleich grauenvolleren Schicksal derjenigen vergleiche, die in den Jahren 1953 oder erst 1955 entlassen worden sind, dann, glaube ich, sollte uns Heimkehrer der Jahre 1948/49 ein peinliches Gefühl überkommen, wenn wir sehen müßten, daß der Gesetzgeber unser Schicksal in der gleichen Weise würdigt wie das doch unvergleichlich schwerere Schicksal derer, die eben sechs und sieben Jahre länger drüben gewesen sind. Um eben den Sinn und die Bedeutung des Opfers dieser Letzten, die heimgekommen sind, wachzuhalten - und unverfälscht wachzuhalten -, bitte ich doch sehr darum, die Grenzen hier nicht zu verwischen.
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Aus diesem Grunde bitte ich, es bei der Ausschußvorlage zu belassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Ausführungen des Kollegen Merten über die Kriegsverurteiltenfrage und durch das, was auch Herr Kollege Kliesing zu diesem
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Thema sagte, sehe ich mich genötigt, Ausführungen, die ich eigentlich in der dritten Lesung zu dieser Frage machen wollte, bereits jetzt bei der zweiten Lesung - so kurz wie möglich - zu machen.
Ihnen allen ist die Zuschrift des Verbandes der Heimkehrer zugegangen, jenes großen Verbandes, der sich um die Rückführung der ehemaligen Kriegsgefangenen neben dem Deutschen Roten Kreuz, dem Evangelischen Hilfswerk und dem Caritasverband wohl die größten Verdienste erworben hat. Dieser Verband schreibt:
Die wiederholten öffentlichen Erklärungen des Bundesverteidigungsministers, die Kriegsverurteiltenfrage werde gelöst, bevor der erste Deutsche wieder Uniform anziehen würde, konnte nicht eingelöst werden. Eine große Anzahl Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr befindet sich in einem echten Gewissenskonflikt. Ohne Lösung dieses Konflikts die wehrfähige deutsche Jugend, darunter auch Söhne von Kriegsverurteilten, und die ehemaligen Soldaten unter Wehrpflicht zu stellen, muß zu einem sittlichen Notstand führen, unter dem keine krisenfeste Moral der Bundeswehr gedeihen kann.
Sie wissen, meine Damen und Herren, daß gerade in der Begründung der Ablehnung dieses Wehrpflichtgesetzes seitens unserer Fraktion auch jene psychologische Voraussetzung erwähnt worden ist. Es waren im Jahre 1949 noch fast 5000, es sind jetzt „nur" einige wenige noch. Aber es geht ja nicht um das Problem der Zahl, sondern es geht um das Prinzip.
Wir sprechen nicht für jene, die Verbrecher im
wahrsten Sinne des Wortes dadurch geworden sind, daß sie - ohne die Not von Kriegshandlungen, ohne die Verstrickungen kriegerischer Zusammenstöße - weit hinten als Sadisten Verbrechen an wehrlosen Menschen aus niedrigen Instinkten begangen haben. Das sind nicht Kriegsverbrecher, sondern Verbrecher im wahrsten Sinne des Wortes. Sie scheiden hier aus unserer Betrachtung aus, wenn auch sie schon elf Jahre in Haft sitzen. Wir haben keinen Anlaß, uns um jene Kapos und um jene echten Verbrecher zu kümmern, die den deutschen Namen mit Schande bedeckt haben, sondern wir sprechen für jene, die durch die Kriegshandlungen, als Soldaten oder in soldatenähnlichem Dienst in Befehlsnotständen in Verstrickungen geraten sind, denen sie dann erlegen sind.
Zumindest gebietet die Einführung einer Wehrpflicht, die Frage zu prüfen, ob die psychologischen Voraussetzungen für ein Wehrpflichtgesetz gegeben sind, solange noch Soldaten hinter den Kerkertüren unserer eigenen Partner im elften Nachkriegsjahr festgehalten werden. Einige unserer Kollegen aus der FDP-Fraktion haben bereits trotz grundsätzlicher Bejahung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Dezember 1952 bei der zweiten Lesung dem EVG-Vertrag die Zustimmung versagt. Wir haben dann im März 1953 unter dem Eindruck gewisser Zusagen dem EVG-Vertrag doch unsere Zustimmung gegeben. Die damaligen Erwartungen sind bitter enttäuscht worden. Selbst im Jahre 1956 noch müssen wir uns dieser Frage widmen. Ich habe vor einem Jahr bei der militärpolitischen Grundsatzdebatte in diesem Haus erklärt, daß wir keiner Mutter zumuten können, ihren 20jährigen Sohn wieder als Wehrpflichtigen Soldat werden und ihn auf Befehl handeln zu lassen, bevor nicht das Problem des Handelns auf Befehl und der Verantwortlichkeiten auch für den letzten Soldaten des zweiten Weltkrieges gelöst ist, - nicht nur für Feldmarschälle und Generale, sondern auch für die Gefreiten und jungen Offi-ziere.
Ich habe dem Herrn Bundeskanzler bei seiner vorjährigen Reise nach den Vereinigten Staaten ein Telegramm gesandt und auf die wichtige psychologische Verbindung der Lösung der Kriegsverurteiltenfrage mit den deutschen Wehrfragen hingewiesen. Mich würde sehr interessieren, was der Herr Bundeskanzler bei seinem Amerika-Besuch des Jahres 1956 in dieser Frage speziell für Landsberg erreicht hat. Der Vorwurf, daß sich das Bundesverteidigungsministerium und die dort tätigen höheren Offiziere nicht bemüht haben, ist ungerechtfertigt. Ich weiß aus eigener Kenntnis, wie häufig sich der Bundesminister für Verteidigung, aber auch seine höheren Offiziere bei allen möglichen Gesprächen mit den dafür zuständigen alliierten Stellen dieser Frage angenommen haben. Der letzte Erfolg ist ihnen und uns leider versagt worden. Wir müssen daher die Frage an den Regierungschef oder an seinen Vertreter richten: Welches sind die Zusagen bezüglich der Lösung dieser Frage?
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Das Wort hat der Abgeordnete Strosche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es gern ganz kurz machen und mich vor allem vor Wiederholungen hüten.
Die Argumentation und das Anliegen, die von den Herren Kollegen Merten und Dr. Mende vorgetragen worden sind, unterstützen wir weitestgehend. Wir sind der Auffassung, daß man hinsichtlich des § 11 Ziffer 5 die berechtigten und wohlerwogenen Wünsche gerade der größten Organisation, die sich mit diesen Fragen beschäftigt, des Verbandes der Heimkehrer, sehr wohl berücksichtigen sollte. Wer die Arbeit dieses Verbandes kennt - ich habe sie hier eft rühmend erwähnt -, wer weiß, daß dessen Stellungnahme nicht von irgendeinem Spitzengremium des Verbandes allein, sozusagen aus dem Augenblick heraus, erarbeitet wird, sondern daß sie bis in die einzelnen Verbandsstufen auf unterster Ebene hinein diskutiert, erarbeitet, ausgewogen und wohlerwogen zum Beschluß erhoben wird, sollte daher - Herr Kollege Merten hat das dankenswerterweise eingehend und klar dargelegt - den Ergebnissen dieser Meinungserforschung und abwägenden Beurteilung tatsächlich Rechnung tragen, also die Regelung aus dem § 11 herausnehmen und gegebenenfalls in den § 12 hinübernehmen. Es ist und bleibt eine Tatsache, daß die Heimkehrer, die um diese Dinge wissen, große Befürchtungen hegen, die Ausklammerung des genannten Personenkreises im Wehrpflichtgesetz könnte sich im Ernstfall - den w i r mit Gottes Hilfe verhindern sollten - für jene Heimkehrer, die nach dem 1. Juli 1953 heimgekehrt sind, um so schlimmer auswirken, wenn sie sich freiwillig meldeten. Sie weisen ferner mit Recht darauf hin, daß sie von verschiedenen Standpunkten aus, gleich, ob sie vor oder nach dem Stichtag entlassen sind, mit dieser Ausklammerung nicht einverstanden sind.
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Hinsichtlich des Appells des sehr verehrten Herrn Kollegen Kliesing an den Herrn Verteidigungsminister, die Arbeit des gemischten Gnadenausschusses zu aktivieren und die Begnadigung der deutschen Kriegsverurteilten und Parolierten herbeizuführen, möchte ich im Namen meiner politischen Freunde sagen, daß wir bei derartigen Appellen sehr skeptisch sind. Ich habe mich selbst einmal eingehend mit der Frage der Breda-Inhaftierten beschäftigt. Ich habe dabei seitens des Auswärtigen Amtes, das bekanntlich für diese Fragen zuständig ist, eine Vorsicht, die schon keine Vorsicht mehr war, also eine Übervorsicht kennengelernt, so daß ich den Eindruck gewonnen habe, daß man an diese Probleme, selbst im Rahmen der Vernunft und der notwendigen wie auch möglichen Einflußnahme, nicht gerne herangehen will. Es ist damals z. B. gesagt worden, das gehe alles in Ordnung, bis der Herr Bundesaußenminister die Reise nach den Niederlanden absolviert haben werde. Es hat sich jedoch in dieser Hinsicht bislang kaum etwas geändert! Ich will dabei keinen Zweifel darüber lassen, daß wir - was wir bereits damals von dieser Stelle aus gesagt haben - bei dieser Generalamnestie niemals, wie Herr Kollege Dr. Mende mit Recht sagte, wirkliche Verbrecher, die auch nach deutschem Gesetz gefaßt und verurteilt werden müßten, decken wollten, sofern nicht das Schuldmaß bereits durch das Absitzen der Strafe in diesen vielen Jahren abgetragen ist. Aber, Herr Kollege Kliesing, zu den freundlichen und sicher gut gemeinten Appellen an den Herrn Bundesverteidigungsminister, der in diesem Zusammenhange auch die falsche Adresse ist, haben wir kein großes Zutrauen. Hier wird sich wahrscheinlich auch in Zukunft nicht viel ändern.
Im übrigen stimmen wir den Anträgen zu, die von Herrn Kollegen Merten gestellt und von Herrn Kollegen Dr. Mende unterstützt worden sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte für meine Person zu dem Antrag auf Umdruck 723 Ziffer 3*) einiges sagen. Ich habe die Befürchtung, daß mit der Streichung des jetzigen § 11 Nr. 5 in der Ausschußfassung und mit der Ersetzung dieser Bestimmung durch einen neuen Abs. 4 im § 12, wenn dieser Änderung stattgegeben wird, ein gewisser Kreis von Personen, der bei der jetzigen Fassung, nämlich bei § 11 Nr. 5, die Chance hätte, unter einer gewissen Erleichterung aus zwangsähnlichen Verhältnissen herauszukommen, nicht betroffen wird. Deshalb muß ich für meine Person sagen: ich kann diesem Änderungsantrag nicht zustimmen.
Im Ausschuß habe ich gesagt: es besteht vielleicht die schwache Hoffnung, daß bei Annahme des von Kollegen Kliesing damals angeregten Antrages, die Heimkehrer betreffend, auch solche Heimkehrer eine Erleichterung bekommen können, die nicht als damalige Soldaten in Gefangenschaft geraten sind, die aber als damalige Kinder und Jugendliche festgehalten worden sind, zum Teil in gewahrsamsähnlichen Verhältnissen gelebt haben, von ihren Familien getrennt sind und die jetzt im Zuge der Familienzusammenführung die Chance
*) Siehe Anlage 5. bekommen könnten, zu uns zu kommen, mit ihren Familien hier zusammenzukommen. Inzwischen sind sie aber sowohl in dem Gewahrsamsland oder in dem Land, das sie noch zurückhält, als auch, wenn diese Bestimmung gestrichen wird und wenn man sie nicht freistellt, in unserm Land wehrpflichtig. Meine Hoffnung im Zusammenhang mit dieser Fassung des § 11 Nr. 5, die auf Anregung des Herrn Kollegen Dr. Kliesing Ausschußbeschluß wurde, war es, daß wir solche Personen, die damals noch Kinder und Jugendliche waren und die jetzt entweder dort in Polen oder hier dienen müßten - es ist keine sehr große Zahl -, auf diese Weise aus Gründen der Menschlichkeit herauslassen würden. Das war unsere Auffassung, und deswegen muß ich für meine Person erklären: ich kann dieser Streichung nicht zustimmen, weil mit der Ersetzung durch einen neuen § 12 Abs. 4 das nicht getroffen wird, was uns damals vorschwebte. Hier ist von einer ganz anderen Sache gesprochen worden.
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Zum Antrag Umdruck 723 Ziffer 3 liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Dann bitte ich nunmehr, den Antrag Umdruck 719*) Ziffer 3 zu begründen. Zunächst hat das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 719 Ziffer 3 Abs. 1 Frau Abgeordnete Lüders.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe ganz offen, daß ich die Aufgabe, den Antrag meiner Fraktion, der Ihnen auf Umdruck 719 Ziffer 3 vorliegt, zu begründen, mit tiefem Mißbehagen übernommen habe. Ich brauche nicht näher auszuführen, warum nicht nur ich, sondern, ich nehme an, auch der größte Teil der Mitglieder dieses Hauses dem, was heute in den ganzen Stunden besprochen worden ist, mit tiefem Mißbehagen gegenüberstehen. Das ist sachlich und auch persönlich nur zu begreiflich.
Wir sind der Meinung, daß dem § 11 ein Abs. 2 angefügt werden sollte, nach dessen Ziffer 1 Wehrpflichtige vom Wehrdienst zu befreien sind, „deren sämtliche Brüder oder, falls keine Brüder vorhanden waren, deren sämtliche Schwestern oder, falls keine Geschwister vorhanden waren, deren Vater an den Folgen einer Schädigung im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes verstorben sind". Der § 1 des Bundesversorgungsgesetzes, den unser Antrag anführt, geht weiter als der § 5, den der sozialdemokratische Vorschlag enthält. Wir sind der Meinung, daß man im übrigen sehr wohl den Antrag der Sozialdemokraten hinsichtlich § 11 Ziffer 6, soweit er sich auf die Opfer des Naziregimes bezieht, unterstützen kann.
Es wird nicht vieler Worte bedürfen, um diesen Antrag - der in Verbindung mit dem eben erwähnten Antrag der SPD steht - zu begründen. Ich möchte aber doch betonen, daß unser Antrag, den meine Kollegen freundlicherweise auf meine Bitte im Verteidigungsausschuß unterstützt haben, nicht etwa eine Zustimmung zu dem ganzen Gesetz bedeuten soll. Es handelt sich für uns und auch für mich um eine rein menschlich-psychologische Angelegenheit, der wir uns, glaube ich, nicht entziehen dürfen. Ein jeder wird das fühlen, auch wenn er selber nicht zu den Betroffenen gehört, die in unserem Antrag benannt worden sind. Wir
') Siehe Anlage 3.
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wollen die noch Lebenden von Angst befreien, seien es nun Eltern oder Elternteile, Personen, die allein schon - und das wird niemand leugnen können - durch die Existenz dieses Gesetzes in neue Angst versetzt werden.
Unser Antrag ist auch keineswegs ein Ausdruck unserer Überzeugung, daß es einen Krieg geben muß oder geben wird. Aber es gibt eine Mehrheit in einem Parlament, die selbst einer ziemlich starken Minderheit ein Gesetz aufzwingen kann, und zwar unter Beachtung parlamentarisch-demokratischer Grundsätze. Wir haben ja Derartiges bereits erlebt. Die Auswirkungen des vorliegenden Gesetzes treffen alle, und deshalb wollen wir für viele Menschen den Nöten und Leiden, die ihnen, und sei es auch nur in der Vorstellung, aus diesem Gesetz entstehen müssen, soweit es nur irgend möglich ist, vorbeugen.
Von einem unserer Kollegen - ich glaube, es war ein Kollege von der SPD - wurde vorhin ein Wort des schwedischen Erzbischofs Söderblom zitiert. Lassen Sie mich schließen mit den Worten eines Mannes, der - ich will niemandem zu nahe treten -, wie ich glaube, klüger war als wir alle und der zudem von tiefer moralischer Verantwortung erfüllt war, ein Mann, der keineswegs, wie man es gern hinstellt, ein utopischer Friedensfanatiker, ein ganz in nebelhaften Wolken schwebender Mann war: das war der höchst nüchterne Philosoph Kant. Lassen Sie mich mit ein paar kurzen Zitaten aus Schriften von ihm endigen:
Der Krieg ist nur das traurigste Notmittel im Naturzustand, der Quell aller Übel und Verderbnis.
ij Ich glaube, wir brauchen darüber nicht abzustimmen. Ferner:
Der Krieg ist der Zerstörer alles Guten, das größte Hindernis alles Moralischen.
Abstimmung ist abermals überflüssig. Und weiter: Die moralisch praktische Vernunft in uns spricht ihr unwiderrufliches Veto aus: es soll kein Krieg sein,
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weder ein Krieg zwischen mir und ,dir im Naturzustande noch zwischen uns als Staaten; denn das ist nicht die Art, wie jedermann sein Recht suchen soll.
Wünschen Sie, darüber abzustimmen? Ich stimme zu.
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Herr Abgeordneter Berendsen, wollen Sie das Wort nur zu dem ersten Teil des Änderungsantrags Umdruck 719 Ziffer 3 oder auch zu dem zweiten Teil?
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Der zweite Teil ist noch nicht begründet.
Dann erteile ich zur Begründung des zweiten Teiles das Wort der Frau Abgeordneten Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine der traurigsten Folgen der Zweiteilung Deutschlands ist wohl die Zerreißung der Familien. Wenn wir in Umdruck 719 Ziffer 3 im zweiten Teil beantragen, daß Wehrpflichtige, sofern sie Verwandte ersten Grades besitzen, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthaltsort in der sowjetisch besetzten Zone oder im sowjetischen Sektor der Stadt Berlin haben, vom Wehrdienst befreit werden, so tun wir das in der Sorge, daß durch die Wehrpflicht eines Mannes im Westen, dessen Eltern in der Sowjetzone wohnen, die Eltern von dem Sohn für lange Zeit, wenn nicht gar für immer, getrennt werden.
Wir wissen, daß jeder Wehrpflichtige auf Grund des § 24 dieser Gesetzesvorlage der Wehrüberwachung untersteht. Der Wehrpflichtige hat nach dieser Bestimmung während der Wehrüberwachung bei der zuständigen Wehrersatzbehörde es unverzüglich zu melden, wenn er die Absicht hat, dem ständigen Aufenthaltsort länger als acht Wochen fernzubleiben; er hat ferner Vorsorge zu treffen, daß Mitteilungen der Wehrersatzbehörde ihn unverzüglich erreichen.
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Wie kann ein Mann dieser Verpflichtung nachkommen, wenn er z. B. seine Eltern in der sowjetisch besetzten Zone besuchen will?
