Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 15. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Dr. Bartram, Frau Dr. Rehling, Graf von Spreti, Dr. Pohle ({0}), von Hassel, Schneider ({1}), Demmelmeier, Cillien, Dr. Horlacher, Seuffert, Paul, Lermer, Böhm ({2}), Dr. Vogel, Dr. Maier ({3}), Dr. Bucerius, Brandt ({4}), Dr. Reif, Koenen ({5}), Gockeln und Dr. von Merkatz.
Danke schön!
Zum 63. Geburtstag am heutigen Tage habe ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Brühler zu gratulieren.
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Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister fair Arbeit hat unter dem 6. Februar 1954 die Kleine Anfrage 25 der Abgeordneten Heye, Pohle ({1}), Dr. Mende, Petersen, Schneider ({2}) und Genossen betreffend Versorgungsrenten der deutschen Kriegsbeschädigten In Holland ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 256 vervielfältigt.
Ich rufe auf den Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts ({4});
b) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts und über die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts ({5});
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Familienrechts an Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes ({6}).
Der Herr Bundesminister der Justiz wünscht, den Gesetzentwurf der Regierung zu begründen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat sich mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des Familienrechts vor nunmehr fast 15 Monaten, und zwar am 27. November 1952, zum ersten Mal befaßt. Der Entwurf wurde damals dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen, konnte aber bis zum Ablauf der Legislaturperiode nicht mehr zu Ende beraten werden.
Inzwischen ist der 1. April 1953 verstrichen und damit der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter unmittelbar geltendes Recht geworden. Das Bundesverfassungsgericht hat diese von manchen Seiten angezweifelte Auffassung in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1953 bestätigt. Damit ist jedes deutsche Gericht vor die Notwendigkeit gestellt, zu entscheiden, welche Auswirkungen der Grundsatz der Gleichberechtigung auf den einzelnen von ihm zu behandelnden Fall hat. Daß dabei verschiedene Auffassungen zutage getreten sind, wird niemanden wundernehmen. Aber ich muß doch an dieser Stelle der deutschen Richterschaft meine Genugtuung und meine Anerkennung darüber zum Ausdruck bringen, daß sie der Größe und der Bedeutung der ihr gestellten Aufgabe sich voll bewußt gewesen ist und daß sie es auch verstanden hat, diese Aufgabe zu lösen.
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Dem deutschen Richter verdanken wir es, daß ein Rechtschaos, wie es vielfach befürchtet worden ist, vermieden werden konnte.
Trotzdem hat die Bundesregierung es immer wieder als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben betrachtet, dahin zu wirken, daß die gesetzgeberische Lücke, die am 1. April 1953 entstanden war, möglichst bald geschlossen werde. Schon am 18. Dezember des vergangenen Jahres hat sie den neuen im Bundesjustizministerium ausgearbeiteten Entwurf gebilligt, der Ihnen heute zur ersten Beratung vorliegt.
Der neue Entwurf der Bundesregierung beschränkt sich auf die Durchführung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes. Er sieht abweichend von dem früheren Entwurf davon ab, das Recht der Eheschließung und das Recht der Ehescheidung schon jetzt wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch einzufügen. Damit will jedoch die Bundesregierung nicht zum Ausdruck bringen, daß das geltende Ehegesetz des Kontrollrats nicht so bald als möglich wieder in das Bürgerliche Gesetzbuch eingegliedert werden muß. Es würde aber die Verabschiedung des vorliegenden Entwurfs zu sehr verzögern und den Zustand der Rechtsunsicherheit zu sehr verlängern, wenn auch die Probleme, die das Ehegesetz aufgibt, schon jetzt zusammen mit den Fragen, die die Gleichberechtigung betreffen, gelöst werden sollten.
Im Interesse einer möglichst baldigen Verabschiedung des Gleichberechtigungsgesetzes hat die Bundesregierung auch darauf verzichtet, die der Vereinheitlichung des Familienrechts dienenden Bestimmungen wieder in den Entwurf aufzunehmen. Sie wird hierüber zu gegebener Zeit einen besonderen Entwurf vorlegen. Sie ist ebenso wie der Bundesrat der Auffassung, daß auch die Wiederherstellung der Rechts- und Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts eine ihrer vordringlichsten Aufgaben ist.
Der Standpunkt der Bundesregierung in bezug auf die Auslegung des Grundsatzes der Gleichberechtigung geht kurz zusammengefaßt dahin, daß die Rücksicht auf die funktionellen Unterschiede, die durch die Verschiedenheit der Geschlechter bedingt sind, mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz durchaus vereinbar ist. Die Bundesregierung kann es auch nicht für richtig halten, wenn unter Hinweis auf den Grundsatz der Gleichberechtigung eine Regelung gefordert wird, die zur Gefährdung unserer Familien führen müßte. Sie hält es vielmehr für ihre Pflicht, Ihnen eine Regelung vorzuschlagen, durch die Ehe und Familie nach Möglichkeit gestärkt werden. Nur damit erfüllt sie die ihr durch Art. 6 des Grundgesetzes aufgegebene Verpflichtung, Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates zu stellen.
Die wesentlichen Grundzüge des Entwurfs lassen sich dahin zusammenfassen: möglichster Schutz für Ehe und Familie, möglichst Vermeidung irgendwelcher Einwirkung von draußen und daher auch der Versuch, Rechtsstreitigkeiten - Austragung ehelicher Differenzen vor Gericht - möglichst zu vermeiden, und weiter: eine Stärkung der finanziellen Position der Frau.
Die Kernfragen, die der Grundsatz der Gleichberechtigung aufwirft, möchte ich hier ganz kurz ansprechen. Die Antwort der Bundesregierung auf diese Fragen finden Sie in der Begründung zu den §§ 1354 und 1628. Die Ehegatten sind zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Aus dieser Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft ergibt sich die weitere Pflicht für die Ehegatten, alle Angelegenheiten, die das gemeinschaftliche Eheleben betreffen oder die sich auf die gemeinschaftlichen Kinder beziehen, im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Können sich die Ehegatten nicht einigen, so muß im Interesse der Familie die Entscheidung der einzelnen Angelegenheit d e m Ehegatten übertragen werden, der nach der natürlichen Ordnung von Ehe und Familie, wie sie das Leben selbst entwickelt hat, diese Entscheidung treffen muß. Das ist der Mann.
Ich bin mir wohl bewußt, daß diese Regelung zu Widersprüchen herausfordern wird. Ich bin mir auch darüber nicht im unklaren, daß in einer gesunden, normalen Ehe eine derartige Regelung gar nicht notwendig ist. In einer solchen Ehe geben sich die Ehegatten ihre eigenen Gesetze. Es gibt viele Ehen - und es sind bestimmt nicht die schlechtesten -, in denen das letzte Wort in derartigen Dingen die Frau spricht
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- daran besteht kein Zweifel, meine Damen und Herren -, und es wäre auch völlig verkehrt, wenn durch eine gesetzliche Regelung versucht würde, ein derartiges, auf der Übung beruhendes Familienrecht zu ändern. In diese gesunden Ehen kann der Staat nicht eingreifen. Sie geben sich, wie ich schon sagte, ihre Gesetze selber.
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Ich halte es auch für selbstverständlich, daß der kluge Mann in allen derartigen besonders wichtigen Fragen die Frau zu Rate zieht. Und wenn er weise ist, wird er diesen Rat in den meisten Fällen auch befolgen.
Die in den §§ 1354 und 1628 getroffene Regelung betrifft aber die Grenzfälle. Die Bundesregierung hat sich für verpflichtet gehalten, gerade diese Grenzfälle, in denen nicht die gewöhnlichen, selbst
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gegebenen Ehegesetze gelten, zu regeln. Insbesondere im Interesse der Aufrechterhaltung der Ehe wird eine Regelung der Grenzfälle nicht zu umgehen sein. Ich freue mich, daß sich der Bundesrat dieser Auffassung angeschlossen hat.
Es ist behauptet worden, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1953 könne herausgelesen werden, die hier vorgesehene Regelung widerspreche dem Art. 3 des Grundgesetzes. Das ist aber nicht richtig. Das Bundesministerium der Justiz hat dieses Urteil sehr eingehend gerade auf diesen Grundsatz hin geprüft und hat nichts feststellen können, was auch nur einen Anhaltspunkt dafür geben könnte, daß das Bundesverfassungsgericht eine derartige Feststellung treffen wollte oder getroffen hat. Das Bundesverfassungsgericht hat zu der grundsätzlichen Frage des Entscheidungsrechts des Mannes und Vaters nicht Stellung genommen. Es hatte auch in dem von ihm zu behandelnden Falle hierzu keinen Anlaß.
Auf Einzelheiten des Entwurfs möchte ich hier nicht eingehen. Wohl aber darf ich einige bedeutsame Änderungen erwähnen, die der neue Entwurf gegenüber dem ersten Entwurf der Bundesregierung enthält und die teilweise auf Anregungen zurückgehen, die die Bundesregierung im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und durch die Ausführungen des Bundesrats gewonnen hat. Ich meine z. B. die Fragen des Unterhalts getrennt lebender Ehegatten. Der neue Entwurf bringt in § 1361 klar zum Ausdruck, daß die Frau keine Nachteile dadurch erleiden darf, daß der Mann die Trennung allein oder in erheblich überwiegendem Maße verschuldet hat. Die Frau, die sich in der Ehe darauf beschränken durfte, den Haushalt zu führen und die Kinder zu erziehen, und die sich auch auf diese Aufgaben beschränkt hat, kann von dem schuldigen Mann grundsätzlich nicht darauf verwiesen werden, sie müsse nach Trennung der Ehegatten ihren Unterhalt durch eigene Berufsarbeit verdienen. Die Frau kann in diesem Falle in der gleichen Weise Unterhalt verlangen, wie wenn die eheliche Gemeinschaft, die der Mann zerstört hat, noch bestünde. Der neue Entwurf bringt dies so eindeutig zum Ausdruck, daß Zweifel an dieser Auffassung nicht mehr bestehen können.
Erwähnen darf ich auch noch eine Bestimmung des Entwurfs, die Sie in § 1356 Abs. 1 Satz 1 finden. Dort heißt es: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung." Der frühere Entwurf der Bundesregierung enthielt diese Bestimmung nicht. Sie ist vielleicht auch entbehrlich, weil sich Recht und Pflicht der Frau insoweit aus § 1353 ergeben. Aber die Bundesregierung hat es doch für sehr zweckmäßig gehalten, im Gesetzestext auf dieses besonders wichtige Recht und auf diese wesentliche Pflicht der Frau ausdrücklich hinzuweisen. Sie wollte aber mit dieser Vorschrift gleichzeitig zum Ausdruck bringen, daß die Frau diese Aufgabe in eigener Verantwortung, und zwar ausschließlich in eigener Verantwortung erfüllt. Hier gibt es kein Weisungsrecht und auch kein Letztentscheidungsrecht des Mannes.
Noch ein kurzes Wort zur Frage der Schlüsselgewalt. Sie wissen, daß für Geschäfte, die die Frau für die laufenden Bedürfnisse der Familie besorgt, nach dem Recht des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Mann allein haftet. Der erste Entwurf der Bundesregierung sah eine gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten vor. Wir haben diese Frage noch einmal überprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß für derartige Verbindlichkeiten, mag der Mann oder die Frau sie eingehen, primär der Mann zu haften hat. Der Mann ist nach § 1360 des Entwurfs in erster Linie verpflichtet, die für die Führung des Haushalts erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, während der Frau die Führung des Haushalts selbst obliegt. Dem entspricht es - gerade wenn man die Gleichwertigkeit dieser beiden Bemühungen um das Wohl der Familie bedenkt -, daß die Frau für derartige Verpflichtungen nur zu haften braucht, wenn der Mann zahlungsunfähig ist. Sonst haftet in erster Linie der Mann. Ich bedauere, daß der Bundesrat sich für. die Beibehaltung der gesamtschuldnerischen Haftung ausgesprochen hat.
Lassen Sie mich nun noch einige kurze Ausführungen zu dem Kernstück des Entwurfs, nämlich dem ehelichen Güterrecht machen. Ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß uns der Schutz der Frau und vor allen Dingen die Besserstellung der finanziellen Position der Frau besonders am Herzen liegt. Das kommt natürlich am deutlichsten im ehelichen Güterrecht zum Ausdruck. Ich glaube, es werden gerade diese Vorschriften sein, die vor allem den Grundsatz der Gleichberechtigung in der Praxis besonders zum Ausdruck bringen werden. Der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau hat auf dem Gebiet des ehelichen Güterrechts, wie ich schon sagte, eine besonders große Bedeutung. Der gesetzliche Güterstand des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach dem der Mann das Vermögen der Frau verwaltete und die Nutznießung dieses Vermögens zog, entspricht, wie allgemein anerkannt wird, diesem Grundsatz nicht mehr. Der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Mannes hat daher, wie der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen ausgeführt hat, bereits am 1. April 1953, d. h. mit dem Tage des Inkrafttretens des Grundsatzes der Gleichberechtigung, aufgehört, als gesetzlicher Güterstand weiterzubestehen. Es ist Aufgabe des künftigen Gesetzes, einen neuen gesetzlichen Güterstand zu schaffen. Dieser Güterstand und der Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter müssen zusammenpassen. Der neue Güterstand muß diesen Grundsatz verwirklichen und eine Regelung treffen, die dem Wesen der Ehe gerecht wird. Als künftiger gesetzlicher Güterstand kann eine reine Gütertrennung nicht in Betracht gezogen werden. Sie verwirklicht zwar der Form nach den Grundsatz der Gleichberechtigung - jeder Ehegatte verwaltet und nutzt sein Vermögen selbständig -, die Gütertrennung benachteiligt in der Sache aber letzten Endes die Frau, weil die Frau doch in der Regel den Haushalt führt, also keinen Beruf ausübt und auch nichts verdient, während der Mann erwerbstätig ist und seine Einkünfte in sein Alleineigentum fallen. Die Frau ist dann, wenn die Ehe geschieden wird, auf einen in der Praxis oft nicht durchsetzbaren Unterhaltsanspruch und auf ein meist beschränktes Erbrecht angewiesen, während der Mann oder sein Erbe den Erwerb, den er unmittelbar oder mittelbar durch die Mitarbeit der Frau erzielt hat, in vollem Umfang behalten darf. Ein gesetzlicher Güterstand muß, um eine angemessene Regelung darzustellen, dafür Sorge tragen, daß beide Ehegatten an dem in der Ehe erworbenen Vermögen beteiligt werden, gleichgültig welcher Ehegatte den Erwerb wirklich erzielt hat.
Ein Güterstand, der diesen Grundsatz verwirklicht, kann in verschiedener Weise ausgestaltet wer({4})
den. In den Arbeiten zur Reform des ehelichen Güterrechts ist gelegentlich vorgeschlagen worden, die Gütertrennung als gesetzlichen Güterstand vorzusehen und die Beteiligung eines Ehegatten an dem Vermögen, das der andere in der Ehe erworben hat, dadurch zu verwirklichen, daß das Erbrecht der Ehegatten erhöht und im Falle der Scheidung der Ehe einem Ehegatten ein Abgeltungsanspruch gegen den andern gewährt wird. Dieser Vorschlag, wie er in der Begründung der Regierungsvorlage näher dargelegt ist, erscheint jedoch ungeeignet.
Ebensowenig hält die Bundesregierung es für empfehlenswert, als gesetzlichen Güsterstand die Errungenschaftsgemeinschaft vorzusehen. Bei dem Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft behält jeder Ehegatte das Vermögen, das er in die Ehe eingebracht hat, als Sondervermögen, das er selbständig verwaltet. Das Vermögen aber, das er in der Ehe erwirbt, steht beiden Ehegatten zu, es fällt in das Gesamtgut. Dadurch ergeben sich erhebliche Nachteile. Das Gesamtgut muß, da die Gläubiger der Ehegatten nicht entrechtet werden können, sowohl für die Schulden des Mannes als auch für die der Frau haften. Eine solche Regelung, die von den Anhängern der Errungenschaftsgemeinschaft auch vorgeschlagen wird, gefährdet aber doch die Ehegatten in sehr starkem Maße. Sie kann sich gerade für die Frau nachteilig auswirken; denn die Nutzungen ihres Sondervermögens und ihr Arbeitsverdienst fallen in das Gesamtgut, haften also auch für die Schulden des Mannes. Die Errungenschaftsgemeinschaft führt weiter zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung. Häufig wird sich nicht feststellen lassen, ob ein Gegenstand zum Sondervermögen oder zum Gesamtgut gehört. Zwischen den einzelnen Gütermassen bestehen sehr verwickelte Ausgleichspflichten. Hinzu kommt, daß häufig nicht mehr geklärt werden kann, aus welcher Vermögensmasse eine bestimmte Verpflichtung getilgt worden ist.
Mit Recht warnen daher die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch nachdrücklich davor, die Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand einzuführen. Die Ausführungen der Motive sind auch heute noch beherzigenswert. Unveräußerliche Bedingung für ein Güterrecht, so heißt es dort, müsse sein, daß es einfach, klar und praktisch leicht zu handhaben sei. Daran fehle es aber bei der Errungenschaftsgemeinschaft, und keine juristische Technik werde in der Lage sein, diesem Übelstand abzuhelfen. Ich glaube, meine Damen und Herren, diese Argumente gelten auch heute noch. Gerade heute bemühen wir uns ja immer wieder, die Gesetze möglichst einfach und klar zu gestalten - das muß die Aufgabe der Gesetzestechnik sein - und sie nicht zu komplizieren. Gerade der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft ist aber eine der kompliziertesten Lösungen der ehelichen Güterrechtsfragen, die bekannt sind. Es hat sich ja auch erwiesen, daß gerade in den Gegenden, in denen die Errungenschaftsgemeinschaft vor dem Jahre 1900 als gesetzlicher Güterstand gegolten hat, sie doch heute eigentlich kaum mehr irgendwelchen Anklang oder praktische Anwendung findet.
Zu den Schwierigkeiten, die bei der Errungenschaftsgemeinschaft die Fragen der Haftung und der Auseinandersetzung mit sich bringen, kommt die weitere Schwierigkeit der Verwaltung des Gesamtgutes. Das Gesamtgut kann nicht mehr, wie es bisher üblich war, von dem Mann allein verwaltet werden. Dies würde ja dem Grundsatz der Gleichberechtigung widersprechen. Eine Verwaltung dieser Vermögensmasse zu zweien würde aber natürlich häufig zu Streitigkeiten führen und kann nicht als empfehlenswert betrachtet werden. Außerdem kann eine gemeinschaftliche Verwaltung nicht selten auch ein Eingreifen des Staates notwendig machen. Denn wenn die Ehegatten sich nicht einigen können, muß der Richter den mangelnden Willen eines Ehegatten ersetzen können. Jedes Eingreifen des Gerichts in die Ehe ist aber auch auf vermögensrechtlichem Gebiet nichts weniger als erstrebenswert.
Aus allen diesen Gründen hat sich die Bundesregierung dem auch wirklich nur vereinzelt gemachten Vorschlag, eine Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlichen Güterstand vorzusehen, nicht anschließen können, sondern hat dafür den Güterstand des Zugewinnausgleichs als gesetzlichen Güterstand vorgeschlagen. Damit hat sich die Bundesregierung einem Vorschlag angeschlossen, der seit Jahrzehnten von fast allen Seiten, unabhängig von weltanschaulichen Gesichtspunkten, gemacht worden ist. Auch die Wissenschaft hat sich wie die Praxis für einen solchen Güterstand ausgesprochen. Alle Juristentage, die sich mit dem ehelichen Güterrecht beschäftigt haben, die Juristentage in Heidelberg 1924, in Lübeck 1931 und in Frankfurt 1950, haben diesen Güterstand als künftigen gesetzlichen Güterstand vorgeschlagen. Der Grundsatz der Zugewinnbeteiligung hat auch im schweizerischen Recht seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden. Er hat sich dort durchaus bewährt.
Der jetzige Entwurf, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat damit die Regelung übernommen, die schon der frühere Entwurf vorgesehen hatte. Er bezeichnet jedoch diesen Güterstand heute als Güterstand des Zugewinnausgleichs und nicht mehr als Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns. Das ist an sich das gleiche. Aber wir haben uns doch zu dem jetzt vorgeschlagenen Ausdruck entschlossen, weil die Stellungnahme zum ersten Entwurf ergeben hat, daß dieser Güterstand häufig insofern mißverstanden worden ist, als man den Nachdruck auf die Gütertrennung, nicht aber auf den Ausgleich des Zugewinns gelegt hat. Ich darf Ihnen die Grundzüge dieses Güterstandes vielleicht kurz vortragen.
Jeder Ehegatte verwaltet und nutzt sein Vermögen während der Dauer der Ehe selbständig. Eine Gütergemeinschaft tritt also nicht ein. Wird die Ehe aufgelöst, so wird festgestellt, welchen Wert das Anfangsvermögen und welchen Wert das Endvermögen der beiden Ehegatten gehabt hat. Unter Anfangsvermögen ist das Vermögen zu verstehen, das ein Ehegatte beim Eintritt des Güterstandes gehabt hat, unter Endvermögen jenes, das er bei Beendigung des Güterstandes besitzt. Übersteigt das Endvermögen eines Ehegatten sein Anfangsvermögen, so hat der Ehegatte einen Zugewinn erzielt. Übersteigt der Zugewinn eines Ehegatten den Zugewinn des andern, so erhält der Ehegatte, der diesen Zugewinn erzielt hat, zunächst ein Viertel des Mehrbetrags vorab. An dem Rest des Mehrbetrages wird der andere Ehegatte in der Weise beteiligt, daß er in Höhe der Hälfte dieses Betrags eine Ausgleichsforderung gegen seinen Ehegatten erhält. Wird die Ehe durch den Tod des Ehegatten aufgelöst, und zwar des Ehegatten, der den geringeren Zugewinn erzielt hat, so erhalten seine Erben oder Abkömmlinge keine Ausgleichsforderung. Ein Ehegatte kann die
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Erfüllung seiner Ausgleichsverpflichtung allerdings insoweit verweigern, als der Ausgleich nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Der Ehegatte, der den höheren Zugewinn erzielt hat, soll von dem Mehrbetrag, wie ich bereits sagte, zunächst ein Viertel vorab erhalten, weil er ja auch allein die Gefahr des Verlustes getragen hat. Der andere Ehegatte nimmt an dem Verlust nicht teil, und es entspricht doch wohl der Gerechtigkeit, daß für diese Verlustgefahr der Ehegatte einen Ausgleich erhält, der sie auch allein zu vertreten hatte.
Meine Damen und Herren! Dies sind die wesentlichen Grundzüge des gesetzlichen Güterstandes, der Ihnen nunmehr zur Beschlußfassung vorgeschlagen wird. Zur Frage. wie der Ausgleich im einzelnen ausgestaltet ist, darf ich wohl auf die Begründungen zu diesen Bestimmungen verweisen. Auf einige Punkte möchte ich noch ganz besonders zurückkommen.
Eine Frage, die von wesentlicher Bedeutung ist, betrifft die Bewertung des Anfangsvermögens. Dieser neue Entwurf stellt es im Gegensatz zu dem ersten Entwurf ausschließlich darauf ab, welchen Wert die zum Anfangsvermögen gehörenden Gegenstände bei Beginn des Güterstandes gehabt haben. Steigen diese Gegenstände später im Wert, so wird der Zugewinn erhöht. Fallen sie, so vermindert sich der Zugewinn. Diese Regelung vereinfacht sehr wesentlich die Berechnung des Zugewinns.
Des weiteren sieht der Entwurf im Gegensatz zum ersten Entwurf die Regelung vor, daß kein Ehegatte ohne Zustimmung des andern über den ehelichen Hausrat verfügen darf. Eine völlig neue Bestimmung, meine Damen und Herren! Ein Dritter, der Hausrat erwirbt, wird auch dann nicht geschützt, wenn er gutgläubig ist, also wenn er irrtümlich annimmt, sein Geschäftspartner sei nicht verheiratet oder aber der Ehegatte habe seine Zustimmung gegeben. Diese Regelung wird in der Praxis wohl von besonderer Bedeutung sein.
ln diesem Zusammenhang sei auch auf eine Änderung der erbrechtlichen Vorschriften hingewiesen. Nach dem Vorschlag des Entwurfs soll der überlebende Ehegatte auch dann den in § 1932 BGB geregelten Voraus erhalten, wenn Abkömmlinge vorhanden sind. Zum Schutze der Erben ist allerdings vorgesehen, daß der überlebende Ehegatte sich den Wert des Voraus auf seine Ausgleichsforderung anrechnen lassen muß.
Meine Damen und Herren! Der gesetzliche Güterstand soll natürlich den Ehegatten nicht aufgezwungen werden. Es steht den Ehegatten völlig frei, ihre güterrechtlichen Verhältnisse selbst zu regeln. Der gesetzliche Güterstand gilt, wie dies bisher ja auch der Fall war, nur dann, wenn eine Vereinbarung über ein Güterrecht nicht getroffen worden ist. Demnach könnten also die Ehegatten sogar einen Güterstand vereinbaren, der dem Grundsatz der Gleichberechtigung nicht entspricht. Aber das ist natürlich nur möglich, wenn beide Ehegatten zustimmen. In derartige gemeinsam getroffene Verfügungen oder Vereinbarungen greift der Gesetzgeber selbstverständlich nicht ein.
Die Vertragsfreiheit wird also durch die Gleichberechtigung und durch die Aufstellung eines gesetzlichen Güterstandes in keiner Weise eingeschränkt. Als gesetzlich geregelten Wahlgüterstand, also einen Güterstand, den die Ehegatten durch Verweisung auf die gesetzlichen Bestimmungen vereinbaren können, stellt der Entwurf den Ehegatten lediglich die Gütergemeinschaft zur Verfügung, wobei es natürlich offenbleibt, auch andere Güterstände zu vereinbaren. Die allgemeine Gütergemeinschaft ist also hier auch als Wahlgüterstand vorgesehen, genau wie im alten BGB die Güterstände der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft ebenfalls als Wahlgüterstände vorgesehen waren.
Die Gütergemeinschaft unseres Entwurfs entspricht im wesentlichen der allgemeinen Gütergemeinschaft des BGB. Sie sieht jedoch vor, daß die Ehegatten in dem Vertrag, durch den sie diesen Güterstand vereinbaren, die Bestimmung treffen müssen, wer von ihnen das Gesamtgut verwaltet. Das ist eine Selbstverständlichkeit im Hinblick auf die Gleichberechtigung. Wenn allgemeine Gütergemeinschaft vereinbart wird, dann muß einer der Ehegatten das Gesamtgut verwalten. Denn die gemeinschaftliche Verwaltung führt häufig zu Unzuträglichkeiten. Sie wird im Entwurf nicht vorgesehen, kann aber natürlich vereinbart werden.
Der Entwurf sieht auch nicht mehr die Güterstände der Errungenschaftsgemeinschaft und der Fahrnisgemeinschaft als Wahlgüterstände vor. Für die Errungenschaftsgemeinschaft besteht kein Bedürfnis mehr, wenn der Güterstand des Zugewinnausgleichs gesetzlicher Güterstand wird, und die Fahrnisgemeinschaft ist seit langem veraltet und eigentlich völlig aus der Praxis verschwunden.
Ich darf zum Schluß noch ganz kurz auf die Übergangsvorschriften Bezug nehmen. Der gesetzliche Güterstand des Zugewinnausgleichs soll auch für die Ehen gelten, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen worden sind. Es wird aber dann nur der Zugewinn ausgeglichen, der seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erzielt wird. Das Ausgangsvermögen ist also das Vermögen, das die Ehegatten beim Inkrafttreten dieses Gesetzes besitzen. Da der Güterstand den Ehegatten nicht aufgezwungen werden soll, ist jeder Ehegatte berechtigt, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes durch einseitige Erklärung gegenüber dem Amtsgericht die Gütertrennung herbeizuführen.
Für die Wahlgüterstände gilt folgende Übergangsregelung: Besteht zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes allgemeine Gütergemeinschaft, so gelten die Vorschriften, die bei der Gütergemeinschaft für den Fall anzuwenden sind, daß der Mann das Gesamtgut verwaltet. Haben die Ehegatten die Fortsetzung der Gütergemeinschaft nicht ausgeschlossen, so gilt sie als vereinbart. Besteht für eine Ehe Errungenschafts- oder Fahrnisgemeinschaft, so bleiben die Vorschriften maßgebend, die vor dem 1. April 1953 für diese Güterstände gegolten haben. Haben die Ehegatten Gütertrennung vereinbart, so gilt Gütertrennung nach Maßgabe dieses Gesetzes.
Schließlich möchte ich noch ganz kurz auf einen Punkt hinweisen, meine Damen und Herren, nämlich auf die in der Praxis seit dem 1. April 1953 umstrittene Frage, ob ein Ehegatte verpflichtet sei, dem anderen die Kosten eines Ehescheidungsprozesses vorzuschießen. Der Entwurf sieht folgendes vor: Nach § 627 der Zivilprozeßordnung in der Fassung des Entwurfs kann das Gericht anordnen, daß ein Ehegatte dem anderen einen Prozeßkostenvorschuß zu leisten habe, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen nur die wichtigsten Probleme des Gesetzes vorgetragen. Wir werden ja im Ausschuß reichlich Gelegenheit
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finden, uns über diese Probleme noch im einzelnen auszusprechen.
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Meine Damen und Herren! Es ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß die beiden übrigen Gesetzentwürfe nicht gesondert, sondern im Rahmen der Aussprache begründet werden. Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung über die drei vorliegenden Gesetzentwürfe.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Weber ({0}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der 1. Deutsche Bundestag behandelte am 27. November 1952 in seiner 239. Sitzung den Gesetzentwurf über die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts. Ich hatte damals die Ehre, für meine Fraktion den grundsätzlichen Standpunkt zu diesem Entwurf darzulegen. Hieran hat sich, wie ich gleich sagen möchte, inzwischen nichts Wesentliches geändert, so daß ich auf meine damaligen Ausführungen weitgehend Bezug nehmen kann.
Bevor ich auf die heute in erster Lesung anstehenden drei Gesetzentwürfe eingehe, seien mir einige Vorbemerkungen gestattet. Der Bundestag stand damals unter einem erheblichen Zeitdruck. Nur noch wenige Monate standen uns für die Bearbeitung eines derart wichtigen und entscheidenden Gesetzentwurfs zur Verfügung. Am 1. April 1953 sollte nach dem Beschluß des Grundgesetzgebers die Sperrfrist des Art. 117 des Grundgesetzes ablaufen und damit Art. 3 Abs. 2 in Kraft treten. Ich habe schon damals, am 27. November 1952, Zweifel geäußert, ob es möglich sein werde, den ganzen Gesetzentwurf, also auch die Wiederherstellung der Rechtseinheit mit zu behandeln, ja Zweifel äußern müssen, ob es möglich sein werde, auch nur die Anpassung des Rechts an den Grundsatz der Gleichberechtigung vorzunehmen, standen uns doch ungefähr so viel Wochen zur Verfügung wie dem Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Bearbeitung dieser Materie Jahre. Im Unterausschuß des Rechtsausschusses war Einhelligkeit darüber vorhanden, daß der Gesetzentwurf nicht übereilt verabschiedet werden dürfe und könne, weil er eben von so einschneidender Bedeutung ist.
In der öffentlichen Diskussion ist nun die Meinung aufgetreten - auch in Urteilen der Gerichte sind mitunter solche Wendungen zu finden -, daß der Gesetzgeber versagt habe. Ich muß dazu kurz Stellung nehmen. Der Gesetzgeber hat nicht versagt, sondern er hat eingesehen und einsehen müssen, daß dieses schwierige Problem in der kurzen Zeit, die damals zur Verfügung stand, nicht zu lösen sei.
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Er hat es deshalb bewußt abgelehnt, das Gesetz in Hetze und Eile zu verabschieden. In diesem Punkt bestand im ganzen Hause Klarheit.
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- Die Regierung hat ebensowenig versagt. Ich
habe schon seinerzeit in der Diskussion darauf hingewiesen, daß auch Ihr Gesetzentwurf, obschon Sie sogar einige Monate früher als die Regierung begonnen hatten, erst zum gleichen Zeitpunkt, ja noch zu einem späteren Zeitpunkt fertiggesetllt werden konnte, als die Regierung ihren Entwurf fertiggestellt hatte.
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Ich begrüße es sehr, daß die Regierung eine gründliche Arbeit geleistet hat und bin ihr dafür dankbar.
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Es ist jetzt schon festzustellen, daß diese Weile, die inzwischen vergangen ist, dem Gesetzentwurf gut bekommen ist. Das sage ich gleich hier. Es hätte ja eine Möglichkeit bestanden, die inzwischen eingetretene Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Wenn jemand versagt hat, dann hat der Bundestag darin versagt, daß er das an sich rechtzeitig eingebrachte Verlängerungsgesetz zu Art. 117 damals nicht verabschiedet hat.
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Hierin liegt vielleicht das Versagen des Gesetzgebers. Meine Erfahrungen im Wahlkampf, wo ich das Problem immer angesprochen habe, haben mir gezeigt, daß es von unseren Frauen ertragen worden wäre, wenn sie die „Knechtschaft der Männer" noch auf ein oder zwei Jahre hätten hinnehmen müssen.
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Es ist in der öffentlichen Diskussion die Frage erörtert worden, ob man nunmehr, nachdem der Bundestag eine andere Zusammensetzung aufweise, so weit gehen wolle, den Art. 3 Abs. 2 zu beseitigen. Wer diese Version erfunden hat, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob vielleicht die Wiedereinbringung des Änderungsgesetzes zu Art. 117 den Anlaß gegeben hat. Wer das Gesetz richtig gelesen hat, der hat über die Absicht dieses Gesetzes, die Rechtsunsicherheit zu beseitigen, nicht im unklaren sein können. Ich habe nie auf dem Standpunkt gestanden, daß ein Rechtschaos eintreten würde, wie es vielfach in der Öffentlichkeit erörtert wurde. Aber Rechtsunsicherheit ist vorhanden, und es ist die Pflicht des Bundestages, diese Rechtsunsicherheit möglichst bald zu beseitigen, dabei aber eine gute gesetzgeberische Arbeit zu leisten.
