Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/6/1956

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich dem Herrn Abgeordneten Kirchhoff die Glückwünsche des Hauses zu seinem heutigen 71. Geburtstag aussprechen. ({0}) Auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung ergänzt werden um die Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über wirtschaftliche Zusammenarbeit ({1}). Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 1. Juni 1956 die Kleine Anfrage 751 der Fraktion der FDP betreffend Strafermittlungssache gegen Staatssekretär Hallstein, Botschafter Blankenhorn und andere in Bonn ({2}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2427 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Mai 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 138. Sitzung über die Möglichkeiten der zollfreien Einfuhr von Kaffee und Tee im Reiseverkehr berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2422 vervielfältigt. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 30. Mai 1956 auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 137. Sitzung betreffend Verzicht auf den internationalen Führerschein Ausführungen gemacht, die auf Drucksache 2425 vervielfältigt werden. Damit kommen wir zur Tagesordnung. Ich rufe auf Punkt 1: Fragestunde ({3}). Frage 1 - Herr Abgeordneter Wittrock - über Übungen amerikanischer Düsenjäger über dem Stadtgebiet von Wiesbaden: Ist der Bundesregierung bekannt, daß am 20. April 1956, 15.20 Uhr, über dem Stadtgebiet von Wiesbaden ein amerikanischer Düsenjäger die Schallgeschwindigkeit überschritten und durch dieses Durchbrechen der Schallmauer eine donnerartige Explosion erzeugt hat, durch die die Wiesbadener Bevölkerung in erheblichen Schrecken versetzt worden ist und in einzelnen Fällen sogar leichte Schäden an Gebäuden entstanden sein sollen? Trifft es zu, daß das amerikanische Luftwaffen-Hauptquartier bereits im Frühjahr 1955 zugesagt hat, derartige Übungen über dem Stadtgebiet von Wiesbaden zu unterlassen? Ist die Bundesregierung bereit, auf diplomatischem Weg bei den Stationierungsmächten darauf hinzuwirken, daß sich derartige Vorkommnisse in stark besiedelten Gegenden in Zukunft nicht wiederholen? Das Wort zur Antwort hat der Herr Bundesminister für Verteidigung.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Wittrock wie folgt beantworten. Die hessische Landesregierung hat sich auf Veranlassung der Bundesregierung wegen des Vorfalls vom 20. April 1956 an das europäische Hauptquartier der Luftwaffe der USA in Wiesbaden gewandt und folgendes ermittelt. Erstens. Das Hauptquartier hat mit Schreiben vom 29. März 1956 betreffend die Durchbrechung der Schallmauer die ihm nachgeordneten Dienststellen angewiesen, sofort einheitliche Verfahrensvorschriften für die Kontrolle und Registrierung von Schallmauerdurchbrechungen auf der Grundlage der amerikanischen Luftwaffendienstvorschrift Nr. 55-34 vom 29. Juli 1955 aufzustellen. In dieser Vorschrift ist hervorgehoben, daß Flüge mit Schall- und Überschallgeschwindigkeit im Waagerecht- oder Senkrechtflug über dem Festland nur in 9000 m Höhe und über Wasser in 3000 m Höhe begonnen und beendet werden müssen. Weiterhin ist dort angeordnet, daß Schallexplosionen nicht absichtlich herbeigeführt werden dürfen, ausgenommen a) während taktischer Aufgaben, die Schall- oder Überschallgeschwindigkeiten notwendig machen, b) während offizieller Übungskurse, die Schall- oder Überschallgeschwindigkeit oder die Ausführung von Schallmauerdurchbrechungen verlangen; wenn diese Flüge verlangt werden, müssen sie über besonders bezeichneten Gebieten unter strenger Aufsicht durchgeführt werden; c) in einem Notfall, wenn nach Beurteilung des Piloten die Sicherheit eine Abweichung von den allgemeinen Richtlinien rechtfertigt. C Die Befehlshaber haben dem amerikanischen Luftwaffenhauptquartier in Europa gemeldet, daß die Richtlinien befolgt worden sind und daß Aufzeichnungen über Fälle von Durchbrechung der Schallmauer durchgeführt wurden und verfügbar sind. Zweitens. Bei der Nachprüfung des Zwischenfalls vom 20. April 1956 konnte das Luftwaffenhauptquartier weder beim Fliegerhorst WiesbadenErbenheim noch bei der 12. Luftflotte Aufzeichnungen über eine Durchbrechung der Schallmauer feststellen. Das Luftwaffenhauptquartier hält es dennoch für möglich, daß ein Durchbrechen der Schallgrenze in der Nähe von Wiesbaden geschah, da sich zu jener Zeit einige Düsenflugzeuge in diesem Gebiet befanden, die Übungsflüge für eine am nächsten Tage stattfindende Luftparade durchführten. Für die Luftparade war jedoch eine Durchbrechung der Schallmauer nicht vorgesehen. Wenn von einem Flugzeug die Schallmauer durchbrochen worden sein sollte, so ist das unbeabsichtigt geschehen und wird von der US-Luftwaffe bedauert. Drittens. Es trifft zu, daß das amerikanische Luftwaffenhauptquartier auf Vorstellung der Landesregierung im Frühjahr 1955 zugesagt hat, derartige Übungen über dem Stadtgebiet von Wiesbaden zu unterlassen. Alle Befehlshaber sind daher erneut angewiesen worden, alle Maßnahmen zu ergreifen, um solche Vorkommnisse zu vermeiden. Mit Rücksicht darauf hält es die Bundesregierung zunächst nicht für angebracht, dieserhalb auf diplomatischem Wege bei den Stationierungsmächten vorstellig zu werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Wittrock!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Bundesminister! Glauben Sie, daß eine Stadt wie Wiesbaden, die den Ruf einer Kurstadt genießt und in der sich außerdem eine ganze Anzahl Unternehmen befinden, die lärmempfindlich sind - ich denke hier an die Verlagsunternehmen -, einen Anspruch darauf hat, daß ihr Wunsch, Flugplätze sollten nur in einiger Entfernung von dieser Stadt unterhalten werden, berücksichtigt wird?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Bundesminister!

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Ich habe eben in meiner Antwort gesagt, Herr Kollege, daß das Luftwaffenhauptquartier auf Vorstellung der Landesregierung zugesagt hat, daß derartige Übungen über dem Stadtgebiet von Wiesbaden unterlassen werden und daß alle Befehlshaber angewiesen sind, alle Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, damit solche Vorkommnisse vermieden werden. Sie mögen daraus ersehen, daß bei der amerikanischen Luftwaffe der Wille vorhanden ist, solche Belästigungen zu unterlassen, und auch die Einsicht, daß solche Übungen über einer Kurstadt nicht durchgeführt werden sollten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte!

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich aus Ihrer Antwort, Herr Bundesverteidigungsminister, entnehmen, daß Sie zu der Frage der Anlage des Flugplatzes jetzt nicht Stellung nehmen wollen?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Nein, Herr Kollege; das ist in der Anfrage, die Sie gestellt hatten, auch nicht gefragt worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Bucher über das Selbstwählamt für Schwäbisch Gmünd: Wie lange noch wird eine großer Teil der Fernsprechteilnehmer in Schwäbisch Gmünd unter Verzicht auf ein modernen Erfordernissen entsprechendes Selbstwählamt an das zur Zeit bestehende Handamt angeschlossen bleiben? Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter! Die Vermittlungsstelle Schwäbisch Gmünd hat neben einem Wählamtsteil mit 1300 Anrufeinheiten noch eine Handvermittlung mit insgesamt 1000 Anrufzeichen. Die Mittel für die Auswechslung des Handamts gegen moderne Wählamtseinrichtungen sind der Oberpostdirektion Stuttgart für das Rechnungsjahr 1956 bereitgestellt worden. Der Aufbau der neuen technischen Einrichtungen für 1000 Anrufeinheiten schreitet zügig fort, so daß die Teilnehmer der Handvermittlung in etwa drei Monaten auf den neuen Wählamtsteil umgeschaltet werden können. Damit werden alle Teilnehmer des Ortsnetzes Schwäbisch Gmünd an den Selbstwählverkehr angeschlossen sein.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage? ({0}) Ich rufe auf Frage 3 des Herrn Abgeordneten Bauer ({1}) betreffend Unfälle auf der Bundesbahnstrecke Nürnberg-Frankfurt: Ist dem Bundesverkehrsministerium bekannt, daß sich in den letzten Jahren zunehmend - vornehmlich auf der Bundesbahnstrecke zwischen Nürnberg und Frankfurt - Unfälle dadurch ereignet haben, daß vor allem nachts Personen aus fahrenden Zügen durch die Türen gestürzt sind und daß sich erst dieser Tage wieder ein Unfall solcher Art zugetragen hat? Sind Erwägungen angestellt worden, ob bzw. auf welche Weise Vorkehrungen getroffen werden können, um in der Zukunft gewisse technische Sicherungen gegen solche Unfälle zu schaffen? Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir sind die bedauerlichen Fälle bekannt, in denen Reisende aus fahrenden Zügen gestürzt sind. Eine Zunahme dieser Unglücksfälle in den letzten Jahren hat die Bundesbahn aber nullt feststellen können. In den Bundesbahndirektionsbezirken Nürnberg und Frankfurt ist im vergangenen Jahr, 1955, erfreulicherweise sogar ein Rückgang dieser Art Unglücksfälle zu verzeichnen. Häufig haben die Reisenden die Unfälle selbst verschuldet. So entstand über ein Drittel derartiger Unfälle unter Einfluß von Alkohol oder Schlaftrunkenheit; 11 % waren Selbstmordfälle. Besonders bedauerlich ist, daß ein nicht unerheblicher Anteil, nämlich rund 42 %, Kinder betrifft, die ungenügend beaufsichtigt wurden. Die Türschlösser der Reisewagen sind sämtlich doppelt gesichert und mit Warnaufschriften versehen. Die Bundesbahn untersucht jedoch seit Jahren die Möglichkeiten für die technische Weiterentwicklung dieser Sicherungseinrichtungen. Eine bessere Lösung hat sich bisher nicht finden lassen. Zur Zeit werden bei der Bundesbahn erneut Versuche mit neuerdings vorgeschlagenen zusätzlichen Sicherungseinrichtungen durchgeführt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf Frage 4 des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) betreffend Unterlassung der Weiterleitung einer Unfallmeldung auf Empfehlung des Bundeskanzleramts: Entspricht die durch die Presse gegangene Meldung den Tatsachen, daß im Jahre 1951 der damalige Chef der Bonner Polizei auf einen ausdrücklichen brieflichen Wunsch aus dem Bundeskanzleramt hin die Anzeige eines Unfalls, an dem der Fahrer des Herrn Bundeskanzlers zumindest beteiligt war, nicht weitergeleitet hat? Hält die Bundesregierung - falls der Sachverhalt zutrifft - diesen Weg der Einwirkung aus dem Bundeskanzleramt im Hinblick auf die sonst übliche Praxis und nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten für richtig? Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Dr. Globke.

Not found (Staatssekretär:in)

Es entspricht nicht den Tatsachen, daß im Jahre 1951 der damalige Chef der Bonner Polizei auf einen Wunsch aus dem Bundeskanzleramt die Anzeige eines Unfalles, an dem der Fahrer des Herrn Bundeskanzlers beteiligt war, nicht weitergeleitet hat. Die von einer Presseagentur im Zusammenhang mit dem Bonner Polizeiprozeß verbreitete Mitteilung beruhte auf einem Irrtum. Eine Richtigstellung ist am 27. April im Pressedienst des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung veröffentlicht worden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Es wird verzichtet. Ich rufe auf die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Bauer ({0}) betreffend Beratung der Auswanderer aus dem Gebiet der Bundesrepublik durch amtliche Stellen: Hat die Bundesregierung die Vorgänge, die vor geraumer Zeit eine größere Zahl von deutschen Auswanderern aus Chile und nunmehr Anfang April aus Paraguay wieder in die Bundesrepublik geführt haben, verfolgt? Waren amtliche Stellen bei der Anbahnung der Auswanderung in die genannten Länder eingeschaltet, und waren die Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten vorher entsprechend überprüft? Was gedenkt die Bundesregierung in Zukunft zu unternehmen, um Auswanderer aus dem Gebiet der Bundesrepublik vor dem Verlust ihrer gesamten Habe und Existenz und den damit verbundenen Mühen und Enttäuschungen möglichst zu bewahren? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage ist leider so formuliert, daß sie eine etwas längere Antwort erforderlich macht. Zum ersten Teil: Die Vorgänge, die zur Rückkehr einer Anzahl von Siedlern aus Chile sowie aus Paraguay in die Bundesrepublik geführt haben, sind von der Bundesregierung verfolgt worden. Zum Vorgang Chile: Ich bin bereits am 9. April 1954 vor diesem Hohen Hause auf Gründe eingegangen, die zur Rückkehr einer Anzahl deutscher Siedler aus einer geschlossenen deutschen Siedlung geführt haben, an deren Gründung die „Deutsche Gesellschaft für Siedlung im Ausland" beteiligt war. Trotz im allgemeinen günstig erscheinender Voraussetzungen hat eine Anzahl Siedler die Anfangsschwierigkeiten nicht zu überwinden vermocht. Die Ursache liegt im wesentlichen darin, daß durch Umstände, die sich von deutscher Seite aus nicht hinreichend beeinflussen ließen - schleppende Einhaltung der gemachten Zusagen durch die ausländischen Stellen, klimatische Schwierigkeiten -, die Erträgnisse aus den Parzellen für die Existenz der Siedler zunächst nicht hinreichten. Bei der Siedlung in Paraguay haben deutsche amtliche Stellen in keiner Weise mitgewirkt. Die Auswanderung dorthin wurde seinerzeit von dem „Internationalen Mennonitischen Zentralbüro" durchgeführt. Nach mir vorliegenden Informationen waren klimatische und Absatzschwierigkeiten die Hauptursachen für die Rückkehr von 41 volksdeutschen Mennoniten, die nur einen geringen Anteil der rund 2000 nach dem Kriege nach Paraguay ausgewanderten volksdeutschen Mennoniten ausmachen. Zum zweiten Teil der Frage: Eine Überprüfung der Voraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten für Siedlungen durch amtliche Stellen ist in Paraguay nicht erfolgt, da, wie schon gesagt, amtliche Stellen nicht beteiligt waren. Im übrigen gab es seinerzeit - die Auswanderung erfolgte im Jahre 1947 - in Paraguay noch keine amtliche deutsche Vertretung. Die Siedlung in Chile war veranlaßt durch ein Angebot des damaligen chilenischen Staatspräsidenten, das der Bundesregierung zu einer Zeit gemacht wurde, als die Flüchtlingsnot noch besonders groß war. Die Prüfung des Angebots an Ort und Stelle durch eine deutsche Studienkommission ließ erwarten, daß die Voraussetzungen dafür geschaffen werden konnten, existenzlosen heimatvertriebenen Bauern eine Lebensgrundlage zu geben. Zum dritten Teil der Frage: Die Auswanderung ist rechtlich nicht beschränkt. Das Risiko einer Auswanderung kann dem Auswanderungswilligen von amtlicher Seite nicht abgenommen werden. Selbstverständlich werden wir den Auswanderungswilligen alle Möglichkeiten der Unterrichtung über das Zielland und sein Vorhaben erschließen. Diesem Zweck dienen das Bundesamt für Auswanderung und die gemeinnützigen Auswandererberatungsstellen, die vom Bund finanziell gefördert werden. Im Jahre 1955 haben sich über diese Stellen 260 592 Personen beraten lassen, während im gleichen 'Jahr nur 48 567 Personen tatsächlich ausgewandert sind. Die Beratungsstellen haben also zweifellos aufklärend gewirkt und damit viele Auswanderungswillige vor Schaden und Existenzverlust bewahrt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage. Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir die Fragen 9, 10 und 25 vorziehen, weil der Herr Abgeordnete Ritzel, der Fragesteller, sich in den Haushaltsausschuß begeben muß, der heute nachmittag leider noch einmal tagt. - Sie sind damit einverstanden. Ich rufe deshalb außer der Reihe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Ritzel auf betreffend Störungen beim Empfang von UKW-Sendungen durch nicht störungsfreie Kraftfahrzeuge: Bis wann sind durchgreifende Maßnahmen zu erwarten, um zu verhindern, daß weiterhin Störungen beim Empfang von UKW-Sendungen durch nicht störungsfreie Autos, Motorräder und Mopeds erfolgen? Zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen das Wort.

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, Ihre Frage ist praktisch identisch mit der Frage „Gedenkt die Bundesregierung durch gesetzliche Regelung die Störungen zu beseitigen, die durch Zündkerzen von Automobilmotoren entstehen und vielen Rundfunkhörern und Fernsehzuschauern den Empfang verderben?", die von Herrn Abgeordneten Blachstein in der Fragestunde dieses Hohen Hauses am 7. Dezember 1955 gestellt wurde. Außerdem bemerke ich, daß ich auf einen Teil der Frage schon in der Antwort auf Ihre Frage, Herr Abgeordneter Ritzel, am 3. Februar 1956 eingegangen bin. Die Frage des Herrn Abgeordneten Blachstein wurde seinerzeit in meiner Vertretung von Herrn Staatssekretär Professor Gladenbeck wie folgt schriftlich beantwortet. Ich darf das wiederholen: Aufbauend auf den bis zum Jahre 1951 gewonnenen Erfahrungen haben die Fachkreise der Starkstrom- und Fernmeldetechnik unter Einschluß der Kraftfahrzeug- und Kraftfahrzeugzubehörindustrie im Rahmen des Verbandes Deutscher Elektrotechniker die VDE-Bestimmung 0879/10.55 „Richtlinien für die Funkentstörung der Hochspannungs-Zünd({0}) anlagen von Otto-Motoren" geschaffen. Der VDE hat sie am 1. Oktober 1955 in Kraft gesetzt. Damit sind nunmehr die Voraussetzungen für eine technisch und wirtschaftlich günstige Funkentstörung der Zündanlagen von Otto-Motoren gegeben. Die genannte VDE-Bestimmung gilt allerdings vorerst nur als Empfehlung. Es wird sich zeigen, ob die deutsche Industrie die empfohlenen Richtlinien bei der Herstellung von Otto-Motoren von sich aus anwendet. Für die Otto-Motoren der in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuge und stationären Anlagen ist die Anwendung der VDE-Bestimmung nicht zwingend vorgeschrieben. Da aber die ordentliche Abwicklung der Funkdienste gesichert werden muß, wird geprüft, inwieweit die Funkentstörung der Hochspannungs-Zündanlagen für die in Betrieb befindlichen Otto-Motoren gesetzlich geregelt werden muß. Herr Abgeordneter, Ihre heutige Frage nach dem Termin für solche Maßnahmen kann nicht mit einer bestimmten Zeitangabe beantwortet werden. Über die zu treffenden Maßnahmen wird zur Zeit noch mit den beteiligten Bundesministerien, mit der Kraftfahrzeug- und mit der Kraftfahrzeugzubehörindustrie verhandelt. Für den Bereich meiner Verwaltung habe ich inzwischen das Posttechnische Zentralamt beauftragt, bei der Beschaffung neuer Kraftfahrzeuge für die Deutsche Bundespost einheitliche Funkentstörungsmittel vorzuschreiben. Es ist beabsichtigt, den Bundes- und Länderministerien sowie den Rundfunkanstalten und Stromversorgungsunternehmen für ihre Bereiche dieselben Maßnahmen zu empfehlen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich fragen, Herr Minister, ob damit das gemeint ist, was Sie in der seinerzeitigen Fragebeantwortung erklärt haben: „Sollten diese Empfehlungen an die Industrie keinen Erfolg haben, werden wir wahrscheinlich den Weg einer Verordnung gehen müssen, obwohl ich als Techniker nicht sehr gerne technische Fragen durch Verordnungen regele"?

Dr. - Ing. Dr. h. c. Siegfried Balke (Minister:in)

Politiker ID: 11000083

Herr Abgeordneter, es ist ungefähr das gemeint, was ich damals gesagt habe. Ich darf vielleicht folgendes hinzusetzen. Meines Erachtens kann die Lösung des gesamten Problems nur schrittweise erfolgen. Wenn zunächst einmal die neue Produktion störungsfrei auf den Markt kommt - entsprechende Maßnahmen sind, wie ich ausgeführt habe, eingeleitet -, dann andererseits Maßnahmen zur Entstörung der schon in Betrieb befindlichen Anlagen, die wesentlich größere Schwierigkeiten machen, in Angriff genommen werden, so wird die Sachlage schon besser werden. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß ja auch noch das Problem der Entstörung ausländischer Fahrzeuge besteht, die in die Bundesrepublik kommen. Hier sind wahrscheinlich internationale Vereinbarungen notwendig, um auch noch diese Störungsquellen zu beseitigen.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Ritzel betreffend uneheliche Besatzungskinder auf: Wie viele uneheliche Besatzungskinder gibt es heute in der Bundesrepublik Deutschland? Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um beim Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils eines deutschen Gerichts, das die Vaterschaft eines Soldaten der fremden Streitkräfte und seine Unterhaltspflicht feststellt, zu bewirken, daß der Kindesvater seinen Verpflichtungen auch nachkommt? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage des Herrn Kollegen Ritzel möchte ich wie folgt beantworten. Nach der von dem Herrn Bundesminister des Innern durchgeführten, Anfang dieses Jahres abgeschlossenen Sondererhebung über uneheliche Kinder, deren Väter Besatzungsangehörige waren, wurden in der Bundesrepublik insgesamt 67 753 Kinder registriert. Von den Vätern waren 37 261 Amerikaner, 10 194 Franzosen, 8441 Briten, 1768 belgische Staatsangehörige. Die übrigen Kindesväter sind Angehörige der Niederlande, Kanadas, Norwegens, Dänemarks, der UdSSR und sonstiger Staaten. Bei 607 Kindern war die Nationalität des Erzeugers nicht festzustellen. Ich möchte jedoch ausdrücklich darauf hinweisen, daß diese Zahlen, Herr Kollege Ritzel, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da sich erfahrungsgemäß die wirkliche Zahl von Besatzungskindern nur schwer oder sogar überhaupt nicht einwandfrei ermitteln läßt. Die Bundesregierung ist bemüht - damit beantworte ich die zweite Frage, die Sie an mich gerichtet haben -, in Verhandlungen mit den alliierten Streitkräften eine Verwirklichung der rechtskräftig festgestellten Unterhaltsurteile zu erwirken. Die Verhandlungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Diese Frage überschneidet sich mit der Frage 8, die Herr Kollege Arndt an mich gerichtet hat und die ich noch nicht beantwortet habe. Ich wäre bereit, die Antwort auf diese Frage auch jetzt zu geben, Herr Menzel.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sind Sie damit einverstanden, Herr Menzel?

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich will an Stelle des Herrn Kollegen Arndt die Frage stellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf die Frage 8 betreffend die Zustellung von Unterhaltsklagen durch das amerikanische Hauptquartier. Die Frage wird in Vertretung des Herrn Abgeordneten Arndt von Herrn Abgeordneten Dr. Menzel gestellt: Hat das amerikanische Hauptquartier bisher in keinem einzigen Falle die Zustellung einer Unterhaltsklage an einen amerikanischen Soldaten mit Erfolg weitergeleitet? Haben die deutschen Gerichte erst nach Monaten nur ein hektographiertes Schreiben bekommen, worin mitgeteilt wird, daß der beklagte Kindesvater nach Amerika versetzt oder nicht auffindbar sei? Was wird die Bundesregierung tun, um sicherzustellen, daß der Truppenvertrag loyal durchgeführt wird? Der Herr Bundesminister der Justiz hat das Wort.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Ich beantworte die Frage wie folgt. Nach Art. 11 Abs. 5 des Truppenvertrages sind die Behörden der Streitkräfte verpflichtet, Zustellungen an die Mitglieder der Streitkräfte entweder zuzulassen oder selbst durchzuführen. Die Vertreter der amerikanischen Streitkräfte haben bei Besprechungen über die Durchführung des Truppenvertrages erklärt, daß sie die Zustellungen selbst vornehmen würden. Gegen Ende des vorigen Jahres habe ich Berichte darüber erhalten, daß diese Abmachungen für Zustellungen in Unterhaltssachen nicht immer eingehalten worden sind. Nachdem mir Einzelfälle bekanntgeworden sind, habe ich Anfang dieses Jahres vom amerikanischen Hauptquartier beschleunigte Abhilfe gefordert. Gleichzeitig habe ich die Amerikanische Botschaft auf die bestehenden Schwierigkeiten hingewiesen. Trotz weiterer inzwischen erhobener Vorstellungen ist mir von amerikanischer Seite noch kein abschließender Bescheid über die Behandlung dieser Fälle zugegangen. ({0}) Nach den bisher dem Herrn Bundesminister des Innern und mir zugegangenen Berichten läßt sich zwar nicht die Feststellung treffen - das ist die Frage, die Herr Arndt in erster Linie gestellt hat -, daß das amerikanische Hauptquartier in keinem Falle die Zustellung einer erforderlich gewordenen Unterhaltsklage an einen amerikanischen Soldaten weitergeleitet hat. In einigen Fällen sind Zustellungen in Unterhaltssachen erfolgt. In einer geringen Zahl von Verfahren ist auch ein Unterhaltsurteil gegen amerikanische Soldaten ergangen. In der weitaus größten Zahl der Unterhaltssachen hat das amerikanische Hauptquartier jedoch die Zustellung von Klagen nicht durchgeführt. ({1}) Auf Grund der deutschen Vorstellungen wurde das Verhalten der amerikanischen Militärbehörden zwischen den zuständigen Ministerien in Washington erörtert. Wie mir mündlich mitgeteilt worden ist, haben diese Erörterungen zu dem Ergebnis geführt, daß auch in Unterhaltssachen die zur Durchführung des Truppenvertrages getroffene Regelung eingehalten werden soll. In den letzten Tagen hat die Amerikanische Botschaft mir jedoch mitgeteilt, daß die Militärbehörden zwar die Zustellung von Unterhaltsklagen bewirken würden, daß sie aber nicht bereit seien, bei der Vollstreckung von Urteilen - das ist Ihre Frage, Herr Kollege Ritzel - in Unterhaltssachen Hilfe zu leisten. Sie hat dabei auf Art. 10 Abs. 1 des Truppenvertrages hingewiesen, der eine Vollstrekkungshilfe vorsieht, soweit es die dienstlichen Vorschriften zulassen. Maßgebend sei insoweit eine Dienstvorschrift der Armee aus dem Jahre 1939, die eine Hilfe bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nur auf Grund eines amerikanischen Gerichtsurteils oder dann gestatte, wenn der Soldat die Vaterschaft anerkannt habe. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dies sowohl dem Wortlaut wie auch dem Geiste des Truppenvertrages und des Überleitungsvertrages nicht entspricht. Die Bundesregierung wird bemüht sein, ebenso wie in der Frage der Zustellungen auch bei der Vollstreckung von Unterhaltstiteln eine dem Truppenvertrag und dem Überleitungsvertrag gemäße Regelung durchzusetzen. Die Frage der Zustellung und der Vollstreckung von Urteilen wird auch in den Verhandlungen über den Beitritt der Bundesrepublik zum NATO-Truppenstatut erörtert. Die Bundesregierung wird sich in diesen Verhandlungen auch weiterhin dafür einsetzen, daß diese Fragen in einer den Interessen der deutschen Kinder entsprechenden Weise geregelt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Herr Abgeordneter Ritzel.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich wollte mich nur vergewissern, Herr Minister, daß es demnach noch heute so ist, wie Sie vor einigen Wochen mitteilten.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Kollege Ritzel, es scheint, insofern ist wohl eine Änderung eingetreten, daß nunmehr die Zustellungen bewirkt werden, die Vollstreckung aber davon abhängig ist, daß ein amerikanisches Urteil ergangen ist oder aber der betreffende Soldat die Vaterschaft selbst anerkannt hat. Wir werden uns bemühen, auch in diesem Punkte eine Änderung zu erreichen.

Heinrich Georg Ritzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001860, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke sehr!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich rufe auf Frage 25 des Herrn Abgeordneten Ritzel betreffend Boykott der deutschen Diamantindustrie durch Belgien: Ich frage die Bundesregierung, was sie getan hat, um endlich den seit 1948 bestehenden Boykott gegen die deutsche Diamantindustrie zu beheben. Noch immer gilt das belgische Ausfuhrverbot für Rohdiamanten nach der Bundesrepublik. Hat die Bundesregierung nach der Erlangung der Souveränität der Bundesrepublik sich bemüht, den Boykott aufzuheben? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Kollegen Ritzel möchte ich antworten: Die Bundesregierung hat mehrfach - zuletzt anläßlich der Tagung des deutsch-belgisch-luxemburgischen Regierungsausschusses in Brüssel im Dezember vergangenen Jahres - bei der belgischen Regierung Vorstellungen erhoben, um die Gewährung eines offiziellen Kontingents von 40 000 Karat Rohdiamanten zur Veredelung in der Bundesrepublik zu erreichen. Zur Begründung wurde hierbei u. a. hervorgehoben, 1. daß die bestehende Praxis im Widerspruch zur Mitgliedschaft der beiden Staaten in der Westeuropäischen Union stehe, 2. daß die starre Anwendung des belgischen staatlichen Ausfuhrverbots mit den Grundsätzen des GATT und der OEEC nicht in Einklang zu bringen sei, 3. daß die westdeutsche Diamantschleifindustrie nicht als Konkurrenz der belgischen Diamantwirtschaft auf dem Weltmarkt auftritt. Gleichzeitig teilte die deutsche Delegation mit, daß die Verbände der deutschen Diamantindustrie und die deutsche Gewerkschaft sich bemüht haben, die Verbindung zu den belgischen Verbänden und Gewerkschaften aufzunehmen. ({0}) Mit Schreiben vom 16. April 1956 hat das belgische Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Außenhandel den deutschen Antrag abgelehnt, und zwar mit folgender Begründung: 1. In Belgien selbst bestehe ein Mangel an schleifbaren Rohdiamanten; 2. das belgische Diamantengewerbe habe mit einer aus diesem Mangel resultierenden Arbeitslosigkeit zu kämpfen; 3. die von der Diamond Trading Company bezogenen Diamanten seien vertragsgemäß innerhalb Belgiens zu verarbeiten. Am 4. Juni 1956 hat im Ministerium für Wirtschaft eine Besprechung des Fachreferats mit den Vertretern der zuständigen Verbände der Diamant-industrie aus den Bezirken Idar-Oberstein, Hanau und Brücken in der Pfalz sowie der Industrie- und Handelskammer Koblenz - Außenstelle IdarOberstein - stattgefunden. Bis zum 9. Juni wollen die Verbände eine zusammenfassende Stellungnahme vorlegen, auf Grund deren das weitere Vorgehen beschlossen werden wird.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? - Keine Zusatzfrage. Dann, meine Damen und Herren, kehren wir zurück zu der Frage 6, der Frage des Herrn Abgeordneten Brück betreffend Geschwindigkeitsbeschränkung im Straßenverkehr: Wann gedenkt die Bundesregierung die von weiten Kreisen der Bevölkerung geforderte Geschwindigkeitsbeschränkung im Straßenverkehr einzuführen, damit im Jahre 1956 die Zahl der Verkehrstoten ({0}) und Verkehrsverletzten ({1}) endlich abnimmt? Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bekanntlich wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember 1952 die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung für Personenkraftwagen aufgehoben. Gleichzeitig ist durch Änderung des § 6 des Straßenverkehrsgesetzes die dem Bundesverkehrsminister bis dahin zustehende Ermächtigung, im Wege einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit von Personenkraftwagen allgemein und einheitlich zu bestimmen, entzogen worden. Die steigende Unfallkurve seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen hat die Diskussion, ob die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung mit Bezug auf die Verkehrsunfälle weiter verantwortet werden kann, immer wieder neu belebt. Auf den Verkehrsministerkonferenzen der Länder der Bundesrepublik und auf den jährlich unter meinem Vorsitz durchgeführten Straßenverkehrssicherheitskonferenzen stand dieses Problem jedesmal auf der Tagesordnung. Auf der diesjährigen Straßenverkehrssicherheitskonferenz am 14. März, an der neben den Ministern des Innern, der Justiz, der Finanzen und für Arbeit die für den Verkehr, den Straßenbau, die Polizei, die Justiz, die Finanzen und die Kultusangelegenheiten zuständigen Minister der Länder teilgenommen haben, ist auf Grund des in den letzten drei Jahren gesammelten statistischen Materials über das Anwachsen der Unfälle bei erhöhter Geschwindigkeit die Wiedereinführung allgemeiner Geschwindigkeitsbeschränkungen vorgeschlagen worden. Zur Begründung wurde seitens der Länder vor allem darauf hingewiesen, daß die Unfälle infolge erhöhter Geschwindigkeit sehr schwere Folgen aufweisen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen verweisen, die der bekannte Heidelberger Chirurg Professor Dr. Dr. Bauer kürzlich auf dem Deutschen Unfalltag 1956 gemacht hat. Durch Beschluß der diesjährigen Straßenverkehrssicherheitskonferenz bin ich beauftragt, den Entwurf eines Gesetzes auszuarbeiten, durch das dem Bundesminister für Verkehr die Ermächtigung zurückgegeben werden soll, auch für Personenkraftwagen wieder zahlenmäßige Höchstgeschwindigkeitsgrenzen festzusetzen. Dieser Gesetzentwurf liegt dem Bundeskabinett zur Beschlußfassung vor. Er enthält - darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen - keine Fixierung von Höchstgeschwindigkeitsgrenzen. Zwar sind darüber in der Straßenverkehrssicherheitskonferenz Vorschläge gemacht worden, doch können diese Fragen mit den Ländern erst erörtert werden, wenn durch das vorgeschlagene Gesetz die entsprechende Ermächtigung dem Bundesminister für Verkehr wieder erteilt worden ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich Sie noch fragen, ob die Bundesregierung bereit ist, gerade die statistischen Unterlagen der letzten Wochen aus dem Lande Nordrhein-Westfalen und außerdem die statistischen Unterlagen aus dem Lande Bayern für ihre Beratungen heranzuziehen, damit letztlich doch durch die Einführung der Geschwindigkeitsbeschränkung die Zahl der Unfalltoten gemindert wird?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Selbstverständlich bemühen wir uns, alle Unterlagen, die wir bekommen können, dabei heranzuziehen. Wir werden sie ja auch benötigen, um bei den Beratungen in den Ausschüssen des Bundestages die entsprechenden Unterlagen vorlegen zu können.