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Keineswegs ist er in der Lage, dafür zu garantieren, daß er für alle Nachrichten, die die Wehrersatzbehörde ihm zugehen lassen will, unverzüglich erreichbar ist. Im Gegenteil, es ist wahrscheinlich, daß ihn eine solche Nachricht, noch dazu, wenn vielleicht die Wehrersatzbehörde als Absender auf dem Kouvert verzeichnet ist, gar nicht erreicht, daß sie ihm gar nicht zugestellt wird. Er wird also entweder eine Meldung dieser Art, die ihm als Verpflichtung auferlegt ist, gar nicht vornehmen und so das Gesetz übertreten, oder er läuft Gefahr, bei einer Zustellung in der Ostzone in eine prekäre Situation zu kommen, vielleicht sogar festgenommen zu werden. Er ist also praktisch gar nicht in der Lage, zu seinen Eltern zu kommen, weil er sich gefährdet.
Im Ausschuß ist, wie ich hörte, als über dieses Thema diskutiert wurde, gesagt worden: Dann kann er ja die Nachricht an eine Deckadresse richten lassen. Nun, meine Damen und Herren, dann würde er nicht nur sich selbst, sondern sogar vielleicht auch die dritte Person gefährden. Das wird niemand tun, so daß auch dieser Weg ihm nicht offensteht. Wir können ihm ja nicht zumuten, daß er sich oder andere in eine unmittelbare Gefahr begibt.
Darüber hinaus besteht natürlich die große Sorge, daß die Nachrichtendienste nicht nur auf ihn selbst, wenn er wirklich einmal drüben ist, einen Druck ausüben, sondern auch auf seine Angehörigen in der Sowjetzone, wenn er hier ist, in der Hoffnung, daß der Sohn durch die Eltern veranlaßt wird, Kenntnisse aus der Wehrmacht an die Sowjetzonenbehörden zu übermitteln. Wir kennen ja alle diese Methode der Sippenhaftung und der Inanspruchnahme der Angehörigen, von einem Menschen etwas zu erzwingen.
Alle diese Dinge erscheinen uns so gefährlich, daß wir sagen: es wird kaum möglich sein, daß ein Wehrpflichtiger den Kontakt zu seinen Eltern drüben in der Zone aufrechterhält. Er wird also von seinen Angehörigen im Osten tatsächlich abgeschnitten sein.
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Dazu kommt noch etwas anderes. Wir wünschen einen regen Austausch von jungen Menschen aus beiden Zonen, damit sie sich kennenlernen und engen Kontakt bekommen. Auch das würde unterbunden werden, denn die jungen wehrpflichtigen Männer können ja dann nicht mehr hinüber nach der Sowjetzone. Aber dieses an sich auch gewichtige Argument ist für uns nicht das ausschlaggebende.
Unser Antrag, die jungen Menschen, die die Eltern drüben haben, freizustellen, erwächst aus unserer tiefen Verpflichtung, nichts zu tun, was die engen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern stören könnte, und erwächst aus der Bindung an das Grundgesetz, das in Art. 6 aus tiefster ethischer Verantwortung ausdrücklich vorschreibt: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung."
Dies ist vor allem unser Anliegen, dem wir mit unserem Antrag Rechnung tragen wollen. Tun wir nichts, was die Trennung zwischen den Eltern und dem Sohn vertieft! Darum bitte ich Sie sehr: Stimmen Sie unserem Antrag zu, solche Männer vom Wehrdienst freizustellen, deren Angehörige ersten Grades drüben in der Sowjetzone oder im sowjetischen Sektor Berlins wohnhaft sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Pöhler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt den FDP-Antrag zu § 11 dieses Gesetzes. Wir sind um so mehr bereit, ihm zuzustimmen, als wir zum § 12 einen Änderungsantrag fast gleichen Wortlautes eingereicht haben, der Ihnen auf Umdruck 723 Ziffer 4 vorliegt. Ich darf einen großen Teil der Argumente der Frau Kollegin Dr. Ilk akzeptieren und gestatte mir, zu diesem Thema noch einige weitere Ausführungen zu machen.
Ein Antrag wiederum fast gleichen Wortlautes hat bereits bei den Beratungen des Verteidigungsausschusses vorgelegen und ist dort mit der knappsten aller Mehrheiten, nämlich lediglich mit Stimmengleichheit, abgelehnt worden. Mir scheint, schon aus dieser Tatsache geht hervor, daß es sich bei dem Anliegen dieses Änderungsantrages, das die Männer betrifft, die Verwandte ersten Grades in der Zone haben, um ein ganz besonderes Problem handelt. Ich halte es ohnehin für einen bedauerlichen Mangel, daß die Bundesregierung in ihrer Wehrpflichtvorlage weder im paragraphierten Entwurf noch in der umfangreichen Begründung die Tatsache berücksichtigt hat, daß von der Wehrpflicht dieses Gesetzes auch Menschen betroffen werden, deren nächste und engste Angehörige in der sowjetisch besetzten Zone wohnen. Aber damit ist doch ein Problem angesprochen, dem im gespaltenen Deutschland eine große nationalpolitische Bedeutung zukommt.
Mein Parteifreund Fritz Erler hat vorhin bei der Beratung des § 1 generell die großen politischen, aber auch die schweren menschlichen Bedenken und Sorgen vorgetragen, die sich im Hinblick auf das gespaltene Deutschland aus der Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik allgemein und im ganzen ergeben. Diese gewichtigen Argumente gelten insbesondere für den in diesem Fall angesprochenen Personenkreis. Es handelt sich schließlich um Verwandte ersten Grades, also um Eltern und Kinder.
Meine Damen und Herren, wir sind uns in diesem Hohen Hause, glaube ich, darüber einig, daß die menschlichen Beziehungen und Kontakte zwischen der Bevölkerung der Bundesrepublik und der Bevölkerung der Zone die einzige effektive gesamtdeutsche Klammer sind, die in diesem unseligen Zustande der Spaltung überhaupt noch möglich ist. Das gilt in besonderem Maße für das familiäre Zusammengehörigkeitsgefühl, zumal bei Verwandten ersten Grades. Wir sind der Auffassung, daß wir diese für die Überwindung der Spaltung so wichtige Klammer nicht ohne Not in Gefahr bringen dürfen. Das geschieht aber ohne Zweifel, meine Damen und Herren, wenn Sie auch diejenigen jungen Männer zur Ableistung der Wehrpflicht zwingen wollen, deren Eltern in der Zone wohnen oder deren Kinder dort verblieben sind. Angesichts der Zahl der SBZ-Flüchtlinge in dem vergangenen Jahr bis in die Gegenwart hinein dürfen wir dieses Problem keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen.
Wir Sozialdemokraten glauben, das Hohe Haus sei verpflichtet, auch an die möglichen Konsequenzen zu denken. Wir kennen doch die Methoden eines totalitären Systems wie des von Pankow, unter dem unsere Brüder und Schwestern zu leben gezwungen sind. Man wird wahrscheinlich mit Sicherheit annehmen müssen, daß für den angesprochenen Personenkreis zumindest während der Ableistung der Wehrdienstzeit jeder persönliche Kontakt und insbesondere die Besuche durch entsprechende Maßnahmen der SED-Machthaber total unterbunden werden. Hinzu kommt noch die Gefahr, daß die Angehörigen in der Zone möglicherweise unerträglichen Schikanen und Repressalien oder sogar Nötigungen bis zur Erpressung, d. h. hinsichtlich militärischen Geheimnisverrats, ausgesetzt sein können. Meine Damen und Herren, wer wagt zu behaupten, solche Konsequenzen seien nicht möglich, und wer glaubt, man könne sie von hier aus verhindern?
Ich will gar nicht davon reden, wie sich solche Forderungen auf die Dienstfreudigkeit eines Soldaten auswirken müßten. Aber wenn man an die seelischen Belastungen denkt, denen beide Seiten einer Familie ausgesetzt sein könnten, meine Damen und Herren, dann kann einem grauen vor diesem Weg, den Sie mit diesem Gesetz angesichts der deutschen Spaltung heute und hier beschreiten wollen.
Wir meinen jedenfalls, daß alle bürokratischen oder organisatorischen Überlegungen hinsichtlich der Rekrutierungszahlen zurückzutreten haben hinter den primären gesamtdeutschen Aspekten und Notwendigkeiten.
Meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit! Lassen Sie mich abschließend einen eindringlichen Appell an Sie richten. Wenn Sie schon trotz aller schwerwiegenden Bedenken und Argumente das Definitivum Wehrpflichtarmee im Provisorium Bundesrepublik durchsetzen wollen, dann denken Sie wenigstens an die Menschen in der Zone. Sonst käme dieses Hohe Haus in den schlimmen Verdacht, daß seine bisherigen einmütigen Bekenntnisse zur Einheit und zu den Brüdern und Schwestern in der Zone eben nur Lippenbekenntnisse sind. Das darf nicht sein.
Meine Damen und Herren, aus diesen Erwägungen wird die sozialdemokratische Fraktion dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP ihre Zustimmung geben. Sollte er angenommen werden, wird die SPD-Fraktion ihren Antrag zu § 12 zu({0})
rückziehen. Im andern Falle kommen wir auf unsern Antrag zurück.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU darf ich zu dem Antrag Umdruck 723*) Ziffer 3 b folgendes erklären.
Sehr verehrte gnädige Frau - sie ist im Augenblick nicht da -, wir haben selbstverständlich ein sehr großes Verständnis dafür, was Sie mit dem Antrag, den Sie vorhin mit begründet haben und der dasselbe aussagt, was in dem Antrag Umdruck 723 Ziffer 3 b steht, wollen. Wir glauben aber, daß hier doch Wehrdienst mit Kriegsdienst verwechselt wird. Ich kann nicht einsehen, daß jemand, der zur Wehrpflicht eingezogen wird, sich damit in eine größere Gefahr begibt als, sagen wir, jemand, der zum Skilaufen in die Berge fährt.
({0})
- Oder meinen Sie?
({1})
- Ach, Herr Kollege, meinen Sie, daß es wirklich so schwierig ist? Haben Sie mal so eine richtige Abfahrt mitgemacht da oben? - Also ich glaube, daß das Argument einfach nicht sticht. Es liegt eine Verwechslung vor zwischen demjenigen, der seine Wehrpflicht im Kriege ableistet, und dem, der sich im Frieden einer Ausbildung unterzieht. Wenn wir selbstverständlich volles Verständnis dafür haben, daß wir alles tun wollen, was Sie mit Ihrem Antrag bezwecken, nämlich daß im Falle eines Konflikts derjenige, der unter den von Ihnen vorgeschlagenen Paragraphen fällt, aus der vorderen Linie zurückgezogen und in eine Position gebracht wird, in der er möglichst geringen Gefahren für Leib und Leben ausgesetzt wird, so treffen wir uns hier voll und ganz mit Ihren Ansichten.
({2})
- Herr Kollege, ich möchte dazu folgendes sagen. Sie haben vielleicht Erfahrungen darin; ich weiß es nicht.
({3})
Es ist doch so, daß jemand, der im Frieden keine vernünftige Ausbildung durchgemacht hat, in dem, was wir einen totalen Krieg nennen, in jedem Falle, ganz gleich, wo er steht, demjenigen unterlegen ist, der eine Ausbildung durchgemacht hat; denn er weiß sich besser zu schützen.
({4})
Gehen Sie, meine Damen und Herren, auf die Friedhöfe bei Aachen und sehen Sie sich an, wer dort liegt! Das sind die Jungen, die keine vernünftige Ausbildung hatten.
({5})
Jeder weiß das: die alten Hasen kamen im Krieg
durch, und die Jungen, die nicht ausgebildet waren,
mußten daran glauben. Infolgedessen liegt es im
*) Siehe Anlage 5. Interesse derjenigen, die Sie schützen wollen und die auch wir schützen wollen. Wir wollen beide genau dasselbe.
({6})
- Sie wollen sie doch schützen!
({7})
- Sie wollen sie davor bewahren, daß sie im Kriegsfall einer besonderen Gefahr ausgesetzt werden, oder wollen Sie das nicht?
({8})
- Das ist der nächste Punkt. Zunächst einmal ist der erste Punkt, den ich erörtert habe, richtig; das ist auch Ihre Ansicht.
Sie sind weiter der Ansicht, daß es zweckmäßig sei, diesen jungen Leuten im Frieden eine militärische Ausbildung nicht zukommen zu lassen. Wir sind der Ansicht, daß wir nie wissen, in welche Lage wir kommen können, daß wir aber die Erfahrung gemacht haben, daß es noch niemals einen ernsthaften Krieg gegeben hat, in dem nicht zum Schluß doch jeder ran mußte, und garade dann, wenn es am gefährlichsten war, diejenigen, die die geringste Ausbildung hatten. Ich sehe also nicht ein, daß man so vorgehen soll, sondern ich möchte vorschlagen, daß wir beim Vorliegen besonderer Härtefälle annehmen, daß der § 12 Abs. 4 diese deckt.
Ich kann mir durchaus vorstellen - nun das psychologische Moment! -, daß es tatsächlich einer alten Mutter nicht zuzumuten ist, daß ihr Sohn durch den Wehrdienst von ihr getrennt wird. Alles das, was dabei dann hochkommt, ist, glaube ich, wenn es richtig vorgebracht wird, jeder Musterungskommission verständlich zu machen, und ich nehme an, daß der Verteidigungsminister auch von sich aus Richtlinien herausgeben wird, die diese Härtefälle besonders unterstreichen und decken.
Ich möchte also, nachdem ich diese Erklärung hier abgegeben habe, bitten, daß das Hohe Haus beide Änderungsanträge ablehnt.
Zu Ziffer 4 des Änderungsantrags Umdruck 723 darf ich sagen, daß nach meiner Überzeugung § 12 Abs. 4 die wichtigsten Härtefälle deckt, Herr Kollege Pöhler, wenn wir auch der Ansicht sind, daß diese Frage durchaus noch einmal erwogen werden sollte. und daß wir Mittel und Wege finden sollten, Herr Kollege Erler, um hier vielleicht doch noch zu irgendeinem Ergebnis zu kommen. Jedenfalls ist das Anliegen, das Sie vorgetragen haben, auch das unsere. Im übrigen wird hierüber mein Kollege Majonica gleich noch etwas ausführlicher zu Ihnen sprechen. Im Auftrag meiner Fraktion darf ich bitten, daß Sie auch diesen Antrag ablehnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Majonica.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der gegenwärtig vorliegende Antrag ist vom Kollegen Pöhler mit gesamtdeutschen Bedenken begründet worden, mit Bedenken, daß die Wehrpflicht und die Einführung der Wehrpflicht gerade auf die Menschen in der sowjetisch besetzten Zone ganz besondere Wirkungen aus({0})
üben würde, Bedenken, die auch heute morgen der Kollege Erler bei der Diskussion um den § 1 vorgetragen hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir uns bei allen Handlungen, die in diesem Hohen Hause vollzogen werden, immer darüber Rechenschaft geben müssen,
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wie diese Handlungen auf die Zone einwirken, und ich kann Ihnen sagen, daß meine Fraktion gerade das Für und Wider bei der Wehrpflicht im Hinblick auf die Zone sehr, sehr sorgfältig erwogen hat. Aber es muß doch auch einmal gesagt werden, daß wir auch Verantwortung für die Sicherheit der 50 Millionen Menschen hier in der Bundesrepublik tragen,
({2})
und es muß weiter gesagt werden, daß diese Verantwortung für die Sicherheit der Menschen hier in der Bundesrepublik nicht Selbstzweck ist, weil die Bundesrepublik die alleinige Grundlage für eine echte gesamtdeutsche Politik ist. Gerade deshalb müssen wir die Verantwortung, die uns dieses Gesetz auferlegt, tragen.
Nun ist gesagt worden - und darauf darf ich auch einmal eingehen -, daß die Wehrpflicht unmittelbare Einwirkungen auf die Zone insofern haben werde, als die Sowjetzone nun auch juristisch nachziehen und auch dort die allgemeine Wehrpflicht einführen werde. Ich muß doch mit großem Nachdruck feststellen, daß dort zwar nicht eine gesetzlich verankerte allgemeine Wehrpflicht besteht, daß man aber doch von einem allgemeinen Wehrdruck sprechen muß; denn die Machthaber in der Zone können doch jeden, den sie zu den Waffen
3) haben wollen, zwingen, diesem Rufe Folge zu leisten. Der Beweis ist einfach in den Tausenden und aber Tausenden junger Menschen zu sehen, die die Zone wegen dieses Zwanges verlassen haben. Das Vertriebenenministerium hat Stichproben in den Notaufnahmelagern gemacht und festgestellt, daß über 70 % dieser jungen Menschen die Zone verlassen haben, weil sie eben zur Volkspolizei oder zur nationalen Volksarmee gezwungen worden sind. Das ist doch ein Beweis für den Zwang, der dort drüben ausgeübt wird und den man sich stärker nicht vorstellen kann. Diese jungen Menschen haben einfach das Gefühl, daß sie zu einer Armee gepreßt werden sollen, die nicht für, sondern gegen Deutschland aufgebaut werden soll. - Herr Kollege Wienand?
({3})
Bitte sehr!
Herr Kollege Majonica, Sie sagten vorhin, daß nach einer Stichprobe des Vertriebenenministeriums 70 % dieser Jugendlichen einem Zwang, der auf sie in der DDR ausgeübt werde, nunmehr gewichen und zu uns gekommen seien. Halten Sie es dann für richtig, daß wir sie hier einem erneuten, vielleicht gleichen Zwang aussetzen, und glauben Sie, daß wir ihnen damit dienen?
({0})
Ich muß dazu sagen, daß Sie offenbar meine letzten Worte nicht gehört haben; denn ich habe noch einen Satz hinzugefügt und gesagt, daß diese Menschen eben nicht in einer Armee dienen wollen, die nach ihrem sicheren Gefühl nicht für, sondern gegen Deutschland aufgebaut wird. Das ist der entscheidende Unterschied.
({0})
Dort wird eine Kriegsarmee, eine Bürgerkriegsarmee gegen die deutsche Einheit, gegen Deutschland aufgebaut,
({1})
hier wird eine Armee aufgebaut, um den Frieden zu sichern und um die Sicherheit zu geben, daß wir von der Bundesrepublik aus eine gesamtdeutsche Politik betreiben können.
({2})
Das scheint mir doch ein sehr großer Unterschied zu sein, und ich finde es merkwürdig, die Verhältnisse in der Zone auch nur in einem Augenblick mit den Rechtsverhältnissen in der Bundesrepublik auf eine Stufe zu stellen.
