Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung kann ich die freudige Mitteilung machen, daß wieder Mitglieder des britischen Unterhauses an unserer Sitzung teilnehmen. Ich darf die Herren recht herzlich hier im Deutschen Bundestag begrüßen.
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die Beratung des Antrags aller Fraktionen betreffend Ferienaktion für Berliner Kinder, Drucksache 2506 ({1}). Das Haus ist damit einverstanden. Dieser Punkt kommt nach Punkt 1 der Tagesordnung.
Ich rufe auf den ersten Punkt der Tagesordnung:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt die Gelegenheit, dem Bundestag einen umfassenden Bericht über die außenpolitische Lage zu geben und die Stellungnahme des Parlaments kennenzulernen. Ich möchte diesen Bericht als eine Art Zwischenbilanz bezeichnen, die von Zeit zu Zeit gezogen werden sollte. Ergibt eine sachliche und unvoreingenommene Prüfung, daß die bisherige Politik nicht erfolgreich war, so ist der Wunsch nach einer Änderung berechtigt. Ich muß wohl kaum hinzufügen, daß ein solches Urteil nur zu finden ist unter Berücksichtigung der gegebenen Tatsachen, auch soweit wir auf diese keinen unmittelbaren Einfluß haben, und der vorhandenen Möglichkeiten. Gibt die Prüfung keinen berechtigten Anlaß zu solcher Feststellung, dann wäre ein Abgehen von der bisherigen politischen Linie sicherlich nicht zu verantworten.
Man gewinnt zuweilen den Eindruck, als machten es sich einzelne Kritiker doch zu leicht. Sie behaupten einerseits, die bisherige Politik der Bundesregierung sei falsch gewesen oder sie sei gescheitert, aber im gleichen Atemzug sagen sie, es seien heute echte Chancen vorhanden, die sich aus Veränderungen der weltpolitischen Lage der letzten Monate ergeben hätten; die Bundesregierung verstehe es nur nicht, diese wahrzunehmen. Hierin liegt ein offener
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Widerspruch. Nehmen wir auf einen Augenblick an, die Wandlungen der sowjetischen Politik böten ernsthafte Chancen für eine Entspannung oder Verständigung jetzt oder später. Dann kann man doch nicht sagen, daß diese Chancen unabhängig von den Bedingungen eingetreten sind, die durch die Politik der freien Welt gesetzt wurden. Man muß dann vielmehr anerkennen, daß die Sowjetunion sich zu ihrer neuen Taktik durch die politische Gesamtentwicklung veranlaßt gesehen hat, von der die Politik des Westens zumindest ein entscheidender Teil ist. Wenn aber die klare und feste Haltung der freien Welt, für die auch wir zu unserem Teile mit verantwortlich sind, zu einer Minderung der akuten Kriegsgefahr und zu gewissen ersten Anzeichen der Bereitschaft zu Gesprächen geführt hat, dann kann sie gar so falsch doch gar nicht gewesen sein. Wer sie dennoch als falsch bezeichnet, macht es sich wirklich zu leicht mit der Kritik.
Ein Überblick über die heutige Lage zeigt in der Tat Fortschritte und beweist, daß die klare und zielbewußte Außenpolitik der Bundesregierung seit 1949 richtig war. Ich darf diesen Überblick mit einigen Worten über die Stellung der Bundesrepublik in der freien Welt beginnen, dann übergehen zu dem Problem der neuen sowjetischen Taktik und schließlich zur Frage der deutschen Wiedervereinigung.
Auch im letzten halben Jahre hat sich die Bundesregierung die Pflege und Vertiefung der Beziehungen zu allen Staaten angelegen sein lassen. Die Entwicklung war - wenn man von vereinzelten Ausnahmen absieht - erfreulich nicht nur in unserem Verhältnis zu unseren NATO-Partnern, sondern auch für unsere Beziehungen zu den Ländern außerhalb der nordatlantischen Gemeinschaft. insbesondere auch des lateinamerikanischen, des afrikanischen und des asiatischen Raumes.
Tch selbst habe kürzlich die Niederlande, Großbritannien. Dänemark und Norwegen und in Begleitung des Herrn Bundespräsidenten Griechenland besucht.
Die Reise nach London, die ich Ende April in Begleitung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts durchführte, gab Gelegenheit zu sehr eingehenden Besprechungen mit dem Premierminister, dem Außenminister, dem Schatzkanzler und anderen Mitgliedern des britischen Kabinetts. Diese Besprechungen haben nicht nur eine sehr weitgehende Übereinstimmung in der Beurteilung aller politischen Fragen von gemeinsamem Interesse ergeben, sondern auch deutlicher als jemals zuvor beiden Seiten zum Bewußtsein gebracht daß eine enge und freundschaftliche deutsch-englische Zusammenarbeit auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet möglich und im beiderseitigen Interesse erwünscht ist.
Ohne auf die Einzelheiten dieser Besprechungen einzugehen, über die ich im Auswärtigen Ausschuß seinerzeit berichtet habe, begnüge ich mich, aus dem gemeinsamen Kommuniqué kurz folgendes zu zitieren:
Die beiden Regierungen stimmten darin überein, daß sie keine Schwächung bestehender Organisationen in Erwägung ziehen könnten, die den Frieden so wirksam gesichert haben und die niemand bedrohen.
Es bestand ferner Einvernehmen über die Notwendigkeit, die europäische Solidarität aufrechtzuerhalten und zu stärken.
Die Fragen der europäischen Sicherheit und der deutschen Wiedervereinigung wurden geprüft. Die beiden Regierungen sind wie bisher davon überzeugt, daß keine echte Sicherheit in Europa bestehen kann, solange die Spaltung Deutschlands andauert. Der britische Außenminister bestätigte erneut den Standpunkt der britischen Regierung, daß die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit eines ihrer Hauptziele bleibt.
Die beiden Minister brachten ihren aufrichtigen Wunsch nach einem umfassenden Abrüstungsabkommen zum Ausdruck. Sie erkannten jedoch an, daß die praktische Verwirklichung der Abrüstung weitgehend von der Lösung der politischen Probleme in Deutschland und anderwärts abhängen wird.
So weit dieses Kommuniqué von London.
Die Reisen nach den Niederlanden, nach Dänemark und Norwegen waren die ersten offiziellen Besuche eines deutschen Außenministers nach dem Kriege. Sie galten Ländern, mit denen wir durch gemeinsame Zugehörigkeit zum Nordatlantikpakt verbündet sind, obwohl sie während des letzten Krieges unter der deutschen Besetzung schwer gelitten haben. Ich kann mit dankbarer Genugtuung feststellen, daß mir in allen drei Ländern ein herzlicher Empfang bereitet worden ist und daß ich überall die gleiche Bereitschaft gefunden habe, den Blick nicht mehr in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft zu richten und unser beiderseitiges Verhältnis im Geiste der atlantischen Gemeinschaft, der wir uns eingegliedert haben, neu zu gestalten.
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In diesem Sinne soll auch an die Lösung der noch offenen Einzelfragen, die besonders im Verhältnis zu den Niederlanden recht bedeutend sind, herangegangen werden. Aus dem gemeinsamen Kommuniqué, das zum Abschluß meines Aufenthalts im Haag veröffentlicht wurde, darf ich folgenden Satz zitieren:
Die Minister erörterten die in der Welt bestehenden Spannungen und stimmten darin überein, daß beide Länder ihrer Wohlfahrt am besten dienen, indem sie die weitere Entwicklung der Einigung Europas und der atlantischen Gemeinschaft nach Kräften fördern.
Auch die Besprechungen, die ich in Kopenhagen und in Oslo führen konnte, führten zu einer völligen Übereinstimmung in der Beurteilung der politischen Lage und der sich daraus ergebenden Notwendigkeiten, insbesondere einer Vertiefung der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der bestehenden gemeinsamen Organisationen.
Die traditionelle deutsch-griechische Freundschaft ist durch den Besuch des Herrn Bundespräsidenten bestätigt und weiter gefestigt worden. Die Bundesregierung hat bei diesem Anlaß auch ihre Neutralität in der Zypern-Frage erneut zum Ausdruck gebracht. Sie hat den lebhaften Wunsch, daß diese Streitfrage, die die Beziehungen zwischen drei Staaten. welche unsere Freunde und Verbündeten sind, gefährdet, bald eine allseits befriedigende Lösung finden möge.
In Erkenntnis der Notwendigkeit, die Beziehungen zu den Ländern Asiens und Afrikas noch enger zu gestalten, hat die Bundesregierung in den letzten Monaten ihr Interesse in vermehrtem Maße diesen Ländern zugewandt und sich darum bemüht, die
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) Zusammenarbeit mit ihnen auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet zu erweitern. Besonders befruchtend für die Arbeit des Auswärtigen Amts war die Nahost-Botschafterkonferenz, die Anfang April unter dem Vorsitz von Staatssekretär Hallstein in Istanbul stattgefunden hat. Sie gab einen umfassenden Überblick über die problemreiche Situation dieses Raumes, dem sich die sowjetische Koexistenzoffensive mit besonderer Intensität widmet, und trug zur Klärung der Möglichkeiten und Ziele unserer künftigen Nahost-Politik wesentlich bei. Im übrigen haben Besuche aus dem asiatischen und afrikanischen Raum und Gegenbesuche von Regierungsmitgliedern und anderen maßgeblichen Persönlichkeiten stattgefunden. Ich darf daran erinnern, daß Vizekanzler Blücher im Januar auf Einladung der indischen Regierung eine sehr erfolgreiche Reise nach Indien unternahm. Der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Herr Dr. Arnold, hat die Bundesrepublik bei den Feierlichkeiten anläßlich der Ausrufung der islamischen Republik Pakistan in Karatschi am 23. März als Sonderbotschafter vertreten.
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Im Januar dieses Jahres nahm Reichsminister a. D. Schlange-Schöningen mit einer Delegation als Vertreter der Bundesrepublik an den Feierlichkeiten aus Anlaß der Amtseinführung des Präsidenten von Liberia teil. - Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob diese Feststellungen Anlaß zum Lachen geben.
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- Ich glaube, wir werden gut daran tun, Anlässe, wie ich sie genannt habe, die für andere, uns befreundete Völker von erheblicher Bedeutung sind, so ernst zu nehmen, wie wir das dem Ansehen dieser Länder schulden.
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- Ich bin gern bereit, darüber außerhalb dieser Rede zu sprechen. Ich glaube, daß wir uns darüber dann auch verständigen werden.
Wie Sie wissen, war vor wenigen Tagen der indonesische Staatspräsident Sukarno zu Besuch in der Bundesrepublik. Wir hatten Gelegenheit, ihm die Bundesrepublik zu zeigen, unsere politischen Ansichten darzulegen und auch die Leistungen unserer Wirtschaft vorzuführen. Inzwischen sind wenige Stunden vergangen, seitdem der Staatspräsident der Republik von Indonesien und der Außenminister dieser Regierung die Bundesrepublik verlassen haben. Ich möchte namens der Bundesregierung meine tiefe Befriedigung Ober das große Verständnis ausdrücken, das diese Staatsmänner gerade auch dem deutschen Problem entgegengebracht haben.
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Erlauben Sie mir auch hier ein kurzes Zitat aus dem Schlußkommuniqué, das vorgestern abend veröffentlicht wurde:
In herzlicher und freundschaftlicher Atmosphäre fanden Besprechungen statt, die erneut bestätigten, daß das politische Ziel beider Länder die Erhaltung des Weltfriedens und die Verminderung der zur Zeit bestehenden Spannungen ist.
Ebenso bestand Einverständnis über die Rede des indonesischen Staatspräsidenten vor den Studenten der Universität Heidelberg am 22. Juni, worin unter anderem betont wird, daß künstlich geteilte Staaten eine der wesentlichsten Ursachen dieser Spannungen sind, die Wiedervereinigung Deutschlands einen entscheidenden Beitrag zu ihrer Beseitigung darstellen würde und daß die Zusammenführung der beiden getrennten Teile Deutschlands ein moralisches und ein Problem der Humanität sei, dessen Lösung nicht von der Entwicklung der zwischen den beiden großen Machtblöcken herrschenden Spannungen abhängig gemacht werden dürfe.
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Eine der großen Nationen Asiens, ein Mitglied der sogenannten non-committed world, hat durch diese Erklärung die deutsche These nachhaltig unterstrichen, daß die Teilung Deutschlands gegen die Lebensrechte eines freien Volkes verstößt, und darüber hinaus, daß der auf der Teilung Deutschlands beruhende Spannungszustand eine Gefahr für den Weltfrieden bedeutet, daß also alle, die den Weltfrieden sichern wollen, das Recht und vielleicht sogar die Pflicht haben, an der Beseitigung dieses Zustandes mitzuwirken, ein Beweis dafür, daß eine Stellungnahme zugunsten der deutschen Wiedervereinigung von allen unabhängigen Nationen erwartet werden kann, auch denen, die in dem großen Ost-West-Konflikt nicht Partei zu nehmen wünschen.
In etwa zwei Wochen werden wir den indischen Ministerpräsidenten Pandit Nehru hier begrüßen dürfen, und im Oktober werden uns der pakistanische Ministerpräsident Mohammed Ali und der Präsident von Liberia ihre Besuche abstatten. Ebenso erwartet die Bundesregierung den Besuch des Regierungschefs Australiens im Anschluß an die Commonwealth-Konferenz.
Am 14. Juni 1956 hat die Bundesregierung in vollem Einverständnis mit der französischen Regierung Marokko und Tunesien als unabhängige Staaten anerkannt. Auch die spanische Regierung wurde von der Anerkennung Marokkos unterrichtet. Wir hoffen in allernächster Zeit diplomatische Beziehungen zu beiden Ländern aufnehmen zu können.
Die traditionellen guten Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten konnten weiter ausgebaut werden und insbesondere auf dem uns interessierenden handelspolitischen Gebiet im Sinne einer größeren Freizügigkeit erweitert werden. Ich darf daran erinnern, daß auch zahlreiche lateinamerikanische Staatsmänner, darunter der neugewählte Präsident von Brasilien, Herr Dr. Kubitschek, die Bundesrepublik besucht haben.
Ich möchte zum Schluß über die Reise des Herrn Bundeskanzlers in die Vereinigten Staaten berichten, welche sehr deutlich zum Ausdruck brachte, wie befriedigend sich unsere Beziehungen zu diesem unserem mächtigsten Verbündeten weiterhin entwikkelt haben. Der Aufenthalt in den Vereinigten Staaten vom 9. bis 16. Juni ermöglichte dem Herrn Bundeskanzler einen eingehenden Meinungsaustausch mit führenden Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten und bei den Vereinten Nationen.
In sehr ausführlichen Besprechungen mit Außenminister Dulles und hohen Beamten des State Department konnte eine bis ins einzelne gehende Übereinstimmung der Beurteilung der hauptsäch9 Deutscher Bundestag - 155. Sitzuni. Bonn. Donnerstag. den 28. Juni 1956 8415
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lichen Weltprobleme festgestellt und eine erneute nachhaltige Unterstützung seitens der amerikanischen Regierung gerade in der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands erreicht werden.
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- Herr Kollege, wir haben, wie ich weiß, morgen eine außenpolitische Aussprache. Ich bin bereit, auch diese Frage zu beantworten.
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- Ach, ich bin nicht so anspruchsvoll, meine Damen und Herren.
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Ich glaube, wir können mit dem Ergebnis dieser Besprechungen wie auch der ganzen Amerika-Reise des Herrn Bundeskanzlers sehr zufrieden sein. Von manchen Seiten ist behauptet worden, daß die Reise enttäuschend und unfruchtbar gewesen sei, da sie lediglich dazu gedient habe, die alten Positionen der Bundesregierung und der amerikanischen Regierung in der deutschen Frage zu bekräftigen. Gerade wer das sagt, gibt aber, wie ich meine, zu, daß die Reise erfolgreich war. Ich darf Ihnen den Passus aus dem gemeinsamen Schlußkommuniqué vorlesen.
Staatssekretär Dulles und Bundeskanzler Adenauer unterstrichen die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung als ein Hauptziel der westlichen Politik und betonten ihre Überzeugung, daß die Haltung des Westens gegenüber der Sowjetunion durch das Bestreben, die deutsche Wiedervereinigung in Freiheit zu fördern, bestimmt sein müsse.
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Ferner wird in dem Kommuniqué mit Nachdruck gefordert - eine Forderung, die wir immer wieder erheben -, daß die Sowjetunion sich zu der von ihr in Genf feierlich bekräftigten Verpflichtung zur Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands bekennen und - ich darf wörtlich zitieren - „die brutale und widernatürliche Teilung, die sie Deutschland auferlegt hat, beenden" müsse.
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Die Erfüllung dieser Verpflichtung wird von amerikanischer Seite weiterhin als Prüfstein für die Ehrlichkeit der sowjetischen Friedensbeteuerungen angesehen. Meine Damen und Herren, ich glaube, eine stärkere Erklärung kann man von einer befreundeten Regierung nicht verlangen.
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In der Erkenntnis, daß eine dauerhafte Aussöhnung und Partnerschaft mit Frankreich das Fundament einer jeden europäischen Zusammenarbeit ist, hat sich die Bundesregierung seit Jahren um die Lösung der Saarfrage bemüht. Niemand weiß dies besser als die Mitglieder des Bundestages, die sich oft genug mit dieser Frage befassen mußten. Auf dem Weg zur Lösung der Saarfrage haben uns die Besprechungen des Bundeskanzlers mit dem Ministerpräsidenten Mollet in Luxemburg vom 4. Juni einen entscheidenden Schritt vorangebracht. Nachdem in vorangegangenen Besprechungen der Staatssekretäre der beiden Außenministerien die Richtlinien für einen neuen deutsch-französischen Saarvertrag zu einem großen Teil festgelegt worden waren, hat die Besprechung der Regierungschefs namentlich die grundsätzliche Lösung der besonders schwierigen Warndt-Frage gebracht.
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Indem man einerseits der Saar die Errichtung eigener Schächte, andererseits aber auch Lothringen den Abbau während einer weiteren Frist ermöglicht und die sich aus den Konzessionen an Frankreich ergebenden Nachteile in einem angemessenen Verhältnis zwischen dem Saarland und dem Bund aufgeteilt hat, glaube ich sagen zu dürfen, daß hier eine wirklich gute Lösung gefunden worden ist. Auch einige weitere noch offene Fragen sind entschieden worden, und das Gesamtergebnis von Luxemburg hat auch die Zustimmung der Regierung des Saarlandes gefunden.
Wir sehen nunmehr ein neues Saarabkommen in seinen wesentlichen Elementen vor uns und dürfen die Erwartung ausdrücken, daß mit dem 1. Januar 1957 die Saar wieder zu uns zurückgekehrt sein wird.
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In Luxemburg hat ferner die Frage des Rheinseitenkanals die von uns gewünschte und vorgeschlagene Lösung gefunden, die verhindert, daß der Landwirtschaft auf der deutschen Seite des Rheintals schwere Schäden erwachsen und daß die gewerbliche Wirtschaft am deutschen Ufer von den Vorteilen der Lage am Rhein ausgeschlossen wird.
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Schließlich ist in Luxemburg eine grundsätzliche Einigung über den Bau des Moselkanals erfolgt, so daß beide Regierungen nunmehr an die luxemburgische Regierung mit der Einladung zu Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrages herangetreten sind. Die Bundesregierung ist sich klar darüber, daß sie auf diesem Gebiete ein erhebliches Opfer gebracht hat. Die Gründe, die ein solches Opfer notwendig erscheinen ließen, habe ich bereits in meiner Erklärung vor diesem Hause am 8. Mai auseinandergesetzt. Ich glaube, meine Damen und Herren, sowohl bei Ihnen als auch in der deutschen Öffentlichkeit Verständnis für die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage gefunden zu haben.
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Mit Hilfe der Opfer, die beide Seiten gebracht haben, wird es gelingen, die Saarfrage zu regeln, und da das Vertragswerk auch die übrigen noch offenen deutsch-französischen Probleme bereinigen wird, werden wir, so glaube ich, nach seinem Abschluß sagen können, daß es keine wesentlichen deutsch-französischen Meinungsverschiedenheiten bilateraler Art mehr gibt. Das ist eine Feststellung, meine Damen und Herren, die man in der langen Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen wahrscheinlich noch niemals mit dieser Klarheit hat treffen können.
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Darüber hinaus gab die Konferenz von Luxemburg aber auch eine willkommene Gelegenheit zu einem umfassenden Meinungsaustausch über alle anderen beide Staaten berührenden Fragen. Ich bitte mir zu erlauben, auch hier einige wenige Sätze aus dem gemeinsamen Kommuniqué vom 5. Juni zu zitieren:
Die Erörterungen ergaben,
- so heißt es in dem Kommuniqué ({20})
daß beide Regierungschefs in der Beurteilung der außenpolitischen Lage übereinstimmen. Sie haben bei dieser Gelegenheit erneut ihre Bindung an die atlantische Allianz bekräftigt und ihre Absicht bekundet, dieses Bündnis so auszubauen, daß es den gemeinsamen Interessen insbesondere in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht zum größten Vorteil gereicht.
Die beiden Regierungen sind sich völlig darin einig, daß alle Bemühungen um eine allgemeine, einer internationalen Kontrolle unterworfene Abrüstung gefördert werden müssen. Sie sind der Ansicht, daß die Durchführung eines Abrüstungsprogramms von der Lösung der den Weltfrieden bedrohenden politischen Probleme abhängig ist.
In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, daß das Problem der Wiedervereinigung Deutschlands an erster Stelle steht.
Soweit dieses Kommuniqué.
Ich glaube wohl für die Bundesregierung feststellen zu dürfen, daß alle Besprechungen, die sie in den letzten Monaten mit den Regierungen der verbündeten und befreundeten Nationen geführt hat, zu einer völligen Übereinstimmung in der Beurteilung der weltpolitischen Lage geführt haben.
In den Bereich der Beziehungen mit den uns durch gemeinsame Ziele und Verträge verbundenen Nationen gehört auch das in letzter Zeit so häufig diskutierte Problem der Stationierungskosten. Erlauben Sie mir dazu folgende Bemerkungen, mit denen ich der Diskussion vielleicht vorgreifen darf.
Es ist in der öffentlichen Diskussion besonders hervorgehoben worden, daß ein Rechtsanspruch auf einen solchen Kostenbeitrag nicht bestehe. Die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, daß ein Rechtsanspruch niemals behauptet worden ist. Die Bundesregierung hätte einen solchen Rechtsanspruch nicht anerkannt, ja, sie hätte sogar Verhandlungen auf der Grundlage eines auch nur behaupteten Rechtsanspruches ablehnen müssen. Es sind weiter Bedenken laut geworden, daß hier überholtes Besatzungsrecht in Anspruch genommen werde. In den Verhandlungen sind, wie ich nachdrücklich erkläre, niemals Vorstellungen oder gar Vorschriften besatzungsrechtlicher Art auch nur angesprochen worden.
Einige Regierungen, die in Erfüllung vertraglicher Vereinbarungen Truppenkontingenteauf deutschem Boden unterhalten, haben den Wunsch geäußert, die Bundesrepublik möge einen Beitrag zu den erhöhten Stationierungskosten leisten, die notwendig aus dem Aufenthalt und Unterhalt von Truppen auf fremdem Boden erwachsen. Die Bundesregierung glaubte sich diesem Wunsch nicht verschließen zu können. Diese Truppenkontingente stehen auf deutschem Boden, um die Freiheit des deutschen Staatsbürgers und die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten. Nach der Überzeugung der Bundesregierung entspringen einem derartigen Vertragsverhältnis wechselseitige Rechte und Pflichten, die von keinem Vertragspartner geleugnet werden sollten.
Auch der Hinweis in der öffentlichen Diskussion, daß von anderen Mitgliedstaaten der nordatlantischen Gemeinschaft ein solcher Kostenbeitrag nicht verlangt werde und daher die Forderung einen diskriminierenden Charakter trage, ist nach Überzeugung der Bundesregierung unzutreffend. Ein Vergleich ist nur zulässig, wenn es sich tatsächlich um vergleichbare Tatbestände handelt. Die Bundesrepublik ist im Begriff, ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Aber es kann ernsthaft ja wohl nicht bestritten werden, daß zunächst noch Schutz und Verteidigung ausschließlich den Kontingenten obliegen, die von anderen Staaten nach der Bundesrepublik gelegt sind. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß wir auf diese Sicherheit nicht verzichten können, und sie ist darum auch bereit, die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Auch die Sorge, daß in Zukunft gleiche Forderungen erhoben werden könnten, ist nach Überzeugung der Bundesregierung unbegründet. Die Bundesregierung hat keinen Zweifel daran gelassen, daß Vereinbarungen, wie sie jetzt abgeschlossen werden, keinen Berufungsfall für spätere Verhandlungen darstellen dürften. Allerdings hat die Bundesregierung bewußt davon abgesehen, einen ausdrücklichen Verzicht auf alle Forderungen und Ansprüche zu verlangen, die auf das Vertragsverhältnis gestützt werden können. Sie hätte einen solchen Verzicht naturgemäß überhaupt nur verlangen können, wenn sie selbst bereit gewesen wäre, ihn ebenso verbindlich für die Zukunft für sich auszusprechen. Die Bundesregierung glaubt, daß ein solcher wechselseitiger Verzicht, sich auf ein gemeinsames Bündnissystem zu berufen, die Grundlagen dieses Bündnisses zerstört hätte. Denn ein Vertrag muß, wenn er mehr sein will als ein papierenes Instrument, auf Treu und Glauben beruhen. Darüber hinaus aber hätte sich die Bundesregierung durch einen solchen gegenseitigen Verzicht selbst für alle Zukunft der Möglichkeit beraubt, über den geschriebenen Wortlaut des Vertrages hinaus um materielle oder finanzielle Hilfe zu bitten.
Die Vereinbarungen, die die Bundesregierung getroffen hat oder noch treffen wird, unterliegen im übrigen selbstverständlich der ordnungsgemäßen Prüfung und Entscheidung durch das Parlament. Ich stelle dabei ausdrücklich im Namen der Bundesregierung fest, daß für die Erfüllung solcher vertraglich vereinbarter Zahlungen die Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel nicht beantragt werden wird.
Im nächsten Jahr wird sich weder aus dem Finanzvertrag ein Anspruch auf Verhandlungen geltend machen lassen noch aus der materiellen Lage eine Grundlage für solche Verhandlungen ergeben. Der Aufbau der deutschen Kontingente wird zu diesem Zeitpunkt so weit fortgeschritten sein, daß die Bundesrepublik im Sinne des Art. 3 des Nordatlantikpakts selbst ihren angemessenen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung leisten wird. Die Bundesregierung hat übrigens auch bei den hinter uns liegenden Verhandlungen keinen Zweifel daran gelassen, daß sie die jetzt zugesagten Zahlungen als eine letzte Leistung dieser Art ansieht.
Erlauben Sie mir nun einige Ausführungen zum Stand der Verhandlungen über die europäische Integration und Zusammenarbeit. Nachdem infolge des Scheiterns der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die Bemühungen um eine europäische Integration einen Tiefpunkt erreicht hatten, entwikkelte sich in den sechs Staaten, die auf diesem Gebiete gemeinsame Vorstellungen und gemeinsame Ziele haben, immer stärker das Bedürfnis nach einem neuen Auftrieb. Dieses Bedürfnis konzentrierte sich schließlich auf den Plan, an die Seite der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der bisher einzigen Verwirklichung des Integrationsgedankens, weitere Gebiete einer vergleichbaren Integration zu stellen. Dieses Bestreben fand verbindlichen Ausdruck in den Beschlüssen der Konferenz
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von Messina, die konkreten Arbeiten auf den Gebieten des gemeinsamen Marktes, der Atomenergie, der sogenannten klassischen Energie und des Verkehrswesens in Angriff zu nehmen.
Zwei Phasen wurden vorgesehen. In einer ersten sollten Regierungssachverständige zusammentreten, die unter die Leitung einer im wahrsten Sinne des Wortes dynamischen europäischen Persönlichkeit, nämlich unter die Leitung des belgischen Außenministers Paul Henri Spaak, gestellt wurden und ein gemeinsames Sachverständigenurteil über die Problematik und die Lösungsmöglichkeiten erarbeiten sollten. In einer zweiten Phase sollten dann die Regierungen Verhandlungen über die erforderlichen Verträge führen.
Die erste dieser beiden Phasen ist vor wenigen Wochen abgeschlossen worden, und zwar durch den Brüsseler Sachverständigenbericht, dem niemand, der ihn kennt, das Lob versagen wird, daß er nicht nur eine große geistige Leistung, sondern auch einen eindrucksvollen Beweis europäischen Gemeinschaftsbewußtseins, das über die nationalen Sondervorstellungen hinausgeht, darstellt.
Vor einem Monat hat die Außenministerkonferenz in Venedig festgestellt, daß die sechs Regierungen bereit sind, die Vorschläge des Brüsseler Berichts als Grundlage für Verhandlungen anzunehmen. Diese Verhandlungen haben nunmehr in Brüssel begonnen.
Damit sind die Umrisse der gegenwärtigen zweiten Periode der europäischen Integration abgezeichnet. Es handelt sich, abgesehen von den Vorschlägen auf dem Gebiete der herkömmlichen Energie und des Verkehrs- und Postwesens, um die beiden großen Projekte eines europäischen gemeinsamen Markts und einer Europäischen Atomgemeinschaft.
Es ist nicht meine Absicht, hier ins einzelne zu gehen, und es genügt darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem gemeinsamen Markt darum handelt, eine Zollunion in vorher festgelegten Etappen zu errichten und innerhalb ihres Geltungsbereichs den Regeln des Wettbewerbs zu voller Geltung zu verhelfen sowie einer gemeinsamen Wirtschafts- und Handelspolitik den Weg zu bereiten. Ferner soll eine Europäische Atomgemeinschaft gebildet werden.
Bei allen diesen Arbeiten, meine Damen und Herren, denken die sechs Regierungen nicht an eine Politik der Exklusivität. Nicht nur soll - wie schon bei der Montanunion - die Tür für weitere Mitglieder stets offen bleiben, sondern wir sind überzeugt, daß sich Formen der Kooperation und Assoziierung finden lassen, die den Ländern, die sich zum vollen Beitritt nicht entschließen können, eine enge Zusammenarbeit mit den neuen Organismen ermöglichen. Das gilt insbesondere für das Verhältnis zu Großbritannien, aber ebenso auch für das Verhältnis zu den skandinavischen Staaten, auf deren Beteiligung in irgendeiner diesen Ländern angenehmen Form wir entscheidenden Wert legen.
Die Bemühungen der Bundesregierung um eine fortschreitende enge Zusammenarbeit auf diesen Gebieten erschöpfen sich aber nicht in diesen Verhandlungen. Ich verweise insbesondere auf die erfolgreichen Besprechungen und Verhandlungen im Rahmen des GATT, auf die hervorragende Entwicklung innerhalb der OEEC, zu der die Bundesrepublik durch weitgehende Liberalisierungsmaßnahmen entscheidend beigetragen hat, und auf die ständig wachsende Bedeutung der Europäischen Zahlungsunion. Ich betone weiter die Entschlossenheit der Bundesregierung, durch intensive Mitarbeit die Arbeiten der Montanunion, des Europarats und der Westeuropäischen Union zu fördern.
Nun sind in der letzten Zeit - und das hat zu Verhandlungen in der NATO und in anderen Bereichen geführt - Änderungen der Methoden der sowjetrussischen Außenpolitik sichtbar geworden, von denen die Welt mit Überraschung Kenntnis genommen hat.
Da wir Wert darauf legen, keine Chancen zu verpassen und keine Möglichkeit zu versäumen, die sich für unsere Politik etwa aus diesen aufsehenerregenden Ereignissen ergeben könnten, da wir uns aber auf der anderen Seite auch davor hüten müssen, in einer Art begreiflichen Wunschdenkens - und wer unter uns sehnte sich nicht nach Entspannung und dauerhaftem Frieden! - vorschnelle und gefährliche Folgerungen zu ziehen, hat die Bundesregierung versucht, die Entwicklung sorgfältig zu verfolgen und zu analysieren. Wir haben auch keine Gelegenheit vorbeigehen lassen, unsere Ansichten zu dieser Frage mit führenden Politikern befreundeter Staaten zu besprechen.
Diese außenpolitische Aktivität der Sowjetunion hat sich neuerdings besonders intensiv den sogenannten Entwicklungsländern zugewandt, Ländern, die man früher einmal in einem, wie ich glaube, sehr unangebrachten Hochmut als „unterentwikkelt" bezeichnet hat. Diese in rascher Umwandlung von Kolonialgebieten zu Nationalstaaten begriffenen Länder wollen die Sowjets als Einflußsphäre gewinnen. Gleichzeitig beschränkten sie sich gegenüber den Ländern des Westens, insbesondere den Ländern der atlantischen Gemeinschaft, auf eine Politik der Aufspaltung und der politischen Infiltration.
Der posthume Sturz Stalins mag wichtige innenpolitische Gründe haben. Wir dürfen aber darüber nicht außer acht lassen, daß er der Sowjetunion und dem Weltkommunismus in den Augen vieler gutgläubiger Optimisten, sei es der asiatisch-afrikanischen Welt, sei es in anderen Gebieten der Welt, ein neues Gesicht, den Anschein einer politischen Ehrbarkeit geben soll. An der endgültigen außenpolitischen Zielsetzung hat sich jedoch auch durch den 20. Parteitag nach Überzeugung der Bundesregierung noch nichts geändert.
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Geändert haben sich die Methoden. Die Drohung mit bewaffneter Gewalt, die der Ära Stalins ihr Gepräge gab, ist zurückgetreten.
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Im Vordergrund steht der Versuch der Sowjetführung, mit subtileren Mitteln der politischen und wirtschaftlichen Einflußnahme ihr Ziel zu fördern. Dabei dürfen wir jedoch ein entscheidendes Faktum nicht übersehen, nämlich die noch verbleibende militärische Macht der Sowjetunion, die mit höchstem Nachdruck weiter ausgebaut wird und als eine Bedrohung der freien Welt unverändert weiter besteht.
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Da die Handelsoffensive das Kernstück neuer sowjetrussischer Außenpolitik ist, möchte ich einige Worte dazu sagen. An vielen Stellen des Nahen Ostens, Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind in letzter Zeit sowjetrussische Werbemaßnahmen, aber auch Exporterfolge zu spüren gewesen, ohne
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daß bisher etwa den Industrieländern der freien Welt eine ernste Konkurrenz erwachsen wäre. Dafür waren die Handelsumsätze der Ostblockländer noch zu gering. Aber es besteht kein Zweifel, daß es sich bei den bisherigen Bestrebungen nur um einen Anfang handelt. Die Werbe- und Handelsmethoden bleiben nicht ohne Wirkung, zumal mit ihnen Menschen angesprochen werden, die oft nicht erkennen, daß sich hinter den friedlichen und scheinbar selbstlosen Angeboten weitreichende politische Absichten verbergen.
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Die sich anbahnenden Exporterfolge des Ostblocks sind nicht zuletzt auf günstige Zahlungsbedingungen zurückzuführen, die politischen Charakter tragen, Bedingungen, die keine westliche Wirtschaft und auch kein Konsortium anbieten kann, da in diesen Bereichen politische Preise gottlob nicht bekannt sind.
Zu den handfesten Angeboten auf finanziellem Gebiet tritt eine rege Tätigkeit auf dem Gebiet der sogenannten technischen Hilfeleistung. Es werden technische Experten oder Lehrer ins Ausland gesandt. Man gewährt den jungen Menschen in diesen Gebieten großzügige Stipendien, die ihnen das sorgenfreie Studium an sowjetischen Hochschulen ermöglichen.
Ich möchte aber wiederholen, daß diese wirtschaftlich-technisch-finanzielle Hilfe, die man unter den Begriff der Handelsoffensive zusammenfassen könnte, nur den gegenwärtig am meisten ins Auge springenden Teil einer geplanten und koordinierten Aktion des Sowjetblocks gegenüber der sogenannten non-committed world bildet. Sorgfältig aufeinander abgestimmte und auf den angesprochenen Kreis zugeschnittene Mittel allgemein politischer, psychologischer und propagandistischer Art treten hinzu. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, diese Dinge mit größter Sorgfalt und Wachsamkeit zu beobachten.
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Daß diese Taktik nicht ganz ohne Erfolg war, zeigt sich auch daran, daß man seit einiger Zeit immer wieder von der sogenannten Krise redet, in der sich die NATO infolge des Nachlassens der weltpolitischen Spannungen befinde. Mit der Verringerung der unmittelbaren Gefahr eines militärischen Konflikts, so argumentiert man, verliere mehr und mehr das Motiv an Gewicht, das die freien Völker des nordatlantischen Raumes zum Zusammenschluß auf der Grundlage gemeinsamer Verteidigungsanstrengungen veranlaßt habe. Hieraus müsse sich zwangsläufig nicht nur ein Erlahmen der Bereitschaft ergeben, im bisherigen Maße Opfer für die eigene Sicherheit zu bringen, sondern auch ein Zustand des Stagnierens, eine Lockerung, wenn nicht sogar eine Auflösung des Gefüges der atlantischen Gemeinschaft eintreten.
Ich glaube, daß eine solche Auffassung das Wesen der gemeinschaftlichen Ideale verkennt, welche die Völker der freien Welt im Zeichen des Kalten Krieges zusammengeführt haben, und die Klarheit auch der Erkenntnis unterschätzt, daß es nicht die militärische Bedrohung allein ist, wogegen jene gemeinsamen sittlichen Werte zu schützen sind. Der Nordatlantikpakt ist mehr als ein militärischer Beistandspakt. Er ist ein Bündnis gegen jede Bedrohung unserer Freiheit.
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Solange im übrigen eindeutige Beweise nicht vorliegen, daß die Politik der Koexistenz mehr bedeutet als vorübergehende Taktik, ergibt sich die Notwendigkeit, Wachsamkeit und ständige Verteidigungsbereitschaft gegenüber möglicher Aggression in vollem Umfange aufrechtzuerhalten.
Erfreulicherweise sind sich sämtliche verbündeten Regierungen in dieser Beurteilung der politischen Situation und in der Überzeugung einig, daß eine über den militärischen Bereich hinausgreifende Aktivität des NATO-Pakts notwendig ist.
Die Bundesregierung ist entschlossen, nicht nur ihren Beitrag zur Verteidigung der freien Welt im Rahmen der NATO zu leisten, sondern auch mit allem Nachdruck die Zusammenarbeit der Vertragspartner auf nichtmilitärischen Gebieten zu fördern.
Sie hat darum die italienische und kanadische Initiative auf der Ministertagung des Atlantikrates im Dezember vorigen Jahres besonders begrüßt, deren Ziel es war, den Anstoß für eine stärkere Aktivierung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf politischem, wirtschaftlichem, sozialem und kulturellem Gebiete zu geben.
Eine solche Zusammenarbeit hatten die Bündnispartner in Art. 2 des Atlantikpaktes von Anfang an vorgesehen. Ihre Realisierung war zunächst nur zögernd vorangekommen, da damals andere Fragen im Vordergrund standen.
Sie wissen, daß diese Erörterung Anfang Mai dieses Jahres zur Einsetzung eines Ausschusses führten, dem die Außenminister Kanadas, Italiens und Norwegens angehören und der die Aufgabe hat, dem Atlantikrat alsbald über solche Möglichkeiten engerer Zusammenarbeit zu berichten.
Das Schwergewicht bei der Intensivierung der Zusammenarbeit in diesem Rahmen auf politischem Gebiet sollte nach Meinung der Bundesregierung auf einer Verstärkung der gegenseitigen Information und Konsultation in allen wesentlichen Fragen liegen, welche die gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten berühren. Diese Konsultationen sollen ein abgestimmtes Handeln auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen sichern und auch die Bereinigung solcher Streitfragen zwischen den Verbündeten zum Ziele haben, welche die Festigkeit und innere Geschlossenheit der Allianz gefährden könnten.
Der Atlantikrat beschloß aber auch, wirtschaftliche Probleme unter politischen Gesichtspunkten zu prüfen und Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter den Mitgliedstaaten zu behandeln. Auch dafür wurde ein besonderer Ausschuß eingesetzt. Die Bundesregierung arbeitet gegenwärtig ihrerseits Vorschläge aus, die sie in Kürze mit den beauftragten Außenministern diskutieren wird.
Bei allem, was wir auf diesem Gebiete tun, sollte nach unserer Ansicht der Grundsatz, daß Aktion besser ist als Reaktion, befolgt werden. Unmittelbare Reaktionen auf Einzelmaßnahmen des Sowjetblocks sollten nur in besonderen, politisch begründeten Ausnahmefällen erfolgen, und die Mittel dazu werden andere sein müssen.
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Was uns von diesen Methoden unterscheidet, ist das unbedingte Festhalten am Prinzip der Freiheit. Mag auch die Befehlswirtschaft des Ostens dank ihrer straffen Leitung vorübergehende Erfolge buchen können, - wir sollten doch das Vertrauen haben, daß eine in ihren Grundzügen freie Wirt({30})
schafts- und Handelspolitik zu einer besseren, cl. h. für beide Teile fruchtbareren Partnerschaft mit den angesprochenen Ländern führen wird.
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Indessen wird es dazu einiger staatlicher Hilfe bedürfen, die nach meiner Auffassung sowohl von nationaler Seite als auch von internationalen Organisationen kommen sollte.
Wir Deutsche bringen - ich darf es wohl sagen
- eine Reihe günstiger Voraussetzungen für den Erfolg solcher Bemühungen mit. Man wird uns im allgemeinen machtpolitische Motive nicht unterschieben. Der schnelle Wiederaufbau unserer Wirtschaft hat zudem das Vertrauen in unsere wirtschaftlichen und technischen Fähigkeiten gestärkt. Auch auf dem Gebiete der technischen Hilfe und Erziehung erwartet man von uns einen wesentlichen Beitrag.
Leider, meine Damen und Herren, beginnt sich hier der empfindliche Kräftemangel bei uns bemerkbar zu machen, dem bald abgeholfen werden muß.
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Andere Länder - ich darf etwa an Holland oder Dänemark erinnern - sind auf diesem Gebiet außerordentlich aktiv, und ich glaube, daß wir diese neuartige Form der Kontaktpflege zu diesen in einer stürmischen Entwicklung begriffenen Ländern, die neben dem handelspolitischen auch ein bedeutsames kulturpolitisches Moment enthält, stärker als bisher aktivieren sollten. Wir sollten in größerem Maße als bisher ausländischen Stipendiaten und Praktikanten Gelegenheit geben, an deutschen Hoch- und Fachschulen sowie durch praktische Arbeit in deutschen Betrieben ihre Fachkenntnisse zu erweitern.
({33})
Ich bin sicher, daß solche Maßnahmen auf längere Sicht wirtschaftliche und nicht zuletzt auch politische Früchte tragen werden.
({34})
- Meine Damen und Herren, ich wollte gerade unterstreichen, wie dankbar ich für das Verständnis des Parlaments in dieser Frage bin.
({35})
- Ich glaube, daß sich auch meine Fraktion dieser Hilfe nicht entziehen wird.
({36})
Aber machen Sie mir die Sache nicht zu schwer! Ich habe neulich von der Verpflichtung gesprochen, die mir auferlegt ist.
({37})
Dieses Interesse an den Entwicklungsländern ist in erster Linie ein gemeinsames, und die zahlreichen internationalen Organisationen bieten Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zu verbessern. Man sollte dabei die Initiative so dynamischer und aufstrebender Staaten wie etwa Indiens, Ägyptens, Indonesiens mit ernsthaftem Verständnis für die speziellen Probleme dieser Volkswirtschaften und Länder betrachten.
Der politischen Gleichschaltung, die aus dem Osten kommt, sollte die freie Welt eine auf Achtung und Verständnis füreinander und gegenüber diesen Entwicklungsländern und auf den gemeinsamen Grundauffassungen beruhende Geschlossenheit des Auftretens und Handelns entgegensetzen. Die Bundesregierung wird sich an allen Bemühungen auf diesem Gebiete sehr ernsthaft beteiligen.
Ich erwähnte soeben im Zusammenhang mit der augenblicklichen sowjetrussischen Taktik das Problem der Abrüstung. Ich möchte auf diese Frage hier noch einmal eingehen. Wie Sie wissen, sind die Verhandlungen des Abrüstungsunterausschusses der Vereinten Nationen, die kürzlich in London stattgefunden haben, wiederum ohne greifbaren Erfolg beendet worden. Im Gegensatz zu der Auffassung Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, daß eine Abrüstung nur stattfinden kann, wenn vorher oder spätetsens zugleich mit ihr die bestehenden politischen Streitfragen, insbesondere die deutsche Frage, gelöst werden, vertrat die Sowjetunion die Auffassung, daß das Abrüstungsproblem für sich allein gelöst werden soll. Noch im Mai 1955 hat die Sowjetregierung selber in ihrem damaligen aufsehenerregenden Vorschlag eine Abrüstungsvereinbarung von der vorherigen Lösung politischer Fragen abhängig gemacht, und noch nach dem Scheitern der letzten Londoner Verhandlungen, nämlich am 6. Mai dieses Jahres, hat der Leiter der sowjetrussischen Delegation, Herr Gromyko, in einem TASS-Interview diesen Vorschlag vom vorigen Jahr ausdrücklich aufrechterhalten. Wenn nun neuerdings seitens der sowjetischen Regierung erklärt wird - ich darf auf die Erklärung vom 14. Mai verweisen, die auch den Briefen des sowjetrussischen Ministerpräsidenten Bulganin vom 6. Juni beilag -, man müsse die Abrüstung doch für sich und isoliert von den anderen Problemen durchführen, so kann eine so widerspruchsvolle Argumentation nur mit Bedauern, wenn nicht mit Mißtrauen hinsichtlich der Aufrichtigkeit der Bereitschaft zur Abrüstung hingenommen werden.
Der Ablauf der Verhandlungen in London gibt uns, was die Verknüpfung der Abrüstungsfragen mit den zu regelnden politischen Fragen angeht, keinen Anlaß, irgendwelche Bedenken anzumelden. Sie werden sich erinnern, daß das Thema „Abrüstung" noch während der letzten Genfer Konferenz nicht unmittelbar mit dem ersten Konferenzthema „Europäische Sicherheit und Deutschland" verknüpft war, daß aber im Verlauf dieser letzten Verhandlungen in London von den dort vertretenen Westmächten nunmehr eindeutig und formell ein Junktim zwischen der Durchführung einer Abrüstungsvereinbarung und der gleichzeitigen Einleitung von Maßnahmen für die deutsche Wiedervereinigung hergestellt worden ist. Diese Haltung unserer westlichen Verbündeten hat die Bundesregierung begrüßt. Es zeigen sich hier die praktischen Auswirkungen des uns gegebenen Versprechens, für die Wiedervereinigung unseres Volkes einzutreten.
Es handelt sich dabei, wie ich wohl kaum noch einmal betonen muß, nicht darum, daß nach Auffassung der Bundesregierung keinerlei Abrüstungsvereinbarung getroffen werden dürfte, bevor nicht die Wiedervereinigung herbeigeführt ist. Eine
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solche Forderung würde weit über das Ziel hinausgehen. Was von uns und von unseren Alliierten vielmehr angestrebt wird, ist dieses: wenn es zu einer Vereinbarung über eine weltweite Abrüstung kommt, so sollen in dieser Vereinbarung, und zwar eingebaut zwischen die einzelnen Phasen der Einleitung und Durchführung, Maßnahmen für eine gleichzeitige Einleitung der Wiedervereinigung vorgesehen werden, von deren Durchführung die Ausführung der Abrüstungsvereinbarung allerdings abhängen wird. Denn eine wirksame, von allen Beteiligten anerkannte und durchgeführte Abrüstung ist auf der Grundlage einer fortdauernden Teilung Deutschlands schlechthin undenkbar.
({39})
Kurz nach Beendigung der Londoner Verhandlungen hat nun die sowjetrussische Regierung mit einer Erklärung vom 14. Mai einseitige Abrüstungsmaßnahmen angekündigt. Diese Erklärung ist, wie ich schon sagte, auch den Briefen beigefügt, die der Ministerpräsident Bulganin am 6. Juni an die Regierungschefs von sieben NATO-Staaten gerichtet hat. Wie Sie aus dem Abschlußkommuniqué über den Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Amerika ersehen, war man sich auch dort darüber einig, daß die sieben Regierungen die Beantwortung dieses Briefes miteinander und mit ihren NATO-Partnern beraten sollten. Diese Beratungen sind seit einer Woche in Paris im Gange.
Schon durch die Tatsache dieser gemeinsamen Beratung wird manifestiert, daß die sieben Adressaten nicht daran denken, auch nur den Versuch einer Aufsplitterung auf sich wirken zu lassen, sondern daß sie es vielmehr als eine selbstverständliche Pflicht betrachten, die Grundzüge der Antwort im Rahmen des atlantischen Bündnisses zu besprechen. Die Formulierung im einzelnen wird dann der jeweiligen Regierung überlassen bleiben. Sie werden Verständnis dafür haben, daß ich dem Ergebnis dieser Beratungen heute nicht vorgreifen möchte.
({40})
Meine Damen und Herren, ich komme nun zu der Deutschlandpolitik der Sowjetunion und möchte ausdrücklich feststellen, gerade auch gegenüber einer, wie ich glaube, nicht immer objektiven Kritik, daß die Bundesregierung an einer Verbesserung ihres Verhältnisses zur Sowjetregierung um des Friedens, um der Sicherheit und um der Wiedervereinigung willen aufrichtig interessiert ist.
({41})
Sie weiß, daß die Wiedervereinigung Deutschlands
nicht gegen die Sowjetunion ertrotzt werden kann.
({42})
Die Bundesregierung ist auch weit davon entfernt, jede Änderung der sowjetrussischen Politik oder Wandlungen in den inneren Verhältnissen in der Sowjetunion zu ignorieren. Sie kann aber für die deutsche Beurteilung der sowjetischen Politik kein anderes Kriterium annehmen als die sowjetische Deutschlandpolitik schlechthin.
({43})
Diese Politik fand leider zuletzt ihren Ausdruck in der TASS-Erklärung vom 21. Juni 1956, die eine klare Absage an die Verpflichtung der Sowjetunion enthält, die Wiedervereinigung Deutschlands zusammen mit den drei Westmächten herbeizuführen.
Erlauben Sie mir, Ihnen in kurzen Zügen die Entwicklung innerhalb dieses letzten halben Jahres aufzuzeigen, des letzten halben Jahres seit der letzten Regierungserklärung in dieser Frage.
Ausgangspunkt der neueren sowjetischen Politik ist die erste Genfer Konferenz der vier Großmächte im Juli 1955. Im Schlußkommuniqué dieser Konferenz haben die Regierungschefs hinsichtlich Deutschlands festgestellt:
In Anerkennung ihrer gemeinsamen Verantwortung für die Regelung der deutschen Frage und die Wiedervereinigung Deutschlands haben sich die Regierungschefs darüber geeinigt, daß die Regelung der Deutschlandfrage und die Wiedervereinigung Deutschlands im Wege freier Wahlen im Einklang mit dem nationalen Interesse des deutschen Volkes und den Interessen der europäischen Sicherheit erfolgen muß.
Dieses Schlußkommuniqué lag der zweiten Genfer Konferenz zugrunde. Dieses erneute Bekenntnis auch des sowjetischen Regierungschefs, die Wiedervereinigung durch freie Wahlen herbeiführen zu wollen, war ein ermutigendes Zeichen.
Marschall Bulganin hat, als der Herr Bundeskanzler ihn während der Moskauer Verhandlungen auf die völkerrechtliche Verpflichtung der Sowjetregierung ansprach, die Wiedervereinigung Deutschlands herbeizuführen, am 10. September selbst erklärt:
Hier war von den Verpflichtungen die Rede, die die vier Mächte in bezug auf die Lösung des Deutschlandproblems übernommen haben. Man kann nicht umhin, dem zuzustimmen.
({44})
- Ich überlasse es Ihnen, das vorzutragen, Herr Kollege.
Die sowjetische Regierung hat damit ein weiteres Mal ihre völkerrechtliche Verpflichtung zur Wiedervereinigung Deutschlands anerkannt.
Am 8. November 1955 aber hat der damalige sowjetische Außenminister Molotow diese feierlich anerkannte Verpflichtung der Sowjetregierung mit einer Handbewegung vom Tische gefegt, indem er erklärte, daß die mechanische Verschmelzung der beiden Teile Deutschlands durch sogenannte freie Wahlen zur Verletzung der ureigensten Interessen der Werktätigen der „DDR" führen würde, „was nicht akzeptiert werden kann" - ich zitiere wörtlich.
({45}) Molotow hat in der gleichen Rede die weitreichenden und als Diskussionsgrundlage gedachten Sicherheitsvorschläge des Westens nicht einmal der näheren Erörterung für wert befunden. Diese starre Haltung der Sowjetregierung war für das Scheitern der zweiten Genfer Konferenz verantwortlich. Das Kriterium für die Sinnesänderung in der Sowjetunion muß für die deutsche Politik - ich wiederhole es - die sowjetische Haltung zur Wiedervereinigung sein.
Bei ihrem Besuch in London und gegenüber ihren französischen Gästen in Moskau haben die sowjetrussischen Staatsmänner erneut ihre unnachgiebige Haltung in der Wiedervereinigungsfrage betont. Sie gingen so weit, sich für unzuständig zu
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erklären, ohne Ermächtigung durch die sogenannte Regierung der DDR über die Wiedervereinigung auch nur zu sprechen. Die Bundesregierung kann in der sowjetischen Verweisung auf Regierungsverhandlungen zwischen Bonn und Pankow nichts anderes sehen als den Versuch, sich der klaren moralischen Verantwortung und rechtlichen Verpflichtung zur Wiedervereinigung zu entziehen und Bedingungen aufzustellen, die für das freie Deutschland unannehmbar sind.
({47})
Es wird hier klar oder doch sichtbar, daß in der außenpolitischen Konzeption der Sowjetunion der sogenannten „Deutschen Demokratischen Republik" nicht nur strategisch, sondern auch politisch und ideologisch eine entscheidende Schlüsselfunktion für die Ausbreitung des Kommunismus in Europa zugewiesen bleibt. Für die sowjetische Politik gegenüber der sogenannten „DDR" ist vor allem die Erhaltung des dortigen Systems bestimmend, das durch freie Wahlen beseitigt werden würde.
Die Abkehr vom Stalinismus hat sich bisher zumindest im Verhältnis zu Deutschland leider nur als die Ersetzung einer diktatorialen Alleinherrschaft durch die Diktatur einer Führungsgruppe erwiesen. Der von der Sowjetunion besetzten Zone Deutschlands hat sie keine Befreiung von ihren illegitimen Machthabern und deren Terrormethoden gebracht.
({48})
Das Programm einer friedlichen Koexistenz muß - ich bedauere, es sagen zu müssen - für uns so lange unglaubwürdig bleiben, als die sowjetrussischen Staatsmänner an der Unterdrükkungspolitik aus der Herrschaftszeit Stalins in Deutschland festhalten.
({49})
Die Sowjetunion versucht seit geraumer Zeit, die internationale Anerkennung der sogenannten „DDR" durchzusetzen. Sie will auf diese Weise die völkerrechtliche Sanktionierung der Spaltung Deutschlands erreichen. Aber die Bundesregierung hat seit der Konstituierung eines mit dem Anspruch auf Eigenstaatlichkeit auftretenden Machtapparats in der sowjetisch besetzten Zone konsequent die Auffassung vertreten, daß dieses Gebilde keine völkerrechtliche Anerkennung finden darf. Sie stützt ihren Anspruch, in internationalen Angelegenheiten das ganze deutsche Volk zu vertreten, auf die Tatsache, daß sie die einzige frei gewählte Regierung Deutschlands ist, während sich das Regime von Pankow nur durch Gewaltmethoden an der Macht zu halten und seine faktische Herrschaftsgewalt nur unter dem Schutz und mit der Unterstützung eines fremden Staates auszuüben vermag.
({50})
Diesem Regime fehlt daher das für jede stabile und dauerhafte staatliche Herrschaft unerläßliche Mindestmaß an Zustimmung und Rückhalt in der Bevölkerung.
({51})
Es fehlt ihm das für einen souveränen Staat unerläßliche Mindestmaß von Unabhängigkeit gegenüber jeder auswärtigen Macht. Es fehlt ihm endlich die für jedes Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft unerläßliche Vertrauenswürdigkeit in bezug auf seine Bereitschaft, die Regeln des internationalen Rechts zu respektieren.
({52})
Eine Anerkennung dieser „DDR" ist unter keinem Gesichtspunkt zu verantworten. Sie wäre für die deutsche Einheit ebenso verhängnisvoll wie für das Schicksal der Zonenbevölkerung und darüber hinaus für eine gesunde Entwicklung der europäischen Staatenordnung und der internationalen Beziehungen.
Es ist leider ein weit verbreiteter Irrtum, dem ich hier entgegentreten will, anzunehmen, daß es sich für die Bundesregierung dabei lediglich um eine Prestigefrage oder um einen juristischen Formalismus handle. Es geht in Wahrheit um eine emiment politische Frage.
({53})
Die Anerkennung der „DDR" bedeutet die völkerrechtliche Anerkennung der Teilung Deutschlands in zwei Staaten. Die Wiedervereinigung ist dann nicht mehr die Beseitigung einer vorübergehenden Störung im Organismus unseres gesamtdeutschen Staates. Sie verwandelt sich dann vielmehr in die unendlich viel schwierigere Aufgabe, zwei verschiedene deutsche Staaten zu vereinigen. Würde die Bundesrepublik mit dieser Anerkennung vorangehen, so würde sie selbst dazu beitragen, daß Europa und die Welt das Bewußtsein für die Anomalie des gegenwärtigen Zustandes verlieren und sich mit ihm abfinden würde.
({54})
Sie würde die vier Mächte aus ihrer Verantwortung für die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands entlassen, die bisher stets auch die Sowjetunion anerkannt hat. Statt dessen würde sie Herrn Ulbricht und Herrn Grotewohl ein Vetorecht gegen die Wiedervereinigung Deutschlands einräumen. Darüber hinaus würde die Anerkennung der „DDR" den Verzicht der Bundesrepublik auf ihren Anspruch bedeuten, Sprecher des ganzen deutschen Volkes zu sein, eines Anspruchs, der in unserer Verfassung erhoben wird und dem sich, wie ich glaube, keine Bundesregierung entziehen darf. Der politische Nutzen, den das derzeitige Regime aus diesem Verzicht der Bundesrepublik und aus einer internationalen Anerkennung ziehen würde, könnte die Sowjetunion nur darin bestärken, dieses Regime zu stützen und die Teilung Deutschlands aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus bedarf es wohl kaum einer Erläuterung, was die Anerkennung für die Bevölkerung in der Zone bedeuten würde. Der Geist des Widerstandes würde einen ebenso vernichtenden Schlag erhalten wie die Hoffnung auf baldige Befreiung von dem Joch eines verhaßten Systems.
Alle diese Erwägungen zwingen uns, in dieser Frage eine feste und unbeirrbare Haltung einzunehmen. Die Anerkennung der „DDR" durch dritte Staaten müßte von der Bundesregierung als Zustimmung zu der unrechtmäßigen Abspaltung eines Teiles des deutschen Hoheitsgebietes und als Einmischung in innerdeutsche Angelegenheiten angesehen werden.
({55})
Die staatliche Einheit Deutschlands ist rechtlich nicht untergegangen. Das gesamte deutsche Volk will nur einen deutschen Staat, und auch in ,der
({56})
„DDR" lehnt die Bevölkerung die staatliche Verselbständigung Mitteldeutschlands ab und bekennt sich zur Einheit der staatlichen Gemeinschaft des ganzen deutschen Volkes.
({57})
Die Bundesregierung kann mit Befriedigung feststellen, daß dieser Standpunkt in der Welt ganz überwiegend respektiert worden ist. Von allen Staaten der Welt - ich glaube, es sind etwa 90 - haben bisher nur die Sowjetunion, die osteuropäischen Satellitenstaaten sowie Rotchina die „DDR" anerkannt. In allen großen internationalen Organisationen ist es die Bundesrepublik, welche allein die Rechte Deutschlands wahrnimmt. Die Bundesregierung weiß es dankbar zu schätzen, daß sich alle in ihren Entschließungen freien Nationen an diese Rechtslage gehalten haben. Sie kann aber auch nicht umhin, erneut klarzustellen, daß sie auch in Zukunft die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der sogenannten „DDR" durch dritte Staaten, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen müßte, der die Spaltung Deutschlands vertiefen und verhärten würde. Die Bundesregierung müßte in einem solchen Falle ihre Beziehungen zu dem betreffenden Staat einer Überprüfung unterziehen.
Diese Auffassung bestimmt unsere Haltung zu den Fragen der europäischen Sicherheit und des Weltfriedens. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß Deutschland einem europäischen Sicherheitssystem angehören sollte. Ein wirksames europäisches Sicherheitssystem setzt aber ein handlungsfähiges und freies Gesamtdeutschland voraus. Auf dem Boden der These der Realität zweier deutscher Staaten kann ein europäisches Sicherheitssystem schlechthin nicht errichtet werden.
({58})
Der Beitritt Gesamtdeutschlands zu einem solchen System würde andererseits deutlich machen, daß Deutschland keine Konflikte sucht und keinem seiner Nachbarn gegenüber feindlich gesinnt ist. Man wird vom deutschen Volk allerdings nicht ernstlich verlangen können, daß es seinen politischen Standort wechselt. Das deutsche Volk bekennt sich zur freien Welt und zu den Grundbegriffen der staatlichen Ordnung, wie sie dort allgemein Geltung haben.
Das Bekenntnis zur Freiheit bringt uns naturgemäß in einen gewissen ideologischen Gegensatz zu denjenigen, die Freiheit und demokratische Ordnung ablehnen oder bekämpfen. Aber daraus können doch wohl nur Böswillige auf eine feindselige Haltung gegenüber anderen Völkern schließen.