Ich habe lediglich eine Stimme gefunden, die die Frage erörtert hat, ob der Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes geändert werden solle. Zu meinem Erstaunen hat der Vertreter des Landes Niedersachsen im Bundesrat folgendes ausgeführt:
Die niedersächsische Landesregierung hält das Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau für außerordentlich schwerwiegend und bedeutsam. Sie hat sich deshalb auch diesmal wieder mit großem Ernst mit diesem Problem beschäftigt.
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Sie ist dabei zu der Auffassung gelangt,
- jetzt kommt das, wobei Sie vielleicht „Hört! Hört!" sagen daß diese Frage nur nach einer Änderung des Art. 3 Abs. 2 befriedigend gelöst werden könne. ({7})
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Von unserer Seite aus - das möchte ich nachdrücklich betonen - ist niemals beabsichtigt gewesen, eine Änderung der Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes vorzunehmen, sondern wir bejahen diese Bestimmung nach wie vor. Wir sind, wie ich schon eben betont habe, mit der Bundesregierung darin einig, daß dieses Problem möglichst bald gelöst werden soll. Inzwischen hat sich die Rechtsprechung schon sehr eingehend mit den hier auftretenden Fragen befassen müssen und befaßt. Es ist, wie nicht zu leugnen ist, manche Klärung erfolgt, insbesondere auch durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 1953. Dieses Urteil hat - und das war auch stets die Meinung in diesem Hause - bestätigt, daß die Gleichberechtigung als solche am 1. April 1953 in Kraft getreten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in diesem Urteil nicht zu dem Problem der Gleichberechtigung Stellung genommen und auch nicht nehmen wollen, sondern es hatte sich lediglich mit der Frage zu befassen, welcher Rechtszustand seit dem 1. April 1953 bestehe. Dabei hat es aber immerhin einige Hinweise gegeben, die nicht unbedeutend sind. Ich darf folgende Sätze zitieren:
„Es bedarf kaum eines Hinweises, daß im Bereich des Familienrechts im Hinblick auf die objektiven biologischen und funktionalen ({9}) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebensverhältnisses auch eine besondere rechtliche Regelung erlaubt oder sogar notwendig ist ({10}). Das wird auch von keiner Seite ernstlich verkannt und liegt gerade einem großen Teil der zur Verwirklichung der Gleichberechtigung aufgestellten Forderungen als selbstverständliche Voraussetzung zugrunde. Bei richtiger Zusammenschau von Art. 3 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 GG ist also nicht die Gefährdung der einen Bestimmung durch die andere zu befürchten, vielmehr anzunehmen, daß sie der Absicht des Grundgesetzgebers entsprechend dazu dienen werden, einander zu erfüllen."
Ich habe betont, daß solche entscheidende und tiefgehende Probleme ihre Zeit zur Reife brauchen. Man kann es dem jetzt vorliegenden Entwurf auf Drucksache 224 anmerken und bei ihm feststellen: Die Bundesregierung und ihre Referenten haben hier eine wirklich anerkennenswerte Arbeit geleistet. Sowohl der Wortlaut des Gesetzes wie insbesondere auch die Begründung sind so vorzüglich gefaßt, wie man es nur bei jedem Gesetz wünschen möchte. Es werden dort für die spätere Handhabung des Gesetzes außerordentlich wichtige Hinweise gegeben. Der Entwurf bringt in entscheidenden Punkten ganz erhebliche Fortschritte und berücksichtigt auch, wie der Herr Bundesjustizminister bereits ausgeführt hat, die Ergebnisse, die im Unterausschuß des Rechtsausschusses bei der Beratung des früheren Gesetzentwurfs erzielt worden sind. Er beschränkt sich auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung. Er ist insoweit übereinstimmend mit dem Entwurf der SPD Drucksache 178, der auch lediglich das Problem der Gleichberechtigung behandelt. Dagegen enthält die Vorlage der FDP Drucksache 112 im großen und ganzen eine Wiederholung der alten Regierungsvorlage mit einer einzigen - wohl einschneidenden - Ausnahme, daß der § 1354 gestrichen ist.
Unsere Stellungnahme zu den vorliegenden Entwürfen wird unter den gleichen leitenden Gesichtspunkten wie am 27. November 1952 stehen müssen. Im Interesse der Rechtssicherheit begrüßen wir es, daß die Ehereform als solche fortgelassen worden ist und daß sich der Gesetzentwurf der Regierung auf die Behandlung des Problems der Gleichberechtigung beschränkt. Wir sind dem Herrn Bundesjustizminister dankbar, daß er betont hat, daß das nicht etwa deshalb geschehen ist, weil man dieses erste Problem der Ehereform für weniger wichtig und vordringlich hält. Wir stimmen ihm durchaus darin zu, ja wir werden uns nach meiner Meinung - das habe ich schon damals betont - angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung - ich verweise auf das in der Presse vielfach besprochene Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - mit der Frage befassen müssen, ob wir nicht den einen oder anderen Punkt - wie es jetzt auch zum Teil im Regierungsentwurf bei der Regelung der Personenfürsorge für Kinder bei getrennt lebenden Eheleuten und bei der Regelung der Fürsorge für die Kinder bei geschiedener Ehe geschieht - werden vorziehen müssen. Dabei habe ich insbesondere den § 48 im Auge, dessen formale Anwendung jetzt zu ganz unhaltbaren, unbilligen und ungerechten Ergebnissen führt. Insofern begrüßen wir die Fassung des § 1571 im Entwurf der FDP, wonach bei Widerspruch der unschuldigen Ehefrau eine Scheidung auch bei vorliegender Zerrüttung schlechthin ausgeschlossen sein soll. Ich habe am 27. November 1952 bereits betont, daß man den Art. 3 Abs. 2 nicht für sich allein betrachten dürfe, sondern ihn im Zusammenhang des Grundgesetzes, insbesondere im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze des Staates" sehen müsse. Das wird auch bereits in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember anerkannt. Inzwischen hat gerade zu diesem Punkte die Rechtsprechung weitere Klärungen gebracht. Im Bundesrat ist bereits darauf verwiesen worden, daß der für die Familiensachen zuständige 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem Urteil vom 14. Juli 1953 Richtlinien ausgesprochen hat, die ich für so bedeutungsvoll halte, daß ich sie hier noch einmal wiederholen möchte:
Gewiß ergibt die grundsätzliche rechtliche
Gleichstellung der Geschlechter, wie sie Art. 3
Abs. 2 GG anordnet, in ihrer Anwendung auf
das geltende Recht eine Fülle von Zweifelsfragen. Bei ihrer Entscheidung werden die Gerichte sich davon leiten lassen müssen, daß
nicht jede Rechtsungleichheit durch Art. 3
Abs. 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen wird,
daß insbesondere nicht aus doktrinären Gedankengängen heraus eine formale Gleichstellung
von Mann und Frau auch da herbeigeführt
werden darf, wo der in Art. 6 Abs. 1 GG besonders anerkannte Schutz der Ehe und Familie oder die in Art. 6 Abs. 2 ebenda hervorgehobenen Interessen der Kinder einer völligen Gleichstellung beider Geschlechter in der
Ehe Schranken setzen.
Diese Auffassung haben wir stets vertreten; wir werden sie bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs beibehalten: Keine Gefährdung von Ehe und Familie; alles tun, um Ehe und Familie zu schützen und zu fördern; alles vermeiden, was Ehe und Familie gefährden und ihre Bande lockern kann.
Ich begrüße es, daß die Bundesregierung eine Anregung berücksichtigt hat, die sowohl in der
({11})
ersten Lesung des früheren Gesetzentwurfs als auch in den Ausschußberatungen gegeben worden ist, indem sie die Funktionsverschiedenheit in § 1356 des Entwurfs ausdrücklich anerkannt hat. Das ist ein Gesichtspunkt, den auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil erwähnt. Die Bundesregierung ist damit einer Anregung gefolgt, die ich in der ersten Lesung des ersten Entwurfs gegeben hatte. Es heißt:
Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.
Wir begrüßen es, daß die Stellung der Frau in Ehe und Familie in dieser Weise herausgestellt wird.
In der öffentlichen Diskussion haben vor allen Dingen die Bestimmungen der §§ 1354 und 1628 eine Rolle gespielt. Das ging so weit, daß man fast der Meinung hätte sein können, das Problem der Gleichberechtigung erschöpfe sich sozusagen in diesen Bestimmungen. Sonst sind die Dinge in der öffentlichen Diskussion eigentlich sehr wenig behandelt und gefördert worden, was ich auch schon in der ersten Lesung sagen mußte.
Die Bundesregierung hat an ihrem Standpunkt festgehalten. Auch der Bundesrat hat diesmal die Stellungnahme der Bundesregierung gutgeheißen, die den Stichentscheid des Mannes in dem Falle festlegt, daß sich die Ehegatten, die zunächst verpflichtet sind, eine Einigung zu suchen und sich aufeinander abzustimmen, wie es in jeder guten Ehe geschehen sollte, nicht einigen können. Es gibt eben Dinge, die nicht unentschieden bleiben können, z. B. die Frage des Wohnsitzes. Wir sind glücklich, hier betonen zu können, daß wir in dieser Hinsicht in Übereinstimmung mit der Auffassung beider Kirchen sind. Ich darf darauf hinweisen, daß in einer den Mitgliedern des ersten Bundestages zugegangenen Zuschrift des Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz vom 30. Januar 1953 folgender Satz enthalten ist:
Sollte jedoch in einem Land die soziale und wirtschaftliche Lage der verheirateten Frau wegen der gewandelten Kulturverhältnisse eine Abänderung benötigen, so ist es Aufgabe der Staatsgewalt, die bürgerlichen Rechte der .Gattin den Bedürfnissen und Forderungen der Jetztzeit anzupassen unter Berücksichtigung der Eigenart der weiblichen Natur, der Sittlichkeit und Ehrbarkeit und des Gemeinwohls der Familie; nur muß die wesentliche Ordnung der Hausgemeinschaft unangetastet bleiben, da sie durch eine höhere als menschliche, nämlich göttliche Autorität und Weisheit festgesetzt ist und darum keiner Änderung durch Staatsgesetze oder durch das Gutdünken der einzelnen unterliegen kann.
Der Rat der Evangelischen Kirche hat sich in ganz ähnlicher Weise geäußert und in seinem Schreiben, das er am 22. März 1952 an den damaligen Herrn Bundesjustizminister gerichtet hat, darauf hingewiesen, daß hier Bezirke vorliegen, die der menschlichen Disposition zum Teil entzogen sind, weil es sich hier um eine vorgegebene Ordnung handelt. Es heißt dort wörtlich:
Ehe und Familie sind so die ursprünglichsten menschlichen Gemeinschaften und von dem Geheimnis des Ursprungs umgeben, das für den Christen auf Jesus Christus hinweist, das
aber auch vom Nichtchristen geachtet werden muß, wenn der Zerstörung des Lebens gewehrt werden soll. Auch die staatliche Gesetzgebung verfügt nicht über dieses Wesensgefüge, sondern setzt es voraus.
Ich bin jedenfalls der Meinung, daß diese Bestimmungen bleiben müssen, daß also der Stichentscheid im Gesetz festgelegt werden muß, weil es sowohl in Ehe als auch in Familie Dinge gibt, die nicht unentschieden bleiben können, wenn nicht die Familie Schaden leiden soll. Daß keine Instanzen von außerhalb in die Familie eingreifen dürfen, das ist, glaube ich, unsere allgemeine Auffassung.
Die Regelung der Schlüsselgewalt, wie sie in § 1357 vorgesehen ist, stößt teilweise auf Bedenken. Man wird prüfen müssen, ob es notwendig und zweckmäßig ist, daß die Frau auch aus Geschäften des Mannes verpflichtet wird. Es ist ein Fortschritt des Entwurfs, daß er für alle Geschäfte, die im Rahmen der Schlüsselgewalt vollzogen werden, die Frau erst subsidiär haften läßt und daß die Frau die Erfüllung einer Verbindlichkeit verweigern kann, wenn der Mann zahlungsfähig ist.
Wir begrüßen auch die Unterhaltsregelung, wie sie jetzt - abweichend vom ersten Entwurf - in dem Entwurf der Drucksache 224 vorgesehen ist, und den hier zum Ausdruck kommenden Gedanken, daß der Vater und Mann nach wie vor Ernährer der Familie bleibt, daß also er in erster Linie durch berufliche Arbeit für den Unterhalt der Familie zu sorgen hat, während die Frau ihre Verpflichtung, für den Unterhalt der Familie zu sorgen, durch ihre Arbeit im Haushalt in aller Regel erfüllt.
Das Kernstück - das hat der Herr Bundesjustizminister mit Recht hervorgehoben - des Entwurfs und auch das Kernstück der Durchführung der Gleichberechtigung wird zweifellos eine angemessene Regelung des Güterrechts sein. Dazu auch noch einige Worte. Daß die bisherige Regelung - Güterstand der Verwaltung und Nutznießung - nicht aufrechtzuerhalten ist, bedarf keiner weiteren Darlegung, obschon auch sie, das sei hier zum Abschied von diesem Güterstand gesagt, die Frau recht weitgehend im Bestande ihres Vermögens geschützt hat. Es handelte sich ja tatsächlich auch dabei im Grunde um eine Gütertrennung; was Frauengut war, blieb Frauengut, es nahm nicht ab, es nahm nicht zu.
Den Güterstand, der hier vorgeschlagen wird, hat man ursprünglich den Güterstand der Zugewinngemeinschaft genannt und später auf Vorschlag des Bundesrats den Güterstand des Zugewinnausgleichs. Ich bin mir nicht ganz klar, welchen Namen wir nehmen werden. Ich meine, daß es der Auffassung von Ehe mehr entspräche, wenn man das Wort „Gemeinschaft" verwendete. Es besteht j a auch tatsächlich während der Ehe bereits in dieser Hinsicht eine Gemeinschaft, eine Bindung des Vermögens. Man wird also diesen Namen im Ausschuß noch einmal überlegen müssen. Aber immerhin: nennen wir ihn zunächst einmal den Güterstand des Zugewinnausgleichs. Er bringt eine Lösung, die in der Öffentlichkeit wohl am meisten und am weitestgehenden empfohlen worden ist und die im Grunde ja auch dem Entwurf der SPD wie dem Entwurf der FDP zugrunde liegt. Auch hier sind einige Fortschritte anzumerken. Insbesondere begrüßen wir es, daß zur Verfügung über Hausrat nunmehr die Gemeinschaft
({12})
der Eheleute notwendig ist, Mann und Frau also einer solchen Verfügung zustimmen müssen und keiner für sich allein darüber verfügen kann.
Es will mir dagegen zu weitgehend erscheinen, daß eine besondere Gütermasse für den Hausrat gebildet werden soll, wie es der Entwurf der SPD vorsieht, und daß bei Auseinandersetzung diese Gütermasse grundsätzlich geteilt werden soll. Die Unterschiede - darauf weist die Begründung der Regierung mit Recht hin - im Einbringen des Hausrats sind denn doch zu groß, als daß man später hinterher eine Auseinandersetzung durch einfache Teilung vollziehen könnte. Die Sache soll demjenigen, der sie in die Ehe mitgebracht hat, auch verbleiben. Aber ich begrüße es, wie gesagt, daß über den Hausrat als solchen nur gemeinschaftlich verfügt werden kann, und man wird überlegen müssen, ob diese Regelung nicht auch auf die Ehewohnung auszudehnen ist.
Es will mir nicht ganz einleuchten, weshalb nicht auch die Aussteuerpflicht geregelt werden soll. In sehr vielen Fällen leben Frauen noch im elterlichen Haushalt, arbeiten dort mit und erhalten keine Ausbildung, so daß dafür ein Ausgleich gegenüber den anderen, die von vornherein im Erwerbs- und Berufsleben stehen und eine Ausbildung erhalten haben, grundsätzlich durch die Gewährung einer angemessenen Aussteuer geschaffen werden könnte, ohne daß man dadurch gegen das Gleichheitsprinzip verstieße.
Wir haben uns bereits bei den Beratungen des ersten Entwurfs die Frage vorgelegt, ob es nicht besser sei, einen anderen als den gesetzlichen Güterstand vorzusehen. Insbesondere stand die Errungenschaftsgemeinschaft im Mittelpunkt der Diskussion. Die Errungenschaftsgemeinschaft bringt sicherlich die Gemeinschaftlichkeit, das gemeinsame Streben in der Ehe, am besten zum Ausdruck. Es bestehen aber auch andererseits erhebliche Bedenken, sie zum gesetzlichen Güterstand zu machen. Diese Frage hat der Herr Bundesjustizminister eben schon in einigen Darlegungen behandelt, und auch in der Begründung des Gesetzentwurfs ist dieser Gedanke sehr eingehend besprochen. Wir werden diese Frage im Ausschuß noch prüfen müssen, insbesondere auch das Problem, ob wir nicht noch weitergehende Bindungen bezüglich dessen, was in der Ehe erworben wird, ins Gesetz einbauen können. Gewiß sieht das Gesetz auch jetzt schon vor, daß dem' Endvermögen - darauf kommt es ja an - gewisse Werte zugerechnet werden. In § 1381 ist ausgeführt, daß z. B. unentgeltliche Zuwendungen, soweit sie nicht einer sittlichen oder gesellschaftlichen Verpflichtung entsprochen haben, zugerechnet werden. Alle Werte, durch die das Vermögen vermindert worden ist infolge vorsätzlicher unerlaubter Handlungen, durch Verschwendung und überhaupt durch alle Handlungen, die in der Absicht vorgenommen worden sind, den anderen Ehegatten zu benachteiligen, werden dem Zugewinn beim Endvermögen hinzugerechnet. An sich genügt auch die in Abs. 2 des § 1381 vorgesehene Frist von zehn Jahren.
Was mich nicht voll befriedigt, ist eben der Umstand, daß bei dem Güterstand des Zugewinnausgleichs lediglich bei der Auflösung der Ehe - bei dem Tod des einen Ehegatten oder bei der Scheidung - ein obligatorischer Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns gegeben ist. Ich möchte erreichen, daß die Frau bereits während der Ehe besser gestellt wird und unmittelbare Rechte
an demjenigen, was während der Ehe erworben worden ist, erhält. Ich kann mich nicht damit befreunden, daß ein Ehegatte bei der Verteilung des Zugewinns dadurch bevorzugt werden soll, daß er eine sogenannte Risikoprämie - ein Viertel des Mehrbetrags nach § 1385 - vorwegerhält.
({13})
Auch diese Frage wird im Ausschuß sehr eingehend zu prüfen sein.
Ich will von weiteren Darlegungen absehen und möchte nur noch zum Entwurf der SPD, der an sich auf dem gleichen Grundsatz aufgebaut ist, bemerken, daß dieser ja auch den Ehegatten weitgehende Rechte in bezug auf die Errungenschaft w ä h r e n d des Bestehens der Ehe geben will. Sie haben also dieselbe Empfindung, die ich eben geäußert habe, daß man schon während der Ehe der Ehefrau weitergehende Rechte bei der Verfügung über die Errungenschaft geben muß. Ob aber dabei der Weg, der nach § 10 Ihres Entwurfs eingeschlagen werden soll, der richtige ist, bedarf eingehendster Überlegung. Ich habe im Interesse der Sicherheit und der Leichtigkeit des Rechtsverkehrs erhebliche Bedenken dagegen, daß man einem der Ehegatten ein auf einen Monat ausgedehntes Widerspruchsrecht gibt. In dieser Zeit bleibt das Geschäft in der Schwebe, es kann nicht durchgeführt werden, und die Rechtssicherheit ist dann nicht gewahrt. Nach Ihrem Entwurf schließt sich eventuell ein langjähriges gerichtliches Verfahren an, und das Geschäft bleibt so lange in der Schwebe. Das ist nach meiner Meinung nicht tragbar. Ich verkenne nicht, daß Sie auch vorgesehen haben, daß das Widerspruchsrecht nicht bestehen soll, wenn ein Ehegatte, der ein selbständiges Erwerbsgeschäft betreibt, eine Verfügung vornimmt, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Auch wenn in diesem Falle ein Widerspruch schlechthin ausgeschlossen sein soll, wird aber streitig werden können: ist das eine Forderung, ist das eine Verfügung, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt? Und dann wird Widerspruch eingelegt, und dann geht das gerichtliche Verfahren los. Es ist nach meiner Meinung in der heutigen Zeit nicht mehr praktikabel, daß Geschäfte so lange in der Schwebe bleiben sollen.
Der Herr Bundesjustizminister hat mit Recht auch darauf hingewiesen, daß die Übergangsbestimmungen eine, wie ich sagen möchte, erhebliche Verbesserung erfahren haben. Die Eheleute, die unter einem anderen Gesetz geheiratet haben, sollen jetzt nicht mehr kraft Gesetzes gezwungen werden, sich der neuen Regelung zu unterwerfen. Wenn es ihrem Wunsche entspricht, können sie ihr bisheriges Güterrecht beibehalten. Darin sehe ich einen ganz erheblichen und begrüßenswerten Fortschritt.
In der Denkschrift, die die SPD ihrem Gesetzentwurf beigegeben hat, wird auf Seite 40 ausdrücklich bemerkt, die unverheiratete Frau habe die Gleichberechtigung praktisch durchgesetzt. Weiter heißt es dort:
Die verheiratete Frau darf sich von diesen Argumenten nicht abhalten lassen, das gleiche zu tun. Alle Vorschläge zur Erfüllung des Gleichberechtigungsgrundsatzes werden zugleich der Erfüllung des Art. 6 des Grundgesetzes dienen, der die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Denn
({14})
wenn man die verheiratete Frau rechtlich schlechter stellt als die unverheiratete, so setzt man das Institut der Ehe herab.
Auch hier wird also anerkannt, daß die praktische Durchführung der Gleichberechtigung vornehmlich ein Problem der verheirateten Frau, also ein Problem der Ehe, der Familie, ist. Nur glauben wir, diese Logik unbedingter Gleichstellung der unverheirateten und verheirateten Frau nicht ganz mitmachen zu können. Die Ehe schafft nach unserer Auffassung etwas Neues. Sie fordert von beiden Partnern, vom Mann und von der Frau, Einordnung, Verzicht und Opfer im Interesse der Ehe und ihrer natürlichen Fortentwicklung, der Familie.
Ehe und Familie sind durch die Zeitverhältnisse sehr gefährdet. Deshalb wird auch im Zeichen der Gleichberechtigung nichts geschehen dürfen, was Ehe und Familie noch mehr gefährden kann. Der Herr Bundeskanzler hat zu diesem Problem in seiner Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 Ausführungen gemacht, die ich wegen ihrer Bedeutung hier noch einmal wörtlich wiederholen möchte:
Die ganze Entwicklung unserer Zeit ist der
Gründung einer gesunden Familie abträglich.
Es handelt sich dabei nicht nur um ein moralisches Problem; es wirken viele Umstände zusammen. Dieser Entwicklung durch eine zielbewußte Familienpolitik entgegenzuwirken, ist
ein wesentliches Anliegen der Bundesregierung; denn nur so kann auf natürliche Weise
den Gefahren gesteuert werden, die sich aus
der jetzigen Lage für das Volksganze ergeben.
Das Gewicht, das die Bundesregierung den bezeichneten Aufgaben beimißt, kommt darin
zum Ausdruck, daß ein Ministerium gebildet
wird, das sich eigens nur ihrer annimmt.
Auch wir begrüßen in diesem Zusammenhang nochmals die Bildung des Familienministeriums. Auch bei der Durchführung der Gleichberechtigung geht es uns um die Sicherung von Ehe und Familie. Dem steht eine recht verstandene Gleichberechtigung auch nicht entgegen. In Ehe und Familie findet das Wesen der Frau die volle Erfüllung, Vollendung und Krönung. Ihre Arbeit und ihr Wirken im Haushalt und in der Erziehung der Kinder ist ebenso wesentlich für den Bestand der Ehe und Familie wie die Tätigkeit des Mannes im Berufs-
und Erwerbsleben, durch die er sich und der Familie die materielle Existenzgrundlage schafft. Deshalb wird es unser vornehmstes Anliegen sein müssen, diesem Wirken der Frau, und zwar um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen, auch die materielle Anerkennung und Bewertung zuteil werden zu lassen, die bei der Berufstätigkeit des Mannes selbstverständlich ist, indem auch die Frau, die dem Mann durch ihre häusliche Tätigkeit das volle Auswirken seiner Arbeitskraft draußen „im feindlichen Leben" ermöglicht, an dem Ertrag dieses „Schaffens und Strebens" entsprechend beteiligt wird. Hier lag die wirkliche Benachteiligung der Hausfrau im bisherigen Rechtssystem. Hier muß die Gleichberechtigung sich auswirken und zu einer Verbesserung der Stellung der Frau führen, die sie gleichberechtigt auch an dem materiellen Ergebnis des gemeinsamen Wirkens des Mannes und der Frau, des Mannes im Erwerbsleben, der Frau im Haushalt und in der Familie, teilhaben läßt. Damit stärken und festigen wir Ehe und Familie. Diesem Ziel zu dienen, wird unser Bemühen bei der Mitarbeit an diesen Gesetzentwürfen sein.
Ich beantrage namens meiner Fraktion, die Gesetzentwürfe an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu verweisen.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dehler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für mich eine Art familienrechtliche Verpflichtung, eine Vaterspflicht, wenn ich Ihnen meinen Sprößling, meinen Entwurf eines Familienrechtsgesetzes vorstelle und Ihrer Huld empfehle, wenngleich es ein Kind der Vernunft und nicht ein Kind der Liebe ist.
({0})
Es ist ein nasciturus und hat trotzdem schon einen Leidensweg hinter sich: im Kabinett, im Bundesrat, im Bundestag. Herr Kollege Weber meint, man habe im ersten Bundestag nicht entscheiden können, die Zeit sei zu knapp gewesen. Nun, wenn die Dinge so gelaufen wären, wie ich es für richtig gehalten habe und wie ich es erwarten konnte, hätte man entscheiden können. Auch der Bundestag hätte noch entscheiden können; denn der Entwurf war, glaube ich, ausgereift; er war gut. Der strittigen Fragen waren wenige. Man hätte diese strittigen Fragen entscheiden müssen. Aber man ist der Entscheidung ausgewichen.
({1})
Wir wollen uns doch nichts vormachen. Die Dinge sind doch in aller Öffentlichkeit dargelegt worden: ein Kampf um die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, des Grundsatzes, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind.
Es ist nicht ohne geschichtliche Ironie, wenn mein Freund Neumayer heute seinen Entwurf zur Ausführung dieses Grundsatzes vorlegt und wenn ich als Bundesjustizminister des ersten Kabinetts damit befaßt war. Denn wir, die Freien Demokraten, waren im Parlamentarischen Rat - nun, ich will einmal sagen - keine fanatisierten Anhänger dieses Grundsatzes; das will ich doch bekennen. Vielleicht haben wir politischer gedacht als andere. Wir sahen für unser Volk andere Sorgen, wir hatten ein gewisses Gefühl für die Rangfolge der politischen Aufgaben, wenngleich wir uns durchaus bewußt waren, wie sehr unser Familienrecht reformbedürftig ist. Aber wir haben uns fair dem verfassungsrechtlichen Gebot unterzogen, und diese Verpflichtung, meine Damen und Herren, steht auch vor Ihnen. Der Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt", steht ja nicht isoliert. Es bedurfte dieses Grundsatzes nicht. Er ist in dem Abs. 3 des gleichen Artikels schon enthalten, der verbietet, daß Männer und Frauen nur ihres Geschlechtes wegen vom Gesetzgeber verschieden behandelt werden, der also die personelle Differenzierung nur des Geschlechtes wegen ausschaltet. Schon dieser Grundsatz führt zu der gleichen verfassungsrechtlichen Verpflichtung, alles auszumerzen, was die Frau ihres Geschlechtes wegen rechtlich mindert.
Selbstverständlich untersteht dieser Gleichberechtigungsgrundsatz dem Gleichheitsgrundsatz, dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetze, also dem Grundsatz, daß der Gesetzgeber Gleiches gleich und Verschiedenes nach seiner Eigenart, also Ungleiches ungleich behandeln muß. Es widerspricht also in keiner Weise dem Grundsatz der Gleichberechti({2})
gung von Mann und Frau, daß der Gesetzgeber die natürliche Verschiedenheit der Geschlechter und die sich daraus ergebenden funktionellen Unterschiede berücksichtigt. Das ist selbstverständlich, es ist ein Ausfluß des Gleichheitsgrundsatzes. Der Gesetzgeber hat sogar die Pflicht, diesen Unterschied zu berücksichtigen. Aber, meine Damen und Herren, es ist keinesfalls möglich, den Gleichberechtigungsgrundsatz dadurch auszuhöhlen, daß man etwa sagt: Selbstverständlich muß man die Frau als ebenbürtige, als gleichwertige Gefährtin anerkennen, aber deswegen braucht man sie nicht im Recht gleichzustellen. Wer so verfährt, der will den Gleichberechtigungsgrundsatz contra legem auslegen.
Gerade nach dem, was mein verehrter Herr Kollege Weber gesagt hat, ist es notwendig, festzustellen, daß es nicht denkbar ist, den Gleichberechtigungsgrundsatz vom Standpunkt der religiösen und der kirchlichen Auffassung über das Wesen der Ehe zu ändern. Der Staat, der Gesetzgeber, kann sich nicht die Aufgabe stellen und kann auch nicht verpflichtet werden, die Ehe als göttliche Schöpfungsordnung zu sichern.
({3})
Es obliegt ihm lediglich, die Ehe und die Familie als gesellschaftliche Ordnung zu gewährleisten. Es wäre eine Überforderung des Gesetzgebers, ich meine, es wäre auch eine unerträgliche Ausweitung der Macht des Staates, wenn die sakramentale Bindung der Ehe durch weltliches Gesetz sanktioniert werden sollte.
({4})
Es wäre auch eine Entwertung der religiösen und kirchlichen Ordnung, wenn sie des Zwanges des staatlichen Gesetzgebers bedürfte.
({5})
Ich sage das betont, meine Damen und Herren, und ich meine: mit dieser Feststellung sind die Erwägungen, die obligatorische zivile Trauung zu beseitigen oder die Ehescheidung dem kirchlichen Gesetze zu unterstellen und dadurch auszuschließen oder zu beschränken, unvereinbar. Diese Erwägung gilt auch für die Frage, ob der Gleichberechtigungsgrundsatz an der göttlichen Ordnung, an dem ius divinum naturale, an dem göttlichen Naturrecht, scheitere, da er für einen Christen nur insoweit verbindlich sein könne, als er mit der christlichen Ordnung vereinbar sei. Mein Standpunkt: Der Gesetzgeber beeinträchtigt die christliche, die göttliche Ordnung nicht, er berührt sie nicht; er regelt nur die weltliche Ordnung im Recht.
({6})
Der Satz der Gleichberechtigung von Mann und Frau verträgt überhaupt keine außerrechtliche Auslegung. Er ist logisch klar. Es handelt sich ausschließlich um die rechtliche Auslegung dieses Satzes. Deswegen stimme ich auch dem Antrag des Herrn Kollegen Weber zu, diese Vorlage nur dem Rechtsausschuß, nicht etwa einem Sonderausschuß zu überweisen.
({7})
Es geht mir um Rechtsfragen.
Der Satz wird nach meiner Meinung auch nicht durch den Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes eingeschränkt, durch die dort festgelegte Schutzgarantie für Ehe und Familie. Es ist also nicht möglich, von diesem Grundsatz aus, sozusagen durch die Hintertür, etwa die patriarchalische Hierarchie für die Ehe wiedereinzuführen. Die beiden Grundrechte, die Gleichberechtigung und der Schutz der Ehe und Familie, sind dazu bestimmt, zusammen der Ehe und der Familie zu dienen und sie zu fördern. Da liegt die Grenze: die Verwirklichung der Gleichberechtigung darf nicht zum Schaden der Familie führen.
Ich kann es mir ersparen, auf Einzelheiten einzugehen. Was mein Freund Neumayer vorgetragen hat, deckt sich weitgehend mit meinen Anschauungen. Mein Entwurf hat in seiner Bearbeitung noch in vielen Punkten eine Verfeinerung, eine Verbesserung erfahren. Ich will nur die strittigen Punkte hervorheben.
Es ist die Frage, ob dem Mann noch ein Vorrang in der Ehe zugebilligt werden kann, ob ein Entscheidungsrecht des Mannes mit dein Grundsatz der Gleichberechtigung vereinbar ist. Ich beantrage, § 1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches ersatzlos zu streichen. Ich halte ihn nicht für vereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz. Ich halte es für ausgeschlossen, zu sagen, aus der funktionellen Verschiedenheit der Geschlechter müsse man dazu kommen, den Vorrang des Mannes wieder festzulegen. Die Wunschvorstellungen sind hier völlig gleichgültig. Hier bindet das Grundgesetz, das eben die Gleichberechtigung fordert.
({8})
- Ändert in diesem Punkte gar nichts! Auch das, was Sie zitiert haben, läßt sich nicht dahin deuten. W i r sind der Gesetzgeber! Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann für uns wertvolles Material sein,
({9})
aber nicht mehr! Wir sprechen hier ex cathedra. Auch hier haben wir nicht nur das Recht, sondern die Verpflichtung, die Dinge zu benennen, wie sie sind.
({10})
Meine Damen und Herren, wenn man wieder zur Vorstellung des Patriarchats zurückkehrt - das tut man im § 1354 des Entwurfs -,
({11})
- das ist doch eine Fiktion! Es ist ja nicht wahr, daß im Leben das Patriarchat gilt. Jeder von uns ist bestimmt durch die Erfahrungen seiner Jugend, durch das Bild, das seine Mutter gab. Die Ehe meiner Eltern - von seiner eigenen Ehe spricht man ja besser nicht ({12})
war das Musterbeispiel eines Matriarchats. Nun habe ich das Glück gehabt, eine besonders kluge, temperamentgeladene und willensstarke Mutter zu haben.