({3})
Wenn man nun sagt, daß die Wehrpflicht dann auch dort juristisch eingeführt werden würde, begeht man den Fehler, Herr Kollege Wienand, den Sie gerade gemacht haben, indem man glaubt, daß dort drüben in der Zone wenigstens Spuren eines Rechtsstaates vorhanden seien. Die haben ja gar nicht nötig, Wirklichkeit und Gesetz in Übereinstimmung zu bringen, wozu wir hier in einem Rechtsstaat verpflichtet sind. Es herrscht dort das System des Zwangs, das sich nicht an Recht und Gesetz stößt. Deshalb bin ich der Meinung, daß man drüben in der Zone auch den allgemeinen Wehrdruck und Wehrzwang ohne eine formale Einführung der Wehrpflicht weiter ausbreiten könnte. Selbstverständlich werden bei den Herrschern in Pankow keine rechtlichen und moralischen Bedenken aufkommen, wenn sie dieses System des Zwangs weiter ausdehnen. Warum haben sie es bisher nicht getan? Nun, ich glaube, ich kann das ganz einfach beantworten. Sehen Sie sich einmal die sogenannte Volkspolizei an! Keine Armee der zivilisierten Welt hat in Friedenszeiten so viel Deserteure wie die sogenannte Volkspolizei. Und wenn man dann Wehrpflichtige zu einer derartigen Armee einberiefe -- Leute, die noch stärker gegen das System eingestellt sind als diejenigen, die man jetzt für die Volkspolizei kapern kann -, würde die Zahl der Deserteure ins Unermeßliche steigen, ja, vielleicht wäre sogar eines guten Tages bei den Herren in Pankow die Überlegung am Platz, daß eine solche Armee nicht nur desertieren, sondern auch etwas anderes unternehmen könnte. Ich glaube, auch aus diesem Grunde sind sie nicht daran interessiert. - Bitte sehr, Herr Kollege Erler!
Herr Kollege Majonica, wenn die Volkspolizei so aussieht, wie Sie sie schildern, aus welchem Grunde eilt dann eigentlich die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland?
({0})
Ich glaube, daß niemand hier im Hause der Meinung ist, die Bedrohung der Bundesrepublik werde allein von der Volkspolizei ausgehen. Ich bin sogar der Meinung, wenn es zu einem Überfall auf die Bundesrepublik käme, würde aus den soeben geschilderten Gründen die Volkspolizei wahrscheinlich nur im Hinterland ein({0})
gesetzt werden, aber nicht als Stoßkeil. Denn ich könnte mir vorstellen, daß das für die Leute, die den Einsatzbefehl geben würden, viel zu gefährlich sein würde.
({1})
Ich glaube aber, daß es noch eine ganze Reihe anderer Gründe, die vor allen Dingen im Wirtschaftlichen liegen, dafür gibt, daß man die allgemeine Wehrpflicht dort drüben nicht einführen wird. Ich darf auf die Arbeitsmarktlage in der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik hinweisen, wo durch die Flucht die Dinge sehr gespannt sind.
({2})
- Entschuldigen Sie, Sie haben die Gelegenheit benutzt, hier auch allgemeine Ausführungen zu machen. Sie können mir jetzt nicht vorwerfen, daß ich hier - ich wollte mich heute morgen zu § 1 nicht melden, um die Verhandlung nicht aufzuhalten - auch einmal auf Ihre Argumentation eingehe, zumal da Sie uns den Vorwurf gemacht haben, daß wir uns mit der Rückwirkung der Wehrpflicht auf die Zone bisher noch gar nicht auseinandergesetzt haben. Ich glaube, daß dieser Vorwurf und Ihr Zwischenruf zueinander in einem Gegensatz stehen.
Ich darf darauf hinweisen, daß wirtschaftliche Gründe, steuerlicher Art vor allen Dingen, auch hier zu Schwierigkeiten führen werden. Sie wissen, daß die Verhältnisse in der Zone hier aufs äußerste angespannt sind. Ich bin aber vor allen Dingen der Meinung, daß eine weitere Ausdehnung der allgemeinen Wehrpflicht dazu führen würde, daß das Verhältnis zwischen Polizei und Soldaten, das man in der Zone bisher im Gleichgewicht gehalten hat, gefährlich gestört würde und man nicht mehr genug Kontrolleure für die Soldaten selbst hätte. Sie wissen ebensogut wie ich, daß man versucht, nicht die „Nationale Volksarmee", sondern die Volkspolizei in diesem Jahre weiter auszubauen.
Ein letzter Grund dagegen ist das Verhalten der Satelliten, die schon gegen die „Nationale Volksarmee" protestiert haben. Noch mehr aber würden sie gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht protestieren.
Ich darf noch zu einem anderen Punkt Stellung nehmen, der soeben in der Debatte erwähnt worden ist: das ist die Frage der Wehrpflicht und im Zusammenhang damit die der Wehrüberwachung. Der Kollege Pöhler hat hier gerade erklärt, daß der Strom der Besucher in die Bundesrepublik eines der festesten Bande sei, die diese beiden Deutschland noch zusammenhielten. Ich muß darauf hinweisen, daß von diesen etwa 2 Millionen Besuchern 30 bis 35 v. H. den entsprechenden Jahrgängen zugerechnet werden müssen. Aber es ist doch selbstverständlich, daß die Zone nicht nur bei einer Wehrpflicht, sondern auch bei einer Berufsarmee auch aus wirtschaftlichen Gründen jede Stärkung des Potentials der Bundesrepublik zu verhindern sucht. Man hat, indem man - wir haben doch gemeinsam dagegen protestiert - sogar das sogenannte Abwerben und das Verlassen des Arbeitsplatzes in der Zone unter Strafe stellt, nicht nur eine Wehrüberwachung, sondern sogar eine Arbeitsplatzüberwachung in der Zone eingeführt, die weit über das hinausgeht, was im Zeichen und im Gefolge der allgemeinen Wehrpflicht überhaupt eingeführt werden kann.
Ich komme nunmehr zu dem Antrag selbst, der von der FDP und von der SPD eingebracht worden ist. Sie haben des weiteren Bedenken dagegen erhoben, daß es zu einem Dienst von Zonenflüchtlingen in der Bundeswehr kommen soll. Nun, ich bin der Meinung - und Sie haben heute doch sehr viel gegen besondere Ausnahmen an dieser Stelle polemisiert -, daß gerade die Zonenflüchtlinge, wenn sie zu uns in die Bundesrepublik kommen, als Deutsche unter Deutschen behandelt werden sollten, daß sie hier gleichberechtigte Staatsbürger mit gleichen Rechten und Pflichten sind. Das muß in diesem Zusammenhang doch einmal sehr deutlich gesagt werden.
Ich darf auch auf etwas Wehrpolitisches hinweisen. In den Jahren von 1953 bis 1956 sind immerhin 180 000 Jugendliche in die Bundesrepublik eingewandert. Davon sind etwa 60 v. H. junge Männer. Allein aus den Zuwanderern dieser Jahre würden also 100 000 Wehrpflichtige ausfallen.
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- Natürlich ist das einer der Gründe, selbstverständlich. - Dabei kann man annehmen, daß ein kleiner Teil zurückwandert. Es sind also 35 000, die jährlich ausfallen würden. Aber ich darf darauf hinweisen, daß zwei Paragraphen im Wehrpflichtgesetz eingebaut worden sind, die diese Menschen schützen: einmal der § 37, der ihnen eine Schonfrist von einem Jahr gewährt, der ihnen also die Möglichkeit gibt, einmal zu zeigen, ob sie hier Wurzel fassen oder in ihre Heimat zurückkehren wollen, und dann der § 12 Abs. 4, auf den der Kollege Berendsen schon hingewiesen hat, wonach in Fällen von Repressalien gegen Eltern - und es ist doch unser gemeinsames Anliegen, daß derartige Repressalien gegen ihre Familien nicht stattfinden sollen - auf Antrag die Wehrpflichtigen vom Wehrdienst zurückgestellt werden können.
Ich glaube, daß damit im wesentlichen dem Anliegen, das in diesen Anträgen zum Ausdruck gebracht worden ist, entsprochen worden ist, und bitte deshalb, die Anträge abzulehnen.
({4})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe nicht die Absicht, ebenso wie der Herr Kollege Majonica hier auf das ganze Gesetz einzugehen. Das werden die Sachverständigen meiner Fraktion tun - und haben es schon getan -, die im Ausschuß daran mitgearbeitet haben. Aber ich muß doch sagen, daß die Ausführungen der letzten beiden Redner der CDU mich einfach erschüttert haben, und ich habe bedauert, daß sich auch auf die Ausführungen von Frau Dr. Lüders und Frau Dr. Ilk und ebenso meines Kollegen Pöhler keine der Frauen der CDU veranlaßt gesehen hat, ein Wort zu sagen.
({0})
Meine Herren und Damen, worum geht es denn bei den Anträgen zu den §§ 11 und 12? Es geht darum, die furchtbaren menschlichen Schwierigkeiten, die durch dieses Gesetz bei der Spaltung Deutschlands entstehen, möglichst wenigstens in
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einem Fall, in dem familiären, rein menschlichen Fall, zu mildern.
Ich glaube, wir Berliner, die wir ja täglich Gelegenheit haben, mit Menschen aus dem Sowjetsektor, aber auch aus der Sowjetzone und ganz besonders mit Frauen und Müttern aus der Sowjetzone zusammenzukommen, sind uns alle ohne Unterschied der Fraktionen darüber einig, in welcher tiefen Erregung sich diese Frauen in dem Gedanken befinden, daß der Sohn, der aus der Sowjetzone fortgegangen ist oder fortgehen mußte, nun im Westen zur Dienstpflicht eingezogen wird. Aller Druck, dessen die Sowjetzonenregierung fähig ist, wirkt sich nun auf diese Mütter, auf diese Väter aus.
Stellen Sie sich doch einmal das Schicksal einer Frau vor, die zwei Söhne hat, einen im Osten und einen im Westen! Stellen wir uns ruhig auf den Boden, daß die Sowjetzonenregierung einen Druck auf ,diesen jungen Menschen, der drüben geblieben ist, ausübt, in die sogenannte Nationalarmee einzutreten, und stellen Sie sich vor, daß der andere hier im Westen eingezogen wird. Eine solche Mutter kann doch überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen.
Wenn nun Herr Majonica so mit einer Handbewegung sagt: „Repressalien werden wir verhindern", - ja, wie wollen Sie das denn machen, verehrter Herr Kollege, wenn Sie den jungen Menschen einziehen?
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Wie wollen Sie denn die Mutter, wie wollen Sie denn den Bruder im Osten vor Repressalien schützen? Mit einer Handbewegung und mit einer schönen Rede können Sie das weiß Gott nicht machen.
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Ich meine also, mit etwas mehr Verantwortungsgefühl müßten wir doch schon arbeiten. - Bitte schön!
Ich wollte Sie nur fragen, gnädige Frau, ob Ihnen nicht aufgefallen ist - Frau Schroeder ({0}) ({1}): Ich bin Kollegin und nicht gnädige Frau.
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Frau Kollegin, gut. Ich glaube, ich darf einer älteren Kollegin meine Ehrfurcht auch durch eine solche Anrede zum Ausdruck bringen.
({0})
Ist Ihnen nicht aufgefallen, Frau Kollegin, daß ich gesagt habe, daß der § 12 Abs. 4 des Gesetzes diese Fälle deckt, wo Repressalien gegen die Eltern zu befürchten sind, und daß dann der Sohn vom Wehrdienst befreit werden kann? Ich habe also nicht die Repressalien beiseite geschoben, sondern ich habe darauf hingewiesen, daß wir darauf Rücksicht genommen haben.
({1})
Sie haben uns allerdings nicht klargemacht, wie Sie das machen wollen; denn von den Repressalien wissen Sie erst, wenn sie da sind.
({0}) Wir kennen doch die Verhältnisse. Wir wissen doch, wie es ist: nicht nur Repressalien gegenüber den Eltern, sondern auch gegenüber den anderen Geschwistern. Wir wissen doch, wie mancher junge Mensch, der zu uns in unsere Lager kommt, diese Angst und diese Befürchtung ausspricht. Was wollen Sie machen, wenn die Repressalien da sind? Sie haben ja gar keine Möglichkeit! Die einzige Möglichkeit ist, den Eltern zu sagen: Kommt, so schnell ihr könnt, auch herüber, laßt alles im Stich, Hof und Haus und Einrichtung und alles, was ihr habt, und kommt nun wieder als Mittellose hierher! - Das wollen wir doch gerade nicht. Wir wollen doch, daß sie drüben bleiben.
Deswegen sage ich noch einmal - und ich wende mich ganz besonders an meine Kolleginnen aus der CDU -: machen Sie es nicht mit, in dieser Weise die Frauen und Mütter zu belasten! Der Gesamtdeutsche Ausschuß, der jetzt einige Tage in Berlin war und der mit Menschen in Flüchtlingslagern gesprochen hat, kennt die Sorgen dieser Menschen, die sie für die Zurückgebliebenen haben. Wie mancher Mann, der zu uns kommt, zittert um Frau und fünf Kinder, die drüben geblieben sind. Wenn dieser Mann nun eingezogen werden soll, bedeutet das - ich sage es noch einmal - eine seelische Belastung, darüber hinaus auch eine praktische Belastung für die Frauen und Mütter, für die wir die Verantwortung einfach nicht tragen können.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
gier ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Worte zu zwei der hier insgesamt bei § 11 behandelten Probleme. Ich möchte mich zunächst mit dem Antrag befassen, der von den Wehrpflichtigen handelt, die Angehörige ersten Grades in der sowjetischen Besatzungszone haben.
Ich weiß nicht, ob dem Kollegen Majonica ganz klar ist, welch ein Unterschied zwischen dem gesetzwidrigen Zwang, den das Regime drüben auf seine Bürger ausübt und den wir alle kennen, und der Möglichkeit besteht, durch ein für alle geltendes Gesetz ohne irgendwelche besonderen Terrormaßnahmen die gesamte männliche Jugend in eine kommunistische Armee zu holen.
({1})
Das ist ein großer Unterschied, und ich finde, diesen Unterschied sollten wir uns vor Augen halten. So manchem Pfarrer in der Heimat meines Vaters - lassen Sie mich das hier sagen - ist es möglich, mit Zuspruch einem jungen Manne klarzumachen, wo die Grenzen der Gesetzlichkeit selbst nach den Bestimmungen des Regimes heute gezogen sind. Auch manches, was sich in der Sowjetunion selber abgespielt hat, gibt Möglichkeiten, den Druck des Regimes drüben zu lockern. Und in dieser Stunde sollen wir alle diese Möglichkeiten zerschlagen, indem wir geradezu auf den Weg verweisen: Macht es doch mit der Wehrpflicht, denn wir tun es auch!?
({2})
Meine Damen und Herren, das ist das wirkliche Problem.
({3})
- Bitte!
Herr Kollege Erler, ist Ihnen nicht bekannt, daß seit dem vorigen Jahre die gesetzlichen Vorschriften in der Sowjetzone bereits so weit gediehen sind, daß es zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht dort noch nicht einmal eines Wehrpflichtgesetzes mehr bedarf, sondern daß das einer Regelung des Kabinetts in Pankow vorbehalten ist, daß also schon nicht mehr die Rede davon sein kann, es handle sich drüben um ein mögliches Nachziehen?
Herr Kollege Kliesing, Sie wissen, daß in totalitären Regimen Gesetze auf andere Weise entstehen als hier; und darauf, wie sie bei uns entstehen, sind wir stolz.
({0})
Aber deswegen kann man uns heute doch nicht erzählen, daß in der sowjetischen Besatzungszone durch eine für alle Bürger geltende Norm die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden sei.
({1})
- Das ist doch gar nicht das Problem, Kollege Lücke! Die Einführung der Wehrpflicht hat für die Bürger jenes Staates und z. B. auch für die Organe der Seelsorge eine ganz andere Bedeutung als der durch gesetzwidrigen Druck erzwungene Dienst in einer Armee. Aber vielleicht predigen wir in diesen Dingen tauben Ohren, weil mancher nicht mehr weiß, wie das Leben in einem totalitären Regime überhaupt aussieht.
({2})
Zum nächsten Punkt. Welche Gefahr beschwören Sie für die Angehörigen herauf - davon ist schon
gesprochen worden -, welche Gefahr für den Familienzusammenhang - das kann die sehr schmerzliche Trennung für immer bedeuten -, und welche Gefahr beschwören Sie für die Sicherheit der Bundeswehr selbst herauf? Daran sollten Sie zum mindesten bei den Beratungen denken, wenn Sie hier ohne Not auf die Angehörigen - Eltern und Kinder - von Wehrpflichtigen, die sich in der sowjetischen Besatzungszone befinden. keine Rücksicht nehmen. Befreiung ist kein Ausschluß. Wenn es darunter nach Ihrer Meinung eine ganze Anzahl Männer geben wird, die sich zum Dienst in der Bundeswehr gern zur Verfügung stellen, dann ist es ihnen unbenommen, sich freiwillig zu melden. Soviel zu diesem Punkt.
Die Ausführungenn des Kollegen Berendsen zu dem Thema des letzten Sohnes in einer Familie von Opfern des Krieges oder der nationalsozialistischen Verfolgung zwingen mich, dazu noch etwas zu sagen. Ich finde, so einfach können wir es uns nicht machen, daß wir sagen: Erst bilden wir ihn einmal aus; wir haben jedoch nicht die Absicht, ihn später zum Frontdienst einzuziehen. Wenn Sie das zur allgemeinen Richtschnur Ihres Handelns machen, dann hätten Sie auch die Pfarrer zunächst einmal ausbilden müssen, um sie dann später nicht her anzuziehen.
({3})
- Nein, Sie haben sie dann nachher auch unter den Zurückzustellenden; das kommt hinzu. Sie haben sie auf alle Fälle in den jetzigen Befreiungsvorschriften drin.
({4}) - Doch, die ordinierten Geistlichen sind in den Befreiungsvorschriften drin; lesen Sie es nach!
Es geht darum, daß wir diese letzten Überlebenden durch die Ausbildung, die Sie ihnen zuteil werden lassen wollen, gar nicht erst in das Risiko, zum Frontdienst gezwungen zu werden, hineinbringen wollen.
({5})
Wenn Sie das nicht wollen, dann brauchen Sie ihn doch nicht erst auszubilden. Und dann soll mir doch niemand sagen, das sei ein Schutz für ihn selbst. Wenn Sie das als einen Schutz betrachten, meine Damen und Herren, dann müssen Sie die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik vom Säugling bis zum ältesten Greis, ob männlich oder weiblich, militärisch ausbilden, damit sie später ihres Lebens überhaupt noch einigermaßen sicher ist. Meine Damen und Herren, so - entschuldigen Sie - naiv darf man die Schutzfunktion der militärischen Ausbildung für denjenigen, der ihrer teilhaftig geworden ist, nicht ansehen. Natürlich ist ein gut ausgebildeter Soldat im Einsatz weniger gefährdet als ein schlecht ausgebildeter. Wir wollen aber die letzten Überlebenden dieser Opferfamilien auch nicht als schlecht ausgebildete Soldaten, sondern überhaupt nicht an die Front schicken.