({59})
Das deutsche Volk will in einer nach innen und außen gesicherten demokratischen Freiheit und als unlösbarer Bestandteil der freien Welt seine Zukunft gestalten. Es wird aber auch jede europäische oder Weltorganisation unterstützen, die den Frieden sichert und die zu einer aufrichtigen und dauerhaften Koexistenz führt auch mit solchen Staaten und Völkern, die andere Lebensformen in ihrer staatlichen Ordnung für sich wünschen.
({60})
Daraus ergibt sich auch das Verhältnis zu den sogenannten Satellitenstaaten und zu dem Problem der Ostgrenzen. In der letzten Zeit ist verschiedentlich die Frage erörtert worden, ob es zweckmäßig und möglich sei, Beziehungen zu den östlichen Nachbarstaaten Deutschlands aufzunehmen. Die Bundesregierung hat dieses Problem wiederholt eingehend geprüft, und sie ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diplomatische Beziehungen zu diesen Staaten unter den augenblicklichen Umständen nicht aufgenommen werden können. Das bedeutet nicht, daß die Bundesregierung an der Herstellung normaler Beziehungen zu diesen Staaten uninteressiert wäre. Diese Staaten gehen ja doch davon aus, daß die Teilung Deutschlands und die Existenz zweier deutscher Staaten eine Realität sei, die man im internationalen Verkehr anerkennen müsse.
({61})
- Ich glaube, Herr Kollege Schmid, Sie waren selber in Moskau zugegen und haben ja an den Gesprächen teilgenommen. Sie werden wohl nicht bestreiten, Herr Kollege Schmid, daß es ein legitimes und ehrliches Bedürfnis war, mit der Sowjetunion als dem vierten Staat in Berührung zu kommen, der die Teilung Deutschlands beseitigen kann. Das Verhältnis zu anderen Staaten ergibt sich, glaube ich, auf einer anderen Grundlage.
({62})
Und ich darf daran erinnern, Herr Kollege Schmid, daß in der Berichterstattung, die der Herr Bundeskanzler hier im Parlament gegeben hat, und auch in meiner Regierungserklärung vom 2. Dezember sehr wohl - und, ich glaube, auch ohne Widerspruch von Ihnen zu finden - darauf hingewiesen worden ist, welche Gründe es waren, die uns veranlaßt haben, diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion aufzunehmen, und daß diese Gründe andere waren als solche, die uns bestimmen könnten, das gleiche mit den Satellitenstaaten zu tun. Ich meine sogar, Herr Kollege Schmid, daß Sie damals der gleichen Auffassung waren. Aber wie gesagt, wir können darüber diskutieren.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Reaktion verweisen, die ein Interview gefunden hat, das ein Mitglied dieses Hauses vor kurzem einer polnischen Zeitung gegeben hat. Der Befragte hat in diesem Interview ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen die Anerkennung des Anspruchs Deutschlands auf seine staatliche Einheit vorangehen müsse. Die Reaktion unmißverständlich. Die Antwort lautete, das Bestehen zweier deutscher Staaten sei schließlich eine Tatsache.
({63})
Diese Haltung der Staaten des Sowjetblocks zwingt die Bundesregierung zu der klaren Feststellung, daß sie diplomatische Beziehungen zu diesen Ländern nicht aufzunehmen vermag, ohne ihren Anspruch auf die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands aufzugeben.
({64})
Die Bundesregierung hält aber auch ihre klare Einstellung zu der Frage der Grenzziehung im Osten unverändert aufrecht. Ich lege auf diese Feststellung besonderen Wert, da eine Äußerung, die ich auf einer Pressekonferenz in London machte, zu falschen Interpretationen Anlaß gab. Die Bundesregierung hat sich niemals mit der Teilung Deutschlands abgefunden. In voller Übereinstimmung mit dem erklärten Willen des ganzen deutschen Volkes hat sie immer wieder darauf hingewiesen, daß das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 fortbesteht und daß einseitige Entscheidungen, die in den Jahren nach dem völligen Zusammenbruch getroffen wurden, vom deutschen Volke nicht anerkannt werden.
({65})
Das Recht auf die Heimat und das Selbstbestimmungsrecht sind unabdingbare Voraussetzungen für die Lösung des Schicksals der in der Vertreibung oder in der Unfreiheit lebenden Menschen und Völker. Darum hat die Bundesregierung auch immer wieder feierlich erklärt, daß die Lösung des Problems der deutschen Ostgrenzen einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben muß, zu dessen Abschluß nur eine vom ganzen deutschen Volk demokratisch legitimierte gesamtdeutsche Regierung berechtigt sein kann.
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Diese Erklärung steht keineswegs im Gegensatz zu der wiederholt bekräftigten Feststellung, daß weder die Bundesregierung noch das deutsche Volk jemals ihren Rechtsanspruch mit Hilfe von Gewalt verwirklichen werden. Diesem Gedanken habe ich am 1. Mai dieses Jahres in London Ausdruck gegeben. In der Herstellung eines dauerhaften Friedenszustandes auf der Grundlage des Rechts und der Gerechtigkeit zwischen Deutschland und seinen Nachbarn sieht die Bundesregierung eine wahrhaft europäische Aufgabe, und von diesem Geiste nachbarschaftlicher Verständigung ist auch die Charta der deutschen Heimatvertriebenen beseelt, die am 5. August 1950 in Stuttgart beschlossen wurde. Die berufenen Vertreter von Millionen deutscher Heimatvertriebenen haben damals nicht nur das Recht auf Selbstbestimmung und Heimat bekräftigt, sie haben auch - ich zitiere wörtlich - „den ernsten und heiligen Beschluß bekundet, auf jede Rache und Vergeltung zu verzichten im Gedanken an das unendliche Leid, welches das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat." Darum glaubt auch die Bundesregierung den Beschlüssen einer zukünftigen gesamtdeutschen Regierung nicht vorzugreifen, wenn sie stellvertretend für das ganze deutsche Volk die Versicherung des aufrichtigen Willens zur Verständigung auch mit den osteuropäischen Nachbarvölkern abgibt.
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- Dann werden wir morgen darüber sprechen können, Herr Kollege. - Die Bundesregierung unterstreicht damit den entscheidenden Leitsatz ihrer gesamten Außenpolitik, die Lösung aller streitigen Fragen durch friedliche Vereinbarungen zwischen freien Völkern zu suchen, deren Zusammenleben nicht von Gefühlen des Hasses, des Mißtrauens und der Vergeltung, sondern von dem aufrichtigen Wunsch nach Frieden und gemeinsamer Wohlfahrt gestaltet werden soll.
Damit komme ich zu dem besonderen deutschen Anliegen. Die Spaltung bedeutet die willkürliche Zerreißung eines durch Geschichte, Kultur, Lebensart, Familienbande und gemeinsame Ideale geeinten Volkskörpers. Darum bedeutet die Wiedervereinigung für uns alle auch zunächst ein menschliches Problem, das uns bewegt. Darüber hinaus aber stellt uns die Tatsache der Trennung auch eine politische Aufgabe; denn es ist unerträglich und durch kein Argument zu rechtfertigen, daß einem großen europäischen Volk ein gemeinsames Leben und Wirken in Freiheit verweigert wird.
({68})
Darum ist es auch nicht nur ein deutsches Anliegen, das wir vertreten. Alle Nationen der Welt, die sich dem Ethos der Freiheit und des Rechts verpflichtet fühlen, müssen dieses Anliegen verstehen und seine Lösung mit allen Kräften fördern. Die Vernunft muß hier die Aktion bestimmen; denn das gespaltene Deutschland ist ein gefährlicher Unruheherd im Herzen Europas und im Schnittpunkt weltpolitischer Interessengegensätze, ohne dessen Beseitigung es weder Sicherheit noch Frieden geben wird. Aber nicht minder sollte auch das Gefühl der sittlichen Verpflichtung in allen Völkern leben und sie bestimmen, das Ihrige dazu beizutragen, daß ein Unrechtstatbestand beseitigt wird, der nicht nur das deutsche Volk seelisch belastet, sondern der jeden in Unruhe versetzen muß, der sich zu den immanenten Wertbegriffen bekennt, die in den Worten „Freiheit" und „Recht" nur einen ungenügenden Ausdruck finden.
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Es ist begreiflich, meine Damen und Herren, daß Politiker aller Richtungen und in allen Ländern nach Lösungsmöglichkeiten suchen und Pläne und Projekte zur öffentlichen Diskussion stellen. Aber die Bundesregierung glaubt auch heute mit Ernst 'und Nachdruck davor warnen zu müssen, eine Aktivität um ihrer selbst willen zu entfalten.
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Den irrealistischen Plänemachern gesellen sich allzuleicht ungebetene Helfershelfer bei, denen es nicht darum geht, Ruhe und Ordnung zu schaffen, sondern darum, Unruhe und Unordnung zu steigern.
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Pläne, die nicht hinreichend durchdacht sind, die der Emotion des Augenblicks oder der leidenschaftlichen und darum vielleicht nicht immer sachlichen Diskussion von politischen oder sachlichen Gegensätzen ihre Entstehung verdanken, können zu gefährlichen Ergebnissen führen. Wer die Einheit des deutschen Volkes fordert - und wir tun es alle -, aber darüber vergißt oder verschweigt, daß er damit die Freiheit des ganzen deutschen Volkes gefährdet, wagt ein gefährliches Spiel.
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Die Bundesregierung hat darum auch alle Pläne und Vorstellungen, die in letzter Zeit vorgebracht wurden, sorgfältig geprüft, und ich möchte zu den Fragen Stellung nehmen, die dabei aufgeworfen wurden. Die Bundesregierung und alle Parteien dieses Hohen Hauses haben es in der Vergangenheit übereinstimmend abgelehnt, politische Verhandlungen über die Wiederherstellung der deutschen Einheit mit der Regierung von Pankow zu
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führen. Die Gründe für diese Haltung ergeben sich im wesentlichen aus dem, was ich bereits ausgeführt habe; und die Bundesregierung ist überzeugt, daß in dieser gemeinsamen Haltung eine Änderung nicht eingetreten ist. Darum hat aber die Bundesregierung auch ernste Bedenken gegen Vorschläge, die solche unmittelbaren Verhandlungen mit der Regierung von Pankow zum Ziel haben, und ist darum auch nicht bereit, diesen Vorschlägen näherzutreten. Das gilt auch für einige gewissermaßen modifizierte Vorschläge, die etwa solche Verhandlungen davon abhängig machen wollen, daß die Bundesrepublik von den Westmächten und die sogenannte Regierung in Pankow von der Sowjetunion zu solchen Verhandlungen ermächtigt werden sollen.
Die Bundesregierung legt Wert darauf, gegen solche Pläne eindeutig Stellung zu nehmen. Sie laufen in letzter Konsequenz nach Überzeugung der Bundesregierung darauf hinaus, sowohl die Westmächte als auch insbesondere die Sowjetunion aus der gemeinsamen politischen, rechtlichen und moralischen Verantwortung für die Wiedervereinigung zu entlassen,
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einer Verantwortung, die von den Westmächten niemals bestritten und sogar von der Sowjetunion - ich sagte es schon - wiederholt anerkannt wurde. Solche unmittelbaren Verhandlungen würden weiter eine ausdrückliche Anerkennung der Zone als ein im Sinne des Völkerrechts handlungsfähiges Staatswesen in sich schließen, und auch Vorbehalte, die sich gegen eine derartige Auslegung wenden würden, würden an dieser Tatsache wohl wenig ändern.
Aber, meine Damen und Herren, gehen solche Vorschläge nicht von der utopischen Vorstellung aus, daß ein Bestandteil des sowjetrussischen Machtbereichs jemals eine echte politische Handlungsfreiheit besitze oder erlangen werde?
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Ich kann mir im Ernst nicht vorstellen, daß jemand der Meinung sein könnte, eine sogenannte Vollmacht der Regierung der Sowjetunion ändere an diesem Zustand etwas. Darüber hinaus hieße es wohl auch die Regierung von Pankow überfordern, wenn man ihr eine solche Aufgabe zuweisen wollte.
Die Wiedervereinigung des deutschen Volkes wird, wenn sie wirklich in Freiheit erfolgen soll, durch die Entscheidung des deutschen Volkes vollzogen werden. Wie diese Entscheidung lauten wird, ist nicht zweifelhaft.
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Bundestag und Bundesregierung als Organe und Institutionen einer freiheitlichen Demokratie haben eine solche Entscheidung nicht zu befürchten. Wie immer sie für einzelne Parteien, Gruppen oder Personen ausfallen würde, wir wissen alle, daß das deutsche Volk sich mit einer überwältigenden Mehrheit zu den Grundsätzen eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates bekennen würde.
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Dieses Bekenntnis wäre in jedem Fall gleichbedeutend mit einer Absage an die Menschen und die
Methoden, die heute das Gesicht der sowjetisch besetzten Zone bestimmen.
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Sollte jemand ernstlich glauben, meine Damen und Herren, daß die Regierung von Pankow bereit wäre, einer Vereinbarung zuzustimmen, die diese unausweichlichen Konsequenzen für sie selbst herbeiführen würde?
Noch ein letzter Einwand. Noch auf der ersten Genfer Konferenz haben - ich sagte es schon - sich die Vier Mächte zur Wiedervereinigung im Wege freier Wahlen bekannt. Sollen wir ernstlich diejenigen über das Schicksal des deutschen Volkes entscheiden lassen, die in der sowjetisch besetzten Zone den demokratischen Grundsatz freier Wahlen zu einer unwürdigen Farce herabgewürdigt haben? Mir scheint dieser offensichtlich aus der Emotion des Augenblicks geborene Vorschlag tatsächlich ein Beispiel dafür zu sein, wie die so häufig beschworene Initiative in der Frage der Wiedervereinigung nicht verwirklicht werden darf.
Ich habe schon auf die einmütige Haltung des Bundestages in der Frage des Verhältnisses zur Regierung in der Sowjetzone hingewiesen. Lassen Sie mich zur Bekräftigung dieser Feststellung an eine Rede erinnern, die in diesem Hause und an dieser Stelle von dem verstorbenen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, Herrn Dr. Kurt Schumacher, gehalten wurde. Ich tue es nicht, um eine bequeme und billige Argumentation zu finden. Ich tue es, um diese Gemeinsamkeit der Überzeugung und des Wollens in die Erinnerung zu rufen, die in diesem Hause damals vorhanden war und die, davon bin ich überzeugt, auch heute noch vorhanden ist. Am 9. März 1951 erklärte Herr Dr. Kurt Schumacher:
Die Ostzonenverwaltung ist nur der Bestandteil eines Satellitensystems, in dem es nur einen Willen gibt, nämlich den Willen des zentralen Auftraggebers und Herrschers, der Sowjetunion. Das System von Pankow ist die völlige Entdeutschung und die völlige Sowjetisierung der Politik. Die angebliche deutsche Initiative aus dem Osten für die Einheit ist ein Bestandteil der nationalrussischen Außenpolitik.
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Er sprach dann über die subversive Rolle der Satellitenparteien in der sowjetischen Besatzungszone, die die Aufgabe hätten, in gewissen Schichten des deutschen Volkes in der Bundesrepublik ein Geraune und Gewisper zu erzeugen, daß Sowjetrußland ganz besondere, für die Deutschen außerordentlich positive Maßnahmen plane.
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Er fügte dann beschwörend hinzu:
Es ist das alte Unglück in unserem Lande, daß unser extremster Nationalismus in den Stunden der großen Gefahr nicht national genug im einfachen, anständigen Sinne des Wortes gewesen ist.
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Wir haben oft in diesem Hause hart und leidenschaftlich um die richtige politische Entscheidung gerungen. Aber gerade die Erinnerung an dieses
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gemeinsame Bemühen scheint mir die Rechtfertigung zu sein,
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uns einer solchen Äußerung zu erinnern. - Herr Kollege, ich glaube, daß unsere Verträge nichts geändert haben an der Beurteilung des Systems der Sowjetzone.
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- Das ist Auffassungssache.
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Hier kann auch niemand antworten, daß sich die Verhältnisse in der Sowjetzone etwa seit damals geändert hätten. Ob sich in der Sowjetunion eine Änderung der politischen Auffassung abzeichnet oder nicht, - wir wissen es noch nicht. Was wir aber wohl wissen, ist, daß sich eine Änderung in der sowjetisch besetzten Zone in den vergangenen sechs Jahren nur zum Schlechteren vollzogen hat.
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Das Ausmaß des Terrors und die Formen der Unterdrückung jeder freiheitlichen Regung sind grausamer und unerbittlicher geworden, als wir alle es uns im Jahre 1951 hätten vorstellen können.
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Andere meinen, daß der Abzug der Besatzungstruppen aus der Bundesrepublik und aus der sowjetisch besetzten Zone die Wiedervereinigung erleichtern könne; es öffne den Weg zu freien Wahlen, wenn die Bundesrepublik aus der NATO und die Sowjetzone aus dem Warschauer Pakt ausscheiden würden. Das wiedervereinigte Deutschland könne dann in ein europäisches Sicherheitssystem eingeordnet werden. Die Bundesregierung glaubt auch vor solchen Vorstellungen warnen zu sollen. Diesen Weg gehen heißt nach Überzeugung der Bundesregierung, praktisch die wesentliche Entscheidung auszuklammern oder ihre Beantwortung auf unbestimmte Zeit zu verschieben, nämlich die Entscheidung über die Frage, wie und unter welchen Voraussetzungen sich die Wiedervereinigung vollziehen soll. Dieser Vorschlag bedeutet in letzter Konsequenz, der sogenannten Regierung in der Sowjetzone die Entscheidung über das Ob, über das Wann und das Wie der Wiedervereinigung zu überlassen. Die Verwirklichung eines solchen Vorschlages bedeutet darüber hinaus, im Herzen des europäischen Kontinents und gerade an der Stelle, wo machtpolitische, aber auch ideologische Gegensätzlichkeiten auftreten, ein Vakuum zu schaffen. Es bedarf keiner ausschweifenden Phantasie, um sich vorzustellen, wer dieses Vakuum ausfüllen würde.
Schließlich mehren sich in letzter Zeit auch wieder die Stimmen, die für Gesamtdeutschland eine vor der Wiedervereinigung vereinbarte Bündnislosigkeit vorschlagen und die glauben, daß man den Weg für eine Revision der bestehenden Verträge oder den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO bereiten müsse.
Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, daß die Bundesregierung nicht gewillt ist, sich solche Vorschläge zu eigen zu machen. In der letzten Regierungserklärung habe ich die Haltung der Bundesregierung eingehend begründet, und es genügt, wenn ich wiederhole, daß die Bundesregierung entschlossen ist, Verträge, die sie unterzeichnet und die das Parlament ratifiziert hat, auch zu halten. Eine Regierung, die auch nur mit dem Gedanken des Vertragsbruchs spielen würde, würde das Vertrauen in der Welt verlieren, dieses Vertrauen, das vielleicht die wertvollste Frucht einer beharrlichen und zähen Arbeit war.
({88})
Was es bedeuten würde, wenn das deutsche Volk noch einmal seine Glaubwürdigkeit verlöre, brauche ich wohl nicht auszuführen. Darüber hinaus hat die Bundesregierung aber nach ihrer festen Überzeugung nicht das Recht, Gesamtdeutschland mit politischen Hypotheken zu belasten, die die Entscheidungsfreiheit des deutschen Volkes in einer Weise einschränken würden, daß von einer echten Freiheit nicht mehr die Rede sein könnte. Von den Gefahren, die ein bündnisloses und damit ungesichertes Deutschland für sich selbst und damit für die ganze Welt heraufbeschwören würde, möchte ich heute nicht noch einmal reden.
Andere Vorschläge gehen dahin, die politische und rechtliche Grundlage für die Wiedervereinigung solle durch eine Volksbefragung oder einen Volksentscheid geschaffen werden. Dabei wird in einem der Vorschläge zusätzlich angeregt, dem Mißtrauen der Sowjetunion gegenüber einem wiedervereinigten Deutschland durch die gleichzeitig gestellte Frage zu begegnen: „Sind Sie für den Eintritt des wiedervereinigten Deutschlands in ein Sicherheitsbündnis, dem neben Deutschland zumindest die Vier Mächte angehören?" Erlauben Sie mir zu sagen, daß nach Auffassung der Bundesregierung ein solcher Vorschlag wirklich unrealistisch ist. Bedarf es denn ernstlich einer Volksabstimmung in der Frage der Wiedervereinigung? Müssen wir denn über das - ({89})
- Aber, Herr Kollege, wie können Sie eine solche, ich möchte beinahe sagen, peinliche Behauptung aufstellen, von der Sie selbst wissen, daß sie unrichtig ist!
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- Herr Kollege, wir werden morgen diskutieren. Aber das sage ich: es hat noch kein Vertreter der Bundesregierung hier gestanden, der sich nicht zu einem Sicherheitssystem bekannt hat
({91})
und der nicht glücklich wäre, wenn wir es lieber heute als morgen abschließen könnten.
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Darum frage ich auch: Bedarf es denn ernstlich irgendeiner Befragung des Volkes, ob das wiedervereinigte Deutschland in ein wirksames Sicherheitssystem eingeordnet werden soll? Ich glaube
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schon heute und hier sagen zu können, daß die
Antwort auf diese Frage ein einmütiges Ja wäre.
({94})
- Ich weiß, daß der Herr Bundeskanzler in dieser Frage weiß Gott mit mir einig ist. Wenn Sie es hören wollen, wird er es Ihnen morgen gern bestätigen.
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Meine Damen und Herren, dasselbe gilt von der Anregung, das deutsche Volk solle befragt werden, ob es eine Wiedervereinigung nach dem Eden-Plan oder nach dem Molotow-Plan wünsche. Auch diese Entscheidung ist längst gefallen. Der sogenannte Molotow-Plan ist keine Grundlage für die Existenz eines freien Volkes.
({96})
Dieser Plan engt die Freiheitsrechte des Bürgers und der Nation nicht ein, er schließt sie aus. Darüber sollte es gerade in Deutschland keine ernsthafte Diskussion geben. Denn wir haben ja selber die schmerzhafte und in ihren Folgen so unendlich tragische Erfahrung machen müssen, daß ein System, das die Freiheit zu beschränken beginnt, zwangsläufig und erbarmungslos in die Unfreiheit führt.
Die Bundesregierung stellt darum mit tiefer Enttäuschung fest, daß die Haltung der Regierung der Sowjetunion in der Frage der Wiedervereinigung härter und unversöhnlicher geworden ist, als sie jemals zu sein schien. Ich sage mit bewußter Betonung: zu sein schien. Denn auch in den vergangenen Jahren haben sich alle Erklärungen der Sowjetunion, die dem deutschen Verlangen Rechnung zu tragen schienen, als unzuverlässig erwiesen.
({97})
Ich erinnere an die Erklärung des sowjetrussischen Ministerpräsidenten Bulganin in Moskau und an die Direktive vom 23. Juli vorigen Jahres. Beide Erklärungen wurden kurze Zeit darauf durch eindeutigen Widerruf entwertet.
Über die gegenwärtige Einstellung der Sowjetunion zum deutschen Problem hat uns die Äußerung des sowjetrussischen Parteisekretärs Chruschtschow neue enttäuschende Erkenntnisse übermittelt. Ich meine die Äußerung, die er dem französischen Regierungschef und dem französischen Außenminister in Moskau gemacht hat. Herr Außenminister Pineau hat diese Erklärung in Washington noch einmal verbatim wiederholt. Herr Chruschtschow hat ihm erklärt:
Ich ziehe vor, 20 Millionen hier auf meiner Seite zu sehen, als 70 Millionen gegen uns. Selbst wenn Deutschland militärisch neutral wäre, genügt uns das nicht. Wir wollen auch, daß die sozialen und wirtschaftlichen Errungenschaften Ostdeutschlands beibehalten werden. Ostdeutschland auf unserer Seite zu halten ist darüber hinaus auch eine Prestigefrage für uns.
({98})
- Ich komme gerade auf diese Frage zurück, Herr Kollege Wehner.
({99})
Meine Damen und Herren, ich halte es nicht für zweckmäßig, daß wir die Erklärung des Herrn Außenministers durch ein Zwiegespräch zwischen Abgeordneten des Hauses ersetzen.
({0})
Meine Damen und Herren! In den vergangenen Wochen wurde die Frage gestellt, warum die Bundesregierung nicht durch unmittelbare Anfrage in Moskau Inhalt und Sinn dieser Erklärung erkundet habe. Die Bundesregierung hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Sie hat aber aus guten Gründen von einer solchen Anfrage abgesehen.
({0})
- Lassen Sie mich doch sprechen, Herr Kollege! Sie haben doch morgen Gelegenheit, einen ganzen Tag zu diskutieren!
Die beiden französischen Regierungsmitglieder haben diese Erklärung des sowjetrussischen Staatsmannes wiedergegeben. Ich glaube, daß niemand ernsthaft bestreiten wird, daß diese beiden hervorragenden Staatsmänner, mit denen uns freundschaftliche Beziehungen verbinden, im wahrsten Sinne des Wortes unverdächtige Zeugen sind, denen man nicht unterstellen konnte und auch nicht unterstellen dürfte, daß sie uns falsch unterrichten.
({1})
Hätte nicht schon die Frage in Moskau einen Zweifel in die Glaubwürdigkeit der Information bedeutet?
({2})
Angesprochen war durch diese Erklärung die Regierung der Sowjetunion, und ihre Aufgabe war es, unzweideutig zu erklären, ob diese im Munde eines verantwortlichen Staatsmannes wirklich ungeheuerliche Erklärung tatsächlich gefallen war oder nicht.
({3})
Die Sowjetregierung hat Wochen verstreichen lassen, bevor sie sich dazu äußerte. Dann erfolgte eine TASS-Erklärung, die in sich ebenso widerspruchsvoll wie unglaubwürdig ist. Die Sowjetregierung greift darin die Erklärung des deutschen Bundeskanzlers an, der ja nur wiedergegeben hat, was ihm gesagt und zwischenzeitlich mehrfach bestätigt wurde, und sie bekräftigt, vielleicht sogar ungewollt, den verhängnisvollen Inhalt der behaupteten Äußerung. Ich las vor kurzem einen Kommentar dazu, der etwa besagte, daß durch das Dementi etwas wieder auf die allgemeinen und verschachtelten Formen der diplomatischen Noten und Konferenzen reduziert wird, was im Laufe der französisch-russischen Gespräche von Herrn Chruschtschow mit zynischer Offenheit ausgesprochen worden ist. Der Tenor der Äußerung wird ja nicht mehr bestritten: daß nämlich nach der Auf({4})
fassung des Herrn Chruschtschow eine Änderung des Status quo - und die Wiedervereinigung würde eine solche Änderung bedeuten - für die Sowjetunion nur in Frage kommt, wenn damit eine Machtverschiebung zugunsten der Sowjetunion eintritt und sichergestellt wird.
({5})
Ich glaube, daß ernstliche Zweifel an Sinn und Bedeutung dieser Erklärung gerade angesichts des eigenartigen Dementis der sowjetrussischen Nachrichtenagentur nicht mehr zulässig sein dürften.
Darüber, welche Gründe zu dieser Versteifung in der Haltung der Sowjetunion geführt haben mögen, gibt es unzählige Thesen. Sie im einzelnen zu wiederholen und auf ihren politischen Gehalt zu analysieren, scheint mir in diesem Rahmen nicht möglich. Im letzten wären wir ohnehin auf Vermutungen angewiesen. Aber es liegt nahe, uns zu fragen, ob diese Verhärtung vielleicht auch auf spekulative Erwägungen zurückzuführen ist, die in der Grundhaltung weiter Teile der westlichen Welt eine gewisse, wenn auch vielleicht ungewollte Rechtfertigung finden. Ist die Härte in der russischen Politik nicht vielleicht die Reaktion darauf, daß man in der Sowjetunion vermutet, die Solidarität und Entschlossenheit der freien Welt beginne nachzulassen?
({6})
In einer Regierungserklärung, die am 11. Mai 1955 bekanntgegeben wurde, wird die Warnung ausgesprochen, die Wachsamkeit der Völker dürfe nicht einschlafen und ein falsches Sicherheitsgefühl dürfe nicht aufkommen, solange nicht eine Atmosphäre des Vertrauens in den zwischenstaatlichen Beziehungen hergestellt ist. Ich glaube, wir sollten diese Warnung nicht überhören, zum wenigsten dann, wenn wir uns erinnern, daß sie in dem Vorschlag der Sowjetregierung an die Abrüstungskonferenz in London zu finden ist.
Die Enttäuschung im deutschen Volke darüber, daß in der Lebensfrage des Volkes keine Fortschritte erzielt wurden, ist im Wachsen. Die Fortdauer der Spaltung Deutschlands und die Ergebnislosigkeit aller bisherigen Versuche, sie zu überwinden, stellen für alle Deutschen diesseits und jenseits der Zonengrenze eine Nervenprobe dar, der wir vielleicht nicht alle gewachsen sind. Es ist daher auch nicht verwunderlich, daß sich im deutschen Volke Stimmen erheben, die nach einer Revision der bisherigen Außenpolitik rufen, die die bisherigen Anstrengungen und Bemühungen kritisieren und eine Initiative fordern, von der sie hoffen, daß der augenblicklich erreichte tote Punkt in der Frage der Wiedervereinigung überwunden wird.
Die Bundesregierung hat, ich darf es Ihnen versichern, diese Stimmen nicht überhört, und sie hat auch jede kritische Äußerung sorgfältig geprüft, jede Äußerung, die sich sachlicher Argumente bedient. Indessen scheint es leichter, eine Initiative zu fordern, als klare Vorschläge über den Inhalt einer aussichtsreichen Initiative zu machen.
({7})
Die Bundesregierung weiß sich mit dem Bundestag einig in der Feststellung, daß der Kernpunkt einer jeden Initiative die Forderung nach Freiheit sein muß. Sie hat diese Forderung unablässig erhoben, und sie wird auch in Zukunft von der Sowjetunion fordern, den von ihr oder ihren Handlangern beherrschten Deutschen Freiheit zu geben und es ihnen zu überlassen, diese Freiheit mit den institutionellen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates zu sichern.
Aber niemand wird von der Bundesregierung erwarten dürfen, daß sie Initiativen ergreifen könnte, die die Forderungen nach Freiheit mißachten oder ihre Erfüllung gefährden.
Die Bundesregierung hat sich bisher von den folgenden Gesichtspunkten leiten lassen, die auch ihr Handeln in der Zukunft bestimmen werden: Sie glaubt es nicht verantworten zu können, irgendeine Initiative zu entfalten, die nicht der ruhigen Überlegung, sondern nur der vielleicht menschlich begreiflichen Ungeduld entspringt. Sie würde gegen ihre Pflicht verstoßen, wenn sie sich Inhalt und Zeitpunkt für die notwendigen Schritte von denen aufzwingen ließe, die die angebliche Passivität der Außenpolitik der Bundesregierung kritisieren, ohne diese Kritik mit Vorschlägen zu verbinden und zu begründen, die die Bundesregierung vor dem ganzen deutschen Volk verantworten könnte. Sie wird sich daher auch nicht zu irgendwelchen Schritten verleiten lassen, die von vornherein zur Erfolglosigkeit verurteilt sind und die die bestehende tiefe Enttäuschung nur zu erhöhen vermöchten.
Die Bundesregierung weigert sich aber auch, aus der unleugbaren Verhärtung der sowjetrussischen Haltung die Konsequenz zu ziehen, daß sie nun ihre eigene Haltung revidieren und den sowjetischen Vorstellungen entgegenkommen müßte.
({8})
Die Erfahrung lehrt, daß diese Konsequenz zur Selbstvernichtung führen müßte.
({9})
Die sowjetische Politik hat in der Vergangenheit ihren Kurs immer dann, aber auch nur dann geändert, wenn sie spürte, daß sie auf unüberwindlichen Widerstand stieß, und wenn die Änderung ihrer Politik ihr Vorteile einzubringen schien. Diese Erkenntnis wird auch durch Vorgänge in der jüngsten Vergangenheit bestätigt, in der es die Sowjetunion vermochte, solche als Freunde zu preisen, die sie vorher wegen ihres unbeugsamen Widerstandes als Verräter und Verbrecher gebrandmarkt hatte.
({10})
Die Bundesregierung läßt auch darum keinen Zweifel daran, daß sie keine Schritte unternehmen wird, die etwa von der Regierung der Sowjetunion als der Ausdruck innerer Unsicherheit oder als der Beginn der Unterwerfung ausgelegt werden könnten. Darum wird die Bundesregierung auch keine Vorschläge machen und auf keine Vorschläge eingehen, die sie mit ihren Verbündeten entzweien würden. Die Probleme sind zu ernst und die Gefahren zu groß, als daß ein leichtfertiges Spiel mit der Zukunft des deutschen Volkes zulässig wäre. Darum darf die Bundesregierung auch keinen Weg beschreiten, der vielleicht die Einheit bringen, aber gleichzeitig die Freiheit kosten würde.
({11})
Wenn die Bundesregierung an diesen Grundsätzen festhält, so liegt darin gewiß keine dogmatische Starrheit und keine Unbeweglichkeit. Diese
({12})
Haltung entspringt vielmehr der unerschütterlichen Überzeugung, daß Aufrichtigkeit und Stetigkeit sicherer zum gewünschten Ziel führen als Wankelmut und Resignation.
({13})
Meine Damen und Herren! Diese Forderungen der Bundesregierung stehen fest. Sie sind und bleiben wohl auch für das ganze deutsche Volk unabdingbar. Aber darüber hinaus gibt es in der Wiedervereinigungspolitik der Bundesregierung keine unechten Prinzipien und keine starren Methoden, die nicht im Lichte jeder neuen Entwicklung überprüft werden könnten.
Die Bundesregierung wird es jedoch bei diesen Feststellungen nicht bewenden lassen. Sie wird sich nicht damit abfinden, daß das Gespräch über die Wiedervereinigung dadurch, daß unerfüllbare Bedingungen gestellt werden, blockiert wird und damit am Ende einschläft. Sie wird sich in der nächsten Zeit an die Vier Mächte, also auch an die Sowjetunion, wenden und sie an ihre Verpflichtung erinnern, den unerträglichen Zustand der Spaltung Deutschlands zu beseitigen. Sie weiß, daß drei dieser Mächte dazu bereit sind; sie haben ihre Bereitschaft wiederholt bewiesen und immer von neuem bekräftigt. Das drängende Fordern gilt darum in erster Linie der Sowjetunion, die bisher ihre Mitwirkung an einer für das deutsche Volk tragbaren Losung verweigert hat.
Ich halte es nicht für möglich und auch nicht für zweckmäßig, auf den Inhalt dieser Note einzugehen, die sich in Vorbereitung befindet. Ich bin überzeugt, daß das Hohe Haus dafür Verständnis hat. In großen Linien ergibt sich der Inhalt dieser Note aus der deutschen Vorstellung, die wir in der Frage der Wiedervereinigung haben.
Tatsächlich gibt es ja auch nur ein einziges Argument, das die Sowjetunion der Forderung nach Wiedervereinigung entgegenhalten dürfte: die Sorge, daß eine Machtverschiebung eintreten könnte, die geeignet wäre, die eigene Sicherheit zu gefährden. Ich sage, daß es nur dieses eine Argument gibt; denn alle anderen dürfen wir nicht gelten lassen, gleichgültig, in welcher Form sie vorgetragen werden.
Diesem einzigen echten Argument der Sowjet-. union Rechnung zu tragen, war und ist die Bundesregierung zu jeder Zeit bereit. Niemand sollte zweifeln, daß diese Bereitschaft mindestens im gleichen Maße auch bei einer künftigen gesamtdeutschen Regierung zu finden wäre. In den beiden letzten Genfer Konferenzen haben sich die Regierungschefs und Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten gemeinsam bemüht, diese Sorge auszuräumen. Wenn sie wirklich echt ist, dann wird und muß es gelingen, eine Lösung zu finden. Die Bundesregierung ist überzeugt, daß der Schlüssel zu der Lösung in dem Problem der Abrüstung liegt. Eine wirksame, umfassende, kontrollierte Abrüstung, die alle Phasen und alle Bestände ,der Waffenproduktion einschließlich der atomaren Waffen umfassen sollte, wird die Völker der Welt von dem Gefühl der Angst befreien. Diese Angst ist ja die tiefste Wurzel des gegenseitigen Mißtrauens und damit im Sinne eines grauenvollen und widersinnigen Circulus vitiosus der Ansporn, die Aufrüstung voranzutreiben und damit der potentiellen Gefahr von morgen zu begegnen. Eine solche Abrüstung könnte in letzter Konsequenz sogar jedes Sicherheitssystem überflüssig machen, denn der Ruf nach einem Sicherheitssystem ist im Letzten ja auch geboren aus dem Gefühl der Sorge und der Angst vor der Bedrohung. Die Bundesregierung wird daher ihre Anstrengungen ganz besonders auf die Frage der Abrüstung konzentrieren, und ich glaube, sie darf sich darin der Zustimmung des ganzen deutschen Volkes sicherlich bewußt sein.
({14})
- Meine Damen und Herren, wenn ich von Abrüstung spreche, dann bedeutet das ja nicht, daß wir zunächst den Kopf auf die Guillotine legen und warten, ob darauf die anderen, nachdem sie uns geköpft haben, freiwillig abrüsten werden.
({15})
- Zwingen Sie mich nicht, auf eine solche Bemerkung eine ebenso unhöfliche Antwort zu geben!
({16})
Das schließt naturgemäß nicht aus, meine Damen und Herren, daß sich die Bundesregierung in gleicher Weise bemühen wird, an der Schaffung eines zuverlässigen, wirksamen gegenseitigen Sicherheitssystems mitzuwirken. Namens der Bundesregierung erkläre ich auch heute wieder, daß die Gewährung echter Sicherheitsgarantien an die Sowjetunion niemals an dem Widerspruch einer deutschen Regierung scheitern wird.
({17})
In dieser Fragegibt es auch keine falschen Prestigebedürfnisse, die die Bundesregierung zu vertreten hätte. Die einzige und letzte Grenze, die allerdings niemals überschritten werden darf, ist die eigene Sicherheit des deutschen Volkes, die gerade derjenige anerkennen sollte, der sich selbst auf die mögliche Gefährdung seiner Sicherheit beruft.
({18})
Die starre Haltung der Sowjetunion ist schwer zu erklären. Vielleicht spielen auch spekulative Erwägungen auf gewisse Zeitentwicklungen eine Rolle. Soweit sich diese Spekulationen mit Deutschland beschäftigen, liegt es in unserer Hand, sie zu entkräften.
({19})
Die Sowjetunion muß wissen, ,daß die Bundestagswahlen des Jahres 1957 vielleicht zu innenpolitischen Umgruppierungen, aber niemals zu grundlegenden Änderungen der deutschen Außenpolitik führen werden.
({20})
Ich bin überzeugt, daß keine frei gewählte Regierung der Bundesrepublik Deutschland in der Frage der Wiedervereinigung von den obersten Grundsätzen abgehen wird, die auch heute die Politik der Bundesregierung bestimmen: keine Anerkennung der illegitimen Gewaltherrschaft in der sowjetisch besetzten Zone, keine Wiedervereinigung ohne Sicherung der freiheitlichen Grundordnung des deutschen Volkes nach innen und nach außen, keine Preisgabe unserer Zugehörigkeit zur freien Welt.
({21})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, daß eine solche Frage nicht gestellt werden sollte.
({22})
- Nein! Erlauben Sie mir zu sagen: weil sie in diesem Zeitpunkt auch töricht ist.
({23})
Die Bundesregierung kann heute so wenig wie je zuvor Versprechungen über den Zeitpunkt abgeben, an dem ihre auf die Wiedervereinigung des deutschen Volkes gerichtete Politik zum Erfolge führen wird; und es wäre auch absurd, so etwas zu fordern. Gewisse Vorgänge, die sich in jüngster Zeit in der Sowjetunion und wohl auch in einigen Staaten ihres Herrschaftsbereiches abgespielt haben, erfüllen uns mit einer gewissen Zuversicht. Sie haben gezeigt, daß die bisherigen Methoden nicht mehr voll wirksam sind. Dieser unausweichlichen Entwicklung werden sich dann vielleicht auch die gegenwärtigen Machthaber von Pankow nicht entziehen können, und jeder Schritt auf dem Wege dieser Entwicklung kann auch ein Schritt sein, der uns der Wiedervereinigung näher-bringt.
Diese Erklärungen mögen vielleicht den einen oder anderen enttäuschen, der mit heißem Herzen den Tag der Wiedervereinigung herbeisehnt. Es ist begreiflich, wenn bei dem einen oder anderen Wunschvorstellungen die nüchterne Betrachtung der Dinge und die realpolitische Würdigung der Möglichkeiten überschatten. Die Bundesregierung ist sich durchaus bewußt, daß dies vor allem für die deutschen Menschen in der sowjetisch besetzten Zone gilt, deren seelische Not von Tag zu Tag, ja, vielleicht von Stunde zu Stunde steigt. Der Strom derer, die Heimat, Existenz und zuweilen auch Familie aufgeben, um die Luft der Freiheit wieder atmen zu können, ist ein erschütternder Ausdruck dieser Not. Darum sollte es uns auch nicht genügen, ,dem Gefühl der unlöslichen inneren Verbundenheit und der nationalen Einheit nur durch Worte Ausdruck zu geben.
({24})
Wir alle haben die Möglichkeit, diese Verbundenheit auch durch die Pflege der menschlichen Beziehungen und durch eine unverdrossene Hilfsbereitschaft zu bestätigen.
({25})
Wir alle, die wir uns gemeinsam um die Wiedervereinigung bemühen, sprechen von den Opfern, die wir zu bringen bereit sind. Ich glaube, wir alle haben Gelegenheit, diesen Opfersinn heute schon zu betätigen und damit in den deutschen Menschen jenseits der Zonengrenze das Gefühl zu stärken, daß wir sie nicht vergessen, daß wir sie nicht abgeschrieben haben.
({26})
Das gilt in gleicher Weise auch für die Stadt Berlin, deren überzeugendes Bekenntnis zur Freiheit mehr als feierliche Erklärungen dazu beigetragen hat, den Menschen jenseits unserer Landesgrenzen die ganze Tragik der Trennung, aber auch die Gefahr der Spaltung immer von neuem in das Bewußtsein zu rufen.
({27})
Wenn wir die Hoffnung haben, daß die Entwicklung in der Sowjetzunion vielleicht zu einer Änderung der politischen Ziele in diesem Lande führen könnte, dann ist es unsere Aufgabe, eine solche Entwicklung zu fördern. Wir können das auf zweierlei Weise tun. Wir müssen einmal, so meine ich, der Sowjetunion durch unser Verhalten die letzte Hoffnung nehmen, daß ihre bisherige Deutschlandpolitik sich verwirklichen lasse. Wir müssen aber außerdem versuchen, der Sowjetunion und ihrer Regierung klarzumachen, daß ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung des deutschen Volkes in Frieden und Freiheit in ihrem eigenen nationalen Interesse liegt. Die Sowjetunion muß davon überzeugt werden, ,daß den Lebensinteressendes sowjetrussischen Volkes besser gedient ist durch die Herstellung normaler und aufrichtiger Beziehungen zu einem in Freiheit wiedervereinigten Deutschland als durch eine sowjetische Politik, die sich durch willkürliche Vorenthaltung von Einheit und Freiheit die Gegnerschaft eines ganzen großen Volkes zuzieht.
({28})
Die Sowjetunion sollte auch wissen, daß das deutsche Volk zu echten Opfern bereit ist, um sein Ziel der Wiedervereinigung zu verwirklichen, zu Opfern allerdings, die die freie Gestaltung der inneren Ordnung und die Sicherheit der Zukunft des deutschen Volkes nicht gefährden dürfen.
({29})
Und die ganze Welt sollte wissen, daß ein neues Deutschland um Vertrauen wirbt, ein Deutschland, das bereit und entschlossen ist, mit unseligen und verhängnisvollen Vorstellungen und Gedankengängen der Vergangenheit aufzuräumen. Zur Zeit können wir diese Absicht nicht besser ausdrücken als dadurch, daß wir über die Zuverlässigkeit der deutschen Politik und die Klarheit unserer politischen Ziele keine Zweifel aufkommen lassen, nicht im Westen und auch nicht im Osten.
Es ist nicht der Ausdruck der Unbelehrbarkeit oder gar der Halsstarrigkeit, meine Damen und Herren, wenn ich im Namen der Bundesregierung der Überzeugung Ausdruck gebe, daß die Außenpolitik der vergangenen Jahre, über die ich hier summarisch Rechenschaft ablege, sich bewährt hat. Die Bestätigung, die diese Politik durch die aufgeschlossene Freundschaft und das Verständnis der ganzen freien Welt erfahren hat, kann diese Überzeugung nur stärken.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist der Überzeugung, daß der tragische Widerstreit zwischen Macht und Recht, dessen Opfer das deutsche Volk ist, der Ausdruck einer tiefgehenden Unordnung in der Welt ist. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, dazu beizutragen, daß die Macht sich des Rechts bedient, um eine neue beständige Ordnung zu gestalten, daß aber auch das Recht sich der Macht bedient, wenn es in der Gefahr steht, geschändet zu werden.
({30})
Das Haus hat die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Die Aussprache findet morgen statt.
Ich rufe Punkt 1 a der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP betreffend Ferienaktion für Berliner Kinder ({0}).
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
({1})
- Ich bitte um Ruhe für die Rednerin und darf außerdem bekanntgeben, daß der Ältestenrat jetzt sofort in seinem Sitzungszimmer zusammentritt.
({2})
Frau Dr. Ilk ({3}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir Ihnen heute diesen Antrag zugunsten der Ferienaktion für Berliner Kinder vorlegen - er ist von allen Fraktionen dieses Hauses unterschrieben -, bei der Bundespost darauf hinzuwirken, daß eine Briefmarkenserie mit einem Aufschlag herausgegeben wird dessen Erlös eben dieser Ferienaktion für Berliner Kinder zugute kommen soll, so tun wir das in der Hoffnung, daß sich in Zukunft möglichst viele Staatsbürger dieser Marken bedienen, damit ein Grundstock gebildet werden kann, um den Kindern aus Berlin wenigstens im nächsten Jahr eine recht große Ferienhilfe zuteil werden zu lassen.
Das Aufkleben solcher Marken auf die Briefe soll nicht etwa, wie es vielleicht den Anschein erweckt, eine zusätzliche Verpflichtung sein, wie sie seinerzeit die Notopfermarke Berlin bedeutete. Nein, es soll eine freiwillige Spende sein, die jeder Staatsbürger leisten soll, und ich appelliere an dieser Stelle namens aller Fraktionen an die Öffentlichkeit, sich dieser Marken möglichst oft zu bedienen.
({4})
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag, den wir hier stellen, nicht an einen Ausschuß zu verweisen, sondern ihn gleich anzunehmen, damit der Herr Bundespostminister in der Lage ist, seiner Absicht entsprechend einen möglichst schönen Entwurf für diese Markenserie herstellen zu lassen und die Marken in Druck zu geben.
({5})
Ich stelle also hiermit den Antrag, über diesen Antrag der Fraktionen sogleich abzustimmen.
({6})
Meine Damen und Herren, der Antrag ist eingebracht und begründet. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 2506 ({0}) zustimmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1956 ({1}) ({2});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({3}).
({4})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, es mit der „Allgemeinheit" dieser allgemeinen Aussprache so wörtlich zu nehmen, wie es in der Geschäftsordnung steht, d. h. in der allgemeinen Aussprache nicht explizite zu einzelnen Anträgen zu sprechen, die bei der Beratung der Einzelpläne gestellt werden sollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratungen des Bundeshaushalts 1956 stehen nicht unter einem guten. Stern. Schon in früheren Jahren hatten wir den Umstand zu beklagen, daß die Verabschiedung des Bundeshaushalts niemals fristgerecht erfolgen konnte. Dabei lag die Schuld durchaus nicht beim Parlament, das sich einer gründlichen Beratung dieses finanziellen Grundgesetzes unseres Staates nicht entziehen darf oder, besser gesagt, nicht entziehen dürfte. Leider verhindert die gesamte Anlage unserer parlamentarischen Arbeit und insbesondere die Überfüllung dieser letzten Sitzungswochen vor den Parlamentsferien eine wirklich gründliche Durchleuchtung des Haushalts, so wie es die Größe und Bedeutung dieses Gegenstandes verdienten.
Schon die Beratungen im Ausschuß, über die ich mit einiger Erfahrung sprechen kann, waren weit mehr als in früheren Jahren mit Schwierigkeiten verknüpft. Immer wieder wurde der Gang der Verhandlungen durch die Überschwemmung des Ausschusses mit Vorwegbewilligungsanträgen, zum Teil solchen monumentalen Umfanges, und mit Nachträgen zum Haushalt 1955, von denen jetzt schon der vierte vorliegt, behindert. Diese Schwierigkeiten waren nicht technischer, sondern politischer Natur. In der Regel ging es nämlich bei den dazwischengeschobenen Vorlagen um die Finanzierung von Aufrüstungsvorhaben, und als schließlich der Ausschuß seine Arbeit beendet hatte, mußten wir feststellen, daß die Plenarberatungen durch das Zusammentreffen von drei großen, ja, man kann sagen, von drei Kardinalfragen unserer Politik im Plenum dieses Hauses eingeschnürt und überschattet werden würden: die Konjunkturdebatte, die lange verzögerte Auseinandersetzung über die überfällige Sozialreform und schließlich noch eine außenpolitische Debatte, deren Einleitung wir heute in einer zweistündigen Erklärung der Bundesregierung erlebt haben. Daß zwischen diesen großen Fragen die Verabschiedung eines 35-Milliarden-Haushalts eingeklemmt ist, gehört allein schon zu den parlamentarischen Raritäten, an denen unsere bundesrepublikanische Demokratie nicht gerade arm ist.
({0})
Wir stellen diesen Sachverhalt mit Bedauern fest. Er hat seine Ursache gleichfalls nicht in technischen Schwierigkeiten, sondern vielmehr in der Gesamtpolitik einer Regierung, die nach unserer Meinung auf entscheidenden Gebieten unserer po({1})
litischen Existenz hinter ihrer Aufgabe zurückgeblieben ist.
({2})
Daß diese Regierung in diesem Hause noch immer über eine gefügige Mehrheit gebietet, ändert nichts an der Tatsache, daß sie einem immer deutlicher werdenden Zersetzungsprozeß ausgesetzt ist. Alle Beifallsstürme bei Regierungserklärungen können nicht über diese Tatsache hinweghelfen.
({3})
Angesichts der großen Debatten, die in diesen Wochen in diesem Hause vor sich gehen, muß ich darauf verzichten, einen Teil der Fragen zu erörtern, die für die Beurteilung der Gesamtpolitik der Bundesregierung und damit für die Haltung der sozialdemokratischen Fraktion zum Haushalt dieser Regierung entscheidend sind.
Wie in jedem öffentlichen Haushalt befindet sich auch in diesem Bundeshaushalt 1956 eine große Zahl von Positionen, die wir bejahen, die wir weder ändern noch beseitigen würden, wenn wir selbst die Regierungsgeschäfte führen müßten. Es gibt andere, deren Ausstattung wir für ungenügend halten, und solche, die wir entschieden bekämpft haben oder deren Gewicht im Gesamthaushalt wir für falsch halten. Ich will einige Beispiele erwähnen, ohne hier einen Katalog unserer kritischen Anmerkungen aufzustellen; dazu ist in diesem Augenblick nicht die Zeit. Da sind z. B. - das hat ja schon in der zweiten Beratung eine Rolle gespielt - die sogenannten Geheimfonds, die im Haushalt der Bundesregierung zwar das Gesamtvolumen nicht entscheidend beeinflussen, deren Existenz aber und deren wachsende Größe allein schon ein Ärgernis und deren Unkontrollierbarkeit eine ständig wachsende Gefahr für die demokratischen Sitten, für die demokratische Grundhaltung in diesem Lande sind.
({4})
Unsere Versuche, sie einer parlamentarischen Prüfung zu unterwerfen, sind auch jetzt wieder gescheitert bis auf eine Ausnahme, die allerdings ihre besonderen Gründe hat.
Wir beklagen zutiefst, daß auch in diesem Haushalt, auch nach den Beschlüssen der zweiten Beratung, die Förderung der wissenschaftlichen Forschung, und zwar der Forschung auf allen Gebieten, nicht nur der Zweckforschung, sondern auch der Forschung im Bereich der Geisteswissenschaften, nach wie vor durchaus ungenügend ist. Was wir auf dem Gebiet tun, steht in keinem Verhältnis zu den Aufgaben, die unserem Lande und unserem Volke gestellt sind.
({5})
Weiterhin ist der Prozeß der weiteren Ausdehnung der Verwaltung, der Aufblähung der Verwaltung, wie man neuerdings zu sagen pflegt, noch immer nicht abgeschlossen. Er wird im Gegenteil im Zusammenhang mit dem Aufbau des Verteidigungsministeriums einen neuen und, ich möchte sagen, keinen schöneren Akzent bekommen. Wenn man an die Zahlen denkt, die in diesem Zusammenhang genannt werden, dann kann einem angst und bange werden.
Ich darf an dieser Stelle vielleicht noch eine Bemerkung zu den Bemühungen um eine Verwaltungsreform machen, obwohl sie im Haushalt selber keinen unmittelbaren Niederschlag findet; aber künftige Haushalte könnte sie wesentlich beeinflussen. Dieses Haus hat im vorigen Jahr mit der Einsetzung eines Ausschusses sozusagen den Startschuß gegeben. Man könnte jedoch beinahe meinen, daß wie schon so oft die Einsetzung eines Ausschusses der Beginn eines Begräbnisses dritter Klasse sei.
({6})
Denn bis jetzt ist aus der ganzen Sache nichts geworden. Der Ausschuß ist da, aber er ist nicht arbeitsfähig, weil sich diejenigen Gruppen und Fraktionen in diesem Hause, die den Vorsitzenden stellen sollen, über dessen Person nicht einigen können.
({7})
So hat bisher der Ausschuß zwar eine erste Sitzung gehalten, aber keine praktische Arbeit leisten können. Im übrigen finden wir, daß die Regierung die Pflicht hätte, ohne auf die Ergebnisse der Arbeit dieses Ausschusses zu warten, von sich aus Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer weitgehenden Vereinfachung und Rationalisierung der Verwaltung führen. Dabei sollte nicht übersehen werden, daß die Tendenz zur Verkürzung der Arbeitszeit, die sich aus den veränderten und erweiterten technischen Produktionsmöglichkeiten in der Wirtschaft ergibt, die öffentliche Verwaltung nicht unbeeinflußt lassen wird.
Bis jetzt ist allerdings von Bemühungen der Bundesregierung um eine wirkliche Vereinfachung der Verwaltung noch wenig zu spüren, von Ausnahmen abgesehen, z. B. im Bereich der Finanzverwaltung. Ein Beispiel dafür, wie man mit der Vereinfachung der Verwaltung anfangen könnte, scheinen uns - ich will das jetzt nur gerade aufgreifen, weil es so nahe liegt - die Sonderminister, die noch immer in der Bundesregierung ein merkwürdiges Dasein fristen. Ihre Zahl ist zwar vermindert, aber die Institution selber ist bestehengeblieben. Unsere Streichungsanträge in der zweiten Beratung sind abgelehnt worden. Ich mache Ihnen einen Vorschlag zur Güte, meine Damen und Herren! Nach Pressemeldungen der letzten Tage scheint sich die Bundesregierung ebenfalls zu unserer Auffassung zu bekennen, daß diese Sonderminister überflüssig geworden sind. Nun, wenn man von diesen Pressemeldungen, die von der bevorstehenden Umbildung des Kabinetts sprechen, wenigstens so viel ernst nimmt, dann könnte man doch dazu übergehen, den Haushalt der Sonderministerien auf 50 % herabzusetzen, damit in den nächsten Monaten der Bundesregierung Gelegenheit gegeben wird, ernst zu machen mit den guten Vorsätzen, die offenbar in ihrem Schoße herangereift sind.
({8})
Das sind, wie ich schon gesagt habe, Einzelheiten. Die sozialdemokratische Haltung gegenüber diesem Bundeshaushalt wird nicht durch diese Einzelheiten bestimmt. Sie wissen, wie intensiv meine politischen Freunde an der Ausschußarbeit beteiligt waren und wie sehr sie sich dabei um sachliche Lösungen bemüht haben. Unsere Haltung orientiert sich an den Tendenzen, die im Gesamtbild der Politik der Bundesregierung entscheidend sind.
Die gegenwärtige Bundesregierung ist aus den Septemberwahlen 1953 hervorgegangen. Sie verfügte nicht nur in der Siegerin des Wahlkampfes,
({9})
der CDU, über eine absolute Mehrheit, sie konnte sich auch auf treue Partner stützen - so schien es damals -, die mit ihr in allen Fragen der Außen- und Innenpolitik konform gingen, man kann sagen: bis hin zu der antisozialdemokratischen Grundhaltung des Regierungschefs, dem dadurch zur Mehrheit seiner Partei auch noch die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit beschert wurde. Diese Regierung hatte also alle Möglichkeiten, das zu verwirklichen, was sie sich als Ziel gesetzt hatte; so schien es. Sie bot ein wahrhaft imponierendes Bild von Kraft und Geschlossenheit, in dessen Mittelpunkt der große alte Mann im Bundeskanzlerpalais mit seinem Kabinett von 19 Ministern stand. Ich muß es mir versagen, meine Damen und Herren, die Erinnerung an das damals verkündete Regierungsprogramm heraufzubeschwören. Es mag genügen, festzustellen, daß die Entwicklung in den drei Jahren seit der Adenauer-Wahl von 1953 die Konzeption der Bundesregierung Stück um Stück widerlegt hat.
Wir sind heute morgen Zeugen der Art geworden, wie die Bundesregierung sich in einer veränderten Welt ihre eigene Rolle und Funktion in den großen außenpolitischen Fragen unseres Volkes vorstellt. Darüber will ich nicht reden; darüber wird morgen zu reden reichlich Gelegenheit sein. Ich will nun sehr summarisch jene Züge in der Politik der Bundesregierung erwähnen, die nach unserer Meinung einen eklatanten Mißerfolg darstellen.
Da ist die Politik der militärischen Stärke, in deren Zug die Bundesregierung in das westliche Verteidigungssystem eingegliedert und zur Aufstellung einer Armee verpflichtet wurde. Diese Politik gehört - darüber kann heute kein Zweifel sein - der Geschichte an. Geblieben ist nur die militärische Rüstung, die in verstärktem Tempo mit einem finanziellen Aufwand betrieben wird, der schon heute schwer auf die Erfüllung anderer wichtiger Aufgaben drückt, dessen wirklicher Umfang aber weit über das hinausgehen wird, was man ursprünglich vorgab. Heute morgen konnte man in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" im Zusammenhang mit der Erörterung der Vorgänge um die Stationierungskosten eine Bemerkung lesen, die offenkundig auf guten Informationen beruht.
({10})
Da wurde gesagt, daß von amtlicher Stelle die Meinung vertreten werde, die rund 11/2 Milliarden Stationierungskosten, zu deren Zahlung sich die Bundesregierung jetzt verpflichtet habe, betrügen das Anderthalbfache eines Monatsbedarfs der Bundeswehr. Meine Damen und Herren, wer rechnen kann, der weiß, was das bedeutet. Wenn das Anderthalbfache eines Monatsbedarfs der Bundeswehr rund 1,5 Milliarden DM beträgt, dann machen der Monatsbetrag 1 Milliarde DM und der Jahresbetrag 12 Milliarden DM aus.
({11}) Wenn das richtig ist
({12})
- und es ist kaum daran zu zweifeln, daß mindestens das richtig ist -, dann geht das weit über alles hinaus, was man uns bisher über die Kosten der Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und
über die Kosten der Schaffung der Bundeswehr gesagt hat.
({13})
Die Wiedervereinigung unseres Landes, die man im Bunde mit der militärischen Kraft des Westens den Russen abzuzwingen hoffte - so hat man uns gesagt -, ist nicht im geringsten nähergerückt, und die starre Haltung in der Politik der Bundesregierung, für die wir heute morgen wieder einen neuen Beweis erhalten haben, bringt die Bundesrepublik in die Gefahr der Isolierung und der außenpolitischen Aktionsunfähigkeit. Nicht mit Unrecht ist von der Politik des Herrn Bundeskanzlers gesagt worden, daß sie ihn zum letzten Mohikaner des kalten Krieges mache. Selbst in Kreisen des In- und Auslandes, die bisher dem Chef der Bundesregierung mit Wohlwollen gegenüberstanden, wächst die Besorgnis gegenüber der Unbeweglichkeit einer Politik, die sich in der Wiederholung alter Formen erschöpft und Gefahr läuft, daß die weltpolitische Entwicklung an ihr vorübergeht. Selbst ein Ereignis wie die bevorstehende Rückkehr der Saar in den deutschen Staatsverband war kein Erfolg der offiziellen Politik der Bundesregierung, sondern im Gegenteil eine Absage an diese Politik, die von der erdrückenden Mehrheit der Saarbevölkerung erteilt wurde.
({14})
Im Zusammenhang mit der Außenpolitik, die zu solchen Ergebnissen geführt hat, muß auch die innere Politik gesehen werden. Im Rahmen einer Haushaltsdebatte ist es nur natürlich, daß dabei in erster Linie die Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung ins Auge gefaßt wird. Sie dient ja der Verwirklichung der Absichten der Regierung, und aus der Art, wie hier die Gewichte verteilt und die Mittel verwendet werden, läßt sich ein Schluß auf den sozialen Charakter der Regierungspolitik und der sie tragenden Kräfte ziehen. Im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen ist immer wieder über die Unbeweglichkeit der großen Haushaltspositionen geklagt worden, und mit diesem Argument, das vor allem auf die Verteidigungs- und die Soziallasten angewandt wurde, ist manche zwingende und unausweichliche soziale Leistung abgewehrt worden. Aber diese Unbeweglichkeit des Haushalts ist ja die unmittelbare Folge einer Finanzpolitik, die dem Herrn Bundesfinanzminister, wie ich dieser Tage hörte, den scherzhaft gemeinten Vornamen Julius eingetragen hat. In dem geflügelten Wort vom Juliusturm steckt alles, was an unsinniger Hortungspolitik im Namen der Rüstungsfinanzierung in den letzten Jahren getrieben worden ist.