({13})
Sie war eine kleine Königin in ihrem Bereich. Es war in einer kleinen Stadt, wir hatten Landwirtschaft, Brauerei, Gastwirtschaft und Metzgerei. Da mußte geherrscht werden,
({14})
({15})
und alle Entscheidungen hat doch meine kluge Mutter getroffen, doch selbstverständlich.
({16})
Natürlich war sie so gescheit, am frühen Morgen zu sagen: Ich habe heute nacht mit dem Vater gesprochen,
({17})
und er hat gesagt: - -! Ich habe einmal - als Lösung des Problems des § 1354 - das kühne Wort gesprochen: „In einer guten Ehe herrscht die kluge Frau. Wenn die Frau dumm ist, ist es eh' ein Unglück!"
({18})
Ich glaube, man kann ernstlich gar nicht darüber debattieren, daß § 1354 nicht haltbar ist und fallen muß.
Das Problem des § 1628, die Frage der Ausübung der elterlichen Gewalt, ist schwieriger. Ich habe in meinem Entwurf die Fassung beibehalten, die vorsieht, daß der Vater im Interesse der Kinder letztlich entscheiden kann. Aber das Problem, meine Damen und Herren, ist gar nicht einfach; es ist aus tatsächlichen Gründen nicht einfach und auch aus rechtlichen Gründen schwierig. Denn tatsächlich ist es doch so, daß die Mutter biologisch dem Kinde nähersteht und daß die Erziehung des Kindes das ureigenste Gebiet der Mutter ist, und rechtlich ist es eben auch kompliziert. Man kann der Meinung sein, daß im Verhältnis der Ehegatten zueinander nicht unbedingt eine Entscheidungskompetenz im Streitfall geschaffen werden muß, daß es also nicht richtig ist, daß Fragen zwischen den Ehegatten gelöst werden müsse n. Wenn sie sie nicht lösen, dann ist es ihr Schicksal. Auf jeden Fall löst sie nicht der Gesetzgeber, sondern sie werden gelöst aus der Stärke und der Kraft der Persönlichkeiten der Ehegatten. Es wäre falsch, zu meinen, daß der Staat die Aufgabe habe, in diese letzte menschliche Gemeinschaft hineinzugreifen; er kann doch nur verderben und stören.
Anders bei dem Verhältnis der Eltern zu den Kindern! Hier muß eine Entscheidungskompetenz geschaffen werden. Zunächst der Gedanke: nun, wenn einer entscheiden soll, dann der Vater! Aber gerade die Aussprache mit meiner sehr verehrten Kollegin D r. Lüders, die den Dingen ja eine Lebensarbeit gewidmet hat, hat mich schwankend gemacht; es ist durchaus zu erwägen, ob man nicht eine Entscheidungszuständigkeit außerhalb der Familie im Fall nicht zu überbrückender Gegensätze zwischen den Eltern schaffen muß. Ich halte es für tragbar, eine Regelung in der Form zu schaffen, daß beide Eltern die Möglichkeit haben, das Vormundschaftsgericht anzurufen, aber nicht für eine sachliche Entscheidung, sondern damit das Vormundschaftsgericht bestimmt, welcher Elternteil in einem bestimmten Fall die Entscheidungsmacht haben soll.
({19}) Dabei müßte der Vormundschaftsrichter sich vor Augen halten, der Wille welchen Elternteils wohl dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Bitte, ich will keine schlüssige Beantwortung dieser Frage geben, sondern Ihnen nur das Problem, das ein echtes menschlich-familiäres und ein echtes Rechtsproblem ist, aufzeigen.
Im übrigen will ich mich in die Einzelheiten des Familienrechtsgesetzes nicht verlieren. Das wird Sache der Auseinandersetzungen in den Ausschüssen sein.
Sie wissen, daß mein Entwurf entsprechend dem früheren Regierungsentwurf neben der Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau noch das Ziel verfolgt, allgemein die Rechtseinheit auf dem Gebiete des Familienrechts wiederherzustellen, also alle Gesetze und Verordnungen, die seit 1933 ergangen sind, zu bereinigen und wieder in das BGB einzufügen, alle Landesgesetze, die seit 1945 ergangen sind, aufzuheben.
({20})
Diese Aufgabe ist hinsichtlich der anderen Teile des BGB schon erfüllt, und sie macht hier gar keine Mühe. Ich halte es für selbstverständlich, daß das jetzt geschieht.
Ein besonderes Problem ist die Frage, ob das Ehegesetz in das BGB eingefügt werden soll. Sie wissen, daß es auf der Grundlage des Gesetzes vom Jahre 1938 vom Kontrollrat als Kontrollratsgesetz Nr. 16 im Jahre 1946 wieder veröffentlicht worden ist.
({21})
Ich halte die Voraussetzungen für eine Reform unseres Eherechts nicht für gegeben; ich halte sie auch nicht für notwendig.
({22})
Die Angriffe gegen den sachlichen Inhalt dieses Gesetzes sind nicht begründet. Es besteht gar kein Bedenken, diese Bestimmungen in das BGB wieder einzufügen.
({23})
Ich bin auch der Meinung, daß die Konkordatsverpflichtungen, die bestehen oder bestehen mögen, nicht hindern, diesen Akt zu vollziehen. Kollege Weber hat schon erwähnt, daß ich die Änderung einer gesetzlichen Bestimmung zugunsten der Frau erstrebe, der Bestimmung über die Scheidung nach dreijähriger Heimtrennung. Meistens handelt es sich dabei um den Fall, daß der Mann nach langer Ehe eine reizvollere, jüngere Partnerin findet, seine schuldlose Gattin leid ist und sich von ihr trennen will. Ich bin der Meinung, daß entsprechend der tatsächlichen Rechtsprechung, die sich durchgesetzt hat, ein solches Scheidungsbegehren an dem Widerspruch des schuldlosen Ehegatten scheitern muß.
({24})
Zum Schluß vielleicht doch noch einmal ein Wort der Mahnung, an die Grenzen der Macht des Gesetzgebers zu denken. Die Beziehungen zwischen Mann und Frau sind, glaube ich, seit der Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies in Unordnung, und Sie werden nicht glauben, meine Damen und Herren, daß wir sie durch ein Gesetz ins Lot bringen. Die Fragen, die es hier zu klären gilt, sind sehr mannigfache: wirtschaftliche und soziale Ordnung, wirksame gesellschaftliche Festigung der Ehe. Immer müssen wir es als großen Gewinn erachten, daß die Ehe im Sturm dieser Zeit - gerade die Ehe, die besonders gefährdet war - sich als viel standhafter erwies, als wir alle gemeint haben.
({25})
({26})
Aber wir wollen doch eingedenk sein, meine Damen und Herren, daß der Gesetzgeber an das Fundament der Ehe nicht herankommt,
({27})
nicht an das sakramentale Fundament und auch nicht an das andere.
Vielleicht darf ich Ihnen zum Abschluß eine nette Geschichte aus der Beratung des Unterausschusses des ersten Bundestages erzählen. Da hat man sich damit befaßt - man war ja sehr gründlich -, welche Pflichten die Ehegatten haben: sie sind verpflichtet zur ehelichen Lebensgemeinschaft, und sie schulden sich Treue und Beistand. Und die Frage ist aufgetaucht: schulden sie sich auch Liebe? Man hat es ernstlich erwogen und hat am Ende erkannt: Das kann der Gesetzgeber nicht festlegen; denn Liebe ist Gnade.
({28})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Nadig.
Meine Herren und Damen! Wie oft haben wir uns von dieser Stelle aus mit der Neuordnung des Familienrechts im Sinne des Grundgesetzes beschäftigt, ohne daß es möglich gewesen ist, eine Einigung zu erzielen. Wir begrüßen darum, daß der Herr Justizminister die Gesetzesvorlage zu Anfang dieser Legislaturperiode vorlegt. Das schafft Raum für eine gründliche Behandlung der Frage und schafft hoffentlich auch Raum für eine gute Einigung.
In der Zwischenzeit war kein Stillstand. Die Entwicklung ist in bezug auf die Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau vorangeschritten. Die Rechtssituation ist ja heute eine wesentlich andere als vor einem Jahr. Nach Ablauf der im Grundgesetz gesetzten Fristen hat sich nun am 1. April vorigen Jahres die Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann vollzogen. Das ist eine Tatsache, an der nach dem Spruch unseres höchsten Gerichts nicht mehr gedeutelt werden kann. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben inzwischen entschieden, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau geltendes Recht ist. Die Rechtsverwirrung, das Rechtschaos, das befürchtet wurde, ist nicht eingetreten. Das hat soeben auch der Herr Bundesjustizminister bestätigt. Es hat sich gezeigt, daß die Richter der unteren Gerichte schon vor dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts sich bei ihren Entscheidungen auf das Grundgesetz und seine Auslegung stützten. Vom Rechtsstaatlichen her zweifellos erfreulich. Aber ist darin nicht auch eingeschlossen, daß in der öffentlichen Meinung schon jetzt gleiches Recht zwischen Mann und Frau stärker akzeptiert wird, als man es bei der CDU/CSU wahrhaben will?
({0})
Wir Sozialdemokraten halten es für richtig, daß der heute vorgelegte Entwurf die Neuordnung des Ehescheidungs- und Eheschließungsrechts nicht mit aufgenommen hat. Der FDP-Entwurf bringt zwar Vorschläge für diese Neuordnung; wir sind aber der Meinung, daß wir uns an die Aufgabe, die uns durch das Grundgesetz gestellt ist, halten müssen und nicht darüber hinausgehen dürfen, d. h. daß wir uns auf die Neuordnung der Gesetzesbestimmungen beschränken müssen, die dem gleichenRecht von Mann und Frau entgegenstehen. Wir sind überzeugt, daß die Nichteinbeziehung des Ehescheidungs- und Eheschließungsrechts auf die Öffentlichkeit nur beruhigend wirkt, haben doch die Verlautbarungen des Herrn Familienministers über die Änderung des Ehescheidungsrechts und die Abschaffung der Zivilehe sehr viel Unruhe in die Bevölkerung getragen.
({1})
Ich unterstreiche die Grundsätze, die der Herr Kollege Dehler soeben zu diesen Fragen ausgeführt hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat durch seinen Rechtsspruch eine Reihe von Fragen klargestellt. In eingehender Begründung ist dargelegt, daß alles dem Art. 3 GG entgegenstehende bürgerliche Recht auf dem Gebiet von Ehe und Familie mit dem 1. April 1953 außer Kraft gesetzt ist. Damit ist aber auch eine Wiederaufhebung des gleichen Rechts zwischen Mann und Frau unmöglich gemacht. Ich erinnere an die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts über die Gesetzgebung. Der Art. 3 GG ist ein Teil der einklagbaren Grundrechte. Wenn in Zukunft der Gesetzgeber den Spruch des Bundesverfassungsgerichts nicht beachtet, kann jede Frau, die sich in ihrem Grundrecht benachteiligt fühlt, sich der Verfassungsbeschwerde bedienen. Glauben Sie, meine Herren und Damen, daß das Hohe Haus einen solchen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit, wie ihn der jetzige Regierungsentwurf darstellt, auf sich nehmen könnte?
({2})
Damit würden wir das in unseren jungen Staat gesetzte Vertrauen aufs stärkste untergraben. Es würde dazu führen, daß in diesem Hause wohl von der Rechtsstaatlichkeit gesprochen, aber nicht nach ihren Grundsätzen gehandelt wird.
({3})
Aus diesem Grunde ist der uns vorgelegte Gesetzentwurf, der so stark von dem gleichen Recht zwischen Mann und Frau abweicht, nicht tragbar, und darin unterscheiden wir uns, Herr Bundesjustizminister, von Ihrer Auffassung, die Sie vorhin darlegten.
Da ist zunächst das so umstrittene ehemännliche Entscheidungsrecht, das schon in den alten Entwürfen der Regierung aufgeführt war. Es mag ja nicht ganz leicht für den Ehemann sein, auf das, was er seit Jahrhunderten als sein verbrieftes Recht ansah, zu verzichten. Aber ist draußen im Laufe der letzten 50 Jahre nicht längst eine Anpassung an gleiche Rechte erfolgt?
({4})
Übersehen wir nicht, daß das ungleiche Recht zwischen Mann und Frau in vielen Fällen die Ursache der Ehekonflikte gewesen ist! Es ist ein sehr großer Unterschied, ob die Überlegenheit des Ehemannes auf seinen geistigen und charakterlichen Fähigkeiten beruht oder ob ihm die Entscheidungskraft durch das Gesetz übertragen ist. Der Überlegene wird fast immer stillschweigend anerkannt. Ich bin der Überzeugung, daß das gesetzlich verankerte mindere Recht der Ehefrau sich nur zerstörend auf die Ehe auswirken wird. Die Frau wird in die Rolle der Zerstörerin auch viel zu leicht gedrängt, weil sie immer wieder auf den
({5})
Klageweg verwiesen wird. In § 1354 des Regierungsentwurfs wird in gewundener und widerspruchsvoller Weise an dem Entscheidungsrecht des Mannes in Ehe und Familie festgehalten.
({6})
Die jetzige Fassung geht noch weiter als die im ersten Regierungsentwurf, der immerhin noch die Einschränkung enthielt, daß jeder Ehegatte auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des andern Rücksicht zu nehmen habe. Die jetzige Formulierung besagt, daß die Ehegatten alle Angelegenheiten, die das gemeinschaftliche Eheleben betreffen, im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln haben, daß aber der Mann entscheidet, wenn beide sich bei Meinungsverschiedenheiten nicht einigen können. Es ist zwar gesagt, daß er auf die Auffassung der Frau Rücksicht zu nehmen habe, und wenn seine Entscheidung dem Wohle der Familie nicht entspricht, so soll sie für die Frau nicht bindend sein. Sehr interessant! Widerspricht seine Entscheidung dem Wohle der Familie - nicht: dem Wohle der Frau! -, dann ist die Entscheidung des Mannes für die Frau nicht verbindlich. Es ist jedoch durchaus denkbar, daß der Mann Entscheidungen trifft, die die Frau oft tief verletzen, die aber mit dem Wohle der Familie nicht oder kaum zusammenhängen.
({7})
Die Frau hat nicht die Möglichkeit, sich gegen solche Entscheidungen zu wehren. Außerdem kann die Frau die Feststellung, daß die Entscheidung des Mannes dem Wohle der Familie widerspricht, nur über einen langwierigen Klageweg erwirken. ) Der § 1354 im jetzigen Regierungsentwurf wird in den kranken Ehen zweifellos dazu führen, der Frau in ungerechter Weise den Willen des Mannes aufzuzwingen. Diese Regelung hat mit dem gleichen Recht zwischen Mann und Frau nichts zu tun und widerspricht dem Grundgesetz.
Der FDP-Entwurf hat den so umstrittenen § 1354 gestrichen, eine Auffassung, der man eventuell zustimmen kann.
In dem von der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegten Entwurf heißt es:
Die Entscheidung in allen das eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten wird von den Ehegatten gemeinsam getroffen.
Wir glauben, daß an dieser Stelle die Gemeinschaft, die die Ehe darstellt, besonders betont werden sollte, und - damit gehe ich mit Ihnen einig, Herr Kollege Weber - auch wir sind der Meinung, daß das Eingehen der Ehe beiden Ehegatten Verpflichtungen auf Anpassung auferlegt.
({8})
Beide Ehegatten haben sich eben in die Gemeinschaft einzuordnen.
Die gleichen Verstöße gegen das Grundgesetz und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts enthält die jetzige Regelung der elterlichen Gewalt im Regierungsentwurf. Aber auch im Entwurf der FDP ist der Stichentscheid des Vaters enthalten. Praktisch ist hier dieselbe Regelung, wie sie im ersten Regierungsentwurf verankert war, wieder aufgenommen. Das ist um so verwunderlicher, als diese Regelung in der Öffentlichkeit sehr stark diskutiert und abgelehnt worden ist. Der § 1627 spricht von der elterlichen Gewalt. Aus den folgenden §§ 1628 und 1629 ergibt sich aber eindeutig, daß es sich nur um eine väterliche Gewalt handelt. Bei Meinungsverschiedenheiten entscheidet der Vater. Er hat die letzte Entscheidung über Erziehungs- und Berufsfragen der Kinder zu treffen. Dazu kommt noch, daß das Recht der Vertretung des Kindes ausschließlich dem Vater übertragen ist. Wie lebensfremd ist diese Regelung!
({9})
In der Praxis wird in unzähligen Fällen die Vertretung durch die Mutter vorgenommen.
({10})
Das, was sie täglich tut, will der Gesetzgeber ihr vorenthalten; nur weil wir vor Jahrhunderten im Patriarchat lebten
({11}) .
und damals der Mann der souverän, allein entscheidende Teil war, glaubt er auch heute noch seinen Herrschaftsanspruch geltend machen zu müssen.
({12})
Daß sich inzwischen grundlegende Wandlungen vollzogen haben, will man nicht wahrhaben. Die heutige Frau und Mutter steht selbständig und verantwortungsvoll im Staats- und Wirtschaftsleben. War es nicht diese Frauengeneration, die durch ihre körperliche und geistige Leistung mit dazu beitrug, unseren staatlichen Zusammenbruch zu überwinden? Jahrelang haben die Frauen die elterliche Gewalt und die elterlichen Pflichten allein ausüben müssen.
({13})
Daß der Gesetzgeber jetzt der Mutter die Rechte
über ihre Kinder vorenthalten will, ist nicht nur
kurzsichtig, sondern auch nicht zu verantworten.
({14})
Die Frauenwelt wehrt sich gegen die hier vorgesehene Regelung
({15})
- ein sehr erheblicher Teil! -,
({16})
das Entscheidungsrecht und die elterliche Gewalt weiterhin dem Manne zu übertragen. Ich habe eine Fülle von Zuschriften und Eingaben von Frauenverbänden und Einzelpersonen erhalten,
({17})
die sich alle für gleiches Recht zwischen Mann und Frau aussprechen. Glaubt das Hohe Haus, den Willen dieser Wählerinnen mißachten zu können?
({18})
Die Rechtsprechung hat seit dem 1. April 1953 den Grundsatz vertreten, daß beide Elternteile die elterliche Gewalt gemeinsam ausüben. Der SPDEntwurf hat diese Regelung aufgenommen und schlägt für § 1627 folgende Fassung vor:
({19})
Beide Eltern haben gemeinschaftlich kraft der elterlichen Gewalt das Recht und die Pflicht, für die Person und das Vermögen des Kindes zu sorgen.
Sie haben beide das Recht der Vertretung des Kindes. Be; Meinungsverschiedenheiten soll auf Antrag eines Elternteils das Vormundschaftsgericht entscheiden können.
({20})
Wir glauben, daß durch die Möglichkeit, das Vormundschaftsgericht anzurufen, allen echten Belangen Rechnung getragen ist. Wesentlich ist bei dieser Regelung, daß vom gleichen Recht zwischen Mann und Frau ausgegangen wird. Ich halte den Vorschlag des Herrn Kollegen Dehler durchaus für tragbar, daß man hinzusetzt: Das Vormundschaftsgericht soll nur die Meinung eines Elternteils, die dem Wohle des Kindes am besten entspricht, für Recht setzen können.
Die Regelung des Regierungsentwurfs bedeutet, daß die Rechtsentwicklung, die sich seit dem 1. April 1953 auf dem Gebiet der elterlichen Gewalt vollzogen hat, rückgängig gemacht wird, - ein glatter Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Diskussion um das Entscheidungsrecht des Mannes und Vaters wird immer wieder auf das Geleise des Ideologischen und Weltanschaulichen geschoben. Darum geht es aber nicht; das führt auch immer wieder zu Verwirrungen auf diesem Gebiet. Es handelt sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in erster Linie um ein Rechtsproblem. In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig festgelegt, daß der Gleichberechtigungsartikel im Grundgesetz nicht nur ein politisches Programm, sondern eine echte Rechtsnorm darstellt.
Bei den Pflichten hat es der Regierungsentwurf viel besser verstanden, nach dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung die Frau heranzuziehen. Der § 1360 legt die Unterhaltspflicht beider Ehegatten gegenüber der Familie fest, besagt aber, daß die Frau mit der Führung des Haushalts ihre Unterhaltspflicht im allgemeinen erfüllt und eine Erwerbstätigkeit nur dann aufzunehmen hat, wenn die Arbeitskraft des Mannes und das Einkommen aus dem Vermögen beider Gatten für den Unterhalt nicht ausreicht. Wir sind der Meinung, daß hier eine Ergänzung im Sinne des Bundesratsvorschlags durch den Zusatz notwendig ist: „soweit der Frau eine Erwerbstätigkeit zuzumuten ist". So wird die Frau vor einer unnötigen, doppelten Belastung bewahrt. Die Arbeit der Hausfrau ist der Erwerbstätigkeit des Mannes gleichgestellt und als Berufsarbeit anerkannt. Es heißt ausdrücklich, daß .die Frau den Haushalt in eigener Veranwortung führt. Das ist ein Fortschritt, den die Frauen ganz zweifellos begrüßen werden.
Sehr problematisch erscheint es uns aber, die Unterhaltspflicht auf die Verwandten, Eltern und Kinder des andern Ehegatten auszudehnen. Die Frage wird einer eingehenden Beratung im Ausschuß bedürfen.
({21})
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat über das Familienrecht hinaus entscheidende Bedeutung für die Lohnpolitik. Fest steht, daß es sich bei Art. 3 des Grundgesetzes um eine echte
Rechtsnorm handelt, die es verbietet, Mann und Frau aus dem Geschlecht heraus rechtlich verschieden zu behandeln. Tariflich müssen Mann und Frau bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung gleichen Lohn erhalten. Es kommt darauf an, diesen Rechtssatz in die Praxis umzusetzen. In diesem Zusammenhang wende ich mich an die Regierung mit der Bitte, innerhalb ihres Bereichs bei Behörden und Verwaltungen dafür zu sorgen, daß der Rechtssatz, bei gleicher Arbeit und gleicher Leistung den gleichen Lohn zu zahlen, endlich Erfüllung findet.
({22})
Nachdem von unserem höchsten Gericht die Frage des gleichen Rechts zwischen Mann und Frau so eindeutig klargelegt wurde, kann dieser Bundestag nur ein Familienrecht schaffen, in dem ohne Einschränkung gleiches Recht für Mann und Frau verankert ist. Diese Regelung wird wesentlich zur Aufwärtsentwicklung der Ehe und Familie beitragen. Im Parlamentarischen Rat waren alle Parteien der ungeteilten Meinung, daß Mann und Frau innerhalb der Ehe gleiches Recht zuzubilligen sei. Vollziehen wir, was damals eine geschichtliche Notwendigkeit war und was sie heute noch ist, endlich die Grundsätze, die der Parlamentarische Rat im Grundgesetz verankert hat! Das, Herr Weber, wird - davon bin ich ganz fest überzeugt - keine Gefährdung der Familie und Ehe darstellen, sondern ihre Aufwärtsentwicklung mit sich bringen.
({23})
Meine Damen und Herren, es taucht eine geschäftsordnungsmäßig schwierige Frage auf. Es haben sich zwei Bundesminister zum Wort gemeldet.
({0})
In welcher Reihenfolge ich das Wort erteilen soll, ist geschäftsordnungsmäßig nicht festgelegt. Aber federführend ist der Herr Bundesminister der Justiz. Bitte schön!
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich zu den Ausführungen der Kollegin Frau Na d i g nur eine ganz kurze Erklärung abgeben. Frau Nadig ging davon aus, daß § 1360c in dem Entwurf aufrechterhalten worden sei. Das ist nicht der Fall. Der § 1360c, der die Unterhaltspflicht des einen Ehegatten gegenüber den Verwandten und Kindern des anderen Ehegatten regelte, ist im Entwurf weggefallen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Familienfragen.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Regelung der Gleichberechtigung handelt es sich nicht zuletzt auch um Fragen der Familie und ihrer inneren Ordnung. Nachdem das Ministerium für Familienfragen geschaffen ist, dürfte es meine besondere Aufgabe sein, einiges Grundsätzliche vom Standpunkt der Familie her im Laufe der heutigen Aussprache beizutragen. Ich will dabei nicht zur Frage der Ehescheidung Stellung nehmen, weil im Regierungsentwurf die Ehescheidungsfrage nicht behandelt ist und bei der Regie({0})
rung auch nicht die Absicht besteht, diese Frage schon in diesem Gesetz zu regeln.
({1}) Die Gründe dafür sind ja bekannt.
Ich möchte mich bei meinen Ausführungen nicht näher mit einzelnen Vorschriften befassen und auch nicht in parteipolitische Auseinandersetzungen eingreifen. Ich möchte vielmehr versuchen, auf der gewiß allen Mitgliedern dieses Hauses gemeinsamen Grundlage der Bejahung der Familie als Institution einige Gedanken über das Wesen der Familie und ihre heutige Lage zu entwickeln, Gedanken, die auch auf die Auffassungen der beiden christlichen Kirchen abgestimmt sind und von denen ich glaube, daß sie als wesentliche gemeinsame Ausgangspunkte für die zu treffenden Entscheidungen dienen und sie damit erleichtern können. Ich wäre dankbar, wenn meine Darlegungen allseits mit der Bereitschaft zur eigenen inneren Klärung aufgenommen würden, mit der ich mich selbst an dieser Aussprache beteilige.
Zunächst einige Gedanken über das Wesen der Familie.
1. Die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau und der ihnen zur Erziehung anvertrauten Kinder hat einen doppelten Sinn: einmal die eheliche Lebenseinheit von Mann und Frau, sodann als eine wesentliche Aufgabe dieser ehelichen Verbindung die Weckung neuen Lebens und die Erziehung der Kinder. An diesem Wesen der Familie gingen sowohl der Individualismus wie der Staatssozialismus vorbei.
({2})
Der Individualismus sah in Überbetonung des einzelnen nur noch die persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Das Kind lehnte er vielfach ab. Die Folge waren viele kinderlose Ehepaare oder die Zwergfamilie, die auf die Dauer den Bestand eines Volkes in Frage stellen muß. In seiner Blickverengung verneinte der Individualismus häufig nicht nur die biologische Aufgabe der Familie, auch die Ehe schränkte er von der Lebensgemeinschaft auf die bloße Liebesgemeinschaft ein. Die Kameradschaftsehe, die Ehe auf Zeit oder die sogenannte freie Liebe waren Konsequenzen einer solchen Haltung.
Gleichsam als ideologische Gegenbewegung gegen diesen Individualismus sah ein überspitzter Staatssozialismus weithin die ausschließliche Aufgabe der Familie in ihrer bevölkerungspolitischen Funktion.
Die Mißachtung des einzelnen, der seinen Wert angeblich lediglich der Gesellschaft verdankt, und die Mißachtung von zwischenstaatlichen Gebilden wie der Familie, die den Zielen eines omnipotenten Staates irgendwie im Wege stand, führten schließlich - gleichberechtigt mit der Aufgabe der Familie - zur sogenannten Gebärdienstpflicht jedes gesunden Mädchens, wie wir es im Nationalsozialismus erlebt haben. Die Unhaltbarkeit dieser individualistischen und der übertriebenen staatssozialistischen Theorie braucht heute nicht mehr bewiesen zu werden. Soweit diese Theorien praktiziert wurden, sind sie durch die Geschichte widerlegt.
Erinnert sei übrigens auch an die Wandlungen der Familienpolitik in der Sowjetunion von einer rein kollektivistischen Einstellung zur Familie zu einer gewissen Wiederherstellung des Schutzes der Familie als Institution.
2. Ein charakteristisches Merkmal der Familie ist die sich aus der Aufgabenverteilung der Familienmitglieder notwendig ergebende Autorität. Die heutige Scheu vor der Autorität ist verständlich nach den Erfahrungen mit der staatlichen Autorität von 1933 bis 1945. Aber eine geordnete Gemeinschaft ist nun einmal ohne Autorität nicht möglich. Auch die Demokratie bedarf ja der Autorität. Es ist falsch, daß die Würde des Staatsbürgers dadurch gerettet würde, daß er der Staatsgewalt die Anerkennung der Autorität verweigert. Man übersieht dabei, daß Gehorsam gegenüber den Gesetzen gerade dadurch mit der menschlichen Würde vereinbar wird, daß dem Befehlenden Autorität zukommt.
Entsprechendes gilt von der Autorität in der Familie. Wie die Autorität nicht nur dem totalen Staat eigen ist, sondern auch der Demokratie, so ist auch unter Familienautorität nicht nur ihre patriarchalische Form oder gar die hausväterliche Despotie zu verstehen.
Die verschiedenen Bedenken gegen die Autorität als ein wesentliches Merkmal der Familienordnung sind unbegründet. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Ansicht vertreten, daß die Autorität in der Familie, insbesondere in der Erziehung der Kinder, die Ursache für spätere politisch-autoritäre Haltung sei. Das hat sich als falsch erwiesen. Gerade in vielen ländlichen Gegenden, in denen sich der familiäre Patriarchalismus am längsten erhalten hat, sind am wenigsten radikale Gruppenbildungen festzustellen. Die moderne Familiensoziologie lehnt daher diese Angsttheorie als zeitbedingt ab.
Auch das zweite Bedenken, daß die Autoritätsverfassung der Familie gegen die Menschenwürde verstoße, ist unzutreffend. Es beruht auf einem Mißverständnis echter Autorität. Wenn das Familienoberhaupt als Inhaber und Träger der Autorität als Ersatz einer fehlenden Einigung zwischen Mann und Frau entscheidet, so tut er das nicht im eigenen Namen, sondern kraft seines Amtes innerhalb der Familienordnung.
({3})
Der Sinn der Autorität ist Sorge und Verantwortung für das Familienwohl, und sicher mehr eine Pflicht als ein Recht.
({4})
Wir sollten überhaupt den Fehler der französischen Revolution von 1789, immer nur an Rechte zu denken, nicht täglich wiederholen, sondern auch die Pflicht zur Verantwortung sehen, deren Erfüllung den Rechten erst ihre innere Rechtfertigung gibt.
({5})
Einer solchen Autorität, wie ich sie meine, entspricht Vertrauen und Achtung, nicht aber. blinder Gehorsam des anderen Partners. Die Abhängigkeit der Autorität vom Familienamt ergibt sich daraus, daß die Frau selbstverständlich den Platz des Mannes einnimmt, wenn dieser versagt.
({6})
Auch wenn die Autorität selbstsüchtig mißbraucht wird, ist dies kein Argument gegen ihre grundsätzliche Berechtigung. Dasselbe gilt ja auch bei der Staatsautorität.
({7})
({8})
- Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich wäre doch sehr dankbar, wenn wir die grundsätzliche Erörterung dieser Fragen
({9})
mit dem Ernst führen würden, der der Wichtigkeit der Sache als solcher zukommt.
({10})
Einerseits kann in solchen Mißbrauchsfällen der Gehorsam verweigert werden, zum anderen verlangt das Wohl der Familie
({11})
in schwierigen Situationen auch einmal ein Opfer des einzelnen. Nichts wäre falscher, als für solche Gefahrenmomente im Leben der Familie den Staat in Form des Vormundschaftsrichters zu bemühen.
({12})
Wer solches fordert, verkennt die vertrauliche Persönlichkeitssphäre der Familie und die Würde des ehelichen Verhältnisses.
({13})
Die Auffassung, die Familienautorität sei mit der Würde des anderen Ehepartners unvereinbar, hat ihre Ursache darin, daß die individualistische Betrachtungsweise den Sinn für den Ordnungs- und Institutionscharakter der Familie verloren hat. Denn wenn sich in der Familie nur einzelne gegenüberstehen, wird die Autorität nicht mehr aus dem Amte direkt, sondern lediglich aus dem Willen des einzelnen abgeleitet. Der tiefste Grund für dieses
Mißverständnis ist aber wohl darin zu sehen. daß selbst bei Anerkennung der Familienordnung diese Ordnung nicht mehr als naturgegeben angesehen wird.
Die recht verstandene Familienautorität verstößt drittens aber auch nicht gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung. Der Satz, daß alle Menschen gleich seien, wird mißdeutet. Solche Mißdeutung sieht in der Gleichberechtigung nichts anderes als eine schematische Gleichmacherei, Gleichsetzung und Gleichbehandlung. Gleichberechtigung meint, daß Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Daher darf auch der die Gleichberechtigung von Mann und Frau statuierende Art. 3 des Grundgesetzes nur in Verbindung mit Art. 6 des Grundgesetzes, der den besonderen Schutz des Staates für Ehe und Familie fordert, gesehen werden.
Darf ich in diesem Zusammenhang einmal ein interessantes Zitat aus einem Nachbarland anführen, nämlich aus dem französischen Code civil, dessen Art. 213 in der Fassung des Jahres 1942 folgendermaßen lautet:
Der Mann ist das Haupt der Familie. Er übt diese Funktion im gemeinsamen Interesse der Ehe und der Kinder aus. Die Frau wirkt mit dem Manne zusammen, um die moralische und materielle Leitung der Familie sicherzustellen, für ihren Unterhalt zu sorgen, die Kinder zu erziehen und ihnen eine Versorgung zu bereiten. Die Frau vertritt den Mann in seiner Leitungsfunktion, wenn er außerstande ist, seinen Willen kundzutun,
({14})
sei es, daß er dazu unfähig ist, sei es, daß er abwesend ist oder sich entfernt hat, sei es aus irgendeinem anderen Grunde.
Hier sind sowohl der innere Zusammenhang von Ehe und Familie, als auch die für Ehe und Familie verbindliche natürliche Ordnung in vorbildlicher Weise festgelegt. Und dies im bürgerlichen Gesetzbuch des Volkes, das die modernen Freiheits- und Gleichheitsideen geboren hat!