({6})
Das wollen wir ihren Angehörigen sagen.
Damit das Haus klar sagt, wie es zu dieser Frage des letzten Sohnes einer Familie steht, die Opfer genug für unser Volk gebracht hat, beantragen wir zum Antrag Umdruck 723 Ziffer 3 b namentliche Abstimmung.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Reichstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man bekommt den Eindruck, die Koalition hat beschlossen, jeden Änderungsantrag abzulehnen, so gut begründet er auch sei.
({0})
Es erhebt sich dann die Frage, welchen Zweck es überhaupt noch hat, hier zu debattieren. Diese Frage müssen sich insbesondere diejenigen stellen, die dem Grunde nach für den Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht eintreten wollen. Es besteht offensichtlich geringe Aussicht, daß die jetzt zur Debatte stehenden beiden Änderungsanträge eine Mehrheit in diesem Hause finden.
Vielleicht aber ist der Herr Verteidigungsminister bereit, den einen oder anderen Gesichtspunkt, wenn sie schon nicht als Gesetzesänderung angenommen werden, in Verordnungen zu berücksichtigen. Sollte das der Fall sein und sollte das Problem der letzten Söhne damit auch geregelt werden, so darf ich dem Herrn Verteidigungsminister doch sagen, daß das gleiche Problem, das für Söhne von Vätern, die im Krieg gefallen sind oder die umgebracht worden sind, gilt, auch für Söhne der Väter zutrifft, die bei der Vertreibung umgebracht worden sind.
({1})
({2})
- Ich glaube, daß das nicht der Fall ist, Herr Kollege. Es wäre mir lieb, wenn das auch gesetzlich geregelt werden könnte, aber ich sagte schon: die Aussicht ist gering. Deshalb in diesem speziellen Fall meine Bitte an den Herrn Verteidigungsminister, zu überlegen, ob man das nicht wenigstens auf dem Verordnungswege - ob das unter „persönliche Härte", § 12 Abs. 4, fällt, sei dahingestellt - regeln könnte.
Nun noch ein Wort zu dem Antrag, Söhne von Eltern freizustellen, die in der Zone drüben leben. Ich meine, man darf unsere Einstellung zu den Menschen, zu den Familien in gar keiner Weise davon abhängig machen, wie man sich etwa im anderen Teil Deutschlands den Menschen und den Familien gegenüber verhält. Ich möchte das besonders Herrn Kollegen Majonica sagen. Es klang so etwas durch: weil man dort überhaupt keine Rücksicht zu nehmen beabsichtigt, brauchen wir das hier auch nicht zu tun. Jeder, meine ich, der sich wegen der deutschen Situation Gedanken und Sorgen über die mögliche Auswirkung dieses Gesetzes im anderen Teil Deutschlands macht, sollte einem solchen Änderungsantrag zustimmen.
Alle Überlegungen, die man über dieses Gesetz anstellt, mögen zu gegensätzlicher Beurteilung führen. Aber es wird doch niemand in diesem Hause wünschen, daß die menschlichen Beziehungen, die durch die Teilung Deutschlands sowieso schon sehr erschwert sind, durch dieses Gesetz noch weiter erschwert werden; denn solange die politischen Gegensätze mitten durch unser Land gehen, haben die menschlichen, insbesondere die familiären Beziehungen, auch von nationalen Gesichtspunkten her gesehen, eine besondere Bedeutung, und sie müssen auch von uns geschützt werden. Einem solchen Schutz soll auch der hier zur Debatte stehende Änderungsantrag dienen.
Wir werden ihm daher zustimmen und bitten auch das Hohe Haus um Zustimmung.
({3})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich Frau Schroeder für die warmherzigen Worte herzlich danken, die sie aus ihrer großen Erfahrung und innerem Erleben zu dem Problem gesprochen hat, das uns so sehr beschäftigt.
Den Herren der CDU, die zu der Frage der Freistellung der Söhne von Eltern, die in der Ostzone wohnen, gesprochen haben, möchte ich sagen: ich habe doch aus Ihren Worten entnommen, daß Sie im Grunde genommen unsere Ansicht teilen. Sie sind also auch der Meinung, daß man die Eltern und die Söhne nicht in die schweren Gewissenskonflikte bringen soll, in die sie tatsächlich durch den Wehrdienst gebracht werden, teils weil sie einer Gefährdung ausgesetzt sind, teils weil sie tatsächlich voneinander getrennt werden. Nun frage ich Sie: warum verweisen Sie uns dann auf einige Paragraphen, die eine so vage Fassung haben? Warum sagen Sie dann nicht gleich: Wir nehmen Ihren Antrag an? Er enthält ja im Grunde genommen ganz präzise das, was auch Sie nach Ihren eigenen Worten wollen und wünschen.
Wenn Sie sich auf § 12 berufen, Herr Kollege Berendsen, und sagen, daß Wehrpflichtige freigestellt werden können, wenn besondere persönliche oder häusliche Gründe dafür sprechen und die Einberufung eine besondere Härte für die Betreffenden bedeutet, so müssen Sie doch berücksichtigen, daß es in das Ermessen der betreffenden Stelle, die über die Einberufung zu befinden hat, gelegt ist, zu entscheiden, ob hier eine Härte vorliegt. Wir wissen doch, wie manchmal behördliche Stellen über solche persönliche Dinge hinweggehen und urteilen.
({0})
Sie gehen von dem Ideal aus, daß jeder eine solche tiefe sittliche Verpflichtung spürt, Eltern und Kinder in ihrem engen Verhältnis zueinander zu belassen. Aber derjenige, der dafür sorgen soll, daß die Bundeswehr aufgefüllt wird, sieht doch nur den Soldaten, den er aus irgendeinem Grunde nicht einziehen kann.
({1})
Das ist doch leider so. Wenn es Idealgestalten wären, könnte man vielleicht damit auskommen.
({2})
Aber ich gehe weiter. Ich sage: ein Zurückstellen allein reicht nicht aus, sondern erforderlich ist ein grundsätzliches Freistellen. Denn wenn der betreffende Wehrpflichtige nur eine Zeitlang zurückgestellt ist, bleibt der Druck, solange er wehrpflichtig ist, für seine Angehörigen in der Ostzone weiter bestehen. Es muß also grundsätzlich eine Befreiung von der Wehrpflicht für solche Personen erfolgen.
Aus Ihren Ausführungen konnte man entnehmen - auch Herr Majonica ließ es anklingen -, daß Sie ja im Grunde genommen unsere Meinung vertreten. Daher bitte ich Sie, um der Klarheit der Entscheidung willen unsere Anträge anzunehmen.
({3})
Der Herr Bundesminister für Verteidigung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben hier ein Problem angeschnitten, das mit dem Ernst behandelt werden muß, der ihm zukommt, das aber auch von zwei Seiten beleuchtet werden muß. Wir müssen zunächst den Kreis der Personen, die hier in Frage kommen, ins Auge fassen, und wir müssen uns --- das gehört nun einmal dazu, wenn man die Tragweite eines Entschlusses abschätzen will - auch mit der Größenordnung beschäftigen. Da liegen die Dinge so, daß in den letzten zweieinhalb Jahren etwa 180 000 Jugendliche bis zum Alter von 24 Jahren in die Bundesrepublik eingewandert sind. Wenn man annimmt, daß der Anteil der jungen Männer hier bei etwa 60 % liegt - ({0})
- Nun lassen Sie mich doch in Ruhe meine Ausführungen machen, Herr Schmidt, und überlegen Sie, ob Sie eine Frage an mich stellen wollen oder ob Zwischenrufe der Klärung dienen!
({1})
({2})
- Zuhören könnte Ihnen manchmal dienlich sein!
({3})
Wenn man nun davon ausgeht, daß ein Teil wieder zurückwandert, würde es ein jährlicher Zuzug von etwa 35 000 Mann sein. Wir haben uns nun die Frage zu überlegen, was mit ihnen geschehen soll. Dieses Problem ist im Verteidigungsausschuß sehr lange und eingehend behandelt worden, und ich entsinne mich noch der Ausführungen, die ich dabei gemacht habe. Wir sind einmal zu der Auffassung gekommen, daß man diesem Personenkreis zunächst eine Wartefrist von etwa einem Jahr zugestehen müsse, weil ja erst noch abzuwarten sei, ob der Betreffende mit der Absicht herüberkomme, einen dauernden Wohnsitz zu begründen, oder ob er nur für eine gewisse Zeit herüberkomme, um gewisse Dinge zu betreiben. Weiter gingen wir davon aus, daß wir gar nicht jeden Herüberkommenden gleich am ersten Tage verwaltungsmäßig erfassen können und daß wir ihm infolgedessen eine Wartefrist von einem Jahr gewähren müssen. Wir waren aber nicht der Meinung, daß man ihn generell vom Wehrdienst freistellen könne, wenn er drüben also noch Eltern habe und wenn Repressalien zu erwarten seien. Der § 12 Abs. 4 bietet hier Möglichkeiten. Zu einer generellen Freistellung konnten wir uns aus folgendem Grunde aber nicht entschließen. Wenn man das tun wollte, dann hieße das doch, in einem deutschen Gesetz einer drüben erfolgten Unrechtsmaßnahme von vornherein Rechnung zu tragen.
({4})
Wenn jemand hier in der Bundesrepublik gel) tende Gesetze erfüllt, dann kann ihm doch nur mit Unrecht aus dieser Erfüllung ein Nachteil erwachsen.
({5})
Es wäre falsch, wenn man solchen Unrechtsmaßnahmen hier in der deutschen Gesetzgebung nachgeben wollte.
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Im übrigen gibt es Tausende und aber Tausende von jungen Leuten, die in die Bundesrepublik kommen, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse hier günstiger sind, weil sie das politische System drüben nicht ertragen können; sie kommen aus allen möglichen Gründen. Sie müssen selbstverständlich ebenfalls Repressalien erwarten. Wenn sie nur wegen der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht, die hier in der Bundesrepublik festgesetzt wird, Repressalien zu erwarten hätten, würde das nur noch einmal im besonderen den ganzen Unrechtscharakter dieses Systems dartun.
({7})
- Warten Sie doch ab, so einfallslos sind wir gar nicht.
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Im übrigen gibt es sehr wohl Möglichkeiten für uns - ({9})
- Ach, Sie wollten eine Frage stellen. - Bitte sehr!
Sie sind einverstanden.
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Auffassung, daß die umfangreiche Vertriebenengesetzgebung, die Unrecht, bitterstes Unrecht, wiedergutmachen soll, unter das gleiche unmögliche Argument fällt, das Sie eben hier vorgetragen haben?
Nein, der Meinung bin ich durchaus nicht. Das ist Wiedergutmachung von Unrecht. Das hier ist eine ganz andere Rechtsmaterie.
Nun lassen Sie mich weiter ausführen, was ich sagen wollte.
({0})
--- Sie wollen offenbar gar nicht hören, was ich Ihnen sagen kann.
({1})
- Na, dann seien Sie doch einigermaßen geduldig!
({2})
Im übrigen gibt es genügend Möglichkeiten, diesen Fällen Rechnung zu tragen. Ich habe soeben schon auf den § 12 Abs. 4 hingewiesen.
({3})
- Gerne!
Einen Augenblick! Der Präsident fragt. Herr Minister, lassen Sie die Frage zu?
Mit Vergnügen!
Ich möchte Sie fragen, ob Sie der Ansicht sind, daß Sie, um der Bestätigung willen, daß drüben ein System des Unrechts herrscht, es vor Ihrem Gewissen verantworten können, daß Tausende von Menschen drüben unter den Repressalien dieser Diktatur leiden müssen?
Entschuldigen Sie, gnädige Frau, das hätte ich gern noch einmal wiederholt. Es wir mir beim besten Willen nicht möglich, einen klaren Sinn in dieser Frage zu erfassen, so daß man sie klar beantworten könnte.
({0})
Herr Minister, daß Sie nicht mehr klar sehen können, ist mir längst klar.
({0})
Die Höflichkeit verbietet mir, einer Dame gleichermaßen zu antworten.
({0})
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete! Wir haben das System der Zwischenfragen, aber nicht das System der Zwischenfeststellungen.
Ich habe nur eine Frage an den Herrn Minister gestellt. Wenn er diese Frage nicht verstehen kann, muß ich sie ihm noch einmal erläutern. Wir Berliner sprechen sonst sehr deutlich.
({0})
Ich bitte darum.
Sie dürfen nur fragen!
Der Herr Minister erklärte - jetzt muß ich ihm seine eigene Erklärung wiederholen -, daß, wenn Repressalien an den Verwandten der jungen Menschen, die eingezogen würden, ergriffen würden, dies nur das System dort drüben bestätige. Ich frage den Herrn Minister, ob er um dieser Bestätigung willen es vor seinem Gewissen verantworten kann, daß Tausende von Menschen drüben unter Repressalien genommen werden.
({0})
Ich muß Ihnen ehrlich gestehen: trotz des Ihnen unterlaufenen grammatikalischen Fehlers habe ich den Sinn immer noch nicht begriffen.
({0}) - Das ist gar nicht unerhört.
({1})
Ich glaube, ich kann fortfahren.
Einen Augenblick! Meine Damen und Herren, es ist technisch unmöglich, gleichzeitig zwei Mikrophone zu bedienen.
({0})
Ach, lieber Kollege . . .
Wollen Sie noch auf eine Zwischenfrage antworten?
Nein. Ich habe erklärt: wenn in der Ostzone Repressalien ergriffen werden, weil jemand hier in der Bundesrepublik eine gesetzliche Pflicht erfüllt, dann ist das wiederum ein Beweis für den Unrechtscharakter dieses Systems.
({0})
- Wir wissen es längst, aber es ist ein neuer Beweis, und wenn es weiterer Beweise bedurfte, so haben sie j a die kürzlichen Ereignisse in Posen geliefert.
({1})
Gestatten Sie eine weitere Frage?
Lassen Sie mich eben vollends ausführen, was ich sagen wollte. Nach wenigen Sätzen stehe ich für die Frage zur Verfügung.
Ich wollte Ihnen sagen, daß der § 12 Abs. 4 hier Möglichkeiten bietet. Ich wollte Ihnen weiter sagen, daß wir ja noch Musterungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften zu erlassen haben und genügend Möglichkeiten sehen - wir nehmen ja einen Gesamtausgleich bei den Rückstellungen vor -, alle diese Dinge zu berücksichtigen und diesem Personenkreis möglichst alle Vergünstigungen zukommen zu lassen. Aber keinesfalls wollen wir uns die Gestaltung der deutschen Gesetzgebung vorschreiben lassen, indem wir in Rechnung stellen, was allenfalls ein anderer tun könnte. Das habe ich zu erklären.
Und nun Ihre Frage, Frau Kollegin!
Herr Minister, ich will eine andere Frage an Sie richten. Sie glauben, es sei nicht möglich, jetzt in dem Gesetz auf Auswirkungen Rücksicht zu nehmen, die dieses Gesetz im Osten zur Folge haben wird und die wir leider voraussehen müssen. Haben Sie nicht auch zum Deutschen Bundestag gehört, der mehr als einmal den Menschen im Osten von dieser Stelle aus Hilfe versichert hat? Sind Sie sich nicht bewußt, daß Ihre Ablehnung dessen, was unbedingt geschehen müßte, eine Belastung der Menschen im Osten bedeutet, zu der wir überhaupt nicht berechtigt sind?
({0})
Frau Schroeder, ich bin der Auffassung, daß wir durch das, was wir in all den vergangenen Jahren in der Frage der Wiederbewaffnung Deutschlands getan haben, nicht eine Belastung, sondern eine Hoffnung für die Menschen im Osten geworden sind, und daran halten wir fest.
({0})
- Den Zuruf hätten Sie einigen Ihrer Kollegen machen müssen. Auf mich trifft er nie zu.
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Ich weiß nicht, ob der Herr Präsident den Zwischenruf „Heil Hitler" gehört hat.
Was sagen Sie? Sie haben den Zwischenruf „Heil Hitler" gehört?
- Ich frage, ob sich der Abgeordnete meldet, der diesen Zwischenruf gemacht hat?
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- Herr Abgeordneter Bergmann, ich rufe Sie zur Ordnung!
({1})
Meine Damen und Herren, ich glaube damit klargelegt zu haben, was zu diesem Problem zu sagen war. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir das Gesetz in der vorliegenden Form verabschieden sollten. Wir werden die Möglichkeiten, die uns das Gesetz gibt, in den Verordnungen und Verwaltungsanordnungen ausschöpfen und jeden so gelagerten Fall so individuell wie möglich behandeln.
({0})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, es ist keine unter den Kolleginnen dieses Hauses, die heute nicht bis ins Innerste erschüttert und bis ins Innerste erregt der Diskussion über diesen Paragraphen gefolgt wäre und die nicht wüßte, welche Verantwortung sie mit der Entscheidung über die Fragen übernimmt, die gerade im Zusammenhang mit der Wehrpflicht der Flüchtlinge aus der Zone gestellt sind.
Frau Lüders hat von dem gesprochen, was unsichtbar hinter der ganzen Debatte steht, von der Sehnsucht der Frauen nach dem Frieden. Ich möchte jedoch sagen, daß das, was hier an Stellen aus Kants Idee vom ewigen Frieden angeführt wurde, sich nicht auf die furchtbare Wirklichkeit bezieht, in der wir in dieser Welt stehen, sondern daß es sich um ethische Postulate handelt. Gerade auf Grund der Kantschen Ethik haben in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 die jungen Menschen weithin das getan, was sie für ihre Pflicht hielten.
({0})
Wir sind angesprochen worden als Frauen der CDU. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß wir Frauen der CDU uns hier heute irgendwie feige vor einer letzten klaren Stellungnahme drükken wollten. Deswegen sage ich in aller Ruhe, aber auch in aller Klarheit: Frau Schroeder, Sie haben auf die schweren Repressalien hingewiesen - Sie haben das aus Ihren Berliner Erfahrungen natürlich besonders unterstreichen können -, die in dem Augenblick zu befürchten sind, in dem hier die Wehrpflicht auch für die jugendlichen Flüchtlinge aus der Zone eingeführt wird. Frau Schroeder, lassen Sie mich das eine sagen: diese Repressalien sind heute bereits da, gleichgültig, ob die Wehrpflicht eingeführt wird oder nicht.