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 7 - Herr Abgeordneter Josten - betreffend Änderung der Richtlinien für die staatspolitische Erziehung der Jugend: Ist die Bundesregierung bereit, die Richtlinien für die staatspolitische Erziehung der Jugend dahingehend zu ändern, daß zukünftig auch Turn- und Sportlehrgänge als förderungswürdig anerkannt werden und dadurch auch Sportverbände für solche Lehrgänge Zuschüsse aus dem Bundesjugendplan erhalten können? Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Ich darf dem Herrn Kollegen folgendes antworten. Aus Mitteln des Bundesjugendplans können Kurse und Lehrgänge gefördert werden, die folgende fünf Voraussetzungen erfüllen: gemeinschaftsbildender Charakter aller Veranstaltungen, Wissensbildung über Fragen der Gemeinde, des Staates und der Gesellschaft, Gewissensbildung im Sinne eines sozialen und politischen Verantwortungsbewußtseins, Erziehung zur Verständigung aller Staatsbürger, Heranführung zur praktischen, sozialen und politischen Mitarbeit in Gemeinde, Staat und Gesellschaft. Das ist ein Auszug aus den einschlägigen Richtlinien. ({0}) Seit Jahren werden auch die Lehrgänge der Deutschen Sportjugend gefördert, wenn sie die genannten Voraussetzungen erfüllen, d. h. wenn neben den sportlich-fachlichen Themen auch die politische Bildung im pädagogisch richtigen Umfange berücksichtigt wird. Im Haushaltsjahr 1956 wird die Sportjugend hierfür voraussichtlich 225 000 DM erhalten. Es würde den mit der Förderung staatspolitischer Bildungsarbeit angestrebten Zielen nicht entsprechen, wenn aus den dafür bereitstehenden Mitteln auch rein sportliche Lehrgänge unterstützt würden. Das ist, wie ich hinzufügen darf, nach unserem Zuständigkeitskatalog ausschließlich Aufgabe der Länder und Gemeinden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Eine Zusatzfrage!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Bitte sehr!

Johann Peter Josten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001034, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Herr Minister nicht der Auffassung, daß die echte sportliche Erziehung, z. B. Leichtathletik, Sportwandern, Handball, Fußball, im jugendpflegerischen Sinne persönlichkeitsbildend ist und daß diese Erziehung daher im staatspolitischen Interesse liegt?

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Ohne Zweifel, Herr Kollege, ist das, was Sie gesagt haben, zutreffend. Das schließt aber nicht aus, daß die Richtlinien, aus denen ich gerade einen Auszug vorgetragen habe, doch einen etwas spezifischeren Charakter tragen als die allgemeinen Effekte sportlicher Betätigung, die Sie vorhin hervorgehoben haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weitere Zusatzfrage! Ich rufe auf Frage 11 des Herrn Abgeordneten Hübner betreffend den Anschluß von F-Zügen über Zugfunk an das öffentliche Fernsprechnetz: Beabsichtigt die Deutsche Bundesbahn, in absehbarer Zeit wie vor dem Kriege einzelne oder sämtliche F-Züge über Zugfunk an das öffentliche Fernsprechnetz anzuschließen, um damit den Reisenden die Erledigung von Ferngesprächen während der Fahrt zu ermöglichen? Zur Antwort hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn plant, nachdem eine Versuchsanlage im FT 31/32 „Rhein-Main" sich gut bewährt hat, weitere F- und D-Züge, die auf der Strecke zwischen Dortmund und Karlsruhe verkehren und ein Schreibabteil führen, mit Zugfernsprechern auszurüsten. Die Deutsche Bundesbahn ist im Zugfernsprechverkehr auf ortsfeste Funkanlagen angewiesen, über die der öffentliche Sprechverkehr durch die Deutsche Bundespost mit Fahrzeugen aller Art abgewickelt wird. Für die Bahn geeignete derartige Anlagen sind bisher nur im Verlauf der Verbindung Dortmund - Köln - Frankfurt - Karlsruhe vorhanden, so daß die Bundesbahn nur solche Züge mit Sprechfunkanlagen versehen kann, die in Reichweite dieses Funknetzes verkehren. Sollte die Deutsche Bundespost ihren Landstraßenfunk erweitern, so wird die Deutsche Bundesbahn in Zusammenarbeit mit ihr auch den Sprechverkehr auf weitere Züge ausdehnen. Zur Erläuterung darf ich darauf hinweisen, daß vor dem zweiten Weltkrieg nur aus den Zügen der Strecke Berlin-Hamburg in das öffentliche Netz gesprochen werden konnte. Dabei wurden die Gespräche über parallel geführte Freileitungen abgewickelt. Häufig war die Verständigung nicht einwandfrei. Auf elektrifizierten Strecken ist es nicht möglich, auf diese Weise Telefongespräche aus fahrenden Zügen durchzuführen.

Karl Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000973, Fraktion: Demokratische Arbeitsgemeinschaft (DA)

Danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine Zusatzfrage? Ich rufe auf Frage 12 des Herrn Abgeordneten Kirchhoff betreffend Nachforderung der Einkommensteuer bei Rentnern: Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, von der Nachforderung der Einkommensteuer bei Rentnern, die oftmals eine außerordentliche Härte bedeutet, generell abzusehen oder zumindest den Finanzämtern eine großzügige Behandlung eingehender Erlaßanträge zu empfehlen und den in Betracht kommenden Personenkreis in geeigneter Weise auf die Möglichkeit von Erlaßanträgen hinzuweisen? Zur Antwort hat das Wort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einleitend auf die Tatsache hinweisen, daß die Besteuerung privater Leibrenten einschließlich der Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten und aus der Knappschaftsversicherung ab 1. Januar 1955 grundlegend neu geregelt worden ist. Danach sind die bezeichneten Renten nur noch zum Teil einkommensteuerpflichtig, nämlich nur noch mit dem Ertrag des Rentenrechts. Der Ertragsanteil bemißt sich grundsätzlich nach dem Lebensalter des Rentenempfängers zu Beginn des Rentenbezugs. Bei älteren Steuerpflichtigen ist der Ertragsanteil sehr gering. Beispielsweise beträgt er bei einem Rentenempfänger, der im Kalenderjahr 1954 das 65. Lebensjahr vollendet hat, 20 % der jährlichen Rentenbezüge. Von dem sich hiernach ergebenden absoluten Ertragsanteil wird zunächst ein Pauschbetrag für Werbungskosten von 200 DM abgezogen. Außerdem erhält der Steuerpflichtige einen Pauschbetrag für Sonderausgaben von 624 DM. Hat der bezeichnete Rentenempfänger außer seinen Rentenbezügen keine weiteren Einkünfte, so können hiernach seine Rentenbezüge bis zu 13 120 DM betragen, ohne daß er zur Einkommensteuer herangezogen wird. Dabei ist vorausgesetzt, daß er keine Kinderermäßigung bekommt. Erhält er Kinderermäßigung, so erhöht sich der Betrag noch weiter, z. B. bei Kinderermäßigung für ein Kind auf 16 870 DM, wobei die Rentenempfänger also keine Einkommensteuer zu zahlen haben. Die Rentenempfänger, die nur Einkünfte aus ihren Rentenbezügen haben, werden mithin durch diese Neuregelung ab 1. Januar 1955 praktisch von der Einkommensteuer freigestellt. Dies vorausgeschickt, darf ich folgendes sagen: Für die Zeit seit dieser Neuregelung werden sich hiernach wohl bei der Besteuerung der Renten im allgemeinen keine Härten ergeben. Für die Zeit bis Ende 1954 können Unbilligkeiten bei Nachforderungen von Einkommensteuer auftreten. Sie können jedoch nicht durch generelle Billigkeitsmaßnahmen behoben werden, da das auf eine Änderung der bis Ende 1954 geltenden gesetzlichen Vorschriften hinauslaufen würde. Eine Billigkeits({0}) maßnahme kann nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung nur nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls vorgenommen werden. Dafür sind aber ausschließlich die Landesfinanzbehörden zuständig, die nach dem Grundgesetz die Einkommensteuer verwalten. Dem Bundesfinanzministerium ist bisher nicht bekanntgeworden, daß die Landesfinanzbehörden bei der Nachforderung von Einkommensteuer von Rentnern für Zeiträume bis Ende 1954 engherzig verfahren sind. Wenn solche Fälle bekanntwerden sollten, wäre das Bundesfinanzministerium bereit, sich mit den obersten Landesfinanzbehörden deswegen in Verbindung zu setzen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Peterheinrich Kirchhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001101, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Diese Anfrage kommt natürlich aus der Praxis meines Wahlkreises; es ist eine Anfrage an mich gekommen. Deshalb möchte ich den Herrn Staatssekretär fragen: Sehen Sie eine Möglichkeit, den Begriff der Unbilligkeit im § 131 der Abgabenordnung in einer Anweisung an die Finanzbehörden so zu definieren, daß einer großen Zahl von Rentnern geholfen werden kann - eben in diesen Fällen aus dem Jahre 1954 -, etwa indem Bedingungen aufgestellt werden, bei deren Vorliegen die Unbilligkeit ohne weiteres anzunehmen und ein Erlaßantrag infolgedessen günstig zu bescheiden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, auf Grund der föderalistischen Grundsätze des Bonner Grundgesetzes ist der Bundesfinanzminister nicht in der Lage, das Finanzamt Ihres Kreises in diesem Sinne anzuweisen. Wir sind aber gerne bereit, wenn Sie uns die Einzelfälle bekanntgeben, an den Herrn Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen heranzutreten.

Peterheinrich Kirchhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001101, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 13 - Herr Abgeordneter Brück - betreffend Wiederaufnahme des durchgehenden Reiseverkehrs zwischen Jünkerath und Malmedy: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit der durchgehende Reiseverkehr zwischen Jünkerath und Malmedy über Losheim wiederaufgenommen werden kann? Zu Antwort der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verkehr auf der Strecke Jünkerath und Malmedy war in diesem dünnbesiedelten Gebiet auch vor dem zweiten Weltkrieg recht schwach. Zwischen Losheim und Losheimergraben waren die Züge nach einer Zählung vom Juni 1939 nur mit durchschnittlich sieben Personen besetzt. Der grenzüberschreitende Verkehr war noch geringer. Bekanntlich ist das Gebiet von Losheim einschließlich des Bahnhofs Losheim und des Losheimergrabens seit 1949 unter belgischer Verwaltung. Vor Rückgabe dieses Gebiets dürfte es nicht möglich sein, den durchgehenden Reisezugverkehr nach Malmedy wieder aufzunehmen. Die Aufnahme des durchgehenden Reiseverkehrs nach Malmedy hängt ja von der Zustimmung der belgischen Eisenbahnverwaltung ab. Zur Zeit besteht offenbar auf belgischer Seite keine Neigung, den Reiseverkehr auf dieser Strecke wieder aufzunehmen. Auch die deutsche Teilstrecke bis Halsschlag, die bei einer Länge von 10,5 km durch die Deutsche Bundesbahn bedient wird, weist einen verhältnismäßig schwachen Verkehr auf. Zählungen im August 1955 ergaben, daß durchschnittlich nur 60 bis 100 Reisende je Tag und Richtung die vorhandenen rund zehn Zugpaare benutzten, so daß pro Zug auch hier eine außerordentlich geringe Benutzung zu verzeichnen ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Valentin Brück (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000277, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, mir sind die Verhältnisse aus meiner früheren Tätigkeit genauestens bekannt. Aber kann die Bundesregierung nicht eben - das ist mein Hauptanliegen - auf die belgische Verwaltung einwirken, daß dieser Reiseverkehr wieder aufgenommen wird? Denn seinerzeit, als der durchgehende Verkehr bestand, war der Verkehr sehr rege. Deshalb frage ich: Können Sie nicht in dem Sinne auf die belgische Verwaltung einwirken, daß sie ihre Zustimmung erteilt?

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Das ist wiederholt geschehen. Die belgische Verwaltung hat es aber niemals positiv aufgenommen; ich will mich vorsichtig ausdrücken.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Frage 14 und die Frage 15 sind zurückgestellt. Ich rufe auf die Frage 16 - Abgeordneter Dr. Bucher - betreffend Aussonderung der Kommunisten unter den französischen Soldaten und ihre Verwendung in Deutschland: Trifft es zu, daß die französische Armee beabsichtigt, die Kommunisten unter den französischen Soldaten auszusondern und in Deutschland zu verwenden, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, dieser Absicht, falls sie besteht, entgegenzutreten? Zur Antwort der Herr Bundesminister für Verteidigung.

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Frage des Herrn Kollegen Dr. Bucher wie folgt beantworten. Der Bundesregierung ist von einer Absicht der französischen Armee, die Kommunisten unter den französischen Soldaten auszusondern und in Deutschland zu verwenden, nichts bekannt. Sie hat auch keinerlei Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Absicht ermitteln können. Die Bundesregierung sieht sich daher nicht in der Lage, eine Erklärung über ihre Absichten in einem bisher nicht festgestellten Eventualfall abzugeben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage?

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich die Antwort so verstehen, daß die Bundesregierung auf die kürzlichen Pressemeldungen über diese angebliche Absicht Ermittlungen angestellt hat?

Theodor Blank (Minister:in)

Politiker ID: 11000195

Die Bundesregierung kann sich in ihrem Verhalten nicht von Pressemitteilungen schlechthin veranlassen lassen, nun bei französischen Dienststellen nach({0}) zufragen, ob das zutrifft. Aber Ihre Fragestellung, Herr Abgeordneter, hat uns natürlich Veranlassung gegeben, Ermittlungen anzustellen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 17 wird zurückgestellt. Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Maier ({0}) betreffend deutsche Bedienstete bei alliierten Dienststellen auf: Welche Vorkehrungen hat die Bundesregierung für den Fall von Massenentlassungen deutscher Bediensteter bei alliierten Dienststellen getroffen, um den Betroffenen eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen? Sieht die Bundesregierung, insbesondere für den Kreis der älteren Angestellten, eine bevorzugte Übernahme dieses Personenkreises in die aufzubauende Wehrverwaltung vor? Hat die Bundesregierung für die in alliierten Diensten Verbleibenden vertragliche Abmachungen getroffen, daß die Betroffenen die gleichen Vertragsrechte erhalten wie die in öffentlich-rechtlichen Körperschaften Bediensteten? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1. Der Bundesminister der Finanzen hatte bereits in der 114. Sitzung des Hohen Hauses am 1. Dezember 1955 Gelegenheit, zur Frage der Unterbringung von entlassenen Arbeitnehmern der ausländischen Streitkräfte folgendes auszuführen: Auf Wunsch der Bundesregierung haben sich die Streitkräfte bereit erklärt, Entlassungsmaßnahmen frühzeitig den örtlichen Arbeitsämtern und den Landesarbeitsämtern anzuzeigen, und zwar möglichst schon vor dem Aussprechen der Kündigung. Bei eventuell auftretenden Massenentlassungen ist von den Streitkräften zugesagt worden, zusätzlich die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung und das Bundesarbeitsministerium davon in Kenntnis zu setzen. Maßnahmen, die sich im Bereich der Streitkräfte durchführen lassen, sind mit diesen bereits besprochen worden. Es wurde vereinbart, bei der Vermittlung von Arbeitnehmern für Dienststellen und Einrichtungen der Streitkräfte insbesondere ältere Arbeitnehmer mit längerer Dienstzeit bei den Stationierungsmächten bevorzugt zur Wiedereinstellung vorzusehen. Im übrigen ist bei der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage nicht damit zu rechnen, daß die Arbeitsvermittlung größere Schwierigkeiten bereitet. 2. Das Bundesministerium für Verteidigung beabsichtigt grundsätzlich, soweit Bedarf und Eignung vorliegt, entlassene Arbeitnehmer der ausländischen Streitkräfte einzustellen. So ist z. B. auf Flugplätzen in Bayern vorgesehen, die dort beschäftigten Arbeitnehmer in ein Beschäftigungsverhältnis zur deutschen Bundeswehr überzuleiten. Entsprechende Vorbereitungen sind bereits eingeleitet. Soweit eine Einstellung zur Zeit nicht möglich ist, werden zur Entlassung kommende Arbeitnehmer der ausländischen Streitkräfte durch die örtlichen Arbeitsämter besonders erfaßt, damit die Dienststellen der Bundeswehr im Bedarfsfalle auf diesen Personenkreis zurückgreifen können. 3. Nach Art. 44 Abs. 4 des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik gelten die Arbeitsverhältnisse bei den Streitkräften nicht als Tätigkeit im deutschen öffentlichen Dienst. Die Bundesregierung und die Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes und die Deutsche Angestelltengewerkschaft haben daher die Rechtsbeziehungen dieser Arbeitnehmer zu den Stationierungsmächten durch besondere Tarifverträge geregelt, die vor wenigen Tagen unterzeichnet worden sind. Die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung sind den Effektivleistungen der gewerblichen Wirtschaft angepaßt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage? ({0}) Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt ({1}) betreffend Umsatzsteuernachzahlungsbescheid an landwirtschaftliche Kleinbetriebe im Kreise Ahaus: Hält es der Bundesfinanzminister mit Rücksicht auf die Feststellungen der Bundesregierung zur Lage der Landwirtschaft und die Maßnahmen im Grünen Bericht sowie die in Aussicht genommene Umsatzsteuerbefreiung für richtig, a) daß im Kreise Ahaus mit Datum vom 27. April 1956 Umsatzsteuernachzahlungsbescheide für sieben Jahre ({2}) an landwirtschaftliche Kleinbetriebe zugestellt wurden, weil das Finanzamt vergaß, diese steuerlich zu erfassen, b) daß die Nachzahlung innerhalb Monatsfrist zu leisten ist? Zur Antwort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Finanzamt Ahaus hatte in früheren Jahren die für die Umsatzsteuer in Betracht kommenden Landwirte auf Grund der Personenstandsaufnahme ermittelt. Im Jahre 1953 hat es Fragebogen an alle Landwirte versandt. Auf Grund dieser Fragebogen wurde bereits 1953 und 1954 eine Anzahl größerer und mittlerer Landwirte, die bisher umsatzsteuerlich nicht erfaßt waren, nachträglich zur Umsatzsteuer herangezogen. Die Umsatzsteuerberechnung für die kleineren und zweifelhaften Fälle hat das Finanzamt, um die termingemäße Durchführung der Vermögensabgabe-Veranlagung nicht zu gefährden, bis zur Durchführung der Vermögensabgabe-Veranlagung zurückgestellt. Im Zuge dieser Veranlagung sind weitere nachträgliche Umsatzsteuerfeststellungen vorgenommen worden. Die letzten Umsatzsteuerbescheide dieser Art sind im März und April 1956 abgesandt worden. Damit ist die Feststellung der umsatzsteuerpflichtigen Landwirte im Bezirk des Finanzamts Ahaus abgeschlossen. Ich darf allgemein bemerken, daß die Arbeitsbelastung der Finanzämter so groß war und ist, daß sie ihre Aufgaben nicht sämtlich nebeneinander, sondern nur hintereinander erledigen können, wie es das Finanzamt auch in diesen Fällen getan hat. Die letzten der herausgesandten Umsatzsteuerbescheide betreffen 43 Landwirte, die Besitzungen von 7 bis 10 ha mit fremden Arbeitskräften bewirtschaften. Jeder hat für die Zeit von 1950, zum Teil auch von 1949 bis 1956 im Durchschnitt rund 300 DM Umsatzsteuer nachzuzahlen. Ein Drittel der Landwirte hat die Steuer bereits gezahlt. Andere haben Stundungs- und Teilzahlungsanträge gestellt, die durch das Finanzamt genehmigt oder noch in Bearbeitung sind. Vollstreckungsmaßnahmen sind in keinem Falle erfolgt. Die Abschlußzahlungen sind nach dem Umsatzsteuergesetz binnen eines Monats nach Bekanntgabe ({0}) des Bescheids zu entrichten. Das Finanzamt hat nur die gesetzlichen Vorschriften eingehalten, wenn es hier die ihm vorher nicht bekannten Fälle der Umsatzsteuer zur Nachzahlung herangezogen hat. Auch die Zahlungsfrist entspricht, wie ich schon gesagt habe, den gesetzlichen Vorschriften. Es ist den Steuerpflichtigen sicher bekannt, daß sie, falls erforderlich, Stundung, Teilzahlung oder Erlaß beantragen können. Einen allgemeinen Erlaß der Umsatzsteuer der 43 Landwirte kann der Bundesfinanzminister nicht anordnen, weil das den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung im Verhältnis zu denjenigen Landwirten, die ihre Steuer von vornherein ordnungsmäßig entrichtet haben, verletzen würde. Ich halte es aber für erforderlich, daß mit Rücksicht auf die Lage der Landwirtschaft für die Entrichtung der rückständigen Umsatzsteuer Teilzahlungen gewährt werden, wie es das Finanzamt zum Teil schon getan hat. Die Oberfinanzdirektion Münster und das Finanzamt werden also in diesen Fällen Teilzahlungen allgemein genehmigen. In den Fällen, in denen die Einziehung der Steuer unbillig ist, wird ein Erlaß oder ein Teilerlaß der Steuer ausgesprochen werden.

Dr. R. Martin Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002014, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich danke.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 20 - Abgeordneter Schneider ({0}) - betreffend Nachwuchs für die Hochseefischerei: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Hochseefischerei steigende Schwierigkeiten bei der Bemannung ihrer Schiffe hat? Welche Maßnahmen kann die Bundesregierung ergreifen, um die Nachwuchsschulung entsprechend zu unterstützen? Hat die Bundesregierung schon einmal die Frage geprüft, ob es nicht zweckmäßig wäre, auch den Beruf des Hochseefischers zum Lehrberuf mit vorgeschriebener Ausbildung zu erklären? Wie weit fördert die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Plan der Jungfischerschulen, und welche Unterstützung kann sie diesem Plan angedeihen lassen? Zur Antwort der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Dr. h. c. Heinrich Lübke (Minister:in)

Politiker ID: 11001385

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Antwort auf diese Frage trage ich im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern für Verkehr und für Arbeit vor. 1. Der Bundesregierung sind die zunehmenden Bemannungsschwierigkeiten beim Einsatz von Fischdampfern bekannt. Zur Erleichterung der Lage wurden Ausnahmen von den Anforderungen der Schiffsbesetzungsordnung genehmigt, soweit dies nach der Schiffsbesetzungsordnung zulässig und mit der Schiffssicherheit vereinbar war. 2. Eine Bereitstellung finanzieller Mittel zur Unterstützung der Nachwuchsschulung für die Hochseefischerei ist dem Bund im Hinblick auf die Zuständigkeit der Länder nicht möglich. Um die Nachwuchsschulung zu fördern, wird die Bundesregierung alle Bemühungen der beteiligten Wirtschaftszweige unterstützen, um den Beruf des Hochseefischers zum Lehrberuf auszugestalten. Die damit zusammenhängenden Probleme sind bereits bei der Vorbereitung der Verordnung über die Eignung und Befähigung der Schiffsleute des Deckdienstes auf Kauffahrteischiffen vom 28. Mai 1956 erörtert worden. Sollte sich die Hochseefischerei zu der Einführung des Lehrberufs „Hochseefischer" nicht entschließen können, wird die Bundesregierung prüfen, ob es möglich ist, auch für die Hochseefischerei eine Verordnung zu erlassen, die der oben zitierten Eignungsverordnung entspricht. Zu 3. Auch die Errichtung von Jungfischerschulen ist primär Angelegenheit der Länder, da sie im Rahmen der Verantwortlichkeit für das Berufsschulwesen liegt. Dessenungeachtet hat die Bundesregierung für die Jungfischerschule in Büsum aus Marshallplan-Rückflußmitteln einen Zuschuß von 75 000 DM gewährt. Für die seit Jahren geplante Jungfischerschule in Bremerhaven konnte bisher die Finanzierung nicht abschließend geklärt werden. Nach dem aufgestellten Kostenanschlag sind 390 000 DM erforderlich, von denen noch rund 90 000 DM fehlen. Bisher sind an der Finanzierung das Land Bremen, die Stadt Bremerhaven, die Seemannsmission, die Fischdampferreeder und der Bundesjugendplan - dieser mit 57 000 DM - beteiligt. Die Bundesregierung wird also auch die Errichtung der Jungfischerschule in Bremerhaven unterstützen. Dagegen ist es leider nicht möglich, den noch fehlenden Betrag von rund 90 000 DM ebenfalls aus Bundesmitteln bereitzustellen. Ich habe mich aber gegenüber dem Verband der Deutschen Hochseefischereien damit einverstanden erklärt, daß dieser Betrag aus nicht verbrauchten Mitteln des aus Beiträgen der Fischdampferreeder aufgebrachten Ausgleichsstocks „Fischwirtschaft" entnommen wird. Hiermit haben sich die Mitglieder des Verbandes jedoch nicht einverstanden erklärt. Bei der Bedeutung, die der Nachwuchsausbildung auf den Jungfischerschulen auch für die Hochseefischerei zukommt und nach erfolgter Anerkennung als Lehrberuf in erhöhtem Maße zukommen wird, muß die Bundesregierung erwarten, daß sich auch die Reeder mit einem namhaften Betrag an der Finanzierung der Jungfischerschule in Bremerhaven beteiligen.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Danke!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 21 - des Herrn Abgeordneten Schneider ({0}) - betreffend Darstellung der Sowjetzone und der deutschen Ostgebiete im Oxford-Atlas der Königlich-Geographischen Gesellschaft in England: Ist der Bundesregierung bekannt, daß in dem Oxford-Atlas der Königlich-Geographischen Gesellschaft in England die Sowjetzone als ein selbständiger Staat dargestellt ist, die Oder-Neiße-Linie als feststehende Grenze erklärt wird und die deutschen Ostgebiete eindeutig als feste Bestandteile Polens gekennzeichnet sind? Ist die Bundesregierung bereit, bei den zuständigen britischen Stellen vorstellig zu werden und eine Klärung bzw. Beseitigung dieses Tatbestandes zu veranlassen? Zur Antwort der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage Nr. 21 - des Herrn Abgeordneten Schneider ({0}) - darf ich folgendermaßen antworten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß in den letzten Ausgaben des Oxford-Atlas Deutschland in der Tat so dargestellt ist, wie die Anfrage es schildert. Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in London hat sowohl über das Foreign Office wie auch in direktem Kontakt mit den englischen Kartenverlegern versucht, eine Änderung dieser Darstellung in englischen Kartenwerken zu erwirken. Das ist bisher nicht gelungen. Das Foreign Office erklärte, daß es keine Einwirkungsmöglich({1}) keit auf private Kartenverlage, zu denen auch die Oxford University Press gehört, besitze. Die Verlage gaben an, daß sie sich bei ihrer Darstellung von den rein tatsächlichen, nicht aber von den rechtlichen Verhältnissen leiten ließen. Sie würden daher die deutschen Ostgebiete so lange als zu Polen gehörig darstellen, als der jetzige tatsächliche possessorische Zustand andauere. Der Leiter des Geographischen Dienstes begibt sich noch in dieser Woche nach England, um im persönlichen Kontakt mit den einzelnen Verlegern noch einmal zu versuchen, durch fachlich-praktische Vorschläge eine Änderung in der Haltung der britischen Kartenverlage herbeizuführen.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Minister. Auf Grund Ihrer Ausführungen möchte ich fragen, ob seitens des Auswärtigen Amts ein offizieller Schritt geplant ist, nachdem die britischen Stellen sich offenbar auf den Standpunkt stellen, daß es sich um ein Faktum handle, das im Augenblick nicht zu ändern sei. Oder gedenkt die Bundesregierung diese Stellungnahme widerspruchslos hinzunehmen?

Dr. Heinrich Brentano (Minister:in)

Politiker ID: 11000263

Herr Kollege, vielleicht haben Sie meine Antwort nicht verstanden. Das Auswärtige Amt hat schon Schritte beim Foreign Office und auch bei den Kartenverlegern unternommen, und wenn sich, wie ich sagte, noch in dieser Woche der Leiter des Geographischen Dienstes nach England begibt, so ist es ja ein Beamter des Auswärtigen Amtes, der in offiziellem Auftrag dort vorstellig wird. Die Antwort des Foreign Office ist natürlich unbefriedigend. Aber ich glaube nicht, daß sich an dieser Antwort etwas ändern läßt. Denn daß keine Einwirkungsmöglichkeit auf einen privaten Kartenverlag in England vorliegt, ist klar. Wir werden selbstverständlich - das ergibt sich aus der Reise, die ich angekündigt habe - dem Foreign Office unsere Auffassung mitteilen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frage 22 - Abgeordneter Schneider ({0}) - betreffend ehemaliges Marinelazarett in Bremerhaven: Ist damit zu rechnen, daß das ehemalige Marinelazarett in Bremerhaven wieder in deutsche Hände gelangt, oder welche Abmachungen und Absichten bestehen hinsichtlich der Verwendung dieser Anlage? Besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, die Anlage für zivile Zwecke freizugeben? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ehemalige deutsche Marinelazarett in Bremerhaven wird nach wie vor von den US-Streitkräften als Lazarett benutzt. Im Hinblick auf den starken Durchgangsverkehr in Bremerhaven als Verschiffungshafen der US-Streitkräfte ist nicht damit zu rechnen, daß das ehemalige deutsche Marinelazarett in absehbarer Zeit an die deutsche Verwaltung zurückgegeben wird. In früheren Verhandlungen des Senats der Hansestadt Bremen mit den zuständigen US-Dienststellen über die Teilfreigabe des ehemaligen deutschen Marinelazaretts wurde amerikanischerseits auf die Notwendigkeit hingewiesen, für eintretende Notfälle eine genügende Anzahl von Krankenbetten zur Verfügung zu haben, zumal es sich um das einzige amerikanische Lazarett im norddeutschen Raum handle. Ich darf noch hinzufügen: selbst wenn die US-Streitkräfte infolge Änderung der Verhältnisse das ehemalige deutsche Marinelazarett zu einem späteren Zeitpunkt freigeben sollten, wird eine Verwendung der Anlage für zivile Zwecke deswegen nicht in Betracht kommen, weil das Lazarett seinem ursprünglichen Verwendungszweck entsprechend von der deutschen Bundeswehr benötigt werden wird.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Eine Zusatzfrage!

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß das Marinelazarett seit vielen Jahren an einer absolut chronischen Unterbelegung leidet? Sollte unter diesen Umständen nicht versucht werden, zu erreichen, daß heute schon mit Rücksicht darauf, daß Bremerhaven wieder Marinestandort geworden ist, auch der deutschen Marine die Benutzung des Lazaretts gestattet wird? Kann die Bundesregierung in dieser Richtung noch Schritte unternehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, es ist uns bekannt, daß das Lazarett zeitweise sehr stark unterbelegt ist. Aber die amerikanische Seite hat erklärt, daß sich das eben aus dem stoßweisen Eintreffen der Transportdampfer in Bremerhaven und ihrer entsprechenden Abfahrt ergibt. Ich bin jedoch gerne bereit, zusammen mit dem Herrn Bundesminister für Verteidigung die Frage zu prüfen, ob wenigstens eine Teilbelegung des Lazaretts für deutsche Zwecke möglich sein wird.

Herbert Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002045, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich danke.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Frage 23 ist zurückgezogen. Die Frage 24 - des Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) - betreffend Inbetriebnahme der zweiten Fahrbahn der Autobahn Frankfurt ({1}) - Köln zwischen „Wandersmann" und dem Flughafen Frankfurt: Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß die zweite Fahrbahn der Autobahn Frankfurt ({2})-Köln zwischen dem „Wandersmann" und dem Flughafen Frankfurt immer noch nicht benutzt wird? Welches sind die Gründe dafür, und wann rechnet der Herr Bundesverkehrsminister damit, daß die zweite Fahrbahn in Betrieb genommen wird? Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mir bekannt, daß die zweite Fahrbahn der Autobahn Frankfurt ({0})-Köln zwischen „Wandersmann" und dem Flughafen Frankfurt noch nicht dem Verkehr übergeben ist. Diese Fahrbahn wird zusammen mit dem neuen Autobahnkleeblatt am Flughafen Frankfurt und der Autobahnteilstrecke zwischen dem Kleeblatt und der neugeschaffenen Zufahrt nach Frankfurt an die Mörfelder Landstraße am 10. Juli dieses Jahres eröffnet. ({1}) Die Gründe, warum die seit einiger Zeit fertiggestellte zweite Fahrbahn zwischen Wandersmann und Frankfurter Flughafen nicht bereits freigegeben wurde, sind rein bautechnischer Art. An der westlichen Fahrbahn dieser Strecke zeigten sich bekanntlich schon kurze Zeit nach der Inbetriebnahme nicht unerhebliche Schäden. Ursache dieser Schäden ist der auf diesem Streckenabschnitt besonders massierte Verkehr, der einen sehr hohen Anteil schwerer Fahrzeuge aufweist und im Gegenverkehr auf einer Fahrbahn abgewickelt werden muß. Die Strecke ist damals so schnell in Betrieb genommen worden, um die Todesstraße Wandersmann-Frankfurt so frühzeitig wie möglich zu entlasten. Die neue zweite Fahrbahn ist gegenüber der westlichen Fahrbahn wesentlich tragfähiger ausgebildet. Darüber hinaus soll die Erfahrung, daß die Festigkeit des Betons in den Monaten nach seiner Erhärtung noch in sehr erheblichem Maße zunimmt, ausgenutzt werden, um so mehr, als auch diese Fahrbahn während der Ausbesserung der westlichen Fahrbahn dem Gegenverkehr unterworfen sein wird. Daher empfiehlt es sich, die weitere Festigkeitszunahme des Betons als Sicherheit gegen Schäden durch die hier zahlreich verkehrenden schweren, oft sogar überladenen Fahrzeuge abzuwarten. Aus diesen Gründen habe ich mich entschlossen, die Betriebseröffnung der zweiten Fahrbahn im Einvernehmen mit der hessischen Straßenbauverwaltung bis zum 10. Juli zurückzustellen. Dies war schon bei Beginn der Arbeiten im vorigen Jahr so festgelegt. Die hessische Straßenbauverwaltung wird bis zum Eröffnungstermin alle Restarbeiten zum Abschluß gebracht haben, soweit sie die Verkehrsabwicklung auf der neuen Fahrbahn beeinflussen.