({15})
3. Der Grundirrtum, der dem Individualismus wie dem Staatssozialismus gemeinsam war, bestand darin, daß man glaubte, die Ordnung der Familie willkürlich den Wünschen des einzelnen bzw. des Staates anpassen zu können. Man übersah, daß die Ordnung der Familie in ihrem Wesen, gründend in der Natur von Mann und Frau und ausgestaltet durch die Geschichte vorgegeben ist. Auch die moderne Familiensoziologie begreift heute die Familie nicht nur als eine Gruppe, in der einzelne Personen, nämlich Mann und Frau und Eltern und Kinder, in gegenseitige Beziehung treten, sondern als eine soziale Institution, in der jedes Mitglied seine Aufgaben und seine Verantwortung hat. Die Ordnung der Familie, soweit sie im Wesen von Mann und . Frau sowie der Kinder gegründet ist, wird weder allein durch einen privaten Vertrag zwischen Mann und Frau noch allein durch den Willen des Staates als Gesetzgeber begründet. Der Irrtum des Individualismus bestand eben darin, daß er die gesamte Rechtsordnung privatrechtlich verstand. Das auf dem Gebiet des Privatrechts gültige Prinzip der Vertragsfreiheit, nach dem der Inhalt eines Vertrages ausschließlich vom Willen der Vertragsschließenden abhängt, hat er verabsolutiert. Alle organisch gewachsenen und geschichtlich ausgeprägten Vereinigungen, wie Familie, Stand, Gemeinde sowie die staatliche Gemeinschaft, betrachtete er als Gruppen von Personen, die lediglich im Sinne des bürgerlichen Rechts vertragsmäßig verbunden sind.
Der Ehevertrag ist jedoch nicht nur ein solcher Vertrag. Sein Sinn ist auch der, daß dieser Mann und diese Frau sich darüber einig sind, daß sie beide in der ehelichen Ordnung leben wollen. In einem Gesellschaftsvertrag des bürgerlichen Rechts wird zwar die Ordnung der Gesellschaft in Form der Satzung durch die Gesellschafter festgelegt; im Ehevertrag dagegen wird die Ordnung der Familie nicht mehr festgelegt, da Wesen und Zweck der Familie vorgegeben sind. Dies ist übrigens nicht etwa eine nur von der Katholischen .Kirche vertretene Auffassung, sondern auch die Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche, auf die sich Herr Kollege Weber vorhin bereits bezogen hat. Ich möchte diesen einen Satz aus der Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche vom 22. März 1952 an den Herrn Bundesjustizminister doch wörtlich verlesen. Da heißt es:
Die Ehe ist eine auf der Grundlage der geschlechtlichen Differenziertheit zwischen den Ehegatten geschlossene Gemeinschaft, in. die sie eintreten, ohne über sie zu verfügen.
Darf ich den Herrn Minister für Familienangelegenheiten bitten, an dieser Stelle zu Art. 16 der Straßburger Konvention Stellung zu nehmen, die von der Bundesregierung akzeptiert wird. Darin heißt es:
Männer und Frauen müssen bei der Erziehung, müssen während der Ehe und bei der Auflösung der Ehe gleiche Rechte haben.
Ich sehe keinen Widerspruch zwischen der Auffassung dieser Konvention und dem, was ich hier vortrage.
({0})
Die Wesensordnung der Familie ist aber nicht nur dem einzelnen vorgegeben, sondern auch dem Staat. Auch er darf die Familie nicht seinen augenblicklichen Zwecksetzungen unterordnen, er hat sie vielmehr in ihrem Wesen zu achten und zu schützen. Diese Forderung muß nicht nur einem totalen Staat, sondern auch einer freiheitlichen Demokratie gegenüber erhoben werden. Auch dem Volk als Träger der Staatsgewalt in der Demokratie kann es nicht erlaubt sein, in seinen Gesetzen die Wesensordnung der Familie zu mißachten oder gar zu zerstören. Wenn der Demokratie die Würde des Menschen heilig ist, dann muß sie folgerichtig auch die Gemeinschaftsgebilde achten, die wie die Familie in der Natur des Menschen begründet sind und der Entfaltung seiner Anlagen und Fähigkeiter dienen. Eine Volkssouveränität, die diesen Grundsatz nicht anerkennt, dürfte sich im Grunde nicht von der diktatorischen Staatssouveränität unterscheiden.
Zusammenfassend ist also zu sagen, daß der Wesensbegriff der Familie von individualistischen und staatssozialistischen Mißverständnissen zu reinigen ist, daß die Autorität der Familie wesentlich ist und weder der Würde des Menschen noch dem Grundsatz der Gleichberechtigung widerspricht, und daß die schon vor dem Staat dagewesene Ordnung der Familie weder durch den einzelnen noch durch den Staat willkürlich geändert werden darf. Diese in ihrem Wesen erkannte Familie scheint mir für die Gesellschaft und die Kultur eines jeden Volkes von grundlegender Bedeutung zu sein.
Nun darf ich noch einige Gedanken über die heutige Lage und Entwicklung der Familie anfügen.
Die Familien, die ihre Bewährungsprobe, vor allem in den letzten 20 Jahren, bestanden haben, zeigen überwiegend eine Autoritätsverfassung. Freilich sind gewisse Veränderungen gegenüber der Familienordnung früherer Jahrhunderte nicht zu übersehen. Allgemein läßt sich eine Abwendung von der patriarchalischen Lebensform der Familie feststellen. In gewissen Resten hat sie noch Eingang in das BGB gefunden, soweit dieses nämlich eine unbegründete Schlechterstellung der Frau vorsah. Bei dieser Wandlung geht es aber nur um einen Abbau der väterlichen Gewalt, nicht um deren Aufhebung oder Beseitigung. Nach wie vor liegt heute die Autorität in der Familie beim Manne. Das ist das eindeutige Forschungsergebnis der modernen Familiensoziologie. So weist z. B. Professor Schelsky in seinem 1953 erschienenen Buch „Wandlungen der deutschen Familie in der Gegenwart" darauf hin, daß in der heutigen Familie das natürliche persönliche Gewicht des Mannes durchschnittlich immer noch das der Frau überwiegt. Es ist nicht uninteressant, solches von einem Soziologen zu hören, der Professor an der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg ist. So kommt auch seiner Stellungnahme zum früheren Ehegesetzentwurf, also nicht zur gegenwärtigen Vorlage der Bundesregierung, eine besondere Bedeutung zu. Schelsky sagt da:
;„Mit Bedenken ist die Neigung zu einer ... der Frau vom gesamtgesellschaftlichen Interesse her auferlegten Gleichstellung mit dem Mann heute auch in weniger totalitären Staatssystemen zu bemerken, so z. B. schon, wenn die Reform des Familienrechts in der westdeutschen Bundesrepublik sich vorwiegend von der abstrakten Verfassungsnorm der Gleichberechtigung von Mann und Frau her begründet."
Ich wiederhole: „Mit Bedenken" sieht Schelsky, daß man die Reform des Familienrechts vorwiegend von der abstrakten Verfassungsnorm der Gleichberechtigung her begründet.
Herr Minister, es wird eine Frage gewünscht.
Herr Minister, ich habe eine Zwischenfrage. Sie sprachen eben von Gleichberechtigung und unterschieden begründete und unbegründete Schlechterstellung der Frau im bürgerlichen Gesetz. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie uns einmal sagten, wann die Schlechterstellung der Ehefrau begründet ist; denn dann ist es ja keine Gleichberechtigung mehr.
({0})
Wir werden uns hier schwer über alle Einzelvorschriften unterhalten können.
({0})
Ich möchte Ihnen aber die eine Antwort geben: Wir sind doch alle übereinstimmend der Meinung, daß zahlreiche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, vor allem auch güterrechtlicher Art, geändert werden müssen, um die dem Wesen und der Würde der Frau entsprechende Gleichberechtigung herzustellen. Das schließt aber nicht aus, daß das in der vorgegebenen Familienordnung festgelegte letzte Entscheidungsrecht des Mannes mit den im Gesetz gegebenen Vorbehalten erhalten bleibt.
({1})
Sie räumen also ein, Herr Bundesminister, daß das eine Schlechterstellung der Ehefrau ist, die Sie für begründet erachten.
({0})
Darauf komme ich im weiteren Verlauf noch zu sprechen.
Gut, danke.
({0})
Nein, nein.
Ich darf fortfahren. Daß Professor Schelsky die Bundesrepublik ,als „weniger totalitäres Staatssystem" bezeichnet, wollen wir ihm jetzt nachsehen. Hier ist nur wichtig, daß seine Kritik an den Entwürfen zur Eherechtsreform auf der gleichen Linie liegt, auf der sich auch meine Darlegungen bewegen. Wir müssen jedenfalls der modernen Familiensoziologie dankbar sein, daß sie auf ihre Weise den echten Ordnungscharakter der Familie wieder aufgezeigt hat. Die christlich-abendlän({0})
dische Auffassung von der Ehe könnte kaum wirksamer, als es hier geschehen ist, bestätigt werden.
({1})
Entschuldigen Sie bitte! Wir haben doch auch das Recht, einmal etwas zu sagen!
Frau Abgeordnete
Wolff hat das Wort zu einer Frage an den Redner.
({0})
Meine Herren, werden Sie nicht nervös! Es hat keinen Sinn. Wir wollen uns sachlich aufklären lassen.
({0})
Herr Minister, Sie erklärten in einer Rede in Stuttgart zur Frage der Gleichberechtigung: Wir wollen und müssen für unsere Frauen als Beschützer auftreten, um ihre Würde und höhere Stellung in der Gesellschaft zu decken, damit sie nicht durch solche Verrücktheiten in ein Kollektiv abrutschen, das im Uranbergbau endet.
({1})
- Ja, j a! - Darf ich den Herrn Minister fragen, ob er die Gleichberechtigung der Frau als ein Abrutschen in den Uranbergbau betrachtet?
Ich darf die Antwort auf diese Frage im weiteren Verlauf meiner Ausführungen geben.
({0})
Meine Damen und Herren! Der eben dargelegten Erkenntnis der Familiensoziologie widerspricht es nicht, daß mit dem Schwinden der patriarchalischen Familienreform der Einfluß und die Verantwortung der Frau gewachsen sind, weit über die ohnehin nicht zu unterschätzende Verantwortung für die oft Opfer und Verzichte fordernde Leitung des Hauswesens hinaus. In der Kriegs- und Nachkriegszeit mußte die Frau oft den Mann ersetzen und Aufgaben übernehmen, die dieser bisher wahrgenommen hatte. Ursache war die seelisch gewiß sehr schwer belastende Abwesenheit des Mannes durch Kriegsdienst oder Kriegsgefangenschaft. Aber auch in den Familien, in denen der Mann kriegsversehrt heimkehrte, mußte die Frau viele, ja mitunter alle Aufgaben übernehmen, die an sich dem Manne obgelegen hätten. In Familien, deren Männer im Zuge der politischen Säuberung ihre alte berufliche Stellung verloren hatten und die nun in irgendeinem einfacheren Beruf den Lebensunterhalt verdienen mußten, fielen oft der Frau Aufgaben zu, die bisher der Mann erfüllt hatte, Aufgaben, die sie vielfach in bewundernswerter Weise gelöst hat. Die neuen Funktionen, die die Frau aus allen diesen Grün-fen übernehmen mußte, gaben notwendig ihrer Stellung in der Ordnung der Familie ein besonderes Gewicht. Im Hinblick auf die besonderen zeitbedingten Gründe, die hierzu geführt haben,
kann diesen Wandlungen aber, gemessen an de abendländischen Auffassung von der Familie, kein wesensändernde Bedeutung beigemessen werden.
Die abendländische Auffassung von der Ehe is nämlich gar nicht so patriarchalisch, wie man of annimmt. Tatsächlich betrachtet die abendländisch Auffassung von der Ehe Mann und Frau als gleich wertig, vor allem in ethischer Hinsicht und von der Menschenwürde her. Die Autorität und Entscheidungsbefugnis des Mannes läßt sie ja nicht in der ehemännlichen Willkür, sondern in dessen besonderem Amt und seiner Aufgabe, für das Wohl der Familie zu sorgen, gründen.
({1})
Deshalb kann im Ernstfall, wie es gerade in der Kriegs- und Nachkriegszeiten häufig eingetreten ist, die Frau die Funktionen des Familienober hauptes übernehmen, wenn der Mann dazu nick in der Lage ist.
Diese Grundsätze werden übrigens schon lange auch von den Kirchen immer wieder ausgesprochen. Sie wurden schon zu einer Zeit ausgesprochen, als die ehereformerischen Gedanken erstmals in der Öffentlichkeit laut wurden.
Auch die katholisch-kirchliche Auffassung, der man mitunter eine Überbetonung der Rechte des Mannes vorhält, bestätigt das ganz klar, heißt es doch in der bekannten Ehe-Enzyklika von 1930 wörtlich:
Wenn der Mann seine Pflicht nicht tut, ist es Aufgabe der Frau, seinen Platz in der Leitung der Familie einzunehmen.
Und es heißt weiter:
Sollte in einem Lande die soziale und wirtschaftliche Lage der verheirateten Frau wegen der gewandelten Kulturverhältnisse eine Abänderung benötigen, so ist es Aufgabe der Staatsgewalt, die bürgerlichen Rechte der Gatten den Forderungen der Jetztzeit anzupassen unter Berücksichtigung der Eigenart der weiblichen Natur, der Sittlichkeit, der Ehrbarkeit und des Gemeinwohls der Familie. Die wesentliche Ordnung der Hausgemeinschaft muß jedoch unangetastet bleiben.
Die Angriffe gegen unseren heutigen Entwurf des Familienrechtsgesetzes scheinen mir daher irgendwie unmodern zu sein.
({2})
Soweit sie nicht einer formalistischen Gleichberechtigung das Wort reden, rennen seine Gegner offene Türen ein. Man könnte deshalb annehmen, daß die Urteile auf teilweiser Unkenntnis des wirklichen Sachverhalts beruhen, um den es bei der Reform geht. Kritiker und Kritikerinnen sollten aber doch erkennen, daß sie lediglich gegen eine patriarchalische Eheverfassung ankämpfen, die es heute kaum noch gibt und die auch kein verantwortungsbewußter Politiker mehr mehr will.
Nun lassen Sie mich nochmals gerade hierzu Professor Schelsky zitieren. Ich bitte um Nachsicht, wenn der Professor auch hier etwas schwierig formuliert. Schelsky sagt:
In ihrer Auswirkung wendet sich diese antiautoritäre Familienideologie heute gar nicht mehr gegen den unangemessenen institutionellen Patriarchalismus und die aus der Gesamtgesellschaftsstruktur stammenden Autoritäts({3})
formen in der Familie, sondern gegen die fundamentalen natürlichen Autoritätsquellen und
Verfassungen der kleinen intimen Gruppe ...
Und es heißt dort weiter:
Diese dogmatisch antiautoritäre Familienideologie wird damit bewußt oder unbewußt zum Parteigänger der bürokratischen Herrschaftsgewalten und ihrer abstrakten Autorität gegen die Intimität der Familie und die natürliche Autorität der Person in ihr.
Die Leichtigkeit, mit der mitunter an unserer Familienrechtsreform Kritik geübt wird, scheint mir nicht dafür zu sprechen, daß man diese gesellschaftlichen Folgen überall bis zum Ende durchdacht hat.
Nun, meine Damen und Herren, noch einige wenige Bemerkungen zu der formalen Gleichberechtigung. Ich glaube kaum, daß irgendeine Frau und Mutter eine formale Gleichberechtigung, wie sie von einigen Seiten gefordert wird, überhaupt will.
({4})
Die Frau und Mutter empfindet ja schon die Zunahme ihres Einflusses in der Familie als eine steigende Belastung mit Aufgaben und Verantwortungen für die gesamte Familie.
({5})
Diese Wandlungen haben der Frau und Mutter nicht eine Vergrößerung ihrer persönlichen Freiheitssphäre oder eine bessere Möglichkeit zur persönlichen Bildung und Entfaltung, sondern nur mehr Arbeit und mehr Sorge gebracht.
({6}) Vor allem die Frauen und Mütter, die gezwungen sind, beruflich tätig zu sein, sind heute weithin in einer menschlich sehr schwierigen Lage. Ich denke dabei an die Frauen und Mütter, die die soziale Notlage zwingt, einige D-Mark dazu zu verdienen, weil der karge Verdienst des Mannes oder die Rente nicht ausreicht, um der Familie viel mehr als das Existenzminimum zu sichern. Diese Frauen und Mütter sind es nämlich, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch, wenn sie abends müde nach Hause kommen, die den Tag über liegengebliebenen Hausarbeiten verrichten müssen. Abgesehen von ihrer körperlichen Überlastung sind diese unsere Frauen und Mütter auch in Gefahr, ihrer echten, vor allem auch der mütterlichen Aufgabe in der Familie nicht mehr gerecht werden zu können. Die außerfamiliäre Berufstätigkeit zwingt sie häufig zu einer mehr oder weniger mechanischen und monotonen Tätigkeit in Büros und industriellen Betrieben. Hier lebt sie in einer Welt, die der der Familie in vielem entgegengesetzt ist.
Gleichzeitig aber soll sie auch entsprechend ihrer Stellung und Aufgabe als Frau und Mutter das Herz der Familie sein. Schier Unmögliches wird ihr durch eine solche doppelte Tätigkeit zugemutet, ganz zu schweigen von den Kindern, die ihre Erziehung entbehren und entweder auf der Straße groß werden oder von Fremden oder in Heimen aufgezogen werden, wo sie oft nichts mehr von der persönlichen Vertrautheit und Häuslichkeit der Familie erleben.
({7})
Meine Damen und Herren, diese Schwierigkeiten können allerdings nicht im Wege der Familienrechtsreform behoben werden.
({8})
Ihre Behebung gehört in den Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Die dargelegten Tatsachen sind aber für unsere heutige Aussprache wichtig, weil sie einen Schutz der Frau und Mutter in der Familie und für die Familie erforderlich machen.
Wohin schließlich eine totale Gleichberechtigung und Gleichsetzung von Mann und Frau in der letzten Konsequenz führt,
({9})
zeigt uns ein Blick in die Ostzone. In einem dort
1950 erlassenen Gesetz über Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frauen heißt es:
Die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik hat die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau festgelegt und alle Gesetze aufgehoben, die die Frau gegenüber dem Mann benachteiligen.
Und weiter:
Durch die Eheschließung darf die Frau nicht gehindert werden, einen Beruf auszuüben oder einer beruflichen Ausbildung und ihrer gesellschaftlichen und politischen Fortbildung nachzugehen, auch wenn hierdurch eine zeitweise örtliche Trennung der Eheleute bedingt wird.
({10})
Und weiter:
Auf der Grundlage der Gleichberechtigung ist den Frauen in erhöhten Maße die Arbeit in der Industrie, im Transportwesen, in der Kommunalwirtschaft, im Handelswesen, in den Maschinenausgleichsstationen und Volksgütern, in allen Organisationen der staatlichen Verwaltung, der Volksbildung, des Gesundheitswesens und anderen Institutionen der DDR zu ermöglichen.
({11})
Die Arbeit der Frau in der Produktion soll sich nicht auf die traditionellen Frauenberufe beschränken, sondern auf alle Produktionszweige erstrecken.
({12}) Und hierzu kommentierte Herr Grotewohl:
„Es gibt keine letzte gesellschaftliche Gleichberechtigung der Frau ohne die gleichberechtigte Einbeziehung der Frau in das Wirtschaftsleben. Die Erfüllung und Übererfüllung der Wirtschaftpläne erfordern von der Frau die ständige und wachsende Bereitschaft zur Eingliederung in den Produktionsprozeß."
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir scheint, das ist eine Gleichberechtigung, vor der wir doch alle unsere Frauen bewahren wollen.
({13})
Das ist aber eine Gleichberechtigung, die sich mit notwendiger Konsequenz ergibt, wenn man den Grundsatz von der Gleichberechtigung von Mann und Frau isoliert vom Wesen und von der Würde der Frau und von der naturgegebenen Ordnungsnorm der Ehe und Familie versteht.
({14})
Ich meine, wir sollten unsere Frauen und Mütter
nicht nur vor solchen Neuerern schützen, sondern
({15})
wir sollten auch den Weg zu solchen Entwicklungen nicht eröffnen oder freigeben.
({16})
In der letzten Konsequenz enden diese Dinge dann im Kohlen- oder Uranbergwerk.
Herr Minister! Ich bedauere, daß ich Sie immer erst einen Satz später unterbrechen kann. Aber ich muß Sie doch fragen: Sind Sie wirklich der Ansicht, daß z. B. der Entwurf der FDP-Fraktion, den Sie ja auch in wesentlichen Teilen ablehnen, oder überhaupt die Forderung, die das Grundgesetz aufstellt, in unserem Kulturstaat den Weg zu dieser Art der „Gleichberechtigung", wie sie die Sowjetzone predigt, eröffnet?
({0})
Das möchte ich einmal beantwortet haben. ({1})
Frau Kollegin, es kommt auf das Ausmaß dessen an, was beschlossen wird, vor allem aber auch darauf, inwieweit die Grundlinien, die ich hier aufgezeigt habe, aufrechterhalten bleiben oder nicht.
Dann kommen Sie aber auch zu einem autoritären System in der Ehe; denn Sie, Herr Minister, sprechen unentwegt von der Autorität in der Ehe
({0})
und sprechen nicht von der Gleichberechtigung. Aber ich glaube, auch Sie, Herr Minister, müssen sich an das Grundgesetz halten.
({1})
Meine verehrte Frau Kollegin, ich habe mich gerade zur Frage der Gleichberechtigung und der Würde des Menschen im ersten Teil meiner Darlegungen so ausführlich geäußert, daß die Frage jetzt eigentlich nicht mehr möglich gewesen sein sollte.
({0})
- Herr Kollege Greve, wenn Sie so gut wären, sich gerade den nächsten Satz einmal anzuhören, wäre ich sehr dankbar.
Das kürzlich ergangene Düsseldorfer Urteil über die angebliche Verfassungswidrigkeit des Hausarbeitstages für die Frau müßte eigentlich auch dem letzten die Augen darüber öffnen, wohin die Fahrt geht, wenn man vor lauter Gleichberechtigung das Besondere von Mann und Frau und die Notwendigkeiten für Ehe und Familie nicht mehr berücksichtigen kann.
({1})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß.
({2})
Ich habe mit meinen Ausführungen keine bestimmten Formulierungen für einzelne Paragraphen behandelt. Ich wollte das auch nicht. Ich wollte nur Grundlinien aufzeigen, auf denen unsere Erwägungen aufbauen sollten, wenn wir der für den einzelnen wie für Volk und Staat so wichtigen, unersetzlichen Institution der Familie gerecht werden wollen, und das ist doch gewiß ein gemeinsames Anliegen des ganzen Hauses.
Darum bitte ich, diese Grundlinien bei der Gestaltung der neuen Vorschriften nicht außer acht zu lassen und damit unseren deutschen Menschen, vor allem den Müttern, Vätern und Kindern, all den Segen zu erhalten und zu sichern, den die Familie ihnen dann schenkt, wenn ihre innere Ordnung auf ihren Sinn und ihren Zweck, nämlich den Dienst am Menschen, ausgerichtet ist. Zum Dienst am Menschen aber gehört Achtung und Schutz des Wesens und der Würde der Frau genau so wie die Rücksicht auf das Wohl der Kinder als des höchsten Gutes unserer Familien.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Metzger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir die Aufgabe zugefallen, über das eheliche Güterrecht zu sprechen; aber gestatten Sie mir, daß ich zunächst noch einige allgemeine Ausführungen mache. Ich darf wohl sagen, daß heute morgen, jedenfalls zu Beginn der Debatte, ein wirkliches Gespräch zustande gekommen ist. Das hat sich in vielen einzelnen Punkten gezeigt, und ich darf sogar sagen, daß der Entwurf der SPD in steigendem Maße Verständnis gefunden hat. Wenn vorhin gesagt worden ist, daß auch der Entwurf der SPD relativ spät gekommen und daß deswegen der Regierung kein Vorwurf zu machen sei, weil sie so spät mit ihrem Gesetzentwurf herausgekommen ist, so darf ich darauf hinweisen, daß die SPD diesen Entwurf mit ehrenamtlichen Mitarbeitern erarbeitet hat, die nach langen Fristen aus vielen Orten Deutschlands zusammenkommen mußten, während das Ministerium einen Apparat zur Verfügung hat, und das ist etwas grundsätzlich Verschiedenes.
({0})
Wir haben nun gesehen, wie in der Tat eine ganze Reihe von Gedanken, die auch in unserem Entwurf lebendig sind, gezündet haben. Herr Kollege Dehler ist ein Beweis dafür. Er hat in einer sehr netten Weise davon gesprochen, wie er in der eigenen Familie das Verhältnis zur Frau sieht. Aber er hat auch gezeigt, daß er einer von den Männern ist, die bereit sind, sich auch von Kolleginnen, die ihm etwas Wesentliches zu sagen haben, belehren zulassen. Das haben wir bei der Frage des Stichentscheids gesehen. Er hat jedenfalls das, was in unserem Entwurf festgelegt ist, als durchaus möglich hingestellt, nämlich daß beim Stichentscheid über die Sorge für die Person der Kinder das Gericht, wenn keine Einigung erzielt wird, einem Elternteil die Befugnis geben kann zu entscheiden. Der eine Elternteil darf also nicht etwa von sich aus selbst entscheiden, sondern ihm kann vom Gericht die Befugnis dazu gegeben werden.
Auch Herr Kollege Weber hat bei dem einen oder anderen Punkt gezeigt, daß er immerhin mit sich reden lassen will. So hat er davon gesprochen,
({1})
das, was wir in unserem Entwurf als Widerspruchsrecht gegenüber der Verfügungsmacht des einen Ehegatten normiert haben, sei doch so, daß man miteinander darüber reden könne. Wenn die Bereitschaft besteht, über gewisse Dinge miteinander zu reden, dann haben wir schon außerordentlich viel gewonnen,
({2})
und dann zeigt sich, daß ein Gespräch im Gange ist.
({3})
Dieses Gespräch soll nicht nur geführt werden zwischen den Fraktionen, sondern - und vielleicht ist das noch viel wichtiger - es soll geführt werden zwischen Männern und Frauen.
({4})
Wenn wir davon reden, daß wir in der Ehe die Gleichberechtigung - keine formale Gleichberechtigung, Herr Wuermeling! - herbeiführen wollen, so haben wir die beste Möglichkeit, das durch ein gutes Beispiel zu zeigen. Der Bundestag hat jetzt eine glänzende Gelegenheit, einmal zu zeigen, was es heißt, daß Männer und Frauen miteinander ein Gespräch über die Dinge führen, die uns allen, Männern und Frauen, außerordentlich bedeutsam sein müssen.
({5})
Wir haben auch die Reden zweier Minister gehört. Ich gestehe freiherzig, daß mir die Rede des Herrn Justizministers besser gefallen hat als die Rede des Herrn Familienministers
({6})
- ich bin mit meinem Satz noch nicht am Ende -, und zwar deswegen, weil die Rede des Herrn Justizministers klarer und folgerichtiger war als die Rede des Herrn Familienministers.
({7})
Ich will dem Herrn Familienminister nicht den guten Willen absprechen,
({8})
aber ich habe noch selten so viel Folgeunrichtiges gehört wie heute morgen in dem, was uns der Herr Familienminister vorgesetzt hat.
({9})
Wenn die Frage auftaucht, ob wir einen Familienminister nötig haben, - ich glaube, heute morgen ist wieder der Beweis dafür erbracht worden,
({10})
daß er nicht nötig ist.
({11})
Meine Damen und Herren, seien Sie sich über eines klar: den Familienminister können Sie nur unter der Voraussetzung rechtfertigen, daß Sie ihm die Aufgabe zuerkennen, die sittlichen und metaphysischen Grundlagen der Ehe besonders herauszuarbeiten. Wenn Sie das wollen, dann schneiden Sie die Ressortminister von dieser Aufgabe ab.
({12})
Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß keine Politik gemacht werden kann, daß kein Minister arbeiten kann, er mag ein Ressort haben, welches er wolle, ohne daß die sittlichen und letzten Grundlagen beachtet werden.
({13})
Das, was von dem Herrn Familienminister gewollt - ich sage nur: gewollt - ist, das ist sehr wohl von dem Herrn Justizminister zu beachten, und ich glaube, er hat es auch beachtet.
Wir haben von Herrn Minister Wuermeling mancherlei Widersprüchliches gehört. Er hat davon gesprochen, daß in der Familie die Autorität vorhanden sein müsse. Ich glaube, wir sehen gerade in diesem Punkt, wie verschiedenartig die Auffassungen sein können. Von welcher Autorität hat der Herr Familienminister gesprochen?
({14})
Von der Autorität, die dem Mann kraft gesetzlicher Vorschrift verliehen wird!
({15})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir fassen den Begriff der Autorität sehr viel tiefer.
({16})
Wir glauben, daß die Autorität von innen her begründet sein muß und nicht durch eine Befehlsgewalt, die vom Gesetzgeber verliehen wird.
({17})
Sie sprechen von Autorität in der Familie. Ich sage nicht, daß es da keine Autorität gibt. Es wird aber immer darauf ankommen, daß die Autorität gilt, die innerlich und nicht von außen her begründet ist.
({18})
Ich glaube, daß wir da wirklich in verschiedenen
Lagern stehen. Daran wird nichts zu ändern sein,
wir werden uns in diesem Punkt nicht verstehen.
Der Herr Familienminister hat auch Worte über Staatssozialismus usw. gesprochen. Ich darf wohl sagen, daß er die Wirklichkeit, die wir hier zu gestalten haben, völlig verfehlt hat; denn das, wovon er geredet hat, gibt es nicht, das besteht nur in seiner Phantasie.
({19})
Mit Phantasiegebilden zu kämpfen, mag leicht sein; aber es ist unfruchtbar. Aber so ist alles gewesen, was wir gehört haben.
({20})
Es ist dann von der formalen Gleichberechtigung die Rede gewesen. Glauben Sie doch nicht, daß irgendeiner von uns eine schematische, eine formale Gleichberechtigung wollte. Herr Wuermeling sagte, daß man vor lauter Gleichberechtigung das Besondere von Mann und Frau außer acht lasse. Ich kann ihn nur fragen: Wer hat ihm denn gesagt, daß das irgend jemand will?
({21})
Davon kann doch gar keine Rede sein, sondern es geht darum, daß eine Gleichberechtigung substantieller Art geschaffen wird, daß eine Gleichberechtigung geschaffen wird, die uns die Möglich({22})
keit gibt, daß wir Männer mit Achtung vor unsere Frauen treten können.
({23})
- Wir werden uns vielleicht noch in manchem zusammenraufen, wenn Sie sich Mühe geben, das zu verstehen, was wir zu sagen haben.
({24})
Es geht doch darum, daß wir endlich einmal dazu kommen müssen, Menschen das Recht zuzubilligen, das ihnen zusteht.
({25})
Seien wir uns über folgendes klar. Es wird oft genug behauptet: Im Grunde genommen kommt es gar nicht sosehr darauf an, die Wirklichkeit ist längst anders; das Gesetz ist mit der Wirklichkeit nicht in Einklang, und die Wirklichkeit wird sich ihren Weg schon bahnen; deswegen brauchen wir überhaupt keine Änderung des Gesetzes. Solche Argumentationen haben wir auch gehört. Ich würde dazu sagen: Wenn wir einem Menschen - auch kraft geschriebenen Rechts - sein Recht vorenthalten, dann bedeutet das, daß wir ihn in die Verkrampfung, in die Verbitterung treiben. Manches Verkrampfte auch an der früheren Frauenbewegung vor Jahrzehnten kam einfach daher, daß Menschen Rechte vorenthalten worden sind.
({26})
Wenn wir, meine Damen und Herren, Ehen haben wollen, die gesund sind, und wer wollte das mehr als wir Sozialdemokraten, - ({27})
- Wer dazu lacht, meine Damen und Herren, gehört nicht zu denen, mit denen ein wirklich fruchtbares Gespräch möglich ist.
({28})
Wir sollten uns doch wenigstens einmal bemühen - und Sie haben es oft genug versprochen -, auf einander zu hören und dem anderen den guten Glauben zuzubilligen.
({29})
Wenn wir davon reden, daß es uns um die Erhaltung und um die Stärkung der Ehen geht, dann können wir darauf hinweisen, daß wir dafür sehr viele Beweise erbracht haben, und unser Gesetzentwurf wird Ihnen in dieser Richtung auch noch einiges zeigen. Es ist keineswegs so, daß wir eine formale Gleichberechtigung wollen. Wir wollen, daß das Gefühl des Rechtes so lebendig wird, daß unsere Ehen auf dieser Basis geführt werden können, und daß Verkrampfungen, die aus dem Gefühl der Rechtsverletzung oder Rechtsverweigerung entstehen, gelöst werden können, so wie das auch in anderer Beziehung der Fall ist. Wenn Herr Bundesminister Wuermeling auf die Frage, ob es denn so sei, daß die Gleichberechtigung in das Uranbergwerk führe, gesagt hat, es komme auf das Ausmaß dessen an, was man beschließe, so kann ich dazu nur sagen: ich stehe
solchen Äußerungen verständnislos gegenüber. Es kommt nicht auf das Ausmaß an, sondern wir wollen eine echte Gleichberechtigung; es kommt darauf an, aus welchem Geiste heraus die Gleichberechtigung verwirklicht wird.
({30})
- Jawohl. Ich habe den Eindruck, daß der Herr Bundesminister Wuermeling in der sehr großen Gefahr ist, zum Propagandaminister zu werden
({31})
und damit an dem inneren Wesen der Ehe vorbeizugehen.
({32})
Vor acht Tagen hat er hier davon gesprochen, daß für die Ehe Propaganda gemacht werden müsse.
({33})
Wir sind genau gegenteiliger Meinung; wir sind der Überzeugung, daß die Ehe ein Institut ist, das auf geistigen Voraussetzungen beruht, und daß wir mit den Mitteln der Propaganda die Ehe nur zerschlagen können.
({34})
Wir sollten dazu helfen, daß die geistigen Voraussetzungen wieder geschaffen werden. Dazu braucht man keinen Minister. Ein Familienminister kann zwar Propaganda machen, aber die ist vom Übel. - Damit möchte ich den Fall Minister Wuermeling verlassen.