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- Wir haben uns gerade in Berlin, Herr Neubauer, immer wieder über die großen Unterschiede unterhalten, die zwischen Kontaktmöglichkeiten von Eltern und Kindern zwischen Berlin und der Zone und den Kontaktmöglichkeiten zwischen der Bundesrepublik und der Zone bestehen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, mit dieser Frage - Verbindung der Flüchtlinge, die hier sind, mit ihren Familien drüben - sprechen wir tatsächlich das tragischste Problem unserer Spaltung an. Mir ist aus einer Reihe von Fällen, mit denen ich persönlich dauernd zu tun habe, bekannt, daß die Eltern, wenn sie sich entschließen, ihre Kinder in die Bundesrepublik zu geben, wissen, daß das unter Umständen leider auf lange Jahre hinaus den endgültigen Verzicht auf diese Kinder bedeutet.
Meine Herren und Damen, das sind furchtbare Tatsachen. Aber wir sollen nicht die Augen davor zumachen und sollen nicht so tun, als ob das alles bis jetzt nicht der Fall gewesen wäre und erst in dem Augenblick einträfe, in dem wir hier die Wehrpflicht einführen.
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Wir sind in diesen Tagen in Berlin gewesen, wir sind in den Lagern für Jugendliche gewesen. Ich weiß, daß bei einer Reihe von Jugendlichen die Frage angeschnitten worden ist: Wißt ihr, da die
Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik vor der Tür steht, was ihr auf euch nehmt, wenn ihr herüberkommt? Soweit ich informiert bin, war keiner unter diesen Jugendlichen, mit denen gesprochen worden ist, der nicht ganz klar die Konsequenz sah und bereit war, diese Konsequenz auf sich zu nehmen.
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Gerade die Jugendlichen, die ,aus einer wirklichen politischen Überzeugung herübergekommen sind, wissen, was Freiheit ist, und sie sind auch bereit, etwas dafür zu tun, daß diese Freiheit gesichert wird.
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Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Frage?
Darf ich das eine eben Frau Döhring sagen. Frau Döhring, ich habe Ihnen vorhin gesagt: Ich bin die letzte, die die Tragik aus unserer Spaltung nicht in voller Schärfe sähe. Aber ich bin nicht der Meinung - darin unterscheiden wir uns -, daß wir diese Tragik hervorrufen oder steigern dadurch, daß wir nun nicht generell idie Flüchtlinge aus der Zone von der Wehrpflicht hier frei machen.
Bitte schön, Frau Korspeter!
Frau Kollegin Brökelschen, sind Sie sich nicht darüber klar, daß die Eltern, die noch drüben in der Zone sind, von Repressalien betroffen werden können?
Frau Korspeter, daß die Eltern von Repressalien betroffen werden können, wird von mir nicht bestritten, und wenn ich gleich zum Schluß meiner Ausführungen komme, werden Sie das sehen. Ich sage nur auf der anderen Seite, daß der größte Teil der Eltern, die die Kinder hier herüberschicken, weiß, welche Konsequenzen das hat;
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und diese Eltern sind bereit - das ist das Tragische, Frau Korspeter, aber es gehört zu der harten Wirklichkeit, in der wir stehen -, diese Konsequenz auf sich zu nehmen.
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- Herr Neubauer, ich bestreite Ihnen gar nicht Gespräche, die Sie gehabt haben; aber Sie dürfen mir auch nicht Gespräche bestreiten, die ich gehabt habe und in denen ich festgestellt habe, daß die Auffassung der Eltern nach der von mir angeführten Richtung geht. Sehen Sie, das ist es ja, daß die furchtbare Situation drüben keine einheitliche Auffassung möglich macht; daß der eine die Freiheit sieht und bereit ist, für die Freiheit die letzten Konsequenzen auf sich zu nehmen, und daß der andere unter der Angst vor Repressalien lebt.
Nun lassen Sie mich das Weitere sagen. Wir haben uns immer wieder auf den Standpunkt ge({2})
stellt, daß wir gerade den Jugendlichen, die wir herübernehmen, möglichst bald die gleichen Rechte geben wollen, die auch die Jugendlichen hier haben.
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Und wir müssen immer wieder - Frau Döhring, Sie schütteln den Kopf, aber ich muß es sagen - doch auch darauf sehen, daß durch die Handlungen, die wir hier vornehmen, nicht neue Spannungen zwischen der Jugend, die herüberkommt, und der Jugend, die hier ist, auftreten.
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Es ist deswegen in seinen Konsequenzen sehr zu überlegen, ob es gerade im Hinblick auf die Einheit unserer Jugend richtig ist, generell die Ausnahmebestimmungen zu treffen, die Sie treffen wollen.
Ich möchte zum Schluß sagen, daß auch mich die Form, in der man in dem § 12 versucht, der Tragik unserer Situation Rechnung zu tragen, nicht befriedigt, obschon ich Ansätze für eine Lösung hier sehe. Ich bin deswegen beruhigt, daß Herr Minister Blank gerade erklärt hat, daß es die Möglichkeit und die Notwendigkeit gibt, Verwaltungsvorschriften auszuarbeiten, die den Begriff der „unzumutbaren Härte" weiter erläutern. Ich bin der Meinung, daß diese Verwaltungsanordnungen dem Verteidigungsausschuß vorgelegt werden sollten. Es ist heute allgemein die Auffassung ausgesprochen worden, daß man so weit wie irgend möglich und vertretbar unter der „unzumutbaren Härte" die individuellen und besonderen Fälle unter den Zonenflüchtlingen erfassen soll. Wenn diese Garantie eingebaut wird, dann habe ich persönlich keine Bedenken dagegen, daß wir entgegen dem Antrag der SPD eine generelle Ausnahme von der Wehrpflicht für die Sowjetzonenflüchtlinge nicht machen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Lüders, deren Initiative der Antrag „Letzte Söhne" zu verdanken ist, ist leider infolge ihres Gesundheitszustandes nicht in der Lage, Herrn Abgeordneten Berendsen selbst auf seine Entgegnung zu antworten. Ich muß das daher in Vertretung der Frau Kollegin Lüders tun. Ich verstehe wirklich nicht, wie man angesichts der Unfallgefahr in einer modernen technisierten Armee, die man allerdings kennen muß, wenn man die Kriegsjahre nicht in höheren Stäben, sondern bei der Truppe verbracht hat,
({0})
so leichtfertig mit dem Hinweis auf die Gefahr des Skilaufens über diesen Antrag hinweggehen kann.
({1})
Ich wünschte, Frau Kollegin Lüders hätte auf diese, ich möchte sagen, etwas militärsnobistische Argumentation erwidert; sie hätte es schärfer getan, als ich es hier tun kann.
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Vergessen wir doch nicht, daß die amerikanische Luftwaffe in den zehn Jahren von 1945 bis 1955 mehr Tote und Verletzte als Ausbildungsopfer zu beklagen hat, als während des gesamten koreanischen Krieges in der amerikanischen Luftwaffe gefallen sind oder verwundet worden sind!
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Und vergessen wir nicht, daß wir auch in unserer kleinen Bundeswehr bereits die ersten Toten infolge von Ausbildungsunfällen haben! Wie kann man dann dem Antrag „Letzte Söhne", der wirklich einer tiefen ethischen Verantwortung der Frau Kollegin Lüders und auch anderer Kollegen entsprungen ist, mit dem Hinweis begegnen: Das Leben ist ja ohnehin lebensgefährlich!
Herr Abgeordneter Mende, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dr. Mende ({0}): Bitte schön!
Herr Kollege Mende, ist Ihnen bekannt, daß in der amerikanischen Luftwaffe, die Sie eben angeführt haben, ausschließlich Freiwillige dienen?
({0})
Herr Kollege Berendsen, ich weiß aus dem Memorandum der Bundesregierung, daß die Zahl der Berufssoldaten und der längerdienenden Freiwilligen bei der amerikanischen Luftwaffe 90 °Io beträgt. Sie wird auch bei uns vermutlich ähnlich sein. Was das aber für ein Argument gegen die Unfallziffer sein soll, ist mir unverständlich.
({0})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?
Bitte schön!
Herr Kollege Mende, sind Sie der Ansicht, daß letzte Söhne von ihren noch überlebenden Verwandten voraussichtlich, wenn sie Soldat werden sollten, so beraten werden, daß sie sich nicht freiwillig ausgerechnet zu den gefährlichsten Truppenteilen melden?
({0})
Es hat einmal ein sehr maßgebliches Mitglied dieses Hauses erklärt, in einer wichtigen Frage, in der Frage der Todestrafe, mehr dem aufgeklärten Absolutismus dieses Hauses zu vertrauen ,als der vox populi, und ich möchte sagen: wir haben in dieser Frage ebenfalls so zu handeln, daß wir durch die Gesetzgebung so viel wie möglich dazu beitragen, die letzten Söhne, d. h. die letzte noch verbliebene Substanz, ihren Familien zu erhalten.
({0})
Wir sollten uns hier nicht auf die Beratungsfunktion der Familie und der Verwandten verlassen. Wir stellen dadurch, daß wir das gesetzlich regeln, hier ein gewisses Prinzip, ein ethisches Postulat auf. Mir scheint das besser zu sein, als sich nur auf die Beratungstätigkeit der Verwandten verlassen zu wollen.
({1})
Zum Zweiten möchte ich auf das eingehen, was der Herr Minister bezüglich der jungen Menschen aus der Sowjetzone gesagt hat, die drüben noch Verwandte ersten Grades, also ihre Eltern, haben. Der Verteidigungsminister hat im Ausschuß für Verteidigung erklärt, daß er auf diese alles in allem rund 180 000 oder 200 000 Menschen nicht verzichten könne.
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Das, was ich Ihnen heute morgen aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes bekanntgegeben habe, beweist, daß man, wenn man die freie Bewegung junger Menschen zwischen drüben und hüben will, und aus Gründen, die um Gesamtdeutschlands willen sehr schwer wiegen,
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wohl darauf verzichten kann; denn es stehen aus den sogenannten Kriegsjahrgängen, d. h. von 1913 bis 1926, 3,5 Millionen zur Verfügung, also bei 50 O/0 Untauglichen immer noch 1,75 Millionen, und aus den 11 „weißen Jahrgängen" 1927-1937 von 4,2 Millionen bei gleicher Annahme des Tauglichkeitsgrades 2,1 Millionen. Angesichts des Limits, das unbestritten bei 500 000 Mann liegt - in der Frage, daß die 500 000 Mann eine Höchstzahl darstellen, gibt es ja keinen Streit -, glaube ich, muß man sogar auf diese jungen Menschen verzichten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider muß auch ich noch einmal auf diesen Antrag zurückkommen, der, soweit es sich um die Fassung des § 11 handelt, die Freistellung vom Wehrdienst verlangt und, soweit es sich um den von meiner Fraktion eingebrachten auf § 12 bezogenen Antrag handelt, die Zurückstellung vom Wehrdienst ermöglichen soll. Daß wir damals zu einem Vorschlag auf Zurückstellung gekommen sind, hing damit zusammen, daß die Mehrheit im Ausschuß bereit war, sich die Stellungnahme zu diesem Antrag noch einmal zu überlegen, wenn er nicht auf Freistellung plädierte. Wir haben in diesem Fall gemeint: dann soll man einmal den Versuch machen. Denn es handelt sich hier ja um mehr als um das, was von einigen meiner Vorrednerinnen und Vorredner in der Debatte gesagt worden ist.
Im Grunde genommen ist es doch so, daß der Streit um diese beiden Anträge, auch wenn er mit einer gewissen Verhaltenheit geführt wird, deswegen von solch innerer Heftigkeit ist, weil wir hier genau wieder in nächster Nähe des Problems gelandet sind, um das es sich eigentlich handelt, um die Frage: Wehrpflicht in einem gespaltenen Lande - ja oder nein?
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Nun, dazu haben Sie Ihre Entscheidung als Mehrheit getroffen, und dazu ist auch genug gesagt worden. Aber nun kommt dieser Antrag dicht in die Nähe des eigentlichen Problems, eben deswegen, weil er, von den Unterlegenen gestellt, ein letzter Versuch ist,
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eine gewisse Milderung dessen, was Sie mit Ihrem
Gesetz im gespaltenen Deutschland anzurichten
drohen, herbeizuführen. Das ist der Sachverhalt.
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Verehrte Frau Dr. Brökelschen, ich würde mit Ihnen in keinen Streit darüber eintreten, ob diejenigen jungen Menschen oder andere, die Sie in Berlin gesprochen haben, Ihnen das gesagt haben, was nun in der Zone darüber gedacht wird, oder ob diejenigen, die von anderen angesprochen worden sind, das Wahre darüber gesagt haben. Das kann sehr unterschiedlich sein. Aber ich muß Ihnen eines sagen: ich will diese Sache nicht in diese Auseinandersetzung hineinziehen, ich stehe aber noch unter dem Eindruck der Worte, die mir eine, wenn ich es umschreiben darf, maßgebende Persönlichkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland gestern gesagt hat.
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- Sagen Sie ja nicht Aha, sonst würde ich Ihnen sagen, wer es war. Aber ich nehme an, die Damen und Herren des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen, denen ich ohne jede eigene Kommentierung die Äußerung dieser Persönlichkeit, weil es ihr Wunsch gewesen ist, überbracht habe - ich habe mich zurückgehalten; ich habe auch keine Äußerung von jemand anderem verlangt -, werden zugeben, daß das doch recht schwerwiegende Dinge gewesen sind, von denen dabei die Rede war. Ich habe ausdrücklich gesagt: ich will diese Sache nicht in den Streit ziehen. Aber, um Himmels willen, kommen Sie dann nicht mit solchem Geschütz wie der Herr Verteidigungsminister! Sonst wird eben alles völlig schief, auch dort, wo die Unterlegenen beim Streit um dieses schicksalschwere Problem einen letzten Versuch machen, ein Polster gegen Repressalien zu schaffen.
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Herr Minister, ich bin Ihnen in diesem Falle gar nicht böse. Unter uns gesagt: ich war recht froh, mir fiel ein Stein vom Herzen, daß Sie hier nicht alle die Argumente für Ihre Auffassung vorgetragen haben, die Sie im Ausschuß vorgebracht haben.
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Denn ich habe mir gedacht: es wäre ja ein Offenbarungseid, wenn Sie das hier öffentlich sagten. Aber, Herr Minister - ich möchte Ihnen das in aller Eindringlichkeit sagen -, es geht doch wohl nicht darum, hier Beweise dafür zu sammeln, daß das Regime jenseits der Zonengrenze nicht vor Repressalien zurückschreckt; das wissen wir leider Gottes. Wir wollen gerade, soweit wir das können - unsere Kraft ist dabei sehr begrenzt -, mit diesen beiden Anträgen den Versuch machen, dahin zu kommen, daß wir Repressalien nicht zu summieren brauchen. Wir wollen sie nicht herausfordern, darum geht es uns!
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Es geht einfach darum, ob das zu machen ist. Vielleicht haben Sie schwerwiegende Gründe dagegen. Eigentlich sollte die Zahl derer, auf die es ankommt, nicht das schwerwiegende Argument sein.
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Das sollte es nicht sein. Heute morgen haben wir in einem anderen Zusammenhang gehört, wie es wäre, wenn durch die Truppenstärkenbegrenzung vielleicht 200 000 statt 500 000 herauskämen. Nun
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gut, hat man gesagt, dann schadet uns das nicht, was wir bisher vorbereitet haben. Wenden Sie das bitte mal auf diesen Antrag an!
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Wenn Sie jetzt darauf verzichten, diesen Teil junger deutscher Menschen durch die Wehrpflicht zum Wehrdienst zu erfassen, wenn Sie auch nur ein Tüttelchen von dem, was uns dabei besorgt, anerkennen wollten, das kann doch nichts schaden! Es hat doch sowieso eine gewisse Zeit. Oder sind Sie etwa darauf erpicht, daß die nun in der nächsten Zeit „erfaßt" werden müssen, wie das schreckliche Wort heißt? Ich hoffe nicht, daß dies das eigentliche Argument ist. Nein, entscheidend sollte sein, daß mit diesen Anträgen der Versuch gemacht wird, der Regierung in der Zone eine Handhabe zu nehmen, durch Repressalien und Sperrbestimmungen die Reisemöglichkeiten der jungen Leute zu drosseln und die menschlichen Beziehungen außerordentlich einzuschränken.
Es geht doch dabei - das ist doch eine Verdrehung des Problems - gar nicht bloß um die, die, wie man so sagt, gebrochen hätten, die geflüchtet wären. Es geht doch um Menschen, die hinüber und herüber reisen. Wollen Sie, daß dieser Zustand aufhört? Sie wollen das nicht, wir wollen das auch nicht. Wenn aber darüber nachgedacht wird, was mit dem Kapitel Wehrüberwachung alles zusammenhängt, dann werden Sie mir zugeben, daß aus der Wehrüberwachung, wenn auch nur aus unserer Wehrüberwachung hier, Möglichkeiten zu einer solchen Drosselung des bis jetzt noch denkbaren Verkehrs hinüber und herüber für eine Regierung wie die Regierung jenseits der Zonengrenze entstehen können und daß wir versuchen müssen, das zu verhindern. Oder soll man sich über all das einfach hinwegsetzen, weil man sagt: die Entscheidung, die man hier mit dem ganzen Gesetz zu fällen habe, sei von so großer politischer Bedeutung, daß man auf solche Dinge keine Rücksicht zu nehmen habe? Ich hoffe nicht, daß Sie Ihre Zuflucht zu solchen Ansichten nehmen. Man kann sich nicht darüber hinwegsetzen. Man kann auch nicht gleichgültig sein gegenüber gewissen menschlichen Erwägungen. Im Grunde genommen wäre es richtig - das wollte ich noch zu der Fassung des Antrags der Fraktion der FDP sagen -, wenn nicht gesagt würde „auf Antrag zu befreien", sondern wenn die Geste gemacht würde - bei diesem Gesetz, das der Bundestag nun beschließt und bei dem so viel Sorge im Spiel ist -: „stellt sie frei".
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Dann wäre der eigentliche politische Zweck erreicht. Dann wäre der Versuch gemacht, einen solchen Zwischenraum zu lassen. Keiner würde darunter leiden, es sei denn, der Herr Minister käme hierher und würde uns vorrechnen, daß das soundso viel Zehntausende Rekruten weniger bedeutet. Dann müßten wir aber ehrlich darüber streiten, ob es diese Zahl wert wäre, daß die anderen schweren Schäden in Kauf genommen werden. Um diese Sache geht es, genau um diese Sache.