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Herr Kollege Dr. Vogel hat in der zweiten Beratung die von seinem Standpunkt aus etwas unvorsichtige Bemerkung gemacht, man solle im Haushalt nur soviel veranschlagen, als man verkraften könne. Das galt freilich nur für eine Forderung der Sozialdemokratie, nämlich für die Förderung der sogenannten unterentwickelten Gebiete 50 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Im Verteidigungshaushalt aber hat der Herr Bundesfinanzminister Jahr um Jahr Hunderte von Millionen mehr veranschlagt, als ausgegeben werden konnten, bis schließlich sein Juliusturm in voller Größe - aber man kann keineswegs sagen: in voller Schönheit - dastand. Das alles ging auf Ko({16})
sten der Steuerzahler und zu Lasten dringender Aufgaben wie der Verbesserung der Rentenleistungen in der Sozialversicherung, der Leistungen in der Kriegsopferversorgung und der Lösung der Verkehrsprobleme. Schließlich wurde der Unwille gegen diese Art von Politik auf allen Seiten in der Bevölkerung, ja bis in die Reihen der Koalition und der eigenen Partei hinein so groß und die Gefahr dieser Politik so deutlich sichtbar, daß man krampfhaft nach Wegen suchen mußte, um der selbst heraufbeschworenen Gefahr zu entgehen.
Nichts ist bezeichnender als der Unterschied irn Tempo der Finanzierung der verschiedenen Aufgaben. Nehmen wir zunächst einmal die Finanzierung der Rüstung. Ihr Umfang wird durch vertragliche Verpflichtungen erklärt, die die Bundesregierung mit Zustimmung der Mehrheit dieses Hauses übernommen hat. „500 000 Mann und nicht weniger" scheint noch immer die eiserne Parole zu sein. Dabei ist offenkundig, daß die Planungen, aus denen sich die Sollstärke der künftigen Bundeswehr errechnete, längst durch waffentechnische und militärstrategische Entwicklungen überholt sind.
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In allen entscheidenden anderen Ländern geht man ernsthaft daran, die Truppenstärke zu vermindern, und gerade in diesen Tagen ging eine Meldung durch die Presse, nach der der englische Premierminister Eden eine solche Maßnahme gleichzeitig mit der in absehbarer Zeit möglichen Beseitigung der allgemeinen Wehrpflicht ankündigte.
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Man denke daran, daß wir in diesen Wochen gerade über die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht beraten und daß es hier im Hause und bei der Regierung Leute gibt, die glauben, daß das die einzig mögliche Lösung für das Problem sei, das die Mehrheit des Bundestags und die Bundesregierung durch ihre vertraglichen Verpflichtungen selber geschaffen haben. Wir in der Bundesrepublik sind offenbar entschlossen, auch in diesem Punkte die Entwicklung an uns vorbeigehen zu lassen. Dabei gibt es selbst unter den Sachverständigen im Bundesverteidigungsministerium wohlbegründete Meinungen, die dahin gehen, daß die Bundesrepublik im Höchstfalle 300 000 Soldaten biologisch, wie es heißt, und arbeitsmarktmäßig verkraften könne.
Wenn man die Politik bejaht, die die Bundesregierung treibt - und wir Sozialdemokraten haben keinen Zweifel daran gelassen, daß wir es nicht tun -, dann sollte man wenigstens die Stimme der Vernunft und die Wirklichkeit bei den politischen Entscheidungen, die man zu treffen gesonnen ist, mitsprechen lassen und sollte daraus auch Konsequenzen ziehen, die sich auf die finanzielle Verteilung der Gewichte im Bundeshaushalt auswirken, so daß Mittel, die für andere Zwecke nötig gebraucht werden, nicht festgelegt werden durch eine politisch nicht notwendige und militärisch sinnlose Art der Wiederaufstellung einer Armee.
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In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, muß ich auf eine haushaltspolitische Einzelheit zu sprechen kommen, die mein Freund Ritzel in der zweiten Beratung schon berührt hat. Sie illustriert meine These, daß die Bundesregierung in der Frage der Rüstung viel weniger finanzielle Skrupel hat als in anderen Fragen. Dem Verteidigungsministerium, das ja als Dienststelle Blank schon seit Jahren existiert, ist für den Haushalt 1955 eine Form der Veranschlagung seiner Mittel zugestanden worden, die haushaltsmäßig absolut anomal und bedenklich war.
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Seine Bedürfnisse wurden in einer Globalsumme veranschlagt, deren Aufgliederung späteren Nachträgen vorbehalten bleiben sollte. Haushalts- und Verteidigungsausschuß wurden ermächtigt, im Wege von Vorwegbewilligungen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das war schon für das letzte Haushaltsjahr keine schöne Methode; daß sie auch in diesem Jahr wieder angewandt wird, ist in höchstem Grade bedenklich.
Man muß die Frage aufwerfen, was denn dieses Ministerium in der langen Zeit getan hat, während der es stets mit 500 000 Mann Sollbestand operierte. Hat man keine Zeit gehabt, Stellenpläne auszuarbeiten und Überlegungen hinsichtlich des Sachbedarfs anzustellen, wo man doch, wie wir wissen, Programme im großen Umfang entwikkeln und von den Ausschüssen des Parlaments beraten lassen konnte? Wie war es möglich, daß just während der zweiten Beratung des Bundeshaushalts, in der auch der Haushalt des Verteidigungsministeriums besprochen wurde, zwar noch immer eine Globalsumme im Einzelplan 14 veranschlagt wurde, aber gleichzeitig den beiden Ausschüssen, von denen ich vorhin gesprochen habe, eine aufgegliederte Vorlage zugehen konnte mit einem Betrag von mehr als zwei Milliarden - von den Bindungsermächtigungen für die Zukunft will ich nicht sprechen - und mehr als 50 000 Planstellen für Soldaten? Man kann uns doch nicht weismachen, daß diese Aufbereitung nicht schon vor drei Wochen möglich gewesen wäre.
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Dann hätte sie allerdings in diesen Plenarberatungen mit zur Debatte gestanden. Die Frage ist berechtigt: Wollte man das vermeiden? Eilte es so sehr, daß man dabei sogar den Bundesrat umgehen mußte?
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Wir müssen jedenfalls Methoden mit allem
Nachdruck ablehnen. Sie widersprechen einer sauberen parlamentarischen Praxis und führen zu Konsequenzen, vor denen wir mit allem Nachdruck warnen mußten, zu Konsequenzen, von denen wir gerade bei der Behandlung des Militärhaushalts vor einem Jahr uns alle versprochen hatten, daß wir sie niemals dulden würden.
Wir sollten mit aller Entschiedenheit darauf bestehen, daß gerade beim Verteidigungshaushalt und bei der militärischen Rüstung in diesem Hause in vollem Umfang Rechenschaft abgelegt wird, daß die Haushaltspläne so offen wie nur irgend möglich dargelegt werden und daß dem Hause und der Öffentlichkeit dabei nichts vorenthalten wird.
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Alle diese Dinge scheinen sich aus der Eile zu ergeben, die man bei der Verfolgung der Rüstungspolitik an den Tag legt.
Im Gegensatz aber zu dem Tempo, das in diesen Fragen vorgelegt wird, steht die Behandlung der Sozialprobleme. Da wir gestern in diesem Hause die große sozialpolitische Auseinandersetzung erlebt haben, kann ich nur noch einmal hervorheben, wie lange es gebraucht hat, bis die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf zu Stuhl kam, den
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sie gestern dem Hause unterbreitet hat. Von der Qualität will ich hier nicht reden; das wird an anderer Stelle geschehen, soweit es nicht schon geschehen ist. Wer weiß, ob es so schnell gegangen wäre, wenn nicht die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mit ihrem eigenen Gesetzentwurf der Bundesregierung Beine gemacht hätte.
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Unvergessen, vor allem wegen der Hartnäckigkeit, mit der sich Bundesregierung und Koalition wochen-, ja monatelang gegen eine einigermaßen vertretbare Anpassung der Kriegsopferrenten an die veränderten Lebenshaltungskosten gesträubt haben, bleibt der Kampf um die 5. Novelle zum Bundesversorgungsgesetz. Er war geradezu symptomatisch für den Tempounterschied bei militärischen und bei Versorgungs- und sozialen Fragen.
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Um die Lösung der Verkehrsprobleme, deren Dringlichkeit, theoretisch wenigstens, von keiner Seite bestritten wird, steht es nicht besser. Die bisher getroffenen Maßnahmen einschließlich des Verkehrsfinanzgesetzes reichen nach allgemeiner Überzeugung nicht aus, um des Problems in einer vernünftigen Zeit Herr zu werden. Das mit großem Aufwand verkündete Zehn-Jahres-Programm des Herrn Bundesverkehrsministers mit einem errechneten' Aufwand von über 22 Milliarden verspricht vieles, hat aber keinerlei ernsthafte finanzielle Grundlagen.
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Im Bundeshaushalt findet es kaum einen Niederschlag. Bei der Gesamtanlage des Haushalts ist das kein Wunder. Wenn die Verwirklichung der Aufrüstung so sehr im Vordergrund der Bemühungen steht, müssen die inneren Probleme zu kurz kommen.
Schließlich möchte ich eine Frage berühren, die in den den letzten Tagen eine pikante politische Aktualität gewonnen hat, die Frage der Stationierungskosten, zu deren Bezahlung sich die Bundesregierung offenbar hat bereit finden müssen.
Hier zunächst nur eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister, der ja wohl, wie aus seinem Briefwechsel mit dem Herrn Kollegen Dr. Vogel zu entnehmen ist, über die Höhe der Verpflichtungen, die da eingegangen worden sind, Bescheid weiß. Vielleicht weiß er besser Bescheid als der Herr Bundesaußenminister, der heute vormittag hier die offizielle Version der Geschichte verbreitet hat. Weiß der Herr Bundesfinanzminister schon, woher er die 1,5 Milliarden DM nehmen wird, die die Bundesrepublik im Gegensatz zu allen anderen Stationierungsländern an ihre Bundesgenossen zu bezahlen hat? Steht er noch auf dem Standpunkt, daß dieser Betrag aus dem Verteidigungshaushalt genommen werden müsse und könne? Oder wird er aus anderen Quellen schöpfen? Aus welchen, dürfen wir fragen. Auf die Antwort sind wir sehr gespannt. Denn niemand kann uns weismachen, daß 1,5 Milliarden DM einfach aus den Rippen geschwitzt werden, ohne daß es irgendwo im Haushalt zu Konsequenzen führt.
Damit komme ich zu einem Thema, das heute weit über dieses Haus hinaus die deutsche Öffentlichkeit, ja selbst die Öffentlichkeit im Ausland, beschäftigt, zu der Frage nach der inneren Verfassung der Regierung, die die Geschicke der Bundesrepublik gegenwärtig in Händen hat.
Die Auseinandersetzung um die Stationierungskosten zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister auf der einen und dem Bundeskanzler und dem Auswärtigen Amt auf der anderen Seite ist ja nur das vorläufig letzte Glied in der Kette der Konflikte, die die große antisozialdemokratische Koalition von 1953 in ihren Grundfesten erschüttert haben. Sie enthüllt nur eine Spielart der Methode, mit der der Chef der Bundesregierung im Laufe von drei Jahren zwei seiner Koalitionspartner gespalten und das durchgesetzt hat, was ihm als politische Konzeption vorschwebt.
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Der Vorgang selber ist, abgesehen von den finanziellen Belastungen, die er mit sich bringt, 'in mehrfacher Hinsicht interessant. Einmal - und das muß man festhalten - sind durch den Verlauf dieser Verhandlungen die Befürchtungen der sozialdemokratischen Opposition, die sie bei der Beratung der Pariser Verträge äußerte, zu unserem großen Bedauern voll bestätigt worden. Zum andern verraten die Art, wie der Herr Bundesfinanzminister seine Ansichten über das Verhandlungsergebnis - sozusagen auf Schleichwegen - bekanntmachen mußte, die vorausgegangene Pressekonferenz, in der die deutsche Presse ersucht wurde, das Thema der Stationierungskosten doch ja nicht weiter zu vertiefen, weil sonst die „anderen" über die Abmachungen mit den Amerikanern unterrichtet würden, und schließlich das Dementi aus dem Bundespresseamt eine solche Hintertreppenatmosphäre, daß man sich darüber nur noch wundern kann.
Dabei ist einiges an dem Vorgang sehr einfach zu erklären. Der Herr Bundeskanzler wollte eben in seinem Reisegepäck für seinen Besuch in Washington nicht nur die Sicherheit mitnehmen, daß der Bundestag das Wehrpflichtgesetz noch vor den Parlamentsferien verabschieden würde, sondern seinen amerikanischen Gastgebern gleich auch noch die 650 Millionen DM für Stationierungskosten auf den Tisch legen.
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Ja, meine Damen und Herren, es ist nicht das erste-mal gewesen, daß die psychologischen Reisevorbereitungen des Regierungschefs das Geld der Steuerzahler kosten.
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Es ließe sich dafür eine Reihe kleinerer Vorgänge anführen. Ich will es nicht tun, sondern nur ganz nebenbei ein etwas billigeres, aber trotzdem peinliches früheres Beispiel, die sogenannte VulkanAffäre, erwähnen,
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deren Liquidationskosten zwar nicht in diesem Haushalt erscheinen; das wird erst in der Rechnung für das Jahr 1955 kommen. Immerhin, diese Affäre ist seinerzeit groß aufgezogen worden durch eine Erklärung des Stellvertreters des Bundeskanzlers, offenkundig zur Unterstützung des gerade in Amerika weilenden Kanzlers, um den Amerikanern den Beweis zu liefern, wie tüchtig wir in der Bundesrepublik in der Aufdeckung kommunistischer Komplotte sind.
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Kostenpunkt an Abfindungen für die Geschädigten bei dieser Affäre bis jetzt annähernd eine halbe Million DM;
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von den menschlichen Tragödien, die sich mit der ganzen Geschichte verknüpfen, ganz zu schweigen; die kann man nicht in Geld ausdrücken.
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Im Falle der Stationierungskosten wollte man offenbar weniger die anderen Verhandlungspartner im unklaren lassen über das mit den Amerikanern erzielte Verhandlungsergebnis. Man konnte sich ja wohl nicht der Illusion hingeben, daß die „anderen", nämlich Franzosen und Engländer, die ebenfalls Ansprüche erhoben, etwa nicht wußten, was da gespielt wurde. Man wollte vielmehr die deutsche Öffentlichkeit im unklaren lassen, der man ja lange genug gesagt hatte, daß unter gar, gar keinen Umständen eine weitere Bezahlung von Stationierungskosten in Frage komme.
Der Herr Bundesfinanzminister scheint uns überhaupt gegenwärtig der Prügelknabe für viele Dinge zu sein, die sich aus der Gesamtpolitik der Bundesregierung ergeben, für die bekanntlich der Herr Bundeskanzler die Richtlinien bestimmt. Ich bin weit davon entfernt, etwa ein tiefes Mitgefühl mit dem Bundesfinanzminister zu haben. Er hat ja all die Dinge mit vollstreckt, die wir an der Politik der Bundesregierung auszusetzen haben. Aber in gewissem Sinne kann er einem doch leid tun, daß er für so viele Dinge den Buckel hinhalten muß, die andere eingebrockt haben.
Wir haben uns vor einigen Tagen in diesem Hause über die Gürzenichrede des Herrn Bundeskanzlers vor dem Bundesverband der Deutschen Industrie in Köln unterhalten. Sie erinnern sich vielleicht an die doch etwas peinliche Art, wie Dr. Adenauer diesen Husarenritt gegen seine beiden Minister hier vertreten hat. Nimmt man dazu die Entschlußlosigkeit, die die Regierung in wichtigen Fragen an den Tag legt, und den Einfluß, den offenkundig gewisse Verbände auf die Entscheidungen der Regierung ausüben - der Deutsche Gewerkschaftsbund gehört nicht dazu, und das ist symptomatisch -, dann bietet sich dem Betrachter ein Bild, das himmelweit von dem verschieden ist, das wir 1953 vor uns sahen. Unsicherheit, Gegeneinander, Durcheinander - das scheinen die vorherrschenden Wesenszüge dieser Regierung zu sein.
Das geht sogar den treuesten Bundesgenossen des Herrn Bundeskanzlers allmählich auf die Nerven, und so hört man aus der Ecke der Deutschen Partei Töne, wie sie in einer Presseverlautbarung vom 21. Juni angeschlagen werden, aus der ich zitiere:
Das monatelange Hin und Her bei den Steuersenkungsvorhaben des Bundestages und der Bundesregierung begegnet in Kreisen der DP-Bundestagsfraktion einem ständig wachsenden Unbehagen und Unwillen.
Von anderen starken Worten, die in diesem Zusammenhang gebraucht worden sind, will ich hier schweigen.
Schließlich gibt es keinen gewichtigeren Kronzeugen als den Herrn Bundeskanzler selbst, der beim Abkanzeln seines Bundesratsministers von Merkatz nach Zeitungsberichten von der Presse gesagt haben soll: „Das Durcheinander wie bis jetzt muß aufhören; das ist unmöglich."
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Wer würde es wagen, dem Herrn Bundeskanzler
zu widersprechen, auch wenn er es in diesem konkreten Fall anders gemeint haben sollte!
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Lassen Sie mich diesen Teil meiner Ausführungen zusammenfassen und folgendes feststellen. Die innenpolitische Kräftegruppierung, die gegenwärtig in der Bundesrepublik am Ruder ist, befindet sich im Zustand einer schweren inneren Krise. Es ist nicht die Abnützung durch allzu lange Machtausübung, die hier am Werke ist. Es ist die Krise der gesamten Politik dieser Regierung, eine Krise, die entstanden ist aus dem Widerspruch zwischen dem unbeirrt und unbelehrbar festgehaltenen Konzept des Regierungschefs
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und der sich verändernden politischen Wirklichkeit.
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Ich darf hier ein Zitat einfügen für den Fall, daß man mir sagt, daß aus diesen Feststellungen die Bitterkeit der Opposition spreche. Ich zitiere aus einem Kommentar im Südwestfunk:
In diesem Augenblick ist die deutsche Politik praktisch führerlos. Noch darf jeder hoffen, daß der Kanzler, in der nächsten Woche im Bundestag eine Wiedervereinigungspolitik ankündigen wird, die mehr ist als die Wiederholung einer Konzeption, die gescheitert ist.
- Wie sind wir heute morgen enttäuscht worden! Das Bundeskabinett existiert kaum mehr. Schäffers Kritik an dem Stationierungskostenabkommen, die Erklärung der Bundesregierung, Schäffers Flucht zur CSU, die seine Sache gegen den Kanzler führen soll - all dies zeigt in allen seinen Stufen den Zerfall nicht nur des Vertrauens, sondern der Institution selbst.
Ich füge hinzu: manchem mag das starre Festhalten an alten Formen und politischen Konzepten als Größe erscheinen. Wir Sozialdemokraten fürchten - ich sage das mit allem Bedacht -, daß diese. Art von Größe ein Hindernis auf dem Wege zur Verwirklichung entscheidender nationaler Aufgaben geworden ist.
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Wir opponieren der Politik dieser Regierung und ihres Chefs; wir halten sie für fehlerhaft, ja für verhängnisvoll. Deswegen versagen wir ihr die Zustimmung zu ihrem Haushalt, ohne dabei auf die praktische Mitwirkung an seiner inneren Gestaltung zu verzichten.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch einige Bemerkungen, die sich auf künftige Haushaltsberatungen beziehen, die aber, wenn sie akzeptiert werden, schon beim Haushalt 1957 wirksam werden könnten. 1957 ist ein Wahljahr. Niemand wagt zu sagen, wann der Wahltermin sein wird. Verfahren wir nach der bisherigen Methode der Haushaltsberatungen, dann werden diese Beratungen sich bis in den Sommer 1957 hineinziehen. Alles wird unter dem Einfluß des beginnenden Wahlkampfes stehen. Sachentscheidungen werden nicht mehr sachlich, sondern nach Propagandagesichtspunkten getroffen werden.
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- Entschuldigen Sie! lassen Sie mich mal ausreden, Herr Kollege Arndgen. Ich weiß nicht, ob Sie sich im Glashaus fühlen.
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Ich mache einen sachlichen Vorschlag, und da können Sie ja wohl abwarten.
Ich schlage aus den dargelegten Gründen folgendes vor, und ich hoffe, daß das Haus mir dabei folgt, nicht nur jetzt, in dieser Sitzung, sondern auch in der Praxis, die wir dann einschlagen. Ich schlage vor, daß wir an Stelle der üblichen Weihnachtspause - die ja in der Regel in der zweiten Januarwoche zu Ende gegangen ist - im kommenden Jahr - und man könnte das auch für die Zukunft so halten - in den Plenarberatungen eine Pause bis Ende Februar einlegen, so daß das Plenum erst im März wieder zusammentritt. Von der zweiten Januarwoche ab könnten die Ausschüsse tagen, allen voran selbstverständlich der Haushaltsausschuß, der ja inzwischen den Bundeshaushalt in der Hand hat. Erfahrungsgemäß wird der Bundeshaushalt in der ersten Dezemberhälfte dem Hause in erster Beratung vorgelegt. In der ersten Sitzungswoche nach Neujahr könnten die Fachausschüsse sich mit den Haushaltsplänen der ihnen zugeordneten Ressorts befassen. Damit wäre eine alte Klage aus der Welt geschafft. Eine Voraussetzung allerdings ist, daß die Fachausschüsse sich nicht nur darum bemühen, alle ihre Wünsche zu realisieren und ständig Erhöhungen zu beschließen, sondern daß sie sich genauso wie der Haushaltsausschuß auch etwas darum bekümmern, wie der Haushaltsausgleich zu schaffen ist.
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Dann kann in der zweiten Sitzungswoche der Haushaltsausschuß sich ohne Unterbrechung der Beratung des Haushaltsplans 1957 widmen. Die übrigen Ausschüsse mögen in der Zeit bis zum Wiederzusammentritt des Plenums nach ihren Bedürfnissen tagen und Stoff für eine Reihe von Plenartagungen im März liefern.
Auf diese Weise könnte zum erstenmal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Haushaltsplan von diesem Hause fristgerecht bis zum 31. März verabschiedet werden.
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Ich mache diesen Vorschlag, meine Damen und Herren, nicht nur als Vorsitzender des Haushaltsausschusses, sondern vor allem als Mitglied der Opposition, die ein nicht geringeres Interesse an einer fristgerechten Verabschiedung des Bundeshaushalts hat als Regierung und Koalitionsparteien.
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. Das. Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich sehr schwer, nach einer zweistündigen Regierungserklärung über die Außenpolitik und nach derartig temperamentvollen Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners nun auf mehr technische und sachliche Dinge einzugehen. Lassen Sie mich aber doch vorweg eine Bemerkung machen! Meine Damen und Herren von der Opposition, manchmal haben wir von der CDU den Eindruck, die Opposition spekuliere ein wenig bewußt auf das schöne Vorbild unseres Herrn in der Bibel: So dir jemand einen Streich auf die rechte Backe gibt, halte auch die linke Backe hin. Wir möchten allerdings auch da, meine Damen und Herren der Opposition, doch dringend darum bitten, diese unsere Auffassung nicht zu sehr zu strapazieren.
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Wir leben nun einmal in einer sündigen Welt, und es könnte sein, daß dann auch bei uns einmal das Temperament so durchbricht, wie es bei Ihnen der Fallist.
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Doch wollen wir uns im Interesse dieses Hauses nicht unbedingt strapazieren.
Ich möchte auch noch zu ein paar anderen Dingen, die mein verehrter Herr Vorredner angeführt hat, gleich vorweg etwas sagen.
Greifen wir zunächst seinen Vorschlag über die Terminverkürzungen heraus, wie man den Bundeshaushalt termingerecht verabschieden könnte. Ich stimme ihm vollauf darin bei, daß der jetzige Zustand völlig unbefriedigend ist. Wenn wir heute den Haushalt in der dritten Lesung verabschieden und ihn dann nachher beim Bundesrat sehen, werden wir schwerlich erleben, daß er vor Juli Gesetz wird. Vielleicht wird wegen der Steuerkomplikationen sogar der Vermittlungsausschuß angerufen, wodurch unter Umständen die Malaise noch vergrößert wird, so daß der Haushalt vielleicht erst im September Gesetz wird.
Wenn sich also Koalition und Opposition auf einen Vorschlag einigen könnten, wie ihn Herr Schoettle soeben hier dargelegt hat, würde ich das durchaus begrüßen. Sie wissen, daß ich mir selbst zu Beginn dieser Beratungen erlaubt hatte, einen rein technischen Verfahrensvorschlag zu unterbreiten, der aber leider nicht ganz die Gnade der Opposition gefunden hat und infolgedessen nicht durchgeführt werden konnte. Wenn wir uns auf einen solchen Vorschlag verständigen, dann aber nur, wenn erstens das Präsidium dieses Hohen Hauses einen solchen Vorschlag restlos sanktioniert und uns keine Schwierigkeiten macht und wenn zweitens auch die großen Fraktionen einen ganz anderen als den jetzigen Zeitrhythmus einführen. Zum mindesten müßte eine völlige Umgestaltung des Terminkalenders Platz greifen. Denn, Herr Kollege Schoettle, wir wissen ja: ist bis jetzt je ein Termin aus dem Kalender innegehalten worden? Konnte er innegehalten werden?
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Ich für meine Person kann Ihnen nur sagen, daß ich Ihrem Vorschlag zustimmen und auch mit meinen Freunden darüber sprechen werde, daß wir uns auf dieser Basis einigen.
Lassen Sie mich nun aus dem Haushalt selbst einige Kernstücke herausheben! Wir glauben, daß jeder Haushaltsplan das Regierungsprogramm darstellt. Denn alles, was die Regierung will und was sie beabsichtigt, drückt sich ja in irgendeiner Form auch in den Zahlen und den Einzeltiteln dieses Riesenhaushaltsplans aus. Die Frage, die wir uns jetzt einmal bei einem kurzen Rechenschaftsbericht zu stellen haben, ist, -ob auch dieser Haushalt der Zielsetzung der Regierung in etwa entspricht
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oder ob da noch Lücken offengeblieben sind. Dabei wollen wir durchaus unterstellen, daß nicht Zahlen allein, sondern auch Willensfaktoren ein Regierungsprogramm in weitestem Sinne des Wortes kennzeichnen.
Wenn Sie einmal einen Überblick über den Haushalt versuchen, dann werden Sie finden, daß wir in einer ganzen Reihe von Punkten erhebliche Ausweitungen vorgenommen haben. Ich zähle sie einmal der Reihe nach auf: 1. eine Ausweitung der Sozialleistungen, 2. eine Ausweitung des Gesamtpostens, den ich hier einmal mit „Wiedergutmachung und Kriegsfolgeschäden" umschreiben möchte, 3. das Anlaufen des Verkehrsprogramms, 4. erhebliche neue Ansätze für Forschung und kulturelle Zwecke, 5. neue Ansätze für die Förderung der in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Gebiete.
Lassen Sie mich dazu einige Zahlen geben, die, glaube ich, sehr viel von dem entkräften können, was vorhin so temperamentvoll gegen angebliche „Versäumnisse" der Regierung vorgetragen worden ist. Die Sozialleistungen des Bundes betrugen im Haushalt 1955 8,045 Milliarden DM. Sie werden nach den Beschlüssen, die wir bis jetzt gefaßt haben, im Haushalt 1956 9,21 Milliarden DM betragen, also 1,2 Milliarden DM mehr. Sie werden nach den Beschlüssen, die sich schon jetzt abzeichnen und die sich erst im nächsten Haushaltsjahr voll auswirken werden, 1957 mit Sicherheit 9,8 Milliarden DM im Minimum betragen. Es ist also eine sehr erhebliche Steigerung zu verzeichnen. Sie beschränkt sich nicht allein auf den Bundeshaushalt. Wenn Sie gegenüber diesen Zahlen die Gesamtauswirkungen auf den Sozialhaushalt von Bund, Ländern und Gemeinden zusammen betrachten, dann finden Sie eine Steigerung von 21,86 Milliarden DM im Jahre 1955 auf 23,93 Milliarden DM im Jahre 1956, und für das Jahr 1957 zeichnen sich jetzt schon - siehe die Altersrentenreform usw. - Leistungen in Höhe von mindestens 27,2 Milliarden DM ab.
Wenn man diese Zahlen überblickt und sie mit dem Gesamtvolumen des Haushalts vergleicht, dann kann man nicht behaupten, daß der Sozialaufwand zurückgeblieben sei. Ich werde gleich auch noch auf das Verhältnis von Sozialaufwand zum Rüstungsaufwand zu sprechen kommen.
Nehmen Sie den zweiten Punkt heraus: die Ausweitung der Leistungen für Wiedergutmachung, für Kriegsfolgen, für Besatzungsschäden usw. Sie wissen, daß hier Beträge neu in den Haushalt hineingekommen sind, die in die vielen Hunderte von Millionen gehen und die ich hier im einzelnen gar nicht aufzuzählen brauche. Ich möchte Ihnen nur eine Zahl nennen, die im Hause fast unbekannt ist. Allein die Durchführung des von uns fast stillschweigend beschlossenen Schlußgesetzes über ungeregelte Besatzungsschäden, deren Regelung in Form von Zahlungen für Beschädigungen, für Unglücksfälle, die durch die Besatzungsmächte hervorgerufen worden sind usw. -. wir zu übernehmen haben, wird allein 700 Millionen DM erfordern, eine Summe, die bei den damaligen Beratungen nicht genannt worden ist, die aber in diesem Zusammenhang einmal erwähnt werden muß.
Das Verkehrsprogramm wird allein bei den Neubauten für Autobahnen und Bundesfernstraßen eine Summe von 300 Millionen DM mehr erreichen, mit den 45 Millionen DM, die am Schluß noch dazugekommen sind, als Gesamtaufwendung eine Summe rund um die 400 Millionen DM, so daß diesmal mit Recht gesagt werden kann, daß ein wichtiger Schritt vorwärts getan worden ist in der Beseitigung der Verkehrsmisere, die wir alle beklagen. Sie wissen, daß diese Leistungen entsprechend dem Mehraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz Jahr für Jahr progressiv ansteigen werden. Darüber hinaus stehen uns bereits zwei neue Finanzpläne zur Verfügung, die der Verkehrsminister der Öffentlichkeit unterbreitet hat und nach denen die Straßen der Dringlichkeitsstufe I finanziert werden sollen. Hier ist ein Gesamtaufwand von 23 Milliarden DM genannt worden. Der Bundesfinanzminister hat meines Wissens demgegenüber einen Verkehrsfinanzplan in Höhe von ungefähr 15 Milliarden DM für die nächsten zehn Jahre entwickelt. Wir werden uns über dieses äußerst wichtige Problem in den nächsten Wochen und Monaten noch eingehend zu unterhalten haben.
Das vierte Problem: die Beiträge für die Forschung. Sie sind ja der Debatte in der zweiten Lesung gefolgt. Wir haben nun diesen doch immerhin sehr beachtlichen Posten von 50 Millionen DM im Haushalt verankert. Wenn Sie die einzelnen kleinen Zahlen - die ja hier in der allgemeinen Debatte meistens untergehen - aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums hinzuzählen, kommen Sie noch einmal zu neu bewilligten 10,8 Millionen DM, so daß im Haushalt 1956 rund 60,8 Millionen DM an zusätzlichen Mitteln stehen, eine Summe, die immerhin nicht unerheblich unerheblich ist.
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Was das letzte von mir angesprochene Gebiet, nämlich die im Aufbau befindlichen Gebiete betrifft, so darf ich nicht nur Ihre Aufmerksamkeit zurücklenken auf die 50 Millionen DM, die in der zweiten Lesung für die wirtschaftliche Entwicklung der betreffenden Gebiete beschlossen worden sind, sondern darüber hinaus noch einmal aufzählen, was zusätzlich in anderen Haushalten verankert ist: die 3,5 Millionen DM im Bundeswirtschaftsministerium, die 2 Millionen DM aus den ERP-Mitteln im gleichen Haushalt, die 7,1 Millionen DM für den Schneiter-Plan im Auswärtigen Amt, die Erhöhung des offiziellen Ansatzes für die über die Vereinten Nationen laufenden Beträge auf 1,2 Millionen DM, und dann schließlich noch eine Reihe kleinerer Beträge, die hier hinzugezählt werden müssen, insgesamt also eine Summe von rund 65,8 Millionen DM für die Lösung dieser Probleme, Beträge, die in diesem Haushalt völlig neu in Erscheinung treten.
Ich möchte Ihnen noch einige andere Punkte des Haushaltes unterbreiten und einige Bemerkungen zum gesamten Haushaltsplan machen. Wenn ich die heute morgen veröffentlichten Zahlen der Steuereingänge des Bundesfinanzministeriums für den Monat Mai dieses Jahres in Höhe von 2,5 Milliarden DM betrachte, dann stelle ich zunächst fest, daß es gegenüber den Steuereingängen vom Mai 1955 11,5 % mehr sind. Weiter fällt mir auf, daß die Umsatzsteuereinnahmen sich mit nur 865 Millionen DM gegenüber dem gleichen Monat des vergangenen Jahres lediglich um 7,5 % erhöht haben, während sich die gesamten Steuereingänge, vor allen Dingen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, um 11,5 % erhöht haben. Die Umsatzsteuereingänge sind also nicht in der gleichen Höhe mitgezogen wie die anderen Steuereingänge. Immerhin dürfen wir wohl mit einem tatsächlichen Steuereingang in der Höhe der jetzt endgültig ein({5})
gesetzten Schätzungen beim Einzelplan 60 des vorliegenden Haushalts rechnen.
Leider zeichnet sich bereits eine Gefährdung dieser Eingänge durch die uns noch unbekannte letzte Entscheidung in der Steuergesetzgebung ab. Es ist von uns aus nur zu hoffen, ich glaube, für das ganze Haus zu hoffen, daß zwischen Bund und Ländern eine Einigung erreicht wird, die nicht auf der Einnahmeseite ein neues Loch aufreißt, das dann gestopft werden muß. Die jüngsten Besprechungen zeigten erfreulicherweise, wie wenig entfernt man voneinander in dem Ausgleich der von beiden Seiten zu übernehmenden Steuerausfälle noch war. Unter allen Umständen sollte eine Anrufung des Vermittlungsausschusses gegen das Haushaltsgesetz 1956 vermieden werden. Wir sind nicht sehr glücklich über den nicht von uns verschuldeten jetzt späteren Verabschiedungstermin dieses Haushalts. Aber dieses Unglück sollte nicht noch durch die Anrufung des Vermittlungsausschusses vergrößert werden.
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Was die Technik des Haushaltsausgleichs in diesem Jahr anlangt, so soll kein Zweifel darüber bestehen, daß das Vorgehen des Bundesfinanzministers außerordentlich und ungewöhnlich war. Da ist zunächst der Betrag von 1,7 Milliarden DM aus den flüssigen Mitteln des Bundes, der zur Deckung der Ihnen in der zweiten Lesung hinreichend geschilderten 3 Milliarden DM Mehrausgaben herangezogen wurde. Die Einstellung dieses Betrages bedeutet naturgemäß den Verzehr von Rückstellungen, die sich durch die Verzögerung der Ausgabeverpflichtungen, vor allen Dingen im Verteidigungshaushalt, angestaut hatten. Dieses Geld werden wir in den kommenden Jahren nicht mehr haben, wenn es für die anlaufenden eigentlichen Verteidigungsausgaben gebraucht werden wird. Es muß dann neu aufgebracht werden. Das gleiche gilt auch für die Stationierungskosten von 1,45 Milliarden, die, wie wir vermuten, wohl im Nachtrag des Verteidigungshaushalts eingesetzt werden.
Bei dem zweiten Ausgleichsposten von annähernd 700 Millionen, die als Einsparung aus der 10 %
Kürzungsklausel erwartet werden, sollte sich das Hohe Haus doch nicht einen Augenblick darüber im unklaren sein, daß diese Deckungsmaßnahme einen rein fiktiven Charakter hat. Allenfalls wird hier die Verwaltung auf Grund der bisher von uns in den vergangenen Haushaltsjahren gesammelten Erfahrungen anstatt der eingesetzten rund 700 Millionen vielleicht 100 Millionen herauswirtschaften. Mehr werden es nicht werden.
In der Praxis bedeutet das allerdings schon jetzt ein erneutes Angreifen der Kassenmittel des Bundes, die dadurch um mindestens 500 bis 600 Millionen vermindert werden. Da zur Zeit wohl niemand das Wagnis einer Bundesanleihe auf dem Kapitalmarkt erwartet, werden wir wie in den vergangenen beiden Jahren die Mittel für den zu bedienenden außerordentlichen Haushalt in Höhe von 1,1 Milliarden in diesem Jahr gleichfalls zum allergrößten Teil aus der Kasse des Bundesfinanzministers herausholen müssen. Zählt man nun - und jetzt komme ich zu einem sehr interessanten Punkt, meine Damen und Herren - den Betrag von 1,7 Milliarden an Kassenmitteln für die Dekkung des diesjährigen Defizits zusammen mit dem fast ebenso hohen Betrag für die Deckung des außerordentlichen Haushalts und der Restdeckung für die fiktiven 10 % aus der Ersparnisklausel, von der ich eben gesprochen habe, so ergibt sich allein daraus eine Verminderung der Kassenfülle des Bundesfinanzministers bis zum 1. April 1957 um mindestens 3,4 Milliarden.
Lassen Sie mich hier noch rasch einmal eine Bemerkung über die Haushaltsüberschüsse auch anderer Länder einflechten. Es ist nämlich ganz angebracht, daß wir nicht nur auf unseren eigenen Haushalt starren, sondern uns auch einmal das Gesamtbild des europäischen und vielleicht auch des amerikanischen Haushalts ansehen. Wenn ich recht unterrichtet bin, haben sowohl der amerikanische als auch der britische Haushalt in Zeiten der Hochkonjunktur - und so auch in diesem Jahr - bei ihren Abschlüssen Milliardenüberschüsse aufzuweisen. Auch der Reichshaushalt in der Hochkonjunkturzeit zwischen 1927 und 1929 hatte einmal einen Überschuß von über 500 Millionen - damals eine sehr, sehr erhebliche Summe, gemessen am so bescheidenen Gesamtvolumen des Reichshaushalts bis 1933 - aufzuweisen. Man hat dann allerdings diese Reserven von 500 Millionen durch die Erhöhung der Beamtengehälter verspeist, die dann prompt zwei Jahre später bei der Brüningschen Notverordnung wieder heruntergeschraubt werden mußten. Ich glaube, dieses Beispiel aus der Vergangenheit kann auch heute ruhig einmal herangezogen werden, um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß fast immer Zeiten der Hochkonjunktur zwangsläufig auch nach Ansicht der Finanztheoretiker mit Haushaltsüberschüssen verbunden waren und daß das durchaus kein überwältigendes Unglück darzustellen braucht.
Wenn ich nun hier einen besorg ten Blick nicht allein auf die sich schon jetzt in ihren Umrissen sichtbar abzeichnenden neuen Belastungen dieses Haushaltsjahres über die vorsorglich eingesetzten 200 Millionen für die in der Sozialreform geplante Altersrentenversorgung hinaus werfe, wenn ich von neuen Riesenforderungen der Kriegsopferverbände schon jetzt höre, wenn sich schon jetzt über die 900 Millionen des „Grünen Berichts" hinaus sehr, sehr ungehemmte Wünsche aus den Reihen der Landwirtschaft regen, dann möchte ich doch in allem Ernst auf das jetzt schon sichere Defizit von mindestens 2 Milliarden im kommenden Haushalt hingewiesen haben und auf die in diesem Haushaltsjahr bereits so kräftig begonnene Ausschöpfung einer Kasse, die für die sicher anwachsenden Verteidigungsbeiträge später zur Verfügung stehen sollte.
Damit gleichzeitig möchte ich aber auch auf einen Vorgang hinweisen, der meiner Überzeugung nach bislang noch niemals richtig in seiner vollen Tragweite auch in diesem Hohen Hause behandelt worden ist. Durch die eben von mir geschilderte Inanspruchnahme der Bundeskasse zur Abdeckung des Defizits dieses Jahres bauen sich die Überhänge und Rückstellungen auch ohne die Ausgaben für die Verteidigung fast von selbst ab. Damit wird aber auch der in diesem Hause und in der Öffentlichkeit geschilderten, ich möchte beinahe sagen: an die Wand gemalten Gefahr für das Preisgefüge in Gestalt einer Überforderung der Produktionskapazität durch eine Umsetzung in Leistungen, durch ein Auf-den-Markt-Werfen des Kassenbestandes, im wesentlichen die Grundlage entzogen.
Das gleiche möchte ich hier auch einmal ganz offen für die Besatzungskostenkonten bei der Bank deutscher Länder aussprechen. Wenn auch hier noch Milliardenbeträge auf dem Konto der BdL
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offenstehen, so sind doch schon wesentliche Leistungen in Gestalt von Bauten für die Besatzungsmächte, Materialbeschaffungen usw. à conto dieses dort noch stehenden Kassenbestandes bereits auf deutschem Boden vollzogen worden. Lediglich die Auszahlung für diese Leistungen hat sich wesentlich auf Grund der Nachprüfungen und sonstigen Erschwernisse verzögert. So groß kann also die befürchtete Wirkung eines Abbaus der Kassenfülle für die deutsche Wirtschaft und ihre Konjunktur nicht werden, wie sie in der Öffentlichkeit da und dort manchmal bereits geschildert oder angedroht worden ist, weil tatsächlich ein großer Teil bereits in diesen Haushalt hineingewandert oder durch Leistungen der Volkswirtschaft tatsächlich bereits verkraftet worden ist. In der Öffentlichkeit ist hier und da der falsche Eindruck entstanden, als ob eine da und dort auftretende Verknappung
- man spricht ja von „ Überhitzung" in einzelnen Teilen, insbesondere der Bauwirtschaft - eventuell schon eine Folge von Verteidigungsmaßnahmen wäre. Derartige Gerüchte entbehren jeglicher Grundlage.
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Die tatsächliche Ausgabe bis zum 1. April dieses Jahres für Verteidigungszwecke betrug noch keine 200 Millionen. Infolgedessen kann von einer Rüstungsüberhitzung etc. auch überhaupt nicht gesprochen werden. Während sich das Haushaltsvolumen bei Bund und Ländern erheblich ausdehnte, fand nämlich umgekehrt keinerlei Steigerung der Verteidigungshaushaltsleistungen statt. Es kann nicht behauptet werden, daß Verteidigungsausgaben in irgendeiner Form entweder das Sozialprogramm oder das Bau- oder Verkehrsprogramm bis jetzt beeinträchtigt hätten.
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- Ich komme auf das weitere auch noch zu sprechen, Herr Dr. Keller.
Auch wir stehen nicht an, zu sagen, daß das Problem der Vorwegbewilligung für uns nicht sehr erfreulich ist. Wir sehen aber technisch kaum eine andere Möglichkeit, wenn wir nicht eine weitere 'wesentliche Verlangsamung der Sicherheitsmaßnahmen mitverantworten wollen.
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- Ich werde dazu noch ein paar Worte sagen, Herr Kollege Schoettle. Hier unterscheiden wir uns ja nun sehr wesentlich.
Wir haben in der Vergangenheit wiederholt erklärt, und ich erkläre es hier noch einmal für meine Freunde in aller Deutlichkeit, daß das Tempo der Aufrüstung die Stabilität der Wirtschaft und die Währung nicht gefährden darf. Ich stehe mit meinen Freunden nach wie vor zu diesem Satz. Aber ist nicht jetzt allein schon die Forderung nach Stationierungskosten - und niemand wird behaupten können, daß ich ihnen etwa freundlich zustimmen würde - der klare Beweis dafür, daß der Westen auf einem deutschen Beitrag so oder so besteht?
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Davon können Sie weder sich selbst noch den Verteidigungshaushalt ausnehmen; es muß so oder so gezahlt werden, und wenn wir es nicht für die Verteidigungsaufgaben ausgeben, werden sich die anderen schon melden und ihren Obulus einfordern, gleichgültig ob uns das passen mag oder nicht.
Auf dem Bausektor können und werden diejenigen Winterbaumaßnahmen durchgeführt werden, die die neuen Bundeswehrbauten in die Winterpause durchaus einschleusbar machen. Herr Dr. Keller, wenn Sie sich das jetzige Programm mit den 600 Millionen für Kasernenneubauten ansehen und die letzten Aufsätze in den Baufachorganen betrachten und auch einmal mit den Fachleuten selbst darüber sprechen, werden Sie finden, daß dieses Volumen bei einer sinnvollen Verteilung - auf die kommt es nämlich an - durchaus noch hineingebracht werden kann und daß hier weder der Wohnungsbau in der bisherigen erweiterten Form darunter Not zu leiden brauchte noch eine andere öffentliche Aufgabe.
Auch von dem deutschen Fahrzeugbau erwartet man eine Einschleusung der Wehrmachtaufträge in noch unbestreitbar vorhandene offene Kapazitäten. Man kann sie ohne weiteres aufzählen, und sie sind auch im Fachausschuß aufgezählt worden.
Wir werden unsererseits ein scharfes Augenmerk auf diese neuen Bauten richten und auch auf alle überflüssigen Instandsetzungsarbeiten, die da und dort auch im Verteidigungshaushalt meiner Überzeugung nach manchmal reichlich hoch angesetzt worden sind. Über die Form der Nachprüfung dieser Anträge werden wir uns in den Fachausschüssen noch gesondert zu unterhalten haben.
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Wir möchten mit allem Ernst fordern, daß alle noch vorhandenen Kasernen erneut auf ihre Brauchbarkeit geprüft werden, bevor man zu Neubauten schreitet.
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Es sollte möglich sein - und nun komme ich zu einem sehr ernsten Satz, Herr Kollege Schoettle -, zwischen der Koalition und der Opposition eine Verständigung zumindest darüber herbeizuführen, daß über die Notwendigkeit wenigstens eines militärischen Äquivalents zur Volkspolizei kein Streit sein soll.
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Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß soziale Sicherheit ohne ein Minimum an militärischer Sicherheit eine schöne Illusion ist.
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- Was wir auf dem andern Gebiet leisten, habe ich vorhin aufgezählt. - Da wir zu diesem Grundsatz nach wie vor unbeirrt stehen, kann es für uns auch keine Abstriche von dem Aufwand für Sicherheit geben, den wir nun einmal zur Erreichung der Äquivalenz für unabdingbar halten.
Meine Damen und Herren von der Opposition, einige von Ihnen waren mit mir zusammen bei den Gesprächen in Neuenahr mit den Franzosen und in Königswinter mit den englischen Parlamentariern beieinander. Wir haben dort mit großer Genugtuung gehört und von uns aus dankbar zur Kenntnis genommen, daß die Opposition bei jeder dieser Gelegenheiten auch gegenüber den Ausländern betont hat, daß auch sie zu den von diesem Parlament beschlossenen Verträgen nach wie vor stünde. Wir glauben Ihnen, daß Sie es ernst damit
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meinen. Aber überlegen Sie einmal selbst, ob Sie diesen Anspruch nicht selber gefährden, wenn hier weiter so wesentliche Abstriche von der Verteidigung gefordert werden und wenn praktisch Ihre Milliarden Neuanforderungen, die ja doch nur aus Verteidigungsmitteln gedeckt werden könnten - 2,5 Milliarden DM sind in neuen Anträgen verlangt worden -, durchgehen, durch die doch praktisch die Verteidigung schon im Anlaufen stranguliert wird. Wie Sie das in Übereinstimmung bringen wollen mit den Versicherungen, Sie stünden nach wie vor zu einer vollen Erfüllung der Verträge, weiß ich nicht. Ich möchte Sie nur geziemend auf die logischen Schlüsse aufmerksam machen, die im Ausland unvermeidlicherweise daraus gezogen werden.
Nun lassen Sie mich noch einige Bemerkungen generell zu den diesjährigen Haushaltsberatungen machen. Damit komme ich auch zu einem gewissen „Sündenkapitel" dieses Hauses selbst. Wir haben in diesem Jahre eine Einschaltung der Fachausschüsse erlebt, die alles vorher dagewesene Ausmaß bei weitem überschritt.
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- Nun haben wir, sehr verehrte Frau Kollegin, leider nie erlebt, daß die Fachausschüsse sich auch der Mühe unterzogen hätten, die von ihnen überprüften Haushalte einmal auf Einsparmaßnahmen hin zu überprüfen; sondern was wir da erlebt haben, war lediglich eine Kette fortgesetzter Vorschläge und Empfehlungen zu wesentlichen Mehrausgaben, und es entspann sich beinahe ein edler Wettstreit zwischen einzelnen Fachausschüssen mit der Empfehlung, Hunderte von Millionen neu in den Haushalt einzustellen; allen voran der Verkehrsausschuß, der, ich glaube, allein ein paar Hundert Millionen mehr verlangt hat; aber auch einige andere Ausschüsse entwickelten dabei einen bemerkenswerten Eifer.
Lassen Sie mich dazu noch einmal grundsätzlich folgendes sagen: Unterminieren Sie mit diesem Eifer der Fachausschüsse nicht zwei Dinge systematisch, erstens einmal das Ziel der Regierung und ihre Verpflichtung, einen ausbalancierten Haushalt vorzulegen, und zweitens das Bemühen, das dem Haushaltsausschuß nun einmal obliegt, als Clearingstelle für Einnahmen und Ausgaben nachher zu einer Ausbalancierung zu kommen! Wenn sich die Fachausschüsse nur berufen fühlen, ihrerseits Mehrausgaben zu verlangen, dann sollte sich zumindest irgendein Ausschuß auch bereitfinden und sich die Mühe geben, uns nachzuweisen und uns dabei Hilfestellung zu leisten, wo wir auf der andern Seite auch Mehreinnahmen erwarten können. Die ganze Sorge und Mühe und auch die angesammelten Schwarzen Peter auf den Haushaltsausschuß abzuschieben scheint mir eine etwas unbillige Zumutung für einen einzelnen Ausschuß dieses Hohen Hauses zu sein.
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- Ich nehme meine eigenen Parteifreunde keineswegs aus; auch sie sind an diesem edlen Wettstreit beteiligt. Diese Fachausschußbeschlüsse sind fast alle einstimmig gefaßt, Herr Kollege Atzenroth, auch einschließlich Ihrer eigenen Fraktion. Eine Gewissenserforschung bei dieser Gelegenheit sollte sich also auf alle Fraktionen dieses Hauses erstrekken. Ich nehme meine eigenen Freunde dabei keineswegs aus. Ich mache nur ergebenst darauf aufmerksam, wohin eine solche Entwicklung zwangsläufig führen muß. Sie erschwert die Funktion des Haushaltsausschusses, und sie erschwert auch die Position des Bundesfinanzministers, die nach der Verfassung wie in jedem geordneten demokratischen Staat stark sein muß.
Wenn schon inmitten einer wirtschaftlich so bewegten Zeit nicht das englische Beispiel der Konzentration aller Ausgaben auf das einmalige alljährliche Budget des Schatzkanzlers befolgt werden kann, dann sollte der Finanzminister selbst unmittelbar vor der zweiten Lesung einen Korrekturentwurf zu seinem ursprünglichen Regierungsentwurf vorlegen. Herr Kollege Schoettle und Herr Professor Gülich, nun bitte ich Sie, einmal einem Vorschlag zuzuhören, den ich meinerseits mache. Ich würde es für nützlich halten, daß der Bundesfinanzminister nach dem Ablauf einer gewissen Beratungszeit - das ließe sich mit dem Vorschlag, den Sie vorhin machten, durchaus kombinieren -, am Ende der Haushaltsberatungen oder wenn sich das Ergebnis dieser Beratungen abzeichnet, seinerseits einen Korrekturvorschlag zu seinem ursprünglichen Regierungsentwurf machte; denn dieser Regierungsentwurf entsteht ja praktisch ein Dreivierteljahr vorher. Er kann, wie das in diesem Haushaltsjahr der Fall war, durch eine stürmische Entwicklung der Konjunktur überholt sein. Dann ist es für beide Seiten immer ein etwas peinliches Gefühl, wenn die Entwicklung auf der einen Seite und ein starres Budget auf der andern Seite auseinanderklaffen. Wenn man hier zu einer vernünftigen neuen Regelung käme, glaube ich, würde beiden Seiten wesentlich geholfen sein. Ich könnte mir sehr wohl denken, daß sich der Bundesfinanzminister unendlich viel Mühsal und Schwierigkeiten in diesem Haushaltsjahr erspart hätte, auch bei seinen eigenen Freunden, hätte er rechtzeitig einen solchen überzeugenden Korrekturvorschlag zu seinem eigenen Haushaltsgesetzentwurf bereits im Januar und Februar eingebracht,
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als er seine Steuereingänge schon einigermaßen überblicken konnte und als sich erwies, daß sich die Steuerschätzungen, die im September des Jahres 1955 angestellt worden waren, als einigermaßen überholt herausstellten. Nun, nach einem alten griechischen Spruch heißt es: „Im Leid liegt Lehre", nicht nur für den Bundesfinanzminister, sondern auch für uns.
Ich darf hier übrigens den Dank für sein Haus, insbesondere die Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums, einflechten, die in den zurückliegenden Monaten eine ebenso schwierige wie anerkennenswerte Arbeit geleistet hat. Ich möchte das ausdrücklich sagen trotz der Fülle von neuen Vorlagen, die uns gerade diese Abteilung im Haushaltsausschuß beschert hat, indem sie uns die neuen über- und außerplanmäßigen Ausgaben zur Kenntnis brachte. Aber haben wir uns nicht auch daran gewöhnt, mehr als in den Vorjahren Einblick in das Getriebe der Verwaltung und ihre Finanzanforderungen von unserer Seite aus zu gewinnen? Nehmen wir alles in allem, so schien uns der neue Brauch heilsam und vor allen Dingen kostensparend, auch wenn er uns mancher für den Haushalt selbst dringend gebrauchter Stunde beraubt hat.
Lassen Sie mich jetzt noch ein Wort zu den bereits gestreiften leidigen Vorwegbewilligungen
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sagen. Sie hätten sich im Grunde genommen vermeiden lassen, wenn man, Herr Kollege Schoettle, ein reguläres Schattenministerium - dann allerdings von dem vielleicht fast dreifachen Ausmaß der Dienststelle Blank - noch vor dem 5. Mai 1955 beschlossen hätte und wenn dieser Apparat rechtzeitig an die Aufstellung und Planung, an seine Beschaffungen, Anforderungen etc. herangegangen wäre. Rückblickend scheue ich mich heute nicht, hier zu sagen, daß ich es bedaure, daß die Bundesregierung in diesen zurückliegenden Jahren nicht den Mut besaß, rechtzeitig mehr anzufordern.
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Manches wäre heute vielleicht leichter, und wir hätten möglicherweise auch manche Ausgabe einsparen können. Sicherlich aber, meine Damen und Herren von der Opposition - ich glaube, da irre ich mich nicht -, wäre auch ein solches Vorhaben auf einen scharfen Protest Ihrerseits vor dem 1. Mai 1955 gestoßen. Sie hätten sich auch dagegen zur Wehr gesetzt. Jetzt, da wir in der Konsequenz eines - lassen Sie mich das ruhig sagen - begangenen Fehlers mit Provisorien, mit Vorwegbewilligungen arbeiten müssen, solange dieser Aufbau anhält, protestieren Sie gleichfalls. Aber ich bezweifle sehr, daß die Regierung es irgend jemandem so oder so wirklich hätte rechtmachen können.
Lassen Sie mich nun zu einer weiteren Crux kommen. Wir benutzen diese dritte Lesung des Haushalts immer auch dazu, ganz offen bestimmte Dinge anzusprechen, die uns auch bei unseren Freunden in der Regierung nicht ganz gefallen. Zwei der streitigen Komplexe lassen Sie mich herausgreifen. Der erste ist die zwischen Auswärtigem Amt, Bundesinnenministerium und Bundeswirtschaftsministerium notwendige Regelung in der Frage der Förderung unserer Beziehungen zu Ländern, die sich noch im wirtschaftlichen Aufbau befinden. Der zweite Komplex betrifft eine gleichnotwendige Absprache zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Auswärtigen Amt über den Kulturaustausch mit dem Ausland. Wir haben uns im Haushaltsausschuß wiederholt darüber ausgesprochen, haben aber noch keine definitive Stellungnahme dazu bezogen. Ich möchte jedoch hier einmal in aller Deutlichkeit folgendes sagen: wir wünschen, daß ein Ressortstreit vor dem Plenum dieses Hauses unbedingt vermieden wird. Das Innenministerium fordert z. B. die Übernahme des neuen mit 2 Millionen dotierten Titels zur Förderung der Beziehungen zu den in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Ländern aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes, in dem wir diese 2 Millionen eingesetzt haben, auf seinen Etat. Das Auswärtige Amt wiederum widersetzt sich einem solchen Verlangen mit Gründen, die auch keineswegs von der Hand zu weisen sind. Das Bundeswirtschaftsministerium seinerseits beruft sich auf die von ihm seit geraumer Zeit bereits gewonnene Erfahrung im Ausbau der Beziehungen zu den gleichen Ländern und möchte die neu bewilligten 50 Millionen in seinem Haushalt sehen. Ich halte es nicht für gut, hier in der dritten Lesung über die zweckmäßigste Form der Ressortierung so großer Summen zu entscheiden bzw. über die Ressortierung neu zu beschließen. Zunächst sollten die Summen dort belassen werden, wo sie jetzt stehen. Wir verlangen aber sehr nachdrücklich von der Exekutive, sich wirklich einmal auf ihr Organisationsrecht zu besinnen und diesen Hausstreit so schnell wie möglich mit einem brauchbaren Vorschlag an die daran interessierten Ausschüsse dieses Hauses zu beenden. Unter keinen Umständen dürfen die großen Aufgaben des Kulturaustausches mit fremden Ländern und der Hilfe für die aufstrebenden neuen Länder darunter leiden.
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Wenn - um ein Beispiel sogar aus den jüngsten Stunden herauszugreifen - im Haushalt des Bundesinnenministeriums bei dem Titel „neu 100 000 DM" keine Mittel mehr für den Studienaufenthalt eines indischen Historikers in Deutschland bereitzustellen sind, dann soll man uns nicht weismachen, es sei unmöglich, dafür Mittel aus dem Kulturfonds des Auswärtigen Amtes flüssig zu machen!
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Im Haushaltsausschuß versicherte man uns, der interministerielle Ausschuß zur Förderung des Kontaktes mit den in wirtschaftlichem Aufbau befindlichen Ländern funktioniere durchaus zufriedenstellend. Wir hörten das damals sehr gern. Warum sollte es also nicht möglich sein, bis zur Vorlage eines konkreten Vorschlages der Bundesregierung an den Bundestag diesen interministeriellen Ausschuß organisatorisch so zu festigen und mit solchen Vollmachten zu versehen, daß die zwei oder drei Ressorts sehr schnell zu gut durchdachten gemeinsamen Beschlüssen gelangen? Einzelne Aufgaben sind auch früher mit einer solchen Methode erfolgreich gelöst worden. Bis zur Vorlage des neuen Haushalts bleibt dann Zeit genug, den Regierungsvorschlag zu prüfen und ihn im Haushalt, wenn es notwendig ist, auch entsprechend zu verankern.
Ich habe hier bereits einige Worte zu einem weiteren Problem gesagt, zu der Frage der Finanzierung des Straßenverkehrsplans des Bundesverkehrsministeriums, der so plötzlich aus heiterem Himmel auf uns herniederschneite. Ich nehme an, daß wir auf der Grundlage des neuen Angebots des Bundesfinanzministeriums schon in den nächsten Monaten ein Stück vorankommen werden. Wir alle, glaube ich, haben ein Interesse daran, die Praxis des vergangenen Jahres rechtzeitig vor dem 1. Januar Mittel für den Straßenbau bereitzustellen, in diesem Jahr noch weiter auszubauen.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch noch zu ein paar anderen Problemen etwas sagen. Es wird nachher, fürchte ich, auch unter meinen Freunden zu einem kleinen Streit über die sogenannte Lex Brese kommen. Ich sehe einige bereits gerüstet für diese Auseinandersetzung. Auch ich möchte deshalb über ein paar Erfahrungen sprechen, die wir in den letzten Wochen gemacht haben.
Die Regierung hatte die in dem vorjährigen Haushaltsgesetz enthaltene Klausel - § 6 a - gestrichen. Ich kann mir das Trommelfeuer der vereinten Ressorts auf den Bundesfinanzminister im Kabinett selbst vorstellen. Ich glaube aber, daß die Wiedereinführung, die der Haushaltsausschuß beschlossen hat, gut und richtig war. Die Verwaltung kann nicht etwa behaupten, daß sie durch diese Klausel in ihrem Tatendrang wesentlich gehemmt worden sei. Wenn Sie sich einmal den Bericht über den Erfolg dieser Maßnahme bis zum 1. April 1956 näher ansehen, dann können Sie doch nur lächeln über die Behauptung, die im vergan({24})
genen Jahr hier aufgestellt worden ist, dieses Gesetz sei eine Katastrophe für die Verwaltung.
Andererseits besteht wirklich die Möglichkeit, die Wiederbesetzung freiwerdender Stellen auf lange oder kurze Zeit zu hemmen. Wir wissen also alle, daß unsere Verwaltung keinen Schaden erleiden wird, wenn sie für begrenzte Zeit personelle Lücken hat. Denn sie hat jederzeit die Möglichkeit, von neuem an den Haushaltsausschuß heranzutreten und eine wirkliche Dringlichkeit dort nachzuweisen.
Es ist oft die Frage gestellt worden, ob die Lex Brese - wenn ich sie so nennen darf - von uns selbst etwa verschärft werden sollte. Wir haben davon abgesehen, weil die Regelung aller Einzelheiten wohl nicht die Aufgabe der Legislative ist. Wir haben das Vertrauen, daß unser Bundesfinanzminister, der auch im abgelaufenen Jahr den Beteiligten mit den Möglichkeiten, die er mit der Lex Brese hatte, nicht allzusehr auf den Zeh getreten hat, den richtigen Weg finden wird. Wir wollen uns auch an der Schaffung der Ausführungsrichtlinien mit Rat und Tat gern beteiligen.