({35})
Ich habe Ihnen gesagt, daß wir in unserem Gesetzentwurf davon ausgehen, daß die Ehe erhalten, gestärkt, lebendig gemacht werden soll. Das zeigt sich an mannigfachen Bestimmungen. Wir sind uns ja wohl alle darüber im klaren - ich glaube, da besteht wirklich Übereinstimmung -, daß es völlig unmöglich ist, die Frau in vermögensrechtlicher Beziehung weiterhin in der Weise zu beschränken, daß der Mann die Verwaltung und Nutznießung des Frauengutes hat. Selbst die, die in der Frage der Gleichberechtigung noch sehr weit zurück sind, werden mir zustimmen. Damit bringen wir aber bereits zum Ausdruck, daß äußerlich in der Frage der Vermögensordnung etwas geschehen muß, was auch Symbol dafür sein muß, wie die neue Haltung in einer Ehe ist, in der die Gatten voreinander Achtung haben.
Der gesetzliche Güterstand ist im Regierungsentwurf als „Güterstand der Zugewinngemeinschaft ({36})" bezeichnet worden. Der FDP-Entwurf spricht von der „Zugewinngemeinschaft". Wir sprechen von der „Gütertrennung mit Gewinnteilung". Über den Namen kann man streiten. Man kann vielleicht sagen: Wir sprechen zwar von der Gütertrennung, kommen aber den Tendenzen, die auch das Gemeinschaftliche betonen, am nächsten, sehr viel mehr als der Regierungsentwurf und als der FDP-Entwurf. Wir werden über die Bezeichnung reden können. Das ist kein Gegenstand großer Auseinandersetzungen.
Wir haben in unserem Entwurf drei Vermögensmassen vorgesehen: das Hausgut, das Sondervermögen und die Errungenschaft. Das Sondervermögen ist das Vermögen, das bei Begründung des Gü({37})
terstandes vorhanden und in die Ehe eingebracht worden ist. Wir haben normiert, daß die Ehegatten in der Verfügung über das Sondervermögen frei sind. Daß wir bei den verschiedenen Gütermassen die Verfügungsmacht durch ein Widerspruchsrecht begrenzt haben wollen, davon ist schon die Rede gewesen. Ich will darauf nicht näher eingehen. Wir werden diese Frage noch im Ausschuß ausführlich behandeln können.
Wesentlich ist aber das, was wir über die Vermögensmasse des Hausgutes zu sagen haben. Das Hausgut soll vor allem aus dem Hausrat bestehen; aber auch das Recht auf Wohnung, Sozialversicherung und all das ist inbegriffen, was dazu gehört, damit die Familie in ihrem äußeren Bestand mit äußeren Mitteln gesichert werden kann, womit auch das Leben der Familie eine Sicherung erhält. In unserem Entwurf sehen wir vor, daß über das Hausgut gemeinschaftlich zu verfügen ist, daß es gemeinschaftliches Eigentum der Ehegatten wird, daß ein Rechtsstreit in bezug auf das Hausgut nur gemeinschaftlich geführt werden kann usw.
Gegen dieses Institut des Hausgutes ist mancherlei vorgebracht worden. Vor allem ist eingewandt worden, daß der Rechtsverkehr dadurch stark gefährdet werden könnte. Nun wissen wir aber, daß es auch andere Rechtsinstitute mit gemeinschaftlicher Verfügung gibt und daß sich der Rechtsverkehr daran gewöhnt hat. Wenn einmal bekannt ist, daß Ehegatten ihren Hausrat gemeinschaftlich anschaffen, nur gemeinschaftlich darüber verfügen können und gemeinsames Eigentum daran haben, wird sich der Rechtsverkehr dem anpassen, auch insoweit, als Fragen der Haftung usw. in Betracht kommen. Das wird keine Schwierigkeiten bieten, wir haben in der Praxis Beweise genug dafür.
Wir haben weiterhin vorgesehen, daß bei Beendigung des Güterstands eine Teilung des Hausguts je zur Hälfte vorgenommen wird. Dagegen ist wiederum ein Einwand gemacht worden. Es ist geltend gemacht worden, daß dann, wenn ein Ehegatte etwa 10 000 DM in die Ehe eingebracht hat und dafür Hausgut kauft, er schlechter stehe, als wenn er die 10 000 DM behalte. Diese Frage ist auch leicht zu lösen. Wir haben durchaus daran gedacht und haben deswegen vorgesehen, daß, wenn aus besonderen Gründen die Teilung unbillig oder unzweckmäßig ist, eine andere Verteilung durch das Gericht erfolgen kann. Da besteht also die Möglichkeit, im Einzelfall abzuhelfen.
Ich bin in der erfreulichen Lage, Ihnen mitteilen zu können, daß wir gerade in diesem Punkt mit immerhin nicht ganz unwesentlichen Kreisen des deutschen Volkes in Übereinstimmung stehen; z. B. stehen wir in Übereinstimmung mit der Fuldaer Bischofskonferenz, die erklärt hat. es sei wünschenswert, daß der Hausrat in der Ehe fester gebunden werde, daß dadurch die Ehe stärker gesichert werden könne. Die Fuldaer Bischofskonferenz hat in ihrer Verlautbarung sogar davon gesprochen, daß hier etwas von der Sozialbindung des Eigentums verwirklicht werden könne und daß da ein Weg hin zur Sozialbindung des Eigentums gegeben sei.
Aber auch die Bundesregierung hat von unserem Entwurf einiges gelernt. Während in dem ersten Entwurf keine Rede davon war, daß das Hausgut in irgendeiner Weise gebunden sei, ist in dem zweiten Entwurf der § 1376 eingefügt worden, und dieser zweite Regierungsentwurf sagt, daß ein Ehegatte ohne Einwilligung des anderen nicht über ihm gehörende Gegenstände des ehelichen Haushalts verfügen oder sich entsprechend verpflichten könne. Dabei hat die Bundesregierung - auch wieder ähnlich, wie wir das an anderer Stelle getan haben - gesagt, daß das Vormundschaftsgericht dann, wenn die Zustimmung verweigert wird, diese Zustimmung ersetzen kann. Sie sehen also, die Bundesregierung ist in ihrem Entwurf bereits auf dem Wege, den wir beschritten haben, wenn sie auch nicht ganz so weit geht. Immerhin hat sie erkannt, daß das Hausgut gebunden werden muß in der Weise, daß der eine Ehegatte die Zustimmung des anderen nötig hat und daß diese Zustimmung in besonderen Fällen ersetzt werden kann. Wir freuen uns darüber, daß auch in diesem Punkte der SPD-Entwurf fruchtbar gewirkt und daß auch die Bundesregierung einiges von uns übernommen hat. Auch das scheint mir ein gutes Zeichen dafür zu sein, daß diese Frage in einer Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Hilfe bereinigt und erledigt werden kann.
Vom Sondervermögen habe ich bereits gesprochen. Wir kommen dann zur dritten Vermögensmasse, zur Errungenschaft; der Regierungsentwurf spricht von Zugewinn. Der Zugewinn eines Ehegatten ist der Wert, um den sein End- und Anfangsvermögen differieren. Wir haben es etwas anders konstruiert, kommen aber weithin zu gleichen Ergebnissen. Wir sagen, Errungenschaft ist das, was ein Ehegatte während des Güterstandes durch die Nutzung des Sondervermögens erwirbt. Ausgenommen sind das Sondergut und das Hausgut, wie sich aus dem ergibt, was ich bereits ausgeführt habe. Wir sagen dann, daß der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der Errungenschaft des einen und dem Wert der Errungenschaft des anderen Ehegatten ist. Wir haben in unserer Regelung vorgesehen, daß dieser Gewinn bei Beendigung des Güterstandes zur Hälfte geteilt werden soll. Wir unterscheiden uns in diesem Punkt sowohl vom Entwurf der Bundesregierung als auch vom Entwurf der FDP. Die Bundesregierung geht davon aus, daß der Zugewinn bei der Beendigung des Güterstandes ausgeglichen werden soll; sie ist der Meinung, das solle in der Weise geschehen, daß der, der den höheren Zugewinn hat, ein Viertel im voraus bekommt und daß der Rest dann geteilt werden soll. Man begründet das so: es soll das Risiko, das der Ehegatte, der den höheren Zugewinn hat, trägt, entsprechend ausgeglichen werden, es soll auch die größere Initiative belohnt werden, und wenn man dieses Viertel nicht im voraus gibt, dann wird sich unter Umständen der eine Ehegatte in der Ehe nicht so mühen, wie das wünschenswert wäre.
Diesen letzten Einwand können wir gleich beiseite schieben. In einer gesunden Ehe wird niemand daran denken, daß er bei Beendigung des Güterstandes ein Viertel im voraus bekommen könnte, sondern in der Ehe wird jeder das Peste für die Ehe tun. Das ist ja die Vorausetzung, von der wir ausgehen.
Nun kommt aber der andere Einwand, daß derjenige, der den höheren Zugewinn hat, wirtschaftlich in einem Gewerbe oder sonstwie gearbeitet habe, daß er das höhere Risiko habe und daß dieses Viertel gewissermaßen eine Risikoprämie sein solle. Auch dazu ist zu sagen, daß sich das bei ernster Betrachtungsweise nicht halten läßt. Denn es ist ja nicht so, daß nur derjenige, der den höheren Gewinn hat und der arbeitet, das Risiko läuft, daß er
({38})
unter Umständen auch pleite gehen kann, um es einmal ganz radikal auszudrücken. Er trägt das Risiko nicht allein, sondern das Risiko trägt die Familie, und der andere Ehegatte trägt das Risiko genau so. Wenn es in der Ehe schlecht geht, wenn irgendwo etwas falliert, dann muß der andere Ehegatte mithelfen, sei es, daß er fortgeht und verdient, sei es, daß die eheliche Haushaltung eingeschränkt wird und daß womöglich die Kinder noch helfen. All das geschieht normalerweise so, daß das Risiko gemeinsam getragen wird, und von daher gesehen ist es unmöglich, zu sagen, daß nun der mit dem höheren Gewinn auch das höhere Risiko getragen habe und deswegen eine Belohnung haben müsse. Wir sind der Meinung, daß das dem Grundsatz der Gleichberechtigung widerspricht. Wir gehen davon aus und haben das in unserem Gesetzentwurf festgestellt, daß die Arbeit der Ehegatten, mag sie im Hause, mag sie außerhalb des Hauses geleistet werden, grundsätzlich gleichwertig ist.
Wenn wir von dieser Gleichwertigkeit der Arbeit ausgehen - und das müssen wir um der Würde der Ehegatten willen, gerade auch um der Würde der Frau willen -, dann müssen wir auch wirklich die Tätigkeit im Haushalt und im Beruf entsprechend gleich bewerten. Wenn wir dieses Viertel dem, der den höheren Gewinn hat, zubilligen - es wird in der Regel der Mann sein, der den höheren Gewinn hat; denn er arbeitet ja draußen und er hat meist die gewinnbringenden Arbeiten -, dann bedeutet das in der Regel eine Ungerechtigkeit, ein Unrecht gegenüber der Frau. Zunächst einmal bedeutet es ein Unrecht im Verhältnis der Frauen untereinander, so z. B. ein Unrecht im Verhältnis der Frau, die im Haushalt arbeiten muß, weil sie viele Kinder und einen großen Haushalt hat und nicht draußen arbeiten kann, gegenüber etwa der ledigen Frau, die draußen arbeitet und deren Arbeit dann notwendigerweise anders bewertet wird. Es ist aber auch eine Benachteiligung gegenüber dem Mann; denn in der Regel wird es ja so sein, daß der Mann - ich sagte es schon - die gewinnbringende Tätigkeit hat. Ich denke an kleine Gewerbetreibende, an Handwerker usw., die in der Regel den Gewinn erzielen; aber es wird so sein, daß die Frau durch ihre Hausarbeit ermöglicht, daß dieser Gewinn erzielt werden kann, oder es kann sogar so sein, daß die Frau in dem Betrieb mitarbeitet und daß diese Arbeit nicht bewertet werden kann oder nicht bewertet wird, soweit dieses Viertel im voraus gegeben wird.
Wir sind der Meinung, daß die Tätigkeit im Haushalt, in der Familie und die Erwerbstätigkeit grundsätzlich gleich zu bewerten sind und daß deswegen auch die Konsequenzen so gezogen werden müssen, daß die Ehegatten gleich behandelt werden. Das heißt also, daß der Zugewinn oder wie man es nennen will, daß das, was an Überschuß vorhanden ist, gleichmäßig unter die Ehegatten verteilt wird.
Nun wird geltend gemacht, es könne Ausnahmefälle geben, wo das eine offensichtliche Ungerechtigkeit sei. Wir geben das zu, aber wenn das der Fall ist, kann leicht geholfen werden. Deshalb ist in unserem Entwurf die Vorschrift vorgesehen, daß bei unbilliger Härte eine andere Verteilung des Gewinns durch das Gericht vorgenommen werden kann. Sie sehen also, auch da besteht die Möglichkeit, ab- und zuzugeben, um auch da im Einzelfall Gerechtigkeit walten zu lassen. Aber wenn wir die generelle Regelung vor Augen haben, dann bleibt gar keine andere Wahl, als den Zugewinn in gleicher Weise unter die Ehegatten zu verteilen und damit die gleiche Berechtigung den Ehegatten auch in dieser Richtung zuzuerkennen.
In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sind einige Bestimmungen, in denen erbrechtliche und güterrechtliche Bestimmungen miteinander vermengt werden. So soll etwa nach § 1388 auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten der Voraus angerechnet werden. Dann kommt der § 1389, in dem wiederum diese Vermengung eintritt. Der Bundesrat hat sich mit guten Gründen dagegen gewehrt. Für uns kommt die Bestimmung mit dem Voraus hier schon deswegen nicht in Frage, weil wir das Hausgut vorgesehen haben, in dem der Hausrat enthalten ist. Von dieser Konstruktion her sehen die Dinge also schon anders aus. Wir sind aber auch grundsätzlich der Meinung, daß man Eherecht und Güterrecht sauber auseinanderhalten und daß man deswegen dem Vorschlag des Bundesrates folgen sollte. Auch darüber wird im Ausschuß noch im einzelnen zu sprechen sein.
Ich will auf die schwierigen und zum Teil auch trockenen Fragen des ehelichen Güterrechts im einzelnen nicht eingehen. Darüber werden wir im Ausschuß zu sprechen haben. Sie werden aber sehen, daß das eheliche Güterrecht für die Frage, wie eine Ehe aussehen soll - ob es eine Ehe ist, die auf Vertrauen aufgebaut ist, eine Ehe, in der sich die Ehegatten wirklich lieben, und das ist die Voraussetzung für eine Ehe -, nicht ohne Bedeutung ist. Wir können nicht sagen: Das sind materielle Dinge, die sind nicht so wichtig. Sie sind Ausdruck dessen, was in einer Ehe vorgeht, wie eine Ehe gestaltet wird. Deswegen glaube ich, daß wir diese Fragen durchaus ernst zu nehmen haben, und darum haben wir uns in unserem Entwurf gerade auch mit diesen Fragen besonders beschäftigt. Auch die Zwischenrufer, die vorhin zum Teil bezweifelt haben, daß es uns um die Ehe geht, werden, wenn sie das genau prüfen, erkennen, wie sehr wir alle die Elemente, die ehestärkend, eheerhaltend und ehebestärkend wirken können, bejahen.
Zum Schluß darf ich noch folgendes sagen. Wir sind durchaus der Meinung, daß der Art. 6 des Grundgesetzes seine gute Berechtigung hat. Er wird von uns bejaht. Aber es ist nicht so - Herr Kollege Weber, ich darf das sagen, denn das haben Sie vorhin nicht erwähnt -, wie oft genug behauptet worden ist, der Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes werde durch den Art. 6 insofern modifiziert - ich will das vorsichtige Wort „modifiziert" gebrauchen -, als die Frage der Gleichberechtigung in einer abschwächenden Weise gelöst werden müsse.
Wenn wir uns mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts beschäftigen, müssen wir davon ausgehen, daß die Auffassung bestanden hat, der Art. 6 modifiziere den Art. 3 Abs. 2 in der genannten Weise. Es ist richtig: Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht mit den Einzelfragen, mit den Fragen des Stichentscheids usw., befaßt; aber der Geist dieser Entscheidung läßt deutlich erkennen, welche Auffassung das Bundesverfassungsgericht hat. Es sagt da an einer Stelle:
Da mithin kein Zweifel sein kann, daß der Verfassungsgeber Art. 6 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes für vereinbar hielt, kann eine Auslegung, die dieser Vorstellung des Gesetzgebers Rechnung trägt, nur zu dem Ergebnis kommen: auch in Ehe und Familie sind Mann und Frau gleichberechtigt.
({39})
In diesem Zusammenhang müssen wir den Satz sehen. Dann wird er absolut klar, und dann ist klar, was das Bundesverfassungsgericht auch in bezug auf die Auslegung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes meint.
Nun noch ein Wort zu den Fragen, die vom Religiösen, Weltanschaulichen her aufgeworfen worden sind. Ich habe es betont: wir bejahen die Ehe, und wir bejahen die Ehe als eine Institution, die von letzten Kräften getragen werden muß. Darüber gibt es für uns keinen Zweifel. Es ist aber nicht richtig, daß man sich für seine Auffassungen immer wieder auf die Äußerungen kirchlicher Behörden bezieht und andere Äußerungen dabei außer Betracht läßt. Es ist die Rede davon gewesen, der Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands habe sich in einer bestimmten Weise geäußert. Mir liegt ein sehr interessanter Brief der Evangelischen Frauenarbeit vor, also der Zusammenfassung einer großen Zahl von evangelischen Frauenverbänden. Diese Evangelische Frauenarbeit, die j a auch evangelisch und christlich ist - ich 'denke, darüber wird es keinen Zweifel geben -, äußert sich ganz anders. Da wird gesagt, in dem Schreiben des Rates an den Bundesjustizminister sei u. a. davon die Rede, daß die Ordnung der Ehe entscheidend in der Unterordnung der Frau unter den Mann bestehe. Es wird dann gesagt:
Während die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland die unter 1 und 2 genannten Wesensmomente
- das sind andere der Ehe voll bejaht,
- die bejahen wir auch -hegen wir schwerwiegende Bedenken gegen
eine Auffassung, wie sie hinter dem dritten Wesensmerkmal
- eben der Unterordnung der Frau unter den Mann besteht.
Ich freue mich darüber, daß die evangelischen
Frauenverbände dieses mutige Wort gesagt haben.
Es ist wichtig, auch das zu sehen und zu gleicher Zeit zu sehen, daß für diese Behauptung auch sehr ernsthafte theologische Begründungen gegeben werden. Wir können ja nicht einfach einem christlichen Theologen deswegen, weil er anderer Auffassung ist, seine Christlichkeit absprechen, wie das gelegentlich gegenüber Sozialdemokraten sehr viel leichter möglich ist.
({40})
Auch andere Stellen kommen hier in Betracht. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal die Mühe gemacht haben, das Buch „Partnerschaft" zu lesen, worin theologische Berichte über die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes veröffentlicht sind und wo sehr eindeutig gesagt worden ist, daß die Frage der Unterordnung der Frau unter den Mann durchaus aus einer bestimmten Zeitlage heraus zu verstehen ist. Das ist theologisch von nichtdeutschen und von deutschen Theologen eingehend begründet. Der bedeutende deutsche Theologe Heinz-Dietrich Wendland, Professor in Kiel, hat dazu eingehend Stellung genommen. Alle diejenigen, die sich für diese Fragen interessieren - und ich hoffe, es sind recht viele -, möchte ich bitten, sich auch einmal das anzusehen, damit wir auch da die Debatte nicht mit einer vorgefaßten Meinung
führen, sondern sehen, daß es durchaus Möglichkeiten der Auslegung auch in bezug auf diese Frage
gibt, die in der Heiligen Schrift angeschnitten ist.
Mich hat in dem Schreiben des Evangelischen Frauenwerks nur eines gewundert. In diesem Schreiben heißt es:
Ehe wir mit unserer Gegenmeinung hervortraten, hat unser Rechtsausschuß in diesen Tagen unter Heranziehung einer Theologin ein Gespräch mit weiblichen Bundestagsabgeordneten aus der CDU und FDP gehabt . . .
Ich möchte hier nur die Frage ,aufwerfen: Ist es
beim Evangelischen Frauenwerk nicht bekannt,
daß es evangelische Frauen auch in der SPD gibt?
({41})
Auch das gehört zur Flurbereinigung. Es muß endlich einmal von den Wandlungen Kenntnis genommen werden, die sich nicht nur bei uns, sondern auch bei Ihnen vollzogen haben. Sie nehmen von Ihren eigenen Wandlungen nicht genügend Kenntnis.
({42})
Ich glaube, wir sollten endlich einmal von den Wandlungen Kenntnis nehmen. Wenn über diese Dinge gerade auch vom Religiösen her gesprochen wird, wollen wir darauf hinweisen, es gibt nicht nur Christen in der FDP und der CDU, es gibt auch sehr ernste Christen in der SPD; und diese wollen gerade von diesem Boden her auch ein Wort bei den Dingen mitreden.
({43})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schwarzhaupt.
Ich möchte zunächst einmal auf eine Frage zurückkommen, die bereits mehrfach angeschnitten worden ist, nämlich auf die Frage, was von einem vom Staat gesetzten positiven Familienrecht in bezug. auf die Familie überhaupt erwartet werden kann und wo die Grenze dieses staatlichen Rechts ist. Diese Frage gilt auch insbesondere für das, was Herr Minister Wuermeling gesagt hat: Was kann von allem, was hier über die innere und über die soziologische Struktur und Wandlung der Familie gesagt worden ist, Gegenstand des staatlich gesetzten Rechts sein?
Beim Erlaß des Bürgerlichen Gesetzbuchs war man sich bereits weithin darüber einig, daß der staatliche Gesetzgeber sich auf dem Gebiet des Familienrechts eine besondere Zurückhaltung aufzuerlegen habe und daß die innere Struktur der Familie nur in besonders geringem Maß staatlicher Gesetzgebung zugänglich sei. Zwar liegt jedem Familienrecht eine besondere Auffassung von der Familie zugrunde, aber das Recht kann die Familie in ihrer inneren Struktur nicht gestalten. Rudolf Sohm , der bekannte Rechtsgelehrte, hat dies so ausgedrückt, daß er sagte: das Familienrecht, also das vom Staat in Paragraphen gesetzte Recht, tritt erst dann in Funktion, wenn die eigentliche Ordnung der Familie versagt hat.
({0})
Diese Zurückhaltung des Staates gegenüber der Familie hat noch tiefere Gründe außer denen, die Herr Dr. Dehler ausgeführt hat und die bereits mehrfach angeklungen sind,
({1})
({2})
denn die Familie unterscheidet sich wesentlich von allen anderen Gemeinschaften unseres gesellschaftlichen Lebens.
Ihre innere Ordnung beruht entscheidend auf der Bereitschaft ihrer Glieder, sich in sie einzufügen. Sie beruht auf dem gegenseitigen Willen zu einer verbindlichen Gemeinsamkeit, auf der Liebe zwischen den Ehegatten und zwischen Eltern und Kindern. Bei allen Menschlichkeiten, bei allem menschlichen Machtwillen, der auch in das Leben der besten Familie irgendwie immer wieder mit hineinspielt, bleibt dies eine: daß das ursprüngliche Ordnungsprinzip nicht die Macht, sondern die Liebe ist.
({3})
Dazu kommt für uns Christen die besondere Frage nach dem Sinn der Worte von der Unterordnung der Frau, die sehr ernst zu nehmen sind. Diese Worte können nicht ohne weiteres damit abgetan werden, daß Paulus als Mensch seiner Zeit und für uns überhaupt nicht mehr verbindlich gesprochen habe.
({4})
Wir glauben, daß auch in diesen Worten ein bleibender Sinn steckt, der von der zeitgebundenen Form dieser Worte zu lösen ist. Ich glaube durchaus, daß die biblischen Weisungen von dem Sicheinander-Unterordnen, von dem „Mann als Haupt der Frau, wie Christus Haupt der Gemeinde war" - Christus war nicht Haupt der Gemeinde als Mensch, der ein Entscheidungsrecht forderte -, und auch die Worte von der besonderen Unterordnung der Frau für christliche Eheleute ihren besonderen und verbindlichen Sinn haben. Dieser Sinn besteht aber nur . in dem Zusammenhang eines freiwilligen und gegenseitigen Opfers.
({5})
Hier aber handelt es sich nicht um das, was in Seelsorge und Predigt zu sagen ist und was vielleicht beiden Ehegatten noch viel mehr, noch viel zeitnaher, viel mehr auf die Gegenwart und auf die gegenwärtigen Fragen bezogen, gesagt werden müßte, hier handelt es sich um das vom Staat gesetzte Recht. Die Frage ist: Was kann der Staat als Gesetzgeber sagen? Staatliches Recht verteilt Befugnisse, es schafft Macht, und es beruht auf Macht. Nicht alle christlichen Weisungen können ohne weiteres in das staatliche Recht übernommen werden.
({6})
Sie verlieren ihren Sinn mit dem Zwang. Dem Christen ist etwa gesagt, daß er friedfertig und sanftmütig sein soll,
({7})
daß er dem, der ihn schlägt, die andere Wange hinhalten soll. Das kann nicht Grundlage einer Rechtsordnung sein. Die Rechtsordnung kann nicht gebieten, die andere Wange hinzuhalten - dann schüfe sie Unrecht -,
({8})
sondern sie muß den Beleidiger bestrafen und den Geschlagenen verteidigen. Ebenso wird das Opfer der Frau an eigenständigem Leben zugunsten der Ehe, das immer von ihr gefordert wird und gefordert werden muß, zu Unrecht verzerrt, wenn
man es zum Gegenstand staatlicher Forderung machen will.
({9})
Ich persönlich bin davon überzeugt, daß auch in der Ehe von Menschen, die sich nicht bewußt an christliche Weisungen gebunden fühlen, fast immer Voraussetzung für das gute Bestehen und Funktionieren der Ehe ist, daß die Frau zu einem größeren Maß von Sicheinfügen, zu einem größeren Opfer an eigenständigem Leben bereit ist. Dies verliert aber seinen Sinn und seine die Gemeinschaft erhaltende Kraft, wenn es nicht aus der freiwilligen Bereitschaft, sondern aus gesetzlichem Zwang kommt.
({10})
Aus diesem, nur aus diesem Grunde würde ich es für richtig halten, wenn man aus dem Regierungsentwurf, den ich sonst weithin bejahe, diejenigen Sätze streichen würde, die ein überwiegendes Entscheidungsrecht des Mannes als einen Rechtsanspruch statuieren.
({11})
Um es konkreter, auf den Entwurf bezogen, zu sagen: ich wäre für eine Streichung von § 1354 und für eine Änderung der §§ 1628 und 1629.
({12})
Auf der andern Seite kann man aber der Familie auch nicht eine innere Struktur nach dem Prinzip der Gleichberechtigung vorschreiben. Hier würden wiederum die Grenzen staatlichen Rechts überschritten werden. Es ist eine Tatsache unserer sozialen Wirklichkeit, daß die Frau in den letzten hundert Jahren in ständiger Entwicklung eine immer umfassendere Verantwortung als Mutter innerhalb des Lebens der Familie auf sich genommen hat. Das ist nicht nur eine Folge des Krieges. Es ist auch nicht geschehen, weil sich irgendwelche komischen Suffragetten das Schlagwort von der Gleichberechtigung ausgedacht hätten, sondern ich glaube, es beruht auf viel zwingenderen Entwicklungen unseres gesamten gesellschaftlichen Lebens seit der Industrialisierung.
({13})
- Leider, sicher! Aber wir können sie nicht rückgängig machen. Wir können nicht zum handwerklichen Betrieb zurückkehren in einer Zeit, in der die Maschine sich durchgesetzt hat. Wir können auch nicht die Arbeitsteilung aufheben, die nun einmal viele schwere Komplikationen unseres gesellschaftlichen und politischen Lebens mit sich gebracht hat.
({14}) Aber wir müssen das sehen und müssen auch die soziologischen Wandlungen, die damit nun einmal verbunden sind, als soziale Wirklichkeit sehen und von ihnen bei der Ordnung unseres Rechts ausgehen.
Dazu gehört, daß nicht nur ein großer Teil der Frauen aus der Familie heraus ihrer Arbeit in Büro und Fabrik gefolgt sind. Dazu gehört auch, daß sich der Berufsbereich des Mannes leider - wirklich leider - sehr stark von der Familie und dem Hausstand getrennt hat.
({15})
({16})
Der Mann arbeitet nicht mehr wie der Bauer und der Handwerker des vorigen Jahrhunderts, wie auch viele große und kleine Kaufleute des vorigen Jahrhunderts, unter einem Dach mit dem Hausstand, mit der Familie, sondern sein Berufsbereich hat sich mehr und mehr davon getrennt. Desto mehr ist der Anteil der Frau an der innerfamiliären Verantwortung notwendigerweise gestiegen und gewachsen. Das hat sich die Frau nicht gesucht, das hat sie nicht gefunden, weil sie nach Rechten strebte, sondern diese Verantwortung ist ihr zugewachsen, ob sie wollte oder nicht.
({17})
Dies alles ergibt sich sehr überzeugend aus den soziologischen Untersuchungen der letzten Jahre, und dies ist die andere Seite dessen, was wir aus Schelsky und Wurzbacher lernen müssen.
({18})
Diese Entwicklung ist aber nicht gleichmäßig in einer geraden Linie vor sich gegangen, sondern es ist heute in unserem Volke zweifellos so, daß es noch breite Schichten vor allem auf dem Lande gibt, in denen die alte Ordnung mit der engen Nähe vom Arbeitsbereich des Mannes und familiärer Verantwortung noch besteht. Hier hat sich auch die patriarchalische Struktur der Familie noch viel weitergehend erhalten als etwa im Arbeiterstand, in dem diese Lösung von Hausstand und Familie zuerst begann und weiter fortgeschritten ist. Aus diesem Grunde, glaube ich, muß das vom Staat gesetzte Recht diese innere Struktur der Familie, auch die Verteilung des Verantwortungsbereichs zwischen Mann und Frau und damit auch die Verteilung der Befugnisse von dem Zwang frei und unberührt lassen.
Was hier gesagt werden muß, ist in § 1353 gesagt. Hieraus kann der Richter die Richtlinien für die Rechtsprechung, die auf die jeweilige bestimmte Familie bezogen sein muß, finden. Hier kann er finden, was dem einzelnen Mann und der einzelnen Frau in dem Fall, der ihm vorliegt, an Einordnung und Unterordnung, an Befugnissen und an Verantwortung zugemutet werden kann.
({19})
Nun noch eine zweite Grenze dessen, was das Familienrecht regeln kann. Minister Neumayer und auch einige der anderen Redner haben davon gesprochen, daß es notwendig sei, die Familie zu festigen, und daß das Familienrecht dieser Aufgabe keineswegs entgegenstehen dürfe, auch nicht die Durchführung des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes. In Diskussionen über diese Frage wird darüber hinausgehend oft der Gedanke geäußert, das Familienrecht selbst müsse die Familie festigen helfen; die Gleichberechtigung der Frau habe die Familie gefährdet, und sie müsse hier in der Aufgabe des Schutzes der Familie eine Grenze finden.
Wenn man bei den Krisenerscheinungen der Familie in den letzten Jahrzehnten zunächst an die Zunahme der Scheidungen denkt, so hat diese, wie mir scheint, zunächst zwei Gründe. Der erste ist die seit dem 18. Jahrhundert eingetretene Lockerung der religiösen Bindungen. Die zweite Ursache ist aber die Tatsache, daß die Familie seit Entstehung der industrialisierten Gesellschaft einen großen Teil ihrer früheren institutionellen Bindungen verloren hat. Der gemeinsame Bauernhof, der
gemeinsame Hausstand, der gemeinsame Gewerbebetrieb, überhaupt die gesamte gemeinsame Lebens- und Existenzgrundlage der Ehegatten haben sich weitgehend gelöst. Dies waren institutionelle Bindungen, die für die Ehen früherer Zeiten vielfach ein starkes Band bildeten. Die Bindungen der heutigen Ehen - und nun beziehe ich mich wieder auf das, was Schelsky dargestellt hat" - sind viel mehr auf die menschlich-persönliche Beziehung zwischen den Ehegatten und den Eltern und Kindern zurückgeführt worden, und dise menschlichen Beziehungen sind wandelbar und zerbrechlich. Hier ist eine der wichtigsten und, wie mir scheint, noch nicht genug betonten Ursachen für die Zerbrechlichkeit heutiger Ehen.
Es kann aber nicht Sache des Familienrechts sein, hier durch Aufrechterhaltung einer patriarchalischen Ordnung diese institutionellen Bindungen zu ersetzen. Man kommt leicht zu dem Irrtum, zu sagen, die Gleichberechtigung der Frau habe in der Zeit begonnen, als auch diese Lockerung begann, und aus dieser Gleichzeitigkeit auf eine Beziehung von Ursache und Wirkung zu schließen.
({20})
Es scheint mir aber so zu sein, daß beides, das Hineinwachsen der Frauen in diese sogenannte Gleichberechtigung und die Lockerung der institutionellen Bindungen der Ehe, auf der gleichen im vorigen Jahrhundert liegenden Ursache beruht, nämlich auf Industrialisierung der Arbeitsteilung und auf dieser ganzen gesellschaftlichen Wandlung, von der wir gesprochen haben. Deshalb glaube ich, es ist ein Irrtum, wenn man meint, man müsse nur die patriarchalische Struktur der Ehe aufrechterhalten, um ihr damit wieder etwas von der Festigkeit der früheren institutionellen Bindungen zu geben.
({21})
Das kann man nicht. Die Aufgabe unserer Zeit ist - und dies hat gerade das Familienministerium erkannt -, die unserer Zeit entsprechenden neuen institutionellen Bindungen zu schaffen: das Familieneigentum und das Eigenheim, den Garten, den die Familie in ihrer Freizeit bestellt, verbilligte Familienurlaubskarten und die Entlastung der finanziellen Lage der kinderreichen Familie durch gerechtere Steuern und durch Familienausgleichskassen, Hilfe für die überlastete Mutter in kinderreichen Familien, Müttererholung und alle diese Maßnahmen, die aus uns er er Zeit und' den Nöten unser er Zeit kommen, um die Familie zu entlasten und um ihr diese institutionellen Grundlagen, die abgebaut wurden, wiederzugeben.