Verehrte Frau Dr. Brökelschen - urn auf Sie noch einmal zurückzukommen -, bitte, trösten Sie sich und Ihre eigene Unruhe nicht damit, daß Sie meinen, Sie könnten - weil es der Herr Majonica gesagt hat und noch andere aufgenommen haben -die Sache mit der Bestimmung, die der § 12 Abs. 4 enthält, erledigen. Das kann man nicht! So, wie es uns drückt, kann man das Problem nicht
auch nicht mit Verwaltungsrichtlinien zu diesem Absatz - decken. Das kann man leider nicht. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, - ich wäre bereit, auch noch diesen Rückzug mitzumachen, bloß um, wenn nicht alles zu retten, nun ein Stückchen zu retten. Aber das geht nicht. Das deckt die Sache nicht. Deswegen darf man sich nicht damit und darüber täuschen. Nein, hier muß tatsächlich entschieden werden. Man muß sich für diesen Antrag ,der Fraktion der FDP entscheiden, und wenn der fällt, weil Sie festgelegt sind - ich weiß nicht, warum; man muß es ja leider immer noch befürchten -, dann müssen Sie ein neues Mal Stellung nehmen, zu dem Antrag der Sozialdemokraten, der in diesem Fall leider nach dem, was wir im Ausschuß erlebt haben, ein paar Millimeter weniger fordert. Vor dieser Entscheidung stehen Sie.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Wehner: Man muß sich entscheiden. Zunächst einmal weisen Sie darauf hin, daß ich heute hier nicht gesagt 'hätte, was ich vor dem Ausschuß gesagt hätte. Ich wüßte nicht, daß Sie meinem Vorbringen im Ausschuß auch nur ein einziges Wort entgegengesetzt hätten. Es scheint also offenbar gar nicht so von dieser Bedeutung gewesen zu sein.
({0})
Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht um folgendes.
({1})
- Nein, ich rede jetzt wie Wehner.
({2})
Es geht um folgendes.
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- Nein, Herr Arndt, das gebe ich freimütig zu, daß ich das so wie Herr Wehner nicht kann. Ich bemühe mich auch gar nicht, das zu lernen.
({4}) Worum geht es hier? Vor Repressalien schützen? Meine Damen und Herren, es geht darum, daß wir nicht vor dem Unrecht kapitulieren.
({5})
Wenn die jungen Menschen, die aus der Zone aus den verschiedensten Gründen, die wir hier im einzelnen schon angesprochen haben, zu uns kommen, wenn sie in unsere Rechtsordnung aufgenommen werden, wenn sie in unseren Rechtsstaat aufgenommen werden
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- Deutschland vertreten wir, hier ist dieser Freiheitsstaat und nicht da -,
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wenn sie in unsere Rechtsordnung aufgenommen
werden, dann haben sie genauso wie die anderen
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jungen Menschen dieser Bundesrepublik die Verpflichtung, sich für diese Freiheit - die ihnen sehr viel wert ist; denn sonst wären sie ja nicht zu uns gekommen - einzusetzen, wenn sie jemals bedroht sein sollte.
Nun gebe ich zu, daß ein Unrechtssystem die Möglichkeit hat, sich, wenn es sich an dem Betreffenden nicht rächen kann, an seinen Anverwandten zu rächen. Ich habe gesagt, daß es dort, wo diese Gefahr auftaucht, immer genügend Möglichkeiten gibt- und wir haben j a heute schon Leute in der Bundeswehr, obwohl es nur Freiwillige sind, die ihre Angehörigen in der Ostzone haben -, diese Angehörigen davor zu schützen, indem wir im Einzelfall diese Leute freistellen. Dazu haben wir Möglichkeiten. Was wir aber nicht tun dürfen, ist, daß wir, die wir einen Anspruch erheben und das sogar im Grundgesetz gesagt haben, für das ganze deutsche Volk zu handeln, in unserer eigenen Gesetzgebung vor dem Unrechtsstaat kapitulieren. Das dürfen wir niemals tun.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bewundere den traurigen Mut des Herrn Bundesverteidigungsministeps, in einer solchen Form Dinge „klarzustellen", um sie zu verschleiern. Frau Kollegin Brökelschen, das Vertrauen, das Sie in den Herrn Bundesverteidigungsminister setzen, könnte ich nach der Art, wie er heute geredet und wie er die ganze Zeit gehandelt hat, nicht teilen.
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete! Ich kann nicht zulassen, daß Sie sagen „trauriger Mut", ich muß uß das rügen. Bitte, fahren Sie fort.
({0})
Dann sage ich: Ich bewundere den hohen Mut und die hohe Bildung des Herrn Verteidigungsministers, bewundere, wie er es fertigbringt, Fragen, die ihm unangenehm sind, durch eine außerordentliche, von guter Erziehung zeugende Höflichkeit abzuwürgen,
({0})
und wie er es versteht, das zu verschleiern, was gesagt werden muß.
Einen Augenblick, Frau Abgeordnete! Ich würde doch empfehlen, möglichst von persönlichen Bemerkungen abzusehen.
({0})
- Nein, meine Damen und Herren, auch in dieser vorgerückten Stunde - zumal wir noch einige Stunden vor uns haben - müssen wir uns davor hüten, unnötig scharfe persönliche Bemerkungen zu machen.
({1})
Ich muß dann den Herrn Präsidenten fragen, warum er nicht den Herrn Verteidigungsminister gerügt hat, als er von meiner schlechten Grammatik sprach.
({0})
Ich glaube, er hat ein anderes deutsches Wörterbuch benutzt, in dem die Grammatik viel besser war als in denen, aus denen ich gelernt habe. Das hätte der Herr Präsident dann auch rügen müssen.
Frau Abgeordnete, es ist möglich, daß mir das entgangen ist. Wenn ich das von dem Herrn Bundesverteidigungsminister gehört hätte, hätte ich ihn nicht nur darauf aufmerksam gemacht, daß das ungalant ist, sondern daß ich das ebenfalls als eine persönliche Schärfe betrachte, die in diesem Hause nicht zulässig ist.
Sehen Sie, dann sind wir quitt, Herr Präsident, denn er hat mich auch beleidigt.
({0})
Ich möchte den Frauen des Bundestages nur anheimstellen, bei den Anträgen, die von der Fraktion der SPD und von der Fraktion der FDP gestellt worden sind, einmal darüber nachzudenken, daß das System drüben in der Zone dasselbe System der Sippenhaft ist wie im Nationalsozialismus. Wer diesem Sippenhaftsystem Vorschub leistet, kann das mit den schönsten Worten nicht wiedergutmachen.
Ich freue mich, wenn die Abgeordneten des Bundestages in Berlin so warme Worte finden und wenn die Frauen aller Fraktionen so warme Worte finden für diejenigen, die in der Zone leiden müssen. Um so weniger kann ich es verstehen, daß Sie diesem Antrage nicht zustimmen wollen, der Ihnen doch einen Teil Ihrer Verantwortung abnimmt. Lassen Sie sich von mir das eine sagen: schöne Worte - das weiß ich aus der Vergangenheit - haben wir immer viele gehört, aber wenn die Taten hinter diesen schönen Worten zurückbleiben, dann ist es ein Betrug am eigenen Gewissen, und ein Betrug, den man 'an seinen Mitmenschen begeht.
Wenn Sie, verehrte Frau Dr. Brökelschen, die ich sehr schätze, von dem ethischen Postulat gesprochen haben und davon, daß Sie bis ins Tiefste getroffen und daß Sie erschüttert waren von der Diskussion um diesen Paragraphen, dann bitte ich Sie, Ihre Kollegen und Kolleginnen zu veranlassen, wenigstens diesen Änderungsanträgen zuzustimmen, damit diese Erschütterung vom Bundestag genommen wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche für meine Person. Ich sehe die Probleme genau. Sie sind auch von mir durchdacht. Ich anerkenne die Gründe, die zu den Anträgen der FDP mit Unterstützung der SPD geführt haben. Wir, meine politischen Freunde und ich, werden uns auch vor keiner Entscheidung drücken. Die Zahl derjenigen Leute, die eventuell aus diesem genannten Personenkreis
({2})
r unter die Wehrpflicht fallen würden, spielt für mich dabei gar keine Rolle.
Also es handelt sich bei Ihrem Anliegen darum, wo die Angelegenheit in dem Gesetz ihren Niederschlag finden kann. Meine verehrten Damen und Herren, verübeln Sie es mir nicht: ich bin etwas erschüttert, daß 'gegen alles, was im Ausschuß erörtert worden ist, mit so viel Mißtrauen, fast nur mit Mißtrauen gesprochen wird. Ich verweise auch auf das, was von seiten der Sprecher der Koalition dazu gesagt wurde. Der Beweis ist doch hier geliefert: wir wollen ja Ihrem Anliegen durch den § 12 Abs. 4 Rechnung tragen. Erlauben Sie mir, dazu gleich eins zu sagen: Sie werden sehr erregt sein, aber Sie müssen doch ergänzend den § 18 sehen, wo das Verfahren der Musterungsausschüsse geregelt ist. Es handelt sich also nicht darum, daß sich das Mißtrauen gegen die Beamten, oder vielleicht sagt einer: gegen den Verteidigungsminister und seine Leute, wie mir vorhin auf dem Gang gesagt wurde, richtet. Nein, in den Musterungsausschüssen sitzt ja von seiten der Wehrverwaltung nur der Leiter des Kreis -Wehrersatzamtes, aber im übrigen sitzen dort ein Beisitzer, der von der Landesregierung oder der von ihr bestimmten Stelle benannt wird, und ein ehrenamtlicher Beisitzer, und ich habe keinen Satz gefunden - auch während der Ausschußberatungen ist nicht davon gesprochen worden -, daß dies nicht auch einer von uns sein könnte. Ich weiß also wirklich nicht, warum wir uns mit 'so außerordentlichem Mißtrauen beladen müssen.
Nun kommt hinzu, daß der Bundesverteidigungsminister nach dem Protokoll, das ich draußen durchgelesen habe, schon im Ausschuß gesagt und, wie ich glaube, hier wiederholt hat: daß dieser
Bestimmung Rechnung getragen wird in der Verordnung, die ergehen wird. Warum eigentlich dieses Mißtrauen dagegen, gar nicht gegen seine Person, sondern gegen die Verordnung, die auch dem Verteidigungsausschuß vorgelegt werden soll?
({3})
Ich glaube, wir würden in der Debatte weiterkommen, wenn wir nicht nur alles von dem grenzenlosen Mißtrauen diktieren ließen. Wir alle im Verteidigungsausschuß - ich persönlich mit Sicherheit - haben den Wunsch, daß dieser Paragraph so verstanden wird.
({4})
Herr Abgeordneter, eine Zwischenfrage?
von Manteuffel ({0}) ({1}): Bitte!
Herr Kollege von Manteuffel, halten Sie Ihre Aussage auch noch aufrecht, wenn Sie den Abs. 6 des § 12 entsprechend gewürdigt haben? Glauben Sie dann noch sagen zu können, daß dem von uns und von der FDP vorgetragenen Anliegen damit Rechnung getragen sei?
von Manteuffel ({0}) ({1}): Wir hoffen, daß der Mann, der zunächst zurückgestellt wird, deshalb nicht befreit zu werden braucht, weil die Verhältnisse sich ändern. Wir glauben nicht, daß die Wiedervereinigung sich noch um so viele Jahre hinzieht, daß ein junger Mensch bis zum vollendeten 25. Lebensjahr freigestellt werden muß. Die
Zurückstellung wird ja jedes Jahr bei den Musterungsausschüssen geprüft. Dort kann der Betreffende ja die Gründe wieder vorbringen, ebenso das Kreiswehrersatzamt, wenn sich auf seiner Seite die Gründe geändert haben. Er selber kann seine Gründe auch wieder vorbringen vor einem wirklich neutralen Musterungsausschuß, zu dem man Vertrauen haben kann; denn der Beisitzer stammt aus der Gemeindebehörde des Betreffenden.
Eine weitere Frage?
von Manteuffel ({0}) ({1}): Bitte!
Erkennen Sie nicht den Unterschied, der darin liegt, daß wir wollen, der Gesetzgeber soll zu ,diesem Problem Farbe bekennen, während Sie die Stellungnahme zu diesem Problem auf irgendeinen administrativen Weg abschieben wollen? Erkennen Sie nicht diesen entscheidenden Unterschied, der darin liegt, daß wir verlangen, daß der Gesetzgeber Stellung nimmt?
von Manteuffel ({0}) ({1}): Der Gesetzgeber hat, wenn der Ausschußentwurf vom Plenum angenommen wird, dem in § 12 Abs. 4 Rechnung getragen.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich auf das eingehen, was Herr Kollege von Manteuffel gesagt hat. Unser Antrag spricht doch nicht von Zurückstellen, wovon in § 12 die Rede ist, sondern von einer endgültigen Befreiung vom Wehrdienst. Das ist ja etwas anderes. Ihr Argument, wir hofften, wenn wir jemanden zurückstellten, daß diese Rückstellung, wenn eine Wiedervereinigung herbeigeführt werde, hinfällig werde, ist auch ein Wunschtraum. Ich glaube nicht, daß dieses Gesetz dann, wenn wir wirklich glücklich wiedervereint sind, eine Gültigkeit haben wird. Wir werden uns dann mit unseren Brüdern aus dem Osten an einen Tisch setzen müssen und sicherlich ein neues Gesetz machen.
Sie müssen wirklich einmal überlegen, ob eine Verordnung von seiten des Ministeriums uns die Garantie gibt, daß unserem Anliegen, das, wie Sie sagen, auch das Ihrige ist, Rechnung getragen wird. Eine Verordnung - das ist ja gesetzlich geregelt - wird in keinem Fall unter Mitwirkung des Bundestages erlassen. Wir wissen also gar nicht, ob unsere Wünsche entsprechend erfüllt werden. Darum bin ich damit nicht zufrieden und möchte Sie bitten, sich durch Annahme unserer Anträge einmal ganz entschieden zu der Sache selbst zu bekennen.
Herr Minister, Sie sagten: Wir kapitulieren vor dem Unrecht. Herr Minister, damit kapitulieren wir vor keinem Unrecht.
({0})
Sie sagten weiter, daß die jungen Leute, die herüberkommen, auch bereit sein müssen, für die Freiheit einzutreten. Herr Minister, das können sie auch auf anderem Wege tun als durch die Erfüllung der Wehrpflicht. Da gibt es viele Möglichkeiten. Sie können schaffen und arbeiten für Deutschland und damit auch für die Freiheit wirken.
({1})
Frau Kollegin Brökelschen, glauben Sie wirklich, daß die jungen Burschen, die herüberkommen, weil sie aus irgendeinem Grunde fliehen müssen, sich im Augenblick der Flucht und wenn sie im Berliner Lager sind, der Tragweite ihres Schrittes, der Konsequenz bewußt sind, die sie gerade hinsichtlich des zur Debatte stehenden Punktes auf sich nehmen?
({2})
Wollen wir die Eltern, die schon das Opfer bringen, den Sohn aus dem Familienverband zu entlassen, noch einer eventuellen Repressalie aussetzen?
({3})
Bitte, meine Damen und Herren, denken Sie aber nicht nur immer an Repressalien! Denken Sie wirklich an die Auflösung der menschlichen Bindung, die gar keine Repressalie beinhalten muß!
({4})
Halten Sie sich doch einmal an die Forderung unseres Grundgesetzes, das die Familie unter einen besonderen Schutz stellt,
({5})
und bringen Sie das Opfer, Ihre bisherige ablehnende Haltung aufzugeben!
Ich beantrage wegen der grundsätzlichen Probleme, die unsere Anträge berühren, im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
({6})
Frau Abgeordnete, Sie haben für den Änderungsantrag Umdruck 719 Ziffer 3 namentliche Abstimmung beantragt?
Ich möchte bitten, daß wir uns auf Umdruck 719 Ziffer 3 Abs. 2 beschränken. Wir würden dann den Antrag der SPD auf Umdruck 723 Ziffer 4 vielleicht als den weitergehenden ansehen. Dazu war der Antrag ja schon gestellt.
Ich würde meinen, daß Ihr Antrag der weitergehende ist.
({0})
Dann stelle ich den Antrag für den gesamten Abs. 2, Ziffern 1 und 2.
Damit wir uns im klaren sind: Sie beantragen für Umdruck 719 Ziffer 3 im ganzen namentliche Abstimmung.
Nun hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint mir unerläßlich zu sein, daß von unserer Seite zu den leidenschaftlichen Ausführungen des Kollegen Wehner einige kurze Bemerkungen gemacht werden. Der Kollege Wehner hat sich bezogen auf die Äußerungen eines, wie er es nannte, maßgeblichen Vertreters der evangelischen Kirche, dessen Worte auf ihn einen so tiefen Eindruck gemacht haben. Herr Kollege Wehner, was würden Sie sagen, wenn maßgebliche Vertreter der evangelischen Kirche die Entscheidungen dieses Hauses in der gleichen ungewöhnlichen Weise beeinflussen wollten, falls diese Entscheidung in einem Ihnen unerwünschten Sinne erfolgte?
({0})
Würde nicht geradezu ein Aufruhr bei Ihren Freunden entstehen, wenn wir uns etwa den Äußerungen eines maßgeblichen Vertreters der uns nahestehenden Kirchen fügen wollten?
({1})
Sie würden mit Recht auf das schärfste dagegen protestieren, daß wir in einer Entscheidung, die im wesentlichen politischer Natur ist, unsere Ansichten nach denen der Kirche richten wollten.
({2})
Ich darf Ihnen auch versichern, meine Herren auf der linken Seite des Hauses, daß wir diese Äußerungen mit dem Respekt anhören, der ihnen gebührt,
({3})
daß wir aber unsere Ansicht und demnach auch unsere Entscheidung allein nach unserem Gewissen bilden.
Lassen Sie mich noch ein Zweites sagen. Herr Kollege Wehner hat in so leidenschaftlichen Worten auf die Gefahr der Repressalien hingewiesen. Herr Kollege Wehner, ich darf Ihnen versichern, daß wir dieses Risiko und diese Gefahr selber sehr ernst nehmen.
({4})
- Bitte, wollen Sie mich zu Ende hören. Wollen Sie bitte hören, daß es uns darauf ankommt, lieber dieses von uns durchaus eingesehene Risiko zu tragen, als ein noch viel größeres Risiko auf uns zu nehmen, nämlich eines Tages ein Deutschland entstehen zu lassen, in dem gegen unschuldige Leute überall Repressalien ausgeübt werden können!
({5})
Im Gegenteil, wir sind der Überzeugung, daß es uns durch die nun einmal unerläßliche Stärkung des Gewichtes unserer Bundesrepublik eines Tages gelingen wird, in ganz Deutschland Zustände zu schaffen, in denen überhaupt keine Repressalien mehr möglich sein werden.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Berendsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese sehr leidenschaftliche Debatte hat uns von der CDU/CSU in unserer Grundauffassung nicht wankend machen können.
({0})
- Hören Sie doch noch einen Moment zu, ich bitte um Gehör. Wir sind entschlossen, Ihre Anträge abzulehnen.