Aber noch ein anderer Gesichtspunkt scheint mir wichtig zu sein. Das Gesetz des Vorjahres hat eine so kurze Auswirkungszeit gehabt, daß man es noch keineswegs endgültig beurteilen kann. Lassen Sie uns infolgedessen ruhig einmal eine Maßnahme ins Auge fassen, die keinen Schaden anrichten kann, aber sehr viel Nutzen stiften kann, wenn sie gegenüber manchen Ressorts angewandt wird, von denen wir wissen, doß dort noch - ich will mich einmal vorsichtig ausdrücken - Reserven vorhanden sind.
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- Ganz richtig, der Knüppel im Sack tut manchmal auch die Wirkung, selbst wenn er nicht herauskommt.
Einige Ressorts sind auch in diesem Haushalt mit Erfolg darangegangen, bestimmte Aufgaben aus den Ministerien heraus in die oberen Verwaltungsbehörden und Oberbehörden zu verlegen. Wir haben dieses Bestreben überall unterstützt. Sie finden es sichtbar beim Bundeswirtschaftsministerium. Der Innenminister hat einen ähnlichen Weg mit einer neuen Oberbehörde beschritten. Ich hoffe sehr, daß auch der Ernährungsminister - selbst wenn mich mein Freund Horlacher nachher daraufhin beschimpft - auf diesem Wege fortfahren und die notwendige Klärung bei seinen bis jetzt noch außerhalb stehenden nachgeordneten Behörden erzielen wird. Wir wissen, daß unsere Arbeit leichter wird, wenn wir es mit weniger Menschen und höheren Gesichtspunkten zu tun haben. Ich nehme an, auch im Verteidigungsbereich werden sehr große Aufgaben in die oberen Bundesbehörden verlagert werden können und sollten sich nicht in einem Mammutministerium konzentrieren. Man sollte hier vernünftige Übergangslösungen finden und nach einiger Zeit überlegen, wie man den gesamten Aufbau richtig durchorganisiert und mit dem in Einklang bringt, was in diesem Raum überhaupt verkraftbar ist.
Wer diesen Haushalt verabschiedete und nicht zugleich auch auf das Jahr 1957 ausschaute, meine Damen und Herren, der würde wirklich nicht nur leichtfertig, sondern nach meinem Dafürhalten auch fahrlässig handeln. Ich habe schon bei der Erörterung des diesmaligen Haushaltsausgleichs - zu
Anfang meiner Rede hier - auf den Ernst der Lage für das Jahr 1957 hingewiesen und auf die großen Mehrausgaben, die wir bis jetzt schon bewilligt haben, und es sind Bewilligungen von noch weitaus größeren Beträgen für das nächste Jahr mit Sicherheit zu erwarten. Auf den Grünen Bericht und auch auf die wachsenden Verteidigungsausgaben, wenn sie in diesem und im nächsten Jahr voll anlaufen, habe ich ebenfalls bereits verwiesen.
Lassen Sie mich nur einmal das brennende Problem der weiteren Straßenbaufinanzierung mit den 15 Milliarden, die der Bundesfinanzminister dafür in Aussicht genommen hat, aus den künftigen Aufgaben nennen. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit weiter auf die ebenso dringliche, vielleicht noch dringlichere Lösung des Wasserbewirtschaftungsproblems mit einem Aufwand von mindestens 4 Milliarden DM.
Sie haben vom Herrn Atomminister bereits bei der zweiten Lesung hier in später Nachtstunde einen Hinweis auf die Kosten der weiteren kernphysikalischen Forschung und auf den Aufwand für den Kernreaktor gehört. Hier werden wir auch mit mindestens einer halben Milliarde in der Zukunft rechnen müssen. Darüber hinaus werden sich für die kommenden Haushalte weitere Summen für die Lösung des Nachwuchsproblems und die Grundlagenforschung als nicht mehr hinausschiebbar erweisen. Es wird Ihnen nachher eine entsprechende Entschließung aller Fraktionen dieses Hohen Hauses vorgelegt werden.
Vielleicht tragen diese Hinweise dazu bei, einen auch in diesem Hohen Hause manchmal ein wenig hochgeschraubten Optimismus hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft schlechthin zur Bewältigung so ungeheurer neuer Aufgaben zu dämpfen.
Die ungeminderte Weiterdauer dieser an sich schon ungewöhnlichen Hochkonjunktur, meine Damen und Herren, ist kein geschriebenes Gesetz, und der Abbau beschlossener gesetzlicher Leistungen hat sich schon einmal in der Vergangenheit - in den Jahren 1930 bis 1932 - als überaus folgenschwer für das gesamte deutsche Volk erwiesen.
Sie müssen infolgedessen dafür Verständnis haben, wenn ich am Abschluß der Haushaltsberatungen 1956 eindringlicher als in den Jahren vorher an Ihren Sinn für Maßhalten appelliere, meine Damen und Herren - und damit komme ich zum Schluß -, an jenen wirklich echten Bürgersinn, aus tiefer christlicher Verantwortungsfreude heraus geboren, ohne den dieses Volk nicht die furchtbare Katastrophe des 30jährigen Krieges und noch weniger die der beiden letzten Weltkriege hätte überwinden können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Lenz ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich befleißigen, der Mahnung des Herrn Präsidenten zu folgen, und in der allgemeinen Aussprache nur einige allgemeine Gedanken zum Bundeshaushalt vortragen.
Ich möchte zunächst einen Rückblick vornehmen und dabei die Feststellung wagen, die sicherlich
({0})
größeren Haushaltsexperten, als ich es bin, wohl-anstehen würde, nämlich daß in unserer bisherigen Debatte über den Haushalt 1956 von der wirklich großen Haushalts- und Finanzpolitik sehr wenig die Rede war, wie mir scheint: z u wenig.
In dieser Hinsicht hat Herr Professor Gülich sicher recht, wenn er Klage darüber führt, daß diese Haushaltsdiskussionen zu gedrängt und zu schnell ausgetragen werden. Es war sehr interessant, was Herr Professor Gülich in der zweiten Lesung über die Handhabung beim früheren Reichstag sagte. Ich frage mich aber, Herr Kollege Gülich, ob das für uns ein Ansporn sein kann, ähnliche Regelungen einzuführen.
({1})
- Wenn sich, Herr Kollege Gülich, der Haushaltsausschuß in seinen Beratungen ein halbes Jahr lang mit dem Voranschlag befaßt, können wir doch unmöglich noch 30 oder auch nur 20 Plenarsitzungen an das gleiche Thema wenden.
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- Das sei absolut zugegeben.
({3})
- Wir können unmöglich die Debatte im Haushaltsausschuß hierher in das Plenum verlagern.
({4})
- Herr Kollege Gülich, vielleicht stimmen Sie mir darin zu, daß in der zweiten Lesung manches gesagt worden ist, was nicht unbedingt hätte gesagt werden müssen.
({5})
- Das steht uns ja jederzeit frei.
({6})
Meine Damen und Herren, wir können unsere Unzufriedenheit mit gewissen Dingen der Finanzpolitik nicht zum Ausdruck bringen, wenn wir nicht bei gebotener Gelegenheit einige Anträge formulieren. Ich bin sehr gespannt darauf, wie Herr Dr. Vogel den Vorschlag, den er vorhin gemacht hat, zu einem Antrag verdichten will. Jedenfalls scheint mir bis jetzt festzustehen, daß grundsätzliche Anträge, die den Kern der derzeitigen Haushaltspolitik der Bundesregierung treffen, nicht vorliegen. Diese Grundsatzfragen können wahrscheinlich erst wieder bei den weiteren Konjunkturdebatten und bei der Behandlung der Steuersenkungspläne erörtert werden. Selbstverständlich, das gebe ich absolut zu, spielt hier auch der Zeitfaktor hinein.
Meine Damen und Herren, man kann die Verwaltung nicht so lange nach Beginn des neuen Rechnungsjahres ohne einen gültigen Haushaltsplan lassen. Wir haben bei solcher Gelegenheit schon mehrfach erörtert, daß Verzägerungen bei der Verabschiedung des Haushalts letztlich nur der Exekutive zugute kommen, was sicher nicht im Sinne der Verfasser des Grundgesetzes gelegen hat. Herr Kollege Schoettle, der Vorschlag, den Sie vorhin gemacht haben, ist aller Achtung wert. Ich kann für meine Person, und, ich glaube, auch für meine politischen Freunde sagen, daß wir ihm zustimmen werden.
Der Haushaltsentwurf hat sich in unseren Händen von 321/2 Milliarden auf rund 35 Milliarden DM erhöht. Die Ausgaben sind sogar um 3 Milliarden DM gestiegen, viele Einnahmen sind angewachsen, andere wieder sind gesenkt worden; per Saldo ergeben sich schließlich die 35 Milliarden DM, die jetzt von uns beschlossen werden sollen.
Man fällt natürlich unwillkürlich in Wiederholungen zurück, wenn man sich den Vorgang des riesenhaften jährlichen Anwachsens der öffentlichen Haushalte, insbesondere des Bundeshaushalts, plastisch vor Augen stellt. Gegenüber dem Vorjahr liegen die Endzahlen der beiden Haushaltspläne um fast 5 Milliarden DM auseinander. 5 Milliarden DM mehr Staatsausgaben, höhere Inanspruchnahme des Sozialprodukts, mehr Versorgungsstaat, mehr Bürokratie, mehr Verwaltungsstatt Selbstverwaltungskompetenzen.
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- Die gleiche Resignation überfällt einen, Herr Kollege Niederalt, wenn man bedenkt, daß alle Appelle zur Einschränkung des sogenannten wachsenden Staatsbedarfs ohne Ergebnis gewesen sind, ja daß in diesem Hause heuer bei der zweiten Lesung ein ausgesprochener Eifer herrschte, noch diese oder jene Ausgabe unter Dach und Fach zu bringen.
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- Der Lex Brese stimme ich zu. Aber wir sind ja schon so weit - hören Sie mir bitte zu, was ich jetzt in einem Satz sagen möchte -, den inneren Widerspruch zwischen den Wünschen nach umfassenden Steuersenkungen und nach umfangreichen Neuausgaben nicht mehr zu empfinden.
({9})
Es ist allerdings gleich hinzuzufügen, daß die unglückliche Entwicklung der Ausgaben auf dem Verteidigungs- und Besatzungskostengebiet mit dazu beigetragen hat, diesen Widersnruch entstehen zu lassen und bis in die lezten Tage hinein zu nähren. Keiner von uns bestreitet beispielsweise, daß der Bundesverteidigungsminister gewaltige Geldmittel benötigen wird, um seinen Aufbauverpflichtungen nachzukommen. Solange er aber das Geld nicht ausgeben kann und der Juliusturm in voller Höhe in der Landschaft steht, wird der Verteidigungsminister nicht verhindern können, daß der Steuerzahler in der Zwischenzeit empört nach der Wiederverausgabung der Mittel ruft.
({10})
Ich fühle mich nicht dazu berufen, in dieser heiklen Frage eine endgültige Meinung zu äußern. Ich glaube aber, daß auf der Regierungsseite der Mut zu großen Zwischenentschlüssen gefehlt hat und daß der Lohn der Hortung bitter schmeckt.
8444 2. Deutschher Bundestag ({11})
Ich möchte noch ein zweites Wort allgemeinerer Art sagen. Wer vom Staat verlangt, daß er in der Zeit sinkender Konjunktur selber hoch in die Risiken einsteigt, der muß dem gleichen Staat in der Zeit hoher und höchster Konjunktur auch die Möglichkeit geben, nicht gleich sämtliche Einnahmen wieder in Ausgaben anzulegen, vor allem nicht in solchen, die in normalen Zeiten überhaupt nie in Betracht gekommen wären.
In diesem Zusammenhang kann es als ein kleiner Trost dienen, daß viele der jetzigen Ausgaben sich auf der Vermögensseite des Bundes niederschlagen, daß, wenn man so will, von einem kleinen Juliusturm an Bundesvermögen gesprochen werden kann, der jetzt durch die staatlichen Ausgaben entsteht. Das Thema kann im Augenblick noch nicht sehr vertieft werden, solange beispielsweise die Darlehen des Bundes für den Wohnungsbau überwiegend rein revolvierender Natur sind, also immer wieder dem gleichen Zweck zufließen und bei der Rückkehr nicht zu allgemeinen Dekkungsmitteln werden. Mit vielen anderen Darlehen des Bundes, die insgesamt ja ein riesenhaftes Vermögensobjekt darstellen, ist es ähnlich; sie fließen nicht frei in den Haushalt zurück, sondern sind ewig an den derzeitigen Verwendungszweck gebunden. Man denke etwa an die Regionalfonds oder andere. Auch von den Darlehen der Bundesbahn, die sich ja in den letzten Jahren sehr gehäuft haben, wird man nicht sagen können, daß sie ein disponibles Bundesvermögen seien. Ich fürchte im Gegenteil, daß ein Teil davon abgeschrieben werden muß. Aber man wird doch insgesamt in dieser Vermögensbildung auch eine gewisse positive Seite der derzeitigen unbefriedigenden Finanz- und Haushaltslage des Bundes sehen können.
Zu den Fragen des Haushaltsvolumens und des Juliusturms gewinnt man eine interessante Perspektive - das hat Herr Kollege Vogel schon ausgeführt -, wenn man einmal vom außerordentlichen Haushalt des Bundes ausgeht. Er wird ja auf ein Gesamtvolumen von 1,4 Milliarden DM zu stehen kommen. Der Bundestag muß sich darüber klar sein, daß er die Mittel für diese Ausgaben nur auf dem Papier bewilligt. Es ist schon heute klar, daß der Bund keine Anleihen aufnehmen kann und infolgedessen das Extraordinarium eben wieder aus seinen ordentlichen Mitteln finanzieren muß.
Dem Bundesfinanzminister ist in den letzten Jahren immer wieder vorgeworfen worden, daß er ordentliche Mittel für außerordentliche Ausgaben verwendet. Ich weiß, daß dieser Vorwurf vor allem auch von meinen Freunden, soweit sie Landesfinanzminister sind, ausgesprochen worden ist. Meine Freunde hier in der Bundestagsfraktion haben diesen Fall im allgemeinen immer etwas ruhiger betrachtet, da es ja sicherlich nicht im Sinne des Hohen Hauses lag, daß die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts unterblieben; denn in ihm stecken vor allem die Wohnungsbau-und die Verkehrsausgaben.
Aber die Kompliziertheit und Unübersichtlichkeit unserer Haushaltswirtschaft, die durch den Besatzungskosten- und Verteidigungshaushalt entstanden ist, wird man hiernach am Beispiel des außerordentlichen Haushalts aufhellen können. Es steht heute schon fest, daß der Finanzminister die 1,4 Milliarden, die er im laufenden Rechnungsjahr benötigt, aus dem Juliusturm entnimmt, sei es dem verflossenen oder dem neuen, es sei denn, daß der Herr Verteidigungsminister wiederum kassenmäßig nicht nachkommen kann. Als einer der Berichterstatter des Verteidigungshaushalts muß ich allerdings sagen, daß die Zeit der großen Ausgaben für die Verteidigung immer deutlicher näherrückt.
Wir dürfen also hier nicht länger wie magnetisch angezogen auf den hohen Kassenbestand des Bundes schauen, sondern sollten viel stärker auch auf die riesenhaften Verpflichtungen sehen, die einzugehen wir die Verwaltung fast täglich ermächtigen.
Wenn ich den Haushaltsausgleich, wie ihn die Bundesregierung für 1956 vorgeschlagen hat, richtig verstehe, werden also die bekannten 1,7 Milliarden DM aus den nicht ausgegebenen Verteidigungsmitteln - sprich Juliusturm - entnommen, dem gleichen Topf also, aus dem auch der außerordentliche Haushalt 1956 bezahlt wird. Daraus ergibt sich schon, daß wir haushaltsmäßig bald in der Klemme sein werden und daß uns der Haushaltsplan 1957, falls Herr Blank nicht wiederum ganz erheblich mit seinen Ausgaben hinter dem Voranschlag zurückbleibt, eine fast zu harte Nuß zu knacken aufgeben wird.
Beim Studium der Probleme, ob wir bei den wachsenden Staatsausgaben auf dem richtigen Wege sind, habe ich mich oft gefragt, ob nicht der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung uns wertvolle Dienste leisten kann. Ich denke hier nicht so sehr an die Verwaltungsgutachten, die letzten Endes doch nur das berühmte Schwarze unter dem Fingernagel ausmachen, sondern an die wirklich großen Fragen der Wirtschaftlichkeit unserer öffentlichen Tätigkeit. Soweit ich sehe, sind Anregungen, die finanzpolitisch einen größeren Spielraum haben könnten, bisher von ihm nicht gegeben worden. Auch die Regierung hat ihn wohl nicht zur Behandlung solcher Probleme aufgefordert. Wenn man sich das überlegt, dann taucht doch die Frage auf, ob der Bundesbeauftragte als ein Beauftragter der Bundesregierung richtig postiert ist, ob nicht das Parlament in höherem Umfange als bisher sein Auftraggeber sein könnte.
In der Frage des sogenannten wachsenden Staatsbedarfs werden wir nie zu einer befriedigenden Lösung kommen, wenn nicht auch in großem Stile neu gedacht und geplant wird. Was in anderen Ländern der privaten Initiative und der Selbstverwaltung überlassen wird, das sollte auch bei uns in Deutschland aus den öffentlichen Haushalten ausgeschieden werden.
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- Sie werden es, Herr Kollege Niederalt, einem gelernten Philologen nicht übelnehmen, wenn er meint, daß es eine Erziehungsaufgabe ist, die hier geleistet werden muß, nämlich die Erziehung zu einem größeren Gemeinsinn, als wir Deutsche ihn haben.
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Wenn wir - und Sie genauso - im Haushaltsausschuß erlebt haben, daß in den kleinsten Fällen irgendeines Notstandes gleich nach dem Staat gerufen wird, dann weiß ich wirklich nicht, ob nicht
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der tiefere Sinn unseres Staatsbegriffes, nämlich das unmittelbare Zusammenstehen der Bürger selbst, stark an Wert eingebüßt hat.
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Namens meiner Freunde möchte ich allerdings gleich sagen, daß ein solcher Wandel in der Gesinnung auch einen Wandel auf seiten des Staates selbst voraussetzt, nämlich daß er sich nicht mehr an Steuern holt, als er zur Erfüllung der wichtigsten Aufgaben benötigt.
Ich deutete schon an, daß ich keinen Anspruch darauf ergeben kann, als finanzpolitischer Experte zu gelten. Ich versuche nur, gewisse Zusammenhänge mit dem Verstand zu bewältigen - er hat sich da und dort schon ganz ordentlich bewährt -, und da muß ich bekennen, daß auch bei dieser Haushaltsdebatte ein ungutes Gefühl zurückbleibt. Es ist nicht gut, daß in einen Haushalt noch 3 Milliarden DM hineingepumpt werden. Es ist aber auch nicht gut, daß sie überhaupt hineingepumpt werden könne n. Es ist nicht gut, daß wir viele Monate - es sind ja jetzt wohl acht - diesen Voranschlag in der sogenannten parlamentarischen Maschinerie haben. Das Leben geht inzwischen weiter, und wir erreichen durch diese lange Behandlung nur, daß viele Dinge, die erst in dem Plan für 1957 Aufnahme finden würden, jetzt schon in den Haushalt des laufenden Jahres hineingaloppiert werden. Es ist nicht gut, meine Damen und Herren, daß die Abstimmungen quer durch die Fraktionen immer seltener werden, auch nicht, daß offenbar ganz grundsätzliche Dinge, die im Haushaltsausschuß ausführlich behandelt und abgelehnt worden sind, hier wieder auf die Tagesordnung kommen.
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Der Haushaltsausschuß ist viel mehr als dieses Plenum ein Instrument zum Ausgleich von Sach-
und Finanzinteressen. Ich gebe hier Herrn Kollegen Vogel vollkommen recht, wenn er ihn eine Clearingstelle nennt. Wer im Haushaltsausschuß eine Schlacht verloren hat, sollte sich hier nicht unbedingt an die Kollegen wenden - ich will niemanden beleidigen -, die die finanziellen Zusammenhänge nicht ganz zu überblicken vermögen.
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- Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen, Herr Kollege Niederalt; es ist nur eine kleine Summe. - Es ist nicht gut, daß, wie man gerüchtweise hört, Beamten Schwierigkeiten gemacht werden, weil sie in den Ausschüssen gewisse Fragen wahrheitsgemäß beantwortet haben.
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Ebensowenig gut ist aber auch die Betriebsamkeit, die vor der Abstimmung von einzelnen, gelegentlich aber auch von allen Ressorts gezeigt wird. Gewiß, der Haushaltsplan ist ein Schlachtfeld, auf dem sich alles tummeln kann, was irgendwie eine Spur von Existenzberechtigung hat. Aber wir sollten uns sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum bemühen, alles in der Ausgewogenheit zu sehen, in der uns - das müssen wir zugeben - im großen und ganzen der Voranschlag präsentiert wird. Andere Länder könnten hier hervorragende Beispiele liefern.
Zum Schluß! Vielleicht bringt uns die Haushaltsreform, an der die Verwaltung ja nun schon seit zwei Jahren arbeitet, bald Vorschläge, die eine wirkliche Reform unseres Haushaltswesens bedeuten. Als Wichtigstes würde ich selber den Wunsch äußern, daß es künftig verhindert werden möge, die großen und zahllosen kleinen Fragen des Haushalts in dasselbe Prüfungs- und Bewilligungsverfahren zu pressen. Wir müssen es erreichen, daß wir Zeit und Gelegenheit haben, uns den großen finanzpolitischen Problemen zu widmen, und daß ein solcher Haushalt nicht einfach als Block übernommen wird, an dem äußerlich noch ein wenig herumgeritzt wird.
Es ist ein Trost - ich muß das einmal ganz klar sagen -, daß in den Beratungen des Haushaltsausschusses, die von unserem Kollegen Schoettle immer ausgezeichnet geleitet werden -. er weiß, daß dies kein Anbiederungsversuch ist, denn ich mache dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses jedes Jahr dieses Kompliment -, immer wieder festzustellen ist, daß dort die Verwaltung mit Kraft bemüht ist, ihre Tradition zu halten und für Ordnung und Ausgleich zu sorgen, so daß wir uns eigentlich ohne inneren Skrupel auf die größeren Dinge stürzen können. Die kleinen Dinge erledigt doch die Verwaltung ebensogut.
Meine Freunde verabschieden daher diesen Haushalt 1956 mit vielen kleinen und großen Wünschen, aber nicht in dem Gefühl, in den entscheidenden Fragen der Haushaltspolitik schon wesentlich vorangekommen zu sein. Wenn wir auch der größten Zahl der Einzelpläne unsere Zustimmung geben werden, - die Verantwortung für den Gesamthaushalt können wir leider nicht übernehmen.
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Meine Damen und Herren, auf der Rednerliste stehen noch vier Redner zur allgemeinen Aussprache. Ich schlage Ihnen vor, nunmehr die Mittagspause eintreten zu lassen und sich um 14 Uhr 30 hier wieder zu versammeln. Der erste Redner, der das Wort erhalten wird, wird der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein sein.
Ich unterbreche die Sitzung.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Gerstenmaier wieder eröffnet.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Die Beschlußfähigkeit wird nicht bezweifelt.
({0})
- Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat sie auch nicht bezweifelt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß die besonders qualifizierten Fachleute aller Fraktionen hier anwesend sind.
Darf ich Sie einen Augenblick unterbrechen, Herr Abgeordne({0})
ter. Es wird mir eben gesagt, daß eine oder zwei Fraktionen noch Fraktionssitzungen haben. Ich bedauere, daß ich das nicht vorher gewußt habe. Dann hätte ich das Plenum nicht um 14 Uhr 30 einberufen, sondern um 15 Uhr. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als weiterzuarbeiten.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter.
Im Namen meiner Parteifreunde darf ich in dieser allgemeinen Aussprache noch einmal auf das Problem der freien Berufe zurückkommen. Der Herr Kollege Schoettle hat heute morgen mit Recht gesagt, daß der Haushalt die allgemeine Politik der Regierung widerspiegelt. Herr Kollege Schoettle, Sie haben es vor allem in bezug auf die Sozialpolitik gemeint. Ich glaube, daß hier ein sehr ähnlicher Fall vorliegt, daß sich nämlich die Haltung gegenüber dem Geiste hier widerspiegelt. Deswegen scheint es mir nicht unwesentlich zu sein, noch einmal darauf einzugehen.
In der 151. Sitzung, als ich das Problem in der
zweiten Lesung vortrug, hat der Herr Bundesfinanzminister einen sehr eleganten Abgang genommen. Ich darf vielleicht mit Genehmigung des
Herrn Präsidenten wörtlich vorlesen, was er in
Erwiderung auf meine Ausführungen sagte:
Ich darf darauf hinweisen, daß die Denkschrift des Bundesfinanzministeriums über die Umsatzsteuer vorliegt, und ich hätte gewünscht, daß diese Denkschrift eine sehr aufmerksame Beachtung und Bearbeitung im Deutschen Bundestag gefunden hätte.
Das Protokoll registriert hierauf naturgemäß Beifall. Durch diese Worte ist doch zweifellos der Anschein entstanden, daß in dieser Denkschrift zumindest ein Strahl von Hoffnung für die freien Berufe enthalten sei, daß diese Denkschrift irgendwie auf das eigentliche Anliegen eingegangen sei. Das ist nun leider gar nicht der Fall. Ich habe, ermahnt durch die Worte des Herrn Bundesfinanzministers, diese Denkschrift daraufhin noch einmal sehr sorgfältig durchgelesen und mußte feststellen, daß sie eine sehr große Enttäuschung für den enthält, der angenommen haben sollte, daß das Problem in irgendeiner Weise verstanden worden sei. Es ist nicht ein Funken von Hoffnung darin. Im Gegenteil, es wird bereits ein präjudizierendes Urteil gegenüber dem Antrag - Drucksache 1623 - gefällt, über den ich das letzte Mal sprach und der jetzt dem Unterausschuß „Umsatzsteuer" vorliegt.
Das Entscheidende aber für mich ist, daß die Denkschrift der Bundesregierung völlig an dem geistigen Problem, das angesprochen wurde, vorbeigeht. Ich finde, daß diese Denkschrift - sie ist wirklich empfehlenswert; ich würde hoffen, daß die Mitglieder des Hohen Hauses sie noch einmal genau durchlesen - geradezu einen klassischen Ausdruck für den Materialismus unserer neuen Gründerjahre darstellt. Der Primat der Materie über den Geist wird proklamiert. Ich darf vielleicht das eine oder das andere Beispiel zitieren.
In der Denkschrift wird gesagt, daß von interessierter Seite immer wieder angeführt werde, Angehörige freier Berufe seien keine Unternehmer und bewirkten keine Umsätze, da die geistige Leistung nicht etwas sei, was man umsetzen könne. Die Denkschrift antwortet darauf - ich zitiere -:
Die Umsatzsteuer will ... die wirtschaftliche
Kraft erfassen, die sich überall da äußert, wo
ein Verbraucher ein Bedürfnis befriedigt. Meine Damen und Herren, es ist eigentlich fast unmöglich, hier fortzufahren; denn alles, was man jetzt als Erläuterung geben könnte, würde zu grotesk klingen, als daß ich wagen würde, es hier vorzutragen. Ist es die „Befriedigung eines Bedürfnisses", wenn ich mir einen Band lyrischer Gedichte kaufe? Wird die „wirtschaftliche Kraft erfaßt", wenn ein Komponist ein Musikwerk schreibt? Handelt es sich denn hier wirklich nur um materielle Dinge?
Es geht im selben Ton noch weiter. Ich zitiere wieder:
So betrachtet,
- da es sich um einen Leistungsaustausch handelt, wie die Denkschrift meint ist der Arzt oder Künstler ebenso Unternehmer wie jeder Kaufmann oder Fabrikant.
Wenn der Künstler zu einem Unternehmer, zu einem Kaufmann wird, dann ist er kein Künstler mehr. Ich kann mir schon vorstellen, daß man einen Gewerbebetrieb mit der Kunst veranstaltet; aber das fällt doch dann zweifellos nicht mehr unter die Begriffsbestimmung des freischaffenden Künstlers.
Die Denkschrift ist außerdem in einem erstaunlichen Maß wirklichkeitsfremd. Es wird z. B. angeführt, daß der Arzt bei Privatpatienten die Umsatzsteuer ja doch abwälzen könne, da dies nicht dem Berufsethos widerspreche. - Es ist natürlich völlig unmöglich, daß der Arzt das tut.
Oder dann sagt die Denkschrift - ich zitiere -:
Soweit die freien Berufe ihre Honorare frei vereinbaren, wird man erst recht davon ausgehen müssen, daß sie grundsätzlich die Umsatzsteuer einrechnen können.
Das ist in der Tat etwas höchst Wirklichkeitsfremdes. Ich habe noch nie einen Fall erlebt, in dem ein Journalist oder Schriftsteller oder Musiker - welches Beispiel Sie auch nehmen wollen - in das frei zu vereinbarende Honorar eine Umsatzsteuer einrechnen konnte. Das ist vom grünen Tisch aus beurteilt, hat aber mit der Realität nichts mehr zu tun.
Ein lieber Freund und verehrter Kollege hat die Güte gehabt, mir aus einem unveröffentlichten Werk über dieses Problem einige Gesichtspunkte mitzuteilen. Ich darf vielleicht ganz kurz paraphrasieren, was hier als sehr Wesentliches vorzutragen wäre und wahrscheinlich in den bisherigen Diskussionen noch gar nicht beachtet wurde.
In dieser noch unveröffentlichten Arbeit wird gesagt:
Die freiberufliche geistige Arbeit erzeugt immaterielle Güter. Immaterielle Güter haben gewiß auch einen Markt, aber die Erzeugung dieser immateriellen Güter ist an die Person gebunden.
- Das ist ja völlig logisch: nur der Künstler, der Musiker, nur der Schriftsteller kann dieses Werk erzeugen und niemand anders. Das Entgelt wird bei geistigen Berufen nicht von einem Arbeitgeber gezahlt, sondern wird, weil die freie geistige Arbeit von niemand anderem angeboten werden kann als dem geistigen Arbeiter selbst, auf dem Markt für immaterielle Güter gezahlt. Das- Entgelt aller
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Unselbständigen ist umsatzsteuerfrei. Nur weil der freie geistige Beruf wirtschaftliche Selbständigkeit voraussetzt und ohne Selbständigkeit schlechthin nicht ausübbar ist, nur weil der freiberufliche geistige Arbeiter infolgedessen sein eigener Arbeitgeber sein muß und niemandes anderen Arbeitnehmer sein kann, wird er anders und schlechter behandelt als der unselbständige Arbeiter, Angestellte und Beamte.
Hier liegt nach unserer Meinung eine steuerliche Diskriminierung der freiberuflichen geistigen Arbeit als solcher vor, und zwar nur, weil sie sich selbständig betätigen muß, sich nicht anders betätigen kann.
Auch sonst sind allerlei groteske Bestinnungen in der jetzigen Regelung des Steuersystems für freie Berufe festzustellen. Der Schriftsteller muß z. B. auch heute noch eine „Vermögensaufstellung ({1}) zur Errechnung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes oder des einem freien Beruf dienenden Vermögens" abgeben. Das ist etwas, was man sich in bezug auf diesen eben angesprochenen Berufsstand kaum vorstellen kann. In diese Vermögensaufstellung gehören also für einen Schriftsteller die Angaben hinein von Schreibmaschine, Schreibtisch, Regalen, Büchern usw. als „Betriebsvermögen". Aber das eigentliche Betriebsvermögen besteht ja nicht aus der Schreibmaschine und nicht aus dem Schreibtisch und in den Regalen, sondern ausschließlich aus seinem Kopf und seinem Talent.
Mir ist ein Fall vorgetragen worden, der vielleicht allzu grotesk klingen könnte, der aber doch zur Illustration des ganzen Problems nicht unwichtig sein dürfte. Ein Dichter wie Gerhart Hauptmann z. B. hat bei großen Wanderungen ein Heft oder lose Papierseiten mitgeführt und dann seine Gedanken, seine Dichtungen aufgezeichnet. Die Wanderung, die er auf einem Paar Stiefel durchführte, war also wesentlich für seine geistige Produktion. Wenn wir nun ganz streng vorgehen, müßte also dieses Paar Stiefel des Dichters Gerhart Hauptmann auch im Betriebsvermögen angegeben werden. Ohne diese Stiefel hätte er wahrscheinlich „Hanneles Himmelfahrt" nicht schreiben können.
Wir sehen noch allerlei andere Dinge, die noch in diesen Rahmen des Nichtverstehens der geistigen Produktion hineinfallen. Man müßte fordern, daß bei der Einkommensteuer endlich die Gleichstellung der freien schöpferischen, musischen Leistung mit den Leistungen freier Erfinder erreicht wird und daß die besonderen Verhältnisse der Schriftsteller, Komponisten und bildenden Künstler auch bei der Verteilung von Spitzeneinkommen auf mehrere Jahre und bei der Anerkennung der beruflichen Ausgaben berücksichtigt werden. Es ist mir wohl bekannt, daß der Herr Bundesfinanzminister sich wiederholt dahingehend geäußert hat, man müsse den freien Berufen, Künstlern und Schriftstellern gegenüber großzügig verfahren. Das wird auch dankbar anerkannt. Aber, Herr Bundesfinanzminister, was nützt das, wenn Ihre Worte nicht in die Ohren der Finanzämter dringen? Ich glaube, daß da in der Praxis noch einiges geschehen müßte.
Zweifellos müßte vom steuerlichen Gesichtspunkt aus noch mehr zur Förderung der Vermögensbildung geschehen: Freistellung von Vermögen für die Altersversorgung. Mein Freund Thomas Dehler hat gestern davon gesprochen, daß die Altersversorgung das Königsrecht des freien Mannes ist. Für einen freiberuflich Tätigen ist das von ganz besonderer Bedeutung. Da gerade der Schriftsteller und der Künstler eigentlich ohne die geringste staatliche Unterstützung, staatliche Fürsorge schaffen, schaffen müssen - vielleicht können sie gar nicht anders schaffen als in dieser vollkommenen Freiheit -, müßte ihnen zumindest die Möglichkeit gegeben werden, in höherem Maße als bisher von diesem Königsrecht des freien Mannes, für die Altersversorgung selber tätig zu werden, Gebrauch zu machen.
Ich darf zum Schluß kurz auf die zweifellos ungerechte doppelte Umsatzbesteuerung der schöpferischen Künstler, der Musiker hinweisen, soweit ihre Einnahmen aus Verwertungsgesellschaften auf dem Gebiet des Urheberrechts stammen. Ich darf es vielleicht ähnlich machen wie der Herr Bundesfinanzminister in der zweiten Lesung, nämlich ich darf hinweisen auf eine Denkschrift, die es zu diesem Thema gibt, verfertigt vom stellvertretenden Präsidenten des deutschen Komponistenverbandes. Ich kann annehmen, daß diese Denkschrift Ihnen allen so gut vertraut und bekannt ist, wie es die Denkschrift der Bundesregierung zum Problem der Umsatzsteuer gewesen ist.
Ich meine, daß noch in dieser Legislaturperiode hier sehr Gründliches geleistet werden muß, und zwar von dem allgemeinen Gesichtspunkt aus, den wir hier an dieser Stelle eigentlich im Namen aller Parteien schon so oft zum Ausdruck gebracht haben: daß es gerade inmitten des äußeren materiellen Wohlstands darauf ankommt, die schöpferischen Quellen in Deutschland, die Quellen des deutschen Geistes weiterströmen zu lassen. Wir dürfen über der materiellen Erscheinung nicht vergessen, daß nichts Materielles jemals ohne geistigen Urgrund geleistet werden könnte.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Bei den Beratungen dieses Haushalts ist ein Problem zu kurz gekommen, das uns bei solchen Beratungen immer wieder beschäftigt hat und beschäftigen sollte, die Frage der Betätigung der öffentlichen Hand in Erwerbsunternehmungen. Die sozialdemokratische Fraktion und der Herr Bundesfinanzminister sind die einzigen, die sich eindeutig und klar dafür ausgesprochen haben, daß solche Betätigungen auch weiterhin erfolgen, teilweise, wie die Sozialdemokratie erklärt, auch noch in verstärktem Maße. Alle anderen an der Gesetzgebung beteiligten Faktoren bis hinauf zum Bundeskanzler haben immer wieder erklärt, daß sie es nicht für richtig, nicht für zweckmäßig halten, daß sich die öffentliche Hand in solchen Erwerbsunternehmen betätigt. Aber diese Erklärungen sind bisher reines Lippenbekenntnis geblieben.
Es hat uns daher aufhorchen lassen, als in der Erklärung der Bundesregierung zur Konjunkturdebatte der Herr Bundeswirtschaftsminister ankündigte, daß man Investment-Gesellschaften schaffen oder sich vorhandener Investment-Gesellschaften bedienen wolle - das ging nicht ganz klar aus dieser Erklärung hervor -, um Anteile an dem Erwerbsvermögen des Bundes an möglichst viele
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kleine Anteilseigner gelangen zu lassen. Die Ankündigung war so vage, und das Ganze ist ein in so viel Nebel getauchtes Problem, daß man daraus noch nicht sehr viel entnehmen kann. Aber immerhin war doch der Anschein erweckt, daß die Bundesregierung die Absichten, die seinerzeit der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht hat, nunmehr verwirklichen will.
Aber schon wenige Tage nach der Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers trat der Herr Bundesfinanzminister auf den Plan und erklärte in Bayreuth, ein solcher Plan sei völlig undurchführbar; er sei jedenfalls ganz entschieden gegen eine solche Absicht, wie sie die Bundesregierung - der er selbst angehört - öffentlich dem Volk vorgetragen habe. Herr Kollege Schoettle hat schon darauf hingewiesen, daß sich darin, wie schon so oft, wieder die große Diskrepanzinnerhalb der Regierung gezeigt hat. Wer gibt nun die Meinung der Bundesregierung wieder, der Herr Bundeswirtschaftsminister in der öffentlichen Erklärung oder der Herr Bundesfinanzminister in seinen Ausführungen in Bayreuth?
Der Herr Bundesfinanzminister hat in Bayreuth wieder die alten „Argumente" vorgebracht. Er wandte sich gegen eine Privatisierung des Bundesvermögens mit der Begründung, er sei dagegen, daß man öffentliches Vermögen verschleudere. Das klingt in der Öffentlichkeit wunderschön. Es bleibt bloß immer offen, gegen wen der darin liegende Vorwurf gerichtet ist. Wer will denn Bundesvermögen verschleudern? Sicherlich nicht die Kreise, die auf die Privatisierung des Bundesvermögens drängen. Aber wenn ich an den Fall Howaldt-Werke denke: Wer hat durch seine Verkaufsverhandlungen überhaupt Anlaß gegeben, daß die Opposition den Vorwurf des Verschleuderns erheben konnte? Wir haben niemals diesen Weg der Privatisierung vorgeschlagen und für richtig gehalten. Wir haben andere Wege vorgeschlagen. Auf die geht man nicht ein, sondern erhebt in der Öffentlichkeit den Vorwurf des Verschleuderns gegen Kreise, die er nicht treffen kann.
Es ist das Beispiel angeführt worden, der Herr Bundesminister der Finanzen habe eine Erhöhung der Inland-Kraftfahrzeugpreise praktisch durch seinen Einfluß beim Volkswagenwerk verhindert. Wie sind denn die Tatsachen? Im Oktober, anläßlich der Konjunkturdebatte in Berlin, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister angekündigt, er werde 'auf dieses große Werk - bundeseigen ist es ja noch nicht - Einfluß nehmen, damit dort die Preise gesenkt würden und ein Beispiel für die Preisgestaltung auf diesem Sektor gegeben werde. Es ist nichts geschehen. Am 27. Mai hat Herr Erhard dem Direktor des Volkswagenwerkes noch einmal geschrieben und ihn an diese Wünsche erinnert. Die Antwort war ein klares, deutliches Nein. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie die Erhöhung der Inland-Kraftfahrzeugpreise praktisch verhindert haben, warum sorgen Sie nicht für eine Senkung dieser Preise? Das wäre eine Tat im Rahmen des Konjunkturprogramms der Regierung. Nach Ihren Erklärungen in Bayreuth haben Sie die Möglichkeit dazu. Es widerspricht allerdings den Erklärungen, die Herr Professor Oeftering gegeben hat, der dem Ausschuß gegenüber erklärt hat, diese Vertreter in den Aufsichtsräten seien nicht an die Weisungen ihrer Minister gebunden.
Jedenfalls muß das Problem Volkswagenwerk in aller Eile gelöst werden. Dieser Zwitterzustand kann nicht länger anhalten. Es ist falsch, daß das Problem, wie von dem Herrn Bundesfinanzminister behauptet wird, zur Zeit wegen des schwebenden Prozesses nicht angepackt werden könne. Das ist doch kein echter Grund. Der Prozeß spielt für die Frage, in wessen Eigentum sich das Volkswagenwerk endgültig befinden soll, keinerlei Rolle, sondern er wird nur als Grund herbeigezogen, um die notwendige Regelung immer noch weiter hinauszuzögern.
In der Konjunkturdebatte wurden der Wirtschaft sehr viele Vorwürfe gemacht. Aber es ist verschwiegen worden, daß viele dieser falschen Maßnahmen in stärkstem Maße von den Unternehmen der öffentlichen Hand getroffen werden. Zunächst wird immer gesagt, die Investitionen der öffentlichen Hand seien ein Drittel der gesamten Investitionen. Dabei rechnet man nicht mit die Investitionen der Bundesunternehmungen. Wenn man diese gewaltigen Investitionen - denn andere Betriebe haben von dem § 36 des Investitionshilfegesetzes kaum soviel Gebrauch gemacht wie die Bundesunternehmungen - mit einrechnet, ist der Anteil der Investitionen der öffentlichen Hand ein viel größerer.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, um das Verhalten der Bundesunternehmungen in der Gegenwart klarzumachen. Ein bundeseigenes Unternehmen, die Famas, hat in dieser Zeit auf einem Sektor, in dem doch wirklich eine Überkapazität vorhanden ist, seine Belegschaft auf das Dreifache erhöht. Natürlich ist so etwas leicht verständlich, wenn - ({1})
- Von 1000 ,auf 3000 Arbeitnehmer! - Das ist auch durchaus möglich, da die Famas als einzige deutsche Waggonfabrik Ausschreibungen der NATO erhalten hat, bei der ein deutscher Verbindungsmann für Beschaffungsfragen sitzt, der gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsrates der Famas ist. Das sind Auswüchse, die auftreten, wenn die öffentliche Hand sich an Erwerbsunternehmungen beteiligt.
Dieser unerträgliche Zustand muß geändert werden. Wir, die wir schon seit Jahren die Privatisierung betreiben, sind jedenfalls des Hinhaltens müde. Wir werden jetzt einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Grundsatzfrage anschneidet, und werden dann allen an der Gesetzgebung beteiligten Kreisen Gelegenheit geben, durch die Tat, durch die Zustimmung zu diesem Gesetz zu beweisen, daß sie das auch durchführen wollen, was sie in der Öffentlichkeit immer erklären, nämlich daß die öffentliche Hand sich nicht an Erwerbsunternehmungen 'beteiligen soll.
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Das Wort hat der Abgeordnete Keller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Vorredner haben gesagt, es sei keine gute technische Atmosphäre dafür vorhanden, hier viel zu erzählen. Für die Angehörigen kleiner Fraktionen trifft das sicher in vermehrtem Umfang zu. Zudem werden eine Reihe
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von aktuellen politischen Dingen in anderen Debatten zu besprechen sein. Aber es gibt doch einige Dinge, an denen man, wie ich glaube, in diesem Zeitpunkt nicht vorbeigehen kann. Ich möchte zu einigen Punkten anerkennend und kritisch Stellung nehmen und mit der Anerkennung beginnen.
In den Etats 05 und 06 ist irgendwie das Ausmaß zu erkennen, in dem sich die Bundesregierung, aufmunternd auch für die Länder, an der sogenannten Ostarbeit beteiligt mit Instituten, Aufträgen usw., die aus diesen Etats entscheidend unterstützt werden. Da wir nicht der Auffassung sind, daß im Osten nur „Todfeinde" sind --- ich möchte nicht außenpolitisch zu debütieren versuchen; aber es ist doch merkwürdig, daß man jemanden, mit dem man gerade vor wenigen Monaten diplomatische Beziehungen aufnehmen zu müssen geglaubt hat, gleich wieder als den Todfeind bezeichnet -, sondern glauben, daß dort Völker wohnen, mit denen wir einmal als Nachbarn irgendwie zu einer Verständigung werden kommen müssen, ist es sehr gut - und wir erkennen das mit großer Freude an -, daß der Erforschung dieser Möglichkeiten, der Erforschung des in der heutigen weltpolitischen Auseinandersetzung als Gegner anzusehenden Kreises Mittel gewidmet werden. Ich sage das deshalb mit besonderer Freude, weil es vor einigen Jahren um die geistige Haltung zu diesen Fragen noch etwas anders bestellt war und man damals zum Teil blasiert, zum Teil verschämt glaubte, vor solchen Notwendigkeiten den Kopf verstecken zu können.
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Ich möchte weiterhin dem Anerkennung zollen, daß im Etat des Gesamtdeutschen Ministeriums die Mittel für die kulturelle Festigung - aber nicht nur für die kulturelle Festigung - der Zonenrandgebiete teils durch die Vorlage, teils durch die Beratungen des Ausschusses erhöht worden sind. Wir sind von den früheren Plänen, wo wir 25 Millionen DM im Jahr vorgesehen hatten, noch ein wenig entfernt geblieben. Aber immerhin bewegt sich die Entwicklung in einer Richtung, die uns begrüßenswert erscheint, wenn man überlegt, daß die Zonengebiete rein optisch geradezu die sichtbare Visitenkarte sind, an der unsere Brüder und Schwestern in der Zone sehen können, wieweit wir gewillt sind, diesen Dingen Förderung zuteil werden zu lassen.
Weniger gut liegen die Verhältnisse offenbar auf dem Gebiet der Förderung des Studiums, insbesondere des technischen Studiums. Die Worte der mahnenden und sorgenden Kritik, die hier laut geworden sind, können wir nur unterstreichen. Es ist beängstigend, zu sehen, wie auf dem Gebiete der Technik, die eine manchmal geradezu unheilvoll anmutende Bedeutung in der Welt zu erlangen im Begriffe ist, uns der Osten zu überflügeln droht und die größten Kulturstaaten der westlichen freien Welt in der qualitativen und quantitativen Züchtung von Technikern schon überflügelt hat.
Ein weiteres Wort zur Vorbereitung des Lastenausgleichs, der ja auch beim Haushalt eine Rolle spielt. Die Schuld für die mangelnde Durchführung ist hier und wo anders zu suchen; das wissen wir auch. Aber ein erheblicher Teil der Hemmnisse in der Vorbereitung liegt doch wohl daran, daß bis zum heutigen Tag ein großer Teil der Rechtsverordnungen und Durchführungsbestimmungen und anderer Dinge, ohne die die Verwaltung einfach nicht arbeiten kann und ohne die dem Auftrag des Gesetzgebers nicht genügt werden kann, vom Finanzministerium oder vom Bundesausgleichsamt leider noch nicht erstellt worden ist.
({2})
Ich darf mich noch mit einigen Gedanken dem Herrn Vertriebenenminister zuwenden. Er wollte einmal so sehr auf die Gestaltung dieser Dinge Einfluß nehmen. Das ist ihm offenbar nicht gelungen. Die Angelegenheiten seines Ressorts sind zu Beginn dieses Jahres bei einer Debatte über all diese Fragen so erschöpfend behandelt worden, daß es heute nicht notwendig ist, näher darauf einzugehen. Er selbst ist auf seiner Reise durch die deutschen Parteien mittlerweile bei der CDU gelandet, die ihn für sich gewonnen hat. Aber eine Charakteristik sollte man nicht verschweigen. Ich weiß nicht, ob die CDU zu einem Mann zu beglückwünschen ist, der Weihnachten sagte, es bleibe nur noch die kulturelle Eingliederung der Vertriebenen übrig, und vor wenigen Monaten viel zutreffender eingestehen mußte, der Satz der Eingliederung stehe immer noch bei 50 %.
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Eine weitere Gedankenbrücke möchte ich auch zu Herrn Kraft schlagen, aber dieses Thema auch nicht allzusehr ausweiten. Sie wissen, daß wir beantragt haben, den Etat der Sonderminister zu streichen. Wir haben diesen Antrag in der dritten Lesung nicht wiederholt, weil sich für die nächste Woche - wenn man den Gazetten Glauben schenken darf - eine viel wirklichkeitsnähere Lösung abzuzeichnen scheint. Wir sind nicht in der Versuchung, rein polemisch oder agitatorisch aufzutreten. Ich bitte nicht zu übersehen, daß wir schon zu einer Zeit, als wir noch Angehörige der Koalition waren und selbst einen Sonderminister stellten, gegen den mangelnden Sinn dieser Einrichtung Stellung genommen haben. Es gäbe manches „Spanische" zu dem Ministerium Kraft zu sagen. Da in diesem Hause schon so manches gute Sprichwort gebraucht worden ist, möchte ich angesichts dessen, was für die nächste Woche zu erwarten sein dürfte, noch eines hinzufügen: Man sollte im Hause des Gehängten nicht vom Strick sprechen.
Wir haben in der dritten Lesung einen Antrag zur Siedlung wiederholt, weil uns das Gebiet der bäuerlichen Siedlung, vor allem der vertriebenen Bauern aus dem Osten - doch beileibe nicht dieser allein -, vom Standpunkt der Geschädigten aus ein wichtiges Kapitel zu sein scheint. Dieser Antrag war in der zweiten Lesung abgelehnt worden. Wir können nach Lage der Dinge nicht hoffen, in der dritten Lesung mit diesem Antrag, den wir wegen seiner Grundsätzlichkeit wiederholt haben, viel besser wegzukommen.
({4})
Er gibt uns aber doch Anlaß zu einigen allgemeinen Bemerkungen. Ich möchte bitten, diese nicht zu übersehen. Bei all diesen Anträgen taucht sofort das Problem der Deckung auf. Man hat dafür vor einigen Monaten eine neue „Patentlösung" gefunden, nämlich den berühmt gewordenen § 96 ({5}) der Geschäftsordnung. Es ist nach meiner bescheidenen Auffassung ein gutes, ein treffendes Beispiel dafür, wie sich hinter den Mitteln der Technik und der Geschäftsordnng leicht politische Absichten verbergen können. Ich glaube in der Annahme nicht fehlzugehen, daß ein Teil der Befür({6})
worter des Gedankens dieser seinerzeitigen Regelung heute schon sehr hellhörig und skeptisch geworden ist. Der Koallege Ritzel von der sozialdemokratischen Fraktion hat ja bei Verbesserungsvorschlägen zum Bundesversorgungsgesetz eine geradezu zwingende Notwendigkeit gesehen, sich mit dieser Frage ganz in unserem Sinne auseinanderzusetzen. Nach unserer Auffassung wird die Entscheidung im Rahmen des § 96 der Geschäftsordnung von der unbequemen politischen Seite auf die bequeme geschäftsordnungsmäßige und haushaltsmäßige Seite verlagert; dann ist die Entscheidung für manche viel leichter zu treffen.
Meine sehr verehrten Kollegen, für uns ist die nationale und die soziale Frage immer das bestimmende Anliegen gewesen und wird es immer sein. Wir haben das auf unserem letzten Bundesparteitag eindeutig bekräftigt. Zu außenpolitischen Fragen wird morgen in diesem Hohen Hause zu sprechen sein. Aber der Etat, der vor uns liegt, ist irgendwie das Spiegelbild der sozialpolitischen Differenzierung all dieser Gedanken und Ansichten.
Als ein Mensch, der sich immer der Objektivität befleißigt, möchte ich sagen, daß bei dem, was nun folgt, keineswegs übergegangen werden soll, was vom ganzen deutschen Volk an Anerkennenswertem auf diesem Gebiet bisher geleistet worden ist. Auf der anderen Seite darf eine solche Objektivität der Betrachtung auch nicht vor den negativen und unangenehmen Aspekten haltmachen. Die ganze Frage der sozialen Befriedung muß doch immer auch mit dem Blick auf die Gegenwart und Zukunft und darf nicht allein mit dem Blick auf das in der Vergangenheit sicher Geschaffene betrachtet werden. Wir sind der Meinung, daß das Problem der sozialen Befriedung nicht allein eine Sache, ich möchte beinahe sagen, karitativer oder humanitärer Betrachtungsweise mit allen ihren Perspektiven ist, sondern daß hier allgemeine psychologische und politische Tendenzen maßgeblich eingeschlossen sind, so daß man eben sagen muß: solange diese Fragen nicht ganz oder nicht wenigstens annähernd gelöst sind, sind auch ihre staatspolitischen Auswirkungen praktisch vorhanden. Das zwingt eben dazu, den Blick auf diese Dinge zu richten.
Der Herr Kollege Vogel hat heute morgen eine ganze Skala von wünschenswerten und begrüßenswerten Dingen unterbreitet; das Beispiel, an das ich mir bei diesen Dingen anzuknüpfen erlaube, ist die ländliche Siedlung. Es ist beileibe nicht das einzige. Leider ist die Situation so, daß vieles zu tun übrigbleibt und vieles dazu zwingt, dieses Problem in den Kreis unserer Betrachtungen einzubeziehen. Ich möchte fast sagen, daß angesichts der Situation, angesichts der politischen Mehrheit manche Gedanken schon gar nicht mehr angesprochen wurden, weil man sich von vornherein an den Fingern abzählen konnte, wie bei dieser Situation das Ergebnis einer Abstimmung sein würde.
Wir haben im Jahre 1955 bei den Haushaltsberatungen einen einzigen Satz zu dieser Frage gesagt, daß uns nämlich die soziale Aufrüstung genauso lieb sei wie die militärische Aufrüstung Sie wissen, daß der Bundesparteitag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE in Fulda vor wenigen Tagen, obwohl wir längst in der Opposition sind und in sozialen Fragen doch in scharfem Gegensatz zu gewissen Anschauungen der Koalition stehen, den Gedanken der Bindung an die Verträge und der Bindung an den freien Westen für die Bundesrepublik bejaht hat, was nicht unbedingt bezüglich Gesamtdeutschlands so sein muß.
Aber wir dürfen die Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen. Die Aufrüstung im Grundsatz zu billigen, die Bewaffnung zu billigen, heißt doch nicht etwa, nun alles in Kauf zu nehmen, was sich auf diesem Gebiet tut. Auch hier hat mir Herr Dr. Vogel ein Wort vorweggenommen, für das ich ihm dankbar bin. Auch Ihnen, Herr Kollege Vogel, sind manche Ansätze reichlich hoch erschienen. Manchen anderen erscheinen diese Ansätze nicht bloß hoch, sondern auch nicht sinnvoll.
Ich denke hier an die Debatte, die wir seinerzeit wegen des Schulschiffs hatten, von dem Fachleute sagten, es sei für den Aufbau der neuen Verteidigungsmarine sicherlich nicht sehr wichtig, sondern eher für Staatsbesuche im Ausland und solche Dinge wie früher einmal die Avisos. Da ist mit einem Ansatz von über 70 Millionen DM ein Punkt erreicht, wo gesagt werden muß: hier dient man nicht der sinnvollen Verbindung von sozialen und militärischen Belangen. Das trifft auch - ich darf das Stichwort zitieren - für den Bau des „Pentagons" zu, das wir vermutlich in einiger Zeit in Bonn haben werden, und es trifft nicht zuletzt für die heute schon angeschnittene Frage der Stationierungskosten zu. Wir und, ich glaube, viele anderen in diesem Hause und das ganze deutsche Volk haben kein Verständnis dafür, daß das geschieht ohne eine Verpflichtung rechtlicher Art, noch dazu angesichts der ungeheueren Vorleistung des deutschen Volkes auf dem Gebiet seiner Soziallasten für die Vertriebenen, die Geschädigten und die Gefangenen. Wir haben auch keine moralische Veranlassung, geschweige denn eine Verpflichtung, auf diesem Gebiet mit einer Ausgabe von über 1000 Millionen DM einfach der Entwicklung nachzulaufen, wo es gar nicht notwendig ist. Vielleicht ist auch hier wieder einmal die Rolle des Kaufmanns und des Kunden etwas verwechselt worden.
Meine Damen und Herren, unsere heutige Haltung, die uns dazu führt, Deckung für diesen Antrag und für andere ähnliche Anträge aus dem Haushalt für Verteidigung anzubieten, ist nicht etwa mutwillig. Wir fühlen uns in diesen Dingen getäuscht und enttäuscht. Viele unserer Freunde, wenn auch vielleicht nicht alle, haben den Worten vertraut, die über eine Koordinierung und über den Gleichklang dieser Dinge gesprochen wurden; sie haben den Erklärungen maßgebender Herren der Bundesregierung Glauben und Vertrauen geschenkt, an der sozialen Aufrüstung werde sich dadurch nichts ändern. Etwa in diesem Sinne ist es aus der damaligen Zeit noch heute deutlich zu hören. Wir mußten doch wohl von der selbstverständlichen Erwartung ausgehen, daß man sich bei dem Angebot des Gleichklangs dieser beiden wichtigen Dinge nicht damit begnügen würde, den unbefriedigenden Status quo zu verewigen, sondern daß man einer normalen, natürlichen und notwendigen sozialen Dynamik Raum geben würde. Das ist aber nicht geschehen.
Nachdem auf diesem Gebiet so viel Vertrauen enttäuscht und so viel guter Wille, auch aus der Opposition heraus, nicht gewürdigt worden ist, sind wir heute zu dem Standpunkt gelangt, daß wir sagen: wo auf der einen Seite große Spitzen abzubrechen sind und auf der anderen Seite Lükken verhältnismäßig leicht zu füllen sind, sollte man zwischen Verteidigungslasten und Soziallasten einen begrenzten und vernünftigen, aber eben
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einen Ausgleich finden, wie er notwendig ist. Wir glauben, daß das Stadium der Deklamationen von der andern, aber auch von unserer eigenen Seite her in dieser Zeit überwunden sein muß. Wir handeln hier aus einem echten Verantwortungsgefühl für die Unteilbarkeit der Sicherheit, die ja einen äußeren und einen inneren Frieden umfassen muß, wobei wir meinen, daß in unserer Situation Sicherheit letzten Endes nur in dem äußeren und inneren Frieden zu finden ist.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses, die die Verantwortung für die Gestaltung des Etats tragen, haben davon in vielen Punkten in einer Richtung Gebrauch gemacht, die wir von unserem Anliegen aus nicht als verantwortlich empfinden können. Bei aller Mitarbeit an der Gestaltung des Etats heute und in der Zukunft werden wir den Etat der Bundesregierung für 1956/57 ablehnen.
({8})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Blank ({0}).
Dr. Blank ({1}) ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint in der Natur der Ding zu liegen, daß man Haushaltsdebatten immer mit gewissen Erwartungen entgegensieht, die dann mindestens von ebenso großen Enttäuschungen abgelöst werden. Herr Kollege Keller hat soeben von Enttäuschungen gesprochen. Ich möchte an ihn die Frage richten, wo im Laufe der Beratungen über den Haushalt 1956 ein einziges soziales Anliegen unter Hinweis auf die für die Verteidigung erforderlichen Mittel abgelehnt worden wäre.
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Er hat die Dinge so dargestellt, daß eine Ablehnung mit diesem Argument begründet worden sei. Ich kann mich keines einzigen Falles erinnern.
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Es ist nicht so gemacht worden. Ich wollte das nur feststellen. Insofern kann auch von Enttäuschungen nach meinem Gefühl berechtigterweise nicht die Rede sein.
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Wir haben bei den Haushaltsberatungen im ganzen einen Fortschritt zu verzeichnen. Sowohl in der zweiten Beratung als auch heute in der dritten Beratung ist das Haus beträchtlich besser besetzt, als es in den letzten Jahren bedauerlicherweise der Fall war. Das wird von mir und meinen Freunden sehr begrüßt. Ich schließe mich dem Dank, den verschiedene Vorredner gegenüber dem Bundesfinanzministerium und insbesondere der Haushaltsabteilung ausgesprochen haben, nachdrücklich an. Ich stimme auch dem Kollegen Vogel ausdrücklich zu in seinem Seufzer über die zusätzliche Arbeit, die uns die Fachausschüsse hin und wieder mit vom Standpunkt der Fachausschüsse durchaus verständlichen, aber doch eben praktisch einfach nicht realisierbaren einstimmig beschlossenen Anträgen machen.
Die Dauer der Beratungen des Haushaltsausschusses ist - das zeigt sich auch wieder daran, daß heute fast ein Vierteljahr seit dem Beginn des Rechnungsjahres vergangen ist - eine zur Stunde immer noch nicht gelöste Frage. Die Intensität der
Diskussion in unserem Haushaltsausschuß darf uns auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß in vielen Sitzungen praktisch eigentlich alle Beteiligten geradezu überfordert worden sind. Die Jährlichkeit unseres ganzen Haushaltssystems wird damit wirklich zu einem echten Problem, für das wir noch nach Lösungen suchen müssen, und ich möchte gern den Vorjahrsappell wiederholen, daß wir uns bemühen, ein sinnvolleres Prüfungsverfahren und eine ergiebigere und wirkungsvollere Ausnutzung unseres Budgetrechts zu finden.