({22})
Dagegen können familienrechtliche Bestimmungen, die eine bestimmte innere Struktur der Ehe vorschreiben und durch staatliches Recht verbindlich machen, hier nicht entscheidend helfen.
Das Ehescheidungsrecht hat hier seinen Einfluß. Die Frage: „Wann kann das Band der Ehe gelöst werden und wann nicht?" spielt hier mit hinein. Aber gerade diese Frage scheidet der Regierungsentwurf mit Recht aus.
Es bleibt die weitere Frage, ob praktische juristische Gründe das vorwiegende Entscheidungsrecht des Mannes, wie es in den §§ 1354, 1628 und 1629 zum Ausdruck kommt, fordern. Ich möchte hier einfügen, daß in der evangelischen Kirche in den letzten Jahren sich verschiedene Kreise mit diesen
({23})
Fragen, sowohl von der theologischen wie von der praktischen Seite her, befaßt haben. Herr Minister Metzger hat auf einige dieser Äußerungen schon hingewiesen. Eine verbindliche Lehrmeinung der evangelischen Kirche gibt es hier nicht. Aber auch die offizielle Verlautbarung des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands in einem Schreiben an den Justizminister hat ausgesprochen, daß der § 1354 auch wegfallen kann. Die überwiegende Mehrzahl der evangelischen Theologen und Laien, die sich mit diesen Fragen ernstlich beschäftigt haben, sind wohl der Meinung, daß keine theologischen Gründe zur Aufrechterhaltung eines überwiegenden Entscheidungsrechts des Mannes im § 1354 zwingen. Soweit man in der evangelischen Kirche für die Aufrechterhaltung des § 1628 eintritt, hat man praktische, aber auch theologische Begründungen im Auge.
Die praktische Frage ist - das will ich zugeben - schwierig und kompliziert. Ich persönlich glaube, daß man ohne das Entscheidungsrecht des Mannes in beiden Fällen, dem des § 1354 und dem des § 1628, auskommen kann. Ich glaube, wie ich schon sagte, daß in Scheidungsprozessen oder in Prozessen über die Herstellung der ehelichen Gemeinschaft der Richter besser mit § 1353, zurückgehend auf die besondere Struktur der einzelnen Ehe, zu gerechten Entscheidungen kommen kann. Viel schwieriger ist es bei § 1628, wo ohne Zweifel Fälle eintreten können, in denen entschieden werden muß. Man hat hier die Wahl zwischen zwei Lösungen. Einmal läßt man, wie es der Regierungsentwurf vorsieht, im Falle einer unlösbaren Meinungsverschiedenheit zwischen Mann und Frau den Mann entscheiden und gibt der Frau das Recht, der Entscheidung nicht zu folgen und notfalls das Vormundschaftsgericht anzurufen, wenn sie meint, daß die Entscheidung des Mannes nicht dem Wohl der Familie dient. Zum andern besteht die Möglichkeit, die von anderer Seite vorgeschlagen worden ist, daß man beiden Ehegatten aufgibt, gemeinsam zu entscheiden, und daß man in den Fällen, in denen eine gemeinsame Entscheidung sich nicht finden läßt, jedem der Ehegatten das Recht gibt, um eine Vermittlung oder eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts zu bitten, wenn es sich um einen Gegenstand von besonderer Bedeutung für das Wohl der Familie handelt. Da die Wahl zwischen diesen beiden Lösungen vor allem eine praktische Frage ist, muß man in erster Linie die praktischen Konsequenzen dieser beiden Lösungen im Auge haben. Mir scheint es, daß in der Praxis ungefähr die gleichen Tatbestände zu einer Entscheidung des Gerichts kommen werden, ganz gleich, welche Formulierung das Gesetz wählen wird. Die Eheleute kennen ja die einzelnen Formulierungen des Gesetzes nicht. Sie stehen im Einzelfall vor der Tatsache, daß sie sich in einer Angelegenheit, die ihnen sehr wichtig ist und die das Wohl des Kindes entscheidend betrifft, nicht einigen, und in dieser Sache wollen sie zum Gericht gehen. Der Unterschied ist nur folgender. Im ersten Fall muß die Frau dem Richter klarmachen: Mein Mann hat entgegen dem Wohl der Familie gehandelt, und der Richter muß über diese Frage mit entscheiden; er muß also eine Schuldfrage, einen Vorwurf mit in die Debatte einbeziehen. Im zweiten Fall kann der Richter alles, was Schuld, und Vorwurf betrifft, beiseite schieben und mit d'en Eheleuten nur über die Frage sprechen: Was ist für das Wohl des Kindes die beste Lösung in eurer konkreten Situation? Er hat also, wenn er
ein guter und vernünftiger Richter ist, wohl eine größere Chance, diese ja irgendwie angeknackste Ehe ohne weiteren Schaden aus dieser Behandlung hervorgehen zu lassen;
({24})
denn er hat die größere Chance für ein vermittelndes und für ein ausgleichendes Eintreten.
({25})
Ich gebe aber zu, daß diese Frage schwierig ist und noch der Erörterung bedarf und daß hier nicht die eine oder andere Lösung unbedingt als Patentlösung angesehen werden kann. Ich glaube nur, daß die, die ich vorschlage, die weniger schlechte Lösung ist.
Schließlich scheint es mir möglich und richtig zu sein, das Vertretungsrecht nach § 1629 beiden Ehegatten zuzusprechen, eine Meinung, in der ich mich auch im Einvernehmen mit der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche befinde.
Noch ein paar Worte zu einigen Einzelheiten des Entwurfs. Er scheint mir besser und sehr viel durchgearbeiteter zu sein als die früheren Entwürfe. Ich begrüße es, daß die Gleichberechtigung nicht formal verstanden wird und daß man in den allgemeinen Bestimmungen die Leistung der Hausfrau und die Leistung des Mannes als des im normalen Fall Erwerbstätigen gut gegeneinander abgewogen hat. An Einzelfragen möchte ich nur zwei Dinge aufwerfen, und zwar zunächst den Aussteueranspruch der Tochter, der weggefallen ist. Ich glaube, in dieser Frage hat man die Linie der soziologischen Entwicklung, die die meisten Mädchen in eine Berufsausbildung geführt hat, zu weit ausgezogen.
({26})
Man hat übersehen, daß es vor allem auf dem Lande, aber auch sonst noch viele Töchter gibt, die in der Familie bleiben müssen, die keine Berufsausbildung erhalten können, etwa weil sie ihre alten Eltern pflegen müssen oder weil sie im Haushalt nicht entbehrlich sind. Ein Anspruch auf Ausbildung wird als Unterhaltsanspruch begründet werden können. Ein Anspruch auf eine Aussteuer im Augenblick der Verheiratung läßt sich nach dem jetzt vorgeschlagenen Gesetz nicht als Rechtsanspruch begründen. Ich glaube, der Gesetzentwurf wird den Fällen, von denen ich eben ausgegangen bin, nicht gerecht.
Zweitens erscheint mir der Unterhaltsanspruch der Schwiegereltern sehr problematisch, und ich freue mich, daß er auf die Anregung des Bundesrats hin aus dem Regierungsentwurf gestrichen worden ist.
Zum Schluß möchte ich etwas aufgreifen, was Herr Minister Metzger gesagt hat, nämlich daß wir zu einem Gespräch miteinander bereit bleiben sollen. Ich wende mich damit vor allem an diejenigen Damen und Herren von der Rechten und der Linken, die mir vorhin freundlicherweise bei einigen Stellen meiner Ausführungen zugeklatscht haben. Die CDU hat hier durchaus bewußt Vertreter sprechen lassen, die, ausgehend von unserer gemeinsamen christlichen Grundlage, in Nuancen verschiedene Meinungen vertreten. Ich glaube, daß die Meinungsverschiedenheiten, die hier zum Ausdruck gekommen sind, wohl durch die meisten Fraktionen hindurchgehen. Es sind nicht Unterschiede der Konfession, obgleich es eine gewisse Rolle dabei spielt, ob man dabei von der katholischen oder von der evangelischen Lehre her({27})
kommt; es sind auch nicht Unterschiede zwischen Mann und Frau, obwohl es eine gewisse Rolle spielt, ob man die Dinge vom Standpunkt der Frau oder von dem des Mannes aus sieht; und es sind auch nicht Unterschiede der Generationen, obwohl es auch hier eine Rolle spielt, welcher Generation man angehört. Die Diskussion hatte sich etwas festgefahren.
({28})
Über diesen Zustand kommen wir nur hinweg, wenn wir offen miteinander reden, und zu dieser Offenheit gehört auch, daß wir nicht unbedingt eine gleichförmig ausgerichtete einheitliche Meinung aufrechterhalten wollen.
({29})
Unsere Fraktion will in dieses Gespräch nicht in der Maske der Einheitlichkeit eintreten, sondern wir wollen offen unter Darlegung unserer persönlichen, auch hier und da voneinander abweichenden Meinungen miteinander sprechen. Daß Herr Minister Metzger zu diesem Gespräch bereit ist, dafür danke ich ganz besonders.
({30})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czermak.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unser Bürgerliches Gesetzbuch ist bekanntlich mehr als 50 Jahre alt, daher dringend reformbedürftig. Gerade in den letzten 50 Jahren, in denen wir zwei Weltkriege mit all ihren Folgen erleben mußten, haben sich die Zeiten gründlich geändert, auch im Bürgerlichen Leben der Familie, im Verhältnis von Mann und Frau und Eltern und Kindern. Ich darf hier zunächst auf das schwere Schicksal der Witwen und Waisen der Kriegsgefallenen, auf die alleinstehenden Frauen und Kinder der Kriegsgefangenen, Vermißten und Zivilinternierten und besonders auf die infolge der Austreibung aus ihrer Heimat zerrissenen Familien verweisen. Diese alleinstehenden Frauen und Kinder, die schon jahrelang ohne ihren Erhalter und Ernährer leben müssen, sind wohl das traurigste Kapitel in unserer heutigen Zeit. Dabei müssen wir feststellen, daß sich unsere deutschen Frauen in dieser schwersten Zeit unserer Geschichte tapfer gehalten haben, tapferer als so mancher Mann. Darf ich zunächst bemerken, daß es heute drei Millionen Frauen mehr in Westdeutschland gibt als Männer, daß jeder dritte Arbeitnehmer eine Frau ist.
Der Satz des Art. 3 des Grundgesetzes „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" entspricht daher sicherlich dem Geist unserer Zeit. Da der Art. 3 am 1. April 1953 in Kraft getreten ist und seither ein gesetzloses Vakuum besteht, muß jetzt, besonders auf dem Gebiet des ehelichen Güterrechts, ein Gesetzeswerk geschaffen werden. Dabei sind wir uns alle klar, daß dieser kurze Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" verschieden ausgelegt werden kann, was heute in dieser großen Debatte auch zum Ausdruck gekommen ist. Er soll und darf kein Dogma werden, sondern muß vor allem unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden - worüber wir uns alle einig sind -, daß das Wohl der Familie das Entscheidende ist und daß hier vor allem Art. 6 des Grundgesetzes gilt, worin es heißt:
({0}) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
({1}) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.
({2}) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
Dabei muß schon jetzt gesagt werden, daß diese Gesetzesreform der Frau und Mutter nicht nur neue Rechte, sondern auch neue Pflichten bringt, und damit oft eine sehr schwere Belastung bedeuten wird. Die bisherigen gesetzlichen Schutzrechte der Frauen und Mütter müssen dabei grundsätzlich gewahrt bleiben. In gesunden, harmonischen Ehen regelt sich das Verhältnis zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern meist von selbst nach Natur und Sitte, nach Persönlichkeit und Charakter, auch ohne Gesetz und ohne Gericht. Als Rechtsstaat sind wir aber verpflichtet, eine klare gesetzliche Regelung zu suchen und zu finden und vor allem für das ganze Bundesgebiet eine Rechtseinheit zu schaffen. Dadurch allerdings, daß man problematische Paragraphen streicht, löst man diese Probleme nicht.
Ich will in der heutigen Lesung nur einige strittige Grundfragen herausgreifen. Wir stehen zunächst auf dem Standpunkt, daß das Ehegesetz in einer lex specialis, nicht im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuches normiert, d. h. ausgeklammert werden sollte. Diese gewiß schwierige Materie erfordert eine ganz besondere Behandlung und würde auch das beabsichtigte Reformwerk nur komplizieren und verzögern.
In manchen Fragen - durchaus nicht in allen - stimmt die Fraktion des Gesamtdeutschen Blokkes/BHE dem Regierungsentwurf zu, allerdings nicht ohne gewisse Bedenken und Vorbehalte. In manchen Fragen aber scheiden sich auch innerhalb unserer Fraktion die Geister, wie wir das soeben auch von anderer Seite gehört haben und wie es auch in anderen Fraktionen der Fall ist.
Da ist zunächst der viel umstrittene § 1354, der Stichentscheid des Mannes. Man verlangt seine Streichung, weil er verfassungswidrig sei. Die Mehrheit - nicht alle - meiner politischen Freunde sind grundsätzlich für diese Gesetzesbestimmung im Sinne des Regierungsentwurfs, wenn wir auch über die endgültige Formulierung im zuständigen Ausschuß noch sehr gründlich sprechen müssen, vor allem auch über die noch offene Frage, was dann zu geschehen hat, wenn der Stichentscheid des Mannes von der Frau mit Fug und Recht nicht anerkannt wird. Wir stehen dabei primär auf dem Standpunkt, daß der Mann der Erhalter und Ernährer und die Frau das Herz der Familie sein soll.
Es ist gewiß interessant, die Gesetzgebung anderer Länder auf diesem Rechtsgebiet zum Vergleich heranzuziehen. Dies ist bereits bezüglich des Code civil geschehen. Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich als alter Wiener Student einige Sätze aus dem österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuch zitiere, wozu ich aber nicht meine volle Zustimmung zum Ausdruck bringen will. In § 91 dieses alten österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuchs heißt es: „Der Mann ist das Haupt der Familie." In § 139 steht: „Die Eltern haben die Verbindlichkeit, ihre ehelichen Kinder zu erziehen, das
({3})
ist, für ihr Leben und ihre Gesundheit zu sorgen, ihnen den anständigen Unterhalt zu schaffen, ihre körperlichen und Geisteskräfte zu entwickeln und durch Unterricht in Religion und in nützlichen Kenntnissen den Grund zu ihrer künftigen Wohlfahrt zu legen." Schließlich heißt es in § 144: „Die Eltern haben das Recht, einverständlich die Handlungen ihrer Kinder zu leiten. Die Kinder sind ihnen Ehrfurcht und Gehorsam schuldig."
Gewiß klingt das vielfach nach altem römischen Recht, nach dem Begriff des pater familias, des bonus, diligens pater familias, des ordentlichen Hausvaters. Vielleicht ist es aber gar nicht so patriarchalisch , wie es klingt; denn das gilt noch in sehr vielen Familien und noch in ganzen Ländern: in Frankreich, Italien, Spanien, Schweiz und Belgien, allerdings nicht in den nordischen Staaten.
Im Zusammenhang damit einige Worte zu einer zweiten Streitfrage, der des Entscheidungsrechts des Vaters in Ausübung der elterlichen Gewalt nach § 1628. Oberste Richtschnur muß das Wohl des Kindes sein. Wenn keine Einigung möglich ist, hat das zuständige Vormundschaftsgericht zu entscheiden. Es ist hier ganz offen und klar zu sagen, daß es für jede Ehe oftmals eine Gefahr bedeutet, wenn bei jedem Ehekonflikt, der auch in den besten Ehen vorkommen soll, sofort zum Kadi gelaufen werden kann.
Daß die Erziehung der Kinder wohl die schönste und natürlichste Aufgabe der Mutter ist, darüber sind wir uns wohl alle klar. Bekanntlich sind oft gerade die besten Väter die schlechtesten Pädagogen.
Mit § 1356 des Regierungsentwurfs, wonach die Frau den Haushalt in eigener Verantwortung führt und berechtigt ist, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist, sowie mit der Verpflichtung zur gegenseitigen üblichen Mitarbeit im beruflichen Leben sind wir grundsätzlich einverstanden. Desgleichen mit der beiderseitigen Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern, auch mit der gegenseitigen Alimentationspflicht der Ehegatten nach § 1360. Begründete Zweifel bestehen allerdings bezüglich der Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten, Schwiegereltern und Stiefkindern, was auch schon von anderer Seite betont wurde, des weiteren bezüglich der Aussteuer der Tochter bzw. der Ausstattung der Kinder, der Töchter und Söhne, bei Existenzgründungen, ob hier Rechtsspruch oder bloß moralische Verpflichtung bestehen soll. Über alle diese Fragen muß noch gründlich gesprochen werden.
Wir stimmen im Prinzip - und da sind wir uns, glaube ich, wohl im ganzen Hause hinsichtlich aller drei Entwürfe ziemlich einig - dem Regierungsentwurf bezüglich der Regelung des ehelichen Güterrechts, § 1363 und folgende, zu, wonach als gesetzlicher Güterstand der Zugewinnausgleich gelten soll. Grundsätzlich sollen die Ehegatten über ihr eingebrachtes und persönliches Vermögen, allerdings nicht in toto ohne gegenseitiges Einvernehmen, frei verfügen. Der Zugewinn soll gerecht verteilt werden. Bedenken bestehen allerdings auch bei uns hinsichtlich der sogenannten Risikoprämie von einem Viertel des Mehrbetrags nach § 1385. Gerade diese Regelung des ehelichen Güterrechts erscheint uns derzeit sehr vordringlich, denn hier besteht tatsächlich in der Praxis eine höchst bedenkliche Rechtsunsicherheit. Was wir bei dieser
Gelegenheit auch dringend wünschen würden, ist eine klare, schöne, einfache, wohlklingende deutsche Sprache, d. h. eine sprachliche Änderung sehr vieler alter und unverständlicher Paragraphen.
Zum Schluß möchte ich nur noch ganz offen erklären: wir wollen eine echte Gleichberechtigung von Mann und Frau und keine falsche, rein formale Gleichmacherei. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, besonders meine Damen - darf ich das trotz der mir angeborenen Höflichkeit sagen -, viele Frauen und Mütter sehen dieser Gleichberechtigung mit einer gewissen Sorge entgegen und haben daran nicht eine ganz reine' Freude. Ich hoffe aber, daß wir, wie dies meine Vorrednerin in so schönen Worten erklärt hat, in gemeinsamer Zusammenarbeit bei gemeinsamem Verständnis über alle parteipolitischen, weltanschaulichen und natürlichen Verschiedenheiten hinweg zu einer Lösung kommen, die dem Wohl der Familie, der Eltern und der Kinder und damit dem allgemeinen Wohle dient.
Ich halte es gerade auf diesem Gebiete für richtig und empfehlenswert und beantrage deshalb, daß sämtliche Gesetzentwürfe einem Sonderausschuß überwiesen werden, und zwar einem Sonderausschuß, in dem die Damen unseres Hohen Hauses entsprechend vertreten sind.
({4})
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Lüders.
Frau Dr. Dr. h. c. Lüders ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich erst einige Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Familienministers und des Herrn Justizministers mache. Ich war erstaunt, daß ausgerechnet jemand von der Auffassung des Herrn Familienministers in Sachen der Gleichberechtigung so materialistisch denkt. Wenn er das nicht täte, wie hätte er dann die Möglichkeit gehabt, das, was wir für die echte Rechtsgleichheit zwischen Mann und Frau fordern, so zu beurteilen, als hätte er irgend etwas mit den Vorschriften in der Ostzone, mit Herrn Grotewohl und Genossen zu tun.
({1})
Verehrter Herr Minister, es hat damit absolut nichts zu tun, sondern ganz im Gegenteil! Wenn Sie eine Kenntnis von den jahrzehntelangen Eingaben sämtlicher Frauenorganisationen hätten - von denen allerdings heute einige etwas zurückhaltender sein müssen, als sie es früher gewesen sind hätten Sie so etwas niemals behaupten können. Wenn Sie eine Kenntnis davon gehabt hätten, was die „Open-Door"-Bewegung gewesen ist, mit dem scharfen Kampfe der gesamten Frauenbewegung aller Richtungen gegen alle Bestrebungen der die „Open-Door"-Bewegung gewesen ist, mit dem geschilderten befürchteten Weise völlig gleichzusetzen, dann hätten Sie das nicht gesagt. Denn dieser unser Kampf ging und geht heute noch dahin, daß man nicht etwa unter einer solchen formalen Gleichsetzung z. B. den Arbeiterinnen- und Mütterschutz abbaut; sondern ganz im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß man ihn höchstens noch verstärken muß.
({2})
({3})
Wir haben diese Auffassung von den funktionellen
Unterschieden von Mann und Frau gerade als
Grundlage für unsere Forderungen genommen um
der Frauen und der Familie willen, also gegen die
Gefährdung der Familie. Wenn man uns die sogenannten „Suffragetten" immer als eine Art Megären vorhält, die sie gar nicht waren, dann möchte
ich erwidern: wenn sie nicht existiert hätten, hätten
Sie im Wahlkampf die Unterstützung der Frauen,
durch die Sie mit gewählt wurden, nicht gehabt.
({4})
Und was die Suffragetten anbetrifft, so entspricht die Forderung, die sie gestellt haben in bezug auf die Rechtsgleichheit von Mann und Frau im Interesse der Gesamtheit der Familie, der Gesellschaft und des Staates, ganz unserer Auffassung. Sie findet sich wieder in § 1353 Abs. 1 unseres Entwurfs: „Sie schulden einander Treue und Beistand." Ich möchte hier nicht ausführen, weshalb wir Frauen so ganz besonderen Wert auf die „Treue" legen.
({5})
- Leider nicht alle. - Diesen inneren Bestand von Ehe und Familie, meine Herren, schaffen keine Paragraphen und den können auch keine Paragraphen aufrechterhalten.
({6})
Wir hören immer wieder die alten Begründungen zu den §§ 1354 und 1628. Diese Paragraphen hängen mit dieser Frage überhaupt gar nicht zusammen! In einer normalen Ehe, das wissen wir ja alle, sind alle solche Gesetze vollkommen überflüssig. Aber, meine Herren, Sie wollen diese Bestimmungen ja für die Ehe überhaupt haben und nicht nur für die unnormale Ehe; und dagegen wehren wir uns eben. Wir wünschen keine Generalvollmacht für den Mann - ich wünsche sie jedenfalls nicht -, wie sie in den §§ 1354 und 1628 enthalten ist.
({7})
Und nun, verehrter Herr Minister der Justiz, bei aller Hochachtung und Verehrung für Sie, ein bißchen haben mich Ihre Ausführungen an das Wort erinnert: „Du sprichst vergebens viel, um zu versagen!"
({8})
Sie sagten, Sie hätten im Urteil des Bundesverfassungsgerichts kein Wort über Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes gefunden. Das ist gar kein Wunder, Herr Minister. Dieser Absatz des Art. 3 war überhaupt nicht Gegenstand der erbetenen Entscheidung, sondern die Entscheidung drehte sich um etwas ganz anderes. Das Bundesverfassungsgericht wollte sich nicht der Gefahr aussetzen, wie es einem in der Schule passiert, wenn man „das Thema verfehlt" hat und dann eine Vier unter den Aufsatz bekommt.
({9})
Nun zu dem, was meinen ebenso verehrten Parteifreund, den früheren Herrn Minister Dehler, betrifft. Herr Minister, wir sind uns vollkommen einig. Auch für mich ist es das erste Bestreben, aus diesem Gesetz „ein Gesetz der Liebe" und nicht ein Gesetz der Paragraphen zu machen.
({10})
- Aber meine Verehrteste, warum habe ich mich nicht liebevoll betragen? Wenn Sie die Liebe immer nur danach abmessen, was man sagt, dann darf ich Sie bitten, manchmal Ihre eigenen Worte nachzulesen.
({11})
In einem Berliner Museum findet sich eine 2500 Jahre alte Holztafel. Diese Holztafel ist ein Dokument für eine Strafarbeit von Schülern wegen Abschreibens. Auf diesem Dokument steht fünfmal eingeritzt - man muß ja als Schüler die Strafarbeit wiederholen -: „Sei fleißig, sonst bekommst du Schläge." Ich bin sehr glücklich, daß dieser Grundsatz heute in keinem der Ministerien und im Bundesrat mehr gilt, sonst wären nämlich der Text und wären auch die Begründungen, wie wir sie jetzt wieder gehört haben, nicht ständig und immer wieder in gleicher Form abgeschrieben worden.
({12})
Vielleicht aber ist diese Methode auf Grund des bekannten Ratschlags angewandt worden, daß ständige Wiederholung überzeugt. Leider gibt es eine ganze Anzahl von Menschen - ich gehöre zu ihnen -, die durch Wiederholung keineswegs ohne weiteres überzeugt werden,
({13}) sondern wir sind im Gegenteil äußerst erstaunt über den fortgesetzten Versuch, mit kasuistischen Seitensprüngen und mit evidenter Unlogik um die zwingenden Vorschriften der Verfassung herumzugehen. Diese Unlogik stammt ausnahmsweise diesmal nicht von Frauen,
({14})
sondern diese Sprünge macht der ministerielle Pegasus. Diese Sprünge erinnern mich etwas an den Rat eines Gardeoffiziers, den ich im „Simplicissimus" las. Die Älteren unter uns kennen diese Zeitschrift. Dort wird berichtet, wie ein Gardeleutnant ein Rennpferd kaufte, es einem Kameraden erzählte und ihn fragte: „Kameraden, wie soll ich denn das Rennpferd nennen?" Darauf sagte der Kamerad: „Kamerad, nenne es doch einfach ,Frauenlogik`;
({15})
dann nimmt es spielend alle Hindernisse!" Warten wir ab, wann dieser ministerielle Pegasus, der wie spielend die Hindernisse nehmen will, zum erstenmal ausbricht.
Haben Sie keine Sorge; ich beabsichtige nicht, einen Kampf der Amazonen vorzubereiten. Wir wären ja schon zahlenmäßig und wir wären natürlich auch brachial unterlegen. Aber vielleicht gibt es doch so etwas wie einen geistigen Kampf. Die Frauen - und mit uns viele Männer - haben diesen geistigen Kampf jahrzehntelang um Recht und Freiheit auch für die Frau und für die Anerkennung der Frau als gleichwertig neben und mit dem Manne, für die Familie, für die menschliche Gesellschaft geführt. Das veranlaßte die Frauen schon vor und immer wieder nach der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die Rechtsgleichheit für ihre Stellung in Ehe und Familie, in Gesellschaft und Staat zu fordern. Unsere Eingaben - ich weiß nicht, ob es heute noch zutrifft, ich glaube es aber nicht - wanderten in den ungeheuer großen ministeriellen und parlamentarischen Papierkorb. Die Antwort - wenn wir überhaupt eine bekamen-betonte dann immer voll rührender Besorgnis, wir Frauen wüßten selber nicht, was uns fromme! Deshalb sagte man kurzerhand nein.
({16})
Ähnliches hört und liest man auch heute noch. Unsere angebliche Hilfsbedürftigkeit steht doch in einem auffallenden Gegensatz zu den überaus bewegten Appellen an unsere weibliche Einsicht, an unseren weiblichen Instinkt, ,an den unvergleichlichen Wert unserer Urteilskraft und an unsere Zuverlässigkeit im persönlichen und sogar im öffentlichen Leben. Der volle Chor dieser Lobpreisungen ertönt regelmäßig vor jeder Wahl. Meine Damen und Herren, auch Mandatsschmerzen sind echte Schmerzen.
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Schon Friedrich Naumann sagte: „Wenn Männer krank sind, dann rufen sie nach den Frauen", hier also - bei den Mandaten - als politischen Krankenschwestern.
({18})
Vielleicht kann man auch sagen: als weisen Frauen in der politischen Wochenstube.
({19})
Jedenfalls hat diese Krankenschwestertätigkeit ausgezeichnet funktioniert, wie man an der Verteilung der Mandate zwischen Männern und Frauen sieht, in stark modifizierter Rechtsgleichheit. Die Wahlstatistik beweist es, und das Lob, das uns der Herr Kanzler gezollt hat, beweist es ebenfalls.
({20})
Ehe und Familie sind für uns aber viel wichtigere Probleme als Wahlresultate. Wir sind uns der Tatsache voll bewußt, Ehe und Familie sind als Ordnung der Beziehungen zwischen Mann und Frau untrennbar mit der Existenz des Menschen überhaupt verknüpft. Sie waren es, sie sind es, und sie werden es trotz aller Wandlungen bleiben. Diese Bindung zwischen den Geschlechtern und zwischen Eltern und Kindern ist nach unserer festen Überzeugung der wirklich feste Boden jeder menschlichen Gemeinschaft. Die Ehe hat sich wie nichts anderes - das wurde schon betont - auch in Zeiten größter Not und äußersten Schreckens, Gott sei Dank, als unerhört widerstandsfähig erwiesen. Ja, sie hat sich als tragendes Element und nicht zuletzt in der Hut der Frauen und Mütter auch dann noch bewährt, wenn das Schicksal diese Frauen jahrelang des Mannes beraubt hat.
Diese Kraft wirkt sich auch in der unvollständigen Familie aus. Dem trug schon das Bürgerliche Gesetzbuch dadurch Rechnung, daß unter bestimmten Voraussetzungen die elterliche Gewalt auf die Mutter übergeht. Um so 'beleidigender war für uns immer - jetzt soll es abgeschafft werden - der Verlust der elterlichen Gewalt für die Mutter bei Wiederverheiratung. Oder, fragten wir uns immer wieder erstaunt, verdummt man denn durch Heirat derart, daß man nun nicht mehr imstande ist, seine Kinder selber zu erziehen?
({21})
Ebenso ungereimt war und ist die Möglichkeit, die uneheliche Mutter besser als die eheliche Mutter zu stellen -- Herr Minister Wuermeling, ein für Sie ungeheuer wichtiges Problem -, und zwar um so ungereimter wegen der üblichen Hymnen gerade auf die Familienmutter einerseits und andererseits gegenüber der sozialen und persönlichen Diskriminierung der unehelichen Mutter; ein Problem, das des ernsten Nachdenkens bedarf.
Die überragende Bedeutung der Familie rechtfertigt unseres Erachtens den ordnenden, schlichtenden, notfalls strafenden Eingriff der größeren Gemeinschaft in Ehe und Familie. Das rechtfertigt die Verpflichtung nach Art. 6 des Grundgesetzes gegenüber Ehe und Familie. Er wurde zuerst in der Weimarer Verfassung und jetzt wieder im Grundgesetz zum Schutze der Institution von Ehe und Familie konstituiert. Welcher Ehe und Familie gilt diese Garantie des Art. 6 und weshalb? Sie ist für Deutschland der monogamen, grundsätzlich lebenslänglichen Bindung zwischen Mann und Frau und Kindern gegeben, einer mit Erziehungsrechten, mit Erziehungs- und Unterhaltspflichten verknüpften Gemeinschaft der Eltern und ihrer Kinder. Ich betone: der Eltern, nicht nur des Mannes. Diese Bestimmung des Grundgesetzes ist keine Deklamation. Sie ist ein echtes Bekenntnis auf dem Boden unserer abendländischen Kultur, idem die Ehe als Lebensbund gilt und die Familie als Pflanzstätte persönlicher Gesittung in gegenseitiger Bereitschaft auch zu weitgehenden Opfern. Dieses Bekenntnis bestimmt maßgeblich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung als Grundlage einer dauerhaften gemeinsamen Ordnung der abendländischen Welt.
Weshalb denn dieser Schutz eines feststehenden Komplexes bindender Normen? Nicht um des einzelnen willen, sondern zum Besten der Allgemeinheit, also um allgemein sittlicher und sozialer Ziele willen. Was meint der Gesetzgeber mit der Familie? Er meint grundsätzlich den in Hausgemeinschaft geeinten, engeren Personenkreis, d. h. zusammengefaßt die Personen in Ehe und Familie, Eltern mit ihren Kindern. Dieser Begriff bleibt auch für die unvollständige Familie, wie wir wissen, bestehen. Der Wesensgehalt dieser Lebensordnung liegt in Rechten und Pflichten der Eltern zur Erziehung der Kinder sowie in Rechten und Pflichten aller zu gegenseitiger Hilfeleistung füreinander.
Diese menschliche Gemeinschaft des Art. 6 ist unlöslich mit Art. 1 Abs. 2 verbunden, aus dem der Art. 3 die Folgerung zieht. Man kann sie nicht auseinanderreißen. Man argumentiert so gern gegen den Grundsatz des Art. 3 Abs. 2 mit dem „natürlichen", mit dem angeblich „göttlichen" Recht, mit dem Mann als dem „Haupt" und mit der Frau als dem „Herz" der Familie. Das klingt wunderschön.
({22})
Aber was vermag eigentlich ein Haupt ohne Herz,
und was vermag ein Herz ohne Haupt? Gar nichts!
,({23})
- Wir sind ja immer einer Meinung, wir waren schon im Reichstag in bezug auf die Rechtsgleichheit völlig einer Meinung und wir waren es auch ohne meine Anwesenheit im Parlamentarischen Rat. - Also gar nichts! Sie sind beide gleich notwendig und gleichwertig, Kollegin Weber, auch in dem einheitlichen Körper der Familie.
Die evangelische Kirche im Rheinland z. B. weist in dem Vorspruch ihres Vorschlages zur Reform des Familienrechts im Sinne der Rechtsgleichheit auf das Wesentliche hin. In diesem Vorschlag heißt es:
Die von uns vorgeschlagene Neuregelung geht aus von dem christlichen Grundgebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" Und wir halten dieses Gebot mit einem minderen Recht für den Nächsten für unvereinbar.