Dr. Hermann Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön!

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die Frage 26 - des Herrn Abgeordneten Wehr - betreffend Auslegung des Umsatzsteuergesetzes: Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt und billigt er, daß die „steuerschädliche Bearbeitung" im Sinne des, Umsatzsteuergesetzes allein aus der Schriftform der Rechnungsstellung abgeleitet wird? Ist der Herr Bundesfinanzminister der Meinung und hält er es für Recht, daß die Großhandelsumsatzsteuer dann gegeben ist, wenn die Rechnung die Beträge für jeden Posten einzeln ausweist, während die Einzelhandelsumsatzsteuer erhoben wird, wenn bei dem gleichen Geschäftsvorfall die Rechnung unter Aufführung der einzelnen Posten nur auf den Gesamtbetrag lautet? Ist dem Herrn Bundesfinanzminister bekannt, daß diese letzte Form der Rechnungsstellung ohne weiteres umgangen werden kann und sie nur erfolgt, um dem Empfänger die Rechnungsprüfung zu erleichtern? Ist eine Entscheidung, die in einem rechtskräftigen Anfechtungsverfahren vor einem Oberfinanzpräsidium aus gleichem Grunde am 13. April 1940 entschieden worden ist und zugunsten des Steuerschuldners wirksam wurde, weiter rechtswirksam? Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär der Finanzen!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entscheidung der Frage, ob eine die umsatzsteuerrechtlichen Großhandelsvergünstigungen oder die Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung ausschließende schädliche Bearbeitung vorliegt, ist nach den Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz allein davon abhängig, ob durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut, ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit, entstanden ist. Weder nach diesen Vorschriften noch nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung kommt es auf die Form der Rechnungstellung an. Es ist mir allerdings bekannt, daß der Reichsminister der Finanzen in zwei Erlassen abweichend von diesen Grundsätzen bei der Zusammenstellung von Sachgesamtheiten die Gewährung des ermäßigten Großhandelssteuersatzes und die Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung davon abhängig gemacht hat, daß die Gegenstände, die zu einer Sachgesamtheit zusammengestellt sind, getrennt versendet und den Abnehmern getrennt in Rechnung gestellt werden. Beide Erlasse, die sich zugunsten der Steuerpflichtigen auswirken, sind aus dem Bestreben zu erklären, die Schwierigkeiten, die in der Feststellung der Verkehrsauffassung liegen, dadurch zu vermeiden, daß der Versuch gemacht wird, die Entstehung einer Sachgesamtheit nach objektiven Gesichtspunkten festzustellen. Die beiden Erlasse sind in der Folgezeit von der Verwaltung und von den Steuerpflichtigen auch auf ähnliche Sachverhalte angewendet worden. Aber die Gefahr, daß infolgedessen durch formale Gestaltung der Rechnungen unterschiedliche Rechtsfolgen ausgelöst werden können, ist nicht zu verkennen. In der Denkschrift über eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes ist auf Seite 24 ausgeführt, daß im Rahmen einer zukünftigen Änderung der Durchführungsbestimmungen erwogen werden kann, das Zusammenstellen erworbener Gegenstände zu Sachgesamtheiten künftig als unschädliche Bearbeitung zu behandeln, wenn die einzelnen Gegenstände nicht mechanisch oder körperlich zusammengefügt werden. In diesem Falle würden dann die beiden von mir erwähnten Erlasse des Reichsministers für Finanzen aufgehoben werden. Ich darf noch bemerken, daß rechtskräftige Anfechtungsentscheidungen der Oberfinanzpräsidenten nur Wirksamkeit für den betreffenden Steuerabschnitt haben. Das Finanzamt kann daher für noch nicht rechtskräftig veranlagte Steuerabschnitte von der Anfechtungsentscheidung des Oberfinanzpräsidenten, die zugunsten des Steuerpflichtigen ergangen ist, abweichen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich bitte auf Zusatzfragen zu verzichten. Wir müssen die Fragestunde nunmehr beenden. Die Fragen sind ja auch beantwortet. Die nächste Fragestunde ist am Donnerstag, dem 21. Juni. Sperrfrist für eingehende Fragen: Freitag, 15. Juni, 12 Uhr. Ich komme zu Punkt 2 der Tagesordnung: Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ratifizierung von Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ({0}). Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat der Herr Abgeordnete Richter. Richter ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat sich leider genötigt gesehen, die Große Anfrage Drucksache 2316 im Bundestag einzubringen, die sich mit der Ratifizierung von Übereinkommen der ({2}) Internationalen Arbeitsorganisation befaßt, und zwar insbesondere mit der Ratifizierung des bedeutsamen Übereinkommens Nr. 87. Bereits vor einem Jahr hatte ich die Ehre, vor Ihnen vier Initiativgesetzentwürfe der SPD-Fraktion zu begründen. Drei von diesen Übereinkommen, nämlich das Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechts und des Rechts zu Kollektivverhandlungen, das Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit sowie das Übereinkommen Nr. 29 über die Zwangs- oder Pflichtarbeit, konnten inzwischen die Zustimmung dieses Hohen Hauses finden, so daß die Gesetze veröffentlicht wurden und die Ratifikation dieser Übereinkommen im Internationalen Arbeitsamt in Genf erfolgen dürfte. Nur bei einem Übereinkommen, nämlich bei dem Übereinkommen Nr. 87 über die Koalitionsfreiheit, konnten Schwierigkeiten noch nicht beseitigt werden. Ich glaube, es ist notwendig, über diese Schwierigkeiten hier ganz offen zu sprechen. Man hat die Weiterberatung der sachlichen Fragen bezüglich der Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87 bisher dadurch blockiert, daß man im Rechtsausschuß zunächst die Grundsatzfrage prüfen will, ob es nach dem Grundgesetz überhaupt möglich ist, aus der Mitte des Bundestages Gesetze zur Ratifikation internationaler Abkommen einzubringen. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß dies sehr wohl möglich ist. Was ich jedoch mit Nachdruck herausstellen muß, ist der Umstand, daß man versucht, ausgerechnet das Übereinkommen Nr. 87 mit einer derartigen Grundsatzfrage in Verbindung zu bringen, um dadurch einer Auseinandersetzung über das Übereinkommen Nr. 87 selbst aus dem Wege zu gehen. Jedenfalls müssen wir diesen Eindruck haben. Denn warum hat man diese Grundsatzfrage erst jetzt angeschnitten? Worum handelt es sich überhaupt bei dem Übereinkommen Nr. 87? Es handelt sich um nicht mehr und nicht weniger als um internationale Grundsätze der Koalitionsfreiheit, die allgemeine Anerkennung gefunden haben. Dem zweiten Absatz unserer Großen Anfrage können Sie entnehmen, welche Länder dieses Übereinkommen bereits ratifiziert haben. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, soll hier die Bundesrepublik wirklich zurückstehen? Der Ratifikation des Übereinkommens stehen, wie uns von seiten der Bundesregierung dargelegt wurde und wie auch der Herr Bundesarbeitsminister am 25. Mai des vergangenen Jahres an dieser Stelle bestätigt hat, innerpolitische Gründe entgegen. Nach dem Übereinkommen ist es nicht möglich, Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Verwaltungswege aufzulösen oder einzuschränken. Es wird gesagt, wir müßten uns in Deutschland das Recht vorbehalten, gegen etwa sich bildende kommunistische Gewerkschaften auch mit politischen Maßnahmen vorgehen zu können. Damit wird der Teufel an die Wand gemalt. Es gibt in Deutschland keine kommunistischen Gewerkschaften. Außerdem hat uns bisher noch niemand definieren können, was eine kommunistische Gewerkschaft sei. Was man fürchtet, sind kommunistische Tarnorganisationen, die sich nach außen hin den Anschein von Gewerkschaften geben. Hier können nach unserer Ansicht keine Schwierigkeiten auftreten, weil es sich dann überhaupt um keine Gewerkschaften im Sinne des Übereinkommens Nr. 87 handelt. Andererseits können wir auch nicht zugestehen, daß es irgendeinem Verwaltungsbeamten überlassen bleibt, darüber zu entscheiden, ob eine Gewerkschaft kommunistisch ist oder nicht. Dafür ist das Bundesverfassungsgericht zuständig. Der wesentliche Zweck des Übereinkommens Nr. 87 ist es, rechtsstaatliche Grundsätze auch für die Gewerkschaften anzuerkennen. Wir müssen uns überlegen, ob wir, ganz gleich aus welchen Gründen, weiterhin in der Welt als ein Land dastehen wollen, das nicht in der Lage ist, internationale Grundsätze über die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuerkennen. Es handelt sich für die öffentliche Weltmeinung hier nicht um Formalien, sondern um Grundsatzfragen. Schließlich ist das Deutsche Reich im Jahre 1933 gerade im Zusammenhang mit der Beseitigung der Koalitionsfreiheit in Deutschland aus der Internationalen Arbeitsorganisation ausgetreten. Sie alle wissen, daß innerhalb der Internationalen Arbeitsorganisation, in der auch die Oststaaten Mitglied sind, zur Zeit schwere und grundsätzliche Auseinandersetzungen geführt werden, in deren Verlauf von westlicher Seite immer wieder darauf hingewiesen wird, daß in zahlreichen Staaten der Welt - sei es nun mit Linksdiktatur oder mit Rechtsdiktatur - die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht besteht. Wie sollen wir als deutsche Vertreter an diesen Diskussionen über die Koalitionsfreiheit in der Internationalen Arbeitsorganisation teilnehmen, wenn man uns entgegenhalten kann, daß wir selbst die grundlegende internationale Abmachung, also das Übereinkommen Nr. 87, noch nicht ratifiziert haben? Wer an internationalen Verhandlungen teilgenommen hat, wird mir zustimmen, wenn ich sage, daß derartige Beitritte zu zwischenstaatlichen Verträgen mehr wiegen als die schönsten Reden und Beteuerungen von Bundesministern und anderen Stellen. Es darf nicht sein, daß man uns immer wieder vertröstet und der sachlichen Diskussion ausweicht, sondern es ist offen Farbe zu bekennen, und zwar nicht in Worten, sondern in Taten. Eine solche Tat ist die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87. Wir möchten die Bundesregierung dringend ersuchen, den gesetzgebenden Körperschaften einen Entwurf zur Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87 umgehend zu unterbreiten. ({3})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation, das die Große Anfrage der SPD auf Drucksache 2316 vom 18. April 1956 zum Gegenstand hat, beschäftigt sich mit dem Vereinigungsrecht und der Vereinigungsfreiheit. Durch Art. 9 des Grundgesetzes und die allgemeine Gesetzgebung ist - wie schon durch die Weimarer Verfassung - insbesondere den Gewerkschaften in der Bundesrepublik vollständige Freiheit gewährleistet. In der Praxis ist auch - das werden Sie mir zugeben müssen - keinerlei ({0}) Schwierigkeit sichtbar geworden, indem der Staat in dieser oder jener Form in die Koalitionsfreiheit eingegriffen hätte. Schon im Jahre 1952 ist von der Bundesregierung der Entwurf eines Gesetzes vorbereitet worden, durch das das Übereinkommen Nr. 87 über die Koalitionsfreiheit ratifiziert werden sollte. Die Weiterverfolgung dieses Gesetzentwurfs stieß zunächst auf Schwierigkeiten, weil den Vorschriften des Übereinkommens Nr. 87 gewisse besatzungsrechtliche Vorschriften entgegenstanden. Als diese Schwierigkeiten ausgeräumt waren, ist die Ratifikation des Übereinkommens erneut in die Wege geleitet worden. Dabei aber entstanden Zweifel, die erst einmal geklärt werden mußten: Das Übereinkommen Nr. 87 setzt zwar kein unmittelbar geltendes Recht, verpflichtet aber den Bund im Falle der Ratifizierung, seine Rechtsordnung den Vorschriften des Übereinkommens, soweit noch erforderlich, anzupassen. Bei Prüfung dieser Auswirkung des Übereinkommens tauchte das Problem auf, ob es dann noch möglich sei, verfassungsfeindliche Gewerkschaften, die sich bilden könnten, aufzulösen. In Art. 9 Abs. 2 unseres Grundgesetzes, der auch für die Koalitionen gilt, ist festgelegt, daß „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten", verboten sind. Wenn z. B. der ostzonale Freie Deutsche Gewerkschaftsbund, dem wir nicht das Recht einer freien Gewerkschaft zubilligen können und wollen, in das Bundesgebiet übergreifen oder versuchen würde, hier Zweig- oder Tarnorganisationen zu gründen, dann könnte hiergegen nach Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes eingeschritten werden. Ein derartiges ausdrückliches Verbot fehlt im Übereinkommen Nr. 87. Es bestimmt zwar, daß die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und ihre Organisationen bei Ausübung ihrer Rechte an die Gesetze gebunden sind. Nicht völlig zweifelsfrei war aber bisher, ob damit auch die Anwendungsmöglichkeit des Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes gewährleistet ist. Dies konnte erst in letzter Zeit, insbesondere durch Berichte der zuständigen Stellen des Internationalen Arbeitsamts, geklärt werden. Die Bundesregierung ist auf Grund dieser Klärungen nunmehr in der Lage, dem Hohen Haus die Ratifizierung des Abkommens vorzuschlagen. Sie wird den gesetzgebenden Körperschaften in der nächsten Zeit den Entwurf eines Ratifizierungsgesetzes vorlegen. Der Bundesregierung ist sehr wohl bekannt, daß das Übereinkommen Nr. 87 von den in der Großen Anfrage genannten 16 Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert worden ist. Man könnte aber auch sagen: nur vbn diesen 16. Zur Zeit gehören der Internationalen Arbeitsorganisation 73 Mitgliedstaaten an. Unter den 57 Staaten, die das Übereinkommen Nr. 87 bisher nicht ratifiziert haben, befinden sich u. a. die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Kanada, Australien, Luxemburg, Neuseeland und die Schweiz. Das sind gewiß Länder, in denen die Freiheit der Gewerkschaften in besonders starkem Maße gesichert ist und die eine sehr fortschrittliche Sozialordnung haben. In diesen Ländern scheinen auch noch nicht alle Bedenken beseitigt zu sein, ob die innerstaatlichen Voraussetzungen für eine Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87 gegeben sind. Es ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, daß die Beratende Versammlung des Europarates die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87 den Mitgliedstaaten empfohlen hat. Diese Empfehlung enthebt die Mitgliedstaaten jedoch nicht von der Verpflichtung, zu prüfen, ob die innerstaatlichen Voraussetzungen für die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 87 in den betreffenden Ländern gegeben sind. Die der Internationalen Arbeitsorganisation gegenüber übernommene Verpflichtung, in gewissen Zeiträumen darüber zu berichten, warum einzelne Übereinkommen noch nicht ratifiziert worden sind, ist der Bundesregierung selbstverständlich bekannt, und die Bundesregierung wird die eingegangene Verpflichtung bestimmt innehalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie haben die Antwort der Bundesregierung gehört. Ich frage, ob eine Aussprache gewünscht wird. - Die Aussprache wird nicht gewünscht. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 3: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ({0}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung ({1}) ({2}). ({3}) Wird das Wort zur mündlichen Berichterstattung gewünscht? - Das Wort wird gewünscht. Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Greve. Dr. Greve ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Mit den Gesetzesvorschlägen in Drucksache 2382 sollen Sie heute den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - Drucksache 1949 - und den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - Drucksache 1139 - erledigen. Die Vorlagen sind im Ausschuß für Fragen der Wiedergutmachung, nachdem sie ihm überwiesen worden waren, zum Gegenstand eingehender Beratungen gemacht worden, wie den Mitgliedern des Hohen Hauses wohl bekannt sein dürfte. Auch der neben dem federführenden Ausschuß beteiligte Ausschuß für Beamtenrecht und der Haushaltsausschuß haben die diese beiden Ausschüsse interessierenden Fragen der Gesetzentwürfe beraten und das Ergebnis ihrer Beratung dem Ausschuß für Fragen der Wiedergutmachung zugeleitet. Meine Damen und Herren, Ihnen liegt mein Schriftlicher Bericht*) in Drucksache 2382 vor, auf den ich mich auch in meiner heutigen Berichterstattung beziehe. Ich bitte Sie allerdings um Nachsicht, wenn ich Ihnen einige Berichtigungen des Schriftlichen Berichts vortragen muß. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, als ohnehin schon ver- *) Siehe Anlage 2. ({5}) Loren gegangen ist, hat es der Ausschuß für richtig gehalten, einige Fragen zurückzustellen. Wie diese Fragen zum Teil durch Änderungsanträge zum Gesetzentwurf erledigt werden sollen, wird Ihnen heute von mir vorgetragen werden. Auf Seite 9 in Ziffer 50 heißt es im Schriftlichen Bericht: Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, durch ihre Auslandsvertretungen in geeigneter Form die hier vorgesehene Neueröffnung der Antragsfrist für die Anmeldung von Verfolgungsschäden in der Sozialversicherung und in der Kriegsopferversorgung bekanntzugeben. Es gibt keine Auslandsvertretungen der Bundesregierung, sondern nur Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland. Es muß deshalb richtig heißen: Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, durch die Auslandsvertretungen der Bundesrepublik in geeigneter Form die hier vorgesehene Neueröffnung der Antragsfrist ... bekanntzugeben. Auf Seite 11 in Ziffer 58 Buchstabe a) müssen in der vierten Zeile nach den Worten „der Anspruch auf" die Worte „Entschädigung für" eingefügt werden, so daß der richtige Wortlaut heißt: In § 160 ist der Personenkreis dadurch nicht unbeträchtlich erweitert worden, daß abweichend vom geltenden Recht und von der Regierungsvorlage der Anspruch auf Entschädigung für Schaden an Körper oder Gesundheit nicht mehr davon abhängig ist, daß der Verfolgte Schaden an Freiheit erlitten hat. Endlich ist im Mantelgesetz - es findet sich auf ' Seite 18 bis 20 des Schriftlichen Berichts - in Art. III auf Seite 20 des Schriftlichen Berichts statt der Worte „das United Restitution Office" zu setzen „die United Restitution Organization". Das sind die Berichtigungen zum Schriftlichen Bericht bzw. zum Mantelgesetz, die ich vorzunehmen bitte. Meine Damen und Herren! In Ergänzung des Schriftlichen Berichts möchte ich nun noch einige Ausführungen hier im Plenum machen. Auf Seite 2 oben finden Sie folgende Äußerung von mir: Der Ausschuß hat mit Erschrecken und Entsetzen Entscheidungen von Entschädigungsbehörden und -gerichten zur Kenntnis genommen, in denen eine Art des Denkens zum Ausdruck kommt, die zum völligen Versagen, ja zum Teil in das Gegenteil der Wiedergutmachung führen muß. Aus dem Bundesjustizministerium ist mir mitgeteilt worden, daß man zwar keinen Anstoß an dieser Formulierung gefunden hat, daß man aber doch meint, sie hätte etwas zahmer ausfallen können. Meine Damen und Herren, ich bin nicht der Auffassung, daß man Mißstände nur zahm kritisieren soll, ich bin der Meinung, daß man Mißstände kritisieren soll in der Form, wie sie vorkommen; und leider ist es so, daß eine Reihe von Entscheidungen der Entschädigungsbehörden und der Entschädigungsgerichte nur mit Erschrecken und Entsetzen von uns zur Kenntnis genommen werden konnten. ({6}) Wir wissen ganz genau, daß an diesen schlechten Entscheidungen der Behörden und der Gerichte nicht alle Beamten und Angestellten und auch nicht alle Richter beteiligt sind. Wir wissen auch ganz genau, daß es unter den Beamten und Angestellten und Richtern nicht nur einige wenige gutwillige und der Wiedergutmachung sehr positiv gegenüberstehende Menschen gibt, wir wissen, daß es eine ganze Reihe solcher Beamten, Angestellten und Richter in den Entschädigungsbehörden und bei den Entschädigungsgerichten gibt, und diese brauchen sich durch die Formulierung in dem Bericht in keiner Weise getroffen zu fühlen. Wenn die Befürchtung ausgedrückt worden ist, daß sich viele Richter durch diese Formulierung veranlaßt sehen könnten, sich von der Tätigkeit in den Entschädigungskammern und Entschädigungssenaten zurückzuziehen, so möchte ich dazu sagen, daß ich das außerordentlich bedauern würde. Ich glaube nicht, daß diese Bemerkung im Schriftlichen Bericht anders aufgefaßt werden kann als so, daß sie diejenigen treffen soll, die es angeht. Jemand, der sich durch diese Formulierung nicht getroffen zu fühlen braucht, braucht auch keine Konsequenzen daraus zu ziehen. Bei den Beratungen des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung haben wir nicht nur uns nicht befriedigende Urteile kritisiert, sondern auch gute Urteile positiv hervorgehoben. Das trifft insbesondere auch den Bundesgerichtshof selbst. Auf derselben Seite in Spalte 2 finden Sie z. B., daß wir den Grundsatz, der in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22. November 1954 aufgestellt worden ist, zur Grundtendenz der ganzen Wiedergutmachung gemacht wünschen. Wir haben den Wortlaut dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes ausdrücklich angeführt. Ich bin also der Auffassung, daß die Kritik, die wir an den uns nicht befriedigenden Entscheidungen geübt haben, durchaus zu Recht besteht; das ist die Auffassung des gesamten Ausschusses. Jeder Richter und auch jeder Beamte und jeder Angestellte der Entschädigungsbehörden sollte sich durch diese Kritik dazu veranlaßt sehen, in Zukunft an die Erledigung der Entschädigungssachen in dem Geiste heranzugehen, in dem der Gesetzgeber ihre Erledigung wünscht. ({7}) Meine Damen und Herren! Zu § 43 - Sie finden das im Bericht unter Ziffer 16 auf Seite 5 - habe ich ausgeführt, daß die Entschädigung für eine Zugehörigkeit zu einer Wehrmachtbewährungseinheit gegenüber der Regierungsvorlage neu ist. Hier sind gewisse Bedenken in der Richtung aufgetaucht, daß z. B. dann, wenn der Tod bei normalem Einsatz der Wehrmachtbewährungseinheit eingetreten ist, unter Umständen auch Ansprüche nach dem BEG gestellt werden könnten. Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Befürchtung, daß solche Ansprüche gestellt werden; aber zur Klärung des Sachverhalts möchte ich sagen, daß auch bei einer Zugehörigkeit zu einer Bewährungseinheit ein Anspruch nach dem BEG dann nicht gestellt werden kann, wenn der Tod bei normalem Einsatz dieser Bewährungseinheit erfolgt ist. Dann ist der Tod eben nicht durch nationalsozialistische Verfolgung eingetreten, sondern im Kriegseinsatz unmittelbar, der nicht nur ({8}) bei der Bewährungseinheit sondern auch bei der normalen Truppe vorkam. ({9}) - Ich habe ausdrücklich betont, Herr Kollege Franke: bei normalem Einsatz. Wenn es einen normalen Einsatz einer Bewährungseinheit nicht gegeben hat, dann entfallen selbstverständlich meine Bemerkungen insoweit. Zu § 49, Bericht Ziffer 16. Der Ausschuß hat sich veranlaßt gesehen, nicht nur den Schaden für Freiheitsentziehung, sondern auch den Schaden, der durch Freiheitsbeschränkung eingetreten ist, ersatzpflichtig zu machen. Sie lesen, daß wir unter Freiheitsbeschränkung das Tragen des Judensterns und das Leben in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen verstehen. Eine Reihe von Entschädigungsbehörden ist bereits heute dazu übergegangen, auch derartige Freiheitsbeschränkungen als Freiheitsentziehung anzusehen und das schon jetzt geltende Bundesentschädigungsgesetz entsprechend anzuwenden. Um aber von vornherein klarzumachen, daß hier gewisse Unterschiede bestehen, daß aber beide Kategorien, sowohl die der Freiheitsentziehung als auch die der Freiheitsbeschränkung, entschädigungsberechtigt machen, haben wir die entsprechenden Bestimmungen in das Gesetz hereingenommen. Selbstverständlich - ich bin darauf erst nach der Abfassung des Schriftlichen Berichts gekommen - fällt unter menschenunwürdiges Leben auch ein Leben unter falschem Namen. Es wurde mir gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß man das Leben unter einem falschen Namen nicht immer als menschenunwürdig bezeichnen könnte und sich deshalb veranlaßt sehen würde, entsprechende Anträge abzulehnen. Die Auffassung des Ausschusses geht eindeutig dahin, daß das Leben unter falschem Namen in jedem Falle illegal und menschenunwürdig ist. Es ist nicht würdig, daß ein Mensch unter falschem Namen leben muß, und wenn er es getan hat, hat er ein menschenunwürdiges Dasein geführt. Ich bitte nur zu bedenken, welchen Gefahren sich alle diejenigen stündlich ausgesetzt sahen, die unter falschem Namen lebten, und nach dem Willen des Gesetzgebers verpflichten Schäden, die durch das Leben unter falschem Namen entstanden sind - Freiheitsentziehung, Freiheitsbeschränkung, oder was es auch sonst sein mag -, zur Entschädigung. Uns sind Fälle bekannt, von denen wir gar nicht angenommen haben, daß sie je bei den Behörden Bedenken hervorrufen würden. Ich denke an den Fall einer Jüdin, der es, nachdem sie im Jahre 1940 in Polen ins Ghetto gebracht worden war, gelang, sich aus dem Ghetto zu befreien und als Christin und als Polin zu leben, die aber dann von den deutschen Behörden, nun zwar nicht als Jüdin, die sie in Wirklichkeit war und auch heute noch ist, sondern als christliche Polin verfolgt und ins Konzentrationslager geschleppt wurde. Hier sind die Behörden auf den Gedanken gekommen, daß sie, da sie nicht als Jüdin, sondern als christliche Polin gelebt habe und deswegen ins Konzentrationslager gekommen sei, keinen Anspruch auf Schaden wegen Freiheitsentziehung habe. ({10}) Gerade das sind die Fälle, die wir nicht so entschieden und behandelt wissen wollten. Wer hat denn diese Jüdin veranlaßt, als Christin und als Polin unter falschem Namen zu leben? Doch niemand anders als diejenigen, die uns in dieses ganze Unglück hineingebracht haben! Dieses Mädchen wäre nie auf den Gedanken gekommen, anders als als Jüdin zu leben, wenn sie nicht durch die Umstände des nationalsozialistischen Regimes in Polen dazu gezwungen worden wäre. Ich sage das in diesem Bericht ausdrücklich, damit uns später von den Behörden und von den Gerichten nicht vorgehalten werden kann, daß wir uns nicht deutlich genug ausgedrückt hätten. Kurz noch etwas zu § 64, Ziffer 21 des Berichts. Auch hier sind nach der Herausgabe meines Berichts Zweifel aufgetreten, daß beispielsweise diejenigen, die als Referendare oder sonst noch in der Ausbildung Befindliche aus ihrem Dienst damals entlassen wurden, später nach 1945 jedoch ihre vollständige Ausbildung nachgeholt haben oder noch nachholen, berechtigt sind, den ihnen im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen entstandenen Schaden nach diesem Gesetz geltend zu machen. Es ist ausdrücklich der Wille des Gesetzgebers, sie insoweit nicht zu beschränken. Auch zu § 76, Ziffer 24 des Berichts, ist noch eine Ergänzung notwendig. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß bei der Berücksichtigung der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten eines Verfolgten, der erst am Anfang der Ausübung seines Berufes stand - Sie finden das in § 76 Abs. 1 Satz 5 -, die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen sind, wie sie sich in Deutschland seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus gestaltet haben. Auch hier waren Zweifel aufgetreten, und sie sind offenbar noch nicht ganz behoben, so daß ich mich veranlaßt sehe, auch hier ausdrücklich festzustellen, daß die tatsächlichen Verhältnisse zugrunde zu legen sind, wie sie sich in Deutschland seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus gestaltet haben. Es darf keiner, der heute Ansprüche geltend macht, deswegen abgewiesen werden, weil ihm entgegengehalten werden kann, daß diese oder jene Einrichtung gar nicht bestanden haben würde, wenn der Nationalsozialismus nicht gekommen wäre. Zu § 160, Ziffer 58 des Berichts, ist zu sagen, daß der Begriff Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention, der jetzt im Gesetz neu ist, keine Einengung bedeutet gegenüber der bisherigen Fassung des Gesetzes im § 71, in der der Begriff „politischer Flüchtling" Verwendung gefunden hat. Sie wissen, daß das Erste sogenannte Bundesergänzungsgesetz in diesem Hause nicht beraten wurde und daß man damals für die Regierungsvorlage gewisse Begriffe noch nicht so klar finden konnte, wie es heute möglich ist. Der Ausschuß hat mit allen beteiligten Stellen Fühlung genommen und ist schließlich zu dem Ergebnis gekommen, daß der einzig richtige und wohl auch einzig korrekte Ausdruck „Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention" ist. Aber niemand soll etwa auf den Gedanken kommen - wir fürchten, daß das immer noch möglich ist, trotz der Tendenz, die wir diesem Gesetz geben -, daß diese Neuformulierung eine Einengung bedeutet. Deswegen will ich das hier ausdrücklich in Ergänzung meines Schriftlichen Berichtes noch sagen. Zu § 165 - im Bericht Ziffer 58 - ist noch zu bemerken, daß der Begriff „ein angemessener Härteausgleich" sowohl eine einmalige Zahlung als auch einen monatlichen Zuschuß beinhalten kann. Insoweit besteht kein Unterschied zu § 75 des bisherigen Gesetzes, wo der Begriff einer „angemessenen Ausgleichsleistung" verwendet worden ist. ({11}) Auch hier handelt es sich nicht um eine materielle Veränderung, sondern um eine Klärung. Zu § 167 - im Bericht Ziffer 59 -: Der Begriff „aus Gründen der Nationalität" soll nicht zu eng ausgelegt werden. Über die Frage der Verfolgung aus nationalen Gründen ist im Ausschuß ebenfalls sehr lange beraten worden. Es war sehr schwierig, hier klar abzugrenzen. Wir glauben dem Plenum hier eine Fassung vorzulegen, mit der bei richtiger und vernünftiger Anwendung des Gesetzes in jeder Weise zufriedenstellend gearbeitet werden kann. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, daß der Begriff „aus Gründen der Nationalität" nicht zu eng ausgelegt werden soll. Auch Angehörige einer Widerstandsbewegung, von denen hier die Rede ist, sind dann von der Anwendung des Gesetzes nicht ausgeschlossen, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen des § 167 erfüllen. Ich betone dies hier ausdrücklich in meiner Eigenschaft als Berichterstatter, weil mir gesagt worden ist, daß das Gesetz auch anders ausgelegt werden könnte. Alle Beteiligten sind sich einig, daß das Gesetz nicht anders ausgelegt werden kann. Ich möchte es aber dennoch hier zu diesem Zweck gesagt haben. Als „aus Gründen ihrer Nationalität verfolgt" gelten eben diejenigen, denen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einem oder wegen ihres Einsatzes für einen fremden Staat Unrecht zugefügt worden ist. Das sind die allgemeinen Gründe, aus denen hier eine Schadensersatzpflicht gegeben sein soll. Zu § 169 - im Bericht Ziffer 60 - möchte ich folgendes sagen. Meine Damen und Herren, Sie ersehen aus dem Gesetz selbst, daß wir fast alle Ansprüche sofort fällig gestellt haben und daß nur noch einige wenige Ansprüche wegen Schadens an Eigentum und wegen Schadens an Vermögen erst am 1. April 1957 fällig werden. Im übrigen ist gesagt worden, daß die durch Geldleistungen zu erfüllenden Ansprüche spätestens bis zum Ablauf des Rechnungsjahres 1962 befriedigt werden sollen. Das heißt nicht, daß nun die Entschädigungsbehörden darauf bedacht sein sollen, die vorhandenen Anträge möglichst bis zum Jahre 1962 zu verteilen, und daß ihre Erledigung unbedingt bis zum Jahre 1962 hinausgeschoben werden muß. Der Wille des Gesetzgebers ist es, daß alle Anträge so schnell wie möglich nicht nur bearbeitet, sondern auch erledigt werden. Der Termin des Jahres 1962 ist gesetzt worden, weil der Gesetzgeber wünscht, daß auch die letzten Anträge bis zum Jahre 1962 ihre Erledigung gefunden haben. Wir wünschen, daß soviel Anträge wie möglich vor diesem Termin erledigt werden. Als letztes habe ich als Berichterstatter noch eine Bemerkung zu § 171 Absatz 5 - das ist im Bericht Ziffer 61 - zu machen. Nach dem Änderungsantrag auf Umdruck 611, der Ihnen vorliegt, handelt es sich nunmehr hier um den § 238 a. Auf den Antrag auf Streichung des § 171 Abs. 5 und die Neueinfügung eines § 238 a werde ich bei der Aufrufung der betreffenden Paragraphen eingehen. Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, die Gesetzesvorlage so anzunehmen, wie er sie beschlossen hat. Ich bitte, dabei zu vermerken, daß die beiden Änderungsanträge in Umdruck 611 allerdings noch Berücksichtigung finden müssen. ({12})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, es ist ein Brauch des Hauses, dem Berichterstatter zu danken. Ich möchte das auch bei dieser Vorlage nicht versäumen; ich möchte aber diesen Dank des Hauses nicht nur dem Berichterstatter, sondern auch dem Vorsitzenden des Ausschusses und dem ganzen Ausschuß zum Ausdruck bringen. ({0}) Ich darf daran erinnern, daß der 1. Deutsche Bundestag in seiner letzten Sitzung in Köln nach einer Übereinkunft der Fraktionen sein Wort gegeben hat, daß im 2. Deutschen Bundestag die Wiedergutmachungsfrage erneut aufgerollt, erneut behandelt und einer besseren Lösung zugeführt werden würde, als es im 1. Deutschen Bundestag geschehen konnte. Mit. der Vorlage von heute ist dieses Wort, wie ich meine, eingelöst. Das heißt, es wird dann Wahrheit, wenn Sie dieses Gesetz verabschiedet haben. Daß ich jetzt das Wort dazu nehme, hängt mit einer rein technischen Schwierigkeit zusammen. Ich muß um 4 Uhr wegen einer anderen dringenden dienstlichen Inanspruchnahme abgelöst werden. Aber das, was ich zu diesem Gesetz zu sagen habe, möchte ich deshalb nicht unter den Tisch fallenlassen, ({1}) und ich erlaube mir, damit noch ein Doppeltes zu verbinden. Wenn wir dieses Gesetz heute - ob mit oder ohne Änderungsantrag - verabschieden, dann ist das ein Werk und ein Zeugnis des guten Willens des ganzen deutschen Volkes. Es bleibt dann immer noch ein Rest zu tragen - bitter peinlich! - etwas Irreparables und Unkorrigierbares, das weder mit Geld noch Gut noch Rechtssatzungen korrigiert werden kann. ({2}) Weil wir uns dessen bewußt sind, meine Damen und Herren, sollten wir uns nicht verhärten den Problemen gegenüber, die auch in Zukunft in dieser Hinsicht auf uns zukommen werden. Niemand sollte sagen: Nun ist doch diese Sache endlich abgegolten, und wir sind damit unserer Verpflichtung ledig. Das mag in finanzieller und in rechtlicher Hinsicht gültig sein. In einem Letzten bleiben wir hier aber immer noch Schuldner unserer Vergangenheit. Zweitens würde ich es sehr begrüßen - ich habe hier auch die Bitte einer Fraktion vorliegen, die darauf hinzielt und die ich übernehme -, wenn der Bundesrat diesen Motivzusammenhang würdigte und durch möglichst baldige Verabschiedung diesem Werk des guten Willens des Deutschen Bundestags so schnell wie möglich zur endgültigen Verwirklichung im deutschen Volk verhülfe. ({3}) Damit treten wir in die zweite Lesung ein. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist in erster Lesung in der 119. Sitzung dieses Hohen Hauses vom 14. Dezember 1955 eingebracht worden. Ich war damals durch Krankheit an der Teilnahme an dieser Sitzung verhindert. Ich darf daher heute aus Anlaß der zweiten und dritten Lesung des Gesetzentwurfs ({0}) meinerseits kurz das Wort zu dem Gesetzentwurf nehmen. Ich möchte nicht versäumen, im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Berichterstatters auch meinerseits der Genugtuung darüber Ausdruck zu geben, daß dieses Gesetzgebungswerk, das das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat darstellt, nunmehr vor einem Abschluß steht. Ich stimme dem Herrn Berichterstatter darin zu, daß es in der Natur jedes Gesetzgebungswerkes liegt, daß es seine letzte Vollkommenheit nicht erreicht und nicht erreichen kann. Wir dürfen indessen wohl feststellen, daß es in monatelangen Beratungen gemeinsam mit allen Sachkundigen gelungen ist, den seinerzeit vom Arbeitskreis erarbeiteten Gesetzentwurf noch weiter rechtssystematisch und materiellrechtlich zu verbessern und auch im Verfahrensrecht eine Reihe neuer Vorschriften zu schaffen, von denen wir uns eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens versprechen. Ich bin dem Vorsitzenden des Ausschusses, dem Herrn Abgeordneten Dr. Greve, dafür dankbar, daß er während des ganzen Verlaufs der Beratungen des Ausschusses enge Fühlung auch mit dem Bundesminister der Finanzen gehalten und ihn über den Fortgang der Arbeiten laufend unterrichtet hat. Auf diese Weise ist es gelungen, das enge Einvernehmen, das zwischen den Vertretern der Bundesregierung, des Bundestages und des Bundesrates schon im Arbeitskreis bestand, auch im Wiedergutmachungsausschuß dieses Hohen Hauses aufrechtzuerhalten. Es erscheint mir von besonderer politischer Bedeutung, daß nicht nur im Grundsätzlichen, sondern auch bei den Erörterungen über die Einzelvorschriften des Gesetzentwurfs ein Gegensatz zwischen Koalitions- und Oppositionsparteien niemals bestanden hat und daß dort, wo Meinungsverschiedenheiten auftraten, es sich stets nur um Auseinandersetzungen zwischen Sachverständigen handelte. Es bestand insbesondere auch in jeder Phase der Beratungen Einverständnis darüber, daß bei der Ausgestaltung des Entschädigungsrechts für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung bis zur äußersten Grenze des für Bund und Länder finanziell Tragbaren gegangen werden müsse, daß aber auf der andern Seite dieser Rahmen unter allen Umständen auch einzuhalten sei. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der Aufwand für das Entschädigungsgesetz geltender Fassung zunächst auf rund 4 Milliarden DM geschätzt war, während er nach neueren Schätzungen voraussichtlich 4,5 Milliarden DM erreichen wird. Der Mehraufwand für diese Novelle - unter Zugrundelegung der vom Arbeitskreis erarbeiteten und sodann als Regierungsentwurf eingebrachten Fassung - war auf 2 bis 2,3 Milliarden DM geschätzt, während er nach der Fassung, die der Wiedergutmachungsausschuß der Regierungsvorlage nun gegeben hat, sich voraussichtlich einem Betrag von rund 3 Milliarden DM nähern wird. Das bedeutet, daß nunmehr der Gesamtaufwand im Rahmen des Bundesentschädigungsgesetzes rund 7,5 Milliarden DM betragen wird. Es ist bereits anläßlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs über die zahlreichen materiellrechtlichen Verbesserungen gesprochen worden, die die Novelle für die Verfolgten bringt. Der Schriftliche und der mündliche Bericht des Herrn Berichterstatters haben klargemacht, wieviel an weiteren Verbesserungen durch die Arbeit des Wiedergutmachungsausschusses des Hohen Hauses noch vorgesehen worden ist. Alle an der Gesetzgebung Beteiligten wissen sehr wohl, daß auch die nun vorgesehene Entschädigung keineswegs eine Wiedergutmachung geschehenen Unrechts in vollem Umfang darstellen kann, weil dies überhaupt nicht im Rahmen des Menschenmöglichen liegt. Aber ich darf doch wohl feststellen, daß die nun vorgesehenen Milliardenleistungen von Bund und Ländern auf dem Gebiet des Entschädigungsrechts, zu denen bekanntlich noch die Verbindlichkeiten rückerstattungsrechtlicher Art und die Lieferungen und Leistungen im Rahmen des Israel-Abkommens treten, einen so gewaltigen Aufwand zu Lasten des deutschen Steuerzahlers darstellen, daß gelegentlich im In- und Ausland immer noch sich erhebende kritische Stimmen, es geschehe nichts oder zuwenig auf dem Gebiet der Wiedergutmachung, nun endlich verstummen sollten. Bundesregierung und gesetzgebende Körperschaften sollten sich demgemäß darin einig sein, daß mit der vorliegenden Neufassung des Gesetzes die abschließende bundesgesetzliche Regelung des Rechts der Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung getroffen ist. Das liegt nicht zuletzt auch im Interesse der Verfolgten selbst, die wissen müssen, was ihnen endgültig an entschädigungsrechtlichen Ansprüchen zusteht. Auch die unbedingt notwendige rasche Abwicklung der Entschädigungsverfahren sollte durch weitere Gesetzesänderungen nicht mehr gestört werden. Ich darf abschließend der Hoffnung Ausdruck geben, daß der Geist, in dem dieses Werk entstanden ist, an dem alle Beteiligten mitgearbeitet haben, sich auch auf die Behörden und Gerichte auswirken möge, die zur Rechtsanwendung berufen sind. Möge auch in den Verfolgten die Überzeugung geweckt und wachgehalten werden, daß unsere Bundesrepublik sich der Pflichten bewußt ist, die ihr als Rechtsstaat obliegen, und in diesem Bewußtsein für geraume Zeit Lasten auf sich genommen hat, die sich auf die Haushalte von Bund und Ländern in den kommenden Jahren in steigendem Maße auswirken werden. Ich bin überzeugt, daß die Erwartungen, die sich an die Neugestaltung des Entschädigungsrechtes knüpfen, sich erfüllen werden, wenn alle mit der Durchführung des Gesetzes befaßten Stellen mit demselben Willen zur Wiedergutmachung ans Werk gehen, von dem ebensowohl die Bundesregierung wie der Gesetzgeber erfüllt ist. Ich spreche nicht nur für die Bundesregierung, sondern, wie ich annehme, auch für das Hohe Haus, wenn ich an den Bundesrat die dringende Bitte richte, den Gesetzentwurf im sogenannten zweiten Durchgang in demselben Geist zu behandeln, wie dies heute hier geschieht. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke auch dem Herrn Bundesfinanzminister für seine Ausführungen. Wir kommen damit zur Beratung der Einzelbestimmungen in zweiter Lesung. Ich rufe zunächst auf Artikel I. Änderungsanträge liegen nicht vor. ({0}) Ich eröffne die Aussprache. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. ({1}) - Verzeihen Sie, Herr Bundesjustizminister, ich hatte nicht bemerkt, daß Sie sich gemeldet haben. Sobald ich diesen Artikel abgeschlossen habe, werde ich Ihnen das Wort geben. Wird zu Artikel I das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung zu Artikel I. Ich komme zur Abstimmung über Artikel I. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Artikel I ist angenommen. Nun hat das Wort der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur einige wenige Worte! Ich möchte meiner besonderen Freude darüber Ausdruck geben, daß ich den Worten des Herrn Kollegen Greve entnehmen durfte, daß die sehr scharfe Kritik, die er an den Gerichten und Richtern in Entschädigungsfragen in seinem Schriftlichen Bericht geübt hat, sich nur auf einzelne Fälle bezieht und nicht eine generelle Ausdehnung erfahren soll. ({0}) - Ich sage: auf einzelne Fälle, Herr Kollege Albers. Ich weiß, daß Urteile vorgekommen sind, die zu einer Kritik berechtigten Anlaß gegeben haben. ({1}) Aber ich möchte doch nicht verfehlen, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, daß die ungefähr 250 Richter, die für Entschädigungsfragen eingesetzt waren und diese behandelt haben, nach bestem Wissen und nach dem Gesetz geurteilt haben. ({2}) Ich möchte nicht schließen, ohne der Hoffnung Ausdruck zu geben, daß dieses Gesetz dazu beitragen möge, die schwere Sorge, die uns alle wegen der Verfolgten des Nazi-Regimes bedrückt, zu lindern, zu lindern im Rahmen der Möglichkeiten, über die die Bundesrepublik verfügt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Dr. Greve!