Sie wissen, meine Damen und Herren, ich habe mit dem kleinen Haushaltsgremium die Amerikareise im vorigen Sommer mitgemacht, und ich möchte in Ergänzung der schriftlich niedergelegten Eindrücke nur nochmals versichern, daß bei überall gleichartigen und gleichbleibenden Klagen über die zunehmende Schwierigkeit des Haushaltsgeschäfts doch viele Einzellösungen sichtbar sind, die auch uns den geordneten Ablauf der Haushaltsverabschiedung erleichtern können.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich in nachdrücklicher Weise einen Wunsch an die Bundesregierung richten. Es laufen nun schon seit Jahr und Tag die Verhandlungen über die Reform der Reichshaushaltsordnung, und sei es zunächst auch nur über die kleine Reform. Wir hoffen und fordern, daß der Entwurf für diese Reform, die uns allen im Plenum wie im Ausschuß die Arbeit erleichtern wird, möglichst bald vorgelegt wird. Wir schlagen uns mit einer - nur in Teilen adaptierten - Reichshaushaltsordnung herum, die über dreißig Jahre alt ist. Hier muß moderneren Methoden unbedingt der Weg geöffnet werden.
Ich bitte mir zu gestatten, ein Wort zu der sogenannten Lex Brese - § 6 a des Ihnen vorliegenden Haushaltsgesetzentwurfes - zu sagen. Herr Kollege Vogel hat schon davon gesprochen, wie außerordentlich dürftig im ersten Jahr der Anwendung der Erfolg dieser Bestimmung gewesen ist. Das kann sich bei weiterer Fortsetzung und Verlängerung der Geltung dieser Vorschrift vielleicht bessern. Ich glaube aber, wir alle, Regierung und Parlament, müssen uns doch überlegen, ob nicht für den Grundgedanken, der richtig ist -deshalb werden auch wir der Wiedereinfügung des § 6 a zustimmen -, eine noch sehr viel wirksamere und dementsprechend auch einfachere Form gefunden werden kann. Sicher, der Vorschlag hat in seiner vorliegenden Form etwas bestechend Einfaches. Aber wie sich diese Vorschrift nachher im Dickicht der Bürokratie verläuft, davon haben wir in dem Bericht über die Anwendung dieses Paragraphen im Haushaltsjahr 1955 interessante Aufschlüsse bekommen.
Zu dem Haushaltsplan, den wir heute verabschieden, möchte ich zunächst sagen, daß er insofern ein einmaliger Haushalt ist, als nachträglich in diesen Entwurf - vergegenwärtigen wir uns noch einmal, wie er uns ursprünglich vorgelegt worden ist! - ein bisher noch nicht dagewesenes Maß an neuen Ausgaben eingefügt worden ist. Wir - und damit meine ich den Haushaltsausschuß - werden allerdings gewiß keinen Dank dafür ernten, daß es uns gelungen ist, dieser Situation wenigstens äußerlich Herr zu werden.
Was zu den Deckungsvorschlägen zu sagen ist, wurde schon von anderer Seite hier dargelegt. Man kann sich - wenn man das überhaupt kann - nur damit beruhigen, daß man sich sagt, so etwas ist einmal möglich, aber ein solches Haus({6})
halts- und Deckungsverfahren darf keinesfalls allgemein Platz greifen oder gar zur Regel werden. Gewiß, meine Damen und Herren, ist der öffentliche Haushalt etwas anderes als ein privater Haushalt; aber wir kommen doch nicht an der Feststellung vorbei, daß wir vor unausweichlichen Konsequenzen in der Zukunft stehen, wenn wir die jetzt vorhandenen Mittel zur Deckung des augenblicklich vermeintlich unvermeidlichen Ausgabedarfs verfrühstücken und nicht an die massiven Aufwendungen denken, die uns für die nächsten Jahre bevorstehen.
Ich sehe die Anträge, die zur dritten Lesung gestellt werden, und kann nur mein Bedauern darüber aussprechen, daß wir uns nicht zu einer Übung entschließen, die anderwärts gepflegt wird. Wenn ein Antrag in der zweiten Lesung eindeutig unterlegen ist und die Fraktionsvertreter sich darüber unmißverständlich ausgesprochen haben, so sollte man nicht denselben Antrag in der dritten Lesung wieder einbringen,
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sondern sollte lieber das Augenmerk auf den nächsten Haushalt richten. Meine Kollegen, die mit den Haushaltsdingen vertraut sind, wissen, daß die Vorbereitungsarbeiten für den Haushalt 1957 in diesen Wochen bereits anlaufen.
Der Haushalt ist ein Thema, das nach alter Übung zu allen möglichen Zwecken rhetorisch und politisch herangezogen werden kann; aber man sollte vielleicht doch davon absehen, das gleiche Schauspiel kurz hintereinander zweimal der Öffentlichkeit vorzuführen. Bei aller ruhigen Betrachtung, die ich mir, wie die Kollegen wissen, immer zur Pflicht mache, möchte ich einen kleinen Appell dieser Art an die Adresse der Opposition richten. Ich weiß wirklich nicht, ob wir das Thema Sonderminister und mancherlei andere Dinge, die hier ausführlich erörtert worden sind, in der dritten Lesung noch einmal behandeln sollen.
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- Ich habe ja auch keinen Tadel ausgesprochen, ich habe mir eine Anregung erlaubt.
Als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses, der sich mit dem Haushaltsplan nicht nur in der Entstehungsphase beschäftigt, sondern sich später, sozusagen am Ende seines Daseins, erneut mit ihm beschäftigen muß, darf ich Ihnen berichten, daß die Ergebnisse der Rechnungskontrolle, die Auswertung der vom Rechnungshof und vom Ausschuß selbst getroffenen Feststellungen in den Haushaltsplänen allmählich anfangen sichtbar zu werden. Wir sind allerdings noch weit von dem Idealbild entfernt, daß die bei der Rechnungsprüfung getroffenen Feststellungen sich sofort und unmittelbar bei der Haushaltsberatung auswirken können. Hier werden nur Geduld und längere Übung helfen, und außerdem eine Beschleunigung des Rechnungslegungs- und Rechnungsprüfungsverfahrens, um die der Rechnungsprüfungsausschuß die Exekutive immer wieder gebeten hat. Ich wollte nur gern zum Ausdruck bringen, daß den Kollegen, die sich in diese undankbare Aufgabe, ich darf wohl sagen, hineingewühlt und viel Zeit für sie aufgewendet haben, der Dank dieses Hauses gebührt.
({9})
Ich habe mir vorgenommen, nur einige kurze Bemerkungen zum allgemeinen Haushaltswesen zu machen und die haushaltspolitische und finanzpolitische Seite, die ja schon weitgehend behandelt worden sind, anderen Kollegen zu überlassen. Ich möchte nur noch auf die bedauerliche Tatsache hinweisen, daß wir das bewährte System eines einmaligen jährlichen Haushaltsplans verlassen haben und zu dem unübersichtlichen System eines Haushaltsplans mit einem oder mehreren Nachträgen überzugehen gezwungen waren. Dabei denke ich nicht nur an den Einzelplan 14, der dem Bundesministerium für Verteidigung gilt und bei dem ein anderes Verfahren im gegenwärtigen Stadium gar nicht angewendet werden kann. Auch andere Ergänzungen und Nachträge waren nötig. Es ist leider nicht ausgeschlossen, daß solche Notwendigkeiten auch in der Zukunft noch auftreten werden.
Das Verfahren der Nachträge schädigt die Übersichtlichkeit und läßt uns kaum hoffen, daß eine große Anzahl unserer nicht unmittelbar mit den Haushaltsdingen vertrauten Kollegen uns bei der Wahrnehmung des Budgetrechts, das doch eines unserer Grundrechte ist, noch mit Verständnis folgen können. Ich möchte mit allem Nachdruck an die Bundesregierung appellieren, sie möge alles tun, um den jetzigen Zustand abzustellen und wieder zu einem einzigen jährlichen Haushaltsplan ohne Nachträge zurückzukehren. Wie ich zu meiner Genugtuung soeben erfahre, wird der Haushaltsvoranschlag 1957 bereits den kompletten Voranschlag für den Einzelplan 14 enthalten. Wir wollen hoffen, daß es dann gelingt, nachdem wir uns im laufenden Haushaltsjahr aller Voraussicht nach noch durch einige Nachträge werden hindurcharbeiten müssen, wirklich wieder zum einheitlichen einjährigen Haushaltsplan zu kommen.
Die für 1957 entstehende Haushaltslage ist vom Herrn Kollegen Vogel bereits geschildert worden. Sie zeigt, daß es sich bei dem hart umkämpften Haushalt 1956 noch um eine verhältnismäßig leichte Aufgabe handelt, während wir zu erwarten haben, daß 1957 unter Umständen schwererwiegende Eingriffe in unseren Verwaltungszuschnitt vorgenommen werden müssen.
Wir können mit einem gewissen Stolz darauf hinweisen, daß sich die sozialen Leistungen des Bundes weiter bemerkenswert gehoben haben - ich glaube, das kann von keiner Seite bestritten werden ({10})
und daß mit den Ausgaben für Landwirtschaft, Atomwirtschaft und auch für die Forschung ganz wesentliche neue Anstrengungen zur Verbesserung unseres allgemeinen Standards wenigstens in den Anfängen gemacht worden sind.
Die steigende Inanspruchnahme des Sozialprodukts für öffentliche Zwecke, die allerdings in diesen Ausgaben liegt, wirft tiefgehende Fragen auf, z. B. die, ob wir bei dem weiteren Marsch in Richtung auf das, was man häufig als Versorgungsstaat bezeichnet, auf dem richtigen Wege sind. Manchmal kann man sich des beängstigenden Gefühls kaum erwehren, daß nicht mehr überall der wesentliche Unterschied zwischen sozialem und kollektivem Denken erkannt und beachtet wird.
Wenn meine Fraktion dem Haushalt 1956 in der jetzigen Gestalt insgesamt zustimmt, so tut sie das nicht, ohne auf die Gefahr gewisser nicht im Sin({11}))
ne unserer politischen Ziele liegenden Tendenzen hinzuweisen.
Ich darf meine kurzen Ausführungen damit schließen, daß ich, genau wie das andere Kollegen getan haben, dem Herrn Vorsitzenden unseres Ausschusses und allen Mitgliedern, die sich ihre Arbeit weiß Gott nicht leicht gemacht haben, für das, was Ihnen heute zur endgültigen Beschlußfassung unterbreitet wird, meinen persönlichen Dank sage.
({12})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Schild, der unsere Fraktion im Haushaltsausschuß vertritt, ist leider heute morgen plötzlich erkrankt. Sie werden sich vorstellen können, daß ich mich nicht ganz glücklich fühle, nun für ihn eintreten zu müssen, denn ich habe an den Beratungen des Haushaltsausschusses nicht teilgenommen. Ich werde mich deswegen auf wenige kurze Bemerkungen beschränken.
Als ich vorhin die Ausführungen unseres Kollegen Schoettle zum Haushalt hörte, hatte ich das Empfinden, daß Herr Schoettle und die SPD schon fest davon überzeugt sind, daß sie die Wahl 1957 gewinnen werden. Ich habe selten massivere und massiertere Angriffe auf die Bundesregierung in diesem Hause gehört als heute morgen. Wenn aber Ihre Rechnung aufgeht und Sie in zwei Jahren die Verantwortung tragen, werden Ihre Vertreter von dieser Stelle aus etwas vorsichtiger und etwas zurückhaltender zum Haushalt sprechen.
({0})
Herr Schoettle hat dann in seinen Ausführungen auch die Stellungnahme der Fraktion der Deutschen Partei erwähnt, die wir vor gut acht Tagen herausgegeben und in der wir erklärt haben, daß wir mit dem Durcheinander in unserer Steuergesetzgebung nicht zufrieden sind. Ich muß das bestätigen. Wir sind sogar erschüttert über das Durcheinander. Denken Sie einmal an die Anträge in bezug auf die Steuersenkung, die von allen Fraktionen im Laufe des letzten halben Jahres - ich schließe meine eigene Fraktion nicht einmal aus - auf unseren Tisch gekommen sind, Anträge, die Steuersenkungen von insgesamt über 9 Milliarden fordern. Wenn diesen Anträgen Rechnung getragen worden wäre - jeder Antragsteller glaubt doch, daß sein Antrag unbedingt berücksichtigt werden müsse -, dann hätten diese 9 Milliarden nicht nur diesen, sondern auch jeden anderen Haushalt über den Haufen geworfen.
Denken Sie auch einmal an den Eindruck, den das Tauziehen um diese Anträge draußen in der Öffentlichkeit, bei unseren Steuerzahlern, gemacht hat.
({1})
- Ich schließe uns auch gar nicht aus, Herr Professor; ich weiß, worauf Sie anspielen. - Ich denke zum Beispiel an die Verlautbarungen, die über die Arbeiten des Kuchenausschusses herausgegeben worden sind. Ich denke an die Verlautbarungen über die Koalitionsgespräche. Ich denke aber auch an die Verlautbarungen, die über die Verhandlungen im Steuerausschuß in die Öffentlichkeit gekommen sind und die unsere Öffentlichkeit wirklich durcheinanderbringen mußten, weil unseren Lesern jede Woche etwas Neues in den Zeitungen vorgesetzt wurde. Ich bin nur gespannt, welches Ergebnis die Steuerdebatte der nächsten Woche bringen wird. Ich hoffe - ich glaube, die Hoffnung haben Sie alle -, daß wir zu einem guten Ergebnis kommen und daß wir dann endlich einmal auch einen einigermaßen vernünftigen Ausgleich zwischen Bund und Ländern erreichen.
Herr Bundesfinanzminister, wir von der Fraktion der Deutschen Partei hätten es wirklich begrüßt, wenn Sie von sich aus mit einem wohldurchdachten, meinetwegen auch mit dem Bundesrat vorher abgestimmten Vorschlag gekommen wären, der gleich die Wünsche unserer Steuerzahler berücksichtigt, der aber auch Ihre Möglichkeiten berücksichtigt hätte. Ich glaube, ein solcher Vorschlag von Ihnen hätte zum Ausgleich auch dieses Haushalts etwas beigetragen.
Herr Kollege, haben Sie schon einmal Gelegenheit genommen, den Sitzungen des Haushaltsausschusses beizuwohnen? Sie hätten dabei feststellen können, daß der Vorsitzende des Haushaltsausschusses sich sehr objektiv in Ihrem Sinne betätigt hat. aber von der nun einmal vorhandenen Mehrheit, zu der auch Sie bzw. Ihr Vertreter im Ausschuß zählen, im Stich gelassen worden ist.
Herr Kollege Schoettle, ich habe vorweg betont, daß ich leider an den Verhandlungen nicht teilgennmmen habe. Wir sind eine kleine Fraktion. Wir haben in jedem Ausschuß leider nur ein Mitglied, und dieses eine Mitglied ist nun heute ausgefallen. Herr Schoettle,
({0})
ich bin überzeugt, daß Sie versucht haben, darauf einzuwirken. Aber der Versuch ist Ihnen nicht gelungen.
Meine Damen und Herren, 35 Milliarden müssen nach diesem Haushaltsplan von unseren Steuerzahlern aufgebracht werden. Nächste Woche haben wir eine Steuerdebatte. Lassen Sie uns endlich einmal von den Bagatellreförmchen abkommen und zu einer vernünftigen Steuerreform und zu einer vernünftigen Steuervereinfachung kommen. Das liegt sicherlich auch im Interesse des Haushalts. Ich möchte Ihnen heute schon einmal zu überlegen geben, ob wir uns nicht doch mit dem Gedanken einer Bundesfinanzverwaltung vertraut machen sollten.
({1})
({2})
Eine Milliarde Ersparnis - so heißt es daußen - würde ja jedem Haushalt irgendwie zugute kommen.
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- Ja, die Fraktion macht es mit.
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- Das habe ich vor drei Jahren schon einmal an diesem Platz gesagt.
Aber, Herr Finanzminister, ich glaube, Sie könnten schon jetzt auf dem Wege zur Steuergleichheit etwas tun. Sie wissen, daß unsere Steuergesetze in den Ländern doch sehr verschieden ausgelegt werden. Gestatten Sie unseren Herren Oberfinanzpräsidenten Ermessensfreiheit, etwas mehr Spielraum bei der Behandlung von Steuerfällen, und ich glaube, uns wäre gedient.
Eine weitere Bitte, Herr Bundesfinanzminister.
({5})
- Er ist leider nicht da; aber Herr Staatssekretär Hartmann ist anwesend. - Wenn Aufgaben auf das Bundesfinanzministerium zukommen, dann streiten Sie sich doch nicht immer so sehr, ob diese Aufgaben nun von Ihnen, von den Ländern oder von den Gemeinden erfüllt werden müssen! Seien Sie doch bei diesen Fragen etwas friedlicher und etwas großzügiger und denken Sie bitte dabei auch einmal an unsere kleinen Gemeinden, die von Ihnen so oft vergessen werden!
Meine Fraktion gibt der Hoffnung Ausdruck, daß der kommende Haushalt schon vor dem 1. April nächsten Jahres verabschiedet wird
({6})
- wir haben es schon einmal erlebt - und daß er besser durchdacht, besser durchgearbeitet und fundierter vorgelegt wird. Ich möchte hier noch einmal an den Vorschlag meiner Fraktion erinnern, zu überlegen, ob wir nicht endlich das Haushaltsjahr auf das Kalenderjahr abstimmen sollen.
Dem heute zu verabschiedenden Haushalt liegt nach unserer Meinung keine tragende Idee zugrunde. Bei diesem Haushalt herrscht einfach der Zwang vor, unbedingt zur Ausgleichung zu kommen, gleichgültig, ob sinnlos etwas ausgegeben oder Sinnvolles gestrichen wird; ich will auf Einzelheiten nicht eingehen. Meine Kollegin Frau Kalinke hat gestern zur Sozialpolitik und mein Kollege Elbrächter hat vorgestern zur Konjunkturpolitik die Meinung meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht. Sie wissen, daß sich hier unsere Meinung nicht immer mit der Meinung der Koalitionsfreunde deckt. Den Herrn Arbeitsminister möchte ich aber noch einmal bitten, doch sehr bald mit einem Nachtrag zu kommen, der dann aber auch die Zahlen enthält, die wirklich für die Berechnungen maßgebend sein können.
Nur ganz kurz noch etwas zur Reprivatisierung der staatlichen Betriebe; Herr Kollege Atzenroth ist vorhin auch darauf eingegangen. Sie wissen, daß wir die Daseinsberechtigung der Privatunternehmen unbedingt verfechten. Mein Kollege Elbrächter hat schon zum Ausdruck gebracht, daß wir mit den Ausführungen, die der Herr Bundesfinanzminister in Bayreuth über das Volkswagenwerk gemacht hat, nicht einverstanden sind. Wir wünschen, daß alle Produktionsbetriebe, die nicht für staatliche Zwecke benutzt werden - die Betriebe für staatliche Zwecke selbstverständlich ausgenommen -, in Privateigentum übergehen, ganz gleich, ob es sich um das Volkswagenwerk, um die Howaldtwerke oder um andere Werke handelt. Nach unserer Meinung ist es nicht Aufgabe des Staates - das sage ich ganz bewußt -, mit Steuermitteln der Wirtschaft dieser Wirtschaft wieder Konkurrenz zu machen.
Meine Damen und Herren, ich habe namens meiner Freunde zu erklären, daß wir trotz aller Bedenken, die wir gegen den Haushaltsplan im ganzen haben, und trotz großer Bedenken, die wir gegen einzelne Positionen haben, dem Gesamthaushalt unsere Zustimmung nicht versagen werden.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will hier nicht in die Problematik des Haushalts und auch nicht in die Probleme der bundeseigenen Betriebe einsteigen, aber ich bin gezwungen, auf einige Äußerungen des Kollegen Atzenroth zu antworten. Er hat einen bundeseigenen Betrieb herausgegriffen, die FAMAS. Ich darf hier erklären, daß die FAMAS in den letzten zwei Jahren ihre Belegschaft um mindestens tausend Mann abgebaut hat und nicht, wie Herr Kollege Atzenroth erklärt hat, von tausend auf soundso viel tausend Mann Belegschaft aufgestiegen ist.
Zum anderen handelt es sich bei dem angezogenen NATO-Vertrag nicht um 900 Kesselwagen, sondern um 900 Kühlwagen. Herr Kollege Atzenroth, ich weiß nicht, warum - das möchte ich zum Abschluß sagen - ein bundeseigener Betrieb dieser Fabrikationsrichtung sich nicht auch um solche Aufträge bemühen soll.
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste zur allgemeinen Aussprache erschöpft. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung der Einzelpläne, für die Änderungsanträge in der dritten Lesung vorgelegt sind. Ich schlage Ihnen aber vor, daß wir zunächst der Reihenfolge der Einzelpläne nach vorgehen.
Ich rufe deshalb zunächst Einzelplan 01 auf, Bundespräsident und Bundespräsidialamt. Hierzu liegen keine Änderungsanträge in der dritten Lesung vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 01 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 01 ist in dritter Lesung angenommen.
Ich komme zum Einzelplan 02, Deutscher Bundestag. Auch hierzu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich werde aber darauf aufmerksam gemacht, daß eine redaktionelle Berichtigung notwendig sei. Der in der zweiten Beratung in den Einzelplan 02 neu eingefügte Tit. 713, „Mehrkosten für den Bau einer Jugendherberge in Bonn 300 000 DM", muß aus haushaltstechnischen Gründen als Tit. 950 mit der Zweckbestimmung „Weiterer Zuschuß des Bundes zum Bau einer Jugendherberge" erschei({0})
nen. Ich darf bitten, daß Sie dieser redaktionellen Änderung zustimmen. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wer dem Einzelplan 02 mit dieser redaktionellen Änderung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 02 ist angenommen.
Ich komme zu Einzelplan 03, Bundesrat. Auch hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Wer dem Einzelplan 03 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 03 ist angenommen.
Nun kommen wir zu dem Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt. Hier liegen Änderungsanträge vor. Zunächst Umdruck 6891) Änderungsantrag der SPD. Ich frage, ob diese Änderungsanträge begründet werden. - Herr Abgeordneter Kühn! Sie begründen die ganze Vorlage?
Meine Damen und Herren! Einige zusätzliche Bemerkungen als Begründung zu dem Antrag Umdruck 689, auf dem wir Ihnen noch einmal unsere bereits in der zweiten Lesung begründeten Änderungswünsche zum Propagandaapparat des Herrn Bundeskanzlers vorlegen. Ich habe nicht die illusionäre Erwartung, Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, für diese Anträge zu gewinnen. Ich will sie auch nicht umfänglich begründen. Die Motive unserer Anträge haben wir in zweiter Lesung in gebotener Ausführlichkeit dargelegt.
Unsere Anträge gliedern sich in zwei Kategorien. In den Ziffern 3 und 4 verweigern wir der Regierung die Bewilligung von Mitteln für Bestrebungen und Unternehmungen, die wir politisch mißbilligen. Das gilt für die schamhaft als Öffentlichkeitsarbeit etatisierte Wehrpropaganda. Wir verstehen, daß Sie diese Mittel brauchen. Die letzte Emnid-Befragung hat ergeben, daß nicht einmal ein Viertel der unter 30 Jahre alten jungen Menschen unseres Landes für die allgemeine Wehrpflicht sind. Wenn Sie Ihre Politik durchsetzen wollen, werden Sie sehr umfangreicher Propagandamittel bedürfen. Wir werden sie Ihnen nicht bewilligen. In der Debatte um das Wehrpflichtgesetz in der kommenden Woche, die wir heute nicht vorwegzunehmen haben. werden wir noch einmal darlegen, daß wir die Wehrpolitik der Bundesregierung für ein nationales Verhängnis halten und daß wir deshalb der Regierung die Mittel für die propagandistische Popularisierung dieser Wehrpolitik verweigern müssen.
Wir haben aber nicht nur die Streichung dieses wehrpolitischen Propagandafonds gefordert. Wir fordern in Ziffer 3 unseres Antrages auch die Einstellung des parteipolitischen Propagandainstrumentes. nämlich des Bulletins der Bundesreierung, das nicht ein solches Instrument sein dürfte, es aber in zunehmendem Maße geworden ist. Wir haben es beim Bulletin mit einer Einrichtung zu tun, die gut, nützlich und notwendig wäre, wenn sie dem Staate als Ganzem diente. Sie wird aber ins Gegenteil verwandelt, wenn sie zum Propagandainstrument der herrschenden Regierungspartei und ihres Parteichefs wird.
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*) Siehe Anlage 2. Das ist beim Bulletin der Fall, und deshalb beantragen wir unter Ziffer 3 die Streichung der dafür im Haushalt vorgesehenen Mittel.
Während wir bei dieser ersten Kategorie unserer Änderungsanträge, die von politischer Gegnerschaft der Regierung gegenüber bestimmt sind, nicht an Ihre Bereitschaft, an die Bereitschaft der der Mehrheitsparteien, appellieren wollen, uns zuzustimmen - wir wissen, daß dies aussichtslos wäre -, ist die zweite Kategorie unserer Änderungsanträge ein aufrichtiger Appell an Ihre Verantwortung gegenüber dem demokratischen Staat. Wir tragen diese Verantwortung gemeinsam, die heutige Koalition, die die morgige Opposition sein kann, ebenso wie die heutige Opposition, die die morgige Regierung sein kann. Niemand darf die Parteien mit dem Staat verwechseln.
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Niemand hat das Recht, Steuermittel in Parteigelder umzufälschen, wenn er nicht - und das ist die Gefahr, in die er sich damit begibt; vielleicht ist es Absicht - den Staat zu einem Klassen- oder Gruppeninstrument gegen die anderen, ich möchte sagen, denaturieren will. Wenn er den Staat als eine demokratische Institution, die allen zu dienen hat, betrachtet, darf er diesen Prozeß der Verwandlung, der Verfälschung von Steuermitteln in Parteigelder nicht versuchen. Wenn wir uns, meine Damen und Herren, in dieser Gesinnung einig sind - und wir sollten es in diesem Hause über alle Parteigrenzen hinweg sein -, dann lassen Sie uns auch gemeinsam verhindern, daß der bestehende Sumpf von Reptilienfonds unser öffentliches Leben verpestet!
Der Tit. 300 ist nur zu einem knappen Drittel mit staatspolitischen Aufgaben zu belegen. Wenn ich sage: nur mit einem knappen Drittel, dann bin ich dabei noch sehr großzügig in der Definition dessen, was allgemein staatpolitisch von diesem Hause verantwortet werden könnte. Zu zwei Dritteln ist dieser Fonds des Tit. 300 - zur Förderung des Informationswesens -, der dem Herrn Bundeskanzler unkontrolliert zur Verfügung steht, parteipolitisch und nicht staatspolitisch zu rechtfertigen. Das gefährdet nicht nur die Sauberkeit und Ehrlichkeit der politischen Auseinandersetzung, es droht die Demokratie selbst zu ruinieren.
Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheit dieses Hauses, haben, wenn Sie uns nicht glauben und wenn Sie meinen, wir dramatisierten unsere Vorwürfe, das einzige Mittel in der Hand, diese Befürchtungen zu zerstreuen. Unterbreiten Sie die Verwendung der Mittel, die in Tit. 300 festgelegt sind und deren Halbierung wir in Ziffer 1 unseres Antrages verlangen - damit gehen wir noch über das Maß dessen hinaus, was wir für belegbar halten -, einer parlamentarischen Kontrolle, so wie es sich für Haushaltsmittel, d. h. öffentliche Mittel, die zu öffentlichen Zwecken bestimmt sind, gebührt und wie es auch durchaus möglich ist, wenn man nichts zu verbergen hat. Der Herr Bundeskanzler hat in der zweiten Lesung des Haushalts bei dem sehr viel delikateren Kapitel des Bundesnachrichtendienstes einer solchen Kontrolle zugestimmt. Warum sollte es hier, wo es sich nicht um Geheimdienstarbeit, sondern um public relations handelt, um öffentliche Werbungsarbeit für die deutsche Demokratie über alle Parteien hinweg für den Staat als Ganzen, wo es sich um Aufklärungs- und Informationsarbeit handelt, wo also
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nicht die delikaten Tatbestände eines Geheimdienstes in Frage stehen, nicht genauso möglich sein, eine parlamentarische Kontrolle einzuführen, wenn nicht Sie, meine Damen und Herren, so Sie unserem Antrag die Zustimmung verweigern, damit das Odium auf sich nehmen wollen, daß es sich hier eben um versteckte, zu parteipolitischen und koalitionspolitischen Zwecken mißbrauchte Gelder handelt?
({3})
Ich fürchte, daß mein Optimismus zu waghalsig ist, wenn ich den Herrn Bundeskanzler für den Fall, daß er anwesend gewesen wäre, gebeten hätte, Ihnen, genauso wie in der zweiten Lesung bei dem Kapitel des Bundesnachrichtendienstes, ein ermunterndes Zeichen zu geben, unserem Antrag zuzustimmen. Ich fürchte, daß dieser Optimismus nicht weniger waghalsig ist, wenn ich mich mit ihm direkt an Ihre Adresse richte mit der Bitte, unserem Antrag zuzustimmen. Befreien Sie - das ist an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers gesagt - sich und Ihre Mitarbeiter, und an die Adresse der CDU/CSU gesagt: befreien Sie Ihren Kanzler und Ihren Parteichef von dem Verdacht, öffentliche Gelder zu Parteizwecken zu mißbrauchen, indem Sie unserem Antrag zustimmen!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lenz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Kühn, insbesondere der Ausführungen, die er schon bei der zweiten Lesung gemacht hat, muß ich doch auf einige sehr kühne Behauptungen, die mehr kühn als richtig waren,
({0}) zurückkommen.
Der Herr Abgeordnete Kühn hat bei der zweiten Lesung - ich war leider nicht da - z. B. behauptet - ich greife diesen Fall heraus -, die Korrumpierung, die durch die Verwendung öffentlicher Gelder bestehe, sehe man u. a. darin, daß eine Korrespondenz existiere, nämlich die „Deutsche Korrespondenz", die nach dem Ausland verschickt werde, die aber niemals abgedruckt werde. Herr Kollege Kühn, 63 Bände mit Abdrukken stehen zu Ihrer Verfügung,
({1})
damit Sie endlich einmal sehen, was dort für eine Arbeit geleistet wird! Und das ist nur ein Bruchteil von dem, was an Abdrucken erzielt worden ist! Denn alle, die diese Arbeit kennen, wissen, daß man natürlich nicht für alles Belegexemplare bekommt. Diese Feststellung muß ich im Interesse der Fairneß hier einmal treffen.
Wenn Sie weiter behauptet haben, Herr Kollege Kühn, es würden dort so hohe Honorare gezahlt, daß es doch sehr wesentlich sei, zum Kreise der Mitarbeiter zu gehören, so kann ich nur sagen, daß nach meinen Feststellungen die Honorare sehr niedrig sind. Ich kann auch nur sagen - und ich muß es sagen -, Sie hätten sich über die „Deutsche Korrespondenz" bei Ihrem Herrn Kollegen Schmid unterrichten können, der ein ausgezeichneter und wertvoller Mitarbeiter der „Deutschen Korrespondenz" ist
({2})
und dessen Artikel sehr gute Nachdruckerfolge erzielt haben. Denn es ist ja nicht so, daß das eine parteipolitisch gebundene oder eine offizielle Regierungskorrespondenz wäre. Gar nicht! Sie soll vielmehr nur die Verhältnisse in Deutschland dem Ausland darstellen und in richtiger Form vermitteln. Deshalb ist sie damals begründet worden. Sie ist begründet worden, weil wir für die deutschsprachige Presse im Ausland überhaupt kein Informationsmaterial aus Deutschland hatten.
({3})
Man ist nachher dazu übergegangen, auch fremdsprachige Ausgaben herauszugeben, weil man festgestellt hat, daß das Interesse daran sehr groß war. Im Jahre 1955 sind allein 5200 Abdrucke nachweisbar erfaßt worden, und es ist vielfach anerkannt worden, daß man mit sparsamen Mitteln einen wirklichen Effekt erzielt habe.
Ich möchte jedenfalls die Mitarbeiter und auch die Initiatoren dieser „Korrespondenz" gegen die Vorwürfe in Schutz nehmen, die Sie erhoben haben. Ich nehme aber an, Sie werden sich selbst davon überzeugen, daß die Ausführungen, die ich hier gemacht habe, zutreffend sind. Ich habe allerdings den Eindruck, Herr Kollege Kühn, daß Sie niemals ein Exemplar der „Korrespondenz" in der Hand gehabt haben, denn Sie haben u. a. behauptet, darin stünden nur lange Artikel. Wenn Sie einmal hineingeschaut hätten, hätten Sie nämlich festgestellt, daß eine Unzahl kleiner Nachrichten aus dem wirtschaftlichen und kulturellen Leben Deutschlands darin veröffentlicht worden sind und werden, die mit großem Interesse aufgenommen werden. - Ich wollte diesen Fall nur herausgreifen, um einmal zu zeigen, wie leicht es ist, Behauptungen aufzustellen, wenn man glaubt, daß sie einem nicht widerlegt würden.
Ich will mich zum Allgemeinen nicht weiter äußern. Es ist ein legales Interesse jeder Regierung, für die Politik, die sie treibt und die Milliarden in Bewegung setzt, auch bei der Bevölkerung um Verständnis zu werben. Das ist in der ganzen Welt so.
({4})
Was wir an Mitteln dafür aufwenden, ist nur ein Bruchteil von dem, was andere Staaten und andere Regierungen für diesen Zweck aufzuwenden pflegen. Man könnte über eine andere Kontrolle dieser Fonds sprechen, wenn wir nicht leider in ganz grundsätzlichen Dingen so weite Divergenzen hätten, daß da eine gemeinsame Abstimmung nicht möglich erscheint.
Deshalb beantrage ich namens meiner Fraktion, den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.
({5})
Herr Abgeordneter Kühn!
Meine Damen und Herren! Es trifft nicht zu, was Herr Kollege Dr. Lenz gesagt hat: ich hätte behauptet, der Beweis dafür, daß Korrumpierungsversuche gemacht würden, sei
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erbracht durch die Tatsache der Existenz einer Deutschen Korrespondenz. Das ist von mir nicht gesagt worden, Herr Kollege Lenz. Wenn Sie das Protokoll nachlesen, werden Sie feststellen, daß ich etwas ganz anderes gesagt habe. Ich habe eine Fülle von Einzelbeispielen aufgeführt, wie man Menschen in ihrer Gesinnung zu korrumpieren versucht; das habe ich gesagt, ohne dabei irgendwie Beziehung auf diese Deutsche Korrespondenz zu nehmen.
Der Herr Bundeskanzler hat mir bereits entgegengehalten, wie stark diese Korrespondenz abgedruckt wird. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler zugesagt, daß ich in die angebotenen Unterlagen beim Auswärtigen Amt Einsicht nehmen werde. Falls ich in dieser Frage einem Irrtum erlegen sein sollte, bin ich gern bereit, mich zu korrigieren. Das war bereits in der zweiten Lesung erledigt worden.
Aber es ist nicht uninteressant, daß die CDU Herrn Dr. Lenz hier an diese Stelle gestellt hat, der nicht nur einer der Mitväter der Deutschen Korrespondenz ist - Herr Lenz, das ist eine kleine läßliche Sünde in Ihrem ganzen Register -, sondern der der Vater all dieser obskuren Propagandaorganisationen ist, wie etwa der Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise und wie sie alle heißen.
({1})
Es ist nicht legal, wenn auf diese Art Steuermittel verwendet werden für zum Teil im Text gefälschte Plakate; ich denke an das Schumacherplakat gegen die Opposition.
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Das ist nicht demokratische Werbearbeit, das ist nicht Werbung für den demokratischen Staat, sondern das ist koalitions- und parteipolitische Werbung für einen Teil dieses Hauses mit den Mitteln des gesamten Volkes.
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Das ist es, was wir zu kritisieren haben.
Wenn Sie in bezug auf die Vergangenheit eine so reine Seele hätten, wie Sie es hier darzustellen versuchen, dann hätten Sie doch den Vorschlag akzeptieren können, den wir in der zweiten Lesung gemacht haben! Dann fordern Sie mit Ihrer Mehrheit - denn nur Sie können es durchsetzen -einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die Verwendung der in den zurückliegenden Jahren auf diesen Gebieten verbrauchten Millionen einer Kontrolle unterzieht. Dann werden wir sehen, wer recht hat, Sie oder wir. Etatisieren Sie doch die Dinge, die legal sind. ordentlich im Haushalt, beispielsweise die Mittel, die für die Dienstleistungen von dpa. der Deutschen Presseagentur, ausgegeben werden! Warum wollen Sie das nicht ordentlich etatisieren, wie Sie eine Reihe anderer Dinge. beispielsweise auch das Bulletin ordentlich etatisiert haben? Das kann doch transparent, das kann doch sichtbar gemacht werden. Das können Sie doch mit Etatklarheit und Etatehrlichkeit vor diesem Parlament ausweisen. Den Rest lassen Sie bitte wegfallen, und soweit das noch Summen sind, die ausgegeben werden müssen, unterwerfen Sie sie einer anständigen parlamentarischen Kontrolle durch ein kleines Gremium, so wie wir es gefordert haben, das nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Bundestages zusammengesetzt ist.
Sie haben gesagt, es sei ein legales Interesse der Regierung, die Politik, die sie betreibt, und das demokratische Anliegen nach draußen zu vertreten. Das wird nicht bestritten. Aber es ist ein mindestens ebenso legales Interesse und legales Anliegen des Parlaments, daß die dafür aus öffentlichen Steuermitteln genommenen Summen auch durch das Organ der Öffentlichkeit, das Parlament, kontrolliert werden.
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Weitere Wortmeldungen zu dem Umdruck 689*) liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich nehme an, meine Damen und Herren, daß Sie getrennte Abstimmung über die einzelnen Ziffern wünschen.
({0})
Ich rufe deshalb den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 689 Ziffer 1 auf. Wer dieser Ziffer zustimmen will, den bitte ich urn ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit.
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- Nun, meine Damen und Herren, das ist ein Grenzfall. Ich empfehle, daß wir in dieser Abstimmung nicht zu einer ausgiebigen Handhabung der Ordnungsrufe kommen. Trotzdem, Herr Zwischenrufer: Sehr schön war der Zwischenruf nicht.
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Die Ziffer 1 ist abgelehnt. Jetzt kommt die Ziffer 2. Wer der Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; Ziffer 2 ist abgelehnt.
Ziffer 3. Wer der Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ziffer 3 ist abgelehnt.
Ziffer 4. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ziffer 4 ist abgelehnt. Damit ist der ganze Änderungsantrag auf Umdruck 689 abgelehnt.
Weitere Änderungsanträge zu Einzelplan 04 liegen nicht vor. Ich komme deshalb zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 710**). Ich glaube, auf Begründung dieses Entschließungsantrags wird verzichtet. - Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag. Wenn ich recht sehe, ist es ein interfraktioneller Antrag. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 04 in dritter Lesung. Wer dem Einzelplan 04 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 04 ist bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir bei der Abstimmung Einzelplan 05 und Einzelplan 50 miteinander verbinden. Einzelplan 50 ist der Einzelplan für Angelegenheiten des Europarats und verwandte Gebiete, Einzelplan 05 der des Auswärtigen Amts.
*) Siehe Anlage 2. **) Siehe Anlage 3.
({3})
Zum Einzelplan 05 liegen Änderungsanträge für die dritte Lesung und auch Entschließungsanträge nicht vor. Wer dem Einzelplan 05 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Bei zahlreichen Gegenstimmen ist der Einzelplan 05 angenommen.
Ich rufe den Einzelplan 50 auf. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einzelplan 50 ist einstimmig angenommen.
({4})
- Wie?
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- Herr Abgeordneter Keller, Sie wollten sich enthalten oder dagegen stimmen?
Wir wollen dagegen stimmen, weil unsere Fraktion nicht an der deutschen Delegation des Europarats beteiligt ist.
Weil Ihre Fraktion an der deutschen Delegation des Europarats nicht beteiligt ist. Das ist ein Ergebnis der Berechnungen nach dem d'Hondtschen System und daher einstweilen ein mathematisches Problem. Aber ich nehme es zur Kenntnis und korrigiere meine vorige Feststellung. Der Einzelplan 50 ist gegen Ihre Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Beratung des Einzelplans 06, Bundesminister des Innern. Hierzu liegen Änderungsanträge vor. Ich rufe den Änderungsantrag auf Umdruck 690*) - zunächst Ziffer 1 - auf. Zur Begründung dieses Antrags hat Herr Abgeordneter Pusch das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Wiederholung eines Antrags aus der zweiten Lesung. Zur Sache ist in letzter Zeit viel gesprochen worden. Ich will mich deshalb nicht wiederholen, sondern nur ins Gedächtnis zurückrufen, daß die beantragte Summe dazu dienen soll, die Zahl der Studenten, die als Höchstbegabte gefördert werden, von 1300 auf möglichst 3000 zu erhöhen. Durch Auszählung wurde unser Antrag in der zweiten Lesung mit 160 zu 160 Stimmen abgelehnt. Bitte, korrigieren Sie dieses Ergebnis mit einer klaren Zustimmung zu unserem Antrag.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Zwischenzeit ist von meinen Freunden ein Änderungsantrag eingebracht worden, der noch verteilt wird; vielleicht haben Sie ihn schon bekommen. Der Antrag**) hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 06 02 Tit. 622 - Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes - ist der Ansatz von 1 561 400 DM um 600 000 DM auf 2 161 400 DM zu erhöhen und der Vermerk anzufügen: „Davon sind 600 000 DM gesperrt".
*) Siehe Anlage 4. **) Umdruck 715.
Ich nehme an - wir haben ja vorhin schon darüber gesprochen -, daß mit diesem Änderungsantrag eine gemeinsame Basis erreicht werden kann und daß das wesentliche Anliegen, 300 Studenten bereits in diesem Winter den Zugang zur Studienstiftung zu ermöglichen, erfüllt werden kann. Ich nehme an, daß damit eine befriedigende Lösung gefunden worden ist. Ich bitte Sie, diesem Antrage zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen zu diesen Änderungsanträgen liegen nicht vor.
Wir kmrmen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über den weitergehenden Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 690 *) Ziffer 1. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 715. Der Antrag ist noch nicht verteilt. Er ist soeben begründet worden. Ich glaube, ich brauche ihn nicht nochmals zu verlesen. Wer diesem Änderungsantrag, der von Herrn Abgeordneten Dr. Vogel begründet worden ist, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann darf der Präsident dieses Hauses als ehemaliger Studienstiftler des deutschen Volkes feststellen, daß dieser Antrag einstimmig angenommen worden ist.
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Ich rufe auf den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 690 Ziffer 2. Wird zur Begründung dieses Antrags das Wort gewünscht?
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Wird in der Aussprache das Wort gewünscht? -Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag Umdruck 690 Ziffer 2 ist abgelehnt. Damit ist der Änderungsantrag 690 erledigt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag Umdruck 708**). Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Lenz ({2}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus um Entschuldigung, daß dieser Antrag, der schon in der zweiten Lesung fällig gewesen wäre, nun in dritter Lesung dem Hohen Hause vorgelegt wird. Wir erbitten von Ihnen die Erhöhnung des Zuschusses für das Freie Deutsche Hochstift, die im Augenblick einzige freie Repräsentation des deutschen Geistes im Zeichen Goethes. Wir bitten um eine Erhöhung des Ansatzes um 20 000 DM.
({0})
- In der dritten Lesung mit 15 Unterschriften!
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Wir haben den Zuschuß für das Schiller-Museum in Marbach, das eine andere Institution dieser Art ist, ebenfalls um 20 000 DM erhöht. Ich bitte das Hohe Haus, die Interessenkämpfe nun nicht auch noch in die elysischen Gefilde zu tragen!
*) Siehe Anlage 4. **) Siehe Anlage 5.
Prüsident D. Dr. Gerstenmaier: Der Änderungsantrag ist ausreichend unterstützt. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden diesem Antrage zustimmen. Aber eines möchte ich doch in aller Freundschaft hier gesagt haben: mit der Begründung, was für den Schiller bewilligt worden sei, sei auch dem Goethe recht, können wir hier in der Zukunft, glaube ich, nicht mehr ganz durchkommen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer dem Antrag auf Umdruck 708 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Es liegen nur noch Entschließungsanträge vor.
Ich rufe zunächst den Entschließungsantrag Umdruck 638*) auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab über ,den Entschließungsantrag Umdruck 638. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Entschließungsantrag Umdruck 657**). Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Wer dem Entschließungsantrag Umdruck 657 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag 657 ist abgelehnt.
Ich rufe den Entschließungsantrag Umdruck 702***) - Entschließungsantrag der Fraktion der SPD - auf. Herr Abgeordneter Pusch zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Entschließungsantrag fordern wir die Regierung auf, so bald wie möglich Pläne für den Einsatz und die Verteilung von 20 Millionen DM zur Förderung begabter Studenten aufzustellen. Die 20 Millionen DM erklären sich daraus, daß auch die Länder etwa 20 Millionen DM für Studentenförderung ausgeben. Die Pläne dazu wurden auf der Hochschulkonferenz in Bad Honnef im Oktober vorigen Jahres ausgearbeitet.
Nach den Angaben des Herrn Bundesministers des Innern werden bei uns 14 % der Studenten aus öffentlichen Mitteln unterstützt. Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, werden in Zukunft etwa 25 % unserer Studenten unterstützt werden. Bitte machen Sie sich doch noch einmal ganz klar, daß in Frankreich 54 %, in England 71 % aller Studenten aus öffentlichen Mitteln Stipendien erhalten. Bedenken Sie bitte auch, welche Überforderung der Arbeitskraft junger Menschen es bedeutet, wenn sie gleichzeitig einem Gelderwerb und dem Studium nachgehen müssen; und das trifft für etwa 70 % unserer Studierenden zu. Diese jungen Menschen sind unser bestes Kapital. Wir treiben nichts als nüchterne Vorsorge im Konkurrenzkampf der Nationen, wenn wir uns ihrer annehmen. Wir sind es aber auch als Kulturnation uns selber schuldig, nicht auf so niederer Stufe in der Studentenförderung stehenzubleiben.
*) Siehe Anlage 6. *5) Siehe Anlage 7. ***) Siehe Anlage 8.
Ich weiß, daß im ganzen Hause Verständnis für diese Fragen vorhanden ist und daß man ein Herz für die Studenten hat. Bitte stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein derartiger Antrag hat noch nicht einmal dem Haushaltsausschuß vorgelegen.
({0})
- Ja; aber dieser Entschließungsantrag ist derartig konkret gehalten, daß er praktisch eine Ausgabe noch in diesem laufenden Haushaltsjahr bewirkt. Das ist doch jedem Kenner der Verhältnisse völlig klar. Ich möchte dringend darum bitten, daß hier nicht eine Sache, die eine millionenweite Tragweite besitzt, dermaßen überstürzt angefangen wird.
Ich habe die Beschlüsse und auch die Beratungen des Studententages in Hamburg sehr genau verfolgt; ich habe das Protokoll durchgesehen, und ich habe mit dem Leiter des Sozialamtes ein langes Gespräch darüber geführt. Meine Damen und Herren, ich selber war Werkstudent und habe mir als Bergarbeiter, ohne einen Pfennig von meinem Vater zu bekommen, mein Studium allein verdient; ich glaube, ich bin berechtigt, hier auch von meiner Seite aus etwas zu sagen. Wenn wir solche große Pläne in Angriff nehmen, dann sollten wir sie uns reiflich zusammen vor allem mit den Ländern überlegen.
({1})
Ich bin durchaus bereit, über eine weitere Förderung der Studienstiftung zu verhandeln. Wir haben uns auch bereit erklärt, die Studenten-Darlehenskasse entsprechend zu fördern. Es werden noch eine Reihe weiterer Maßnahmen für diesen Zweck getroffen werden müssen. Aber in dieser Form, uns hier sofort auf 20 Millionen DM festzulegen, können wir die Sache nicht mitmachen, wir bedauern das außerordentlich.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 7021) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist abgelehnt.
Dann liegt ein weiterer Entschließungsantrag auf Umdruck 713**) vor.
({0})
- Umdruck 714 ist zum Haushaltsgesetz gestellt, Herr Kollege Gülich. Ich habe aber keine Bedenken, auch bei dem Einzelplan 06 über den Entschließungsantrag Umdruck 714***) abstimmen zu lassen.
Dann werden wir also zunächst über den Entschließungsantrag Umdruck 713 und sodann über
*) Siehe Anlage 8. **) Siehe Anlage 9. ***) Siehe Anlage 30.
({1})
den Entschließungsantrag Umdruck 714 abstimmen.
Wird das Wort zu dem Entschließungsantrag Umdruck 713 gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Renger.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe die Ehre, hier einen Entschließungsantrag zu vertreten, der im Moment keinen Pfennig Geld kostet, allerdings später einige Kosten verursachen wird. Ich bitte Sie herzlich, diesem Entschließungsantrag auf Umdruck 713 zuzustimmen, der die Bundesregierung veranlassen soll, bis zum 31. Dezember 1956 eine Gesamtplanung und -kostenberechnung über die zivilen Verteidigungsmaßnahmen vorzulegen, und zwar im besonderen unter Berücksichtigung von Maßnahmen für Strahlenschutz, gegen radioaktive Verseuchung und zur Forschung über vorbeugende Maßnahmen. Die Frage der Kostenverteilung zwischen Bund und Ländern braucht dabei noch nicht berücksichtigt zu werden.
Nachdem sich die Mehrheit dieses Hauses nicht zu einer Erhöhung des Haushaltsansatzes für den zivilen Verteidigungsschutz um 1 Milliarde DM bereit finden konnte, soll dieser Antrag die amtlichen Stellen wenigstens verpflichten, im Interesse der Zivilbevölkerung umfassende und großzügige Planungen einzuleiten, um die notwendigen Summen eventuell in den Nachtragshaushalt einsetzen zu können. Es wäre sicher besser gewesen, diese Kenntnis über die Planung vor Beratung des Ersten Luftschutzgesetzes zu haben; aber die Regierung hatte offensichtlich wichtigere Dinge zu tun, als diese Planung hier vorzulegen.
Besonderen Wert legt meine Fraktion auf die Ausdehnung des zivilen Verteidigungsschutzes auf einen allgemeinen Katastrophenschutz, damit die Bevölkerung die Ausgabe von so großen Mitteln als sinnvoll und zweckmäßig empfinden kann und die Möglichkeiten der geplanten Maßnahmen gerade in den hoffentlich immer anhaltenden Friedenszeiten genutzt werden können.
Ich bitte den Herrn Minister, hier ein gutes Wort dafür einzulegen. Es wird ihm für seine Arbeiten sehr nützlich sein.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Hause vorschlagen, diesem Antrag zuzustimmen. Allerdings scheint mir eine redaktionelle Änderung erforderlich zu sein. Unser Terminus lautet „ziviler Bevölkerungsschutz"; in dem Antrag steht „ziviler Verteidigungsschutz".
Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, auf eins hinzuweisen: Auf dem Gebiet des zivilen Bevölkerungsschutzes ist das entscheidende und zunächst einmal vordringlichste Stück die Regelung des Luftschutzes. Wir werden in der Durchführung des Luftschutzes keinen wirklichen Schritt weiterkommen, solange das Luftschutzgesetz nicht von dem Hohen Hause verabschiedet ist.
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Solange aber das Luftschutzgesetz nicht verabschiedet ist, ist es nicht sonderlich sinnvoll, über
spekulative Zahlen zu reden. Wir können konkret miteinander nur reden, wenn das Luftschutzgesetz verabschiedet ist. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß das nun doch in absehbarer Zeit erfolgen kann.
Das Verlangen, die Gesamtplanung und -kostenberechnung bis zum 31. Dezember zu erstellen, wird den beteiligten Ressorts rein zeitlich eine gewisse Schwierigkeit bereiten. Ich bin aber der Meinung, daß wir bei guter Zusammenarbeit - hier vor allen Dingen auch mit den Ländern - in der Lage sein sollten, bis zum 31. Dezember eine solche Aufstellung zu machen.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Umdruck 713*) mit der Anderung - die Antragsteller sind damit einverstanden -, daß nicht „zivilen Verteidigungsschutzes", sondern „zivilen Bevölkerungsschutzes" gesagt wird. Wer dem Entschließungsantrag mit dieser Änderung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einzelne Nein-Stimmen ist dieser Entschließungsantrag angenommen.
Ich komme zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 714**). Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Haus in der vorigen Woche mit Mehrheit unseren Antrag, erstens einen Forschungsfonds bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und zweitens 7 Millionen DM für die Max-Planck-Gesellschaft bereitzustellen, abgelehnt hatte, kündigte ich für die dritte Beratung einen Entschließungsantrag an. Inzwischen sind die Dinge weiter gediehen. Auf Umdruck 686 beantragen alle Fraktionen eine Änderung des vorherigen CDU-Antrages, indem sie der Max-Planck-Gesellschaft 7 Millionen DM zur freien Verfügung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft 15 Millionen DM zur freien Verfügung stellen wollen. Damit sind meine Bedenken in bezug auf Auflagen oder Zweckbindungen hinfällig.
Der Entschließungsantrag, der nun von allen Fraktionen des Hauses eingebracht ist, hat zum Gegenstand, erstens die Bundesregierung aufzufordern, einen Forschungsplan zur Förderung der Grundlagenforschung, insbesondere auch der Geisteswissenschaften, vorzulegen, zweitens über die 28 Millionen DM, die aus dem Einzelplan 14 bereitgestellt werden sollen, ebenfalls einen Verwendungsplan vorzulegen und drittens die Änderung der Satzungen der Forschungsgremien vorzunehmen, an die der Bund höhere Zuwendungen gibt. Ich habe das in der vorigen Woche bereits begründet.
Abgeordneter Dr. Vogel!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bitte Sie namens meiner Freunde, diesem Entschließungsantrag zuzustimmen. Er erfüllt ein langjähriges Anliegen, das auch bei der Forschungsgemein-
*) Siehe Anlage 9. **) Siehe Anlage 30.
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schaft selbst in manchen Sitzungen besprochen worden ist. Wir hatten uns bereits vorher gemeinsam über einen solchen Entschließungsantrag ausgesprochen und haben ihn zusammen formuliert. Ich nehme also an, daß er etwas zustande bringen wird, was auf weite Sicht gesehen ein Gemeinanliegen aller derjenigen ist, die an der deutschen Forschung und an ihrer kraftvollen Weiterentwicklung interessiert sind.
Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 06 im ganzen mit den in der dritten Lesung angenommenen Änderungen auf Grund der Anträge auf Umdruck 708 und Umdruck 715. Wer dem so veränderten Einzelplan 06 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Nein-Stimmen ist der Einzelplan 06 angenommen.
Nunmehr muß noch über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 auf Drucksache 2455 abgestimmt werden. Das ist wieder einmal der berühmte Vorschlag des Ausschusses, eine Reihe von Anträgen durch die Beschlußfassung zu dem Antrag unter Ziffer 1, also zu dem Einzelplan 06, für erledigt zu erklären. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen .
Nun kommt der Einzelplan 07, Bundesminister der Justiz. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor; auch Entschließungsanträge liegen nicht vor. Wer dem Einzelplan 07 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe. - Einzelplan 07 ist bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Ich komme zu Einzelplan 08, Bundesminister der Finanzen. Hier liegen ebenfalls weder Änderungs- noch Entschließungsanträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 08 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Neinstimmen angenommen.
Einzelplan 09, Bundesminister für Wirtschaft. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 691*) vor. Ich frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. Auf Begründung wird verzichtet. Das Wort wird weiter nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 691. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zu der Abstimmung über Einzelplan 09 im ganzen. Wer ihm zu stimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Neinstimmen angenommen.
Jetzt kommt der Einzelplan 10, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Hier liegen zwei Änderungsanträge vor, der erste auf Umdruck 692**). Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Kriedemann!
*) Siehe Anlage 10. **) Siehe Anlage 11.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht um das Wort gebeten, um alle die Argumente zur Vertretung unseres Antrages, der Ihnen jetzt auf Umdruck 692*) erneut vorliegt, zu wiederholen.
Ich möchte zunächst darauf aufmerksam machen, daß der zweite Absatz gegenstandslos ist; denn im Haushaltsplan findet sich diese einschränkende Bemerkung für den dort vorgesehenen Betrag für Schulmilchspeisung erfreulicherweise nicht. Wir haben sie seinerzeit aufgenommen, weil im Grünen Plan die Beteiligung der Länder gefordert wurde. Wir halten aber in vollem Umfang unsere Bedenken dagegen aufrecht, daß die Bundesleistungen, auch wenn sie nur in der im Haushaltsplan vorgesehenen Höhe von 6 Millionen DM erfolgen, von gleichen Leistungen der Länder und der Gemeinden abhängig gemacht werden.
Ich möchte meinen neulich vorgetragenen Argumenten nur noch eins hinzufügen. Ich habe Ihnen neulich nach unserer Frankreichreise mit einem Beispiel bei der Hand gesagt, wie sehr sich dort die Schulmilchspeisung durchgesetzt hat. Einige von uns haben inzwischen Gelegenheit gehabt, mit den Mitgliedern des englischen Unterhauses, die in diesen Tagen agrarische Fragen in Deutschland studieren, über diese Frage zu reden, und von ihnen erfahren, daß auch in England jedes Kind aus öffentlichen Mitteln Schulmilchspeisung bekommt und wie gut sich das für Idle Landwirtschaft auswirkt.
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Es ist uns wirklich ein ernstes Anliegen. Sehen Sie das im Zusammenhang mit den Belastungen für den Verbraucher. Der Minister hat neulich selbst zum Ausdruck gebracht, daß z. B. die Abschöpfungen Belastungen der Verbraucher sind. Hier haben wir eine gute Gelegenheit, ihnen einen Teil davon wiederzugeben. Wir würden es als ein Zeichen von gutem Willen und für ein Zeichen von Verständnisbereitschaft werten - und nicht nur wir, sondern die Öffentlichkeit würde das sicherlich tun -, wenn das Haus sich unserem Antrag anschlösse. Wir werden Sie ohnehin in absehbarer Zeit bei der nächsten Gelegenheit mit Anträgen vor die Frage stellen, ob in Zukunft nicht all diesen Belastungen der Verbraucher, die z. B. mit der Abschöpfung verbunden sind, Ausgleichsleistungen zugunsten der Verbraucher gegenübergestellt werden sollten. Wir hätten hier eine gute Gelegenheit für einen Anfang in dieser Richtung.
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Wird dazu das Wort weiter gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 692*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zu dem Änderungsantrag auf Umdruck 711**). Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Zur Begründung wird nicht das Wort gewünscht. Wird weiter das Wort dazu gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion des GB/BHE auf Umdruck 711 zustimmen
*) Siehe Anlage 11. **) Siehe Anlage 12.
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will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit kommen wir zu der Abstimmung über den Einzelplan 10 im ganzen. Wer diesem Einzelplan 10 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Einzelplan 10 ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich muß noch über die Ziffer 2 des Antrags Drucksache 2459 zu dem Einzelplan 10 abstimmen lassen. In diesem Antrag des Ausschusses wird die Bundesregierung ersucht,
die organisatorische Umgestaltung der Einfuhr- und Vorratsstellen . . . so beschleunigt weiterzutreiben, daß sie bereits dem Bundeshaushaltsplan 1957 zugrunde gelegt werden kann.
Wer diesem Entschließungsantrag des Ausschusses
zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Der Entschließungsantrag des Ausschusses ist einstimmig angenommen.
Einzelplan 11, Bundesminister für Arbeit. Hier liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 694*) vor. Wird zur Begründung das Wort gewünscht? - Nicht. Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Umdruck 694. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über einen Entschließungsantrag, der Ihnen auf Umdruck 712**) vorliegt. Wird dazu das Wort gewünscht? - „Auf Begründung wird verzichtet", lese ich hier, „da sie im Text enthalten ist."
Ich komme zur Abstimmung. Wer diesem Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Entschließungsantrag ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 11 im ganzen. Wer dem Einzelplan 11 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einzelplan 11 ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Einzelplan 12, Bundesminister für Verkehr. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 693 ({1})***) vor. Wird zu diesem Änderungsantrag das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Wehner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem mit diesem Änderungsantrag auf Umdruck 693 ({0}) Ihnen unterbreiteten Vorschlag werden Sie um Ihre Zustimmung zur Einfügung eines Leertitels 775 in den Einzelplan 12
- Kap. 12 04, Seewasserstraßenverwaltung - gebeten. Es handelt sich - um es nur kurz zu sagen - um den wegen Sturmflutgefahr dringend notwendigen Bau des Estesperrwerkes. Ein entsprechender Antrag in anderer Fassung fand in der zweiten Lesung auf Grund von verschiedenen
*) Siehe Anlage 13. **) Siehe Anlage 14. ***) Siehe Anlage 15.
Ansichten über den Reifegrad der Pläne keine Annahme. Nach Rücksprache mit dem Bundesverkehrsministerium haben wir uns entschlossen, einen dem Vorschlag dieses Hauses entsprechenden neuen Antrag vorzulegen, den Sie vorfinden. Ich hoffe, daß Sie dem Antrag in dieser Fassung Ihre Zustimmung geben können.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort dazu wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 693 ({0}) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer diesen Änderungsantrag auf Umdruck 693 ({1}) zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das Ergebnis dieser Abstimmung wird bezweifelt. Wir kommen zum Hammelsprung.
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Darf ich bitten, den Saal zu räumen. - Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen. Die Auszählung beginnt.
({3})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Auszahlung bekannt. Mit Ja für den Änderungsantrag - haben gestimmt 169 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 196 Mitglieder des Hauses, Enthaltungen 1. Damit ist der Änderungsantrag auf Umdruck 693 abgelehnt.
Ich rufe auf den Änderungsantrag der Abgeordneten Brese, Dr. Bergmeyer, Unertl und Genossen, Umdruck 709**).
Zur Begründung Herr Abgeordneter Brese!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes 1956 in der vorigen Woche wurde der Antrag Umdruck 662 ({0}) angenommen, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. 1214 - Deutscher Wetterdienst in Frankfurt ({1}) - wird unter Personalausgaben folgender Haushaltsvermerk angebracht: „Es ist sicherzustellen, daß weder vor noch nach Einführung des Bildübertragungsverfahrens ({2}) der Personal-Sollbestand des Jahres 1955 der Wetterämter Bremen, Freiburg, Neustadt ({3}) und Schleswig verringert wird."