({24})
Nun, wer von uns wollte diesem höchsten Gebot etwas abzudingen versuchen! Dieser Gedanke ist bereits so tief in das europäische Bewußtsein eingedrungen, wie es z. B. Art. 16 Abs. 1 der Deklaration der Vereinten Nationen zum Ausdruck bringt. Der Text ist vorhin schon verlesen worden; ich kann darauf verzichten. Auch Deutschland hat diese Deklaration unterzeichnet. Wer von uns möchte allen Menschen gegenüber von unserem gegebenen Wort etwas abdingen! Wer möchte sich einem „Nein" gegenüber dem Art. 16 der Deklaration anschließen, wie es seinerzeit in diesem Hause die Kommunisten ausgesprochen haben!
Diese Rechtsgleichheit ist ein elementarer Grundsatz. Wer ihn in einem Artikel negiert, der zerstört auch den anderen Artikel. Es steht uns meines Erachtens nicht frei, auch nicht mit Zweidrittelmehrheit, diesen Grundsatz außer Kraft zu setzen. Er verkörpert zu jeder Zeit jedem gegenüber das gleichsam ewige Prinzip der Gleichheit des Menschen vor Gott und dem Gesetz. Viele sehen von diesem Prinzip die christliche Ehe und Familie bedroht, die ohne die sogenannte - vorhin wurde so gesagt - „vorgegebene" oberherrliche Autorität nicht funktionieren könne.
Ein Kronzeuge gegen diese Auffassung ist der anderen Ortes doch sehr männerrechtlich orientiert gewesene Apostel Paulus, der ja ausgesprochen gegen unsere Teilnahme am öffentlichen Leben gewesen ist. Aber derselbe Apostel Paulus spricht überaus beachtliche Worte im Galater-Brief Kapitel 3 Vers 28. Da heißt es:
Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Knecht noch Freier, hier ist nicht Mann noch Weib; denn ihr seid alle einer in Christo Jesu, unserem Herrn.
Wer möchte sich von dieser Gemeinschaft in Christo Jesu ausschließen! Also sind wir, um auf unseren irdischen Bereich zurückzukommen, logischerweise weder Vater- noch Mutterrechtler, wir sind ganz schlicht Elternrechtler. Wer das nicht sein will, der leugnet meines Erachtens die Einheit der Familie, er leugnet die Ehe als Lebensbündnis zu einer höheren Einheit, als jeder für sich allein sie zu erreichen imstande ist.
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Wer das nicht zugeben und danach nicht handeln will, der muß meines Erachtens den Mut haben, im Gesetz nicht von elterlicher Gewalt, sondern von väterlicher Gewalt zu sprechen. Dann ist wenigstens der Text wahr, und man kann sich nicht wie bisher hinter Begriffe verstecken, die keinen Inhalt haben.
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Dann soll man von väterlicher Gewalt sprechen, kraft deren der eine den anderen beherrscht.
Und nun wieder das Merkwürdige, daß - das sind so gewisse schöne Sprüche - uns Frauen als unsere natürliche, gottgewollte, höchste Aufgabe zugeteilt sei die Verantwortung für die Kinder, die voll zu behalten und auszuüben aber nur die Witwe berechtigt ist, die verheiratete Frau nicht. Es gibt allerdings Männer genug, die auf diesem Gebiet den Standpunkt der „Elternrechtler" mit uns teilen.
Nun, andere Männer machen eine Konzession und streichen den § 1354. Andere wollen ihn behalten und auch § 1628. Das ist sehr beachtlich im Hinblick auf Äußerungen im Parlamentarischen
Rat. Lassen Sie, bitte, doch die damaligen Redner jetzt einmal wieder zu Worte kommen. Die Redner waren Ehemänner, ganz richtige Ehemänner,
({27})
mit Kindern! Es waren keine Junggesellen, die einer jungen Dame zuliebe reden wollten. Es waren ausgesprochene Prominenzen in einem Parlament, das zu 90 % aus Männern bestand.
({28})
- Mehr sogar? Noch besser!
In der 42. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates am 18. Januar 1949 sprach mit Nachdruck von den „unveräußerlichen und unverletzlichen Freiheits- und Menschenrechten des Art. 1 Abs. 2" ein heutiger Staatssekretär. Der frühere Abgeordnete Herr Dr. Süsterhenn betonte in der gleichen Sitzung, daß „diese Rechte der Menschen von Gott und nicht vom Staate verliehen" seien. Will man etwa heute, falls das richtig ist, diese göttliche Gabe mit Menschenhand antasten? Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich habe das nur zitiert, da es besonderen Wert für den Zusammenhang zwischen Art. 1 und Art. 3 im Hinblick auf Gesetzentwurf hat.
In jener Sitzung - Sie erlauben, Herr Präsident
- führte besagter Herr Staatssekretär folgendes aus:
Wir sind uns über den Grundsatz von vornherein einig gewesen.
- Nämlich der Rechtsgleichheit. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit.
- Habe ich nie bemerkt! Gerade die vergangenen Jahre haben wohl jedem Mann einschließlich der Junggesellen vor Augen geführt, daß die Aufgaben der Frau fast sogar noch schwerer, auch physisch schwerer sind als die des Mannes. Die meisten deutschen Frauen sind nun schon seit Jahren berufstätig,
- das merkt man ebenso die Männer, aber sie haben zusätzlich
zu den Aufgaben der Männer noch die Aufgaben des Haushalts und der Kindererziehung.
- Ein verheirateter Mann mußte das ja wissen. - Viele deutsche Männer haben erst in diesen Jahren erfahren, was Haushaltarbeit bedeutet, besonders wenn sie gezwungen waren, an dieser Haushaltarbeit mitzuwirken. Infolgedessen dürfte es gar keinen Zweifel - abgesehen von einigen Hinterwäldlern. - auch unter den Junggesellen darüber geben, daß wir die Gleichberechtigung der Frau in jeder Beziehung, nicht nur bei den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten, anerkennen und verlangen und daß, soweit noch juristisch Widersprüche bestehen, diese Widersprüche beseitigt werden müssen. Wir müssen also eine Formulierung finden, - Ich will das nicht näher anführen. Zu Anfang dieser Erklärungen sagte derselbe Herr:
Gestatten Sie es deshalb zunächst einem Mann, sich hierzu zu äußern. Ich glaube, daß ich für die überwiegende Anzahl aller deutschen Männer und insbesondere aller deutschen Ehemänner spreche, wenn ich sage, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau uns zum mindesten seit 1918 bereits so in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß uns die Debatte
({29})
- ob es eine solche Rechtsgleichheit geben muß - etwas überrascht hat.
Mich haben diese Debatten nie überrascht. Denn offfensichtlich hat der Herr Staatssekretär ja nicht wie die Kollegin Dr. Weber und ich nach 1918 an den harten Auseinandersetzungen vor allen Dingen mit dem damaligen Herrn Reichspostminister Dr. Giesberts zum Beamtenrecht und zur Stellung der verheirateten Postbeamtinnen teilgenommen. Na, da konnten wir etwas davon erleben, wie uns „dieser Grundsatz in Fleisch und Blut übergegangen war"!
({30})
Ich stimme also diesen Ausführungen des damaligen prominenten Mitgliedes des Parlamentarischen Rates in jedem Worte zu, und ich stimme auch der Frau D r. Weber bei, die diese Worte damals noch unterstrich und folgendes sagte:
Nach den erfrischenden Ausführungen des
Herrn Dr. Sowieso, der sich zum Wortführer
der Ehemänner und Junggesellen gemacht hat,
kann ich vielleicht als Frau der CDU - aber
ich spreche vielleicht auch für die anderen
Frauen -- jawohl noch folgendes ausführen:
Es ist so viel Sturm entstanden, daß wir gedacht haben - es liegt uns ja gar nichts an einer bestimmten Formulierung -: wenn diese Formulierung unklar und unzureichend ererscheint, dann wählen wir eine andere Formulierung.
- Das tun wir nämlich jetzt auch. Ebenso wie die Herren Juristen und Frauen Juristinnen und auch die anderen haben wir uns in der CDU/CSU geeinigt und haben einen Antrag eingebracht usw.
Verehrteste Frau Weber, Sie haben mir so oft damals bei den Debatten mit Herrn Giesberts aus dem Herzen gesprochen. Sie haben später im Parlamentarischen Rat dasselbe getan. Aber nun möchte ich doch gern einmal wissen: Sind denn die damaligen Ausführungen überhaupt vereinbar mit dem, was hier heute zu den §§ 1354 und 1628 offiziell erklärt worden ist? Für mich nicht! Aber die Ausführungen im Parlamentarischen Rat sind für mich ungeheuer wichtig, denn ich meine, daß sie es nicht mehr zulassen, an den damals gesprochenen Worten
- sie sind ja auch gedruckt worden - auch nur das Geringste zu deuteln.
Die damalige Verwahrung des prominenten Redners, etwa „Hinterwäldler" zu sein, ist sehr berechtigt. Ja, wenn - entschuldigen Sie, Frau Weber - wenn der alte Adam nicht bei wichtigen Teilnehmern jener Zeit wieder recht merklich aufgelebt wäre und wenn dieser alte Adam nicht versuchte, die verfassungsrechtlichen Hindernisse auf dem Rennpferd jenes vorhin zitierten Gardeleutnants zu nehmen!
({31})
Jenen Reden folgte dann die dankbare Feststellung der damaligen Abgeordneten Frau Dr. Selbert.
Wenn sich im Parlamentarischen Rat die CDU und alle anderen Leute so einig waren, so ist das doch geradezu eine vorbildliche Übereinstimmung in einer Koalitionsehe! Vielleicht könnten wir das auch jetzt wieder exemplifizieren.
Nach dem, was damals von den schweren Auf- gaben der Frau in Ehe und Familie - und ich setze hinzu: in der Gesellschaft überhaupt - gesagt worden ist, sind wir der Meinung, daß die Zeit endgültig vorüber ist, in der die Frau nach dem Rezept bei Wilhelm Busch leben sollte:
Bei eines Strumpfes Bereitung sitzt sie im Morgenhabit,
er liest in der „Kölnischen Zeitung" und teilt ihr das Nötige mit!
({32})
- auch vielleicht über die Kindererziehung eben im Anschluß an einen Artikel in der „Kölnischen Zeitung" oder sonstwo!
Das heißt im vorliegenden Falle: Wir sind gegen die gesetzliche Unterwerfung aus § 1354 und § 1628. Wir sind unbestrittene Anhänger jeder privaten Unterwerfung des einen oder des anderen Eheteils so oder so, ob mit oder ohne Pantoffel, ob mit Überredung oder sonstwelchen Mitteln; das ist uns ganz egal. Privatim kann sich jeder und soll sich jeder soweit unterwerfen, wie sein Gewissen es zuläßt und wie er glaubt, der höheren Gemeinschaft der Familie und vor allem den Kindern. damit dienen zu können.
({33})
Wir fragen aber besonders zu § 1628: Wer entscheidet nun eigentlich darüber, ob der Mann den Versuch gemacht hat, sich zu verständigen? Das pflegt sich in den vier Wänden abzuspielen, und kein Mensch kann, wenn die Frau sagt: „Er hat ihn nicht gemacht!" und er sagt: „Ich habe ihn doch gemacht!", nachweisen, wer Recht hat. Wer erfährt denn überhaupt, ob er den Versuch gemacht hat? Niemand, wenn man nicht - und das ist eine höchst fatale und von uns keineswegs gewünschte Konsequenz -, wenn man nicht zum Kadi geht. Gesetze sollen so sein, daß man möglichst nicht zum Kadi zu gehen braucht.
Und dann fragen wir: Was heißt denn eigentlich in dem Artikel das Wort „beharrlich"? Ist das nur objektive Beharrlichkeit, oder ist es auch subjektive Beharrlichkeit? Ist es eine Beharrlichkeit, die sich in derselben Sache mehrmals betätigen muß, oder ist es eine Beharrlichkeit, die sich bei verschiedenen Gelegenheiten nacheinander zeigen muß? Und ist nicht gerade § 1354 geeignet, einer bockigen Frau künstlich einen Ehescheidungsgrund zu geben? Ich möchte einmal fragen: Kann eigentlich § 1628 unter Menschen, die wir doch alle sind mit unseren erheblichen Fehlern, irgendwie versöhnend, irgendwie vermittelnd wirken, wenn der eine von vornherein weiß, daß er auf alle Fälle, unter allen Umständen letztlich recht hat?
({34})
Meine Damen und Herren, Sie mögen mich für streitsüchtig - wie die Kollegin Weber meint -, Sie mögen mich für versöhnlich halten - wie alle Menschen meinen, die mich näher kennen ({35})
- Jawohl, lachen Sie nicht! Fragen Sie ein paar Kollegen! Nehmen wir doch einen alltäglichen Fall: Wenn in einem Zivilprozeß jemand von vornherein das Gefühl hat: „Die Sache pauke ich durch! Die kann ich gewinnen!" und der Anwalt ihm das auch noch einredet - in der Ehe vielleicht die Großmutter -, wird er dann bereit sein, nachzugeben,
({36})
oder nicht? Er denkt ja gar nicht daran; er müßte ja nicht gescheut sein, wenn er das täte.
({37})
Noch etwas anderes. Wir werden darauf verwiesen, daß bei Mißbrauch die Frau klagen kann. Meine Damen und Herren, dieser fatale Hinweis setzt schon ein so tiefes Zerwürfnis
({38})
zwischen den Eheleuten voraus, daß da in den meisten Fällen, das wird mir jeder Scheidungsanwalt
bestätigen, überhaupt nichts mehr zu machen ist.
Wir lehnen es um des ehelichen Friedens, wir lehnen es um des Familienfriedens, wir lehnen es aber auch um der Autorität der Mutter vor ihren Kindern willen ab, daß auch fernerhin der Frau die moralische Last zugeschoben wird, den Klageweg beschreiten zu müssen.
({39})
Das heißt, wir lehnen es ab, von Gesetzes wegen als Störenfried der Ehe gestempelt zu werden und den eigentlich Schuldigen an der Zerrüttung - nach einem Brief, den ich kürzlich vorn Herrn Familienminister bekommen habe, sind offenbar die Männer meistens schuld, ich kann darüber nicht urteilen ({40})
als unschuldiges Lämmlein aus der Affäre hervorgehen zu lassen.
Dieser Ausweg des § 1628 Abs. 1 soll eine „Lösung" sein. Für mich ist das gar keine Lösung. Eben weil es keine Lösung ist, was § 1628 bringt, hat man ja doch in Absatz 2 und 3 wieder als ultima ratio zu dem Vormundschaftsgericht gegriffen, während man sonst fortgesetzt betont, es solle „kein Dritter sich in Familienangelegenheiten einmischen." „Erkläret mir, Graf Oerindur . . ."
Warum hat man es getan? Weil es eben gar keine andere gesetzliche Institution gibt. Gut, es ist möglich - ich habe selber vor vielen Monaten den Vorschlag gemacht -, daß man um der Verständigung, der Versöhnung und der Auflockerung der Versteifung der beiden gegeneinanderstehenden Menschen willen möglichst viele Eheberatungs-, Ehehilfsstellen einrichtet und Fachverständige dazwischenschaltet, die zu Wort kommen können - ganz egal, wer es ist -, um zu verhindern, daß es zu einer endgültigen Trennung kommt.
Ich will in diesem Zusammenhang heute auf die Tragikomödie mit Art. 117 lieber nicht zurückkommen. Ich warte nur auf die Zurückziehung des Antrages, der seinerzeit zu Art. 117 gestellt worden ist. Natürlich nur um der Klarheit willen; was die Sache selber anbetrifft, so genügen mir das Urteil des Verfassungsgerichts und die Ausführungen des mit Recht berühmten Professors Bosch in Bonn.
Noch ein kurzes Wort zum Rechtschaos. Die zahlreichen inzwischen ergangenen Urteile sind hier bekannt. Besonders wichtig scheint mir die Entscheidung über die Gleichsetzung außerhäuslicher Erwerbsarbeit des Mannes mit der hauswirtschaftlichen Arbeit der Frau zu sein. Ich komme darauf noch zurück. Ebenso wichtig erscheinen mir Entscheidungen zur gemeinsamen elterlichen Gewalt, ferner zur Beibehaltung der elterlichen Gewalt in der zweiten Ehe. Aber gerade in letzterem Punkt zeigt sich ja die völlige Unlogik des § 1628 und seiner Begründung, weil nämlich nun zwei Autoritäten in einer Familie über die Kinder aus den beiden Ehen geschaffen werden! Oder soll man durch Rückfall in die nur väterliche Gewalt den Müttern, die wieder heiraten, gleichsam als Heiratsstrafe das volle Recht über ihre Kinder aus der ersten Ehe wieder entziehen? Das würde gewiß nicht im Sinne des Familienministers sein, den es würde neue Onkelehen schaffen.
({41})
Es würde nicht den Familienfrieden fördern, wenn diese beiden autoritären Instanzen in bezug auf die gleiche Situation der Kinder aus der ersten Ehe und der Kinder aus der zweiten Ehe verschiedener Meinung wären. Außerdem fürchte ich, daß das alleinige Entscheidungsrecht des Mannes die Frau der echten Verantwortung überhebt, daß es sie gegebenenfalls sogar straffrei machen könnte. Ein Beispiel! Ein Mann - es gibt solche; es gibt auch solche Frauen - prügelt das Kind in einer unerhörten Weise, trotz des Widerspruchs der Mutter. Das Kind nimmt körperlichen oder geistigen Schaden. Hat nun die Frau ihre Sorgepflicht verletzt oder nicht, weil sie es nicht hat verhindern können, daß das Kind in dieser Weise geprügelt wurde? Und ist es nicht reichlich grotesk, daß man uns schon jahrzehntelang - wir hatten deshalb den „Verband für weibliche Vormundschaft" gegründet - immer wieder aufruft, über fremde Kinder die Vormundschaft mit allen in der elterlichen Gewalt enthaltenen Rechten zu übernehmen, daß wir aber für unser eigenes Kind eine Art Obervormundschaft nötig haben?!
Sehr zu begrüßen ist - so scheint mir - die Gleichsetzung der Hausarbeit der Frau mit der außerhäuslichen Erwerbsarbeit des Mannes. Ich habe dies schon erwähnt. Auch das ist eine alte Forderung von uns. Wir haben bis heute vergebens verlangt, daß dieser Tatsache auch in der Statistik Rechnung getragen wird; denn da gibt es nur die Rubrik „mitarbeitende Familienangehörige". Nun, zu diesen „mitarbeitenden" Familienangehörigen, die anscheinend keinen Beruf haben, gehört - ich will nur einen nennen - auch die Landhausfrau. Diese Frau hat keinen Beruf? Nein, sie hat drei: Mutter und Hauswirtschaft, Garten und Feld sowie Kleinviehzucht. Wenn man es gesetzgeberisch ausdrücken will, so ist sie nach der Preußischen Gesindeordnung gegen Kost und Logis zu ungemessenen Diensten engagiert.
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- Ich habe ja nur zitiert, Verehrtester! Erfreulich scheint uns auch das Recht der Frau auf die Berufsarbeit und damit die Unmöglichkeit zu sein, daß' der Ehemann unser Arbeitsverhältnis kündigt. Dieses Recht wird aber meines Erachtens illusorisch durch die §§ 1354 und 1628, weil dann der Mann die Entscheidung darüber hat, was mit den Pflichten der Frau in der Familie vereinbar ist und was nicht.
Noch ein kurzes Wort zu den gefürchteten angeblich unlösbaren Streitfragen, mit denen auch die neue Begründung zu § 1628 wieder operiert. Das Kind wird nicht in die Schule geschickt, wenn die Eltern sich nicht einigen: Soviel ich weiß, gibt es eine Schulpflicht, deren Versäumung die Eltern strafbar macht. Das Kind bekommt keinen Namen: Ich glaube, es gibt ein Standesamt, das verlangen kann, daß ein Name genannt wird. Und nun kommt der ernsteste Fall: Im Falle der Krankheit würden sich die Eltern nicht darüber einigen, ob
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Homöopath, Allopath, Wunderdoktor, Schäfer Ast und ich weiß nicht was sonst.
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Nun, meine Herren - ich sage hier ausdrücklich: meine Herren -, das ist doch eine vollkommen weltfremde Vorstellung. Beide Eltern sind im Ernstfall in Angst um ihr Kind,
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Frau u n d Mann! Ja, man zieht in solchem Falle in der Angst, mit Einwilligung des Ehemanns selbstverständlich - er ist ein vernünftiger Mann -, oft sogar die Schwiegermutter zu Rate. Und der Vater? Ja, meine Damen und Herren, der verwandelt sich in ernsten Fällen in eine Löwenmutter, um das Leben seines Kindes zu verteidigen und alles zu tun, was in seiner Macht steht, um Hilfe möglich zu machen. Die ständige Wiederholung der immer gleichen Beispiele ist dürftig.
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Besonderen Ernst - darin sind wir uns, glaube ich, alle einig - verlangt die Behandlung der Ehescheidungsfrage. Aber das Operieren nur mit summarischen Zahlen, wie wir es neulich einmal gehört haben, genügt ja nun doch nicht. Der Versuch, leichtfertigen Scheidungen vorzubeugen, muß auf das ernsteste bedacht und verfolgt werden. Aber, meine Damen und Herren, wer Scheidungsanwalt ist, wer wie ich Hunderte von Ehescheidungsprozessen mit meinem hochverehrten Lehrer und früheren Reichstagskollegen Professor Kahl durchgearbeitet hat, der weiß, daß es nichts Unsittlicheres gibt, als eine Ehe zwangsweise aufrechterhalten zu wollen,
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der weiß, daß eine solche Zwangsehe gerade für die Kinder noch schlimmer ist als ihr Leben bei geschiedener Ehe der Eltern, bei dem sie doch wenigstens endlich zur inneren Ruhe kommen. Die absolute Starrheit von Bestimmungen für solchen Zwang treibt ganz selbstverständlich - ich billige es nicht, aber es ist eine Tatsache - ins Konkubinat. Ohne Zerrüttungsprinzip neben dem Schuldprinzip kann meines Erachtens eine vernünftige Regelung nicht getroffen werden. Zu erwägen wäre auch, ob man nicht die Trennungsfrist, wie es ehedem im Reichstagsausschuß vorgeschlagen worden ist, verlängern sollte.
Ein sehr erheblicher Hemmschuh für allzu leichtfüßige Eheleute ist ein Ehegüterrecht, das es den Fortstrebenden unmöglich oder sehr schwer machen soll - mindestens viel schwerer als heute -, fortzulaufen, alles mitzunehmen und die Frau hilflos dasitzen zu lassen. Ehegüter- und Ehescheidungsrecht kann man nicht trennen.
Sehr erfreulich ist auch die Bestimmung über die Zuteilung aus dem Hausrat während des Getrenntlebens. Einzelheiten zum Ehescheidungsrecht kann man hier nicht erörtern; das würde viel zu kompliziert sein und viel zu weit gehen. Wir haben aber das Gefühl, daß ein Verstoß gegen die Rechtsgleichheit auch noch in der Ziffer 3 Abs. 2 der Übergangsbestimmungen zu Art. 8 liegt. Hiernach ist zwar beiden Ehegatten die Möglichkeit gegeben, durch einseitige Erklärung den Eintritt des Güterstandes der Gütertrennung als Zugewinnbeteiligung abzulehnen. Formal ist damit dem Rechtsgleichheitssatz Genüge getan, de facto aber wird der Mann dabei das Übergewicht haben. Sein
alleiniges Entscheidungsrecht gibt ihm zumindest die Möglichkeit, einen starken Druck auf die Ehefrau auszuüben, falls er nicht - wie es in solchen Fällen wahrscheinlich der Fall sein wird - schon vorher, ohne etwas zu äußern, hingegangen ist und von sich aus eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.
Nun noch ein kurzes Wort zu der mich merkwürdig berührenden Vorstellung von der „vorgegebenen göttlichen Ordnung". Wer von uns kann sich anmaßen, etwas über die „vorgegebene göttliche Ordnung" aussagen zu können? Ich glaube, niemand! Zum Schluß will ich 'deshalb einmal zwei Proben von früheren Vorstellungen über die „vorgegebene göttliche Ordnung" bringen. Die eine entnehme ich aus einer „Deutschen Predigt" dies Berthold von Regensburg um 1250. Eben nach den damaligen Vorstellungen der „vorgegebenen göttlichen Ordnung" schreibt dieser Berthold von Regensburg zum Verhalten des Ehemannes zur Frau:
Du sollst ihr allzeit die Haare nicht ausziehen umsonst und um nichts sollst du sie nicht schlagen, solange dich gutdünket und schelten und fluchen und andere böse Handlungen antun unverdient. Du sollst dein Hausfrau nicht mit dem Fuß vor den Ofen stoßen.
Sehen Sie, das war damals die Vorstellung von der
„vorgegebenen göttlichen Ordnung".
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Wir sind heute ganz anderer Meinung als 1250. Aber welche Vorstellung hatte noch Napoleon von der „vorgegebenen göttlichen Ordnung":
Die Frau ist unser Eigentum, nicht wir das Ihrige, denn sie gibt uns Kinder und der Mann gibt ihr keine.
- Das ist sein Glück! ({49})
„Sie ist daher -- daher! sein Eigentum wie der Baum das Eigentum des Gärtners."
({50})
- Ich habe ja gar nicht gesagt, daß Sie das sind, um Gottes willen!
({51})
Meine Damen und Herren! Um jeden Zweifel zu vermeiden: unsere Vorstellungen über die notwendige Gesetzgebung für die menschliche Ordnung einer Gemeinschaft in Verantwortung vor Gott und den Menschen sehen nicht genau so aus wie die des Entwurfs. Wir möchten diese Gemeinschaft in Liebe zum Nächsten - und der Allernächste dürfte eigentlich die Ehefrau und die Mutter sein - so begründen, daß das Ihnen bekannte Wort: „Der Frauen Zustand ist beklagenswert" keine Geltung mehr haben kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schranz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgeschrittene Zeit darf ich mich darauf beschränken, eine Reihe
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grundsätzlicher Bemerkungen zu machen, und darf davon absehen, ins Detail zu gehen. Die eingebrachten Gesetzesvorlagen der Regierung, der Fraktion der SPD und der Fraktion der FDP zielen auf die Regelung einer Ordnung hin, die an die Grundlagen unseres menschlichen, gesellschaftlichen und staatlichen Daseins überhaupt rührt.
Nach der konservativen Grundanschauung der Deutschen Partei sind Ehe und Familie vorstaatliche Ordnungen des menschlichen Lebens, die der gesetzgeberischen Willkür im Grundsätz1ichen entzogen sind.
Unsere Familienrechtsgesetzgebung beruht in den Grundlagen auf dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das in den Jahren zwischen 1870 und 1890 entworfen und fortgebildet, 1896 beschlossen worden und am 1. Januar 1900 in Kraft getreten ist. Aus der Dauer der Bearbeitung ist die Behutsamkeit erkennbar, mit der der Gesetzgeber damals zu Werke gegangen ist. Ich meine, bei der Bedeutung des Problems, das uns beschäftigt, sollten wir uns dieser Behutsamkeit erinnern.
Seit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs haben sich die soziologischen Grundlagen allerdings tief gewandelt. Die Stellung des Mannes ist in der hochtechnisierten Wirtschaft infolge der Wandlungen des Arbeitsprozesses eine andere geworden, als sie zu der Zeit der Kodifikation unseres auf den Traditionen einer anderen gesellschaftlichen Ordnung beruhenden Familienrechts gewesen ist. Früher waren der Arbeitsplatz wie auch der Familienwohnsitz meist aneinem und 'demselben Ort. Heute wird der Mann als Ernährer der Familie die meiste Zeit seiner Heimstätte fernbleiben müssen. Die Frau ist im höchsten Maß aus dem Familienverband emanzipiert und ihre Stellung verselbständigt worden. Diese Veränderungen machen eine Reform des Familienrechts, vor allem des Güterrechts, 'erforderlich. Dennoch ist die Fraktion der Deutschen Partei der Auffassung, daß sich die Grundstruktur der Familie nicht gewandelt hat.
Der Begriff der Gleichberechtigung, wie ihn Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes zum Ausdruck bringt, darf nicht mechanistisch ausgelegt werden. Für die natürliche Ordnung der Familie gelten eben nicht die Prinzipien einer egalitären Demokratie. An die Grundordnung sollten wir nicht rühren, weil wir sonst mit der Auflösung der Familie den schützenden, staatsfreien Raum natürlicher, menschlicher Autorität, in dem die Kinder heranwachsen, zerstören würden.
Das Familienrecht der totalitären Staaten zielt, um den Kollektivierungsprozeß der Menschen voranzutreiben, auf die Auflösung der Familie hin,
({1})
indem es mechanistisch die Egalität der Ehepartner unterstreicht, die Kinder vom Staat erziehen läßt und in jeder Weise in diese Urzelle der menschlichen Gesellschaft vom Staat her hineinzuregieren bestrebt ist.
Die Fraktion der Deutschen Partei widersetzt sich jeder Bestrebung, die etwa in dieser Richtung gehen sollte. Sie ist andererseits aber auch der Auffassung, daß die Gesetzesvorlagen mit großer Aufgeschlossenheit und unter Wahrung der Grundsatztreue und Achtung vor der natürlichen Ordnung zu behandeln sind. Allerdings ist die Fraktion der Deutschen Partei bei aller Aufgeschlossenheit für die notwendigen Reformbestrebungen, die das Ziel
verfolgen, die Partnerschaft der Ehegatten im Leben der Familie, bei Ausübung der elterlichen Gewalt, beim Scheidungsrecht und im Güterrecht zu verwirklichen, genötigt, sich mit großer Entschiedenheit solchen Versuchen zu widersetzen, die den Gleichheitsgrundsatz in einer geradezu familienzerstörenden Weise durchzuführen trachten. Das gilt insbesondere hinsichtlich des Namensrechts, weil die Kontinuität des Namens in der Familie nach unserer Auffassung nicht in Frage gestellt werden darf.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist 'der Ansicht, daß die Vorschläge der SPD zur Anpassung des Familienrechts an Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes bei der überwiegenden Mehrheit des deutschen Volkes ohnehin auf eine tiefe Ablehnung stoßen werden und daß deshalb eine Polemik dagegen nur offene Türen einrennen würde.
Aber auch die Vorlage der FDP kann in einigen Grundauffassungen nicht die Zustimmung der Deutschen Partei finden. Es ist zuzugeben, daß die Gesetzessprache :der Vorlage der FDP manche Vorzüge aufweist. Ein Familienrecht muß - und da stimme ich dem Kollegen Dr. Czermak zu - volkstümlich und verständlich sein. In dieser Hinsicht finden sich in der Vorlage der FDP viele gute Formulierungen, in denen der gleiche Grundgedanke wie in der Regierungsvorlage in einer noch besseren Fassung zum Ausdruck gekommen ist.
Die Vorlage der FDP enthält auch ein Scheidungsrecht, das in den Grundzügen von der Fraktion der Deutschen Partei gebilligt werden könnte. Sie hat ferner den Vorzug, daß auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts Fortschritte gemacht werden, deren Wert und Bedeutung von der Fraktion der Deutschen Partei nicht verkannt werden.
Die Deutsche Partei muß es aber ablehnen, daß die Vorlage der FDP dem Problem des § 1354, d. h. der letzten Entscheidungsgewalt des Mannes, ausweicht. Damit wird eine liberale Konzession an das Egalitätsprinzip gemacht, das der natürlichen Ordnung der Familie widerspricht. Diese Frage darf nicht ungeklärt bleiben, wenngleich auch die Fraktion der Deutschen Partei die Auffassung teilt, daß im natürlichen Leben jede Familie sich ihre innere Verfassung selber zu geben pflegt.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat gegen die grundsätzlichen Regelungen des Regierungsentwurfs keine besonderen Einwendungen. Der Regierungsentwurf beruht auf außerordentlich sorgfältiger Vorarbeit. Die Fraktion der DP weiß dies zu würdigen; sie bedauert es aber, daß der Regierungsentwurf anders als der Entwurf der FDP, der offensichtlich in engster Anlehnung an die Regierungsvorlage, des 1. Bundestages geschaffen worden ist, die Materie des Scheidungsrechts und die Neukodifikation der internationalen privatrechtlichen Regelungen nicht beinhaltet. Die Fraktion der Deutschen Partei ist aber der Auffassung, daß auf der Grundlage der Regierungsvorlage gearbeitet werden sollte. Sie wird in den Einzelheiten, soweit das im Regierungsentwurf geschehen ist, Wert darauf legen, daß die überkommene Familienordnung nicht durch Konzessionen an Egalitätsprinzipien des Massenzeitalters gefährdet wird.
In einem Punkt aber tragen sowohl der Entwurf der FDP als auch die Regierungsvorlage den Bedürfnissen nicht genügend Rechnung. Wenn auch gegen das gesetzliche Güterrecht der Gütertrennung und der Zugewinngemeinschaft keine grundsätz({2})
lichen Einwendungen erhoben werden können, so trifftdiese Regelung jedoch nicht auf die Bedürfnisse des bäuerlichen Standes zu. Man kann zwar auch vom bäuerlichen Standpunkt aus damit einverstanden sein, daß der neue gesetzliche Güterstand auf Gütertrennung beruhen soll. Auch ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der überlebende Ehegatte, insbesondere die Witwe, an dem von Mann und Frau in der Ehegemeinschaft Errungenen teilnehmen. Die geplante Zugewinnregelung muß aber für die bäuerliche Ehe abgelehnt werden. Die Zugewinnregelung läßt für bäuerliche Ehen bei der meist völligen Verschiedenartigkeit der zu vergleichenden Vermögen keine praktisch brauchbare Regelung dessen erwarten, was dem überlebenden Ehegatten zugedacht ist. Dafür sollte durch eine Verbesserung der gesetzlichen Erbquote für den überlebenden Ehegatten eine Beteiligung an dem in der Ehegemeinschaft Errungenen gewährleistet werden.