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Herrn Bundesminister der Justiz insoweit zu, als ich meine Ausführungen im Schriftlichen Bericht nicht generalisierend aufgefaßt wissen wollte. Der Herr Bundesminister der Justiz hat auch recht, wenn er sagt, daß die von mir geübte Kritik auf Grund von Einzelfällen veranlaßt worden ist. Aber der Einzelfälle waren so viele, daß sie überhaupt nicht mehr zu zählen waren, und hier kommt meine Kritik an Einzelfällen schon einer generellen Kritik nahe. Ich bin auch nicht der Auffassung - dies bitte ich allerdings nicht als Berichterstatter sagen zu dürfen -, daß alle von dem Herrn Bundesminister der Justiz erwähnten Richter nach bestem Wissen und Gewissen Recht gesprochen haben. Wenn sie aber nach ihrem besten Wissen und Gewissen in allen Fällen Recht gesprochen haben sollten, dann war eben ihr Wissen nicht ausreichend und ihr Gewissen nicht gut genug, um die Aufgabe zu erfüllen, die erfüllt werden mußte. ({0}) Wir haben den Wunsch, daß sich die Herren Landesjustizminister zumindest einmal Gedanken darüber machen, wie dafür Sorge getragen werden kann, daß die zwar durch die Präsidien der Gerichte vorzunehmende Besetzung der Kammern und Senate unserer Gerichte so erfolgt, daß diese mit Richtern besetzt sind, die den Geist des Wiedergutmachungsgesetzes verstehen und in der Lage sind, sich auch bei ihren Entscheidungen entsprechend zu verhalten. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, damit ist diese Klarstellung von beiden Seiten erfolgt, und wir fahren in der zweiten Beratung fort. Ich darf bitten, zunächst einmal die Seite 24 der Drucksache 2382 aufzuschlagen; denn wir treten jetzt in die Beratung der Anlage zu Artikel I ein. Dieser Gesetzentwurf gliedert sich ja in einen Mantel und in den Kern des Gesetzes. Ich rufe jetzt also die eigentlichen gesetzlichen Bestimmungen auf der Seite 24 auf, zunächst die Präambel und sämtliche Paragraphen des Ersten Titels, §§ 1 bis 12. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird zu diesen aufgerufenen Paragraphen das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Beratung zu diesen Paragraphen im Ersten Titel. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die §§ 1 bis 12 sind einstimmig angenommen. Ich rufe den Zweiten Titel mit den §§ 13 und 14 auf. Ich eröffne die Beratung. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Beratung. Wer den §§ 13 und 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen zum Zweiten Abschnitt. Ich rufe die §§ 15, 16, 17, 18, 19, 20 und 21 auf. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Beratung. Wer den aufgerufenen §§ 15 bis 21 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Nun kommen wir zu dem § 22. Hier liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Greve, Dr. Böhm ({0}), Dr. Reif, Dr. Strosche, Wittenburg und Genossen auf Umdruck 611*) vor. Zur Begründung dieses Änderungsantrags hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, die Vorschrift des § 22 in gegenwärtiger Fassung führt zu einer ungleichen Behandlung von entschädigungsberechtigten Hinterbliebenen. Beispielsweise müßte sich nach der vorliegenden Fassung *) Siehe Anlage 3. ({0}) die Witwe eines Briefträgers, der im Beamtenverhältnis beschäftigt war, ihre vollen Versorgungsbezüge auf die Hinterbliebenenrente anrechnen lassen, während die Witwe eines Briefträgers, der nicht im Beamten-, sondern im Angestelltenoder im Lohnverhältnis beschäftigt war, die also Ruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, die Hinterbliebenenrente sich nicht anrechnen lassen muß. Das führt zu einer ungleichen Behandlung, die wir beseitigen wollen. Die Mitglieder des Ausschusses für Fragen der Wiedergutmachung haben in diesem Fall im Einvernehmen mit den zuständigen Organen des Bundesrates es für richtig gehalten, hier bereits einen Änderungsantrag zu stellen, damit nicht aus dem genannten Grunde der Vermittlungsausschuß angerufen werden muß. Wir halten es für zweckmäßig, eine Freigrenze einzuführen, bis zu der Versorgungsbezüge usw. aus öffentlichen Mitteln nicht angerechnet werden. Wir halten diese Grenze mit 200 DM für gegeben und bitten Sie, der Fassung des § 22, wie sie Ihnen in Umdruck 611 vorliegt, Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird dazu weiter das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Greve und Genossen*). Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist einstimmig angenommen. Ich lasse nunmehr abstimmen über den § 22 in der durch die Annahme des Änderungsantrages geänderten Fassung. Der ganze Text ist entsprechend geändert. - § 22 ist in der neuen Fassung angenommen. Ich rufe auf die §§ 23, - 24, - 25, - 26, - 27, - womit der Erste Titel des Zweiten Abschnittes aufgerufen ist. Wer diesen §§ 23 bis 27 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Damit kommen wir zum Zweiten Titel. Ich rufe auf die §§ 28 bis 42. Änderungsanträge dazu liegen nicht vor. Wird zu diesen §§ 28 bis 42 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer den §§ 28 bis 42 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Ich komme zum Dritten Titel und rufe auf die §§ 43 bis 50. Auch hier liegen Änderungsanträge nicht vor. Wird zu diesen §§ 43 bis 50 das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer diesen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Ich komme zum Vierten Titel, zu den §§ 51 bis 55. Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich eröffne die Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Wer den Paragraphen dieses Vierten Titels zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Ich komme zum Fünften Titel. ({0}) - Zu welchem Paragraphen? ({1}) *) Siehe Anlage 3. - Also ich rufe auf den Fünften Titel. Zu § 56 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Reif.

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir, ehe wir über diesen Fünften Titel abstimmen, erlauben, eine Frage an die Bundesregierung zu richten, und zwar deshalb, weil ich in diesen letzten Tagen aus Kreisen in Deutschland und im Ausland nachdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden bin, daß man die Schädigung von Verfolgten an ihrem Vermögen, wenn sie außerhalb der Reichsgrenzen stattgefunden hat, nach diesem Gesetz nicht wiedergutmacht. Es ist uns im Ausschuß gesagt worden, daß diese Wiedergutmachung in unseren Nachbarländern von den Regierungen dieser Länder geleistet werde. ({0}) Zum Teil geschehe das auf Grund von Gesetzen, zum Teil ohne Gesetze. Der Film, der vor einigen Tagen - ich glaube, es war in der Fernsehsendung des Süddeutschen Rundfunks - unter dem Titel „Die Vergessenen" gezeigt wurde, und die Diskussion, die in der deutschen Fernsehsendung von einigen Mitgliedern und dem Herrn Präsidenten dieses Hauses geführt wurde, lassen vermuten, daß Tausende unglücklich Verfolgter sich trotz dieser Regelung im größten Elend befinden. Ich würde es deshalb gern sehen, wenn die Bundesregierung dem Hause, das hier eine schwerwiegende Entscheidung fällt, die Versicherung geben könnte, daß in dem uns umgebenden Ausland auf Grund von Gesetzen oder irgendwelchen Vereinbarungen tatsächlich eine Wiedergutmachung stattfindet, deren Kosten später einmal über Reparationsforderungen mit uns verrechnet werden. Wenn die Wiedergutmachung nicht stattfindet, so gibt das doch mindestens, wenn wir die Verabschiedung des Gesetzentwurfs nicht aufhalten wollen, Veranlassung, uns zu überlegen, ob nicht in dieser Beziehung sehr bald eine Ergänzung auch dieses Gesetzes notwendig wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsätzlich läßt sich zu der Frage, die der Herr Vorredner aufgeworfen hat, nur folgendes erklären. Ist der Schaden im Inland erfolgt und verursacht worden, so richtet sich die Regelung des Schadens und die Wiedergutmachung nach inländischem Recht und nach der inländischen Gesetzgebung. Ist der Schaden im Ausland eingetreten, so liegt eine Frage des Reparationsrechts vor. In sehr vielen Fällen ist auf diesem Wege bereits eine Schadensregelung erfolgt. Die Bundesregierung ist bereit, diesen Weg auch weiter zu beschreiten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 56 zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 57 und 58. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die den beiden aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. ({0}) Ich rufe auf die §§ 59, - 60, - 61, - 62 und 63. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 64, - 65, - 66, - 67, - 68, - 69, - 70, - 71, - 72, - 73, - 74, - 75, -76,-77,-78,-79,-80,-81,-82,-83,84, - 85, - 86. Wird das Wort hierzu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 87, - 88, - 89, - 90, - 91, - 92, - 93, - 94, - 95, - 96, - 97, - 98. Wird das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 99, - 100, - 101, - 102, 103, - 104, - 105, - 106, - 107, - 108, - 109, - 110, - 111, - 112, - 113, - 114, - 115, - 116, - 117, - 118, - 119, - 120, - 121, - 122, - 123, - 124, - 125. Wünscht jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 126, - 127, - 128, - 129, 130, - 131, - 132, - 133, - 134, - 135, - 136, - 137, - 138, - 139. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen bitten. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 140. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem § 140 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe den § 141 auf und erteile das Wort Herrn Abgeordneten Frenzel.

Alfred Frenzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000580, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst einige kurze Bemerkungen zum Gesetz überhaupt. Seit elf Jahren schon ist der 2. Weltkrieg zu Ende, und endlich heute haben wir im Bundestag die zweite und dritte Lesung der Novelle zum Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung. Wer von Ihnen in der letzten Zeit im Bundesgebiet herumgekommen oder im Ausland gewesen ist, wird festgestellt haben, daß überall immer wieder gerade die Frage der Wiedergutmachung diskutiert wurde und daß wir aufgefordert wurden, dieses Gesetz endlich einmal zu verabschieden, und zwar so, daß möglichst allen Wünschen, die an uns herangetragen wurden, Rechnung getragen wird. Nach monatelangen Bemühungen ist es endlich so weit, daß wir heute diese Beratung haben. Es gibt - das soll anerkannt werden - sicherlich eine Reihe von Verbesserungen in diesem Gesetz. Ich denke gerade an Fälle, die erst wieder vor kurzem aufgetaucht sind, wo die Schäden vor dem 30. Januar 1933 eingetreten sind. Diese Fälle finden jetzt eine Berücksichtigung; eine Wiedergutmachung ist also jetzt möglich. Das ist sicherlich ein Fortschritt. Wir stellen weiter fest, daß jetzt sämtliche Ansprüche vererblich sind. Auch das ist ein bedeutender Fortschritt gegenüber früher. Wir haben ferner die einfache Globalregelung. Ich bin der bescheidenen Meinung, daß mit dieser die Möglichkeit zur schnellen Entscheidung der draußen bei den Landesentschädigungsämtern zu Hunderten liegenden Fälle gegeben wird. Daß bei Gehaltserhöhungen - beispielsweise bei Beamten - automatisch die Erhöhung der Renten Platz greift, ist sicherlich ebenfalls ein Fortschritt. Ich erwähne eine weitere Frage, die in einzelnen Ländern eine Rolle gespielt hat; es ist die Frage der Straf- und Bewährungseinheiten. Ich erinnere an die Einheit 999. Solche Einheiten umfaßten immerhin eine Reihe von politisch Verfolgten. Nach der alten gesetzlichen Regelung sind sie leider nicht zum Zuge gekommen. In das neue Gesetz ist die Wiedergutmachung in diesen Fällen aufgenommen. Es darf auch nicht übersehen werden, daß ein weiterer Fortschritt in diesem Gesetz die Nichtanrechnung der Arbeitslosenfürsorge oder überhaupt der Fürsorgeleistungen darstellt. Gerade wir, die wir im praktischen Leben stehen, haben hundert-und tausendfach feststellen müssen, zu welchen Unzulänglichkeiten, Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten die bisherige Regelung oftmals draußen geführt hat. Daß die Fälligkeit aller Renten in diesem Gesetz festgelegt ist, kann ebenfalls als Fortschritt bezeichnet werden, genauso wie die Regelung, daß der Berechnung nicht mehr zwei Drittel, sondern nunmehr drei Viertel eines vergleichbaren Beamtengehalts zugrunde gelegt werden sollen. Auch die Frage des Stichtages erwähne ich. Obwohl mir die jetzige Lösung noch nicht als genügend erscheint, muß ich doch sagen, daß der 31. Dezember 1952 zweifelsohne ein Erfolg gegenüber dem früheren Stichtag ist. Daß nunmehr auch elternlose Enkel und Adoptiveltern, wenn ich auf diese zwei Gruppen zurückkommen darf, ebenfalls als Erben in Betracht kommen, sei nur nebenbei erwähnt. Da für die Stellung von Anträgen eine neue Frist festgelegt ist, werden nun alle diejenigen, die aus irgendwelchen Gründen bisher keine Möglichkeit gehabt haben, den Antrag zu stellen, dies jetzt tun können. Es gibt noch eine Reihe von anderen Dingen, die zu erwähnen wären - leider können sie infolge der Kürze der Zeit nicht alle angeführt werden -, in denen sich dieses Gesetz dank der gründlichen Beratung zum Segen jener auswirken wird, die wiedergutmachungsberechtigt sind. Ich darf aber heute bereits an die Exekutive die Bitte weitergeben, daß man nicht versäumen möge, sobald dieses Gesetz vom Bundestag und, wie ich hoffe, auch vom Bundesrat verabschiedet ist, nicht nur die einzelnen Stellen des Inlandes mit dem notwendigen Material und den notwendigen Rechtsverordnungen zu versorgen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, daß draußen jene, die noch im Ausland, ganz gleich ob im Norden oder vielleicht in England oder Kanada oder sonstwo, leben, wissen, welche Ansprüche sie nach diesem Gesetz zu stellen haben, und Ihnen über die diplomatischen Vertretungen die Möglichkeit zu geben, diese Ansprüche zu stellen. Ich will nur hoffen, daß der Bürokratismus bei diesem Gesetz überwunden wird; denn sonst würde nicht das erreicht werden, ({0}) was wir im Ausschuß glaubten unter allen Umständen erreichen zu müssen. Es gibt natürlich eine Reihe von Dingen, bei denen wir bemängeln müssen, daß es nicht möglich gewesen ist, sie in dieses Gesetz einzubauen. Wir haben vorhin über die Präambel abgestimmt. Wir hätten gern gesehen, daß diese Präambel ein Teil des Gesetzes geworden wäre. Wir alle, die wir draußen in der Praxis stehen, wissen doch, wie die Rechtsprechung in den letzten Jahren in den einzelnen Ländern gewesen ist. Wir alle wissen doch, daß die Richter nur nach dem Buchstaben des Gesetzes handeln und daß infolgedessen das, was als Paragraph in das Gesetz eingebaut ist, für den Richter etwas anderes darstellt als das, was er in der Präambel als Gesichtspunkte liest, nach welchen er Recht sprechen soll. Wir hoffen, daß in der späteren Folge von den einzelnen Gerichten jene Klagen nicht mehr auftreten, wie wir sie in der Vergangenheit leider des öfteren immer wieder feststellen mußten. Leider ist es nicht möglich gewesen, die Herabsetzung der Altersgrenze bei den Männern auf 60 und bei den Frauen auf 55 Jahre zu erreichen. Man darf doch nicht verkennen, daß gerade an den politisch Verfolgten, sei es nun bei den Männern oder bei den Frauen, die Zeit nicht spurlos vorübergegangen ist. Wir hoffen aber, daß bezüglich der Herabsetzung der Altersgrenze vielleicht in späterer Folge noch einmal etwas nachgeholfen werden kann. Des weiteren bedauern wir, daß es nicht möglich gewesen ist, die Mindestrente von 250 DM zu erreichen. Nach unserer Meinung wäre dieser Betrag als Mindestrente für die politisch Verfolgten das Richtige gewesen. Hier steht allerdings immer noch eine Reihe von Fragen offen, mit denen man sich, auch wenn dieses Gesetz heute verabschiedet worden ist, später wird auseinandersetzen müssen. Gestatten Sie mir nun, zu dem Paragraphen, zu dem ich eigentlich sprechen will - § 141 -, ein Wort zu sagen. Wir haben es begrüßt, daß wir die Soforthilfe für Rückwanderer in dieses Gesetz einbauen konnten. Wir gingen von dem Standpunkt aus, daß auch jene, die durch die unglückseligen Umstände der Machtergreifung Hitlers gezwungen waren - sei es nun kurz vorher, um diese Zeit oder nachher -, ins Ausland zu gehen, und die nun wieder aus dem Ausland zurückkehren, zumindest das gleiche zum neuen Start haben sollten wie andere, die Schuld oder zum Teil Schuld daran tragen, daß so grenzenloses Unglück über das deutsche Volk hereingebrochen ist. Deshalb sind wir froh darüber, daß dieser § 141 in dieses Gesetz gekommen ist. Aber wir sind auf der anderen Seite sehr bitter enttäuscht, daß dieser Paragraph zum Unterschied von allen übrigen Bestimmungen dieses Gesetzes leider ungleiches und zweierlei Recht schafft. In diesem Paragraphen ist angeführt, daß diese Beträge nur für jene in Frage kommen, die innerhalb der ehemaligen Reichsgrenzen vom 31. Dezember 1937 gelebt haben. Glauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben eine Unmenge von politisch Verfolgten aus den Vertreibungsgebieten, die auch sehr, sehr viel mitgemacht haben. Ich darf Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen, damit Sie sehen, daß in diesem Paragraphen tatsächlich zweierlei Recht geschaffen worden ist. Nehmen wir einmal an, daß irgendein politisch oder sonst irgendwie Tätiger aus dem Raum von Breslau politisch verfolgt wurde. Er mußte nach der Machtergreifung Hitlers irgendwo ins Ausland gehen. Der nächste Weg über die Grenze war für ihn der in die Tschechoslowakei. Er fand mit Hunderten und Tausenden - es ist ja nur ein einzelner Fall - dort Unterkunft, man hat für ihn gesorgt, und er war dabei auch politisch tätig, um so viel wie möglich auch illegal das Material nach Deutschland zu liefern, das auch während der Nazizeit notwendigerweise in dieses Land geliefert werden mußte. Wir hatten ja heute ein sehr praktisches Beispiel in einem Ausschuß, wo einer unserer Kollegen berichtete, was er während jener Zeit alles von der kirchlichen Seite getan hat; und ich darf Ihnen sagen, daß auch von unserer, von der politischen Seite während jener Jahre Ungeheures geleistet worden ist. Als dann 1938 der Zusammenbruch der Tschechoslowakei kam - um bei dem Beispiel zu bleiben -, ereignete sich folgendes. Der, der den anderen Verfolgten aufgenommen hatte, mußte mit ihm gemeinsam irgendwo über die Grenze gehen, weil auch er seines Lebens nicht mehr sicher war. Er hat mit ihm die Jahre in Not und Elend in irgendeinem Lande verbracht und kam nun nach Jahren, im Jahre 1945 oder nachher, weil es sich früher gar nicht tun ließ, zurück; mancher lebt in einer so großen Notlage, daß er bis heute noch nicht zurückkommen konnte, weil er ja den Betrag für die Wohnung, den er aufbringen muß, einfach nicht aufbringen kann. Die beiden, die jahrelang zusammen diese politische Arbeit, zum Teil unter den schwierigsten Umständen der Emigration, getan haben, kommen also nun zurück, und der eine erhält die Rückwandererhilfe, der andere erhält sie nicht. Hier muß also eine Ungerechtigkeit gutgemacht werden; und wir sind der Meinung, daß sie gutgemacht werden kann. Es betrifft nicht nur ein Gebiet, sondern die gesamten Vertreibungsgebiete; der Kreis derer aber, die dafür in Frage kommen, ist sehr gering und sicherlich nur auf einige Dutzend zu schätzen. Wir wollen heute zu dem § 141 keinen Änderungsantrag stellen, weil wir der Meinung sind, daß das Gesetz heute so, wie es vorliegt, über die Bühne gehen sollte; die politisch Verfolgten im In- und Ausland, die schon mit Schmerzen darauf warten, daß dieses Gesetz Wirklichkeit wird, sollen nicht länger warten. Wir sind aber der Meinung, daß man sich doch Gedanken über den § 141 machen kann und machen muß; denn er schafft eine Ungleichheit vor dem Gesetz und zweierlei Recht. Dieses zweierlei Recht aus der Welt zu schaffen, wird und muß unsere Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten sein. Deshalb glaube ich, heute an den Herrn Bundesfinanzminister appellieren zu können und zu müssen, sich darüber Gedanken zu machen. Ich muß sagen, daß er uns in vielen dieser Dinge entgegengekommen ist, und ich glaube, nicht vergeblich an ihn die Bitte zu richten, auch hier mit uns gemeinsam den Weg zu suchen, auf dem man diese Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen kann. Herr Präsident, darf ich gleich unseren Antrag zu § 183 mit begründen?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das würde ich nicht vorschlagen. ({0}) - Wenn es vereinbart ist, bitte sehr!