Wir haben uns im Haushaltsausschuß ausführlich mit dem Deutschen Wetterdienst beschäftigt, und zwar in mehreren Sitzungen. Uns lag ein Gutachten des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vor, der auf dem Standpunkt stand, daß der Personalbestand von 96 Köpfen weitaus überhöht sei, und der uns den Vorschlag machte, diesen Personalbestand auf 52 Köpfe zu reduzieren. Nach langem Hin und Her sind wir dann zu dem Beschluß gekommen, 72 Stellen zu genehmigen. Dazu ist in der zweiten Lesung
") Siehe Anlage 16.
({4})
dieser Vermerk eingefügt worden, der verhindert, daß die Reduzierung von 96 auf 72 Köpfe vorgenommen wird. Wie Sie selbst eben gehört haben, soll sichergestellt werden, daß auch in Zukunft der jetzige Sollbestand von 96 Köpfen bestehenbleibt. Wir Unterzeichner dieses Antrages bitten Sie recht herzlich, unserem Antrag zuzustimmen; denn wenn wir über die Empfehlungen des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung hinweggehen, können wir unter keinen Umständen zu einer Verwaltungsreform kommen, und das war doch das Anliegen des gesamten Hauses. Die Dienststellen sollten gezwungen werden, unter sich einen Ausgleich zu finden. Ich bitte daher, unserem Antrag 709 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Orth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Brese, was Sie für sich und den Haushaltsausschuß in Anspruch nehmen, daß Sie diese Materie in verschiedenen Sitzungen eingehend behandelt hätten, nimmt auch der Verkehrsausschuß, dem ja eine Anzahl fachkundiger Mitglieder angehören, für sich in Anspruch. Wir haben sehr wohl geprüft, was dem Hohen Hause in dieser Frage vorgelegt wird, und wir sind im Verkehrsausschuß zu der einmütigen Meinung gekommen, daß dieses Gutachten des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung abzulehnen sei. Herr Kollege Brese, wir befinden uns bei der Ablehnung nicht allein; denn dieses Gutachten ist zunächst einmal vom Verkehrsministerium selbst abgelehnt worden.
({0})
Eines Tages ist mir eine Stellungnahme des Verkehrsministeriums vorgelegt worden, in der das Verkehrsministerium von diesem Gutachten abrückt. Außer dem Verkehrsministerium und dem Verkehrsausschuß haben sich auch der Bundesrat und eine Anzahl ständischer Vertretungen, die ich gar nicht alle aufzuführen brauche - die Vereinigung der Meteorologen und andere - gegen das Gutachten gewandt.
Unser Anliegen ist folgendes. Zunächst einmal kommt eine Erhöhung des Personalbestandes - und darum geht es ja - gar nicht in Frage, sondern die Meteorologen sollen draußen an ihren Wetterämtern tätig bleiben, aber nicht in einem Wasserkopf in Frankfurt. Das wird bedeuten, daß kein Pfennig mehr als seither aufgewendet wird. Wir wollen das deshalb, weil die Wetterämter eine sehr wichtige Funktion in der regionalen Betreuung ihrer Gebiete haben und weil es nicht möglich ist, die Meteorologen, die draußen tätig sind, mit einem Bildübrtragungssystem, das bis heute noch nicht einmal genügend erprobt ist, zu ersetzen.
Weiter sind in der Zwischenzeit auch eine große Anzahl neuer Aufgaben an die Wetterämter herangekommen, die Untersuchung über die Radioaktivität in der Luft, Dinge, die mit dem zivilen Luftschutz und mit der Verteidigung zusammenhängen. All das soll ja von den Wetterämtern künftig übernommen werden. Dann soll man heute nicht die Fachleute bei den Wetterämtern abziehen, wenn man sie morgen für andere neue Aufgaben, die an dem Tage, an dem der Beauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sein Gutachten erstattete, noch nicht bekannt waren - das
Gutachten stammt aus dem Jahre 1952 oder 1953 -, wieder durch einen höheren Personalbestand ersetzen muß.
Deshalb bitte ich Sie, den Antrag Brese und Kollegen abzulehnen.
({1})
Der Herr Staatssekretär des Finanzministeriums!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist auch die Auffassung des Bundesfinanzministeriums, daß den vier Wetterämtern in Schleswig, Bremen, Neustadt und Freiburg in Zukunft die Möglichkeit gegeben werden muß, ihre Aufgaben im bisherigen Umfang durchzuführen. Dazu erscheint mir jedoch der Weg, der in dem in zweiter Lesung angenommenen Zusatzantrag vorgeschlagen worden ist, nicht geeignet.
Die auf Anregung des Haushaltsausschusses erweiterte Regierungvorlage für den Wetterdienst sah vor, das jedes der genannten vier Wetterämter über die Personalansätze des Gutachtens des Beauftragten hinaus zwei Meteorologen und drei technische Kräfte erhält, bis durch Einführung des neuen technischen Verfahrens, nämlich der Bildübertragung von Wetterkarten, eine Rationalisierung des Wetterdienstes vorgenommen werden kann. Die Leitung des Wetterdienstes und die Bundesregierung sind der Meinung, daß die vier Wetterämter damit in der Lage sind, den Anforderungen der Öffentlichkeit auf Wetterberatung zu entsprechen. Ein starres Festhalten an alten Personalstärken, die früher einmal, vor der Schaffung des Deutschen Wetterdienstes, unter anderen, heute nicht mehr zutreffenden Voraussetzungen festgelegt wurden, müßte die Wirkung haben, daß an anderen Stellen des Dienstes Lücken aufgerissen würden und die Gesamtorganisation aus dem Gleichgewicht gebracht würde. Die Durchführung des Antrages würde auch einen Eingriff in die Organisationsbefugnis des Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes darstellen, der nach dem Wetterdienstgesetz die Verantwortung für den Dienst trägt.
Ich darf bemerken, daß die 24 Kräfte, um die es sich hier handelt, bereits abgezogen sind, nicht entlassen, sondern anderweitig verwendet; sie müßten also zurückversetzt werden. Um einen Abbau handelt es sich überhaupt nicht. Es müßten jetzt 24 Kräfte zusätzlich eingestellt werden, wenn der Antrag angenommen werden sollte. Das aber ist sicher nicht im Sinne der Antragsteller.
({0})
Ich möchte wirklich glauben, daß der Beschluß des Haushaltsausschusses wiederhergestellt werden sollte. Die Angelegenheit ist in der Tat von grundsätzlicher Bedeutung. Es geht nicht an, daß, wenn einmal, entsprechend dem Gutachten des Bundesbeauftragten, ein ganz bescheidener Versuch zur Verwaltungsvereinfachung gemacht wird, dem dann sofort in den Arm gefallen wird.
({1})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Bärsch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Begründung des Bundesfinanzministeriums für seinen Wunsch nach Wiederherstellung der alten Fassung stützt sich im wesentlichen darauf, daß durch Hellfax, dieses Bildschirmverfahren, eine Anzahl von Personalkräften eingespart werden kann. Diese Voraussetzung trifft aber nicht zu, zumindest heute noch nicht.
({0})
Das Bildschirmverfahren ist technisch noch nicht so ausgereift, daß heute schon Personaleinsparungen vorgenommen werden könnten. Es ist erwiesen, daß nicht selten die Wetterkarten über dieses HellfaxVerfahren so verzeichnet übertragen werden, daß sie mit der Hand nachgezeichnet werden müssen, so daß also, würden wir bereits jetzt einen Personalabbau vornehmen, die Funktion der Wetterämter zweifelsohne ernsthaft gestört würde.
({1})
Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, der auch nicht übersehen werden sollte. Als der Rechnungshof dieses Gutachten erstellte, war noch nichts zu sehen von dem Aufbau der militärischen Organisation. Auch hieraus ergeben sich für die Wetterämter neue zusätzliche Aufgaben. Im Raum Norddeutschland z. B. werden wir in Wilhelmshaven, in Bremerhaven, in Cuxhaven und in Borkum Standorte der Marine haben, und es besteht die, wie ich meine, berechtigte Absicht, die militärischen Dienststellen weitgehend über die zivilen Wetterämter mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Ich halte es deshalb nicht für glücklich, jetzt das Personal der Wetterämter abzubauen und es gegebenenfalls in einem halben Jahr durch militärische Angestellte zu ersetzen.
Ich bitte Sie deshalb, den gestellten Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag Umdruck 709 abzulehnen. Selbst wenn durch die Einführung des Hellfaxverfahrens die Möglichkeit bestünde, Personal einzusparen, muß man doch berücksichtigen, daß es sich beim Wetterdienst um eine Einrichtung von Wissenschaft und Forschung handelt. Sie sollten bedenken, daß zu erwartende Resultate des Fortschritts von Wissenschaft und Forschung dazu führen, daß erheblich weitergehende Aufgaben in Angriff genommen werden müssen. Lassen Sie für diesen Fall im Personaletat ein wenig Spielraum!
({0})
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit wird hier nicht richtig dargestellt. Wir haben durch Gesetz bestimmt, daß der Präsident des Deutschen Wetterdienstes für die Durchführung der Aufgaben verantwortlich ist, die durch Gesetz dieser Anstalt zugewiesen sind. Es handelt sich in erster Linie um eine wissenschaftliche Anstalt und nicht um eine Verwaltung. Der Tatsache, daß der
Präsident die Verantwortung für diese Sache übernimmt und trägt, muß auch von dem Hohen Hause Rechnung getragen werden. Der Präsident des Wetterdienstes hat sich ausdrücklich dahin ausgesprochen, daß durch die vom Haushaltsausschuß getroffene Regelung die Möglichkeiten gegeben sind, die er braucht, um die Arbeit des Deutschen Wetterdienstes in allen seinen Zweigen sicherzustellen. Er ist aber der Auffassung, daß ihm diese Möglichkeiten durch den in der zweiten Lesung angenommenen Antrag beschnitten werden, weil ihm nämlich nicht gleichzeitig die dazu notwendigen und beantragten zusätzlichen Stellen gegeben werden. Er kann dann also andere Aufgaben, die von gleicher Bedeutung sind, nicht erfüllen. Er glaubt aber, daß er mit dem jetzt dort vorhandenen Personalbestand in der Lage ist, die Aufgaben der vier Wetterämter voll zu erfüllen.
Ich glaube, wir müssen dem Präsidenten des Deutschen Wetterdienstes und seinen Mitarbeitern die Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die sie brauchen, um die ihnen durch Gesetz übertragenen sehr verantwortlichen Aufgaben wirklich durchführen zu können. Ich wäre deshalb sehr dankbar, wenn diese Einengung der Organisationsgewalt, die in der zweiten Lesung vorgenommen worden ist, nicht aufrechterhalten würde. Wir können uns bei der Beratung des Haushalts 1957/58 im Haushaltsausschuß noch darüber auseinandersetzen, ob nach den Erfahrungen dieses Jahres Änderungen vorgenommen werden müssen. Die zusätzlichen Aufgaben, die der Wetterdienst für militärische Bedürfnisse zu übernehmen haben wird, können sowieso nicht in dem bestehenden Rahmen erfüllt werden, sondern dazu müssen weitere Stellen bewilligt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 709*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Wir müssen die Abstimmung wiederholen. Wer dem Änderungsantrag der Abgeordneten Brese und Genossen zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 665**). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Bausch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wollen Sie mir bitte gütigst gestatten, einige Bemerkungen zur Begründung des Entschließungsantrags auf Umdruck 665 zu machen.
Der Entschließungsantrag fordert von der Bundesregierung die Bereitstellung von Mitteln zum Ausbau von Umgehungsstraßen an der Bundesstraße Nr. 35. Hinter diesem Antrag, der scheinbar nur ein Problem der Verkehrstechnik und des Straßenbaus betrifft, steht in Wirklichkeit viel mehr. Hinter diesem Antrag steht die harte und bittere Not von Tausenden von Menschen, nämlich der Menschen, die in den Städten und Gemeinden wohnen müssen, durch die sich die Bundesstraße Nr. 35 hinzieht.
*) Siehe Anlage 16. **) Siehe Anlage 17.
({0})
Ich glaube nicht, daß es eine Straße mit ähnlicher Verkehrsdichte gibt. Auf dieser Bundesstraße vollzieht sich bei Tag und bei Nacht ein geradezu ungeheuerlicher Massenverkehr von Kraftwagen und insbesondere von Lastkraftwagen und schweren Lastzügen. Unlängst wurden in einer dieser kleinen Gemeinden innerhalb von 24 Stunden 10 000 durchfahrende Kraftwagen gezählt, und zwar ganz überwiegend Lastkraftwagen.
Die Gemeinden und kleinen Städte, durch die diese Bundesstraße Nr. 35 führt, sind in der Regel sehr eng gebaut. Die Folgen des Massenverkehrs von Kraftwagen für die Einwohner dieser Gemeinden können nicht anders denn als ruinös und katastrophal bezeichnet werden. Man kann sich nur dann die richtige Vorstellung von der jammervollen Situation dieser Bürger machen, wenn man sich einmal von dieser Lage durch einen direkten Augenschein überzeugt hat.
Für die Anlieger dieser Straße - für gesunde und kranke - gibt es weder bei Tag noch bei Nacht irgendeine Ruhe mehr. Die Mütter können ihre Kinder nicht mehr ohne schwere Sorge in die Schule schicken. Die Bauern können mit ihren Pferde- und Kuhfuhrwerken kaum auf ihre Acker kommen; sie laufen dabei ständig die schwerste Gefahr. Die Häuser werden durch die schweren Lastwagen erschüttert. Das Eigentum der Anlieger wird zerstört. Der Fremdenverkehr wird abgewürgt. Alles in allem muß gesagt werden, daß für die Menschen, die dazu verurteilt sind, an dieser Straße zu leben, die im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte praktisch aufgehoben sind.
({1})
- Bitte, gehen Sie einmal dort hin und sehen Sie sich diese Situation an, die nur deshalb entstanden ist, weil es die Masse der Lastkraftfahrer vorzieht, von der Autobahn wegen der zu großen Steigungen wegzufahren und diese Bundesstraße zu befahren, die durch eine Masse von Dörfern und kleinen Städten läuft. Man muß diese Sache kennen, um darüber sprechen zu können.
({2})
Dieser Zustand kann nach meiner Meinung unmöglich länger geduldet werden. Auch diese Menschen haben einen Anspruch auf Leben, Sicherheit und Eigentum. Diesem Anspruch muß die Priorität gegenüber den Interessen des Verkehrsgewerbes zuerkannt werden. Meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, wenn Sie darüber anders denken, ist das Ihre Sache,
({3})
aber ich halte es für meine Pflicht, das hier im Bundestag ganz offen zu sagen.
({4})
Ich möchte die Bundesregierung jedenfalls bitten, im Haushalt für 1957 die erforderlichen Mittel zum Bau von Umgehungsstraßen bereitzustellen, um die an der Bundesstraße Nr. 35 liegenden Gemeinden von dem Verkehr zu entlasten. Ich darf an das Hohe Haus die Bitte richten, aus diesem Grunde dem Entschließungsantrag die Zustimmung zu geben.
({5})
Das Wort hat der Abgeordneter Schmidt ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bausch hat uns eben durchaus eindrucksvoll geschildert, zu welchen Verhältnissen es infolge der unzureichenden Ausbauten gewisser Bundesstraßen in Deutschland gekommen ist. Wenn er das allgemein und nicht nur in bezug auf die eine Bundesstraße seines Wahlkreises gesagt hätte, hätte er unseren rauschenden Beifall gefunden.
({0})
Wir sind mit dem Herrn Kollegen Bausch der Meinung, daß sich nicht nur im Zuge der Bundesstraße 35, sondern allüberall in der Bundesrepublik das Straßennetz in einem Zustand befindet, der wirklich nicht als akzeptabel empfunden werden kann.
({1})
Wir sind deshalb der Meinung, daß es zweckmäßig ist, nicht für bestimmte Ortschaften oder Wahlkreise in der dritten Lesung im einzelnen Anträge zu stellen, sondern für den Bundesstraßenbau und auch für den Straßenbau in Kreisen und Gemeinden grundsätzlich etwas Durchgreifendes zu tun.
Wir schlagen Ihnen deshalb vor, den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bausch und Genossen wie folgt zu ändern. - Ich darf hiermit einen Änderungsantrag einbringen, Herr Präsident.
Bitte sehr!
In der Zeile 3 werden die Worte „an der Bundesstraße Nr. 35" gestrichen. Außerdem wird der letzte Satz gestrichen. Der Sinn des Antrags läuft dann darauf hinaus, der Bund möge
bei der Aufstellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1957 ausreichende Mittel zum Bau von Umgehungsstraßen zum Schutz derjenigen Städte und Gemeinden bereitstellen, die durch den Tag und Nacht durchlaufenden Massenverkehr von Lastkraftwagen in geradezu unerträglicher Weise geschädigt werden.
({0})
Der Herr Abgeordnete Bausch hat das Wort.
({0})
- Ich nehme an, daß das Haus in Ruhe zuhört.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was der Herr Kollege Schmidt soeben ausgeführt hat, hat zwei Seiten. Was die eine Seite anbelangt, so vermag ich ihm nicht zuzustimmen. Ich bleibe dabei, daß es sich bei der Lage, die ich soeben geschildert habe, um eine ganz besondere Situation, um eine ganz besondere Notlage von Bürgern dieser Bundesrepublik handelt, eine Notlage, wie sie in solcher Dringlichkeit anderwärts nicht in Erscheinung getreten ist.
({0})
({1})
-Meine Damen und Herren, Sie sind in dieser Gegend noch nicht gewesen. Ich war dort. Bitte, ich lade Sie herzlich ein, dorthin zu gehen und sich diese Situation einmal anzusehen. Ich muß deshalb dabei bleiben, daß der Antrag in diesem Wortlaut angenommen wird.
Was die andere Seite anbelangt, Herr Kollege Schmidt, so bestreite ich Ihnen durchaus nicht, daß es auch noch andere Straßen gibt, an denen schwierige Situationen bestehen und bei denen es deshalb notwendig ist, Umgehungsstraßen zu bauen. Aber respektieren Sie bitte diese eine Seite, dann bin ich bereit, die andere Seite zu respektieren. Es liegt bei Ihnen, einen besonderen Antrag zu stellen. Meine Aufgabe ist es, für den Antrag zu plädieren, den ich gestellt habe. Ich lade Sie herzlich ein, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung kommen, wird mir Herr Kollege Bausch eine Erinnerung an die schwäbische Muse erlauben. Er ist sicher entschlossen, hier für Maulbronn zu kämpfen, und er hat sich gesagt: „Es gilt uns heut zu rühren des Königs steinern Herz!"
({0})
Aber trotzdem, meine Damen und Herren, zuerst kommt der Änderungsantrag zum Entschließungsantrag. Wir stimmen deshalb zunächst über den Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Schmidt ({1}) zum Entschließungsantrag des Herrn Bausch ab. Muß ich wiederholen, was Herr Abgeordneter Schmidt hier vorgetragen hat?
({2})
Der spezifische Antrag des Abgeordneten Bausch für Maulbronn wird also durch diesen Änderungsantrag verallgemeinert.
Wer dem Änderungsantrag zum Entschließungsantrag Bausch zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! ({3})
-- Herr Abgeordneter Mommer, beruhigen Sie sich!
- Ich verstehe den Sinn dieser Abstimmung nicht ganz. Herr Bausch hat vorhin extra erklärt, er würde einem solchen allgemeinen Antrag außerdem zustimmen. Ich hatte also angenommen, daß für den allgemeinen Antrag das ganze Haus stimmen würde.
Der Änderungsantrag zum Entschließungsantrag ist mit großer Mehrheit angenommen. Nun muß ich noch über den Entschließungsantrag des Abgeordneten Bausch abstimmen lassen, da er seinen Antrag nicht zurückziehen will.
({4})
- Der Entschließungsantrag Bausch ist jetzt geändert. Nun hat aber Herr Abgeordneter Bausch angekündigt, daß er offenbar erneut einen Antrag einbringen wird.
({5}) - Herr Kollege Mellies!
Herr Präsident! Darf ich darauf aufmerksam machen, daß noch über den abgeänderten Entschließungsantrag abgestimmt werden muß.
Der abgeänderte Entschließungsantrag ist ja schon angenommen.
({0})
- Meine Damen und Herren, nur keine Geschäftsordnungsdebatte. Es wird also abgestimmt über den abgeänderten Entschließungsantrag. Wer diesem abgeänderten Entschließungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Also nun haben wir die Einmütigkeit des Hauses, die offenbar jedermann gemeint hat, die Einstimmigkeit. Damit ist der Entschließungsantrag in der abgeänderten Form angenommen.
Ich komme zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 706*), Entschließungsantrag der Abgeordneten Erler, Leonhard, Dr. Bucher und Genossen. Ich frage, ob zu diesem Entschließungsantrag das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Entschließungsantrag auf Umdruck 706 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Entschließungsantrag auf Umdruck 706 ist abgelehnt.
Nun kommen wir zur Abstimmung über den Einzelplan 12 im ganzen. Wer dem Einzelplan 12 im ganzen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Stimmen ist der Einzelplan 12 angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2461 und frage, ob dazu das Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse zunächst über die Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses, Drucksache 2461, abstimmen. Wer dieser Ziffer 2 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß nicht jedermann gegenwärtig ist, worum es sich handelt. Es handelt sich darum, den Antrag der Abgeordneten Metzger und Genossen betreffend Umgehungsstraße in Darmstadt und den Antrag der Fraktion der DA betreffend Förderung des Baues von Rad- und Mopedwegen an Bundesstraßen für erledigt zu erklären.
({1})
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 1 des Ausschußantrags.
({2})
- Warum verstehen Sie denn nicht? ({3})
Das Mikrophon ist eingeschaltet. Ich kann auch lauter sprechen; vielleicht verstehen Sie dann.
Ich rufe auf die Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses auf Drucksache 2461. Wer dieser Ziffer 1 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich komme zu dem Einzelplan 13, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen. Hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich frage, ob dazu das
a) Siehe Anlage 18.
({4})
Wort gewünscht wird. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Einzelplan 13 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen zahlreiche Stimmen ist der Einzelplan 13 angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verteidigung. Hier liegen Änderungsanträge vor auf Umdruck 698 und auf Umdruck 686.
Zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck 698*). Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Umdruck 686**), Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP, FVP. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Dieser Änderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zu der Abstimmung über den Einzelplan 14.
({5})
- Zum Einzelplan 14?
({6})
- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie sind im Begriff, einem Einzelplan zuzustimmen, dessen Zahlenwerk so nicht stimmt.
({0})
Ich möchte deshalb darauf hinweisen. Ich habe bereits in der Freitagnacht den Herrn Bundesminister der Finanzen nach den richtigen Zahlen gefragt. Er war aber damals gerade auf dem Wege zu den „Meistersingern" nach Bayreuth
({1})
und konnte nicht hier sein.
({2})
- Die waren in Bayreuth! Da Wagner seinen Platz in Bayreuth hat, habe ich mir dieses Scherzchen erlaubt. - Herr Kollege Schoettle hat heute den Herrn Bundesfinanzminister konkret gefragt, und er kann auch jetzt nicht hier sein, weil er heute nachmittag im Konzert der Großmacht der Ministerpräsidenten der Länder mitwirkt. Ich möchte Ihnen deshalb folgendes sagen:
Der Einzelplan 14 geht von der Globalsumme von 9000 Millionen DM aus. Davon sind 232,258 Millionen DM für Stationierungskosten für die Zeit vom 1. April bis zum 5. Mai 1956 abgesetzt; Sie sehen den engen Zusammenhang zwischen den Stationierungskosten und dem Verteidigungshaushalt. Es steht jetzt fest, daß der Herr Bundeskanzler neulich zugestimmt hat, 650 Millionen DM Stationierungskosten an die Amerikaner zu zahlen. Ich habe schon am Freitag gesagt, das macht die Summe von 1450 Millionen DM für die gesamten Besatzungsmächte, und die „Frankfurter Allge-
*) Siehe Anlage 20. **) Siehe Anlage 19. meine Zeitung" von heute morgen brachte ja, offensichtlich aus der richtigen Quelle informiert, die Meldung, daß nunmehr 1455 Millionen DM beschlossen seien. Sie könnten also, ja sie müßten doch dann mit der Verabschiedung des Haushalts beschlossen werden. Warum soll das, was jetzt abgemacht worden ist, nicht in den Haushalt hinein? Ich bitte deshalb in Abwesenheit des Herrn Bundesfinanzministers den Herrn Staatssekretär des Finanzministeriums, dazu nachher das Wort zu nehmen und uns dazu eine Antwort zu geben. Da uns immer wieder versichert worden ist, mehr als 9000 Millionen DM kommen insgesamt nicht in Frage, müssen wir also die 1455 Millionen DM, die den Alliierten zugestanden sind, mutmaßlich von den 8767 Millionen DM abziehen. Mithin bleibt die Summe von 7312 Millionen DM, mit der heute der Bundestag den Verteidigungshaushalt verabschieden könnte. Wer also dem Einzelplan 14 in seiner gegenwärtigen Form zustimmt, der stimmt falschen Zahlen zu.
({3})
- Gut, sie mindern jetzt den deutschen Verteidigungsbeitrag um die 1455 Millionen DM, das ist doch ganz klar. Die 1455 Millionen DM müßten jetzt ordentlicherweise aus dem Einzelplan 14 in den Einzelplan 35 herübergenommen werden, dann wäre der Haushalt klar und wahr.
Der Einzelplan 14 ist - das ist schon gesagt worden - nicht aufgegliedert. Die Vorbemerkungen stimmen nicht mehr. Nun hat Herr Kollege Ritzel am Freitagabend an den Herrn Bundesverteidigungsminister eine klare Frage gestellt. Er hat gefragt:
Herr Minister, sind Ihre Planungen, die die Grundlage Ihres demnächst zu erwartenden Antrages auf Vorwegbewilligung von Milliardenoeträgen bilden werden, so weit gediehen, daß bereits in der nächsten Zeit - ich meine also, noch während der Zeit bis zu den Parlamentsferien - mit dieser Anforderung einer Vorwegbewilligung gerechnet werden kann?
Herr Bundesminister Blank antwortete:
Zu einem Teil ja, zu einem kleinen Teil. Denn wir haben einen solchen Vorwegbewilligungsantrag soweit vorbereitet.
Das war am Freitag, dem 22. Juni, abends gegen 20 Uhr. Zu dieser Zeit waren aber bereits drei Vorwegbewilligungsanträge ausgedruckt. Die Zusammenstellung dieser Vorwegbewilligungsanträge mit dem Schreiben an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses trägt das Datum von 21. Juni und war am 22. Juni abends offensichtlich schon durch die Druckerpresse gegangen.
({4})
-Herr Kollege Ritzel, ich glaube nicht, daß der Herr Bundesverteidigungsminister dem Hause hat die Unwahrheit sagen wollen. Ich glaube vielmehr, daß ihm die Sache nicht bewußt gewesen ist. Denn in diesem Verteidigungsministerium rechnet man mit so großen Zahlen und stellt mit so leichter Hand für gewaltige Summen Anträge, daß er offensichtlich in der Sache ein bißchen durcheinandergekommen ist.
({5})
({6})
Der „kleine Teil", den er angekündigt hat, beträgt 2 633 751 200 DM!
({7})
Das sind also gut 2,6 Milliarden DM, die Herr Blank als einen kleinen Teil von den nunmehr verbleibenden 7312 Millionen bezeichnet. Ziehen wir diesen „kleinen Teil" ab, dann bleiben für das Jahr 1956 noch 4678 Millionen DM übrig.
Nun aber steht in demselben Schreiben vom 21. Juni 1956:
Darüber hinaus werden weitere Bindungsermächtigungen für künftige Rechnungsjahre in Höhe von 7 271 700 200 DM erbeten. Diese - im Rechnungsjahr 1956 auszusprechenden - Bindungsermächtigungen und die dem Bundesminister für Verteidigung im Rechnungsjahr 1955 erteilten Ermächtigungen sind in der Übersicht Nr 1 aufgeführt.
Ziehen Sie 2634 Millionen DM Bindungsermächtigungen von den 4678 Millionen DM ab, dann bleiben 2044 Millionen, also 2 Milliarden und 44 Millionen DM für 1956 verfügbar. Dazu kommen dann noch die eben erwähnten Bindungsermächtigungen in Höhe von 7272 Millionen DM, die noch im Rechnungsjahr 1956 auszubringen sind.
Der Bundesfinanzminister hat uns in jedem Jahre gesagt - und ich erinnere an die Debatte vor dem Abschluß der Pariser Verträge, wo er hier ganz ausdrücklich gesagt hat -: 9000 Millionen und keinen Pfennig mehr! Und auf die Frage des Kollegen Ritzel am 22. Juni, ob es wirklich nur 9000 Millionen blieben, stimmte der Bundesfinanzminister wieder zu. Ich frage also, wie der Herr Bundesfinanzminister, wie die Bundesregierung sich die Finanzierung der Aufrüstung in diesem Ausmaß vorstellen. Wir haben ja früher oft genug gefragt, und der Bundesfinanzminister hat uns gesagt, w i r sollten Zahlen bringen. Ich habe mir dann 1955 erlaubt, im Namen der Opposition ein Zahlenwerk aufzumachen, das nicht widerlegt worden ist. Nun geht es immer weiter, und wir haben jetzt schon recht detaillierte Anträge des Bundesverteidigungsministers, so daß nunmehr die Frage, wie hoch die Kosten sind und wie die Aufrüstung finanziert werden soll, vordringlich ist.
Zu den eigentlichen Kosten für den deutschen Verteidigungsbeitrag kommen noch, wie ich einleitend sagte, die Stationierungskosten, die jetzt im Einzelplan 35 veranschlagt werden. Ich rufe kurz ins Gedächtnis: das sind 232 Millionen DM für die Zeit vom 1. April bis zum 5. Mai, das sind Besatzungskosten in Berlin in Höhe von 194 Millionen DM, macht zusammen 426,5 Millionen DM. Dazu kommen Folgekosten im selben Einzelplan mit 425 Millionen DM, macht 852 Millionen DM. Dieser Betrag von fast einer Milliarde wird also zusätzlich zu dem Verteidigungsaufwand in diesem Jahre aus in diesem Jahre aufzubringenden Steuermitteln verausgabt; so ist es im Einzelplan 35 veranschlagt. Dazu kommen noch der Besatzungskosten- und der Stationierungskostenüberhang, welche im Einzelplan 35 mit 2282 Millionen DM veranschlagt sind. Aber dieser Betrag wird nicht aus laufenden Steuermitteln, sondern aus dem Juliusturm genommen.
Was nun in dem Einzelplan 14 und dem dazugehörigen Einzelplan 35 nicht drinsteht, das hat Herr Minister Schäffer dankenswerterweise in dem
Brief an den Kollegen Dr. Vogel mitgeteilt, nämlich runde 1000 Millionen DM besondere Ausgaben für und Einnahmeausfälle durch die Besatzungsmächte, die, unter yolks- und staatswirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen, natürlich berücksichtig werden müssen. Sie werden im Haushaltsplan nicht veranschlagt. Aber ohne diese Kosten wäre der Haushaltsplan, der jetzt 35 Milliarden DM beträgt, um eine volle Milliarde entlastet. Das ist immerhin eine Summe, die uns zu denken geben sollte!
Ich habe Freitag nacht den Kollegen Bausch aus der Sitzung vom 5. Dezember 1952 zitiert. Er war Freitag nacht nicht da; deswegen gestatte ich mir, das zu wiederholen. Vielleicht, Herr Bausch, haben Sie das Bedürfnis, darauf etwas zu sagen.
({8})
- Nun, Sie haben sich damals sehr intensiv in die Sache hineingemischt. Herr Bausch machte damals am 5. Dezember 1952 während meiner Rede den Zwischenruf: „Sie" - gemeint waren die Alliierten - „haben doch ihre gesamten Stationierungskosten selbst zu bezahlen". Auf meinen Einwurf: „Entschuldigen Sie einmal, sie tun das nicht, jedenfalls bisher nicht", sagte Herr Wuermeling, das sei lächerlich. Ich will die übrigen Zwischenrufe nicht noch einmal zitieren; lesen Sie sie nach. Aber Herr Bausch sagte dann wörtlich: „Wenn Sie die Politik machen würden, würden wir das weiterbezahlen müssen. Wenn wir die Politik machen, hört das auf."
({9})
Das war am 5. Dezember 1952.
({10})
- Es gehörte keine Sehergabe dazu, Herr Bausch, um zu erkennen, daß die Sache so kommen würde, wie sie gekommen ist. Es gehörte nur das dazu, was Sie damals unterlassen haben: das Studium der Verträge, die uns diese Lasten auferlegt haben.
({11})
Daß Sie das unterlassen haben, das wird das deutsche Volk noch schwer und hoch bezahlen müssen.
({12})
Wir haben jetzt seit Jahren 9000 Millionen DM aufgewendet und werden nach Ihren Absichten auch in den künftigen Jahren 9000 Millionen DM
- das ist also jetzt ein Viertel des gesamten Finanzvolumens der Bundesrepublik - für die sogenannte Verteidigung bezahlen. Rechnet man das dazu, was unter yolks- und staatswirtschaftlichen Gesichtspunkten hereingerechnet werden muß, umfaßt das Kapitel, um das wir jetzt reden, ein Drittel des gesamten Haushalts der Bundesrepublik. Das sollte zu denken geben.
Damit aber das deutsche Volk nicht nachdenkt, haben Sie allein in diesem Jahre 8 Millionen DM für Wehrpropaganda im Einzelplan 04 eingesetzt, neben den anderen Geheimfonds. Ich habe Ihnen gesagt, daß forsche Männer dabei sind, für dieses Jahr aus den Geheimfonds 40 Millionen DM für Propagandazwecke zusammenzukriegen. Der Herr Bundeskanzler ist meinen Ausführungen sehr aufmerksam gefolgt, auch die Herren Bundesminister, soweit sie da waren, und auch das Haus, soweit es
({13})
anwesend war. Gesagt hat zu diesen Ausführungen niemand etwas.
({14})
- Nein, nicht wegen der vorgerückten Stunde! Aber es war auch gut so. Ich habe gesagt - Herr Conring, ich wiederhole es -: Ich sage in solchen Dingen immer etwas weniger, als ich weiß. Die Behauptung, daß es nicht so sei, wird eines Tages
- falls Sie sie heute aufstellen sollten - widerlegt werden. Ich warne Neugierige.
({15})
Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich dieser gespenstischen Szene in der Freitagnacht!
({16})
Ich habe Zahlen 'und Zahlen genannt. Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie früher das Studium der Verträge versäumt haben
({17})
und daß sich das bitter rächen wird. Auf meine Zahlen, auf meine Angaben und Mitteilungen hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen geschwiegen. Der Herr Bundesverteidigungsminister hat geschwiegen. Der Herr Staatssekretär der Finanzen hat geschwiegen, und die Koalition hat geschwiegen.
({18})
- Die vorgerückte Stunde, Herr Conring, haben Sie uns aufgezwungen,
({19})
und ich habe es für meine Pflicht gehalten, im Namen meiner Fraktion trotz der vorgerückten Stunde und des Erschöpfungszustandes, in dem ich mich befunden habe, in den Sie mich durch Ihre Nachtsitzungen gezwungen haben, hierzu etwas zu sagen.
({20})
Sie hätten ja dann heute etwas sagen können. Bitte, treten Sie herauf und widerlegen Sie meine Zahlen, die ich Ihnen genannt habe.
Es war eine gespenstische Stunde. Sie haben das Glück gehabt, daß es so spät war und die Presse am nächsten Morgen, dem Sonnabend, nicht berichten konnte. Die „Welt am Sonntag" brachte nichts; sie hat auch früh Redaktionsschluß. Montags beherrscht der Fußball die Presse, und am Dienstag war es nicht mehr aktuell.
({21})
Meine Damen und Herren, die Aktualität des Aufwandes, den Sie Verteidigungsaufwand nennen, werden Sie in den nächsten Jahren spüren durch die sinnlose Aufrüstung, die einer Konzeption entspricht, die 1952 nicht richtig war und die heute schon vollends unrichtig ist. Wenn Sie diesen Einzelplänen 14 und 35 zustimmen, dann tun Sie etwas, was Sie vor Ihrem Gewissen nicht verantworten können.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.
Herr Kollege Gülich, ich bin nicht Mitglied des Haushaltsausschusses und kann Ihnen infolgedessen zu dem Zahlenwerk, das Sie sich im einzelnen erarbeitet und hier als Gespenst „in gespenstischer Stunde" vorgetragen haben, wenig Auskunft geben.
({0})
- Die gespenstische Stunde paßt da nicht hinein, das ist auch meine Meinung.
Ich möchte mich nur kurz mit Ihnen über die Frage der Stationierungskosten auseinandersetzen. Ich habe mir in diesen Tagen die Mühe gemacht, das zu tun, was angeblich nach Ihrer Meinung in der Vergangenheit von meinen Freunden und der Regierung versäumt worden ist. Ich habe mir die Verträge einmal sehr genau daraufhin angesehen
({1})
- ja, erst jetzt -, und da ich an Ihrer Abfassung und Beratung mangels Zugehörigkeit zu den entsprechenden Ausschüssen nicht beteiligt war,
({2})
betrachte ich mich in diesem Punkte ais unbefangen. Herr Gülich: die Verträge ergeben nach meiner Auffassung, daß die Stationierungsmächte mit ihrer Forderung nach Eröffnung der Verhandlungen im Recht waren und daß sie ebenfalls im Recht waren, wenn sie auf bestimmte Zahlungen bestanden haben. Es ist meine Überzeugung, daß die Bundesregierung recht daran tat, den Stationierungsmächten in gewissem Umfang entgegenzukommen. Als die Verträge geschlossen wurden, lag uns als Unterlage Art. 3 des Nordatlantikvertrages vor. Es heißt dort:
Um die Ziele dieses Nordatlantikvertrages besser zu verwirklichen, werden die Parteien
- also die Partner des Vertrages einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln.
Durch Beitritt zu diesem Vertrag übernahm also die Bundesrepublik die Verpflichtung, das ihre zu tun, um eine ins Gewicht fallende Verteidigungsbereitschaft im Rahmen des Nordatlantikvertrages aufrechtzuerhalten.
Herr Kollege Gülich, als die Verträge abgeschlossen waren und Deutschland beigetreten war, ist man davon ausgegangen - das kann wohl kaum zweifelhaft sein -, daß in Jahresfrist nach Beitritt, also ablaufend am 5. Mai dieses Jahres, ein ins Gewicht fallender tatsächlicher Beitrag der Bundesrepublik zur allgemeinen westeuropäischen Verteidigung in Deutschland geleistet sein würde.
({3})
Wir haben gewisse erhebliche Anstrengungen gemacht, diese Bereitschaft zu beweisen. Sie ist uns nicht in dem seinerzeit bei Abschluß der Verträge vorgesehenen Maße gelungen. Uns wird von den anderen Beteiligten nicht Verzug vorgeworfen - kann es auch nicht -, aber sie ist gescheitert an technischen Gründen,
({4})
({5})
sie ist zum Teil daran gescheitert, daß von Ihnen - sicherlich von Ihrem Standpunkt berechtigt - gegen die Grundsätze und die Art und Weise des Verteidigungsbeitrags Bedenken erhoben wurden und wir genötigt waren, uns in diesem Hause mit diesen Bedenken länger auseinanderzusetzen, als dies ursprünglich vorgesehen war. Das ist kein Vorwurf gegen Sie; denn das ist nicht nur Ihr Recht, sondern auch Ihre Pflicht als Opposition, und das wird auch international von unseren Partnern und Bundesgenossen anerkannt. Aber, Herr Gülich, es schafft die Tatsache nicht aus der Welt, daß ein Jahr nach Abschluß der Verträge, d. h. zu dem Zeitpunkt, als mit einigem Recht von uns die Herstellung der Verteidigungsbereitschaft erwartet werden konnte, wir diese Verteidigungsbereitschaft nicht aufweisen konnten. Unter diesen Umständen ist es verständlich, daß die Gegenseite zunächst einmal auf Grund des ausdrücklich geschlossenen Vertrages auf der Herbeiführung von Verhandlungen bestand.
Nun kann man natürlich in Verhandlungen - das hat Herr Gülich neulich schon gesagt - nein sagen. Aber es entspricht gewiß nicht dem Sinn eines Vertrages, der den Partner verpflichtet, in Verhandlungen einzutreten, wenn man von vornherein und unter allen Umständen nein sagt. Vielmehr ist man verpflichtet, die Gründe, die für die Gegenseite sprechen, objektiv zu prüfen und im Geiste internationaler Zusammenarbeit überhaupt und in diesem Falle im Geiste des geschlossenen Vertrages zu handeln. Wir alle in diesem Hause ohne jede Ausnahme, Regierung und Opposition, haben die Verpflichtung und wollen sie erfüllen, geschlossene Verträge zu achten, auch wenn wir im einzelnen Fall der Meinung sind, daß sie nicht günstig seien. Das wird ja gerade von Ihrer Seite immer wieder betont.
Nachdem nun einmal die Bundesrepublik Deutschland mit der Herstellung derjenigen Verteidigung, mit der man hätte rechnen können und gerechnet hatte, tatsächlich im Rückstand war, war es nicht mehr als angemessen, einen finanziellen Ausgleich für das zu leisten, was man an tatsächlicher Verteidigungsbereitschaft nicht zur Verfügung hatte.
Wir erwarten in diesem Lande stets, daß nicht nur wir allein, sondern auch unsere Verbündeten für uns eintreten, unsere Grenzen sichern, sich der Verpflichtung immer wieder bewußt werden, daß die Wiedervereinigung Deutschlands nicht nur ein deutsches, sondern ein internationales Ziel ist, ein Ziel, das die westliche Verteidigungsgemeinschaft zu dem ihren machen soll. Heute noch können wir als Beitrag zu dieser gemeinsamen Aufgabe nicht einmal ein Verteidigungsgesetz vorweisen. Unter diesen Umständen für den Ausgleich dieses Mangels wenigstens einen finanziellen Beitrag zu verweigern, das geht wirklich über mein Fassungsvermögen.
({6})
Die Wiedervereinigung ist das höchste Ziel eines jeden Deutschen. Aber wenn es sich darum handelt, Opfer zu bringen für die Wiedervereinigung, die nun einmal nur von dem ganzen Volk erbracht werden können, entweder in Verteidigungskraft oder, wenn wir sie nicht bereitstellen können, in finanziellen Ausgleichszahlungen für die Verteidigung,
({7})
das eine zu wollen und das andere abzulehnen, ist nun einmal wirklich ausgeschlossen.
({8})
Das Wort hat der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers.
({0})
Dr. h. c. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Der Abgeordnete Professor Gülich hat Bedenken dagegen geäußert, in diesem Augenblick Beschluß über den Einzelplan 14 zu fassen. Er hat diese Bedenken dahin begründet, daß dieser Einzelhaushalt eine Abänderung in der festen Höhe von 1,45 Milliarden DM erfahre. Ich möchte zunächst rein formal erklären, daß die Verhandlungen mit sämtlichen in Frage kommenden Mächten noch nicht abgeschlossen sind
({1})
und daß es selbstverständlich unser Bestreben sein wird. wie das unsere Pflicht ist, nicht unbedingt auf den Maximalbetrag abzukommen.
Aber rein sachlich und was die Verabschiedung dieses Einzelhaushalts betrifft, so darf ich doch auf das folgende hinweisen. Erstens wird über den Modus und Zeitpunkt der Zahlung und über seine haushaltsmäßige Behandlung erst vom Herrn Bundesfinanzminister in Beratungen mit dem Haushaltsausschuß zu entscheiden sein. Denn es ist ja allen Mitgliedern des Hohen Hauses bekannt, daß z. B. auch aus dem vorigen Jahre noch der bekannte Überhang von 3.6 Milliarden DM vorhanden war. Ich will also nicht darüber sprechen, wie die Sache haushaltsmäßig zu behandeln ist. Ich will nur eins sagen. Ich sehe im Augenblick keinen Anlaß, an der Vorlage, die zum Beschluß steht. etwas zu ändern, nachdem ich nur zum drittenmal das wiederholen kann, was der Herr Bundesaußenminister heute morgen auf Grund eines Beschlusses der Bundesregierung in diesem Hause festgestellt hat: „Ich stelle dabei ausdrücklich im Namen der Bundesregierung fest, daß für die Erfüllung solcher vertraglich vereinbarten Zahlungen die Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel nicht beantragt wird."
Ich bitte daher, gemäß der Ihnen vorliegenden Vorlage zum Einzelplan 14 zu beschließen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß in dieser an sich sehr nüchternen Zeit immerhin noch Zeichen und Wunder geschehen. Soeben war der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers in der Lage, zu erklären, daß für eine Summe, die von dem Herrn Minister Blücher mit 1 450 000 000 DM angegeben und heute morgen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" etwas genauer mit 1 455 000 000 DM beziffert wurde. keine Anträge auf Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel gestellt würden. Dann muß die Bundesregierung in der Lage sein, entweder aus dem Besatzungskostenüberhang oder aus anderen Quellen des Juliusturms eine Deckung
({0})
vorzunehmen, zu der das Parlament weder gefragt noch um seine Zustimmung angegangen werden soll.
({1})
Ich muß gestehen, vom Standpunkte des Parlaments und seines Haushaltsrechts ist ein solcher Vorgang zunächst einmal als unverständlich zu bezeichnen.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat weiter erklärt, die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. In diesem Zusammenhang darf ich auf die Äußerungen des Herrn Kollegen Bucerius zurückkommen. Er hat wörtlich erklärt, daß die Alliierten im Recht gewesen seien, als sie weitere Zahlungen gefordert hätten
({2})
- oder weitere Verhandlungen gefordert hätten-,
({3})
- sie seien im Recht gewesen. Darf ich Sie an Seite 14 des Vorabdrucks der heutigen Darlegungen des Herrn Bundesaußenministers erinnern, die uns ja im Wortlaut vorliegen. Ich darf daraus mit Zustimmung des Herrn Präsidenten, die ich voraussetze, zitieren:
Die Bundesregierung legt Wert auf die Feststellung, daß ein Rechtsanspruch niemals behauptet wurde. Die Bundesregierung hätte einen solchen Rechtsanspruch auch nicht anerkannt, ja, sie hätte sogar Verhandlungen auf der Grundlage eines auch nur behaupteten Rechtsanspruchs ablehnen müssen.
Sie können also sagen - und das mit einem Schein von Recht -: Man hat seitens der Alliierten nicht auf einem Rechtsanspruch bestanden, sondern man hat Verhandlungen verlangt, und das haben wir zugestanden. Das Ergebnis ist 1,45 Milliarden DM, meine Damen und Herren.
Herr Kollege Bucerius hat in der Begründung dieser Bereitschaft zur Leistung von 1 450 000 000 DM Stationierungskosten an die Besatzungsmächte etwa erklärt, daß man sie als Ausfluß eine Verteidigungsbereitschaft zu leisten habe, und er hat darauf hingewiesen, daß die deutsche Aufrüstung noch nicht so weit sei. Das wäre, ganz abgesehen von der grundsätzlichen Einstellung, eine plausible Auffassung, wenn nicht die Mittel, die hier in Höhe von 1,4 Milliarden DM für die Stationierungskosten beansprucht werden, außerdem im Rahmen der Ansätze im Einzelplan 14 für den Bedarf des Verteidigungsministeriums benötigt würden. Wenn sie dort abgezogen und hier zugelegt würden, dann würde sich bestimmt keine neue Deckungsfrage stellen.
Aber die offensichtlich ausgezeichnet informierte „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat in ihrer Nummer von heute früh einen Artikel gebracht, den der Herr Kollege Gülich bereits angesprochen hat. Ich habe mir die Mühe gemacht, diesen Artikel einmal zu analysieren und mit den Tatsachen zu konfrontieren. Wenige Schlußfolgerungen daraus darf ich Ihnen vortragen. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" sagt an einer Stelle:
Eine zusätzliche Belastung des Steuerzahlers tritt zunächst nicht in Erscheinung.
Das deckt sich dann mit der Interpretation, die der Herr stellvertretende Bundeskanzler dem Hohen Hause gegeben hat. Aber die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" geht etwas weiter, und vielleicht kommt sie der kommenden Entwicklung, Herr stellvertretender Bundeskanzler, etwas näher, wenn sie an einer anderen Stelle sagt, schließlich müßten die 1,455 Milliarden DM einmal zusätzlich aufgebracht werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Erklärungen, die die Herren Vertreter sowohl des Verteidigungsministeriums als auch des Finanzministeriums im Haushaltsausschuß abgegeben haben und die dahin lauteten, daß der Betrag von 9 Milliarden jetzt als bestimmt zu bewilligen und nicht zu überfordern stehe, daß man aber etwa im Jahre 1958 die Summe von 15 Milliarden DM für den Verteidigungshaushalt des Herrn Ministers Blank benötige.
Herr Kollege Bucerius, es ist keine Entschuldigung, daß Sie nicht Mitglied des Haushaltsausschusses sind. Ihnen liegen genau wie uns allen die Drucksachen zum Einzelplan 14 und zum Einzelplan 35 vor. Ich darf Sie bitten, im Einzelplan 35 einmal die Seite 10 aufzuschlagen. Dort finden Sie unter 35 05 die Abschlußzahl mit einer Gesamtleistung an Stationierungskosten, endend am 5. Mai dieses Jahres, in Höhe von 232 258 000 DM. Diese Summe und nur diese Summe ist parlamentarisch gedeckt, wenn der Einzelplan 35 heute die Zustimmung des Hauses findet.
({4})
Alles andere ist nicht gedeckt, meine Damen und Herren, und ich betrachte es als ein peinliches Spiel mit den Rechten des Parlamentes, in dieser Weise zu verfahren und in dieser Weise über Milliardenbeträge zu verfügen.
({5})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja!
Herr Abgeordneter Dr. Conring zu einer Frage!
Herr Abgeordneter Ritzel, ist Ihnen noch iri Erinnerung, daß heute morgen der Herr Außenminister, wie Sie auf Seite 16 des Abdrucks seiner Rede nachlesen können, folgendes gesagt hat?
Die Vereinbarungen, die die Bundesregierung getroffen hat oder noch treffen wird, unterliegen im übrigen selbstverständlich der ordnungsmäßigen Prüfung und Entscheidung durch das Parlament.
({0})
Darf ich dem Herrn Kollegen Conring eine Gegenfrage stellen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers vor wenigen Minuten hier erklärt hat, daß keine zusätzlichen Haushaltsmittel für die 1,455 Milliarden DM benötigt werden?
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bleibe bei dem,
was ich eben gesagt habe. Wenn Sie den Haushalt
recht verstehen und wenn Sie auch auf die Rechte
({1})
des Parlaments pochen, wozu Sie verpflichtet sind, dann können Sie diese Dinge einfach nicht mitmachen!
({2})
Das Wort hat der Herr Vizekanzler.
Dr. h. c. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Conring war so freundlich, den eigentlichen Grund für meine Wortmeldung von sich aus zu erkennen. Aber ich lege doch, weil es sich hier um eine Äußerung der Regierung handelt, Wert darauf, nunmehr den ganzen Absatz aus der von der Bundesregierung beschlossenen Erklärung des Herrn Außenministers vorzulesen:
Die Vereinbarungen, die die Bundesregierung getroffen hat oder noch treffen wird, unterliegen im übrigen selbstverständlich der ordnungsgemäßen Prüfung und Entscheidung durch das Parlament. Ich stelle dabei ausdrücklich im Namen der Bundesregierung fest, daß für die Erfüllung solcher vertraglich vereinbarten Zahlungen die Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel nicht beantragt wird.
Herr Kollege Ritzel, wenn Sie darauf abheben, es sei möglich, daß sich dieser Betrag im Jahre 1960 oder 1961, oder was weiß ich wann, nach der Hinauszögerung aller Arbeiten bei der Aufstellung der Streitkräfte als rechnerisch fehlend erweise, dann muß ich sagen, daß ich darauf natürlich deswegen nichts antworten kann, weil niemand von uns ein Prophet ist und infolgedessen niemand von uns verbindliche Angaben über den Endbetrag der mit der Aufstellung der Streitkräfte verbundenen Aufwendungen machen kann. Das ist ganz selbstverständlich.
Aber es liegt mir daran, auch noch etwas anderes zu erwähnen, was heute morgen von dem Herrn Außenminister im Zusammenhang mit den Stationierungskosten gesagt worden ist. Es ist wichtig, daß der Herr Außenminister gesagt hat. die Bundesregierung lege Wert auf die Feststellung, daß ein Rechtsanspruch niemals, auch nicht von unseren Verhandlungsgegnern, behauptet wurde. Aber er hat auch etwas anderes gesagt. und wir schließen uns hier dem Vorbringen des Herrn Abgeordneten Bucerius bewußt an: „Diese Truppenkontingente stehen auf deutschem Boden, um die Freiheit des deutschen Staatsbürgers und die Sicherheit der Bundesrepublik zu gewährleisten. Nach der Überzeugung der Bundesregierung entspringen einem derartigen Vertragsverhältnis wechselseitige Rechte und Pflichten. die von keinem Vertragsgegner geleugnet werden sollten."
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Dr. Gülich (SPD': Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat erklärt, daß in diesem Haushaltsjahr keine Anträge auf zusätzliche Mittel gestellt wiirden. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Von dieser Voraussetzung bin ich vorhin auch ausgegangen. Jetzt sollen von Ihnen im Einzelplan 14 Mittel in Höhe von 8767 Millionen DM für Zwecke der deutschen Streitkräfte bewilligt werden. Das Entscheidende aber, Herr Minister Blücher, ist doch, daß die Stationierungskosten für fremde Streitkräfte in dies e m Jahr ausgegeben werden müssen. Aus dem Juliusturm sind bereits 2280 Millionen DM herausgenommen und in den Einzelplan 35 eingestellt worden. Nun sollen heute im Rahmen des Einzelplans 14 1455 Millionen mit bewilligt werden, die für den in diesem Einzelplan vorgesehenen Zweck bestimmt nicht verwendet werden; sie werden mutmaßlich im Einzelplan 35 für Stationierungskosten verwendet werden.
({0})
Sie müssen also entweder nach Verabschiedung des Haushaltes durch einen Nachtragshaushalt Übertragungen vornehmen, oder Sie müssen neue Mittel aufbringen. - Sie fragen, Herr Conring, was dem entgegensteht.
({1})
- Ja, auch die Erklärung der Bundesregierung steht dem natürlich entgegen. Ich begreife nicht, warum wir heute Einzelpläne in dieser Form und mit diesen Zahlen verabschieden sollen, wenn wir ganz genau wissen, daß diese Zahlen nicht stimmen. Das habe ich vorhin dargelegt.
({2})
- In dem sicher auch Ihnen nicht unbekannt gebliebenen Brief des Herrn Bundesfinanzministers an den Herrn Kollegen Dr. Vogel - ({3})
- Herr Kunze, es tut mir leid, daß ich Ihre Geduld in Anspruch nehmen muß. Der Brief wird Ihnen sicherlich unbekannt geblieben sein. Was dadrin steht, ist nach meiner Überzeugung nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv richtig. Davon wollen wir mal ausgehen. Es interessiert hier nicht, daß ein Sprecher des Presse- und Informationsamts den Herrn Bundesfinanzminister brüskiert, sondern es kommt darauf an: wenn er Zahlen nennt, die offensichtlich richtig sind, dann sollen auch die Einzelpläne richtiggestellt werden, und hier ist der Ort dafür.
Herr Bucerius, in der Auseinandersetzung mit mir sind Sie leider auf die übrigen Fragen, die ich angeschnitten habe - Verwendung der Geheimfonds für unzulässige Zwecke -, nicht eingegangen. Aber Sie haben sicher gut daran getan; nämlich wenn wir beide uns mal zusammensetzen und darüber reden, wird Ihnen das Bedürfnis, meine Auffassung hierüber öffentlich zu bekämpfen, wahrscheinlich ganz und gar vergehen.
({4})
Ich habe nicht erklärt, Herr Bucerius, daß die Besatzungsmächte formal im Recht seien. Ich weiß ganz genau, daß in Art. 4 Abs. 4 des Finanzvertrages steht, daß sich die Bundesregierung nur verpflichtet, in Verhandlungen einzutreten. Ich weiß aus den Verhandlungen des Finanz- und Steuerausschusses mit dem Herrn Bundesfinanzminister aber auch. daß die Bundesregierung hart darum gerungen hat, in diesen Art. 4 Abs. 4 die in Klammern gesetzten Worte hineinzubringen: z. B. Sach-
und Werkleistungen. Aus dem hartnäckigen Kampf
({5})
hierum geht hervor, daß die Alliierten vor Abschluß der Verträge die Absicht haben erkennen lassen, auch künftig Stationierungskosten zu verlangen. Ich habe also nicht gesagt: sie haben einen Rechtsanspruch. Ich habe neulich gesagt: sie haben keinen Rechtsanspruch, sondern Sie haben einen Anspruch auf Verhandlungen. Und wer verhandelt, kann natürlich nein sagen. Aber es wäre sehr formal gedacht, wenn ich nun sagen würde, man hätte einfach ganz und gar nein sagen können. Ich glaube, daß der Herr Bundesaußenminister mit seiner Erklärung heute morgen in der Tendenz und in der Haltung schon richtig lag.
({6})
Aber, Herr Bucerius, Sie haben die Legitimität des Anspruchs der anderen verteidigt. Der Unterschied zwischen uns ist der, daß ich das schon vier Jahre früher gewußt habe, und Sie werden sich - ({7})
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage?
Ja.
Herr Gülich, sind Sie bereit, zuzugeben, daß eine neue Lage, welche die Eröffnung neuer Verhandlungen und unter Umständen auch Konzessionen auf deutscher Seite erforderlich machte, dadurch entstehen konnte, daß Deutschland mit seinen Verteidigungsanstrengungen erst ein Jahr später beginnen konnte, als es bei Abschluß des Vertrages vorgesehen war?
({0})
Im Vertrag steht ja gar nichts davon drin, Herr Kollege.
Deshalb auch kein Rechtsanspruch!
Ich habe ja auch nicht behauptet, daß es ein Rechtsanspruch sei. Sie haben aber den Rechtsanspruch sehr weitgehend unterbaut. Ich bin gespannt, was die Herren Minister Schäffer und von Brentano zu Ihrer Rede sagen werden.
Sind Sie nicht der Meinung, daß, wenn wir ein Jahr später als erwartet mit der Verteidigungsbereitschaft beginnen, dies der Gegenseite den Anspruch gibt, sich mit uns darüber zu unterhalten, daß man für das verspätete eine Jahr Ausgleichszahlungen zu leisten hat?
Herr Bucerius, ich bin nicht in der Lage, zu beurteilen, wie schnell die Aufrüstung hätte gehen können. Ich bin immer der Meinung gewesen, daß sie nicht schnell gehen kann, daß es lange dauert.
({0})
Aber das ist eine Verschiebung des Problems.
({1})
Ich habe nichts anderes verlangt, Herr Bucerius, als daß in den Plänen, die wir hier verabschieden, Klarheit sein muß.
Ich mache jetzt zu den Stationierungskosten eine letzte Bemerkung. Es handelt sich nicht um einen
Rechtsanspruch, aber die Forderung der Alliierten nach Bezahlung der Stationierungskosten ist eben eine politische Konsequenz der Verträge, die Sie 1952 und 1955 leichtfertig, ich sage: leichtfertig abgeschlossen haben.
({2})
Glauben Sie ja nicht, daß ich hier den Alliierten gegenüber nun den starken Mann spielen würde. Ich weiß wie wir alle, daß das Hitlerreich einen Krieg gegen die Welt entfesselt hat und daß das deutsche Volk diesen Krieg verloren hat. Wir wollen also in der Welt bescheiden auftreten.
({3})
- Gewiß, der ganzen Welt gegenüber, das ist klar!
- Aber wenn man Bündnisse geschlossen hat, wenn man immer den Geist dieser Bündnisse beschwört und sich in Art. 4 Abs. 4 ausdrücklich auf den - juristisch ja nicht faßbaren - Geist des Nordatlantikpaktes beruft, dann müssen Verträge auch von beiden Seiten im Geiste der Partnerschaft abgeschlossen werden. Was ich vermisse - Sie sehen es auch an den jetzt acht Monate dauernden Verhandlungen über den neuen Truppenvertrag -, das ist der Geist des gemeinsamen Wollens, wie er unter Verbündeten selbstverständlich sein sollte. Es zeigt sich aber nach wie vor der Geist der Siegermächte, der Geist der Besatzungsmächte aus den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gülich hat bei seinen ersten Ausführungen gegen die Regierungskoalition den Pauschalvorwurf erhoben, daß man die Verträge nicht studiert habe. Herr Kollege Gülich, ich kenne Sie als gründlichen Arbeiter. Aber seien Sie überzeugt: auch im übrigen Haus gibt es eine große Zahl von Menschen, die genauso gründlich arbeiten wie Sie.
({0})
Ich meine, man sollte solche Vorwürfe hier nicht erheben, und ich wehre mich dagegen.
Nun möchte ich auch hier deutlich sagen: es besteht kein Gegensatz zwischen dem, was heute morgen Herr von Brentano gesagt hat, und dem, was soeben Herr Kollege Bucerius gesagt hat. Herr von Brentano hat von dem Rechtsanspruch auf bestimmte Beträge gesprochen, den er verneint hat, und Herr Kollege Bucerius hat von dem Recht auf Verhandlungen in dieser Sache gesprochen. Diese Dinge muß man hier unterscheiden. Hier ist ein Gegensatz nicht gegeben, und man kann ihn nicht konstruieren.
Nun hat Herr Kollege Professor Gülich soeben selbst zugegeben, daß man in der Frage der Stationierungskosten nicht nein sagen könne.
({1})
- Doch, es geht jetzt darum, daß aus der Regierungserklärung, wonach zusätzliche Belastungen nicht entstehen, die Konsequenzen gezogen wer({2})
den. Das muß uns meines Erachtens wichtiger sein als meinetwegen ein Artikel in der noch so geschätzten „Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sie kennen genauso gut wie ich und wie andere den Weg, der hier gegangen wird. Jedenfalls können wir, glaube ich, der Auffassung zustimmen, daß zusätzliche Belastungen in diesem Jahr im Haushalt nicht entstehen.