({1})
({2})
Wir sind jedoch von dem Ernst dieser Debatte und von den Argumenten beeindruckt, die uns von Ihnen entgegengestellt worden sind, ich selber etwas weniger von dem, was Kollege Mende gesagt hat, vor allem, soweit es meine Person betraf.
({3})
- Wir können uns nachher darüber unterhalten, wenn Sie wünschen! - Ich möchte also sagen, daß wir die Argumente, die Sie uns heute abend noch einmal so eindringlich vorgeführt haben, noch einmal überlegen werden. Wir sind durchaus bereit, in der dritten Lesung noch einmal eingehend mit Ihnen über diese Dinge zu diskutieren.
({4})
Herr Abgeordneter Wehner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gar nichts dagegen sagen, wenn der Herr Kollege Berendsen sagt, er und seine Freunde wollten sich das noch einmal überlegen. Ich würde sehr dafür sein, wenn Sie es sich noch einmal überlegten. Es geht hier gar nicht darum, ob man in dieser Minute und in dieser Stunde den Anschein hat, recht gehabt oder nicht recht gehabt zu haben. Mir geht es tatsächlich nur um diese Sache, und ich habe Ihnen vorhin klar gesagt: Bitte, das ist ein Versuch von einer Position der Unterlegenen aus. Ich sage das ganz ehrlich. Die Bedenken, die ich gegen das Gesetz überhaupt habe, kennen Sie alle; das sind auch die Bedenken meiner Freunde. Aber nun haben Sie gesagt, Sie würden überlegen.
Ich muß noch etwas zu dem sagen, was der Herr Minister am Schluß erklärt hat. Herr Minister, das Wort „kapitulieren" - es wurde hier Schluß Ihrer Rede so ausgesprochen, als ob man Ihnen zugemutet hätte zu kapitulieren - war hier ganz fehl am Platze.
({0})
Hier geht es nicht, hier ging es nicht und hier wird es nicht darum gehen, in mehr oder weniger starken Worten festzustellen, was Sie und was wir und was wir alle zusammen aushalten können. Hier geht es darum, was die drüben aushalten müssen und können auf Grund dessen, was wir tun.
({1})
Sich hierhin zu stellen - sicher, ein Minister muß das - und zu sagen, wir sprechen für das ganze deutsche Volk, Herr Minister, das ist kein Vorrecht, sondern ich empfinde das als eine Verpflichtung.
({2})
Denn, Herr Minister, es bedeutet, wenn man es richtig versteht, die Leiden des ganzen deutschen Volkes wie seine eigenen zu empfinden.
({3})
Das ist es, was ich mit der Bemerkung meinte, als ich sagte: wir müssen doch an Deutschland denken. Ich wollte nicht von Ihnen ein Bekenntnis zu einem Deutschland schlechthin. Sie sollten bei jedem Schritt an das geteilte Deutschland und an seine Menschen denken.
({4}) Ich hoffe, Sie tun es, wir alle wollen es tun. Ich bin froh, wenn Sie es sich noch einmal überlegen wollen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
({0})
- Einen Augenblick, Herr Minister. Ich bedauere, daß ich Ihre Wortmeldung nicht gesehen habe. Herr Minister, Sie wollen jetzt das Wort?
Der Bundesminister für Verteidigung!
({1})
Warten Sie doch ab, Herr Schoettle!
({0})
- Habe ich von Ihnen gelernt!
({1}) - Ich habe Sie leider nicht verstanden.
({2})
- Habe ich auch von Ihnen gelernt! ({3})
Herr Wehner, über das, was Sie gesagt haben, ließe sich sehr wohl reden. Aber eines, was ich gesagt habe, wiederhole ich. Mir ist die Verpflichtung, die wir für ganz Deutschland haben, sehr wohl geläufig, Herr Wehner, die brauchen Sie mir gar nicht ins Gedächtnis zurückzurufen.
({4})
Aber was hier unverrückbar stehenbleiben muß:
Hier geht es darum, der Freiheit einen Halt zu ge
ben, hier geht es darum, die Freiheit zu bewahren,
({5})
und hier geht es darum, die Kraft zu entwickeln,
({6})
die das deutsche Volk befähigt, zu seiner Einheit zurückzufinden, und die das Unrecht, wie wir es gegenwärtig in Posen wieder erlebt haben, nicht über das ganze deutsche Volk kommen läßt. Daß dieses Unrecht bald beendet wird, darum geht es.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Inhalt und Form der Ausführungen des Sprechers der CDU/CSU-Fraktion zur Frage der Freistellung des letzten Kindes von der Wehrpflicht veranlassen mich, hier noch einmal das Wort zu nehmen.
Haben wir schon vergessen, daß dieser letzte Krieg manche Familie dieses Volkes, das zu vertreten wir in diesem Hause berufen sind, fünf, sechs, sieben und mehr Söhne das Leben gekostet hat, daß der übriggebliebene letzte und einzige Sohn
({0})
von den einstigen Siegermächten nach 1945 der Not preisgegeben wurde und erst im Jahre 1950 in den Genuß einer Versorgung kam, daß hier Opfer über Opfer gebracht wurden, die darzustellen die deutsche Sprache nicht ausreicht?
Hinter diesem Antrag, die letzten Waisenkinder des zweiten Weltkrieges von der Wehrpflicht zu befreien, stehen mehr als drei Millionen Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene des letzten Krieges. Gestern noch haben ihre bevollmächtigten Vertreter Verhandlungen mit allen Fraktionen des Hauses geführt, um zu erreichen, daß diesem einmütigen Wunsche der deutschen Kriegsopfer entsprochen werde.
Es ist eine schlechte Sache, in dieser Form und mit diesen Argumenten über das Anliegen eines weiten Teiles des deutschen Volkes hinwegzugehen, eines Teiles, der für dieses Volk und für diesen Staat die schwersten Opfer gebracht hat.
Sie haben schließlich, Herr Kollege Berendsen, hinzugefügt, daß die jungen Menschen, die in den Massengräbern von Aachen liegen, deshalb dort lägen, weil sie militärisch nicht genügend ausgebildet worden seien. Darauf möchte ich Ihnen antworten: diese jungen Menschen liegen dort in den Gräbern, weil eine verbrecherische Staatsführung zu einem Zeitpunkt, wo die Weiterführung des Kieges längst sinnlos geworden war, sie in den Tod getrieben hat.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! ) Meine Damen und Herren! Das Anliegen auf Umdruck 723 Ziffer 3 b, das die letzten Söhne betrifft, ist auch ein Anliegen der Fraktion der Deutschen Partei.
({0})
Wir werden darauf in der dritten Lesung zurückkommen. Die Ausführungen meines Herrn Vorredners und verschiedene Äußerungen im Verlaufe der heutigen Debatte veranlassen mich aber, außerdem folgende kurze Bemerkung zu machen.
Wir haben hier über das Wehrpflichtgesetz, d. h. über die Einführung des Wehrdienstes, zu verhandeln. Es ist heute wiederholt vorgekommen, daß im Zusammenhang damit auch über Kriegsdienst gesprochen worden ist. Ich glaube, wir sollten alle zusammen, links und rechts, im ganzen Hause allergrößten Wert darauf legen, daß diese beiden Begriffe steng voneinander getrennt werden.
({1})
Es darf in der Öffentlichkeit unter keinen Umständen der Eindruck entstehen, daß wir, wie es die kommunistische Propaganda der westdeutschen Öffentlichkeit dauernd klarzumachen versucht, mit der Einführung der Wehrpflicht etwa den Krieg vorzubereiten wünschen.
({2})
Ich benutze diese Gelegenheit außerdem zu folgender Bemerkung. Meine Fraktion ist durchaus geneigt, bezüglich einiger anderer heute vorgelegter Änderungsanträge mit sich reden zu lassen. Wir sind jedoch heute aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen nicht in der Lage
({3}) - meine Damen und Herren, Sie wissen, ich liebe die Offenheit -, diesen Änderungsanträgen zuzustimmen. Ich glaube, auch Ihnen wird es letzten Endes darauf ankommen, daß eine Entscheidung in der Sache fällt, wenn sie zur letzten Beratung ansteht.
({4})
Lassen Sie eine Frage zu?
Bitte sehr.
Herr Kollege, sind Sie sich, wenn Sie auf die geschäftsordnungsmäßigen Erwägungen hinweisen, im klaren darüber, daß Sie damit das Parlament oder mindestens seine Mehrheit für diese zweite Beratung zu einer reinen Abstimmungsmaschine degradieren?
({0})
Verehrter Herr Kollege, ich bin nicht für die Geschäftsordnung dieses Hauses verantwortlich. Ich glaube, daß speziell ein Kollege aus Ihrer Fraktion sehr maßgeblich an der Erstellung dieser Geschäftsordnung mitgearbeitet hat.
Ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe. Es kommt letzten Endes darauf an
({0})
- Verzeihung, Herr Kollege, ich habe Ihre Redner auch nicht dauernd unterbrochen; lassen Sie mich doch bitte reden -, daß wir die richtige Entscheidung treffen, und die werden meine Freunde in der dritten Lesung treffen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist doch ganz nützlich, daß wir soeben aus dem Munde des Herrn Kollegen Schneider erfahren haben - das ganze Haus hat es seit heute früh gespürt -: diese zweite Beratung ist in Wirklichkeit keine zweite Beratung.
({0})
Denn eine Durcharbeitung eines Gesetzestextes durch ernsthafte nicht nur Beratung, sondern auch Beschlußfassung über die vorgebrachten Änderungsanträge und ihren Einbau in die Vorlage findet ja gar nicht statt. Es wird nur beraten. Abgestimmt wird so, wie Sie dies auch ohne die Beratung untereinander verabredet haben. Und warum? Nicht die Geschäftsordnung ist schuld.
({1})
- Nein, auch wir sind nicht schuld, sondern schuld ist die Tatsache, daß Sie sich vorgenommen haben, dieses Gesetz bis zu einem bestimmten Termin unter Dach und Fach zu bringen.
({2})
Sie haben durch diese Ausführungen lediglich bewiesen, wie recht wir heute früh hatten, als wir
gesagt haben, daß der Termindruck, unter den Sie
({3})
dieses Haus hier stellen, die gesetzgeberische Arbeit unzumutbar beeinflußt.
({4})
Weitere Wortmeldungen zu dem § 11 bzw. zu den gestellten Änderungsanträgen liegen nicht vor. In der Beratung ist wiederholt auf den § 12 und die Änderungsanträge, die dazu gestellt sind, übergegriffen worden. Ich schlage aber dem Hause vor, daß wir zunächst über die Änderungsanträge zu § 11 abstimmen.
Meine Damen und Herren, bitte ordnen Sie die Umdrucke in folgender Reihenfolge. Ich denke, wir stimmen zuerst ab über Umdruck 724 Ziffer 1, dann über Umdruck 719 Ziffer 3 im ganzen - dafür ist namentliche Abstimmung beantragt -, dann über Umdruck 726 Ziffer 1, dann über Umdruck 723 Ziffer 3 a und dann über Umdruck 723 Ziffer 3 b; auch dazu ist namentliche Abstimmung beantragt.
Nun, meine Damen und Herren, treten wir in die Abstimmung ein. Ich rufe zunächst den Änderungsantrag Umdruck 724*) Ziffer 1 auf. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -({0})
Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 724 Ziffer 1 ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag Umdruck 719**) Ziffer 3 im ganzen. Hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich frage, ob dieser Antrag auf namentliche Abstimmung von 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. - Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich darf die Damen und Herren Schriftführer bitten, die Stimmkarten einzusammeln.
({1})
Ich frage, ob alle Stimmkarten abgegeben sind.
- Ist noch jemand im Saal, der seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? Die Abstimmung ist geschlossen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich darf bitten, Platz zu nehmen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis der namentlichen Abstimmung***) über den Umdruck 719 Ziffer 3 bekannt: abgegebene Stimmen 435, Berliner Abgeordnete 20; mit Ja haben gestimmt 183 und 13 Berliner Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 250 und 7 Berliner Mitglieder des Hauses; 2 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 719 Ziffer 3 abgelehnt.
Nun kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 726****) Ziffer 1. - Meine Damen und Herren, ich würde doch bitten, Platz zu nehmen; denn sonst ist die Lage noch schwieriger zu beurteilen.
- Wer diesem Änderungsantrag Umdruck 726 Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 723*****) Ziffer 3 a. Wer diesem Änderungsantrag
*) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 3. ***) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8655.
****) Siehe Anlage 7.
Siehe Anlage 5. der Fraktion der SPD zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 3 b. Hier ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Abstimmungskarten einzusammeln.
({3})
Sind alle Stimmkarten abgegeben? Haben alle Mitglieder des Hauses, die sich im Saal befinden, ihre Karte abgegeben? - Die Abstimmung ist geschlossen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck 723 Ziffer 3 b bekannt: Abgegebene Stimmen 436, 21 Berliner Abgeordnete; mit Ja haben gestimmt 185 und 14 Berliner Mitglieder des Hauses, mit Nein 249 und 7 Berliner Mitglieder; außerdem 2 Enthaltungen. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 3 b abgelehnt.
Nun sind alle Änderungsanträge zu dem § 11 ablehnt. Ich komme zu der Abstimmung über den § 11 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem § 11 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; der § 11 ist angenommen.
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß § 12 und die Änderungsanträge zu dem § 12 von dem amtierenden Präsidenten schon aufgerufen worden sind. Wird zu dem § 12 weiter das Wort gewünscht?
- Zu keinem Änderungsantrag wird mehr das Wort gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Änderungsanträge zu dem § 12, und zwar zunächst zu dem Antrag Umdruck 724**) Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Umdruck 723***) Ziffer 4. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist wieder die gleiche Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Umdruck 723 Ziffer 5. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die gleiche Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Und schließlich Umdruck 723 Ziffer 6.
({5})
- Ist erledigt, gut.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Abstimmung über den § 12 in der Ausschußfassung. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 12 ist in der Ausschußfassung angenommen.
({6})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Erler.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis S. 8655.
**) Siehe Anlage 6. ***) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich zur Geschäftsordnung folgende Erklärung abzugeben:
Wir haben uns nach der Unterbrechung der Sitzung am heutigen Vormittag trotz schwerer Bedenken entschlossen, in die sachliche Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs - und zwar in die zweite Beratung - einzutreten, obwohl die Beratungen an ihrem Anfang unter einem sehr unglücklichen Stern standen. Der weitere Fortgang der Beratungen hat gezeigt, daß die Art, wie jetzt hier im Hause verfahren wird, weder der Würde des Hauses noch der Würde des Gegenstandes angemessen ist.
({0})
Wir haben indirekt aus dem Munde des Kollegen Berendsen, direkt vom Kollegen Schneider ({1}) erfahren, daß alle Reden, die in der zweiten Lesung gehalten worden sind, im wesentlichen der Erleuchtung der öffentlichen Meinung und dem Füllen des Protokolls dienen, aber nicht dazu benutzt werden, wozu sie eigentlich bestimmt sind, nämlich einen Einfluß auf die Gestaltung der Gesetzesvorlage zu haben.
({2})
Und das und nur das ist der Sinn einer zweiten Lesung einer Gesetzesvorlage in einer gesetzgebenden Körperschaft.
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion sieht sich nach dieser Klarheit nicht imstande, an einer Beratung mitzuwirken, die keine ist. Wir werden dann die Beratung der Vorlage des Wehrpflichtgesetzes fortsetzen, wenn die Sicherheit besteht, daß nach jeder Aussprache auch die Möglichkeit einer Änderung der Vorlage gegeben ist. Nach Ihren Erklärungen ist das nur in der dritten Lesung der Fall. Wir werden uns an dem Fortgang der zweiten Lesung der Vorlage nicht mehr beteiligen.
({3})
Einen Augenblick, meine Damen und Herren! - Sie haben keinen Antrag auf Vertagung der Sitzung gestellt, Herr Abgeordneter Erler?
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich kann diese Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion nur bedauern.
({0})
Sie entspricht in keiner Weise den Gepflogenheiten des parlamentarischen Lebens und Systems.
({1})
Wir sind den Wünschen der Opposition, im Ausschuß eine ausführliche Beratung durchzuführen,
bis an die Grenze des nur Möglichen nachgekommen.
({2})
Wir haben auch über den weiteren Verlauf der Beratung hier im Plenum, im Ältestenrat sowie auch interfraktionell eingehende Beratungen gepflogen.
({3})
Sprechen Sie weiter, Herr Abgeordneter!
Wir haben sogar, wie eben von der Opposition festgestellt worden ist, in einer für uns alle sehr wichtigen Frage den Argumenten der Opposition nachgegeben und zugesagt, die Frage prüfen zu wollen.
({0})
Wenn wir aber Wert darauf legen, das Gesetz regulär nach den Regeln des parlamentarischen Systems jetzt durchzubringen, bitte, dann ist das unser Recht und unsere Pflicht. Ich glaube auch, daß das Ergebnis der Wahl des Jahres 1953 uns - der Mehrheit dieses Hauses - das Recht gibt, nach unseren Überlegungen zu verfahren.
({1})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Reichstein.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich auf einen Zwischenruf des Herrn Kollegen Arndgen entgegnen: daß wir nicht „das Anhängsel" sind, wissen Sie ganz genau; denn wir haben uns zum Prinzip der Wehrpflicht bereits ausgesprochen!
Namens meiner Fraktion habe ich folgendes zu erklären: Das Verhalten der Koalitionsparteien entspricht nicht der Auffassung, die wir von der Durchführung einer zweiten Lesung in der parlamentarischen Demokratie haben. Wir werden uns an den Beratungen der zweiten Lesung deshalb ebenfalls nicht mehr beteiligen.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Schneider ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure die Erklärung, die die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hier abgegeben hat, und stelle fest, daß sich die Beratungen, die hier heute stattgefunden haben, im üblichen Rahmen gehalten haben. Ich stelle weiter fest, daß der Kollege Erler hier den Eindruck zu erwecken versucht hat, als seien die Beratungen nicht dazu angetan, das Thema, das hier zu behan({0})
dein ist, sachlich zu Ende zu bringen. Es steht nirgendwo geschrieben, daß wir den Wünschen der Minderheit bei der Beratung in der zweiten Lesung folgen müssen.
({1})
Es ist eine schlecht verstandene Demokratie, wenn die Minderheit dieses Hauses glaubt, die Mehrheit terrorisieren zu können.
({2})
Die Fraktion der Deutschen Partei bedauert außerordentlich, daß die sozialdemokratische Fraktion in einer für unser Volk so ernsten Stunde diesen Anlaß zu einem Propagandaschlager zu benutzen versucht.