Alfred Frenzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000580, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen in Umdruck 612*) zwei Änderungsanträge vorgelegt. Ich darf von vornherein darauf hinweisen, daß es keine materiellen Anträge sind; wir haben uns an die Vereinbarung gehalten - das habe ich auch vorhin gesagt -, materielle Änderungsanträge nicht zu stellen. Wir sind aber der Meinung, daß wir hier in § 183 Abs. 2 nach den Worten „bei den Entschädigungsbehörden" die Worte „und bei den Landgerichten" einfügen sollten. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen. Wenn Sie die Regierungsvorlage zur Hand haben und dort den alten § 87 aufschlagen, werden Sie finden, daß die Regierungsvorlage das bereits vorgesehen hat. Vom Standpunkt der Verfolgtenverbände aus müßte ich sagen, daß die Regierungsvorlage viel besser ist als das, was im Ausschuß erarbeitet worden ist. Aber wir wollen das, was im Ausschuß erarbeitet worden ist, hinnehmen und glauben, daß es ebenso gut ist, wenn diese Änderung vorgenommen wird. Wie sieht denn die Wirklichkeit draußen aus? Wir haben eine große Anzahl Verfolgtenorganisationen. Wir dürfen nicht verkennen, daß gerade diese Organisationen in den letzten Jahren eine sehr gute Arbeit geleistet haben. Ihre Vertreter haben versucht, den politisch Verfolgten, der oft schon überaltert ist und sich vielfach keinen Rechtsanwalt leisten kann, zu vertreten. Sie haben nicht nur bei den Entschädigungsbehörden, sondern auch bei den Landgerichten die Vertretung dieser Personengruppe übernommen. In dieser Zeit haben sie sich auch bei den Landgerichten eine derartige Sachkenntnis angeeignet, daß den Verfolgtenorganisationen und ihren Vertretern von diesen Stellen große Anerkennung gezollt worden ist. Ich glaube, wir dürfen das heute nicht übersehen. Angesichts dessen, was hier an Arbeit geleistet worden ist und auf Grund des vorliegenden Gesetzes an Arbeit geleistet werden wird, bin ich der Meinung, daß wir dem Antrag, der Ihnen auf Umdruck 612 unter Ziffer 1 a vorliegt, die Zustimmung geben sollten. Zweitens haben wir auf Umdruck 612 unter Ziffer 1 b den Antrag gestellt, in § 183 Abs. 2 Satz 2 die Worte „wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere" zu streichen. Das ist auch eine Notwendigkeit, die sich aus der Praxis ergibt; denn wenn wir diesen Satz stehenlassen, kann damit natürlich allerhand gemacht werden. Wir sind aber der Meinung, daß das, was der Gesetzgeber will, bei Streichung ohne weiteres möglich ist. Wenn wir dem Antrag, in § 183 Abs. 2 Satz 1 die Worte „und bei den Landgerichten" einzufügen, zustimmen, dann ist es natürlich notwendig, das Mantelgesetz in Art. III Nr. 16 entsprechend zu ändern. Auch dort müssen dann hinter den Worten „bei den Entschädigungsbehörden" die Worte „und bei den Landgerichten" hinzugefügt werden. Da es sich hierbei, wie ich vorhin bereits gesagt habe, um keine materielle Änderung handelt, sondern um etwas, was sich bereits in den Kreisen der politisch Verfolgten eingebürgert hat, darf ich Sie bitten, dieser Änderung Ihre Zustimmung zu *) Siehe Anlage 4. geben. Ich bin der Meinung, daß sich dies nur günstig auswirken könnte. Ich darf noch darauf hinweisen, daß in Art. III Nr. 16 das Wort „Office" in „Organization" geändert werden muß; das „Office" besteht nicht mehr; der richtige Name ist „Organization". Ich bitte Sie, den Änderungsanträgen, die ich im Namen der SPD begründet habe, Ihre Zustimmung zu geben. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig: in der Regierungsvorlage war ursprünglich vorgesehen, daß auch die Verfolgtenverbände vor den Landgerichten, also vor den Entschädigungsgerichten erster Instanz, auftreten können. Der Ausschuß des Bundestages hat sich nach eingehenden Beratungen aus wohlerwogenen Gründen entschlossen, hier eine Änderung eintreten zu lassen. Danach können die Verfolgtenverbände nicht mehr vor den Landgerichten auftreten. Wir haben uns dieser Auffassung angeschlossen, da uns die angeführten Gründe überzeugt haben. Ich bitte Sie deshalb, den soeben gestellten Antrag abzulehnen und die Ausschußfassung des § 183 anzunehmen. Zur Begründung kurz folgendes. Es ist darauf hingewiesen worden, daß ein Verfolgter, wenn er sich einen Rechtsanwalt nimmt und er obsiegt, unter Umständen trotzdem die Kosten tragen müsse. Durch die Ausschußberatungen ist aber der § 227 Abs. 1 derart geändert worden, daß diese Kosten nunmehr erstattungsfähig sind. Es liegt also heute dasselbe Recht wie im Zivilprozeß bei der Vertretung durch Anwälte vor. Ein weiterer Grund ist folgender. Vorschriften, die eine unentgeltliche Vertretung durch Verbände gestatten, haben oft die Auswirkung gehabt, daß die Gerichte die Beiordnung eines Armenanwalts unter Verweisung auf die Möglichkeit der Vertretung durch Verbände abgelehnt haben. Die Vertretungsbefugnis der Verbände hat sich dann dahin ausgewirkt, daß eine Partei nicht in der Lage war, den Anwalt ihres Vertrauens zuzuziehen und mit ihrer Vertretung zu betrauen. Schließlich ist sowohl in § 95 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes den Flüchtlingsverbänden wie auch in der Verordnung über die Vertretung vor den Ausgleichs- und Feststellungsbehörden den Geschädigtenverbänden nur das Recht zur Rechtsberatung und zur Vertretung bei Behörden, nicht aber das Recht zur Vertretung vor den Gerichten gewährt worden. Alle diese Gründe veranlassen mich, Sie zu bitten, den § 183 in der Ausschußfassung anzunehmen und den gestellten Änderungsantrag abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung über den § 141, zu dem ein Änderungsantrag nicht vorliegt. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 142, - 143, - 144, - 145, - 146, - 147 und 148. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. ({0}) Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 149, - 150, - 151, - 152, -153, - 154, - 155, - 156, - 157, - 158, - 159, - 160, - 161, - 162, - 163, - 164, - 165 und 166. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 167, - 168, - 169 und 170. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 171 und dazu den Antrag Umdruck 611 Ziffer 2. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Umdruck 611 Ziffer 2, nach dem der Abs. 5 des § 171 gestrichen werden soll, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. ({1}) Also: Wer für den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Greve, Dr. Böhm ({2}), Dr. Reif, Dr. Strosche, Wittenburg und Genossen auf Streichung des Abs. 5 im § 171 ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war eindeutig die große Mehrheit. Der Streichungsantrag ist angenommen. Dann lasse ich abstimmen über § 171 in der neuen Form, also ohne den Abs. 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 172, - 173, - 174, - 175, - 176, - 177, - 178, - 179, - 180, - 181 und 182. - Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 183 und dazu den Änderungsantrag auf Umdruck 612 Ziffer 1. Hierüber wurde vorhin gesprochen. Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Platner.

Eduard Platner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001721, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir schließen uns der Bitte des Herrn Bundesjustizministers an - und zwar aus den von ihm vorgeschlagenen Gründen -, den Änderungsantrag abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 612 Ziffer 1. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse abstimmen über § 183 in der Ausschußfassung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 184, - 185, - 186, - 187, -188, - 189, - 190, - 191, - 192, - 193, - 194, - 195, - 196, - 197, - 198, - 199, - 200, -201, - 202, - 203, - 204, - 205, - 206, - 207. - Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 208, - 209, - 210, - 211, - 212, - 213, - 214, - 215, - 216, - 217, - 218, -219, - 220, - 221, - 222, - 223, - 224, - 225, 226 und 227. - Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 228, - 229, - 230, - 231, -232, - 233, - 234, - 235, - 236 und 237. - Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 238. Dazu liegt noch kein Änderungsantrag vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem § 238 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe nunmehr auf den Antrag auf Umdruck 611 Ziffer 3 auf Einfügung eines § 238 a. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Durch Ihren Beschluß, in § 171 den Abs. 5 zu streichen, ist es notwendig, den § 238 a in der Fassung des Ihnen vorliegenden Umdrucks einzufügen. Diese Fassung bringt gegenüber dem bisherigen Verfahren eine sich aus der Sache ergebende Änderung. Der letzte Satz des § 238 a in der Fassung des Umdrucks 611 lautet: „Der Achte und der Neunte Abschnitt dieses Gesetzes finden keine Anwendung". Wenn Sie sich den Inhalt des Achten und Neunten Abschnitts ansehen, dann finden Sie, daß es sich dabei um die Verteilung der Entschädigungslasten und um das Verfahren und die Entschädigungsorgane handelt. Mit dem § 238 a soll der Bundesregierung die Ermächtigung gegeben werden, nach ihrem Ermessen mit Personengruppen, die sich aus Menschen zusammensetzen, die wir für entschädigungsberechtigt halten, denen wir aber nach dem Wortlaut des geltenden Gesetzes keine Entschädigung gewähren können, Vereinbarungen über Entschädigungen zu treffen. Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung insoweit freie Hand haben muß, entsprechende Vereinbarungen ohne Beschränkung auf die Lastenverteilung abzuschließen, und zwar ohne irgendwelche Rücksichtnahme auf Verfahrensvorschriften. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich bereit erklärt, die durch § 238 a entstehenden Kosten auf den Bund zu übernehmen, so daß aus diesem Grunde die Anwendung des Achten Abschnitts wegfallen muß. Es ist auch selbstverständlich, daß, wenn eine solche Vereinbarung mit ganz bestimmten, wahrscheinlich nur wenigen, zum Teil bekannten Gruppen getroffen wird, gegen eine solche Entscheidung nicht etwa das Landgericht und die weiteren Gerichtsinstanzen angerufen werden können. Aus diesem Grunde war es auch notwendig, hier die Anwendung des Neunten Abschnitts dieses Gesetzes auszuschließen. Die Mitglieder des Ausschusses bitten Sie, der Fassung des § 238 a, wie sie Ihnen im Umdruck vorliegt, Ihre Zustimmung zu geben. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch sagen, daß es ({0}) selbstverständlich ist, daß schon durch den § 171 Abs. 5 und jetzt durch den § 238 a in das Reparationsrecht und auch in Rechtsverhältnisse, die sich aus etwaiger Staatensukzession ergeben, nicht eingegriffen werden soll. Das ist der ausdrücklich bekundete Wille des Ausschusses bei der Fassung dieses Paragraphen gewesen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über Ziffer 3 des Umdrucks 611*) - Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Greve, Dr. Böhm ({0}), Dr. Reif, Dr. Strosche, Wittenburg und Genossen auf Einfügung eines § 238 a -abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 239, - 240, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie nun, vorzublättern auf Seite 18 der Drucksache. Ich lasse nunmehr noch formell über den Artikel I abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe den Artikel II auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Artikel II zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Es ist so beschlossen. Ich rufe den Artikel III auf, und zwar zugleich mit dem Umdruck 612 Ziffer 2**). Wird das Wort hierzu gewünscht? ({1}) - Ist bereits begründet. Das Wort wird nicht gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 612 Ziffer 2. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich lasse nunmehr über Artikel III in der veränderten Form abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich darf formell noch feststellen, daß es in der Ziffer 16 statt „das United Restitution Office" „die United Restitution Organization" heißen muß. Darüber besteht Einverständnis. Ich rufe die Artikel IV und V, - Einleitung und Überschrift auf. - Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen. Wir kommen damit zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Herr Abgeordneter Dr. Böhm hat das Wort.