Was ich einmal deutlich sagen wollte, ist folgendes. Bei den ganzen Beratungen über den Haushalt wird hier immer wieder das Problem der Verteidigung herausgestellt, und es wird so der Anschein erweckt, als wenn wir diese Dinge aus purem Mutwillen machten, als wenn wir aus purem Mutwillen jetzt Verteidigungskräfte schaffen wollten und als wenn wir dies aus Freude meinetwegen am Soldatenspielen täten. Mein Damen und Herren, uns wäre es viel lieber, alle diese Dinge wären uns erspart geblieben.
({3})
Wir haben hier die Konsequenz zu ziehen aus einer bestimmten Situation. Meine Damen und Herren, es geht um die Sicherung der Freiheit, nicht nur unserer, sondern auch Ihrer Freiheit!
({4})
Zum Schluß einiges zu den Bemerkungen des Herrn Kollegen Ritz e 1. Das Recht des Parlaments auf Kritik soll keinesfalls angezweifelt werden. Ich glaube allerdings, daß man in dieser Kritik nicht hemmungslos sein soll. Kollege Ritzel hat von einem „peinlichen Spiel" gesprochen. Ich möchte sagen, Kollege Ritzel: Die Opposition, die Sie hier betreiben, d i e ist ein sehr peinliches Spiel.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Gülich hat mich vorhin angesprochen und auf seine Äußerung Bezug genommen, die er offenbar in der Plenarsitzung vom letzten Freitag getan hat. Ich konnte jener Sitzung nicht beiwohnen, Herr Kollege Gülich, weil ich an diesem Tage eine andere Dienstaufgabe zu erfüllen hatte. Sie haben auf einen Zwischenruf hingewiesen, den ich vor etwa fünf Jahren in diesem Hause gemacht haben soll.
({0})
Ich kann mich an jenen Zwischenruf naturgemäß nicht mehr erinnern. Sie brauchen das Protokoll nicht herauszusuchen. Ich möchte Ihre Aussage durchaus als richtig unterstellen. Ich habe damals die von Ihnen zitierte Auffassung vertreten. Ich schäme mich dessen nicht. Wir waren damals der Auffassung, und wir hatten das gute Recht dazu, diese Auffassung zu vertreten, daß, wenn alles programmäßig so ablaufe, wie wir dies geplant hatten, die Besatzungskosten zu laufen aufhören würden. Völlig richtig! Aber, Herr Kollege Gülich, jetzt hören Sie bitte genau zu: Voraussetzung dafür war doch der planmäßige Ablauf der ganzen Aktion im Rahmen eines Systems der Partnerschaft, in dem wir uns zur Leistung eines Sicherheitsbeitrages verpflichtet haben. Dieser Sicherheitsbeitrag
ist aber tatsächlich gar nicht geleistet worden. Seine Leistung ist jahrelang hinausgezögert worden. Noch heute gibt es keine deutschen Divisionen. Und warum denn, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion? Zu einem wesentlichen Teil deshalb, weil Sie das verhindert haben!
({1})
Das war doch einer der größten Triumphe für Sie, eines Tages feststellen zu können, daß der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu Fall gekommen ist. Das war Ihr Werk!
({2})
- Ja! Ja! Sehen Sie! Sie bestätigen es selbst. Das war Ihr Werk! Deshalb haben wir der Verpflichtung, die wir übernommen haben, nicht nachkommen können. Nun gilt eine ganz einfache Regel, und in dieser Regel, in dieser Gesetzmäßigkeit der Geschichte liegt alles drin: Wer Sicherheit erwartet, aber selbst nichts tut, um diese Sicherheit zu gewährleisten, sich vielmehr durch andere bewachen und verteidigen läßt, der muß eben dafür, daß dies die anderen tun, bezahlen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Könen ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem nun inzwischen eine Reihe sehr geschätzter Kollegen zu Worte gekommen sind, die den Vorzug haben, keine Finanzfachleute zu sein, habe ich Courage bekommen. Ich sehe und höre mir hier seit einiger Zeit an, wie hier mit allen Mitteln der Beredsamkeit eine Begriffsstutzigkeit vorgespielt wird, die, wenn sie echt wäre, einfach kränkend für diejenigen wäre, die sie vorspielen. Wenn ich jetzt mit einer Besuchergruppe auf der Zuhörertribüne säße und die Zuhörer mich fragen würden: „Was wird dort eigentlich verhandelt?", dann - und darum bin ich hierher gekommen, um das einmal zu sagen - würde ich folgendes antworten: Die Regierung will Stationierungskosten bezahlen, sie stehen nicht im Haushalt; auf die Frage: braucht ihr dazu Geld aus dem Haushalt?, sagt die Regierung: brauchen wir nicht, das Geld haben wir, - und nun entsteht die Frage: muß das Parlament das bewilligen oder nicht?
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bausch, Sie haben das Problem verschoben.
({0})
Sie haben damals entgegen der Richtigkeit - weil Sie es nicht wußten - in der Fixigkeit, mit der Sie damals vorgingen, am 5. Dezember 1952 gesagt: sie - gemeint waren die Alliierten - haben doch ihre gesamten Stationierungskosten selbst zu zahlen. Darauf habe ich geantwortet: „Entschuldigen Sie, sie bezahlen sie eben nicht selbst, jedenfalls bisher noch nicht." Und dann haben Sie gesagt: „Wenn Sie die Politik machen würden, würden wir
({1})
das weiter bezahlen; wenn wir die Politik machen,
hört das auf!" Das ist ein Kernsatz, Herr Bausch,
({2})
und ich habe mir erlaubt, diesen Kernsatz, weil er die Situation klärt, hier zu zitieren.
({3})
- Das ist keine Wortklauberei, wie mir soeben zugerufen wurde. Hier handelt es sich um klaren Wortlaut und klaren Sinn, und daran wollen wir nun nicht herumtüfteln.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer diesen Ausführungen zugehört hat, der muß sagen, daß sie einen sehr eigenartigen Eindruck machen müssen.
({0})
Wir sind in der Haushaltsberatung, wir beraten jetzt den Haushalt auf Grund der Beschlüsse des Ausschusses. Nun ist ein Zeitungsaufsatz erschienen, und nun wird gesagt, dadurch habe sich alles verändert. Meine Damen und Herren, wir werden zu der Frage der Stationierungskosten für die verbündeten Mächte - nicht für Besatzungsmächte - noch gesondert Stellung nehmen müssen. Es ist ja zugesagt worden, daß hier der Bundestag seine Zustimmung geben muß, und dann wird es sich, nachdem keine Vermehrungen der Ausgaben in Frage stehen, nur um eine Übertragung innerhalb des Haushalts handeln können. Eine Haushaltsfrage, meine Herren, weiten Sie nun zu einer politischen Auseinandersetzung über Stationierungskosten aus.
({1})
Dadurch wird jetzt ohne jede Not das vorweggenommen, was bei der Vorlage über die teilweise Umwandlung von Verteidigungskosten in Stationierungskosten gesagt werden wird, und es besteht absolut keine Veranlassung, daß wir diese Auseinandersetzung, die Sie bei dieser Gelegenheit machen können, heute in der Haushaltsberatung fortführen. Wir beraten am heutigen Tage über den Haushalt, wie er vom Ausschuß vorgelegt ist, und nicht auf Grund eines Zeitungsaufsatzes.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann sich in der Tat sehr lange über das Thema unterhalten, ob die Alliierten einen Rechtsanspruch hatten oder nicht. Das ist aber, glaube ich, hier überhaupt nicht die Frage. Hier geht es um ein ganz einfaches Rechenexempel. Es geht auch nicht darum, daß wir etwa auf einen Zeitungsartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" reagieren, sondern es geht darum, daß klipp und klar feststeht, daß die Bundesregierung
- ich habe den Vortrag des Herrn Bundesaußenministers von heute früh hier vor mir - erklärt hat, daß sie Vereinbarungen getroffen hat, die bestimmte finanzielle Konsequenzen haben. Diese finanziellen Konsequenzen sind uns bekannt, und zwar aus dem Brief des Herrn Bundesfinanzministers, den er zwar nicht offiziell geschrieben hat, der aber nichtsdestoweniger in der Welt ist, und wir wissen, wie hoch diese finanziellen Auswirkungen sind, nämlich daß sie 1,455 Milliarden DM betragen. Nun heißt es sowohl in der Rede des Herrn Bundesaußenministers von heute vormittag wie in dem, was der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers vorhin gesagt hat, daß zusätzliche Haushaltsmittel nicht beantragt werden. Meine Damen und Herren, was wir vom Herrn Bundesfinanzminister anläßlich der Verabschiedung des Einzelplanes 14 und des Einzelplanes 35 wissen wollen, ist, woher er dann das Geld nimmt und wo es im Haushalt steht.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Elbrächter.
({0})
- Verzichtet. - Das Wort hat der Abgeordnete Schmid ({1}).
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese vielen Reden hatten doch ihr Gutes. Denn allmählich hat sich doch wenigstens für einen Teil der Mitglieder dieses Hauses das eigentliche Problem herausgeschält.
({0})
Der Vorschlag des Ausschusses verlangt, daß der Bundestag einem bestimmten Betrage für die Zwecke des Verteidigungsministeriums zustimmen soll. Die Regierung sagt uns, sie werde den ehemaligen Besatzungsmächten gegenüber die Verpflichtung übernehmen, ihnen rund 1,4 Milliarden DM an Stationierungskosten zu bezahlen, wofür sie von dem Haus keine zusätzlichen Mittel verlangen werde. Das bedingt doch den Schluß, daß man von uns verlangt, in den Haushaltsplan einen Betrag aufzunehmen, von dem die Bundesregierung heute nur einen Teil braucht. Denn was sie brauchen wird, um die Stationierungskosten zu bezahlen, weiß sie ja offenbar heute noch nicht. Darum will sie diese sich auch noch nicht genehmigen lassen. Sie will sich das Geld in einem Nachtrag zum Haushalt bewilligen lassen. Sie sagt: Wir nehmen uns also im Grunde das Geld dann aus der Globalsumme, die heute bewilligt werden soll. Wir sagen aber jetzt nichts darüber, wieviel wir aus dieser Globalsumme nehmen wollen. Sicher ist nur, daß sie ganz offensichtlich von uns mehr verlangt, als sie nach dem heutigen Stand der Dinge von dem Hause fordern kann.
({1})
- Doch. Die Regierung sagt: Ich verlange soundsoviel Milliarden; aus diesen Milliarden werde ich auch die Stationierungskosten bezahlen; die liegen noch nicht fest; ich teile sie dem Hause nicht mit. - Wenn wir aber heute korrekt feststellen wollen, was für Einzelplan 14 und 35 wirklich ausgeworfen werden soll, dann müßte die Regierung uns sagen: Die Stationierungskosten gehören mit hinein, und diese Forderungen sind so und so zu beziffern. - Wenn sie das nicht tut, verlangt sie
({2})
von uns mehr Geld, als sie heute ausweisen kann. - Das ist offenbar der Standpunkt der Regierung. Sie sagt es nicht so, sie drückt es nicht so aus, aber darauf kommt es doch hinaus.
({3}) '
Im übrigen, Herr Dr. Bucerius, kann man verschiedener Meinung über die Notwendigkeit der Stationierungskosten sein. Sie sind der Meinung, sie seien notwendig; andere Leute sind der Meinung, sie seien nicht notwendig. Nur, eines möchte ich Ihnen doch sagen: die Auslegung, die Sie dem von Ihnen zitierten Artikel des Atlantikpaktes gegeben haben, hat bisher noch kein Sprecher eines Partnerstaates gegeben.
({4})
- Wenn Sie recht hätten - und man kann durchaus über diese Dinge diskutieren -, wäre die logische Konsequenz, daß die Atlantikpaktmächte zusammen ein Gesamtbudget aufmachen und daß dann die auf den einzelnen Partner entfallenden Verpflichtungen nach einem Schlüssel auf die einzelnen Partner umgelegt werden. Genau das wird aber nicht getan, sondern eine Reihe von Partnermächten des Atlantikpakts bekommen von den Mächten, die ihr Gebiet zur Stationierung von Truppen ihrer Partner hergeben, dafür bezahlt, während wir für dasselbe Tun bezahlen. Und diese Truppen stehen doch nicht nur zu unser e m Schutz in Deutschland, Herr Bucerius!
({5})
Wir aber sollen so bezahlen, als stünden sie nur zu unserem Schutz auf unserem Gebiet!
({6})
Ich sehe keinen großen Schutz für uns darin, daß Frankreich die Rekruten, die es morgen nach Algerien schicken will, in unseren Kasernen ausbildet, die in Deutschland liegen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Conring.
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.
({1})
Herr Professor Schmid, nur ein Wort zu der Frage Algerien. Es ist richtig
- und Sie haben es aus dem Brief des Bundesfinanzministers, ,der Sie dazu ermutigt hat, gesehen -, daß zwischen uns und der andern Seite eine Unterhaltung darüber stattfinden könnte, ob der Schutz, den uns die Verbündeten gewähren, nicht dadurch vermindert wird, daß die Truppen, die eigentlich hier stationiert sein sollten, heute in Algerien eingesetzt werden. Ich muß aber dieses Haus und die deutsche Öffentlichkeit daran erinnern, daß in Algerien 1,3 Millionen französische, d. h. europäische Bauern wohnen, die eine Wüste in blühendes Land verwandelt haben. In dem Augenblick, in dem wir unsererseits von den Alliierten verlangen, daß sie sich um die Wiedervereinigung Sorgen machen, sind wir nach meiner Auffassung nicht berechtigt, die französischen Bauern in Nordalgerien abzuschreiben und den
Franzosen zu sagen: Ihr dürft dort keine Truppen hinsenden.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerstehe der Versuchung, diese Verschleierungstaktik des Herrn Bucerius
({0})
etwas aufzulichten. Ich habe nur eine einzige Frage: Was sagt der Herr Bundesfinanzminister?
({1})
Das, meine Damen und Herren, werden Sie jetzt hören; er hat das Wort.
({0})
Herr Kollege Ritzel, der Herr Bundesfinanzminister hatte sich bereits zum Wort gemeldet, als Sie das Rednerpult bestiegen.
({0})
Er wird eine kurze und, wie ich hoffe, klare und allgemein verständliche Antwort geben. Der Herr Bundesfinanzminister, wenn ich es so sagen darf, hält es erstens für notwendig, daß ordnungsgemäß ein Nachtragshaushalt vorgelegt wird. Er ist zweitens der Überzeugung, daß es möglich sein wird, die Gesamtsumme für die Verteidigungsausgaben dieses laufenden Rechnungsjahres dabei nicht zu erhöhen. Drittens sieht er die Möglichkeit, Ausgaben zeitlich zurückzustellen und diese dringenden neuen Ausgaben an deren Stelle einzusetzen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid ({0}).
Meine Damen und Herren! Herr Dr. Bucerius, Sie nötigen mich zu antworten. Ich habe nicht gesagt, daß ich den Franzosen das Recht bestreite, Truppen aus Deutschland abzuziehen und nach Algerien zu schicken.
({0})
Ich weiß auch, daß dort 1,2 Millionen Menschen wohnen, die schwer gefährdet sind. Nur kann ich nicht zugeben, daß die Truppen, die in Deutschland für die Tätigkeit, die sie in Nordafrika auszuüben haben, ausgebildet werden, unser e m Schutze dienen.
({1})
- Herr Dr. Bucerius, lassen Sie mich noch zwei, drei Sätze sagen. Ich will hier wiederholen, was ich vor etwa vier Wochen in Paris vor einer recht weiten Öffentlichkeit gesagt habe; nämlich daß ich der Meinung bin, daß wir Europäer insgesamt auch für
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Dinge, die in Nordafrika vor sich gehen, solidarisch seien;
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ich habe aber ebenso gesagt, daß das Zeitalter des Kolonialismus in jeglicher, auch in abgeschwächter Form zu Ende sei.
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Ich habe weiter gesagt, daß der Übergang von diesem Zeitalter in ein Zeitalter echter Freiheit dieser Völker geordnet vor sich gehen müsse; und ich habe weiter gesagt, daß dieser Übergang nur dann geordnet vor sich gehen könne, wenn in diesen Gebieten große Beträge investiert werden, um sie in den Stand zu setzen, sich allein weiterzuhelfen. Ich habe gesagt, daß die europäischen Völker etwas dazu beitragen könnten, um diese schwere Last, . die auf den Schultern Frankreichs lastet, zu erleichtern. Dafür wollen wir gern Geld geben, - aber nicht dafür, damit Soldaten ausgebildet werden, um einen Prozeß aufzuhalten, der nicht aufzuhalten ist und nicht aufgehalten werden darf!
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Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß in der Tat sein, denn das; was der Herr Bundesfinanzminister hier gesagt hat, bedarf ja einer genaueren Definition.
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Ich halte dafür, daß er uns hier durchaus die Wahrheit gesagt hat. Aber was bedeutet diese Wahrheit, meine Damen und Herren? Das bedeutet, daß die Belastungen, die wir durch die Zugeständnisse in der Frage der Stationierungskosten eingegangen sind, eben auf das nächste Haushaltsjahr verschoben werden.
({1})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14, Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung, in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung und der heute beschlossenen Änderungen. Wer dem Einzelplan zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun den Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - auf. Änderungsanträge liegen nicht vor, auch keine Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 19 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Einzelplan 20 - Bundesrechnungshof - auf. Auch hier liegen keine Anträge und keine Wortmeldungen vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 20 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Einzelplan 24 - Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit - auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 699*) vor, der die Streichung des Einzelplans fordert. Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, geschäftsordnungsmäßig halte ich es nicht für möglich, über einen in einem Umdruck gestellten Antrag auf Streichung abzustimmen, sondern ich lasse über den Antrag abstimmen, den der Haushaltsausschuß stellt, und wer streichen will, stimmt eben dagegen. So entspricht es der Geschäftsordnung dieses Hauses.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 24 gemäß Drucksache 2466 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Ausschußantrag ist angenommen. Damit ist die Streichung abgelehnt.
Ich rufe nun den Einzelplan 25 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau - auf. Hierzu liegt in Umdruck 700**) unter den Ziffern 1 und 2 ein Änderungsantrag vor. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Rehs!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, zu unserem Antrag, 60 Millionen DM zusätzliche Mittel im Haushalt des Bundeswohnungsbauministeriums für die beschleunigte Auflösung der Vertriebenenlager einzusetzen, noch einmal das Wort nehmen zu müssen. Die Abstimmung bei der zweiten Lesung nötigt mich dazu.
Ich habe mich bei der zweiten Lesung einer eingehenderen Begründung enthalten, weil ich nach den ausführlichen Erörterungen in der Vertriebenendebatte am 9. Februar dieses Jahres und nach den ausdrücklichen Hinweisen des Bundesvertriebenenministeriums zu diesem Punkte der Oberzeugung war, daß sich niemand in diesem Hause der Berechtigung und der Notwendigkeit unseres Antrages entziehen würde. Nach dem Abstimmungsergebnis der zweiten Lesung frage ich mich allerdings, was solche eingehenden gemeinsamen Erörterungen, wie sie am 9. Februar in der Vertriebenendebatte hier stattgefunden haben, und was die Erklärungen der Regierung selbst und der Regierungsparteien hierzu eigentlich für einen Sinn haben, wenn sie in dem Augenblick, in dem den Worten auch die Tat folgen soll, schon wieder vergessen sind.
Ich möchte Sie bitten, sich folgende Tatsachen noch einmal vor Augen zu halten. Im Bundesgebiet bestehen noch fast 2000 Lager der Altvertriebenen mit über 230 000 Bewohnern. Fast 90 % der Lager mit über 80 % der Lagerbewohner befinden sich in den Hauptvertriebenenländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein: Für die Unterbringung dieser Menschen in Wohnungen werden, wenn man den Haushalt mit 4 Personen im Durchschnitt berechnet, rund 47 500 Wohnungen benötigt. Der Bau dieser Wohnungen erfordert bei einem nachstelligen Förderungssatz von 10 000 DM je Wohnungseinheit einen nachstelligen Kapitalbedarf von 475 Millionen DM. Diese Summe soll nun nach Auffassung der Bundesregierung allein von den drei Ländern aufgebracht bzw. aus den ihnen zufließenden allgemeinen Wohnungsbauförderungsmitteln des Bundes gedeckt werden.
*) Siehe Anlage 21. **) Siehe Anlage 22.
({0})
Die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben im Jahre 1956 70,4 Millionen DM an Landesmitteln für die beschleunigte Auflösung ihrer Lager eingesetzt. Diese Leistungen können ohne Benachteiligung des Wohnungsbaues für die anderen Personenkreise nicht mehr gesteigert werden. Wenn Sie aber von dieser Sachlage ausgehen und schon unterstellen, daß diese Länder auch in . den folgenden Jahren die gleichen Leistungen erbringen, wird es noch acht bis zehn Jahre dauern, bis die letzten Lager verschwinden.
An diesem Sachverhalt wird nichts durch die Ausführungen im Bulletin vom 26. Juni geändert, durch die der Eindruck erweckt wird, als ob der Bund allein für die Zwecke der Lagerauflösung, der Evakuierten usw. 2 Milliarden DM aufwende, während es sich bei dem dort genannten Betrag tatsächlich um die Mittel für den gesamten Wohnungsbau handelt. Das ist wieder einmal ein Musterbeispiel für unkorrekte und unsaubere Darstellung und Berichterstattung, wie wir sie in dem Bulletin schon zu ungezählten Malen erlebt haben.
({1})
An dem von mir vorgetragenen Sachverhalt wird auch nichts durch den Hinweis des Herrn Wohnungsbauministers Preusker bei der zweiten Lesung geändert, daß die Lander durch die Vorausfinanzierung der Pauschalierungskosten für die Lageraufwendungen eines Jahres in der Lage seien, das Problem zu meistern. Ich bin überzeugt, der Herr Minister Preusker weiß genau, daß sein Hinweis nichts anderes als eine leere Beschwichtigung und eine Fortsetzung des trüben Spieles des Schwarzen Peters vom Bund gegenüber den Ländern ist.
({2})
Die Ablehnung unseres Antrages bedeutet - ich möchte Sie noch einmal bitten, sich das vor Augen zu halten -, daß Sie die Menschen, die heute noch zum Teil im elften und zwölften Jahr in den Lagern sitzen, zu weiteren acht bis zehn Jahren, d. h. insgesamt bis zu 20 und 22 Jahren Lageraufenthalt verurteilen. Ich frage, ob Sie wirklich bereit sind, das zu verantworten.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal ausdrücklich feststellen, daß das hier vorgetragene Anliegen der Lagerräumung und der Evakuiertenrückführung - um gleich die zweite Sache mitzubehandeln - selbstverständlich auch von der Bundesregierung als eines der entscheidenden Anliegen betrachtet wird.
({0})
- Nein, lassen Sie mich doch einmal etwas sagen. Gerade heute ist in dem neu erschienenen Bundesgesetzblatt das Zweite Wohnungsbau- und Familienheimgesetz veröffentlicht worden und kann damit in Kraft treten. In diesem Zweiten Wohnungsbaugesetz steht ausdrücklich - § 32 Abs. 2 -:
Der Bundesminister für Wohnungsbau stellt die nach Abs. 1 erstatteten Berichte
- der Länder nämlich -- unter Auswertung der Erhebung nach dem Gesetz über eine Statistik der Wohn- und Mietverhältnisse und des Wohnungsbedarfs vom 17. Mai 1956
- nach dem auch gerade diese zwei Fälle von Wohnungsnot besonders gemeldet werden müssen, und zwar nicht nur für 1956, sondern auch wiederum für 1958 und 1960 -... zu einem Gesamtbericht für das Bundesgebiet zusammen. In dem Gesamtbericht ist auch die Wohnraumversorgung der Wohnungsuchenden zu behandeln, die in Lagern, Beracken, Bunkern, Nissenhütten oder ähnlichen nicht dauernd für Wohnzwecke geeigneten Unterkünften bisher untergebracht waren oder noch untergebracht sind.
Diese Verpflichtung, dem Bundestag oder darüber hinaus der deutschen Öffentlichkeit jährlich einen Bericht über das zu geben, was hier geschehen ist, ist gesetzlich verankert. Aus diesem Grunde ist es die gemeinsame Verpflichtung von Bund und Ländern, die ihre Neufixierung in den Vorrangbestimmungen dieses Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes gefunden hat, mit dieser schwierigen und uns ungeheuer drückenden Aufgabe in den kommenden Jahren vorrangig fertigzuwerden.
Aber nun dreht es sich doch um die Frage der finanziellen Beteiligung des Bundes einerseits und der Linder andererseits. Dazu habe ich das letzte Mal hier ausgeführt, daß es nicht darum geht, den Schwarzen Peter zwischen Bund und Ländern hin- und herzuschieben, sondern daß es mir um eine Feststellung in der Auseinandersetzung geht: Der Bund hat - ich darf es noch einmal wiederholen - in den Jahren von 1952 bis 1956 seine Mittelbereitstellung einschließlich Lastenausgleich von 1,6 auf knapp 2 Milliarden DM erhöht. Dazu kommen im Jahre 1957 noch einmal weitere knappe 300 Millionen DM. Insgesamt sind es also für ein Jahr gegenüber 1952 700 Millionen DM mehr. In der gleichen Zeit ist bei den Ländern, bei denen auch eine Steigerung der Steuereinnahmen auf 165 % stattgefunden hat, eine Verringerung von 800 auf 700 Millionen DM pro Jahr festzustellen. Es geht uns doch nur darum, nachdem jetzt die Verteilung der Anteile an der Steuersenkung zur Debatte steht - Notopfer Berlin -, ob diese ganz zu Lasten des Bundes gehen soll oder eine Regelung entsprechend den Anträgen der Koalition gefunden wird. Ich habe neulich auch in den Ausschüssen des Bundesrats zu einer anderen Frage ausgeführt, daß die interne Aufteilung dieser Lasten und Steuerausfälle im Gesamtzusammenhang gesehen werden muß.
Aber es bleibt, nachdem das Zweite Wohnungsbau- und Familienheimgesetz ganz bewußt die Offenlegung der Situation vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit verlangt, kein Zweifel daran, daß es keine Bundesregierung, gleichgültig, ob es unsere ist oder ob es nach 1957 eine andere ist, wagen könnte, auf diesem Gebiet nicht den Nachweis zu erbringen, alles Menschenmögliche getan zu haben. Denn sonst könnte sie sich mit ihren Berichten vor der deutschen Öffentlichkeit und insbesondere vor diesen Menschen gar nicht sehen lassen.
({1})
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 700*). Wird Abstimmung getrennt nach Ziffern verlangt, oder kann ich in einem abstimmen?
({0})
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 700 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 25. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich komme dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, den Antrag der Abgeordneten Huth, Dr. Hesberg, Dr. Will, Dr. Schild ({1}) und Genossen betreffend Kredite zur Instandsetzung des Altwohnungsbestandes durch die Beschlußfassung von soeben für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Einzelplan 26, Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Es . liegen keine Änderungsanträge vor. - Es liegen auch keine Wortmeldungen vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan 26. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. _
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses, den Antrag der Abgeordneten Kuntscher, Reitzner, Dr. Strosche, Dr. Czermak und Genossen betreffend Zuschüsse zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebenen durch die soeben erfolgte Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf den Einzelplan 27, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen.
Es liegt hierzu ein Umdruck 701 ({2})**) vor. Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Frau Abgeordnete Korspeter!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Begründung des Antrags auf Umdruck 701, im Einzelplan 27, Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, einen neuen Titel mit einem Ansatz von 5 Millionen DM mit der Zweckbestimmung „Betreuung von Besuchern aus der sowjetischen Besatzungszone" einzufügen, möchte ich auf einen Antrag der SPD-Fraktion vom Februar des Jahres verweisen. Wir beantragten damals, um die persönlichen, insbesondere die familiären Beziehungen der Deutschen, die durch die Zonengrenze voneinander getrennt sind, zu fördern und zu festi*) Siehe Anlage 22.
**) Siehe Anlage 23.
gen, die Bundesregierung zu beauftragen, erstens mit der Treuhandstelle für den Interzonenhandel Verhandlungen zu führen, um für die Interzonen- reisenden die Möglichkeit zu schaffen, einen Betrag von 100 DM im Verhältnis 1 : 1 umzutauschen. Zweitens beantragten wir, bis zur Erreichung dieses Zieles den Gemeinden, Städten und Kreisen für die Besucher aus der Zone Mittel für Gutscheine auf Waren und Dienste zur Verfügung zu stellen und diese Leistung des Bundes für den einzelnen Besucher aus der Zone auf mindestens 10 DM festzusetzen. Drittens beantragten wir, über die kommunalen Spitzenverbände die Gemeinden, Städte und Kreise, soweit es noch nicht geschehen ist, zu Eigenleistungen für die Betreuung der Besucher aus der Zone anzuregen.
Wir waren uns bei der Stellung dieses Antrags völlig darüber klar, daß es sehr schwer sein würde, mit den Behörden der sowjetischen Besatzungszone über eine Verrechnung der Reisezahlungsmittel im Verhältnis 1 : 1 zu einer Vereinbarung zu kommen. Trotzdem stellten wir diesen Antrag, weil wir eine solche Regelung für die Besucher aus der Zone für die beste und glücklichste Lösung halten, da dann damit zu rechnen ist, daß noch viel mehr Deutsche als bisher die Gelegenheit persönlicher Begegnungen ergreifen werden, wenn das für die Sowjetzonenbesucher unüberwindbare Hindernis, sich mit den nötigen Geldmitteln zu versorgen,. beseitigt wird.
Der Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen wird sich deshalb trotz der negativen Stellungnahme des Bundesfinanzministers und des Bundeswirtschaftsministers noch weiter mit dieser Frage und den damit in Zusammenhang stehenden anderen Problemen beschäftigen und sie untersuchen.
Wegen der Unmöglichkeit, im Augenblick eine solche Regelung zu schaffen, hatten wir nun gehofft, im Ausschuß zu einem gemeinsamen, interfraktionellen Antrag zu kommen mit dem Ziel, eine ganz bestimmte Summe als Leistung des Bundes für eine verstärkte Betreuung der Besucher aus der Zone in den Haushalt einzusetzen. Wir bedauern es sehr, daß ein. solcher gemeinsamer Antrag nicht zu erreichen war, ganz besonders deshalb - und das darf ich hier wohl sagen -, weil alle Mitglieder des Ausschusses sich in der Sache einig waren, daß es aus politischen, vor allen Dingen aber aus menschlichen Gründen gut und notwendig wäre, diese Regelung zu treffen. Ungefähr 2 Millionen Einwohner der Sowjetzone haben im Jahre 1955 die Bundesrepublik legal besucht.
Wegen der Bedeutung dieser Frage haben wir es deshalb für notwendig gehalten einen Antrag einbringen, der bezweckt, 5 Millionen - diese Summe haben Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, im Ausschuß selbst in die Debatte geworfen und als möglich genannt - in diesem Etatjahr für diese Aufgabe einzusetzen. Das ist eine für diesen Zweck wirklich sehr bescheidene Summe. Denken Sie daran, wie bitter und deprimierend es für manchen Besucher aus der Zone ist, bei einem Besuch bei uns im Grunde nicht über einen einzigen Pfennig eigenen Geldes verfügen zu können und ganz auf den Gastgeber angewiesen zu sein, der in vielen Fällen nicht in der Lage ist, außer der gewährten Gastfreundschaft auch noch Bargeld zu geben!
({0})
({1})
Die Damen und Herren, ,die Mitglieder des Ausschusses sind, wissen, daß wir eine höhere Summe für notwendig gehalten hatten. Wir halben uns in diesem Antrag aber auf 5 Millionen beschränkt, um es Ihnen, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, möglich zu machen, diesem Antrag zuzustimmen, da es die Summe ist, die Sie selbst in die Debatte geworfen haben.
Wir alle wissen, daß es nicht nur die Währungsschwierigkeiten sind,, die diese Zwangssituation für die Besucher aus der Zone schaffen. Es sind darüber hinaus die sowjetzonalen Bestimmungen, nach denen die Besucher denselben Betrag, den sie in die Bundesrepublik mitnehmen, wieder in die Zone zurückbringen müssen.
Sagen Sie bitte nicht, daß mit einer Regelung, wie wir sie Ihnen vorschlagen, die private Initiative gelähmt würde. Nein, mit einer solchen Regelung werden die private Initiative und die private Hilfsbereitschaft nicht eingedämmt. Jeder, der geben will, und ich möchte ganz besonders auch sagen, der geben kann, wird nach wie vor dazu Gelegenheit haben. Sagen Sie bitte auch nicht, daß wir dadurch die Initiative der Gemeinden und Kreise eindämmen würden.
({2})
Wir sind im Gegenteil der Ansicht, daß eine solche Bereitschaft des Bundes die Gemeinden, die Städte und auch die Kreise, soweit sie es noch nicht auf Grund der dankenswerten Anregung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland getan haben, zu Eigenleistungen anregen wird. Ich weiß, daß eine Reihe von Städten und Kreisen solche Gutscheinaktionen durchgeführt haben. Sie geben Gutscheine zum Besuch der Museen, der Lichtspieltheater, der Theater und anderer kultureller Veranstaltungen. Wir aber, meine Herren und Damen - und ich möchte Sie bitten, meinen Worten wirklich einmal Aufmersamkeit zu schenken -, möchten mit unserem Antrag erreichen, daß den Besuchern aus der Zone außer den Gutscheinen der Gemeinden etwas Bargeld gegeben wird,
({3})
damit sie in die Lage versetzt werden, Einkäufe -- wenn auch nur kleine und bescheidene Einkäufe, aber doch nach eigener Wahl - von Dingen, die sie drüben nicht haben und die sie sehr vermissen, tätigen zu können. Sagen Sie bitte auch nicht, daß eine solche Regelung ausgenutzt und mißbraucht werden könnte. Sicher muß man damit rechnen, daß vielleicht der eine oder der andere dieser Versuchung verfällt. Aber ich glaube, wir alle sollten niemals den Glauben an die Anständigkeit der Menschen preisgeben.
Ich hoffe sehr, meine Herren und Damen, daß ich Sie durch meine Ausführungen für die politische und die menschliche Aufgabe, die sich uns stellt, gewonnen habe. Wir sollten alles tun, den Besucherstrom von drüben zu uns zu fördern, nicht nur weil die Menschen damit Gelegenheit haben, unsere Lebensordnung aus eigener Anschauung kennenzulernen, sondern auch deshalb - und mir scheint, das ist das Allerwichtigste -, weil dieser Besucherstrom das sichtbarste Zeichen unseres unzerstörbaren Gefühls der Zusammengehörigkeit ist. Wir sollten deshalb diese Möglichkeit, die zur Stärkung unseres gesamtdeutschen Bewußtseins dienen kann, ergreifen, und der Bund sollte sich dieser Verantwortung nicht entziehen.
Herr Außenminister von Brentano hat heute morgen zum Schluß seiner Regierungserklärung Worte der Bereitschaft gefunden, alles zu tun, um auch die Menschen in der Zone von unserem Wiedervereinigungswillen zu überzeugen. Er sagte: wir alle haben Gelegenheit, diesen Opfersinn und diese Bereitschaft heute schon zu betätigen. Meine Herren und Damen, die Zustimmung zu diesem Antrag wäre ein Beitrag zu dieser Bereitschaft und zu diesem Opfersinn. Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, diesem Antrag zuzustimmen.
({4})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Den warmen Appell der Frau Kollegin Korspeter an die' Bereitschaft und den Willen, alles zu tun, was der Wiedervereinigung dienlich sein kann, unterstützen wir voll und ganz. Frau .Kollegin Korspeter, es handelt sich jetzt nicht um diesen Appell. Es handelt sich vielmehr darum, daß mit Ihrem Antrag ein ganz konkretes haushaltsrechtliches Problem auftritt.
({0})
- Lassen Sie mich doch erst einmal aussprechen, Herr Neubauer. Ich habe Frau Korspeter auch nicht unterbrochen. - Das Anliegen, das Frau Korspeter hier angesprochen hat, ist im Ausschuß lange Gegenstand der Diskussion gewesen. Es hat sich im Laufe dieser Diskussion ganz klar herausgestellt, daß es sich um ein echtes Anliegen handelt, daß es aber sehr schwer zu realisieren ist.
({1})
Ich möchte fragen: wenn Frau Korspeter dieses dringende Anliegen hatte, warum ist dann dieser Antrag von der SPD nicht im Haushaltsausschuß gestellt worden,
({2})
als die Möglichkeit gegeben war, die Sache sachlich zu diskutieren? Das ist nicht geschehen.
({3})
Der Antrag ist noch nicht einmal zur zweiten Lesung, sondern erst zur dritten Lesung gestellt worden. Er wird gestellt, obwohl sich in den Ausschußberatungen ganz klar ergeben hat, daß der Zeitpunkt für einen solchen Antrag sachlich noch nicht gegeben ist. Ich möchte nur ganz kurz sagen, Frau Kollegin Korspeter, daß auch in Ihren Reihen in der Ausschußsitzung keine Klarheit darüber herrschte, wo diese geldliche Hilfe gegeben werden sollte. Ich darf daran erinnern, daß gerade im Kreise Ihrer Kollegen ganz verschiedene Auffassungen darüber waren, ob man diese Hilfe etwa in dem Moment leisten sollte, wo die Grenze überschritten wird, oder erst am Ende der Reise.
({4})
Dann das Weitere. Es hat sich im Laufe der Diskussion ergeben, daß es bei den über 2 Millionen Besuchern aus der Zone, eine Zahl, die Sie selbst genannt haben, sehr schwer ist, die Geldzuwen({5})
dung so zu geben, daß sie nicht solchen Menschen zugute kommt, denen sie auf keinen Fall zugute kommen darf; ich glaube, ich brauche mich nicht weiter darüber auszusprechen.
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Und nun das Letzte. Meine Damen und Herren, es bestand in der Diskussion im Ausschuß auch keinerlei Klarheit darüber, ob man die Hilfe in Bargeld oder in Gutscheinen geben sollte. Das sind alles Fragen, die weiter diskutiert werden müssen.
({7})
Ich sage deshalb heute hier - ({8})
Frau Korspeter, erregen Sie sich doch nicht!
({9})
Ich darf Sie doch um Ruhe bitten, um der Rednerin die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen zu geben.
Frau Korspeter, ich bemühe mich, nachdem Sie an uns den Appell gerichtet haben, Ihrem Antrag zuzustimmen, absolut sachlich und ruhig die Schwierigkeiten aufzuzeigen, warum wir beim besten Willen nicht zustimmen können, und ich meine, ich kann verlangen, daß Sie mir wenigstens ruhig zuhören. Wir stehen doch sonst nicht in dieser Erregung zueinander.
Meine Herren und Damen, ich möchte also mit aller Deutlichkeit sagen, daß das Anliegen nach wie vor mit seiner Dringlichkeit auch für uns besteht. Wir sind bereit und entschlossen,
({0})
im Ausschuß die Diskussionen weiterzuführen, und
wären froh, wenn recht bald ein praktikabler Weg
für die Realisierung des Anliegens gefunden würde.
({1})
Wir sind dann gerne bereit, mit Ihnen eine Summe zu beantragen, die dem echten Anliegen Rechnung trägt. Aber wir können, da die Grundlagen nicht gegeben sind, Ihrem Antrag heute nicht zustimmen. Wir müssen eben über den Nachtragshaushalt dem finanziellen Anliegen gerecht werden.
Ich darf diese kurze Erklärung nicht nur für meine Fraktion, sondern im Namen der Koalition abgeben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Prinz zu Löwenstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat den Antrag auf Umdruck 701 ({0}) *) unterschrieben, aus sehr gewichtigen Gründen und auf Vorschlag ihrer Vertreter im Gesamtdeutschen Ausschuß.
Man darf zu Ihrer Frage, Frau Kollegin Dr. Brökelschen, warum wir nicht veranlaßt haben, daß dieser Antrag auch dem Haushaltsausschuß
*) Siehe Anlage 23.
vorgelegt wurde, vielleicht folgendes sagen. Es ist doch das Recht des Parlaments, sich in der zweiten und dritten Lesung mit Anträgen zu befassen. Hier ist das Forum, um wichtige Anträge zur Sprache und zur Entscheidung zu bringen.
({1})
Wir meinen, daß es sich hier um einen Beitrag, wenn auch nur um einen sehr bescheidenen, zur Wiedervereinigung handelt. Es ist eigentlich nur ein Beitrag dazu, daß wir uns nicht noch mehr auseinanderleben, daß wir für die Menschen, die aus der Zone kommen, eine kleine Möglichkeit der Betreuung haben.
Dieses Anliegen ist uns allen gemeinsam. Deswegen bedauere auch ich es sehr, daß wir nicht zu einem interfraktionellen Antrag gelangen konnten. Aber es ist dennoch ein Anliegen dieses Hauses, und ich würde Sie sehr bitten, Frau Kollegin Dr. Brökelschen, Ihre Bedenken zurückzustellen.
Es ist von Ihnen, verehrte Frau Kollegin Korspeter, die Frage aufgeworfen und beantwortet worden, ob nicht die Gefahr eines gewissen Mißbrauches besteht. Im Ausschuß ist schon darüber gesprochen worden. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Gefahr eines Mißbrauchs sehr gering ist und in Kauf genommen werden müßte. Es gibt ein Wort von Nietzsche: „Was Du von einem Menschen denkst, das entzündest Du in ihm." Wir sollten doch eigentlich grundsätzlich von allen, besonders von unseren Landsleuten, die aus der Zone kommen, das Beste und Anständigste annehmen. Ich bin überzeugt, daß dieses Vertrauen dann auch gerechtfertigt werden wird. Je mehr wir Vertrauen in die Landsleute setzen, die zu uns herüberkommen, desto mehr werden wir den Schatz guten Willens ausbauen, der doch die entscheidende Grundlage für die Wiedervereinigung ist und schon heute eine wichtige Kraft dafür, daß wir nicht noch mehr auseinandergerissen werden.
Ich möchte daher dem Hohen Hause die sehr herzliche und dringende Bitte vortragen, und zwar nicht nur deswegen, weil auch meine Fraktion den Antrag unterzeichnet hat, sondern aus gesamtdeutschen Gründen, dem Antrag auf Umdruck 701 die Zustimmung geben zu wollen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Seidel ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Ausführungen von Frau Dr. Brökelschen war ein Unterton zu merken, daß sie die Dringlichkeit unseres Anliegens ohne Zweifel anerkennt und sich nur im Formellen daran stößt, daß in den letzten Überlegungen, noch nicht alles deutlich vor Augen stehe. Ich glaube, dem kann heute noch ein wenig abgeholfen werden. Zuvor möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sagen: ich habe volles Verständnis dafür,, daß Sie bei der Abstimmung über diesen Haushalt an bestimmte Richtlinien gebunden sind. Aber ich glaube, man sollte gerade bei dieser Frage von der gegebenen Richtlinie wirklich einmal eine Ausnahme machen.
Frau Korspeter hat schon sehr eindeutig dargestellt, um was es sich handelt. Wir haben am 30. Mai in diesem Hause eine sehr ernsthafte
({0})
Debatte über die Beziehungen zu den Bewohnern der Sowjetzone gerührt und haben hier große und feierliche Worte für die Kontaktpflege gefunden, die wir alle miteinander aufnehmen sollen. Auch heute morgen ist von dieser Stelle aus vorn Außenminister Herrn von Brentano sehr eindringlich an Sie appelliert worden, nicht nur den Mund zu spitzen, sondern wirklich Opfer für diese Kontaktaufnahme zu bringen.
Es reicht nicht aus, den armen Verwandten in der Sowjetzone immer nur Kraft und Ausdauer zu wünschen für ihre Aufgabe, für ihr Aushalten, für ihre Bereitschaft zur Wiedervereinigung. Im Jahr kommen durchschnittlich 2 Millionen Besucher aus der Sowjetzone zu uns. Von ihnen nimmt nicht einmal ein Drittel eine öffentliche Hilfe in Anspruch. Die große persönliche Hilfe des einzelnen in der Bundesrepublik ist also sehr beachtenswert.
In diesen Tagen konnten wir in der Presse lesen, daß von der Sowjetzone Erleichterungen im Reiseverkehr angedeutet werden. Ich hoffe, daß es in diesem Hause niemanden gibt, der etwa davor einen Schrecken bekommt. Ich hoffe, daß jeder bereit ist, auch einen größeren Kreis in eine Betreuung einzubeziehen. Ich möchte dringend bitten, daß keiner, der zu uns kommt, von der Aufnahme und von der Gastfreundschaft, die wir ihm gewähren, irgendwie enttäuscht wird. Deshalb bitte ich Sie dringend, diesem Antrage stattzugeben.
Aber ich wollte Ihnen noch in einer bestimmten Form entgegenkommen, und ich bitte Sie, sich folgendes zu überlegen. Wenn Sie nicht bereit sind, heute die beantragten 5 Millionen DM auf einmal freizugeben, nun, dann kann man doch hoffentlich durch einen Sperrvermerk für einen Teil dieses Betrages eine Brücke bauen. Ich stelle also zu dem Antrag der drei Fraktionen den Zusatzantrag, daß von den beantragten 5 Millionen DM 3 Millionen DM gesperrt sein sollen. Dann, Frau Dr. Brökelschen, haben wir folgendes erreicht: Erstens haben wir eine Quelle der Hilfe geschaffen. Zweitens können Erfahrungen für diese Aufgabe gesammelt werden. Drittens können wir, wenn Not am Mann ist, sofort durch Aufhebung des Sperrvermerks helfen.
Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß damit wirklich eine Brücke zu einem Ja für diesen Vorschlag gegeben ist. Denken Sie bitte daran: beim Einzelplan 27 gab es in diesem Hause, im 2. Bundestag, noch nie eine Gegenstimme, weil dieser Einzelplan in seiner finanziellen Wirksamkeit eine große politische und menschliche Aufgabe darstellt.
Unser Vorschlag ist jedenfalls eine Brücke, und ich hoffe, daß Sie auf diese Brücke treten können.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. VogeL
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind bereit, diesem Antrag zuzustimmen, Herr Kollege, wenn wir die gesamten Mittel sperren. Wir wünschen nicht einem Antrag zuzustimmen, dessen technische Ausführungsbestimmungen noch nicht geklärt sind. Wir bejahen das Ziel als solches; das hat Frau Dr. Brökelschen vorhin mit aller Deutlichkeit erklärt. Aber Sie wissen, daß da ganz bestimmte Sicherungen gegen Mißbrauch eingebaut werden müssen. Ich kann mir nämlich sehr gut vorstellen, daß es uns sonst noch etwas mehr kosten wird.
({0})
- Also einverstanden; 5 Millionen DM gesperrt.
Meine Damen und Herren! Das vereinfacht auch die Abstimmung. - Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich darf also das allgemeine Einverständnis unterstellen, daß die gesamten Mittel von 5 Millionen DM gesperrt werden. - Er erfolgt kein Widerspruch.
Dann lasse ich über den Antrag Umdruck 701 ({0})*) abstimmen. Wer ihm - mit Sperrvermerk - zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Einzelplan 27 mit der soeben erfolgten Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - ? - Bei zahlreichen Enthaltungen anEnthaltungengenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 28 - Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates --; dazu Umdruck 695**). Wird das Wort gewünscht?" - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung, und zwar verfahren wir so, wie wir immer, auch vorhin, verfahren sind. Es wird nicht' über den Streichungsantrag, sondern über den Haushaltsplan selber abgestimmt.
Wer dem Einzelplan auf Drucksache 2470 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Haushaltsplan ist angenommen, der Streichungsantrag ist damit erledigt.
Ich rufe den Einzelplan 29 auf - Geschäftsbereich des Bundesministers für Familienfragen -; dazu Umdruck 696***). Wird das Wort gewünscht?
- Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung, . wobei der Streichungsantrag in gleicher Weise behandelt wird wie bei den früheren Abstimmungen. Wer dem Mündlichen Bericht des Ausschusses auf Drucksache 2471 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Haushalt ist genehmigt, der Streichungsantrag erledigt.
Ich rufe auf den Einzelplan 30 - Geschäftsbericht der Bundesminister für besondere Aufgaben - mit dem Umdruck 697****). Wird das Wort gewünscht ?- Bitte, Herr Abgeordneter Samwer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure es aufrichtig, daß ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses kurz beanspruchen muß; aber hier sind einige Äußerungen gefallen, und zwar von Herrn Abgeordneten Keller in der allgemeinen Debatte zum Haushaltsplan 30, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen.
Herr Keller hat sich u. a. mit dem Herrn Bundesminister Kraft in einer recht gehässigen Weise
*) Siehe Anlage 23. **) Siehe Anlage 24. ***) Siehe Anlage 25. ****) Siehe Anlage 26.
2. Deutsche Bundestag - 156. Sitzung: Bonn, Donnerstag, den 28. Juni 1956 8483
({0}) ,
befaßt. Herr Minister Kraft kann Sich nicht selbst verteidigen, weil er, wie Sie wissen, krank ist.
({1})
Unter anderem sprach Herr Keller etwas von „spanisch", worüber man noch einiges hätte sagen können. Das werde ich nun tun. Herr Keller hat eine Behauptung des Herrn Abgeordneten Ritzel aus der zweiten Lesung versteckt aufgegriffen, nach der Herr Minister Kraft eine Reise nach Spanien auf Bundeskosten gemacht haben soll.
({2})
Hierzu stelle ich fest, daß es richtig ist, daß Herr Kraft Ostern dieses Jahres Spanien als Privatmann besucht hat. Hierdurch entstandene Kosten sind selbstverständlich nicht zu Lasten der Bundeskasse gegangen, sondern aus dem privaten Portemonnaie des Herrn Kraft geleistet worden, wie die Erklärung des Ministers gemäß der Vorlage des Bundesministers der Finanzen Nr. 41/56 vom 19. Juni 1956 - dort auf Seite 9 zu lesen - ergibt.
Meine Damen und Herren! Es ist auch recht bedauerlich, daß Herr Keller in diesem Hause ein Zitat über einen Gehenkten gebracht hat, das nur als Gipfel der Geschmacklosigkeit bezeichnet werden kann.
({3})
Herr Bundesminister Kraft ist weder jetzt noch später ein Gehenkter, sondern zur Zeit leider ein Operierter.
({4})
- Was gibt es da zu lachen, wenn jemand operiert wird? Ist das nicht sehr bedauerlich? Einen jeden, dem es auf Ihrer Seite passierte, würde ich auf das tiefste bedauern. Ich finde das Lachen absolut ungehörig.
({5})
- Das ist eine Unverschämtheit, wenn da gelacht wird; da haben Sie ganz recht. Meine Damen und Herren, Sie bringen mich nicht aus der Ruhe!
({6})
- Nein, was ich gesagt habe, halte ich aufrecht. Ich weiß schon, daß Sie dann schreien, wenn Sie wissen, daß Sie unrecht haben. Das ist im Leben oft so.
({7})
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich
({8})
wünschen ihm nach der nicht leichten Operation völlige Genesung und baldige Rückkehr auch in dieses Hohe Haus.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre auf diese Angelegenheit nicht mehr zurückgekommen. Ich darf nur dem Herrn Kollegen Samwer, .mit dem ich mich sonst sehr gut vertrage, einiges in Erinnerung rufen.
Mit der Verschiebung des. Problems, um das es sich hier handelt, ist ja nichts getan. Herr Kollege Professor Dr. Gülich hat in der Nacht vom vergangenen Freitag ausdrücklich - Sie können das im Protokoll nachlesen - das Mitgefühl der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion mit dem erkrankten Herrn Bundesminister Kraft hier zum Ausdruck gebracht, und die guten Wünsche für baldige Genesung, die Herr Samwer soeben hier zum Aus- druck gebracht hat, glaube ich namens meiner Fraktion für den Menschen Kraft durchaus unterstreichen zu dürfen.
({0})
Das ist nicht mehr als ein selbstverständlicher Akt menschlicher Loyalität, christlichen Mitgefühls, oder wie die wollen, - das kann jeder interpretieren, wie er will.
Aber Herr Kollege Samwer hat noch etwas anderes angeschnitten, nämlich die Frage der Kosten der Reise nach Spanien. Ich bekenne hier offen, daß ich der Fragesteller im Haushaltsausschuß war und daß ich wissen wollte, auf wessen Kosten diese Reise nach Spanien gemacht worden ist. Ich widerstehe der Versuchung, das Protokoll des Haushaltsausschusses mit den dort festgehaltenen Bemerkungen von Mitgliedern der CDU-Fraktion über den ganzen Vorfall hier im Wortlaut zu zitieren. Wenn es notwendig sein sollte, darf ich mir das vorbehalten. Aber ich zitiere eines, nämlich aus der Drucksache des Haushaltsausschusses Nr. 951 vom 19. Juni 1956 - Absender der Bundesminister der Finanzen - die Antwort auf die Fragen, die ich im Haushaltsausschuß gestellt habe, und diese Antwort lautet zur Frage 2:
Gemäß § 19 des letzten Entwurfs der GGO I, nach dem bereits verfahren wird, werden den Ministern und Staatssekretären Dienstkraftwagen zur alleinigen und uneingeschränkten Benutzung zugeteilt. Herr Bundesminister Kraft hat erklärt, daß er sich
- und nun kommt es im Anschluß an eine wasserwirtschaftliche Informationsreise durch die Nordschweiz und das Rhônetal, die bei Sète endete, in den Ostertagen zu einem privaten Besuch nach Barcelona begeben habe; Reisekosten seien hierfür nicht liquidiert worden.
Mit anderen Worten: der Herr Bundesminister Kraft hat anläßlich dieser privaten Reise das getan oder unterlassen, was selbstverständlich war: er hat kein Tagegeld dafür in Anspruch genommen, keine Reisekosten liquidiert. Aber der neugekaufte BMW-Wagen - Kaufpreis 16 800 DM, mit Schiebedach - wurde für diese Privatreise benutzt. Die Frage, wer das Benzin dafür bezahlt hat, ist durch den Herrn Bundesfinanzminister noch nicht beantwortet und auch nicht durch den Herrn Bundesminister Kraft; sie ist aber auch gar nicht so wichtig, daß man ihr nachgehen sollte.
({1})
Aber das nur ganz nebenbei, meine Damen und Herren! Das Leben besteht ja nicht nur aus Bitternis, es besteht auch aus kleinen Freuden.
Nun glaube ich Ihnen, daß Ihnen der Antrag Umdruck 697 auf Streichung der gesamten Ansätze des Einzelplans 30 für die beiden Herren Sonderminister mach der Entscheidung vom vergangenen Freitag unangenehm gewesen ist. Mit Rücksicht darauf wollen wir Ihnen entgegenkommen. Wir machen Ihnen einen sehr netten, akzeptablen Vermittlungs({2})
vorschlag, und zwar stellen wir einen Änderungsantrag zum Änderungsantrag zu Einzelplan 30, Sonderminister. Dieser Änderungsantrag zum Änderungsantrag lautet:
Die Ansätze in Einzelplan 30 werden in allen Einnahme- und Ausgabetiteln auf die Hälfte herabgesetzt.
Einen Satz noch zur Begründung! Alle Blätter stehen davon voll - der Herr Kollege Schoettle hat in seiner großen Haushaltsrede heute morgen bereits davon gesprochen -, daß die Bundesregierung die Absicht hat, ein Revirement innerhalb der Bundesregierung eintreten zu lassen. Der Name des Herrn Bundessonderministers Kraft wird in diesem Zusammenhang in allen deutschen Gazetten genannt. Wir möchten helfen zu einer ganz sauberen, legalen Abrechnung innerhalb der Bundesrechnung. Wir setzen voraus: die Tätigkeit der beiden Herren Sonderminister, von denen der eine aus diesen, der andere aus jenen Gründen - die Gründe kennen Sie sicher besser als wir - doch auf dem Aussterbeetat steht, kann bis zum 30. September abgewickelt sein.
Wenn unser Antrag angenommen wird, die Ansätze im Einzelplan 30 in Einnahme und Ausgabe auf die Hälfte herabzusetzen, dann sparen wir - und da hoffe ich mit Ihnen einer Meinung zu sein und sämtliche Hände in die Höhe gehen zu sehen - den netten Betrag von 600 000 DM. Nachdem der Herr Bundesfinanzminister eben wegen der Zustimmung zu den 5 Millionen die große Bitternis erleben mußte, wiederum um 5 Millionen höhere Etatansätze zu sehen, wird er sehr froh sein, wenn auf diesem Wege erreicht wird, daß 600 000 DM wieder in die Bundeskaisse zurückfließen, d. h. nicht ausgegeben werden. Die nützlichere Verwendung, meine Damen und Herren, steht außer jedem Zweifel.
Ich darf Sie bitten, dem Änderungsantrag zum Änderungsantrag Ihre freundliche Zustimmung zu geben.
({3})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Es liegt ein Antrag vor, den ganzen Einzelplan 30 zu streichen, dann ein weiterer, alle Titel auf die Hälfte herabzusetzen. Antragsteller ist in beiden Fällen die gleiche Fraktion. Unter diesen Umständen - außerdem, weil an sich nicht ein Teil des ersten Antrags abgeändert wird - vertrete ich die Auffassung, da es sich um ein en Änderungsantrag handelt, daß also der andere Änderungsantrag zurückgezogen ist. Ich glaube, Herr Ritzel, auf dieser Basis könnten wir uns gut verständigen.
({0})
Ja, so; aber kann denn die Fraktion der SPD - -({1})
- Nein, das geht in diesem Fall kaum. Es ist die gleiche Fraktion, die hier beantragt, ganz zu streichen oder halb zu streichen. Dann wäre es doch besser, ihn als Eventualantrag zu bezeichnen.
({2})
Dann stimmen wir also ab über den Änderungsantrag, alle Einnahmen auf die Hälfte herabzusetzen. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag, den Herr Kollege Ritzel soeben begründet hat, alle Ansätze im Einzelplan 30 auf die Hälfte herabzusetzen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({3})
Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag auf Umdruck 697') ist inzwischen zurückgezogen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Einzelplan 30. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan 30 ist angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 31 ({4}), Geschäftsbereich des Bundesministers für Atomfragen. Es liegen keine Anträge vor. Das Wort wird nicht gewünscht, wir kommen zur Abstimmung.
Wer dem Haushaltsplan des Bundesministers für Atomfragen in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 32, Bundesschuld. Keine Anträge, keine Wortmeldungen. Wer dem Einzelplan 32 in dritter Beratung zuzustimmen wiiinscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist genehmigt.
Ich rufe auf den Einzelplan 33, Versorgung. Keine Anträge, keine Wortmeldungen. Wer dem Einzelplan 33, Versorgung, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Einzelplan 35, Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt nichtdeutscher Streitkräfte. Es liegen keine Anträge vor. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Einzelplan 35 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist genehmigt.
Ich rufe auf den Einzelplan 40, Soziale Kriegsfolgeleistungen. Kein Änderungsantrag, aber ein Entschließungsantrag auf Umdruck 63l**). Wird das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Gengler!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu diesem Entschließungsantrag nur ganz wenige Worte. Ich habe im Bericht zum Einzelplan 40 als Berichterstatter bereits darauf hingewiesen, daß diese Angelegenheit den Haushaltsausschuß beschäftigt hat. Ich habe dort als Berichterstatter bei der Regierung die Anfrage gestellt, ob es nicht möglich wäre, eine schnellere Abwicklung der Kriegsgefangenenentschädigung durchzuführen. Das ist auch weitgehend in Aussicht gestellt worden. Durch die Ausbringung eines Übertragungsvermerks bei Kap. 40 10 Tit. 300 ist die Möglichkeit geschaffen worden, falls die Kassenlage des Bundes und die konjunkturelle Lage es zulassen, die Beendigung der Auszahlungen der
*) Siehe Anlage 26. **) Siehe Anlage 27.
2. Deutschem. Bundestag ({0})
Entschädigungsleistungen nach dem Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz etwa um ein Jahr vorzuschieben.
Heute ist noch im Ausschuß für Kriegsopfer-und Heimkehrerfragen von der Regierung mitgeteilt worden, daß bereits die 19. Dringlichkeitsstufe aufgerufen wurde und daß die Mittel, die über den Haushaltsansatz hinausgehen, bereits vom Finanzministerium zugesagt worden sind. Ich bitte, dieser Entschließung zuzustimmen.
Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 631. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Einzelplan 40. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Gegenstimmen und bei Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den zweiten Antrag des Haushaltsausschusses, den Antrag der Abgeordneten Wehner, Brookmann ({0}), Dr. Reif, Seiboth, Dr. Zimmermann und Genossen betreffend Gewährung von Beihilfen an ehemalige politische Häftlinge aus der sowjetisch besetzten Zone - Drucksache 2092 - durch die soeben erfolgte Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Es ist so beschlossen.
Ich rufe den Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung - auf. Es liegt ein Änderungsantrag des Abgeordneten Dr. Vogel und Genossen vor, wonach die Gesamtsumme auf Grund einer Minderausgabe infolge 10 %iger Sperre der Bewilligung vermindert wird, so daß die Summe nunmehr 695 508 600 heißt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die angekündigte Stellungnahme zum Einzelplan 60 wegen der vorgeschrittenen Zeit heute nicht geben. Wir haben in der nächsten Woche die Steuerdebatte; da paßt es hin. Aber Ihr Antrag, Herr Kollege Vogel, auf 10 %ige Kürzung ist doch eine völlig unrealistische Sache; denn Sie wissen doch, daß die Kürzung um 1% nur bei ganz wenigen Titeln vorgenommen werden kann.
({0})
- Gut! Ich halte den Kürzungsantrag für unrealistisch.
Meine Damen und Herren, wind noch das Wort gewünscht?