({3})
Herr Abgeordneter Schneider, ich habe heute schon einmal in diesem Hause das Wort „Terror" gerügt. Ich rüge es auch jetzt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident, ich bin nicht in der Lage, namens meiner Fraktion hier eine Erklärung abzugeben, da die Fraktion diese neue Situation noch nicht in einer Fraktionssitzung zu erörtern die Möglichkeit hatte. Ich möchte aber hiermit feststellen, daß Abreden innerhalb der Regierungskoalition bekanntgeworden sind - und die beiden letzten Abstimmungen sowie die Argumentationen und die Ankündigungen für die dritte Lesung, die gemacht wurden, scheinen es zu bestätigen -, aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen, um die Fristen zu wahren, sämtliche Änderungsanträge der zweiten Lesung abzulehnen. Dieses Verfahren hat allerdings auch bei uns eine ganze Anzahl Kollegen bestimmt, in dieser Situation auf weitere Argumentationen in der zweiten Lesung zu verzichten, well dies somit sinnlos geworden ist.
({0})
Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete von Manteuffel!
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Volkspartei bedaure auch ich den Auszug der sozialdemokratischen Fraktion und der Damen und Herren vom Gesamtdeutschen Block/BHE. Wir sehen zu dem Auszug keine Veranlassung. Wir werden uns an den weiteren Beratungen beteiligen.
Im übrigen möchte ich Herrn Dr. Mende und seiner Fraktion sagen: mir persönlich ist von einer solchen Verabredung der Fraktionen nichts bekannt.
({2})
Ich stelle fest, daß ein Antrag auf Vertagung der Sitzung nicht gestellt worden ist. Wir fahren in den Beratungen fort.
Ich rufe § 13 auf. Wird dazu 'das Wort gewünscht? -- Zu § 13 wird das Wort nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den § 13. Wer § 13 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 13 ist angenommen.
Ich rufe § 14 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer § 14 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 14 ist angenommen.
Ich rufe § 15 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 15 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 15 ist angenommen.
Ich rufe § 16 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 16 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 16 ist angenommen.
({0})
- Entschuldigen Sie, meine Herren! Ich frage, wer sich bei § 16 enthält. - Zwei Enthaltungen.
Ich rufe auf den § 17. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 726 Ziffer 2*) vor.
Ich frage, ob dieser Änderungsantrag begründet wird. - Die Antragsteller sind zu meinem Leidwesen nicht im Saal.
Ich eröffne die Beratung zu ,diesem Änderungsantrag. - Bitte sehr, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 17 handelt es sich darum, daß der Wehrpflichtige über das Ergebnis der Musterungsuntersuchung unterrichtet wird. Die Fraktion des GB/BHE beantragt, daß dem Wehrpflichtigen ein schriftlicher Bescheid auszuhändigen ist. Ich bin der Meinung, daß es sich hierbei um eine einfache Verfahrensregelung handelt und man dem Anliegen dadurch entgegenkommen kann, daß man auf den § 22 verweist, der die Verfahrensvorschriften zum Gegenstand hat.
Ich schlage deshalb vor, den Änderungsantrag abzulehnen.
Wird zu diesem Änderungsantrag weiter das Wort gewünscht? - Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 726 Ziffer 2. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Der Änderungsantrag ist bei einer Enthaltung abgelehnt.
Wir kommen zu der Abstimmug über den § 17 in der Fassung des Ausschusses. Wer dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 17 ist angenommen.
Ich rufe auf § 18. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 7**) vor.
Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal.
Wird zu dem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Berendsen!
*) Siehe Anlage 7.
**) Siehe Anlage 5.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben über diesen Änderungsantrag im Ausschuß sehr eingehend gesprochen und glauben, daß zunächst versucht werden sollte, die Musterungsausschüsse so zusammenzusetzen, wie sie die Regierungsvorlage vorsieht. Wir haben uns im Ausschuß darüber unterhalten, daß es vielleicht zweckmäßig sein wird, später einmal eine Änderung vorzunehmen.
Zunächst darf ich vorschlagen, die Fassung, so wie sie hier vorgesehen ist, zu belassen. Ich bitte, den Änderungsantrag abzulehnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 7. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 18 in der Ausschußfassung. Wer diesem Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 18 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 19. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird zu § 19 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 19 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? § 19 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 20. Wird zu § 20 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 20 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 20 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 21. Wird zum § 21 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 21 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 21 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 22. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem § 22 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 22 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 23. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 723*) Ziffer 8 vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrags das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saale. Wird das Wort zu dem Änderungsantrag gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Dr. Moerchel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Änderungsantrag hat zum Inhalt, daß bei Einberufungen in jedem Falle Untersuchungen stattzufinden haben. Ich bin der Auffassung, daß Untersuchungen nur dann stattfinden sollten, wenn mehr als zwei Jahre seit dem Ausscheiden verstrichen sind. Wenn wir dem Änderungsantrag stattgeben, dann besteht die Gefahr, daß kurzfristige Wehrübungen nicht stattfinden, daß insbesondere Alarmübungen und ähnliches nicht durchgeführt werden können. Den Bedürfnissen einer ärztlichen Untersuchung wird aber
*) Siehe Anlage 5. durch die üblichen Einstellungsuntersuchungen bei der Truppe selbst entsprochen.
Ich empfehle deshalb, diesen Änderungsantrag abzulehnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 8. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 8 ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 23 in der Ausschußfassung. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 23 ist in der Ausschußfassung angenommen.
§ 24. Hier liegt ein Änderungsantrag vor. Wird zur Begründung dieses Änderungsantrages das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird zu diesem Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 9 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 9. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zum § 24 in der Ausschußfassung. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 24 ist angenommen.
Ich rufe auf den § 25. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 10 vor. Wird das Wort zur Begründung dieses Änderungsantrages gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. - Wird das Wort zu diesem Änderungsantrag gewünscht? - Herr Abgeordneter von Manteuffel.
von Manteuffel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Bitte an den Herrn Berichterstatter, den Abgeordneten Dr. Kliesing, den Damen und Herren, soweit sie noch im Saal sind, klarzumachen, daß dieser § 25 in der Ausschußfassung - ich glaube, unverändert; das wissen Sie vielleicht besser, weil Sie den Ausschußverhandlungen aufmerksamer gefolgt sind - auf einen Antrag des Abgeordneten der SPD Herrn Bauer aus Würzburg zurückgeht. Die Ausschußfassung, wie sie jetzt hier steht, ist schon ein SPD-Antrag, und jetzt wird ein Änderungsantrag eingebracht. Wir sind also hier bei § 25 der Vorlage der Minderheit gefolgt. Herr Abgeordneter Dr. Kliesing, darf ich Sie fragen, das ist doch wörtlich der Antrag des Abgeordneten Bauer?
Herr Abgeordneter Dr. Kliesing!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Formulierung liegt ein Antrag des SPD-Kollegen Bauer zugrunde. Wir haben diese Frage im Ausschuß sehr gründlich beraten und haben in keiner Weise überstürzt gehandelt. Diese Formulierung war bereits zwei Tage vor der Beschlußfassung bekannt, so daß niemand behaupten kann, er sei irgendwie „überfahren" worden. Bei der Abstimmung haben alle Fraktio({0})
nen des Hohen Hauses im Ausschuß der Fassung dieses Paragraphen ihre Zustimmung gegeben. Ich bedauere deshalb sehr, daß trotz dieser sehr sorgfältigen Vorbereitung der Formulierung und trotz des einstimmigen Abstimmungsergebnisses die Dinge heute wieder neu in einer Art und Weise an uns herangebracht werden, die immerhin in etwa den Eindruck vermittelt, als ob wir uns umsonst weithin auf allen Seiten im Ausschuß ehrlich um diese Probleme bemüht hätten.
({1})
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Bausch!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die Ausführungen, die heute früh von Vertretern der Opposition über die Anregungen gemacht worden sind, die von führenden Männern der Evangelischen Kirche Deutschlands gegeben wurden, möchte ich noch ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Formulierung, die bei der Ausschußberatung über die wohl am meisten umstrittene Frage des Gesetzes, die Frage der Kriegsdienstverweigerung, gefunden worden ist, in weitgehendem Maße auf Vorschläge zurückgeht, die von dem Vertreter der Evangelischen Kirche, der hierzu als Sachverständiger gehört worden ist, dem Militärbischof Kunst, vorgetragen worden sind. Diese Feststellung scheint mir von besonderer Bedeutung zu sein.
({0})
Weitere Wortmeldungen zu diesem Änderungsantrag liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 10. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem § 25 in der Fassung des Ausschusses. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 25 ist angenommen.
Ich rufe den § 26 auf. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 11 vor. Zur Begründung dieses Änderungsantrages? - Die Antragsteller sind nicht im Saale. Ich eröffne die Beratung über diesen Änderungsantrag. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort zu diesem Änderungsantrag wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 11. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem § 26 in der Ausschußfassung. Wer diesem Paragraphen in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 26 ist angenommen.
Dann kommen wir zu dem § 26 a.
({0})
§ 26 a soll eingeschoben werden. Das ist der Änderungsantrag auf Umdruck 723 Ziffer 12. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Ich eröffne die Aussprache zu diesem Änderungsantrag. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 12 auf Einfügung eines § 26 a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 12 ist abgelehnt.
Damit kommen wir zu dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 13 auf Einfügung eines § 26 b. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird das Wort zu dem Änderungsantrag betreffend § 26 b gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 13 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 14 auf Einfügung eines § 26 c auf. Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Wird das Wort zu dem Änderungsantrag im ganzen gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 14 ist abgelehnt.
Nun komme ich zu § 27. Hier liegen zwei Anträge, ein Änderungsantrag und ein Eventualantrag, vor. Wird zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck 723 Ziffer 15 bzw. des Eventualantrags Umdruck 723 Ziffer 16 das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag 723 Ziffer 15. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 15 ist abgelehnt.
Nunmehr wird der Eventualantrag Umdruck 723 Ziffer 16 zur Abstimmung gestellt. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Eventualantrag Umdruck 723 Ziffer 16 ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 27 in der Fassung des Ausschusses. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 27 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 27 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 28 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 28 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der § 28 ist angenommen.
Ich rufe § 29 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 17 vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragstel({1})
ler sind nicht im Saal. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Moerchel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag wird bezweckt, eine neue Kommission zu bilden, die das Verfahren nur unnötig kompliziert. Dem, was hier den Antragstellern vorschwebt, wird die Ausschußfassung durchaus gerecht. Ich bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 17. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 29 in der Fassung des Ausschusses. Wer diesem Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 29 ist angenommen.
Ich rufe § 30 auf. Wird dazu das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 30 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - § 30 ist angenommen.
Ich rufe § 31 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 723 unter Ziffer 18 vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 18 ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 31 in der Vorlage. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 31 ist angenommen.
§ 32. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem § 32 nach der Vorlage zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 32 ist angenommen.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 19 auf Einfügung eines § 32 a. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird zum Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 19. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 19 ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 33, und zwar zunächst den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 20. Zur Begründung? - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird zu dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 20 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 20 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 21. - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 21 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag Umdruck 723 Ziffer 21 ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 22. - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Damit komme ich zu dem § 33 in der Fassung des Ausschusses. Wird dazu noch das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer dem § 33 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 33 ist angenommen.
Ich rufe auf § 34. - Hierzu liegt wieder ein Änderungsantrag vor. - Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 34 in der Ausschußfassung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem § 34 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 34 ist angenommen.
§ 35. Hierzu liegt ein Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 24 vor. Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 35 in der unveränderten Fassung der Vorlage. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 35 ist angenommen.
Ich rufe auf § 36 und § 36 a. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den §§ 36 und 36 a zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -§ 36 und § 36 a sind angenommen.
Ich rufe auf den § 36 b. Hierzu liegt ein Änderungsantrag - Umdruck 723 Ziffer 25 - vor. Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 25 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
({0})
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 36 b in der Fassung des Ausschusses. Wer dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 36 b ist in der Ausschußfassung angenommen.
Wir kommen zu § 37 in der Fassung des Ausschusses. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 37 in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 37 ist angenommen.
Ich komme zu § 37 a. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 37 a in der Ausschußfassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 37 a ist angenommen.
({1})
Ich rufe auf § 37 b. Hierzu liegt ein Änderungsantrag vor auf Umdruck 723 unter Ziffer 26. Die Antragsteller sind nicht im Saal. Wird das Wort zu dem Änderungsantrag gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will - Umdruck 723 Ziffer 26 -, den bitte ich um ein Handzeichen. ({2})
- Meine Damen und Herren, ich muß doch schon bitten, daß Sie einigermaßen noch Ihre Aufmerksamkeit der Abstimmung zuwenden.
Wer dem Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 26 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der ) Änderungsantrag Umdruck 723 Ziffer 26 ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den § 37 b in der Ausschußfassung. Wer dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 37 b ist in der Ausschußfassung angenommen.
Weitere Änderungsanträge, meine Damen und Herren, liegen nicht vor. Ich nehme Ihr Einverständnis damit an, daß ich aufrufe die §§ 38, -39, - 40, - 41, - 42, - 43, - 44, - 44 a, - 44 b, - 45, - Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Paragraphen in zweiter Lesung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Ich mache Ihnen den Vorschlag, damit für heute die Verhandlungen abzubrechen. Ich verspreche mir nichts davon, bei dieser Besetzung des Hauses in der Tagesordnung fortzufahren. Das Haus ist unzweifelhaft beschlußfähig; aber ich möchte doch an Sie appellieren, bei dieser Besetzung des Hauses nicht weiter in der Tagesordnung fortzufahren. - Sie widersprechen? - Herr Abgeordneter Dr. Krone.
({3})
- Sie wollen weiter fortfahren.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu Punkt 3 unserer Tagesordnung - in der gedruckten Tagesordnung ist das Punkt 2 -, und zwar zunächst
2. a) Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes ({4});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}).
Berichterstatter: Abgeordneter Seuffert ({7})
Ich frage, ob das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht wird. - Das Wort zur Berichterstattung wird nicht gewünscht.
Ich eröffne die Beratung in zweiter Lesung und rufe Art. 1 auf. Wird dazu das Wort gewünscht?
- Das Wort zu Art. 1 wird nicht gewünscht.
Wer dem Art. 1 des Gesetzentwurfs Drucksache 2086 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, ich muß die Abstimmung wiederholen. Wer dem Art. 1 des Gesetzentwurfs Drucksache 2086 zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Art. 1 ist abgelehnt.
({8})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte namens meiner Freunde um eine halbstündige Unterbrechung.
Ich bitte, daß die Verwaltung des Bundestages inzwischen die Drucksache und vor allem die dazu gestellten Änderungsanträge verteilt - sie konnten bisher nicht verteilt werden, weil natürlich auch die Verwaltung nicht wußte, daß wir zu diesem Zeitpunkt zu diesem Punkt der Tagesordnung kommen würden -, es sei denn, daß das Plenum doch selbst einsieht, daß es besser ist, mit der Beratung der Steuersenkungsgesetze erst morgen früh zu beginnen.
Sie haben den Antrag auf eine halbstündige Unterbrechung der Sitzung gehört. Wird dazu das Wort gewünscht?
- Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer diesem Antrag auf Unterbrechung für eine halbe Stunde zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; dem Antrag ist stattgegeben. Ich unterbreche bis 21 Uhr.
({0})
Die Sitzung wird um 21 Uhr 5 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Sie beschlossen haben, die heutige Sitzung fortzusetzen, beantrage ich, den
({0})
Punkt 2 der heutigen Tagesordnung abzusetzen, mit dem Punkt 2 morgen früh zu beginnen und heute ab Punkt 3 die übrige Tagesordnung abzuwickeln.
Meine Damen und Herren, ich begründe den Antrag. Die Steuerdebatte ist von großer Wichtigkeit und Bedeutung. Seit vielen Monaten wartet die Bevölkerung, wartet die gesamte Wirtschaft, warten alle Steuerzahler auf die Behandlung der Steuervorlagen im Deutschen Bundestag. Bei dieser Besetzung des Hauses und nach einem so arbeitsreichen Tag kann man eine so wichtige Beratung nicht mehr ordentlich durchführen. Die Drucksachen sind zum Teil eben erst, in der Pause verteilt worden. Es ist eine gründliche Berichterstattung zu den gesamten Vorlagen erforderlich, sie ist um so notwendiger, als die Beratungen im Ausschuß nicht so geführt worden sind, wie wir sie sonst zu führen pflegen. Wir werden also unbedingt eine Reihe von Stunden für diese Steuerdebatte benötigen. Wenn Sie heute abend die übrigen Punkte, die zum großen Teil Routinepunkte sind, erledigen, können wir morgen früh um 9 mit frischen Kräften mit der Steuerdebatte anfangen.
Herr Präsident, ich habe in der vorigen Woche in einer Nachtsitzung an den Herrn Präsidenten appelliert, doch mit diesem Verfahren der Nachtsitzungen Schluß zu machen. Ich muß Ihnen gestehen, ich bin einfach am Ende der Kraft. Lassen Sie uns doch heute abend nicht fortführen. Ich bitte Sie herzlich, meinem Antrage stattzugeben.
({1})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Herr Abgeordneter Neuburger!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade unter dem Gesichtspunkt, den Sie, Herr Kollege Gülich, vorgetragen haben, daß man jetzt endlich erwartet, daß wir hier im Parlament die lange Steuerdebatte durch Beschlüsse beendigen, wollen wir nunmehr sofort in die Beratung und die Beschlußfassung eintreten.
({0})
Der Steuerzahler erwartet, daß wir nicht lange über die Steuern debattieren, sondern daß wir zu Beschlüssen kommen.
({1})
Aus diesem Grunde wollen wir hier sofort mit un- serer Arbeit beginnen.
({2})
Meine Damen und Herren, der Antrag zur Geschäftsordnung ist gestellt. Ein Redner hat dafür, einer dagegen gesprochen, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt.
Wir kommen zur Abstimmung. Herr Abgeordneter Gülich hat beantragt - wenn ich ihn richtig verstanden habe -, den Punkt 2 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen, ihn morgen als ersten Punkt aufzurufen und heute mit den Punkten 3 usw. 'weiterzufahren. Das ist doch der Inhalt Ihres Antrags. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Präsidium ist sich nicht einig; wir zählen aus.
Ich bitte, den Saal zu verlassen.
({0})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
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Ich bitte, die Türen zu schließen; die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Es haben gestimmt mit Ja 13, mit Nein 164, enthalten haben sich 9. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Gleichzeitig ergibt sich von Amts wegen, daß nur 186 Abgeordnete abgestimmt haben, also noch anwesend sind. Die Mehrheit des Plenums erfordert aber 244 Abgeordnete, so daß das Haus nicht mehr beschlußfähig ist.
Gemäß § 51 der Geschäftsordnung hebe ich die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung auf morgen früh 9 Uhr mit der Maßgabe, daß wir in der Tagesordnung von heute fortfahren. Ich bitte das Haus, die Drucksachen mitzubringen, da sie nicht noch einmal verteilt werden können.
Die Sitzung ist geschlossen.