Dr. Franz Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000215, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu der allgemeinen Frage spreche, die mich am heutigen *) Siehe Anlage 3. **) Siehe Anlage 4. Tage besonders berührt, nämlich zu der Frage, wie dieses Gesetz, das uns vorliegt und das wir beschließen werden, ausgeführt wird, möchte ich erläuternd noch ein paar Worte zu einigen Punkten des uns erstatteten Berichts des Wiedergutmachungsausschusses sagen. Sie wissen, daß es mit die Aufgabe eines Ausschußberichtes ist, zu einem Gesetz, das so außerordentlich schwierige Rechtsfragen regelt, Ausführungen zu machen, die auch den Richtern und den Behörden bei der Anwendung Anhaltspunkte dafür geben, was sich die Gesetzesverfasser bei den oft schwerverständlichen Bestimmungen des Gesetzes gedacht haben. Der uns vorgelegte Bericht ist mit so großer Sorgfalt abgefaßt worden und enthält so abgewogene Formulierungen, daß dazu wenig zu sagen ist. Aber bei einigen Paragraphen ist der Bericht doch mit einer gewissen lakonischen Kürze abgefaßt. Ich halte mich deshalb für veranlaßt und verpflichtet, in Erläuterung der Ausführungen des Berichts zu dem, was sich die Mitglieder des Wiedergutmachungsausschusses gedacht haben, noch einiges zu sagen. Zunächst ist die Frage zu erwähnen - die uns bei § 6 sehr große Mühe gemacht hat -, wie es mit denjenigen Verfolgten gehalten werden solle, die, bevor sie verfolgt wurden, im Lager der Verfolger gestanden haben, also Nationalsozialisten waren. Das alte Gesetz hat im § 1 Abs. 4 Ziffer 1 bestimmt, daß keinen Anspruch auf Entschädigung haben soll, wer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Vorschub geleistet hat. Die Gerichte standen vor der Frage, ob die bloße Zugehörigkeit zur NSDAP oder zu einer ihrer Gliederungen schon als eine Vorschubleistung im Sinne des Gesetzes anzusehen sei, etwa auch dann, wenn das betreffende Mitglied nichts weiter getan hat, als Mitgliedsbeiträge zu bezahlen. im übrigen aber vielleicht aus seiner Gleichgültigkeit oder gar Abneigung gegen die Partei gar kein Hehl gemacht hat oder ein völlig harmloser, sogenannter unpolitischer Privatmensch war, der im übrigen seinem Privatleben und seinem Beruf nachging. Die Gerichte haben im allgemeinen auch schon in der bloßen Zugehörigkeit zur Partei und ihren Gliederungen ein Vorschubleisten gesehen. Der Regierungsentwurf wollte in dieser Hinsicht Rechtssicherheit schaffen und die Frage klar entscheiden. Er fügte deshalb dem Ausschließungsgrund des Vorschubleistens ausdrücklich noch den weiteren Ausschließungsgrund der bloßen Mitgliedschaft bei der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen hinzu, bestimmte aber gleichzeitig, daß die bloß nominelle Mitgliedschaft den Anspruch auf Entschädigung dann nicht ausschließen soll, wenn der Verfolgte unter Einsatz von Leib und Leben den Nationalsozialismus aus Gründen, die den Verfolgungsgründen des Gesetzes entsprechen, bekämpft hat und deshalb verfolgt worden ist. Der Wiedergutmachungsausschuß hat diese Ausnahme noch etwas erweitert, indem er auch den Einsatz von Freiheit - also nicht nur den Einsatz von Leib und Leben - ausreichen ließ. Natürlich wird nun die Frage entstehen, was das Gesetz unter dem Begriff nominelle Mitgliedschaft versteht. Bei dem jetzigen Wortlaut der Bestimmung dürfte dieser Begriff am besten dahin definiert werden: Ein nominelles Mitglied ist ein solches Mitglied der NSDAP oder ihrer Gliederungen, das der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft über die bloße Mitgliedschaft hinaus keinen Vor({0}) schub geleistet hat. Eine solche Auslegung würde also den neuen Wortlaut dahin verstehen, daß der Gesetzgeber die bloße Mitgliedschaft zur NSDAP oder einer ihrer Gliederungen für sich allein noch nicht als ein Vorschubleisten angesehen wissen will. Es würde dann auf das gesamte Verhalten der Persönlichkeit ankommen. Wer zu irgendeiner Zeit den wilden Mann gespielt und seine Mitbürger eingeschüchtert oder gar mit Denunziationen bedroht hat, der hat dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet, ganz gleichgültig, ob er Mitglied der NSDAP war oder nicht. Es ist zuzugeben, daß den Gerichten und den Entschädigungsbehörden eine schwierige Aufgabe zugemutet wird, wenn sie dergestalt in eine Prüfung des Gesamtverhaltens des einzelnen Antragstellers eintreten sollen. Es liegt infolgedessen nahe, daß die Entschädigungsbehörden und die Gerichte versuchen werden, sich diese Prüfung dadurch zu erleichtern, daß sie sich an formale Anhaltspunkte anklammern, also z. B. an den Zeitpunkt, in dem die Mitgliedschaft erworben worden ist, oder aber an die Tatsache, daß das betreffende Mitglied irgendwelche Ämter oder Ränge in der Partei oder in der betreffenden Gliederung bekleidet hat. Solche Tatsachen und Umstände lassen in der Tat gewisse Rückschlüsse zu. Es ist deshalb auch nichts dagegen einzuwenden, wenn sie bei der Beweiswürdigung als Anhaltspunkte berücksichtigt werden, etwa in der Weise, daß die Behörden und Gerichte beim Vorliegen solcher Tatsachen dem Antragsteller zumuten, nun seinerseits darzutun, daß er trotzdem der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft keinen Vorschub geleistet hat. Dagegen würde es nicht im Sinne des Gesetzes sein und auch nicht der Auffassung des Wiedergutmachungsausschusses entsprechen, wenn im Vorliegen solcher Tatsachen ein unwiderleglicher Beweis des Vorschubleistens erblickt und wenn dem Antragsteller jede Entkräftung des ungünstigen Anscheins abgeschnitten würde. Es ist gar nicht anders möglich, als daß bei dieser Frage die Grundsätze des sogenannten Prima-facie-Beweises angewendet werden, so wie sie von unserer Rechtsprechung und Rechtslehre ausgebildet worden sind. Bekanntlich ist aber bei der Entnazifizierung anders verfahren worden, und zwar nicht nur von den Alliierten, sondern auch von unseren Spruchkammern. In diesen Verfahren haben die rein formalen Gesichtspunkte eine schlechthin entscheidende Rolle gespielt. Das hat, wie wir alle wissen, in vielen Fällen zu recht unbilligen und ungerechten Einklassierungen geführt. Daß die Besatzungsmächte so verfahren sind, kann man ihnen nicht übelnehmen, denn sie haben die nationalsozialistische Wirklichkeit in unserem Lande nicht miterlebt und mußten nach ihrem Einmarsch zu ihrem Erstaunen feststellen, daß es im ganzen Deutschland keinen einzigen Nationalsozialisten gab. Sie konnten gar nicht anders als so verfahren. Wir Deutsche aber haben die Dinge miterlebt und wissen, daß die Verhältnisse viel differenzierter sind. Wir sind deshalb nicht nur berechtigt, sondern um der Gerechtigkeit willen auch verpflichtet, in eine individuelle Prüfung einzutreten. Wir dürfen uns diese Prüfung mit gutem Gewissen dadurch erleichtern, daß wir die Grundsätze des Prima-facieBeweises anwenden. Aber die Auffassung unseres Ausschusses ging dahin, daß nationalsozialistische Verfolger, wenn sie später selbst verfolgt worden sind, keinen Entschädigungsanspruch haben sollen. Sie sollen die Verfolgung, die sie dann selbst erlitten haben, als eine Sühne und als eine Buße dafür ansehen, daß sie eine Zeitlang der Verfolgung Vorschub geleistet haben, daß sie sie gebilligt, sich vielleicht aktiv an ihr beteiligt haben. Man macht gelegentlich geltend, daß man mit verlorenen Söhnen Nachsicht üben soll, wenn sie später ihr Unrecht einsehen und sich tapfer an der Bekämpfung des Übels beteiligen. Aber hierzu wäre zu sagen, daß solche Fälle, in denen sich ein christenverfolgender Saulus, weil er ein echtes Damaskus erlebt hat, nachher in einen christlichen Apostel verwandelt hat, doch viel seltener vorgekommen sind, als man es heute darstellen will. ({1}) Außerdem sind solche wirklich echte Umkehrer in der Regel auch bereit, Buße zu tun, und haben Verständnis dafür, wenn man ihnen zumutet, auf eine Entschädigung zu verzichten und zu bedenken, daß unsere Entschädigungsgesetze bei einigen Verfolgungsschäden überhaupt nicht und bei anderen nur unzulänglich entschädigen. Wir haben wegen unserer begrenzten Leistungsfähigkeit vielen berechtigten Wünschen nicht Rechnung tragen können. Wir können es einfach nicht verantworten, wenn wir uns ausgerechnet in solchen Fällen freigebig erweisen, in denen Verfolgte ihrerseits Verschulden an der Verfolgung auf sich geladen haben. ({2}) Wir müssen bedenken, daß, wenn wir hier die Ausnahmen weiter bemessen hätten, unsere Entschädigungsbehörden nach Inkrafttreten des Gesetzes mit Anträgen geradezu überschüttet worden wären und daß die so überaus schwierigen Beweiswürdigungen in all diesen Fällen die Abwicklung unserer Wiedergutmachung in nicht zu verantwortender Weise blockiert hätten. Etwas anderes muß aber in den Fällen gelten, in denen die Verfolgten zwar der Partei angehört haben und sich vielleicht auch als fleißige Sammler bei der Winterhilfe und der NSV oder im Luftschutz oder in anderen vergleichsweise unschuldigen, sogar nützlichen Tätigkeiten hervorgetan haben, im übrigen aber namentlich in solchen Fragen, in denen es sich um die Menschlichkeit handelte, immer eine tadelsfreie und anständige Haltung bewahrt haben. Eben an diese Personen denkt der Gesetzgeber, wenn er von nominellen Mitgliedern spricht. Diesen Personen soll dann auch eine Entschädigung gewährt werden, wenn sie später den Nationalsozialismus bekämpft haben, bei dieser Bekämpfung nicht alltägliche Wagnisse auf sich genommen, also mindestens bewußt ihre Freiheit riskiert haben und infolge solchen Tuns verfolgt worden sind und Schaden erlitten haben. Wir haben geglaubt, damit eine Regelung gefunden zu haben, die sich verantworten läßt, auch wenn der eine oder andere Fall übrigbleiben sollte, bei dem sich etwa das Gesetz als sehr hart erweist. Leider haben wir auch im übrigen Härten in Kauf nehmen müssen, und zwar Härten zuungunsten von Verfolgten, die niemals das mindeste mit dem Nationalsozialismus zu tun gehabt und auch der Partei nicht angehört haben. Ich möchte glauben, daß Parteimitglieder, die von einer solchen Härte betroffen werden, bei dem Gedanken an diese anderen Härten im Gesetz und an die Verfolgten, die ohne jede Schuld von solchen Härten getroffen worden sind, die bitteren Gefühle überwinden, die sie vielleicht empfinden mögen. ({3}) Nun noch eine andere Frage, die uns auch erhebliche Schwierigkeiten bereitet hat und die eine Personengruppe betrifft, für die ich hier doch deswegen sprechen will, weil sie im allgemeinen nicht vertreten ist. Mitglieder dieser Personengruppe leben heute in Deutschland kaum mehr. Sie sind keine Wähler. Die Gruppe, von der ich eben gesprochen habe, die alten Parteimitglieder, die nachher verfolgt worden sind, stellen erhebliche Wählermassen. Aber diejenigen, von denen ich jetzt sprechen will, stellen überhaupt keine. Das ist eine Sondergruppe von Menschen, die nicht zu den allgemein Verfolgten gehören, nämlich die wegen ihrer Nationalität Verfolgten. Ich habe den Eindruck, daß auch diese Frage in unserem Bericht zu lakonisch behandelt und etwas kurz gefaßt worden ist. Deshalb will ich einige Worte hierzu sagen. Der bisherige § 76 des BEG gewährt auch Personen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Gründen ihrer Nationalität unter Mißachtung der Menschenrechte verfolgt wurden und Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention sind, einen beschränkten Anspruch auf Entschädigung für Körper- und Gesundheitsschäden. Die Verpflichtung, solche Personen in die Wiedergutmachung einzubeziehen, hat die Bundesregierung im Deutschlandvertrag übernommen. Nach Inkrafttreten des BEG sind nun eine Reihe von Gerichtsurteilen ergangen, die den Antrag auf Entschädigung abgewiesen haben mit der Begründung, der Antragsteller sei nicht deshalb verfolgt und unter Mißachtung der Menschenrechte an Körper und Gesundheit geschädigt worden, weil er einer bestimmten Nationalität angehört habe, sondern deshalb, weil man ihn, sei es zu Recht, sei es zu Unrecht, für den Angehörigen einer Widerstandsgruppe gehalten habe und weil man Anlaß gehabt habe, zu glauben, er gefährde die Sicherheit unserer einmarschierenden Truppen; die Inhaftierung sei also damals nicht im Zuge etwa einer antipolnischen Verfolgungspolitik, sondern zur Sicherung unserer Truppen erfolgt. In dieser Weise ist z. B. in einzelnen Fällen auch dann entschieden worden, wenn der Betroffene festgestelltermaßen einer Widerstandsgruppe nicht angehört hat und auch nicht das mindeste gegen unsere Truppen unternommen hat, trotzdem aber vom Jahre 1939 bis zum Jahre 1945 in Gefängnissen und in Konzentrationslagern festgehalten wurde und heute ein vollständig ruinierter, tuberkulosekranker, arbeitsloser Mensch ist. Das hat nun wirklich mit dem Schutz unserer Truppen nicht das mindeste mehr zu tun. Diese Urteile haben im Ausland eine ungewöhnliche Verstimmung und Verbitterung hervorgerufen. Es ist der Eindruck entstanden, wir wollten uns mit Hilfe solcher Begründungen unseren im Deutschlandvertrag übernommenen vertraglichen Verpflichtungen entziehen. Es hat sich freilich herausgestellt, daß einige dieser Urteile von unzuständigen Gerichten ergangen sind. Aber immerhin hat auch ein führender Kommentar die Rechtsauffassung vertreten, daß wirkliche und angenommene Zugehörigkeit zu einer Widerstandsgruppe die Gewährung einer Entschädigung wegen Verfolgung aus Gründen der Nationalität ausschließe. Aus diesen Gründen hat der Arbeitskreis schon vor der Einbringung des Regierungsentwurfs eine Bestimmung eingefügt, die auch die Anhänger einer nationalen Widerstandsbewegung in die Entschädigung einbezieht. Der Regierungsentwurf hat sich diesen Vorschlag des Arbeitskreises zu eigen gemacht. Der Wiedergutmachungsausschuß war aber nun der Meinung, daß diese Bestimmung wieder über das Ziel hinausschieße. Es verhält sich natürlich keineswegs so, daß jeder Anhänger einer nationalen Widerstandsbewegung, der inhaftiert worden ist und einen dauernden Körperschaden erlitten hat, aus Gründen seiner Nationalität geschädigt worden wäre. Auf der anderen Seite aber war der Wiedergutmachungsausschuß auch der Meinung, daß - und das geht aus der Begründung nicht ganz einwandfrei hervor - die Zugehörigkeit zu einer Widerstandsbewegung die Verfolgung aus nationalen Gründen keineswegs ausschließen soll. In vielen Fällen, namentlich in Polen, lagen die Dinge doch so, daß zahllose Menschen bloß deshalb grausam verfolgt worden sind, weil sie Polen waren und weil eine Dezimierung und Unterdrükkung von Polen von der Hitlerregierung und der NSDAP bewußt beabsichtigt war und betrieben worden ist. Ich erinnere daran, daß vor Ausbruch des Krieges Hitler in einer Ansprache an die Generalität auf dem Obersalzberg seinen Willen, die Polen auszurotten, ausgesprochen und damit unter einem Teil der anwesenden Generäle Entsetzen erregt hat. Ich erinnere ferner daran, daß eine stattliche Reihe von Verordnungen und Vorschriften erlassen worden ist, die bestimmten, daß Polen schlechter zu behandeln seien als andere Kriegs- und Zivilgefangene, z. B. auch als Landarbeiter. Das radikale Vernichtungsprogramm, das Hitler angekündigt hatte, ist dann allerdings nicht ausgeführt worden. Aber es ist doch sehr, sehr viel Schändliches in dieser Beziehung geschehen. Natürlich haben die Nationalsozialisten, die Regierungs-, die SS- und Polizeistellen ihre Maßnahmen vielfach getarnt, d. h. sie haben namentlich in der Zeit des Polenkrieges kurzerhand beliebige Polen ohne jeden Anlaß von der Straße weg oder in ihren Häusern verhaftet und hinterher irgendwelche Beschuldigungen erhoben und diese Maßnahmen mit anderen Gründen gerechtfertigt, so z. B. mit der Behauptung, der betreffende Pole gehöre einer Widerstandsbewegung an. Das hat bei einer Anzahl von Fällen vielleicht gestimmt; bei einer anderen hat es nicht gestimmt. Aber nur bei einem sehr kleinen Teil der Fälle war dieser Grund der wirkliche Anlaß der Verhaftung und Mißhandlung. Wenn nun heute ein Opfer solcher Maßnahmen auf Grund der Bestimmungen über Nationalverfolgte Entschädigung verlangt und die Wiedergutmachungsbehörde Beweise erhebt, indem sie z. B. Polizeioffiziere, SS-Leute oder sonstige Funktionäre vernimmt, die damals die Verhaftungsaktionen geleitet oder angeordnet haben, dann wird natürlich in vielen Fällen von diesen Leuten erklärt werden, die Verhaftung sei zum Schutze der einmarschierenden Truppen oder deshalb erfolgt, weil der Verdacht der Zugehörigkeit zu einer Widerstandsgruppe vorgelegen habe. Dem Antragsteller wird dann zugemutet, daß er seinerseits schlüssig nachweist, daß das nicht der wahre Grund der Verfolgung gewesen sei, sondern daß man ihn, wie zahllose andere ebenfalls, einfach als Polen verfolgt hat. Dieser Nachweis wird einem Antragsteller heute nach 16 Jahren schwerlich gelingen können. Wenn man aber so verfährt, dann legitimiert man sozusagen noch hinterher die nationalsozialistische Tarnung einer nationalen Verfolgungs({4}) politik. Ich bin überzeugt davon, daß eine solche Behandlung von Anträgen in den seltensten Fällen ihren Grund etwa darin gehabt hat, daß die betreffenden Beamten der Entschädigungsbehörden oder die Richter mit der Verfolgungspolitik des Nationalsozialismus sympathisiert hätten oder gar der Ansicht sind, den Polen sei nur recht geschehen. Es wird vielmehr ganz stur nach den herkömmlichen Regeln der Beweiserhebung und Beweiswürdigung verfahren, d. h. es wird einfach unterstellt, wir hätten damals eine normale Regierung, einen soliden Rechtsstaat gehabt und einen ganz normalen Krieg geführt. Die geschichtliche Wirklichkeit wird einfach ignoriert. So kommt es, daß Behörden und Gerichte unserer Tage den Nationalsozialisten noch heute ihre arglistigen und vorgeschützten Gründe abkaufen und, ohne es zu wollen und sich dessen bewußt zu sein, die nationalsozialistische Polenverfolgungspolitik noch zu Ende führen. Wenn nun auch der Wiedergutmachungsausschuß die vom Regierungsentwurf vorgesehene Bestimmung über die Angehörigen der Widerstandsbewegungen wieder entfernt hat, weil er sie für zu weitgehend gehalten hat, so lag es ihm doch durchaus fern, damit aussprechen zu wollen, daß die tatsächliche oder vermutete Zugehörigkeit zu einer Widerstandsbewegung die Entschädigung gemäß § 167 des neuen Gesetzes ausschließen solle. Ich betone das hier deshalb, weil die Formulierung in Nr. 59 des Ihnen vorliegenden Schriftlichen Berichtes des Ausschusses für die Fragen der Wiedergutmachung auf Seite 12 in dieser Hinsicht einen Irrtum nahelegen könnte. Die Mitglieder des Ausschusses waren vielmehr der Meinung, daß die Interpretation des § 76 des alten Gesetzes, wie sie in dem Kommentar Becker-Huber-Küster steht, die damalige Bestimmung, die wir jetzt wiederhergestellt haben, richtig auslegt. Dieser Kommentar führt aber aus, daß auch Angehörige der Résistance nicht ausgenommen sein sollen. Entschädigungsberechtigt soll jeder sein, dem wegen seiner Zugehörigkeit zu einem oder wegen seines Einsatzes für einen fremden Staat Unrecht zugefügt worden ist. Es kommt darauf an, aus welchen Beweggründen dem Geschädigten damals Unrecht zugefügt worden ist, also etwa deshalb, weil er Pole war, oder ausschließlich deshalb, weil er damals die Sicherheit unserer Truppen gefährdet hat. Die Frage, welcher Beweggrund in solchen Fällen vorgelegen hat, unterliegt dann der freien Beweiswürdigung der Entschädigungsbehörde und des Entschädigungsgerichts. Die Behörde und das Gericht müssen sich dann aber, wenn sie nicht eine Fehlentscheidung treffen wollen, die Verhältnisse, die damals bei uns in Wirklichkeit vorgelegen haben, mit größter Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit wieder gegenwärtig machen und sich z. B. auch in das reichlich vorliegende Urkundenmaterial einarbeiten, falls sie es inzwischen wieder vergessen haben sollten, welche Menschen, Kräfte und Methoden damals bei uns am Ruder waren. Dann möchte ich ein Wort zu der Frage sagen, die auch der Herr Bundesjustizminister berührt hat und die Gegenstand einer Abstimmung gewesen ist. Das Gesetz sieht zugunsten der Verfolgten recht erhebliche Erleichterungen in bezug auf den Anwaltszwang vor. So ist, wie bereits früher für das Verfahren vor den Landgerichten, der Anwaltszwang beseitigt. Die Verfolgten können vor den Entschädigungsbehörden und vor den Landgerichten ihre Sache selbst führen oder sich auch eines frei gewählten Beistandes bedienen. Soweit sich die Verfolgten durch Beistände vertreten lassen, müssen sie allerdings die Grenzen beobachten, die das Gesetz zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung vom Jahre 1935 vorsieht. Das heißt, gewerblich tätigen Rechtsberatern, die nicht zugelassene Rechtsanwälte sind, ist das Auftreten vor Behörden und Gerichten untersagt, wenn sie sich für ihre Tätigkeit vergüten lassen. § 183 gewährt allerdings auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme, indem nämlich die Landesjustizverwaltung Verfolgtenorganisationen die Erlaubnis erteilen kann, ihre Mitglieder in Wiedergutmachungsangelegenheiten unentgeltlich zu beraten und in Verfahren vor den Entschädigungsbehörden unentgeltlich zu vertreten. Außerdem läßt diese Bestimmung in Abs. 1 Personen, die im Ausland ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt haben, aber früher bei einem deutschen Gericht als Rechtsanwalt zugelassen waren und deren Zulassung deshalb erloschen ist, weil sie selbst verfolgt worden sind, als Berater und Vertreter in Wiedergutmachungsverfahren sowohl vor den Entschädigungsbehörden als auch vor den Entschädigungsgerichten erster Instanz ohne Einschränkung zu. Ferner dürfen Anwälte, die einen Verfolgten vor dem Landgericht vertreten haben, in der gleichen Sache auch vor dem Oberlandesgericht auftreten. In der Revisionsinstanz können sich die Parteien auch durch einen bei einem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Alle diese Erleichterungen, meine Damen und Herren, sind vorgesehen worden, um den Verfolgten Kosten zu ersparen, vor allem auch, um eine möglichst schleunige Abwicklung der Wiedergutmachung im ganzen zu erleichtern. Wir waren uns bei der Beratung dieser Frage darüber im klaren, daß solche Einbrüche in die allgemein geltende Ordnung unseres Gerichtsverfahrens, unserer Gerichtsverfassung und der Vertretung in Rechts- und Prozeßangelegenheiten immer mißlich sind und daß alles vermieden werden sollte, was die ohnehin viel zu zahlreichen Einbruchstellen in dieser Ordnung noch erweitert. Hätten wir es bei der Wiedergutmachung mit einer Angelegenheit zu tun, die in aller Ruhe und ohne Rücksicht auf Zeit abgewickelt werden könnte, so würden wir uns schwerlich zu so weitgehenden Erleichterungen entschlossen haben. Da aber die Wiedergutmachung nach unser aller Willen in wenigen Jahren durchgeführt sein soll, konnten wir die Erleichterungen um so unbesorgter beschließen, weil es sich ja hier um eine vorübergehende Organisation handelt, der Einbruch also befristet ist und keine Gefahr besteht, daß er zu einer dauernden Einrichtung werden wird. Ich habe damit die Zahl der einzelnen Punkte, auf die ich eingehen wollte, erschöpft. Ein einziges Wort vielleicht noch zu der Regelung, die wir bei der Entschädigung für Orden vorgesehen haben. Da ist nachträglich zweifelhaft geworden, ob als Rechtsträger im Sinne des § 148 Abs. 2 letzter Satz die einzelne Ordensniederlassung anzusehen ist oder der gesamte Orden. Ich glaube, es war unsere Meinung, daß hier natürlich die Niederlassung als Rechtsträger anzusehen sein wird. Dagegen waren ({5}) wir nicht der Meinung, daß ein Orden nun etwa für jedes einzelne Objekt, in dem er geschädigt worden ist, wenn z. B. gleichzeitig seine Schule und seine Bibliothek oder ein Verlag stillgelegt worden sind, die Höchstgrenze beantragen könnte. So viel zu diesen einzelnen Punkten, die vielleicht noch streitig sein könnten. Zu dem ganzen Gesetz möchte ich sagen: Der Wille, das Bundesentschädigungsgesetz von 1953 zu reformieren, wurde vom 1. Deutschen Bundestag bereits an dem Tage ausgesprochen, an dem er das Gesetz beschloß. Der Bundestag hat damals den Regierungsentwurf angenommen, weil er sich in Zeitnot befand. Was ihm an diesem Regierungsentwurf mißfiel, das waren nicht, wie man heute vielfach hört, die mancherlei technischen Mängel und Überschneidungen, die bei der Eile der Vorbereitung unterlaufen waren, sondern das war in allererster Linie die Tatsache, daß sich der Regierungsentwurf allzu ängstlich und allzu genau an die unteren Grenzen dessen hielt, was die Bundesregierung im Deutschlandvertrag den westlichen Besatzungsmächten und im Luxemburger Protokoll den internationalen jüdischen Verfolgtenverbänden zugestanden hatte. Diese Verträge verpflichteten die Bundesregierung zu einer Mindestwiedergutmachung. Wir durften hinter diesen vertraglich festgelegten Mindestumfang nicht zurückgehen, d. h. die Bundesregierung durfte das in den von ihr einzubringenden Gesetzen nicht tun. Bei den Verhandlungen über diesen Mindestumfang, die damals sowohl im Haag wie in Mehlem gepflogen worden sind, ist natürlich von der Bundesregierung und ihren Vertretern, wie das ihre Pflicht war, auf die Tatsache aufmerksam gemacht worden, daß unsere Leistungsfähigkeit begrenzt ist. Diese Leistungsfähigkeit mußte von uns mit der gebotenen Solidität und Vorsicht geschätzt werden. Der erste Regierungsentwurf von 1953 hat nun aber die Tendenz gezeigt, die in den Verträgen vorgesehenen Mindestgrenzen zugleich zu Höchstgrenzen zu machen, und eben dies war nicht der Wille des Bundestages. Der Bundestag wollte keine karge Wiedergutmachung, sondern der Bundestag - schon der 1. Bundestag und genau so der 2. - wollte eine Wiedergutmachung des angespannten Willens und der vollentfalteten Kraft. Aus diesem Grunde haben die Sprecher fast aller Fraktionen bei der Annahme des Bundesergänzungsgesetzes im Jahre 1953 die Überzeugung ausgesprochen, daß das Werk einer Verbesserung dieses Gesetzes unverzüglich in Angriff genommen werden sollte. Tatsächlich hat damals, nur wenige Tage nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, der Bundesrat eine Kommission eingesetzt, die eine Novelle vorbereiten sollte. Der 2. Bundestag sah deshalb nach seinem Zusammentritt zunächst noch keinen Anlaß, weil er ja wußte, daß der Bundesrat an der Arbeit war und einen Vorsprung von vielen Wochen und Monaten hatte. Erst als dann der Bundesrat seine Arbeit in dieser Kommission einstellte, nahmen die Fraktionen dieses Hohen Hauses das Reformanliegen wieder auf, und es kam zu dem bekannten Vorschlag des Herrn Bundesfinanzministers, unter dem Vorsitz eines seiner Beauftragten einen Arbeitskreis zu errichten, in dem alle Fraktionen des Hauses durch Vertreter repräsentiert waren und der unverzüglich an die Arbeit ging. Die Novelle verdankt deshalb ihre Entstehung nicht irgendwelchen schlechten Erfahrungen, die wir mit dem Gesetz gemacht hätten - solche Erfahrungen haben wir gar nicht erst abgewartet -, sondern einem freien und aktiven politischen Impuls. Die Absicht ging zu keiner Zeit bloß dahin, etwaige Schönheitsreparaturen vorzunehmen, sondern von Anfang an dahin, im Rahmen des Möglichen und Vertretbaren bessere Leistungen zu bieten. Es kann deshalb auch keine Rede davon sein, daß vereinzelte Entscheidungen von Entschädigungsbehörden und Entschädigungsgerichten, die von der Öffentlichkeit und von Mitgliedern aller Fraktionen des Hauses als fehlerhafte Entscheidungen, als Entscheidungen, die dem offenkundigen Willen des Gesetzes entgegenstanden und durch den Wortlaut nicht geboten waren, angesehen wurden, der eigentliche Anlaß der Gesetzesreform gewesen wären. Solche Entscheidungen hat es allerdings zu unserem Bedauern gegeben - wir haben uns ja schon in früheren Sitzungen dieses Hohen Hauses mit ihnen auseinandergesetzt -, und diese Tatsache ist auch im Bericht des Herrn Berichterstatters mit Nachdruck festgestellt worden. Aber diese Stelle im Bericht würde, wie der Herr Berichterstatter selbst hervorgehoben hat, zweifellos mißverstanden werden, wenn die Auffassung entstehen sollte, als ob der Wille, die Absicht des Gesetzes zu durchkreuzen und jeweils die für die Antragsteller ungünstigste Auslegung zu wählen, etwa kennzeichnend oder typisch für den Geist der mit der Durchführung des Gesetzes betrauten Behörden und Gerichte gewesen wäre. Eine solche Annahme würde mit den Tatsachen in Widerspruch stehen und zahllosen Richtern sowie Leitern und Mitarbeitern der Entschädigungsbehörden unverdientes und schweres Unrecht zufügen. Den zu beanstandenden Urteilen und Entscheidungen vereinzelter Gerichte und Behörden stehen Urteile und Entscheidungen gegenüber, die in mustergültiger Weise die für die Auslegung des Gesetzes maßgeblichen Grundsätze formuliert und herausgearbeitet haben, und Entscheidungen von Entschädigungsbehörden und -gerichten, die schwierige Einzelwiedergutmachungsfälle in ausgezeichneter und dem Willen des Gesetzes genau entsprechender Weise entschieden haben. Man kann wahrscheinlich sagen, daß die guten Entscheidungen in höherem Grade Schule gemacht haben als die beklagenswerten Entscheidungen und daß die guten Entscheidungen in der Folge und der Tendenz nach die Praxis nachhaltiger bestimmt haben als die schlechten. Ich glaube, man kann überhaupt sagen, daß das Verständnis für die Wiedergutmachung, der Wille zur Wiedergutmachung in den letzten beiden Jahren ganz allgemein zugenommen haben, nicht nur bei den beteiligten Gerichten und Behörden, sondern auch in der Öffentlichkeit und in der Presse. Man darf auch die ungewöhnlichen Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die der Anwendung eines so schweren Gesetzes in der Praxis sowohl von der rechtlichen als auch von der tatsächlichen Seite her - ich denke hier besonders an die Würdigung der Beweise - im Wege stehen. Ich will hier einmal besonders auf die Beweisfrage eingehen. Seit der Zufügung des Unrechts sind 11 bis 23 Jahre vergangen. Terror, Krieg, Zwangsemigration, Niederlage, Flucht haben dazu beigetragen, daß viele Beweise vernichtet worden sind oder nur noch sehr unvollkommen und sehr schwer beigebracht werden können. Diese Tatsache wirkt sich zuungunsten der Verfolgten aus und erschwert ihnen die Wahrnehmung ihrer Rechte aus dem Gesetz in einem oft kaum vorstellbaren Ausmaß. Es können also in der Wieder({6}) gutmachung die normalen Anforderungen an die Beweise gar nicht gestellt werden. Schon das Gesetz trägt diesem Umstand Rechnung. Viele Gerichte und Wiedergutmachungsbehörden haben in der Folge der Beweisnot der Antragsteller in vielen Fällen bis zur Grenze des Möglichen Rechnung getragen. Auf der andern Seite - und das muß auch einmal erwähnt werden - stellt dann ein solches Entgegenkommen in der Beweisfrage aber auch eine recht erhebliche Versuchung für Antragsteller dar, diese Lage auzunützen und zu mißbrauchen. Es ist unausbleiblich, daß sich unter der Riesenzahl der Verfolgten auch Personen befinden, die aus der Not eine Untugend machen, und es ist verständlich, wenn Gerichte und Behörden, die in mehreren Fällen getäuscht worden sind oder Täuschungsversuche festgestellt haben, zu Mißtrauen neigen und dann wieder in solchen Fällen, in denen sie es mit redlichen Antragstellern und mit korrekten Parteivertretern zu tun haben, übermäßig strenge Anforderungen an die Beweise stellen. Solche Vorfälle werden dann nicht nur von denen an die große Glocke gehängt, die im Grunde ihres Herzens Gegner der Wiedergutmachung sind und geneigt sind, von den Verfolgten schlecht und ungünstig zu denken, sondern sie üben leider auch auf durchaus wiedergutmachungswillige und rechtschaffen gesinnte Persönlichkeiten mitunter eine verstimmende Wirkung aus. Es sind also sehr hohe Ansprüche, die in bezug auf Menschenkenntnis, auf Rechtsbewußtsein, auf Gesetzestreue, auf Gewissenhaftigkeit an die Richter und an die Mitglieder von Entschädigungsbehörden gestellt werden müssen. So nötig es ist, etwaige Mißstände in voller Öffentlichkeit und ohne Ansehen der Person hier zu erörtern und zu tadeln, und so sehr wir verlangen müssen, daß eine solche Kritik, z. B. an Entscheidungen, auch an Gerichtsentscheidungen und an einzelnen Entscheidungen von Wiedergutmachungsbehörden, und ein solcher Tadel auch von der Gesamtheit der Richter und der Beamten verstanden und gewürdigt werden, so haben doch die zahllosen vortrefflichen Persönlichkeiten, die hier einer denkbar schweren Aufgabe in mühseliger Alltagsarbeit mit voller Kraft und Hingabe dienen, einen Anspruch darauf, daß auch ihre unzweifelhaften und rühmenswerten Verdienste in der Öffentlichkeit ebenfalls anerkannt werden und daß durch noch so berechtigte und freimütige Kritik nicht etwa der Eindruck erzeugt wird, als werde ein gutgemeintes Gesetz durch den Apparat, der es auszulegen und anzuwenden hat, in der ganzen Breite durchkreuzt. Jeder Anwalt, jeder Abgeordnete, jeder Bürger, der sich einigermaßen ernsthaft mit dem Vollzug und der Praxis der Wiedergutmachung beschäftigt, weiß, daß eine solche Annahme unrichtig ist. Ich möchte das hier ausdrücklich feststellen, damit die Ausführungen, die ich jetzt über die Aufgabe der Durchführung des Gesetzes noch zu machen habe - Ausführungen, die es sich notwendig zum Ziel setzen müssen, die schweren Sorgen aufzuzeigen, die wir dieserhalb haben müssen -, nicht mißverstanden werden. Es handelt sich bei diesen meinen Sorgen und den Sorgen von uns allen nur zum Teil um die Befürchtung, daß etwa der richtige Geist nicht vorhanden sein könnte, in der Hauptsache aber um die Befürchtung, daß objektive Schwierigkeiten und objektive Organisationsprobleme die Absicht des Gesetzes zunichte machen könnten. Mit anderen Worten: es handelt sich vor allem um die Befürchtung, daß die zur Verfügung stehenden Kräfte und der zur Verfügung stehende Apparat außerstande sind oder außerstande sein könnten, die Wiedergutmachung bis spätestens zum Jahre 1962 durchzuführen, daß wir also Verzögerungen, vielleicht sogar erheblichen Verzögerungen gegenüberstehen könnten. Verzögerungen aber bedeuten, daß uns die Opfer hinwegsterben, bevor sie den Tag der Wiedergutmachung erlebt haben. Mir hat vor wenigen Tagen ein Anwalt, der eine große Wiedergutmachungspraxis hat, gesagt, daß im Laufe der letzten Wochen pro Woche drei Mandanten gestorben sind. ({7}) Die Zahlen sind natürlich nicht ständig so hoch, aber sie geben immerhin ein Bild. Es ist sehr schwer, sich ein genaues Bild über die Leistungskapazität der Wiedergutmachungsämter in den einzelnen Ländern zu machen. Die Zahlen, die mir von den einzelnen Landesministerien zur Verfügung gestellt worden sind, sind wahrscheinlich nicht ohne weiteres vergleichbar, so daß Rückschlüsse nur mit sehr großer Vorsicht gezogen werden können. Vergleicht man die Zahlen der Anträge, die durchschnittlich im Monat von den Wiedergutmachungsbehörden entschieden werden, mit der Gesamtzahl der überhaupt vorliegenden Anträge und versucht man, auf solche Weise festzustellen, wie lange das betreffende Land brauchen wird, bis sämtliche Anträge entschieden sind, so ergeben sich sehr große Unterschiede. So würde z. B. ein Land schon in zweieinhalb Jahren fertig sein, ein anderes, allerdings kleines, erst in 16 Jahren. Im Durchschnitt ergibt sich eine Zeit von 61/2 Jahren. Das würde bedeuten, daß die Wiedergutmachung in der Tat bis zum Jahre 1962 abgewickelt werden könnte. Diese Schätzung ist aber sicherlich zu günstig, viel zu günstig. Sie ist es selbst dann, wenn man berücksichtigt, daß das eine oder andere Land in Erwartung des neuen Gesetzes seinen Personalbestand bereits erhöht hat, zum Teil bis zu 20 %, und wenn man annimmt, daß auch die anderen Länder diesem rühmenswerten Beispiel nacheifern. Denn zunächst muß einmal damit gerechnet werden, daß nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Zahl der Anträge nicht unwesentlich zunimmt und daß eine sehr erhebliche Reihe von bereits abgeschlossenen Verfahren neu aufgerollt und überprüft werden muß. Ferner bedeutet die Tatsache, daß ein Land sämtliche Anträge entschieden hat, ja keineswegs, daß damit die Verfahren abgeschlossen sind. In einem Teil der Fälle, in denen der Anspruch ganz oder zum Teil abgewiesen wird, erheben die Antragsteller Klagen, und von diesen Verfahren, die dann sehr lange dauern, geht ein Teil wieder in die Berufung. Die Gerichtsverfahren dauern lange Zeit. Ein Teil der Verfolgten wird selbst dann, wenn die Wiedergutmachungsbehörden alle Anträge aufgearbeitet haben, noch jahrelang auf die endgültige Entscheidung und, wenn die Entscheidung ihnen günstig ist, auf die Zahlung der Entschädigung warten müssen. Es ist ferner zu bedenken, daß normalerweise von allen Wiedergutmachungsbehörden die einfach gelagerten Fälle zuerst erledigt werden, was verwaltungsmäßig ganz vernünftig ist, und daß diejenigen Anträge, zu deren Bearbeitung umfängliche Beweise erhoben ({8}) werden müssen oder deren Entscheidung erhebliche juristische Schwierigkeiten verursacht, zunächst zurückgestellt werden. Wir würden dann also damit rechnen müssen, daß sich mit der Zeit das Tempo der Erledigung verlangsamt, dann nämlich, wenn die schwierigen Entscheidungen drankommen. Dazu werden auch noch weitere Momente beitragen. Es besagt nämlich noch keineswegs alles, wenn ein Land, sagen wir einmal, 242 oder 641 oder gar 752 Personen in Wiedergutmachungsämtern beschäftigt. Sehr viel kommt auf die qualitative Eignung der Beschäftigten an, und noch mehr kommt es darauf an, daß gute und eingearbeitete Kräfte für die ganze Dauer der Abwicklung den Wiedergutmachungsämtern auch erhalten bleiben. Aber gerade in dieser Beziehung sehen die Dinge vielfach sehr, sehr ungünstig aus. Bei dem Versuch, geeignete Kräfte für die Wiedergutmachungsämter zu gewinnen, befinden sich die Wiedergutmachungsbehörden in Konkurrenz mit anderen Zweigen der Staatsverwaltung und mit der gewerblichen Wirtschaft. In dieser Konkurrenz haben die Wiedergutmachungsressorts eine sehrungünstige Position. Die Wiedergutmachung ist eine auslaufende Aufgabe; die Beamten und Angestellten müssen damit rechnen und sich darauf einrichten, daß sie ihre Stelle eines Tages wieder verlieren. Während ihrer Beschäftigung bei der Wiedergutmachung verlieren sie den Kontakt mit den normalen verwaltungsmäßigen Laufbahnaufgaben. Sie geraten gegenüber Kollegen, die in den herkömmlichen Ressorts beschäftigt sind, ins Hintertreffen und haben nur noch recht ungünstige Aussichten, wenn sie sich nach ihrem Ausscheiden aus der Wiedergutmachung um andere Stellen in Staat und Wirtschaft bewerben. Diese ungünstige Lage veranlaßt nun aber gerade die fähigeren Kräfte, sich der Wiedergutmachung erst gar nicht zur Verfügung zu stellen, sondern von vornherein andere Beschäftigungen zu suchen. Aber auch diejenigen, die bereits in Wiedergutmachungsämtern tätig sind, sind naheliegenderweise bereit, jede sich bietende Gelegenheit wahrzunehmen, um einen lohnenderen Beruf zu ergreifen. Zur Zeit macht sich z. B. die Anziehungskraft des Amtes Blank - verzeihen Sie diesen schon gewohnten, aber überholten Ausdruck; ich meine natürlich die Anziehungskraft der vielen neu errichteten Dienststellen für die Bundeswehr - für die Wiedergutmachung in einem beinahe bestürzenden Ausmaß bemerkbar. So hat z. B. das Wiedergutmachungsamt einer großen Stadt binnen kurzer Zeit fünf Oberinspektoren an die Wehrmacht verloren. Was das bedeutet, kann nur der richtig beurteilen, der weiß, in wie hohem Grade die Leistungsfähigkeit einer Wiedergutmachungsbehörde von dem Vorhandensein erfahrener Beamter des mittleren und gehobenen Dienstes abhängt. Die Oberinspektoren sind in einem gewissen Sinne die Säulen jeder Wiedergutmachungsbehörde. Was bisher auf dem Gebiete der Wiedergutmachung in organisatorischer Hinsicht geleistet worden ist, verdanken wir zu einem großen Teil diesen vortrefflichen Beamten. - In der gleichen Zeit hat die Wiedergutmachungsbehörde der gleichen Stadt von 21 Juristen 11 verloren, allerdings nicht an die Bundeswehr, sondern an andere Stellen. Die Wiedergutmachungsbehörden müssen also dauernd für Ersatz für abwandernde Kräfte sorgen. Wenn man nun bedenkt, daß die Einarbeitungszeit für einen fähigen Juristen drei bis sechs Monate beträgt, so kann man sich eine Vorstellung davon machen, in welchem Ausmaß die Leistungskapazität einer Wiedergutmachungsbehörde durch ein häufiges Kommen und Gehen von Sachbearbeitern verschlechtert wird. Es ist überhaupt eine der am meisten gehörten Klagen der Wiedergutmachungsberechtigten und ihrer Anwälte, daß die Sachbearbeiter dauernd wechseln. Verfügt sich der Antragsteller oder sein Anwalt nach einiger Zeit wieder auf die Behörde, so trifft er schon wieder einen neuen Beamten an. Weitere Ungelegenheiten ergeben sich daraus, daß die Organisation von Land zu Land verschieden ist. Verwaltungsmäßig und organisatorisch ist die Wiedergutmachung ein Massenproblem. Es ist daher verständlich und zu begrüßen, daß einzelne Länder versucht haben, diesem Problem mit neuen Methoden zu begegnen. Es kann natürlich nicht ausbleiben, daß bei solchen Versuchen Lehrgeld gezahlt werden muß; es ist ferner verständlich, wenn sich ein Land nur schwer dazu entscheidet, die einmal eingeführte Organisation wieder zu ändern, wenn sie sich nicht bewährt haben sollte. In dem einen oder anderen Lande sind sehr komplizierte Wege eingeschlagen worden, etwa derart, daß ganz verschiedenartige Behörden in die Bearbeitung einbezogen werden. Man hat den Arbeitsvorgang sozusagen zerlegt wie in einem hochtechnisierten Betrieb, dergestalt, daß die eine Behörde die Rentenberechnungen vornimmt, während die Kapitalentschädigungen von einer anderen bearbeitet werden und wieder eine dritte Gattung von Behörden, z. B. die Gemeindeverwaltungen, die Beweisermittlungen anstellen. Die Akten ein- und desselben Falles wandern dann ununterbrochen im ganzen Lande herum, und da sich Akten trotz aller technischen Errungenschaften der Neuzeit immer noch bestenfalls im Postkutschentempo fortzubewegen pflegen und sich nach ihrer Ankunft am Bestimmungsort jedesmal wieder einige Zeit ausruhen müssen, kann man sich denken, wie umständlich ein solches Verfahren arbeitet. Alle diese Hemmnisse, die ich hier erwähnt habe, haben ihren Grund nicht im Mangel an gutem Willen, nicht in Nachlässigkeit und nicht in Unfähigkeit der leitenden und ausführenden Kräfte, sondern in der außerordentlichen Schwierigkeit des Problems selbst. Die sehr schwierige Organisationsfrage ist mit viel gutem Willen und beträchtlicher Initiative angepackt worden. Aber man ist eben auf unerwartete objektive Schwierigkeiten gestoßen. Es sind objektive Faktoren, die hier die eigentliche Ursache der Verzögerung und des schleppenden Ganges geworden sind. Aus Kreisen ausländischer Verfolgtenorganisationen ist mir in letzter Zeit wiederholt versichert worden, daß nach ihrem Eindruck und nach ihren Feststellungen Mißstände, die auf mangelndem Wiedergutmachungswillen beruhen, aufs Ganze gesehen keine erhebliche Rolle spielen, sondern daß das Problem bei den Organisationsschwierigkeiten liegt. Selbstverständlich darf die Einsicht in die Schwierigkeit des Gesetzesvollzugs nicht dazu führen, daß man es bei der bloßen Feststellung dieser Tatsache bewenden läßt und sich dabei beruhigt, daß wir es hier mit einer Frage zu tun haben., die nun eben einmal nicht leicht zu lösen ist. Es wäre unredlich, wenn wir uns auf den Umfang der Wiedergutmachung, wie ihn unser neues Gesetz vor({9}) sieht, und auf die Verbesserungen, die der heute vorliegende Entwurf im Vergleich zum bisherigen Gesetz bringt, etwas zugute tun und behaupten wollten, wir hätten nun das Unsere dazu getan, um unsere schwere Schuld im Rahmen unserer Kräfte abzutragen und den Verpflichtungen zu entsprechen, die für uns ein feierliches und vordringliches Anliegen sind. Die eigentliche Aufgabe, nämlich die Ausführung des Gesetzes, liegt erst noch vor uns. Wir können uns auch nicht hinter unsere beschränkte Zuständigkeit verkriechen und auf den Standpunkt stellen: der Bund hat seine Schuldigkeit getan, der Bund kann gehen; jetzt sind die Länder am Zuge. Bundestag und Bundesregierung müssen sich vielmehr auch in der Organisationsfrage dauernd auf dem laufenden halten und das Menschenmögliche dazu beitragen, um im Verein mit den Ländern ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit in der Abwicklung zu erreichen und sie zu gewährleisten. Schon heute lassen sich ganz bestimmte Feststellungen machen und Forderungen formulieren, die diesem Ziel dienen. Es scheinen mir in der Hauptsache folgende zu sein: Erstens muß überall - überall! - eine Vermehrung des Personals angestrebt werden. Davon, daß das in ausreichendem Umfang geschieht, hängt ein guter Teil des Erfolgs ab. Einige Länder sind hier mit gutem Beispiel vorangegangen. Zweitens müssen diese Stellen mit möglichst gut qualifizierten Kräften besetzt werden, und diese gut qualifizierten Kräfte, überhaupt das ganze eingearbeitete Personal müssen den Wiedergutmachungsämtern erhalten bleiben. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Tätigkeit in der Wiedergutmachung für die Beschäftigten mit den erwähnten Berufs- und Laufbahnschwierigkeiten, mit recht erheblichen Zukunftsrisiken verbunden ist, die wir nicht wesentlich abschwächen können. Es bleibt also kein anderer Weg als der, den Beschäftigten Vorteile zu bieten, vor allem in der Besoldung, Vorteile, die die Risiken, die sie eingehen, zu einem Teil kompensieren. Das ist eine Geld- und Ausgabenfrage. Es darf unter keinen Umständen dahin kommen, daß durch den Widerstand, hier das Nötige schnell und großzügig zu tun, die Absicht des Gesetzes und der Wille, die Entschädigung schnell, in möglichst wenigen Jahren, zu bewirken, durchkreuzt und zunichte gemacht werden. Drittens muß die Organisationsfrage gelöst werden. Hierbei scheint mir nicht nur wünschenswert, sondern unerläßlich zu sein, daß ein möglichst intensiver Erfahrungsaustausch zwischen den Ländern unter tätiger Mitwirkung der zuständigen Bundesressorts organisiert wird, und zwar mit dem Ziel, daß die jeweils beste Methode, die sich bewährt hat, Schule macht. Es handelt sich nicht darum, alte Zuständigkeiten zu verschieben und etwa eine Bundeszuständigkeit zu begründen. Eine Subordination ist hier nicht am Platze. Wohl aber müssen die Ausführungsarbeiten koordiniert werden, und ich möchte schon jetzt bitten, daß diese Koordination ins Auge gefaßt wird. Nur wenn das alles geschieht und wenn wir außerdem noch das Möglichste tun, um die guten Kräfte der Wiedergutmachung nachher ins Beamtenverhältnis zu überführen und anderweitig gut unterzubringen, nur dann können wir hoffen, daß wir bis zum Jahre 1962 unsere Wiedergutmachung im großen und ganzen abgewickelt haben werden. Das ist nach dem heutigen Stand der Dinge so unwahrscheinlich, daß ich es für meine Pflicht halte, schon heute und an dieser Stelle die Alarmglocke zu ziehen. Wir müssen uns stets vor Augen halten, daß das Durchschnittsalter der Verfolgten hoch liegt und daß jedes Jahr, jeden Monat Opfer des nationalsozialistischen Terrors sterben. Der Gedanke, daß sich die Last unserer Wiedergutmachung auf diese Weise für uns fühlbar erleichtern könnte, ist unerträglich. Das Unrecht liegt jetzt 11 bis 23 Jahre zurück. Wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Jeder Tag, der verstreicht, belastet unser Gewissen. ({10})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.

Dr. Hans Reif (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001804, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die allgemeine Aussprache in der dritten Lesung eines Gesetzes soll dazu dienen, die Motive zu unterstreichen, nach denen die Fraktionen sich in der Behandlung der Materie entschieden haben. Wenn der verehrte Herr Kollege Böhm in seiner Rede weit über das hinausgegangen ist, so hat er ebenso wie der Herr Berichterstatter, der seinen Schriftlichen Bericht durch Darlegungen von dieser Stelle aus ergänzt hat, die nicht unterbleiben durften, etwas getan, was eben aus der Situation dieses merkwürdigen Gesetzeswerkes heraus notwendig ist. Wir haben hier mehr oder weniger deutliche Vorwürfe gegen die Verwaltung, gegen die Gerichte gehört. Zum Teil wurden sie eingeschränkt, zum Teil wurden sie zurückgewiesen. Aber wir haben doch alle das Gefühl: Die Unzulänglichkeiten in der Erledigung der Wiedergutmachungsfrage, die sich der 1. Bundestag zum Vorwurf machen lassen muß, haben dazu geführt, daß mit diesem unvollständigen Gesetz - zum Teil vielleicht bei bestem Willen, zum Teil vielleicht, weil es bösem Willen Raum ließ, zum Teil vielleicht aus Angst vor dem Rechnungshof - schlecht gearbeitet wurde. Selbstverständlich nicht überall, selbstverständlich wissen wir alle, daß es - Gott sei Dank! - Gerichte gibt, die vorbildliche Entscheidungen gefällt haben. Der Herr Kollege Böhm hat gesagt: Es gab gute und schlechte. Ja gewiß, man regt sich über die schlechten auf; aber daß es überhaupt möglich ist, daß Entscheidungen von deutschen Gerichten gefällt werden, die so weit voneinander abweichen, wie das gerade in der Frage der Wiedergutmachung möglich war, das gibt doch zu denken. Die Aufgabe des Gesetzgebers lag doch wohl darin, in der Novelle das Gesetz so zu verdeutlichen, den Willen des Gesetzes so zu präzisieren, daß beim besten Willen sich niemand mehr um die Ausführung, die von hier aus gewünscht wird, herumdrücken kann. Ich sage nicht, daß das jeder will; aber daß diejenigen, die es wollen, es eben nicht mehr können, das war doch die Aufgabe dieser Arbeit. Ein Gesetz, dessen Maschen, dessen Begriffe, dessen Bestimmungen so lückenhaft oder so beweglich waren, hinter dem man sich also verstecken konnte, mußte präzisiert werden. Darauf kam es an. Wir haben dem Gesetz eine Präambel vorausgeschickt. In dieser Präambel kommt implizite zum Ausdruck, daß wir den Grundsatz „In dubio pro reo", der in der Rechtsprechung gilt, auch in der Praxis, bei der Anwendung des Gesetzes in der ({0}) Weise gewahrt wissen wollen, daß im Zweifel zugunsten des Antragsberechtigten entschieden wird. ({1}) Ich wiederhole das hier mit aller Deutlichkeit, weil der Grundsatz „In dubio pro reo" in keinem Gesetz steht. Wir können auch einen derartigen Grundsatz - jedenfalls waren die Herren Juristen der Meinung - nicht in den Wortlaut des Gesetzes aufnehmen. Aber es muß in diesem Hause, es muß nach außen hin, an die ausführenden Behörden, an die Gerichte und an die Öffentlichkeit gesagt werden: Dieser Bundestag wünscht, daß die Bestimmungen dieses Gesetzes, sofern Zweifel bestehen, zugunsten der Verfolgten ausgelegt werden. ({2}) Dann wird vielleicht auch bei manchem draußen die Sorge aufhören, daß er wegen einer menschlich verständlichen und von uns nur zu billigenden Entscheidung eines Tages vom Rechnungshof aufgehängt wird. Ich hatte mir erlaubt, als wir das erste Mal über diese Dinge sprachen, drei Forderungen zu stellen, von denen ich glaubte, daß ihre Verwirklichung notwendig sei, um eine Änderung in der Praxis dieses Gesetzes durchzuführen. Eine davon war die Einschränkung der Zuständigkeit des Rechnungshofs. Wir wollen uns doch nichts vormachen: Es ist nun einmal in Deutschand Sitte, daß ein Beamter, der Ansprüche eines Bürgers abwehrt, vielleicht dann sogar einen Prozeß riskiert, den der Fiskus verliert, deswegen niemals Vorwürfe bekommt; denn er hat ja nur seine „Pflicht" getan, er hat den Fiskus, er hat die öffentlichen Kassen verteidigt. ({3}) Wenn er aber aus menschlicher Großzügigkeit etwas tut, was aus dem Wortlaut der ihm gegebenen Anweisungen nicht haarscharf begründet und verteidigt werden kann, dann riskiert er den Vorwurf seitens der Kontrolle. Wir wollen dadurch, daß wir uns zu dem allgemeinen Grundsatz, den ich vorhin ausgesprochen habe, bekennen, dieser Sitte in diesem Falle ein Ende machen. Ich hatte damals zweitens geglaubt, wir kämen aus dem Dilemma heraus, wenn der Bund sich bereit erklärte, grundsätzlich die Lasten der Wiedergutmachung zu übernehmen. Nun, das ist nicht erreicht worden. Ich hatte ebenso geglaubt, damals anregen zu sollen, daß man in dieses Gesetz eine Forderung aufnimmt, welche die Regierung verpflichtet, nicht erst auf Anfrage, sondern jeweils nach einem Jahr dem Hause über die Erfahrungen, die bei der Durchführung des Gesetzes gemacht werden, Bericht zu erstatten. Auch damit bin ich nicht durchgedrungen. Ich bedaure das. Ich hätte es nicht nur bei diesem Gesetz, sondern auch bei manchem anderen im Interesse der Verwaltungskontrolle, auch im Interesse unserer gesetzesschöpferischen Tätigkeit, damit wir aus eigenen Erfahrungen lernen, begrüßt, wenn man so etwas vorgesehen hätte. Ich bin schließlich noch mit einer anderen Anregung im Ausschuß nicht durchgedrungen, die ich Ihnen aber auch bei dieser Gelegenheit nennen möchte. Das ist die Verzinsung der Ansprüche von einem bestimmten Termin ab. Ich habe geglaubt, wenn die Verwaltungen sich überlegen, ob es nicht vielleicht doch ratsamer ist, den Personalbestand zu vermehren und zu qualifizieren und sich diese Kosten zu machen, statt Zinsen zu zahlen, so wäre das vielleicht auch ein Antrieb für das, was wir alle wollen. Aber der Ausschuß hat sich dem nicht angeschlossen. Ich möchte nicht lange reden. Dieses Gesetz will präzisieren, und wir hoffen, daß wir damit der Sache der Wiedergutmachung einen Dienst geleistet haben. Wir wissen, daß das nicht vollständig gelingen kann. Wir wissen, daß das Leben Komplikationen von Fällen bietet, die kein Gesetzgeber vorhersehen kann. Aber dafür kommt eben dann der Grundsatz: Im Zweifel für den Verfolgten. Das Gesetz bringt einige Erweiterungen, die wir begrüßen. Ich habe gerade wegen des einen Punktes, den auch der Herr Kollege Greve schon erwähnt hat, in diesen Tagen - auch heute wieder - Briefe bekommen von Stellen, wo ich es nicht erwartete. Es handelt sich z. B. um die Frage, daß wir den Dienst in einer Bewährungseinheit als eine Art Freiheitsbeschränkung ansehen. Eines möchte ich denen, die jetzt in der Öffentlichkeit darüber reden, doch sagen: Es handelt sich nicht darum, daß man den Dienst in einer Bewährungseinheit als solchen als einen Tatbestand der Verfolgung und der Wiedergutmachung anerkennt. Wohl aber billigen wir dem Verfolgten, der, weil er zu den Deklassierten gehörte, in eine Bewährungseinheit geschickt wurde und dem dort etwas zugestoßen ist, das Recht auf Wiedergutmachung zu. Die wehleidigen Geschichten, die da von der Soldatenfrau, deren Mann bei der Truppe, und der Frau des Mannes erzählt werden, der als Verfolgter in einer Bewährungseinheit gefallen ist, sollte man besser unterlassen; denn der Dienst in der Verteidigung des Vaterlandes ist eben etwas anderes als ein Verfolgungstatbestand. Das wollen wir doch klar auseinanderhalten. ({4}) Meine Damen und Herren, wir haben ganz bewußt in einzelnen Fällen mehr geleistet. Draußen werden Zahlen genannt, die abschrecken sollen. Ich glaube, man muß an dieser Stelle auch einmal sagen, daß selbst die höchsten Schätzungen der Kosten des Gesetzes, die uns bisher vorgelegt worden sind, jedem Bürger der Bundesrepublik die Beruhigung geben können, daß er seine Lebenshaltung nicht einzuschränken braucht, um den Bund oder die Länder in die Lage zu versetzen, Wiedergutmachung zu leisten. Aber, meine Damen und Herren, wäre es wirklich so schlimm, wenn wir Heutigen unsere Lebenshaltung etwas einschränken müßten, um wiedergutzumachen? ({5}) Jede Kritik an diesen sogenannten Lasten ist also völlig abwegig. Es könnte passieren, daß man einmal eine Gegenrechnung etwa dessen aufmacht, was das deutsche Volk vertrinkt und verraucht, und dann fragt, wie diese Größen sich zueinander verhalten. Dann käme man zu sehr merkwürdigen Ergebnissen. Ich sage das ganz bewußt, obwohl ich gerne rauche und auch gerne trinke. Ich bitte, das nicht falsch zu verstehen. Dieses Gesetz ist also keine Zumutung. Mit diesem Gesetz erfüllen wir eine moralische Pflicht. Es ist so oft davon geredet worden, daß wir Deutschen es vielfach heute noch in der Welt sehr schwer haben. Ich brauche jetzt nicht einzelne Länder und einzelne Zeitungen zu nennen, um zu sagen, ({6}) wie groß das Mißtrauen gegen das deutsche Volk im Grunde genommen noch ist. Wir erwarten vielleicht allzu schnell, daß die Welt vergißt, was wir der Welt angetan haben oder was der Welt in unserem Namen angetan wurde. Es ist einmal ein sehr schönes Wort gesagt worden: Die Welt kann nur vergessen, wenn wir nicht vergessen, was in unserem Namen geschehen ist, und wenn wir diejenigen nicht vergessen, denen das angetan wurde. ({7}) Das ist die innere Moral dieses Gesetzes. Deshalb begrüße ich auch den Härteparagraphen, den wir heute eingefügt haben. Es ist gut, daß die Bundesregierung einen Dispositionsfonds in die Hände bekommt. Wir können in die Begriffssystematik dieses Gesetzes nicht alle möglichen Fälle einbeziehen. Wir müssen der Regierung die Möglichkeit geben, über das Unrecht hinaus, das von Deutschen im Namen des deutschen Volkes im Ausland begangen wurde, wiedergutzumachen, auch wenn es nicht in diesen Paragraphen geregelt werden kann. Zum Schluß möchte ich noch dem Herrn Bundesfinanzminister dafür danken, daß er vorhin auf meine Anfrage in der zweiten Lesung die Antwort gegeben hat, die ich gewünscht habe. Es ist Beunruhigung entstanden über die Frage der Vermögensentschädigung im Ausland, und es war notwendig, daß hier von einem Vertreter der Bundesregierung in dieser Stunde eine solche Erklärung abgegeben wurde, die uns beruhigt und die hoffentlich auch draußen beruhigt, innerhalb Deutschlands und außerhalb. Das, meine Damen und Herren, war das, was ich bei der Verabschiedung dieses Gesetzes in der dritten Lesung sagen wollte zur Klärung unserer Motive und zur Aufforderung an diejenigen, die nun mit dem besseren Gesetz arbeiten sollen, um zu zeigen, daß der Geist dieses Gesetzes auch die Praxis beherrscht. ({8})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Strosche.