({0})
- Darf ich zuerst über den Antrag abstimmen lassen. Wer dem Antrag des Abgeordnten Dr. Vogel auf Umdruck 718*) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir beginnen dann mit der allgemeinen Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
*) Siehe Anlage 33.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, ich muß bei der Beratung des Einzelplans 60 eine kleine Angelegenheit bereinigen, die mir und einer Reihe meiner Freunde im Halse steckt. Im „Salzgitter-Kurier" vom 25. Juni ist ein Bericht über die 2. Beratung des Einzelplans 60 enthalten. Untertitel: „20,4 Millionen" für Salzgitter, notabene - „in 2. Lesung gegen die Stimmen der SPD gebilligt." Es heißt in diesem 'Bericht:
Lebenstedt. In einer Delegiertentagung des CDU-Kreisverbandes Salzgitter, die in der Gaststätte Heinemann in Lebenstedt stattfand, machten die Bundestagsabgeordneten Dr. Höck und Dr. Moerchel die Mitteilung, daß der Bundestag in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend bei der zweiten Lesung des Bundeshaushaltes den vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Mitteln für Salzgitter zugestimmt habe. Die Fraktion der SPD stimmte geschlossen gegen diese Haushaltsstelle.
„Gegen diese Haushaltsstelle"!
({0})
- Ich bitte, mich nicht zu unterbrechen, Herr Kollege Gülich. Ich kann das allein machen, was zu machen Ist.
({1})
In dem Bericht heißt es weiter:
Wie Dr. Höck anfangs ausführte, richtete sich der Widerstand der SPD-Fraktion vor allem gegen die Kapitalerhöhung der Reichswerke und die 500 000 DM für die Kirchen.
({2})
- Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, ich behaupte zunächst, daß das, was diese Zeitung hier berichtet, eine glatte Lüge ist.
({3})
Herr Höck hat es mit sich selber auszumachen, ob er das gesagt hat oder nicht. Ich formuliere so, weil ich mir einen Ordnungsruf des Herrn Präsidenten in diesem Zusammenhang ersparen möchte.
({4})
Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat, wie männiglich bekannt ist, hier aus politischen Gründen gegen den Einzelplan 60 gestimmt. Der Herr Kollege Höck ist zu mir in den Haushaltsausschuß gekommen und hat um meine Hilfe bei der Durchsetzung der Wünsche von Salzgitter gebeten, die er auch bereitwillig erhalten hat.
({5})
Der Herr Kollege Höck weiß - und der Herr Kollege Moerchel, der dabei war, weiß es auch -, daß im Haushaltsausschuß mit 11 gegen 10 Stimmen - wenn Sie die Mehrheitsverhältnisse in den Ausschüssen kennen, wissen Sie, daß das quer durch alle Fraktionen ging - die Wünsche von Salzgitter realisiert worden sind. Zu behaupten, daß die Sozialdemokraten gegen die Wünsche von Salzgitter gestimmt haben, ist eine glatte Entstellung der Wahrheit. Meine Damen und Herren, wenn wir auf diese Weise in unseren Wahlkreisen mit Beschlüssen, die hier im Hause gefaßt werden, hausieren gehen, dann begeben wir uns auf einen Weg, auf den jeder von uns sich freuen kann!
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf bitten, daß man mir jetzt zuhört. Ich darf hier auch im Namen meines Kollegen Dr. Moerchel ganz klar erklären, daß nie - von ihm wie von mir - die Worte gefallen sind, daß die SPD gegen den Titel Salzgitter gestimmt habe.
({0})
- Ich erkenne Ihre Worte an. Ich darf Sie bitten,
zur Entschärfung der ganzen Debatte mich auch anzuhören. Sie haben - das darf ich hier wohl sagen - eben das Abstimmungsergebnis bekanntgegeben. Bei dieser Haushaltsstelle hat sich ein Teil der Kollegen der CDU und SPD der Stimme enthalten. Wir haben nicht von einer Haushaltsstelle gesprochen; wir haben in Salzgitter gesagt, daß die SPD bei dem Einzelplan 60 dagegen gestimmt habe.
({1})
- Doch, das darf ich sagen! Ich bin doch nicht für das verantwortlich, was letztlich die Presse, die mir nicht nahesteht, schreibt!
({2})
- Das passiert Ihnen doch genau so, daß Sie einmal falsch interpretiert werden, und ich ziehe dann auch nicht irgendeine Zeitung heran. Ich kann nur zur Klärung der Wahrheit sagen, daß wir von dem Titel Nr. 60 gesprochen haben.
({3})
- Das darf man doch wohl sagen! Sie vertreten doch sonst Ihre ganzen Sachen!
({4})
- Ich weiß nicht, weshalb Sie so eine Frage stellen, Herr Kollege Dr. Menzel. Sie machen es doch genau so. Werfen Sie sich doch hier nicht gegenseitig irgend etwas vor!
({5})
- Wahrheit bleibt Wahrheit!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Es tut mir leid, Herr Kollege Moerchel und Herr Kollege Höck, daß ich Ihnen sagen muß, daß Sie als Teilnehmer der Ausschußdebatte und auch als Angehörige dieses Parlaments ganz genau wissen, was es bedeutet, wenn eine Fraktion gegen einen Gesamtplan stimmt. Wenn Sie in Ihrer Delegiertenversammlung diesen Gesamtplan in die Debatte über den Haushaltstitel von Salzgitter hereinziehen, der gar nichts mit dem Gesamtplan und mit der Stellung einer Fraktion zum Gesamtplan zu tun hat, so tut es mir furchtbar leid, wenn ich mich des Eindrucks nicht erwehren kam, daß Sie hier bewußt versucht haben, bei diesem Hinweds auf den Haushaltsplan 60 so zu tun, als sei die SPD damit auch gegen den Titel Salzgitter gewesen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Moerchel.
Herr Präsident! Meine Damen .und Herren! Frau Kollegin Hubert, ich hätte erwartet, daß Sie in. der Debatte ein positives Wort für die Wünsche Salzgitters gesprochen hätten,
- nichtsweiter!
({0}) ,
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hubert.
Ich glaube, Herr Kollege Moerchel, das hatte ich hier nicht nötig. Ich brauche Sie n r an die Ausschußdrucksache 167 zu erinnern. Darin steht:
Herr Dr. Moerchel bittet - und dieser Bitte
schließt sich die Abg. Frau Dr. Hubert an -, den
Ansatz des Titels um 2,9 Millionen zu erhöhen.
Ich habe dafür sogar einen Dankbrief von der Gemeinde Salzgitter bekommen. Ich glaube, ich habe es nicht nötig gehabt, hier meine persönliche Stellung zu Salzgitter darzulegen.
({0})
Aber ich habe es nötig, zurückzuweisen, daß Sie, Herr Kollege Moerchel, die Stellungnahme meiner Fraktion zum Haushaltsplan 60 insgesamt, jedenfalls nach der Darstellung der Zeitung, mit Salzgitter in Verbindung gebracht haben.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur ein Wort! Frau Kollegin Hubert, in derselben Zeitung, die eben hier angeführt worden ist, hatgenau acht Tage vorher gestanden: „Unter Hilfestellung der Abgeordneten Dr. Hubert wurden im Haushalt diese Mittel für Salzgitter bewilligt."
({0})
- Davon ist nichts abzustreiten! Der Wahrheit wegen sage ich das.
Da keine Wortmeldungen mehr vorliegen, können wir die Generalaussprache zu Einzelplan 60 schließen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsiantrag der Abgeordneten Dr. Schmidt ({0}), Frau Dr. Brökelschen, Dr.-Ing. Drechsel, Dr. Preiß und Genossen, Umdruck 704'). Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthallengen? - Einstimmig angenommen.
1 Siehe Anlage 28.
({1})
Wir kommen nunmehr zu der Abstimmung über Einzelplan 60. Wer Einzelplan 60 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Gegenstimmen links angenommen.
Ich komme nunmehr zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags des Haushaltsausschusses, den Antrag der Abgeordneten Varelmann, Niederalt, Krammig und Genossen betreffend Schaffung von Dauerarbeitsplätzen durch die soeben erfolgte Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit kommen wir in dritter Lesung zum Haushaltsgesetz selber, Drucksache 2480 mit dem Antrag Umdruck 705. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck 705*) hat der Abgeordnete Kramel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Antrag Umdruck 705") soll der § 6 a des Haushaltsgesetzes 'wieder beseitigt werden. Der § 6 a besagt, daß jede vierte freiwerdende Planstelle nicht mehr besetzt werden soll. Das ist eine Regelung, die der berühmt gewordenen Lex Brese des Vorjahres entspricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie die Wirkung des § 6 a erkennen wollen, müssen Sie beachten, daß die Bundesbahn und die Bundespost von dieser Regelung ausgenommen sind, daß also die beiden größten Betriebsverwaltungen nicht darunter fallen. Es wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als auch die Wasserstraßenverwaltung davon auszunehmen. Und wenn Sie die Verhältnisse beim Zoll richtig würdigen - ich nehme an, daß mein Kollege Krammig dazu noch einiges sagen wird -, so werden Sie auch den Zoll, weil er verkehrsbedingt ist, aus dieser Regelung herausnehmen müssen.
Nun frage ich Sie: was bleibt dann von diesem ganzen § 6 a - wenn man vielleicht von einer gewissen optischen Wirkung absieht - noch übrig? Wollen Sie vielleicht hier in der Verwaltung des Bundestages jede vierte Stelle einziehen? Vor acht Tagen hat Herr Kollege Matzner von dieser Stelle aus den Dank an die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Verwaltung des Deutschen Bundestages ausgesprochen. Er hat dabei gesagt, daß dieser Dank nicht nur in Worten bestehen soll, sondern auch in Taten. Wenn Sie nun gerade hier, wo die Leute restlos überarbeitet sind, jede vierte freiwerdende Planstelle wegfallen lassen, dann ist das kein Dank, sondern gröbster Undank. Auch das möchte ich von dieser Stelle aus mit aller Deutlichkeit festgestellt haben.
Der praktische Erfolg dieser Bestimmung wird also gleich Null sein. Auf der anderen Seite aber zerschlagen Sie mit dieser Bestimmung unendlich viel Porzellan. Sie machen der Verwaltung jegliche Planung unmöglich. Sie schaffen zusätzliche Komplikationen, Sie verursachen zusätzliche Kosten, denn es werden Abordnungen, Versetzungen usw. notwendig, was alles Geld kostet. Jegliche Planung in der Bundesverwaltung hört auf. Außerdem nimmt auf diese Weise die Überlastung des Personals zu. Es ist selbstverständlich, daß eine solche Bestimmung im Bundeshaushaltsgesetz auch auf die Länder abfärbt.
Meine Damen und meine Herren, ich komme von der Finanzverwaltung, der Finanzverwaltung, die
*) Siehe Anlage 29.
restlos, in allen Ländern, überlastet ist. Wenn Sie nun auch hier jede vierte Planstelle wegfallen lassen wollten, dann könnte die Finanzverwaltung unmöglich noch weiterarbeiten.
Es wird so viel darüber geklagt, daß wir keinen Nachwuchs mehr für den öffentlichen Dienst bekommen. Es wird darüber geklagt, daß die freie Wirtschaft alles an sich zieht. Auch vom der Bundeswehr her wird ein gewisser Sog auf den jungen Nachwuchs entstehen. Glauben Sie vielleicht, daß Sie Nachwuchs gewinnen, wenn Sie derartige, ich muß schon sagen, Holzhammermethoden anwenden, um die sogenannte Verwaltungsvereinfachung zu erreichen? Meine Damen und Herren, Sie erreichen damit keine Vereinfachung, sondern eine weitere Komplizierung der Verwaltung. Sie begehen den Fehler, daß Sie glauben, Verwaltungwereinfachung sei gleich Personalabbau. Das ist ein grundlegender Irrtum; Sie können nicht mit Personalabbau anfangen, sondern Sie müssen mit Aufgabenabbau anfangen.
Wenn Sie diese Bestimmung durchführen, dann ist es selbstverständlich, daß Sie praktisch die Beförderungsmöglichkeiten zusätzlich wesentlich verringern, weil der Abgang aus den freiwerdenden Planstellen in den älteren Jahrgängen erfolgt. Wollen Sie eine Verwaltungsvereinfachung mit einem Personal erreichen, dessen Lage Sie durch derartige Bestimmungen weiter erschweren, die die Beförderungsmöglichkeiten noch mehr verringern?
Vor mir liegt eine Broschüre des Herrn Bayerischen Staatsministers Dr. Rudolf Zorn, betitelt „Verwaltungsvereinfachung und Beamtenschaft". Es handelt sich um ein Referat, das der Herr Minister Zorn zu Pfingsten auf einer Tagung des Deutschen Beamtenbundes in Bad Godesberg gehalten hat. Vielleicht ist es zweckmäßig, Ihnen noch folgendes zu sagen.
({0})
- Ich wollte es eben sagen, Herr Kollege Dresbach.
- Der Herr Staatsminister Dr. Zorn ist seit seiner Jugend Mitglied der SPD. Der Herr Staatsminister Dr. Zorn ist seit seiner zweiten Staatsprüfung Berufsbeamter. Der Herr Staatsminister Dr. Zorn wurde 1933 im Verlauf der bekannten Ereignisse aus seinem Amt entfernt. Der Herr Staatsminister Dr. Zorn ist von 1933 bis 1945 in der freien Wirtschaft tätig gewesen. Der Herr Staatsminister Dr. Zorn war nach 1945 bayerischer Wirtschafts- und bayerischer Finanzminister. Der Herr Staatsminister Dr. Zorn ist zur Zeit Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Staatsvereinfachung in Bayern und gleichzeitig Präsident des Bayerischen Sparkassen- und Giroverbandes. Nach diesem Lebenslauf wird dieser Mann ja wohl etwas von der Verwaltungsvereinfachung verstehen.
Nun darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Absatz aus seinen Ausführungen in Bad Godesberg vorlesen. Er lautet wie folgt:
Die schwerwiegende Frage ist nun: Wer soll Vereinfachungen durchführen, von wem hat die Initiative auszugehen? Da ist es nun üblich .geworden, daß die Regierungen den Parlamenten und die Parlamente hinwiederum den Regierungen die Bälle zuwerfen. Ich bin der Überzeugung, daß die Initiative weder von der Regierung noch von den Parlamenten ausgehen kann, sondern nur von der Beamtenschaft, deren Vorschläge gegebenenfalls die Parlamente zu sanktionieren haben.
({1})
So weit Herr Dr. Zorn.
Wir haben vorgestern jedem der Kollegen im Deutschen Bundestag eine Denkschrift ins Fach gelegt, ausgearbeitet von den deutschen Steuerbeamten. Diese Denkschrift bezweckt einmal eine Vereinfachung der Steuerverwaltung und zum andern eine Entlastung des Steuerzahlers, die nach unserer Auffassung so weit gehen müßte, daß der Herr Bundeskanzler oder sein Sohn nicht rund 125 oder was weiß ich wieviel Fragen in seiner Einkommensteuererklärung auszufüllen hätte und daß der Herr Bundesfinanzminister in die Lage versetzt würde, seine Steuererklärung ohne Beihilfe eines Steuerberaters abzugeben.
({2})
Wir haben ausgerechnet, daß im Verlauf von etlichen Jahren durch diese Vereinfachungsvorschläge 15 000 Arbeitskräfte in der Finanzverwaltung eingespart werden könnten. Ausgerechnet in dem Moment, wo die Beamten den praktischen Beweis liefern, wo sie präzisierte und dezidierte Vorschläge über eine Steuervereinfachung machen, ausgerechnet in dem Moment wollen Sie diese Beamtenschaft vor den Kopf stoßen dadurch, daß Sie eine derartige Bestimmung, die sinnlos ist, die zwecklos ist, die ohne Erfolg bleiben wird, in das Haushaltsgesetz aufnehmen?
Mein sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, diesen § 6 a zu streichen und die Verwaltungsvereinfachung damit zu beginnen, daß wir hier in diesem Hause jedes vierte Gesetz, das wir machen wollen, unterlassen. Dann wird das andere von selbst nachkommen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 5, den wir mit unserer Beschlußfassung vom 22. Juni vorigen Jahres geschaffen haben, hat sehr viel Staub aufgewirbelt. Ich bin gerade von Beamtenverbänden immer wieder zur Rechenschaft gezogen worden, und ich habe auch Rede und Antwort gestanden.
({0})
Ich muß Ihnen sagen: ich bin selbst Beamter gewesen, ich habe ja den staubigen Weg des Beamten fünf Jahre mit Ihnen zusammen zurückgelegt und habe daher volles Verständnis für die Angelegenheiten der Beamten.
In der Generalaussprache ist nun von meinem Kollegen Vogel und von Herrn Schoettle bereits darauf hingewiesen worden, daß wir uns im Haushaltsausschuß mit diesem Passus eingehend beschäftigt haben. Wir haben alle Gegenargumente geprüft. Aber wir standen einmütig auf dem Standpunkt, daß wir ohne diesen Paragraphen nicht auskommen können. Wir hätten ihn gem umgestaltet, wir hätten ihm gern eine andere, eine festere Form gegeben. Aber ich muß Ihnen sagen: so verachtenswert, wie Herr Kramel diesen § 6 a dargestellt hat, ist er durchaus nicht. Es ist gar nicht eine solche Holzhammermethode, wie es immer behauptet wird, sondern es steht da drin: jede vierte freiwerdende Stelle, und über diese Stelle soll im nächsten Haushaltsjahr entschieden werden. Meine Damen und Herren, es ist nur eine Stärkung des Parlaments, eine Stärkung des Haushaltsausschusses, wenn die Verwaltung wieder zu uns zurückkommen und uns diese Stelle erneut zur Beratung vorlegen muß.
Wir haben in monatelangen Verhandlungen viele Wünsche der Bundesregierung und der Verwaltungen ablehnen müssen. Aber, meine Damen und Herren, wir kommen nicht an die Substanz heran! Wir wissen ganz gut, daß mancher in unseren Verwaltungen überlastet und überfordert ist. Wir wissen aber auch, daß mancher vielleicht sehr gut auf einem anderen Platz zu gebrauchen wäre. Wir wollen mit dieser Bestimmung erreichen, daß unsere Behördenleiter und unsere Verwaltungen von sich aus einen Ausgleich finden.
({1})
- Ja, der Herr Finanzminister hat uns durchaus ernst genommen; er hat eine Ausführungsbestimmung erlassen, wonach die Beamten in vier Kategorien eingeteilt sind. - Es ist also nicht so, daß vielleicht jede vierte Botenstelle eingespart wird, sondern so, daß in den verschiedenen Verwaltungslaufbahnen die Stellen eingespart werden.
Ich möchte Sie daher bitten, diesen Antrag auf Umdruck 705 abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Krammig.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, selber ab und zu einmal als stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuß mitzuarbeiten. Ich habe vor der Arbeit, die dort geleistet wird, große Hochachtung. Aber ich bin nicht der Auffassung wie Herr Kollege Brese, daß der Haushaltsausschuß bei der Erfüllung seiner Aufgabe eines Paragraphen im Haushaltsgesetz bedürfe, der ihn instand setzt, die Planstellen, die bewilligt werden, zu überprüfen. Wenn ich die Aufgabe des Haushaltsausschusses richtig sehe - daß er bei der Beratung der einzelnen Pläne jede einzelne Planstelle zu bewilligen hat -, dann meine ich, es bedarf einer solchen Vorschrift überhaupt nicht. Wenn sie nötig sein sollte, würde sich der Haushaltsausschuß das Armutszeugnis ausstellen, daß er nicht in der Lage sei, von sich aus zu prüfen, welche Planstellen erforderlich sind und welche nicht. Herr Kollege Brese sagte, daß manch einer besser auf einem anderen Platz verwendet werde. Wer hindert denn die Mitglieder ,des Haushaltsausschusses daran, nach sachlicher Überprüfung der Notwendigkeit von Planstellen zu sagen: Wir streichen da, und wir streichen dort? - Niemand! Also für den Haushaltsausschuß ist der § 6 a des Haushaltsgesetzes nicht erforderlich.
({0})
Ich möchte Ihnen aus einer Verwaltung, die ich selber sehr gut kenne, weil ich ihr jahrelang angehört habe, die Auswirkungen dieses § 6 a kurz schildern. Ich möchte aber zuvor folgendes sagen, damit Sie die Inkonsequenz erkennen, die in diesem § 6 a liegt. Auf die großen Verwaltungen des Bundes, die Verkehrsverwaltungen - Bahn und Post -, die zusammen, wenn ich nicht irre, etwa 800 000 oder noch mehr Bedienstete haben, findet diese Vorschrift überhaupt keine Anwendung. Es bleibt danach die im Aufbau befindliche Verwaltung des Bundesverteidigungsministeriums, bei der Sie doch wohl nicht sagen wollen, daß jede vierte freiwerdende Planstelle, nachdem sie jetzt erst be({1})
setzt worden ist, wieder eingespart werden soll. Es bleibt danach der Bundesgrenzschutz, bei dem auch keine Einsparungsmöglichkeit gegeben ist. Es bleiben schließlich noch zwei Verwaltungen übrig, deren Personalbestand ins Gewicht fällt, nämlich die Bundesfinanzverwaltung und die Bundeswasserstraßenverwaltung. Wenn Sie schon der Meinung sind, daß die Verkehrsverwaltungen - Bahn und Post - nicht unter die Sperrbestimmung des § 6 a fallen, dann kann die Zollverwaltung, die in ihren wesentlichen Teilen mit diesen Verkehrsverwaltungen zusammenarbeiten muß, logischerweise auch nicht unter diese Bestimmungen fallen.
Für wen bleibt dann die Bestimmung noch übrig? Sie bleibt noch für die Ministerien selber übrig, und da hat der Haushaltsausschuß wahrhaftig die Möglichkeit, zu prüfen, ob die beantragte Zahl Planstellen erforderlich ist oder nicht. Ich lasse mich gern belehren, aber ich meine, der Haushaltsausschuß - Herr Kollege Schoettle, das ist nicht gehässig gemeint -, der das vielleicht nicht so ganz übersehen hat, stellt sich mit dieser Bestimmung, ich wage es auszusprechen, ein Armutszeugnis aus. Er ist doch jederzeit in der Lage, zu prüfen, ob die Planstellen notwendig sind oder nicht.
Die Zollverwaltung ist auf über 3800 kleine Dienststellen verteilt. Das Bundesfinanzministerium hat in den letzten Jahren den Versuch unternommen, einige dieser Dienststellen wegfallen zu lassen. Auch im letzten Jahr wurde dieser Versuch unternommen. Elf Abgeordnete dieses Hauses und zwei Länderregierungen haben sich gegen die Versuche des Bundesfinanzministeriums, Dienststellen' wegfallen zu lassen, gewandt,
({2})
die Industrie- und Handelskammern in Frankfurt, in Hamburg, in Karlsruhe und in Düsseldorf haben sich darüber beschwert, daß die zum Abfertigungsdienst notwendigen Beamten nicht zur Verfügung stehen. Sie aber wollen Planstellen streichen nach dieser - ich wiederhole das Wort meines Kollegen Kramel - Holzhammermethode! Die Bundeszollverwaltung hat vom Jahre 1951 bis zum Jahre 1955 folgende Arbeitssteigerungen zu verzeichnen: im grenzüberschreitenden Personenverkehr um das 21/2 fache, im grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr um das 4fache und im Verzollungsverkehr um das 21/4fache. Die Zahl der Planstellen in dieser Verwaltung ist in diesen fünf Jahren um 5,4 % erhöht worden.
({3})
In der Bundeszollverwaltung werden von den Beamten 6 Millionen Überstunden geleistet. Das entspricht einer Gesamtzahl von 2700 Beamtenkräften. Halten Sie es auf die Dauer für vertretbar, daß die Beamten zehn bis zwölf Stunden Dienst machen müssen, ohne Aussicht auf Entlastung, Entlastung dadurch, daß mehr Planstellen bewilligt werden? Wenn Sie dazu noch jede vierte freiwerdende Planstelle zunächst einmal unter Verwahrung nehmen, dann sperren Sie damit die Aufstiegsmöglichkeiten der Beamten, die mit Fug und Recht, wenn sie die Dienstposten einnehmen, auch die Beförderung und die daraus folgende Bezahlung erwarten können.
Vielleicht bin ich der einzige in diesem Hause - ich weiß es nicht genau, aber ich nehme es an -, der einmal bei einem Sonderbeauftragten für Verwaltungsvereinfachung für längere Zeit gearbeitet hat. Ich muß Ihnen sagen: bei dieser Arbeit, die ich auch damit begonnen habe, zu sagen: „Jetzt müssen wir alles streichen, was uns über den Weg läuft", bin ich zu der Erkenntnis gekommen, man sollte zunächst einmal anfangen, die Verwaltungsaufgaben abzubauen; dann kann man Verwaltungskräfte nachfolgen lassen.
({4})
Wer die Verwaltungskräfte abhaut und die Verwaltungsaufgaben steigert, der versündigt sich an denen, die die Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen haben.
({5})
ich habe aber auch die Wahrnehmung machen müssen, daß alle Vorschläge dieses Sonderbeauftragten für Verwaltungsvereinfachung an den Be. schlössen der politischen Körperschaften gescheitert sind. Zu diesem Sonderbeauftragten für Verwaltungsvereinfachung gehörten nur Verwaltungsfachleute; aber' sie waren nich in der Lage, die Politiker davon zu überzeugen, was gemacht werden muß. Wir haben wahrhaftig Streichungs-, Anderungs- und Vereinfachungsvorschläge en masse gemacht.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich noch sagen: Übersehen Sie bitte nicht die psychologischen Auswirkungen auf die Beamtenschaft, welche infolge dieser Klausel mehr Arbeit und weniger Beförderungsmöglichkeiten zu erwarten hat, und zwar ohne jede Prüfung der sachlichen Notwendigkeit, infolge eines Automatismus, der bei der Menschenbehandlung meines Erachtens einfach ausgeschlossen sein müßte.
Der vorgesehene § 6 a ist keine geeignete Grundlage für eine personelle Einschränkung in den Verwaltungen, weil er das Problem lediglich verschiebt. Die Aufgabe ist nicht Abbau der Verwaltungskräfte, sondern sie kann nur sein: Abbau der Verwaltungsaufgaben, dem dann der personelle Abbau zwangsläufig folgen muß.
Ich bitte Sie also, dem Antrag zuzustimmen.
({6})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Es handelt sich um einen Streichungsantrag, dem ich in der Form entspreche, daß ich über § 6 a besonders abstimmen lasse. Wer dem Wunsche der Kollegen Krammig und Kramel entsprechen will, muß also gegen § 6 a stimmen.
Ich lasse also über § 6 a des Haushaltsgesetzes abstimmen. Wer dem § 6 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich darf noch einmal durch Aufstehen abstimmen lassen. Wer dem § 6 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; § 6 a ist abgelehnt.
Ich komme damit zur Abstimmung über den Antrag im Mündlichen Bericht 'des Haushaltsausschusses. Wer ihm mit der soeben erfolgten Veränderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Das Haushaltsgesetz ist damit angenommen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nur einen Vorschlag zur Geschäftsordnung zu machen. Es liegt ein interfraktioneller Antrag vor: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FVP betreffend Wahl der deutschen Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl auf Drucksache 2570.
Da der Termin der 30. Juni ist, ist die Abstimmung dringlich. Ich schlage Ihnen vor, wenn Sie keinen Widerspruch erheben, die Beratung des Antrags heute auf die Tagesordnung zu setzen. - Widerspruch erfolgt nicht. Dann kann ich ihn auf die Tagesordnung setzen und behandle ihn sofort:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FVP betreffend Wahl der deutschen Mitglieder der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({1}).
Der Antrag ist bekannt. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich unterstelle, daß alle Mitglieder zustimmen. - Widerspruch erfolgt nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Kredithilfe für das Land Berlin ({2});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) ({4}).
({5})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Klingelhöfer.
({6})
- Auf Berichterstattung wird verzichtet. Meine Damen und Herren, wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf in zweiter Beratung die §§ 1, - 2,
- 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so 'beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({7}) über den Antrag der Abgeordneten Kuntscher, Cillien und Genossen betreffend Bau der Umgehungsstraße Buxtehude ({8}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ritzel.
Ritzel ({9}), Berichterstatter: Ich verzichte und beziehe mich auf den vorliegenden Bericht.
Der Abgeordnete Ritzel verzichtet auf Berichterstattung. Das Haus ist damit einverstanden. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Klausner, Niederalt, Dr. Franz, Höcherl und Genossen betreffend Zinsverbilligungsmittel für den Fremdenverkehr ({1}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Ritzel.
({2})
- Herr Abgeordneter Ritzel verzichtet. Das Haus ist damit einverstanden. - Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Unertl!
({3})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter war so freundlich, auf seine Berichterstattung zu verzichten. Der Haushaltsausschuß empfiehlt, den Antrag abzulehnen. Ich möchte ganz kurz dazu Stellung nehmen. Ich will Sie nicht langweilen, aber tagsüber wird ja die Geduld des Hauses so strapaziert, daß ich mir erlauben möchte, jetzt noch Ihre Aufmerksamkeit ein klein wenig auf dieses nicht uninteressante Gebiet zu lenken.
Ich nehme an, daß das Hohe Haus bereit ist, diesen Antrag abzulehnen. Unter dieser Voraussetzung möchte ich beantragen, daß der Antrag an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen wird. Bei der Beratung des ERP-Wirtschaftsplans gibt es eine Gelegenheit, die ganze Materie neuerdings aufzugreifen.
Die letzten Erhebungen des Bundeswirtschaftsministeriums haben ausgewiesen, daß der Kreditbedarf im Fremdenverkehrsgewerbe rund 700 Millionen DM ausmacht. Die Antragsteller haben damals noch nicht berücksichtigen können, daß sich der Kreditbedarf infolge der eingetretenen Diskonterhöhungen inzwischen wesentlich verschlechtert hat. Hierzu möchte ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten 'auf das verweisen, was der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der Konjunkturdebatte ausgesprochen hat. Das paßt hier recht wunderbar herein. Er sagte wörtlich:
Was die Auswirkungen der Kreditverteuerung betrifft, so richtet sich die Fähigkeit, höhere Zinsen zu bezahlen, nach der Rentabilität eines Unternehmens.
Weiter sagte er:
Im übrigen setzt die Bundesregierung ihre schon eingeleiteten Bemühungen fort, in der strukturellen Frage der Kreditsicherheiten für die mittelständische Wirtschaft eine Verbesserung zu erreichen.
Die Ablehnung des von uns gestellten Antrages ist eine große Härte - nicht für die Antragsteller persönlich, sondern für den gesamten Fremdenverkehr. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß das Ausland für die Förderung des Fremdenverkehrs sehr viel mehr übrig hat. Andererseits kann die Materie auch nicht damit abgetan werden, daß hierfür die Länder zuständig seien. Wir erleben ja gerade bei unserer Beratung des Bundeshaushalts sehr häufig, daß die Töpfchenwirtschaft nicht abgebaut wird.
({0})
Deshalb bitte ich die anwesenden Damen und Herren, der Rückverweisung des Antrags zuzustimmen und die Frage bei der Beratung des ERP-Wirtschaftsplans neu zu behandeln.
({1})
Herr Abgeordneter Klausner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde Sie bitten, trotz der vorgerückten Zeit meinen Ausführungen einige wenige Sekunden Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Antrag Drucksache 2096 ist gestellt worden, weil die Entwicklung des Fremdenverkehrs, der in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist, zu außerordentlichen Belastungen des Fremdenverkehrsgewerbes geführt hat. Es werden Einrichtungen notwendig, um diesen Fremdenstrom aufzufangen, und bei der häufig kurzen Dauer der Saison ist es außerordentlich schwierig, für diese Einrichtungen die hohen Zinsen mit den entsprechenden Abschlagszahlungen aufzubringen.
Der Antrag entspricht einem echten Bedürfnis, das nicht nur in Bayern besteht, sondern allenthalben in der Bundesrepublik, wo es Fremdenverkehr gibt.
Der Antrag ist weiterhin ein Ausdruck der Sorge im Fremdenverkehrsgewerbe dahingehend, daß die starken Förderungsmaßnahmen, die im europäischen Ausland dem Fremdenverkehrsgewerbe zuteil werden, unter Umständen mit der Zeit zu Lasten des Fremdenverkehrs in Deutschland gehen. Die deutsche Fremdenverkehrsindustrie ist hier im Vergleich zur Fremdenverkehrsindustrie im europäischen Ausland im Hintertreffen. Es muß unser Bemühen sein, diese schlechtere Position auszugleichen.
Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Die Fremdenverkehrsgebiete sind im wesentlichen die Gebiete, die wirtschaftlich schlecht erschlossen sind: es sind die bayerischen Alpengebiete, es sind die deutschen Mittelgebirgsgebiete, es sind die Gebiete, die über wenig Industrie und ortsansässiges Gewerbe verfügen. Der Fremdenverkehr ist der Industriezweig, der in diese Gebiete Barmittel bringt und das Wirtschaftsleben in Gang bringt, und diesem Wirtschaftszweig eine Hilfe angedeihen zu lassen, bedeutet eine echte Mittelstandshilfe.
Ich wäre Ihnen deshalb dankbar, wenn Sie den Vorschlag des Herrn Berichterstatters, unseren Antrag abzulehnen,
({0})
ablehnen würden und dem zustimmen wollten, was mein Kollege Unertl beantragt hat: einer Rückverweisung des Antrags in den Haushaltsausschuß zur Beratung darüber, ob nicht eine Möglichkeit gegeben ist, über den ERP-Plan dem Fremdenverkehr Mittel zur Verfügung zu stellen.
({1})
Meine Damen und Herren, ohne in die Debatte einzugreifen, möchte ich doch bemerken, daß das Beste an der Fremdenverkehrsindustrie der Umstand ist, daß es keine Industrie ist.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Ritzel ({1}), Berichterstatter: Ich hatte auf die Berichterstattung verzichtet, möchte aber zu dem Antrag auf Zurückverweisung an den Haushaltsausschuß doch darauf aufmerksam machen, daß nach meiner Erinnerung die Stellungnahme des Haushaltsausschusses einmütig war und daß sie in der Erkenntnis gipfelt, daß es a) eine Angelegenheit der Länder ist und daß b) aus einer Maßnahme, wie sie hier beantragt ist, eine Dauerbelastung des Bundes entstehen würde. Ich glaube, es wird nicht möglich sein, bei einer Rückverweisung an den Haushaltsausschuß zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Ich möchte Sie wirklich bitten, die Sache jetzt zu entscheiden.
Das Wort hat der Abgeordnete Klausner.
({0})
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nur zwei Sätze. Nach meiner Auffassung handelt es sich um eine Wirtschaftsförderungsmaßnahme, die Aufgabe des Bundes
({0}) und nicht Aufgabe der Länder ist.
Meine Damen und Herren, wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich muß zuerst über den Antrag auf Rückverweisung an den Haushaltsausschuß abstimmen laslen. Wer dafür ist, den Antrag an den Haushaltsausschuß zurückzuverweisen, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Rückverweisungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses, Drucksache 2494, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Mündliche Bericht ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Regling, Hauffe, Frau Korspeter und Fraktion der SPD betreffend Mittel zur Durchführung des Wohnungsbauprogramms für Facharbeiter in den Zonenrandgebieten ({1}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Hilbert.
({2})
- Der Berichterstatter verzichtet, weil ein Schriftlicher Bericht *) vorliegt.
({3})
- Sie wünschen das Wort, Herr Abgeordneter? - Bitte sehr! Das Wort hat Herr Abgeordneter Regling.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat auf das Wort verzichtet. Ich hatte immerhin angenommen, daß er zu einer Richtigstellung das Wort nehmen
*) Siehe Anlage 31.
({0})
werde. Aber vielleicht darf ich das hier gleich mit erledigen.
Wir haben zu dem Antrag des Ausschusses einen Änderungsantrag gestellt. Ehe ich ihn begründe, muß ich darauf hinweisen, daß bei der Beratung in den verschiedenen Ausschüssen nicht nur die Ausschüsse, sondern auch die einzelnen Ministerien - Finanzministerium, Arbeitsministerium und Wohnungsbauministerium - gesagt haben: Jawohl, dieses Bedürfnis liegt vor, es muß etwas geschehen. Somit ist auch im Haushaltsausschuß dieser Antrag nicht mit Mehrheit abgelehnt worden, sondern man hat sich einmütig auf diesen jetzt vom Ausschuß vorgelegten Antrag verständigt, der praktisch besagt: gut, wir wollen dort helfen, aber nicht mit Bundesmitteln, sondern wir wollen die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auffordern, hier mit ihren Mitteln einzuspringen.
Wir haben nun dazu einen Änderungsantrag gestellt. Danach soll der Antrag Drucksache 2222 nicht für abgelehnt erklärt werden, sondern dieser Satz in dem Ausschußantrag Drucksache 2496 gestrichen und dafür eingefügt werden: „Der Antrag - Drucksache 2222 - findet seine vorläufige Erledigung wie folgt:", und dann folgt die vom Ausschuß vorgelegte Formulierung, also die Aufforderung über die Bundesregierung an die Bundesanstalt, hier ihrerseits mit Mitteln einzuspringen.
Wir bitten weiter, den Punkten b) und c) unseres Änderungsantrages zuzustimmen, die Bundesregierung aufzufordern, nach Ablauf einiger Monate - nicht bis zum 30. Oktober, wie in dem Antrag steht, sondern zweckmäßiger 31. Oktober - einen Bericht darüber vorzulegen, was die Bundesanstalt nun wirklich getan hat. - Das ist zunächst rein technisch zu dem Antrag zu sagen.
Trotz der vorgeschrittenen Stunde muß ich kurz darauf hinweisen, daß es nicht ganz so ist, wie es in dem Bericht zum Ausdruck gebracht worden ist. Es heißt in dem Schriftlichen Bericht des Herrn Berichterstatters, daß sich das Finanzministerium ablehnend verhalten habe, damit nicht eine schon überhitzte Baukonjunktur noch weiter ansteige. Das bezieht sich nicht auf das Zonenrandgebiet, dort ist beileibe nichts von überhitzter Konjunktur zu spüren. Das war nur insgesamt gemeint, und es hätte dazu gesagt werden müssen, daß im Ausschuß auch sehr deutlich das Gegenteil gesagt worden ist, daß aber das Finanzministerium die Gesamtmittel aus diesem Grunde nicht erhöhen wollte.
Über den wirklichen Bedarf und die Bedürftigkeit des Zonenrandgebietes, wo die wirtschaftliche Lage ganz anders ist als in den übrigen Teilen des Bundesgebietes, 'besteht leider eine sehr falsche Meinung, leider auch hier im Hause und in den verschiedenen Ministerien. Man glaubt, über die Belange dieses Gebiets, dessen Lage weitaus schlechter ist, als allgemein angenommen wird, hinweggehen zu können.
Gerade das Anliegen, Wohnungen für einheimische Facharbeiter zu schaffen, ist so dringlich, und ihm wollten wir Rechnung tragen. Es ist nämlich - um diesen einen Kernsatz noch zu sagen - nicht damit getan, daß man einfach den Kreis der bisher Berechtigten - es handelt sich um Wohnungen, die im Sozialen Wohnungsbau erstellt worden sind - erweitert und die einheimischen Facharbeiter einbezieht. Damit ist dem Anliegen nicht entsprochen. Es geht vielmehr um die Restfinanzierung. Bisher sollte sie so erfolgen, daß der jeweilige Arbeitgeber des einheimischen Facharbeiters das Mieterdarlehen zur Verfügung stellt.
Damit wird die Kuriosität doch augenfällig. Man verlangt ausgerechnet von dem Arbeitgeber in dem Zonenrandgebiet - es handelt sich dort immer nur um Klein- oder Mittelbetriebe -, daß er 2- bis 3000 DM als Mieterdarlehen auf den Tisch legt. Gerade diesen Betrieben geht es doch schlecht, und gerade ihnen soll geholfen werden. Dieses Anliegen kann man aber nicht einfach damit erledigen, daß man den Kreis der Wohnungsberechtigten erweitert. Vielmehr müssen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Restfinanzierung sichergestellt ist, und zwar zu einem Zinssatz, bei dem die Wohnungen im Endergebnis nicht teurer werden als sonst im sozialen Wohnungsbau.
Das ist das Anliegen. Wir bitten also - die Durchführung des Antrags kann nach der Meinung des Haushaltsausschusses nicht aus Bundeshaushaltsmitteln finanziert werden -, zumindest diesem Ersuchen bezüglich der Bundesanstalt zuzustimmen und auch den weiteren Ansuchen in unserem Änderungsantrag zu entsprechen. Daran, den Antrag Drucksache 2222 heute als erledigt zu erklären, wird niemand Interesse haben. Wir wollen die Möglichkeit haben, in einem halben Jahr erneut darüber zu sprechen und ihn gegebenenfalls beim Haushalt für 1957 zu berücksichtigen, um dann also Bundesmittel für dieses Anliegen in Anspruch zu nehmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Glüsing.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses, Drucksache 2496, in Verbindung mit dem Antrag Regling und Genossen, Umdruck 716*), beinhaltet im wesentlichen, daß der drohenden starken Abwanderung von Facharbeitskräften aus dem Zonenrandgebiet durch zusätzliche Mittel entgegengewirkt werden. soll. Unabhängig von der Tatsache, daß derzeit wohl in allen Gebieten Westdeutschlands ein Facharbeitermangel vorhanden ist, sind, das geben wir zu, die Schwierigkeiten in den Zonenrandgebieten selbstverständlich stärker als anderswo. Es ist in diesem Hause auch unstreitig, daß die bevorzugte Zuwendung von finanziellen Mitteln für diese Zonenrandgebiete auf jeden Fall berechtigt war.
Andererseits ist aber nach unserer Meinung schon eine gewisse Konsolidierung der Lage in den Zonenrandgebieten eingetreten, so daß man weitere Begünstigungen kritisch betrachten muß. Daneben gibt es auch in anderen Teilen Westdeutschlands noch gewisse Gebiete, die sehr stark unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu leiden haben. Es ist betrüblich, daß gerade in solchen Gebieten - ich erlebe es immer wieder - diese Tatsache auch noch zu sehr unerfreulicher parteipolitischer Agitation benutzt wird. Das war und ist doch sicher nicht das Ziel und die Absicht des Gesetzgebers bei den bisherigen und bei den kommenden Beschlüssen. Die wirtschaftlichen Spannungen und das Auftauchen unglücklicher Gefälle, die nicht zu vermeiden sind, müssen auf Grund der besonderen
*) Siehe Anlage 32.
({0})
geographischen Lage Schleswig-Holsteins in diesem Lande erklärlicherweise besonders stark in Erscheinung treten. Auch hierüber ist von dieser Stelle aus mehrfach gesprochen worden. In dankenswerter Weise - das möchte ich auch hier offen bekennen - hat die Landesregierung Schleswig-Holstein es immer wieder verstanden, innerhalb des Landes zwischen dem Zonenrandgebiet und dem kleinen Rest, der noch übriggeblieben ist, einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Ich möchte hier ein besonderes Gebiet ansprechen, es ist wiederum, wie mehrfach betont, die Westküste Schleswig-Holsteins, ein verhältnismäßig schmaler Streifen. Wenn sich das Hohe Haus eines Tages entschlösse, auch diesen letzten schmalen Streifen Schleswig-Holsteins einzubeziehen, wäre das nach unserer Meinung nur ein Akt der Gerechtigkeit.
Dieser schmale Streifen, der nicht begünstigt wird, ist nur etwa 10 bis 40 km breit. Auf seiner einen Seite liegt die Nordsee, auf der anderen Seite ist das Zonengrenzgebiet. Er wird hier im Deutschen Bundestag durch die Kollegen Giencke, Engelbrecht-Greve, Goldhagen und Glüsing und selbstverständlich auch durch die Kollegen von der Opposition vertreten. Diesem schmalen Streifen könnten wir, solange wir noch gezwungen sind, über Zonenrandgebiete zu reden, am besten dadurch helfen, daß wir, wie eben schon gesagt, ganz Schleswig-Holstein in den Kreis der begünstigten Gebiete einbeziehen. Ich glaube, ich spreche auch im Namen der Kollegen von der Opposition, soweit sie in Schleswig-Holstein zu Hause sind, daß es unser dringendstes Anliegen sein muß, Schleswig-Holstein hier hereinzunehmen.
Was den Facharbeiterwohnungsbau anbelangt, so weiß ich auf Grund meiner kommunalpolitischen Tätigkeit, daß es z. B. in meiner Heimat Dithmarschen ein dringender Wunsch vieler Facharbeiter ist, eine eigene Wohnung zu erhalten. Es ist uns aber trotz ernsthaftesten Bemühens beim besten Willen nicht möglich. auch nur im entferntesten die erforderlichen Wohnungen für diese Facharbeiter bereitzustellen. Was ich hier sage, gilt selbstverständlich auch für die Restkreise der Westküste Schleswig-Holsteins, die ich soeben ansprechen durfte. Es darf nicht dazu kommen, daß durch den vorliegenden Antrag womöglich noch die Abwanderung von der Westküste weg begünstigt wird.
Wenn sich meine engeren Freunde und ich trotzdem entschließen, diesem Antrag der Kollegen Regling und Genossen zuzustimmen, dann tun wir es in der Hoffnung, daß die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit allen Landesregierungen dafür sorgt, daß die Mittel, die nun zugewiesen werden sollen, so verteilt werden, daß zumindest für die Wirtschaft dieser Länder weder nach der einen noch nach der anderen Seite ein Gefälle entsteht.
Wir werden also - ich spreche hier im Namen meiner engeren politischen Freunde - trotz gewisser Bedenken diesem Antrage zustimmen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Haben Sie keine Angst, daß ich hier noch irgendwelche materielle Ausführungen machen will! Ich stimme dem Antrag der SPD, diese Übersicht über die Maßnahmen der Bundesanstalt zu bekommen, durchaus zu. Ich bin der Meinung, wir haben, um die Frage des Facharbeiterwohnungsbaues auf eine sachliche und einwandfreie Grundlage zu stellen, alles Interesse daran, endlich einmal klipp und klar zu sehen, was sowohl Bund wie Länder an Mitteln für diesen Zweck in die Zonenrandgebiete hineingegeben haben.
Deswegen möchte ich den Antrag der SPD um folgenden Punkt erweitern:
Die Bundesregierung hat dem Bundestag bis zum 31. Oktober zu berichten über die Mittel, die von Bund und Ländern im Haushaltsjahr 1956 für den Wohnungsbau für Facharbeiter in den Zonenrandgebieten zur Verfügung gestellt worden sind, und über die Maßnahmen,
- und dann kommt Ihr Antrag die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für denselben Zweck ergriffen worden sind.
Ich bitte, den Antrag um diesen Satz zu erweitern, und wäre dankbar, wenn Sie dem zustimmten.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal betonen, daß ich von seiten der Bundesregierung nicht die mindesten Bedenken trage, daß hier entsprechend den Anträgen des Ausschusses mit den Änderungsanträgen der SPD und der Frau Kollegin Brökelschen beschlossen wird.
Zum zweiten möchte ich ebenso kurz bemerken, daß ich mich dazu entschlossen habe, zu versuchen, in den Richtlinien zur Verteilung der Bundesmittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues, in denen es bisher stets hieß, daß die Länder den Wohnungsbau im Zonenrandgebiet insbesondere für industrielle Fachkräfte angemessen zu berücksichtigen haben, angesichts der höheren Mittel, die wir vom Haushaltsjahr 1957 ab zur Verteilung bringen können - denn für 1956 kann ich es nicht mehr ändern -, zu bestimmen, daß dieser Facharbeiterwohnungsbau im Zonenrandgebiet nicht nur angemessen, sondern b e v o r z u g t zu berücksichtigen ist.
Ich darf darüber hinaus darauf aufmerksam machen, daß es bereits jetzt in T bereinstimmung mit den Ländern möglich war, in den letzten beiden Jahren 1955 und 1956 je einen besonderen Betrag aus dem sogenannten Sonderfonds speziell dem Einsatz für diese Zwecke in den Zonenrandgebieten vorzubehalten. Das sind zusätzlich mit den Mitteln, die für Versuchs- und Vergleichsbauvorhaben in diesen Gebieten - von oben, von Schleswig-Holstein bis nach Bayern herunter - gegeben worden sind, je 13,1 Millionen DM gewesen, die dieser Spitzenfinanzierung, also der Restfinanzierung, gedient haben. Sie haben in gleicher Weise zur Restfinanzierung noch einmal mindestens je 13 Millionen DM von seiten der Länder gebunden, so daß für die Restfinanzierung an sich über die Maßnahmen von der Bundesebene aus in den Jahren 1955 und 1956 zusammen 52 bis 55 Millionen DM für das Zonenrandgebiet zur Verfügung gestellt werden konnten.
({0})
Aber ich bin mit Ihnen der Überzeugung, daß es notwendig sein wird, noch mehr zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Zonenrandgebieten zu tun. Ich darf auch für den Bundesarbeitsminister erklären - nach einer Rücksprache, die ich heute noch einmal mit ihm hatte -, daß die Bundesregierung und er als zuständiger Ressortminister unmittelbar mit der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Sinne Ihres Antrags sofort die Besprechungen aufnehmen werden.
({1})
Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem sozialdemokratischen Antrag zustimmen. Wenn wir die Mittel für die Zonenrandgebiete nun infolge besonderer Weisungen aus dem vorhandenen allgemeinen Topf nehmen, dann werden wieder die Vorhaben geschmälert, die wir sonst schon aus diesem Topf zu dotieren haben. Herr Minister, ich werde mich bemühen, Ihnen baldigst einen Bericht aus meinem Kreise gemäß der vereinbarten Berichterstattung zu schicken, die wir gesetzlich getroffen haben. Ich darf Ihnen folgendes sagen: In einem Kreis, der nicht ausgesprochenes Zonenrandgebiet ist, lagen im dritten Abschnitt so viele fertige, bewilligungsreife Anträge vor, daß wir nur jeden vierten berücksichtigen können. Wir haben 250 000 DM zur Verfügung, und Anträge von Eigenheimbauern auf insgesamt 1 Million DM liegen bei uns vor. Dabei haben wir noch und noch gebremst, weil wir wußten, daß wir wieder in diese schwierige Lage kommen würden und nur einen Teil der geplanten und wirklich fertigen Vorhaben würden finanzieren können.
Aus diesem Grunde sind wir dafür, daß hier Sondermittel zur Verfügung gestellt werden, weil sonst die uns zur Zeit zur Verfügung stehenden Mittel wiederum geschmälert würden.
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Es liegen zwei Anträge vor: ein Änderungsantrag der Abgeordneten Regling, Dr. Gülich und Genossen - mit den Buchstaben a, b und c - und ein Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen. Jeder Antrag bedarf - bei dem einen ist es schon geschehen - der Unterstützung von 15 Abgeordneten. Ich bitte die Damen und Herren, die den anderen unterstützen, die Hand zu heben. - Das sind jedenfalls 15 Abgeordnete.
Dann schlage ich vor, daß wir über die einzelnen Buchstaben des SPD-Antrags getrennt abstimmen, zuerst zusammen über die Buchstaben a und b und dann über c. Wer den Buchstaben a und b des Antrags Regling, Dr. Gülich und Genossen auf Umdruck 716 *) zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann scheint mir der Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Brökelschen weiterzugehen. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist auch die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist der Buchstabe c des SPD-Antrags erledigt. Die Antragsteller erklären dies auch.
({0})
*) Siehe Anlage 32.
Dann kann ich nunmehr in geänderter Form über den Antrag Drucksache 2496 abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Bei einigen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Unertl, Prennel, Lermer, Wagner ({2}) und Genossen betreffend Hochwasserschäden in Niederbayern ({3}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Conring.
({4})
- Auf einen Mündlichen Bericht kann man nicht verweisen. Sie verzichten also auf Berichterstattung?
({5})
Das Haus ist damit einverstanden. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 a der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Haushaltsausschusses ({6}) gemäß § 96 ({7}) der Geschäftsordnung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Hilfsmaßnahmen für Aussiedler ({8}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Willeke.
({9})
- Dann rufe ich noch Punkt 8 b auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene ({10}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Hilfsmaßnahmen für Aussiedler ({11}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Czaja, der auch die Berichterstattung zu Punkt 8 a übernimmt. Ich erteile ihm das Wort.
Dr. Czaja ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Willeke hat mich gebeten, im Sinne des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses den Bericht unseres Ausschusses zu ergänzen.
Im Februar 1956 hat die CDU/CSU-Fraktion mit Drucksache 2083 Hilfsmaßnahmen für Aussiedler, die nach dem 1. Oktober 1955 im Bundesgebiet eingetroffen sind, beantragt. Dieser Antrag wurde dem Ausschuß für Heimatvertriebene - federführend - und dem Haushaltsausschuß - zur Mitberatung - überwiesen. Die Hilfsmaßnahmen sollten sich auf die Zuteilung der bei Kriegsgefan({13})
genen und Zivilinternierten als „Begrüßungsgabe" bezeichneten einmaligen Unterstützung sowie auf Mittel zur Wohnraumversorgung für diese Personen erstrecken.
Damit war das neu auftauchende Problem der Hilfe des Bundes für Spätaussiedler in die Beratungen des Hohen Hauses eingeführt worden. Es handelt sich um Auswirkungen eines weiteren und nicht des letzten Kapitels der furchtbaren Völker- und Volksgruppenwanderung, die während und nach dem Kriege einsetzte. In Jugoslawien, in den von Polen besetzten deutschen Gebieten, in Polen selbst, in der Tschechoslowakei, in Rumänien, in Ungarn, in den baltischen Ländern, in Rußland und in anderen Staaten befinden sich noch viele Hunderttausend Deutsche, deren Angehörige in die Bundesrepublik vertrieben wurden. Sie waren als Zwangsarbeiter, als Facharbeiter, als Kranke, als Internierte, als Alte, Transportunfähige, als in KZ-Lagern Befindliche, als Kinder getöteter Eltern und aus zahllosen anderen Gründen bei der Vertreibung zurückgehalten oder nach Rußland verbracht worden. Nachdem der größte Teil der Deutschen ausgesiedelt war, wurden die Transporte gestoppt, und zahllose Deutsche blieben zurück, meist lange Jahre nicht im Besitz ihrer Bürger- und Menschenrechte, unter äußerst schweren, oft entwürdigenden Lebensbedingungen ihr Dasein fristend, die Kinder nicht selten in Parteiheimen, eine neue Form der Janitscharen bildend, untergebracht.
Die Bundesrepublik hat sich viele Jahre hindurch, unterstützt vom Deutschen und Internationalen Roten Kreuz, im Rahmen ihrer Möglichkeiten um eine Zusammenführung der hierdurch
) oft willkürlich zerrissenen Familien, der Zurückgehaltenen und Zivilverschleppten in die Bundesrepublik bemüht. Anfangs war dem wenig Erfolg beschieden. Die sogenannte Aktion Link kam bald zum Erliegen. Erst 1953 gelang es, allerdings unter sehr ungünstigen Bedingungen, die Zusammenführung zurückgehaltener Deutscher aus Jugoslawien wiederaufzunehmen. Später wurde ein Abkommen zwischen dem Deutschen und dem Polnischen Roten Kreuz geschlossen. Aus Rußland wurden Zivilverschleppte zurückgeführt. Die Zahl der Familienzusammenführungen aus anderen Ländern wuchs. Nur insofern sie Kriegsgefangene oder für längere Zeit Internierte waren, erhielten diese Personen erstmalige Unterstützungen auf Grund des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes und des Heimkehrergesetzes beim Betreten der Bundesrepublik. Diejenigen, die in zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen waren, ohne direkt interniert gewesen zu sein, hatten hierauf und auf andere Bundesmittel keinen Rechtsanspruch. Es ergaben sich manchmal bei gleichzeitig eintreffenden Transporten verschiedene Behandlungsweisen. Hier eine Gleichheit herbeizuführen, bezweckte Ziffer 1 des Antrags.
Da die Zahl der mit einmaliger Unterstützung zu bedenkenden Kriegsgefangenen und Internierten, die in die Bundesrepublik kommen, derzeit stark zurückgegangen ist, glaubten die beiden Ausschüsse dem Anliegen dadurch entsprechen zu können, daß die Zweckbestimmung des Tit. 303 von Einzelplan 26 um die seit dem 1. Oktober 1955 eintreffenden Aussiedler mit Vertriebeneneigenschaft und ihnen gleichgestellten Personen erweitert wurde. Dadurch, nämlich durch die in der Vorlage Drucksache 2468 erweiterte Zweckbestimmung, die
Sie bereits gebilligt haben, erhalten auch diese Aussiedler, deren Zahl seit Oktober bis April 1956 etwa 9000 betrug, für das Rechnungsjahr 1956 auf weitere 24 000 geschätzt wird, die übliche erstmalige Unterstützung beim Eintreffen in die Bundesrepublik.
Was die Finanzmittel des Bundes zur wohnraummäßigen Unterbringung dieser Personen betraf, so war erstmalig auf Grund einer Besprechung der zuständigen Bundes- und Landesministerien beim Herrn Bundeskanzler im Juli 1955 für die Südostdeutschen der gleiche Modus der Mittelbereitstellung wie für Sowjetzonenflüchtlinge, nämlich 1500 DM für jede eingetroffene Person, vereinbart worden. Im Verfolg dessen war im Bundeshaushaltsplan 1956 unter Tit. 532 des Einzelplanes 25 eine Summe von 15 Millionen DM aus dem Gesamtbetrag von etwa 196 Millionen DM des Tit. 532 hierfür in den Erläuterungen vorgesehen. Ferner waren Bindungsermächtigungen für das Jahr 1957 über weitere 15 Millionen DM im Vorgriff hierfür im Bundeshaushaltsplan 1956 unter dem gleichen Titel enthalten. Da hierbei aber nicht in genügendem Ausmaß für die Aussiedler aus den polnisch besetzten deutschen Gebieten, aus Polen selbst sowie aus anderen Ländern und auch nicht alle seit dem 1. April 1955 in der Bundesrepublik eintreffenden Aussiedler berücksichtigt waren, haben die beiden Ausschüsse einstimmig beschlossen, bei wesentlicher Erhöhung der Personenzahl der Aussiedler bis zu weiteren 15 Millionen DM, also insgesamt 30 Millionen DM Bindungen des Bundeshaushalts aus dem Betrage von 157,5 Millionen DM zugunsten der Aussiedler einzugehen. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Beschluß verlesen, da er bisher gedruckt nicht vorliegt. Er lautet:
Sollte die Zahl dieser Aussiedler und rückgeführten Vertriebenen nach Abzug aller alleinstehenden Personen wesentlich höher sein und sich daraus ein höherer Bedarf als 15 Millionen DM ergeben, so ist es zugelassen, höchstens bis zu weiteren 15 Millionen DM vertragliche Bindungen aus dem Betrage von 157,5 Millionen DM zugunsten der Aussiedler einzugehen.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat dieser Ergänzung der Erläuterungen zugestimmt, weil die Schätzungen der aufgenommenen Sowjetzonenflüchtlinge durch die Tatsachen überholt sind und der um 15 oder 30 Millionen DM verringerte Restbetrag der 157,5 Millionen DM Bindungen für 1957 für Sowjetzonenflüchtlinge nach Vorliegen der tatsächlichen Zahlen der Sowjetzonenflüchtlinge sowieso in einem neuen erhöhten Planansatz für 1957 wird erweitert werden müssen. Dieser Vorgang erschien auch deshalb als gerecht, weil die Minderausgaben für rückgewanderte Sowjetzonenflüchtlinge durch eine irrtümliche Formulierung aus dem Kontingent für Aussiedler in Abzug gebracht worden waren.
Der Haushaltsausschuß hat damit dem Anliegen die nötige Deckung im Haushalt verschafft und ist den Beschlüssen des Vertriebenenausschusses zu Vorlage Drucksache 2083 bzw. der so geänderten Fassung dieser Vorlage beigetreten. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat darüber hinaus die Bundesregierung zu ersuchen empfohlen, diese Ausgaben im Rahmen der hierfür verfügbaren Kassenmittel und des nachgewiesenen Verbrauchs der Mittel in den Ländern vorzufinanzieren. Die
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Bundesregierung hat in ähnlich gelagerten Fällen - Vorauszahlung der pauschalierten Kriegsfolgehilfe zugunsten der Lagerräumung - solche Vorfinanzierungsmaßnahmen für festliegende Planansätze bereits vor längerer Zeit zugesagt.
In diesem Sinne bitte ich Sie, der Vorlage Drucksache 2517, die einstimmig im Ausschuß beschlossen wurde und der der Haushaltsausschuß die nötige Deckung im Haushalt zugewiesen hat, Ihre Zustimmung zu geben und damit einiges zur Linderung der Not jener Personen zu tun, die viele Jahre nach dem Krieg, ihrer Bürger- und eines Teils ihrer Menschenrechte als Deutsche entledigt, in der Heimat leben mußten und nun möglichst kurz in Lagern verweilen sollten.
Ich darf mit der Hoffnung schließen, daß dann, wenn im Sinne der Ausschußvorlage beschlossen wird und der Herr Bundesfinanzminister einen Weg zur Vorfinanzierung sieht, die Länder ihrerseits schnellstens Gebrauch von diesen Möglichkeiten machen, um so diese Menschen wieder in geordnete Lebensumstände zu bringen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
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Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Ausschußantrag Drucksache 2498. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2517. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig beschlossen.
Meine Damen und Herren, die antragstellende Fraktion der SPD regt an, den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses betreffend Kosten der Bonner Bundesbauten und Einstellung weiterer Baumaßnahmen auf Drucksache 2554 von der Tagesordnung abzusetzen, und ist notfalls damit einverstanden, daß der Bericht erst nach den Ferien verhandelt wird. - Widerspruch erfolgt nicht; er ist abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tageordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Rechnungsjahr 1956 ({1}) ({2}).
Das Wort zur Begründung und Aussprache wird nicht gewünscht.
Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - federführend - und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich darf noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Im Drange der vielen Abstimmungen ist mir, worauf ich aufmerksam gemacht worden bin, ein Formfehler unterlaufen, indem ich bei der dritten Beratung des Haushaltsgesetzes durch Handaufheben und nicht durch Erheben von den Sitzen habe abstimmen lassen. Ich bitte Sie um die Liebenswürdigkeit, diesen Formfehler zu heilen. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist einstimmig so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen und berufe die nächste, 156. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 29. Juni, 9 Uhr 30 Minuten.
Die Sitzung ist geschlossen.