Wenn in die geplante Regelung des gesetzlichen Güterstandes auch die geschiedene Ehe mit einbezogen wird, dann ist das sehr bedenklich. Die Antwort auf die Frage, wie die geschiedene Ehefrau zu ihrem Recht auf Teilnahme an dem in der Ehegemeinschaft Errungenen kommt, sollte von Fall zu Fall im Scheidungsrecht geregelt werden.
Von alters her ist im Bauernstand die Sitte verbreitet, dem überlebenden Ehegatten, insbesondere der Witwe, das Altenteil, aber auch das Recht der Nutzverwaltung des Hofes oder des Besitzes zu geben. Dies gilt überall dort, wo der Hof oder Besitz erhalten werden muß oder soll. Dadurch werden die Rechte vor allem der Witwe im Sinne einer echten Gleichberechtigung sichergestellt. Die Witwe kommt durch die Nutzverwaltung und das Altenteil in den Genuß dessen, was sie für den Hof während der Ehe mitgeschaffen hat. Die Erhöhung ihrer gesetzlichen Erbquote verstärkt außerdem ihre Stellung bei der Bemessung der Altenteilleistungen.
Vor allen Dingen legt die Fraktion der Deutschen Partei Wert darauf, daß das Höferecht durch die Regelungen des Güterrechts nicht beeinträchtigt wird. Wenn im Höferecht in der Anerbenfolge das männliche Geschlecht bevorzugt wird, ohne daß es dem Erblasser verwehrt ist, anders zu testieren, so sind wir der Auffasung, daß diese Ordnung dem Grundrecht der Gleichberechtigung nicht widerspricht, weil sie nicht auf einer unterschiedlichen rechtlichen, sondern auf einer unterschiedlichen funktionellen Wertung der Geschlechter beruht.
Diese bäuerlichen Anliegen sind im Regierungsentwurf und im Entwurf der FDP nicht genügend berücksichtigt worden.
Zum Abschluß stellt die Fraktion der Deutschen Partei fest, daß sie die Regierungsvorlage für eine gute Arbeits- und Diskussionsgrundlage hält und daß sie bereit ist, unter Wahrung des Grundsätzlichen mit Aufgeschlossenheit an der Reform des Familienrechts mitzuarbeiten und eine schnelle Verabschiedung der Vorlage zu fördern.
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Das Wort hat die Abgeordnete Gräfin Finckenstein.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich will versuchen, das Problem auf einen ganz einfachen Gedankengang
zurückzuführen. Ich sage dabei meine persönliche' Meinung, wenn ich auch glaube, daß ich die Meinung der meisten weiblichen Mitglieder meiner Partei, des Gesamtdeutschen Blocks / BHE, ausspreche.
Der Gesetzentwurf, der zur Beratung ansteht, führt uns in die tiefsten persönlichen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Es ist noch gar nicht lange her, da schien es, als ob diese Beziehung einer Ordnung unterlegen sei, die Ewigkeitsdauer beanspruchte. Mit einfachen Worten gesagt lautete diese Ordnung: Der Mann als Ernährer der Familie hat in den entscheidenden Dingen zu bestimmen, und die Frau hat sich zu fügen. Nun ist es aber so, daß jede Ordnung von äußeren Faktoren abhängig ist, die die innere Bewußtseinslage der Dinge bestimmen. So hatte die althergebrachte Ordnung zur äußeren Voraussetzung, daß der Mann der alleinige Ernährer der Familie sei. Wir wissen alle, daß diese Voraussetzung heute nicht mehr gegeben ist.
Schon zu Beginn des neuen Jahrhunderts setzte eine Bewegung ein, die den Frauen das freie Berufsleben eröffnete. Heute ist es so, daß die Frau in zahllosen Fällen wesentlich zum Unterhalt der Familie beiträgt. Es erscheint selbstverständlich, daß eine solche Änderung der sozialen Voraussetzungen auch eine Änderung der Ordnung zwischen den Eheleuten bedingt. Die Bewußtseinslage hat sich eben geändert, und sie hat sich nicht zuletzt deshalb so gründlich gewandelt, weil die Frauen in den schrecklichen Jahren im Krieg und nach dem Krieg und auf der Flucht vor gleichen Rechten gleiche Pflichten auferlegt bekamen und weil sie diese gleichen Pflichten auch trugen.
So kann man heute nicht mehr von der althergebrachten Ordnung, die dem Mann die Vorhand in wichtigen Entscheidungen ließ, sprechen. Man kann es bedauern oder auch nicht, daß sich diese Ordnung überlebt hat. Man wird es ebenso wenig ändern können, wie man die Ordnung des Feudalsystems oder der Zünfte, die sich zu ihrer Zeit ja auch sehr bewährt haben, zurückrufen kann. Diese Wirtschafts- und Sozialordnungen sind von den Menschen des 19. und 20. Jahrhunderts wie ausgewachsene Kleider abgelegt worden, und wo dies zu spät geschehen ist, sind die Folgen des Festhaltens an einer überlebten Ordnung verhängnisvoll gewesen. Man denke z. B. an Rußland.
Es ist deshalb zu begrüßen, daß wir in der Bundesrepublik rechtzeitig im Grundgesetz die Folgerungen aus solchen Überlegungen gezogen und die Gleichberechtigung von Mann und Frau verankert haben. Heute müssen wir lediglich noch die Gesetzgebung im einzelnen diesem Grundsatz anpassen. Die Schwierigkeit dabei gipfelt in der Entscheidungsgewalt.
Ich glaube, daß man kein gutes Werk tut, wenn man eine Regelung trifft, die versucht, die alte Ordnung wiederherzustellen. Überlebte Ordnungen lassen sich nicht zurückrufen, weil sich das Bewußtsein der Menschen geändert hat und weil sich die Bewußtseinslage einer Zeit nicht willkürlich steuern läßt. So ist es auch hier. Wenn wir bei der Anerkennung der allgemeinen Gleichberechtigung zwischen den Eheleuten dem Mann doch die Entscheidungsgewalt zubilligen, so erleichtern wir damit nicht das friedliche Zusammenleben in der Familie. Wir beleidigen vielmehr das Gefühl des Rechts in der Frau, weil wir an einer wichtigen Stelle das zurücknehmen, was wir ihr im Gesetz und im öffentlichen Bewußtsein ja längst gewährt haben. Mit
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der Freiheit ist es eine sonderbare Sache. Wenn man sie erst einmal versprochen hat, muß man sie auch voll gewähren; denn auch die, die ursprünglich gar nicht darum gekämpft haben, verlangen später das Versprochene. Das Beste, was wir nach Lage der Dinge tun können, scheint mir die ersatzlose Streichung des § 1354 zu sein, d. h. die Herstellung der völligen Gleichwertigkeit von Mann und Frau bei allen Entscheidungen. Wir entsagen damit bewußt dem Anspruch, etwas gesetzlich regeln zu wollen, was sich nicht regeln läßt. Wir stellen statt dessen beide Ehegatten als vollwertige Menschen nebeneinander. Nur wenn jegliche Benachteiligung oder gar Unterdrückung eines Ehegatten fehlt, kann der moralisch wertvollere Teil - wer immer es auch sein mag - das natürliche Übergewicht gewinnen. Dieses natürliche Übergewicht wird ihm dann von selbst die berechtigte und damit dauerhafte Führung in der Ehe zuschieben. Ich hoffe zum Segen der Eheleute von ganzem Herzen, daß dies der Mann sein möge. Aber er soll sich diesen schönen Führungsanspruch bei fairer gleicher Chance selber erringen. Auf eine gesetzliche Hilfestellung bei solchem Unterfangen sollte er freiwillig verzichten.
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zuletzt und werde manches, was schon von meinem Kollegen Weber und von meiner Kollegin Schwarzhaupt gesagt worden ist, nicht wiederholen. Ich bin Mitglied des Parlamentarischen Rates gewesen und bin durch manche Bemerkungen, die hier gemacht worden sind, angesprochen worden. Deshalb muß ich meine Ausführungen historischer ausgestalten, als ich es im Anfang gewollt habe.
Ich möchte zunächst Herrn Abgeordneten Dehler eine Antwort geben. Er hat uns vorgeworfen, wir hätten im ersten Bundestag den vorigen Gesetzentwurf nicht schnell genug bearbeitet; wir hätten mit ihm fertig werden können. Ich bin Mitglied des Unterausschusses gewesen, der sehr oft getagt hat und gründlich arbeiten mußte. Ich kann bezeugen, daß es nicht möglich war, den Entwurf in der gegebenen Frist fertigzustellen.
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- Waren Sie auch im Ausschuß?
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Ich möchte Herrn Dehler, aber auch der Frau Abgeordneten L ü d e r s noch ein anderes sagen.
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Es gibt für die Ehe und die Familie eine göttliche Schöpfungsordnung und für uns Christen auch eine christliche Ordnung. Darüber hinaus gibt es für diejenigen, die nicht Christen sind und auch eine Schöpfungsordnung nicht anerkennen, eine sittliche Ordnung. Diese Ordnung kann kein Ehegesetz schaffen.
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Sie wird immer nur von den Eheleuten selber, und zwar aus ihrer sittlichen Kraft, aus ihren sittlichen Überzeugungen, geschaffen. Schon das Bürgerliche Gesetzbuch hat sich im Jahre 1900 von
religiösen und sittlichen Überzeugungen außerordentlich zurückgehalten. Wir sollten auch heute zurückhaltend sein und sollten wissen, daß diese Haltung ihren großen Wert hatte, nicht nur jetzt und hier, sondern im ganzen Abendland, in einer jahrhundertealten Tradition, die Ehe und Familie aufbaute. In dieser Zeit konnte man nicht immer sagen, daß das Schicksal der Frau nur beklagenswert sei. Man kann auch nicht, wenn man von der göttlichen Schöpfungsordnung spricht, eine Predigt von Berthold von Regensburg und den Code civil Napoleons anführen. Das geht nicht.
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Diese Äußerungen sollte man lieber bleibenlassen und sollte wissen, von welcher Wucht und Majestät die göttliche Schöpfungsordnung ist.
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Nun muß ich auf den Parlamentarischen Rat eingehen; denn er ist verschiedentlich zitiert worden. Nur ein paar Leute im zweiten Bundestag sind Mitglieder des Parlamentarischen Rats gewesen. Der Parlamentarische Rat hat sich - auch mit Zustimmung der CDU und der CSU - zuletzt darauf geeinigt, in das Verfassungswerk den Satz: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt" hineinzunehmen. Ich gebe hier offen zu, daß ich nur zögernd diesem Satz zugestimmt habe, und zwar mit einer Begründung, die noch heute gilt - obwohl ich sie überwunden hatte -, nämlich: Was kann man aus diesem Satz machen? Ist er wirklich so eindeutig und klar, daß gar keine Mißdeutungen und Mißverständnisse möglich sind? Im Parlamentarischen Rat waren wir uns - Frau Seibert, Frau Nadig, Frau Wessel und ich - darüber klar, daß man einige Ausdeutungen machen mußte, um die Klarheit dieses Satzes herauszustellen. Wir waren oft in einem guten Gespräch miteinander. Warum sollen wir nicht heute auch ein gutes Gespräch haben, wenn wir auch nicht einer Meinung sind? Wir wollten z. B. den Mutterschutz unter gar keinen Umständen beseitigt wissen. Wir waren uns darüber klar und haben es manches Mal in Rundfunkgesprächen, im Ausschuß und auch in den Plenarverhandlungen ausgesprochen, daß Mann und Frau nicht unter schematische Gleichsetzung zu stellen sind, daß sie funktional verschieden sind und verschiedene Aufgaben und verschiedene Arbeiten in Ehe und Familie haben.
Wir haben aber, das muß ich auch zugeben, über Ehe und Familie keine Ausführungen im einzelnen gemacht. Nun müssen wir erleben, daß nicht nur unter Juristen, sondern auch unter anderen dieser Satz nicht gleichmäßig aufgefaßt wird.
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Er wird es wirklich nicht. Ich darf Ihnen meine Überraschung an jenem Tage - das ist vor ein paar Tagen gewesen - gestehen, als man verlangte, daß man bei der Wehrpflicht - wir haben das schließlich getan, um Klarheit zu schaffen - von der Wehrpflicht der Männer sprechen müsse, weil man sonst vielleicht auch die Wehrpflicht der Frauen darunter verstehe. Dieses Gespräch ist im Rechtsausschuß gewesen. Es müßte eigentlich nach einer vernünftigen Auffassung des Gleichberechtigungssatzes unmöglich sein, daß man von einer Wehrpflicht für die Frauen spricht.
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Das müßte eigentlich selbstverständlich sein ({9})
- Ja, warum nicht? - Aber darauf komme ich noch.
Ich bin ebenfalls erstaunt gewesen, daß man von einer richterlichen Stelle aus gegen den Hausarbeitstag der erwerbstätigen Frau gesprochen hat. Ich weiß, daß diejenigen, die sehr fanatisch für Gleichberechtigung sind, sagen: Dann muß auch der Mann einen Hausarbeitstag haben. Ich habe noch heute ein Schriftstück darüber gelesen. Ich bin nicht dieser Meinung. Man soll der erwerbstätigen Frau den Hausarbeitstag als Frau geben. So wenig eindeutig ist also der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt".
Mein Kollege Weber hat schon gesagt, daß in der Verhandlung des Bundesrates von Niedersachsen erklärt worden sei, man solle aus diesem Grunde eine Verfassungsänderung vorschlagen. Ich bin nicht für eine Verfassungsänderung. Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir an einer Klärung dieses Satzes arbeiten müssen, Juristen und Nichtjuristen. Ich habe nicht nur die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates mitgemacht, ich bin auch zweimal in den Beratungen der UNO in Genf und im vorigen Jahr in New York gewesen. Ich habe vor, in diesem Jahre wieder als Observer die Verhandlungen in New York mitzumachen, wo 16 bis 18 offizielle Vertreterinnen von Nationen der ganzen Welt über die Gleichberechtigung beraten. Der Satz hat Weltgeltung bekommen; man kann ihn nicht einfach abändern. Auch in der UNO war festzustellen, wie verschiedenartig der Satz aufgefaßt wird. Frauen und Männer müssen daran arbeiten, daß' der Satz eine größere Klarheit erhält.
Ich möchte ein anderes zu der Verfassung sagen, die wir im Jahre 1949 angenommen haben. Diese Verfassung und vor allem die Grundrechte sind ein Ganzes. Welche Artikel der Grundrechte gehören vor allem zur Gleichberechtigung von Mann und Frau? Zunächst der Art. 1, der von der Würde der Person spricht. Ja, das sage ich mit aller Deutlichkeit, besonders weil von einer bestimmten Seite dieser pessimistische Ausspruch über das Schicksal der Frau gefallen ist. Wir wollen die Personenwürde von Mann und Frau. Wir wollen, daß in der Ehe die ganze Würde der Eltern zum Ausdruck kommt, gegenüber den Kindern und untereinander. Das will der Art. 1, der mit der Gleichberechtigungsfrage verbunden ist.
Ebenfalls gehört dazu der Art. 2, der von der freien Entwicklung der Persönlichkeit spricht, aber unter Berücksichtigung der Rechte der anderen. Es gibt in der Ehe und Familie keine reinen Individualrechte, wenn es sich nicht um das Gewissen handelt - dann wohl -, sondern sie müssen mit den gegenseitigen Pflichten abgestimmt sein.
({10})
Das gilt für Eltern und Kinder, für Mann und Frau. Auch der Mann muß genau so gut der Familie dienen, wie wir es von der Frau erwarten. Vater u n d Mutter müssen in der Erziehung der Kinder die Autorität sein.
({11})
- Ja, was ich sage, ist ja nicht immer das Gegenteil von dem, was gesagt worden ist.
({12})
Ich kann vielem von dem, was gesagt worden ist, zustimmen.
Ich werde Ihnen gleich noch sagen - ich kann es aber auch jetzt schon anbringen, damit keine Mißverständnisse entstehen -, daß ich vor allem in bezug auf das Güterrecht in dem sozialdemokratischen Entwurf allerlei Bestimmungen finde, die mir außerordentlich sympathisch sind.
({13})
Zum Entwurf der Regierung kann ich erklären, daß er nach meiner Ansicht mit Sorgfalt durchgearbeitet ist. Ich begrüße ihn sehr. Trotzdem habe ich einiges dazu zu sagen. Frau Lüders würde jetzt sagen: Wie oft haben wir das schon gehört! Ja, das andere habe ich ja auch schon oft gehört, und ich habe es, Frau Lüders, obwohl mir das schwerfiel, mit großer Geduld angehört.
({14})
Ich lege dem § 1354 gar nicht die große Bedeutung
bei, die ihm in dieser Debatte gegeben worden ist.
({15})
Die bedeutungsvolle Bestimmung ist der § 1353, der vom Wesensinhalt der Ehe spricht. Beim Wesensinhalt der Ehe gibt es nur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.
({16})
Meine sehr Verehrten, es gehört ein Löwenmut dazu, § 1354 heute als Frau zu verteidigen. Eine Juristin, die aber nicht zu diesem Hohen Hause gehört, hat mir einmal gesagt: „Weil Sie § 1354 nicht streichen wollen, wünsche ich Ihnen nicht mehr die ewige Seligkeit."
({17})
Ich habe ihr darauf geantwortet: „Ich glaube nicht, daß der liebe Gott Sie danach fragen wird."
({18}) Gleichberechtigung in der Ehe und Familie ist etwas ganz anderes als Gleichberechtigung im Sozialleben und Erwerbsleben.
({19})
Die Familie ist eine Gemeinschaft, wie es deren keine andere mehr in der gesamten menschlichen Gesellschaft gibt.
({20})
Das Intimste, Feinste und Tiefste - darüber hat auch Frau Schwarzhaupt gesprochen -, ist so sehr innerliches Gut des Menschen selber und gehört so zur Rangordnung und zu den Wertordnungen, in die der Staat nicht eingreifen darf, daß es schwierig ist, über § 1354 zu sprechen, damit Sie alle es verstehen können. Ich will es aber versuchen, - zum soundsovielten Male, werden Sie denken.
Der § 1354 meint ja gar nicht den Wesensinhalt der Ehe, sondern meint nur das Alltägliche in der Ehe, das aber auch geordnet werden muß. Zunächst können wir ruhig sagen - und der Regierungsentwurf sagt das auch - daß beide zusammen entscheiden sollen, und in allen ordentlichen Ehen wird das auch so sein. Aber wir befinden uns in der Welt der Wirklichkeit, in der Welt der Sünde und des Zerfalls, wie es immer gewesen ist. Ich halte unsere Zeit nicht für schlechter als vergangene Zeiten.
({21})
Die Ehegatten werden sich also hie und da nicht
einigen. Was dann? Dann, meine sehr Verehrten,
({22})
haben wir ein Ordnungsbild und ein Strukturbild von Ehe und Familie, so daß wir sagen: in diesen Fällen soll der Mann entscheiden. Nicht, weil jetzt eine staatliche Gewalt ist, die das sagt. O nein! Wer das annimmt, hat eine ganz falsche Auffassung. Wir sagen es, weil wir dieses Ordnungs-, Leit- und Strukturbild von Ehe und Familie haben.
({23})
Wir geben dem Staat gar nicht das Recht, uns das aufzuoktroyieren. Diese Meinung haben wir vom Staate nicht. Es ist unser Bild. Wir wissen: einer m u B entscheiden. Es entstehen ja Zerwürfnisse und Schwierigkeiten, die nachher bis zur Ehescheidung führen, und wir möchten die Zahl der Ehescheidungen nach Möglichkeit einschränken. Wir sagen das also um des Ordnungsbildes von Ehe und Familie willen. Ist das Patriarchat? Das Wort stimmt eigentlich gar nicht mehr.
Nun ist so viel von dein soziologischen Wandel gesprochen worden. Glauben Sie, ich kenne ihn nicht? Ich lebe mitten unter dem Volke und nicht irgendwo abseits in einer Einsamkeit. Ich weiß, was für einen soziologischen Wandel wir gehabt haben und noch weiter haben werden. Aber noch ein anderes weiß ich: daß es Ordnungen gibt, die man nicht nach Zerfallserscheinungen, nach soziologischen Strukturänderungen, die sich noch weiter ändern werden, beurteilen darf, sondern die man nach einem Prinzip beurteilen muß.
({24})
Damit erhält der Mann - daß ich es Ihnen ausdrücklich sage! - kein individuelles Herrschaftsrecht - o nein, das soll er gar nicht haben -, sondern damit erhält er eine Pflicht und eine Verantwortung. Er erhält damit gleichsam eine soziale Dienstverpflichtung gegenüber seiner Familie. Und ohne daß ich Ihnen das mit Einzelheiten aufzähle - dazu fehlt die Zeit, und der Ausschuß muß das noch intensiv behandeln -, sage ich Ihnen: in dem Augenblick, wo er einen Mißbrauch treibt, tritt ohne 'weiteres die Frau an seine Stelle. Aber nun füge ich gleich die §§ 1628 und 1629 hinzu und sage Ihnen: Wir sind für die elterliche Gewalt, und nur da, wo Mißbrauch getrieben wird oder wo es sich um die Vertretung nach außen handelt, geben wir dem Mann ein Entscheidungsrecht. Ich liebe das Wort „Entscheidungsrecht" gar nicht. Ich möchte statt dessen lieber das Wort „Entscheidungsverantwortung" und „Entscheidungspflicht" gebrauchen.
Der § 1629 entspricht nicht ganz meiner Auffassung. Ich möchte ihn zugunsten der Frau noch ändern und behalte mir für die Ausschußverhandlungen Änderungsvorschläge vor. Wir begrüßen es, daß die Frau als die Führerin des Haushalts genannt wird. Ich möchte aber ergänzend hinzufügen: die Frau hat im Grunde nicht nur die Führung des Haushalts, sondern sie hat darüber hinaus viele kulturelle Pflichten für die Familie, sie hat die Kindererziehung zu meistern, so daß ihr, weiß Gott, eigentlich auch die Schlüsselgewalt gehört, die jetzt mit dem Gesetz der Subsidiarität für Mann u n d Frau gegeben ist. Vielleicht stehe ich mit dieser Ausführung etwas allein. Ich möchte jedenfalls die Schlüsselgewalt, wie sie bis jetzt bestanden hat, wegen ihres hohen Wertes für den Haushalt und die gesamte Familie der Frau allein lassen.
({25})
- Das war aber spärlich! Ich glaube, ich stehe etwas allein!
({26})
- Ich dachte, wenigstens die Frauen hätten mir Beifall gezollt!
({27})
Wenn man einige Rechte der Frauen zugunsten. des Mannes abschafft, wehre ich mich immer mit der Begründung: das ist Gleichmacherei!
Wir stehen auch auf dem Standpunkt, daß bei der Unterhaltsverpflichtung durch Erwerbsarbeit der Mann, das sage ich deutlich, den Primat hat. Wenn wir erreichen wollen, daß die verheirateten Frauen nicht erwerbstätig sind, daß sie nicht unter der Last des Haushalts und aller anderen Pflichten seufzen und sich nicht bis zum Abend abmühen müssen, dann müssen wir am Primat der Unterhaltsverpflichtung des Mannes festhalten und der Frau nur da eine Erwerbsarbeit zumuten, wo sie tatsächlich dazu verpflichtet ist, weil der Mann keine Arbeit leisten kann oder weil andere Hinderungsgründe vorliegen.
In § 1361 ist die Bestimmung über die getrennt lebenden Ehegatten enthalten. Ich begrüße, daß die Regierung zum Ausdruck gebracht hat: Wenn die schuldlos getrennt lebende Ehefrau vorher in ihrem Haushalt keine Erwerbstätigkeit leistete, dann darf man ihr diese Erwerbstätigkeit auch nicht zumuten, wenn sie getrennt von dem schuldigen Ehemann lebt.
({28})
Das Ehegesetz und das Ehescheidungsgesetz sind im Regierungsentwurf nicht enthalten. Ich weiß, aus welchen guten Gründen. Wenn aber eine Gesetzgebung schon jahrelang die größte Ungerechtigkeit gegen die Frau bewiesen hat, dann ist es das Ehescheidungsgesetz, das uns das Dritte Reich und nachher die Kontrollratsbestimmungen beschert haben.
({29})
Ich möchte vorschlagen, daß dieser berüchtigte Art. 48 - die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe, die wiederum dem schuldigen Ehemann recht gegeben haben und nicht der schuldlos geschiedenen Frau, beweisen es - trotz und alledem vorgezogen wird und daß wir mit einer Änderung dieses Artikels nicht warten, bis wir das vorliegende Gesetz verabschiedet haben.
({30})
Ich habe eine Befürchtung, die ich offen aussprechen möchte. Vielleicht ist es nicht notwendig, dann habe ich es aber öffentlich gesagt. Ich habe die Befürchtung, daß man der unehelichen Mutter, wenn man gar so sehr ,auf die Gleichberechtigung pocht, auch noch einen Anteil an der Alimentenzahlung auferlegen könnte, indem man erklärt: „Warum soll der uneheliche Vater allein bezahlen?" - obwohl die uneheliche Mutter schon die ganze Sorge für das uneheliche Kind hat.
({31})
Nein, ich will, daß der Mann die Alimente bezahlt, denn die Frau hat schon die große tägliche Sorge um das Kind. Ich sage dieses hier öffentlich, um die Sache festzunageln. Es ist manchmal sehr notwendig, daß ein Satz eine öffentliche Bedeutung bekommt; denn ich weiß, daß es Fanatikers ja Fanatikerinnen der Gleichberechtigung gibt.
({32})
Nur ein kurzes Wort über das Güterrecht. Mir will diese „Zugewinngemeinschaft" oder, wie die Regierung jetzt sagt, dieser „Zugewinnausgleich"
({33})
nicht ganz gefallen. Wenn man schon von einer Ehe- und Familiengemeinschaft spricht, dann entspricht dieser Zugewinnausgleich einer solchen Gemeinschaft nicht. Ich kann mir vorstellen - da sie nur auf Ehescheidung und auf Tod eingestellt ist -, daß während des ganzen Lebens der Ehegatte der Ehegattin schon allerlei von seinem Verdienst verschweigen und beiseite bringen kann, von dem sie gar nichts weiß, so daß die Frau bei der Verteilung zu kurz kommen könnte.
Mir gefällt die Errungenschaftsgemeinschaft - bei der, das gebe ich zu, die Verwaltung und Haftung schwierig isst - weit besser, und noch einmal erkläre ich der sozialdemokratischen Fraktion, daß mir einige ihrer Ausführungen zum Güterrecht sehr beachtlich erscheinen. Ich möchte aber bei dem Zugewinnausgleich - bei der Errungenschaftsgemeinschaft isst es ohne weiteres so - vertreten: Gesamtgut ist das Hausgut und auch. die Wohnung, und ich möchte unter keinen Umständen die Risikoprämie, bei der der Mann, wenn er mehr Zugewinn hat - manchmal ist es die Frau, aber durchweg ist der größte Zugewinn bei den Männern -, ein Viertel vorweg bekommt, sondern möchte zugunsten der Frau, daß eine wirkliche Teilung stattfindet.
({34})
Meine Herren und. Damen! Sehr verehrter Bundestag! Wir wollen wirklich im Ausschuß ein Gespräch darüber führen. Wir wollen wirklich ernsthaft miteinander überlegen: Wie sind Ehe und Familie am besten geordnet, bleiben geordnet oder werden geordnet? Wie kann man der Frau und dem Manne als Ehegatten und auch als Eltern gerecht werden? Wie kann man vor allem auch - wenn ich an die Eltern denke - den Kindern gerecht werden? Wir in der CDU und CSU sind bereit, ein gutes Gespräch zu führen. Wir setzen dabei voraus - das geht an die Juristen und auch an die Nichtjuristen -, daß man den Gleichberechtigungsgrundsatz vernünftig auslegt, daß man die religiösen Anschauungen der einzelnen achtet und daß man der Familie, Ehegatten wie Kindern, gerecht wird, damit bei diesem wichtigsten Kulturgesetz, das der Bundestag zu verabschieden hat, bei diesem Gesetz, das doch vielleicht mehr Auswirkungen hat, als wir glauben, sagen können: Der Bundestag hat für die kulturelle Bedeutung Deutschlands etwas geschaffen, und zwar so, daß es vorbildlich sein könnte für die anderen Nationen Europas und der Welt.
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Die Rednerliste ist erschöpft.
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Ich schließe die Aussprache der ersten Lesung. Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Weber ({1}).
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe bereits am Schluß meiner Ausführungen beantragt, die Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zuzuweisen. Von einer Seite ist beantragt worden, einen Sonderausschuß zu bilden. Die gleiche Frage ist seinerzeit schon beim ersten Entwurf aufgetreten. Ich bin der Meinung, daß gerade ein solches Gesetz, das nach seinem Inhalt zu so verschiedenen Anschauungen führen kann, im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht gut aufgehoben ist und daß es gerade dort möglich ist, das gute Gespräch zu führen, das meine verehrte Kollegin Frau Weber eben für diesen Ausschuß gewünscht hat. Nach unserer Meinung würde es nicht gut sein, wenn - nun, ich will einmal sagen, Interessenten in einen Sonderausschuß eintreten. Es würde dazu führen, daß das Gesetz nicht mit der wünschenswerten Beschleunigung verabschiedet werden kann. Das haben die Debatten in dem letzten Ausschuß bereits bewiesen, wo es nötig war, sich über juristische Grundbegriffe zu unterhalten. Das Gesetz ist nun einmal ein außerordentlich wichtiges Gesetz, und deshalb sollte es meines Erachtens im Rechtsausschuß behandelt werden, der diese rechtlichen Fragen auch sach- und fachgemäß behandeln kann.
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Deshalb bitten wir, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß zu überweisen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beantrage ich die Einsetzung eines Sonderausschusses zur Beratung der drei Familiengesetzentwürfe. Mit dem Antrag, diese drei Entwürfe dem Rechts- und Verfassungsausschuß zu überweisen, würden wir den gleichen Weg gehen 'wie der 1. Bundestag, und gerade dieses Experiment ist doch schiefgegangen, und das sollte uns warnen. Auch der 1. Bundestag hat damals die Einsetzung eines Sonderausschusses abgelehnt und hat die Gesetzentwürfe dem Rechts- und Verfassungsausschuß überwiesen mit dem Ergebnis, daß dieser dann seinerseits in Form eines Unterausschusses praktisch doch einen Sonderausschuß gebildet hat; aber mit dem weiteren bedauerlichen Ergebnis, daß der Unterausschuß erst zwei Monate später an die Arbeit ging. Er hat dann den Gesetzentwurf zwei Monate, bis Mitte April 1953, behandelt, und hat ihn dann für die restlichen sechs Monate der ersten Legislaturperiode liegenlassen, so daß wir heute diese Arbeit wiederholen müssen.
Wir wissen doch genau - das hat sich auch im ersten Bundestag gezeigt -, daß der Rechts- und Verfassungsausschuß begreiflicherweise mit einer Menge anderer Vorlagen überlastet ist. Wenn wir ihm nun noch die Erledigung dieser so komplizierten Materie aufbürden, dann stehen wir vor der Notwendigkeit, entweder alle anderen Arbeiten, die dem Rechts- und Verfassungsausschuß überwiesen werden, auf Monate zurückzustellen oder aber zur gleichen Zeit sowohl .die anderen Vorlagen als auch die Fragen der Rechtsgleichheit zu behandeln, was dazu führen muß, daß der Ausschuß gezwungen ist, die Beratungen über die Durchführung der Rechtsgleichheit zu unterbrechen. Das aber gibt keinen guten Ansatzpunkt für das heute in der Debatte immer wieder geforderte gute und von gegenseitigem Verständnis getragene ernste Gespräch; es würde an der Möglichkeit der notwendigen Konzentration fehlen.
Auf der anderen Seite - auch das hat doch die Debatte ergeben - eilt die Durchführung der Rechtsgleichheit. Nach dem erfreulichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dezember vorigen Jahres steht fest, daß die Rechtsgleichheit seit dem 1. April 1953 gilt, und daß es sich nicht mehr nur
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um allgemeine Richtlinien für den Gesetzgeber und die Politik handelt. Es ist richtig, daß das von vielen damals befürchtete und an die Wand gemalte Rechtschaos nicht eingetreten ist, und mancher Pessimismus über die Bereitwilligkeit der deutschen Richter, eine neue und gesunde Rechtsprechung zu entwickeln, hat sich Gott sei Dank als nicht gerechtfertigt erwiesen.
Auf der anderen Seite stehen wir aber doch unabweislich vor der Notwendigkeit, nicht nur dem Richter, sondern auch den betroffenen Bevölkerungskreisen, d. h. vor allem der Familie, bald eine klare Grundlage und Rechtssicherheit zu geben. Aus der Sorge, daß die Überweisung an den Rechts- und Verfassungsausschuß notwendigerweise wieder zu einer Verzögerung führt, bitten wir um die Einsetzung eines Sonderausschusses.
Meine Damen und Herren, ich habe bekanntzugeben, daß die Fraktion des GB/BHE schon während der Debatte den Antrag auf Überweisung an einen Sonderausschuß zurückgezogen hat. Es liegen nun der Antrag des Abgeordneten Dr. Weber auf Überweisung an den Rechtsausschuß und der Antrag des Abgeordneten Dr. Menzel auf Überweisung an einen Sonderausschuß vor. Der Antrag auf Überweisung an einen Sonderausschuß ist der weitergehende.
Ich bitte die Damen und Herren, die die Drucksachen 224, 112 und 178 einem Sonderausschuß überweisen wollen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die die genannten Drucksachen dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen wollen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es besteht eine interfraktionelle Vereinbarung, die heutige Tagesordnung mit diesem Punkte abzuschließen. Ich bitte Sie jedoch noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit für folgende Bekanntmachungen.
Es wird gebeten, die Drucksachen 112, 178 und 224, Gleichberechtigung, und 189, Familienausgleich, zur zweiten und dritten Beratung aufzubewahren, da sie nicht noch einmal verteilt werden können.
Die Sitzung des Ausschusses für Fragen der europäischen Sicherheit, die im Anschluß an das Plenum stattfinden sollte, ist abgesagt.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 16. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 25. Februar 1954, 9 Uhr 30, und schließe die 15. Sitzung des Deutschen Bundestages.