Dr. Johannes Helmut Strosche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002276, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, namens der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE zur abschließenden Lesung eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung nachfolgende Erklärung abzugeben: Getragen von der Erkenntnis, daß jede befriedigende Wiedergutmachung an den Opfern der unseligen Zeit vor, während und unmittelbar nach dem zweiten Weltkriege nicht nur eine sittliche Pflicht, sondern darüber hinaus eine wahrhaft menschliche und politisch befriedende Tat ist, und erfüllt von dem festen Willen, in dieser Zeitspanne erfahrenes Unrecht, menschliches Leid und bittere Not möglichst weitgehend vergessen machen zu helfen, hat sich die Bundestagsfraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzeswerkes in diesem Hohen Hause zu der sittlichen Grundlage eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung bekannt. Sie hat ferner in Übereinstimmung mit allen Bundestagsfraktionen bereits damals ihrem Wunsche Ausdruck verliehen, daß dieses - übrigens erfreulich gut vorbereitete - Gesetz über alle fiskalischen Bedenken hinweg eine weitestmögliche und in Richtung Verwaltung und Gerichtsbarkeit klarstmögliche Handhabe dafür bieten möge, den Opfern der nationalsozialistischen Herrschaft eine angemessene Wiedergutmachung zuteil werden zu lassen. Die Bundestagsfraktion des GB/BHE möchte auch in der Schlußberatung dieses Gesetzes diese ihre Auffassung erneut nachdrücklich unterstreichen. Angesichts der fraglos vorhandenen, aus geschichtlichen Wurzeln unserer Zeit kommenden Besonderheit dieses Bundesentschädigungsgesetzes ist sie bereit, gewisse offenkundige Mängel, im Umfang des erfaßten Personenkreises z. B., und auch sich etwa unwillkürlich aufdrängende Parallelen zu anderen von diesem Hause beschlossenen Gesetzen in Richtung anderer Opfer unserer Zeitläufte hintanzustellen. Gleichwohl hält sie es für ihre Pflicht, zu erklären, daß sie, fern jeder unwahren und inhumanen These von Kollektivschuld, aber auch von Kollektivunschuld, den Grundsatz verficht, daß j e des menschliche Leid, das ohne individuelles Verschulden aus öffentlichem Unrecht entstanden ist und not- und schmerzhaft in unserer Zeit durchlitten wurde, gleich liebe- und hilfevoller Milderung und entschädigender Wiedergutmachung seitens unseres Staates und Volkes bedarf. ({0}) Aus dieser Auffassung heraus und angesichts des nun vorliegenden endgültigen Textes des BEG erhofft sie somit noch manche Verbesserung anderer Gesetze, die das individuell unverschuldete Leid unserer Mitbürger und Mitmenschen, welches aus der tragischen Entwicklung unserer Geschichte in den letzten 20 bis 30 Jahren erwuchs, in ähnlich großzügiger und Exekutive wie Justiz verpflichtender Weise annähernd wiedergutzumachen vermöchten. Die Bundestagsfraktion des Gesamtdeutschen Blocks / BHE sieht gerade auch in dieser Beziehung in diesem Bundesergänzungsgesetz ein nahezu vorbildliches, ja richtungweisendes Gesetz und wird ihm daher, wohl in Übereinstimmung mit sämtlichen Fraktionen des Deutschen Bundestages, in Erkenntnis seiner besonderen Notwendigkeit, der ihm zugrunde liegenden bindenden moralischen Verpflichtung sowie des ihm zukommenden gesamtpolitischen Gewichtes zustimmen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß dieses Haus sich nicht noch sehr oft mit Fragen der Wiedergutmachung wird zu befassen haben. Denn je weniger in der Zukunft im Deutschen Bundestag über die Wiedergutmachung gesprochen werden wird, desto besser wird sie sein. Damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, daß das, was hier gesagt worden ist, etwa überflüssig war. Im Gegenteil, diese Tribüne hier ist es gewesen, von der aus manches gesagt worden ist, was Anlaß gegeben hat, die Wiedergutmachung in den hinter uns liegenden elf Jahren voranzutreiben. Wenn nicht von dieser Stelle aus das Gewissen des deutschen Volkes immer wieder angesprochen wor({0}) den wäre, dann, glaube ich, wären wir mit der Wiedergutmachung noch nicht so weit, wie wir heute sind. ({1}) Ich bin allen denen dankbar, die sich im Ausschuß und sonst innerhalb und außerhalb dieses Hauses mit uns zu gemeinsamer Arbeit zusammengefunden haben, um zu ermöglichen, daß diesem Hause ein Werk vorgelegt wird, das, wie ich in meinem Bericht bereits ausgeführt habe, auch kein vollendetes Werk ist, das aber, wenn man nur will, so angewendet werden kann, daß denen, die davon betroffen werden, weitestgehend geholfen wird. Es ist immer wieder davon gesprochen worden, daß es auf den Geist ankommt, den derjenige hat, der das Gesetz in der Praxis anwenden muß. Es kommt aber auch darauf an, in welchem Geist wir dieses Gesetz verabschieden, ob wir das unlustig und unwillig tun oder ob wir wirklich mit innerer Anteilnahme an die Verabschiedung dieses Gesetzes herangehen. ({2}) Die Öffentlichkeit - nicht nur die deutsche, sondern auch die Weltöffentlichkeit - spürt ganz genau, wie man hier in dieser Stunde sich zu den Fragen der Wiedergutmachung und der Wiederherstellung des verletzten Rechts stellt. Das sind Dinge, die wir nicht übersehen sollten. Es ist in diesem Hause nicht nötig, diejenigen noch einmal unter Anklage zu stellen, die die Veranlassung dafür gegeben haben, daß es überhaupt ein Bundesentschädigungsgesetz für die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts geben muß. Ich glaube, dieses Haus ist sich in allen seinen Mitgliedern darüber einig - Herr Kollege Reif hat es soeben bereits zum Ausdruck gebracht -, daß nur zum Teil wiedergutgemacht werden kann. Auch der Präsident dieses Hauses hat heute darauf hingewiesen, daß das, was wir hier tun, nur Stückwerk sein kann im Verhältnis zu dem, was im deutschen Namen an Unrecht gestiftet und an Leid über Menschen gebracht worden ist, die unser Antlitz tragen. Ich glaube, es wäre ein Verhängnis, wenn wir uns nicht mit aller Deutlichkeit von den Untaten, von den Unrechtstaten absetzten, die Deutsche begangen haben. Nicht das Vergessenwollen, sondern das Nichtvergessenwollen ist es, was überhaupt dazu beitragen kann, dem deutschen Namen wieder das Ansehen von einst zu geben, damit wir wieder aufrecht durch alle Länder der Erde schreiten können. Wir dürfen nicht vergessen und wollen auch nicht vergessen, solange nur die geringsten Spuren der Barbarei in Deutschland und außerhalb Deutschlands noch zu sehen sind. Ich glaube, wir Deutsche müssen froh und dankbar darüber sein, daß man uns nach dem, was wir der Welt angetan haben, und, ich sage ganz bewußt: nach dem Unmenschlichen, was durch die Schuld von Deutschen über Menschen gekommen ist, durch die Schuld von Menschen, die eben zu unserem Volk gehörten, heute im Kreise der Menschheit überhaupt schon wieder anerkennt. Wer je in Israel gewesen ist, meine Damen und Herren - und es sind einige Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses in Israel gewesen -, der wird es mir bestätigen, daß man beschämt und beglückt zu gleicher Zeit sein muß, beschämt darüber, welche antisemitischen Exzesse Deutsche in der Welt vollbracht haben, und zu gleicher Zeit beglückt darüber, daß es Menschen gibt, die oft die einzigen Überlebenden ihrer ganzen Familien sind - die anderen alle sind in den Konzentrationslagern umgekommen -, die einem die Hand reichen in dem Bewußtsein, daß es, wenn man überhaupt in Ruhe und Frieden leben will, wieder ein Nebeneinander und ein Miteinander geben muß. ({3}) Es muß einmal in dieser Stunde gesagt werden, daß wir es eigentlich gar nicht erwarten konnten, daß diese Menschen uns mit solchem Nachsehen und mit solchem Verzeihen entgegentreten. Ich bin der Meinung, daß das auch ein Erfolg dessen ist, was wir Deutsche, insbesondere wir im Deutschen Bundestag, auf dem Gebiete der Wiedergutmachung geleistet haben. Mehr als eine Million, wenn nicht gar mehrere Millionen Menschen, denen Unrecht geschehen ist, warten nun schon, wie Herr Kollege Böhm mit Recht sagte, elf bis 21 Jahre darauf, daß die Schäden, die an ihnen noch vorhanden sind, wenigstens materiell wieder gutgemacht werden - ein Teil der Schäden kann überhaupt nicht wieder gutgemacht werden - und daß mit der individuellen Wiedergutmachung auch ein Teil der Schuld abgetragen wird, die noch bergehoch vor uns steht. Wir wollen hier nicht noch einmal in eine Untersuchung der Gründe eintreten, die dazu geführt haben, daß wir uns heute noch mit Grundfragen der Wiedergutmachung beschäftigen müssen, wo es doch so sein sollte, daß wir bereits in der Endphase der Erledigung der Entschädigungssachen sind. Ich sage, wir wollen die Gründe dafür nicht untersuchen; sie sind vielfältig, und es würde uns in dieser Stunde nicht weiterbringen. Eines aber, glaube ich, dürfen wir als Gesetzgeber für uns in Anspruch nehmen, daß wir mit diesem Gesetz, wie es schon mehrfach gesagt worden ist, kein vollkommenes Gesetz vorlegen, aber ein Gesetz, mit dessen einzelnen Bestimmungen gearbeitet werden kann, wenn man arbeiten will, wenn man den guten Willen hat, mit diesem Gesetz zu arbeiten. Ich will ganz offen bekennen, daß meine Freunde und ich auch nicht mit allem, was in dem Gesetz steht, einverstanden sind und daß wir auch manches vermissen, von dem wir gewünscht hätten, daß es in dem Gesetz enthalten ist. Wir wissen ganz genau, daß die Schäden, die durch den Tod des Verfolgten herbeigeführt worden sind, nur unzulänglich wiedergutgemacht werden. Ebenso wissen wir ganz genau, daß die Renten - nicht nur die Mindestrenten, sondern zum Teil sogar die Höchstrenten - nicht ausreichend sind. Auch wissen wir ganz genau, daß es - und es sei hier geklagt - leider nationalsozialistische Verbrecher gibt, die hohe Pensionen beziehen oder deren Hinterbliebene hohe Hinterbliebenenbezüge erhalten, während ihre Opfer heute zum Teil noch mit Pfennigen abgespeist werden. Und man komme mir nicht immer wieder damit, zu sagen, dann sei eine andere Rechtsgrundlage gegeben, auf die wir Rücksicht nehmen müßten. Gewiß, das weiß ich selbst nur zu genau, daß eine andere Rechtsgrundlage dafür vorhanden sein kann - das allerdings auch nur zum Teil -, daß man anderen hohe Pensionen und Hinterbliebenenbezüge zahlen muß, oft vielleicht auch sehr gern zahlt, und daß keine aus, reichende Rechtsgrundlage dafür vorhanden war ({4}) und auch heute noch nicht dafür vorhanden ist, die Opfer dieser nationalsozialistischen Verbrecher entsprechend zu entschädigen. An uns ist es, diese Rechtsgrundlage zu schaffen. Wenn wir es wollen, können wir die Rechtsgrundlage dafür schaffen, daß die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wenigstens in gleicher Weise versorgt werden wie diejenigen, die sie verfolgt haben. ({5}) Es wird die Aufgabe dieses Hauses sein, wenn sich in der Zukunft herausstellt, daß hier noch etwas getan werden muß, dies auch zu tun. Wenn heute schon wieder zur Diskussion steht, für die sogenannten 131er 180 oder 200 Millionen DM auszugeben, heute, wo dieses Bundesentschädigungsgesetz noch nicht verabschiedet ist, dann habe ich dafür kein Verständnis. Wir wissen nur zu genau, daß ein Betrag von 150 DM überhaupt keine Entschädigung, überhaupt keine Leistung im eigentlichen Sinne für denjenigen ist, der dafür einen Monat im Konzentrationslager zubringen mußte. Wir wissen genau, daß Schäden, die an Körper und an Gesundheit eingetreten sind, teilweise nur unzulänglich ausgeglichen werden. Wir sind aber andererseits auch durchaus bereit, anzuerkennen, daß sehr viele Bestimmungen in dem Gesetz jetzt eine positive Regelung enthalten, die es den Behörden draußen ermöglicht, das zu tun, was wir schon lange getan wissen wollten und was auch schon lange hätte getan werden können. Wir haben es an Beispielen gesehen, daß dann, wenn der entscheidende Mann, nämlich der zuständige Minister oder Senator eines Landes, nur gewillt ist, entsprechende Anweisungen zu geben, die Behörden nicht nur in der Lage, sondern auch willens sind, entsprechend diesen Anweisungen auf dem Gebiet der Entschädigung zu handeln. ({6}) Es wird auch in Zukunft auf den einzelnen Menschen ankommen, der anzuordnen hat, beziehungsweise auf denjenigen, der als Richter zu entscheiden hat, wie dieses Gesetz angewendet werden soll. Meine Damen und Herren, ich habe die Hoffnung, daß die Verwaltung, die so oft von mir von dieser Stelle aus wegen ihrer Unzulänglichkeiten bei der Anwendung des Bundesentschädigungsgesetzes, des bisherigen Bundesergänzungsgesetzes, gescholten worden ist, endlich erkennt, daß nur dann wiedergutgemacht werden kann, wenn Gesetzgebung und Verwaltung hier Hand in Hand arbeiten. Ich glaube, wir haben oft genug durch Redner aller Fraktionen dieses Hauses zu erkennen gegeben, in welchem Geist wir wiedergutgemacht wissen wollen. Aber es ist auch notwendig, daß wir die Kollegen von uns in den Landtagen bitten, dafür zu sorgen, daß die Landesregierungen das tun, was von ihnen aus notwendig ist. Wenn man beispielsweise die Unzulänglichkeiten technischer Art betrachtet, die einem oft begegnen, dann muß man sagen, daß eben durch diese Unzulänglichkeiten manches nicht geschieht, was sonst geschehen würde; ich will damit nicht sagen, daß man es begreifen kann. Beispielsweise ist mir letzte Woche auf der Entschädigungsbehörde einer Regierung gesagt worden, daß zwei Beamte, die noch vor drei Jahren in der Hauptstadt dieses Landes waren, in der Entschädigungsbehörde diejenigen Schreibmaschinen wieder vorgefunden haben, die in der Landesregierung bereits vor drei Jahren als unbrauchbar aussortiert worden waren! An diesem Beispiel können Sie ermessen, wie zum Teil die Wiedergutmachung bewertet wird. An solchen Kleinigkeiten kann man erkennen, mit welchem Geist man an die Wiedergutmachung herangeht. ({7}) Es kommt vor, daß von Sachbearbeitern erledigte und abgezeichnete Entscheidungen nur deswegen sechs und heute schon zehn Wochen in den Fächern unerledigt liegen blieben, weil die notwendigen Schreibkräfte fehlen. Wenn ich Ihnen das hier sage, hoffe ich, daß Sie mir das abnehmen; aber draußen in der Welt bringt doch kein Mensch Verständnis dafür auf, daß ein vom Sachbearbeiter erledigter und unterzeichneter Antrag zehn Wochen liegenbleiben muß, bis die Stenotypistin ihn in die Hand nimmt, um ihn zu schreiben. Das sind Tatsachen, meine Damen und Herren, und jeder von Ihnen kann mich fragen, welches diese Entschädigungsbehörde ist, bei der etwas Derartiges passiert ist und noch laufend passiert. Das sind Aufgaben, die die Länder zu erfüllen haben. Aber die Länder und insbesondere die Haushaltsreferenten der Länder kümmern sich oft um andere Dinge. Sie machen nämlich Politik. Das ist erst heute morgen wieder geschehen. Der Haushaltsreferent eines Landes hat in der Besprechung, die im Bundesrat stattgefunden hat, geglaubt, sich mit uns auseinandersetzen zu müssen. Denn er war der Auffassung, daß die Soforthilfe, in § 141 des Gesetzes, aus dem Gesetz wieder heraus sollte. Er ist auch der Auffassung gewesen, daß die persönliche und räumliche Ausweitung der Bestimmungen dieses Gesetzes auf den Kreis der aus der Sowjetzone und aus den ostdeutschen Gebieten stammenden Entschädigungsberechtigten wieder rückgängig gemacht werden sollte. Er ist auch der Auffassung gewesen, daß die Lastenverteilung anders geregelt werden sollte, als wir sie vorschlagen. Gut, zu dem letzten Punkt konzediere ich dem Haushaltsreferenten eines Landes das Recht, Stellung zu nehmen, inwieweit die Kosten auf Bund und Länder verteilt werden sollten. Ich konzediere aber keinem Haushaltsreferenten, Politik zu machen. Dazu ist er nicht da, meine Damen und Herren. ({8}) Es ist unser e Aufgabe, zu sagen, ob Soforthilfe gezahlt werden soll oder nicht, und wenn wir beschließen, dann hat der Haushaltsreferent das hinzunehmen. Ich gestehe nur dem zuständigen Minister dieses Landes das Recht zu, sich mit uns darüber auseinanderzusetzen. Ein Haushaltsreferent aber soll sich in den Bundestag oder in den Landtag seines Landes wählen lassen, wenn er Politik machen will. Als Haushaltsreferent hat er nur seinen Minister zu beraten und nicht uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Aber das ist zuweilen das System dieser Herren, als verhinderte Politiker das zu tun, was sie auf andere Weise zu erledigen nicht vermögen, und dagegen müssen wir uns mit aller Schärfe wenden. Wir sollten das mit aller Deutlichkeit sagen, und ich habe nur den Wunsch, daß die Mitglieder des Bundesrates selbst, nämlich die Ministerpräsidenten und Minister, sich ganz deutlich von dieser Methode absetzen und sich nicht zu Werkzeugen ihrer eigenen Beamten machen lassen, und zwar bei entscheidenden politischen Fragen. Die Beamten sind - wie gesagt - dazu da, ihre Minister in sachlichen und fachlichen Fragen zu beraten. Sie können ihren ({9}) Ministern aber nicht die politische Entscheidung abnehmen, und wir müssen wünschen, daß auch der Teil dieses Parlaments, der sich noch mit dieser Angelegenheit zu befassen hat, dieses Gesetz politisch sieht und nicht unter dem Aspekt, ob eine Million mehr oder eine Million weniger von der Gesamtheit der Länder oder vom Bund getragen werden soll. Wenn wir das erst zulassen, dann begeben wir uns hoffnungs- und rettungslos in die Hand der Ministerialbürokratie und werden da nie wieder herauskommen; denn was die erst in den Fingern haben, das lassen sie nicht mehr los, meine Damen und Herren. ({10}) Es ist auch noch auf einen anderen Umstand hinzuweisen, der insbesondere den Beamten und Angestellten - die Richter der Entschädigungsgerichte kommen hier weniger in Frage - das Leben außerordentlich sauer macht. Ich glaube, Herr Kollege Reif hat das bereits angedeutet. Ich meine die Rechnungshöfe. Ich weiß nicht, ob der Bundesrechnungshof hier einbezogen werden muß, kann es mir im Augenblick aber nicht vorstellen. Wahrscheinlich trifft das, was ich jetzt zu sagen habe, zunächst die Landesrechnungshöfe. Es handelt sich hier darum, daß die Rechnungshöfe in einigen Ländern fortgesetzt daran tätig sind, ihr eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Entschädigungsbehörden zu setzen. Die Entschädigungsbehörden haben die Fälle zu bearbeiten und zu erledigen, und dann kommen die Rechnungshöfe und prüfen den Fall nochmals in genau derselben Weise nach, wie der Beamte, der ihn erst zu erledigen hatte, verpflichtet war, diesen Fall zu prüfen und zur Entscheidung zu bringen. Es kann nicht die Aufgabe der Rechnungshöfe sein, auf diese Weise den Beamten in den Entschädigungsbehörden und den Angestellten das Leben unerträglich zu machen. Was ist der Erfolg? Der Erfolg ist, daß die Tätigkeit der Rechnungshöfe hier eine außerordentlich bremsende Wirkung hat, daß die Beamten unlustig werden und daß auf diese Weise ein Zustand eintritt, in dem kein Beamter und Angestellter mehr in der Lage ist, in der Freiheit und mit der Beherztheit zu arbeiten, und -wie es von meinem Freund Arndt immer wieder gesagt wird - auch mit der Großherzigkeit zu arbeiten, mit der gerade auf dem Gebiet der Wiedergutmachung gearbeitet werden muß. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen Appell an den Bundesrat, der sich ja in einer seiner nächsten Sitzungen mit dem Bundesentschädigungsgesetz zu befassen haben wird, richten. Ich möchte den dringenden Appell an den Bundesrat richten, nicht kleinliche Gesichtspunkte der Kostenverteilung grundlegend dafür zu machen, ob die Verkündung dieses Gesetzes und damit sein Inkrafttreten eine Verzögerung erleiden soll oder nicht. Es versteht draußen in der Welt keiner. daß solche Gesichtspunkte überhaupt noch diskutiert werden. Es versteht draußen in der Welt kein Mensch, daß wir hier bei der Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes Dinge zur Erörterung zulassen, über die, wie der Herr Bundesfinanzminister oder sein Herr Staatssekretär bei der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs zum Ausdruck gebracht hat, bereits eine Einigung zwischen dem Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern bestand. Es wäre. glaube ich, politisch nicht nur nicht zu begrüßen. sondern unerträglich für uns, wenn sich der Bundesrat etwa anschicken sollte, wegen der nach unserer Auffassung wirklich sehr vernünftigen Lastenverteilung den Vermittlungsausschuß anzurufen. Ich will damit keine Drohung aussprechen. Ich will damit auch kein Mitglied des Bundesrates politisch erpressen. Die Herren Mitglieder des Bundesrates haben selbstverständlich nach ihrer eigenen Kenntnis und nach ihrer eigenen Fähigkeit, solche Entscheidungen politisch zu treffen, sich zu entscheiden. Ich will nur hoffen, daß sie sich nicht nach den Einflüsterungen ihrer Referenten, sondern nach dem richten, was sie politisch als unsere Aufgabe zu begreifen imstande sind. Wenn sie dies zur Grundlage ihrer Entscheidung machen, bin ich dessen sicher, daß eine gute Entscheidung auch im Bundesrat herauskommen wird. Meine Damen und Herren! Ich sagte bereits: In dieser Stunde, in der die Weltöffentlichkeit auf den Deutschen Bundestag blickt, ist es unsere Aufgabe, zu bekunden, daß die Bundesrepublik das verletzte Recht wiederherstellen und gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus zum Ausdruck bringen will, daß wir bei der Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes nicht nur hoffen, daß entschädigt wird, sondern daß wir wünschen, daß Deutschland langsam wieder die menschlichen Beziehungen herzustellen hilft, ohne die wir angesichts der heute noch vorhandenen Not bei Millionen von politisch Verfolgten nicht in Ruhe und nicht in Frieden leben können. Ich glaube, wir sollten am Schluß dieser Debatte wünschen, daß in dem Geist, der heute die Beratung des Bundestages beseelt hat, alle diejenigen an die Arbeit nach dem neuen Bundesentschädigungsgesetz gehen, die mit ihm zu tun haben. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion stimmt diesem Gesetz trotz Bedenken, die sie hat, freudig und gern zu. ({11})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache in der dritten Lesung liegen mir nicht vor; ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich trete in die Einzelberatung der dritten Lesung ein und rufe auf Artikel III Nr. 16. Dazu liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck 616*) vor. Ich erteile dem Abgeordneten Dr. Kopf das Wort zur Begründung.

Dr. Hermann Kopf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in der zweiten Lesung den von der Fraktion der SPD gestellten Antrag Umdruck 612 Ziffer 1 abgelehnt, dagegen den Antrag Ziffer 2 desselben Umdrucks angenommen. Es bedarf eines kurzen Hinweises darauf, um welche Frage es sich hierbei gehandelt hat. § 183 des Gesetzentwurfs sieht vor, daß die Landesjustizverwaltung Organisationen, deren Aufgabe in der Wahrnehmung der Interessen von Verfolgten besteht, die Erlaubnis erteilen kann, ihre Mitglieder in Rechtsangelegenheiten unentgeltlich zu beraten und im Verfahren bei den Entschädigungsbehörden unentgeltlich zu vertreten. Hierüber besteht und bestand allgemeines Einverständnis. Der Antrag der SPD auf Umdruck 612 hat darüber hinaus gewünscht, daß diese Organisationen ihre Mitglieder nicht nur bei den Entschädigungs- *) Siehe Anlage 6. ({0}) behörden, sondern auch bei den Entschädigungsgerichten vertreten dürfen. Ziffer 2 desselben Antrags hat weiterhin verlangt, daß eine Organisation, die United Restitution Organization, in gleicher Weise die Entschädigungsberechtigten im Verfahren nicht nur bei den Entschädigungsbehörden, sondern auch bei den Entschädigungsgerichten vertreten darf, ohne aber den Beschränkungen des § 183 Abs. 2, die für andere Organisationen gelten, zu unterliegen. Nun ist in zweiter Lesung der erste Antrag der SPD abgelehnt, der zweite dagegen angenommen worden. Diese eigenartige Entscheidung, den einen, umfassenden Antrag abzulehnen und den anderen, speziellen Antrag anzunehmen, entbehrt einer gewissen Logik; denn wenn allein die United Restitution Organization das Recht bekommt, die Verfolgten vor den Entschädigungsgerichten zu vertreten, würde sie gegenüber den anderen Organisationen begünstigt, die sich auch zur Aufgabe gemacht haben, die Interessen der Verfolgten wahrzunehmen, und dieses Recht einer Interessenvertretung vor den Gerichten nicht besitzen. Der Bundesminister der Justiz hat vorhin in seinen Ausführungen, denen ich mich in vollem Umfang anschließen möchte, dargelegt, aus welchen Gründen er den beiden Wünschen der SPD im Umdruck 612 nicht beipflichten kann. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß ein Bedürfnis, diesen Organisationen die Vertretungsbefugnis auch bei den Entschädigungsgerichten zu gewähren, nicht besteht. Das Bedürfnis besteht in der Tat deshalb nicht, weil wir die Einrichtung des Armenrechts haben und weil jeder Verfolgte, der bedürftig ist, die Möglichkeit hat, um das Armenrecht nachzusuchen, und dann auch einen Vertreter zu) gewiesen bekommt. Er ist auch in der Lage, sich bei einfacheren Fällen selbst zu vertreten. Darüber hinaus würde die Annahme des SPD-Antrags eine Rechtslage schaffen, die von unseren allgemeinen prozessualen Rechtsbestimmungen völlig abweicht. Denn wir haben in unserem ganzen Prozeßverfahren zwar die sogenannte Postulationsfähigkeit von natürlichen Personen, aber nicht von juristischen Personen, und eben diese Postulationsfähigkeit juristischer Personen sollte erstmals hier eingeführt werden. Es erscheint mir auch nicht richtig, sich auf das Arbeitsgerichtsverfahren beziehen zu wollen; denn auch beim Arbeitsgerichtsverfahren sind es ganz bestimmte natürliche Personen, nämlich Vertreter von Gewerkschaften, die auftreten können, es sind aber nicht juristische Personen als solche, denen die Postulationsfähigkeit erteilt worden ist. Aus diesem Grunde möchte ich die Bitte aussprechen, dem Antrag Umdruck 616*), der sich die Wiederherstellung der Ausschußvorlage zum Ziel gesetzt hat, stattzugeben. Gleichzeitig möchte ich beantragen, den von der SPD gestellten Antrag Umdruck 615**), der die Aufhebung des in zweiter Lesung gefaßten Beschlusses vorsieht, abzulehnen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Herr Abgeordneter Frenzel!

Alfred Frenzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000580, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine ausländische Organisation, und zwar um die United Restitution *) Siehe Anlage 6. **) Siehe Anlage 5. Organization, eine Organisation, die sehr viel für die politisch Verfolgten innerhalb Deutschlands getan hat, eine Organisation, die nicht nur Rechtsanwälte beschäftigt, die hier die Interessen der politisch Verfolgten wahrzunehmen haben, sondern deren Funktionäre, da sie jahrelang mit der Materie vertraut sind, genau wissen, was sie auf der Grundlage der Gesetzgebung zum Nutzen der politisch Verfolgten tun können. Infolgedessen bin ich der Meinung, daß der Antrag auf Umdruck 616, der nun gestellt wurde, abgelehnt werden sollte. Vielleicht darf ich, Herr Präsident, auch gleich den Antrag auf Umdruck 615 noch einmal begründen. Wir haben die Anträge, die wir in der zweiten Lesung gestellt hatten, wiederholt, weil uns das, was der Herr Bundesminister für Justiz als Begründung gegen diese Anträge gesagt hat, nicht überzeugt hat. Wir sind der Meinung, daß sich die Regierung doch etwas dabei gedacht haben muß, wenn sie in ihrer Vorlage weiter gegangen ist, als wir das mit unserem Antrag wünschen. Es ist nun einmal so - alle, die draußen im praktischen Leben stehen, können das doch bezeugen -, daß eben nicht jeder politisch Verfolgte zu einem Rechtsanwalt gehen will und gehen kann. Wenn wir in dem gesamten Gesetz keinen Anwaltszwang haben - und wir haben keinen Anwaltszwang darin -, dann verstehe ich nicht, warum man ausgerechnet hier diesen Anwaltszwang festlegen soll. ({0}) Wenn Sie einmal die alte Drucksache hernehmen und sehen, was die Bundesregierung dort als Begründung angeführt hat, dann müssen Sie sagen, daß das, was sie heute will und heute sagt, das Entgegengesetzte von dem ist, was sie damals gesagt hat. Die Bundesregierung ist damals zu der Überzeugung gekommen, daß wegen der praktischen Tätigkeit der Verfolgtenverbände draußen eine solche Lösung notwendig ist. In der ersten Lesung im Ausschuß ist das auch so angenommen worden. Wenn die Dinge nun von Rechtsanwaltsseite anders vorgeschlagen werden, dann sollte das für uns doch kein Grund sein, dem alten Entwurf zuzustimmen. Infolgedessen bin ich der Meinung, daß Sie den Antrag auf Umdruck 616 ablehnen sollten, hingegen die Anträge, die von der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck 615 erneut gestellt werden, annehmen sollten. Ich bitte also das Hohe Haus. den Antrag auf Umdruck 616 abzulehnen, dagegen den Antrag auf Umdruck 615 anzunehmen. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Böhm.

Dr. Franz Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000215, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben ja vorhin über einen Antrag der SPD wegen der Vertretung in erster Instanz abgestimmt. Da ist der eine Antrag zugunsten der allgemeinen Verfolgtenorganisationen abgelehnt und der andere Antrag, der die United Restitution Organization betrifft, ist angenommen worden. Ich will gar nicht auf die Frage eingehen, ob das nun Zufallsmehrheiten waren oder ob eine Absicht dahintergesteckt hat. Aber der Zufall hat es so gewollt, daß der Antrag hinsichtlich der einen Organisation angenommen worden ist. Die Annahme des Antrages ist sowieso keine Angelegenheit der Parteibekenntnisse. Über diese Frage haben wir ja auch im Wiedergutmachungs({0}) ausschuß sehr lange verhandelt, und einige waren dafür, einige waren dagegen. Ich habe an und für sich mit dem Antrag der SPD im ganzen sympathisiert. Aber bei der Frage, in der der Antrag der SPD angenommen worden ist, handelt es sich um das Recht der URO - also der ausländischen Verfolgtenorganisation -, auch vor den Gerichten zu vertreten. Nun handelt es sich bei dieser Organisation in der Tat um eine ganz ausgezeichnet organisierte, mit hochspezialisierten Juristen ausgestattete Einrichtung. Sie vertritt ja in allererster Linie solche Verfolgte, die im Ausland wohnen, und Verfolgte, die - das müssen wir ihnen nachfühlen können - gewisse berechtigte Hemmungen haben, sich von deutschen Anwälten vertreten zu lassen. Sie wohnen im Ausland, wissen hier nicht Bescheid, während diese United Restitution Organization ihr Vertrauen genießt und ganz zweifellos mit Recht. Diese Büros haben sich auch das Vertrauen unserer Entschädigungsbehörden - auch der Länderinstanzen - erworben. Ich möchte doch glauben, daß wir es bei der Abstimmung, wie sie nun einmal erfolgt ist, belassen sollten. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Abgeordneter Dr. Kopf!

Dr. Hermann Kopf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001179, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin voll überzeugt von all dem, was Herr Kollege Böhm über die Qualifikation der United Restitution Organization gesagt hat, und ich bin auch überzeugt davon, daß sich diese Organisation um die Wahrnehmung der Rechte der Verfolgten sehr verdient gemacht hat. Ich bin aber dagegen, daß wir in einem Punkte, in dem es nicht notwendig erscheint, an der Fortsetzung der Zersplitterung unseres Rechts teilnehmen und sie aktiv fördern. Wir sollten danach streben - und maßgebende Organisationen haben das auf ihren Tagungen immer und immer wieder zum Ausdruck gebracht -, daß wir bestimmte Prinzipien sowohl des materiellen Rechts als auch des Prozeßrechts einheitlich durchführen. Von diesen Prinzipien sollten wir nur dann abweichen, wenn eine zwingende Notwendigkeit hierfür besteht. Eines dieser Prinzipien ist aber - und dieses Prinzip durchzieht unser gesamtes prozessuales Recht -, daß nur die natürliche Person und nicht die juristische Person berechtigt ist, vor Gericht Rechte geltend zu machen. Es müßten schon sehr schwerwiegende Momente sein - im Arbeitsgerichtsverfahren haben wir bestimmte Variationen vorgenommen -, die uns berechtigen und ermutigen könnten, von diesen Rechtsprinzipien abzuweichen. Wenn wir den Versuch machen, in jedem einzelnen Verfahren abweichend von den allgemeinen Prinzipien des Prozeßrechts bestimmte spezielle Modifikationen vorzunehmen, dann erweisen wir meines Erachtens im Endergebnis unserem Recht als einer Einheit einen sehr schlechten Dienst. Wir dürfen unser Recht nicht zerreißen. Wir müssen versuchen, die allgemeinen Maximen aufrechtzuerhalten. Das ist der wesentliche rechtspolitische Gesichtspunkt. Auf die anderen Gesichtspunkte, die der Herr Bundesiustizminister vorhin dargelegt hat, möchte ich nicht nochmals zurückkommen. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung. Ich rufe noch die Anlage zu Artikel I, und zwar den § 183, auf. Der Änderungsantrag Umdruck 615, der dazu vorliegt, ist schon mit begründet worden. Da ich nach der Logik vorgehen möchte, lasse ich zuerst über den Umdruck 615 *) abstimmen, und zwar über den Antrag, in § 183 Abs. 2 - ich lasse über a und b abstimmen, weil ihr Inhalt innerlich, materiell verschieden ist - Satz 1 nach den Worten „bei den Entschädigungsbehörden" die Worte „und bei den Landgerichten" einzufügen. Das ist Buchstabe a des Antrags. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 615 zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 615 Buchstabe b, im Satz 2 des § 183 Abs. 2 die Worte „wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insbesondere," zu streichen. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt. Ich komme nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 616**), der da lautet: „Zu Artikel III - In Nr. 16 ist die Fassung der Beschlüsse des 37. Ausschusses - Drucksache 2382 - wiederherzustellen." Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit der gleichen Mehrheit wie vorhin angenommen. Damit komme ich zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in der Form, die es soeben noch erhalten hat, im übrigen in der Fassung der zweiten Beratung und der Anlage zu Artikel I des Gesetzes im ganzen zuzustimmen wünscht, möge sich vom Platz erheben. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Ich rufe noch die Ausschußanträge unter den Ziffern 2 und 3 auf Seite 17 der Drucksache 2382 auf. Wer diesen Ausschußanträgen zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Ich rufe Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf: a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung und der StraßenverkehrsOrdnung ({0}) ({1}); b) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Lastkraftwagenverkehr ({2}); c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Bleiß und Genossen betreffend Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO - ({3}). Wird der Antrag unter Punkt 4 a begründet? - Abgeordneter Rademacher! Rademacher ({4}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Unter Hinweis auf die schriftliche Begründung möchte ich auf eine weitere mündliche Begründung verzichten. Der Sinn des Antrags ist, *) Siehe Anlage 5. **) Siehe Anlage 6. ({5}) letzten Endes eine verkehrspolitisch wichtige Entscheidung durch dieses Haus treffen zu lassen. Ich darf Ihnen empfehlen, den Antrag ohne Debatte an die vorgesehenen Ausschüsse zu überweisen. ({6})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Sie haben die Ausführungen der antragstellenden Fraktion gehört. Ich muß geschäftsordnungsmäßig die Aussprache eröffnen. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung in der ersten Lesung. Es ist beantragt: Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Verkehrswesen - federführend -, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung. Ist das Haus mit dieser Art des Verfahrens einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Dann erteile ich das Wort zur Begründung des Antrags Drucksache 2367 dem Abgeordneten Rademacher. Rademacher ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Angesichts der vorgeschrittenen Stunde will ich mich genauso kurz fassen. Dieser Antrag der FDP soll dazu dienen, die Sicherheit auf den Straßen weiterhin zu erhöhen. Ich schlage Ihnen vor, daß auch dieser Antrag ohne Debatte dem Verkehrsausschuß überwiesen wird. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Beratung in erster Lesung. Es ist beantragt, den Antrag Drucksache 2367 an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; dann ist so beschlossen. Nunmehr erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Bleiß zur Begründung des Antrags Drucksache 2420. Dr. Bleiß ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie angesichts der vorgeschrittenen Zeit um Entschuldigung, wenn ich ein paar Sätze zur Begründung unseres Antrages sage. Wir sind der Auffassung, daß es vermeidbar gewesen wäre, das Hohe Haus im gegenwärtigen Zeitpunkt mit den Maßen und Gewichten für Lkws zu befassen, wenn sich der Herr Bundesverkehrsminister ernsthaft darum bemüht hätte, die Beschlüsse des Verkehrsausschusses des Bundestages zu berücksichtigen. Wir haben zu unserem Bedauern feststellen müssen, daß sich der Herr Bundesverkehrsminister über die Beratungsergebnisse des Ausschusses hinweggesetzt und dadurch eine erhebliche Unruhe in das Gewerbe getragen hat. Wir haben seinerzeit das Verhalten des Herrn Bundesverkehrsministers kritisiert und zum Ausdruck gebracht, daß wir darin einen mangelnden Respekt vor den Beschlüssen eines parlamentarischen Ausschusses erblicken. Ich muß heute diese Kritik auf einen weiteren Tatbestand ausdehnen: auf die Tatsache, daß seitens des Bundesverkehrsministeriums, Abteilung Straßenverkehr, versucht worden ist, bei der Beratung über die Rechtsverordnung einzelne Abgeordnete durch eine intensive Bearbeitung in ihrer Meinungsbildung zu beeinflussen. Ich möchte Sie, Herr Minister, sehr darum bitten, dafür zu sorgen, daß sich derart unmögliche Praktiken in Zukunft nicht wiederholen. Aus dem Gesamtkomplex der Maße und Gewichte haben wir mit unserem in der Drucksache 2420 vorliegenden Antrag eine Sonderfrage herausgegriffen: die der Übergangszeiten, die aber für das Güterkraftverkehrsgewerbe eine besonders schwere und drückende Belastung bedeutet. Der Verkehrsausschuß und auch andere Ausschüsse des Bundestages waren sich bei ihren Beratungen darüber einig, daß die Änderung von Maßen und Gewichten an Fahrzeugen erst nach einer wirtschaftlich vernünftigen Übergangszeit erfolgen könne, um den Verkehrsbetrieben die Möglichkeit einer Amortisation im Wege verbrauchsbedingter Abschreibungen zu geben. Diesem Tatbestand wurde auch Rechnung getragen durch die Festlegung einer Übergangszeit von vier Jahren. In die Rechtsverordnung, Herr Bundesverkehrsminister, ist nachträglich eine Bestimmung hineinmanövriert worden, die die beabsichtigte normale Abschreibungsmöglichkeit für Lastzüge dadurch aushöhlt, daß schon ab 1. Mai 1957 die volle Ausnutzung der Ladekapazität beschränkt werden soll. Ich möchte dazu nur zwei Sätze sagen. Nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung in der neuen Fassung darf ab 1. Mai 1957 das Gesamtgewicht des Anhängers das Gewicht des ziehenden Fahrzeugs nicht übersteigen. Das bedeutet, daß der Maschinenwagen und der Anhänger das gleiche Gesamtgewicht haben müssen. Bisher war es üblich, und zwar mit Genehmigung des Verkehrsministeriums und der zulassenden Stellen, daß das Anhängergewicht etwa 50 % höher sein durfte als das des ziehenden Fahrzeuges. Der Vertreter der Bundesregierung hat kürzlich vor dem Hohen Haus zugegeben, daß man sich damals geirrt habe. Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn die Beschränkung des Anhängergewichtes ab 1. Mai des nächsten Jahres in Kraft treten sollte, dann bedeutet das für viele Fahrzeuge die Verringerung des zulässigen Ladegewichtes um etwa ein Drittel und damit die Verminderung der Frachteinnahmen ebenfalls um ein Drittel bei nahezu gleichbleibenden Kosten. Diese schon für den 1. Mai des nächsten Jahres in Aussicht genommene Kürzung des Ladegewichtes bedeutet besonders für den gewerblichen Güterkraftverkehr eine unzumutbare wirtschaftliche Härte; denn es wird auch dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt sein, daß der überwiegende Teil der Lastzüge nicht mit Eigenkapital, sondern mit Akzepten finanziert worden ist, die bei der Fälligkeit aus den laufenden Frachteinnahmen eingelöst werden müssen. Die Finanzierung mit Akzepten ist zweifellos eine ungesunde Finanzierungsmethode. Aber der Herr Bundesverkehrsminister ist an dieser Finanzierungsmethode nicht ganz unschuldig; denn ich glaube, daß durch seine Ausführungen vor dem Bundestag im Jahre 1952 im Zusammenhang mit dem Rechenberg-Antrag der Bau von Schwerlastfahrzeugen geradezu provoziert worden ist. Bei einer Verminderung der Frachteinnahmen ab Mai des nächsten Jahres wird die ordnungs({1}) gemäße Amortisation des investierten Kapitals nicht mehr möglich sein. Ich habe die Befürchtung, daß dann die Gefahr besteht, daß Akzepte in großer Zahl zu Protest gehen und die Existenz vieler mittelständischer Betriebe, die vielleicht schon seit Generationen im Gewerbe tätig sind, bedroht wird. Deswegen glaube ich, Herr Minister, daß es dringend notwendig ist, die unzumutbare wirtschaftliche Härte, die ja nicht allein das Gewerbe zu treffen braucht, sondern bei finanziellen Zusammenbrüchen noch weitere volkswirtschaftliche Folgewirkungen haben kann, zu beseitigen. Das ist der Sinn des Antrages, den ich zu begründen hatte. Ich bitte um Überweisung des Antrags Drucksache 2420 an den Verkehrsausschuß. ({2})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Bleiß möchte ich folgendes bemerken. Die Bestimmung, die er in seinem Antrag angreift, hatte bekanntlich in der Regierungsvorlage keine Aufnahme gefunden. Es ist auch dem Herrn Kollegen Dr. Bleiß bekannt, daß die Frage verschiedener Gewichte bei dem ziehenden und bei dem gezogenen Fahrzeug bei den langwierigen Verhandlungen im Ausschuß für Verkehrswesen eine besondere Rolle gespielt hat und daß es die Auffassung der Sachverständigen war, daß man zur Vermeidung von dringend zu beseitigenden, polizeiwidrigen Zuständen auf den Straßen, nämlich einer schweren Gefährdung des Straßenverkehrs durch dieses Gewichtsverhältnis, sobald das möglich sei, zu einer Änderung kommen sollte. Auch der Ausschuß für Verkehrswesen hat mit großer Mehrheit beschlossen, daß es in Zukunft bei dem Verhältnis 1 : 1 sein Bewenden haben soll und daß das Verhältnis 1 : 1,5 oder ein zwischen 1 : 1 und 1 : 1,5 liegendes Verhältnis nicht beibehalten werden kann. Dies ist auch die Auffassung weiter Kreise der Automobilindustrie. Die Auffassung von weiten Kreisen der Automobilindustrie hat sich gegenüber den früheren Jahren geändert. Als wir seinerzeit - es war 1950/51 - diese Frage mit den Sachverständigen der Automobilindustrie besprachen, waren die Herren der Auffassung, es sei möglich, durch entsprechende Bremseinrichtungen dafür zu sorgen, daß auch bei einem Verhältnis von 1 :1,5 der Lastzug stets sicher in der Hand des Fahrers sei. Es hat sich gezeigt, daß die damaligen Auffassungen der Sachverständigen der Kraftfahrzeugindustrie nicht zutrafen. Die Möglichkeiten des Ausbaus der Bremsen haben sich als nicht zureichend erwiesen. Es ist leider sehr oft der Fall, daß sich die Schubkräfte dieser überschweren Anhänger. insbesondere wenn sie, wie das vielfach der Fall ist, überladen sind. vor allen Dingen auf Gefällestrecken, außerordentlich gefährlich auswirken und daß die Bremsen dann oftmals versagen. Wir kennen eine ganze Fülle schwerer Unfälle, in denen Menschen zu Dauerschäden oder gar zu Tode gekommen sind. Ich darf wiederholen, daß diese Bestimmung in den Verordnungsentwurf der Bundesregierung, der aus dem Juli vorigen Jahres stammt, nicht aufgenommen worden ist, weil sich diese Erkenntnisse erst aus den Sachverständigengutachten im Verkehrsausschuß herausgestellt haben. Es hat sich damals auch herausgestellt, daß der Versuch, dem durch eine weitere, eine dritte Anhängerbremse Rechnung zu tragen, offenbar für die Sicherheit im Verkehr nicht genügt hat. Der Bundesrat hat deshalb diese Ergebnisse aufgenommen. Der Bundesrat war ja über die Verhandlungen im Ausschuß für Verkehrswesen sehr eingehend unterrichtet, nicht nur mündlich, sondern auch durch Übermittlung aller Unterlagen und aller Sachverständigengutachten. Aus der Mitte des Bundesrates ist deswegen der Wunsch gekommen, den Verordnungsentwurf der Bundesregierung zu ergänzen und in ihn diese Bestimmung des Verhältnisses zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug 1 : 1 aufzunehmen. Aus der Mitte des Bundesrates ist außerdem der Wunsch gekommen, aus Gründen der Verkehrssicherheit - unter klarer Erkenntnis, daß sich dies nicht mit den wirtschaftlichen Erwägungen decken könne, wie das bei der Verminderung der Maße und Gewichte mit Bezug auf die Termine, wie sie in der Verordnung vorgesehen waren, der Fall ist - den jetzt erkannten polizeiwidrigen Zustand so bald als möglich zu beseitigen. Dies ist also eine Frage, die maßgeblich vom Gesichtspunkt der Unfallverhütung aus betrachtet und behandelt werden muß. Aus meinen Ausführungen geht wohl hervor - und ich werde darüber auch noch eine Veröffentlichung herausbringen -, in welcher Weise der Bundesminister für Verkehr die entsprechenden Beschlüsse des Bundestagsausschusses für Verkehrswesen sowohl im Bundeskabinett wie im Bundesrat vertreten hat und daß es nicht richtig ist, die Vorwürfe zu erheben, die Herr Kollege Dr. Bleiß erhoben hat. Sie finden in den tatsächlichen Vorgängen keine Stütze, mag es vielleicht auch so sein, daß es ihm von seinem Standpunkt aus so erschienen ist. Ich darf weiter bemerken, daß Sie mir wohl kaum eine Äußerung nachweisen können, mit der ich etwa aufgefordert hätte, irgendwelche Fahrzeuge auf Kredit oder gar auf Akzepte zu kaufen. Im Gegenteil, ich bin wiederholt öffentlich gegen diese Methoden des Kaufs von Lastkraftfahrzeugen aufgetreten und habe der Automobilindustrie auch wiederholt, schon in früheren Jahren, gesagt, daß ich diesen Weg für absolut schädlich und abwegig halte, und zwar deshalb, weil der Mann, der einen Lastkraftwagen per Akzept gekauft hat, gezwungen ist, um seine Raten hereinzufahren, Tag und Nacht durchzufahren und insbesondere, wenn er selber auf dem Bock sitzt, gerade dadurch in einen Übermüdungszustand kommt, der ihn selbst, seinen Wagen und die übrigen Straßenverkehrsteilnehmer gefährdet. Wir kennen auch einige Fälle, in denen solche Verhältnisse zu schweren Unfällen geführt haben. Dann aber ist in Wahrheit die Vernichtung eines mittelständischen Betriebes eingetreten, weil eben der Mann, um nur seine Raten hereinfahren zu können, in unangemessener Weise seine Gesundheit und seine Kräfte strapaziert hat. Das möchte ich hier doch noch einmal deutlich gesagt haben. ({0})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.

Willy Max Rademacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Nach diesen Ausführungen ist eine kurze Debatte ({0}) leider nicht ganz zu vermeiden. Es geht im Augenblick ja gar nicht um die Frage: Was ist das richtige Verhältnis, 1 : 1,5, 1 :1 oder, wie wir es in unserem Antrag 2360 meinen, unterstützt von einem großen Teil der Automobilindustrie, 1 : 1,2, durch das uns die Sicherheit genügend gewährleistet erscheint. Hier geht es um folgendes: daß nach dem Willen der Bundesregierung eine vernünftige Auslauffrist für eine neue Regelung gefunden wurde. Durch diese Verordnung, der sich der Herr Bundesverkehrsminister bei der Behandlung im Bundesrat offenbar nicht entsprechend entgegengestellt hat, wird durch eine Hintertür effektiv die gewollte Auslauffrist mit all ihren wirtschaftlichen Schäden von 1960 auf 1957 zurückgedreht. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es heute wohl kaum ein mittelständisches Gewerbe gibt, das in der Lage ist, den Barpreis von 60-, 70-oder 80 000 DM für ein Fahrzeug auf den Tisch zu legen. Das ist eben die Folge einer Mittelstandspolitik, die einen verkehrten Weg gelaufen ist. Dazu sind die Leute nicht imstande, und es ist nur möglich, derartige Objekte in der genannten Form zu finanzieren. Wenn die Auslauffrist nun am 1. Mai zu laufen beginnt, ergeben sich daraus die entsprechenden Konsequenzen. Wir haben jetzt nur über die Überweisung an den Ausschuß zu beschließen. Wir werden dann noch einmal Gelegenheit haben, die Sache eingehend zu besprechen. Aber eins darf ich Ihnen sagen: aus den vielen Gesprächen, die ich auch mit Länderministern und Ländervertretern geführt habe, ging ziemlich einwandfrei hervor, daß ein Teil der Länder sich bei der Abstimmung im Bundesrat nicht ganz klar darüber war, daß der eigentliche Auslauftermin von 1960 hiermit vollkommen I) auf den Kopf gestellt worden ist. ({1})

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000196, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal gemeldet, damit die Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers nicht unwidersprochen bleiben. Herr Bundesverkehrsminister, ich habe nicht behauptet, daß Sie zu einer Akzeptfinanzierung angeregt oder aufgefordert hätten. Aber ich habe behauptet, daß Sie nicht ganz unschuldig an der starken Verschuldung und Akzeptfinanzierung gewesen seien, weil Sie anläßlich der Rechenberg-Debatte im Jahre 1952 sich in der nachhaltigsten Weise im Hohen Hause nicht etwa für die 15-m-Linie, die damals vorgeschlagen worden war, sondern aus Gründen der internationalen Konkurrenz für die 20-m-Linie eingesetzt haben. Das hat natürlich damals die einschlägige Industrie veranlaßt, sich auf die neuen überschweren, wesentlich teureren Typen einzustellen. Derjenige, der mit seinem Betrieb konkurrenzfähig bleiben wollte, war gezwungen, sich den überschweren Lastzug anzuschaffen. Er hat deswegen eine starke Wechselfinanzierung auf sich nehmen müssen. Herr Minister, wenn man sich damals geirrt hat, dann ist natürlich heute sehr schwer zu verlangen, daß der Güterkraftverkehr von sich aus die wirtschaftlichen Konsequenzen aus einer falschen Politik der Bundesregierung zieht. Mit der Neuregelung ist eine so schwere wirtschaftliche Härte verbunden, daß wir uns darüber im Ausschuß noch einmal ausführlich unterhalten müssen. Ich habe damals Herrn Staatssekretär Bergemann gefragt, ob es eine andere Möglichkeit der Entscheidung gibt, wenn man aus Gründen der Sicherheit die überschweren Typen abschaffen muß. Damals wurde mir geantwortet, daß es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Bitte, wenn Sie in der Lage sind, eine andere Möglichkeit der Entschädigung zu diskutieren, wollen wir uns gern an einer solchen Diskussion beteiligen. Aber ich bin der Meinung, daß es bisher nicht üblich war, für irgendwelche Fehler in der Politik das Gewerbe die wirtschaftlichen Konsequenzen ziehen zu lassen.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. - Ing. Dr. - Ing. e. h. Dr. h. c. Hans Christoph Seebohm (Minister:in)

Politiker ID: 11002137

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann leider die Bemerkungen des Herrn Kollegen D r. Bleiß auch nicht ganz unwidersprochen im Raum stehen lassen. Tatsache ist folgendes: Wir haben im Jahre 1952 den zweiten und dritten Anhänger untersagt. Die Länge der Lastzüge ist damals von 24 bzw. 22 m auf 20 in verkürzt worden. Das war eine Abmachung, die wir mit der Industrie getroffen hatten, um zu verhindern, daß weiter mehrere Anhänger bei einem Lastzug Verwendung finden. Bei der Entscheidung über das Straßenverkehrssicherheitsgesetz, das darüber Bestimmungen nicht enthielt, hat unser Kollege Dr. von Rechenberg seinen Antrag auf Festlegung der Länge auf 15 m gestellt. Dieser Antrag hatte insofern eine Besonderheit, die der Kollege Dr. Bleiß zu erwähnen vergessen hat, als diese Länge von 15 m nach dem Willen des Kollegen Dr. von Rechenberg ohne Auslauffrist festgesetzt werden sollte. Deswegen habe ich mich gegen den Antrag gewendet und ausgeführt: wenn diese Bestimmung ohne Auslauffrist aufgenommen werde, würde eine entsprechende Vernichtung von Anlagevermögen eintreten, und diese könnten wir nicht hinnehmen. Versuche, mit Herrn Dr. von Rechenberg dahin abzukommen, daß er eine genügend lange Auslauffrist einsetzt, sind damals gescheitert. Auch in der dritten Lesung hat er seinen Antrag - jetzt mit einer zu kurzen Auslauffrist - wiederholt. Das Fehlen einer ausreichenden Auslauffrist hat die Bundesregierung in erster Linie veranlaßt, gegen diesen Antrag Stellung zu nehmen. Daß dieser Einspruch natürlich entsprechend weiter begründet wurde, ist Ihnen ja bekannt. Es ist aber nicht richtig, Herr Dr. Bleiß, wenn Sie sagen, es sei nun bei dieser Veränderung von 22 auf 20 m immer notwendig gewesen, einen überschweren Anhänger zu kaufen; sonst müßten ja alle Lastzüge mit diesen überschweren Anhängern versehen sein. Wir sehen aber, daß diese überschweren Anhänger nur einen relativ kleinen Teil der gesamten in Betrieb befindlichen Anhänger ausmachen, und zwar einen Teil, der unter 20 % liegt. Ich habe die genauen Zahlen jetzt nicht zur Hand. Es ist auch nicht richtig, daß die Leute damals gezwungen gewesen wären, solche Fahrzeuge neu zu kaufen. Der Präsident der Vereinigung für den gesamten Güterverkehr, Herr Geiger, der Ihnen doch gut bekannt ist, hat niemals einen solchen überschweren Anhänger in seinem Betrieb eingesetzt. Er hat mir dazu gesagt, daß ihm der über({0}) schwere Anhänger zu gefährlich sei und daß er seine Ladungen und seine Leute dadurch nicht gefährden wolle. Also hier sehen Sie doch, daß ein Mann, der weiß Gott Erfahrung hat und weiß Gott verantwortungsbewußt einen mittelständischen Betrieb leitet, nicht diesen Weg gegangen ist, der zwar möglich war, der aber nicht gegangen werden mußte, wenngleich es in der Freiheit des einzelnen lag, ob er ihn ging oder nicht. Hier liegt doch der Sachverhalt vor, daß ein sehr erfahrener Mann diesen Weg nicht gegangen ist. Das muß ich Ihnen auf das, was Sie sagten, entgegenhalten. Keineswegs haben wir durch diese Festlegung einer Maximallänge das Gewerbe etwa veranlaßt, diese Maximallänge auch bis zum Äußersten auszunutzen, und keineswegs haben es alle getan. ({1}) - Nein, Sie sehen doch, daß Herr Geiger mit seinem Betrieb den Wettbewerb sehr gut besteht, auch wenn er keine überschweren Anhänger hat. Sie werden keinen Lastzug des Herrn Geiger finden, der einen überschweren Anhänger hat. Ich kann Ihnen das nur zum Beweis anführen. Es gibt viele andere Firmen, die ich auch nennen könnte, die Sie aber vielleicht nicht so gut kennen, während Ihnen die Firma des Herrn Geiger bekannt ist. Ich möchte noch etwas anderes bemerken. Es gibt bekanntlich in dieser Verordnung die Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, zwar nicht generell, aber in Einzelfällen. Ich habe darüber mit der Anhängerindustrie schon gesprochen. Den Termin vom 1. Mai 1957 haben ja nicht w i r vorgeschlagen; aber Sie wissen, daß, wenn ein Antrag aus einem Hause kommt, sei es nun der Bundesrat, sei es der Bundestag, man diesem nicht unbedingt widersprechen kann, insbesondere wenn die Entscheidung über die ganze Materie wirklich auf des Messers Schneide steht. Sie würden das aus politischen Gründen auch nicht tun. Infolgedessen haben wir uns auf die Möglichkeit zur Erteilung von Ausnahmegenehmigungen verlassen, und ich habe die Herren von der Anhängerindustrie gebeten: „Bitte, nennen Sie mir all die Fälle, wo irgend jemand durch Akzeptverpflichtungen nach dem 1. Mai 1957 noch in Gefahr kommt." Diese Fälle werden wir im einzelnen überprüfen, und dafür können wir Ausnahmegenehmigungen erteilen, so daß die wirtschaftlichen Sorgen in dem Ausmaß, wie Sie sie haben, nicht begründet sein dürften.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung. Vorgeschlagen ist die Überweisung der Drucksache 2420 an den Ausschuß für Verkehrswesen - federführend - und an den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 5: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ({0}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({1}) ({2}). ({3}) Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Rademacher. Rademacher ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren, ich will auch hier so kurz wie möglich sein. Ich darf auf den Schriftlichen Bericht*) hinweisen. Worum es geht, wird Ihnen allen klar sein. Wir führen mit diesem Gesetz die Haftpflichtversicherung für alle Fahrzeuge ein, die vom Ausland in die Bundesrepublik einfahren. Ich erinnere Sie an die bedauerlichen Unglücksfälle, wo keinerlei Versicherung vorhanden war und der Material- und vor allen Dingen der Personenschaden in keiner Weise gedeckt war. Ich brauche nicht auf die Einzelheiten einzugehen. Ich brauche Ihnen nur zu sagen, daß die Wünsche des Bundesrates, die auch von der Bundesregierung unterstützt wurden, ich glaube, ohne Ausnahme akzeptiert worden sind. Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß die Möglichkeiten der Versicherungen mit dem HUK-Verband abgestimmt sind. Außerdem ist nach meiner Information das Ausland, das in einigen Ländern ebenfalls schon eine Zwangshaftpflichtversicherung kennt, über diese notwendige Maßnahme der deutschen Bundesregierung rechtzeitig informiert worden. Ich darf Sie bitten, dem Gesetz in dieser Form ohne Änderung in der zweiten und dritten Lesung Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002046

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Lesung des Gesetzes ein. Ich rufe auf - alles in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung - § 1, - § 2, - § 3, - § 4, -§ 5,-§ 6,-§ 7,-§ 8,-§ 9,-§ 10,-§ 11, - Einleitung und Überschrift. - Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Aussprache. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet. Wir treten in die dritte Beratung ein. Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die allgemeine Aussprache und komme zur Schlußabstimmung. Wer dem aufgerufenen Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Das Gesetz ist damit verabschiedet. Punkt 6: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das am 16. November 1955 unterzeichnete Dritte Zusatzabkommen zum Zollvertrag vom 20. Dezember 1951 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft ({0}). Auf Begründung und Aussprache in der ersten Beratung soll verzichtet werden. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Außenhandels- *) Siehe Anlage 7. ({1}) fragen. - Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen. Punkt 7: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung, Inbetriebnahme, Verlegung und Erweiterung von Mühlen ({2}) ({3}). Auch hier soll so verfahren werden. Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen. Punkt 8 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1956/57 sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({4}) ({5}). Auch hier schlage ich Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Liquidation der Deutschen Rentenbank und über weitere Maßnahmen zur Abwicklung der landwirtschaftlichen Entschuldung ({6}). Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für Geld und Kredit ({7}) ({8}). Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, dem Herrn Abgeordneten Wittenburg. ({9}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet auf einen mündlichen Bericht. Das Haus ist damit einverstanden. Ich trete in die zweite Lesung des Gesetzes ein und rufe auf§ 1,-§2,-§3,-§4,-§5,§ 6, - § 7, - Einleitung und Überschrift; alles in der Ausschußfassung. Ich frage: Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann komme ich zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift des Gesetzes zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?-Einstimmig angenommen. *) Siehe Anlage 8. Ich trete in die dritte Lesung ein. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte vom Platz. - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Damit ist auch dieses Gesetz verabschiedet. Ich rufe noch den zusätzlichen Punkt auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 10. März 1956 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über wirtschaftliche Zusammenarbeit ({10}). Auch hier soll nicht begründet und in der ersten Beratung nicht debattiert werden. Es tritt aber hier eine Komplikation auf bezüglich der Frage, welcher Ausschuß dieses Gesetz federführend bearbeiten soll. Es war zuerst vorgeschlagen: federführend Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, dann: federführend Ausschuß für Außenhandelsfragen. Nun wird mir hier eine Bemerkung vorgelegt, die da lautet: Der Ausschuß für Außenhandelsfragen beansprucht die Federführung, sagt hierbei jedoch zu, daß er den Gesetzentwurf so rechtzeitig beraten wird - voraussichtlich am 20. 6. -, daß die zweite und dritte Lesung in der Woche vom 25. 6., also noch vor der Sommerpause, vorgesehen werden kann. Für diesen Fall erhebt der Auswärtige Ausschuß keinen Einspruch 'dagegen, nur mitberatend beteiligt zu werden. Das ist nun eine Art des Verfahrens, die wir bis jetzt noch nicht geübt haben; es ist die Überweisung an einen Ausschuß als federführenden Ausschuß unter einer Bedingung; .die kennt unsere Geschäftsordnung nicht. Ich frage aber 'das Haus, ob es mit diesem Verfahren einverstanden ist; das Haus ist souverän. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann wird also so verfahren, wie ich eben vorgeschlagen habe: Überweisung an den Außenhandelsausschuß - federführend - mit dieser Klausel, wenn ich so sagen darf, und an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - mitberatend -. Damit, meine Damen und Heren, sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich darf noch bekanntgeben, daß im Anschluß an die Plenarsitzung der Arbeitskreis I der CDU/CSU-Fraktion im Zimmer 216 Altbau tagt. Ich berufe die nächste, die 148. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 7. Juni 1956, 14 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.